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Sachverhalt ab Seite 257 BGE 104 Ib 257 S. 257 A.X. ist Eigentümer einer Parzelle in Basel. Auf der Liegenschaft lastet eine Grundpfandverschreibung im Betrage von Fr. 34'500.- zu Gunsten der B.X. Gestützt auf eine von ihm am 16. August 1977 errichtete Urkunde, wonach B.X. am 18. Juni 1965 gestorben sei und als einzigen Erben den Sohn A.X. hinterlassen habe, ersuchte Advokat und Notar Dr. Y. das Grundbuchamt des Kantons Basel-Stadt, das Pfandrecht im Grundbuch zu löschen. Das Amt verlangte eine Bewilligung des Gläubigers. Da eine solche nicht nachgereicht wurde, teilte das Grundbuchamt Dr. Y. durch Schreiben vom 12. Oktober 1977 mit, es werde die Löschung nicht vollziehen. BGE 104 Ib 257 S. 258 A.X. erhob gegen diese Verfügung eine Beschwerde, die das Justizdepartement des Kantons Basel-Stadt am 20. Januar 1978 abwies. Durch Urteil des kantonalen Appellationsgerichtes als Verwaltungsgericht vom 22. Juni 1978 wurde dieser Entscheid bestätigt. A.X. hat gegen den zweitinstanzlichen Entscheid Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht mit dem Antrag, das Grundbuchamt des Kantons Basel-Stadt sei anzuweisen, das strittige Pfandrecht infolge Konfusion durch Universalsukzession von Amtes wegen zu löschen. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist unter anderem berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat ( Art. 103 lit. a OG ). Der Beschwerdeführer hat insofern ein schutzwürdiges Interesse, als die von ihm angestrebte Löschung der Grundpfandverschreibung von Amtes wegen gebührenfrei ist ( § 51 a lit. A der baselstädtischen Verordnung zum EG zum ZGB), wogegen für die Löschung auf Anmeldung hin eine Gebühr von 20 Franken erhoben wird (§ 51 lit. D Ziff. 3 der genannten Verordnung) . Auf die Beschwerde ist demnach einzutreten. 2. Wie das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement in seiner Vernehmlassung zutreffend hervorhebt, beruht das schweizerische Grundbuchsystem auf dem Antragsprinzip; der Grundbuchverwalter handelt nur ausnahmsweise von Amtes wegen (vgl. Art. 11 in Verbindung mit Art. 61 GBV ). Bezüglich der Löschung ist dies für Fälle vorgesehen, da sich aus dem Grundbuch selbst ergibt, dass ein Eintrag seine rechtliche Bedeutung verloren hat. So sind von Amtes wegen zu löschen: Vormerkungen persönlicher Rechte, wenn die angegebene Zeit abgelaufen ist ( Art. 72 Abs. 1 GBV ); vorgemerkte Vorkaufs-, Rückkaufs- oder Kaufsrechte, wenn der Berechtigte Eigentümer des Grundstücks geworden ist ( Art. 72 Abs. 2 GBV ); die Vormerkung einer vorläufigen Eintragung, wenn die entsprechende definitive Eintragung vorgenommen wird oder wenn die vom BGE 104 Ib 257 S. 259 Grundbuchverwalter oder vom Richter für deren Anmeldung festgesetzte Frist unbenützt abgelaufen ist ( Art. 76 Abs. 1 GBV ); Dienstbarkeiten, die zu Lasten des einen und zugunsten des andern von zu vereinigenden Grundstücken bestehen ( Art. 92 Abs. 2 GBV ). Das gleiche gilt bei persönlichen Dienstbarkeiten dann, wenn der Tod des daraus Berechtigten, beispielsweise eines Nutzniessers oder eines Wohnberechtigten, feststeht. Der Beschwerdeführer anerkennt, dass es angesichts der allgemeinen Bestimmung des Art. 964 ZGB und des Art. 826 ZGB zur Löschung einer Grundpfandverschreibung grundsätzlich auch bei Untergang der Pfandforderung einer schriftlichen Erklärung des Gläubigers bedürfe, hält aber dafür, die Besonderheiten bei der Vereinigung von Schuldner- und Gläubigerstellung durch Erbgang rechtfertigten eine Ausnahme. Er stützt sich vorab auf Art. 963 Abs. 2 ZGB , wonach für eine Grundbucheintragung keine Erklärung des Eigentümers des Grundstücks erforderlich ist, wenn der Erwerber sich auf eine Gesetzesvorschrift, auf ein rechtskräftiges Urteil oder auf eine dem Urteil gleichwertige Urkunde zu berufen vermag. Ob diese Bestimmung sich auf gewisse Löschungen sinngemäss anwenden lasse, ist angesichts des Art. 964 ZGB zweifelhaft, kann aber hier dahingestellt bleiben. Die Frage ist nämlich jedenfalls hinsichtlich der Löschung der strittigen Grundpfandverschreibung zu verneinen. Wie der Beschwerdeführer selbst einräumt, geht aus dem Grundbuch nicht in zuverlässiger Weise hervor, wer bei einer Grundpfandverschreibung der jeweilige Gläubiger ist. Wohl steht es diesem zu, sich ins Gläubigerregister aufnehmen zu lassen, doch kommt einem solchen Vermerk keine Grundbuchwirkung zu, zumal die Forderung ohne Anzeige an das Grundbuchamt gültig abgetreten werden kann ( Art. 835 ZGB ; BGE 87 III 69 unten mit Hinweisen). Andererseits braucht die Person des Eigentümers des verpfändeten Grundstücks nicht mit derjenigen des Schuldners der Pfandforderung übereinzustimmen ( Art. 824 Abs. 2 ZGB ). Eine Vereinigung, wie sie der Beschwerdeführer geltend macht, lässt sich dem Grundbuch somit nicht schlüssig entnehmen. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung besteht also ein rechtlich erheblicher Unterschied zwischen einer Personalservitut und der Grundpfandverschreibung. Dass B.X. im Zeitpunkt ihres Todes Gläubigerin und der Beschwerdeführer Schuldner der durch die strittige Grundpfandverschreibung BGE 104 Ib 257 S. 260 gesicherten Forderung gewesen seien, geht zwar - allerdings nur indirekt - aus der vom Vertreter des Beschwerdeführers am 16. August 1977 errichteten Urkunde hervor, doch fehlt darin die Feststellung, der Beschwerdeführer habe die Erbschaft angenommen, d.h. nicht ausgeschlagen. Des weitern beruft sich der Beschwerdeführer auf Art. 656 Abs. 2 ZGB , wonach der Erwerber eines Grundstücks bei Aneignung, Erbgang, Enteignung, Zwangsvollstreckung oder richterlichem Urteil schon vor der Grundbucheintragung das Eigentum erlangt, jedoch im Grundbuch über das Grundstück erst nach der Eintragung verfügen kann. Da diese Bestimmung indessen den Erwerb des Eigentums an einem Grundstück, und nicht ein Pfandrecht an einem solchen, betrifft, insbesondere nicht die hier zu beurteilenden Verhältnisse bei der Grundpfandverschreibung regelt, kann sie entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht den Art. 801 und 826 ZGB vorgehen. Auch dieser Hinweis ist mithin unbehelflich. 3. Der Beschwerdeführer macht geltend, das Grundbuchamt habe ihn als Gläubiger anerkannt und die einschlägigen Register entsprechend nachgeführt; das Amt habe im übrigen erklärt, es würde die verlangte Löschung mit seiner schriftlichen Einwilligung ohne weiteres vollziehen; es sei unter diesen Umständen nicht einzusehen, weshalb sich das Grundbuchamt weigere, dies von Amtes wegen zu tun, zumal bei einer ungerechtfertigten Löschung dem wirklichen Berechtigten so oder so die Grundbuchberichtigungsklage zu Gebote stünde. Letzterem ist durchaus beizupflichten. Das Beharren auf einer Erklärung des Gläubigers ist jedoch aus der Sicht der Verantwortlichkeit geboten, kann doch dem Grundbuchamt eine ungerechtfertigte Löschung einer Grundpfandverschreibung unter den gegebenen Verhältnissen nur dann nicht zum Vorwurf gemacht werden, wenn eine Bewilligung des - tatsächlichen oder vermeintlichen - Gläubigers vorliegt.
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Sachverhalt ab Seite 352 BGE 127 III 351 S. 352 En mars 1996, P. a engagé S. comme polisseur dans son entreprise. Le 24 avril 1998, l'employeur a mis fin avec effet immédiat au contrat de travail conclu avec S., à la suite d'une altercation survenue entre celui-ci et un autre employé. S. a contesté l'existence de justes motifs de résiliation immédiate et il a réclamé en justice à P., entre autres montants, une indemnisation pour résiliation injustifiée. Le 18 février 1999, le Tribunal des prud'hommes a rejeté, sur ce point, la demande de S., considérant que l'employeur avait de justes motifs de mettre fin au contrat avec effet immédiat. Par arrêt du 20 octobre 1999, la Cour de cassation civile cantonale, statuant sur recours de S., a au contraire été d'avis que les justes motifs faisaient défaut. Elle a cassé la décision attaquée et renvoyé la cause pour nouveau jugement à l'autorité inférieure, afin de fixer le montant dû au travailleur sur la base de l' art. 337c CO . Le 4 février 2000, le Tribunal des prud'hommes a condamné P. à payer à S. un montant de 9'686 fr. 15 représentant ce que le travailleur aurait gagné si les rapports de travail avaient pris fin à l'échéance du délai de congé, plus une indemnité de 900 fr. pour résiliation injustifiée. Statuant le 5 janvier 2001, la Cour de cassation civile cantonale a rejeté le recours formé par P. à l'encontre du jugement du 4 février 2000. Contre l'arrêt du 5 janvier 2001, P. (le défendeur) a interjeté un recours en réforme au Tribunal fédéral qui a été admis, dans la mesure où il concernait la résiliation immédiate de S. (le demandeur).
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Erwägungen Extrait des considérants: 1. a) L'arrêt attaqué, rendu en dernière instance cantonale par un tribunal supérieur, est une décision finale au sens de l' art. 48 al. 1 OJ (cf. ATF 126 III 445 consid. 3b p. 447; ATF 122 III 92 consid. 2a p. 94). Il peut donc, si les autres conditions de recevabilité sont BGE 127 III 351 S. 353 réunies, faire l'objet d'un recours en réforme au Tribunal fédéral. Contrairement à ce que soutient le demandeur, il importe peu d'examiner si la décision de renvoi du 20 octobre 1999 aurait ou non déjà pu être attaquée par cette même voie de droit. En effet, le régime particulier permettant de recourir en réforme immédiatement contre certaines décisions revêtant un caractère incident ou préjudiciel ( art. 49 et 50 OJ ), voire partiel (cf. ATF 124 III 406 consid. 1a; ATF 123 III 140 consid. 2a) n'a, sous réserve des questions de compétence, qu'un caractère facultatif ( art. 48 al. 3 OJ ; cf. BERNARD CORBOZ, Le recours en réforme au Tribunal fédéral, in SJ 2000 II p. 1 ss, 11; JEAN-FRANÇOIS POUDRET, Commentaire de l'OJ, vol. II, Berne 1990, art. 48 OJ no 4.2.2 et 50 no 1 p. 342). Il ne saurait donc empêcher la partie qui le préfère d'attendre le prononcé de la décision finale avant de recourir au Tribunal fédéral. b) Interjeté par le titulaire de la raison individuelle, qui a été condamné à verser différents montants à son ancien employé pour résiliation injustifiée, le présent recours porte sur une contestation civile dont la valeur litigieuse atteint le seuil de 8'000 fr. ( art. 46 OJ ); en outre, il a été déposé en temps utile ( art. 54 al. 1 OJ ) et dans les formes requises ( art. 55 OJ ). Il convient donc d'entrer en matière. 4. Selon le défendeur, la cour cantonale a méconnu les art. 328 et 337 CO en refusant d'admettre l'existence de justes motifs permettant une résiliation immédiate, alors que le demandeur avait gravement porté atteinte à la personnalité d'un autre employé. a) Selon l' art. 337 al. 1 1 ère phrase CO, l'employeur et le travailleur peuvent résilier immédiatement le contrat en tout temps pour de justes motifs. Doivent notamment être considérées comme tels toutes les circonstances qui, selon les règles de la bonne foi, ne permettent pas d'exiger de celui qui a donné le congé la continuation des rapports de travail (cf. art. 337 al. 2 CO ). Mesure exceptionnelle, la résiliation immédiate pour justes motifs doit être admise de manière restrictive (CHRISTIANE BRUNNER/JEAN-MICHEL BÜHLER/JEAN-BERNARD WAEBER, Commentaire du contrat de travail, 2e éd., Lausanne 1996, art. 337c CO no 1; ULLIN STREIFF/ADRIAN VON KAENEL, Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht, 5e éd., Zurich 1992, art. 337 CO no 3 et les références citées). D'après la jurisprudence, les faits invoqués à l'appui d'un renvoi immédiat doivent avoir entraîné la perte du rapport de confiance qui constitue le fondement du contrat de travail ( ATF 124 III 25 consid. 3c p. 29). Seul un manquement particulièrement grave du travailleur justifie son licenciement immédiat; si le manquement est moins grave, il ne BGE 127 III 351 S. 354 peut entraîner une résiliation immédiate que s'il a été répété malgré un avertissement ( ATF 127 III 153 consid. 1a). Par manquement du travailleur, on entend la violation d'une obligation découlant du contrat de travail, comme par exemple le devoir de fidélité ( ATF 121 III 467 consid. 4d p. 472 et les arrêts cités). Le juge apprécie librement s'il existe de justes motifs ( art. 337 al. 3 CO ). Il applique les règles du droit et de l'équité ( art. 4 CC ). A cet effet, il prendra en considération tous les éléments du cas particulier, notamment la position et la responsabilité du travailleur, le type et la durée des rapports contractuels, ainsi que la nature et l'importance des manquements ( ATF 116 II 145 consid. 6a p. 150; ATF 111 II 245 consid. 3). Le Tribunal fédéral revoit avec réserve la décision d'équité prise en dernière instance cantonale. Il intervient lorsque celle-ci s'écarte sans raison des règles établies par la doctrine et la jurisprudence en matière de libre appréciation, ou lorsqu'elle s'appuie sur des faits qui, dans le cas particulier, ne devaient jouer aucun rôle, ou à l'inverse, lorsqu'elle n'a pas tenu compte d'éléments qui auraient absolument dû être pris en considération; il sanctionnera en outre les décisions rendues en vertu d'un pouvoir d'appréciation lorsqu'elles aboutissent à un résultat manifestement injuste ou à une iniquité choquante ( ATF 127 III 153 consid. 1a p. 155; ATF 123 III 246 consid. 6a, 274 consid. 1a/cc p. 279 s.; ATF 122 III 262 consid. 2a/bb p. 267; ATF 121 III 64 consid. 3c). b) En l'espèce, l'arrêt entrepris renvoie entièrement à la décision du 20 octobre 1999 concernant l'absence de justes motifs de résiliation immédiate. Il convient donc de se fonder sur les éléments ressortant de cette décision pour contrôler l'application de l' art. 337 CO . aa) Le défendeur a tout d'abord fait grief au demandeur, par courrier du 28 mars 1998, d'arriver en retard à son poste de travail. Il n'a pas été démontré que ces retards, qui allaient d'une à cinq minutes selon les témoins, se soient poursuivis par la suite. Comme l'a relevé à juste titre la cour cantonale, ce manquement de moindre gravité aurait dû se répéter après l'avertissement pour justifier un licenciement immédiat (cf. ADRIAN STAEHELIN, Commentaire zurichois, art. 337 CO no 19), ce qui n'a pas été établi. bb) Le défendeur a également écrit au demandeur pour lui reprocher une baisse de production. Cet élément, que le travailleur a toujours contesté, n'a pu être prouvé par l'employeur, de sorte que la cour cantonale n'avait pas à le prendre en considération. Au demeurant, un tel grief n'est en principe pas un motif de renvoi immédiat (cf. ATF 97 II 142 consid. 2a p. 146). BGE 127 III 351 S. 355 cc) Il en va de même de l'animosité existant entre les parties, dont la cour cantonale a relevé qu'elle ignorait les causes précises et la manière dont elle s'exprimait. dd) Reste la question litigieuse de l'attitude du demandeur vis-à-vis de l'un de ses collègues de travail. Selon les faits constatés par la cour cantonale, d'une manière qui lie le Tribunal fédéral en instance de réforme ( art. 63 al. 2 OJ ), le comportement du demandeur était inadmissible. Hormis des disputes très fréquentes (jusqu'à deux fois par jour selon un témoin), le demandeur a insulté à plusieurs reprises cet employé et, en 1997, il s'en est même pris physiquement à lui. Le 24 avril 1998, soit le jour du licenciement, le demandeur l'aurait menacé de lui "faire la peau". Le travailleur en cause a alors demandé l'intervention de la police. Tout en relevant que l'employeur aurait depuis longtemps dû prendre des mesures afin de mettre un terme au comportement inadmissible du demandeur en vertu de l' art. 328 CO , la cour cantonale n'a pas retenu de justes motifs de résiliation immédiate. Elle a considéré que l'employeur n'avait jamais adressé le moindre avertissement à son employé, bien que celui-ci eût été particulièrement justifié en 1997, lorsque le demandeur avait agressé physiquement son collègue, démontrant ainsi qu'il s'accommodait de la situation. En outre, la nouvelle altercation du 24 avril 1998, comparée aux précédentes disputes, n'apparaissait apparemment pas comme la plus grave. C'est du reste à la demande de l'employé agressé que la police s'était rendue sur place, mais elle avait jugé son intervention inutile et aucune plainte n'avait par la suite été déposée contre le demandeur. Cet événement n'était donc pas de nature à ruiner ou à ébranler les liens de confiance existant entre l'employeur et son travailleur au point de rendre impossible la continuation du contrat de travail jusqu'au plus prochain terme de résiliation. Une telle position ne peut être suivie. En effet, selon l' art. 328 al. 1 CO , l'employeur protège et respecte, dans les rapports de travail, la personnalité du travailleur. Cette obligation lui impose de prendre des mesures adéquates si la personnalité du travailleur fait l'objet d'atteintes notamment de la part d'autres membres du personnel (MANFRED REHBINDER, Commentaire bernois, art. 328 CO no 4; du même auteur, Commentaire bâlois, art. 328 CO no 3). La doctrine s'accorde à considérer que, lorsqu'un employé porte sérieusement atteinte aux droits de la personnalité de l'un de ses collègues, par exemple en proférant des menaces à son encontre, il viole gravement une des obligations découlant du contrat de travail ( art. 321a BGE 127 III 351 S. 356 CO ), de sorte qu'une résiliation immédiate au sens de l' art. 337 CO peut s'imposer (cf. STAEHELIN, op. cit., art. 337 CO no 22; BRUNNER/BÜHLER/WAEBER, op. cit., art. 337 CO no 8 p. 227; BERNARD SCHNEIDER, La résiliation immédiate du contrat de travail, in Journée 1993 de droit du travail et de la sécurité sociale, Zurich 1994, p. 51 ss, 58; cf. également STREIFF/VON KAENEL, op. cit., art. 337 CO no 5 p. 370 et REHBINDER, Commentaire bernois, art. 336 CO no 3 p. 84). La jurisprudence l'admet également de façon implicite (consid. 1b non publié de l' ATF 120 II 243 ; arrêt non publié du 11 mai 1993 dans la cause A. contre C., consid. 2b; arrêt non publié du 24 octobre 1988 dans la cause N. contre G., consid. 2). Dans cette hypothèse, c'est l'obligation pour l'employeur de protéger ses autres travailleurs, sous peine d'engager sa propre responsabilité (cf. JEAN-BERNARD WAEBER, Le mobbing ou harcèlement psychologique au travail, quelles solutions? AJP 1998 p. 792 ss, 793), qui est à l'origine du licenciement immédiat. Pour apprécier la gravité de l'atteinte, il convient donc de mesurer son impact sur la personnalité du travailleur qui en a été victime, en tenant compte de l'ensemble des circonstances et notamment des événements qui l'ont précédée. L'effet du comportement en cause sur l'employeur n'est pas déterminant, puisque celui-ci n'est qu'indirectement touché. Il peut du reste arriver que l'employeur, ne se sentant pas concerné, tarde à réagir. Son inaction, contraire aux obligations issues de l' art. 328 CO , ne saurait alors être utilisée pour minimiser la gravité de l'atteinte à la personnalité subie par l'employé. Il en découle que la cour cantonale ne pouvait, dans le cadre de son pouvoir d'appréciation, refuser de reconnaître l'existence d'un juste motif de licenciement immédiat, parce que l'employeur avait, dans le passé, fermé les yeux sur des atteintes plus graves que celle en cause. Si l'on examine l'altercation du 24 avril 1998, il apparaît que le demandeur a menacé son collègue de lui "faire la peau". Cette menace, qui n'est pas contestée, a été formulée alors que, depuis longtemps, le demandeur avait une attitude qualifiée d'inadmissible à l'égard de cet employé, consistant en des disputes quotidiennes, des injures et même en une agression physique. Dans un tel contexte, la menace de mort n'apparaît pas comme une plaisanterie et l'on peut comprendre que son destinataire l'ait prise au sérieux et ait appelé la police. Le fait que les policiers dépêchés sur place aient considéré que leur intervention n'était pas justifiée n'enlève rien au caractère particulièrement inquiétant des propos proférés dans les circonstances d'espèce. Enfin, ce n'est pas parce que la victime, après BGE 127 III 351 S. 357 avoir vu son harceleur licencié avec effet immédiat, n'a pas déposé une plainte pénale contre celui-ci, que l'on peut en conclure que le manquement de ce dernier n'était pas grave. Dans ces circonstances, force est de constater que le comportement du demandeur lors de l'altercation du 24 avril 1998 était objectivement grave et de nature à porter sérieusement atteinte à la personnalité de son collègue, de sorte que l'employeur était en droit de considérer que le rapport de confiance avec cet employé était rompu et de le licencier avec effet immédiat, même sans avertissement préalable. En refusant de l'admettre, la cour cantonale a usé de son pouvoir d'appréciation d'une manière incompatible avec l' art. 337 CO .
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Sachverhalt ab Seite 689 BGE 141 V 688 S. 689 A. A., de nationalité étrangère, est arrivé en Suisse le 1 er août 2007. Le 3 février 2010, il a été placé sous tutelle par la Chambre pupillaire de la commune de X. A la suite de l'entrée en vigueur du nouveau droit de la protection de l'adulte, l'autorité de protection de l'enfant et de l'adulte de la commune de X. a converti cette mesure en curatelle de portée générale (décision du 31 juillet 2013). Le prénommé a été mis au bénéfice, successivement, de plusieurs autorisations de séjour UE/AELE de type L, en dernier lieu le 1 er janvier 2014 avec une durée de validité jusqu'au 30 décembre 2014. Il ressort d'une décision du Service de la population et des migrations du canton du Valais du 11 décembre 2014 que A. a travaillé un jour dans le cadre d'un contrat de mission temporaire, en 2013 ou en 2014. A partir du 13 juin 2014, il a effectué une nouvelle mission qui s'est achevée le 4 juillet 2014. Auparavant, le 24 mars 2014, il avait déposé une demande d'aide sociale auprès du Service social de la commune de X. Dans un premier temps, la commune lui a opposé un refus, au motif qu'il était titulaire d'un permis L et était par ailleurs sans emploi. Elle s'est ensuite ravisée et lui a accordé une aide d'urgence limitée à trois mois par décision du 30 avril 2014. Le 18 juin 2014, le Conseil d'Etat du canton du Valais a rejeté le recours formé par l'intéressé contre cette décision. B. A. a déféré la décision du Conseil d'Etat à la Cour de droit public du Tribunal cantonal du Valais. Statuant le 7 novembre 2014, la Cour de droit public a très partiellement admis le recours. Elle a annulé la décision attaquée et a renvoyé la cause à la commune de X. pour nouvelle décision au sens des motifs. Elle a considéré, en bref, que le Conseil d'Etat ne pouvait valablement limiter dans le temps l'octroi d'une aide d'urgence, au prétexte que l'intéressé était uniquement au bénéfice d'un permis L. La commune de X. était invitée à examiner si l'intéressé remplissait les conditions de ressources pour l'octroi d'une aide d'urgence. C. Représenté par son curateur de portée générale, lequel est muni d'une autorisation de plaider, A. forme un recours en matière de droit public dans lequel il conclut à l'annulation de l'arrêt cantonal et à la reconnaissance de son droit à l'aide sociale ordinaire pour la période BGE 141 V 688 S. 690 du 23 mars 2014 au 31 décembre 2014. Préalablement, il demande à bénéficier de l'assistance judiciaire. La commune de X. conclut au rejet du recours et demande le remboursement d'un montant de 2'412 fr. 50 au titre "d'avance sur chômage". Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
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Erwägungen Extrait des considérants: 3. 3.1 L'octroi de l'aide aux personnes dans le besoin relève essentiellement de la compétence cantonale, sauf exceptions qui n'entrent pas en considération ici (cf. les art. 40 al. 2, 114 al. 5 et 121 al. 1 Cst.). L'aide sociale cantonale valaisanne est réglée par la loi cantonale du 29 mars 1996 sur l'intégration et l'aide sociale (LIAS; RS/VS 850.1) et par son règlement d'exécution du 7 décembre 2011 (RELIAS; RS/VS 850.100). Sous le titre "Personnes détentrices d'un permis L", l'art. 12 RELIAS prévoit ceci: 1. Les détenteurs d'un permis L et les personnes dont ils ont la charge et faisant ménage commun ont droit à une aide sociale ordinaire s'ils remplissent certaines conditions spécifiques. 2. Ils doivent avoir un emploi dans le premier marché du travail. L'aide sociale complète le revenu durant la période de validité du permis. Avant la prise d'un emploi ou après la fin des rapports de travail, il n'y a pas de droit à une aide sociale. Les exceptions à ce principe sont soumises à autorisation du service de l'action sociale. 3.2 L'Accord du 21 juin 1999 entre la Confédération suisse, d'une part, et la Communauté européenne et ses Etats membres, d'autre part, sur la libre circulation des personnes (ALCP; RS 0.142.112.681), dont le recourant peut se prévaloir en sa qualité de ressortissant d'un Etat membre, n'ouvre toutefois pas de droit à l'aide sociale pour les titulaires d'un permis L. Les dispositions de l'Accord autorisent en effet la Suisse à exclure de l'aide sociale certaines catégories de personnes, notamment les titulaires d'une autorisation de séjour de courte durée L UE/AELE ( art. 2 par. 1 al. 2 et art. 6 par. 2 Annexe I ALCP ; ATF 141 V 321 consid. 4 p. 324). Ces personnes n'ont pas droit à l'aide sociale, mais seulement à l'aide d'urgence ( ATF 141 V 321 consid. 4.4 p. 326; NADINE ZIMMERMANN, Die Personenfreizügigkeit tangiert die Sozialhilfe, ZESO 2/2012 p. 23). Les cantons sont toutefois libres d'accorder des prestations plus étendues (ZÜND/HUGI YAR, Staatliche Leistungen und Aufenthaltsbeendigung unter dem FZA, BGE 141 V 688 S. 691 in Libre circulation des personnes et accès aux prestations étatiques, 2015, p. 197). Il faut toutefois réserver l'application de l' art. 6 par. 6 Annexe I ALCP , selon lequel le titre de séjour en cours de validité ne peut être retiré aux travailleurs salariés du seul fait qu'ils se trouvent en situation de chômage involontaire dûment constaté par le bureau de main-d'oeuvre compétent. Cette disposition doit en effet être considérée comme permettant à un chômeur de conserver son ancienne qualité de travailleur ainsi que les droits qui découlent de cette qualité, en particulier l'aide sociale ( ATF 141 V 321 consid. 4.5 p. 326 avec une référence à ALVARO BORGHI, La libre circulation des personnes entre la Suisse et l'UE, 2010, p. 71). 3.3 Au moment où il a présenté une demande d'aide sociale, le recourant était au bénéfice d'une autorisation de séjour de courte durée L. Il n'exerçait pas - et n'avait pas exercé - d'activité lucrative durable. Selon les constatations du jugement attaqué, il n'avait aucune perspective réelle d'engagement. Il ne se trouvait donc pas en situation de chômage involontaire au sens de l' art. 6 par. 6 Annexe I ALCP . Il pouvait donc, conformément à l'ALCP et à l'art. 12 RELIAS être exclu de l'aide sociale. Contrairement à ce que soutient le recourant, le fait qu'il avait son domicile en Suisse n'y saurait rien changer au regard de la réglementation précitée. 4. 4.1 Le recourant invoque les principes de la légalité et de la séparation des pouvoirs. Invoquant les art. 5 et 36 Cst. , il soutient qu'un traitement différencié entre des groupes de personnes pour l'octroi de l'aide sociale exige une base légale formelle du législateur cantonal. Or, il n'existerait en l'espèce pas de base légale suffisante qui autorisait le Conseil d'Etat à exclure de l'aide sociale les demandeurs d'emploi au bénéfice d'un permis L. Pour leur part, les premiers juges considèrent que l'art. 12 RELIAS repose sur une base légale suffisante en tant que l' art. 6 let . h LIAS charge le Conseil d'Etat d'arrêter, par règlement d'exécution, les normes applicables en matière d'aide sociale. 4.2 4.2.1 Le principe de la séparation des pouvoirs est garanti au moins implicitement par toutes les constitutions cantonales. Il impose le respect des compétences établies par la Constitution et interdit à un organe de l'Etat d'empiéter sur les compétences d'un autre organe. En BGE 141 V 688 S. 692 particulier, il interdit au pouvoir exécutif d'édicter des dispositions qui devraient figurer dans une loi, si ce n'est dans le cadre d'une délégation valablement conférée par le législateur ( ATF 134 I 322 consid. 2.2 p. 326; ATF 130 I 1 consid. 3.1 p. 5). Cette règle connaît des exceptions s'agissant en particulier de compétences législatives déléguées à l'exécutif ou découlant directement de la Constitution (cf. ATF 134 I 269 consid. 4.2 p. 279). Selon l' art. 57 Cst./VS (RS/VS 101.1), le Conseil d'Etat édicte sous forme de règlement les dispositions nécessaires à l'application des lois et décrets cantonaux (al. 1). La loi peut déléguer au Conseil d'Etat la compétence d'édicter des ordonnances en fixant leur but et les principes qui régissent leur contenu; la délégation doit toucher un domaine déterminé (al. 2). Pour le surplus, c'est à la lumière des principes constitutionnels généraux qu'il y a lieu de définir les limites de l'activité réglementaire du Conseil d'Etat. Les règlements d'exécution ne peuvent contenir que des règles secondaires, qui ne font que préciser ce qui se trouve déjà dans la loi ( ATF 130 I 140 consid. 5.1 p. 149 et les références). La délégation législative doit figurer dans une loi au sens formel et le cadre de la délégation, qui doit être clairement défini, ne doit pas être dépassé ( ATF 132 I 7 consid. 2.2 p. 9). Les règles les plus importantes doivent en tout cas figurer dans la loi ( ATF 133 II 331 consid. 7.2.1 p. 347). 4.2.2 L'exigence de la densité normative n'est toutefois pas absolue, car on ne saurait exiger du législateur qu'il renonce totalement à recourir à des notions générales, comportant une part nécessaire d'interprétation. Cela tient en premier lieu à la nature générale et abstraite inhérente à toute règle de droit, et à la nécessité qui en découle de laisser aux autorités d'application une certaine marge de manoeuvre lors de la concrétisation de la norme. Pour déterminer quel degré de précision l'on est en droit d'exiger de la loi, il faut tenir compte du cercle de ses destinataires et de la gravité des atteintes qu'elle autorise aux droits fondamentaux ( ATF 138 I 378 consid. 7.2 p. 391; ATF 131 II 13 consid. 6.5.1 p. 29). A l'inverse, en matière de fourniture de prestations (ou administration des prestations), les exigences requises sont moindres ( ATF 138 I 378 consid. 7.2 p. 392). 4.2.3 Aux termes de l' art. 36 al. 1 Cst. , toute restriction d'un droit fondamental doit être fondée sur une base légale; les restrictions graves doivent être prévues par une loi ( ATF 139 I 280 consid. 5.1 p. 284 et les références citées). En l'espèce, il convient de relever d'emblée que le régime prévu par le droit cantonal valaisan ne restreint d'aucune manière un droit fondamental du recourant. Ce régime, on l'a vu, ne va pas à l'encontre de l' art. 12 Cst. , qui ne traite pas de l'aide BGE 141 V 688 S. 693 sociale, mais de l'aide d'urgence, qui est en l'espèce garantie sans limite temporelle. 4.2.4 En matière d'aide sociale, l'exigence de précision de la règle se heurte généralement à des difficultés particulières en raison de la diversité des situations personnelles, familiales et économiques envisageables, ainsi que des montants d'aide qui doivent être accordés en fonction de ces spécificités et de la situation sociale et économique des bénéficiaires. Le plus souvent, les lois (au sens formel) cantonales contiennent des principes généraux et renvoient pour le surplus à l'adoption de règles de rang inférieur. Il n'est pas rare en outre que la loi contienne un renvoi (dynamique) aux directives "Aide sociale: concepts et normes de calcul" de la Conférence suisse des institutions d'action sociale (CSIAS), largement reconnues par la doctrine et la jurisprudence (voir p. ex. ATF 136 I 129 consid. 3 p. 131; arrêts 2C_375/2014 du 4 février 2015 consid. 3.2 et 8C_56/2012 du 11 décembre 2012 consid. 3.1). 4.2.5 L'art. 12 RELIAS, qui est une transposition dans le droit cantonal de l'art. 2 par. 1 al. 2 Annexe I ALCP, vise à éviter que des personnes concernées ne deviennent une charge déraisonnable pour le système d'assistance sociale de l'Etat membre d'accueil. Il est l'expression d'une conception très largement répandue au plan international (voir p. ex. à propos de la directive 2004/38/EC, arrêt de la CJUE du 21 décembre 2011 C-424/10 et C-425/10 Ziolkowski et Szeja contre Land Berlin , Rec. I-14035 point 40; cf. aussi, plus récemment, arrêt de la CJUE du 11 novembre 2014 C-333/13 Dano contre Jobcenter Leipzig point 74 ss). Il en est de même au plan interne suisse. Certains cantons excluent explicitement de l'aide sociale ordinaire sur leur territoire les demandeurs d'emploi titulaires d'une autorisation de séjour de courte durée (voir p. ex. l'art. 8l al. 1 let. b de l'ordonnance du 24 octobre 2001 sur l'aide sociale du canton de Berne [OASoc; BSG 860.111]; art. 11 al. 4 let . c de la loi du 22 mars 2007 sur l'insertion et l'aide sociale individuelle du canton de Genève [LIASI; rs/GE J 4 04]; art. 4 al. 2 de la loi du 2 décembre 2003 sur l'action sociale vaudoise [LASV; RSV 850.051]; § 5e al. 1 let . c de la loi du 14 juin 1981 sur l'aide sociale zurichoise [SHG; LS 851.1]). D'autres cantons n'ont rien prévu à ce sujet dans leur législation. Il en est ainsi, par exemple, de Neuchâtel (loi sur l'action sociale du 25 juin 1996 [LASoc; RSN 831.0]), du Jura (loi sur l'action sociale du 15 décembre 2000 [RSJU 850.1]), ou encore le Tessin (legge dell'8 marzo 1971 sull'assistenza sociale [RL 6.4.11.1]). Il subsiste une incertitude quant à savoir si les cantons dont la BGE 141 V 688 S. 694 législation n'a pas intégré de règles spéciales concernant les demandeurs d'emploi doivent ou non appliquer les règles ordinaires en matière d'aide sociale, à tout le moins pour ceux qui réalisent la condition de domicile en Suisse (voir SILVIA GASTALDI, L'accès à l'aide sociale dans le cadre de l'ALCP, in Libre circulation des personnes et accès aux prestations étatiques, 2015, p. 148 s.). Dans un souci de clarification, le Conseil fédéral, suivant en cela les recommandations de la Commission de gestion du Conseil national dans un rapport du 4 avril 2014 (disponible sur www.parlement.ch , sous: organes et députés/commissions de surveillance/commission de gestion/ rapports/2014/04.04.2014), envisage de proposer une modification de la LEtr (RS 142.20) afin d'obliger les cantons à exclure de l'aide sociale les personnes ayant bénéficié d'une autorisation de courte durée UE/AELE. Pour ce qui est des titulaires de permis de courte durée qui se retrouvent au chômage involontaire, ce projet prévoit que leur droit au séjour acquis en qualité de travailleur s'éteint à l'échéance de la durée de validité de leur permis (art. 61a al. 1 du projet). Si le versement d'indemnités de chômage perdure à l'échéance du permis, le projet prescrit le maintien de la qualité de travailleur au-delà de l'échéance du permis jusqu'à la fin du droit aux indemnités (art. 61a al. 3). Dans un cas comme dans l'autre, les intéressés peuvent, dans ces limites temporelles seulement, recevoir l'aide sociale (voir sur ces modifications, ATF 141 V 321 consid. 4.6 p. 327). 4.2.6 Comme on l'a vu, la densité normative dans le domaine de l'aide sociale n'est pas soumise à des exigences élevées. Dans la mesure où elle peut s'appuyer directement sur une norme de l'ALCP et qu'elle n'est finalement que la simple transposition d'objectifs qui résultent directement de l'ALCP et de principes communément admis, il y a lieu de considérer que la disposition réglementaire litigieuse ne requiert pas de base légale formelle plus précise que l' art. 6 let . h LIAS précité. 4.2.7 On ajoutera dans ce contexte que l'art. 3 LIAS prévoit que les dispositions de la loi s'appliquent aux personnes domiciliées, séjournant ou de passage dans le canton (al. 1); les dispositions de la législation fédérale et les conventions internationales demeurent réservées (al. 3). On peut voir dans cette réserve en faveur du droit international une base légale plus précise que l' art. 6 let . h LIAS et qui permettait aussi au Conseil d'Etat de concrétiser par voie réglementaire la possibilité prévue par l'ALCP d'exclure de l'aide sociale les personnes qui, à l'instar du recourant, sont au bénéfice du permis L. 5. De ce qui précède, il résulte que le recours est mal fondé.
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Sachverhalt ab Seite 703 BGE 129 III 702 S. 703 A.- B. ist Inhaber der im Handelsregister eingetragenen Einzelfirma "Y.". Neben B. ist seine Tochter, A. (Klägerin), als einzelunterschriftsberechtigt im Handelsregister eingetragen. Am 6. März 1996 schloss die X. AG (Beklagte) mit B. als Leasingnehmer einen Leasingvertrag über einen Kleinbus für 15 Personen. Am gleichen Tag unterzeichnete B. gegenüber der Beklagten eine Schuldanerkennung für die Leasingraten. Ausser dem Leasingnehmer unterzeichneten den Leasingvertrag sowie die Schuldanerkennung "solidarisch" bzw. als "Solidarschuldner" die Klägerin sowie C., die Ehefrau von B. Die Schuldanerkennung gibt den Wortlaut der Artikel 143, 144 und 147 OR wieder. Am 11. Mai 1996 erlitt der Leasingnehmer mit dem geleasten Fahrzeug in Österreich einen Unfall. Er unterschrieb in der Folge mit der Klägerin eine Schuldanerkennung gegenüber der Beklagten über Fr. 22'000.-, zahlbar in 48 Monatsraten à Fr. 450.- und eine Schlussrate von Fr. 400.-. Die Klägerin kam dieser Zahlungspflicht nicht nach und wurde daher von der Beklagten betrieben. Am 11. Juni 2001 erteilte der Vizepräsident 1 des Bezirksgerichts Baden der Beklagten provisorische Rechtsöffnung für den Betrag von Fr. 22'000.- nebst Zins. B.- Eine Aberkennungsklage der Klägerin wurde vom Bezirksgericht Baden am 26. Februar 2002 zunächst abgewiesen. Am 27. Februar 2003 hiess jedoch das Obergericht des Kantons Aargau die Klage im Appellationsverfahren gut. C.- Die Beklagte führt gegen dieses Urteil eidgenössische Berufung, mit dem Begehren, es sei aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt die Abweisung der Berufung. Das Bundesgericht weist die Berufung ab, soweit es darauf eintritt.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die Beklagte rügt einzig, die Vorinstanz habe die seitens der Klägerin eingegangene Verpflichtung zu Unrecht nicht als kumulative BGE 129 III 702 S. 704 Schuldübernahme qualifiziert, sondern als Bürgschaft, die mangels Einhaltung der Formvorschriften ungültig sei. 2.1 Mit der Bürgschaft übernimmt der Interzedent gegenüber dem Gläubiger die Pflicht, für die Erfüllung der Schuld eines Dritten, des Hauptschuldners, einzustehen ( Art. 492 Abs. 1 OR ). Die Bürgschaftsverpflichtung setzt den Bestand einer anderen (der sicherzustellenden) Verpflichtung voraus. Sie ist dieser beigeordnet und hängt in Bestand und Inhalt notwendigerweise von ihr ab; die Bürgschaft ist akzessorisch. Sie sichert die Zahlungsfähigkeit des Schuldners oder die Erfüllung eines Vertrages ( BGE 113 II 334 E. 2a; BGE 111 II 279 E. 2b). Die kumulative Schuldübernahme (auch Schuldbeitritt oder Schuldmitübernahme) ist dadurch gekennzeichnet, dass der Schuldübernehmer eine eigene, zur Verpflichtung eines Schuldners hinzutretende, selbständige Verpflichtung begründet, somit die Drittschuld persönlich und direkt mitübernimmt ( BGE 113 II 434 E. 2 S. 435 f. mit Hinweis; Urteil 4C.191/1999 vom 22. September 1999, E. 1a, publ. in: SJ 2000 I S. 305; WEBER, Zürcher Kommentar, N. 89/94 zu Art. 111 OR ; SPIRIG, Zürcher Kommentar, N. 281 in Vorbem. zu Art. 175-183 OR ; PESTALOZZI, Basler Kommentar, N. 32 zu Art. 111 OR ). Sie ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt, ergibt sich aber als rechtliche Gestaltungsmöglichkeit aus der Regelung von Art. 143 OR . Im Gegensatz zum Garantieversprechen nach Art. 111 OR (dazu BGE 125 III 305 E. 2b mit Hinweisen) hängt die kumulative Schuldübernahme ebenfalls vom Bestand der mitübernommenen Schuld ab, ist aber insofern nicht akzessorisch, als nicht jeder Wegfall der Verpflichtung des Hauptschuldners diejenige des Mitschuldners untergehen lässt. Ob die Solidarverpflichtung bei Wegfall der Primärschuld dahinfällt, beurteilt sich nach den Regeln der Solidarität ( Art. 147 OR ). Die Tilgung der Schuld bewirkt den Untergang der Mitverpflichtung. Der Gläubiger kann gegenüber jedem Schuldner über seine Forderung unabhängig verfügen. Grundsätzlich berührt ein Erlass der Forderung gegenüber dem bisherigen Schuldner die Verpflichtung des kumulativen Übernehmers nicht. Auch Kündigung und Mahnung wirken nur gegenüber jenem Schuldner, gegen den sie der Gläubiger ausgesprochen hat (vgl. zum Ganzen die Urteile des Bundesgerichts 4C.154/2002 vom 10./17. Dezember 2002, E. 3.1 und 4C.218/1995 vom 9. Juli 1996, E. 2a mit Hinweisen; GIOVANOLI, Berner Kommentar, N. 17 zu Art. 492 OR ; SCHNYDER, Basler Kommentar, N. 1 f. zu Art. 143 OR ; TSCHÄNI, Basler Kommentar, N. 2 zu Art. 176 OR ; SCYBOZ, Garantievertrag BGE 129 III 702 S. 705 und Bürgschaft, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. VII/2, Basel 1979, S. 315 ff., 342; KLEINER, Bankgarantie, 4. Aufl., Zürich 1990, Rz. 11.20). 2.2 Bürgschaft wie kumulative Schuldübernahme bewirken eine Verstärkung der Position des Gläubigers und beruhen insoweit oftmals auf identischen wirtschaftlichen Überlegungen. Sie unterscheiden sich indes namentlich in den Formerfordernissen. So ist die Schuldübernahme formfrei gültig. Für die Bürgschaft hat der Gesetzgeber dagegen zum Schutz der sich verpflichtenden Partei unter anderem strenge Formvorschriften erlassen; es sollte damit einerseits der unbedachten Begründung von Bürgschaften entgegengewirkt und andererseits dem Bürgen zumindest der Inhalt der eingegangenen Verpflichtung bewusst gemacht werden ( Art. 493 OR ; vgl. dazu BGE 113 II 434 E. 2b; WIEGAND, Die Bürgschaft im Bankengeschäft, in: Berner Bankrechtstagung 1997, Personalsicherheiten, Bern 1997, S. 185; PESTALOZZI, a.a.O., N. 1 zu Art. 493 OR ; BYDLINSKI, Die Stellung des Bürgen im Spannungsfeld zwischen Privatautonomie und Sozialschutzgedanken, recht 12/1994 S. 250 f., 262). Die Abgrenzung von Bürgschaft und Schuldmitübernahme ist fliessend. Auszugehen ist in rechtlicher Hinsicht davon, dass Inhalt und Rechtsgrund der Bürgenschuld von denjenigen der Hauptschuld verschieden sind, wogegen der Mitübernehmer sich gleich dem ursprünglichen Schuldner verpflichtet, diesem als Gesamtschuldner beitritt (HANS REICHEL, Die Schuldmitübernahme, München 1909, S. 68 ff.). Rechtsgrund der Verpflichtung ist im ersten Fall das Einstehen für die Leistungsfähigkeit des Hauptschuldners, im zweiten die eigenständige Befriedigung des Gläubigers (vgl. BGE 111 II 276 E. 2a; Urteile 4C.154/2002 vom 10./17. Dezember 2002, E. 3.1 und 4C.218/1995 vom 9. Juli 1996, E. 2b). Im Gegensatz zur Bürgschaft darf die Sicherung nicht das wesentliche Element im Rechtsgrund der Schuld aus Mitübernahme darstellen, wenn auch in jeder Schuldmitübernahme ein gewisser Sicherungseffekt liegt (KLEINER, a.a.O., Rz. 11.18). 2.3 Es ist als Inkohärenz der Rechtsordnung zu werten, dass das gleiche wirtschaftliche Ziel der Verstärkung der Gläubigerposition mit zwei (bzw. mehreren) rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten erreicht werden kann, indessen nur die Bürgschaft zum Schutz der sich verpflichtenden Partei an besondere Formvorschriften geknüpft ist. Daraus ergibt sich ein Spannungsverhältnis zwischen der aus der Vertragsfreiheit fliessenden Wahlfreiheit zwischen zwei Rechtsinstituten BGE 129 III 702 S. 706 und dem Erfordernis, einer Umgehung der nur für das eine Rechtsinstitut vorgesehenen Formvorschriften entgegenzutreten. So ist zu prüfen, ob Rechtsgeschäfte, die gleiche oder ähnliche Charakteristiken wie die Bürgschaft aufweisen, dem Bürgschaftsrecht unterstellt werden müssen. Wie GUTZWILLER (Wahlfreiheit zwischen Bürgschaft und Garantie, ZSR 103/1984 I S. 119 ff., 127, mit Hinweisen auf die Materialien) nachgewiesen hat, war sich der Gesetzgeber beim Erlass der Bürgschaftsrechtsreform vom 10. Dezember 1941, in der die Formvorschriften verschärft wurden, zwar der Möglichkeit der Umgehung der entsprechenden Regeln, z.B. durch Abgabe einer Garantieerklärung, bewusst. Indessen setzte sich im Nationalrat und, ihm folgend, im Ständerat die Auffassung durch, dass sich die für die Bürgschaft vorgesehene Formvorschrift nicht rechtfertige, wo der Wille der Parteien wirklich auf den Abschluss eines Garantievertrages gehe. In anderen Fällen komme die Vorschrift von Art. 18 OR über die Auslegung der Verträge und über die Simulation zur Anwendung (allgemein zur Reform: WIEGAND, a.a.O., S. 175 ff., 185 f.; SCYBOZ, a.a.O., S. 349 f.). Damit hat sich der Gesetzgeber klar dafür entschieden, trotz der erkannten Abgrenzungsproblematik zwischen Bürgschaft und anderen persönlichen Sicherungsversprechen, mehrere Gestaltungsmöglichkeiten zuzulassen, ohne die Formvorschriften über die Bürgschaft hinaus auszudehnen. Lehre und Rechtsprechung haben daraus geschlossen, dass die Parteien nach ihrem freien Willen entscheiden dürfen, ob ein Sicherungsziel mit Bürgschaft, Garantie oder kumulativer Schuldübernahme erreicht werden soll. Eine Beschränkung der Privatautonomie ist insofern zu verneinen (Urteil 4C.436/1997 vom 9. Juli 1998, E. 2; GUTZWILLER, a.a.O., S. 128; ZOBL, Die Bankgarantie im schweizerischen Recht, in: Berner Bankrechtstagung 1997, Personalsicherheiten, Bern 1997, S. 31, 35; TUTO ROSSI, Garantie ou cautionnement?, SJ 1986 S. 406 f.). Dass die Parteien nach freiem Willen bestimmen können, welche Form von Sicherungsgeschäft sie wählen, rechtfertigt sich denn auch insofern, als namentlich im internationalen Handels- und Kreditgeschäft aus praktischen Gründen ein hohes Bedürfnis nach einem Rückgriff auf formfreie Sicherungsgeschäfte anstelle der formgebundenen Bürgschaft besteht, wie GUTZWILLER (a.a.O., S. 124 f.) überzeugend darlegt. Als Grund für die Wahl eines formfreien Geschäfts fällt namentlich der - in erster Linie im internationalen Verkehr vorkommende - Wille zur Begründung einer von der ursprünglichen Verpflichtung unabhängigen Sicherheit in BGE 129 III 702 S. 707 Betracht (vgl. ZOBL, a.a.O., S. 25 f.; GUTZWILLER, a.a.O., S. 124; YVES NOËL, Droit du cautionnement; les pièges de la protection du faible, in: Festschrift François Gilliard, Lausanne 1987, S. 113). Ein formfreies Geschäft kann aber beispielsweise auch gewählt werden zur Vermeidung von Notariatskosten, wegen Dringlichkeit des Vertragsabschlusses, wegen Beurkundungsproblemen bei Vertragstexten in ausländischer Sprache oder aufgrund von Schwierigkeiten bei der Bestimmung des zahlenmässig bestimmten Höchstbetrages in der Urkunde selbst (vgl. dazu GUTZWILLER, a.a.O., S. 124 f.). 2.4 Die Vorinstanz hat vorliegend keine Feststellungen darüber getroffen, ob die Parteien tatsächlich eine Bürgschaft oder eine kumulative Schuldübernahme vereinbaren wollten ( Art. 18 OR ). Für die Auslegung des Vertrages ist somit das Vertrauensprinzip massgebend. Danach sind zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die Willenserklärungen der Parteien so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten ( BGE 127 III 248 E. 3f S. 255; BGE 126 III 119 E. 2a S. 120, je mit Hinweisen). Das Bundesgericht überprüft diese objektivierte Auslegung von Willenserklärungen im Berufungsverfahren als Rechtsfrage ( BGE 127 III 248 E. 3a S. 253 mit Hinweisen), wobei es an Feststellungen des kantonalen Richters über die äusseren Umstände sowie das Wissen und Wollen der Beteiligten grundsätzlich gebunden ist ( Art. 63 Abs. 2 OG ; BGE 125 III 435 E. 2a/aa S. 436; BGE 123 III 165 E. 3a S. 168; BGE 121 III 414 E. 2a S. 418 mit Hinweisen). 2.4.1 Davon ausgehend, dass die gewählten Bezeichnungen von den Vertragsparteien gewöhnlich in ihrer objektiven Bedeutung verwendet werden und den korrekten Sinn der Erklärung wiedergeben, hat ein klarer Wortlaut bei der Auslegung nach dem Vertrauensprinzip Vorrang vor weiteren Auslegungsmitteln. Auch wenn der Wortlaut - wie im vorliegenden Fall - auf den ersten Blick klar erscheint, darf es allerdings nicht bei einer reinen Wortauslegung sein Bewenden haben ( Art. 18 Abs. 1 OR ). So kann sich aus den anderen Vertragsbestimmungen, aus dem von den Parteien verfolgten Zweck und aus weiteren Umständen ergeben, dass der Wortlaut der strittigen Bestimmung nicht genau den Sinn der Vereinbarung unter den Parteien wiedergibt ( BGE 128 III 265 E. 3a; BGE 127 III 444 E. 1b S. 445). Dementsprechend misst die Rechtsprechung dem Umstand, dass die Parteien präzise juristische Bezeichnungen verwendet haben, für sich allein keine entscheidende Bedeutung zu (anders insbesondere BGE 111 II 284 E. 2 S. 287 und darauf gestützt PESTALOZZI BGE 129 III 702 S. 708 [a.a.O., N. 32 zu Art. 111 OR ], SCHNYDER [a.a.O., N. 2 zu Art. 143 OR ] sowie WEBER [a.a.O., N. 92 zu Art. 111 OR ]). Insbesondere darf nicht ohne weitere Prüfung auf einen entsprechenden Wortlaut abgestellt werden, wenn die verpflichtende Partei eine ausländische Person ist oder die Willenserklärung von ihr in einer Fremdsprache abgegeben wurde. Gegenüber geschäftserfahrenen, im Gebrauch von Fachbegriffen gewandten Personen, kann allerdings eine strikte Auslegung nach dem Wortlaut angezeigt sein (vgl. BGE 125 III 305 E. 2b/c S. 308 f.; BGE 113 II 434 E. 2c und 3a S. 438). 2.4.2 Als geschäftsgewandt in diesem Sinn anzusehen sind Gesellschaften, die sich in der täglichen Praxis mit Sicherungsgeschäften befassen, wie etwa international tätige Firmengruppen oder schweizerische Bankinstitute ( BGE 125 III 305 E. 2b; vgl. auch WEBER, a.a.O., N. 80 f. zu Art. 111 OR ; PESTALOZZI, a.a.O., N. 26 zu Art. 111 OR ), wobei eine Schuldmitübernahme durch Banken eine eher seltene Erscheinung darstellt (KLEINER, a.a.O., Rz. 11.17). Auch Privatpersonen, die als Verwaltungsräte oder Direktoren oft mit Sicherungsverträgen gekoppelte Geschäfte behandeln, müssen den gewählten Wortlaut gegen sich persönlich gelten lassen (PESTALOZZI, a.a.O., N. 26 zu Art. 111 OR ), ebenso wie die von ihnen vertretene Gesellschaft (Urteil 4C.31/1999 vom 27. Mai 1999, E. 2b/cc). In der jüngeren Rechtsprechung wurde ein Geschäftsmann als geschäftserfahren angesehen, der Verwaltungsratspräsident einer Gesellschaft war, die sich mit der Beratung und der Beschaffung von finanziellen Mitteln (Kreditbeschaffung) für ihre Kunden befasste, und der erklärt hatte, "persönlich, kumulativ neben" der Gesellschaft haften zu wollen (Urteil 4C.154/2002 vom 10./17. Dezember 2002, E. 3.3). Ebenso müssen sich Personen, die über eine in der Schweiz erworbene juristische Ausbildung verfügen, den objektiven juristischen Sinn der verwendeten Ausdrücke entgegenhalten lassen, insbesondere, wenn eine gegenteilige Auslegung zur Ungültigkeit des Vertrages führen würde (Urteil 4C.436/1997 vom 9. Juli 1998, E. 2). Das gilt auch für denjenigen, der sich beim Vertragsabschluss von einer solchen Person beraten lässt, sofern feststeht, dass diese ihm den Sinn der verwendeten Begriffe klar gemacht hat ( BGE 125 III 305 E. 2c S. 310; BGE 101 II 323 E. 1b S. 326). Keine Geschäftsgewandtheit ist dagegen aufgrund des blossen Umstandes anzunehmen, dass eine Privatperson, wie dies vorliegend der Fall ist, für ein kleines Unternehmen, das im täglichen Geschäft nichts mit Sicherungsgeschäften zu tun hat, als einzelzeichnungsberechtigt im Handelsregister eingetragen ist. BGE 129 III 702 S. 709 2.4.3 Bei nicht geschäftsgewandten Vertragsbeteiligten darf nicht ohne weiteres vertrauenstheoretisch von einem klaren Vertragswortlaut auf den Willen geschlossen werden. Wollen solche Parteien tatsächlich eine kumulative Schuldübernahme oder eine Garantie anstelle einer Bürgschaft wählen, was ihnen nach dem vorstehend (Erwägung 2.3) Dargelegten frei steht, ist für die Kundgebung ihres klaren diesbezüglichen Willens mehr erforderlich als die blosse Verwendung präziser juristischer Fachausdrücke wie "Garantie" oder "solidarische Mitverpflichtung", allenfalls gekoppelt mit Zitaten der entsprechenden Gesetzesbestimmungen, damit es bei einer grammatikalischen Auslegung des Vertrages sein Bewenden haben kann (vgl. PESTALOZZI, a.a.O., N. 27 zu Art. 111 OR ). Die Vorinstanz hat insofern zutreffend erwogen, die Schutzklausel von Art. 493 OR könnte viel zu leicht umgangen werden, wenn es genügen würde, bloss einen juristischen Ausdruck wie "solidarisch" oder "Vertrag zu Lasten eines Dritten" auf einem Vertragsformular aufzuführen, das dem Vertragspartner, der oft die Bedeutung der Begriffe nicht kennt, zur Unterschrift vorgelegt wird (vgl. BGE 125 III 305 E. 2b). In solchen Fällen ist daher zum Schutze der sich verpflichtenden Partei erforderlich, dass im Vertrag selber für die nicht geschäftsgewandte Partei klar verständlich und in individueller, d.h. nicht formularmässiger Weise, dargelegt wird, dass sich der Interzedent der Tragweite der eingegangenen Verpflichtung bewusst ist und aus welchen Gründen auf die Wahl der Rechtsform einer Bürgschaft verzichtet wird (vgl. dazu die vorstehende Erwägung 2.3). 2.5 Wo - wie vorliegend - der Vertragstext keine entsprechende Erklärung enthält und erhebliche Zweifel bestehen, ob die sich mitverpflichtende Person die rechtliche Bedeutung und die praktische Tragweite der verwendeten juristischen Bezeichnungen "Garantie" oder "solidarische Haftung" verstanden und insbesondere die Unterschiede zum Gehalt einer "Bürgschaft" erfasst hat, kann nicht davon gesprochen werden, dass sie von der ihr zustehenden autonomen Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Sicherungsabreden (Erwägung 2.3 vorne) Gebrauch gemacht hat. Dies gilt in besonderem Masse, wenn der Vertragstext nicht von ihr, sondern von der Gegenpartei verfasst worden ist. In diesen Fällen ist zu prüfen, ob das Geschäft seinem rechtlichen und wirtschaftlichen Zweck nach nicht entgegen seinem klaren Wortlaut als Bürgschaft zu qualifizieren ist, um den zum Schutz des Bürgen aufgestellten, zwingenden Formvorschriften zum Durchbruch zu verhelfen (vgl. BGE 81 II 520 E. 3c S. 525 f.). Die Formvorschriften des Bürgschaftsrechts können BGE 129 III 702 S. 710 nicht dadurch umgangen werden, dass eine Vertragsbezeichnung gleich einer Kulisse vorgeschoben wird, um die wahre Natur des Sicherungsgeschäfts zu verdecken (vgl. BGE 125 III 305 E. 2b). Um den Formvorschriften zum Durchbruch zu verhelfen, ist auch in Zweifelsfällen für Bürgschaft zu entscheiden (vgl. BGE 113 II 434 E. 2c S. 438; BGE 111 II 276 E. 2b S. 279; BGE 101 II 323 E. 1d S. 328; BGE 66 II 26 E. a). 2.6 Die akzessorische Bürgschaft unterscheidet sich von der kumulativen Schuldübernahme als selbständiger Verpflichtung indiziell darin, dass der Verpflichtende bei der Schuldübernahme, nicht aber bei der Bürgschaft regelmässig ein erkennbares eigenes Interesse am Geschäft hat, das zwischen dem Hauptschuldner und dem Gläubiger geschlossen wurde, und nicht bloss ein Sicherungsinteresse an der Erfüllung der Urschuld ( BGE 81 II 520 E. 3d; BGE 66 II 26 E. a; Urteil 4C.191/1999 vom 22. September 1999, a.a.O., E. 1a; SPIRIG, a.a.O., N. 312 f. in Vorbem. zu Art. 175-183 OR ; OSER/SCHÖNENBERGER, Zürcher Kommentar, N. 50 zu Art. 492 OR ; WEBER, a.a.O., N. 93 zu Art. 111 OR ; PESTALOZZI, a.a.O., N. 32 zu Art. 111 OR S. 625 f.; TERCIER, Les contrats spéciaux, 3. Aufl., 2003, N. 5954 f.; SCHWENZER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl., Bern 2000, Rz. 91.33 [Das Interesse des Garanten am Geschäft ist auch ein wichtiges Indiz zur Abgrenzung von Bürgschaft und Garantie: BGE 128 III 295 E. 2d/bb S. 303; BGE 125 III 305 E. 2b S. 309; BGE 111 II 276 E. 2b S. 280; BGE 101 II 323 E. 1a S. 325 f.; KLEINER, a.a.O., Rz. 11.20 f.; ZOBL, a.a.O., S. 34 f.; MERZ, Garantievertrag oder Bürgschaft, ZBJV 125/1989 S. 229]). Darin, dass bei der Bürgschaft ein solches Eigeninteresse fehlt und es sich um ein uneigennütziges Geschäft handelt, das typischerweise zur Sicherstellung einer Verpflichtung von Familienangehörigen oder engen Freunden eingegangen wird, liegt denn auch der Grund, dass sie besonderen Formvorschriften unterstellt wurde (WIEGAND, a.a.O., S. 175 f.; HANDSCHIN, Zur Abgrenzung von Garantievertrag und Bürgschaft, SZW 1994 S. 228, 230; BYDLINSKI, a.a.O., S. 250; ROSSI, a.a.O., S. 410). Damit auf kumulative Schuldübernahme geschlossen werden kann, ist erforderlich, dass der Übernehmer ein unmittelbares und materielles Interesse hat, in das Geschäft einzutreten und es zu seinem eigenen zu machen, indem er - für die Gegenpartei erkennbar - direkt von der Gegenleistung des Gläubigers profitiert, wie bei der Miete einer gemeinsam genutzten Wohnung, dem Leasing eines vom Mitübernehmer mitbenutzten Fahrzeuges zu privaten Zwecken oder bei der gemeinsamen Geldaufnahme durch Ehegatten BGE 129 III 702 S. 711 für gemeinsame Bedürfnisse (vgl. BGE 116 II 707 E. 3). Ein eigenes Interesse ist auch zu bejahen, wenn der Promittent mit dem Schuldner zusammen eine einfache Gesellschaft bildet und es um eine Sicherheit für ein Geschäft geht, das zur Erreichung des Gesellschaftszwecks eingegangen wurde (Urteil 4C.191/1999 vom 22. September 1999, a.a.O., E. 1d). Gleich verhält es sich, wenn dem Gläubiger bekannt ist, dass der Promittent eine stille Beteiligung am Geschäft oder der Personengesellschaft hält, deren Schuld sichergestellt wird (vgl. BGE 81 II 520 E. 3d). Für die Qualifikation als Schuldmitübernahme genügt es dagegen nicht, wenn der Übernehmer nur irgendeinen undefinierten Vorteil daraus zieht, dass er zugunsten des Hauptschuldners beitritt. Er muss sich erkennbar aufgrund des gleichen Rechtsgrundes für den gleichen Vertrag wie der Hauptschuldner verpflichten wollen (vgl. WEBER, a.a.O., N. 94 zu Art. 111 OR ; PESTALOZZI, a.a.O., N. 32 zu Art. 111 OR S. 625 f.; SCHNYDER, a.a.O., N. 7 zu Art. 143 OR ; SCYBOZ, a.a.O., S. 344). Dementsprechend genügt der hier vorliegende Umstand, dass die Klägerin als einzelunterschriftsberechtigt im Handelsregister einer Einzelfirma eingetragen ist, für sich allein nicht, um anzunehmen, sie habe ein genügendes und erkennbares Interesse am zu sichernden Geschäft zwischen der Einzelfirma und dem Gläubiger, dass sie sich neben dem Hauptschuldner selbständig verpflichten wollte. 2.7 Nach dem angefochtenen Urteil sind vorliegend auch keine anderen Umstände gegeben, die auf ein unmittelbares Interesse der Klägerin am abgeschlossenen Geschäft schliessen liessen und damit auf eine kumulative Schuldübernahme hinweisen würden. Die von der Beklagten einzig geltend gemachte Erbberechtigung der Klägerin gegenüber ihrem Vater hat die Vorinstanz zu Recht nicht als wesentlich angesehen, da keinerlei Anzeichen dafür bestünden, dass sich der Erbfall in naher Zukunft realisieren könnte. Ebenso wenig ist dargetan, dass die Klägerin für die Beklagte erkennbar an der Einzelfirma bzw. ihrem Geschäftserfolg beteiligt ist oder aus einer anderweitigen besonderen Stellung im Unternehmen neben dem Inhaber ein besonderes Interesse an seinem Geschäftsgang hat, oder dass sie am Leasinggegenstand selber interessiert sein könnte. Vielmehr erachtete es die Vorinstanz nach den Darlegungen der Klägerin und ihres Vaters als erwiesen, dass der Klägerin die Zeichnungsbefugnis für die Einzelfirma lediglich aufgrund ihrer Deutschkenntnisse eingeräumt worden sei; sie habe zwar die Korrespondenz geführt, mit dem Leasinggegenstand, der dem Reiseunternehmen ihres Vaters diente, an sich aber nichts zu tun gehabt. BGE 129 III 702 S. 712 2.8 Der einzige Grund, weshalb die Beklagte eine zusätzliche Sicherheit verlangte und es zur "solidarischen Verpflichtung" der Klägerin (und ihrer Mutter) kam, liegt nach den vorinstanzlichen Feststellungen darin, dass der Beklagten das Einkommen des Leasingnehmers als zu unsicher erschien und sie seine Kreditwürdigkeit als ungenügend einstufte. Eine solche Einschätzung wird zwar allen Sicherungsgeschäften zugrunde liegen. Ist aber, wie vorliegend, der Sicherungszweck der alleinige Rechtsgrund für die Verpflichtung des Interzedenten, so spricht dies für eine Bürgschaft, namentlich wenn die Verpflichtung für einen nahen Verwandten eingegangen wurde und damit die Vermutung nahe liegt, es sei dem Bürgen allein darum gegangen, ihm zu helfen (vorstehende Erwägungen 2.2 a.E. und 2.6; Urteil 4C.274/2001 vom 9. April 2002, E. 3, publ. in: SJ 2002 I S. 574). Nach den gesamten Umständen hat die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, indem sie die Verpflichtung als Bürgschaft qualifizierte.
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Sachverhalt ab Seite 237 BGE 134 V 236 S. 237 A. Ressortissante française née à Genève en 1982, A. est atteinte depuis son enfance d'épilepsie et présente des troubles envahissants du développement et une intelligence limite (rapport de la doctoresse M. du 14 juillet 2004). Après avoir effectué la plus grande BGE 134 V 236 S. 238 partie de sa scolarité dans des établissements spécialisés en Suisse, l'intéressée vit depuis le 23 octobre 2000 à l'Institut X. Incapable d'exercer une activité lucrative, elle est titulaire d'une autorisation de séjour "B" (CE/AELE) et affiliée comme personne sans activité lucrative auprès de la Caisse cantonale vaudoise de compensation. Ses parents, domiciliés en France, travaillent en Suisse depuis de nombreuses années. Le 7 janvier 2004, A. a présenté une demande de prestations à l'assurance-invalidité tendant à l'octroi d'une rente. Par décision du 17 novembre 2004, l'Office de l'assurance-invalidité pour le canton de Vaud (ci-après: l'office AI) a dénié à la requérante tant le droit à une rente ordinaire, faute d'en remplir les conditions, que celui à une rente extraordinaire d'invalidité, motif pris de l'absence de domicile en Suisse. L'intéressée s'est opposée au refus de la rente extraordinaire, mais l'office AI a maintenu son point de vue par décision sur opposition du 9 septembre 2005. B. Statuant le 22 janvier 2007 sur le recours formé par A. contre cette décision, le Tribunal des assurances du canton de Vaud l'a rejeté. C. A. interjette un recours en matière de droit public contre ce jugement, dont elle demande la réforme en ce sens que lui soit accordée une rente extraordinaire de l'assurance-invalidité à partir du 1 er janvier 2003. L'office AI conclut au rejet du recours, tandis que l'Office fédéral des assurances sociales, Secteur Conventions internationales, en propose l'admission. Le recours à été admis.
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Erwägungen Extrait des considérants: 1. Le litige porte sur le droit de la recourante, ressortissante française, à une rente extraordinaire d'invalidité. Il doit être tranché à la lumière du droit applicable le 9 septembre 2005, date de la décision litigieuse ( ATF 131 V 9 consid. 1 p. 11 et les arrêts cités). 2. Que le droit à la prestation litigieuse soit examiné au regard des seules règles de droit national ( art. 42 LAVS en relation avec l' art. 39 al. 1 LAI ) ou sous l'angle d'une éventuelle extension du bénéfice de ces règles à un ressortissant de l'Union européenne par le biais du droit international (Accord du 21 juin 1999 entre la BGE 134 V 236 S. 239 Confédération suisse, d'une part, et la Communauté européenne et ses Etats membres, d'autre part, sur la libre circulation des personnes [Accord sur la libre circulation des personnes, ALCP; RS 0.142.112.681]), le point litigieux déterminant est celui de savoir si la recourante est domiciliée en Suisse au sens des art. 23 ss CC (par renvoi de l' art. 13 LPGA [RS 830.1] en relation avec les art. 39 LAI et 42 LAVS). 2.1 Le domicile de toute personne est au lieu où elle réside avec l'intention de s'y établir ( art. 23 al. 1 CC ), ce qui suppose qu'elle fasse du lieu en question le centre de ses intérêts personnels et professionnels. Deux éléments doivent donc être réalisés pour la constitution du domicile volontaire: le premier, la résidence, soit un séjour effectif d'une certaine durée en un endroit déterminé, est objectif et externe, tandis que le second, soit la volonté de rester dans un endroit de façon durable, est subjectif et interne. Pour cet élément, ce n'est cependant pas la volonté interne de la personne concernée qui importe, mais les circonstances reconnaissables pour des tiers, qui permettent de déduire qu'elle a cette volonté ( ATF 133 V 309 consid. 3.1 p. 312 et les arrêts cités). L'intention de se constituer un domicile volontaire suppose que l'intéressé soit capable de discernement au sens de l' art. 16 CC . Cette exigence ne doit pas être appréciée de manière trop sévère ( ATF 127 V 237 consid. 2c p. 240) et peut être remplie par des personnes présentant une maladie mentale, dans la mesure où leur état leur permet de se former une volonté (arrêt du Tribunal fédéral des assurances I 282/91 du 21 octobre 1992; EUGEN BUCHER, Commentaire bernois, n. 28 ad art. 23 CC ). Aux termes de l' art. 26 CC , le séjour dans une localité en vue d'y fréquenter les écoles, ou le fait d'être placé dans un établissement d'éducation, un hospice, un hôpital, une maison de détention, ne constituent pas le domicile. Cette disposition contient une présomption réfragable que le séjour dans une localité en vue d'y faire des études ou dans l'un des établissements mentionnés n'entraîne pas le transfert à cet endroit du centre des intérêts. Lors du placement dans un établissement par des tiers, on devra donc exclure régulièrement la création d'un domicile à cet endroit, l'installation dans l'établissement relevant de la volonté de tiers et non de celle de l'intéressé. Il en va en revanche autrement lorsqu'une personne majeure et capable de discernement décide de son plein gré, c'est-à-dire librement et volontairement, d'entrer dans un BGE 134 V 236 S. 240 établissement pour une durée illimitée et choisit par ailleurs librement l'établissement ainsi que le lieu de séjour. Dans la mesure où, lors de l'entrée dans un établissement qui survient dans ces circonstances, le centre de l'existence est déplacé en ce lieu, un nouveau domicile y est constitué. L'entrée dans un établissement doit aussi être considérée comme le résultat d'une décision volontaire et libre lorsqu'elle est dictée par "la force des choses ( Zwang der Umstände )", tel le fait de dépendre d'une assistance ou d'avoir des difficultés financières ( ATF 133 V 309 consid. 3.1 p. 312 et les arrêts cités). 2.2 Selon les constatations des premiers juges, la volonté de la recourante de se constituer un domicile en Suisse ne peut pas être déduite des circonstances du cas d'espèce, le fait de séjourner depuis octobre 2000 dans un établissement au sens de l' art. 26 CC ne suffisant pas à cet égard. Si la recourante a de nombreux liens avec la Suisse (naissance dans ce pays, scolarité en Suisse depuis 1989, pré-apprentissage à Y., permis de séjour B), ce sont ses parents qui ont choisi l'Institut X., parce qu'il semblait adapté aux problèmes de santé de leur fille. Par ailleurs, hormis les contacts nécessaires qu'elle entretient avec ses thérapeutes et les autres pensionnaires de l'institut, la recourante n'a en définitive pas de liens personnels autres que ceux tissés par l'intermédiaire de ses parents. L'autorité cantonale de recours a en conséquence retenu que les conditions permettant d'admettre l'existence d'un domicile en Suisse n'étaient pas remplies, de sorte que le recours devait être rejeté. 2.3 La juridiction cantonale a nié que la présomption de l' art. 26 CC a été renversée, au motif que ce sont les parents de la recourante qui avaient choisi l'Institut X., parce que cet établissement paraissait adapté aux problèmes de santé présentés par leur fille. Ce raisonnement ne résiste pas à l'examen. La circonstance retenue par les premiers juges - l'adéquation de l'établissement aux besoins de la recourante - ne permet en effet pas d'exclure qu'elle n'a pas elle-même choisi l'établissement (de concert avec sa mère), comme elle le fait valoir dans son recours. Par ailleurs, en appréciant les circonstances extérieures et objectives dont doit ressortir la volonté de l'intéressée de transférer le centre de son existence en Suisse, la juridiction cantonale n'a à tort (cf. art. 105 al. 2 LTF en relation avec l' art. 97 al. 1 LTF ) pas pris en considération des éléments de fait en faveur de l'existence d'une telle intention. BGE 134 V 236 S. 241 Ainsi, en sus de la demande (puis l'obtention) d'une autorisation de séjour en Suisse, la recourante a entrepris d'autres démarches concrètes auprès de l'administration suisse en vue de s'y établir, en requérant, en particulier, son affiliation à l'AVS/AI suisse. A défaut d'exercer un travail, elle a été assujettie à l'AVS/AI en tant que personne sans activité lucrative au regard du critère du domicile en Suisse (cf. les art. 1a al. 1 let. a et 3 al. 1 1 re phrase LAVS en relation avec les art. 1b et 2 LAI ), cette affiliation apparaissant alors déterminante pour le système des règles de conflit prévu par le droit européen de la sécurité sociale (cf. en particulier le titre II du règlement [CEE] n° 1408/71 du Conseil du 14 juin 1971 relatif à l'application des régimes de sécurité sociale aux travailleurs salariés, aux travailleurs non salariés et aux membres de leur famille qui se déplacent à l'intérieur de la Communauté [ci-après: règlement n° 1408/71; RS 0.831.109.268.1]; infra consid. 4 ss). La recourante a de ce fait versé des cotisations à partir du 1 er janvier 2003 (cf. extrait du compte individuel du 9 février 2004), sans que son affiliation ait été remise en cause avant la décision initiale de l'intimé. Il s'agit là d'une circonstance qui, si elle n'est pas déterminante à elle seule, constitue un indice sérieux de l'intention de faire de la Suisse le centre de ses intérêts. En ajoutant cet élément aux autres faits retenus par les premiers juges comme liens avec la Suisse (naissance et scolarité dans ce pays, pré-apprentissage à Y., autorisation de séjour en Suisse) et compte tenu de la présomption de capacité de discernement (dont il n'y a pas lieu d'admettre, au regard des constatations de la juridiction cantonale, qu'elle serait renversée), on doit déduire de l'ensemble des circonstances que la recourante a manifesté sa volonté de transférer son centre d'intérêts en Suisse. Partant, la présomption légale de l' art. 26 CC est renversée et la recourante est domiciliée en Suisse. 3. 3.1 Selon l' art. 39 al. 1 LAI , le droit des ressortissants suisses aux rentes extraordinaires est déterminé par les dispositions de la LAVS. Conformément à l' art. 42 al. 1 LAVS , les ressortissants suisses qui ont leur domicile et leur résidence habituelle ( art. 13 LPGA ) en Suisse ont droit à une rente extraordinaire s'ils ont le même nombre d'années d'assurance que les personnes de leur classe d'âge, mais n'ont pas droit à une rente ordinaire parce qu'ils n'ont pas été soumis à l'obligation de verser des cotisations pendant une année entière au moins. BGE 134 V 236 S. 242 En ce qui concerne les ressortissants étrangers, l' art. 39 al. 3 LAI prévoit que les invalides étrangers et apatrides qui remplissaient comme enfants les conditions fixées à l' art. 9 al. 3 LAI ont aussi droit à une rente extraordinaire. 3.2 A défaut de réaliser comme enfant les conditions de l' art. 9 al. 3 LAI - ce point n'a du reste jamais été discuté par les parties -, la recourante ne remplit pas les exigences de l' art. 39 al. 3 LAI . En ce qui concerne celles posées par l' art. 42 al. 1 LAVS auquel renvoie l' art. 39 al. 1 LAI , elle peut certes se prévaloir du même nombre d'années d'assurance que les personnes de sa classe d'âge (sur cette condition, cf. ATF 131 V 390 consid. 2.4 p. 393): elle cotise à l'AVS/AI depuis le 1 er janvier 2003 qui suit la date où elle a eu 20 ans révolus. Elle ne peut cependant prétendre une rente extraordinaire d'invalidité en application du seul droit interne, parce qu'elle n'a pas la nationalité suisse. 4. Il reste à examiner si A. peut déduire un droit à la prestation requise en se prévalant, comme elle le fait, de l'ALCP et du règlement n° 1408/71 auquel renvoie l'accord (cf. art. 1 al. 1 de l'annexe II à l'ALCP en relation avec les art. 8 et 15 ALCP ). Le litige portant sur une prestation postérieure à l'entrée en vigueur de l'ALCP, le 1 er juin 2002, cet accord est applicable ratione temporis . C'est le lieu de préciser qu'en vertu de son art. 20, sauf disposition contraire découlant de l'annexe II, l'ALCP suspend les accords de sécurité sociale bilatéraux entre la Suisse et les Etats membres de la Communauté européenne dès son entrée en vigueur, dans la mesure où la même matière est régie par l'ALCP (sur la portée de la suspension, voir ATF 133 V 329 ). Dès lors, la Convention (bilatérale) de sécurité sociale du 3 juillet 1975 entre la Confédération suisse et la République française et le Protocole spécial relatif aux prestations non contributives des assurances invalidité, vieillesse et survivants, mentionnés par la juridiction cantonale, ne sont applicables en l'espèce que si l'ALCP ne l'est pas. 5. 5.1 Sous l'angle du champ d'application matériel du règlement no 1408/71, la prestation en cause se rapporte à l'un des risques énumérés expressément à l'art. 4 par. 1 du règlement n° 1408/71, à savoir au risque d'invalidité mentionné à la let. b. Les dispositions relatives à l'octroi d'une rente extraordinaire d'invalidité confèrent aux bénéficiaires un droit légalement défini. Il s'agit donc d'une BGE 134 V 236 S. 243 prestation de sécurité sociale qui entre dans le champ d'application matériel du règlement n° 1408/71 ( ATF 131 V 390 consid. 3.2 p. 395). 5.2 En ce qui concerne son champ d'application personnel, le règlement n° 1408/71 "s'applique aux travailleurs salariés ou non salariés et aux étudiants qui sont ou ont été soumis à la législation d'un ou de plusieurs Etats membres et qui sont des ressortissants de l'un des Etats membres ou bien des apatrides ou des réfugiés résidant sur le territoire d'un des Etats membres ainsi qu'aux membres de leur famille et à leurs survivants" (art. 2 par. 1 du règlement). 5.2.1 L'art. 1 let. a du règlement n° 1408/71 définit les termes de "travailleur salarié" et "travailleur non salarié" en se référant notamment à un système d'assurance couvrant l'ensemble des travailleurs (point i), ainsi qu'à un système d'assurance couvrant l'ensemble de la population (point ii; sur les différences entre ces deux systèmes, cf. EDGAR IMHOF, Über den sozialversicherungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff im Sinne des persönlichen Anwendungsbereichs der Verordnung Nr. 1408/71, in RSAS 2008 p. 22 ss, 31 ss). Selon la jurisprudence de la Cour de justice des Communautés européennes (CJCE) - qui doit être prise en compte dans les limites de l' art. 16 ALCP (voir aussi ATF 132 V 423 consid. 9.2 s. p. 437) -, ces termes désignent toute personne assurée dans le cadre de l'un des régimes de sécurité sociale mentionnés à l'art. 1 let. a, contre les éventualités et aux conditions indiquées dans ces dispositions. Il en résulte qu'une personne a la qualité de "travailleur" au sens du règlement n° 1408/71 dès lors qu'elle est assurée, ne serait-ce que contre un seul risque, au titre d'une assurance obligatoire ou facultative auprès d'un régime général ou particulier de sécurité sociale mentionné à l'art. 1 let. a du règlement n° 1408/71, et ce indépendamment de l'existence d'une relation de travail (arrêts de la CJCE du 12 mai 1998, Martínez Sala , C-85/96, Rec. 1998, p. I-2691, point 36; du 11 juin 1998, Kuusijärvi , C-275/96, Rec. 1998, p. I-3419, point 21; du 7 juin 2005, Dodl et Oberhollenzer , C-543/03, Rec. 2005, p. I-5049, point 30). 5.2.2 En tant qu'assurance obligatoire pour l'ensemble de la population domiciliée en Suisse et qui permet d'identifier ou de distinguer les travailleurs salariés et les travailleurs indépendants des personnes sans activité lucrative ( art. 2 et 3 LAI , art. 3 ss LAVS ), BGE 134 V 236 S. 244 l'AVS/AI est un régime couvert par l'art. 1 let. a point ii (1 er tiret) du règlement n° 1408/71 ( ATF 132 V 423 consid. 6.4.3 p. 430 s.; ATF 131 V 371 consid. 4 p. 376). Selon cette disposition, "aux fins de l'application du présent règlement, les termes de 'travailleur salarié' et 'travailleur non salarié' désignent toute personne qui est assurée à titre obligatoire contre une ou plusieurs éventualités correspondant aux branches auxquelles s'applique le présent règlement, dans le cadre d'un régime de sécurité sociale s'appliquant à tous les résidents ou à l'ensemble de la population active lorsque les modes de gestion ou de financement de ce régime permettent de l'identifier comme travailleur salarié ou non salarié". Dans un arrêt du 29 septembre 1976, Brack , 17/76, Rec. 1976, p. 1429, la CJCE a précisé pour la première fois la portée de cette disposition. Elle a jugé que dans un système de sécurité sociale s'appliquant à tous les résidents, une personne remplit la condition selon laquelle "les modes de gestion ou de financement de ce régime permettent d'identifier [une telle personne] comme travailleur salarié", lorsque, tout en ayant perdu la qualité de travailleur salarié, elle reste affiliée obligatoirement au même régime dont elle avait relevé auparavant en cette qualité (points 18 à 28 de l'arrêt cité). En conséquence, la qualité de travailleur (actuelle) au sens de l'art. 1 let. a point ii du règlement n ° 1408/71 peut aussi résulter d'une affiliation obligatoire antérieure en tant que travailleur selon le droit national de la sécurité sociale dans le même système (IMHOF, op. cit., p. 40 ss). 5.2.3 Il résulte de ce qui précède qu'il n'est pas déterminant pour être considéré comme "travailleur" au sens de l'art. 1 let. a point ii (1 er tiret) du règlement n° 1408/71, que l'intéressé exerce (encore) une activité professionnelle au moment où il se prévaut de cette qualité. Il faut cependant que la personne concernée puisse être "identifiée comme travailleur salarié ou non salarié". En d'autres termes, indépendamment de sa désignation (p. ex. comme rentier ou chômeur) et de l'exercice (actuel) d'une activité professionnelle, elle doit être ou avoir été (par le passé) affiliée en tant que travailleur (salarié ou non salarié) à un régime de sécurité sociale contre l'un des risques correspondant aux branches couvertes par le champ d'application matériel du règlement (défini à son art. 4). Ainsi, une personne qui bénéficie d'une rente de l'assurance-invalidité fondée sur son affiliation antérieure à l'AVS/AI en raison de l'exercice d'une activité lucrative est un travailleur au sens du BGE 134 V 236 S. 245 règlement n° 1408/71, même si elle n'exerce plus d'activité professionnelle ( ATF 130 V 249 consid. 4.1 p. 250 s.). Il en va de même d'une ressortissante de l'Union européenne qui, ayant exercé une activité salariée en Suisse avant de rentrer dans son pays d'origine, perçoit une rente de l'AVS ( ATF 133 V 265 consid. 4.2.3 p. 270). En revanche, le seul fait qu'une personne est ou a été affiliée à l'AVS/AI en raison de son domicile en Suisse ne permet pas de la considérer comme un travailleur au sens de l'art. 2 du règlement n° 1408/71 ( ATF 132 V 423 consid. 6.4.5; SILVIA BUCHER, Die sozialrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts zum FZA [Teil 1], in RSAS 2007 p. 308 ss, 317 ss). Or, telle est précisément la situation de la recourante qui n'a jamais exercé une activité lucrative salariée ou indépendante en Suisse - ni du reste dans un Etat membre de l'Union européenne - et a été affiliée à l'AVS/AI comme personne sans activité lucrative en raison de son domicile dans ce pays. Aussi, A. n'a-t-elle pas la qualité de travailleur (salarié ou non salarié) au sens de l'art. 2 par. 1 du règlement n° 1408/71. 5.2.4 Toujours sous l'angle du champ d'application personnel du règlement, se pose alors la question de savoir si la recourante, en tant que fille majeure de ressortissants français, domiciliés en France, mais travaillant en Suisse est un "membre de la famille" au sens de l'art. 2 par. 1 du règlement n° 1408/71. 5.2.4.1 Aux termes de l' art. 1 let . f point ii, s'il s'agit de prestations pour handicapés accordées en vertu de la législation d'un Etat membre à tous les ressortissants de cet Etat qui satisfont aux conditions requises, le terme "membre de la famille" désigne au moins le conjoint, les enfants mineurs ainsi que les enfants majeurs à charge du travailleur salarié ou non salarié ou de l'étudiant (sur l'introduction de cette disposition dans le règlement n° 1408/71, voir SILVIA BUCHER, Soziale Sicherheit, beitragsunabhängige Sonderleistungen und soziale Vergünstigungen, thèse Fribourg 2000, p. 107 n. 250 et les arrêts de la CJCE du 17 juin 1975, époux F. , 7/75, Rec. 1975, p. 679 et du 16 décembre 1976, Inzirillo , 63/76, Rec. 1976, p. 2057). La notion d'enfant majeur "à charge" du travailleur vise une situation de fait dans laquelle le soutien est assuré par le travailleur, sans qu'il soit nécessaire de déterminer les raisons du recours à ce soutien (arrêt de la CJCE du 18 juin 1987, Lebon , 316/85, Rec. 1987, p. 2811, concernant la notion de membre de la famille "à BGE 134 V 236 S. 246 charge" du travailleur selon l'art. 10 par. 1 et 2 du règlement [CEE] n° 1612/68 du Conseil du 15 octobre 1968 relatif à la libre circulation des travailleurs à l'intérieur de la Communauté; BUCHER, thèse citée, p. 114 n. 273 ss). 5.2.4.2 En tant qu'elle concerne des personnes qui sont devenues invalides (jeunes) et est accordée aux ressortissants suisses aux conditions posées par l' art. 42 LAVS , la rente extraordinaire d'invalidité prévue par l' art. 39 LAI constitue une "prestation pour handicapés" (cf. l'allocation pour handicapés adultes du droit français, en cause dans l'arrêt de la CJCE Inzirillo , cité; IMHOF, Behinderte Kinder aus der EU haben ein gleiches Recht auf IV-Eingliederungsmassnahmen wie Schweizer Kinder, in Jusletter du 17 septembre 2007, n. 21). Par ailleurs, la recourante doit être considérée comme un enfant à charge du travailleur au sens de l' art. 1 let . f point ii du règlement n° 1408/71, dès lors qu'elle n'exerce pas d'activité lucrative et dépend entièrement d'eux. Par conséquent, la recourante a la qualité de membre de la famille au sens des art. 1 let . f point ii et 2 du règlement n° 1408/71, de sorte qu'elle entre dans le champ d'application personnel du règlement de coordination en ce qui concerne du moins la prestation litigieuse. 6. 6.1 Conformément à l'art. 3 par. 1 du règlement n° 1408/71, les personnes qui résident sur le territoire de l'un des Etats membres et auxquelles les dispositions du présent règlement sont applicables sont soumises aux obligations et sont admises au bénéfice de la législation de tout Etat membre dans les mêmes conditions que les ressortissants de celui-ci, sous réserve des dispositions particulières contenues dans le présent règlement. L'art. 3 par. 1 n'établit pas de distinction selon que la personne concernée est travailleur, membre de la famille ou conjoint survivant d'un travailleur. En vertu de cette disposition, la recourante a droit, en présence d'une discrimination, à la prestation en cause aux mêmes conditions qu'un ressortissant suisse, même si elle ne remplit pas les exigences posées par le droit suisse aux ressortissants étrangers ( ATF 132 V 184 consid. 5 ab initio p. 190; ATF 131 V 390 consid. 5.2 p. 397 et les références). A cet égard, le Tribunal fédéral a déjà été amené à examiner la réglementation de l' art. 42 al. 1 LAVS (en relation avec l' art. 39 al. 1 LAI ) et a retenu qu'elle est directement BGE 134 V 236 S. 247 discriminatoire, en ce sens qu'elle réserve le droit à une rente extraordinaire d'invalidité aux ressortissants suisses ( ATF 131 V 390 consid. 7.2 p. 401). Il s'ensuit que la condition de la nationalité suisse ne peut pas être opposée à la recourante. 7. Il résulte de ce qui précède que A. a droit à une rente extraordinaire d'invalidité, les autres conditions de l' art. 42 al. 1 LAVS (supra consid. 2.3 et 3.2) étant par ailleurs remplies (et la réalisation des conditions liées à l'invalidité n'ayant jamais été contestée par les parties). Compte tenu de la date à laquelle la demande de prestations a été présentée, le début du droit à la rente doit être fixé au 1 er janvier 2003 ( art. 29 al. 2 et art. 48 al. 2 LAI ).
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Sachverhalt ab Seite 491 BGE 98 Ib 489 S. 491 Sachverhalt: A.- Paul Vögelin beabsichtigt, das in seinem Eigentum stehende Grundstück "Schillermatte" in Brunnen zu überbauen. Das Grundstück liegt westlich der Ortschaft Brunnen und wird auf seiner Südseite teils vom Vierwaldstättersee, teils von der diesem entlang führenden Kantonsstrasse Brunnen-Gersau begrenzt; es umfasst rund 15,6 ha. In einer ersten Etappe der auf touristische Zwecke ausgerichteten Gesamtüberbauung, die u.a. auch die Errichtung eines Hotels einschliesst, sollen ein Hochhaus A mit einem Ladengeschoss, sechzehn Wohngeschossen und einem Dachgeschoss, ein Hochhaus B mit acht Wohngeschossen und ein Block C mit vier Wohngeschossen erstellt werden. Der Regierungsrat des Kantons Schwyz hat das überarbeitete Bauprojekt am 5. Mai 1969 genehmigt; gleichzeitig bewilligte er Vögelin unter Auferlegung einer Ersatzabgabe die Rodung von 2410 m2 Schutzwald am Standort des Hochhauses A. Auf Beschwerde der Schweizerischen Vereinigung für Heimatschutz und deren Sektion Innerschweiz, des Schweizerischen Bundes für Naturschutz und des Schwyzer Naturschutzbundes hob der Bundesrat diese Rodungsbewilligung mangels Zuständigkeit des Schwyzer Regierungsrates auf und lud den Schwyzer Regierungsrat ein, das Rodungsgesuch Vögelins an das Eidgenössische Oberforstinspektorat weiterzuleiten. BGE 98 Ib 489 S. 492 Dieses wies das Gesuch am 11. Juni 1970 ab, wobei es feststellte, dass das in Frage stehende Waldstück nicht 2410 m2, sondern 2840 m2 messe. Vögelin, der den Wald inzwischen bereits abgeholzt hatte, führte gegen die Verfügung des Eidg. Oberforstinspektorates beim Eidg. Departement des Innern (EDI) Beschwerde. Während der Hängigkeit der Beschwerde traten am 1. September 1971 neue Bestimmungen über die Zuständigkeit zur Bewilligung von Rodungen in Kraft (Art. 50 Abs. 2 FPG; Art. 25 bis FPV ). Darnach sind für Rodungen bis zu 3000 m2 die von den Kantonen bezeichneten kantonalen Behörden zuständig. Am 10. September 1971 zog Vögelin seine Beschwerde beim EDI zurück und stellte beim Regierungsrat des Kantons Schwyz ein neues Gesuch um Bewilligung der beabsichtigten Rodung. Darin erklärte er sich bereit, in unmittelbarer Nähe der Rodung eine entsprechende Fläche aufzuforsten. Der Regierungsrat entsprach dem Gesuch am 2. November 1971. B.- Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen die Schweizerische Vereinigung für Heimatschutz, der Schweizerische Bund für Naturschutz, die Schweizerische Stiftung für Landschaftsschutz und Landschaftspflege und der Schweizerische Alpenclub die Aufhebung der Rodungsbewilligung, eventuell die Einholung einer seinerzeit vom EDI in Aussicht gestellten Expertise. Sie rügen als Rechtsmissbrauch, dass Vögelin seine Beschwerde beim EDI zurückgezogen und gleichzeitig den Regierungsrat um Bewilligung der Rodung ersucht hat. Der angefochtene Entscheid verstosse gegen Art. 4 BV und gegen das Verbot, auf eine abgeurteilte Sache zurückzukommen. Jedenfalls aber verletze er, abgesehen davon, dass er die Rodungsbewilligung materiell gar nicht begründe, die einschlägigen Bestimmungen des Forstpolizeirechts des Bundes, insbesondere Art. 26 FPV . Im vorliegenden Fall fehle ein gewichtiges, das Interesse an der Walderhaltung überwiegendes Bedürfnis für die Rodung. Die Überbauung der Schillermatte sei nicht geeignet, den Kurort Brunnen wirtschaftlich zu beleben. An der Erstellung der als Zweitwohnungen geplanten Eigentumswohnungen im Hochhaus A sei neben dem Grundeigentümer im wesentlichen nur das Baugewerbe interessiert. Es sei unterlassen worden, abzuklären, ob die projektierten Bauten nicht in lawinengefährdetes Gebiet zu stehen kämen. Die Schillermatte könne schliesslich auch ohne Opferung der umstrittenen Waldparzelle überbaut werden. Der Regierungsrat BGE 98 Ib 489 S. 493 habe in seinem Entscheid die ihm gemäss Art. 24 sexies Abs. 2 BV obliegende Pflicht zur Beachtung der Belange des Natur- und Heimatschutzes verletzt. Er habe ein von der eidg. Natur- und Heimatschutzkommission erstattetes Gutachten ausser Acht gelassen, kein anderes Fachorgan zur Begutachtung beigezogen und sich sogar über eine entsprechende Empfehlung in dem von ihm zitierten Fremdenverkehrsgutachten hinweggesetzt. Ja er habe nicht einmal mehr die Erfüllung der in seinem Entscheid vom 7. Oktober 1968 über die Beschwerde gegen ein erstes Bauprojekt aufgestellten Mindestanforderungen verlangt. Dabei habe er selbst die Aufnahme des Gebietes um die Schillermatte in das Inventar der zu erhaltenden Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung beantragt. Die Aufnahme dieses Gebietes in das KLN-Inventar scheine gesichert. Die Schillermatte verdiene deshalb grösstmögliche Schonung. Die Überbauung, insbesondere das Hochhaus A, würde aber das Landschaftsbild verunstalten. Die Rodungsbewilligung, die diese Verunstaltung erst ermögliche, dürfe deshalb nicht erteilt werden. C.- Paul Vögelin beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventuell sie abzuweisen. D.- Die Schwyzer Regierung beantragt Abweisung der Beschwerde und betont, dass ihrer Ansicht nach das vorgesehene Projekt das Landschaftsbild in keiner Weise stören könne. Das Gebiet der Schillermatte könne als "touristische Bauzone" angesehen und später auch entsprechend eingezont werden. E.- Das EDI hält dafür, dass der Entscheid der Schwyzer Regierung mit der durch das Bundesrecht gebotenen Zurückhaltung bei der Erteilung von Rodungsbewilligungen im Widerspruch stehe. F.- Auf Gesuch der Beschwerdeführerin hat der Präsident der verwaltungsrechtlichen Kammer Paul Vögelin im Sinne einer vorsorglichen Verfügung untersagt, vor dem Entscheid des Bundesgerichts über die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf der streitigen Parzelle Bauarbeiten in Angriff zu nehmen. Am 5. Juni 1972 hat eine Abordnung des Bundesgerichts die Schillermatte in Augenschein genommen.
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923
Erwägungen Erwägungen: 1. a) Zur Anfechtung einer Rodungsbewilligung sind nach Art. 103 lit. c OG in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 BGE 98 Ib 489 S. 494 lit. b NHG neben den Gemeinden auch die gesamtschweizerischen Vereinigungen berechtigt, die sich statutengemäss dem Natur- und Heimatschutz oder verwandten, rein ideellen Zwecken widmen. Dabei legitimiert nach der Rechtsprechung die bloss beiläufige Erwähnung solcher Zwecke in den Statuten eine im wesentlichen auf andere Ziele ausgerichtete Vereinigung nicht ohne weiteres zur Beschwerdeführung (BGE 98 I/b 124/125). Die Beschwerdelegitimation der Schweizerischen Vereinigung für Heimatschutz und des Schweizerischen Bundes für Naturschutz ist vom Bundesgericht von jeher anerkannt worden (vgl. BGE 96 I 505 Erw. 2b; 691 Erw. 1c). Beschwerdeberechtigt ist offensichtlich auch die Schweizerische Stiftung für Landschaftsschutz und Landschaftspflege. Ob schliesslich auch der Schweizerische Alpenclub zur Beschwerde legitimiert ist, kann hier offen bleiben, da diese Vereinigung nicht selbständig Beschwerde führt, der Entscheid über ihre Beschwerdelegitimation somit für den Ausgang des Verfahrens bedeutungslos ist. b) Der Beschwerdegegner Vögelin meint, die Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführer lasse sich im vorliegenden Falle nicht auf Art. 12 Abs. 1 NHG abstützen, da die Erteilung von Rodungsbewilligungen bis zu 3000 m2 nicht Bundesaufgabe, sondern Aufgabe der Kantone sei, Art. 12 NHG sich aber nur auf die Erfüllung von Bundesaufgaben beziehe. Diese Ansicht geht fehl. Zwar trifft zu, dass Art. 12 NHG sich nur auf Verfügungen und Erlasse bezieht, die in Erfüllung von Bundesaufgaben ergehen ( Art. 24 sexies Abs. 2 BV ; vgl. Art. 2-11 NHG ). Die Erteilung von Rodungsbewilligungen wird aber in Art. 2 lit. b NHG ohne jeden Vorbehalt als Erfüllung einer Bundesaufgabe bezeichnet. Auch die kantonale Behörde, die auf Grund von Art. 25 bis Abs. 1 lit. a FPV die Bewilligung zur Rodung einer Schutzwaldfläche von höchstens 3000 m2 erteilt, erfüllt somit eine Bundesaufgabe im Sinne der zitierten Vorschriften. Art. 12 NHG erklärt denn auch die in seinem Absatz 1 erwähnten Vereinigungen für berechtigt, nicht nur gegen Verfügungen von Bundesbehörden, sondern auch gegen kantonale Verfügungen und Erlasse Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu führen, was bei Richtigkeit der Ansicht Vögelins weitgehend sinnlos wäre. 2. Die Beschwerdeführer beanstanden, dass der Regierungsrat auf das ihrer Ansicht nach mit dem ersten materiell völlig identische zweite Rodungsgesuch Vögelins eingetreten ist und BGE 98 Ib 489 S. 495 ihm entsprochen hat, obschon das erste Gesuch vom Eidg. Oberforstinspektorat abgewiesen worden war und Vögelin seine Beschwerde gegen diesen Entscheid zurückgezogen hatte. Diese Rüge ist unbegründet. Unter Vorbehalt abweichender Bestimmungen hindert die Abweisung eines Gesuches durch die Verwaltung dessen erneute Einreichung in der Regel nicht (GRISEL, Droit administratif suisse S. 217; IMBODEN, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung Bd. I Nr. 323 I; BGE 60 I 52 , BGE 67 I 72 ). Im Bundesrecht besteht keine Bestimmung, die der Erneuerung eines abgewiesenen Rodungsgesuches entgegenstehen würde. Die zuständige Behörde, die auf ein solches erneuertes Rodungsgesuch eintritt, verletzt somit kein Bundesrecht. Hieran ändert die im vorliegenden Falle nach Abweisung des ersten Gesuches durch das Eidg. Oberforstinspektorat eingetretene Verschiebung der Zuständigkeit zur Erteilung der in Frage stehenden Rodungsbewilligung nichts. Die von den Beschwerdeführern erhobene Einrede der res iudicata ist unbegründet. Ob Vögelin dabei allerdings einen Anspruch hatte, dass der Regierungsrat auch sein allenfalls mit dem ersten identisches zweites Rodungsgesuch prüfe, kann offen bleiben, da sich diese Frage hier gar nicht stellt. Offen bleiben kann auch, welche Bedeutung gegebenenfalls widersprüchlichem Verhalten des Gesuchstellers zukäme, denn auch der von den Beschwerdeführern im Hinblick auf den Rückzug der Beschwerde beim EDI gegen Vögelin erhobene Vorwurf des venire contra factum proprium ist unbegründet. Vögelin hat seine Beschwerde beim EDI im selben Zeitpunkt zurückgezogen, indem er dem Regierungsrat das zweite Gesuch eingereicht hat, also offensichtlich im Bestreben, die inzwischen eingetretene Kompetenzverschiebung zu nutzen. Der Beschwerderückzug kann unter diesen Umständen nicht als Anerkennung des Entscheides des Eidg. Oberforstinspektorates angesehen werden. Das Verhalten Vögelins war in dieser Beziehung auch nicht missbräuchlich. Nachdem die Kompetenz zur Erteilung der fraglichen Rodungsbewilligung vom Eidg. Oberforstinspektorat an den Regierungsrat des Kantons Schwyz übergegangen war, verpflichtete den Gesuchsteller nichts, den Abschluss des Beschwerdeverfahrens vor dem EDI abzuwarten, umso weniger, als dieses Beschwerdeverfahren sich ohne sein Verschulden stark verzögert hatte und auch ein negativer Entscheid des EDI der Erneuerung des Gesuches nicht entgegengestanden wäre. BGE 98 Ib 489 S. 496 Die von den Beschwerdeführern angerufenen Grundsätze des Bundesgerichts über den Widerruf von Verwaltungsakten (vgl. BGE 93 I 665 , BGE 94 I 343 , BGE 97 I 753 ) finden in der Regel keine Anwendung auf negative Verwaltungsverfügungen. Der vorliegende Fall begründet keine Ausnahme von dieser Regel. 3. Vögelin hat den fraglichen Wald am 18. Juni 1969, also während der Pendenz der von verschiedenen Vereinigungen gegen die Rodungsbewilligung vom 5. Mai 1969 eingereichten Beschwerde, abholzen lassen. Dieses Vorgehen bleibt jedoch für den hier zu treffenden Entscheid ohne Bedeutung. Insbesondere lässt es sich nach der geltenden Rechtsordnung weder für noch gegen die Bestätigung der hier angefochtenen Rodungsbewilligung anführen. Sollte das Bundesgericht zum Schlusse gelangen, diese Rodungsbewilligung sei aufzuheben, so müsste Vögelin verpflichtet werden, die Parzelle wieder aufzuforsten. In diesem Falle wäre dann auch zu prüfen, inwieweit Vögelin sein widerrechtliches Verhalten damit entschuldigen kann, dass die erste Rodungsbewilligung des Regierungsrates weder eine Rechtsmittelbelehrung noch einen Hinweis auf die Beschwerdeberechtigung der Heimat- und Naturschutzorganisationen aufwies und die Ausführung der Rodung von keinen weiteren Voraussetzungen abhängig machte. Mit Rücksicht darauf, dass vorzeitige Rodungen unter bestimmten Umständen praktisch nicht wiedergutzumachen sind und damit die Entscheidungsfreiheit der Beschwerdeinstanz beeinträchtigen können (vgl. BGE 96 I 510
2,741
1,073
ff. Erw. 5), empfiehlt sich jedoch - abgesehen von Sonderfällen - ganz allgemein, im Dispositiv von nicht letztinstanzlichen Rodungsbewilligungen dem Gesuchsteller ausdrücklich, notfalls unter Strafandrohung zu verbieten, die bewilligte Rodung auszuführen, bevor die verfügende Behörde ihm den unbenützten Ablauf der Beschwerdefrist schriftlich angezeigt hat. Die in Art. 35 VwG vorgeschriebene Rechtsmittelbelehrung allein genügt in dieser Hinsicht nicht, da der Gesuchsteller den Tag des Beginns der Beschwerdefrist für die Vereinigungen nach Art. 12 NHG nicht in jedem Falle kennt und ausserdem eine am letzten Tage der Frist aufgegebene Beschwerde bei der Beschwerdeinstanz je nach Umständen erst einige Tage nach Fristablauf eintrifft und dem Gesuchsteller unter ungünstigen Verhältnissen möglicherweise erst nach Ablauf weiterer Tage zur Kenntnis gebracht werden kann. BGE 98 Ib 489 S. 497 4. Nach Art. 31 Abs. 1 FPG soll das Waldareal der Schweiz nicht vermindert werden. Art. 24 Abs. 1 FPV präzisiert, dass das Waldareal nicht nur in seiner Ausdehnung, sondern auch in seiner regionalen Verteilung zu erhalten ist. Damit werden Rodungen grundsätzlich verboten. Zulässig sind sie nur auf Grund einer formell rechtskräftigen Bewilligung der zuständigen Kantons- oder Bundesbehörde. Der Grundsatz der Walderhaltung bedeutet dabei, dass eine solche Bewilligung nur erteilt werden darf, wo sie einer zwingenden Notwendigkeit entspricht (vgl. BGE 98 I/b 372 Erw. 2). Für jede Rodung ist überdies in der Regel durch eine flächengleiche Neuaufforstung in derselben Gegend Realersatz zu leisten ( Art. 26 bis Abs. 1 FPV ). Die Bereitschaft zur Ersatzaufforstung gibt dabei keinen Anspruch auf Rodung. Der Bundesrat hat in Art. 26 FPV die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Rodung näher umschrieben. Rodungen dürfen danach nur bewilligt werden, wenn sich für sie ein gewichtiges, das Interesse an der Walderhaltung überwiegendes Bedürfnis nachweisen lässt. Dieses Bedürfnis kann sowohl öffentlicher wie auch privater Natur sein oder auch sich aus einer Verbindung von privaten und öffentlichen Interessen ergeben. Ob es im Einzelfall besteht, ist als Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffes eine Rechtsfrage und unterliegt somit grundsätzlich freier Überprüfung durch das Bundesgericht (vgl. BGE 98 I/b 372 Erw. 2). Bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe auf den Einzelfall steht der Vorinstanz allerdings ein gewisser Beurteilungsspielraum offen, insbesondere soweit örtliche Verhältnisse zu würdigen sind. Dem trägt das Bundesgericht durch zurückhaltende Überprüfung dieser Fragen Rechnung (vgl. BGE 96 I 373 Erw. 4). Ausgeschlossen ist die Rodung, wenn ihr polizeiliche Gründe entgegenstehen ( Art. 26 Abs. 2 FPV ). Finanzielle Interessen, wie möglichst einträgliche Nutzung des Bodens oder billige Beschaffung von Land gelten nach Art. 26 Abs. 3 FPV nicht als gewichtiges Bedürfnis im Sinne von Art. 26 Abs. 1 FPV . Überdies soll eine Rodung nur bewilligt werden, wenn das Werk, für welches sie begehrt wird, auf den vorgesehenen Standort angewiesen ist. Dies gilt allerdings nicht absolut, bliebe sonst doch praktisch fast jede Rodung ausgeschlossen, was nicht der Sinn des der Verordnung zugrundeliegenden Gesetzes ist (vgl. BGE 98 I/b 373/374). Die Frage der Standortgebundenheit BGE 98 Ib 489 S. 498 des projektierten Werkes ist vielmehr lediglich einer von den Gesichtspunkten, die bei der Interessenabwägung nach Art. 26 Abs. 1 FPV im konkreten Einzelfalle zu berücksichtigen sind. Nur in diesem Sinne verträgt sich die Verordnungsvorschrift mit ihrer gesetzlichen Grundlage. Nach Art. 26 Abs. 4 FPV ist schliesslich auch dem Natur- und Heimatschutz gebührend Rechnung zu tragen. 5. Von keiner Seite wird ausdrücklich behauptet, der hier zu beurteilenden Rodung stünden polizeiliche Gründe entgegen. Die Beschwerdeführer bringen lediglich vor, es sei nicht geprüft worden, ob der Wegfall der Waldparzelle nicht eine Lawinen- oder Steinschlaggefahr heraufbeschwöre. Der Regierungsrat stellt aber im angefochtenen Entscheid dazu ausdrücklich fest, durch die Ersatzaufforstung in unmittelbarer Nähe der Rodungsfläche werde "der Schutzcharakter der gerodeten Waldparzelle wieder hergestellt". Ausserdem springt ins Auge, dass die in Frage stehende Waldparzelle schon ihrer Lage nach keine wesentliche Schutzfunktion erfüllen kann. Dies ist auch die Ansicht des EDI. Es darf somit angenommen werden, dass keine polizeilichen Gründe bestehen, die nach Art. 23 Abs. 2 FPV die Bewilligung der Rodung ausschliessen. Umgekehrt vermag das Interesse Vögelins an einer möglichst einträglichen Nutzung seines Grundeigentums die Rodungsbewilligung nicht zu begründen ( Art. 26 Abs. 3 FPV ). Waldboden ist grundsätzlich unüberbaubar. Dies schliesst in der Regel eine Abwägung des privaten Interesses an der baulichen Ausnützung des Bodens gegenüber dem öffentlichen Interesse an dessen Freihaltung aus. 6. Wie bereits erwähnt, gilt nicht absolut, dass eine Rodung nur bewilligt werden darf, wenn das Werk, für welches sie begehrt wird, strikte auf den vorgesehenen Standort angewiesen ist. In der Regel wird zwar der Entscheid über ein Rodungsgesuch auch von der Beantwortung dieser Frage abhängen. Es sind aber Fälle denkbar, in denen andere Überlegungen in den Vordergrund treten. So kann unter Umständen die Frage nach der Standortgebundenheit des auf Waldboden projektierten Werkes an Gewicht verlieren, wo das Werk Teil einer Gesamtüberbauung bildet, die der Überprüfung im Rahmen der Beurteilung des Rodungsgesuches zum grössten Teil entzogen ist und nach den regionalen und kantonalen Planungsvorstellungen einem das Interesse an der Walderhaltung im konkreten Falle BGE 98 Ib 489 S. 499 weit überwiegenden, öffentlichen Interesse entspricht. In solchen Fällen mag es genügen, wenn das Werk, das an die Stelle des Waldes treten soll, wenigstens relativ standortgebunden ist, das heisst, jedenfalls innerhalb der Gesamtüberbauung auf diesen Standort angewiesen ist. Im vorliegenden Falle ist das Hochhaus A, das an die Stelle der fraglichen Waldparzelle treten soll, im erwähnten Sinne relativ standortgebunden, haben doch Akten und Augenschein ergeben, dass sich dafür im Rahmen der Überbauung der Schillermatte kein unter planerischen und baulichen Gesichtspunkten gleichwertiger Standort finden lässt. Die optische Anlehnung des Hochhauses an den Steilhang ginge verloren, wenn ein Standort ausserhalb des Waldstückes gewählt würde. Die Gesamtüberbauung der Schillermatte betrifft zum grössten Teil freies Wiesland und kann deshalb bei der Beurteilung der hier in Frage stehenden Rodungsbewilligung nicht überprüft werden. Zu prüfen ist jedoch, ob der Regierungsrat im Rahmen seines Beurteilungsspielraums annehmen durfte, sie entspreche nach den sachlich begründeten regionalen und kantonalen Planungsvorstellungen einem das Interesse an der Erhaltung der Waldparzelle weit überwiegenden, öffentlichen Interesse. 7. Der angefochtene Entscheid geht davon aus, dass die Überbauung für die touristische Entwicklung Brunnens notwendig sei und die touristische Entwicklung Brunnens und der Gemeinde Ingenbohl einem das Interesse an der Walderhaltung weit überwiegenden Interesse entspreche. Der Vertreter des Regierungsrates hat am Augenschein unter Hinweis auf den Rückgang des Hotelbettenangebotes in Brunnen ausdrücklich bestätigt, dass nach Ansicht der Vorinstanz eine erfolgreiche touristische Entwicklung der Gemeinde Ingenbohl nur möglich sei, wenn die Überbauung der Schillermatte entsprechend der Empfehlung im Gutachten des Instituts für Fremdenverkehr an der Hochschule St. Gallen verwirklicht werden könne. Auch die in der Überbauung vorgesehenen Zweitwohnungen seien für den Aufschwung des Kurortes notwendig. Das Gebiet der Schillermatte könne als "touristische Bauzone" angesehen und später auch entsprechend eingezont werden. Das öffentliche Interesse an der wirtschaftlichen - somit auch der touristischen - Entwicklung einer Gemeinde fällt bei der Abwägung der für und gegen eine Rodung sprechenden Interessen schwer ins Gewicht. Beim Entscheid darüber, ob die BGE 98 Ib 489 S. 500 wirtschaftliche Entwicklung einer bestimmten Gemeinde durch Förderung des Tourismus im Sinne von Art. 26 Abs. 1 FPV wesentlichen öffentlichen Interessen entspricht und ob gegebenenfalls die im konkreten Einzelfall vorgesehene Massnahme für die Förderung des Tourismus notwendig ist, verfügt die zur Erteilung der Rodungsbewilligung zuständige Kantonsregierung über einen erheblichen Beurteilungsspielraum, ist sie doch dank ihrer Kenntnis der örtlichen Verhältnisse und ihrer Distanz zu rein lokalen Interessen in ganz besonderem Masse berufen, wesentliche öffentliche Interessen im Kanton zu bezeichnen und die regionale und kantonale Planung daraufhin auszurichten. Mit der Annahme, die Überbauung der Schillermatte sei für die Förderung des Kurortes Brunnen notwendig und die touristische Entwicklung der Gemeinde Ingenbohl entspreche einem wesentlichen öffentlichen Interesse, bringt der Regierungsrat des Kantons Schwyz offensichtlich kantonale Planungsvorstellungen und nicht blosse Lokalinteressen zum Ausdruck. Seinen Beurteilungsspielraum überschreitet er damit nicht. Zu prüfen bleibt indessen, ob er auch annehmen durfte, dieses öffentliche Interesse überwiege bei weitem die öffentlichen Interessen an der Erhaltung der in Frage stehenden Waldparzelle. 8. Die Walderhaltung ist grundlegendes Gebot der Forstpolizeigesetzgebung. Für die Erhaltung der hier in Frage stehenden Waldparzelle sprechen ausserdem Gründe des Natur- und Heimatschutzes. Ihnen ist, wie Art. 26 Abs. 4 FPV ausdrücklich vorschreibt, bei der Beurteilung von Rodungsgesuchen gebührend Rechnung zu tragen. In einem Falle, in dem wie hier an die Stelle der Waldparzelle ein Bauwerk treten soll, kann es dabei nicht genügen, die Auswirkungen der Rodung als solcher auf das Landschaftsbild zu beurteilen, tritt doch die Rodung als solche praktisch gar nie für sich allein in Erscheinung. Vielmehr ist grundsätzlich, entgegen der Ansicht des Beschwerdegegners, auch das geplante Bauwerk unter diesem Gesichtspunkt zu würdigen. Die Vorschrift, dem Natur- und Heimatschutz gebührend Rechnung zu tragen, verlöre sonst für die grosse Mehrzahl der Fälle jeden praktischen Sinn. Immerhin verfügt die Kantonsregierung auch in dieser Beziehung über einen verhältnismässig weiten Beurteilungsspielraum, umso mehr, als Natur- und Heimatschutz grundsätzlich Sache der Kantone ist ( Art. 24 sexies Abs. 1 BV ). BGE 98 Ib 489 S. 501 Den Beschwerdeführern ist ohne weiteres zuzugeben, dass das auf der Rodungsfläche vorgesehene Hochhaus A das Landschaftsbild beeinträchtigen wird. Dies heisst aber noch nicht, dass der Regierungsrat mit seinem Entscheid die Grenzen seines Beurteilungsspielraums überschritten habe. Es kann nämlich nicht ausser Acht gelassen werden, dass das Landschaftsbild um die Schillermatte schon lange nicht mehr unberührt erhalten ist. Unweit westlich der projektierten Überbauung befindet sich am Seeufer ein grösseres Kieswerk mit einem die Höhe des Hochhauses A beträchtlich überragenden, breiten Steinbruch. Östlich der Schillermatte ist vom See her der weder durch Aufschüttungen, noch durch Pflanzen oder Bäume abgedeckte Betonbau der erweiterten Flabkaserne sichtbar. Wenn auch die Verunstaltung einer Landschaft durch bestehende Bauwerke weitere Verunstaltungen nicht rechtfertigt, so müssen doch an neue Bauten in einer bereits erheblich beeinträchtigten Landschaft, wie es die Gegend um die Schillermatte ist, nicht unbedingt dieselben strengen Anforderungen gestellt werden, wie an Bauten in einer noch völlig unberührten Landschaft. Dabei kann auch nicht ganz ausser Acht bleiben, dass das Hochhaus B und der Block C, deren von der Rodungsbewilligung unabhängiger Bau bereits endgültig bewilligt ist, zu einer weiteren Beeinträchtigung des Landschaftsbildes führen werden, die im forstpolizeilichen Bewilligungsverfahren nicht verhindert werden kann. Den grundsätzlichen Ausführungen in der Stellungnahme der Eidg. Natur- und Heimatschutzkommission vom 16. Februar 1970, auf die sich insbesondere das EDI beruft, kann zwar voll und ganz beigepflichtet werden. Mit bezug auf den vorliegenden Fall geht die Kommission jedoch von der unrichtigen Voraussetzung aus, das Landschaftsbild um die Schillermatte sei im wesentlichen noch unberührt; jedenfalls nimmt sie in keiner Weise zu den bereits bestehenden Beeinträchtigungen Stellung. Ihre Schlüsse werden durch diesen Mangel entkräftet. Die Beschwerdeführer machen geltend, das Gebiet der Schillermatte werde demnächst in das KLN-Inventar aufgenommen, was zeige, dass es besonders schutzwürdig sei. Das KLN-Inventar, ein im Auftrag des Schweizerischen Bundes für Naturschutz, der Schweizerischen Vereinigung für Heimatschutz und des Schweizerischen Alpenclubs erstelltes Inventar der zu erhaltenden Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler BGE 98 Ib 489 S. 502 Bedeutung ist nicht zu verwechseln mit den gemäss Art. 5 NHG vom Bundesrat aufzustellenden Inventaren von Objekten mit nationaler Bedeutung. Die Aufnahme eines Gebietes in dieses private Inventar entfaltet keine unmittelbaren, rechtlichen Wirkungen. Eine gewisse Bedeutung kommt ihr allerdings insofern zu, als sich der Bundesrat gemäss Art. 5 NHG bei der Erstellung der Inventare des Bundes auf solche privaten Inventare stützen kann. Besteht an der Aufnahme eines bestimmten im KLN-Inventar figurierenden Gebietes in ein Inventar des Bundes kein ernsthafter Zweifel, so rechtfertigt es sich, dieses Gebiet bereits vor der Erstellung des Bundesinventars mit besonderer Sorgfalt vor neuen Beeinträchtigungen zu schützen, damit es nicht im Zeitpunkt der formellen Aufnahme in das Bundesinventar dieser Aufnahme praktisch nicht mehr würdig ist. Vor der Erstellung der Bundesinventare hat der Bundesrat die Kantone anzuhören ( Art. 5 NHG ). Der Stellungnahme der Kantone kommt umso grösseres Gewicht zu, als Art. 24 sexies Abs. 1 BV den Natur- und Heimatschutz grundsätzlich ihnen überlässt. Der Schwyzer Regierungsrat hat im vorliegenden Falle die Überbauung der Schillermatte in ihrer ersten Bauetappe auch unter dem Gesichtspunkt des Natur- und Heimatschutzes gutgeheissen. Damit hat er zum Ausdruck gebracht, dass er die ungeschmälerte Erhaltung dieser Gegend nicht für unerlässlich hält. Mit Rücksicht darauf, dass er rechtlich nicht an das KLN-Inventar gebunden ist, muss angenommen werden, dass er auch dem Bundesrat gegenüber diese Ansicht vertreten wird, jedenfalls soweit der engere Bereich der Schillermatte in Frage steht. Unter diesen Umständen muss aber ernsthaft bezweifelt werden, dass das fragliche Gebiet je in ein Inventar des Bundes aufgenommen wird. Eine Sonderbehandlung der Schillermatte rechtfertigt sich somit nicht. Berücksichtigt man schliesslich, dass es sich bei der in Frage stehenden Waldparzelle um eine isolierte Waldzunge handelt, deren Fläche (2840 m2) einen geringen Bruchteil der für die Überbauung vorgesehenen Gesamtfläche (156 000 m2) bildet, so ergibt sich, dass der Regierungsrat mit der Annahme, das öffentliche Interesse an der Überbauung der Schillermatte überwiege jenes an der Erhaltung der Waldparzelle weit, die Grenzen seines Beurteilungsspielraums nicht überschritten hat. Es kann nicht Aufgabe der Forstpolizei sein, die grösstenteils Wiesland betreffende Gesamtüberbauung, die unter dem Gesichtspunkt BGE 98 Ib 489 S. 503 des Landschaftsschutzes bedenklich sein mag, zu behindern, obschon an der Erhaltung der Waldzunge am bisherigen Orte kein besonderes Interesse besteht. Die relative Standortgebundenheit des Hochhauses A genügt unter den vorliegenden Umständen für die Erteilung der Rodungsbewilligung. Die Beschwerde muss somit abgewiesen werden. Die Einholung der von den Beschwerdeführern beantragten Expertise erübrigt sich.
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de
Sachverhalt ab Seite 162 BGE 132 II 161 S. 162 X. (geb. 1970) bewarb sich am 18. April 2003 bei der Oberzolldirektion (OZD) um eine Vollzeitstelle als Sachbearbeiterin/Revisorin für die Behandlung von Rückerstattungsanträgen im Bereich Mineralölsteuer. Sie unterschrieb am 4. Juni 2003 den entsprechenden öffentlichrechtlichen Arbeitsvertrag, der ihren Stellenantritt auf den 1. Juli 2003 vorsah. Am 25. Juni 2003 forderte die Oberzolldirektion X. auf, zu einer ihr zugetragenen Information Stellung zu nehmen, wonach sie in ein Strafverfahren wegen eines Kapitalverbrechens verwickelt sei; gleichzeitig bekundete sie die Absicht, das Dienstverhältnis allenfalls rückgängig machen zu wollen. X. bestätigte, dass gegen sie ein Strafverfahren im Zusammenhang mit dem Tod ihres Freundes im Gange sei und es zu einer Gerichtsverhandlung kommen werde. Am 27. Juni 2003 teilte die Oberzolldirektion ihr mit, dass sie unter diesen Umständen den Arbeitsvertrag vom 4. Juni 2003 widerrufe. X. widersetzte sich dem und bot der Oberzolldirektion wiederholt ihre Arbeit an, worauf diese am 12. September 2003 unter dem Titel "Rückgängigmachung des Arbeitsvertrages" verfügte, dass das Arbeitsverhältnis mit X. "fristlos, d.h. rückwirkend per 26. Juni 2003, gekündigt" werde; es würden keine Lohnkosten oder Entschädigungen ausbezahlt. Da X. die Zulässigkeit dieser Verfügung bestritt und davon ausging, ihr Anstellungsverhältnis dauere fort, beantragte die Oberzolldirektion dem Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) am 4. November 2003, die "Gültigkeit der Kündigung" festzustellen bzw. die "fristlose Auflösung des Arbeitsverhältnisses vor Stellenantritt" zu bestätigen. Das Eidgenössische Finanzdepartement entschied am 14. April 2005, der umstrittene Arbeitsvertrag sei ungültig. Zur Begründung führte es aus, dass X. aufgrund ihrer vorvertraglichen Pflichten gehalten gewesen wäre, die Oberzolldirektion über das hängige Strafverfahren zu informieren; stattdessen habe sie diese mit einer ausweichenden Antwort über ihre Situation getäuscht, so dass sich die Anstellungsbehörde bei Vertragsabschluss in einem wesentlichen Irrtum über die Eignung und Verfügbarkeit der Bewerberin für die BGE 132 II 161 S. 163 ausgeschriebene Stelle befunden habe. Die Eidgenössische Personalrekurskommission bestätigte diesen Entscheid auf Beschwerde hin am 22. September 2005. Das Bundesgericht weist die von X. hiergegen eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.
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394
Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Die Vorinstanzen gingen davon aus, dass die allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts (OR; SR 220) und insbesondere die Regeln über die Willensmängel ( Art. 23 ff. OR ) im Dienstrecht des Bundes analog Anwendung fänden. Die Beschwerdeführerin bestreitet dies. Zu Unrecht: 3.1 Mit dem Bundespersonalgesetz sollte das Dienstrecht des Bundes flexibilisiert und den obligationenrechtlichen Regeln angenähert werden (BBl 1999 S. 1609; HARRY NÖTZLI, Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen im Bundespersonalrecht, Bern 2005, N. 11 ff.; ANNIE ROCHAT PAUCHARD, La nouvelle loi sur le personnel de la Confédération [LPers], in: RDAT 2001 II S. 549 ff., dort S. 551 f.). Nach Art. 6 Abs. 2 des Bundespersonalgesetzes vom 24. März 2000 (BPG; SR 172.220.1) gelten für das Arbeitsverhältnis sinngemäss die einschlägigen Bestimmungen des Obligationenrechts, soweit das Bundespersonalgesetz oder andere Bundesgesetze nichts anderes vorsehen (vgl. BBl 1999 S. 1609; PETER HELBLING, Entwicklung im Personalrecht des Bundes; Anmerkungen zum Bundespersonalgesetz, in: Helbling/Poledna, Personalrecht des öffentlichen Dienstes, Bern 1999, S. 1 ff., dort S. 23; ROCHAT PAUCHARD, a.a.O., S. 552). Dieser Verweis bezieht sich nicht nur auf die arbeitsrechtlichen Bestimmungen des OR ( Art. 319 ff. OR ), sondern auf sämtliche Regeln, die sich im Hinblick auf die Besonderheiten des öffentlichen Arbeitsverhältnisses für einen analogen Beizug als ergänzendes öffentliches Recht (vgl. BBl 1999 S. 1610) eignen (vgl. NÖTZLI, a.a.O., N. 47 f.; ROCHAT PAUCHARD, a.a.O., S. 556; MINH SON NGUYEN, Droit fédéral de la fonction publique: de la décision au contrat, in: Freiburger Zeitschrift für Rechtsprechung [FZR] 2004/2 S. 136 ff., dort S. 145). Er umfasst auch - wie der Bundesrat in seiner Botschaft zum Bundespersonalgesetz festgehalten hat (BBl 1999 S. 1610) und im Rahmen der parlamentarischen Beratungen bestätigt wurde (AB 1999 N 2061 [Voten David und Villiger]) - den Allgemeinen Teil des OR und insbesondere die Normen über die Willensmängel beim Vertragsabschluss ( Art. 1-40 OR ; PETER HELBLING, Der öffentliche BGE 132 II 161 S. 164 Dienst auf dem Weg in das OR, in: AJP 2004 S. 242 ff., dort S. 248; derselbe , Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses beim Bund: Ein Vergleich zwischen OR und BPG, in: FZR 2004/2 S. 168 ff., dort S. 169 f.; LILIANE SUBILIA-ROUGE, La nouvelle LPers: quelques points de rencontre avec le droit privé du travail, in: RDAF 2003 S. 289 ff., dort S. 299). Dies entspricht dem allgemeinen öffentlichrechtlichen Grundsatz, wonach auf Willensmängel bei verwaltungsrechtlichen Verträgen die Regeln von Art. 23 ff. OR analog anzuwenden sind (vgl. BGE 105 Ia 207 E. 2c S. 211 f.; TSCHANNEN/ZIMMERLI, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl., Bern 2005, S. 320, N. 10). 3.2 3.2.1 Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, das Personalrecht des Bundes enthalte in Art. 12 ff. BPG eine detaillierte abschliessende Regelung über die Auflösung des Dienstverhältnisses, weshalb kein Platz für eine Irrtumsanfechtung bleibe, verkennt sie, dass jene die Kündigung, d.h. die Beendigung des ursprünglich gültig zustande gekommenen Vertrages betrifft, wogegen sich die Irrtumsanfechtung auf den Vertragsabschluss und damit auf dessen Zustandekommen bezieht (vgl. INGEBORG SCHWENZER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bern 2003, Rz. 36.01; GAUCH/ Schluep/Schmid/Rey, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bd. 1, 8. Aufl., Zürich 2003, Rz. 760; BRUNO PELLEGRINI, Die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen Willensmängeln, Bern 1983, S. 7 ff.; WOLFGANG PORTMANN, Individualarbeitsrecht, Zürich 2000, N. 130 ff.). Hierfür verweist das Bundespersonalrecht grundsätzlich auf die Regeln des OR. Kündigung und Irrtumsanfechtung verfolgen unterschiedliche Zwecke und kommen - wie im Privatrecht - deshalb auch im Arbeitsrecht des Bundes alternativ zur Anwendung, soweit die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. WILHELM HEITKAMP, Rechtsfragen der Bewerbung, Diss. Zürich 1986, S. 24 f.; DANIEL EGLI, Die Verdachtskündigung nach schweizerischem und nach deutschem Recht, Bern 2000, S. 11; MANFRED REHBINDER, Rechtsfragen der Bewerbung, in: Wirtschaft und Recht 35/1983 S. 54 ff., dort S. 63). 3.2.2 Dabei ist einzig den verfahrensrechtlichen Besonderheiten des Bundesdienstrechts Rechnung zu tragen: Die Irrtumsanfechtung durch den öffentlichrechtlichen Arbeitgeber darf zu keiner Umgehung des Rechtsschutzes des Arbeitnehmers nach dem Bundespersonalgesetz führen. Nach Art. 13 Abs. 3 BPG muss der Arbeitgeber das Dienstverhältnis in Form einer Verfügung kündigen, soweit BGE 132 II 161 S. 165 sich die Parteien über die Beendigung nicht einigen können; dasselbe hat zu gelten, soweit sich der öffentlichrechtliche Arbeitgeber auf einen Willensmangel beim Abschluss des Arbeitsvertrags nach Art. 8 Abs. 1 BPG beruft. Zwar erfolgt die Geltendmachung der Unverbindlichkeit des Vertrags wegen Irrtums durch eine Gestaltungserklärung (vgl. BGE 128 III 70 E. 2), die als solche keiner besonderen Form oder Begründung bedarf, selbst wenn ein formbedürftiges Geschäft vorliegt (vgl. INGEBORG SCHWENZER, a.a.O., Rz. 39.13 f.); bestreitet der Bedienstete indessen, dass das entsprechende Gestaltungsrecht besteht oder wirksam ausgeübt worden ist, muss hierüber verfügt und damit der dienstrechtliche Beschwerdeweg geöffnet werden. Dies ergibt sich aus Art. 34 Abs. 1 BPG , wonach der Arbeitgeber eine Verfügung zu erlassen hat, soweit bei Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis keine Einigung zustande kommt. Ist der Konsens hinsichtlich des öffentlichrechtlichen Arbeitsvertrags durch tatsächlich übereinstimmend verstandene oder nach dem Vertrauensprinzip als übereinstimmend zu verstehende Willenserklärungen begründet worden und will sich der Arbeitgeber nachträglich auf einen Willensmangel bzw. eine fehlerhafte Willensbildung berufen, hat dies als Streitigkeit aus dem Dienstverhältnis im Sinne dieser Bestimmung und nicht als solche um dessen Begründung (vgl. hierzu ANDRÉ MOSER, Der Rechtsschutz im Bund, in: Helbling/Poledna, Personalrecht des öffentlichen Dienstes, a.a.O., S. 533 ff., dort S. 537 f.; PETER HÄNNI, Personalrecht des Bundes, 2. Aufl., Basel/Genf/München 2004, N. 256) zu gelten, auch wenn wegen des Willensmangels im Resultat allenfalls tatsächlich kein Vertrag zustande gekommen ist. 3.2.3 Der Beschwerdeführerin wurde der Rechtsmittelweg mit der Verfügung der Oberzolldirektion vom 12. September 2003 geöffnet, womit sie nicht schlechter gestellt war als im Falle der Kündigung. Es ist deshalb zu prüfen, ob - wie die Vorinstanzen angenommen haben - die Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Willensmangels erfüllt waren. 4. 4.1 Der Vertrag kann von einer Partei für unverbindlich erklärt werden, wenn sie sich bei dessen Abschluss in einem wesentlichen Irrtum befunden hat ( Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR ) oder wenn sie getäuscht worden ist ( Art. 28 OR ), wobei in diesem Fall der Irrtum kein wesentlicher zu sein braucht. Ein Grundlagenirrtum liegt vor, wenn der Anfechtende sich über einen bestimmten Sachverhalt geirrt hat, BGE 132 II 161 S. 166 der für ihn notwendige Vertragsgrundlage bildete und der nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als gegeben vorausgesetzt werden durfte (vgl. BGE 123 III 200 E. 2). Ein täuschendes Verhalten im Sinne von Art. 28 OR ist anzunehmen, wenn dem Betroffenen widerrechtlich Tatsachen vorgespiegelt oder verschwiegen wurden, ohne die er den Vertrag nicht oder nicht mit dem entsprechenden Vertragsinhalt abgeschlossen hätte (vgl. BGE 129 III 320 E. 6.3 S. 326). Das Verschweigen von Tatsachen ist dabei insoweit verpönt, als eine Aufklärungspflicht besteht. Wann dies der Fall ist, bestimmt sich auf Grund der Umstände im Einzelfall (vgl. BGE 116 II 431 E. 3a S. 434). 4.2 Dem Arbeitnehmer erwachsen im Rahmen der Vertragsverhandlungen gewisse vorvertragliche Auskunfts- und Offenbarungspflichten (vgl. Urteil 4C.189/2002 vom 27. September 2002, E. 1.3; BGE 122 V 267 E. 3). Deren Umfang und Tragweite sind in Doktrin und Praxis im Einzelnen umstritten (vgl. STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319-362 OR , 6. Aufl., Zürich 2006, N. 10 zu Art. 320 OR sowie N. 9 ff. zu Art. 328b OR ; BGE 122 V 267 E. 3b S. 269). Generell gilt, dass der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Auskunftspflicht Fragen, welche in einem unmittelbaren Zusammenhang zum Arbeitsplatz und der zu leistenden Arbeit stehen, wahrheitsgetreu zu beantworten hat, falls der erfragte Umstand von unmittelbarem objektivem Interesse für das spezifische Arbeitsverhältnis ist, was sich nach dessen vorgesehenen Dauer, der zu verrichtenden Arbeit, der Art des Betriebs sowie der zukünftigen Stellung des Arbeitnehmers in diesem beurteilt (vgl. FRANK VISCHER, Der Arbeitsvertrag, 3. Aufl., Basel 2005, S. 69 ff.; REHBINDER/ PORTMANN, in: Basler Kommentar, N. 5 ff. zu Art. 320 OR ; PORTMANN, a.a.O., N. 138 ff.; REHBINDER, a.a.O., S. 60; BRUNNER/BÜHLER/WAEBER/ BRUCHEZ, Kommentar zum Arbeitsvertragsrecht, Basel/Genf/München, 3. Aufl., Basel 2005, N. 6 ff. zu Art. 320 OR ; STREIFF/VON KAENEL, a.a.O., N. 5 ff. zu Art. 328b OR ). Unabhängig von der zu besetzenden Stelle hat der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Offenbarungspflicht alles von sich aus mitzuteilen, was ihn zu deren Übernahme als (absolut) ungeeignet erscheinen lässt, die vertragsgemässe Arbeitsleistung praktisch ausschliesst oder diese doch erheblich behindert (vgl. MARGRIT WEBER-SCHERRER, Rechtliche Aspekte der Information zwischen den Arbeitsvertragsparteien unter besonderer Berücksichtigung des Notwehrrechts der Lüge, Zürich 1999, S. 227 [bezüglich Krankheit und Invalidität]; HEITKAMP, a.a.O., BGE 132 II 161 S. 167 S. 68 [in fine]; REHBINDER/PORTMANN, a.a.O., N. 9; PORTMANN, a.a.O., N. 153 ff.; REHBINDER, a.a.O., S. 62). Das ist etwa der Fall, wenn er die fragliche Arbeitsleistung mangels entsprechender Fähigkeiten überhaupt nicht erbringen kann (fehlende Ausbildung oder Berufspraxis), wenn er zur Arbeitsleistung infolge chronischer Leiden, schwerer oder ansteckender Krankheiten ausserstande ist oder wenn feststeht, dass er bei Dienstantritt aller Voraussicht nach krank oder zur Kur sein wird (Urteil 4C.189/2002 vom 27. September 2002, E. 1.3). Ob und wieweit bezüglich eines hängigen Strafverfahrens (Ermittlungs-, Untersuchungs- und Hauptverfahren) eine Auskunfts- bzw. Offenbarungspflicht besteht, ist in der Doktrin umstritten (vgl. STREIFF/VON KAENEL, a.a.O., N. 9 zu Art. 328b OR , S. 384 f.); eine solche wird tendenziell hinsichtlich arbeitsplatzbezogener Delikte und bezüglich solcher Verfahren bejaht, bei denen die konkret absehbare Gefahr einer Arbeitsverhinderung oder doch das erhebliche Risiko einer wesentlichen Verminderung der Arbeitsleistung besteht (vgl. STREIFF/VON KAENEL, a.a.O., N. 9 zu Art. 328b OR , S. 384 f.; WEBER-SCHERRER, a.a.O., S. 220; HEITKAMP, a.a.O., S. 111; REHBINDER, a.a.O., S. 62). 4.3 Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, wenn das Finanzdepartement und die Personalrekurskommission vorliegend davon ausgegangen sind, der mit der Beschwerdeführerin abgeschlossene Arbeitsvertrag habe an einem Willensmangel gelitten: 4.3.1 Gegen die Beschwerdeführerin wurde im Oktober 2000 eine Strafuntersuchung wegen vorsätzlicher Tötung eingeleitet. Sie stand unter dem Verdacht, am 16. Oktober 2000 ihren damaligen Freund durch einen Schuss in den Rücken getötet und hernach verbrannt und vergraben zu haben. Das entsprechende Tötungsdelikt bzw. die Person der Beschwerdeführerin bildeten Gegenstand einer breiten Berichterstattung in den Medien. Zwar betraf das Strafverfahren ihren Privatbereich, doch hatte es - auch wenn die vorgesehene Funktion der Beschwerdeführerin bei der Oberzolldirektion nicht leitender Natur war - dennoch unmittelbare Auswirkungen auf ihre berufliche Eignung und Verfügbarkeit für die verabredete Arbeitsleistung: Die Stelle als Sachbearbeiterin/Revisorin im Bereich Mineralölsteuer umfasste gemäss Ausschreibung die Beratung von Gesuchstellern in allen Fragen der verschiedenen Steuerrückerstattungen und sah zahlreiche, weitgehend selbständig wahrzunehmende telefonische und schriftliche Kontakte mit Kunden vor. Das hängige Strafverfahren und dessen landesweite Publizität waren geeignet, BGE 132 II 161 S. 168 diese Tätigkeit wesentlich zu erschweren und das effiziente Erfüllen des Pflichtenhefts grundlegend in Frage zu stellen. Wegen der zahlreichen Aussenkontakte berührte die Anstellung der Beschwerdeführerin unmittelbar die Glaubwürdigkeit und das Ansehen der Oberzolldirektion als staatlicher Kontrollinstanz, zumal die Beschwerdeführerin im Strafverfahren anfänglich falsche Aussagen (angeblicher Überfall maskierter Dritter auf sie und ihren Freund) gemacht hatte, bevor sie die Verwicklung in den Tod ihres Partners zugestand, worüber die Medien wiederum umfassend berichtet hatten. Nach Treu und Glauben wäre die Beschwerdeführerin deshalb gehalten gewesen, die OZD im Rahmen ihrer Bewerbung über diese Situation zu informieren, selbst wenn sie davon ausging, dass es sich beim Tod ihres Freundes um einen "Unfall" gehandelt habe, und sie darauf hoffte, nicht oder bloss zu einer bedingten Strafe verurteilt zu werden. 4.3.2 Wegen des hängigen Strafverfahrens war auch mit einer deutlichen Beeinträchtigung der Arbeitsleistung in zeitlicher und qualitativer Hinsicht zu rechnen. Bei der vorgesehenen Aktivität handelte es sich um eine Vollzeitstelle, welche die Beschwerdeführerin wegen der mit dem aufwendigen Strafverfahren verbundenen Belastungen nur schwer und bloss bei einer relativ weitgehenden Anpassung ihrer Arbeitszeiten hätte versehen können; eine solche wäre jedoch - zumindest in der Einführungsphase - praktisch kaum möglich und dem Arbeitgeber nicht zumutbar gewesen. Die Beschwerdeführerin hielt in einem Schreiben an das Finanzdepartement vom 28. November 2003 fest, dass sie ihre (damalige) Halbtagesstelle ohne Not namentlich auch deswegen nicht verlieren wolle, weil sie in Bezug auf ihre Arbeitszeiten dort über eine relativ grosse Flexibilität verfüge, was angesichts der vielen anstehenden Besprechungen mit ihrem Rechtsanwalt sowie Ärzten und Therapeuten "absolut notwendig" sei. Unter diesen Umständen musste für sie mit Blick auf den Umfang des Untersuchungsverfahrens, den bevorstehenden, absehbar länger dauernden Prozess und die nicht bloss abstrakte Möglichkeit der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe bereits bei der Bewerbung ohne weiteres klar gewesen sein, dass sie das Stellenprofil nicht oder doch nur sehr beschränkt würde erfüllen können. Auch aus diesem Grund wäre sie nach Treu und Glauben gehalten gewesen, die Oberzolldirektion anlässlich des Vorstellungsgesprächs über das hängige Strafverfahren und die damit verbundenen Auswirkungen zu informieren. BGE 132 II 161 S. 169 4.3.3 Dies hat sie nicht getan, sondern auf die Frage nach ihren Beschäftigungen in den Jahren 2000 bis 2002 vielmehr ausweichend erklärt, sich weitergebildet und um Pferde gekümmert zu haben. Sie hat die Oberzolldirektion damit über die wirklichen Verhältnisse bzw. ihre Eignung und Verfügbarkeit zur Erfüllung des Vertrags vom 4. Juni 2003 getäuscht, wobei sie sich der Relevanz der verschwiegenen Tatsache bewusst war: Von der Oberzolldirektion auf das Strafverfahren angesprochen, erklärte sie am 25. Juni 2003, sie habe darauf nicht hingewiesen, da es, wenn sie dies früher jeweils getan habe, nicht zum Vertragsabschluss gekommen und sie wie "Dreck" behandelt worden sei. Entgegen ihren Einwänden ging es beim umstrittenen Punkt nicht - in Verletzung der Unschuldsvermutung (vgl. für den Fall einer Verdachtskündigung: Urteil 4C.103/ 1999 vom 9. August 1999, E. 3b, veröffentlicht in: Pra 89/2000 Nr. 11 S. 56 ff.) - um irgendeine Form von Vorverurteilung, sondern ausschliesslich um ihre Eignung und Verfügbarkeit zur Erfüllung der Aufgaben als Sachbearbeiterin/Revisorin bei der Oberzolldirektion. An den entsprechenden Informationen hatte diese als Arbeitgeberin auf Grund der konkreten Umstände ein den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Persönlichkeitsschutz überwiegendes Interesse (vgl. BGE 122 V 267 E. 3b S. 269), weshalb - entgegen ihrer Kritik - kein "Notlügerecht" bestand, soweit ein solches grundsätzlich anerkannt werden kann (vgl. VISCHER, a.a.O., S. 70 mit Hinweisen auf die verschiedenen Lehrmeinungen; PORTMANN, a.a.O., N. 133). 4.4 Die Oberzolldirektion durfte den Arbeitsvertrag mit ihr somit wegen Willensmangels für einseitig unverbindlich erklären. Dies hat sie am 27. Juni 2003 getan, indem sie der Beschwerdeführerin mitteilte, der Arbeitsvertrag vom 4. Juni 2003 werde wegen "den inzwischen aufgetauchten Hinweisen" widerrufen. Auch wenn sie in diesem Schreiben nicht ausdrücklich von einem Willensmangel sprach, ergab sich daraus doch klar, dass sie den Vertrag nicht gegen sich gelten lassen und die Parteien so stellen wollte, wie wenn es nie zur übereinstimmenden Willenserklärung gekommen wäre, was als Anfechtung genügte (vgl. PELLEGRINI, a.a.O., S. 73 f.). Ihr Wille, den Vertrag nicht gelten zu lassen, ergab sich im Übrigen auch daraus, dass sie der Beschwerdeführerin die Bewerbungsunterlagen retournierte, was unterstrich, dass sie nicht bereit war, die Anstellung nachträglich zu bestätigen. Aus der auf Drängen des Anwalts der Beschwerdeführerin ergangenen BGE 132 II 161 S. 170 "Kündigungsverfügung" vom 12. September 2003 lässt sich inhaltlich nichts anderes ableiten. Die Formulierung rückwirkende "fristlose Kündigung" vor dem Stellenantritt unter dem Titel "Verfügung betreffend Rückgängigmachung des Arbeitsvertrags" schloss dessen Anerkennung unter nachfolgender Kündigung aus. Auch wenn gewisse Passagen der Verfügungsbegründung unglücklich formuliert waren, ging es dabei darum, das Schreiben vom 27. Juni 2003 zu bestätigen, wonach der Vertrag nicht anerkannt werde. 4.5 War der Vertrag für die Oberzolldirektion wegen Willensmangels damit einseitig unverbindlich, erübrigt es sich, auf die einzelnen Einwände der Beschwerdeführerin bezüglich der Zulässigkeit einer allfälligen ordentlichen oder ausserordentlichen Kündigung einzugehen. Inwiefern die Anrufung des Willensmangels durch die Arbeitgeberin rechtsmissbräuchlich sein könnte, ist nicht ersichtlich. Die Oberzolldirektion war nicht gehalten, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, solange sie den Arbeitsvertrag nicht anerkannt hatte. Dass sie allenfalls die Möglichkeit hierzu gehabt hätte, machte ihre Berufung auf einen Willensmangel nicht treuwidrig.
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Sachverhalt ab Seite 260 BGE 139 V 259 S. 260 A. Die 1955 geborene J. ist seit 1. Januar 2009 teilzeitlich auf Abruf bei M. als Kursleiterin tätig. Mit Verfügung vom 7. Februar 2012 verneinte die Arbeitslosenkasse Unia (nachfolgend: Arbeitslosenkasse) einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab 19. Februar 2012 mangels eines anrechenbaren Arbeitsausfalls, nachdem J. seit 19. Februar 2010 wiederholt Taggelder der Arbeitslosenversicherung bezogen hatte. Daran hielt die Arbeitslosenkasse mit Einspracheentscheid vom 30. März 2012 fest. B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz mit Entscheid vom 17. August 2012 ab. C. J. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, es sei die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids an die Arbeitslosenkasse zur Prüfung ihres Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung zurückzuweisen, eventualiter sei die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Vorinstanz, die Arbeitslosenkasse und das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
246
182
Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. 5.1 Gemäss konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichts handelt es sich bei einem Arbeitsverhältnis auf Abruf, das nach dem Verlust einer Vollzeitstelle nicht freiwillig, sondern der Not gehorchend und um die Arbeitslosigkeit zu überbrücken, eingegangen wurde, um eine notgedrungene Zwischenlösung, was sich auch aus der Tatsache ergibt, dass die versicherte Person bereit ist, diese Tätigkeit unverzüglich aufzugeben. Eine versicherte Person hat dann mit der Aufnahme eines Abrufverhältnisses nur das getan, wozu sie gemäss der ihr obliegenden Schadenminderungspflicht ( Art. 17 BGE 139 V 259 S. 261 AVIG ; SR 837.0) gehalten ist (Urteil C 266/06 vom 26. Juli 2007 E. 3.2, in: SVR 2008 ALV Nr. 3 S. 6). Deshalb hielt das damalige Eidgenössische Versicherungsgericht (heute Bundesgericht) fest, die Annahme eines Arbeitsverhältnisses auf Abruf nach Verlust einer Vollzeitstelle sei als Überbrückungstätigkeit zu werten und nicht anstelle der letzten Vollzeittätigkeit als massgebendes letztes Arbeitsverhältnis im Sinne von Art. 4 Abs. 1 AVIV (SR 837.02) zu betrachten (Urteil C 279/95 vom 10. Juni 1996 E. 3a, in: SVR 1996 ALV Nr. 74 S. 227). Vorliegender Fall ist davon zu unterscheiden, denn die Beschwerdeführerin beantragte nach Aufnahme ihres Abrufverhältnisses im Jahr 2009 nun die Eröffnung der dritten Rahmenfrist zum Leistungsbezug, aufgrund desselben Arbeitsverhältnisses auf Abruf bei M., welches sie weiterhin als Zwischenverdiensttätigkeit abgerechnet haben will. Nachdem die Versicherte nun ununterbrochen seit über vier Jahren dieselbe Tätigkeit als Kursleiterin innehat, ging die Vorinstanz zu Recht davon aus, dass es sich hierbei nicht mehr um eine notgedrungene Überbrückungstätigkeit handelt, sondern, wie dies das SECO in Rz. B97b der AVIG-Praxis ALE http://www.treffpunkt-arbeit.ch/publikationen/Kreisschreiben festhielt: "Je länger dieses Arbeitsverhältnis auf Abruf jedoch dauert, desto mehr ist davon auszugehen, dass die neue Arbeitssituation für die versicherte Person zur Normalität wird und desto mehr geht der Gedanke der Schadenminderung verloren." Angesichts der langen Dauer des Arbeitsverhältnisses kann sich die Beschwerdeführerin nicht mehr darauf berufen, das Arbeitsverhältnis überbrückungsweise eingegangen zu sein. 5.2 Unbehelflich ist sodann der Verweis auf den öffentlich-rechtlichen Vertrauensschutz ( Art. 9 BV ). Bei der Eröffnung der zweiten Leistungsrahmenfrist wertete die Kasse das Arbeitsverhältnis noch als notgedrungene Überbrückungstätigkeit zugunsten der Versicherten, während es sich bei der hier zu beurteilenden Folgerahmenfrist insofern um eine neue Situation handelt, als die Beschwerdeführerin nun schon seit mehreren Jahren im gleichen Abrufverhältnis steht und dabei seit fünf Jahren Leistungen der Arbeitslosenversicherung bezog. Die Beschwerdeführerin verkennt, dass beim Aufeinanderfolgen von Rahmenfristen jedes Mal eine Neuprüfung aller Anspruchsvoraussetzungen zu erfolgen hat. Der durch Zeitablauf veränderte Sachverhalt rechtfertigt eine andere rechtliche Beurteilung BGE 139 V 259 S. 262 als die Situation, wie sie bei der Eröffnung der vorangegangenen Rahmenfrist vorlag. Eine ungenügende oder fehlende Wahrnehmung der Beratungspflicht des Versicherungsträgers im Sinne von Art. 27 Abs. 2 ATSG (SR 830.1), die allenfalls einen Vertrauensschutz begründen könnte ( BGE 124 V 215 E. 2b/aa S. 221; BGE 131 V 472 E. 5 S. 481), ist überdies nicht auszumachen, zumal die Versicherte während der ganzen Dauer ihrer Arbeitslosigkeit bestrebt sein musste, diese durch eine zumutbare, vollzeitliche Festanstellung zu beenden. 5.3 5.3.1 Ist das Einkommen aus dem Arbeitsverhältnis nicht mehr im Rahmen der Schadenminderungspflicht als Zwischenverdienst anzurechnen, erleidet die versicherte Person dem Grundsatz nach keinen anrechenbaren Verdienstausfall. Rechtsprechungsgemäss ( BGE 107 V 59 E. 1 S. 61 f.; Urteil 8C_379/2010 vom 28. Februar 2011, in: ARV 2011 S. 149 mit weiteren Hinweisen) kann von diesem Grundsatz dann abgewichen werden, wenn der auf Abruf erfolgte Einsatz während längerer Zeit im Wesentlichen mehr oder weniger konstant war. 5.3.2 Nach den nicht offensichtlich unrichtigen und daher für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz sind die Beschäftigungsschwankungen der Beschwerdeführerin zu gross, um die effektiv absolvierte Arbeitszeit als normal anzusehen, wogegen die Beschwerdeführerin auch nichts einwendet. Mit dem kantonalen Gericht ist demnach zu schliessen, dass sie ab 19. Februar 2012 mangels anrechenbaren Arbeitsausfalls keinen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung hat.
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Sachverhalt ab Seite 236 BGE 137 III 235 S. 236 Gegen die Schuldner X. und A. laufen beim Betreibungsamt Eiken die von der Bank B. AG eingeleiteten Betreibungen auf Grundpfandverwertung. Pfandobjekt ist die Liegenschaft GB C. Parzelle Nr. 3, welche im Miteigentum je zur Hälfte der beiden Schuldner steht. Mit Spezialanzeige an die Beteiligten vom 31. August 2010 und mit Publikation im SHAB vom 3. September 2010 bzw. Amtsblatt des Kantons Aargau vom 6. September 2010 machte das Betreibungsamt die betreibungsamtliche Versteigerung des Grundpfandes am 13. November 2010 bekannt. Am 4. November 2010 gelangte X. an das Gerichtspräsidium Laufenburg als untere betreibungsrechtliche Aufsichtsbehörde mit dem Antrag, es sei die auf den 13. November 2010 angesetzte Versteigerung abzusetzen. Mit Entscheid vom 11. November 2010 wies die untere Aufsichtsbehörde die Beschwerde ab. Gegen diesen Entscheid erhob X. am 12./13. November 2010 Beschwerde. Das Obergericht des Kantons Aargau, Schuldbetreibungs- und Konkurskommission, als obere betreibungsrechtliche Aufsichtsbehörde, wies die Beschwerde mit Entscheid vom 22. Dezember 2010 ab. Mit Eingabe vom 12. Januar 2011 führt X. Beschwerde in Zivilsachen. Die Beschwerdeführerin beantragt dem Bundesgericht, den Entscheid der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde aufzuheben. Das Betreibungsamt sei anzuweisen, die Versteigerung "ordnungsgemäss neu anzusetzen und durchzuführen". Das Bundesgericht weist die Beschwerde in Zivilsachen ab. (Zusammenfassung)
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235
Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Weiter hat sich die obere Aufsichtsbehörde mit der Rüge befasst, wonach die Beschwerdeführerin das Gutachten über die amtliche Schätzung des zu verwertenden Grundstücks nicht erhalten habe. Die Vorinstanz hat erwogen, der Schätzungswert von Fr. 715'000.- sei der Beschwerdeführerin u.a. durch die Spezialanzeige vom 31. August 2010 hinreichend bekannt gegeben worden. Die Beschwerdeführerin kritisiert im Wesentlichen eine Verletzung von Art. 99 der Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über die Zwangsverwertung von Grundstücken (VZG; SR 281.42) und ihres Rechts auf eine Neuschätzung. BGE 137 III 235 S. 237 3.1 Das Betreibungsamt kann das Ergebnis der betreibungsamtlichen Schätzung durch separate Mitteilung bekannt geben (vgl. BRAND, Die betreibungsrechtliche Zwangsverwertung von Grundstücken im Pfandverwertungsverfahren, 2008, S. 81 Ziff. 2.4). Es ist zu diesem Vorgehen nicht verpflichtet. Nach Art. 29 Abs. 2 VZG soll die Schätzung in der Bekanntmachung der Steigerung enthalten sein. Das Ergebnis der Schätzung ist gemäss Art. 99 Abs. 2 VZG nur dann, wenn es nicht in der Steigerungspublikation nach Art. 29 VZG aufgenommen wird , mit der Anzeige mitzuteilen, dass innerhalb der Beschwerdefrist bei der Aufsichtsbehörde eine neue Schätzung durch Sachverständige verlangt werden kann (GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. II, 2000, N. 15 zu Art. 155 SchKG ). Die erwähnte Einschränkung ist nicht zufällig. Sie beruht auf dem Gedanken, dass bei Aufnahme der Schätzung in die Steigerungspublikation keine besondere Belehrung über die Möglichkeit, das Schätzungsergebnis bei der Aufsichtsbehörde zu bestreiten, erforderlich ist. Entsprechend sieht das (vom Betreibungsamt verwendete) Formular VZG 7a (Bekanntmachung der betreibungsrechtlichen Grundstücksteigerung) keinen besonderen Hinweis vor. Entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin genügt zur Auslösung des Verfahrens zur Neuschätzung (bzw. Aufforderung zum Kostenvorschuss) die blosse Bestreitung des Schätzungsergebnisses bei der Aufsichtsbehörde, m.a.W. ist keine Begründung notwendig ( BGE 133 III 537 E. 4.1; BGE 129 III 595 E. 3.1 S. 597; je mit Hinweisen). 3.2 Vorliegend steht fest, dass das Betreibungsamt in der Steigerungspublikation (öffentliche Bekanntmachung vom 3./6. September 2010 und Spezialanzeige vom 31. August 2010) die betreibungsamtliche Schätzung (Fr. 715'000.-) mitgeteilt hat. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin musste das Betreibungsamt somit keine separate Mitteilung mit dem darin vorgesehenen Hinweis auf die Möglichkeit der Neuschätzung erlassen ( Art. 99 Abs. 2 VZG ). Mit unbestrittenem Empfang der Spezialanzeige ( Art. 139 SchKG ) gemäss Formular VZG 7a (Bekanntmachung der betreibungsrechtlichen Grundstücksteigerung) erlangte die Beschwerdeführerin Kenntnis von der betreibungsamtlichen Schätzung. Sodann ist unbestritten bzw. von der Beschwerdeführerin bestätigt, dass ihr das Lastenverzeichnis zusammen mit den Steigerungsbedingungen (Formular VZG 13 B) vom 30. September 2010 zugestellt worden sind, womit die betreibungsamtliche Schätzung bestätigt wurde. BGE 137 III 235 S. 238 3.3 Nach Rechtsprechung und Lehre wird im Fall, dass keine separate Mitteilung des Schätzungsergebnisses erfolgt, die Frist zur Bestreitung der Schätzung mit Zustellung der Spezialanzeige ausgelöst ( BGE 122 III 338 E. 3c S. 340/341; GILLIÉRON, a.a.O., N. 15 zu Art. 155 SchKG ), in jedem Fall aber spätestens im Zeitpunkt der Zustellung der Steigerungsbedingungen mit Angabe des Schätzungsergebnisses ( BGE 122 III 338 E. 3c S. 340/341). Innert der zehntägigen Beschwerdefrist sind sämtliche Vorbringen gegen die Schätzung - Bestreitung des Ergebnisses sowie Verfahrensfehler - zu erheben ( BGE 133 III 537 E. 4.1). Dass die betreffenden zehntägigen Beschwerdefristen längst abgelaufen waren, als die Beschwerdeführerin am 4. November 2010 an die untere Aufsichtsbehörde gelangte, steht nicht in Frage. Die Vorinstanz hat zu Recht sämtliche Vorbringen der Beschwerdeführerin gegen die betreibungsamtliche Schätzung als verspätet erachtet.
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Sachverhalt ab Seite 233 BGE 83 I 233 S. 233 A.- Die AG für Verwaltungsgeschäfte ist Eigentümerin der Liegenschaft Birsigstrasse 4 in Basel. Im Vorderhaus befindet sich das Restaurant "Baselbieterstübli", das von F. Führer betrieben wird. Eine Zweizimmerwohnung im Hinterhaus ist seit Jahren an Ernst von Ballmoos vermietet. Dieser Mietvertrag wurde von BGE 83 I 233 S. 234 der Eigentümerin auf den 30. Juni 1957 gekündigt mit der Begründung, Führer benötige die Wohnung für die Unterbringung von Angestellten seiner Wirtschaft. Ballmoos focht die Zulässigkeit der Kündigung bei der Schlichtungsstelle für Mietstreitigkeiten des Kantons Basel-Stadt an. Diese bestätigte die Kündigung, schob jedoch den Auszugstermin auf den 1. Oktober 1947 hinaus. Eine hiegegen erhobene Willkürbeschwerde wies der Regierungsrat am 28. Mai 1957 ab. In der Begründung dieses Entscheids wird unter Hinweis auf Art. 31 der Verordnung des Bundesrates über die Mietzinskontrolle und die Beschränkung des Kündigungsrechts vom 28. Dezember 1956 (VMK) u.a. ausgeführt: Nach der ständigen Praxis im Kanton Basel-Stadt gelte eine Kündigung dann als gerechtfertigt, wenn sie erfolge, um einen begründeten Mehrbedarf an Räumlichkeiten des Hauptmieters zu befriedigen. Der Eigentümer habe ein Interesse daran, die Wünsche des Hauptmieters vor diejenigen der übrigen Mieter zu stellen. Unter Hauptmieter sei der Mieter zu verstehen, der den wirtschaftlich wichtigsten Gebäudeteil gemietet habe und demgemäss den grössten Teil der eingehenden Mietzinse aufbringe. Der Vermieter habe ein grosses Interesse an der Zufriedenstellung des Hauptmieters, da er auf ihn angewiesen sei und nicht riskieren wolle, ihn wegen Raumnot zu verlieren. Der Mehrbedarf des Hauptmieters müsse allerdings sachlich begründet und dürfe nicht spekulativ sein. Diese Vorausetzung liege aber im vorliegenden Fall vor..... B.- Gegen den Entscheid des Regierungsrates führt Ballmoos rechtzeitig staatsrechtliche Beschwerde. Er macht eine Verletzung von Art. 4 BV geltend und bringt zur Begründung dieser Rüge u.a. vor: Der Regierungsrat habe das ihm zustehende Ermessen wenn nicht missbraucht, so doch weitgehend überschritten. Die Auffassung, dass der Mehrraumbedarf des Hauptmieters beim Vermieter reflektorisch einen Kündigungsanspruch gegenüber einem anderen Mieter erzeuge, sei "nicht unbedenklich". BGE 83 I 233 S. 235 Im vorliegenden Fall wirke sie sogar stossend, da der Hauptmieter gar kein Mieter, sondern ein Pächter sei, der nach den baselstädtischen Vorschriften keinen Mieterschutz geniesse. Es lasse sich sachlich nicht begründen und widerspreche dem sozialen Grundgedanken des Mietnotrechts, dass der Mieter, der grössere Mietzinse erbringt, vor dem Mieter, der ein kleineres Mietobjekt bewohnt, bevorzugt werde. C.- Der Regierungsrat beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die AG für Verwaltungsgeschäfte stellt dem Sinne nach den gleichen Antrag. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: Die kantonalen Behörden betrachten auf Grund der nach Art. 31 Abs. 1 VMK vorzunehmenden Interessenabwägung das Interesse der Vermieterin an der Kündigung des Mietvertrages als schutzwürdiger als das entgegenstehende Interesse des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses. Bei dieser Interessenabwägung muss dem Ermessen der kantonalen Behörden ein weiter Spielraum gelassen werden. Das Bundesgericht könnte nur bei einem offenbaren Ermessensmissbrauch einschreiten ( BGE 73 I 186 ). Ein solcher liegt aber nicht vor und wird mit der im wesentlichen rein appellatorischen Kritik des Beschwerdeführers, als ob dem Bundesgericht eine freie Überprüfung zustehen würde, jedenfalls nicht dargetan. Wie das Bundesgericht schon wiederholt entschieden hat, darf bei der Interessenabwägung auch das Interesse des Vermieters, die gekündigten Räume einem anderen Mieter zur Verfügung zu stellen, berücksichtigt werden (nicht veröffentl. Urteile vom 10. Juli 1947 i.S. Mecanis AG c. Immobiliengesellschaft Gerbergasse 25 AG Erw. 5, vom 3. Mai 1950 i.S. Voegtle c. Peter Erw. 3 und 4; BIRCHMEIER, Mietnotrechtserlasse S. 16/17). Dieses Interesse ist besonders gross, wenn es sich dabei um den Hauptmieter BGE 83 I 233 S. 236 handelt und dieser in den gemieteten Räumen eine Wirtschaft betreibt, sodass ausser seiner finanziellen Leistungsfähigkeit auch seine persönlichen Eigenschaften und sein Ruf von wesentlicher Bedeutung für den Vermieter sind. Es kann dem Vermieter billigerweise nicht zugemutet werden, aus Rücksicht auf einen minderwichtigen Mieter das Risiko auf sich zu nehmen, einen solchen in jeder Hinsicht befriedigenden Hauptmieter zu verlieren und keinen gleichwertigen Nachfolger zu finden. Dass der Regierungsrat das Interesse der Vermieterin, den Wirt Führer als Mieter zu behalten, bei der Interessenabwägung berücksichtigt hat, ist daher entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers keineswegs willkürlich. Ebensowenig ist die Auffassung zu beanstanden, dass dieses Interesse den Vorzug verdiene, wenn die Vermieterin Gefahr laufe, den Hauptmieter zu verlieren. Als zweifelhaft erscheint freilich, ob diese Gefahr wirklich besteht, wenn die Vermieterin dem Hauptmieter die bisher vom Beschwerdeführer bewohnten Räume nicht zur Verfügung stellt. Der Beschwerdeführer hat indessen die Annahme des Regierungsrates, dass dies der Fall sei, nicht bestritten, geschweige denn als willkürlich angefochten, sodass sich das Bundesgericht mit dieser Frage nicht zu befassen hat. Was der Beschwerdeführer aber in diesem Zusammenhang weiter geltend macht, ist nicht geeignet, den angefochtenen Entscheid als willkürlich erscheinen zu lassen. So ist es unerheblich, ob der Wirt Führer nicht Mieter, sondern Pächter im Hause der Vermieterin sei und als solcher nach den baselstädtischen Vorschriften keinen Mieterschutz beanspruchen könne, denn dadurch würde sich nichts an der Interessenlage der Vermieterin ändern. Übrigens erklärt der Regierungsrat in seiner Vernehmlassung, dass nach der Praxis im Kanton Basel-Stadt Pächter und Mieter in Bezug auf die Kündigungsbeschränkung gleichgestellt sind, wenn sich, wie hier, die Pacht auf ein Gebäude bezieht (z.B. Wirtschaft, Metzgerei, Bäckerei), obgleich in den einschlägigen Verordnungen BGE 83 I 233 S. 237 nur die Rede vom Mietvertrag ist (vgl. Verordnung betr. Massnahmen gegen die Wohnungsnot vom 29. Dezember 1942 §§ 1 ff. und Verordnung betr. Vollzug der Mietzinskontrolle usw. vom 26. Januar 1954/15. Januar 1957 § 4). Die beanstandete Praxis widerspricht auch nicht dem sozialen Grundgedanken des Mietnotrechts, wie der Beschwerdeführer behauptet. Nach Art. 31 Abs. 1 VMK ist die Interessenabwägung nicht bloss unter dem Gesichtspunkte vorzunehmen, ob es sich um einen kleinen oder grossen Mieter handle, sondern unter Berücksichtigung der gesamten Umstände. Dazu gehört aber auch das Interesse des Vermieters, einen zahlungsfähigen und die persönlichen Voraussetzungen erfüllenden Mieter des Hauptteils des Gebäudes, insbesondere einer Wirtschaft, nicht zu verlieren. Der Beschwerdeführer hat übrigens die Behauptung, dass er sich keine teurere Wohnung leisten könne, zwar vor der Schlichtungsstelle erhoben, in der Beschwerde an den Regierungsrat aber nicht mehr geltend gemacht. Da sich die staatsrechtliche Beschwerde ausschliesslich gegen den Entscheid des Regierungsrats richtet, kann jene Behauptung nicht berücksichtigt werden, denn dem Regierungsrat kann nicht Willkür vorgeworfen werden mit Bezug auf ein Argument, das vor ihm nicht mehr geltend gemacht worden ist ( BGE 77 I 9 Erw. 3 und dort genannte frühere Entscheide).
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Sachverhalt ab Seite 40 BGE 135 V 39 S. 40 A. O. est assuré auprès de Mutuel Assurances (autrefois: Mutuelle Valaisanne Caisse Maladie) pour l'assurance obligatoire des soins en cas de maladie avec une franchise annuelle de 1'200 fr. Cette assurance est membre de l'association Groupe Mutuel, dont la fonction principale est d'assurer la gestion administrative de l'ensemble des institutions qui lui sont affiliées. Le 23 octobre 2000, Mutuel Assurances a signifié à O. une augmentation de sa prime mensuelle de 200 fr. 10 à 218 fr. dès le 1 er janvier 2001. La légitimité de la hausse annoncée ayant été contestée, la caisse a formellement confirmé sa position par décision du 20 décembre 2000 et décision sur opposition du 23 février 2001. B. O. a déféré cette dernière décision devant le Tribunal administratif de la République et canton de Genève (aujourd'hui: Tribunal cantonal des assurances sociales de la République et canton de Genève). Au cours de la procédure qui s'est ensuivie, la juridiction cantonale a rendu deux jugements (des 7 août 2001 et 11 mars 2003) et une décision (du 20 octobre 2005) qui ont été annulés sur recours de l'une ou l'autre des parties par le Tribunal fédéral des assurances (arrêts K 120/01 du 31 mai 2002; K 45/03 du 1 er février 2005; K 43/05 du 4 juillet 2005 et K 176/05 du 4 janvier 2006). De même, un recours interjeté par Mutuel Assurances contre une décision du 6 juillet 2006 a-t-il été déclaré irrecevable (arrêt K 99/06 du 4 décembre 2006). Invité par le Tribunal fédéral des assurances à examiner le bien-fondé des griefs soulevés par O. à l'encontre de la validité de la clause tarifaire litigieuse, le Tribunal cantonal des assurances sociales a ordonné l'audition de l'organe de révision de Mutuel Assurances, la Fiduciaire X., puis celle des organes de révision du Groupe Mutuel, soit PricewaterhouseCoopers (années 2000 à 2001) et BDO Visura (années 2002 à 2005). Mutuel Assurances a également remis au Tribunal cantonal des assurances sociales un certain nombre de pièces qu'elle estimait propres à prouver la validité de la clause tarifaire contestée. BGE 135 V 39 S. 41 Par jugement du 21 février 2008, le Tribunal cantonal des assurances sociales a admis le recours et annulé l'augmentation de prime signifiée à O. pour l'année 2001, au motif que celle-ci n'avait pas été justifiée à satisfaction de droit. C. Mutuel Assurances interjette un recours en matière de droit public contre ce jugement dont elle demande l'annulation. O. conclut principalement à l'irrecevabilité du recours, subsidiairement à son rejet. De son côté, l'Office fédéral de la santé publique (OFSP) en propose l'admission. Le recours a été admis.
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Erwägungen Extrait des considérants: 1. Le litige porte sur la légalité de l'augmentation de la prime de l'assurance obligatoire des soins pour l'année 2001 notifiée à O. par Mutuel Assurances. 2. 2.1 Formé dans le délai et les formes utiles contre une décision finale, rendue en dernière instance cantonale dans une cause de droit public, le recours est en principe recevable comme recours en matière de droit public au sens des art. 82 ss LTF , aucune des exceptions mentionnées à l' art. 83 LTF n'étant réalisée (cf. ATF 131 V 66 consid. 1.2 p. 69 et les références, rendu sous l'empire de l'OJ). 2.2 Le recours en matière de droit public peut être formé pour violation du droit, tel qu'il est délimité par les art. 95 et 96 LTF . Le Tribunal fédéral applique le droit d'office ( art. 106 al. 1 LTF ), sans être limité par les arguments de la partie recourante ou par la motivation de l'autorité précédente. Toutefois, eu égard à l'exigence de motivation contenue à l' art. 42 al. 1 et 2 LTF - sanctionnée par l'irrecevabilité des recours dont la motivation est manifestement insuffisante ( art. 108 al. 1 let. b LTF ) -, le Tribunal fédéral n'examine en principe que les griefs invoqués. Il fonde son raisonnement sur les faits retenus par la juridiction de première instance ( art. 105 al. 1 LTF ) sauf s'ils ont été établis de façon manifestement inexacte ou en violation du droit au sens de l' art. 95 LTF ( art. 105 al. 2 LTF ). La partie recourante qui entend s'écarter des faits constatés doit expliquer de manière circonstanciée en quoi les conditions de l' art. 105 al. 2 LTF sont réalisées sinon un état de fait divergent ne peut être pris en considération. BGE 135 V 39 S. 42 3. En vertu des art. 76 al. 1 LPGA (RS 830.1) et 21 al. 1 LAMal, il appartient au Conseil fédéral de surveiller la mise en oeuvre de l'assurance-maladie. Le but de la surveillance consiste principalement à veiller à l'application uniforme de la loi et à intervenir aussi rapidement que possible dans les situations où un assureur ne remplirait pas ou ne remplirait plus les obligations légales ou financières qui découlent du droit fédéral. La LAMal et l'OAMal (RS 832.102) distinguent à cet égard entre surveillance de la pratique de l'assurance ( art. 24 OAMal ) et surveillance institutionnelle des assureurs ( art. 25 OAMal ). Le Conseil fédéral a délégué l'ensemble des tâches de surveillance à l'OFSP ( ATF 130 V 196 consid. 5.2 p. 205; GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in Soziale Sicherheit, SBVR vol. XIV, 2 e éd. 2007, p. 471 n. 231 ss). La surveillance de la pratique des assureurs est construite autour de trois piliers distincts: la surveillance rétrospective des comptes d'exploitation, bilans et rapports de gestion des assureurs pour l'année écoulée; la surveillance immédiate par le biais des audits et expertises au siège des assureurs et de la surveillance juridique; et la surveillance prospective lors de la procédure d'approbation des primes et du contrôle des produits d'assurances (DANIEL WIEDMER, La surveillance des assureurs-maladie, Sécurité sociale [CHSS] 2000 p. 248). 4. 4.1 La LAMal prévoit un financement de l'assurance obligatoire des soins d'après le système de la répartition des dépenses, avec obligation pour les assureurs de constituer des réserves suffisantes en vue de garantir leur solvabilité à long terme ( art. 60 al. 1 LAMal et art. 78 OAMal ). Le financement doit être autonome; les assureurs doivent tenir un compte d'exploitation distinct pour l'assurance obligatoire des soins ( art. 60 al. 3 LAMal ; voir également art. 81 OAMal ) et présenter de manière séparée au bilan les réserves et les provisions qui lui sont destinées ( art. 60 al. 2 LAMal ). Cela signifie que les primes ne peuvent être utilisées que pour payer les prestations qui, de par la loi, sont à la charge de l'assurance obligatoire des soins (y compris les provisions pour les cas d'assurance non liquidés et les contributions à la compensation des risques) et les frais administratifs y afférents, les excédents étant attribués aux réserves légales et les résultats négatifs prélevés sur celles-ci. 4.2 Les primes des assurés constituent la principale source de financement de l'assurance obligatoire des soins ( art. 61 LAMal et art. 89 à 92 OAMal), aux côtés de la participation aux coûts des BGE 135 V 39 S. 43 assurés ( art. 64 LAMal et art. 103 à 105 OAMal), des subsides des pouvoirs publics pour la réduction des primes (art. 65 à 66a LAMal et art. 106 à 106a OAMal) et des prétentions récursoires de l'assureur ( art. 72 ss LPGA et art. 79 LAMal ). Les assureurs fixent le montant des primes à payer par leurs assurés. Ils doivent cependant soumettre à l'approbation de l'OFSP les tarifs des primes de l'assurance obligatoire des soins et leurs modifications, au plus tard cinq mois avant leur application. Ces tarifs ne peuvent être appliqués qu'après avoir été approuvés par l'OFSP; l'approbation des primes a un effet constitutif ( art. 61 al. 5 LAMal et art. 92 al. 1 OAMal ). L'OFSP examine les primes en veillant en particulier à la sécurité financière des assureurs, à la protection des intérêts des assurés et au respect des bases légales relatives au financement et à la fixation des primes de l'assurance-maladie sociale. Pour ce faire, les assureurs se basent sur les résultats définitifs de l'année précédente (contrôlés par l'organe de révision externe et indépendant désigné par l'assureur [art. 86 à 88 OAMal]), des extrapolations de l'année en cours et le budget (bilan et compte d'exploitation) de l'exercice suivant. Se fondant sur des valeurs empiriques, des prévisions et des comparaisons entre assureurs, l'OFSP signale aux assureurs les écarts qui dépassent la marge normale d'incertitude des prévisions. Ce faisant, il pondère les facteurs de risques généraux et individuels pour chaque assureur (par exemple l'évolution des effectifs et des coûts, le calcul de la compensation des risques et la situation financière actuelle) et en tient compte dans le cadre de son examen. En cas d'abus dans la fixation des primes, l'OFSP exige de l'assureur qu'il en corrige le montant. Si le budget présente des erreurs ou lacunes manifestes, l'OFSP formule des réserves ou assortit l'approbation des primes de directives contraignantes pour l'établissement des primes de l'année suivante (EUGSTER, op. cit., p. 743 n. 1017; OFSP, Fixation et approbation des primes dans l'assurance obligatoire des soins, Rapport en réponse au postulat Robbiani [05.3625], p. 21 ss). 4.3 Un assuré touché par une décision prise en application d'un tarif des primes de l'assurance obligatoire des soins dans une situation concrète peut exiger du juge qu'il en contrôle la légalité ( ATF 131 V 66 consid. 4 p. 70). Le juge ne saurait toutefois entrer en matière sur les critiques d'ordre général qu'un assuré adresse à l'encontre de sa prime d'assurance ou du système de l'assurance-maladie sociale. Il incombe à ce dernier d'expliquer en quoi la clause BGE 135 V 39 S. 44 tarifaire contestée viole le droit fédéral, étant précisé que le pouvoir d'examen du juge des assurances ne s'étend qu'à la question de savoir si ladite clause a été établie en conformité avec les dispositions légales relatives au financement et à la fixation du montant des primes. De fait, la jurisprudence a, dans le domaine de l'assurance-maladie sociale, accordé au juge un pouvoir d'examen étendu par rapport à ce qui existe dans d'autres branches d'assurance ( ATF 131 V 66 consid. 5.2 p. 73). On relèvera ainsi que dans le domaine de l'assurance-accidents, le législateur a expressément prévu que seul le classement - et la modification de ce classement - d'une entreprise dans les classes et degrés des tarifs de primes était justiciable ( art. 109 let. b LAA [RS 832.20]). 4.4 Les primes reposent pour l'essentiel sur des hypothèses et des prévisions dont l'OFSP doit vérifier la plausibilité. Compte tenu des nombreux facteurs d'incertitude qui influent sur le montant de la prime, l'OFSP intervient uniquement en cas d'écarts importants et visibles par rapport aux prévisions de tous les assureurs. Etant donné l'autonomie des assureurs dans la fixation des primes, ainsi que la liberté d'appréciation étendue de l'OFSP dans l'approbation des tarifs de primes, il ne convient pas que l'autorité juridictionnelle appelée à trancher un cas concret puisse, d'une manière indirecte, substituer sa propre appréciation à celle de l'autorité administrative. Aussi, le juge est-il appelé à faire preuve d'une grande retenue lors du contrôle d'une décision prise en application d'une clause tarifaire dans une situation concrète ( ATF 131 V 66 consid. 5.2.2 p. 74 et les références). 5. 5.1 Le Tribunal cantonal des assurances sociales a annulé l'augmentation de prime notifiée à l'assuré, au motif que celle-ci n'avait pas été justifiée à satisfaction de droit, soit au degré de la vraisemblance prépondérante requis en matière d'assurances sociales. A l'issue d'une analyse détaillée des différents postes des frais administratifs de la recourante, il a considéré que les incertitudes relatives à la gestion de ces frais par le Groupe Mutuel ne permettaient pas de vérifier que le financement de l'assurance obligatoire des soins se faisait de manière autonome au sein de Mutuel Assurances. Un faisceau d'indices convergents permettait au contraire de démontrer qu'une partie des versements effectués par la recourante au Groupe Mutuel au titre de la couverture de ses frais administratifs servaient en fait à générer un bénéfice - non redistribué - au profit du Groupe BGE 135 V 39 S. 45 Mutuel. Estimant que toute mesure d'instruction supplémentaire était superflue, la juridiction cantonale a renoncé à demander la production de pièces complémentaires ou l'audition des collaborateurs de l'OFSP. 5.2 En substance, la recourante se plaint d'une constatation manifestement inexacte des faits pertinents, consécutive à une mauvaise appréciation des preuves. Elle invoque notamment une violation du principe dit de la maxime inquisitoire, en ce que le Tribunal cantonal des assurances sociales n'aurait pas requis la production de pièces complémentaires ou l'audition des collaborateurs de l'OFSP afin d'établir les faits qu'il jugeait peu clairs. 6. 6.1 Dans le domaine des assurances sociales, le juge fonde généralement sa décision sur les faits qui, faute d'être établis de manière irréfutable, apparaissent comme les plus vraisemblables, c'est-à-dire qui présentent un degré de vraisemblance prépondérante. Il ne suffit donc pas qu'un fait puisse être considéré seulement comme une hypothèse possible; la vraisemblance prépondérante suppose que, d'un point de vue objectif, des motifs importants plaident pour l'exactitude d'une allégation, sans que d'autres possibilités ne revêtent une importance significative ou n'entrent raisonnablement en considération ( ATF 126 V 353 consid. 5b p. 360 et les références; voir également ATF 133 III 81 consid. 4.2.2 p. 88 et les références). En droit des assurances sociales, il n'existe par conséquent pas de principe selon lequel l'administration ou le juge devrait statuer, dans le doute, en faveur de l'assuré ( ATF 126 V 319 consid. 5a p. 322). 6.2 Il convient de faire une exception à ce principe général. En exigeant que les tarifs des primes de l'assurance obligatoire des soins soient dûment contrôlés et approuvés par l'OFSP (cf. supra consid. 4.2), le législateur fédéral a expressément érigé une présomption d'adéquation du montant des primes. Dans le cadre d'une contestation judiciaire subséquente, l'assuré ne peut renverser cette présomption de fait qu'en apportant la preuve stricte du contraire, la vraisemblance prépondérante n'étant pas suffisante. La preuve de la non-conformité du montant de la prime ne peut alors être rapportée que si le juge acquiert, en se fondant sur des éléments objectifs, la conviction de l'existence de ce fait; une certitude absolue n'est pas nécessaire, mais il faut qu'il n'y ait aucun doute sérieux ou, à tout le moins, que les doutes qui subsistent paraissent légers (cf. ATF 130 III 321 consid. 3.2 p. 324). BGE 135 V 39 S. 46 6.3 Compte tenu de l'aspect forcément conjectural des primes d'assurance et de la réserve dont le juge doit faire preuve lorsqu'il est amené à examiner concrètement la légalité d'une clause tarifaire (cf. supra consid. 4.4), la validité d'une prime ne saurait être remise en question que si l'irrégularité constatée présente un degré de gravité certain et laisse clairement apparaître que le droit applicable n'a pas été respecté. De plus, l'intervention du juge ne se justifie que s'il est établi qu'il en résultera une modification sensible du montant de la prime due. Le calcul d'une clause tarifaire étant une question complexe et difficile qui relève principalement de la science actuarielle et de la technique comptable, le juge ne saurait toutefois se livrer personnellement à des calculs compliqués et aléatoires pour fixer le montant conforme d'une prime d'assurance, mais doit s'en remettre, le cas échéant, à l'opinion de spécialistes en la matière. 6.4 Si l'ordre juridique permet aux assurés de faire examiner, aux conditions qui viennent d'être précisées, la validité de leur prime à l'assurance obligatoire des soins, il n'en demeure pas moins que le législateur a voulu avant tout que les assurés puissent changer d'assureur en cas de désaccord avec le montant de leur prime. C'est pourquoi la LAMal consacre les principes du libre choix de l'assureur et du libre passage, qui permettent à toute personne, quel que soit son âge, son sexe et son état de santé, de changer librement d'assureur et de choisir, en particulier, celui dont les primes sont les plus avantageuses ( art. 7 LAMal ; Message du 6 novembre 1991 concernant la révision de l'assurance-maladie, FF 1992 I 108 s. ch. 21; ATF 124 V 333 consid. 2a p. 336). 7. 7.1 Dans le recours qu'il avait formé à l'encontre de la décision sur opposition du 23 février 2001, l'assuré n'avait émis que de vagues critiques générales qui n'étaient, à l'origine, pas de nature à justifier l'intervention du juge. Ce n'est qu'en cours de procédure qu'il a formulé des griefs plus précis et qu'il a sollicité de la juridiction cantonale qu'elle mette en oeuvre des mesures d'instruction en vue d'en confirmer le bien-fondé. L'examen judiciaire a alors exclusivement porté sur la question des frais administratifs de Mutuel Assurances. 7.2 En vertu de l' art. 22 al. 1 LAMal , les assureurs doivent limiter les frais d'administration de l'assurance-maladie sociale aux exigences d'une gestion économique. Cette disposition constitue une BGE 135 V 39 S. 47 des expressions du principe dit de l'économicité qui vise, dans le domaine de l'assurance-maladie sociale, à garantir une offre appropriée et de qualité en matière de santé à des coûts les moins élevés possible. Il n'est cependant pas possible de définir, dans l'absolu, la quote-part des coûts administratifs nécessaire à une pratique économique de l'assurance-maladie sociale, celle-ci pouvant dépendre de la taille respective des assureurs et des différences structurelles qui en découlent. C'est pourquoi l'OFSP, en sa qualité d'autorité de surveillance, n'intervient qu'en cas d'inadéquation manifeste des frais administratifs. Les examens menés dans le cadre de l'approbation des primes consistent principalement à examiner l'évolution des frais administratifs dans les budgets soumis, à analyser les raisons des fortes fluctuations qui pourraient ressortir de ceux-ci et à intervenir si les comparaisons entre groupes d'assureurs comparables mettent en évidence l'existence de frais excessifs. Il n'appartient en revanche pas à l'OFSP de s'immiscer dans des questions qui relèvent de la conduite stratégique de l'entreprise (EUGSTER, op. cit., p. 473 n. 239 s.; pour un exemple dans le domaine de la prévoyance professionnelle, arrêt 2A.395/2002 du 14 août 2003). 7.3 Conformément aux principes exposés précédemment, le juge ne peut se voir reconnaître un pouvoir d'examen plus étendu que celui de l'autorité d'approbation des primes. Lorsqu'elle est amenée à examiner le bien-fondé de coûts administratifs, l'autorité judiciaire ne doit intervenir qu'en cas d'abus manifeste. En revanche, il n'appartient pas au juge de procéder à une analyse détaillée de la structure des coûts administratifs de l'assureur en cause et de s'immiscer ainsi dans l'organisation et la stratégie de l'entreprise. Cela ne signifie pas que ces questions ne peuvent pas faire l'objet d'un contrôle. Elles relèvent cependant de la surveillance de la pratique des assureurs, tâche qui incombe au Conseil fédéral et à l'OFSP, autorités auxquelles le juge des assurances ne saurait se substituer. Si l'assuré estime toutefois que certains faits appellent dans l'intérêt public une intervention de l'autorité de surveillance, il peut alors saisir l'OFSP d'une dénonciation au sens de l' art. 71 PA (RS 172.021). 7.4 7.4.1 Le Tribunal cantonal des assurances sociales a estimé, en se fondant sur les témoignages qu'il a recueillis et les pièces produites au cours de la procédure, que Mutuel Assurances n'avait pas établi, au degré de la vraisemblance prépondérante, l'usage conforme à leur destination des primes payées par les assurés ainsi que le BGE 135 V 39 S. 48 financement autonome de l'assurance obligatoire des soins. Compte tenu de la présomption d'adéquation des primes de l'assurance obligatoire des soins, il n'appartenait toutefois pas à l'assurance de démontrer que la clause tarifaire approuvée par l'OFSP était conforme au droit, mais à l'assuré d'établir, au degré de preuve requis en la matière, les circonstances qui permettaient d'admettre que les dispositions légales en matière de financement et de fixation de primes avaient été violées et, partant, justifiaient de revenir sur la décision d'approbation de l'OFSP. 7.4.2 Il ne ressort pas des faits retenus par la juridiction cantonale, et l'assuré ne l'a jamais prétendu, que les frais administratifs de la recourante dépasseraient toute mesure raisonnable au point de ne plus être compatibles avec le principe d'économicité. Il ressort d'ailleurs des données statistiques que les frais administratifs de la recourante s'élevaient en 2000 à 8,2 % et en 2001 à 6,9 % de ses dépenses totales et qu'ils s'inscrivaient à un niveau légèrement au-dessus de la moyenne générale des assureurs (6,1 % pour 2000 et 2001; cf. OFAS, Statistiques de la sécurité sociale, Statistique de l'assurance-maladie 2000-2001, Tableau 5). 7.4.3 Malgré les propos parfois ambigus tenus par les organes de révision interrogés, il n'existe pas d'éléments probants suffisants pour affirmer que la répartition des coûts administratifs entre l'assurance-maladie sociale et l'assurance complémentaire ne se ferait pas de manière conforme avec le principe du financement autonome de l'assurance-maladie obligatoire au sein de la recourante (cf. art. 84 OAMal ). Dans un rapport d'audit du 18 octobre 2006, l'OFSP a au contraire attesté que le choix des clés de répartition appliquées par le Groupe Mutuel pour le compte des institutions qui lui étaient affiliées ainsi que leurs pondérations se rapprochaient de la réalité économique. Rien ne permet de douter que cela n'était pas déjà le cas au moment où a été calculée la prime litigieuse. De même, le faisceau d'indices sur lequel la juridiction cantonale s'est fondée pour retenir que le bénéfice - non redistribué - réalisé par le Groupe Mutuel s'expliquait en partie par les contributions trop importantes versées par ses membres ne permet pas encore de tenir pour établie une violation des dispositions légales applicables, dès lors que rien n'indique que les sommes mises en réserve par le Groupe Mutuel seraient par la suite détournées de l'assurance obligatoire des soins. 7.4.4 L'examen effectué par la juridiction cantonale de différents postes de coûts de la recourante n'apporte aucun élément décisif BGE 135 V 39 S. 49 dans le cadre du présent litige. L'importance des frais publicitaires engagés ou le financement de l'infrastructure mobilière (informatique, téléphonie, meubles) par le moyen d'une cotisation annuelle sont des questions qui relèvent des choix stratégiques et organisationnels opérés au sein du Groupe Mutuel et qui ne sauraient faire l'objet d'un examen préjudiciel dans le cadre de la présente procédure. De même, il n'a pas été établi que le loyer versé au Groupe Mutuel pour la mise à disposition de ses locaux ou que le taux de rémunération des prêts accordés par la recourante au Groupe Mutuel n'étaient pas conformes au marché. 7.4.5 Faute pour l'assuré d'avoir établi à satisfaction de droit la non- conformité au droit fédéral de la prime litigieuse, le Tribunal cantonal des assurances sociales n'était pas en droit d'annuler l'augmentation de prime notifiée à l'assuré pour l'année 2001. Dans ces conditions, le recours doit être admis et le jugement attaqué annulé. Pour être tout à fait complet, on précisera encore que si la juridiction cantonale avait effectivement établi l'existence d'une violation du droit fédéral, elle n'aurait pu, en l'état, se contenter d'annuler, purement et simplement, l'augmentation de prime signifiée à l'assuré. Il doit nécessairement exister un rapport mathématique entre l'irrégularité constatée et ses conséquences sur le montant de la prime.
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BGE_135_V_39
fa3bb8cb-5aac-4723-802f-450756608067
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2,012
de
Sachverhalt ab Seite 283 BGE 138 II 281 S. 283 A. Der Kanton Zürich plant als Staatsstrasse K 53.3 die Erstellung einer Hochleistungs-Strassenverbindung vom Anschluss Uster-Ost (km 40,100) bis zum Kreisel Betzholz (km 50,300). Damit soll eine ca. 10 km lange Lücke der kantonalen Autobahn K 53 (Zürcher Oberlandautobahn, ZOA) zwischen Brüttisellen und Rapperswil geschlossen und der heute bestehende Engpass auf der Ortsdurchfahrt Wetzikon beseitigt werden (Lückenschliessung Zürcher Oberlandautobahn). 1995 legte der Kantonsrat im Richtplan Verkehr eine behördenverbindliche Linienführung fest. Am 19. Dezember 2001 genehmigte der Regierungsrat das generelle Projekt. (...) C. Die projektierte Verkehrsanlage liegt im Bereich mehrerer Schutzobjekte des Moor-, Moorlandschafts- und Landschaftsschutzes: - Die Hochmoore von nationaler Bedeutung Nr. 104 Ambitzgi/Böhnlerriet und Nr. 105 Oberhöfler Riet (Anh. 1 der Verordnung vom 21. Januar 1991 über den Schutz der Hoch- und Übergangsmoore von nationaler Bedeutung [Hochmoorverordnung; SR 451.32]) sowie die Flachmoore von nationaler Bedeutung Nr. 57 Ambitzgi und Nr. 58 Wetziker Riet/Oberhöfler Riet/Schwändi/Hiwiler Riet (Anh. 1 der Verordnung vom 7. September 1994 über den Schutz der Flachmoore von nationaler Bedetung [Flachmoorverordnung; SR 451.33]) erstrecken sich an manchen Stellen bis in unmittelbare Nähe der geplanten Verkehrsanlage. - Die Moorlandschaft von nationaler Bedeutung Nr. 106 Wetzikon/Hinwil (Anh. 1 der Verordnung vom 1. Mai 1996 über den Schutz der Moorlandschaften von besonderer Schönheit und von nationaler Bedeutung [Moorlandschaftsverordnung; SR 451.35]) liegt nördlich des geplanten Tunnels Alt Hellberg. Sie reicht im Nordwesten nahe an den Halbanschluss Wetzikon-Ost und im Südosten an den Kreisel Betzholz heran. Der westlichste Abschnitt der Moorlandschaft (zwischen Allenberg und Alt Hellberg) soll von der Autobahn in einem Tunnel unterquert werden. - Die Drumlinlandschaft Zürcher Oberland ist als Objekt Nr. 1401 im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler (Anh. 1 der Verordnung vom 10. August 1977 über das Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler [VBLN; SR 451.11]) verzeichnet. Der Perimeter des BLN-Gebiets ragt lediglich im Bereich Schwändiriet und am Waldrand "Jungholz" über denjenigen BGE 138 II 281 S. 284 der Moorlandschaft Nr. 106 hinaus. In diesem Bereich soll das BLN-Gebiet von der zum Halbanschluss Wetzikon-Ost gehörenden Brücke Schwändi überspannt werden, mit einem Brückenpfeiler innerhalb des BLN-Perimeters. Im Zusammenhang mit der Projektierung der ZOA liessen die kantonalen Behörden zwei Rechtsgutachten zu Fragen des Moor- und Moorlandschaftsschutzes ausarbeiten: Dr. Peter M. Keller erstattete am 7. September 2000 ein Rechtsgutachten zur Linienführung im Bereich der Moorlandschaft Wetzikon/Hinwil (im Folgenden: Gutachten Keller). Prof. Dr. Bernhard Waldmann erstellte im Mai 2007 das Gutachten "Rechtliche Beurteilung der Relevanz von Stickstoff- Depositionen in Mooren von nationaler Bedeutung" (im Folgenden: Gutachten Waldmann). D. (...) Mit Beschluss vom 5. März 2008 setzte der Regierungsrat des Kantons Zürich das bereinigte Ausführungsprojekt gemäss den in den Akten liegenden Plänen und Unterlagen fest und entschied über die Einsprachen. E. Gegen den Beschluss des Regierungsrats erhoben mehrere Einsprecher Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Dieses führte einen Augenschein durch. Am 1. Dezember 2010 wies es die Beschwerden im Wesentlichen ab. F. Dagegen haben der Schweizer Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz sowie dessen Zürcher Sektion (ZVS/BirdLife Zürich) (Verfahren 1C_71/2011), A. (Verfahren 1C_73/2011) sowie B. und die D. AG (Verfahren 1C_77/2011) am 14. Februar 2011 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht erhoben. (...) H. Am 25. April 2012 führte das Bundesgericht einen Augenschein durch. (...) Das Bundesgericht heisst die Beschwerden gut, hebt den angefochtenen Entscheid auf und weist die Sache zu neuer Beurteilung an den Regierungsrat des Kantons Zürich zurück. (Auszug)
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Im Folgenden ist zunächst zu prüfen, ob ein Gutachten der ENHK (Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission) eingeholt werden muss. BGE 138 II 281 S. 285 4.1 Das Verwaltungsgericht ging davon aus, eine Begutachtung durch die ENHK wäre nach Art. 7 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1966 über den Natur- und Heimatschutz (NHG; SR 451) geboten, wenn die ZOA als Nationalstrasse projektiert würde, weil der Bau einer Nationalstrasse als Erfüllung einer Bundesaufgabe gelte. Die Autobahn werde indessen nach kantonalem Recht als kantonale Verkehrsanlage projektiert; die Übernahme ins Nationalstrassennetz sei zwar vorgesehen, aber bis heute weder definitiv beschlossen noch vollzogen. Insofern fehle es an einer Bundesaufgabe, weshalb keine obligatorische Begutachtung nach Art. 7 NHG vorzunehmen sei. Denkbar wäre hingegen eine freiwillige Begutachtung gemäss Art. 17a NHG in Verbindung mit Art. 25 Abs. 1 lit. e der Verordnung vom 16. Januar 1991 über den Natur- und Heimatschutz (NHV; SR 451.1) ; hierzu sei der Kanton jedoch nicht verpflichtet gewesen. Ob das Gutachten der ENHK eine Voraussetzung für die spätere Übernahme des Strassenprojekts ins Nationalstrassennetz darstelle, sei im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. (...) 4.3 Gemäss Art. 7 Abs. 2 NHG ist eine Begutachtung durch eine eidgenössische Kommission i.S. von Art. 25 Abs. 1 NHG obligatorisch, wenn bei der Erfüllung einer Bundesaufgabe ein Objekt, das in einem Inventar des Bundes nach Art. 5 NHG aufgeführt ist, erheblich beeinträchtigt werden kann oder sich in diesem Zusammenhang grundsätzliche Fragen stellen. In diesem Fall verfasst die Kommission zuhanden der Entscheidbehörde ein Gutachten, in dem sie angibt, ob das Objekt ungeschmälert zu erhalten oder wie es zu schonen ist. 4.3.1 Das BLN-Objekt Nr. 1401 ist ein Inventarobjekt gemäss Art. 5 NHG . Es kann insbesondere durch den Halbanschluss Wetzikon-Ost (samt Zubringerstrasse und Brücke Schwändi) beeinträchtigt werden, dessen Bauwerke z.T. knapp ausserhalb und z.T. sogar innerhalb des BLN-Perimeters liegen (Zubringerstrasse durch den Wald, Pfeiler der Brücke Schwändi). Der Umweltverträglichkeitsbericht (UVB) und die kantonalen Fachstellen qualifizierten die Auswirkungen aus Sicht des Landschafts- und Naturschutzes in der Bau- und Betriebsphase als erheblich; das Amt für Landschaft und Natur, Fachstelle Naturschutz (ALN) und das Amt für Raumordnung und Vermessung, Abteilung Orts- und Regionalplanung (ARV) beantragten deshalb ausdrücklich eine Begutachtung durch die ENHK. BGE 138 II 281 S. 286 Im Abschnitt Hellberg-Betzholz liegt die ZOA zwar ausserhalb des BLN-Perimeters. Das ARV beurteilte jedoch den beabsichtigten, rund 7 m hohen Abluftkamin mit einem Durchmesser von 7 bis 8 m als grossen Eingriff in die geschützte Landschaft: Das Bauwerk liege auf einer Drumlinkrete und wirke weit in die umgebende Landschaft; die Beeinträchtigung sei als gross zu bezeichnen. Das ALN beantragte in diesem Abschnitt eine Begutachtung durch die ENHK wegen erheblicher Beeinträchtigung der (überwiegend im BLN-Perimeter befindlichen) Moorlebensräume: Es befürchtete negative Auswirkungen auf die Vegetation, namentlich durch erhöhte Nährstoffeinträge, als auch auf die Fauna durch Lärm, Licht sowie die Isolation bzw. Zerschneidung von Lebensräumen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass das Strassenprojekt zumindest in den Abschnitten Halbanschluss Wetzikon-Ost (einschliesslich Zubringerstrasse und Brücke Schwändi) und im Abschnitt Hellberg-Betzholz das BLN-Objekt Nr. 1401 erheblich beeinträchtigen kann oder sich in diesem Zusammenhang grundsätzliche Fragen stellen. 4.3.2 Da sich das BLN-Gebiet weitgehend mit demjenigen der Moorlandschaft von nationaler Bedeutung Nr. 106 deckt, kann offenbleiben, ob auch diese ein Inventarobjekt i.S. von Art. 5 und 7 NHG ist, wie die Beschwerdeführer geltend machen (ablehnend JÖRG LEIMBACHER, in: Kommentar NHG, 1997, N. 2 zu Art. 7 und N. 6 zu Art. 5 NHG ; SEITZ/ZIMMERMANN, Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz NHG: Bundesgerichtliche Rechtsprechung 1997-2007, URP 2008 S. 124 f.). 4.4 Näher zu prüfen ist, ob eine Bundesaufgabe vorliegt. Gemäss Art. 78 Abs. 1 BV sind für den Natur- und Heimatschutz grundsätzlich die Kantone zuständig (vgl. allerdings Abs. 4 und 5 zum Biotopschutz und zum Schutz von Mooren und Moorlandschaften von nationaler Bedeutung). Der Bund nimmt bei der Erfüllung seiner Aufgaben Rücksicht auf die Anliegen des Natur- und Heimatschutzes und schont Landschaften, Ortsbilder, geschichtliche Stätten sowie Natur- und Kunstdenkmäler; er erhält sie ungeschmälert, wenn das öffentliche Interesse es gebietet ( Art. 78 Abs. 2 BV ). Was unter der Erfüllung einer Bundesaufgabe im Sinne von Art. 78 Abs. 2 BV zu verstehen ist, führt Art. 2 Abs. 1 NHG in nicht abschliessender Weise aus: Dazu gehören insbesondere die Planung, Errichtung und Veränderung von Werken und Anlagen durch den Bund, BGE 138 II 281 S. 287 seine Anstalten und Betriebe, wie z.B. Nationalstrassen (lit. a), die Erteilung von Konzessionen und Bewilligungen wie zum Bau und Betrieb von Verkehrsanlagen und Transportanstalten (mit Einschluss der Plangenehmigung) sowie Bewilligungen zur Vornahme von Rodungen (lit. b) sowie die Gewährung von Beiträgen an Planungen, Werke und Anlagen wie u.a. Verkehrsanlagen (lit. c). Entscheide kantonaler Behörden über Vorhaben, die voraussichtlich nur mit Beiträgen nach Absatz 1 Buchstabe c verwirklicht werden, sind der Erfüllung von Bundesaufgaben gleichgestellt ( Art. 2 Abs. 2 NHG ). Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Bundesaufgabe auch dann vorliegen, wenn eine kantonale Behörde eine bundesrechtliche Aufgabe wahrnimmt. Dies ist beispielsweise zu bejahen bei der Erteilung einer raumplanungsrechtlichen Ausnahmebewilligung (grundlegend BGE 112 Ib 70 E. 4b S. 75 ff.). Ausdrücklich in Art. 2 Abs. 1 lit. b NHG erwähnt ist die Erteilung einer Rodungsbewilligung: Muss für ein Projekt eine Rodung in einem koordinierten Verfahren bewilligt werden oder wird die Rodungsbewilligung gemäss Art. 21 Abs. 3 UVPV (SR 814.011) verbindlich in Aussicht gestellt, liegt nach ständiger Rechtsprechung eine Bundesaufgabe vor ( BGE 121 II 190 E. 3c/cc S. 197; BGE 120 Ib 27 E. 2c/aa S. 31). Auch der Biotopschutz gemäss Art. 18 ff. NHG ist eine den Kantonen übertragene Bundesaufgabe ( BGE 133 II 220 E. 2.2. S. 223; BGE 121 II 161 E. 2b/bb S. 164 f.). Gleiches gilt für den Schutz von Mooren und Moorlandschaften von besonderer Schönheit und nationaler Bedeutung ( BGE 120 Ib 27 E. 2c/aa S. 31; BGE 118 Ib 11 E. 2e S. 15 f.). 4.4.1 Vorliegend liegt eine Bundesaufgabe vor, weil die ZOA voraussichtlich in das Nationalstrassennetz aufgenommen und deshalb mit Bundesmitteln finanziert werden soll ( Art. 2 Abs. 2 NHG ). Wie die Beschwerdeführer zutreffend darlegen, muss die Anhörung der ENHK in einem Verfahrensstadium erfolgen, in dem ihre Stellungnahme noch effektiv (z.B. durch Projektänderungen oder Auflagen) berücksichtigt werden kann (Urteil 1C_361/2008 vom 27. April 2009 E. 7.5, in: URP 2009 S. 877, Pra 2010 Nr. 26 S. 180). Würde sie erst zum Beschluss des Bundes um Übernahme des rechtskräftigen Ausführungsprojekts angehört, könnte dieses nicht mehr abgeändert, sondern höchstens noch die Übernahme abgelehnt werden. 4.4.2 Hinzu kommt, dass das Projekt auf Rodungsbewilligungen angewiesen ist, namentlich in den Gebieten Jungholz (Schwändi) und Betzholz. Überdies verläuft die Strecke z.T. (wenn auch unterirdisch) BGE 138 II 281 S. 288 im Perimeter der Moorlandschaft von nationaler Bedeutung Nr. 106 und kann erhebliche Auswirkungen auf die geschützten Hoch- und Flachmoore von nationaler Bedeutung haben (vgl. oben, E. 4.3.1). 4.5 Liegt somit eine Bundesaufgabe vor, hätte ein Gutachten zur Beeinträchtigung des BLN-Objekts Nr. 1401 zwingend eingeholt werden müssen. Solange dieses Gutachten nicht vorliegt, kann das Bundesgericht diejenigen Rügen, welche die Beeinträchtigung des BLN-Objekts betreffen oder damit in engem Zusammenhang stehen, nicht beurteilen. Dies betrifft nicht nur die visuelle Beeinträchtigung des BLN-Gebiets durch den Halbanschluss Wetzikon-Ost samt Zubringer und Schwändi-Brücke und die Tunnelluftabsaugung Hellberg, sondern auch die Beeinträchtigung von Fauna und Flora des BLN-Gebiets und namentlich der sich darin befindlichen Moorgebiete durch Bau und Betrieb der ZOA. Dagegen rechtfertigt es sich aus prozessökonomischen Gründen, diejenigen Fragen des Moorlandschaftsperimeters und -schutzes zu behandeln, die schon heute, unabhängig vom möglichen Ausgang einer ENHK-Begutachtung, beurteilt werden können und deren Beantwortung zwingend zur Aufhebung bzw. Änderung des angefochtenen Projekts führen könnte. 5. Streitig ist vor allem die Abgrenzung des Perimeters der Moorlandschaft von nationaler Bedeutung Nr. 106. 5.1 Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, der Moorlandschaftsperimeter sei im Nordwesten, an der Grenze zu Wetzikon und Grüt (Schwändiriet, Waldrand "Jungholz" und Allenberg) sowie im Bereich Hellberg zu eng gefasst. Sie stützen sich auf den im Auftrag des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) und des Bundesamts für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) im Jahre 1991 erstellten Entwurf des Inventarblatts Nr. 106 Wetzikon/Hinwil. Dieser sei von Fachleuten ausgearbeitet worden und habe eine landschaftlich logische Abgrenzung vorgenommen. Der darin vorgeschlagene Perimeter sei 1993, bei Verhandlungen zwischen dem BUWAL und dem Zürcher Regierungsrat, einzig zur Ermöglichung der bereits geplanten ZOA reduziert worden. Dies sei unzulässig. 5.2 (Zusammenfassung der Erwägungen des Verwaltungsgerichts) 5.3 Gemäss Art. 78 Abs. 5 BV sind Moore und Moorlandschaften von besonderer Schönheit und gesamtschweizerischer Bedeutung BGE 138 II 281 S. 289 geschützt. Die Verfassung definiert jedoch nicht, was unter einer Moorlandschaft zu verstehen ist. Anders als bei den Mooren ergibt sich dies auch nicht (oder zumindest nicht allein) aus naturwissenschaftlichen Kriterien. Der Gesetzgeber hat in Art. 23b NHG Kriterien für die Umschreibung der Moorlandschaften aufgenommen: Danach ist eine Moorlandschaft eine in besonderem Masse durch Moore geprägte, naturnahe Landschaft, deren moorfreier Teil zu den Mooren in enger ökologischer, visueller, kultureller oder geschichtlicher Beziehung steht (Abs. 1). Um von besonderer Schönheit und nationaler Bedeutung zu sein, muss die Moorlandschaft zudem in ihrer Art einmalig sein oder in einer Gruppe von vergleichbaren Moorlandschaften zu den wertvollsten gehören (Abs. 2). Der Bundesrat bezeichnet die schützenswerten Moorlandschaften von besonderer Schönheit und von nationaler Bedeutung unter Berücksichtigung der bestehenden Besiedlung und Nutzung und bestimmt ihre Lage. Er arbeitet dabei eng mit den Kantonen zusammen, welche ihrerseits die betroffenen Grundeigentümer anhören (Abs. 3). 5.4 Gestützt darauf hat der Bundesrat am 1. Mai 1996 die Moorlandschaftsverordnung erlassen. Die Moorlandschaften von besonderer Schönheit und nationaler Bedeutung werden in Anhang 1 aufgeführt und in Anhang 2 näher umschrieben (Art. 2 Abs. 1 Moorlandschaftsverordnung). Das Bundesinventar der Moorlandschaften ist eine Verordnung des Bundesrats, die von den Gerichten akzessorisch auf ihre Verfassungs- und Gesetzeskonformität überprüft werden kann ( BGE 127 II 184 E. 5a S. 190 mit Hinweisen). Allerdings verfügt der Bundesrat bei der Konkretisierung der unbestimmten Gesetzesbegriffe von Art. 23b NHG über einen gewissen Beurteilungsspielraum: Wohl hat sich der Bundesrat an die gesetzlichen Kriterien zu halten; diese sind jedoch nicht so präzis gefasst, dass sie in jedem Einzelfall zu klaren und eindeutigen Ergebnissen führen. Dies gilt vor allem für die Abgrenzung des Perimeters am Rande einer Moorlandschaft: Die Frage, ob ein bestimmter Landschaftsteil noch eine hinreichend enge Beziehung zu den Mooren hat, lässt sich oft nicht eindeutig beantworten, so dass es mehrere mit dem Gesetz vereinbare, vertretbare Lösungen geben kann. Hat sich der Bundesrat im Einvernehmen mit dem betroffenen Kanton für eine - mit dem Gesetz vereinbare - Grenzziehung entschieden, ist diese Abgrenzung von den kantonalen Behörden und Gerichten zu respektieren. Sie dürfen die Grenzziehung nur BGE 138 II 281 S. 290 korrigieren, wenn der Bundesrat seinen Beurteilungsspielraum überschritten oder missbraucht hat ( BGE 127 II 184 E. 5a/bb S. 191 f. mit Hinweisen). Der Beurteilungsspielraum darf aber nicht so weit gefasst werden, dass eine effektive gerichtliche Kontrolle nicht mehr möglich ist: Die Gerichte müssen und dürfen prüfen, ob der Bundesrat sich an die gesetzlichen Vorgaben in Art. 23b NHG gehalten und seinen Beurteilungsspielraum dem Zweck des Gesetzes entsprechend, im Sinne des verfassungsrechtlichen Moorlandschaftsschutzes, ausgeübt hat. Sie dürften auch einschreiten, wenn der Bundesrat von einem falschen Sachverhalt ausgegangen ist. Dagegen dürfen sie nicht eine vertretbare Abgrenzung der Moorlandschaft durch eine andere ersetzen ( BGE 127 II 184 E. 5a/cc S. 192). 5.5 Das Bundesgericht hat die streitigen Gebiete in Augenschein genommen. Dabei ist es zum Ergebnis gekommen, dass die vom Bundesrat vorgenommene Abgrenzung der Moorlandschaft bei Hellberg den Vorgaben von Art. 23b NHG klarerweise nicht entspricht. Dies ist im Folgenden (E. 5.6) näher darzulegen. Dagegen ist die Abgrenzung des Moorlandschaftsperimeters an der Grenze zum Industriegebiet Wetzikon-Ost heikel: Ursprünglich gehörten diese Gebiete sicher zu der durch den Wechsel von Drumlins und Mooren geprägten Moorlandschaft Wetzikon/Hinwil. Dafür spricht auch der Verlauf des (1977 festgelegten) BLN-Perimeters, der den gesamten Eisenbahnspickel sowie den Waldrand "Jungholz" einschliesst. Durch den Bau des Industriegebiets Wetzikon (mit Industriebauten, Zufahrtsstrasse und Parkplätzen unmittelbar an der Waldgrenze) und der Hochspannungsleitung mit Unterwerk wurde die Landschaft jedoch stark beeinträchtigt und die Moorvegetation z.T. beseitigt. Ob diese Gebiete dennoch aus ökologischen Gründen, als Lebensraum moortypischer und gefährdeter Arten, zwingend zur Moorlandschaft gehören, wie die Beschwerdeführer geltend machen, wird erst nach Vorliegen der Stellungnahme der ENHK abschliessend beurteilt werden können. 5.6 Im Gebiet Hellberg sah der Inventar-Entwurf vor, die Grenze der Moorlandschaft am Rand des Sennwalds und der Siedlung Hellberg zu ziehen; anschliessend folgte sie dem Flurweg bei Zil bis zum Waldrand "Langriemenholz". Damit befanden sich sämtliche Flachmoore von nationaler Bedeutung (Oberhöflerriet und Chliriet [Letzteres wird auch als Hellbergriet bezeichnet]) innerhalb des Moorlandschaftsperimeters. BGE 138 II 281 S. 291 Auf Antrag des Kantons Zürich wurde der Moorlandschaftsperimeter zurückverlegt: Er folgt nunmehr (ausgehend vom Waldrand "Langriemenholz") dem Flurweg auf der Krete des Drumlins zwischen dem Oberhöflerriet (im Norden) und dem Chliriet (im Süden); an der Hinwilerstrasse überquert er die Bahnlinie und führt von dort aus in Richtung Betzholz. Im Schreiben des BUWAL vom 4. November 1993 findet sich dazu folgende Ausführung: "Die verlangte Änderung im Südteil der Moorlandschaft (Hellberg) ist eher bescheiden. Sie schliesst eine Landschaftskammer vom Kerngebiet der Moorlandschaft aus; beide gehören sicher insgesamt zur Moorlandschaft, sind jedoch durch einen Drumlin voneinander getrennt. Trotz des vorgeschlagenen Ausschlusses ist die nationale Bedeutung des restlichen Teils der Moorlandschaft immer noch gegeben, so dass wir der Änderung zustimmen können. (...) Falls die Variante 'Mitte + 9.93' nicht realisiert wird, ist der Kanton zur Diskussion über eine Wiederanpassung des Perimeters im Raum Hellberg bereit." 5.6.1 Der Gutachter Keller hielt die im Inventar-Entwurf genannten Gründe (Einbezug des Flachmoors Chliriet, Rand des Sennwalds als Sichthorizont, herkömmliche landwirtschaftliche Nutzung und Bauweise ausserhalb der Siedlung Hellberg, Einbezug des unbewaldeten Drumlins Zil) für wichtig. Die Landschaftskammer bei Hellberg sei durch einen Drumlin sowie durch das gemeinsame hydrologische Einzugsgebiet der Moore Hellbergriet und Oberhöfler Riet mit dem geltenden Perimeter der Moorlandschaft verbunden. Es sei daher mehr als fraglich, ob dieser Bereich zu Recht aus dem Perimeter der Moorlandschaft ausgeklammert worden sei. Der Gutachter schlug vor, die Frage durch eine Fachperson des Moorlandschaftsschutzes vertieft beurteilen zu lassen. 5.6.2 Das Verwaltungsgericht erachtete die Ausführungen des Gutachters als zutreffend. Es hob hervor, dass die fragliche Landschaftskammer auch nach Auffassung des BUWAL im Prinzip zur Moorlandschaft gehöre. Dass der restliche Teil der Moorlandschaft auch mit dem reduzierten Perimeter noch von nationaler Bedeutung bleibe, sei kein zulässiges Abgrenzungskriterium; der von Verfassung und Gesetz gewährleistete integrale Schutz gelte für alle Teile einer Moorlandschaft und untersage nicht nur Beeinträchtigungen, die dazu führten, dass die Moorlandschaft geradezu ihre Schutzwürdigkeit verliere. Auch die am Ende des Schreibens vom 4. November BGE 138 II 281 S. 292 1993 enthaltene Feststellung, wonach der Kanton bereit sei, eine Wiederanpassung des Perimeters im Raum Hellberg zu diskutieren, falls die Autobahn nicht gemäss der vorgesehenen Variante realisiert werde, lasse erkennen, dass das fragliche Gebiet nach Auffassung des BUWAL zur schützenswerten Moorlandschaft gehöre und das Amt dem Verzicht auf die Unterschutzstellung nur mit Rücksicht auf den beabsichtigten Bau der Autobahn zugestimmt habe. Die Qualifikation eines Gebiets als Moorlandschaft dürfe jedoch nicht von einer Interessenabwägung abhängig gemacht werden, welche entgegenstehende Nutzungsinteressen mitberücksichtige. Die Interessen des Strassenbaus stellten daher kein zulässiges Kriterium für die Festlegung des Perimeters dar. Es handle sich beim fraglichen Bereich um eine praktisch intakte, nur zurückhaltend landwirtschaftlich genutzte Landschaft. Die bestehende Bahnlinie füge sich durch ihre niedrige Lage gut ins Landschaftsbild ein und trete kaum störend in Erscheinung. Die Geländekammer sei in sich geschlossen; durch den erhöht gelegenen Sennwald werde sie auch gegenüber dem Verkehrskreisel Betzholz (optisch wie auch bezüglich der Immissionen) abgeschirmt, und im Westen bildeten die Bauten des Weilers Hellberg einen passenden Abschluss. Trotz der geäusserten Bedenken gelangte die Mehrheit des Verwaltungsgerichts zum Ergebnis, die vom Bundesrat vorgenommene Abgrenzung des Perimeters sei noch vertretbar und damit gesetzeskonform. Dagegen vertrat eine Minderheit des Verwaltungsgerichts in einem abweichenden Votum die Auffassung, die im Raum Hellberg vorgenommene Abgrenzung sei schlechterdings nicht vertretbar. Das Flachmoor bei Hellberg und das umgebende Gebiet zwischen dem Sennwald und dem Weiler Hellberg müssten vielmehr als Teil der nordöstlich angrenzenden Moorlandschaft betrachtet werden. (...) 5.6.5 Wie der Augenschein des Bundesgerichts bestätigt hat, zerschneidet der vom Bundesrat festgelegte Perimeter das Flachmoor von nationaler Bedeutung Oberhöflerriet (an der Kreuzung Hinwilerstrasse/Bahnlinie) und schliesst das Chliriet - ein Flachmoorgebiet von nationaler Bedeutung und besonderer Schönheit - aus der Moorlandschaft aus. Abgesehen von den Interessen des Strassenbaus, die nicht berücksichtigt werden dürfen ( BGE 127 II 184 E. 5b/aa S. 193), sind keine sachlichen Gründe für diesen Perimeterverlauf ersichtlich: Zwischen dem Chliriet und dem Oberhöfleriet liegt ein Drumlin, der landwirtschaftlich genutzt wird und auf dem lediglich ein Feldweg BGE 138 II 281 S. 293 verläuft. Dieser Hügel ist aber kein trennendes Element, sondern gerade Bestandteil der Moorlandschaft, die im Bereich Wetzikon/Hinwil durch den Wechsel von Drumlins (d.h. während der letzten Eiszeit abgelagerten, langgezogenen Moränenhügeln) und dazwischenliegenden streifenförmigen Mooren in den Senken charakterisiert wird. Das Moorbiotop Chliriet ist als Flachmoor von nationaler Bedeutung und besonderer Schönheit (Nr. 58) inventarisiert. Die das Chliriet umgebende Landschaft ist durch die landwirtschaftliche Nutzung geprägt und wird durch den Weiler Hellberg nicht beeinträchtigt. Die Hinwilerstrasse zerschneidet zwar das Oberhöflerriet im Bereich des Bahnübergangs und trennt das Chliriet von den vernässten Flächen am Sennwald, die früher ebenfalls zum Moorbiotop gehörten. Es handelt sich jedoch um eine Strasse von nur lokaler Bedeutung, die landschaftlich wenig in Erscheinung tritt. Gleiches gilt für die Bahnlinie; hierfür kann auf die Feststellungen des Verwaltungsgerichts verwiesen werden. 5.7 Nach dem Gesagten entspricht der Moorlandschaftsperimeter im Bereich Hellberg nicht den Vorgaben des Bundesgesetzes- und -verfassungsrechts und muss erweitert werden. Zwar verbleibt ein gewisses Ermessen des Bundesrats bei der genauen Abgrenzung der Moorlandschaft; diese muss jedoch mindestens das gesamte Oberhöflerriet und das Chliriet mitsamt dem dazwischen liegenden Drumlin umfassen. Dies hat zur Folge, dass ein Teil des Tagbautunnels Brüschweid-Hellberg (samt der oberirdisch sichtbaren Tunnelluftabsaugung Hellberg), das Tunnelportal bei Hellberg mit den dafür vorgesehenen Aufschüttungen auf einer Länge von ca. 220 m und ein Teil der oberirdischen Strecke in Richtung Betzholz in die Moorlandschaft Nr. 106 zu liegen kommen. 6. Im Folgenden ist zu prüfen, inwiefern der Schutz der Moorlandschaft von nationaler Bedeutung dem projektierten Strassenbau zwingend entgegensteht. Dabei beschränkt sich die Prüfung auf die Abschnitte, die innerhalb der geschützten Moorlandschaft liegen. Für die Abschnitte ausserhalb des Moorlandschaftsperimeters erscheint es sinnvoll, zunächst das Gutachten der ENHK abzuwarten, da sich die Frage, inwieweit sie negative Auswirkungen auf die geschützte Landschaft und ihre Fauna und Flora haben können, in gleicher Weise für das BLN-Gebiet stellt. BGE 138 II 281 S. 294 6.1 Die Parteien sind sich einig, dass zumindest oberirdische Autobahnstrecken und -anlagen (Tunnelportale, Aufschüttungen, Abluftkamine) innerhalb der geschützten Moorlandschaft nicht bewilligt werden können. Dagegen ist streitig, inwieweit die unterirdischen Strecken der ZOA mit dem Moorlandschaftsschutz vereinbar sind. Zwischen dem Halbanschluss Wetzikon-Ost und dem Tunnelportal bei Hellberg verläuft die ZOA im Tunnel Alt-Hellberg. Dabei sollen die Drumlins Allenberg und Alt Hellberg bergmännisch unterquert werden; die übrige Strecke (ca. 400 m im Bereich Bönler und ca. 1'250 m zwischen Brüschweid und dem Tunnelportal bei Hellberg) sollen im Tagbau erstellt werden. Die Vorinstanzen und das BAFU äusserten sich nur zum Tagbautunnel Bönler, der innerhalb des vom Bundesrat festgelegten Moorlandschaftsperimeters liegt. Nach dem oben Gesagten verläuft jedoch auch ein Teil des Tagbautunnels Brüschweid-Hellberg innerhalb der Moorlandschaft von nationaler Bedeutung und besonderer Schönheit. 6.1.1 Das Verwaltungsgericht ging mit dem Gutachten Keller davon aus, dass das Schutzziel des Moorlandschaftsschutzes durch einen Tunnel im Tagbau längerfristig nicht beeinträchtigt werde, wenn die Landschaft nach der Bauphase in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt werde. Die vorübergehende Beeinträchtigung der Landschaft während der Bauphase sei zulässig, wenn der Eingriff mit grösstmöglicher Schonung durchgeführt werde und eine in landschaftlicher Hinsicht einwandfreie Wiederherstellung des betroffenen Projektperimeters innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit erfolge. Mit Blick auf die geplante rund 14-monatige Bauzeit erachtete es den Tagbautunnel Bönler noch als zulässig. Diese Auffassung wird auch vom Kanton Zürich vertreten. 6.1.2 Die Beschwerdeführer sind dagegen der Auffassung, innerhalb der Moorlandschaft dürften nach Art. 23d Abs. 2 lit. d NHG nur solche Infrastrukturanlagen gebaut werden, die für eine nachhaltige Nutzung der Moorlandschaft erforderlich seien. Zudem seien zumindest die im Tagbau errichteten Tunnel auch nicht schutzverträglich. Sie rügen, das Verwaltungsgericht habe das Schutzziel zu Unrecht auf den Landschaftsschutz beschränkt und ökologische Zusammenhänge missachtet. Die Moorlandschaft Nr. 106 sei Lebensraum seltener, geschützter und bedrohter Tier- und Pflanzenarten, die durch die Immissionen der Baustelle und der Transportpisten beeinträchtigt BGE 138 II 281 S. 295 würden. Art. 23c Abs. 1 NHG verlange die Erhaltung der natürlichen Eigenheiten der Moorlandschaft; diese seien jedoch nach einem Totalumbau der Landschaftskammer mit anschliessender künstlicher Wiederherstellung nicht mehr vorhanden. Die Beschwerdeführer erachten auch die bergmännisch erstellten Tunnel innerhalb der Moorlandschaft als unzulässige Bodenveränderungen i.S. von Art. 78 Abs. 5 BV und Art. 23d NHG . Sie rügen in diesem Zusammenhang eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil sich das Verwaltungsgericht mit dieser Frage nicht auseinandergesetzt habe. 6.1.3 Das BAFU hält die bergmännisch erstellten Tunnel für mit dem Schutz der Moorlandschaft verträglich. Dagegen stelle der ca. 400 m lange Tagbautunnel Bönler einen unzulässigen Eingriff in das Moorlandschaftsgebiet dar. Durch den Tagebau werde in schwerwiegender Weise in die Eigenheit der Moorlandschaft und in die Schutzziele i.S. von Art. 5 Abs. 2 lit. d der Moorlandschaftsverordnung eingegriffen. Eine integrale Unversehrtheit der Moorlandschaft könne nur garantiert werden, wenn der Tunnelbau bergmännisch vorgenommen werde. 6.2 Gemäss Art. 78 Abs. 5 BV (früher Art. 24 sexies Abs. 5 aBV ) sind Moore und Moorlandschaften von besonderer Schönheit und gesamtschweizerischer Bedeutung geschützt. Es dürfen darin weder Anlagen gebaut noch Bodenveränderungen vorgenommen werden. Ausgenommen sind Einrichtungen, die dem Schutz oder der bisherigen landwirtschaftlichen Nutzung der Moore und Moorlandschaften dienen. Art. 78 Abs. 5 BV sieht somit ein absolutes Veränderungsverbot sowohl für Moore als auch für Moorlandschaften vor und lässt Ausnahmen nur zu, wenn sie dem Schutz oder der bisherigen landwirtschaftlichen Nutzung dienen. Art. 78 Abs. 5 BV räumt dem Schutz von Mooren und Moorlandschaften absoluten Vorrang ein und belässt keinen Raum für eine Abwägung mit anderen Interessen im Einzelfall ( BGE 117 Ib 243 E. 3b S. 247; Urteil 1A.124/2003 vom 23. September 2003 E. 5.6, in: URP 2003 S. 731, ZBl 106/2005 S. 167, RDAF 2004 I S. 749; PETER M. KELLER, Kommentar NHG, 1997, Vorbem. 7 zu Art. 23a-23d NHG ; BERNHARD WALDMANN, Der Schutz von Mooren und Moorlandschaften: Inhalt, Tragweite und Umsetzung des "Rothenthurmartikels": [ Art. 24 sexies Abs. 5 BV ], 1997 , S. 90, 251 ff.). Im Gegensatz zu Art. 78 Abs. 5 BV differenzierten das NHG und das darauf beruhende Verordnungsrecht zwischen Moorbiotopen und BGE 138 II 281 S. 296 Moorlandschaften. Art. 23d Abs. 1 NHG lässt die Gestaltung und Nutzung von Moorlandschaften zu, soweit dies der Erhaltung der für die Moorlandschaften typischen Eigenheiten nicht widerspricht. Damit wird das Kriterium der Schutzzieldienlichkeit durch dasjenige der Schutzzielverträglichkeit ersetzt ( BGE 124 II 19 E. 5c S. 27; BGE 123 II 248 E. 3a/cc S. 252). Unter dieser Voraussetzung erklärt Art. 23d Abs. 2 NHG insbesondere folgende Nutzungen für zulässig: a) die land- und forstwirtschaftliche Nutzung; b) den Unterhalt und die Erneuerung rechtmässig erstellter Bauten und Anlagen; c) Massnahmen zum Schutz von Menschen vor Naturereignissen; d) die für die Anwendung der Buchstaben a-c notwendigen Infrastrukturanlagen. Insofern gilt in Moorlandschaften kein absolutes Veränderungsverbot, sondern es ist jeweils zu prüfen, ob ein Vorhaben mit den Schutzzielen vereinbar ist. Eine Interessenabwägung ist aber auch hier nicht zulässig: Widerspricht ein Vorhaben den Schutzzielen, so ist es unzulässig, unabhängig vom Gewicht der übrigen auf dem Spiele stehenden Interessen (KELLER, a.a.O., Vorbem. 9 zu Art. 23a-23d NHG ). Der Regelung in Art. 23d NHG liegt die Überlegung zugrunde, dass es sich bei Moorlandschaften - im Gegensatz zu den Moorbiotopen - um Kulturlandschaften handelt, die durch Menschen gestaltet wurden und die weiterhin von Menschen bewohnt und genutzt werden (Voten Bundesrätin Dreifuss, AB 1993 N 2078 und 2105). Die Räte wollten die Beibehaltung der traditionellen Besiedlung und Nutzung dieser Gebiete und deren angepasste und nachhaltige Weiterentwicklung ermöglichen (Voten Frick, AB 1992 S 602 f.; Baumberger, AB 1993 N 2104 und 2106), in der Erkenntnis, dass Moorlandschaftsschutz als Kulturlandschaftsschutz nur mit und nicht gegen die betroffene Bevölkerung durchgesetzt werden könne (Voten Blatter, AB 1993 N 2073; Baumberger, AB 1993 N 2104). Zur Klarstellung, welche Nutzungen auch künftig - unter dem Vorbehalt der Schutzzielverträglichkeit - möglich sein sollen, wurde die Aufzählung in Art. 23d Abs. 2 NHG beschlossen (Voten Schallberger, AB 1992 S 619; Frick, AB 1992 S 620; Wyss, AB 1993 N 2103), bei der es sich allerdings, wie das Wort "insbesondere" zeigt, nicht um eine abschliessende Aufzählung handelt. Aus den Debatten geht hervor, dass neben den ausdrücklich genannten Nutzungen auch BGE 138 II 281 S. 297 militärische Nutzungen und eine sanfte touristische Nutzung möglichsein sollten (Votum Schallberger, AB 1992 S 619). Abgelehnt wurden dagegen die Anträge von Ständerat Küchler, in Art. 23d Abs. 2 auch die Erweiterung rechtmässig erstellter Bauten und Anlagen sowie den Neubau notwendiger Erschliessungsanlagen zu erwähnen: Die Zulassung von Erweiterungen würde den verfassungsrechtlichen Rahmen sprengen (Voten Jagmetti, Frick und Bundesrat Cotti, AB 1992 S 621); Erschliessungsanlagen seien nur zulässig, soweit sie für die in lit. a-c aufgezählten Nutzungen unerlässlich (VotumJagmetti, AB 1992 S 622) bzw. für die nachhaltige Nutzung derMoorlandschaft erforderlich seien (Votum Baumberger, AB 1993 N 2106). 6.3 Art. 23d NHG ist für das Bundesgericht massgebend ( Art. 190 BV ). Dabei ist eine Auslegung zu wählen, die sich vom Wortlaut und Sinn der Verfassungsbestimmung möglichst wenig entfernt ( BGE 138 II 23 E. 3.3 S. 28; BGE 123 II 248 E. 3a/cc S. 253). Für weitere als die in Art. 23d Abs. 2 NHG umschriebenen Nutzungen bleibt daher nur ein sehr enger Raum (Urteile des Bundesgerichts 1A.14/1999 vom 7. März 2000 E. 3b, in: URP 2001 S. 437; 1A.124/2003 vom 23. September 2003 E. 4.4, in: URP 2003 S. 731, ZBl 106/2005 S. 167, RDAF 2004 I S. 749; so auch KELLER, a.a.O., N. 11 zu Art. 23d NHG : "ausserordentlich strenger Massstab"). In BGE 138 II 23 E. 3.3 S. 28 f. hielt das Bundesgericht fest, dass Art. 23d Abs. 2 lit. b NHG bei rechtmässig erstellten Bauten und Anlagen nur den Unterhalt und die Erneuerung, nicht aber eine Erweiterung zulasse; dies schliesse a fortiori den Bau neuer Gebäude aus, ohne dass die Schutzzielverträglichkeit näher geprüft werden müsse. Vorbehalten blieben nur Anlagen oder Bauten, die dem Schutz der Moorlandschaft - direkt oder indirekt - dienen und damit schon nach Art. 78 Abs. 5 BV zulässig seien. Diese Erwägungen gelten analog für Infrastrukturanlagen: Fällt eine solche Anlage nicht unter Art. 23d Abs. 2 lit. d NHG , weil sie nicht für die in lit. a-c aufgezählten Nutzungen notwendig ist, so ist sie innerhalb der Moorlandschaft unzulässig und kann auch nicht gestützt auf Art. 23d Abs. 1 NHG i.V.m. Art. 5 Abs. 2 lit. d Moorlandschaftsverordnung bewilligt werden. Wie sich aus den oben zitierten Materialien ergibt, wurde der weitergehende Antrag, den Neubau notwendiger Erschliessungsanlagen zuzulassen, vom Gesetzgeber ausdrücklich abgelehnt. BGE 138 II 281 S. 298 Vorliegend dient die ZOA offensichtlich nicht der nachhaltigen Nutzung der Moorlandschaft, sondern überregionalen Verkehrsinteressen. Der Bau einer solchen Anlagen ist daher innerhalb der Moorlandschaft von nationaler Bedeutung unzulässig. 6.4 Dies gilt nicht nur für die oberirdischen Anlagen (oberirdische Strassenabschnitte, Tunnelportale, Abluftkamine), sondern auch für die im Tagbau erstellten Tunnel: Diese widersprechen den Zielen des Moorlandschaftsschutzes, wie im Folgenden darzulegen ist. 6.4.1 Art. 4 Abs. 1 Moorlandschaftsverordnung umschreibt die für alle Objekte geltenden Schutzziele. Danach ist die Landschaft vor Veränderungen zu schützen, welche die Schönheit oder die nationale Bedeutung der Moorlandschaft beeinträchtigen (lit. a). Die für Moorlandschaften charakteristischen Elemente und Strukturen sind zu erhalten, namentlich geomorphologische Elemente, Biotope, Kulturelemente sowie die vorhandenen traditionellen Bauten und Siedlungsmuster (lit. b). Besondere Rücksicht ist auf geschützte Pflanzen- und Tierarten sowie die in den Roten Listen aufgeführten, gefährdeten und seltenen Pflanzen- und Tierarten zu nehmen (lit. c). Die nachhaltige moor- und moorlandschaftstypische Nutzung ist zu unterstützen, damit sie so weit als möglich erhalten bleibt (lit. d). Diese Schutzziele sind für die einzelnen Objekte durch die Kantone zu konkretisieren, auf der Grundlage der Objektbeschreibungen des Inventars (Art. 4 Abs. 2 Moorlandschaftsverordnung). 6.4.2 Die Moorlandschaft Nr. 106 Wetzikon/Hinwil wird im Bundesinventar als charakteristische Drumlin-Moorlandschaft umschrieben, deren Relief von Drumlins, während der letzten Eiszeit abgelagerten, langgezogenen Moränenhügeln, geprägt wird, welche in Fliessrichtung des Gletschereises orientiert sind. Sie gliedern die Landschaft in Kammern verschiedener Grösse. Das BAFU führt in seiner Vernehmlassung aus, dass mit der Zerstörung eines solchen Drumlins sein naturgeschichtlicher Eigenwert unwiderruflich verloren gehe. Das Moorlandschaftsrecht erlaube Erdbewegungen im geplanten Ausmass nicht und sehe deshalb auch keine Wiederherstellungs- und Ersatzmassnahmen für derartige Eingriffe vor. Eine integrale Unversehrtheit der Moorlandschaft könne deshalb nur mit einem bergmännischen Tunnelvortrieb garantiert werden. Diesen Ausführungen ist zuzustimmen: Für die Errichtung der Tagbautunnel sind Baustellen beträchtlichen Ausmasses und gewaltige Erdbewegungen erforderlich. Allein die Tagbaustelle Bönler weist BGE 138 II 281 S. 299 eine Länge von 420 m, eine Breite von 75 bis 80 m (inkl. Transportpisten) und eine Tiefe von 12 bis 19 m auf. Gemäss UVB wird sie den flachen Drumlin im Gebiet Fägswilerweid und die ausgedehnte Senke in der Verlängerung des Bönlerriets durchschneiden; betroffen sind auch die Flanken der Drumlins Alt Hellberg und Allenberg. Damit werden für die Moorlandschaft charakteristische geomorphologische Elemente (zumindest teilweise) zerstört. Selbst wenn das ursprüngliche Relief wiederhergestellt wird, würde es sich um eine künstliche Aufschüttung und nicht mehr um die vom Gletschereis geschaffenen Landschaftselemente handeln. Analoges gilt für die Tagbaustrecke im Bereich Hellberg. Hinzu kommen die erheblichen (wenn auch vorübergehenden) Eingriffe in die Moorlandschaft und ihre Fauna und Flora während der Bauphase (Immissionen; Isolation und Zerschneidung von Lebensräumen). In der Betriebsphase wirken sich die Luftschad- und -nährstoffimmissionen der Tunnelstrecke Alt Hellberg negativ auf die Moorbiotope aus, soweit sie am Tunnelportal Hellberg austreten. Soweit sie abgesaugt werden, beeinträchtigt der hierfür erforderliche Kamin die Moorlandschaft visuell. 6.5 Wie die Vertreter des Kantons am Augenschein überzeugend dargelegt haben, ist eine bergmännische Erstellung der Tunnel in den Bereichen Bönler und Hellberg nicht möglich: Für den bergmännischen Vortrieb müsste die Strassenachse erheblich tiefer gelegt werden und würde damit in den grundwasserführenden Aathal-Schotter zu liegen kommen, d.h. den Grundwasserstrom beeinträchtigen. Kann somit der Tunnel Alt Hellberg bereits in den Bereichen Bönler und Hellberg nicht wie geplant realisiert werden, kann offenbleiben, ob die bergmännisch vorgetriebenen Tunnel unter dem Allenberg und dem Drumlin Alt Hellberg mit dem Moorlandschaftsschutz vereinbar sind. Zwar ist unstreitig, dass ein erhebliches öffentliches Interesse an der Schliessung der Autobahnlücke und an der Entlastung der Ortsdurchfahrt von Wetzikon besteht. Wie dargelegt wurde, lässt jedoch der bundesrechtliche Moorlandschaftsschutz keine Abwägung mit entgegenstehenden Interessen zu. Insofern müssen die von den Beschwerdeführern vorgeschlagenen alternativen Streckenführungen nicht näher geprüft werden.
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Sachverhalt ab Seite 357 BGE 148 V 356 S. 357 A. A., geboren 1966, erlitt am 4. Oktober 1989 bei einem Sturz auf einer Baustelle eine komplette Paraplegie ab Th 7 und ist seither für die Fortbewegung auf einen Rollstuhl angewiesen. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) sprach ihm ab 1. Oktober 1993 eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 66,66 %, ab 1. August 1993 eine Hilflosenentschädigung sowie eine Integritätsentschädigung basierend auf einer Integritätseinbusse von 90 % zu. Nachdem A. seit längerem Schmerzen in der rechten Schulter beklagt hatte, welche er auf eine Verletzung während des Autofahrens am 27. April 2015 zurückführte, wurde in der Klinik B. am 4. Februar 2019 eine grosse Rotatorenmanschettenruptur rechts diagnostiziert. Am 14. Februar 2019 erfolgte ein operativer Eingriff an der rechten Schulter, wobei die Suva eine diesbezügliche Leistungspflicht bereits am 7. Februar 2019 abgelehnt hatte, weil A. für den Unfall vom 27. April 2015 nicht bei ihr versichert gewesen sei. Am 9. Juli 2019 meldete A. der Suva, dass er am Tag zuvor beim Rückwärtsfahren mit dem Rollstuhl an der Bettkante hängengeblieben und mit der linken Schulter auf den Boden gestürzt sei. Die indirekte Magnetresonanz-Arthrographie des linken Schultergelenks vom 16. Juli 2019 zeigte u.a. eine komplette Ruptur der ansatznahen Supraspinatus- und der Infraspinatussehne, woraufhin am BGE 148 V 356 S. 358 31. Juli 2019 eine Operation an der linken Schulter durchgeführt wurde. Mit Verfügung vom 13. Dezember 2019 verneinte die Suva ihre Leistungspflicht mit der Begründung, dass A. für die Folgen des Unfalls vom 8. Juli 2019 nicht bei ihr unfallversichert gewesen sei und auch kein adäquater Kausalzusammenhang zum Unfall vom 4. Oktober 1989 bestehe. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 14. Mai 2020 fest. B. Die dagegen erhobene Beschwerde des A. wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 30. Juni 2021 ab. C. A. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Gerichts- und des Einspracheentscheids der Suva seien ihm die im Zusammenhang mit dem Unfallereignis vom 8. Juli 2019 zustehenden Leistungen der Unfallversicherung zu erbringen; eventualiter sei die Sache zur Vornahme weiterer Abklärungen an die Vorinstanz oder an die Suva zurückzuweisen. Während die Suva auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichten die Vorinstanz und das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung. Am 1. November 2021 lässt der Beschwerdeführer eine weitere Eingabe einreichen.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie den leistungsverweigernden Einspracheentscheid der Suva vom 14. Mai 2020 bestätigte. 3. Nach Art. 6 Abs. 1 UVG gewährt der Unfallversicherer seine Leistungen bei Berufsunfällen, Nichtberufsunfällen und Berufskrankheiten, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Leistungspflicht des Unfallversicherers setzt dabei (u.a.) voraus, dass zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod) ein natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang besteht. Ursachen im Sinne des natürlichen Kausalzusammenhangs sind alle Umstände, ohne deren Vorhandensein der eingetretene Erfolg nicht als eingetreten oder nicht als in der gleichen Weise bzw. nicht zur gleichen Zeit eingetreten gedacht werden kann ( BGE 142 V 435 E. 1; BGE 129 V 177 E. 3.1 mit Hinweisen). Als adäquate Ursache eines Erfolges hat ein Ereignis dann zu gelten, wenn es nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung an sich geeignet ist, einen Erfolg BGE 148 V 356 S. 359 von der Art des eingetretenen herbeizuführen, der Eintritt dieses Erfolges also durch das Ereignis allgemein als begünstigt erscheint ( BGE 129 V 177 E. 3.2; BGE 125 V 461 E. 5a mit Hinweisen). Rechtspolitischer Zweck der Adäquanz ist eine Begrenzung der Haftung ( BGE 145 III 72 E. 2.3.1; BGE 122 V 415 E. 2c; BGE 117 V 369 E. 4a). Sie dient als Korrektiv zum naturwissenschaftlichen Ursachenbegriff, der unter Umständen der Einschränkung bedarf, um für die rechtliche Verantwortung tragbar zu sein ( BGE 145 III 72 E. 2.3.1; BGE 142 III 433 E. 4.5; BGE 122 V 415 E. 2c). Im Recht der sozialen Unfallversicherung geht es im Zusammenhang mit Verletzungen gemäss der Rechtsprechung jeweils darum, im Einzelfall unter Wertung von Indizien, die für oder gegen die - rechtliche - Zuordnung bestimmter Funktionsausfälle zum Unfall sprechen, im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu einer versicherungsmässig vernünftigen und gerechten Abgrenzung haftungsbegründender und haftungsausschliessender Unfälle zu gelangen ( BGE 122 V 415 E. 2c; Urteil 8C_493/2021 vom 4. März 2022 E. 3.3.6). Nach der Rechtsprechung haftet der Unfallversicherer grundsätzlich für alle Folgen, mithin auch mittelbare Folgeschäden, die mit einem versicherten Unfall natürlich und adäquat kausal zusammenhängen (Urteile 8C_629/2013 vom 29. Januar 2014 E. 4; U 4/81 vom 6. Oktober 1981 E. 2e). 4. 4.1 Zwischen den Parteien ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Sturzes vom 8. Juli 2019 bei der Suva nicht mehr unfallversichert war. Einigkeit besteht auch insofern, dass dieser Sturz - ungeachtet der vorbestehenden degenerativen Beschwerden der linken Schulter - ursächlich war für die Ruptur der Supra- und der Infraspinatussehne, und dass diese Verletzungen den operativen Eingriff vom 31. Juli 2019 erforderlich machten. Gleichzeitig steht damit (unbestrittenermassen) auch fest, dass ein Rückfall oder Spätfolgen bzw. eine damit verbundene Leistungspflicht der Suva ( Art. 11 UVV ) nach der Rechtsprechung ausser Betracht fallen (vgl. zum Ganzen SVR 2003 UV Nr. 14 S. 42, U 86/02 E. 4.2; Urteile 8C_66/2016 vom 9. Mai 2016 E. 4.3; 8C_934/2014 vom 8. Januar 2016 E. 3.3). 4.2 Umstritten und zu prüfen ist demgegenüber, ob der Sturz aus dem Rollstuhl vom 8. Juli 2019 und die dabei erlittenen Verletzungen der linken Schulter als mittelbare Folge auf den ersten, versicherten Unfall vom 4. Oktober 1989 zurückzuführen sind und damit eine Leistungspflicht der Suva begründen. BGE 148 V 356 S. 360 5. 5.1 Die Vorinstanz erwog, der Beschwerdeführer sei aufgrund des Unfalls vom 4. Oktober 1989 bzw. der dabei erlittenen Paraplegie auf einen Rollstuhl angewiesen. Wäre dies nicht der Fall, hätte es nicht zu einem Sturz aus demselben kommen können. Der natürliche Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 4. Oktober 1989 und dem Sturz aus dem Rollstuhl am 8. Juli 2019 sei deshalb ohne Weiteres zu bejahen. Hinsichtlich des adäquaten Kausalzusammenhangs gelangte die Vorinstanz sodann zum Schluss, der Sturz vom 8. Juli 2019 sei nicht hinlänglich der Paraplegie anzulasten. Nicht die Rollstuhlabhängigkeit und die damit verbundenen körperlichen Defizite hätten zum Sturz geführt, sondern vielmehr das unerwartete Hängenbleiben an der Bettkante beim Rückwärtsfahren. Die seit 30 Jahren bestehende Paraplegie und die damit einhergehende Rollstuhlabhängigkeit erschienen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung somit nicht geeignet, den neuerlichen Sturz herbeizuführen. Mangels Adäquanz sei die Suva für die Folgen des Unfallereignisses vom 8. Juli 2019 entsprechend nicht leistungspflichtig. 5.2 Der Beschwerdeführer hält dafür, die unfallbedingt erlittene Paraplegie und die damit einhergehende gefahrengeneigte Rollstuhlpflicht seien geeignet, die hier in Frage stehende Ruptur der Rotatorenmanschette links zu verursachen. Auch die adäquate Kausalität sei damit erfüllt und der Schulterschaden somit Folge des bei der Suva versicherten Unfalls von 1989, weswegen diese als zuständiger Unfallversicherer die gesetzlichen Leistungen zu erbringen habe. 6. 6.1 Was zunächst den vorinstanzlich bejahten natürlichen Kausalzusammenhang betrifft, wurde diese Tatfrage weder im Einspracheentscheid noch in den danach verfassten Rechtsschriften erörtert. Auch vor Bundesgericht wird sie nicht aufgegriffen, weshalb sich vertiefende Ausführungen dazu erübrigen. Im Zentrum des Rechtsstreits steht wie bereits im Einspracheentscheid die Adäquanz, mithin die ("normative") Wertungsfrage der rechtlichen Relevanz des ersten Unfalls vom 4. Oktober 1989 für die Folgen des hier streitbetroffenen Unfallereignisses. 6.2 Mit der Thematik, ob ein zweiter, nicht versicherter Unfall adäquat kausale Folge eines ersten (versicherten) Unfalls bildet und BGE 148 V 356 S. 361 damit eine Leistungspflicht des für den ersten Unfall zuständigen Unfallversicherers auslöst, hatte sich die höchstrichterliche Rechtsprechung seit längerem nicht mehr zu befassen. Soweit ersichtlich wurde diese Thematik auch in der Literatur kaum (mehr) aufgegriffen (vgl. etwa ALFRED MAURER, Recht und Praxis der schweizerischen obligatorischen Unfallversicherung, 2. Aufl. 1963, S. 291 f.; derselbe , Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, 1985, S. 464 f. und Fn. 1220, je mit Hinweis auf EVGE 1960 S. 158 [Squaratti];RAOUL MORELL, Der Kausalbegriff in der Unfallversicherung, SZS 1965 S. 37; ANDRÉ NABOLD, in: Kommentar zum Schweizerischen Sozialversicherungsrecht, UVG, Hürzeler/Kieser [Hrsg.], 2018, N. 64 zu Art. 6 UVG ). 6.3 Bereits mit Urteil i.S. Biel vom 15. Januar 1919 (auszugsweise wiedergegeben in WERNER LAUBER, Praxis des sozialen Unfallversicherungsrechts der Schweiz, 1928, S. 24 ff.) erwog das damalige Eidg. Versicherungsgericht (heute: die Erste und Zweite sozialrechtliche Abteilung des Bundesgerichts), dass ein weiterer, nicht versicherter Unfall jedenfalls dann als mittelbare Folge eines früheren Unfalls erscheine, wenn: 1. der zweite Unfall sich während der Heilungsdauer des ersten Unfalls ereigne; 2. der Versicherte durch den früheren Unfall seinem Wirkungskreis und seinen bisherigen Lebensgewohnheiten entrissen worden war und es im Moment des zweiten Unfalls noch gewesen ist; und schliesslich 3. der Versicherte der Gefahr eines zweiten Unfalls infolge des durch den ersten bewirkten körperlichen oder geistigen Zustands in erhöhtem Masse ausgesetzt war. Unter diesen drei Voraussetzungen bestehe im Allgemeinen eine grosse Wahrscheinlichkeit, dass sich der zweite Unfall ohne den ersten nicht ereignet haben würde; der zweite Unfall erscheine rechtlich als eine blosse Komplikation des ersten, als eine Störung des Heilungsprozesses, mit deren Möglichkeit der Versicherer von vornherein rechnen müsse und für deren Folgen er daher in gleicher Weise aufzukommen habe wie für die unmittelbaren Folgen des ersten Unfalls (E. 6 des genannten Urteils; in diese Richtung zielend auch das Urteil i.S. Hubler vom 3. Mai 1923 E. 1 f.). Mit EVGE 1960 S. 158 ("Squaratti") fasste das Eidg. Versicherungsgericht die Problematik im Hinblick auf selbstständige Versicherungsansprüche BGE 148 V 356 S. 362 von Hinterlassenen ausdrücklich als Anwendungsfall der adäquaten Kausalität auf. Zu den von der älteren Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen hielt es fest, diese liefen im Wesentlichen auf den Adäquanzbegriff hinaus. Inwieweit sie für Ansprüche des (beim zweiten, nicht versicherten Unfall verstorbenen) Versicherten selber massgebend seien, liess es im Weiteren jedoch offen. Für die eigenständigen Ansprüche der Hinterlassenen sei einzig ausschlaggebend, ob der Tod in rechtserheblichem Kausalzusammenhang mit dem versicherten ersten Unfall gestanden habe, wobei unter einen solchen Zusammenhang auch ein mittelbarer fallen könne, sofern nur die Qualität des Zusammenhanges genüge (E. 2 f. des Urteils). In Urteil U 4/81 vom 6. Oktober 1981 E. 2e beurteilte das Eidg. Versicherungsgericht den adäquaten Kausalzusammenhang zwischen einem ersten und einem zweiten, nicht mehr versicherten Unfall, ohne dass es dies in grundsätzlicher Hinsicht erörtert hätte, wiederum explizit unter Bezugnahme auf die drei kumulativen Kriterien gemäss dem Urteil i.S. Biel vom 15. Januar 1919. Im Urteil U 71/97 vom 6. Juli 1998 erachtete es, unter Verweis auf EVGE 1960 S. 158, jedoch ebenfalls ohne grundsätzliche Erörterung, für die Beurteilung der Adäquanz in einem vergleichbaren Fall demgegenüber die allgemeine Adäquanzformel als massgebend (E. 2a, 2b und 4b des genannten Urteils). 7. 7.1 Die Vorinstanz erwog, nach der unbestritten gebliebenen Hergangsschilderung des Beschwerdeführers vom 9. Juli 2019 sei er am Tag zuvor mit dem Rollstuhl rückwärts gefahren. Dabei sei er "irgendwie" mit dem Rollstuhl an der Bettkante hängengeblieben und mit der linken Schulter auf den Boden gestürzt. Er habe instinktiv versucht, die operierte rechte Schulter zu schonen, weshalb er auf die linke Schulter gestürzt sei. Weiter legte das kantonale Gericht dar, der Beschwerdeführer sei seit dem Unfall am 4. Oktober 1989 auf einen Rollstuhl angewiesen. Über die vielen Jahre bis zum Sturz vom 8. Juli 2019 habe er sich ohne Zweifel an den Rollstuhl gewöhnt und sei diesbezüglich geübt. Damit seien aber die Kriterien, welche für eine Adäquanz sprechen würden, nicht erfüllt. Weder habe sich der Unfall während der Heilungsdauer des ersten Unfalls ereignet, noch könne gesagt werden, dass der Beschwerdeführer nach dieser langen Zeit weiterhin seinen Lebensgewohnheiten und seinem Wirkungskreis entrissen gewesen sei. Denn nach 30 Jahren im Rollstuhl sei ohne BGE 148 V 356 S. 363 Weiteres von den neuen Lebensgewohnheiten und vom neuen Wirkungskreis als Rollstuhlfahrer auszugehen. Auch habe bei vieljähriger Rollstuhlabhängigkeit und Gewöhnung an die körperlichen Defizite (insbesondere Nichtgebrauch der unteren Extremitäten, verminderte Rumpfkraft und Stabilität) kein relevant erhöhtes Unfallrisiko mehr bestanden. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte verminderte Rumpfkraft und -stabilität sei denn auch in dem Sinne zu relativieren, als es ihm gelungen sei, sich während des Sturzes instinktiv auf die linke Seite zu drehen. Damit sei der Sturz vom 8. Juli 2019 nicht mehr hinlänglich der Paraplegie anzulasten bzw. führten nicht hauptsächlich die Rollstuhlabhängigkeit und die damit verbundenen körperlichen Defizite zum Sturz, sondern vielmehr das unerwartete Hängenbleiben an der Bettkante beim Rückwärtsfahren. Die seit 30 Jahren bestehende Paraplegie und die damit einhergehende Rollstuhlabhängigkeit erschienen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht geeignet, den Sturz im Jahr 2019 herbeizuführen; mangels Adäquanz sei die Suva für die Folgen des Unfallereignisses vom 8. Juli 2019 somit nicht leistungspflichtig. 7.2 Der Beschwerdeführer rügt, die Rechtsprechung habe in einem älteren Entscheid Voraussetzungen genannt, bei deren Erfüllung eine Leistungspflicht der Suva für einen zweiten, grundsätzlich nicht versicherten, Unfall mit grosser Wahrscheinlichkeit bestehe. Zu diesen alternativen Voraussetzungen zähle ein erhöhtes Unfallrisiko infolge der ersten Unfallfolgen. Aufgrund des ersten Unfallereignisses vom 4. Oktober 1989 sei er für die individuelle Fortbewegung ständig auf die Verwendung eines manuellen Rollstuhls angewiesen. Gleich der in EVGE 1960 S. 158 erwähnten unfallbedingten Schädigung des Schwindelapparats gehe auch von der Verwendung eines Handrollstuhls eine erhöhte Gefahr für das Erleiden weiterer Unfälle aus. 7.3 7.3.1 Auch nach EVGE 1960 S. 158, mit welchem die Theorie des adäquaten Kausalzusammenhangs im schweizerischen Sozialversicherungsrecht Einzug gehalten hat (MEYER-BLASER, Kausalitätsfragen auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts, SZS 1994 S. 82), hielt das Eidg. Versicherungsgericht mit Urteil U 4/81 vom 6. Oktober 1981 an der 1919 aufgestellten Formel im Sinne der drei kumulativen Voraussetzungen fest. Mit Urteil U 71/97 vom 6. Juli 1998 ging es hingegen von der allgemeinen Adäquanzformel aus BGE 148 V 356 S. 364 (vgl. E. 6.3 hiervor). Auch die Vorinstanz hat sich von der 1919 begründeten Rechtsprechung ein Stück weit gelöst, indem sie dem Grundsatz nach die allgemeine Adäquanzformel für massgeblich erachtete, letztlich aber gleichwohl die drei kumulativen Voraussetzungen in ihre Beurteilung der Adäquanz einfliessen liess und allesamt verneinte. Ob es sich bei der mit Urteil i.S. Biel vom 15. Januar 1919 aufgestellten Formel um eine spezielle - und allenfalls beizubehaltende - Adäquanzprüfung handelt, ähnlich etwa jener bei organisch nicht hinreichend nachweisbaren Unfallfolgen (vgl. zum Ganzen BGE 115 V 133 ), oder ob sie - wie vom Eidg. Versicherungsgericht in EVGE 1960 S. 158 angedeutet und von der Vorinstanz angenommen - in der allgemeinen Adäquanzformel aufgeht, kann hier offengelassen werden: Wie der Beschwerdeführer zu Recht anerkennt, ist in der vorliegenden Konstellation auch bei einer Beurteilung nach der allgemeinen Adäquanzformel massgeblich, ob der unfallbedingte Vorzustand im Sinne der Paraplegie und Rollstuhlabhängigkeit zu einem erhöhten Unfallrisiko, d.h. einer erhöhten Sturzgefahr geführt hatte. Wie es sich demgegenüber mit den beiden anderen Voraussetzungen verhält, die der Beschwerdeführer wohl aufgrund einer missverständlichen Formulierung im angefochtenen Urteil als alternativ und damit entbehrlich erachtet, braucht dabei keiner weiteren Erörterung. Es erscheint zwar durchaus fraglich, inwieweit die Prüfung, ob sich der zweite Unfall während der Heilungsphase des ersten Unfalls ereignete, bei endgültigen Unfallfolgen wie einer Paraplegie zur Beurteilung der Adäquanz geeignet ist. Nachdem die Adäquanz mangels einer erhöhten Unfallgefahr jedoch so oder so zu verneinen ist (vgl. E. 7.3.2 ff. hiernach), erübrigen sich diesbezüglich weitere Ausführungen. 7.3.2 Im vom Beschwerdeführer angerufenen EVGE 1960 S. 158 präsentierte sich die Ausgangslage grundsätzlich anders: Als bleibende Folgen des ersten Unfalls litt der Versicherte dort an Schwindel- und Schwächeanfällen, die jederzeit überraschend auftreten konnten und aufgrund derer er befürchtete umzufallen, "sobald er auf der Strasse sich umkehrte, sich bückte oder nach oben blickte". Es war denn gerade auch eine solch plötzlich auftretende Schwindelerscheinung, welche auf einer Bergwanderung in steil abfallendem Gebiet zum tödlichen Absturz führte (Sachverhalt Bst. A., E. 1 und 3 des genannten Urteils). Im vorliegend zu beurteilenden Fall war der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Sturzes vom 8. Juli BGE 148 V 356 S. 365 2019 zwar unfallbedingt auf einen Rollstuhl angewiesen; dies allerdings bereits seit beinahe 30 Jahren. Wie das kantonale Gericht festhielt, ist aufgrund des langen Zeitraums ohne Weiteres davon auszugehen, dass er sich zwischenzeitlich an die paraplegiebedingten körperlichen Einschränkungen gewöhnt hatte und in der Benutzung des Rollstuhls entsprechend geübt war. Dies wird vom Beschwerdeführer letztinstanzlich denn auch gar nicht bestritten. Zusätzliche Faktoren, welche im Zusammenhang mit der Fortbewegung im Rollstuhl allenfalls mit einer erhöhten Gefahrenlage einhergehen könnten (z.B. Bergauf- und Talfahrten, das Überwinden von Hindernissen), werden in der letztinstanzlichen Beschwerde nicht geltend gemacht und sind angesichts des Unfallorts im Wohnbereich auch nicht ersichtlich. Unter den gegebenen Umständen ist die vorinstanzliche Schlussfolgerung, wonach aufgrund der Paraplegie resp. der Rollstuhlabhängigkeit beim Beschwerdeführer in der hier zu beurteilenden Situation vom 8. Juli 2019 keine erhöhte Gefährdung zu einem Sturz vorlag, somit nicht zu beanstanden. 7.3.3 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Beschwerdeführer im vorinstanzlichen Verfahren aufgelegten Publikation (KERR, Der Schulterschaden und operative Therapieoptionen, Paracontact 3/2016 S. 20 f.). Dieser lässt sich entnehmen, dass die Fortbewegung im Rollstuhl die am meisten schädigende Belastung für das Schultergelenk darstellt, und dass Sehnenrisse bei Rollstuhlfahrern die mit Abstand häufigste Schädigung im Bereich des Schultergelenks bilden. Im Weiteren nennt die Publikation vor allem auch den "Sturz rückwärts" als eine Alltagsbelastung, die längerfristig zu einem Schulterschaden führen könne. Damit wird vor allem aufgezeigt, dass die Fortbewegung im Rollstuhl zu einem erhöhten Verschleiss im Bereich der Schultern führen kann, wobei derartige Verschleissschäden allenfalls im Zusammenhang mit - hier gerade nicht zur Diskussion stehenden (vgl. E. 4.1 hiervor) - Spätfolgen des Unfalls vom 4. Oktober 1989 relevant wären. Dass in der vorliegend zu beurteilenden Situation vom 8. Juli 2019 rollstuhlbedingt ein erhöhtes Unfallrisiko vorlag, lässt sich daraus allerdings nicht herleiten. 7.4 Insgesamt kommen dem Unfallereignis vom 4. Oktober 1989 bzw. der Paraplegie und Rollstuhlabhängigkeit somit keine derart massgebende Bedeutung zu, dass sie nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet waren, den neuerlichen Sturz herbeizuführen. Wie das kantonale Gericht BGE 148 V 356 S. 366 zu Recht erkannte, standen diesbezüglich nicht die Folgen des früheren Unfalls, sondern das unerwartete Hängenbleiben an der Bettkante im Vordergrund. Soweit es den adäquaten Kausalzusammenhang und eine Leistungspflicht der Suva entsprechend verneinte, ist darin keine Verletzung von Bundesrecht zu erkennen. Auf die vom Beschwerdeführer verlangten weiteren Abklärungen zum konkreten Gefahrenpotential durch die ständige Verwendung eines Handrollstuhls durften das kantonale Gericht und die Suva ohne Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes ( Art. 43 Abs. 1, Art. 61 lit. c ATSG ) verzichten (zur zulässigen antizipierten Beweiswürdigung vgl. BGE 144 V 361 E. 6.5), erscheinen doch die zur Prüfung der Adäquanz erforderlichen tatsächlichen Grundlagen im Lichte des Gesagten als genügend abgeklärt. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen.
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Sachverhalt ab Seite 355 BGE 141 II 353 S. 355 A. A.a Doté de la personnalité juridique et inscrit au Registre du commerce depuis 2010, l'Hôpital Riviera-Chablais Vaud-Valais (ci-après: l'Hôpital, le pouvoir adjudicateur ou l'autorité adjudicatrice) est un établissement autonome de droit public intercantonal, dont le siège est à Rennaz (VD). Les 11 et 14 juin 2013, l'Hôpital a fait publier, dans la Feuille des avis officiels du canton de Vaud et dans le Bulletin officiel du canton du Valais, un appel d'offres en procédure ouverte portant sur la construction en entreprise générale d'un hôpital de soins aigus à Rennaz; le projet avait préalablement fait l'objet d'un concours d'architecture. L'appel d'offres décrivait en particulier le projet, les critères et les sous-critères d'évaluation avec leur pondération (sur 100 points possibles) et l'objectif financier, qui était de 207 millions de francs. Les critères d'évaluation étaient au nombre de cinq et pondérés comme suit: 1. Prix (50); 2. Organisation pour l'exécution du marché (20); 3. Qualités techniques de l'offre (14); 4. Organisation de base du candidat ou du soumissionnaire (6); 5. Références du candidat ou du soumissionnaire (10). Sous le titre "Exclusion d'un soumissionnaire", l'appel d'offres énumérait des conditions qui, si elles n'étaient pas remplies, avaient pour conséquence la mise à l'écart de l'offre concernée. Parmi ces conditions figuraient notamment: "Attestations, justificatifs et engagements exigés non remis (A.3/3.2 et 3.3); Garanties exigées non remises (A.3/3.2)". Les autres motifs d'exclusion prévus par le règlement BGE 141 II 353 S. 356 cantonal d'application de la législation vaudoise sur les marchés publics étaient par ailleurs réservés. Le document A.3 auquel les deux conditions d'exclusion précitées faisaient référence était intitulé "Récapitulation de l'offre financière et engagements". Le ch. 3.2 consacré aux "attestations et justificatifs" se composait de deux tableaux. Le premier était précédé de la clause suivante: "Le présent dossier d'appel d'offres doit impérativement être accompagné des attestations suivantes". Suivait une série de conditions, avec l'indication des documents et attestations requis. Parmi celles-ci, la rubrique "Attestations bancaires" mentionnait: "Attestation bancaire garantissant l'octroi des crédits nécessaires au soumissionnaire, en cas d'adjudication du marché et garantissant l'établissement de la garantie bancaire de bonne exécution des travaux (10 % de la valeur du marché) cas échéant de la garantie d'acompte (100 % de la valeur de l'acompte) exigées par le MO à la signature du marché". Le second tableau figurant sur le document A.3/3.2 était précédé de la clause selon laquelle l'adjudicateur se réservait le droit d'exiger, à tout moment et dans un délai de 10 jours, l'une ou l'autre attestation, voire la totalité des attestations, notamment auprès du soumissionnaire pressenti pour être l'adjudicataire du marché. Les documents et attestations visés dans ce tableau concernaient l'annonce des sous-traitants ainsi que les certifications matériaux. Le ch. 3.3 du document A.3, intitulé "Engagement du candidat", comportait, outre une liste d'exigences que le soumissionnaire devait s'engager à respecter, le descriptif de trois garanties qui devaient être fournies, à savoir une "garantie de bonne exécution", une "garantie de restitution d'acomptes" et une "garantie contre les défauts (cautionnement solidaire)". Trois spécimens contenant un texte-type pour ces garanties figuraient au document A.9 de l'appel d'offres. A.b Une plate-forme internet (plate-forme SIMAP) était mise à disposition des candidats par l'Hôpital pour formuler des questions et les réponses données par l'adjudicateur étaient consultables par tous. Trois questions ont été posées au sujet des garanties bancaires exigées dans le document A.3/3.2. L'adjudicateur y a répondu en renvoyant aux spécimens figurant dans le document A.9. Une autre question a été posée en lien avec le Code des frais de construction (ci-après: CFC) 231.21, car aucune rubrique concernant le tableau électrique TP 301 ne figurait dans le document mis à disposition par l'Hôpital. Le pouvoir adjudicateur a indiqué que le poste devait être BGE 141 II 353 S. 357 comptabilisé dans la série de prix et il a rectifié, sur la plate-forme internet, le document concerné en y ajoutant une ligne consacrée à ce poste. Ni l'appel d'offres ni les documents l'accompagnant n'ont fait l'objet d'un recours. A.c Dans le délai prolongé au 30 septembre 2013, cinq offres sont parvenues à l'Hôpital, pour les montants suivants: 1. Offre de 225'199'270 fr. 29 émanant d'un consortium formé de Inso Sistemi per le infrastrutture sociali S.p.A., Cossi costruzioni S.p.A., Società italiana per condotte d'acqua S.p.A. et LGV Impresa Costruzioni SA (ci-après: Inso et consorts ou le Consortium); 2. Offre de 237'492'000 fr. émanant de Steiner SA (ci-après: Steiner); 3. Offre de 238'364'640 fr. émanant de HRS Real Estate SA (ci-après: HRS); 4. Offre de 253'000'000 fr. émanant d'Implenia Suisse SA (ci-après: Implenia); 5. Offre de 265'277'243 fr. émanant de Losinger Marazzi SA (ci-après: Losinger). Tous les soumissionnaires, sauf Steiner, ont produit des documents en lien avec le ch. 3.2 du document A.3. S'agissant du tableau électrique TP 301 du CFC 231.21, Inso et consorts, Implenia et Losinger ont utilisé le document rectifié mis à disposition des soumissionnaires sur le site internet et chiffré une offre en lien avec ce poste. Steiner a utilisé le document d'origine sur lequel le poste prix pour le TP 301 ne figurait pas et n'a donc pas indiqué de prix en lien avec ce poste. L'Hôpital a procédé à l'analyse de ces offres et y a apporté différentes corrections. Le 25 novembre 2013, l'Hôpital a transmis aux soumissionnaires un tableau indiquant, pour chaque CFC, les erreurs retenues, en leur fixant un délai soit pour retourner le tableau signé, signifiant leur accord avec les corrections effectuées, soit pour indiquer les modifications qu'ils souhaitaient faire valoir avec les corrections proposées. Dans le délai imparti, Inso et consorts, Losinger ainsi que Steiner ont retourné le tableau signé sans commentaire. Implenia a retourné le questionnaire complété et requis la modification de deux points dans le contrôle arithmétique. HRS a apporté certaines modifications aux corrections dont l'Hôpital a tenu compte et baissé le prix de son offre. BGE 141 II 353 S. 358 L'Hôpital a aussi posé une série de questions relatives aux offres aux soumissionnaires, dont une question relative au document A.3/3.2 en réponse à laquelle Steiner a remis des documents bancaires datés du 30 septembre 2013. A la suite de ces nouveaux éléments, l'Hôpital a établi un tableau récapitulatif modifié duquel il ressortait que l'offre d'Inso et consorts de 225'199'270 fr. était augmentée de 2'437 fr. et passait ainsi à 225'201'707 fr., l'offre de Steiner de 237'492'000 fr. était augmentée de 1'245'498 fr. et passait à 238'737'498 fr., alors que l'offre de HRS de 238'364'640 fr. était réduite de 314'280 fr. et passait à 237'973'626 fr. A Offres à l'ouverture B Offres corrigées C Offres finales Déposées CHF TTC Ctrl arithm. CHF TTC Différences B-A CHF TTC Après questions CHF TTC Différences C-B CHF TTC Cons. Inso 225'199'270 225'201'707 +2'437 225'201'707 0 Steiner 237'492'000 238'737'498 +1'245'498 238'737'498 0 HRS 238'364'640 238'050'360 -314'280 237'973'626 -76'734 Implenia 253'000'000 252'907'303 -92'697 251'473'923 -1'433'380 Losinger 265'277'243 263'867'729 -1'409'514 263'513'565 -354'164 B. B.a Le 8 janvier 2014, la commission de construction de l'Hôpital a décidé, à l'unanimité et sans abstention, d'adjuger les travaux à Steiner. En fonction des cinq critères d'adjudication, Steiner avait obtenu 429,84 points, Implenia 408,55, HRS 401,87, le Consortium 401 et Losinger 363,04. Cette décision a été approuvée par les départements cantonaux vaudois et valaisan compétents. Par décision formelle du 27 janvier 2014, l'Hôpital a communiqué individuellement aux soumissionnaires le résultat de l'adjudication. Steiner a ainsi été informée que le marché lui avait été adjugé au prix de 238'737'497 fr. 60. Les soumissionnaires évincés ont pour leur part été avisés du rang obtenu, à savoir le troisième rang pour HRS et le quatrième rang pour Inso et consorts sur les cinq offres évaluées. Contre la décision du 27 janvier 2014, Inso et consorts, ainsi que HRS ont recouru auprès de la Cour de droit administratif et public BGE 141 II 353 S. 359 du Tribunal cantonal vaudois (ci-après: le Tribunal cantonal). HRS a conclu à l'annulation de la décision du 27 janvier 2014 et, principalement, à ce que le marché lui soit adjugé, subsidiairement, à ce que la cause soit renvoyée à l'Hôpital pour nouvelle décision. Inso et consorts ont pris les mêmes conclusions principales, mais demandé subsidiairement à ce que la cause soit renvoyée à l'Hôpital pour qu'il adjuge le marché au Consortium. Les deux causes ont été jointes. B.b Au cours de la procédure, un tableau d'analyse des corrections des CFC a été produit par l'Hôpital à la demande du Tribunal cantonal. De nouvelles erreurs, imputables à l'Hôpital lors du précédent contrôle arithmétique, ont été mises en évidence. Il était précisé que le CFC 231.21 avait été corrigé pour Steiner et pris en compte à raison de 80'000 fr. en lien avec le poste TP 301, qui manquait. Au total, les erreurs impliquaient que le prix adjugé à Steiner aurait dû être inférieur de 925'844 fr. 70 et celui du Consortium inférieur de 122'699 fr. 90. Cela signifiait, après réévaluation par l'Hôpital et production d'une nouvelle grille le 5 mai 2014, que le classement des offres ne s'en trouvait pas modifié, mais que le total des points obtenus par Steiner passait de 429,84 à 432,30. D'après les explications ultérieures fournies par l'Hôpital, la différence de 122'699 fr. 90 concernant Inso et consorts faisait passer ses points de 401 à 401,50. Inso et consorts ont produit une lettre anonyme rédigée en italien et datée du 2 février 2014. Intitulée "appalto manipolato", elle indiquait que l'offre de Steiner aurait été modifiée entre l'ouverture des offres et l'adjudication. En annexe, figurait le tableau comparatif financier par CFC que le Consortium a transmis au Tribunal cantonal et à toutes les parties à la procédure. Une procédure pénale a été ouverte par le Ministère public vaudois en lien avec cette communication, à la suite d'une plainte déposée par l'Hôpital. Le Tribunal cantonal a tenu une audience le 19 mai 2014 et obtenu des explications complémentaires des parties. L'arrêt attaqué reproduit de très larges extraits du compte-rendu de cette audience. Selon une nouvelle grille d'évaluation produite par l'Hôpital dans ses déterminations finales, même si tous les soumissionnaires avaient bénéficié de la note 5 en lien avec le critère 2.2 relatif aux sous-traitants contesté par le Consortium, lequel n'avait obtenu que 1, Steiner aurait conservé la tête du classement avec 441,96 points contre 441,00 pour Inso et consorts. BGE 141 II 353 S. 360 Par arrêt du 27 août 2014, le Tribunal cantonal a admis partiellement les recours, annulé la décision d'adjudication du 27 janvier 2014 et renvoyé la cause à l'autorité intimée au sens du considérant 11b, duquel il découle que c'était une annulation ab ovo de toute la procédure qui s'imposait, le dossier étant retourné à l'Hôpital pour qu'il publie un nouvel appel d'offres et répète l'intégralité de la procédure. C. C.a Contre cet arrêt, Steiner forme un recours en matière de droit public et - pour le cas où le premier ne serait pas recevable - un recours constitutionnel subsidiaire au Tribunal fédéral (...). Le Tribunal fédéral a admis le recours en matière de droit public de Steiner, annulé l'arrêt attaqué et confirmé la décision d'adjudication du 27 janvier 2014, dans la mesure où elle n'est pas devenue sans objet; il a déclaré irrecevable le recours constitutionnel subsidiaire parallèlement formé. C.b Inso et consorts ont également recouru auprès du Tribunal fédéral à l'encontre de l'arrêt du 27 août 2014. Leur recours a été déclaré irrecevable par arrêt de ce jour (cf. cause 2C_886/2014). (extrait)
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Erwägungen Extrait des considérants : I. Recevabilité 1. 1.1 L'arrêt attaqué annule non seulement la décision d'adjudication, mais toute la procédure de marché public mise en place par l'Hôpital ab initio , lui enjoignant de publier un nouvel appel d'offres et de répéter l'intégralité de la procédure. Même si elle prononce formellement un renvoi, cette décision n'a pas un caractère incident au sens de l' art. 93 LTF , mais doit être assimilée à une décision finale, car elle met un terme définitif à la procédure litigieuse (cf. art. 90 LTF ; ATF 135 III 566 consid. 1.1 p. 568; ATF 134 I 83 consid. 3.1 p. 86). En effet, le renvoi ne porte pas sur la continuation, à partir d'un certain stade, de la procédure qui a donné lieu à la décision d'adjudication du 27 janvier 2014; la procédure est mise à néant, ce qui commande qu'une nouvelle procédure distincte soit mise en place (cf. question laissée ouverte sous l'empire de l'aOJ [RS 3 521] in ATF 129 I 313 consid. 3.3 p. 318). 1.2 Rendue en dernière instance cantonale par un tribunal supérieur ( art. 86 al. 1 let . d et al. 2 LTF) dans une cause de droit public ( art. 82 let. a LTF ), BGE 141 II 353 S. 361 la décision entreprise concerne le domaine des marchés publics. Le recours en matière de droit public n'est donc recevable, en vertu de l' art. 83 let . f LTF, qu'à la double condition que la valeur du mandat à attribuer soit supérieure ou égale aux seuils déterminants prévus à cet effet et que la décision attaquée soulève une question juridique de principe ( ATF 141 II 113 consid. 1.2 p. 116 s.; ATF 140 I 285 consid. 1.1 p. 289), ce qu'il incombe à la partie recourante de démontrer sous peine d'irrecevabilité (cf. art. 42 al. 2 LTF ; ATF 141 II 14 consid. 1.2.2.1 p. 21), à moins que la question de principe s'impose avec évidence ( ATF 141 II 113 consid. 1.4.1 p. 119; ATF 140 I 285 consid. 1.1.2 p. 289; ATF 139 II 404 consid. 1.3 p. 410; ATF 139 II 340 consid. 4 p. 342). 1.2.1 et 1.2.2 [ Résumé : En l'occurrence, tant le critère de la valeur seuil que celui portant sur l'existence d'une question juridique de principe (admise sur le point de la possibilité pour l'adjudicateur de "neutraliser" un critère d'aptitude si aucun des soumissionnaires ne le remplit) étaient réunis]. 1.3 Le recours a en outre été déposé en temps utile et dans les formes prescrites ( art. 42 et 100 al. 1 LTF ). La recourante, qui s'était vu adjuger le marché par la décision du 27 janvier 2014, qui a été annulée par l'arrêt attaqué, a qualité pour recourir au sens de l' art. 89 LTF . 1.3.1 et 1.3.2 [ Résumé : Bien que la construction de l'Hôpital ait commencé, l'intérêt de Steiner à recourir contre l'arrêt cantonal demeure actuel; en effet, à la suite de l'arrêt du Tribunal cantonal, l'Hôpital a scindé le marché et n'a pas encore adjugé l'ensemble des travaux. Au demeurant, même si tous les lots avaient été attribués, l'entreprise ayant obtenu le marché du pouvoir adjudicateur conserverait un intérêt à faire contrôler la légalité de la décision judiciaire qui annule la décision d'adjudication rendue en sa faveur (cf. art. 9 al. 3 de la loi fédérale du 6 octobre 1995 sur le marché intérieur [LMI; RS 943.02] par analogie; ATF 137 II 313 consid. 1.2.2 p. 317; arrêt 2C_811/2011 du 5 janvier 2012 consid. 1.3, in SJ 2012 I p. 285)]. 1.4 Le recours en matière de droit public est partant recevable, ce qui entraîne l'irrecevabilité du recours constitutionnel subsidiaire déposé parallèlement par la recourante (cf. art. 113 LTF a contrario). BGE 141 II 353 S. 362 II. Pouvoir d'examen 2. Le Tribunal fédéral ne peut aller au-delà des conclusions des parties ( art. 107 al. 1 LTF ). En cas d'admission du recours, il peut statuer lui-même sur le fond ou renvoyer l'affaire à l'instance précédente ou à l'autorité qui a rendu la décision initiale (cf. art. 107 al. 2 LTF ). En ce cas prévaut le principe de l'interdiction de la reformatio in pejus (cf., entre autres, arrêts 2C_585/2014 du 13 février 2015 consid. 5.2.3, in RF 70/2015 p. 518; 2C_589/2013 du 17 janvier 2014 consid. 8.2.6, in RDAF 2014 II p. 78; 2C_590/2014 du 4 décembre 2014 consid. 2.4, non publié in ATF 141 I 9 ). En l'espèce, la recourante devant le Tribunal fédéral est l'entreprise qui avait obtenu de la part de l'autorité adjudicatrice le marché que l'arrêt attaqué a entièrement annulé. Les soumissionnaires évincés qui avaient recouru sur le plan cantonal, mais à qui l'arrêt attaqué ne donne que partiellement gain de cause, puisque le marché n'a été adjugé ni à l'un ni à l'autre, n'ont pas recouru ou du moins pas valablement devant le Tribunal fédéral (HRS n'a pas formé de recours, alors que le recours de Inso et consorts n'est pas recevable, cf. arrêt 2C_886/2014 de ce jour). Dans un tel contexte, l'interdiction de la reformatio in pejus doit s'examiner exclusivement en lien avec le recours de Steiner. Ce principe exclut que le Tribunal fédéral, en cas d'annulation de l'arrêt attaqué, attribue le marché public litigieux à Inso et consorts ou à HRS. En effet, l'arrêt entrepris laisse encore une chance à la recourante d'obtenir le marché dans le cadre de la nouvelle procédure (cf. ATF 141 II 307 consid. 6.6 p. 315), qui serait supprimée si, par hypothèse, le Tribunal fédéral adjugeait directement le marché à un autre soumissionnaire. Logiquement du reste, la recourante prend des conclusions excluant clairement cette éventualité, puisqu'elle demande que le marché lui soit adjugé et, subsidiairement, que la cause soit renvoyée au pouvoir adjudicateur ou au Tribunal cantonal, pour qu'après complément d'instruction, il lui adjuge le marché. 3. En matière de marchés publics, le droit matériel laisse en principe une grande liberté d'appréciation au pouvoir adjudicateur, en particulier dans la phase de l'appréciation et de la comparaison des offres (cf. arrêt 2C_418/2014 du 20 août 2014 consid. 4.1, in SJ 2015 I p. 52). Si elle substitue son pouvoir d'appréciation à celui de l'adjudicateur, l'autorité judiciaire juge en opportunité, ce qui est interdit, tant par l'art. 16 al. 2 AIMP (cf. ATF 141 II 14 consid. 2.3 in fine p. 25; BGE 141 II 353 S. 363 ATF 140 I 285 consid. 4.1 p. 293; arrêt 2D_52/2011 du 10 février 2012 consid. 3.2) que par l'art. 98 de la loi vaudoise du 28 octobre 2008 sur la procédure administrative (LPA/VD; RSV 173.36; BOVAY/BLANCHARD/GRISEL RAPIN, in Procédure administrative vaudoise annotée, 2012, n° 2.2.1 ad art. 98 LPA /VD p. 445), applicable par renvoi de l'art. 10 al. 3 de la loi vaudoise du 24 juin 1996 sur les marchés publics (LMP/VD; RSV 726.01). L'autorité judiciaire ne peut intervenir qu'en cas d'abus ou d'excès du pouvoir de décision de l'adjudicateur (arrêts 2D_52/2011 du 10 février 2012 consid. 3.2; 2P.146/2001 du 6 mai 2002 consid. 4.2), ce qui, en pratique, peut s'assimiler à un contrôle restreint à l'arbitraire (ETIENNE POLTIER, Droit des marchés publics, 2014, n. 420 p. 269). En revanche, l'autorité judiciaire n'a pas à faire preuve de la même retenue lors du contrôle des règles de procédure en matière de marchés publics (arrêt 2C_197/2010 du 30 avril 2010 consid. 6.4). III. Droit applicable 4. Le marché en cause est un marché de construction qui porte sur des travaux estimés à plus de 200 millions de francs. Il est donc soumis à l'Accord GATT/OMC du 15 avril 1994 sur les marchés publics (AMP; RS 0.632.231.422; cf. en particulier son Appendice I, Annexes 2 et 5 concernant la Suisse, documents consultables sur le site internet: www.wto.org/french/tratop_f/gproc_f/appendices_f.htm ), aux dispositions topiques figurant dans la LMI et à l'Accord intercantonal du 25 novembre 1994 sur les marchés publics (AIMP; RSV 726.91). En ce qui concerne le droit cantonal, il ressort de la Convention intercantonale du 17 décembre 2008 sur l'Hôpital Riviera-Chablais Vaud-Valais (C-HIRC; RSV 810.94) que la législation vaudoise s'applique (art. 22 C-HIRC), à savoir la LMP/VD précitée de même que le règlement d'application de cette loi cantonale du 7 juillet 2004 (RLMP/VD; RSV 726.01.1). IV. Arrêt attaqué 5. Les juges cantonaux retiennent en substance que la procédure a été entachée de lourds manquements, de diverses natures, qui étaient liés à la complexité de l'appel d'offres et à la structure mise en place. Cette complexité a abouti à de nombreuses lacunes au sein des offres déposées dont le pouvoir adjudicateur n'a pas tiré les conséquences qui s'imposaient. Celui-ci a minimisé les manquements entachant les offres, renoncé à certaines exigences, menant une procédure qui s'est révélée contraire aux principes du droit des marchés publics BGE 141 II 353 S. 364 A l'appui de cette conclusion, l'arrêt attaqué énumère une liste de critiques envers le pouvoir adjudicateur, qui sont regroupées en cinq catégories, à savoir: 1. corrections apportées aux offres avant l'adjudication; 2. corrections apportées aux offres en cours de procédure de recours; 3. caractère lacunaire des offres; 4. prix particulièrement bas d'une offre; 5. garanties bancaires. Les précédents juges, tout en laissant la question ouverte de savoir si les manquements énumérés pouvaient conduire à l'exclusion des candidats et entraîner l'annulation de la décision attaquée, compte tenu du principe de la proportionnalité, ont toutefois considéré que, comme il ne s'agissait pas de manquements véniels, leur cumul imposait dans tous les cas une annulation de la décision attaquée. L'autorité judiciaire inférieure a au demeurant souligné que le problème des garanties bancaires était à lui seul de nature à entraîner une telle conséquence. L'arrêt attaqué considère que cette conclusion rendait vide de sens l'examen des griefs formulés par les entreprises soumissionnaires évincées par rapport à l'appréciation des critères d'adjudication 2 à 5 opérée par l'Hôpital. "A toutes fins utiles", le Tribunal cantonal a cependant traité les critiques relatives à l'appréciation du critère d'adjudication 2.2 concernant les sous-traitants et pour lequel le Consortium avait obtenu la note de 1, au motif qu'il n'avait donné aucune information. Selon les juges cantonaux, c'est à juste titre que le pouvoir adjudicateur avait émis des doutes concernant la capacité d'Inso et consorts à assumer elles-mêmes l'ensemble des CFC techniques sans faire appel à des sous-traitants. Toutefois, à la place de lui attribuer la note de 1 à ce sous-critère, l'Hôpital aurait dû lui demander des explications et, en l'absence de réponse satisfaisante, exclure le Consortium de l'offre. V. Conditions de l'annulation de toute la procédure par le juge 6. Avant d'examiner la question juridique de principe concernant la "neutralisation" du critère afférent à la remise des garanties bancaires, il convient de se demander si et à quelles conditions une autorité judiciaire saisie d'un recours contre une décision d'adjudication peut décider d'annuler non seulement la décision attaquée, mais toute la procédure ab ovo ainsi que renvoyer le dossier à l'autorité adjudicatrice pour qu'elle recommence toute la procédure et procède à un nouvel appel d'offres, comme le fait l'arrêt attaqué. BGE 141 II 353 S. 365 6.1 Selon l'art. 13 al. 1 let. i AIMP, les dispositions d'exécution cantonales doivent garantir la possibilité d'interrompre et de répéter la procédure de passation en cas de justes motifs uniquement. Cette exigence correspond à la ligne prévue à l'art. XIII par. 4 let. b de l'AMP selon lequel, après l'ouverture des offres, le pouvoir adjudicateur doit, en principe, adjuger le marché à l'offre économiquement la plus avantageuse, et ne peut y renoncer que pour des "motifs d'intérêt public" (cf. arrêt 2P.34/2007 du 8 mai 2007 consid. 6.1). En droit vaudois, l' art. 8 al. 2 let h LMP/VD reprend textuellement l'art. 13 al. 1 let. i AIMP (interruption en cas de justes motifs uniquement) et renvoie, pour les détails, aux dispositions d'exécution. L'art. 41 al. 1 RLMP/VD prévoit à ce sujet que: "L'adjudicateur peut interrompre, répéter ou renouveler la procédure pour des raisons importantes, notamment lorsque: a. aucune offre satisfaisant les exigences techniques et les critères définis dans les documents d'appel d'offres ou dans l'appel d'offres n'a été déposée; b. en raison de modifications des conditions-cadres ou marginales, des offres plus avantageuses sont attendues; c. les offres déposées ne permettent pas de garantir une concurrence efficace; d. toutes les offres dépassent le montant du crédit prévu ou octroyé à cet effet; e. le projet est modifié ou retardé de manière importante." Il découle de cette énumération exemplative que l'interruption, la répétition ou le renouvellement de la procédure n'est possible qu'à titre exceptionnel et suppose un motif important; cette règle existe aussi pour les marchés publics soumis au droit fédéral ( ATF 134 II 192 consid. 2.3 p. 198 s.). L'interruption du marché (ce qui suppose l'annulation de tous les actes déjà accomplis) apparaît donc comme une ultima ratio (GALLI/MOSER/LANG/STEINER, Praxis des öffentlichen Beschaffungsrechts, 3 e éd. 2013, n. 799 p. 353). Cette approche restrictive s'explique par le fait que, lorsqu'il met en place une procédure de marché public, le pouvoir adjudicateur doit assurer à chaque soumissionnaire une chance réelle et juste d'être choisi en fonction des exigences posées. Or, cette chance est retirée lorsque le pouvoir adjudicateur interrompt la procédure sans avoir attribué le marché. Certes, les soumissionnaires pourront à nouveau déposer une offre si la procédure est répétée, mais cela engendre des coûts supplémentaires et, selon les circonstances, une diminution des chances d'obtenir le marché dans cette seconde procédure au cas où le nombre de BGE 141 II 353 S. 366 soumissionnaires serait plus important ou si de nouvelles exigences les désavantageaient. S'ajoute à cela que la mise en oeuvre d'une seconde procédure peut produire des effets contraires aux règles sur les marchés publics et à l'objectif de libre concurrence poursuivi, notamment parce que les précédents soumissionnaires auront pu (à tout le moins partiellement) prendre connaissance des premières offres formulées par leurs concurrents (cf. ATF 129 I 313 consid. 10 p. 328 s.). Il faut donc éviter que l'interruption de la procédure soit utilisée de manière abusive (MARTIN BEYELER, Überlegungen zum Abbruch von Vergabeverfahren, PJA 2005/7 p. 784 ss, 789). Le caractère exceptionnel de l'interruption du marché, qu'elle soit suivie ou non de la répétition de la procédure découle aussi du fait que cette mesure implique, selon le moment où elle intervient, de revenir sur des décisions déjà entrées en force (STEFAN SUTER, Der Abbruch des Vergabeverfahrens, 2010, ch. 20 p. 11), en particulier la décision de l'appel d'offres (cf. la liste des décisions figurant à l' art. 10 al. 1 LMP /VD), ce qui nuit à la sécurité juridique. Finalement, il existe un intérêt public à ce que la procédure de marché public puisse se dérouler avec toute la célérité requise, ce que confirment notamment l'instauration de délais de recours relativement brefs et l'absence d'effet suspensif automatique à différents recours, tandis que la réorganisation d'une procédure d'appel d'offres et d'adjudication ab ovo a pour conséquence de fortement retarder l'avancement d'un marché public et d'entraîner des coûts supplémentaires. Or, ces intérêts publics militent eux aussi en faveur d'un maniement très restrictif de la possibilité de réinitier ab ovo les procédures d'appel d'offres et d'adjudication. 6.2 Sur le plan technique, lorsque l'adjudication a déjà été prononcée, l'interruption de la procédure suppose au préalable une révocation de la décision d'adjudication (POLTIER, op. cit., n. 358 p. 226; cf. ATF 134 II 192 consid. 2.3 p. 199). La nuance est avant tout juridique, car on admet que les motifs d'interruption du marché peuvent aussi constituer des motifs de révocation de la décision d'adjudication (cf. POLTIER, op. cit., n. 363 p. 230; BEYELER, op. cit., p. 786) qui, selon leur nature, peuvent avoir pour conséquence une interruption de la procédure et un renouvellement de celle-ci (cf. POLTIER, op. cit., n. 358 in fine p. 226). Il en découle a fortiori que l'autorité judiciaire saisie d'un recours contre la décision d'adjudication, qui n'est donc par définition pas BGE 141 II 353 S. 367 encore entrée en force, peut en présence de justes motifs ne pas se limiter à annuler la décision d'adjudication, mais aussi interrompre toute la procédure. Il faut toutefois que cette conséquence extrême soit justifiée par des motifs objectifs (cf. ATF 134 II 192 consid. 2.3 p. 199 concernant la révocation de l'adjudication et l'interruption de la procédure en matière de marchés publics fédéraux, aussi applicable en matière cantonale, cf. ATF 130 I 156 consid. 2.7.1 p. 164). 6.3 La formulation potestative des textes de loi implique que, même s'il existe un juste motif ou un motif important, il appartient en premier lieu au pouvoir adjudicateur de décider s'il convient d'interrompre ou non la procédure, soit définitivement soit en la répétant ou en la renouvelant. En ce domaine, celui-ci dispose d'un large pouvoir d'appréciation (BEYELER, op. cit., p. 787; SUTER, op. cit., n. 28 p. 14; cf. ATF 134 II 192 consid. 2.3 p. 199). La solution à adopter dépend des besoins de l'autorité adjudicatrice, qui jouit d'une liberté de manoeuvre étendue pour les définir (POLTIER, op. cit., n. 358 p. 225). Ainsi, l'existence d'un motif important ou juste motif n'oblige en principe pas le pouvoir adjudicateur d'annuler toute la procédure. Par exemple, lorsque les offres dépassent le montant prévu (cf. art. 41 al. 1 let . d RLPM/VD), le pouvoir adjudicateur doit conserver la possibilité de rechercher une solution, par exemple une rallonge de crédit, plutôt que d'annuler un projet qu'il juge indispensable aux besoins de la collectivité. Il n'est toutefois pas exclu que la nature du juste motif en cause impose au pouvoir adjudicateur d'annuler la procédure déjà accomplie (par exemple, si la procédure choisie l'a été en violation des règles sur les marchés publics ou si, depuis le début, la procédure est entachée de vices qui rendent impossible l'attribution du marché sur des bases correspondant aux exigences légales; cf. BEYELER, op. cit., p. 788, qui parle à ce propos de "Wurzelmängel"). En outre, même si l'interruption du marché est la seule option envisageable dans un cas déterminé, le pouvoir adjudicateur devra conserver en principe le choix de renoncer définitivement à son projet plutôt que de recommencer une nouvelle procédure (cf. SUTER, op. cit., n. 218 p. 97 s.; POLTIER, op. cit., n. 360 p. 227). 6.4 La liberté d'appréciation de l'adjudicateur dans le choix des conséquences à tirer de l'existence d'un juste motif ou motif important est toutefois limitée par le respect de la bonne foi et des principes généraux applicables au droit des marchés publics, notamment l'interdiction de discrimination entre les soumissionnaires, la proportionnalité, la transparence et l'interdiction de la modification du marché BGE 141 II 353 S. 368 sur des éléments essentiels (cf., sur ce dernier point, POLTIER, op. cit., n. 349 p. 218 s.). Une partie de la doctrine considère même que, sous réserve d'un changement essentiel du marché, le pouvoir adjudicateur n'est pas en droit d'interrompre la procédure si le juste motif invoqué est lié à un manquement dont il est lui-même responsable (cf. GALLI/MOSER/LANG/STEINER, op. cit., n. 821 p. 364). D'autres auteurs et la jurisprudence retiennent plutôt que le comportement du pouvoir adjudicateur n'influence pas son droit d'interrompre la procédure, mais ouvre la voie à une éventuelle action en responsabilité à son encontre (cf. ATF 134 II 192 consid. 2.3 p. 198 s.; BEYELER, op. cit., p. 791 s.). Il n'y a pas lieu d'entrer plus avant sur cette controverse, dès lors que ce n'est pas le pouvoir adjudicateur qui a choisi d'interrompre la procédure en l'espèce, mais l'autorité judiciaire de recours. 6.5 En résumé, s'il n'est certes pas exclu d'emblée qu'une autorité judiciaire saisie d'un recours contre une décision d'adjudication puisse non seulement annuler celle-ci, mais aussi prononcer l'interruption du marché en annulant toute la procédure et en renvoyant le dossier à l'adjudicateur pour qu'il la recommence, ce procédé doit rester exceptionnel. En effet, il revient à supprimer tout pouvoir d'appréciation de l'autorité adjudicatrice. Il est donc subordonné à l'existence de motifs d'intérêt public qualifiés et implique que le pouvoir adjudicateur n'aurait pas eu d'autre choix. 6.6 Appliqués au cas d'espèce, ces principes supposent de se demander, tout d'abord, si les manquements dans la procédure retenus dans l'arrêt attaqué constituent des justes motifs ou des raisons importantes (cf. art. 8 al. 2 let h LMP/VD et art. 41 al. 1 RLMP/VD). Puis, le cas échéant, il faudra examiner si, pour des motifs d'intérêt public qualifiés, la seule conséquence possible était en l'occurrence l'annulation non seulement de la décision d'adjudication mais de toute la procédure ainsi que le renvoi du dossier au pouvoir adjudicateur pour qu'il publie un nouvel appel d'offres et répète l'intégralité de la procédure. VI. Garanties bancaires 7. Les manquements liés aux garanties bancaires doivent être examinés en premier lieu, dès lors que, selon l'arrêt attaqué, ceux-ci justifiaient à eux seuls l'annulation du marché. Cet examen se recoupe avec la question juridique de principe posée par la recourante, qui consiste à se demander si le pouvoir adjudicateur est en droit de BGE 141 II 353 S. 369 "neutraliser" un critère d'attribution qu'il a lui-même posé, en y renonçant si aucun des soumissionnaires ne s'y est conformé. 7.1 En matière de marchés publics, on distingue les critères d'aptitude ou de qualification ("Eignungskriterien"), qui servent à s'assurer que le soumissionnaire dispose des capacités suffisantes afin de réaliser le marché (cf. art. 13 al. 1 let . d AIMP), des critères d'adjudication ou d'attribution qui se rapportent en principe directement à la prestation requise et indiquent au soumissionnaire comment l'offre économiquement la plus avantageuse sera évaluée et choisie (cf. ATF 140 I 285 consid. 5 p. 293 s. et les références). Les entreprises soumissionnaires qui ne remplissent pas un des critères d'aptitude posés voient leur offre exclue, sans compensation possible ( ATF 139 II 489 consid. 2.2.4 p. 494), alors que la non-réalisation d'un critère d'adjudication n'est pas éliminatoire, mais peut être compensée par une pondération avec d'autres critères d'adjudication (cf. ATF 140 I 285 consid. 5 p. 294 et les références). 7.2 En l'espèce, le ch. 3.2 du document A3, qui fixe la liste des attestations et justificatifs à remettre, contient la clause selon laquelle le dossier d'appel d'offres doit "impérativement" être accompagné des documents énumérés, parmi lesquels figurent les attestations bancaires litigieuses. Ces documents sont destinés à attester de la capacité financière des soumissionnaires leur permettant de mener à terme des travaux de construction d'une grande ampleur. La remise de ces moyens de preuves a été conçue comme un critère d'aptitude, ce qui n'est du reste pas contesté. Il ressort de l'arrêt attaqué qu'aucun des soumissionnaires n'a annexé à l'offre l'ensemble des attestations exigées. A cet égard, le fait que Steiner n'avait remis aucune des attestations demandées avec son offre, mais avait seulement signé pour accord le document A3, alors que les autres soumissionnaires avaient certes fourni des documents, mais insuffisants, comme l'a constaté l'arrêt attaqué d'une manière qui lie le Tribunal fédéral ( art. 105 al. 1 LTF ), n'y change rien. Un critère d'aptitude ne se pondère ni ne se compense; soit il est réalisé, soit il ne l'est pas (GALLI/MOSER/LANG/STEINER, op. cit., n. 603 p. 263). Partant, contrairement à ce que soutiennent Inso et consorts dans leur réponse, il n'y avait pas lieu d'éliminer uniquement la recourante et pas les autres soumissionnaires, mais il fallait les traiter de la même manière. BGE 141 II 353 S. 370 7.3 Le fait qu'aucune des offres ne remplit un critère d'aptitude constitue une raison importante ou un juste motif qui permet à l'adjudicateur d'interrompre, puis de répéter ou renouveler la procédure, comme le prévoit l'art. 41 al. 1 let. a RLMP/VD en lien avec l' art. 8 al. 2 let . h LMP/VD (cf. consid. 6.1 supra). Cette ultima ratio suppose toutefois un intérêt public suffisant et doit en principe être laissée au pouvoir d'appréciation de l'adjudicateur (cf. consid. 6.4 supra). A cet égard, la solution moins extrême consistant à "neutraliser" le critère d'aptitude et à ne pas éliminer d'emblée tous les soumissionnaires et éviter ainsi l'interruption du marché ne saurait être exclue sans autre examen. En effet, l'impossibilité de respecter un critère d'attribution décrit par le pouvoir adjudicateur lui-même dans son appel d'offres peut être le signe d'une inadéquation de l'exigence avec la réalité du marché, de sorte que celui-ci doit en principe avoir le choix des conséquences à en tirer. Le pouvoir adjudicateur peut opter pour une interruption de la procédure s'il s'agit pour lui d'une condition sine qua non, mais il doit aussi garder la possibilité de continuer celle-ci en renonçant à un critère apparemment inadapté, difficilement réalisable en pratique ou peu clair, puisqu'aucune des offres ne le respecte. Le pouvoir adjudicateur doit seulement veiller à ce que la solution choisie ne soit pas contraire à la bonne foi, ne modifie pas l'offre sur un point important et respecte les principes à la base des marchés publics (cf. art. 1 al. 3 AIMP et art. 3 LMP /VD). Si le pouvoir adjudicateur envisage de renoncer à exiger le respect d'un critère d'aptitude, il lui faudra prendre en considération, notamment, la possibilité que d'autres entreprises puissent avoir au préalable renoncé à soumissionner du fait qu'elles savaient d'emblée ne pas pouvoir remplir ledit critère compte tenu de l'intérêt public. Il s'agira ainsi de soupeser l'intérêt de ces sociétés à une éventuelle répétition de la procédure de marché public, notamment, avec l'intérêt public à ce que celle-ci puisse aller de l'avant avec toute la diligence requise. 7.4 En l'espèce, le critère lié aux garanties bancaires ne concernait pas la capacité financière des soumissionnaires elle-même, mais les moyens de preuve à fournir en vue d'établir cette capacité. 7.4.1 Si l'intérêt public du soumissionnaire à conclure un marché portant sur un contrat d'entreprise générale d'une grande ampleur avec une entreprise présentant des aptitudes financières suffisantes est évident et est du reste imposé par la loi (cf. art. 8 al. 2 LMP /VD, complété par l'art. 24 RLMP/VD), la remise de documents propres à BGE 141 II 353 S. 371 prouver la capacité financière des soumissionnaires ne revêt pas la même portée, dans la mesure où une entreprise peut remplir les exigences financières indispensables, sans présenter tous les documents le démontrant dans les délais fixés. C'est pourquoi, du reste, la législation laisse à l'adjudicateur le soin de définir les critères d'aptitude et les moyens de preuve à apporter pour évaluer la capacité financière des soumissionnaires (cf. art. 24 al. 1 LMP /VD). L'intérêt public à interrompre un marché au motif qu'aucune des entreprises n'a fourni les documents exigés dans l'appel d'offres à titre de moyens de preuve n'est donc en principe pas déterminant si la preuve que les documents requis étaient censés administrer a pu l'être d'une autre façon ou par un autre moyen. 7.4.2 Au demeurant, ce critère d'aptitude était entaché d'un défaut décisif. En effet, l'arrêt attaqué constate, d'une manière qui lie la Cour de céans ( art. 105 al. 1 LTF ), que le dossier d'appel d'offres n'indiquait pas clairement ni le nombre ni la nature exacts des garanties bancaires qui devaient être produites. Certains soumissionnaires ont du reste posé des questions au pouvoir adjudicateur à ce sujet, mais les juges ont constaté que les réponses données n'avaient pas permis de lever les doutes qui pouvaient légitimement être émis sur la base du dossier d'appel d'offres. Or, en présence d'un critère d'aptitude défini de façon vague par l'adjudicateur lui-même, on voit mal qu'il existe un intérêt public suffisant pour permettre à l'autorité judiciaire d'imposer une interruption de toute la procédure pour ce motif, alors que, si le pouvoir adjudicateur l'avait fait, on risquait précisément de le lui reprocher (cf. consid. 6.4 in fine supra). Du reste, la position des juges cantonaux à cet égard n'est pas dépourvue d'ambiguïté. Tenant compte de l'imprécision entachant l'appel d'offres, ils ont estimé que le pouvoir adjudicateur aurait dû clarifier ses exigences et accorder un délai supplémentaire à tous les soumissionnaires pour fournir les attestations nécessaires. Ne l'ayant pas fait, il avait commis un grave manquement qui justifiait d'annuler toute la procédure et de recommencer celle-ci ab ovo. Ce raisonnement revient à imposer à l'autorité adjudicatrice une interruption de la procédure au seul motif que celle-ci n'a pas mis en place la procédure décrite dans l'arrêt attaqué. Ce faisant, les juges cantonaux n'ont pas examiné la solution choisie par le pouvoir adjudicateur consistant à renoncer à sanctionner et à éliminer tous les soumissionnaires en raison du non-respect du critère d'attribution concernant les garanties bancaires, puis à exiger dans une liste de questions ultérieures, les BGE 141 II 353 S. 372 documents prouvant l'assise financière des soumissionnaires. Même si la solution préconisée par les juges cantonaux peut sembler préférable à celle choisie par l'Hôpital, car elle permet de contrôler d'emblée et de manière a priori fiable la solidité financière de tous les soumissionnaires, la voie choisie par le pouvoir adjudicateur ne portait pas atteinte au principe de l'égalité entre les soumissionnaires, puisque tous étaient traités de la même manière; elle n'entraînait pas non plus une modification des exigences posées dans l'offre au travers d'une renonciation au critère de la capacité financière, étant donné que la recourante a dû fournir les garanties financières en décembre 2013, soit avant que le marché ne lui soit adjugé. Tout au plus pourrait-on retenir que le principe de transparence aurait exigé que l'Hôpital informât expressément les soumissionnaires de sa renonciation à les sanctionner dans leur ensemble pour le non-respect de ce critère. Toutefois, ce manquement n'a contredit ni l'intérêt public sous-tendant le critère d'aptitude en cause, ni n'a pénalisé les entreprises soumissionnaires ou encore favorisé indûment l'adjudicataire. En effet, celui-ci a dû fournir les moyens de preuves propres à établir sa solidité financière. Partant, le mode de procédé choisi par l'adjudicateur, même s'il n'était pas idéal, ne pouvait en tous les cas constituer un juste motif permettant, voire justifiant à lui seul d'annuler toute la procédure. VII. Autres manquements retenus dans l'arrêt attaqué 8. S'agissant des autres manquements, le Tribunal cantonal, tout en les qualifiant de "lourds" ou "non véniels", a laissé indécis le point de savoir s'ils pouvaient justifier individuellement l'annulation de la procédure, considérant que c'était leur cumul qui imposait, dans tous les cas, cette conséquence. Il convient donc de les passer en revue et de vérifier si, envisagés globalement, ils suffisent à fonder l'arrêt entrepris. 8.1 Les manquements en question ont été énumérés au consid. 9a de l'arrêt attaqué. Les premiers reproches concernent l'épuration des offres et le contrôle arithmétique auquel s'est livré l'adjudicateur, en particulier s'agissant de la recourante. Il est fait grief à l'Hôpital d'avoir corrigé les opérations erronées, sans demander d'explications au préalable. Il lui est aussi reproché de n'avoir pas tenu compte de plusieurs postes que la recourante avait portés entre parenthèses dans le CFC 272.2, alors que Steiner n'avait pas fourni d'explication suffisante. Le pouvoir adjudicateur aurait en outre complété l'offre BGE 141 II 353 S. 373 lacunaire de la recourante concernant le poste TP 301 du CFC 231.21 relatif aux tableaux électriques en retenant un prix de 80'000 fr., contrairement au principe de l'intangibilité des offres. En outre, l'Hôpital a lui-même commis des erreurs en corrigeant les offres. Ainsi, il a supprimé à juste titre un poste calculé à double par HRS, mais n'a pas adapté le rabais en conséquence. Lors du contrôle arithmétique subséquent, le pouvoir adjudicateur a aussi ajouté des erreurs portant sur des montants importants aux offres de l'adjudicataire et d'Inso et consorts, nuisant ainsi gravement à la traçabilité des corrections. Certaines corrections arithmétiques demeurent par ailleurs incompréhensibles. Enfin, il est reproché au pouvoir adjudicateur de ne pas avoir tiré de conséquence du fait que les offres de HRS et de l'adjudicataire (recte: Inso et consorts) étaient également incomplètes. Ainsi, lorsque HRS a demandé de pouvoir compléter son offre sur plusieurs postes portant sur un montant total de 354'050 fr., l'Hôpital s'est contenté de refuser. Il n'a en outre demandé aucune explication à Inso et consorts concernant certains prix paraissant anormalement bas contenus dans son offre, alors que l'écart par rapport à la moyenne des soumissionnaires atteignait plus de 50 % de l'offre. 8.2 L'arrêt attaqué n'explique pas de manière précise dans quelle mesure les manquements évoqués ci-dessus constitueraient des atteintes graves aux règles en matière de marchés publics, mais évoque la violation de certains principes, tels ceux de l'intangibilité des offres ou de la traçabilité. Il convient tout d'abord de les cerner, avant de pouvoir évaluer s'il y a bien eu manquement et quelle en est la gravité. 8.2.1 Au préalable, il est utile de mentionner que la jurisprudence a récemment rappelé que, lors du contrôle des exigences formelles, les autorités ne doivent pas perdre de vue que, s'il est conforme au but et à la nature de la procédure de marchés publics que la violation de certaines exigences de forme par un soumissionnaire puisse entraîner son exclusion du marché, une telle conséquence ne se justifie pas en présence de n'importe quel vice. Il faut en particulier y renoncer lorsque celui-ci s'avère être de peu de gravité ou ne compromet pas sérieusement l'objectif recherché par la prescription formelle violée (arrêts 2C_418/2014 du 20 août 2014 consid. 4.1, in SJ 2015 I p. 52; 2C_197/2010 du 30 avril 2010 consid. 6.1; 2D_50/2009 du 25 février 2010 consid. 2.4 et les arrêts cités; 2P.219/2003 du 17 juin 2005 consid. 3.3). BGE 141 II 353 S. 374 8.2.2 En matière de marché public prévaut le principe de l'intangibilité de l'offre à l'échéance du délai (GALLI/MOSER/LANG/STEINER, op. cit., n. 710 p. 312: "Prinzip der grundsätzlichen Unveränderbarkeit der Angebote"), qui est du reste rappelé à l'art. 29 al. 3 RLMP/VD. Cela signifie qu'une offre ne doit en principe s'apprécier que sur la seule base du dossier remis (arrêt 2C_418/2014 du 20 août 2014 consid. 4.1, in SJ 2015 I p. 52). En revanche, les erreurs évidentes de calcul et d'écritures peuvent être corrigées (art. 33 al. 2 RLMP/VD). Le droit vaudois impose qu'à la suite de ces corrections, un tableau comparatif objectif des offres soit établi (art. 33 al. 3 RLMP/VD). En outre, toujours selon la législation cantonale, l'adjudicateur peut demander aux soumissionnaires des explications relatives à leur offre de même qu'à leur aptitude et à celle de leurs sous-traitants (art. 35 al. 1 RLMP/VD). Cette possibilité exprime la tendance actuelle dans la plupart des cantons (sauf dans le canton de Genève, semble-t-il) qui permet de tempérer une application trop formaliste du principe de l'intangibilité des offres selon laquelle il y aurait lieu d'exclure un soumissionnaire dès qu'une offre est incomplète, quelle que soit l'importance du manquement (cf. arrêts 2C_418/2014 précité consid. 4.1, in SJ 2015 I p. 52; 2C_197/2010 du 30 avril 2010 consid. 6.3 et les auteurs cités). La distinction entre ce qui relève de la correction des erreurs et de la clarification des offres (admissible) et ce qui ressortit à la modification des offres contraire au principe de l'intangibilité peut se révéler délicate (cf. POLTIER, op. cit., n. 223 p. 222; exemples cités par GALLI/MOSER/LANG/STEINER, op. cit., n. 713 ss p. 213 ss). 8.2.3 Le principe de la "traçabilité" des offres et des corrections est invoqué à plusieurs reprises dans l'arrêt attaqué, mais sans être défini. Il peut être rattaché au principe de transparence mentionné à l' art. 1 al. 3 let . c AIMP et 3 al. 1 let. c LMP/VD et à l'intangibilité de l'offre décrite ci-dessus. Celui-ci exige notamment que le pouvoir adjudicateur décrive précisément ce qu'il attend des soumissionnaires, au besoin en les informant; ensuite, il doit se conformer aux conditions qu'il a préalablement annoncées et ne peut s'écarter des règles du jeu qu'il s'est lui-même fixées (cf. POLTIER, op. cit., n. 259 p. 161). La traçabilité implique dans ce contexte que le soumissionnaire doit pouvoir comprendre les corrections apportées à son offre et ainsi être en mesure de les vérifier. Comme le rappelle pertinemment la recourante, la transparence des procédures de passation des marchés n'est toutefois pas un objectif, mais un moyen contribuant BGE 141 II 353 S. 375 à atteindre le but central du droit des marchés publics qui est le fonctionnement d'une concurrence efficace, garanti par l'ouverture des marchés et en vue d'une utilisation rationnelle des deniers publics ( ATF 125 II 86 consid. 7c p. 100 et la référence à PIERRE TERCIER, La libéralisation du marché de la construction, in Journées du droit de la construction, 1997, vol. I, p. 2 ss, 16 et 24 s.; cf. aussi arrêt 2C_1131/2013 du 31 mars 2015 consid. 8.2, non publié in ATF 141 II 113 ). 8.2.4 En vertu de ces principes, on ne peut reprocher à l'autorité adjudicatrice d'avoir manqué à ses devoirs en corrigeant les erreurs de calculs et d'écritures lorsqu'elle a procédé à l'examen des offres. Elle n'avait pas à demander au préalable des explications aux soumissionnaires, dès lors que, comme le prévoit le droit cantonal, elle a ensuite établi un tableau comparatif incluant ses corrections qu'elle a transmis aux soumissionnaires concernés, leur donnant l'occasion de prendre position. Or, selon l'arrêt attaqué, la recourante et le Consortium ont retourné le document signé, sans commentaire, bien que, s'agissant de Steiner, la suite de la procédure a révélé que les modifications effectuées étaient très nombreuses et à son désavantage. En outre, ces deux soumissionnaires ne se sont pas aperçus de ce que le tableau comparatif comportait encore des erreurs. Quant à HRS, elle a apporté des corrections en sa faveur dont le pouvoir adjudicateur a tenu compte dans le décompte final. On voit mal qu'à ce stade, on puisse retenir une violation du principe de transparence (en lien avec la traçabilité) ou de l'intangibilité des offres s'agissant de la correction d'erreurs de calcul dont les soumissionnaires ont été dûment informés, qu'ils ont pu vérifier par rapport à leur offre initiale et à propos de laquelle ils ont pu se déterminer. Le Tribunal cantonal reconnaît en outre que ces corrections portaient très souvent sur des montants minimes, n'avaient pas pour conséquence de modifier le classement des soumissionnaires et ne révélaient pas la moindre volonté de l'autorité adjudicatrice de favoriser Steiner. Dans ce contexte, il est difficile de saisir ce qu'il entend lorsqu'il affirme à plusieurs reprises que ces erreurs et leurs corrections ont nui très gravement à la "traçabilité" des offres. Certes, on peut déplorer que les erreurs aient été si nombreuses, que toutes n'aient pas été mises en évidence lors de l'épuration des offres par l'adjudicateur et que celui-ci en ait ajouté lui-même à ce stade. Cela étant, du moment où ni les erreurs ni les corrections apportées n'étaient de nature à modifier le résultat de l'adjudication, ce comportement BGE 141 II 353 S. 376 négligent n'a pas porté à conséquence. En outre, hormis quatre montants mis entre parenthèses dans l'offre de Steiner pour un total de 11'233 fr. et dont l'arrêt attaqué retient que l'on ne peut comprendre si l'adjudicateur en a ou non tenu compte, les juges cantonaux n'ont pas mis concrètement en évidence d'autres erreurs ou corrections qui seraient incompréhensibles. Du reste, il appartenait en premier lieu aux soumissionnaires de s'en plaindre lorsqu'elles ont reçu le tableau comparatif, ce qu'elles n'ont pas fait. En revanche, sur la base des faits constatés, il faut donner raison au Tribunal cantonal lorsqu'il retient que, sur deux points (postes indiqués entre parenthèses par la recourante au sein du CFC 272.2 et offres incomplètes concernant le tableau électrique, poste TP 301, du CFC 231.21), l'autorité adjudicatrice aurait dû, pour respecter le principe de l'intangibilité des offres, demander des explications complémentaires à Steiner et ne procéder aux corrections qu'après avoir obtenu des réponses suffisantes. Ces manquements n'ont cependant, eux non plus, pas porté à conséquence pour le présent litige, dès lors que, d'une part, ils ont abouti à désavantager l'adjudicataire, car le montant de 80'000 pour le poste TP 301 est plus élevé que le montant proposé par les autres soumissionnaires pour ce poste et la recourante l'a elle-même accepté. D'autre part, s'agissant des quatre postes indiqués entre parenthèses, l'explication de Steiner, qui s'est contentée d'affirmer qu'il ne fallait pas comptabiliser ceux-ci, car ils étaient déjà compris dans d'autres postes, est effectivement insuffisante; on ignore toutefois si, en définitive, le pouvoir adjudicateur en a tenu compte et le total de ces quatre postes s'élève à 11'233 fr. uniquement. Ces manquements ne sauraient ainsi être qualifiés de graves. Quant aux nouvelles erreurs commises lors des corrections opérées par le pouvoir adjudicateur, notamment l'absence d'adaptation du calcul du rabais lors de la suppression d'un montant porté à double dans l'offre de HRS, il s'agit toujours d'erreurs de calcul dont les corrections, également au stade de la procédure devant l'autorité judiciaire, sont possibles et doivent du reste être effectuées, ce qui a été visiblement le cas. Du reste, l'autorité adjudicatrice a produit, en mai 2014, des tableaux d'analyse des corrections par CFC et une nouvelle grille d'évaluation dont il ressortait que la note attribuée à la recourante passait de 4.20 à 4.25, le total de ses points augmentant de 429,84 à 432,30, puisque son offre se trouvait diminuée de 925'844 fr. 70. L'arrêt attaqué constate ainsi que ces nouveaux résultats ne modifiaient pas le classement des soumissionnaires, même si cette BGE 141 II 353 S. 377 nouvelle grille ne corrigeait que l'erreur relative à l'offre de l'adjudicataire et non celle relative à l'offre d'Inso et consorts, qui pour sa part devait être inférieure de 122'699 fr. 90. 8.3 Il a également été reproché au pouvoir adjudicateur non pas d'avoir corrigé, mais d'être demeuré passif alors que les offres de HRS et de Inso et consorts étaient incomplètes. 8.3.1 (...) C'est à la suite de questions posées par l'adjudicateur à HRS que ce soumissionnaire avait ajouté cinq plus-values à son offre pour un montant total de 345'050 fr., mais en vertu du principe de l'intangibilité des offres, c'était à juste titre que l'Hôpital n'en avait pas tenu compte. Ce raisonnement correct ne met en évidence aucun manquement, de sorte que l'on ne saisit pas ce que reproche l'arrêt attaqué à l'adjudicateur à cet égard. 8.3.2 En ce qui concerne Inso et consorts, il est fait grief à l'Hôpital de n'avoir demandé aucune explication concernant des prix anormalement bas compris dans un classeur, alors que ceux-ci étaient inférieurs à la moyenne des cinq offres de plus de 50 %. Dans un tel cas, il ne suffisait pas de demander au soumissionnaire s'il confirmait les prix proposés, ce qui avait été fait, mais il fallait également l'enjoindre de les justifier. Il n'était donc pas admissible de retenir, comme l'avait fait le pouvoir adjudicateur, qu'Inso et consorts ne pourraient jamais "tenir les prix offerts". Il aurait appartenu à l'Hôpital de clarifier de manière attentive l'offre du Consortium sur ce point et, tel qu'il résulte du considérant de synthèse 10b de l'arrêt attaqué, de prononcer, à défaut de réponse satisfaisante à de telles questions, une sanction d'exclusion au lieu de se limiter à mal noter le soumissionnaire. D'après l'art. 32 al. 1, 2 e tiret, let. b RLMP/VD, une offre peut être exclue notamment lorsqu'elle comporte des prix anormalement bas non justifiés selon l'art. 36 RLMP/VD. Cette dernière disposition prévoit que "si pour un marché donné, des offres paraissent anormalement basses par rapport à la prestation, l'adjudicateur, avant de pouvoir exclure ces offres, demande par écrit les précisions qu'il juge opportunes sur la composition de l'offre. Ces précisions peuvent concerner notamment le respect des dispositions concernant la protection et les conditions de travail (...)". Selon le droit cantonal, le pouvoir adjudicateur n'a pas l'obligation d'exclure une offre si celle-ci s'avère anormalement basse. Il est uniquement tenu de demander des précisions ("demande"), BGE 141 II 353 S. 378 conformément au droit d'être entendu, lorsqu'il envisage d'exclure une offre; dans un tel cas, il faut permettre au soumissionnaire visé de s'expliquer et de justifier le prix avantageux qu'il offre (cf. ATF 130 I 241 consid. 7.3 p. 255). En effet, une offre anormalement basse ne constitue pas en soi un procédé inadmissible (cf. GALLI/MOSER/LANG/STEINER, op. cit., n. 1115 p. 517 ss), pour autant que le soumissionnaire remplisse les critères d'aptitude et les conditions légales réglementant l'accès à la procédure (cf., pour ces notions, ATF 140 I 285 consid. 5.1 p. 293 s.), ce que l'autorité adjudicatrice doit vérifier en requérant des précisions en cas de doute à ce sujet (cf. ATF 141 II 1 4 consid. 10.3 p. 48; arrêt 2P.254/2004 du 15 mars 2005 consid. 2.2). En revanche, si un soumissionnaire a certes formulé une offre anormalement basse de nature à susciter des doutes quant à sa capacité à exécuter le marché (critères d'aptitude) ou à remplir les conditions légales fixées et qui aurait partant justifié une demande d'explications de la part de l'adjudicateur dans la perspective de son exclusion, mais qu'en définitive ce soumissionnaire n'a pas obtenu le marché, le manquement procédural de l'adjudicataire n'aura déployé aucune conséquence pratique sur le résultat du marché. S'il ne saurait être nié, ce vice de forme ne peut donc être sanctionné pour lui-même (cf. consid. 8.2.1 supra). En l'occurrence, à supposer que les différences de prix figurant dans un classeur aient justifié que l'Hôpital demande au Consortium des explications en vue d'une exclusion du marché, ce manquement n'a eu aucune incidence sur l'adjudication, puisque l'offre d'Inso et consorts figurait au quatrième rang sur les cinq entreprises soumissionnaires. (...) 8.4 Le dernier manquement retenu dans l'arrêt attaqué est en lien avec la qualification des sous-traitants (sous-critère 2.2 des critères d'adjudication figurant dans l'appel d'offres). Tous les soumissionnaires ont respecté ce critère excepté le Consortium, qui n'a mentionné aucun sous-traitant et a été sanctionné par la note de 1 pour ce sous-critère par le pouvoir adjudicateur. Celui-ci avait, à juste titre selon les juges cantonaux, émis des doutes quant à la capacité d'Inso et consorts à pouvoir assumer l'ensemble des CFC sans faire appel à des sous-traitants et à respecter la législation suisse sur les travailleurs détachés. Les juges précédents ont considéré que le pouvoir adjudicateur aurait dû demander des éclaircissements à Inso et consorts sur ce point, comme l'art. 34 al. 1 RLMP/VD en prévoit la possibilité et, en l'absence de réponse satisfaisante, prononcer l'exclusion de l'offre, puisqu'il en allait de l'aptitude de ce soumissionnaire. BGE 141 II 353 S. 379 Ce reproche est difficile à saisir. En effet, le critère 2.2 concerne un critère d'adjudication en lien avec les sous-traitants et non une condition d'aptitude, de sorte qu'en sanctionnant la réponse d'Inso et consorts sur ce critère par la note de 1, le pouvoir adjudicateur s'est en principe conformé aux règles posées dans l'appel d'offres. On ne voit partant pas qu'une telle notation traduise un excès ou un abus du pouvoir d'appréciation de l'autorité, puisqu'il est constaté que la réponse du Consortium n'était pas suffisante. A supposer même que le pouvoir adjudicateur eût voulu ériger la question des sous-traitants en un critère d'aptitude ou que l'art. 34 al. 1 RLMP/VD puisse être valablement interprété comme ayant introduit d'office - soit indépendamment des critères fixés dans l'appel d'offres - un tel critère d'aptitude en lien avec l'engagement de sous-traitants par le soumissionnaire, il conviendrait de rejeter l'argument retenu. Il est vrai que, dans l'hypothèse sus-évoquée, l'Hôpital aurait pu nourrir des doutes légitimes au sujet de la capacité du Consortium (et non des sous-traitants) à réaliser lui-même le marché sur tous les aspects techniques sans faire appel à des sous-traitants; on aurait ainsi pu s'attendre à ce qu'il demande des explications complémentaires à ce sujet, l'absence d'une réponse satisfaisante excluant le Consortium du marché, sans lui permettre de participer à la phase d'adjudication. Ce manquement devrait toutefois être relativisé. D'une part, la ligne de partage entre les critères d'aptitude et les critères d'adjudication n'est pas toujours facile à tirer et il n'est pas rare que le pouvoir adjudicateur fasse d'un critère d'aptitude un simple critère d'adjudication, qui, s'il n'est pas rempli, n'est pas éliminatoire (ETIENNE POLTIER, Les marchés publics, premières expériences vaudoises, RDAF 2000 I p. 297 ch. 4.3b p. 306 s.). En outre, à l'instar de ce qui s'est produit avec les prix anormalement bas, le non-respect de la procédure qui aurait permis d'exclure Inso et consorts en raison de leur incapacité n'a eu aucun effet sur l'attribution du marché public. 8.5 En résumé, si l'on apprécie la situation dans son ensemble, il apparaît que le pouvoir adjudicateur a vérifié et corrigé les offres de manière légère, laissant passer trop d'erreurs; il a également omis à plusieurs reprises de demander des renseignements complémentaires aux soumissionnaires. L'ensemble de la procédure révèle ainsi des manquements et des négligences qui témoignent d'un certain amateurisme dans la mise en place et la gestion d'un marché public d'une telle importance et qui sont à déplorer. Toutefois, les infractions au droit des marchés publics à proprement parler, envisagées BGE 141 II 353 S. 380 globalement et même si on les met en relation avec le manque de transparence concernant le procédé suivi relatif aux garanties bancaires, n'ont pas atteint, contrairement à ce qu'a retenu le Tribunal cantonal en violation des principes énoncés au consid. 6 supra, la gravité suffisante pour permettre à une autorité judiciaire d'interrompre la procédure, en imposant au pouvoir adjudicateur de tout recommencer (cf. consid. 6.6 supra). Bien que l'on puisse envisager des situations dans lesquelles un intérêt public prépondérant commanderait de mettre à néant un marché public même en l'absence d'erreurs graves impactant sur le sort final de l'adjudication contestée, par exemple si la fausse procédure a été appliquée, l'absence d'erreurs causales graves doit en règle générale être considérée comme un indice pour le défaut de justification concernant l'annulation complète d'un marché public. Or, force est de souligner qu'en l'occurrence, aucun de ces manquements n'était de nature à entraîner des effets sur la décision d'adjudication du marché à Steiner. En effet, les erreurs de calcul et les corrections elles-mêmes erronées décrites dans l'arrêt attaqué n'étaient, comme l'a relevé le Tribunal cantonal, pas propres à entraîner une modification de l'évaluation des offres et partant, de l'attribution du marché à la recourante. Au contraire, une bonne partie des erreurs commises l'avaient été au détriment de celle-ci, de sorte que leur correction améliorait sa situation. Quant à la circonstance que le pouvoir adjudicateur aurait, le cas échéant, dû demander des éclaircissements à Inso et consorts sur leur capacité en lien avec le critère des sous-traitants et des prix anormalement bas, ils se révèlent aussi sans incidence sur l'attribution du marché dans tous les cas: si les explications permettaient de justifier les postes et donc d'améliorer l'évaluation des critères d'adjudication, le Consortium serait au mieux arrivé en deuxième position et, en cas de réponse insatisfaisante dans l'hypothèse d'un critère d'aptitude, Inso et consorts auraient dû être exclus du marché. VIII. Griefs non examinés par le Tribunal cantonal 9. Dans sa réponse, HRS soutient que le respect de son droit d'être entendue oblige le Tribunal fédéral, s'il parvenait à la conclusion que l'annulation complète du marché public ne s'imposait pas sur la base des manquements retenus dans l'arrêt attaqué, de renvoyer la cause au Tribunal cantonal, afin qu'il examine les manquements que HRS avait fait valoir dans son recours sur le plan cantonal en lien avec les BGE 141 II 353 S. 381 critères 2 à 5 et que cette autorité judiciaire rende une nouvelle décision. 9.1 L'argument est fondé. Il ressort en effet de l'arrêt attaqué que les juges cantonaux n'ont pas estimé utile, compte tenu des manquements qu'ils avaient déjà constatés et qui, selon eux, suffisaient à justifier l'annulation ab ovo de toute la procédure, d'examiner les autres griefs soulevés par les parties en lien avec l'appréciation par le pouvoir adjudicateur des critères d'adjudication 2 à 5, sous réserve de l'évaluation du critère des sous-traitants concernant Inso et consorts (cf. consid. 8.4 supra). Le Tribunal cantonal ne s'est donc pas prononcé sur des griefs qui, potentiellement, auraient pu mettre en évidence des manquements graves propres à justifier une mise à néant de la procédure de marché public. Dans cette mesure, les griefs soulevés par les deux soumissionnaires, qui recouraient sur le plan cantonal, doivent être examinés par la Cour de céans (cf. ATF 141 II 14 consid. 8.2 p. 38). 9.2 En principe, comme le souligne à juste titre HRS, il conviendrait de renvoyer la cause au Tribunal cantonal pour qu'il examine cet aspect (cf. art. 107 al. 2 LTF ). Toutefois, s'agissant d'un marché public d'importance (cf. ATF 141 II 14 consid. 8.2 p. 38), des impératifs d'économie de procédure et de célérité justifient, à titre exceptionnel, que le Tribunal fédéral renonce à un tel renvoi et procède lui-même à l'examen de fond ( ATF 141 II 14 consid. 1.6 p. 24 s.), étant précisé que sa cognition n'est pas plus étroite que celle de l'autorité judiciaire précédente, qui ne peut revoir l'opportunité de la décision d'adjudication (cf. consid. 3 supra). Or, s'agissant d'apprécier une offre, le pouvoir adjudicateur possède un pouvoir d'appréciation étendu qui doit être respecté (cf. ATF 141 II 14 consid. 8.3 p. 38 s.; ATF 139 II 185 consid. 9 p. 196 ss). Le droit d'être entendu des parties demeure garanti, puisqu'elles savaient que le Tribunal fédéral pouvait en tout état réformer l'arrêt attaqué et qu'elles ont eu l'occasion, dans le cadre du double échange d'écritures ordonné dans la présente procédure, de se prononcer sur tous les aspects et tous les arguments soulevés. Sur le plan cantonal également, elles ont eu à plusieurs reprises l'occasion de se déterminer sur les critiques concernant l'évaluation des critères d'adjudication soulevés par HRS et par Inso et consorts. Il en découle que la Cour de céans procédera elle-même à cet examen, en se fondant sur le dossier cantonal ( art. 105 al. 2 LTF ; cf. ATF 141 II 14 consid. 8.2 p. 38). BGE 141 II 353 S. 382 9.3 L'examen du bien-fondé de ces critiques ne s'impose toutefois que si elles portent sur des manquements propres à justifier l'annulation ab ovo de la procédure. En effet, l'interdiction de la reformatio in pejus ne permet pas, dans le cadre de la présente procédure, d'attribuer le marché à un autre soumissionnaire. Comme déjà indiqué (cf. consid. 2 supra), l'adjudication du marché à HRS ou à Inso et consorts, qui n'ont pas recouru valablement devant le Tribunal fédéral, bien que l'arrêt cantonal ne leur ait donné que partiellement gain de cause, est exclu. En effet, il conduirait à modifier l'arrêt attaqué au détriment de la recourante, alors que celui-ci lui laisse encore une chance d'obtenir le marché dans le nouvel appel d'offres, chance qu'une adjudication à un autre soumissionnaire supprimerait. 9.4 Selon l'arrêt attaqué, les autres griefs que le Tribunal cantonal n'a pas estimé nécessaire d'aborder concernent les critères d'adjudication 2 à 5. Ces critiques soulevées par le Consortium et par HRS sur le plan cantonal portent toutes sur l'évaluation desdits critères à laquelle l'Hôpital s'est livré. (...) 9.5 (...) Aucun de ces griefs ne met en évidence l'existence de manquements graves propres à conduire à une annulation de l'intégralité de la procédure. En effet, même si l'on pouvait retenir un excès ou un abus du pouvoir d'appréciation du pouvoir adjudicateur dans l'évaluation de l'un ou l'autre critère (ce qui n'est au demeurant pas manifeste), cet abus pourrait, si plusieurs critères étaient concernés et dans le meilleur des cas, entraîner une modification déterminante dans les points obtenus justifiant l'annulation de la décision d'adjudication, voire l'attribution du marché soit à HRS, soit au Consortium. Il s'agirait toutefois toujours d'une question relative à l'appréciation des critères d'adjudication, qui ne dénote pas un intérêt public propre à justifier une mesure aussi radicale que l'interruption de toute la procédure et sa répétition intégrale. Il n'y a donc pas lieu d'examiner si les critiques sont ou non fondées. Si HRS ou le Consortium estimaient que c'était à tort que le Tribunal cantonal n'avait pas examiné leurs griefs, qui pourtant, de leur point de vue, justifiaient de leur attribuer le marché, alors qu'il l'avait annulé entièrement, ces soumissionnaires devaient s'en plaindre par un recours devant le Tribunal fédéral. Cependant, ils ne l'ont pas fait ou, du moins, pas valablement s'agissant du recours d'Inso et consorts.
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Sachverhalt ab Seite 146 BGE 133 I 145 S. 146 Le canton de Genève a adopté différentes réglementations en matière de chiens, notamment en vue de protéger le public. A cet égard, on peut d'abord citer la loi genevoise du 1 er octobre 2003 sur les conditions d'élevage, d'éducation et de détention des chiens (ci-après: la loi genevoise), dont l'art. 13 définit comme suit les chiens dangereux: "Sont considérés comme dangereux: a) les chiens appartenant à des races dites d'attaque, selon la classification cynologique dont le Conseil d'Etat dresse une liste, ainsi que les croisements issus de ces races; b) les chiens dressés à l'attaque, sauf ceux utilisés par la police, la douane, l'armée et les agents de sécurité ayant subi avec succès un examen auprès de la police, conformément au concordat intercantonal sur les entreprises de sécurité, du 18 octobre 1996; c) les chiens avec antécédents avérés, soit ceux ayant déjà attaqué et mordu des personnes ou des animaux et ayant fait l'objet de la procédure fixée à l'article 16." Le règlement du 6 décembre 2004 d'application de la loi genevoise (ci-après: le règlement d'application) interdit aux chiens, à son art. 11, l'accès à divers lieux, dont les places de jeux pour enfants ainsi que les pataugeoires, les pelouses, massifs de fleurs et plantations des promenades, jardins et parcs publics (al. 1 let. h et i). Selon l'art. 12 du règlement d'application, les chiens doivent être tenus en laisse dans divers lieux, dont les promenades et quais-promenades, les jardins et parcs publics, ainsi que dans les emplacements analogues, accessibles au public (al. 1 let. b). Le Conseil d'Etat du canton de Genève (ci-après: le Conseil d'Etat) a adopté, le 26 septembre 2006, un règlement transitoire concernant le port de la muselière (ci-après: le Règlement), dont l' art. 2 a la teneur suivante: "Le port de la muselière est obligatoire: a) sur la voie publique pour tous les chiens dangereux tels que définis à l'article 13 de la loi; b) pour tous les chiens lorsqu'ils se trouvent dans un parc public, tel que figurant en annexe au présent règlement; c) pour tous les chiens faisant l'objet d'une décision individuelle de port de la muselière notifiée par le vétérinaire cantonal." Agissant toutes deux par la voie du recours de droit public, X., propriétaire d'un chien bâtard de type berger, et la Société Genevoise BGE 133 I 145 S. 147 pour la Protection des Animaux (SGPA) ont conclu à l'annulation de l'art. 2 let. b du Règlement. Selon elles, cette disposition violerait notamment les principes de la proportionnalité ( art. 5 al. 2 Cst. ) et de l'interdiction de l'arbitraire ( art. 9 Cst. ). Le Tribunal fédéral a admis les recours et annulé dans le sens des considérants l'art. 2 let. b du Règlement.
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Erwägungen Extrait des considérants: 4. 4.2 Comme on le verra encore ci-après (consid. 5), les recourantes contestent uniquement le port de la muselière dans les parcs publics imposé aux chiens "ordinaires", soit aux chiens qui n'entrent ni dans la catégorie des chiens dangereux selon l'art. 13 de la loi genevoise, ni dans celle des chiens faisant l'objet d'une décision individuelle au sens de l' art. 2 let . c du Règlement. A cet égard, il faut constater que, dans les parcs publics qui ne sont pas interdits aux chiens, ces derniers doivent de toute façon être tenus en laisse. De plus, dans ces parcs, les chiens se voient interdire l'accès notamment aux places de jeux pour enfants ainsi qu'aux pelouses, massifs de fleurs et plantations ( art. 11 al. 1 let . h et i du règlement d'application). S'agissant de chiens non définis comme dangereux et ne faisant pas l'objet d'une décision individuelle au sens de l' art. 2 let . c du Règlement, ces mesures, qu'il incombe à l'autorité compétente de faire respecter, suffisent à assurer la sécurité du public. Dans ces conditions, imposer en plus le port de la muselière, avec tous les inconvénients en résultant pour les chiens, est une obligation manifestement disproportionnée, soit arbitraire et donc contraire à l' art. 9 Cst. , indépendamment des difficultés pratiques pour appliquer pareille contrainte à tous les chiens quels qu'ils soient. Le Conseil d'Etat fait valoir que les parcs publics ne représentent que 1,192 % du territoire genevois. Il n'en reste pas moins que ces parcs constituent une surface importante pour promener les chiens dans les communes urbaines et suburbaines notamment, de sorte qu'il n'y a pas là de raison suffisante pour justifier la mesure attaquée. Du reste, dans sa dernière écriture, le Conseil d'Etat lui-même envisage l'abandon du port de la muselière généralisé dans les parcs publics accessibles aux chiens. L'art. 2 let. b du Règlement se révèle donc inconstitutionnel et doit être annulé. Dès lors, il n'est pas nécessaire d'examiner les autres arguments soulevés par les recourantes. BGE 133 I 145 S. 148 5. En revanche, les recourantes n'attaquent pas le port de la muselière obligatoire pour les chiens définis comme dangereux ainsi que pour les chiens faisant l'objet d'une décision individuelle au sens de l' art. 2 let . c du Règlement. Elles en font même en quelque sorte un argument pour libérer les autres chiens de l'obligation de porter la muselière dans les parcs publics. L'art. 2 let. a du Règlement impose le port de la muselière sur la voie publique en général à tous les chiens dangereux. Par ailleurs, comme on l'a vu, l'art. 2 let. b du Règlement impose la muselière à tous les chiens dans les parcs publics. On peut se demander si la voie publique au sens du Règlement comprend les parcs publics. Si tel est bien le cas, l'annulation de l'art. 2 let. b du Règlement n'exempte pas du port de la muselière dans les parcs publics les chiens dangereux ni d'ailleurs ceux qui font l'objet d'une décision individuelle au sens de l' art. 2 let . c du Règlement. Il serait du reste difficilement compréhensible, pour ne pas dire absurde, que les chiens dangereux doivent porter la muselière sur les routes et trottoirs, mais pas dans les allées des parcs publics. Cependant, pour qu'il n'y ait pas le moindre doute, on précisera, à toutes fins utiles, que l'annulation de l'art. 2 let. b du Règlement ne concerne ni les chiens définis comme dangereux ni ceux qui font l'objet d'une décision individuelle au sens de l' art. 2 let . c du Règlement, ces deux catégories restant soumises à l'obligation du port de la muselière dans les parcs publics. Les recourantes n'ayant de toute façon pas critiqué cette mesure de manière conforme aux exigences de l' art. 90 al. 1 let. b OJ pour les deux catégories de chiens précitées, il n'y a pas lieu d'examiner plus avant le bien-fondé de ladite mesure en ce qui les concerne.
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Sachverhalt ab Seite 189 BGE 100 Ia 189 S. 189 A.- Le Conseil d'Etat du canton de Genève a, en date du 29 septembre 1951, édicté un règlement relatif à la délivrance des certificats de bonne vie et moeurs. Ceux-ci doivent contenir, BGE 100 Ia 189 S. 190 avec les indications d'identité, l'appréciation relative à la conduite des requérants (art. 3). Ils sont refusés à ceux qui sont privés de leurs droits civiques ou dont le casier judiciaire contient une condamnation non radiée à une peine privative de liberté, ainsi qu'à ceux dont l'honorabilité peut être déniée avec certitude en raison d'une ou de plusieurs plaintes fondées concernant leur comportement, de contraventions encourues par eux à réitérées reprises ou de leur genre de vie (ivrognerie, inconduite, fainéantise, etc.), étant précisé que les faits de peu d'importance ou ceux qui sont contestés et non établis ne sont pas pris en considération (art. 4). L'art. 6 prévoit en outre que, sur demande écrite de celui à qui un certificat de bonne vie et moeurs a été refusé, l'autorité compétente peut lui délivrer une attestation rédigée selon une formule moins favorable, dont le contenu peut varier mais qui doit s'en tenir, dans la mesure du possible, aux faits tels qu'ils résultent du dossier. Les certificats de bonne vie et moeurs et l'attestation prévue à l'art. 6 sont délivrés par un officier de police (commissariat de police). B.- Alec Feuz demanda le 20 janvier 1972 au commissariat de police un certificat de bonne vie et moeurs. Il fut convoqué à ce commissariat, où lui furent signifiés les motifs du refus de l'octroi de ce certificat. Il résultait en effet des dossiers de police que le requérant avait commis de façon répétée, de 1967 à 1970, des contraventions pour bruit nocturne, participation à des manifestations interdites et refus d'obtempérer aux ordres des agents. De plus, il avait participé, le 14 décembre 1970, à la manifestation de soutien aux séparatistes basques, au cours de laquelle il avait lancé des pierres et des morceaux de hampes de calicot contre les vitrines et la porte d'entrée de l'Office national espagnol de tourisme, selon les constatations faites sur les lieux par un inspecteur de la sûreté genevoise. Feuz avait été inculpé d'émeute, de dommages à la propriété et d'opposition aux actes de l'autorité. Il avait contesté ce qui lui était reproché. Le Procureur général, en date du 2 avril 1973, avait en définitive classé provisoirement la procédure "vu le doute". Feuz ayant réitéré sa demande d'un certificat de bonne vie et moeurs, l'officier de police lui confirma son refus le 15 mars 1973, tout en se déclarant prêt à délivrer une attestation au sens de l'art. 6 du règlement. BGE 100 Ia 189 S. 191 C.- Feuz recourut contre cette décision au Tribunal administratif le 2 avril 1973. Il faisait valoir qu'il avait obtenu, en juillet 1971, une licence en histoire à l'Institut des hautes études internationales et qu'il avait besoin d'un certificat de bonne vie et moeurs pour poursuivre sa carrière dans l'enseignement et obtenir un diplôme d'études pédagogiques pour l'enseignement secondaire. Après avoir administré certains moyens de preuve, le Tribunal administratif a rejeté le recours le 16 juillet 1973 et confirmé la décision attaquée. Il relevait que le pouvoir d'appréciation laissé à l'administration n'avait pas été outrepassé par l'officier de police et que celui-ci, en estimant ne pas pouvoir considérer les contraventions commises et le comportement du recourant lors de la manifestation du 14 décembre 1970 comme des faits de peu d'importance, avait émis une appréciation conforme à l'esprit de l'art. 4 al. 2 du règlement. Sa décision, reposant sur une base réglementaire sérieuse et objective, ne portait pas atteinte au droit de travailler du recourant, celui-ci devant s'en prendre à lui-même de ne pas pouvoir obtenir actuellement la pièce nécessaire à son dossier de candidat à l'enseignement secondaire. Le Tribunal administratif soulignait en outre que, même si le droit atteint ne pouvait être déterminé avec précision (atteinte à la liberté personnelle ou à un autre droit constitutionnel écrit ou non écrit), la décision contestée devait respecter le principe de la légalité. A cet égard, après avoir procédé à l'examen historique du droit constitutionnel genevois de 1814 à 1958, sous l'angle de la compétence du Conseil d'Etat en matière de règlements de police, l'autorité de recours concluait que l'art. 125 de la constitution actuelle, prévoyant que "le Conseil d'Etat édicte les règlements de police dans les limites fixées par la loi", était une base légale suffisante pour le règlement de 1951 relatif à la délivrance des certificats de bonne vie et moeurs. Elle considérait enfin que le recourant, comme candidat à une fonction publique, se trouvait dans un rapport spécial de dépendance avec l'Etat et que de ce fait sa liberté individuelle pouvait être soumise à des limitations plus importantes découlant précisément de ces relations spéciales avec la puissance publique. D.- Agissant par la voie du recours de droit public, Feuz demande au Tribunal fédéral principalement d'annuler l'arrêt BGE 100 Ia 189 S. 192 du Tribunal administratif genevois du 16 juillet 1973 et la décision de l'officier de police du 15 mars 1973, pour violation de la liberté personnelle, subsidiairement d'annuler la décision de l'officier de police du 15 mars 1973 pour violation de la séparation des pouvoirs et excès de pouvoir, plus subsidiairement d'annuler la décision de l'officier de police du 15 mars 1973 pour violation de l'interdiction de l'arbitraire (art. 4 Cst.). Le Département cantonal de justice et police conclut au rejet du recours. Le Tribunal administratif prend la même conclusion, dans la mesure où le recours est recevable.
2,161
1,051
Erwägungen Considérant en droit: 1. Lorsque l'autorité cantonale de recours jouit d'un plein pouvoir d'examen, sa décision remplace celle de l'autorité inférieure et peut seule être attaquée par la voie du recours de droit public (RO 93 I 326; 94 I 462 ). Il n'est pas contesté que le Tribunal administratif du canton de Genève jouit d'un tel pouvoir. En matière de délivrance des certificats de bonne vie et moeurs, le Tribunal administratif statue en effet comme instance d'appel et revoit par conséquent librement les faits et le droit (cf. art. 8 ch. 15 de la loi sur le Tribunal administratif et le Tribunal des conflits du 29 mai 1970). Sa décision peut seule être attaquée par la voie du recours de droit public, à l'exclusion de la décision de l'officier de police du 15 mars 1973. Le présent recours doit donc être déclaré irrecevable en tant qu'il vise cette dernière décision. 2. En l'espèce, le recourant s'est vu refuser un certificat de bonne vie et moeurs en vertu de l'art. 4 al. 1 lettre c du règlement du 29 septembre 1951, à la suite des contraventions qu'il a encourues à plusieurs reprises depuis 1967 et de son comportement lors de la manifestation du 14 décembre.1970. Il soutient que ce refus porte atteinte à sa dignité ainsi qu'à sa liberté de travailler qui, en tant que manifestation élémentaire de l'épanouissement de la personnalité humaine, serait garantie par la liberté individuelle. Il considère en outre que la décison attaquée est arbitraire et qu'elle a été ainsi rendue en violation de l'art. 4 Cst. 3. A l'avis du recourant, la décision attaquée porte atteinte à sa faculté de choisir librement un travail, puisqu'elle aura pour effet de mettre en veilleuse pendant plusieurs BGE 100 Ia 189 S. 193 années ses qualifications universitaires et son sens pédagogique déjà entraîné par plusieurs mois de suppléance dans l'enseignement secondaire. Le refus de lui délivrer le certificat requis doit donc être considéré comme une atteinte à sa liberté de travailler et, partant, à la liberté individuelle. Pour qu'une telle atteinte puisse être admise, il faut qu'elle repose sur une base légale. Celle-ci n'existerait pas en l'espèce. a) La liberté dite individuelle ou personnelle est garantie tant par le droit genevois (art. 3 Cst. cant.) que par le droit fédéral non écrit (RO 99 Ia 266). Il suffit dès lors d'examiner quelle est l'étendue de la garantie accordée par le droit fédéral (cf. RO 90 I 38 consid. d). b) La jurisprudence du Tribunal fédéral concernant la liberté personnelle a défini ce droit comme étant au premier chef la liberté physique. Le droit de disposer librement de son corps protège la liberté d'aller et de venir et l'intégrité corporelle. Cette première définition un peu étroite tient à ce que la plupart des affaires qui l'ont suscitée concernaient des atteintes à la liberté physique (cf. RO 90 I 35, avec citations). Dans son arrêt publié au RO 90 I 36, le Tribunal fédéral a toutefois étendu la notion de liberté personnelle en lui faisant garantir non seulement la liberté physique, mais encore la protection de l'homme contre les atteintes qui tendraient, par un moyen quelconque, à restreindre ou supprimer la faculté qui lui est propre de se déterminer d'après son appréciation de la situation. L'existence de cette faculté constitue en effet la condition d'exercice de nombreux droits constitutionnels (RO 97 I 49). La jurisprudence a précisé par ailleurs que la liberté personnelle est un droit inaliénable et imprescriptible, destiné à garantir la dignité de l'homme (RO 97 I 50). Elle assure la protection générale des droits fondamentaux qui conditionnent de manière décisive le contenu et l'étendue des autres libertés constitutionnelles. Si elle ne s'identifie pas à ces dernières et ne peut donc être invoquée en elle-même comme moyen de protection contre les restrictions qui leur sont apportées, elle est toutefois la condition nécessaire de leur exercice et leur complément, en ce sens que le citoyen peut s'en prévaloir pour la défense de sa personnalité et de sa dignité, lorsque aucun autre droit écrit ou non écrit n'entre en considération (RO 97 I 49/50; 90 I 37 /38). BGE 100 Ia 189 S. 194 c) Le recourant allègue que le refus qui lui est opposé porte atteinte à sa liberté de travailler qui, en tant que manifestation élémentaire de la personnalité humaine, serait garantie par la liberté personnelle. Il aurait été plus exact de parler en l'espèce d'une atteinte au droit à la formation, la décision incriminée mettant obstacle, selon le recourant, à la constitution d'un dossier établi en vue de son admission à un cours de formation pédagogique. Quoi qu'il en soit, il y a lieu de remarquer que Feuz n'est pas recevable en l'état à faire valoir une atteinte à ce droit. Il pourrait tout au plus l'invoquer à l'encontre de la décision par laquelle l'autorité compétente refuserait son admission au cours pédagogique. Au surplus, on peut se demander s'il conviendrait de reconnaître au droit à la formation le caractère d'une garantie constitutionnelle non écrite, alors que l'inscription dans la constitution en a été refusée par votation populaire du 4 mars 1973 (cf. FF 1972 I 368 ss.; 1973 I 1158 ; E. GRISEL, Les droits sociaux, RDS vol. 92 II 73/74; J. P. MÜLLER, Soziale Grundrechte in der Verfassung, RDS vol. 92 II 872 ss.). Des motifs identiques font également apparaître le grief d'atteinte à un droit au travail comme mal fondé. Le recours doit donc être rejeté sur ce point. d) Le recourant relève par ailleurs que le refus de lui délivrer un certificat de bonne vie et moeurs, fondé sur l'art. 4 al. 1 lettre c du règlement, porte atteinte à sa dignité et, par conséquent, à la liberté personnelle. Par son refus en effet, l'autorité dénie son honorabilité et refuse ainsi de le reconnaître comme un homme honorable, digne d'estime et de considération, en raison de son comportement antérieur. On ne saurait admettre en l'espèce que la décision attaquée constitue une atteinte à la liberté personnelle du recourant pour le seul motif qu'elle heurterait le sentiment qu'il a de sa propre dignité. Le ferait-on que l'on accorderait alors à cette notion une portée si étendue que l'on ne voit pas quelles limites pourraient lui être fixées. On peut en revanche se demander si la liberté personnelle, destinée à garantir la dignité humaine, n'assurerait pas plutôt la protection de la personnalité vue sous l'angle du droit public. Porteraient ainsi atteinte à ce droit constitutionnel non écrit toutes les mesures - actes ou omissions - que les organes de l'Etat prennent à l'égard d'un administré et qui BGE 100 Ia 189 S. 195 sont de nature à mettre en cause sa réputation. Toutefois, même ainsi définie, la liberté personnelle aurait une portée trop large, qui conduirait à devoir examiner, par exemple, si le refus d'une promotion ou une déclaration de faillite ne sont pas des actes qui portent atteinte à la dignité humaine. Pareille conséquence est inacceptable. Cela reviendrait à doubler l'art. 4 Cst. d'une disposition constitutionnelle non écrite dont les limites de surcroît resteraient imprécises. La portée que le Tribunal fédéral a donnée à la disposition constitutionnelle précitée rend d'ailleurs superflue et inadéquate en l'espèce une telle extension de la liberté personnelle. Celle-ci, ainsi que cela a été rappelé précédemment, ne doit pas pouvoir être invoquée là où les droits constitutionnels écrits ou non écrits assurent déjà à l'individu une protection suffisante. Le recourant dispose, contre le refus de lui délivrer le certificat demandé, des moyens que lui offre l'art. 4 Cst. Il n'y a pas de raison d'admettre que ceux-ci n'assurent in casu qu'une protection insuffisante. 4. a) L'institution du certificat de bonne vie et moeurs et de l'attestation ne constitue ainsi pas en soi une mesure de police portant atteinte aux libertés garanties par la constitution et n'est donc pas comme telle soumise au principe de la réserve de la loi (cf. RO 99 Ia 250, 267, 373/374). Toutefois, selon une opinion qui tend à se répandre, l'activité administrative tout entière serait subordonnée à ce principe, y compris l'exécution de prestations ("Leistungsverwaltung"). Le Tribunal fédéral n'a pas eu à se prononcer expressément sur cette question à propos de laquelle s'affrontent théorie traditionnelle et doctrine nouvelle (cf. GRISEL, L'administration et la loi, dans Regards sur le droit suisse, Lausanne 1964, p. 31 ss., 38 à 40). Il paraît d'ailleurs douteux que l'ordre juridique existant soumette à l'exigence d'une base légale toute activité administrative; car s'il autorise bien l'application du principe de réserve de la loi à certains domaines de la "Leistungsverwaltung", il semble s'y opposer dans d'autres (GRISEL, op.cit., p. 43). Ces questions n'auront cependant pas à être tranchées en l'espèce, si l'on peut admettre que le règlement relatif à la délivrance des certificats de bonne vie et moeurs est un règlement de police qui est de la compétence du Conseil d'Etat en vertu de l'art. 125 Cst. cant. b) L'art. 125 Cst. cant. dispose que "le Conseil d'Etat BGE 100 Ia 189 S. 196 édicte des règlements de police dans les limites fixées par la loi". C'est dans cette disposition que l'autorité dont la décision est attaquée voit la base légale du règlement contesté. On peut hésiter à qualifier un règlement relatif à la délivrance de certificats de bonne vie et moeurs de règlement de police au sens étroit du terme; la police a en effet pour fonction essentielle de protéger la sécurité, la santé, la tranquillité et l'ordre publics, avec l'obligation en particulier de défendre les biens juridiques protégés des particuliers et de la collectivité tels qu'ils sont reconnus par la législation en vigueur (cf. FLEINER, Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts, § 24, chap. II). Une conception plus large du "règlement de police" n'est toutefois pas exclue. L'art. 3 de la loi du 26 octobre 1957 sur l'organisation de la police attribue à celle-ci la police judiciaire, la police rurale et la police des étrangers. Cette disposition précise également que la police est chargée de "veiller à l'observation des lois et règlements de police (police administrative)" (art. 3 lettre b) et d'assurer la tranquillité, la sécurité et l'ordre publics, notamment en matière de circulation (art. 3 lettre c). Le règlement relatif à la délivrance des certificats de bonne vie et moeurs, qui ne fait aucune référence à une loi quelconque, est classé dans le groupe "F" du recueil systématique de la législation genevoise, sous le titre général de "Police". Il faut relever enfin que la loi sur le Tribunal administratif et le Tribunal des conflits, du 29 mai 1970, dispose que le Tribunal administratif eonnaît, en fait et en droit, des recours contre les déclarations de l'officier de police refusant un certificat de bonne vie et moeurs (art. 8 ch. 15). Ces divers éléments étaient l'opinion du Conseil d'Etat selon laquelle la notion de police doit être comprise très largement, le règlement litigieux en l'espèce étant en conséquence un règlement de police au sens de l'art. 125 Cst. cant. On peut admettre en effet que le terme de police a, dans ce contexte, un sens plus large que celui qui est compris dans la "clause générale de police", et que le Conseil d'Etat a ainsi édicté un règlement sur un objet qui est de sa compétence en vertu d'une délégation découlant directement de la constitution. Il est vrai que l'art. 125 Cst. cant. dispose que les règlements de police doivent être édictés dans les limites de la loi. Le Tribunal administratif soutient à ce propos que le mot "loi" BGE 100 Ia 189 S. 197 couvre, dans le contexte de cet article constitutionnel, aussi bien les dispositions législatives votées par le Grand Conseil que la constitution elle-même. Si cette interprétation paraît difficilement acceptable, cela n'emporte toutefois pas que l'on ne puisse soutenir que le canton n'a pas méconnu l'exigence d'une base matérielle (cf. RO 91 I 462/463, 87 I 453 avec citations). D'ailleurs, la loi au sens formel n'aurait pu que confirmer la compétence du Conseil d'Etat sans y apporter d'autres précisions. Le recours doit donc également être rejeté sur ce point, ce qui dispense d'examiner in casu si, comme le soutient le Conseil d'Etat, le règlement litigieux repose sur une coutume. 5. Le recourant soutient enfin, à titre subsidiaire, que la décision incriminée constitue une violation du principe de la séparation des pouvoirs, l'autorité cantonale ayant excédé son pouvoir d'appréciation. Cette décision serait donc entachée d'arbitraire et violerait le principe d'égalité reconnu à l'art. 4 Cst. En réalité, le recourant reproche à l'autorité cantonale d'avoir excédé son pouvoir d'appréciation à deux égards: il en serait ainsi quant à l'interprétation de l'art. 4 du règlement relatif à la délivrance du certificat de bonne vie et moeurs d'une part, quant aux faits retenus à la base de la décision attaquée d'autre part. Le moyen fondé sur le principe de la séparation des pouvoirs se confond dès lors avec ceux que le recourant tire de l'art. 4 Cst. a) En vertu des lettres a et b de l'art. 4 du règlement en cause, le certificat de bonne vie et moeurs est refusé à celui qui est privé de ses droits civiques par un jugement pénal ainsi qu'à celui dont le casier judiciaire contient une condamnation non radiée à une peine privative de liberté. Il y a lieu de remarquer que le juge pénal ne peut actuellement plus prononcer de peine accessoire de privation des droits civiques, l'art. 52 CP ayant été abrogé par la loi modifiant le Code pénal suisse du 18 mars 1971. Le motif relevant de l'art. 4 lettre a est dès lors devenu sans objet. Le cas visé par l'art. 4 lettre b n'est pas réalisé en l'espèce et n'a d'ailleurs pas été invoqué par l'autorité cantonale, qui a fait application de la clause générale de la lettre c de cette disposition, selon laquelle le certificat de bonne vie et moeurs est refusé à celui dont l'honorabilité peut être déniée avec certitude en raison d'une ou de plusieurs plaintes fondées concernant son comportement, BGE 100 Ia 189 S. 198 de contraventions encourues par lui à réitérées reprises ou de son genre de vie. Dans un arrêt non publié du 7 octobre 1953 en la cause Guggisberg c. Genève, le Tribunal fédéral a souligné qu'à la différence des dispositions des lettres a et b de l'art. 4 du règlement, celle de la lettre c est conçue en termes généraux et laisse à l'autorité un pouvoir d'appréciation beaucoup plus étendu que ne le font les deux dispositions précédentes. Elle permet en effet à l'autorité de dénier l'honorabilité du requérant en raison de simples contraventions ou en raison même de son genre de vie, c'est-à-dire pour des faits qui peuvent être certainement moins graves que ceux qui auraient donné lieu à une condamnation à une peine privative de liberté suivie d'une inscription au casier judiciaire. Le Tribunal fédéral relève également que, du fait qu'une condamnation, une fois radiée, doit être tenue pour non avenue, il ne s'ensuit pas que l'autorité qui est appelée à délivrer un certificat de bonne vie et moeurs n'ait pas le droit, sous réserve de n'en pas faire état dans le certificat (art. 8 al. 1 du règlement), de tenir compte dans son for intérieur de ce qu'elle sait des antécédents de l'intéressé lorsqu'elle est requise d'attester son honorabilité. Il n'y a pas en l'espèce de motifs impérieux de se distancer de cette jurisprudence. b) C'est d'ailleurs précisément sur cette jurisprudence que s'est fondé le Tribunal administratif pour soutenir que même une affaire classée par le Procureur général doit être prise en considération dans le cadre de la lettre c de l'art. 4 du règlement et, partant, pour tenir compte des agissements du recourant durant la manifestation du 14 décembre 1970, devant l'Office national espagnol de tourisme. La juridiction administrative cantonale de recours a en effet admis que le recourant avait causé des dégâts à la propriété d'autrui au cours de cette manifestation du 14 décembre 1970, en se fondant à cet égard sur les déclarations circonstanciées d'un inspecteur de police, malgré le classement provisoire de l'affaire par le Procureur général. On peut se demander si ce classement lie le Tribunal administratif. La question peut toutefois rester indécise, car le Tribunal administratif était dans tous les cas fondé, pour étayer ce refus du certificat, à tenir compte également des contraventions encourues par le recourant de 1967 á 1970, notamment pour avoir pris part à des manifestations non autorisées et pour refus d'obtempérer aux ordres de la police BGE 100 Ia 189 S. 199 demandant aux manifestants d'évacuer. c) De surcroît, l'autorité cantonale compétente a estimé ne pas pouvoir considérer les faits reprochés au recourant comme étant, dans leur ensemble, de peu d'importance au sens de l'art. 4 al. 2 du règlement. Ils lui ont paru suffisants pour justifier un refus d'attester l'honorabilité du recourant. Cette opinion n'est en tout cas pas insoutenable. En vertu de la clause générale de l'art. 4 al. 1 lettre c du règlement, l'organe administratif chargé de délivrer les certificats de bonne vie et moeurs jouit d'un large pouvoir d'appréciation et on ne saurait en l'espèce prétendre qu'il en a abusé. Il est vrai qu'il doit, dans la mesure du possible, tenir compte de l'usage que le requérant entend faire du certificat (art. 4 al. 2 du règlement). Mais l'application de cette disposition n'entraîne pas obligatoirement, en faveur du requérant, une dérogation aux exigences réglementaires. Ce certificat de bonne vie et moeurs doit en l'occurrence permettre l'admission du recourant aux études conduisant à l'obtention du certificat d'aptitude à l'enseignement secondaire. Or l'emprise des enseignants sur la jeunesse est telle que leur honorabilité doit être intacte. De ce fait, la juridiction cantonale pouvait soutenir, d'une manière plausible, qu'on ne saurait considérer les faits reprochés au recourant comme des faits de peu de gravité, s'agissant précisément d'un candidat à l'enseignement qui, en vertu de l'art. 4 de la loi genevoise sur l'instruction publique de 1940, aura pour mission de préparer la jeunesse à exercer une activité utile et à servir le pays et de développer chez elle le respect de ses institutions. Il faut donc admettre, au vu des antécédents du recourant, du but pour lequel le certificat est requis et de toutes les circonstances du cas, que le Tribunal administratif n'est pas tombé dans l'arbitraire, en confirmant la décision de l'officier de police par laquelle celui-ci a refusé de délivrer au recourant un certificat de bonne vie et moeurs.
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Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Rejette le recours dans la mesure où il est recevable.
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Sachverhalt ab Seite 14 BGE 133 V 14 S. 14 A. A.a A. travaillait comme ouvrier de voirie au service de la Commune de X. (ci-après: la commune). Dès le 14 octobre 2002, il a présenté une incapacité totale et définitive de travail pour raison de santé. Le 12 décembre suivant, il a déposé une demande de rente de l'assurance-invalidité. Les rapports de travail ont été résiliés pour la fin du mois de juillet 2003. L'Office de l'assurance-invalidité pour le canton de Vaud (ci-après: l'office AI) a invité la commune à remplir le questionnaire usuel pour l'employeur (formule 318.546). Celle-ci a rempli les diverses rubriques de ce questionnaire le 15 janvier 2003 et l'a retourné à l'office AI. Sous chiffre 13 du questionnaire, elle a coché d'une croix la mention "oui" à la question: "Versez-vous, ou votre institution de prévoyance professionnelle verse-t-elle des avances à l'assuré, et désirez-vous une formule de demande de versement des paiements rétroactifs de rentes (voir remarque 4)?". La BGE 133 V 14 S. 15 remarque 4, à laquelle il était fait renvoi, figurait au bas du questionnaire et était ainsi libellée: "Souvent des enquêtes assez longues sont nécessaires pour pouvoir se prononcer sur le degré de l'invalidité, ce qui peut donner lieu à des paiements rétroactifs de rente. Lorsqu'un employeur (ou son institution de prévoyance professionnelle) a versé, à titre d'avance, des montants remplaçant provisoirement la rente dans l'attente de la décision AI, la rente accordée ensuite avec effet rétroactif peut être versée directement en ses mains (ou entre celles de son institution de prévoyance professionnelle), jusqu'à concurrence des montants payés par lui s'il en fait la demande avant le premier versement rétroactif et pour autant que l'assuré ait donné son accord par écrit. Ces avances peuvent consister en espèces versées à bien plaire. Elles peuvent aussi découler d'une obligation contractuelle de l'employeur ou d'une règle de droit public réservant une compensation avec la rente AI pour éviter une surindemnisation. Si vous répondez affirmativement à la question 13, nous vous adresserons une formule de demande de versement des prestations AI rétroactives après avoir pris connaissance de votre rapport." Par décision du 20 janvier 2004, l'office AI a alloué une rente entière à l'assuré dès le 1 er février 2004, en précisant qu'une nouvelle décision serait rendue pour la période de juillet 2002 à janvier 2004. Le 31 mars 2004, il a fixé le montant des prestations pour cette période. Les arriérés de rente s'élevaient à 31'515 fr. Après déduction de montants versés à l'assureur-maladie (7'618 fr.) et à l'institution de prévoyance (3'800 fr. 95), le solde, par 20'096 fr. 05, a été versé en mains de l'assuré. A.b Le 24 mai 2004, la Commune de X. a écrit à la Caisse cantonale vaudoise de compensation (ci-après: la caisse) qu'elle avait appris que son ex-employé avait été mis au bénéfice d'une rente entière de l'assurance-invalidité. Elle rappelait qu'elle avait versé des avances à l'assuré et demandé, dans le questionnaire qu'elle avait rempli à l'intention de l'office AI, qu'une formule d'obtention des paiements rétroactifs lui fût adressée. Elle invitait la caisse à procéder à un nouveau calcul des prestations rétroactives en tenant compte des montants qui lui étaient dus, soit des salaires versés pour la période de juillet 2002 (début du droit à la rente) à juillet 2003 (fin du droit au salaire). Une copie de cette lettre a été envoyée à l'office AI. Le 9 juin 2004, l'office AI a fait part à l'assuré de son omission de signaler à la caisse que la commune avait requis le remboursement BGE 133 V 14 S. 16 de ses avances. Il l'a prié de ne pas utiliser la somme qui lui avait été versée avant qu'un nouveau décompte soit établi. Le même jour, l'office AI a adressé à la commune une formule de demande de compensation à compléter et à faire signer par A. A réception de cette formule, l'office AI procéderait à une nouvelle répartition et indiquerait à l'assuré le montant qu'il devrait rétrocéder à la commune. L'assuré a refusé de signer cette formule. Le 11 octobre 2004, la commune a requis l'office AI de lui rembourser directement les avances qu'elle avait faites. Faisant suite à une demande en réparation du dommage de la commune du 16 novembre 2004, l'office AI a rendu le 11 janvier 2005 une décision, fondée sur l' art. 78 LPGA , par laquelle il a rejeté cette demande. B. La Commune de X. a recouru contre cette décision en concluant à la condamnation de l'office AI à lui payer la somme de 40'028 fr. 60 avec intérêts à 5 % dès le 1 er janvier 2003 sur 38'866 fr. 60 et dès le 1 er février 2005 sur le solde. En cours de procédure, elle a réduit ses prétentions à 25'530 fr., plus intérêts dès le 1 er février 2005. Statuant le 27 février 2006, le Tribunal des assurances du canton de Vaud a rejeté le recours. C. La Commune de X. interjette un recours de droit administratif en concluant, sous suite de frais et dépens, à l'annulation de ce jugement et à l'admission de ses prétentions en réparation. A titre subsidiaire, elle requiert le renvoi de la cause à l'instance cantonale, pour nouveau jugement au sens des considérants. L'office AI conclut au rejet du recours. La caisse et l'Office fédéral des assurances sociales ne se sont pas déterminés. Quant à A., il n'a pas pris de conclusions formelles sur le fond.
1,283
1,130
Erwägungen Extrait des considérants: 1. La prétention en responsabilité de la recourante se fonde sur l' art. 78 LPGA , qui est ainsi rédigé: 1 Les corporations de droit public, les organisations fondatrices privées et les assureurs répondent, en leur qualité de garants de l'activité des organes d'exécution des assurances sociales, des dommages causés illicitement à un assuré ou à des tiers par leurs organes d'exécution ou par leur personnel. 2 L'autorité compétente rend une décision sur les demandes en réparation. BGE 133 V 14 S. 17 3 La responsabilité subsidiaire de la Confédération pour les institutions indépendantes de l'administration ordinaire de la Confédération est régie par l'art. 19 de la loi du 14 mars 1958 sur la responsabilité. 4 Les dispositions de la présente loi s'appliquent à la procédure prévue aux al. 1 et 3. Il n'y a pas de procédure d'opposition. Les art. 3 à 9, 11, 12, 20, al. 1, 21 et 23 de la loi du 14 mars 1958 sur la responsabilité sont applicables par analogie. 5 (...). 2. L'omission en raison de laquelle l'office AI est recherché est intervenue après l'entrée en vigueur (le 1 er janvier 2003) de la LPGA, de sorte que la disposition citée de cette loi est applicable (cf. ATF 122 III 490 consid. 3a et la jurisprudence citée). 3. Les jugements des tribunaux cantonaux des assurances fondés sur l' art. 78 LPGA sont sujets à recours de droit administratif devant le Tribunal fédéral des assurances (voir l' art. 62 LPGA en corrélation avec l' art. 128 OJ ). Par ailleurs, la commune recourante a qualité pour interjeter un recours de droit administratif, car elle est touchée dans ses intérêts financiers à l'instar d'une personne privée (voir ATF 123 V 115 consid. 5a). 4. Le litige n'ayant pas pour objet l'octroi ou le refus de prestations d'assurance, le Tribunal fédéral des assurances doit se borner à examiner si les premiers juges ont violé le droit fédéral, y compris par l'excès ou par l'abus de leur pouvoir d'appréciation, ou si les faits pertinents ont été constatés d'une manière manifestement inexacte ou incomplète, ou s'ils ont été établis au mépris de règles essentielles de procédure (art. 132 en corrélation avec les art. 104 let. a et b et 105 al. 2 OJ ). 5. La responsabilité instituée par l' art. 78 LPGA est subsidiaire en ce sens qu'elle ne peut intervenir que si la prétention invoquée ne peut pas être obtenue par les procédures administrative et judiciaire ordinaires en matière d'assurances sociales ou en l'absence d'une norme spéciale de responsabilité du droit des assurances sociales, comme par exemple les art. 11 LAI , 6 al. 3 LAA ou encore 18 al. 6 LAM (voir KIESER, ATSG-Kommentar, Zurich 2003, notes 3 et 4 ad art. 78). Elle suppose qu'une personne assurée ou un tiers ait subi un dommage. La demande doit par ailleurs être présentée aux autorités compétentes, qui se prononcent ensuite par une décision. Il appartient aux lois spéciales de déterminer quelle autorité est compétente et pour quelle assurance (rapport du 26 mars BGE 133 V 14 S. 18 1999 de la Commission du Conseil national de la sécurité sociale et de la santé [CSSS], FF 1999 4317). En matière d'assurance-invalidité, l' art. 59a LAI prévoit à cet effet que les demandes en réparation doivent être adressées à l'office AI, qui statue par voie de décision. 6. Selon l' art. 20 al. 1 LRCF , auquel renvoie l' art. 78 al. 4 LPGA (voir aussi l' art. 70 al. 3 let. b LAVS auquel renvoie pour l'assurance-invalidité l' art. 66 LAI ), la responsabilité de la Confédération (en l'espèce l'assureur) s'éteint si le lésé n'introduit pas sa demande de dommages-intérêts ou d'indemnité à titre de réparation du tort moral dans l'année à compter du jour où il a eu connaissance du dommage. Il s'agit d'un délai de péremption, et non de prescription, lequel ne peut être interrompu, mais uniquement sauvegardé par le dépôt en temps utile de la demande. Par "connaissance du dommage", il faut entendre une connaissance telle que le demandeur puisse agir utilement, ce qui implique qu'il connaisse non seulement le dommage au sens strict, mais encore les autres conditions permettant de mettre en cause la responsabilité de la Confédération ( ATF 108 Ib 98 consid. 1b; consid. 2a de l'arrêt 5A.3/1999 du 18 janvier 2000 non publié aux ATF 126 II 63 ). En l'espèce, la recourante pouvait au plus tôt avoir connaissance du dommage allégué au moment où elle a été informée du fait que A. avait été mis au bénéfice d'une rente, par la décision du 20 janvier 2004, éventuellement au plus tard en prenant connaissance de la décision du 31 mars 2004 portant sur le décompte des rentes arriérées. En invitant, le 16 novembre 2004, l'office AI à rendre une décision en vertu de l' art. 78 LPGA , elle a introduit sa demande en temps utile. 7. L' art. 78 al. 1 LPGA institue une responsabilité causale et ne présuppose donc pas une faute d'un organe de l'institution d'assurance (KIESER, op. cit., note 25 ad art. 78). En cela, il s'écarte de la décision du Conseil des Etats qui souhaitait limiter la responsabilité aux cas d'actes tombant sous le coup du droit pénal et du non-respect intentionnel ou par négligence grave des dispositions légales (FF 1991 II 204). Les corporations de droit public, les organisations fondatrices privées et les assureurs répondent donc si un organe ou un agent accomplit, en sa qualité d'organe d'exécution de la loi, un acte illicite et dommageable. Il doit en outre exister un rapport de causalité entre l'acte et le dommage. BGE 133 V 14 S. 19 Il n'est pas contesté, en l'espèce, que l'omission reprochée relève du domaine des attributions de l'office AI et que la recourante a subi un dommage. La question est donc de savoir si l'on est en présence d'un acte illicite et, dans l'affirmative, s'il existe un lien de causalité entre cet acte et le dommage. 8. 8.1 La condition de l'illicéité au sens de l' art. 3 al. 1 LRCF (auquel renvoie l' art. 78 al. 4 LPGA ) suppose que l'Etat, au travers de ses organes ou de ses agents, ait violé des prescriptions destinées à protéger un bien juridique. Une omission peut aussi constituer un acte illicite, mais il faut alors qu'il existât, au moment déterminant, une norme juridique qui sanctionnait explicitement l'omission commise ou qui imposait à l'Etat de prendre en faveur du lésé la mesure omise; un tel chef de responsabilité suppose donc que l'Etat ait une position de garant vis-à-vis du lésé et que les prescriptions qui déterminent la nature et l'étendue de ce devoir aient été violées (cf. ATF 123 II 583 consid. 4d/ff; ATF 118 Ib 476 consid. 2b; ATF 116 Ib 374 consid. 4c; PETER HÄNNI, Staatshaftung wegen Untätigkeit der Verwaltung, in Mélanges en l'honneur de Pierre Moor, Berne 2005, p. 342; JOST GROSS, Schweizerisches Staatshaftungsrecht, 2 e éd., Berne 2001, p. 175 ss). La jurisprudence a également considéré comme illicite la violation de principes généraux du droit (cf. ATF 118 Ib 476 consid. 2b; ATF 116 Ib 195 consid. 2a). Si le fait dommageable consiste dans l'atteinte d'un droit absolu (comme la vie ou la santé humaines, ou le droit de propriété), l'illicéité est d'emblée réalisée, sans qu'il soit nécessaire de rechercher si et de quelle manière l'auteur a violé une norme de comportement spécifique; on parle à ce propos d'illicéité dans le résultat (Erfolgsunrecht). Si, en revanche, le fait dommageable consiste en une atteinte à un autre intérêt (par exemple le patrimoine), l'illicéité suppose que l'auteur ait violé une norme de comportement ayant pour but de protéger le bien juridique en cause (Verhaltensunrecht) (cf. ATF 118 Ib 476 consid. 2b; PIERRE WESSNER, Au menu: boeuf, salades et fromages contaminés ou la notion d'illicéité dans tous ses états, in: Gastronomie, alimentation et droit, Mélanges en l'honneur de Pierre Widmer, Zurich 2003, p. 249 sv.). Exceptionnellement, l'illicéité dépend de la gravité de la violation. C'est le cas lorsque l'illicéité reprochée procède d'un acte juridique (une décision, un jugement). Dans ce cas, seule la violation d'une prescription importante des devoirs de fonction est susceptible BGE 133 V 14 S. 20 d'engager la responsabilité de l'Etat (cf. ATF 132 II 317 consid. 4.1; ATF 123 II 582 consid. 4d/dd ). 8.2 L'omission reprochée par la recourante aux organes de l'assurance-invalidité réside dans le fait que ceux-ci ne lui ont pas envoyé une formule de remboursement, bien qu'elle eût informé l'office AI qu'elle versait des avances et qu'elle eût clairement manifesté sa volonté de recevoir un tel document. La recourante soutient avoir subi un dommage de ce fait, car elle n'a pas été en mesure de récupérer sur les arriérés de rente versés à l'assuré tout ou partie des avances de salaire qu'elle a consenties à ce dernier avant que l'office AI rende sa décision de rente. L'intimé ne conteste pas ces manquements et admet avoir commis une erreur. Les premiers juges considèrent toutefois à ce propos qu'aucune disposition ne prescrit l'envoi à l'employeur d'une formule spéciale de remboursement des avances, ni la transmission d'une demande de versement de rente de l'employeur à la caisse de compensation compétente. Pour le reste, on peut douter qu'un simple oubli de l'office AI de faire suite à une demande de l'employeur constitue une violation d'un devoir essentiel de service. Il s'agit, selon les premiers juges, d'une simple inadvertance, qu'on ne saurait guère qualifier d'acte illicite. 8.3 Sous le titre "Versement de l'arriéré d'une rente au tiers ayant fait une avance", l' art. 85 bis RAI prévoit ceci: 1 Les employeurs, les institutions de prévoyance professionnelle, les assurances-maladie, les organismes d'assistance publics ou privés ou les assurances en responsabilité civile ayant leur siège en Suisse qui, en vue de l'octroi d'une rente de l'assurance-invalidité, ont fait une avance peuvent exiger qu'on leur verse l'arriéré de cette rente en compensation de leur avance et jusqu'à concurrence de celle-ci. Est cependant réservée la compensation prévue à l' art. 20 LAVS . Les organismes ayant consenti une avance doivent faire valoir leurs droits au moyen d'un formulaire spécial, au plus tôt lors de la demande de rente et, au plus tard au moment de la décision de l'office AI. 2 Sont considérées comme une avance, les prestations a. librement consenties, que l'assuré s'est engagé à rembourser, pour autant qu'il ait convenu par écrit que l'arriéré serait versé au tiers ayant effectué l'avance; b. versées contractuellement ou légalement, pour autant que le droit au remboursement, en cas de paiement d'une rente, puisse être déduit sans équivoque du contrat ou de la loi. BGE 133 V 14 S. 21 3 Les arrérages de rente peuvent être versés à l'organisme ayant consenti une avance jusqu'à concurrence, au plus, du montant de celle-ci et pour la période à laquelle se rapportent les rentes. Les avances librement consenties selon l' art. 85 bis al. 2 let. a RAI supposent le consentement écrit de la personne intéressée pour que le créancier puisse en exiger le remboursement. Dans l'éventualité de l' art. 85 bis al. 2 let. b RAI , le consentement n'est pas nécessaire; celui-ci est remplacé par l'exigence d'un droit au remboursement "sans équivoque". Pour que l'on puisse parler d'un droit non équivoque au remboursement à l'égard de l'AI, il faut que le droit direct au remboursement découle expressément d'une norme légale ou contractuelle (voir par exemple VSI 2003 p. 265, I 31/00; cf. aussi ATF 131 V 249 consid. 6.2). 8.4 L' art. 85 bis RAI n'est pas simplement destiné à protéger les intérêts publics en général. Il vise certes à favoriser une bonne coordination des assurances sociales, notamment par la prévention d'une surindemnisation pour une période pendant laquelle l'assuré reçoit rétroactivement une rente. Mais il vise aussi à sauvegarder les intérêts de tiers qui ont versé des avances à l'assuré en attendant qu'il soit statué sur ses droits. Les tiers lésés peuvent se prévaloir des règles sur le versement de l'arriéré dont la violation peut engager la responsabilité de l'assureur. C'est le cas quand celui-ci néglige de donner suite à une demande de remboursement en versant à l'assuré des arriérés qui auraient dû être rétrocédés à un tiers créancier. Le chiffre 13 du questionnaire rempli par l'employeur (en l'espèce la Commune de X.) vise à mettre en oeuvre l'application de l' art. 85 bis RAI de manière à permettre à l'employeur d'exercer son droit au remboursement. Il fixe des modalités qui tendent à protéger de manière efficace les droits du créancier. A partir du moment où l'office AI est en possession d'une demande de remboursement de l'employeur, il est tenu d'en garantir la bonne exécution par l'envoi de la formule spéciale ou par un autre moyen approprié. Même si la loi ne sanctionne pas, formellement, l'omission de l'envoi de la formule spéciale, on doit assimiler ce manquement à l'inexécution par l'office AI d'une demande de remboursement présentée en bonne et due forme. Au demeurant, le principe de la bonne foi commande également que l'administration respecte la procédure qu'elle a elle-même instituée à l'égard de l'employeur créancier (cf. art. 5 al. 3 Cst. ). Peu importe par ailleurs que l'acte BGE 133 V 14 S. 22 omis ne constitue pas une violation essentielle d'un devoir de fonction (supra consid. 8.1 in fine). On doit ainsi admettre, contrairement à l'opinion de la juridiction cantonale, que l'omission de l'office AI constitue en l'espèce un acte illicite. 9. 9.1 Les premiers juges considèrent en outre qu'il n'y a pas de lien de causalité entre l'omission de l'office AI et le dommage. En effet, A. n'a pas donné, après coup, son accord écrit au versement de l'arriéré directement en mains de la commune. Si l'office AI avait envoyé en temps opportun la formule de demande de versement du paiement rétroactif, cela n'aurait pas empêché la survenance du dommage allégué, car l'intéressé n'aurait de toute façon pas consenti au paiement d'arriérés éventuels en faveur de la commune. 9.2 Dès lors que le manquement retenu consiste en une omission, l'établissement du lien de causalité revient à se demander si l'accomplissement de l'acte omis aurait empêché la survenance du résultat dommageable (causalité hypothétique). En cette matière, la jurisprudence n'exige pas une preuve stricte. Il suffit que le juge parvienne à la conviction qu'une vraisemblance prépondérante plaide pour un certain cours des événements ( ATF 132 III 311 consid. 3.5; ATF 115 II 449 consid. 6a). 9.3 En l'espèce, le refus de A. a été signifié après la décision de rente et après que l'intéressé a reçu les paiements arriérés. Or, la commune a versé un salaire jusqu'au 31 juillet 2003. Si l'office AI avait retourné la formule de cession après réception du questionnaire de l'employeur (janvier 2003), on peut penser que l'assuré aurait cédé d'éventuels arriérés de rente afin d'éviter que la commune ne mît fin au versement du salaire. En outre, comme le relève la recourante, l'art. 45 du statut du personnel de l'administration communale prévoit qu'en cas d'absence due à une maladie ou un accident professionnel, le traitement est payé en entier pendant toute la durée de l'incapacité de travail et au plus tard jusqu'à l'obtention d'une rente AI. Cette même disposition prévoit que pendant les périodes d'absence (pour cause d'incapacité de travail), les prestations d'assurances sociales sont acquises à l'employeur jusqu'à concurrence du traitement versé par lui. On peut considérer que cette norme de droit public confère, sans équivoque, un droit au remboursement des arriérés de rente, conformément à BGE 133 V 14 S. 23 l' art. 85 bis al. 2 let. b RAI (voir à propos d'une norme analogue de droit public VSI 2002 p. 167 sv. consid. 5b/bb, I 282/99; voir aussi les arrêts publiés dans VSI 2003 p. 265, I 31/00 et 2002 p. 163, I 282/99 dans lesquels le Tribunal fédéral des assurances n'a pas admis un droit au remboursement s'agissant d'une clause de restitution qui s'adressait à l'assuré et insérée dans des conditions générales d'assurance). On peut donc en inférer que le consentement de l'assuré n'était certainement pas nécessaire en l'espèce. En cas de refus de l'assuré de céder ses droits aux arrérages de rente, la commune aurait encore eu la possibilité d'en obtenir le remboursement en invoquant un droit découlant d'une norme de droit public. 10. 10.1 Selon les premiers juges, on pouvait, en tout état de cause, attendre de la commune qu'elle interpelle l'office AI avant la fin de l'année 2003, ce qui aurait fait apparaître le défaut de communication de la formule spéciale avant la notification de la décision de rente. Cela se justifiait d'autant plus que le contrat de travail avait été résilié au cours de l'année 2003, ce qui devait inciter l'employeur à plus de diligence pour contrôler le déroulement de la procédure en matière d'assurance-invalidité. En outre, en répondant, le 15 octobre 2003, à une lettre que lui avait adressée l'office AI le 13 octobre 2003 (relative au rendement de l'assuré), la commune aurait dû constater, en faisant preuve d'attention, qu'elle n'avait toujours pas reçu la formule de demande de versement des paiements rétroactifs de rente, ce qui aurait dû l'amener à s'enquérir au sujet de ce manquement auprès de l'office AI. Les premiers juges soulèvent - sans toutefois la trancher - la question d'une faute propre du lésé de nature à interrompre le lien de causalité entre l'omission reprochée et le préjudice allégué. 10.2 La causalité adéquate peut être exclue, c'est-à-dire interrompue, l'enchaînement des faits perdant alors sa portée juridique, lorsqu'une autre cause concomitante - la force majeure, la faute ou le fait d'un tiers, la faute ou le fait de la victime - constitue une circonstance tout à fait exceptionnelle ou apparaît si extraordinaire que l'on ne pouvait pas s'y attendre. L'imprévisibilité de l'acte concurrent ne suffit pas en soi à interrompre le rapport de causalité adéquate; il faut encore que cet acte ait une importance telle qu'il s'impose comme la cause la plus probable et la plus immédiate de l'événement considéré, reléguant à l'arrière-plan tous les autres facteurs qui ont contribué à l'amener, en particulier le BGE 133 V 14 S. 24 comportement de l'auteur ( ATF 130 III 188 consid. 5.4; consid. 5 de l'arrêt du 13 septembre 2005 [4C.422/2004] non publié aux ATF 132 III 122 ). Tel n'est pas le cas en l'espèce. On pouvait certes s'attendre à ce que la commune relance l'administration afin d'obtenir la formule demandée. D'un autre côté, on peut comprendre que la commune n'ait pas entrepris de démarches particulières en partant de l'idée qu'elle avait fait le nécessaire pour obtenir le remboursement de ses avances, d'autant qu'elle pouvait s'attendre à ce que la décision de rente de l'assurance-invalidité n'intervînt pas dans l'immédiat (voir la remarque 4 à laquelle renvoie le ch. 13 du questionnaire à l'employeur). En négligeant de s'inquiéter sur la suite qui avait été faite à sa demande de remboursement, elle n'a pas commis une faute lourde au point de rendre inadéquate l'omission des organes de l'assurance-invalidité. 10.3 Quant à la question de savoir si l'on est en présence d'une faute propre, susceptible d'entraîner une réduction du dommage ( art. 4 LRCF en corrélation avec l' art. 78 al. 4 LPGA ), il appartiendra au Tribunal des assurances du canton de Vaud, à qui la cause sera renvoyée, de la trancher (infra consid. 11). 11. En conclusion, les conditions de la responsabilité prévues par l' art. 78 al. 1 LPGA - en particulier un acte illicite et un lien de causalité entre l'omission et le dommage subi - sont réalisées. Il convient, en conséquence, de renvoyer la cause à la juridiction cantonale pour qu'elle établisse le montant du dommage, qui correspond au montant rétroactif auquel aurait pu prétendre la recourante, compte tenu, par ailleurs, des prétentions au remboursement de l'assureur-maladie et de l'institution de prévoyance. 12. (Frais) 13. (Depens)
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Sachverhalt ab Seite 241 BGE 134 III 241 S. 241 X. wurde am 2. September 1943 während der Ehe von Y. und Z. geboren. Die Ehe wurde um 1950 geschieden. Am 6. Dezember 2005 erhob X. beim Bezirksgericht Baden Klage gegen ihre (wiederverheirate) Mutter Z. und den vormaligen Ehemann Y. und beantragte die Feststellung, dass Y. nicht ihr Vater sei. Mit Urteil vom 28. November 2006 wies das Bezirksgericht Baden die Klage ab. Zur Begründung hielt es im Wesentlichen fest, die Klage auf Anfechtung der Vermutung der Vaterschaft des Ehemannes ( Art. 256 ZGB ) sei verspätet und es lägen keine wichtigen Gründe im Sinne von Art. 256c Abs. 3 ZGB vor, um die Klagefrist wiederherzustellen. Sodann hat das Bezirksgericht einen Anspruch der Beschwerdeführerin auf (blosse) Kenntnis der eigenen genetischen Abstammung vom hochbetagten, sich einem DNA-Test widersetzenden Y. verneint. BGE 134 III 241 S. 242 Gegen das Urteil des Bezirksgerichts erhob X. Appellation, welche das Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 2. Kammer, mit Urteil vom 11. Juli 2007 abwies. Mit Eingabe vom 11. September 2007 führt X. Beschwerde in Zivilsachen und beantragt dem Bundesgericht, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass Y. nicht ihr Vater sei. Y. (Beschwerdegegner) beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Z. (Beschwerdegegnerin) hat sich nicht vernehmen lassen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. 5.1 Das Obergericht hat die Klage der Beschwerdeführerin auf Anfechtung der Ehelichkeitsvermutung gemäss Art. 256 ZGB zu Recht abgewiesen. Damit bleibt der Beschwerdegegner der rechtliche Vater der Beschwerdeführerin. Das Obergericht hat - mit Bezug auf die beantragte (blosse) Feststellung der Abstammung - geprüft, ob gestützt auf Art. 8 EMRK ein grundrechtlicher Anspruch auf Kenntnis der eigenen Abstammung bestehe, welcher der Beschwerdeführerin unabhängig von der Anfechtungsklage zustehe. Es hat unter Hinweis auf das Urteil des EGMR i.S. Jäggi gegen Schweiz vom 13. Juli 2006 (VPB 70/2006 Nr. 116 S. 1894) anerkannt, dass die Beschwerdeführerin ein gewichtiges Interesse habe, ihre leiblichen Eltern zu kennen. Die Vorinstanz hat sich im Rahmen einer Abwägung der Interessen auf die Vorbringen des Beschwerdegegners gestützt, wonach er wegen seines hohen Alters (90 Jahre) nicht bereit sei, sich einer DNA-Untersuchung zu unterziehen und er "die Angelegenheit" auf sich ruhen lassen wolle. Der Beschwerdegegner habe geltend gemacht, dass ihn die wissenschaftliche Gewissheit, die Beschwerdeführerin sei nicht seine leibliche Tochter, psychisch zu stark belasten würde und der Arzt ihm die Untersuchung wegen des Alters ausgeredet habe; er wolle damit nichts mehr zu tun haben, zumal "es ja als erwiesen anzusehen sei". Gestützt auf diese Vorbringen hat die Vorinstanz geschlossen, dass sich der Beschwerdegegner auf schwerwiegende Interessen berufe und sich aus gerechtfertigten Gründen gegen den Eingriff in seine körperliche und psychische Integrität wehre. Die Beschwerdeführerin selber lässt offen, ob ein absoluter Anspruch auf Kenntnis der eigenen, BGE 134 III 241 S. 243 genetischen Abstammung bestehe. Sie beruft sich einzig auf die EMRK und rügt, dass die nach Art. 8 EMRK vorzunehmende Interessenabwägung jedenfalls dazu führe, ihren Anspruch auf Kenntnis der eigenen Abstammung zuzulassen. 5.2 Umstritten ist, ob und unter welchen Voraussetzungen die Beschwerdeführerin als volljähriges und eheliches Kind Anspruch auf Kenntnis der eigenen Abstammung hat. 5.2.1 Nach dem Urteil des EGMR i.S. Jäggi (Ziff. 38 und 40) umfasst das Recht auf Achtung des Privatlebens gemäss Art. 8 EMRK wichtige Aspekte der persönlichen Identität; zu diesen gehört die Kenntnis der eigenen Abstammung, wobei das fortgeschrittene Alter einer Person deren Interesse an der Kenntnis der eigenen Abstammung in keiner Weise verringert. Wer versucht, seine Abstammung zu erfahren, hat ein schwerwiegendes und von der EMRK geschütztes Interesse daran, die hierfür verfügbaren Informationen zu erhalten. Der EGMR geht im Urteil i.S. Jäggi (Ziff. 43) davon aus, dass die Regeln über die Zulässigkeit der Vaterschaftsklage nicht als Argument zum Schutz der Rechtssicherheit genügen, um einem Kind das Recht auf Kenntnis der eigenen (genetischen) Abstammung zu verweigern. Das Obergericht hat daher zu Recht geprüft, ob die Beschwerdeführerin Anspruch auf Kenntnis der eigenen Abstammung hat, obwohl die Anfechtungsklage (gemäss Art. 256c Abs. 2 und 3 ZGB ) verwirkt ist. Weiter hat der EGMR anerkannt, dass bei der Beurteilung des Anspruchs auf Kenntnis der eigenen Abstammung notwendig ist, die Rechte Dritter zu schützen; dies kann die Möglichkeit, jemanden zu einer medizinischen Analyse wie einem DNA-Test zu zwingen, ausschliessen (Ziff. 38 im Urteil i.S. Jäggi ; in Bestätigung des Urteils des EGMR i.S. Mikulic gegen Kroatien vom 7. Februar 2002, Ziff 64; vgl. SAMANTHA BESSON, Das Grundrecht auf Kenntnis der eigenen Abstammung, ZSR 124/2005 I S. 58). Das Obergericht hat diese Rechtsprechung, wonach Interessen Dritter vorbehalten sind, nicht verletzt, wenn es eine konkrete Interessenabwägung vorgenommen hat (Ziff. 37 und 38 im Urteil i.S. Jäggi ; REGINA E. Aebi-Müller, EGMR-Entscheid Jäggi c. Suisse: Ein Meilenstein zum Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung?, Jusletter 2. Oktober 2006, Rz. 8). 5.2.2 In der schweizerischen Lehre ist anerkannt, dass das Wissen über die genetische Abstammung für den Einzelnen auch BGE 134 III 241 S. 244 unabhängig von einer rechtlichen Zuordnung von Bedeutung sein kann (vgl. REGINA E. AEBI-MÜLLER, Abstammung und Kindesverhältnis - wo stehen wir heute?, in: Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 2007, Zürich 2007, S. 129 ff.; AUDREY LEUBA/PHILIPPE MEIER/SUZETTE SANDOZ, Quelle famille pour le XXI ème siècle?, in: Rapports suisses présentés au XVI ème Congrès international de droit comparé, Bd. I, Zürich 2002, S. 168; SABRINA BURGAT/OLIVIER GUILLOD, Les actions tendant à la destruction du lien de la filiation, spécialement l'action en désaveu de paternité, in: Bohnet [Hrsg.], Quelques actions en annulation, Neuenburg 2007, Ziff. 151, S. 48 f.). Das Bundesgericht hat bereits entschieden, dass der Anspruch, die leiblichen Eltern zu kennen, dem volljährigen Adoptivkind von Verfassungs wegen unabhängig von einer Abwägung mit entgegenstehenden Interessen zusteht und entsprechend unbedingt sei; es handelt sich um ein unverzichtbares und nicht verwirkbares Recht ( BGE 128 I 63 E. 5 S. 77 f.). Wenn das Recht auf Achtung des Privatlebens wichtige Aspekte der persönlichen Identität einschliesslich der Kenntnis der eigenen, genetischen Abstammung gewährt, muss dieses Recht grundsätzlich allen Kindern zustehen, also auch einem - wie der Beschwerdeführerin - in der Ehe geborenen Kind (vgl. ANDREA BÜCHLER, Sag mir, wer die Eltern sind ... Konzeptionen rechtlicher Elternschaft im Spannungsfeld genetischer Gewissheit und sozialer Geborgenheit, AJP 2004 S. 1183). Allerdings unterscheidet sich die Lage des ehelichen (oder ausserehelichen) Kindes von derjenigen des Adoptivkindes: Es liegen keine Daten im Zivilstandsregister oder bei Behörden vor, sondern diese müssen von den involvierten Personen eingebracht werden; dies macht den Zugang zur Kenntnis nicht nur in praktischer Hinsicht, sondern wegen der rechtlich geschützten Interessen der anderen Parteien auch in rechtlicher Hinsicht schwieriger (vgl. BESSON, a.a.O., S. 61 f.). Die staatlichen Organe haben jedoch dafür zu sorgen, dass die Grundrechte, soweit sie sich dazu eignen, auch unter Privaten wirksam werden ( Art. 35 Abs. 3 BV ). 5.3 Zu prüfen ist, auf welche privatrechtliche Grundlage sich der Anspruch auf Kenntnis der eigenen Abstammung stützen kann, wenn er unter Privaten geltend gemacht wird und wenn beteiligte Personen - wie der Beschwerdegegner - sich weigern, für Abklärungen zur Verfügung zu stehen. Denn ohne Zustimmung der betroffenen Person sind genetische Untersuchungen nur gestützt auf eine besondere gesetzliche Grundlage auf Anordnung des Gerichts BGE 134 III 241 S. 245 zulässig (Art. 5 Abs. 1 und Art. 32 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 8. Oktober 2004 über genetische Untersuchungen beim Menschen [GUMG; SR 810.12]). 5.3.1 Der Anspruch auf Erforschung der eigenen Herkunft gehört nach allgemeiner Auffassung zum von Art. 28 ZGB gewährleisteten Schutz der Identität (MARIO M. PEDRAZZINI/NIKLAUS OBERHOLZER, Grundriss des Personenrechts, 4. Aufl., Bern 1993, Ziff. 6.4.2.3.2, S. 136). Sodann entspringt aus der zwischen Eltern und Kindern geltenden Beistandspflicht gemäss Art. 272 ZGB die Pflicht zur gegenseitigen Information, soweit diese zur Wahrung schutzwürdiger Interessen erforderlich ist (INGEBORG SCHWENZER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 3. Aufl. 2006, N. 5 zu Art. 272 ZGB ). Auch wenn die Pflichten aus Art. 272 ZGB grundsätzlich nicht klagbar sind (vgl. SCHWENZER, a.a.O., N. 9 zu Art. 272 ZGB ), so ergibt sich aus dieser Leitbildnorm und einer grundrechtskonformen Auslegung des privatrechtlichen Schutzes der Identität, dass sich das Kind zur Geltendmachung seines Anspruchs auf Kenntnis der eigenen Abstammung auf das Persönlichkeitsrecht berufen kann (vgl. MÉLANIE BORD, Existe-t-il un droit général d'accéder aux données relatives à ses origines?, in: Bord/Premand/Sandoz/Piotet [Hrsg.], Le droit à la connaissance de ses origines, Genf 2006, S. 59; AEBI-MÜLLER, EGMR-Entscheid Jäggi, a.a.O., Rz. 6). 5.3.2 Für die Mitwirkungspflicht, aber auch die Aktiv- und Passivlegitimation im Rahmen der Durchsetzung des Anspruchs ausserhalb einer im Gesetz vorgesehenen Statusklage ist die verfahrensrechtliche Grundlage zu klären. Die Feststellung der Vaterschaft bildet Gegenstand einer Vorfrage in der Statusklage ( BGE 79 II 253 E. 4 S. 259), welche das Kindesverhältnis und damit ebenfalls die persönlichen Verhältnisse im Sinne von Art. 28 Abs. 1 ZGB regelt ( BGE 108 II 344 E. 1b S. 348). Vorliegend wird die Statusklage zusätzlich mit dem Antrag auf blosse Feststellung der eigenen Abstammung verbunden, jedoch sind die Klagevoraussetzungen zur Statusklage nicht gegeben. Da Gegenstand der Statusklagen ebenfalls die Aufklärung der Abstammung ist, erscheint aufgrund des Sachzusammenhangs in verfahrensrechtlicher Hinsicht naheliegend, für die Durchsetzung des Anspruchs auf Kenntnis der eigenen Abstammung die Mitwirkungspflicht für Statusklagen in analoger Weise anzuwenden, ohne dass die Rechtswirkungen der Statusklage eintreten (in diesem Sinn ["Klage eigener Art"] VINCENT STAUFFER, Les secrets et la détermination des liens biologiques entre BGE 134 III 241 S. 246 individus par des tests génétiques, in: Zen-Ruffinen [Hrsg.], Les secrets et le droit, Genf 2004, S. 184; JEANINE DE VRIES REILINGH, Le droit fondamental de l'enfant à connaître son ascendance, AJP 2003 S. 371; a.M. wohl PHILIPPE MEIER/MARTIN STETTLER, Droit de la filiation, Bd. I, 3. Aufl., Genf 2005, Rz. 383 f.: persönlichkeitsrechtliche Klage). Die analoge Anwendung von Art. 254 Ziff. 2 ZGB bei Anfechtung der Ehelichkeitsvermutung bedeutet, dass die Beschwerdeführerin den Auskunftsanspruch zu Recht gegen die Mutter und den als Vater vermuteten Ehemann richtet und die Parteien und Dritte an Untersuchungen mitzuwirken haben, die zur Aufklärung der Abstammung nötig sind, und ohne Gefahr für die Gesundheit sind (vgl. BGE 112 Ia 248 E. 3 S. 249; Urteil 5P.466/2001 vom 20. Februar 2002, E. 5c, zusammengefasst in: Zeitschrift für Datenrecht und Informationssicherheit [digma] 2002 S. 91). 5.4 Bleibt zu prüfen, ob dem persönlichkeitsrechtlichen Interesse der Beschwerdeführerin auf Kenntnis der eigenen Abstammung ein überwiegendes Interesse des Persönlichkeitsschutzes der Eltern entgegensteht (vgl. Art. 28 Abs. 2 ZGB ). 5.4.1 Vorliegend steht ausser Frage, dass die Beschwerdeführerin hinreichenden Anlass hat, um ihren Anspruch auf Kenntnis der eigenen Abstammung geltend zu machen; es gibt keinen Hinweis, dass die Durchsetzung auf blosser persönlicher Animosität gründen würde (vgl. MEIER/STETTLER, a.a.O., Rz. 384 und Fn. 732). Die Beschwerdeführerin ist volljährig, weshalb Interessen, welche ein Minderjähriger an einem festen familiären Identifikationsgefüge hat und welche der Untersuchung zur Klärung der Frage, ob der soziale bzw. rechtliche Vater auch sein genetischer Vater ist, entgegenstehen (vgl. Art. 268c Abs. 1 ZGB ), nicht zu erörtern sind. 5.4.2 Der Beschwerdegegner hat wohl ein Interesse, dass die biologische Vaterschaft nicht überprüft wird; denn er könnte das Kind seiner Ehegattin als sein eigenes erzogen haben. Der Einwand des Beschwerdegegners, er wolle wegen seines hohen Alters mit der Sache nichts zu tun haben und die allfällige Gewissheit, dass er nicht der leibliche Vater sei, vermögen indessen das grundsätzlich hoch einzustufende Interesse der Beschwerdeführerin an der Kenntnis der eigenen Abstammung nicht zurückzudrängen, zumal er sich offenbar selber bereits damit abgefunden hat, dass "es ja erwiesen sei", mithin er wohl nicht der leibliche Vater sei. Unter diesen Umständen ist nicht gerechtfertigt, von der Beschwerdeführerin zu BGE 134 III 241 S. 247 verlangen, ein existenzielles Aufklärungsbedürfnis, welches durch die Sicherheit über die Abstammung behoben werden kann, näher darzulegen (Urteil i.S. Jäggi , Ziff. 40). Insoweit ist kein gewichtiger Grund ersichtlich, welcher den Beschwerdegegner in seinen persönlichen Rechten ernsthaft berühren würde. 5.4.3 Bei der Entnahme eines Wangenschleimhautabstriches sowie bei der Blutentnahme handelt es sich um leichte Eingriffe in das Recht auf körperliche Integrität, wenn keine aussergewöhnlichen gesundheitlichen Risiken bestehen ( BGE 124 I 80 E. 2d S. 82; BGE 128 II 259 E. 3.3 S. 269). Vorliegend besteht kein Anhaltspunkt, dass die Durchführung des Tests die Gesundheit des 90-jährigen Beschwerdegegners beeinträchtigen könnte und daher unverhältnismässig sei. Im Weiteren hat die Beschwerdegegnerin (als Mutter) keine Interessen geltend gemacht, welche dem Anspruch ihres Kindes auf Klärung der Abstammung entgegenstehen könnten. Die Beschwerdeführerin rügt daher zu Recht, dass die vorinstanzliche Interessenabwägung nicht haltbar ist. Ihr Anspruch auf Kenntnis der eigenen Abstammung ist zu ihrem Schutz gerechtfertigt; die Durchsetzung ist zumutbar und unter dem Blickwinkel des Verhältnismässigkeitsprinzips nicht zu beanstanden. 5.5 Nach dem Dargelegten ist die Beschwerde insoweit begründet und gutzuheissen, als der Beschwerdeführerin der Anspruch auf Auskunft zur Feststellung der eigenen Abstammung verweigert wurde. In diesem Punkt ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie gegenüber den Mitwirkungspflichtigen die Anordnungen zur Durchsetzung des Anspruchs treffe, zumal die Regelung des Verfahrens und die zur Duldungspflicht erforderlichen Zwangsmittel grundsätzlich vom kantonalen Recht bestimmt werden (vgl. MEIER/STETTLER, a.a.O., Rz. 215; Urteil 5P.444/2004 vom 2. Mai 2005, E. 3.3, FamPra.ch 2005 S. 944 f.).
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Sachverhalt ab Seite 1 BGE 135 III 1 S. 1 A. Am 25. Juli 2006 unterzeichnete A. (Beschwerdeführer 1) den Antrag für eine Privatkundenversicherung der X. BGE 135 III 1 S. 2 Versicherungsgesellschaft AG (Beschwerdegegnerin). Darin wurde auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen Ausgabe 2005 (AGB 2005) als weitere Vertragsgrundlage verwiesen. In der Folge stellte die Beschwerdegegnerin die Police aus. Der Versicherungsvertrag dauert bis zum 1. Januar 2010; die Jahresprämie beläuft sich auf Fr. 410.10. Die Laufzeit der Hausrat- und Privathaftpflichtversicherung von B. (Beschwerdeführer 2) begann am 12. September 2002. In der Police wurden die allgemeinen Geschäftsbedingungen 1996 als Vertragsgrundlage genannt. Aufgrund einer Adressänderung unterzeichnete der Beschwerdeführer 2 einen neuen Versicherungsantrag der Beschwerdegegnerin, worin die AGB 2005 als Vertragsgrundlage bezeichnet waren. Gemäss der Police dauert der Versicherungsvertrag bis zum 1. Oktober 2011; die Jahresprämie beträgt Fr. 317.90. Anfang November 2006 teilte die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführern mit, dass aufgrund einer Anordnung des Bundesamts für Privatversicherungen per 1. Januar 2007 deutlich höhere Haftungslimiten, angepasste Selbstbehalte und massvoll erhöhte Prämiensätze gelten würden. Mit Schreiben vom 16. November 2006 bzw. 21. Dezember 2006 kündigten die Beschwerdeführer die Versicherungsverträge je per 31. Dezember 2006. Die Beschwerdegegnerin lehnte beide Kündigungen unter Hinweis auf Ziffer 4 der AGB 2005 ab. Diese Bestimmung lautet wie folgt: "4. Änderung der Prämien, Selbstbehalte und Leistungsbegrenzungen Die X. kann eine Anpassung der Prämien und der Selbstbehalte auch für bestehende Verträge ab folgendem Versicherungsjahr verlangen. Die neuen Vertragsbestimmungen werden dem Versicherungsnehmer spätestens 25 Tage vor Ablauf des Versicherungsjahres bekannt gegeben. Ist der Versicherungsnehmer mit der Anpassung nicht einverstanden, kann er den gesamten oder den von der Änderung betroffenen Teil auf Ende des laufenden Versicherungsjahres kündigen. Die Kündigung ist rechtzeitig erfolgt, wenn sie spätestens am letzten Tag des Versicherungsjahres schriftlich bei der X. eintrifft. Schreibt eine Bundesbehörde bei einer gesetzlich geregelten Deckung (z.B. Elementarschäden) eine Änderung der Prämien, der Selbstbehalte, der Entschädigungsgrenzen oder des Deckungsumfanges vor, so kann die X. ab folgendem Versicherungsjahr eine entsprechende Anpassung des Vertrages vornehmen. In diesem Fall besteht kein Kündigungsrecht. Erhält die X. bis zum Ende des laufenden Versicherungsjahres keine Kündigung, gilt dies als Zustimmung zu den Vertragsänderungen." BGE 135 III 1 S. 3 B. Nach erfolglosem Vermittlungsverfahren reichten die Beschwerdeführer Klage beim Kreisgerichtspräsidium St. Gallen ein. Sie beantragten, es sei festzustellen, dass die mit der Beschwerdegegnerin geschlossenen Hausrat- und Privathaftpflichtversicherungsverträge durch die Kündigung des Beschwerdeführers 1 vom 16. November 2006 bzw. des Beschwerdeführers 2 vom 21. Dezember 2006 je auf den 31. Dezember 2006 aufgehoben worden sind. Mit Entscheid vom 15. April 2008 verneinte das Kreisgerichtspräsidium St. Gallen die objektive Ungewöhnlichkeit von Ziff. 4 Abs. 2 der AGB 2005 der Beschwerdegegnerin und wies die Klagen ab. C. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragen die Beschwerdeführer dem Bundesgericht, den Entscheid des Kreisgerichtspräsidiums St. Gallen vom 15. April 2008 aufzuheben. Sie stellen die gleichen Rechtsbegehren wie vor der Vorinstanz. Die Beschwerdegegnerin beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventualiter sie abzuweisen. Die Vorinstanz beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und hebt den angefochtenen Entscheid auf. Es stellt fest, dass die Hausrat- und Privathaftpflichtversicherungsverträge durch Kündigung aufgehoben worden sind.
1,625
610
Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Das Bundesgericht überprüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein Rechtsmittel zulässig ist ( BGE 134 III 115 E. 1 S. 117, BGE 134 III 379 E. 1 S. 381). 1.2 Die Beschwerde in Zivilsachen ist gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen zulässig ( Art. 75 Abs. 1 BGG ). Dies setzt voraus, dass die vor Bundesgericht erhobenen Rügen mit keinem kantonalen Rechtsmittel hätten geltend gemacht werden können. Gemäss Art. 225 Abs. 1 ZPO /SG ist die Berufung an das Kantonsgericht ausgeschlossen, wenn der Streitwert - wie im vorliegenden Fall - weniger als Fr. 8'000.- beträgt. In diesen Fällen kann nach Art. 254 Abs. 1 ZPO /SG Rechtsverweigerungsbeschwerde beim Kantonsgericht erhoben werden. Da die Beschwerdeführer jedoch nicht rügen, die Kreisgerichtspräsidentin habe in Ausübung der Befugnisse willkürlich gehandelt ( Art. 254 Abs. 1 lit. c ZPO /SG) und auch keinen BGE 135 III 1 S. 4 anderen in Art. 254 Abs. 1 ZPO /SG aufgeführten Grund geltend machen, erweist sich der angefochtene Entscheid als letztinstanzlich. Gemäss Art. 75 Abs. 2 BGG haben die Kantone grundsätzlich zwei Instanzen vorzusehen, denen mindestens die gleiche Kognition wie dem Bundesgericht zukommen muss (Art. 75 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 111 Abs. 3 BGG ). Zur notwendigen Anpassung steht den Kantonen eine Übergangsfrist zu, die noch nicht abgelaufen ist ( Art. 130 Abs. 2 BGG ). Demnach ist für die Annahme der Letztinstanzlichkeit unerheblich, dass es sich beim Kreisgerichtspräsidium nicht um ein oberes Gericht im Sinne von Art. 75 Abs. 2 BGG handelt. 1.3 In vermögensrechtlichen Angelegenheiten ist die Beschwerde in Zivilsachen grundsätzlich nur gegeben, wenn der Streitwert mindestens Fr. 30'000.- beträgt ( Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG ). Erreicht der Streitwert den massgebenden Betrag nicht, ist sie dennoch zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt ( Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG ). Dieser Begriff ist restriktiv auszulegen. Soweit es bei der aufgeworfenen Frage lediglich um die Anwendung von Grundsätzen der Rechtsprechung auf einen konkreten Fall geht, handelt es sich nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ( BGE 134 III 115 E. 1.2 S. 117; BGE 133 III 493 E. 1.1 und 1.2 S. 495 f.). Die Voraussetzung von Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG ist hingegen erfüllt, wenn ein allgemeines Interesse besteht, dass eine umstrittene Frage höchstrichterlich geklärt wird, um eine einheitliche Anwendung und Auslegung des Bundesrechts herbeizuführen und damit Rechtssicherheit herzustellen ( BGE 133 III 645 E. 2.4 S. 648 f.). Eine neue Rechtsfrage kann vom Bundesgericht sodann beurteilt werden, wenn dessen Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann, namentlich wenn von unteren Instanzen viele gleichartige Fälle zu beurteilen sein werden (vgl. Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4309). Auch eine vom Bundesgericht bereits entschiedene Rechtsfrage kann unter der Voraussetzung von grundsätzlicher Bedeutung sein, dass sich die erneute Überprüfung aufdrängt. Dies kann zutreffen, wenn die Rechtsprechung nicht einheitlich oder in der massgebenden Lehre auf erhebliche Kritik gestossen ist ( BGE 134 III 354 E. 1.5 S. 357 f. mit Bezug auf die Bestimmung der Kündigungsfrist gemäss Art. 336c Abs. 2 OR ) oder wenn in der Zwischenzeit neue Gesetzesbestimmungen in Kraft BGE 135 III 1 S. 5 getreten sind ( BGE 134 III 115 E. 1.2 S. 117). Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, ist in der Beschwerdeschrift auszuführen, warum diese Voraussetzung erfüllt ist ( Art. 42 Abs. 2 BGG ). 1.3.1 Die Beschwerdeführer bilden eine einfache Streitgenossenschaft. Da sich ihre geltend gemachten Begehren nicht gegenseitig ausschliessen, werden sie zur Bestimmung des Streitwerts zusammengerechnet ( Art. 52 BGG ). Im vorliegenden Fall ist der Streitwert von Fr. 30'000.- dennoch nicht erreicht. Die Beschwerdeführer bringen vor, es stelle sich die Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob es der Grundsatz "pacta sunt servanda" zulasse, dass der Versicherer das Risiko einer Vertragsänderung einseitig auf den Versicherungsnehmer abwälzen könne, ohne diesem ein Korrektiv in Form des Kündigungsrechts einzuräumen. Zur Begründung führen die Beschwerdeführer aus, die Rechtslage im Zusammenhang mit Versicherungsverträgen sei seit längerer Zeit im Umbruch und von grosser Unsicherheit geprägt. Die Aufsichtsbehörde habe früher eine Prämienanpassungsregel ohne Kündigungsrecht nicht genehmigt. Im deregulierten Markt bestehe keine Genehmigungspflicht mehr. Art. 38 des Vorentwurfs vom 31. Juli 2006 zum Versicherungsvertragsgesetz (VE-VVG) wiederum sehe eine Prämienanpassungsklausel mit Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers vor und zwar unabhängig davon, ob die einseitige Vertragsanpassung durch den Versicherer behördlich motiviert oder nach Gutdünken erfolge. Aufgrund der Übergangsbestimmungen des VE-VVG wären diese Klauseln unter Umständen während einiger Zeit bis zum Ablauf der langjährigen Versicherungsverträge nach Inkrafttreten des VVG gültig. Neben der Beschwerdegegnerin hätten in der Zwischenzeit auch andere Versicherer das Kündigungsrecht für den Fall der behördlich motivierten einseitigen Vertragsanpassung ausgeschlossen. Die Auffassung der Vorinstanz, wonach eine behördlich motivierte Vertragsanpassung kein Fall einer einseitigen Vertragsanpassung sei und somit kein ausserordentliches Kündigungsrecht zur Folge habe, führe zu einer uneinheitlichen Anwendung von Bundesrecht. Schliesslich sei die Frage für eine Vielzahl von Personen relevant, weil die Kündigung etlichen Versicherungsnehmern verweigert werde. Mit diesen Ausführungen zeigen die Beschwerdeführer auf, weshalb ihres Erachtens eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, und kommen - entgegen der Ansicht BGE 135 III 1 S. 6 der Beschwerdegegnerin - der Begründungspflicht von Art. 42 Abs. 2 BGG nach. 1.3.2 Gemäss Art. 175 und Art. 176 Abs. 2 der Verordnung vom 9. November 2005 über die Beaufsichtigung von privaten Versicherungsunternehmen (Aufsichtsverordnung, AVO; SR 961.011) gelten seit dem 1. Januar 2007 höhere Deckungslimiten sowie geänderte Selbstbehalte in der Elementarschadenversicherung. Weder das Bundesgesetz vom 17. Dezember 2004 betreffend die Aufsicht über Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz, VAG; SR 961.01) noch das Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG; SR 221.229.1) enthalten Bestimmungen hinsichtlich des Kündigungsrechts der Versicherungsnehmer im Zusammenhang mit diesen Anpassungen. Das Bundesgericht hat die Frage noch nie entschieden, ob dem Versicherungsnehmer ein Kündigungsrecht zusteht, wenn eine Bundesbehörde eine Änderung der Prämien, der Selbstbehalte, der Entschädigungsgrenzen oder des Deckungsumfangs bei einer gesetzlich geregelten Deckung vorschreibt und das Versicherungsunternehmen in der Folge den Versicherungsvertrag anpasst. Der Entscheid über diese Frage kann für die Praxis wegleitend sein. Die umstrittene Klausel ist in den AGB 2005 der Beschwerdegegnerin enthalten, die für zahlreiche Versicherungsverträge angewendet werden. Somit ist eine Vielzahl von Personen von Ziff. 4 Abs. 2 AGB 2005 potentiell betroffen und die von den Beschwerdeführern aufgeworfene Frage kann sich immer wieder stellen. Ob bzw. wie vielen weiteren Versicherungsnehmern das Kündigungsrecht bereits verweigert worden ist oder verweigert wird, spielt dabei keine Rolle. Zusammengefasst besteht ein Bedürfnis, dass diese Frage höchstrichterlich geklärt wird. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdegegnerin ist von einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auszugehen. Da auch die übrigen Eintretensvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die form- sowie fristgerecht eingereichte Beschwerde in Zivilsachen einzutreten. 2. AGB-Klauseln sind, wenn sie in Verträge übernommen werden, grundsätzlich nach denselben Prinzipien auszulegen wie andere vertragliche Bestimmungen ( BGE 133 III 607 E. 2.2 S. 610, BGE 133 III 675 E. 3.3 S. 681). Art. 4 Abs. 2 der in die Verträge der Parteien integrierten AGB 2005 der Beschwerdegegnerin schliesst das Kündigungsrecht der Beschwerdeführer für den Fall ausdrücklich aus, dass eine Bundesbehörde bei einer gesetzlich geregelten Deckung eine Änderung BGE 135 III 1 S. 7 der Prämien, der Selbstbehalte, der Entschädigungsgrenzen oder des Deckungsumfangs vorschreibt und die Beschwerdegegnerin in der Folge eine entsprechende Vertragsanpassung vornimmt. Die umstrittenen Vertragsänderungen sind auf die Änderungen der AVO und auf die im Hinblick darauf ergangene Verfügung des Bundesamts für Privatversicherungen vom 2. November 2006 (BBl 2006 9299) zurückzuführen. Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, dass Art. 4 Abs. 2 AGB 2005 die Kündigung für den vorliegenden Fall ausschliesst. Sie berufen sich jedoch auf die so genannte Ungewöhnlichkeitsregel und bestreiten, dass Art. 4 Abs. 2 AGB 2005 gültig in ihre Verträge übernommen worden sei. 2.1 Die Geltung vorformulierter allgemeiner Geschäftsbedingungen wird durch die Ungewöhnlichkeitsregel eingeschränkt. Danach sind von der global erklärten Zustimmung zu allgemeinen Vertragsbedingungen alle ungewöhnlichen Klauseln ausgenommen, auf deren Vorhandensein die schwächere oder weniger geschäftserfahrene Partei nicht gesondert aufmerksam gemacht worden ist ( BGE 119 II 443 E. 1a S. 446). Der Verfasser von allgemeinen Geschäftsbedingungen muss nach dem Vertrauensgrundsatz davon ausgehen, dass ein unerfahrener Vertragspartner ungewöhnlichen Klauseln nicht zustimmt. Die Ungewöhnlichkeit beurteilt sich aus der Sicht des Zustimmenden im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Die Beurteilung erfolgt bezogen auf den Einzelfall. Die fragliche Klausel muss zu einer wesentlichen Änderung des Vertragscharakters führen oder in erheblichem Masse aus dem gesetzlichen Rahmen des Vertragstypus fallen ( BGE 119 II 443 E. 1a S. 446 mit Hinweisen). Je stärker eine Klausel die Rechtsstellung des Vertragspartners beeinträchtigt, desto eher ist sie als ungewöhnlich zu qualifizieren ( BGE 119 II 443 E. 1a S. 446 mit Hinweis). Als ungewöhnlich erachtete das Bundesgericht etwa eine im Rahmen vorformulierter allgemeiner Versicherungsbedingungen enthaltene Klausel, welche die Versicherungsdeckung für die Haftung gegenüber Temporärangestellten nur für leichtes, nicht jedoch für schweres Verschulden der Versicherungsnehmerin ausschloss (Urteil 4A_187/2007 vom 9. Mai 2008 E. 5.4). Sodann wurde der Ausschluss des Versicherungsschutzes einer Vollkaskoversicherung für den Fall einer einfachen Verkehrsregelverletzung als ungewöhnlich qualifiziert ( BGE 119 II 443 E. 1b S. 446 f.) sowie eine Klausel, welche die Bank zur Auszahlung des Sparheftguthabens ohne Prüfung der Identität des Inhabers ermächtigte ( BGE 116 II 459 E. 2a BGE 135 III 1 S. 8 S. 461 f.). Hingegen beurteilte das Bundesgericht eine Bestimmung nicht als ungewöhnlich, wonach der Kunde das Risiko des Verlusts oder Diebstahls von Eurochecks zu tragen hat ( BGE 122 III 373 E. 3a S. 378 f.), sowie eine Klausel, die einen Deckungsausschluss für Krankheiten und Unfälle im Zusammenhang mit Medikamentenmissbrauch und Suizidversuch vorsah (Urteil 5C.134/2004 vom 1. Oktober 2004 E. 4). 2.2 In der Lehre wird seit geraumer Zeit überwiegend gefordert, dass global in den Vertrag integrierte vorformulierte allgemeine Geschäftsbedingungen inhaltlich überprüft werden und ihnen die Geltung versagt werde, wenn sie zu Lasten der anderen Vertragspartei unangemessen bzw. geschäftsfremd sind, weil sie die Risiken und Lasten unbillig verteilen. Die Lehre sieht in der Rechtsprechung des Bundesgerichts zur AGB-Problematik eine verdeckte Inhaltskontrolle, die unter dem Deckmantel der Ungewöhnlichkeitsregel vorgenommen werde (THOMAS KOLLER, Einmal mehr: das Bundesgericht und seine verdeckte AGB-Inhaltskontrolle, AJP 2008 S. 943 ff.; INGEBORG SCHWENZER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 2006, Rz. 45.12 f. und 46.07; EUGEN BUCHER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, 4. Aufl. 2007, N. 63 f. zu Art. 1 OR ; GUHL/KOLLER/SCHNYDER/DRUEY, Das Schweizerische Obligationenrecht, 9. Aufl. 2000, § 13 Rz. 53 f.; ERNST A. KRAMER, Berner Kommentar, 3. Aufl. 1991, N. 291 ff. zu Art. 19-20 OR und 3. Aufl. 1986, N. 208 zu Art. 1 OR ; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bd. I, 9. Aufl. 2008, Rz. 1148 ff.; CLAIRE HUGUENIN, Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 3. Aufl. 2008, Rz. 431; STEPHAN FUHRER, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag, 2001, N. 229 ff. zu Art. 33 VVG ; ALEXANDER BRUNNER, Die Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen in der aktuellen schweizerischen Lehre und Praxis, ZSR 118/1999 I S. 328 ff.; HELMUT HEISS, Der Vorentwurf einer "Gesamtrevision des BG über den Versicherungsvertrag [VVG]" im Lichte der europäischen Entwicklungen, HAVE 2007 S. 243, je mit zahlreichen Hinweisen; vgl. auch CLAIRE HUGUENIN, Allgemeine Geschäftsbedingungen in der Schweiz im Lichte der neuen EU-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, recht 13/1995 S. 87 f.; PETER GAUCH, Die Vertragshaftung der Banken und ihre AVB, recht 24/2006 S. 83 f.; ROLF H. WEBER, Allgemeine Geschäftsbedingungen der Banken - zum Problem einer Grenzziehung, Schweizerische Aktiengesellschaft 1984 S. 152 BGE 135 III 1 S. 9 und 155 ff. mit weiteren Hinweisen in Fn. 62; CARL BAUDENBACHER, Braucht die Schweiz ein AGB-Gesetz?, ZBJV 123/1987 S. 512 ff.). Im VE-VVG wird vorgeschlagen, die AGB-Problematik mit einem neuen Art. 20a Abs. 1 OR zu regeln. Danach sollen Bestimmungen in vorformulierten allgemeinen Vertragsbedingungen missbräuchlich und unwirksam sein, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligen. Gemäss Absatz 2 ist eine unangemessene Benachteiligung namentlich dann anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundsätzen der gesetzlichen Regelung, von der zu Lasten des Vertragspartners abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Durch die Regelung im OR würde eine Inhaltskontrolle nicht nur allgemeine Versicherungsbedingungen, sondern auch andere allgemeine Geschäftsbedingungen betreffen (vgl. Eidgenössisches Finanzdepartement, Erläuternder Bericht zum Vorentwurf der Gesamtrevision des Bundesgesetzes über den Versicherungsvertrag [VVG] 2006, S. 94 f., abrufbar unter http://www.efd.admin.ch/dokumentation/zahlen/00578/01068/index.html?lang=de&print_style=yes ). 2.3 Aus den Feststellungen der Vorinstanz ergibt sich nicht, dass die Beschwerdegegnerin die Beschwerdeführer ausdrücklich auf Art. 4 Abs. 2 AGB 2005 hingewiesen hätte. Die Beschwerdegegnerin behauptet zwar, es sei hinreichend und deutlich auf "die Bestimmungen" der AGB hingewiesen worden. Soweit sie damit geltend machen sollte, sie habe die Beschwerdeführer besonders auf Art. 4 Abs. 2 ihrer AGB 2005 hingewiesen, erhebt sie keine hinreichend begründete Sachverhaltsrüge (Art. 97 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 42 Abs. 2 BGG ). Es ist daher davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer bei Abschluss der umstrittenen Verträge nicht ausdrücklich und deutlich auf Art. 4 Abs. 2 AGB 2005 aufmerksam gemacht worden sind. Folglich ist zu prüfen, ob der in den AGB 2005 der Beschwerdegegnerin vorgesehene Ausschluss der Kündigung bei Vertragsänderungen aufgrund behördlicher Anordnung als ungewöhnlich zu qualifizieren ist, so dass die Beschwerdegegnerin nicht in guten Treuen annehmen durfte, die Beschwerdeführer hätten der Klausel mit der Globalübernahme der AGB 2005 zugestimmt. 2.4 Verträge aus gültig zustande gekommenen Verträgen sind so zu erfüllen, wie sie vereinbart worden sind ("pacta sunt servanda"), soweit die Parteien nicht einvernehmlich eine neue Vertragsregelung treffen. Zwar ist nach der so genannten "clausula rebus sic BGE 135 III 1 S. 10 stantibus" eine richterliche Anpassung auch gegen den Willen einer Partei möglich, wenn sich die Umstände nach Vertragsabschluss so grundlegend ändern, dass eine gravierende Äquivalenzstörung eintritt (vgl. BGE 127 III 300 E. 5b S. 304 f. mit Hinweisen). Eine Anpassung der vertraglich bestimmten Leistungen ist gesetzlich etwa für den Werkvertrag bei unvorhersehbaren ausserordentlichen Umständen vorgesehen ( Art. 373 Abs. 2 OR ). Aus wichtigen Gründen wird den Parteien beim Arbeitsvertrag ( Art. 337 Abs. 1 OR ) und beim Mietvertrag ( Art. 266g Abs. 1 OR ) sodann von Gesetzes wegen ein ausserordentliches Kündigungsrecht eingeräumt. Für Dauerverträge hat die Rechtsprechung zudem regelmässig ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund angenommen ( BGE 128 III 428 E. 3 S. 429 mit Hinweis). Voraussetzung für eine richterliche Vertragsanpassung nach der "clausula rebus sic stantibus" ist, dass die Verhältnisänderung beim Abschluss des Vertrags weder voraussehbar noch vermeidbar war ( BGE 127 III 300 E. 5b S. 304 f. mit Hinweisen). 2.5 Rechnen die Parteien bei Vertragsabschluss mit künftigen Ereignissen, können sie für diesen Fall eine Anpassung vertraglich vorsehen. Dadurch wird der einen Partei das (Gestaltungs-)Recht eingeräumt, vom Prinzip der Vertragstreue abzuweichen und einseitig die Vertragsbestimmungen zu ändern. Damit Anpassungsklauseln aber überhaupt gültig sind, müssen regelmässig sowohl das erwartete Ereignis als auch der Umfang der Anpassung vertraglich bestimmt werden; denn ein Vertrag kommt nur zustande, wenn Leistungsinhalt sowie -umfang mindestens bestimmbar sind und so auch erfüllt werden können ( BGE 84 II 266 E. 2 S. 272; vgl. KRAMER, a.a.O., Allgemeine Einleitung, N. 74 f.; BUCHER, a.a.O., N. 22 ff. zu Art. 1 OR ; VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Bd. I, 3. Aufl. 1979, S. 51 f.; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, a.a.O., Rz. 344 ff.; ALFRED KOLLER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bd. I, 2006, S. 101 ff.; HANS MERZ, Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. VI/1, 1984, S. 119 f.; vgl. auch BGE 118 II 32 E. 3a S. 33 zur Bestimmtheit des Vorvertrags sowie KRAMER, a.a.O., N. 87 f. zu Art. 22 OR und BUCHER, a.a.O., N. 33 zu Art. 22 OR ). Ein undefiniertes Gestaltungsrecht zur einseitigen Abänderung vertraglicher Leistungspflichten widerspräche der Natur und dem Zweck des Vertrags, mit dem Rechte und Pflichten jeder Vertragspartei gerade definiert werden sollen. BGE 135 III 1 S. 11 2.6 Nicht jede zulässige - inhaltlich bestimmte oder bestimmbare - Anpassungsklausel ist üblich im Sinne der Ungewöhnlichkeitsregel. In gewissen Branchen dürfte es zwar durchaus üblich sein, bei bestimmten Verträgen eine Anpassung vereinbarter Preise an die Teuerung nach einem bestimmten Index vorzusehen. Ist ein künftiges Ereignis jedoch zu wenig definiert oder nicht hinreichend bestimmt, räumen sich die Parteien regelmässig ein Kündigungsrecht ein. So kann der Vermieter bzw. der Krankenversicherer nach Art. 269d OR bzw. Art. 7 Abs. 2 KVG den Vertrag einseitig anpassen, wobei dem Mieter bzw. dem Krankenversicherten - unabhängig vom Ausmass der Änderung - das Kündigungsrecht zusteht (vgl. auch BGE 132 III 24 E. 3.2 S. 27, wonach der Umstand, dass einseitige Vertragsänderungen im laufenden Mietverhältnis in Abweichung vom Grundsatz "pacta sunt servanda" zulässig sind, nach besonderen Schutzvorschriften des Mieters ruft). Bei Dauerverträgen entspricht es der allgemeinen Erwartungshaltung, dass eine Anpassungsklausel mit einem Kündigungsrecht verbunden ist, wenn sie auf einem nicht hinreichend bestimmten Ereignis beruht. 3. Die Beschwerdegegnerin behält sich in Ziff. 4 Abs. 1 ihrer AGB 2005 das Recht vor, die Prämien und Selbstbehalte zu ändern, räumt dem Versicherten jedoch das Kündigungsrecht ein, sollte er mit der Änderung nicht einverstanden sein. Beruht die Vertragsänderung aber auf einer behördlichen Anordnung bei einer gesetzlich geregelten Deckung, wird das Kündigungsrecht des Versicherten ausgeschlossen (Ziff. 4 Abs. 2 AGB 2005). 3.1 Die Vorinstanz verneinte die objektive Ungewöhnlichkeit von Ziff. 4 Abs. 2 AGB 2005. Sie erwog, dass zwingende behördliche Anordnungen über den vertraglichen Vereinbarungen stünden und in gleichem Masse für alle Beteiligten gelten würden, die Partei eines von der behördlichen Regelung betroffenen Versicherungsvertrags seien. Es ergebe sich keine Schlechterstellung aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführer keine zusätzliche ausserordentliche Kündigungsmöglichkeit hätten; eine solche sei in Fällen behördlicher Anordnung einerseits nicht zu erwarten und anderseits sei den Beschwerdeführern bei Vertragsabschluss durchaus bewusst gewesen, welche Bindung sie eingingen. Als sich die Beschwerdeführer entschlossen hätten, den Versicherungsvertrag mit der Beschwerdegegnerin abzuschliessen, hätten sie damit rechnen müssen, dass während der Vertragsdauer ein anderer Versicherer ein für sie attraktiveres Angebot machen könnte oder sich die gesetzlichen BGE 135 III 1 S. 12 Bedingungen ändern würden, sie aber trotzdem an ihren bestehenden Vertrag gebunden blieben. Ziff. 4 Abs. 2 AGB 2005 verändere demnach weder wesentlich die Vertragsnatur noch falle sie in erheblichem Masse aus dem gesetzlichen Rahmen des Vertragstypus. Die Ausgestaltung der Vertragsanpassung sei das Resultat hoheitlicher Interessenabwägungen, die sich auf sämtliche Versicherungsverträge in gleicher Weise auswirke und entspringe nicht der Willkür des Versicherers. 3.2 Das VVG enthält keine Bestimmung zur einseitigen Vertragsanpassung. Eine solche Norm wurde auch im Rahmen der Totalrevision des VAG und der Teilrevision des VVG nicht aufgenommen, so dass sich der Inhalt und die Tragweite des Rechts des Versicherers auf einseitige Änderung laufender Verträge nach den allgemeinen Grundsätzen des subsidiär anwendbaren OR zu richten haben (vgl. Botschaft vom 9. Mai 2003 zu einem Gesetz betreffend die Aufsicht über Versicherungsunternehmen [Versicherungsaufsichtsgesetz, VAG] und zur Änderung des Bundesgesetzes über den Versicherungsvertrag, BBl 2003 3806 f.; Art. 100 Abs. 1 VVG ). Art. 38 Abs. 1 VE-VVG sieht nun vor, dass eine einseitige Prämienanpassungsklausel in den AGB nur gültig vereinbart werden kann für den Fall, dass sich die für die Prämienberechnung massgeblichen Verhältnisse nach Vertragsabschluss in einer Weise ändern, welche die vorgesehene Erhöhung rechtfertigt. Absatz 3 derselben Bestimmung räumt dem Versicherungsnehmer das Recht ein, den Vertrag oder den von der Prämienerhöhung betroffenen Teil zu kündigen. Weder Art. 38 VE-VVG noch dem Erläuternden Bericht lässt sich entnehmen, ob auch solche Prämienerhöhungen bzw. Änderungen der Vertragsgrundlagen erfasst sind, die ihren Ursprung in einer behördlichen Anordnung haben. Als allgemeine Versicherungsbedingungen der präventiven Kontrolle durch das Bundesamt für Privatversicherungen unterstanden, wurden Prämienanpassungsklauseln, die kein Kündigungsrecht vorsahen, nicht genehmigt (vgl. STEPHAN FUHRER, Aufpassen beim Anpassen - Möglichkeiten und Grenzen der einseitigen Änderung von Versicherungsverträgen, in: Aktuelle Aspekte des Schuld- und Sachenrechts, Festschrift für Heinz Rey, 2003, S. 414). 3.3 Die Beschwerdegegnerin sieht in Ziff. 4 Abs. 2 ihrer AGB 2005 nicht nur vor, dass sie den Versicherungsvertrag anpassen kann, sondern schliesst zugleich das Kündigungsrecht der Beschwerdeführer aus. Für die Beurteilung, ob der Ausschluss des BGE 135 III 1 S. 13 Kündigungsrechts erwartet wird, ist unerheblich, ob die Vertragsänderung auf einer behördlichen Anordnung beruht und von der Beschwerdegegnerin nachvollzogen oder von Letzterer selbst veranlasst wird. In beiden Fällen ist zur Zeit des Vertragsabschlusses unklar, wann, wie oft und in welchem Ausmass sich die Prämie bzw. die Vertragsgrundlagen ändern. Die Änderung der Vertragsgrundlagen kann sodann nicht auf eine allgemein bekannte Entwicklung zurückgeführt werden, die mit einer gewissen Regelmässigkeit eintritt. Es kommt auch nicht darauf an, ob die konkrete Änderung massvoll ausfällt und für sich betrachtet zumutbar ist. Dass die Beschwerdegegnerin für den in Ziff. 4 Abs. 2 AGB 2005 vorgesehenen Fall der Vertragsanpassung das Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers ausschliesst, widerspricht der allgemeinen Erwartungshaltung der Beschwerdeführer und ist ungewöhnlich im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz mussten die Beschwerdeführer bei Vertragsabschluss nicht damit rechnen, dass sich die Vertragsgrundlagen während der vereinbarten Vertragsdauer ändern würden, ohne dass ihnen dann die Kündigung offenstünde. 3.4 Das Argument der Beschwerdegegnerin ist nicht stichhaltig, dass die behördliche Anordnung alle Versicherungsunternehmen gleichermassen betroffen habe. Die Elementarschadenversicherung für den Hausrat ist in den Wohnsitzkantonen der Beschwerdeführer nicht obligatorisch, und die Beschwerdeführer könnten angesichts der vorliegenden Anpassung einen Verzicht auf die Versicherung bevorzugen, so dass sie insofern - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - schlechter gestellt sind, wenn ihnen kein Kündigungsrecht zusteht. Aus demselben Grund ist das Argument der Beschwerdegegnerin unbehelflich, es läge keine Gleichgewichtsverschiebung vor, da mit der Anpassung der Prämie und des Selbstbehalts eine Erhöhung der Höchsthaftungslimite verbunden sei. 3.5 Die Vorinstanz hat Ziff. 4 Abs. 2 der AGB 2005 der Beschwerdegegnerin zu Unrecht nicht als ungewöhnlich qualifiziert. Die Beschwerdeführer müssen sich die Klausel somit nicht entgegenhalten lassen und konnten das Kündigungsrecht ausüben. Infolge der Ungewöhnlichkeit der Klausel stellt sich die Frage nicht, ob die bisherige Praxis zur Geltung global übernommener, ungewöhnlicher Klauseln auf eine von der herrschenden Lehre geforderte richterliche Inhaltskontrolle ausgedehnt werden soll. Ob es inhaltlich BGE 135 III 1 S. 14 gerechtfertigt ist, das Kündigungsrecht für den Fall einer behördlichen Anordnung auszuschliessen, ist demnach nicht zu prüfen. Dass die Beschwerdeführer die Versicherungsverträge mit der Beschwerdegegnerin nicht rechtzeitig gekündigt hätten, bringt die Beschwerdegegnerin nicht substanziiert vor.
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Sachverhalt ab Seite 53 BGE 134 II 49 S. 53 Im Juni 1999 ersuchte der Kanton Zürich als damaliger Flughafenhalter die Eidgenössische Schätzungskommission, Kreis 10, um Eröffnung formeller Enteignungsverfahren zur Beurteilung der eingegangenen Entschädigungsforderungen für übermässige Fluglärm-Immissionen. Diese Forderungen betreffen unter anderem zahlreiche Grundstücke in Opfikon-Glattbrugg, die im Bereich der Abflugschneise der Piste 16 liegen. Am 25. Mai 2001 wurde die unique zurich airport Flughafen Zürich AG (im Folgenden: Flughafen Zürich AG) als neue Flughafenhalterin auf ihr Gesuch hin unter Zuerkennung der Parteistellung zum Verfahren beigeladen. Der Kanton Zürich und die Flughafen Zürich AG erhoben in den Fällen von Opfikon-Glattbrugg als Enteigner die Einrede der Verjährung und verlangten, dass über diese Frage in einem Teilentscheid BGE 134 II 49 S. 54 befunden werde. Die Verjährungseinrede wurde vom Präsidenten der Schätzungskommission am 11. Juni 2003 abgewiesen. Das Bundesgericht wies die von den Enteignern ergriffene Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit Urteil vom 27. Juni 2004 ebenfalls ab ( BGE 130 II 394 ). In der Folge bestimmten die Parteien und der Präsident der Schätzungskommission 18 Verfahren, die als sog. Pilotfälle vorweg behandelt werden sollten. Zu diesen gehört das Verfahren um die Einfamilienhaus-Parzelle Kat.-Nr. 3498 (GBBl. 2044 Opfikon), Grossackerstrasse 6, von X. Die Einigungsverhandlungen der 18 ausgewählten Verfahren verliefen im November 2005 erfolglos. Nach Durchführung der Schätzungsverhandlung setzte die Eidgenössische Schätzungskommission, Kreis 10, in ihrem Entscheid vom 14. November 2006 die fluglärmbedingte Entwertung der Liegenschaft von X. auf 17,5 % bzw. Fr. 140'000.- fest, wobei die von den Flughafenhaltern übernommenen Kosten für die am Wohnhaus getroffenen Schallschutzmassnahmen in Höhe von Fr. 20'000.- anzurechnen seien. Die Kommission verpflichtete die beiden Enteigner, X. für die Enteignung der nachbarlichen Abwehrrechte infolge übermässiger Fluglärmeinwirkungen wie folgt zu entschädigen: "1.1 mit einer jährlich wiederkehrenden Leistung von CHF 6'000.-, geschuldet je auf den 1. Januar jeden Kalenderjahres, erstmals am 1. Januar 1997, längstens aber bis Ende 2016; 1.2 die kumulierten Leistungen der bisher seit dem Stichtag des 1. Januar 1997 abgelaufenen 10 Jahre von CHF 60'000.-, sind gesamthaft innert 30 Tagen ab Rechtskraft dieses Entscheides zu bezahlen und zu den vom Bundesgericht verbindlich festgesetzten Zinssätzen gemäss Erwägung 6.6 zu verzinsen. 1.3 Die weiteren jährlichen Zahlungen von je CHF 6'000.- sind um die bis Ende 2006 aufgelaufenen Zinsen von CHF 2'347.80 auf insgesamt CHF 8'347.80 zu erhöhen und alsdann zu den ab 1. Januar 2007 geltenden Zinssätzen zu verzinsen."
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Im Weiteren wurde u.a. bestimmt, dass die Minderwertsentschädigung nach Vorliegen des definitiven und rechtskräftigen Betriebsreglementes auf schriftliches Begehren einer der Parteien zu überprüfen, den neuen Verhältnissen anzupassen und allenfalls aufzuheben sei (Dispositiv-Ziffer 2). Gegen diesen Entscheid haben beide Parteien Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde des BGE 134 II 49 S. 55 Enteigneten teilweise gut. Die Beschwerde der Enteigner wird abgewiesen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Wie bereits erwähnt (siehe Sachverhalt), haben zahlreiche Eigentümer von Grundstücken in der Gemeinde Opfikon-Glattbrugg Entschädigungsforderungen für übermässige Fluglärm-Immissionen angemeldet (vgl. auch BGE 130 II 394 Sachverhalt S. 398). Die Schätzungskommission hat daher im Einvernehmen mit den Parteien 18 Verfahren ausgewählt, um wegweisende Entscheide zu fällen, welche (nach altem Verfahrensrecht) allenfalls direkt dem Bundesgericht unterbreitet werden könnten. In diesen 18 Fällen geht es um Liegenschaften unterschiedlicher Natur, so um Einfamilienhäuser, Mehrfamilienhäuser, Geschäftshäuser, öffentliche Gebäude, landwirtschaftliche Bauten und unüberbauten Boden. In all den Verfahren sind vor Bundesgericht prinzipielle Rechtsfragen aufgeworfen worden, welche - unabhängig von den besonderen Eigenschaften der einzelnen Grundstücke - für die Anerkennung der Entschädigungspflicht überhaupt oder das Vorgehen bei der Entschädigungsfestsetzung massgebend sind. Es erscheint als zweckmässig, zunächst in einem Einzelfall über diese grundsätzlichen Fragen zu befinden. Dazu bietet sich der Entscheid der Schätzungskommission in Sachen der Liegenschaft X. an, gegen den beide Parteien Hauptbeschwerde erhoben haben. Dementsprechend sind die beiden Verwaltungsgerichtsbeschwerden, wie von den Enteignern beantragt, im gleichen Verfahren zu behandeln. 3. Die Parteien stellen verschiedene Beweisanträge und ersuchen insbesondere um Befragung von Experten oder um Beizug zusätzlicher Fachberichte wie auch um Vornahme eines Augenscheins. Solche weiteren Instruktionsmassnahmen sind jedoch, wie sich aus dem Folgenden ergibt, nicht erforderlich. Entschädigung für Überflüge bei Starts ab Piste 16? 4. 4.1 Im angefochtenen Entscheid wird präzisiert, dass lediglich die Entschädigungsbegehren für den Lärm der Abflüge ab Piste 16 Streitgegenstand bildeten, nicht dagegen allfällige Entschädigungsansprüche für die sog. Südanflüge (vgl. dazu auch BGE 130 II 394 E. 4 S. 399). Allerdings, so führt die Schätzungskommission aus, beklagten sich die Grundeigentümer auch im Zusammenhang mit dem BGE 134 II 49 S. 56 Abflug-Verkehr nicht nur über übermässige, das Nachbarrecht verletzende Immissionen, sondern auch über eigentlichen Überflug. Das Bundesgericht habe jedoch in BGE 131 II 137 E. 3.2 eingehend dargelegt, weshalb Start-Überflüge anders zu beurteilen seien als Landeanflüge und keinen Entschädigungsanspruch begründen könnten. Im Übrigen werde bei der hier fraglichen Liegenschaft die kritische Überflugshöhe selbst von schlecht steigenden Flugzeugen überschritten und falle eine Überflug-Entschädigung auch aus diesem Grund ausser Betracht. 4.2 Der Enteignete bestreitet in seiner Beschwerde, dass das Bundesgericht in BGE 131 II 137 Entschädigungsansprüche für direkte Überflüge durch startende Flugzeuge generell ausgeschlossen habe. Der direkte Überflug sei im konkreten Fall bloss verneint worden, weil die Grossraumflugzeuge eine Höhe von mehr als 400 m erreichten und diese Höhe nur ab und zu von kleineren Maschinen nicht eingehalten werde. Hieraus sei zu schliessen, dass es auch beim Abflug zu eigentlichen Überflügen durch tief fliegende Maschinen kommen könne. Weiter gehe die Schätzungskommission zu Unrecht davon aus, dass Entschädigungsansprüche nur bei regelmässigen Überflügen entstehen könnten. Das Bundesgericht habe mehrfach erwähnt, dass beim direkten Überflug praktisch zugunsten des Flughafenhalters und zulasten des überflogenen Grundstücks eine Überflug- bzw. Durchflug-Dienstbarkeit, d.h. ein Wegrecht, errichtet werde. Die Entschädigungspflicht hange aber nach zivilrechtlichen Grundsätzen nicht davon ab, ob das Wegrecht regelmässig oder unregelmässig ausgeübt werde. Eine Zwangsdienstbarkeit sei einzuräumen, wenn ein Grundeigentum wider den Willen des Eigentümers auch nur einmal überflogen werden solle. Zur tatsächlichen Situation führt der Enteignete aus, bei den Abflügen und Landungen von bzw. auf Piste 16/34 würden verschiedene Korridore benutzt. Die abfliegenden Maschinen drehten bereits über dem Pistenende oder über Opfikon nach Osten ab (left turn), was zu einer breiten Streuung der Abflugbahnen führe. Der Abflugkorridor werde nach dem Zufallsprinzip benutzt, sodass nie vorausgesagt werden könne, welcher Luftraum beansprucht werde. Dass das Grundstück des Enteigneten nicht jedes Mal und nicht regelmässig überflogen werde, könne aber wie gesagt nicht ausschlaggebend sein. Im Weiteren habe die Schätzungskommission bei ihrem Entscheid über die Überflugsituation voll auf die Angaben der Flughafenhalterin abgestellt und die vorgelegten Aufzeichnungen in keiner BGE 134 II 49 S. 57 Weise überprüft. Insbesondere sei nicht abgeklärt worden, ob der von der Enteignerin ausgewählte Zeitabschnitt vom 16. bis 22. Mai 2005 repräsentativ sei. Es seien daher Darstellungen der Überflugsituation weiterer Zeiträume (15. Dezember 2004 bis 14. Januar 2005, 1. bis 30. Juli 2005, 20. August bis 19. September 2005) zu edieren. 4.3 Die Enteigner bestreiten, dass gelegentliche Überflüge beim Start Anspruch auf Entschädigung zu begründen vermöchten. Aus dem in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung angestellten Vergleich des Überflugs mit einem Wegrecht und aus den für Dienstbarkeiten geltenden zivilrechtlichen Prinzipien könne kein solcher Schluss gezogen werden. Schon bei einem einzigen direkten Überflug oder bei nur gelegentlichen Überflügen eine Entschädigungspflicht anzuerkennen, verstiesse gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Vereinzelte Überflüge bewirkten denn auch keinerlei Schaden. Weiter seien die Zweifel des Enteigneten an der Objektivität und Aussagekraft der vorgelegten Aufzeichnungen der Abflugbahnen völlig unberechtigt. Für die Darstellung der Überflugsituation seien die - sehr genauen - Multilaterationsdaten des Bodenradars SAMAX verwendet worden. Diese Daten stammten von Skyguide und seien zur Auswertung direkt dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) übermittelt worden. Wie sich aus dem Bericht "Auswertung von Flugspuren des Flughafens Zürich" vom 1. Februar 2006 ergebe, dürfe die Woche vom 16. bis 22. Mai 2005 hinsichtlich Verkehrsaufkommen und Wettersituation/Betriebsregime als repräsentativ gelten. Die vom Enteigneten verlangte Auswertung der Überflugsdaten von drei ganzen Monaten führte zu einem unverhältnismässigen Zeit- und Kostenaufwand. Immerhin seien zusätzlich die Daten zweier weiterer Wochen ausgewertet worden, die in die gewünschten Perioden fielen. Während dieser hätten aussergewöhnliche Verhältnisse geherrscht, seien doch in der Woche vom 17. bis 23. Juli 2006 bei extrem hohem Verkehrsaufkommen praktisch jeden Tag Temperaturen von über 30 Grad aufgetreten. Auch bei diesen unüblichen Verhältnissen hätten die Flugzeuge, obschon die Steigleistung bei warmem Wetter leicht geringer sei, die Liegenschaften in Opfikon-Glattbrugg nicht tiefer überquert als während der ursprünglich ausgewerteten Woche. Demgegenüber seien in der Woche vom 9. bis 16. Januar 2006 höhere Überflugshöhen zu verzeichnen. Jedenfalls bestätigten die zusätzlichen Auswertungen die bisherigen Resultate und zeigten auf, dass keine der 18 ausgewählten Liegenschaften regelmässig unter 150 m Höhe überflogen werde. BGE 134 II 49 S. 58 Zur konkreten Situation führen die Enteigner aus, das Grundstück Grossackerstrasse 6 sei in der Mai-Woche 2005 sowie in der Juli-Woche 2006 mit einer einzigen Ausnahme auf einer Höhe von 400 m bzw. 500 bis 600 m überflogen worden. Vereinzelte Abflüge hätten sich in geringem seitlichen Abstand von der Parzelle in einer Höhe von 200 m bis 260 m abgespielt. In der Januar-Woche 2006 seien höhere Abflugshöhen zu verzeichnen als in den Sommer-Wochen. Da somit die Abflüge über der Liegenschaft des Enteigneten die - von den Enteignern als massgeblich erachtete - Höhe von 150 m klar überschritten, könne von Überflügen stricto sensu nicht gesprochen werden. Schliesslich legen die Enteigner dar, dass die Entschädigungsansprüche für Überflüge als verjährt betrachtet werden müssten, da seit langem insbesondere auch mit schweren Flugzeugen über Opfikon-Glattbrugg gestartet werde. Die Ansprüche für eigentlichen Überflug wären daher - anders als die an besondere Voraussetzungen gebundenen Entschädigungsansprüche für Unterdrückung nachbarlicher Abwehrrechte - vor 1993 entstanden und mithin verjährt. 5. Das Bundesgericht spricht vom enteignungsrechtlich relevanten "eigentlichen Überflug" (Überflug stricto sensu), wenn die Flugzeuge derart tief unmittelbar über ein Grundstück fliegen, dass der nach Art. 667 Abs. 1 ZGB dem Grundeigentum zuzurechnende Luftraum verletzt wird (vgl. BGE 121 II 317 E. 5b S. 332; BGE 122 II 349 E. 4; BGE 123 II 481 E. 8 S. 494; BGE 124 II 543 E. 5d S. 557; BGE 129 II 72 E. 2; BGE 131 II 137 E. 3 S. 145). Geht es somit um ein direktes Eindringen in das Grundeigentum und nicht um eine im Sinne von Art. 684 ZGB mit übermässigen Einwirkungen verbundene Nutzung eines Nachbargrundstücks, so spielen die in der Rechtsprechung für diesen Fall aufgestellten Voraussetzungen der Unvorhersehbarkeit und der Spezialität der Immissionen sowie der Schwere des Schadens keine Rolle. Ein enteignungsrechtlicher Entschädigungsanspruch für Überflug erwächst dem Grundeigentümer indessen nur dann, wenn die Flugzeuge tatsächlich in die Luftsäule über seinem Grundstück eindringen und dies in einer derart geringen Höhe, dass seine schutzwürdigen Interessen an der ungestörten Nutzung seines Eigentums betroffen werden. Zudem wird in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung eine gewisse Regelmässigkeit solchen Eindringens in den zum Grundeigentum gehörenden Luftraum verlangt ("passage régulier" vgl. BGE 122 II 349 E. 4a/cc S. 355 und BGE 129 II 72 E. 2.2 S. 75). Nur vereinzelte Überflüge ("atteinte trop occasionnelle" vgl. BGE 131 II 137 BGE 134 II 49 S. 59 E. 3.2.3 S. 151) lassen keinen Anspruch auf Enteignungsentschädigung entstehen. 5.1 Die Schätzungskommission hat wie erwähnt im angefochtenen Entscheid erklärt, nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung seien Überflüge beim Start nicht zu entschädigen. Tatsächlich ist in BGE 131 II 137 festgestellt worden, dass bei Abflügen kaum je in den zum Grundeigentum gehörenden Luftraum der Nachbargrundstücke eingedrungen werde, da die Flugzeuge schon weit vor dem Pistenende abhöben und die Nachbarschaft in grösserer Höhe als beim Landeanflug überflögen. Zudem sei der Streuwinkel bei Starts weit grösser als bei Landungen, würden doch die Flugzeuge beim Landeanflug praktisch auf einer Linie aufgereiht und überquerten stets die gleichen Grundstücke. Auch wenn - im damals zu beurteilenden Fall - beim Abflug kleinerer Maschinen gelegentlich nur eine Höhe von etwa 220 bis 250 m erreicht werde, könne jedenfalls nicht von einem Überflug stricto sensu ausgegangen werden, der eine Entschädigungspflicht auslöse. Präzisierend ist somit festzuhalten, dass es bei Abflügen kaum je zu eigentlichen Überflügen kommt; indessen kann nicht völlig ausgeschlossen werden, dass sich in Pistennähe auch beim Start von Flugzeugen Situationen ergeben, die - insbesondere hinsichtlich Flughöhe und -dichte - jenen im Landungssektor ähnlich sind. 5.2 Soweit der Enteignete geltend macht, entsprechend den zivilrechtlichen Grundsätzen könne die Häufigkeit der Ausübung einer Dienstbarkeitsberechtigung für die Entschädigungspflicht nicht massgeblich sein und entstehe eine solche schon bei einem einzigen Durchflug, kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden. Wohl hat das Bundesgericht die Inanspruchnahme des zum Grundeigentum gehörenden Luftraums beim eigentlichen Überflug mit der Belastung durch ein Durch- oder Überflugsservitut verglichen (vgl. etwa BGE 129 II 72 E. 2.8 S. 80 "assimiler en quelque sorte"). Es ist jedoch immer klargestellt worden, dass dieser Eingriff in das Grundeigentum - da er durch ein mit dem Enteignungsrecht ausgestattetes Unternehmen erfolgt - nicht zivilrechtliche, sondern enteignungsrechtliche Folgen habe. So fallen die im ZGB dem Grundeigentümer oder dem Nachbarn zur Verfügung gestellten Abwehrrechte dahin und richtet sich auch der Entschädigungsanspruch nach den enteignungsrechtlichen und nicht nach den zivilrechtlichen Regeln. Der Hinweis der Enteigneten auf die zivilrechtlichen Prinzipien über die BGE 134 II 49 S. 60 Ausübung und Abgeltung von Dienstbarkeiten geht demnach an der Sache vorbei. 5.3 Die Enteigner ersuchen das Bundesgericht mit Blick auf die Vielzahl der Entschädigungsforderungen, die kritische Flughöhe für den eigentlichen Überflug ein für alle Mal zu bestimmen. Nach Art. 667 Abs. 1 ZGB erstreckt sich das Eigentum an Grund und Boden nach oben und unten auf den Luftraum und das Erdreich, soweit für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht. Wie gross diese räumliche Ausdehnung ist, lässt sich nicht in allgemein gültiger Weise festlegen, sondern bestimmt sich von Fall zu Fall nach den konkreten Umständen und dem schutzwürdigen Interesse des Eigentümers, diesen Raum selbst zu nutzen oder zu beherrschen und das Eindringen anderer abzuwehren. Das Bundesgericht hat es daher - in der zivilrechtlichen und in der enteignungsrechtlichen Praxis - stets abgelehnt, generell zu bestimmen, auf welcher Höhe ein Flugzeug in die Interessenssphäre der Grundeigentümer und damit in das Grundeigentum selbst eindringe. Dies hange von der Nutzung und Lage der konkret betroffenen Liegenschaft, aber auch von der Art und Grösse der Flugzeuge und den entsprechenden Auswirkungen des Überflugs ab (vgl. BGE 131 II 137 E. 3.1.2 S. 146, E. 3.2.2 und 3.2.3 S. 150 f.; BGE 129 II 72 E. 2.3 S. 76; BGE 123 II 481 E. 8 S. 495; BGE 122 II 349 E. 4a/cc S. 355; BGE 104 II 86 E. 2 S. 89 f., je mit Hinweisen). Indessen lässt sich aufgrund der bereits ergangenen Entscheide die kritische Höhe des Überflugs über Wohngebieten etwas eingrenzen. Eigentliche Überflüge sind bei landenden Grossraumflugzeugen bejaht worden, welche Wohnliegenschaften in der Höhe von 125 m oder darunter überqueren (vgl. BGE 131 II 137 E. 3.1.2 S. 147 mit Hinweisen). Dagegen ist festgestellt worden, dass Überflüge solcher Maschinen in der Höhe von mindestens 400 m das Grundeigentum nicht verletzen ( BGE 123 II 481 E. 8 S. 495; BGE 131 II 137 E. 3.2.2 S. 150 und E. 3.2.3 S. 151; siehe auch BGE 123 II 481 E. 8 S. 495). Ebenfalls zu keinem Eingriff führten vereinzelte Flüge insbesondere kleinerer Maschinen in der Höhe von etwa 220 m bzw. 250 m ( BGE 131 II 137 E. 3.2.2 S. 150). Anhand dieser Kriterien lässt sich im vorliegenden Fall die Frage des Überflugs stricto sensu beantworten und besteht kein Anlass zu weiteren Abgrenzungen. 5.4 Der Enteignete vertritt nebenbei die Auffassung, als Überflugkorridor müsse das ganze Gebiet gelten, in welchem Randwirbelschleppen aufträten und deshalb die Dachziegel verklammert worden BGE 134 II 49 S. 61 seien. Auf dieses Vorbringen ist schon deshalb nicht einzugehen, weil Randwirbelschleppen nur bei Landeanflügen entstehen. Im Streite liegt aber im vorliegenden Fall allein die Frage, ob und welche Entschädigung für die mit den Abflügen ab Piste 16 verbundenen Beeinträchtigungen geschuldet sei (vgl. oben E. 4.1). 5.5 Das Grundstück des Enteigneten liegt, um 400 m von der Pistenachse verschoben, rund 2,7 km vom Pistenende entfernt. In diesem Bereich sind gemäss den Aufzeichnungen der Flugspuren, auf welche trotz gewisser Messunsicherheiten insgesamt abgestellt werden darf, die Abflüge ab Piste 16 bereits breit gestreut. Das Grundstück des Enteigneten wird nur selten direkt überflogen. Der Grossteil der Flugzeuge erreicht hier eine Höhe von über 500 m oder jedenfalls - bei sehr hohen Temperaturen - von über 400 m. Nur vereinzelt werden auch Flüge in einer Höhe zwischen 200 und 400 m verzeichnet. Im vorliegenden Fall kann somit, wie die Schätzungskommission zu Recht erkannt hat, von eigentlichen Überflügen - d.h. wie dargelegt von regelmässigen direkten Überflügen in geringer Höhe - nicht die Rede sein. Daran ändert auch nichts, wenn hier, wie der Enteignete vorbringt, einzelne Abflugspuren unter der durchschnittlichen Höhe auf Starts von schlechter steigenden Grossflugzeugen zurückzuführen sind. Dem Begehren um Zusprechung einer Entschädigung für eigentlichen Überflug kann demnach nicht stattgegeben werden. Die Prüfung der Verjährungsfrage erübrigt sich. Entschädigungspflichtige Unterdrückung von Nachbarrechten (Unvorhersehbarkeit und Spezialität der Immissionen sowie Schwere des Schadens)? 6. Die Schätzungskommission hat im vorliegenden Fall den Entschädigungsanspruch des Grundeigentümers für die Unterdrückung nachbarlicher Abwehrrechte bejaht, da die drei in der Rechtsprechung verlangten Voraussetzungen der Unvorhersehbarkeit der Lärmimmissionen, der sog. Spezialität der Immissionen sowie der Schwere des immissionsbedingten Schadens erfüllt seien. Die Enteigner bestreiten diesen Entschädigungsanspruch insoweit, als er einen Anbau betrifft, der erst nach dem 1. Januar 1961 - dem Stichtag für die Unvorhersehbarkeit der Immissionen - erstellt worden sei. Weiter machen die Enteigner geltend, dass die Voraussetzung der Spezialität der Immissionen, die bei Überschreitung der umweltschutzrechtlichen Immissionsgrenzwerte angenommen wird, nur vorübergehend erfüllt gewesen sei. Zwar sei bei der Liegenschaft des Enteigneten der BGE 134 II 49 S. 62 für den Tag geltende Immissionsgrenzwert der Empfindlichkeitsstufe (ES) II gemäss Anhang 5 zur Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1986 (LSV; SR 814.41) auch heute noch überschritten. Für das Gemeindegebiet von Opfikon-Glattbrugg müsse jedoch angesichts der seit langem bestehenden Fluglärmvorbelastung enteignungsrechtlich der Immissionsgrenzwert für die ES III massgeblich sein. Da dieser Immissionsgrenzwert nur während weniger Jahre überschritten worden sei, liege bloss eine vorübergehende Beeinträchtigung vor, für welche keine Entschädigung geschuldet sei. Und schliesslich bringen die Enteigner vor, bei selbst genutzten lärmbelasteten Liegenschaften trete der Vermögensschaden erst im Falle des Verkaufes ein. Der beeinträchtigte Wohngenuss des Eigentümers stelle keinen abzugeltenden Schaden im (zivilrechtlichen) Rechtssinne dar. Im Weiteren könne in Fällen der Enteignung nachbarrechtlicher Abwehrbefugnisse wegen übermässigen Lärms - infolge der Nähe und Verwandtschaft zur materiellen Enteignung - nur dann von einem schweren Schaden ausgegangen werden, wenn der Minderwert wegen Fluglärms einen Drittel des Verkehrswerts der Liegenschaft übersteigt. 7. Das Bundesgericht hat in BGE 130 II 394 E. 12.1 S. 415 ausdrücklich bestätigt, dass die für die (Un-)Vorhersehbarkeit der Fluglärm-Immissionen massgebende Schwelle, die auf den 1. Januar 1961 gelegt worden ist (vgl. BGE 121 II 317 E. 6 S. 333 ff.), auch für die durch den Abflugverkehr betroffenen Grundeigentümer in Opfikon-Glattbrugg gilt. Hat ein Anwohner sein Grundstück erst nach diesem Zeitpunkt anders als durch Erbgang erworben, gelten die Einwirkungen als vorhersehbar und kann kein Entschädigungsanspruch entstehen (vgl. BGE 131 II 137 E. 2.1 S. 142 mit zahlreichen Hinweisen). Dies betrifft gemäss dem angefochtenen Entscheid auch Ausbauten und Nutzungserweiterungen, die nach diesem Datum vorgenommen worden sind und deshalb für die Schätzung unbeachtlich bleiben müssten (so auch Urteil E.22/1992 vom 24. Juni 1996, E. 3b, während in BGE 121 II 317 E. 6c/aa S. 337 die Frage noch offengelassen worden ist; vgl. auch BGE 110 Ib 43 E. 4 S. 50 und BGE 111 Ib 233 E. 2a). Die Parteien stellen diese Betrachtungsweise nicht in Frage. Umstritten ist einzig, welches Stadium ein Bau oder ein nachträglicher Ausbau am 1. Januar 1961 erreicht haben müsse, damit die lärmbedingte Entwertung noch als unvorhersehbar gelten könne. Nach dem Enteigneten wäre darauf abzustellen, ob vor dem massgebenden Datum bereits eine erkennbare Bauabsicht bestand und BGE 134 II 49 S. 63 Aufwendungen für die Planung und Projektierung getätigt worden sind. Gemäss Auffassung der Enteigner kann weder der Zeitpunkt der Einreichung des Baugesuchs noch jener der Erteilung der Baubewilligung, sondern erst - als allerfrühester Zeitpunkt - der effektive Baubeginn massgebend sein. Sie weisen darauf hin, dass die Schätzungskommission in einem in den Pilotfällen getroffenen Entscheid (der nicht ans Bundesgericht weitergezogen wurde) sogar erst auf den Zeitpunkt der Rohbauvollendung abgestellt habe. Das Bundesgericht hat sich mit der hier aufgeworfenen Frage der Planung und Erstellung einer Baute während der für die Vorhersehbarkeit kritischen Zeit noch nie befassen müssen. In BGE 131 II 137 E. 2 S. 142 ff. wurde indes im Zusammenhang mit dem Kauf eines Grundstücks dargelegt, dass die aufgestellte Regel, wonach ab 1. Januar 1961 jedermann - und nicht bloss die Flughafen-Anwohner - die hohe Fluglärmbelastung um die Landesflughäfen kennen musste, allgemein gültig und streng zu beachten sei. Sie dürfe nicht im Einzelfall - je nach den gegebenen persönlichen oder tatsächlichen Verhältnissen - angepasst oder umgangen werden. Für die Beurteilung der Vorhersehbarkeit müsse daher beim (Ver-)Kauf eines Grundstücks der Zeitpunkt massgebend sein, in dem sich die Parteien der zivilrechtlichen Ordnung gemäss verbindlich und definitiv zur Übertragung des Grundstücks verpflichteten, also der Zeitpunkt der öffentlichen Beurkundung des Vertrages oder allenfalls des Übergangs des Eigentums bei der Eintragung ins Grundbuch. Dagegen könne es keine Rolle spielen, ob und wann die Parteien Vertragsverhandlungen aufgenommen, unverbindliche Abmachungen getroffen oder Abklärungen bei den Behörden vorgenommen hätten. Aus diesen Erwägungen ist sinngemäss abzuleiten, dass die Unvorhersehbarkeit der fluglärmbedingten Beeinträchtigungen bei der Überbauung eines Grundstücks zu bejahen ist, wenn der Grundeigentümer schon vor dem 1. Januar 1961 Verbindlichkeiten eingegangen ist, von denen er sich nicht mehr oder nur noch unter beträchtlichen finanziellen Aufwendungen lösen kann. Solche Verbindlichkeiten entstehen aber nicht schon bei Vorbereitungshandlungen wie der Erteilung von Projektierungsaufträgen und der Einholung der Baubewilligung. Die damit verbundenen Kosten sind - verglichen etwa mit den Baukosten - nicht derart hoch, dass ein Verzicht auf die Realisierung des Projektes als unzumutbar erschiene. Die Baubewilligung verpflichtet den Baugesuchsteller auch nicht zur Ausführung des Vorhabens. Sind dagegen die Werkverträge einmal BGE 134 II 49 S. 64 abgeschlossen und die Bauarbeiten aufgenommen, so wäre es unverhältnismässig, vom Grundeigentümer zu verlangen, die Verträge aufzulösen und den Bau im Hinblick auf die - ab 1. Januar 1961 als bekannt geltenden - Immissionsbelastungen einzustellen. Für die Vorhersehbarkeit der Lärmeinwirkungen ist demnach bei der Überbauung eines Grundstücks oder beim Ausbau eines bestehenden Gebäudes darauf abzustellen, ob der Werkvertrag vor dem 1. Januar 1961 abgeschlossen worden ist oder - falls sich dies nicht mehr eruieren lässt - ob der Baubeginn in die Zeit vor diesem Datum falle. Der Enteignete hat dem Bundesgericht mit seiner Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Enteigner Dokumente vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass der Werkvertrag für den Anbau auf dem Grundstück Grossackerstrasse 6 im Oktober 1960 abgeschlossen worden ist und auch die Bauarbeiten noch vor dem 1. Januar 1961 aufgenommen worden sind. Die Entschädigungspflicht ist somit im Lichte der Unvorhersehbarkeit der lärmbedingten Beeinträchtigungen auch hinsichtlich des Anbaus zu bejahen. 8. Nach Meinung der Enteigner ist bei der Beurteilung der Spezialität der Immissionen angesichts der Fluglärmvorbelastung der Gemeinde Opfikon-Glattbrugg für das ganze Gebiet enteignungsrechtlich vom Immissionsgrenzwert ES III auszugehen, also auch für jene Grundstücke, die nach kommunaler Planung der ES II zugewiesen sind. An sich ist nicht ausgeschlossen, bei der enteignungsrechtlichen Beurteilung der Lärmempfindlichkeit eines Gebietes andere Massstäbe anzulegen, als sie die kommunale Planungsbehörde angewendet hat. Einer Aufstufung steht hier jedoch gerade die enteignungsrechtliche Beurteilungsweise entgegen, die für die Abgeltung von Lärm sowohl die Spezialität der Immissionen als auch deren Unvorhersehbarkeit verlangt. Zwar sind diese Voraussetzungen grundsätzlich voneinander unabhängig zu beurteilen (vgl. BGE 110 Ib 340 E. 2 S. 346), doch dürfen die einzelnen Anforderungen nicht derart umschrieben werden, dass sie zueinander in Widerspruch treten. So darf zwar wie gesagt vorausgesetzt werden, dass der Nachbar eines Flughafens schon vor dem 1. Januar 1961 - als die Lärmbelastung noch nicht voraussehbar war - Eigentümer seines Grundstücks gewesen sei, damit überhaupt ein Entschädigungsanspruch entstehen kann. Dann aber können diesem Nachbarn die Immissionen, die im Wesentlichen erst nach dem 1. Januar 1961 eingetreten sind (vgl. im Einzelnen zum Betrieb der Piste 16/34: BGE 130 II 394 E. 12.3.1 S. 420), nicht im Rahmen der Beurteilung der Spezialität der Einwirkungen BGE 134 II 49 S. 65 als Lärmvorbelastung angerechnet werden. Hat mit anderen Worten ein Grundeigentümer sein Grundstück seinerzeit an einem Ort erworben, an welchem nach damaligem Ortsgebrauch kein (übermässiger) Lärm bestand und auch nicht zu erwarten war, so kann ihm das öffentliche Unternehmen, das den Lärm selbst bewirkt, die nachträgliche Änderung des Ortsgebrauchs nicht zur Last legen. Bei der von den Enteignern geltend gemachten Lärmvorbelastung handelt es sich aus enteignungsrechtlicher Sicht vielmehr um Auswirkungen des Werkes selbst, die im Enteignungsfall bei der Entschädigungsbemessung ausser Acht zu lassen sind ( Art. 20 Abs. 3 EntG [SR 711]). Dem Antrag der Enteigner um - enteignungsrechtliche - Höhereinstufung der der ES II zugewiesenen Grundstücke ist demnach nicht zu entsprechen. 9. Soweit die Enteigner vorbringen, ein lärmbedingter Schaden könne bei selbst genutzten Liegenschaften erst im Verkaufsfall eintreten, ist ihnen ebenfalls nicht zu folgen. Dass Wohnliegenschaften durch übermässigen Lärm entwertet werden, entspricht allgemeiner Lebenserfahrung und ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung. Wie die Enteigner an anderer Stelle selbst darlegen, stellt die ruhige Lage gleich wie etwa die schöne Aussicht, die gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr oder die Qualität der Baute eines der Elemente dar, die den Wert einer Liegenschaft ausmachen. Geht dieses Element verloren, nimmt der Markt- bzw. der Verkehrswert des Grundstücks ab und entsteht somit ein Schaden. Dass sich die Entwertung einer Liegenschaft bei Weiternutzung durch den bisherigen Eigentümer (noch) nicht in einem niedrigeren Verkaufspreis niederschlägt, ändert an der Werteinbusse nichts. Dem Grundeigentümer verbleibt nach dem Auftreten der übermässigen Lärmimmissionen nur noch ein Teil des früheren Marktwerts. Dieser Wertverlust ist, sofern der übermässige Lärm von einem mit dem Enteignungsrecht ausgestatteten Unternehmen ausgeht und auch die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind, nach Art. 19 lit. b EntG zu entschädigen, ohne dass die Entwertung durch einen Verkauf nachgewiesen werden müsste. Es gibt keinen Grund, den Eigentümer eines von ihm selbst genutzten Einfamilienhauses, der übermässige Fluglärmimmissionen zu dulden hat, im Hinblick auf den Nachweis des Schadens anders zu behandeln als andere Teilenteignete, so z.B. den Eigentümer einer von ihm selbst genutzten Wohnliegenschaft, welche mit einem Überleitungsservitut belastet wird (vgl. BGE 129 II 420 ). BGE 134 II 49 S. 66 10. In Übernahme der Rechtsprechung zur materiellen Enteignung ist nach Auffassung der Enteigner nur dann von einem schweren Schaden auszugehen, wenn der Minderwert wegen Fluglärms einen Drittel des Verkehrswertes der betroffenen Liegenschaften übersteigt. Die von den Enteignern in diesem Zusammenhang zitierten Entscheide zur materiellen Enteignung (Urteil A.115/1983 vom 14. Dezember 1983, publ. in: ZBl 85/1984 S. 366; Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 21. Juni 2001 [VR2000.00001]) betreffen indes nicht Lärm- oder andere Immissionen, sondern die Umzonung bzw. Nichteinzonung von Grundstücken im Rahmen kommunaler Nutzungsplanung. Weiter ist in diesen Entscheiden nicht festgestellt worden, dass Werteinbussen von Grundstücken von bis zu einem Drittel entschädigungslos hinzunehmen seien, sondern dass Bauverbote oder Baueinschränkungen, die nicht mehr als einen Drittel der Grundstücks fläche beträfen, noch in den Rahmen von hinzunehmenden öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkungen fielen (vgl. auch BGE 93 I 338 E. 7 S. 342 ff. mit Hinweisen). Da auch eine bauverbotsbelastete Fläche noch einen Restwert aufweist, ist die Gesamtentwertung der Grundstücke in diesen Fällen geringer als ein Drittel. Im Übrigen ist insbesondere in BGE 116 Ib 11 eingehend erläutert worden, weshalb die Unterdrückung der nachbarlichen Abwehrrechte gegenüber übermässigen, von einem öffentlichen Werk ausgehenden Lärmimmissionen den Bestimmungen über die formelle Enteignung und den in der Rechtsprechung aufgestellten speziellen Regeln folgt, und kann hier auf jene Erwägungen verwiesen werden. Art. 16 EntG schreibt aber, gleich wie Art. 26 Abs. 2 BV , im Falle der formellen Enteignung volle Entschädigung vor. Die Voraussetzung des schweren Schadens darf deshalb keine allzu hohe Hürde bilden und lässt sich nur insoweit rechtfertigen, als der Grundsatz zum Tragen kommt, dass ein Entschädigungsanspruch nicht für jeden beliebigen hoheitlichen Eingriff und damit auch nicht für jede beliebige Beeinträchtigung durch den öffentlichen Verkehr entstehen kann. 11. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist die Voraussetzung der Schwere des immissionsbedingten Schadens so zu verstehen, dass der Schaden eine gewisse Höhe oder einen gewissen Prozentsatz des Gesamtwertes einer Liegenschaft erreichen muss, damit eine Ersatzpflicht entsteht (vgl. BGE 94 I 286 E. 9c S. 302; BGE 110 Ib 340 E. 2 S. 347; BGE 123 II 481 E. 7d S. 493; BGE 130 II 394 E. 12.3 S. 419). BGE 134 II 49 S. 67 Eine feste, allgemein gültige Grenzziehung ist in der Praxis ausgeschlossen worden. In BGE 101 Ib 405 und BGE 102 Ib 271 wurde immerhin anerkannt, dass auch eine Entwertung von 10 % einer Liegenschaft bereits einen schweren Schaden im enteignungsrechtlichen Sinn darstellen kann. Verschiedentlich sind denn auch in bundesgerichtlichen Verfahren, die Nationalstrassenlärm betrafen und durch Vergleich erledigt werden konnten, Minderwertsentschädigungen von klar weniger als einem Drittel des Verkehrswertes des (nicht lärmbelasteten) Grundstücks zugestanden worden. Es ist nicht ersichtlich, weshalb bei Fluglärm, der sich zumindest ebenso einschneidend auswirkt wie der Strassenlärm, die Schwere des Schadens strenger umschrieben werden sollte. Auch die in den letzten Jahrzehnten eingetretene starke Erhöhung der Immobilienpreise spricht nicht für eine Anhebung der (in Prozenten ausgedrückten) Schwelle des schweren Schadens. Die Schätzungskommission hat im angefochtenen Entscheid ausgeführt, die Schwere des immissionsbedingten Schadens sei in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung der konkreten Umstände in Prozenten des Verkehrswerts zu schätzen, den die betreffende Liegenschaft ohne die übermässigen Einwirkungen aufweisen würde. In der herkömmlichen Schätzungspraxis gelte aber seit jeher für Verkehrswertschätzungen ein Ermessensspielraum von plus/minus 10 %. Es würde daher als widersprüchlich und inkonsequent erscheinen, einen Schaden als schwer zu qualifizieren, der 10 % des geschätzten Verkehrswerts nicht erreicht. Das Erfordernis der Schwere des Schadens sei somit nur dann als erfüllt zu betrachten, wenn der Minderwert infolge Fluglärms 10 % des Verkehrswerts deutlich übersteige. Der Schätzungskommission ist darin zuzustimmen, dass der lärmbedingte Minderwert - der Einfachheit und der Praktikabilität halber - üblicherweise in Prozenten des Verkehrswerts des lärmunbelasteten Grundstücks angegeben wird. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass die Entschädigung nach den Regeln über die Teilenteignung zu bemessen ist. Der Grundeigentümer hat Anspruch auf Ersatz des Minderwertes, den sein Grundstück durch die dingliche Belastung erleidet, d.h. auf die Vergütung der Wertdifferenz, die sich zwischen dem Verkehrswert des unbelasteten Grundstücks und jenem des belasteten Grundstücks ergibt (vgl. Art. 19 lit. b EntG ; BGE 106 Ib 241 E. 3 S. 245; BGE 122 II 337 E. 4c S. 343 mit Hinweisen). Der Minderwert bzw. die Entschädigung wäre somit richtigerweise nicht als prozentualer Anteil des Verkehrswertes des unbelasteten Grundstücks (oder BGE 134 II 49 S. 68 des belasteten Grundstücks) zu bestimmen, sondern als Differenzbetrag zu ermitteln, der sich bei Gegenüberstellung der Verkehrswerte vor und nach der Lärmbelastung ergibt. Wird der Minderwert als Differenzbetrag verstanden und festgelegt, kommt dem Schätzungsermessen bei der Bestimmung des Verkehrswertes einer Liegenschaft nur wenig Bedeutung zu, wird doch eine höhere (oder tiefere) Schätzung des Verkehrswertes vor der Lärmbelastung auch eine höhere (oder tiefere) Schätzung des Verkehrswertes nach der Lärmbelastung nach sich ziehen. Die Differenz bleibt sich somit gleich. Das Vorliegen eines schweren Schadens kann daher bei einem Minderwert von 10 % nicht allein mit dem Hinweis auf das Schätzungsermessen verneint werden. Abzüge bei der Bemessung des Schadens? 12. Die Enteigner verlangen, dass bei der Bestimmung der Minderwertsentschädigung die Vorteile, die der Flughafen Zürich für die in seinem Einflussbereich liegenden Nachbargrundstücke mit sich gebracht habe, angerechnet würden. Der Flughafen habe durch seinen Betrieb und die dadurch bewirkte Wertschöpfung nicht nur das Entwicklungspotenzial der Stadt Opfikon-Glattbrugg gefördert, sondern auch eine allgemeine Wertsteigerung der Liegenschaften herbeigeführt. Dieser werkbedingte Vorteil, der am Stichtag 20 % des Wertes der Liegenschaften ausgemacht habe, sei mindestens so anzurechnen, dass vom heranzuziehenden Verkehrswert 20 % abgezogen und für die Minderwertsbestimmung von 80 % des Verkehrswertes der Liegenschaften ohne Fluglärm ausgegangen werde. Gemäss Art. 20 Abs. 3 EntG haben die durch das Unternehmen des Enteigners entstehenden Werterhöhungen oder Wertverminderungen bei der Ermittlung des Verkehrswertes ausser Betracht zu fallen. Die Verkehrswertbestimmung hat so zu erfolgen, wie wenn es das Werk des Enteigners nicht gäbe. Dieser Grundsatz findet vorab bei Totalenteignungen sowie bei Teilenteignungen Anwendung, bei denen ein Teil der Grundstücks fläche abzutreten ist (räumliche Teilenteignung) und der abzutretende Teil nach den gleichen Regeln entschädigt wird wie eine ganze Parzelle (zu den Arten von Teilenteignung vgl. BGE 103 Ib 91 E. 3 S. 97). Bei Teilenteignungen infolge übermässiger Lärmimmissionen wie der hier vorliegenden hat indes wie gesagt (E. 11) die Minderwertsentschädigung dem Differenzbetrag zu entsprechen, der sich bei Gegenüberstellung der Verkehrswerte vor und nach der Lärmbelastung ergibt. Allfällige werkbedingte Vorteile BGE 134 II 49 S. 69 verbleiben dem Grundstück aber auch nach der Lärmbelastung. Da die (nicht mit der Enteignung in Zusammenhang stehenden) werterhöhenden oder wertvermindernden Auswirkungen des Werks bei der Schadensermittlung völlig wegzudenken sind, wären somit bei der Gegenüberstellung der Verkehrswerte vor und nach der Immissionsbelastung die werkbedingten Vorteile von beiden Werten abzuziehen. Auf solche - beiderseitige - Abzüge kann verzichtet werden. Insofern ist die Bemerkung in BGE 130 II 394 E. 12.3.3 S. 423 über die Vorteilsanrechnung zu relativieren. Gegen diese Überlegungen kann auch nicht eingewendet werden, dass die dem Grundeigentümer verbleibenden werkbedingten Vorteile nach Art. 22 Abs. 1 EntG angerechnet bzw. von der Entschädigung abgezogen werden müssten. Diese Bestimmung schreibt bei Teilenteignung nur die Anrechnung von "besonderen Vorteilen" ("avantages particuliers", "speciali vantaggi") vor, die dem "verbleibenden Teil" durch das Unternehmen erwachsen. Als Sondervorteil in diesem Sinne fällt nur jener Nutzen in Betracht, der (allein) dem teilenteigneten Grundstück entsteht, nicht dagegen ein allgemeiner Vorteil, der - wie bei einer generellen Wertsteigerung des Bodens - der ganzen Nachbarschaft und damit auch den Nichtenteigneten zugutekommt (HEINZ HESS/HEINRICH WEIBEL, Das Enteignungsrecht des Bundes, Bd. I, N. 4 zu Art. 22 EntG ; WERNER DUBACH, Die Berücksichtigung der besseren Verwendungsmöglichkeit und der werkbedingten Vor- und Nachteile bei der Festsetzung der Enteignungsentschädigung nach Bundesrecht, ZBl 79/1978 S. 6; siehe auch BGE 131 II 458 E. 3.3 S. 462 f. und E. 6 S. 468 f.). Dem Begehren der Enteigner um generelle Vorteilsanrechnung ist nicht stattzugeben. 13. Weiter bringen die Enteigner vor, dass sich die Höhe der Enteignungsentschädigung unter anderem nach dem Mass der Lärmbelästigung bestimme und in diesem Zusammenhang die bereits eingetretene sowie die künftige Lärmentlastung, die dank der technologischen Entwicklung möglich sei, berücksichtigt werden müsse. Die Fluglärmbelastung habe in der Umgebung des Flughafens Zürich seit 1987 stetig und nachweislich abgenommen. In der Gegend der Pilotliegenschaften sei der Lärmpegel während der Tagesstunden seit dem Stichtag, dem 1. Januar 1997, dank leiseren Flugzeugen um rund 5 dB(A) gesunken. Bis zum Jahr 2020 könnten gemäss einem Bericht des Advisory Council for Aeronautics Research in Europe (Strategic BGE 134 II 49 S. 70 Research Agenda, Volume 2 vom Oktober 2002) aufgrund weiterer Fortschritte im Flugzeugbau zusätzliche Reduktionen von 10 dB(A) erwartet werden. Dieser künftigen Lärmentlastung sei zwingend mit einem standardisierten Abzug von 20 % der Minderwertsentschädigung Rechnung zu tragen. Die Ausführungen der Schätzungskommission, wonach die Lärmbelastung erfahrungsgemäss eher zu- als abnehme, die künftige technologische Entwicklung ungewiss sei und auch nicht dem Flughafenhalter zugutekommen dürfte, gingen an den Tatsachen und an der Rechtslage vorbei. Der Enteignete anerkennt, dass der Dauerschallpegel des Fluglärms während der Tagesstunden seit 2001 zurückgegangen ist. Dieser Rückgang sei allerdings nur temporär, bleibe doch die Piste 16 gemäss dem "Vorläufigen Betriebsreglement" eine der Haupt-Startpisten. Zudem könne keineswegs davon ausgegangen werden, dass dank Verbesserungen der Triebwerkstechnologien in der überblickbaren Zukunft weitere Lärmreduktionen einträten. Vielmehr führe die Optimierung der Flugzeuge auf möglichst wenig Treibstoffverbrauch sogar zu höherem Lärm. Hinzu komme, dass seit der Einführung der sog. Südanflüge im Oktober 2003 die Einwohner von Opfikon-Glattbrugg nicht nur während des Tages, sondern auch in den Tagesrand- und Nachtstunden Lärmeinwirkungen ausgesetzt seien. 13.1 Nach Art. 19 bis Abs. 1 EntG ist für die Frage, welche rechtliche und welche tatsächliche Situation der Bewertung des enteigneten Grundstücks zugrunde zu legen sei, auf das Datum der Einigungsverhandlung abzustellen. Diese Regelung ist indessen, wie im angefochtenen Entscheid zu Recht festgestellt wird, auf Verfahren mit öffentlicher Planauflage und persönlicher Anzeige zugeschnitten, in denen die Entschädigungsforderungen für eine Enteignung gleichzeitig anzumelden sind und damit auch die Einigungsverhandlungen zur gleichen Zeit durchgeführt werden können. Findet dagegen, wie häufig beim nachträglichen Auftreten übermässiger Immissionen, kein öffentliches Auflageverfahren statt und können die Entschädigungsansprüche bis zum Eintritt der Verjährung über einen längeren Zeitraum geltend gemacht werden, rechtfertigt es sich, für alle Verfahren den nämlichen Schätzungszeitpunkt zu wählen. Der Schätzungsstichtag ist in diesen Fällen nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung in Würdigung der gegebenen Umstände festzusetzen und darf auf den Zeitpunkt gelegt werden, in dem die Lärmbetroffenen durch öffentliche Auflage der Lärmbelastungspläne und öffentliche BGE 134 II 49 S. 71 Bekanntmachung zur Anmeldung ihrer Entschädigungsansprüche hätten aufgefordert werden können ( BGE 121 II 350 E. 6c/d S. 356). Die Schätzungskommission hat in Anwendung dieser Rechtsprechung den dies aestimandi auf den 1. Januar 1997 festgesetzt. Die Enteigner erklären sich mit dieser Festlegung ausdrücklich einverstanden, fordern aber wie gesagt gleichzeitig, dass bei der Schadensbemessung die inzwischen eingetretene und insbesondere die ihrer Meinung nach voraussehbare künftige Lärmsituation berücksichtigt werde. Damit verlangen sie jedoch im Grunde genommen - etwas widersprüchlich - eine Verschiebung des Schätzungszeitpunktes. 13.2 Das Bundesgericht hat sich in seiner Entschädigungspraxis mit der Frage möglicher künftiger Zu- oder Abnahme von übermässigen Immissionen noch kaum befassen müssen. In der Regel ist davon ausgegangen worden, dass bei der Ermittlung des massgebenden Lärmpegels und der entsprechenden Entschädigungsbemessung auf den am Stichtag herrschenden Lärm abzustellen sei und sich dieser in absehbarer Zeit nicht wesentlich ändern werde. In BGE 110 Ib 340 ist allerdings erwogen worden, bei der Lärmermittlung statt auf den tatsächlichen Verkehr auf den "Normverkehr" abzustellen, der sich nach der Leistungsfähigkeit einer (National-)Strasse richtet. Sei vorauszusehen, dass die Verkehrsbelastung einer bestehenden Strasse stark ansteigen werde, empfehle es sich im Enteignungsverfahren, bei der Schadensfestsetzung den Beeinträchtigungen aus dem "Normverkehr" ebenfalls Rechnung zu tragen. Auf diese Weise werde die nachbarliche Auseinandersetzung endgültig erledigt und der Enteignete mit der Zahlung der Entschädigung abschliessend verpflichtet, die übermässigen Immissionen zu dulden. Zudem könne berücksichtigt werden, dass der Immobilienmarkt auf voraussehbare künftige Entwicklungen häufig sofort reagiere (E. 5 S. 351 f.). Demgegenüber besteht keine bundesgerichtliche Rechtsprechung zur möglichen oder voraussehbaren Abnahme von Immissionen aus dem Betrieb eines Unternehmens in einem zukünftigen, unbestimmten Zeitpunkt (in BGE 123 II 560 war diese Frage nicht zu prüfen). Zu beurteilen waren bisher lediglich Entschädigungen für zeitlich begrenzte Beeinträchtigungen während der Bauzeit (vgl. BGE 113 Ia 353 ; BGE 117 Ib 15 ; BGE 132 II 428 ). Im Übrigen ist dem Bundesgericht nicht bekannt, dass in einem der Fälle, in denen Entschädigungen für Nationalstrassenlärm zugesprochen wurden und später in Anwendung der Umweltschutzgesetzgebung Lärmschutzwände erstellt worden BGE 134 II 49 S. 72 sind, die Entschädigung vom Enteigner ganz oder teilweise zurückgefordert worden wäre. 13.3 Als einer der enteignungsrechtlichen Grundsätze darf gelten, dass bei der Schadensermittlung und Entschädigungsbemessung nur Tatsachen zu berücksichtigen sind, die im Schätzungszeitpunkt bereits gegeben sind oder die sich mit Sicherheit oder grösster Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft ergeben bzw. ergeben hätten, wenn keine Enteignung stattfinden würde. So dürfen Inkonvenienzentschädigungen nur für Nachteile zugesprochen werden, die sich nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge als Folge der Enteignung voraussehen lassen ( Art. 19 lit. c EntG ). Weiter darf die Möglichkeit einer besseren Verwendung ( Art. 20 Abs. 1 EntG ) nur berücksichtigt werden, wenn sie in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht am Stichtag bereits bestanden hat oder, ohne die Enteignung, in nächster Zukunft eingetreten wäre; bloss theoretische Möglichkeiten oder vage Aussichten auf eine künftige günstigere Verwendung genügen nicht (vgl. etwa BGE 112 Ib 531 E. 3 S. 533; BGE 113 Ib 39 E. 3 S. 43; 129 470 E. 6.1 S. 477 f.). Demnach sind nach dem Stichtag eintretende Änderungen der tatsächlichen Situation, die sich werterhöhend oder -vermindernd auswirken können, bei der Entschädigungsbemessung nur insoweit zu berücksichtigen, als sie sich im Schätzungszeitpunkt im Verkehrswert des von der Enteignung betroffenen Objektes schon niedergeschlagen haben oder mit hinreichender Sicherheit in nächster Zukunft niederschlagen werden. 13.4 Es ist unbestritten, dass die Zahl der Abflüge seit dem Jahr 2000 - teils wegen des Rückgangs des Flugverkehrs, teils infolge der Verlegung von Starts auf die Piste 28 - abgenommen hat. Der Enteignete macht wie gesagt geltend, dieser Rückgang sei nur vorübergehend, befinde sich doch der Flugverkehr erneut in vollem Wachstum und bleibe die Piste 16 gemäss dem "Vorläufigen Betriebsreglement" eine der Haupt-Startpisten. Die Enteigner widersprechen dem nicht und haben in ihren Eingaben an die Schätzungskommission auch eingeräumt, dass das Verkehrsaufkommen möglicherweise wieder zunehmen könnte. Sie begründen ihr Begehren um den Abzug für künftige Lärmentlastung vielmehr mit dem technologischen Fortschritt im Flugzeugbau, der bis zum Jahr 2020 nochmals zu einer deutlichen Reduktion des Flugzeuglärms führen werde. Diese Prognose bezieht sich somit nicht auf die nächste Zukunft, sondern auf einen Zeithorizont von mehr als 20 Jahren ab dem dies aestimandi. Die prognostizierte Lärmentlastung von 10 dB(A) wird zudem in BGE 134 II 49 S. 73 dem von den Enteignern erwähnten Bericht als blosse Zielvorstellung angegeben. In der Fachliteratur wird zwar bestätigt, dass die Entwicklung neuer Triebwerke im Gange und die Reduktion des Fluglärms theoretisch möglich sei. Praktisch lägen aber wesentliche Änderungen in weiter Ferne. Die Flugzeugindustrie werde möglichst lange an den Triebwerken der heutigen Generation festhalten, die erprobt seien und für welche eine ausgebaute Logistik bestehe. Ein Wechsel werde erst stattfinden, wenn wirtschaftliche Vorteile dafür sprächen oder schärfere Umweltbestimmungen ihn erzwängen. Zudem könnten die Fortschritte der Neuentwicklungen nicht mehr so gross sein wie jene, die seinerzeit bei der Einführung der Mantelstromtriebwerke erzielt worden seien (ROBERT HOFMANN, Lärm und Lärmbekämpfung in der Schweiz, 5. Aufl. 2003, S. 14-5). Auch der Bundesrat geht in seinem Bericht über die Luftfahrtpolitik der Schweiz 2004 davon aus, dass langfristig wieder mit einem Wachstum im Luftverkehr zu rechnen sei und dass der technologische Fortschritt nur bei einem geringen Luftverkehrswachstum ausreichen werde, um die mit dem Wachstum verbundene Mehrbelastung an Lärm- und Schadstoffemissionen zu kompensieren (Bericht vom 10. Dezember 2004, BBl 2005 S. 1781 ff., Ziff. 3.1.4.1 S. 1815). Somit ist festzuhalten, dass die von den Enteignern angerufene technologische Entwicklung im Flugzeugbau keine Tatsache darstellt, die - vom Zeitpunkt des dies aestimandi aus gesehen - in nächster Zukunft mit hinreichender Sicherheit zu einer wesentlichen Lärmentlastung führen wird und daher bei der Entschädigungsbemessung zu beachten wäre. Dem Begehren um Vornahme eines entsprechenden standardisierten Abzugs von 20 % der Minderwertsentschädigung kann nicht entsprochen werden. Anwendbare Schätzungsmethode 14. Die Schätzungskommission hat im vorliegenden Fall zur Bestimmung der Minderwertsentschädigung eine Berechnung unter Beizug der Lageklassenmethode angestellt, aber auch das Resultat, das sich bei Anwendung des neuen Schätzungsmodells MIFLU ergeben hat, mitberücksichtigt. Im angefochtenen Entscheid wird hierzu ausgeführt, die Schätzungskommission habe angesichts der Grosszahl der Entschädigungsbegehren und des relativ ungewissen Fortgangs der Verfahren im Jahr 1999 im Einvernehmen mit den Parteien beschlossen, vorerst eine Verkehrswertschätzung aller Objekte nach einem einheitlichen, BGE 134 II 49 S. 74 herkömmlichen Schätzungsmodell durchzuführen. Bei der Kategorie "selbstgenutztes Wohneigentum" (Einfamilienhäuser und Stockwerkeigentum) sei die Sachwert- bzw. Realwertmethode angewendet worden. Der Gebäudewert sei somit aufgrund der Baukosten bestimmt worden, wobei dem Unterhaltszustand Rechnung getragen worden sei, und der Landwert sei anhand der Lageklassenmethode oder aufgrund von Vergleichswerten festgelegt worden. Zur Bestimmung eines lärmbedingten Minderwertes gebe es in der Schätzungslehre keine anerkannte Methode. Die Schätzungskommission sei daher frei, in jedem Einzelfall - unter entsprechender Begründung - die ihr als geeignet erscheinende Schätzungsmethode zu wählen und allenfalls mehrere dieser Methoden zu kombinieren. Der fluglärmbedingte Minderwert einer Liegenschaft könne anhand der Veränderung der Lageklasse dargestellt werden. Der Standort, die Nutzung sowie die verkehrstechnisch gute Lage eines Grundstücks blieben mit oder ohne Fluglärm gleich. Hingegen würden die Wohnlage (Attraktivität, Immissionen) und die Nachfrage durch den Fluglärm negativ beeinflusst. Die Wertveränderung finde nach der Lageklassenmethode grundsätzlich auf dem Landwert statt. Die Schätzungskommission sei der Meinung, dass gerade dieser Fokus zu einer gerechten Bemessung der Wertverminderung führe, habe doch nicht jeder Enteignete gleich hohe Investitionen getätigt bzw. das Ausnützungspotenzial der Liegenschaft ausgeschöpft. Die Enteigner hätten, so legt die Schätzungskommission weiter dar, für die Kategorie des selbstgenutzten Eigentums eigens ein besonderes hedonisches, das heisst auf ökonometrischen Grundlagen und auf zahlreichen Daten beruhendes Schätzungsmodell erstellen lassen. Die grosse, nur elektronisch zu verarbeitende Datenmenge stamme aus den Unterlagen der Zürcher Kantonalbank, der Marktführerin im Hypothekargeschäft, und beziehe sich auf Immobilien im ganzen Kantonsgebiet. Die Arbeiten an diesem Modell, kurz MIFLU genannt (für "Minderwert Fluglärm"), seien wissenschaftlich begleitet und überprüft worden. Die Methode beruhe auf statistischen Vergleichen der einzelnen Bewertungselemente von Liegenschaften und solle es ermöglichen, den Einfluss des - nach den Berechnungen der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) ermittelten - Fluglärms auf den Grundstückswert isoliert auszudrücken und schematisch zu bestimmen. Dieses Modell könne durchaus wertvolle Dienste für die gestellten Schätzungsaufgaben leisten, habe aber - wie die Enteigneten zu Recht geltend machten - den Nachteil, BGE 134 II 49 S. 75 für Laien schwer verständlich und nicht nachvollziehbar zu sein. Ausserdem hange die Qualität des Ergebnisses von der Qualität der Dateneingabe ab. Andererseits weise auch die Lageklassenmethode insofern Unzulänglichkeiten auf, als sie sich nur auf relativ wenige Daten abstütze und stärker durch das subjektive Ermessen des Schätzers beeinflusst werde. Zur Bestimmung der Entschädigung dürften daher die Bewertung der Schätzungskommission wie auch jene gemäss MIFLU-Modell beigezogen werden, wobei beide Ergebnisse gleich zu gewichten seien. Derart könne einerseits die objektive, schematische, aber rein statistische Beurteilung des Minderwertes, andererseits aber auch die individuelle Betrachtung des betroffenen Objekts durch den Schätzer in die Bemessung einfliessen. 15. Das Vorgehen der Schätzungskommission bei der Entschädigungsbemessung wird von beiden Parteien kritisiert. Der Enteignete beanstandet vorweg das "Methodenpuzzle", das mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung unvereinbar sei, wende doch das Bundesgericht für dieselbe Liegenschaftenart stets nur eine einzige Schätzungsart an. Zudem seien die angewandten Methoden - zum einen die Sachwertmethode unter Beizug der Lageklassenmethode und zum andern die Berechnungen gemäss MIFLU - zur Ermittlung des Minderwertes ungeeignet. Insbesondere könne die Lageklassenmethode nur zu brauchbaren Ergebnissen führen, wenn es sich um ertragswertorientierte Objekte handle und die Grundstücksfläche dem zonenkonformen Landbedarf für das Objekt entspreche. Der Lageklassenschlüssel diene ausschliesslich dazu, den Landwert in eine bestimmte Beziehung zum Gebäudewert zu setzen. Die Veränderung der Lageklasse bewirke somit lediglich eine Veränderung des Landwertanteils und widerspiegle entgegen der Meinung der Schätzungskommission keineswegs eine Veränderung des Gesamtverkehrswerts der Liegenschaft. Ausserdem sei der verwendete Lageklassenschlüssel hinsichtlich der Immissionsbelastung zu undifferenziert und die konkrete Einordnung der Liegenschaft des Enteigneten mangelhaft. Es sei daher eine Neuschätzung des Minderwertes durch die Oberschätzungskommission zu veranlassen. Die Enteigner halten die Kombination der Lageklassenmethode mit der MIFLU-Bewertung aus ähnlichen Gründen für verfehlt. Sie betonen im Weiteren, dass bei der Lageklassenmethode, so wie sie konkret angewendet worden sei, dem subjektiven Empfinden bzw. dem Ermessen des Schätzers ein allzu grosses Gewicht zukomme, was BGE 134 II 49 S. 76 bei einer Grosszahl von Fällen zwingend zu Ungerechtigkeiten und nicht vertretbaren Ungleichbehandlungen führe. Die Kritik am Vorgehen der Schätzungskommission, insbesondere am Einsatz der Lageklassenmethode zur Ermittlung des fluglärmbedingten Minderwertes, erscheint teilweise als berechtigt. 15.1 Die Behauptung des Enteigneten, dass das Bundesgericht für dieselbe Liegenschaftenart jeweils nur eine einzige Schätzungsmethode anwende, trifft in dieser Absolutheit nicht zu. Auch wenn sich dies aus den publizierten Entscheiden kaum ergibt, so sind bei der Bewertung von Mietobjekten oder von Liegenschaften mit unterschiedlicher Nutzung regelmässig sowohl der Realwert als auch der Ertragswert ermittelt und die Resultate beider Methoden - je nach Art des Objekts gewichtet - zur Verkehrswertbestimmung herangezogen worden (vgl. etwa BGE 113 Ib 39 E. 4a-c S. 44 ff.; BGE 128 II 74 E. 4 S. 77). Wohl kann diese Art der Schätzung als Mischwertmethode bezeichnet werden (vgl. FRANCO CANONICA, Schätzerlehrgang, Grundwissen, Schweiz. Immobilienschätzer-Verband SIV [Hrsg.], Bern 2000, S. 119; Das Schweizerische Schätzerhandbuch, Bewertung von Immobilien, Ausgabe 2005, Schweiz. Vereinigung kantonaler Grundstückbewertungsexperten SVK und Schweiz. Schätzungsexpertenkammer/Schweiz. Verband der Immobilien-Treuhänder SEK/ SVIT [Hrsg.], S. 48 [im Folgenden: Schätzerhandbuch]), doch ändert dies nichts daran, dass es sich um die kombinierte Anwendung zweier selbständiger Schätzungsmethoden handelt. Weiter haben die bundesgerichtlichen Experten häufig das anhand einer Schätzungsmethode ermittelte Ergebnis unter Beizug weiterer Methoden überprüft und allenfalls korrigiert (so Urteil E.40/1976 vom 16. Januar 1980, E. 2, 3 und 6 nicht publ. in BGE 106 Ib 19 ; vgl. auch BGE 102 Ib 353 E. 2 in fine S. 355; siehe auch HESS/WEIBEL, a.a.O., N. 96 zu Art. 19 EntG ). Voraussetzung für ein solches Vorgehen ist allerdings, dass sich alle eingesetzten Methoden zur Schätzung des fraglichen Objektes eignen. 15.2 Wie in BGE 128 II 74 E. 5c/aa S. 81 und BGE 131 II 458 E. 5.1 S. 465 eingehend geschildert wird, beruht die sog. Lageklassenmethode auf der zunächst von WOLFGANG NAEGELI gewonnenen Erkenntnis, dass der Wert des Landes zum Gesamtwert einer Liegenschaft in einer ganz bestimmten Relation stehe, die für alle Grundstücke in der gleichen Lage dieselbe sei. Je besser die Lage, umso höher sei der Anteil des Landwertes am Gesamtwert. Bei der Bewertung BGE 134 II 49 S. 77 einer Liegenschaft könne demnach der Neu- oder Zeitwert der bestehenden oder möglichen Überbauung errechnet und aus diesem Betrag entsprechend der Lageklasse, welche nach einem Bewertungsschlüssel für das Grundstück festgesetzt wird, der Landwert bestimmt werden. Ausgehend von ursprünglich 8 Lageklassen werden in der heutigen Fachliteratur mehrheitlich 10 Lageklassen mit entsprechenden Lageklassenschlüsseln und Landwertanteilen unterschieden (vgl. die Hinweise in BGE 131 II 458 E. 5.1 S. 465). Die neuere Schätzungslehre empfiehlt gegenüber der Lageklassenmethode Zurückhaltung. Die Methode beruhe auf einer relativ bescheidenen Datenbasis und es sei noch nie empirisch überprüft worden, ob die angenommenen Relationen je gegolten hätten und auch heute noch gälten (DONATO FLAVIO SCOGNAMIGLIO, Methoden zur Immobilienbewertung im Vergleich, Diss. Bern 2000, S. 20). Weiter wird dargelegt, die - gleiche - Gewichtung der einzelnen Kriterien des Lageklassenschlüssels sei fragwürdig. Zudem spiele das subjektive Empfinden bei der Einstufung einer Liegenschaft in eine Lageklasse eine grosse Rolle und würden verschiedene Schätzer dieselbe Immobilie wohl kaum gleich benoten (CLAUDIO LODERER/PETRA JÖRG/ KURT PICHLER/LUKAS ROTH/PIUS ZGRAGGEN, Handbuch der Bewertung, 3. Aufl. 2005, S. 1044 [im Folgenden: Bewertungs-Handbuch]; SCOGNAMIGLIO, a.a.O., S. 20). Auch das Bundesgericht hat schon verschiedentlich zur Vorsicht bei der Anwendung der Lageklassenmethode gemahnt, da diese - gleich wie etwa die Rückwärtsrechnung - auf nicht mehr durchwegs geltenden Rentabilitätsüberlegungen beruhe und selbst ziffernmässig geringe Differenzen bei den einzelnen Ausgangswerten erhebliche Resultatsstreuungen entstehen liessen ( BGE 102 Ib 353 E. 2 S. 353 ff.; BGE 114 Ib 286 E. 7 in fine S. 296; BGE 122 I 168 E. 3a S. 174). In BGE 131 II 458 E. 5 S. 464 ff. ist die Lageklassenmethode zur Entschädigungsbemessung bei einer (räumlichen) Teilenteignung bzw. zur Bewertung von kleineren Teilflächen überbauter Grundstücke als ungeeignet bezeichnet worden. 15.3 Die Schätzungskommission hat zur Bestimmung des fluglärmbedingten Minderwertes auf den Lageklassenschlüssel "Wohnen" des Schätzerhandbuchs abgestellt. Dieser unterscheidet 10 Lageklassen und umschreibt - qualitativ abgestuft - die Eigenschaften eines Grundstücks, welche in fünf Hauptkriterien (Standort, Nutzung, Wohnlage, Erschliessung und Marktverhältnisse) sowie BGE 134 II 49 S. 78 verschiedene Unterkriterien (für das Hauptkriterium "Wohnlage" die beiden Unterkriterien "Attraktivität" sowie "Emissionen/Immissionen") aufgeteilt werden. Bei der Bewertung einer Liegenschaft ist dieser je nach ihren Eigenschaften für jedes Kriterium eine Note (1-10, der Lageklasse entsprechend) zu erteilen. Die Lageklasse ergibt sich schliesslich aus dem arithmetischen Mittel der fünf Noten für die Hauptkriterien. Im vorliegenden Fall hat die Schätzungskommission die Liegenschaft des Enteigneten bezüglich der Hauptkriterien Standort, Nutzung und Erschliessung vor und nach der Lärmbelastung gleich benotet (Noten 5.5, 3.5 und 5). Für die Wohnlage sind vor der Lärmbelastung 5.5 Punkte eingesetzt worden, das heisst, dass die Attraktivität als "sehr gut" bis "vornehmes Villenviertel" (6 Punkte) bezeichnet und die Immissionslage mit "schwachen Immissionen" (5 Punkte) beschrieben worden ist. Für die Wohnlage der lärmbelasteten Liegenschaft sind noch 4 Punkte zuerkannt worden, wobei die Attraktivität immer noch als "gut" (5 Punkte) betrachtet, den "starken" bis "mittleren Immissionen" aber mit nur 3 Punkten Rechnung getragen worden ist. Die Marktverhältnisse am fraglichen Ort sind ohne den Fluglärm mit 8 Punkten bewertet worden, was bedeutet, dass eine grosse bis sehr grosse Nachfrage und nur ein kleines Angebot besteht. Auch mit der Lärmbelastung herrscht nach Auffassung der Schätzungskommission im Bereiche der Liegenschaft des Enteigneten noch eine grosse Nachfrage und bestehen ausgeglichene Marktverhältnisse (5.5 Punkte). Aus diesen Bewertungen hat sich für die Liegenschaft des Enteigneten eine lärmbedingte Verschlechterung der Lageklasse um 0.8 Punkte (von 5.5 auf 4.7 Punkte) oder um rund 15 % ergeben. 15.4 Wie geschildert hätte die Verschlechterung der Lageklasse gemäss der Lageklassenmethode zur Folge, dass der Anteil des Landwertes am Gesamtwert der Liegenschaft abnimmt (vgl. Schätzerhandbuch Tabelle 11 Landwertanteil S. 247) und sich damit auch - bei gleich bleibendem Gebäudewert - der Gesamtwert selbst vermindert. Die Schätzungskommission hat jedoch bei der Schadensermittlung nicht auf diesen landanteilsmässigen Wertverlust abgestellt, sondern ist davon ausgegangen, dass die lärmbedingte Verkehrswerteinbusse der gesamten Liegenschaft der prozentualen Einbusse an Lageklasse- Punkten (hier 15 %) entspreche. Insofern ist der Vorwurf, es sei nur die Entwertung des Landes in Betracht gezogen BGE 134 II 49 S. 79 worden und jene der Bauten unberücksichtigt geblieben, unbegründet. Die Schätzungskommission hat mit anderen Worten nicht eigentlich die Lageklassenmethode angewendet, sondern lediglich den Lageklassenschlüssel benützt, um aufgrund der Benotung einzelner Eigenschaften des Grundstücks mit und ohne Lärmbelastung die Differenz zu ermitteln, welche nach Ansicht der Vorinstanz dem Minderwert der Gesamtliegenschaft entspricht. Für eine solche Minderwertsermittlung ist jedoch der als Eigenschaften-Tabelle beigezogene Lageklassenschlüssel, wie die Parteien zu Recht geltend machen, zu undifferenziert. Dies trifft insbesondere für das Kriterium "Wohnlage" bzw. für die Umwelteinflüsse zu. Der Lageklassenschlüssel kennt lediglich die vier Stufen "starke Immissionen (Lageklassen 1 und 2), "mittlere Immissionen" (Lageklassen 3 und 4), "schwache Immissionen" (Lageklassen 5 und 6) sowie "keine Immissionen" (Lageklassen 7 bis 9). Er unterscheidet weder zwischen Flug-, Bahn-, Strassen- oder anderem Lärm noch zwischen Lärm- und anderen Immissionen. Die grobe Einteilung belässt dem Schätzer, wie gerügt, einen sehr weiten Spielraum des Ermessens. Dass dieses Ermessen nicht von jedem Schätzer in gleicher Weise ausgeübt wird, zeigt sich im vorliegenden Fall in geradezu beispielhafter Weise, ist doch wie erwähnt die Liegenschaft des Enteigneten ohne den Lärm bei der Minderwertsermittlung der Lageklasse 5.5 zugewiesen worden, während bei der bereits früher durch einen anderen Schätzer vorgenommenen Verkehrswertbestimmung von der Lageklasse 6.5 ausgegangen wurde. Würde die Lageklasse 6.5 auch für die Minderwertsermittlung übernommen, so erhöhte sich die lärmbedingte Werteinbusse (von 6.5 auf 4.7 Punkte) auf 1.8 Punkte bzw. auf rund 28 % und wäre die Minderwertsentschädigung nahezu zu verdoppeln. Die von der Schätzungskommission vorab verwendete Methode zur Bestimmung der Werteinbusse eignet sich somit wegen der Undifferenziertheit der Eigenschaften-Tabelle und des zu grossen Gewichts des Schätzungsermessens schlecht zur Bestimmung der fluglärmbedingten Entwertung insbesondere einer Grosszahl von Liegenschaften. 15.5 Der Enteignete verlangt, dass die Eidgenössische Oberschätzungskommission Neuschätzungen vornehme. Die Oberschätzungskommission ist jedoch kein Gremium, das als solches Schätzungen anstellen würde. Sie besteht vielmehr aus einer Reihe von Fachleuten aus verschiedenen Berufen, die nach Bedarf im Einzelfall vom Bundesgericht zur fachtechnischen Beratung beigezogen werden können (vgl. Art. 80 und 82 EntG ; BGE 128 II 74 E. 3 S. 77). Im BGE 134 II 49 S. 80 Übrigen legt der Enteignete nicht dar, nach welcher Methode bei den Neuschätzungen vorzugehen wäre. Zu prüfen bleibt daher, ob die von Seiten der Enteigner ins Verfahren eingebrachte Methode, deren Ergebnis von der Schätzungskommission hälftig mitberücksichtigt worden ist, als wissenschaftlich anerkannte und hinreichend erprobte Methode gelten kann, die sich zur Bemessung der lärmbedingten Werteinbusse eignet. 16. 16.1 Das MIFLU-Modell beruht auf ökonometrischen oder sog. hedonischen Ansätzen. Ökonometrische oder hedonische Modelle werden, wie sich der neueren Fachliteratur über das Bewertungswesen entnehmen lässt, seit etlicher Zeit für Untersuchungen von verschiedenen Gütermärkten (Auto-, Immobilien-, Kunstmarkt usw.) und insbesondere für Preisanalysen eingesetzt. Diesen Modellen ist im Wesentlichen gemeinsam, dass sie die auf dem Markt bestehenden Preisunterschiede über die spezifischen Gütereigenschaften erklären, die dem Nutzer oder Eigentümer in mehr oder weniger grossem Ausmass Genuss verschaffen und dementsprechend die Zahlungsbereitschaft bestimmen. Eine Liegenschaft wird demnach als Bündel von Eigenschaften betrachtet, von denen jede ihren Preis hat und welche gesamthaft den Wert des Gutes bilden. Die verschiedenen preisbestimmenden Eigenschaften können dank moderner Informatiktechnologie unter Berücksichtigung zahlreicher Vergleichsobjekte, die auf dem freien Markt gehandelt worden sind, durch ein statistisches Verfahren (Regressionsverfahren) ermittelt und quantifiziert werden. Dies erlaubt somit die Bewertung einzelner Eigenschaften. Sind die Preise der Merkmale bekannt, können sie für die Bewertung weiterer Liegenschaften eingesetzt werden (vgl. Schätzerhandbuch S. 91 ff., Bewertungs-Handbuch S. 1058 ff.; KASPAR FIERZ, Der Schweizer Immobilienwert, 5. Aufl. 2005, S. 264 ff.; derselbe , Wertminderung von Immobilien infolge von Fluglärm, Der Treuhandexperte 2005 Heft 6 S. 349; MARTIN GEIGER, Der Mietwohnungsmarkt, Schriftenreihe Wohnungswesen, Bd. 77, 2006, Bundesamt für Wohnungswesen [Hrsg.], S. III und 11; MARCO SALVI/PATRIK SCHELLENBAUER/HANSJÖRG SCHMIDT, Preise, Mieten und Renditen. Der Immobilienmarkt transparent gemacht, Zürcher Kantonalbank 2004 [Hrsg.], S. 14 ff.; SCOGNAMIGLIO, a.a.O., S. 43 ff.; OTTO WIPFLI, Bemessung immissionsbedingter Minderwerte von Liegenschaften, Diss. Zürich 2007, S. 48 ff.). BGE 134 II 49 S. 81 Bei der Bewertung von Immobilien werden je nach Modell bis zu 50 Eigenschaften unterschieden, die sich in Liegenschafts-, Lage- und andere Merkmale einteilen lassen. Als Liegenschaftsmerkmale fallen z.B. das Alter der Baute, die Anzahl Zimmer, die Wohnfläche und das Volumen des Gebäudes in Betracht. Als Lagemerkmale gelten - wobei zwischen Mikro- und Makrolage unterschieden wird - etwa die Aussicht und die Ruhe im Quartier sowie die Aussicht und die allgemeine Lage der Gemeinde mit ihren geografischen, infrastrukturellen, wirtschaftlichen und weiteren Gegebenheiten (vgl. Schätzerhandbuch S. 91 f.; Bewertungs-Handbuch S. 1059 f.; SCOGNAMIGLIO, a.a.O., S. 46 ff.). 16.2 Als Nachteil der hedonischen Methode wird in der Fachliteratur genannt, dass die Datenerhebung sehr aufwendig und kostspielig sei, die Datenauswertung vertiefte Statistik- und Informatikkenntnisse erfordere und die Datenbasis sehr breit sein müsse. Weiter bestimme der hedonische Ansatz nicht, welche Eigenschaften den Preis einer Liegenschaft ausmachten, und lasse insofern bei der Erarbeitung des Modells einen gewissen Spielraum offen. Zudem setze die Methode voraus, dass das zu bewertende Objekt die gleichen Haupteigenschaften aufweise wie die erfassten Vergleichsobjekte. Dies treffe bei den am häufigsten gehandelten Immobilien - Einfamilien- und Mehrfamilienhäusern sowie Stockwerkeigentumswohnungen - in der Regel zu, nicht dagegen bei Sonderobjekten wie luxuriöse Villen und Mischbauten Wohnungen/Gewerbe. Bemängelt wird auch, dass die Lagemerkmale eines Objekts häufig nur aufgrund eines topographischen Rasters bestimmt werden und auf Durchführung eines Augenscheins verzichtet wird. Werden indessen die Merkmale der Liegenschaften sorgfältig - insbesondere auch durch zusätzlichen Augenschein - erfasst und sind genügend zahlreiche aussagekräftige Vergleichszahlen vorhanden, so erlaubt die hedonische Methode unbestrittenermassen eine schnelle, aktuelle und gleichmässige Bewertung von Immobilien und - was hier besonders interessiert - derer einzelnen Eigenschaften. Die Methode wird in dem Sinne als zuverlässig bezeichnet, als sie stets - auch bei Anwendung durch verschiedene Personen - zum gleichen Ergebnis führe (zu den Vor- und Nachteilen der Methode vgl. insb. Schätzerhandbuch S. 93 f.; Bewertungs-Handbuch S. 1064 f.; CANONICA, a.a.O., S. 131; ROLAND GFELLER, Immissions- und Überflugsenteignungen am Beispiel des Flughafens Zürich, Diss. Zürich 2006, S. 111 ff.). BGE 134 II 49 S. 82 16.3 Gemäss den Ausführungen im Schätzerhandbuch (S. 93) wurde zu Beginn der 1990er Jahre von der Universität Genf eine Voranalyse über die Nützlichkeit der hedonischen Modelle in der Schweiz vorgenommen. Auf dieser Nützlichkeitsanalyse aufbauend sind offenbar seit 1996 Modelle für hedonische Schätzungen vor allem von Einfamilienhäusern und Stockwerkeigentum erarbeitet worden. Dabei scheint die Zürcher Kantonalbank (ZKB) eine Vorreiterrolle übernommen zu haben, indem sie die Preise der von ihr in den Jahren 1980 bis 1996 finanzierten Ein- und Mehrfamilienhäuser sowie der Wohnungen mit dem hedonischen Ansatz erklärte und hedonische Immobilienindizes erarbeiten und veröffentlichen liess (FRANZISKA BIGNASCA und weitere Autoren, Immobilienpreise und Bauinvestitionen unter der Lupe, Zürcher Kantonalbank [Hrsg.], 1996 zit. in SCOGNAMIGLIO, a.a.O., S. 45, 243). Heute bieten die meisten grösseren Unternehmungen, die sich mit Immobilien beschäftigen, Bewertungen aufgrund hedonischer Modelle an. Obwohl sich noch einzelne Autoren dieser Methode gegenüber kritisch oder zumindest zurückhaltend äussern (vgl. etwa CANONICA, a.a.O., S. 131; MARTIN FREI, Immissionsbedingte Wertveränderungen bei Immobilien, in: Der Schweizer Treuhänder 79/2005 S. 372, 376) stellt das Bundesamt für Wohnungswesen fest, dass hedonische Modelle inzwischen im Immobilienbereich eine hohe Akzeptanz erlangt haben (Vorwort Bundesamt für Wohnungswesen, in: MARTIN GEIGER, a.a.O., S. III). 16.4 Als vorläufiges Ergebnis kann somit festgehalten werden, dass es sich bei der Bewertung nach hedonischem Modell um eine Art Vergleichsverfahren handelt. Verglichen werden jedoch nicht die Liegenschaften selbst, sondern deren preisbestimmende Eigenschaften, was den Kreis der möglichen Vergleichsobjekte, die nicht in der gleichen Gegend liegen müssen, beträchtlich erweitert. Die einzelnen Eigenschaften eines Grundstücks werden - ähnlich wie bei der Einstufung gemäss einem Lageklassenschlüssel - definiert, aber nicht von einem Schätzer benotet, sondern aufgrund der erfassten und ausgewerteten Vergleichsdaten, die auf effektiven Marktdaten beruhen, preislich bestimmt. Die hedonische Methode erlaubt mithin als einzige der heute bekannten Schätzungsmethoden, auf einer weitgehend objektivierten Basis das Vorhandensein oder Fehlen eines bestimmten Liegenschaftenmerkmals direkt mit einem entsprechenden Preisaufschlag oder -abzug zu verbinden. Sie ermöglicht damit auch eine gleichmässige Bewertung in einer Grosszahl von Fällen. Wird zusätzlich zur statistischen Ermittlung und Bewertung ein Augenschein BGE 134 II 49 S. 83 durchgeführt, so kann den modellmässig nicht oder kaum erfassten Eigenschaften der Einzelobjekte ebenfalls Rechnung getragen werden. Die Methode darf heute als in den schweizerischen Immobilienkreisen weit verbreitet gelten. Genügt ein Modell den wissenschaftlichen Anforderungen, so besteht kein Grund, die Anwendung der hedonischen Methode bei Bewertungen im Rahmen von bundesrechtlichen Enteignungsverfahren abzulehnen. 17. 17.1 Die Enteigner führen zum MIFLU-Modell aus, dieses sei in ihrem Auftrag durch ein neutrales Expertengremium zur Bestimmung allfälliger fluglärmbedingter Minderwerte bei selbst genutztem Wohneigentum (Einfamilienhäuser und Stockwerkeigentum) erarbeitet worden. Dem Modell lägen die Preise von insgesamt 7'484 effektiven Freihandverkäufen von Liegenschaften im Kanton Zürich aus den Jahren 1995 bis 2005 zu Grunde, für welche die Zürcher Kantonalbank sämtliche erforderlichen Eigenschaften erhoben habe. Dabei handle es sich um 3'618 Einfamilienhäuser, von denen sich 23 % im Immissionsgebiet des Flughafens Zürich befänden, sowie um 3'866 Stockwerkeigentumseinheiten, davon 25 % im Immissionsgebiet. Die ins MIFLU einbezogene Fluglärmbelastung beruhe ausschliesslich auf Fluglärmdaten, die von der EMPA Dübendorf mittels FLULA (Fluglärmsimulationsprogramm) berechnet worden seien. Die Belastung werde in drei Dimensionen, nämlich als Grund-, als Abend- und als Spitzenbelastung abgebildet. Die Fluglärmbelastung bilde im Modell eines der insgesamt acht Mikrolage-Merkmale, die als Variable in die Schätzgleichung einflössen. Weitere solche Merkmale seien etwa der Strassenlärm, die Sicht und die Hangneigung. Neben den Merkmalen der Mikrolage enthalte die Schätzgleichung fünf Merkmale der Makrolage (z.B. Verkehrsanbindung und Steuerkraft der Gemeinde) sowie 17 bzw. 18 Merkmale der Liegenschaft selbst (wie Alter der Baute, Grundstücksfläche, Zimmeranzahl, Nasszellenzahl, Bausubstanz usw.). In mathematischer Hinsicht beruhe das Schätzverfahren auf der sog. Least-Trimmed Squares-Methode. Zudem sei das MIFLU als hybrider Prozess ausgestaltet worden, d.h. es werde in allen Fällen zwingend ein Augenschein durch einen erfahrenen Schätzer durchgeführt. Der Schätzer könne sein Ermessen bei der Verkehrswertbemessung einbringen und dort, falls notwendig, etwa einen Abzug wegen Entwertung oder einen Zuschlag für Erneuerung vornehmen. Dagegen sei bei der Minderwertsermittlung gemäss MIFLU weiteres Schätzerermessen weder möglich noch erwünscht. BGE 134 II 49 S. 84 17.2 Der Enteignete wendet gegen das MIFLU-Modell vorab ein, es gebe keine Feststellungen von unabhängiger Seite, die attestierten, dass das von den Enteignern in Auftrag gegebene Modell zutreffende und objektive Resultate liefere. Die der Berechnung zugrunde liegenden Daten seien für den Enteigneten nicht nachprüfbar. Das Modell stelle für die Enteigneten wie auch für die gerichtlichen Instanzen nichts anderes als eine "black box" dar, deren Innenleben und Berechnungen nicht nachvollzogen und damit nicht einmal ansatzweise kontrolliert werden könnten. Weiter weist der Enteignete darauf hin, dass die Enteigner während der über lange Zeit erfolgenden Modellentwicklung in stetem Kontakt mit den Experten gestanden hätten und ihre Anschauungen in das Modell hätten einfliessen lassen können. Überdies seien die Experten von den Enteignern entlöhnt worden. All dies schaffe zumindest den Anschein einer besonderen Nähe von Experten und Enteignern. Jedenfalls könne von einer von der Flughafenhalterin unabhängigen Projektentwicklung keine Rede sein, habe doch diese im Expertengremium den Vorsitz geführt und die erforderlichen Fluglärmdaten geliefert. Eine besondere Nähe bestehe auch zwischen dem Kanton Zürich als Enteigner und der Zürcher Kantonalbank als Auftragnehmerin, da die ZKB zwar eine selbständige Anstalt des öffentlichen Rechtes sei, aber der Aufsicht des Zürcher Kantonsrates unterstehe. All diese formellen Mängel seien dadurch, dass die Enteigneten das Modell hätten testen lassen können, dass dem Experten der Enteigneten Zugang zu den rechnerischen und statistischen Grundlagen gewährt worden sei und der Chefexperte der ZKB dessen Fragen allesamt beantwortet habe, nicht geheilt worden. Gegen das Modell selbst bringt der Enteignete im Wesentlichen vor, dass der Individualität der einzelnen Liegenschaften zu wenig Rechnung getragen werde. Das Vorgehen nach Standardkriterien entspreche dem Verhalten der Marktteilnehmer nicht und schliesse letztlich eine Einzelfallgerechtigkeit aus. Im Weiteren sei fraglich, ob und inwieweit die ausgewählten Merkmale (z.B. die Anzahl Nasszellen) den Wert einer Liegenschaft beeinflussten. An Transparenz mangle es auch insofern, als kein Landwert ausgewiesen werde und nur Grundstücksflächen bis maximal 2'500 m 2 erfasst werden könnten; bei grösseren Arealen müsse von Hand nachkorrigiert werden. Weiter fänden sich im Modell MIFLU Variablen wie "über 70 % Schweizer im Quartier" und "Steuerkraft und Steuersatz", welche eine schlechte Signifikanz aufwiesen oder für die Stadt Opfikon BGE 134 II 49 S. 85 überhaupt nicht zum Tragen kämen. Für die Variable "Gemeinde fixed effects", durch welche das Modell robuster gemacht werden solle, lägen gemäss dem Experten der Enteigneten zu wenig Daten vor. Als lineares Modell bilde MIFLU die Wirklichkeit nur sehr unzureichend ab. Schliesslich sei an der Modellpräsentation offengelegt worden, dass die ermittelte prozentuale Wertverminderung pro dB(A) Leq im Laufe der Jahre unterschiedlich ausgefallen und dem MIFLU ein über 10 Jahre gemittelter Durchschnittswert zugrunde gelegt worden sei. Dass das MIFLU-Modell bereits bei kleineren Unterschieden der jährlichen Fluglärmbelastung abweichende prozentuale Minderwerte ermittle, lege dar, dass das Modell eine Genauigkeit vortäusche, die es nicht gebe. Es dürfte auch nicht auf die bestehende Schallbelastung abgestellt, sondern müsste von der prognostizierten künftigen Lärmsituation ausgegangen werden. Im Übrigen sei nicht erklärt worden, weshalb die Anzahl der Überflüge als wesentliches Element der Belästigung nicht mitberücksichtigt worden sei. Schliesslich beanstandet der Enteignete, dass das Modell nur Lärmbelastungen über 50 dB(A) abbilde und damit eine Wertverminderung unter dieser Grenze negiere. Dies stünde im Gegensatz zu neuesten empirischen Erhebungen beim Flughafen Frankfurt a.M. Dort seien Experten von einem Grundwert von 40 dB ausgegangen und hätten für jeden Dezibel über dieser Grenze eine Entwertung von 1 % ermittelt, bei 60 dB also eine Wertverminderung von 20 %. Da das MIFLU mit tieferen Belastungswerten als 50 dB(A) nicht rechnen könne, gebe es den Wertverlust nicht sachgerecht wieder. 18. Die Kritik des Enteigneten an der Projektentwicklung und am MIFLU-Modell erweist sich, wie sich im Folgenden ergibt, als unbegründet. 18.1 Dass die Entwicklung des Modells von einer Partei, der Flughafenhalterin, in Auftrag gegeben und bezahlt worden ist, ist noch kein Grund, die Methode abzulehnen. Vielmehr ist zu prüfen, ob die eingebrachten Fachkenntnisse Dritter in einer Weise umgesetzt worden sind, die von parteilichen Standpunkten unbeeinflusst ist, wissenschaftlichen Ansprüchen genügt sowie schliesslich auch der Streiterledigung dient. In diesem Zusammenhang ist einzuräumen, dass die Entwicklung einer zuverlässigen und leicht handhabbaren Schätzungsmethode zur Bemessung fluglärmbedingter Minderwerte nicht nur im Interesse der Flughafenhalter, sondern auch der Rechtspflege liegt und dass die eidgenössische Schätzungskommission wie auch das Bundesgericht nicht ohne weiteres in der Lage gewesen wären, BGE 134 II 49 S. 86 ein Instrument wie das MIFLU-Modell erarbeiten zu lassen. Allein der Umstand, dass eine Partei die von ihr beigezogenen Fachleute bezahlt, lässt diese denn auch noch nicht als parteilich und beeinflussbar erscheinen, sonst müssten Parteigutachten jeglicher Art aus dem Recht gewiesen werden. 18.2 Der Enteignete will aus der Zusammenarbeit von Modellentwicklern, Expertengremium und Flughafenhalterin zumindest auf die Möglichkeit der Beeinflussung durch diese schliessen. Zum Vorgehen bei der Erarbeitung des Modells im Einzelnen lässt sich den Akten entnehmen, dass der Auftrag an die Zürcher Kantonalbank zur selbständigen Entwicklung eines neuen hedonischen Modells von der Flughafen Zürich AG, vertreten durch den Airport of Zurich Noise Fund, ausgegangen ist. Dabei wurde vereinbart, dass die ZKB ihre Transaktionsdaten für den Kanton Zürich und die Flughafenhalterin die Fluglärmdaten zur Verfügung stellen sollten sowie verschiedene geografische und statistische Daten (z.B. Angaben über die Strassenlärmsituation) von Dritten beizuziehen seien. Die Vertragspartner sind weiter übereingekommen, im Interesse der wissenschaftlichen Abwicklung des Auftrags ein Expertengremium zu bestellen. Als Mitglieder dieses Gremiums sind ein Vertreter der Flughafenhalterin, ein Vertreter des Hauseigentümerverbandes des Kantons Zürich sowie als ausgewiesene Fachexperten aus den Bereichen Immobilien-Ökonomie und Empirische Ökonomie die beiden Professoren Dr. Martin Hösli, Universitäten Genf und Aberdeen, und Dr. Peter Kugler, Universität Basel, bezeichnet worden. Es ist weiter bestimmt worden, dass das Gremium jeweils vom Vorsitzenden, dem Vertreter der Flughafenhalterin, vor Einleitung einer neuen Projektphase einzuberufen sei. Dem Expertengremium ist insgesamt die Entscheidung über den Ablauf des Projektes übertragen worden. Ferner ist festgelegt worden, dass bei Stimmengleichheit die beiden Fachexperten entscheiden. Der ZKB ist zudem ausdrücklich das Recht eingeräumt worden, das Projekt abzubrechen, falls das Modell den wissenschaftlichen Ansprüchen nicht mehr genügen sollte. Im Übrigen haben an den Sitzungen des Expertengremiums zwar ebenfalls Vertreter des Bundesamtes für Zivilluftfahrt (BAZL) sowie des Kantons Zürich teilgenommen, aber lediglich als Beobachter. Aus diesen Bestimmungen über den Projektablauf ergibt sich das offensichtliche Bemühen der Vertragspartner, eine unsachgemässe BGE 134 II 49 S. 87 Beeinflussung der Modellentwicklung auszuschliessen. Dass eine solche trotzdem erfolgt wäre, vermag der Enteignete mit seinen Vermutungen und Andeutungen nicht glaubhaft zu machen. 18.3 Im Nachgang zu den Projektarbeiten hat Professor Dr. Kugler in einem Schreiben vom 25. Januar 2006 bestätigt, dass das hedonische Modell der ZKB zweifellos eine verlässliche Schätzung der fluglärmbedingten Marktwertminderung von Immobilien im Kanton Zürich liefere. Es sei ein sehr grosser Aufwand betrieben worden, um die Preisdeterminanten für Wohneigentum möglichst vollständig und objektiv messbar zu erfassen. Das Modell übertreffe in seiner Fülle von Mikrolagefaktoren die gängigen Standards für hedonische Bewertungsmodelle bei weitem. Die verwendeten Schätzmethoden seien geeignet. Verschiedene Überprüfungen hätten im Wesentlichen die gleichen Ergebnisse hinsichtlich des Fluglärmeffekts hervorgebracht. Insgesamt entspreche das Vorgehen der "best practice" in der ökonometrischen Analyse. Damit werden dem MIFLU-Modell ein hoher wissenschaftlicher Standard und Zuverlässigkeit attestiert. 18.4 Der Umstand, dass die Bewertungen gemäss dem MIFLU-Modell für die Enteigneten schwer verständlich und kaum kontrollierbar sind, vermag die Geeignetheit der Methode nicht in Frage zu stellen. Die Methode ist den Vertretern der Enteigneten vorgestellt und das - relativ gut begreifliche - Vorgehen bei der Erarbeitung des hedonischen Modells erläutert worden. Dem Experten der Enteigneten ist Einsicht in alle Daten und Unterlagen gewährt worden und seine Fragen sind, was von Seiten der Enteigneten eingeräumt wird, von den Fachleuten der ZKB beantwortet worden. Dass das technische bzw. mathematische/statistische Vorgehen im Einzelnen für den Laien kaum durchschaubar ist und zur Überprüfung Fachleute zugezogen werden müssen, ist im heutigen technisierten Leben und auch in gerichtlichen Verfahren nichts Aussergewöhnliches. Die wenigsten Enteigneten werden beispielsweise in der Lage sein, die Fluglärmberechnungen gemäss dem FLULA-Simulationsprogramm der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt EMPA selbst nachzuvollziehen und zu kontrollieren. Dies spricht aber nicht gegen die gerichtliche Anerkennung einer solchen Methode (vgl. BGE 126 II 522 E. 48a S. 592 mit Hinweisen; Urteil E.5/1991 vom 17. September 1997, E. 4 nicht publ. in BGE 123 II 481 ). BGE 134 II 49 S. 88 18.5 Die Einwendungen des Enteigneten gegen die konkrete Ausgestaltung des MIFLU-Modells (vgl. oben E. 17.2) sind bereits im Verfahren vor der Schätzungskommission dem mit der Modellentwicklung Beauftragten der ZKB unterbreitet und von diesem weitgehend entkräftet worden. 18.5.1 Der Beauftragte hat an der Verhandlung vom 28. März 2006 erneut unterstrichen, dass das MIFLU in erster Linie auf die Bestimmung der fluglärmbedingten Entwertungssätze ausgerichtet sei und nur hilfsweise zur Festsetzung des Verkehrswertes diene, welcher vom Schätzer nach Vornahme eines Augenscheins ohne weiteres korrigiert werden könne. Das Modell trage jedoch schon selbst unterschiedlichen Lagen von Grundstücken Rechnung. Es berücksichtige auch, dass an guten Lagen höhere Entwertungen zu beobachten seien. Weiter ist erläutert worden, dass zwar systemgemäss der Landwert nicht als solcher ausgewiesen, die Fläche eines Grundstücks aber je nach Grösse abgestuft in die Berechnungen einbezogen werde. Zu den einzelnen Merkmalen (Variablen) insbesondere der Makrolage ist dargelegt worden, die Signifikanz habe sich als hoch bis sehr hoch erwiesen und die angeregten Verfeinerungen liessen keine besseren Aussagen zur Quartiercharakteristik erwarten. Schliesslich ist auch zu Recht darauf hingewiesen worden, dass bei der umstrittenen wie auch bei anderen Schätzungsmethoden immer über einzelne preisbestimmende Grundstücksmerkmale diskutiert werden könne; die getroffene Auswahl für das MIFLU-Modell sei jedoch, wie auch von den beiden Experten bestätigt worden, differenziert und sachgerecht. 18.5.2 Was die Fluglärmbelastung betrifft, ergibt sich aus dem ZKB-Bericht "Entwicklung eines hedonischen Bewertungsmodells für fluglärmbelastete Liegenschaften; Dokumentation zuhanden des Expertengremiums" vom 26. Januar 2006, dass die von der EMPA flächendeckend auf die Hektare genau berechneten Lärmdaten als Grundbelastung (Leq 16h [6 bis 22 Uhr] über 50 dB), Tagesrand- bzw. Abendbelastung (Leq 1h zwischen 21 und 24 Uhr) sowie Spitzenbelastung (maximaler Leq 1h zwischen 7 und 21 Uhr) ins MIFLU-Modell einbezogen worden sind. Bei der Grundbelastung und bei der Abendbelastung sei dem Umstand Rechnung getragen worden, dass die Lärmbelastung erst ab einer gewissen Schwelle auf die Preise zu wirken beginne. Diese Schwelle werde auf 50 dB gelegt, da geringere Lärmbelastungen, weil sie im Streubereich des FLULA-Lärmmodells lägen, nicht zuverlässig gemessen werden BGE 134 II 49 S. 89 könnten. In den "beschallten" Lagen, d.h. in Lagen mit einer Grundbelastung über 50 dB, werde im Modell zusätzlich auch die Spitzenbelastung am Tag berücksichtigt. Im Weiteren wird im genannten Bericht dargelegt, dass fünf Lagekategorien (ohne Fluglärm) gebildet und je nach Kategorie signifikante Unterschiede der Entwertung durch den Fluglärm festgestellt worden seien: An den besten Lagen betrage die Entwertung von Einfamilienhäusern 1,65 % pro dB, an den bescheidensten nur 0,51 % pro dB. An der Verhandlung vom 28. März 2006 hat der Beauftragte der ZKB zur Art der Berücksichtigung der Lärmbelastung weiter erklärt, es habe sich im Rahmen der Forschungsarbeit gezeigt, dass die Aufteilung in Grund-, Tagesrand- und Spitzenbelastung die beste Erklärungskraft für die bezahlten Preise aufweise. Allerdings sei richtig, dass der Leq 16h als Mittelungsmass wenig empfindlich auf Veränderungen der Flugbewegungen reagiere. Die ZKB habe daher während der Projektphase darauf bestanden, auch eine Variante zu testen, die auf der reinen Anzahl der Einzelereignisse (Spitzenpegel über 58 dB) beruhe und keine Lärmmittelung vornehme. Bei diesem Vorgehen hätten sich ebenfalls signifikante Preiseinflüsse ergeben, doch sei die Variante Leq 16h hinsichtlich Erklärungskraft und Parameterstabilität klar überlegen und einer Berücksichtigung der Bewegungszahl vorzuziehen. Die vom Enteigneten verlangte Berücksichtigung der Flugbewegungszahlen ist demnach bei der Modellentwicklung durchaus in Betracht gezogen, aber aus Gründen, die als sachlich erscheinen, fallen gelassen worden. 18.5.3 Zur Auffassung des Enteigneten, dass das MIFLU-Modell nicht die bestehende, sondern die geplante bzw. die für das Jahr 2010 prognostizierte Schallbelastung berücksichtigen müsse, darf auf die Erwägungen verwiesen werden, die zum Begehren der Enteigner um Vornahme eines Abzugs für den künftigen technologischen Fortschritt angestellt worden sind: Wird der massgebende Schätzungszeitpunkt - was auch vom Enteigneten nicht beanstandet wird - auf den 1. Januar 1997 gelegt, so können spätere Entwicklungen die Entschädigungsbemessung nur beeinflussen, wenn sie sich am Stichtag schon im Verkehrswert des von der Enteignung betroffenen Objektes niedergeschlagen haben oder bereits voraussehbar waren und in relativ kurzer Zeit auch eingetreten sind (vgl. oben E. 11.3). BGE 134 II 49 S. 90 Sollte übrigens entgegen den Darlegungen der Enteigner die Fluglärmbelastung in Zukunft über das am Stichtag gegebene, bei der Entschädigungsbemessung berücksichtigte Mass hinaus anwachsen, so stünde es dem Enteigneten frei, eine Nachforderung im Sinne von Art. 41 Abs. 1 lit. b EntG zu stellen. 18.5.4 Soweit der Enteignete in seiner Duplik vom 29. Oktober 2007 rügt, dass das MIFLU auf eine über zehn Jahre gemittelte Schallbelastung abstelle, geht dieser Vorwurf fehl. Der Ermittlung des Minderwertes liegt die im Stichjahr 1997 bestehende Lärmbelastung zu Grunde. Gemittelt wird dagegen der Parameter, welcher die prozentuale Entwertung der Liegenschaften pro Dezibel Lärmbelastung (vgl. auch unten E. 18.5.5) aufzeigt und je nach den Marktverhältnissen und der wechselnden Lärmsensibilität der Käufer schwanken kann. Diese Schwankungen werden im MIFLU-Modell durch Durchschnittsbildung über ein rollendes Zeitfenster von zehn Jahren geglättet. Die Mittelung des Wertminderungs-Koeffizienten kann demnach sinngemäss mit der bei Anwendung der klassischen Vergleichsmethode üblichen Bestimmung eines Mittelwertes aus den verschiedenen zur Verfügung stehenden Vergleichspreisen verglichen werden. Da sich der Preisminderungs-Koeffizient nach MIFLU anhand mehrerer Lärmbelastungen bestimmt (Grund-, Tagesrand- und Spitzenbelastung), trägt die Wahl einer etwas längeren Betrachtungsperiode (als bei der herkömmlichen Vergleichsmethode) zur Zuverlässigkeit der Ergebnisse bei. Dass sich diese längere Periode zum Nachteil des Enteigneten auswirken würde, legt dieser selbst nicht dar und ist auch nicht anzunehmen, hat doch die Fluglärmsensibilität in den letzten Jahren - auch nach Meinung des Enteigneten - eher zu- als abgenommen (vgl. dazu KATJA WIRTH, Lärmstudie 2000, Die Belästigungssituation im Umfeld des Flughafens Zürich, Aachen 2004, S. 142). 18.5.5 Die Behauptung des Enteigneten, es seien in der Umgebung des Flughafens Frankfurt a.M. Werteinbussen von Liegenschaften bereits ab einer Lärmbelastung von 40 dB(A) nachgewiesen worden, welche bei einer Belastung von 60 dB(A) 20 % erreichten, vermag das MIFLU-Modell, das Minderwerte erst ab 50 dB(A) ausweist, nicht in Frage zu stellen. Wie dem vom Enteigneten zitierten Bericht entnommen werden kann, beruht die deutsche Studie auf völlig anderen Grundlagen als das MIFLU-Modell. Einerseits sind nicht effektive Marktpreise ausgewertet, sondern eine Reihe von Immobilienmaklern danach befragt worden, mit welchem Preisabschlag für eine Standardwohnung in ihrem Gebiet wegen des Fluglärms zu BGE 134 II 49 S. 91 rechnen sei. Zum anderen stellt die deutsche Studie hinsichtlich der Lärmbelastung auf einen gewogenen Durchschnitt aus Tages- und Nachtfluglärm ab (Faktor "Lärm_total"), wobei der Nachtlärm in etwa der Hälfte der untersuchten Ortschaften gegenüber dem Tageslärm nicht nennenswert abnimmt. Im Bericht selbst wird aber unterstrichen, dass Studien, die sich auf unterschiedliche Lärmniveaus beziehen, nur schwer miteinander vergleichbar sind. Ebenso wird festgestellt, die Auswertung von rund dreissig aus verschiedenen Ländern stammenden Studien zur Lärmauswirkung auf Immobilienwerte habe gezeigt, dass es weder auf Länderebene noch global einen allgemein gültigen Wert der prozentualen Wertänderung einer Immobilie pro Dezibel Lärmbelastung gibt ("noise sensitivity depreciation index NSDI"; vgl. FRIEDRICH THIESSEN/STEPHAN SCHNORR, Immobilien und Fluglärm, Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften an der Technischen Universität Chemnitz [Hrsg.], insbes. S. 6, 13 f. und 22 [ http://www.widema.de/downloads/509studieimmobienfluglaerm.pdf ]). Ergänzend darf darauf hingewiesen werden, dass gemäss dem unlängst vom Bundesamt für Wohnungswesen herausgegebenen Bericht über die Verhältnisse auf dem schweizerischen Mietwohnungsmarkt bei Verkehrslärm unter 55 dB keine messbaren Auswirkungen auf die Mietzinse festzustellen sind (vgl. MARTIN GEIGER, a.a.O., S. 52). 18.5.6 Was schliesslich die vom Enteigneten beanstandete (scheinbare) Genauigkeit der vom MIFLU-Rechner auf Bruchteile von Prozenten ermittelten Resultate anbelangt, so ist klar, dass auch das MIFLU-Verfahren Schätzelemente enthält und dementsprechend die Minderwertsentschädigungen zu runden sind. Dagegen besteht kein Grund, die prozentgenauen Aufteilungen, die insbesondere dank der differenzierten Erfassung der Lage und der Fluglärmbelastung der einzelnen Liegenschaften möglich sind, durch Entwertungsstufen von jeweils 5 % zu ersetzen, wie sie in der Regel bei den herkömmlichen Minderwertsschätzungen gewählt worden sind. 18.6 Zusammenfassend ist festzustellen, dass das MIFLU-Modell gemäss der Beurteilung durch die beiden beigezogenen Universitätsprofessoren, die auf dem hier fraglichen Gebiet als anerkannte Fachleute gelten, einen hohen wissenschaftlichen Standard erreicht und vertrauenswürdige Resultate liefert. Auf die Einholung weiterer Gutachten kann verzichtet werden. Die vom Enteigneten gegen das Modell erhobenen Einwendungen geben keinen Anlass, im vorliegenden Fall von der Anwendung des MIFLU-Verfahrens abzusehen. BGE 134 II 49 S. 92 Höhe, Form und Verzinsung der Entschädigung 19. Darf nach dem Gesagten auf die Ergebnisse des Schätzungsmodells MIFLU abgestellt werden, so ist der angefochtene Entscheid insofern abzuändern, als die Schätzungskommission im vorliegenden Fall den nach MIFLU berechneten Minderwertsprozentsatz bei der Entschädigungsbemessung nur zur Hälfte berücksichtigt hat. Die Entwertung ist somit auf 20,2 % bzw. 20 % festzulegen. Dass ein anderes, ebenfalls als "Pilotfall" ausgewähltes Grundstück im Jahr 2001 offenbar mit grösserer Einbusse verkauft worden ist, vermag keine zusätzliche Erhöhung des Minderwertes zu rechtfertigen. Die Schätzungskommission hat in jenem Fall besondere Gründe für die Entwertung genannt und die ursprünglich erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist in der Zwischenzeit zurückgezogen worden. Entgegen der Meinung des Enteigneten drängt sich auch mit Blick auf die beurteilten Genfer Fluglärmfälle keine weitere Erhöhung der Minderwertsentschädigung auf. Höhere Entschädigungen sind in jenen Fällen nur für Grundstücke zugesprochen worden, die von direkten Überflügen betroffen sind oder bei denen es sich um herrschaftliche Sitze oder jedenfalls um Liegenschaften in Villen-Vierteln handelt, deren Wert durch eine Immissionsbelastung besonders stark beeinträchtigt wird (vgl. BGE 122 II 337 E. 7 S. 346, BGE 122 II 349 E. 4 S. 352 ff.; Urteile E.22/1992 und E.51/1993 vom 24. Juni 1996). Indessen darf hier bei der Minderwertsermittlung zugunsten des Enteigneten vom MIFLU-Verkehrswert der Liegenschaft (ohne Fluglärm) von Fr. 860'000.- ausgegangen werden, welcher den von der Schätzungskommission festgelegten Wert übersteigt. Der fluglärmbedingte Minderwert des Grundstücks des Enteigneten beläuft sich demnach auf Fr. 172'000.- bzw. rund Fr. 170'000.-. Im vorinstanzlichen Verfahren sind von den ermittelten Minderwertsentschädigungen die Kosten für bauliche Schallschutzmassnahmen abgezogen worden, die vom Flughafenhalter gemäss dem im Rahmen der 5. Ausbauetappe aufgestellten Schallschutzkonzept übernommen worden sind (vgl. BGE 126 II 522 E. 47 ff. S. 590 ff.). Diese Anrechnung der Kosten für die getroffenen umweltschutzrechtlichen Massnahmen, die sich im vorliegenden Fall auf rund Fr. 20'000.- belaufen, wird von keiner Seite bestritten. Die Minderwertsentschädigung ist somit auf Fr. 150'000.- zu reduzieren. 20. Die Schätzungskommission hat die Enteignungsentschädigung für die Fluglärmbelastung nicht in Form eines Kapitals, sondern in BGE 134 II 49 S. 93 grundsätzlich zwanzig jährlichen Leistungen von 5 % des ermittelten Minderwertes zugesprochen, die längstens bis 2016 zu bezahlen seien. Die Wahl dieser Entschädigungsform wird damit erklärt, dass die jährlichen Leistungen bei Änderung der Verhältnisse - insbesondere nach Abschluss der Sachplanung "Infrastruktur der Luftfahrt" (SIL) und nach dem Erlass eines definitiven Betriebsreglements - überprüft sowie den neuen Verhältnissen angepasst und allenfalls auch aufgehoben werden könnten. Mit der Festsetzung jährlicher Anzahlungen, die angepasst oder aufgehoben werden können und damit bloss provisorisch sind, wird jedoch dem berechtigten Bedürfnis der Enteigneten nach endgültiger Abgeltung und Streiterledigung nicht gedient. Auch die Enteigner, die an der von der Schätzungskommission getroffenen Lösung festhalten wollen, sollten ein Interesse daran haben, Klarheit über den definitiven Umfang ihrer finanziellen Verpflichtungen zu gewinnen und weitere langwierige Prozesse zu vermeiden. Gemäss der Praxis des Bundesgerichts sind denn auch periodisch zu entrichtende Entschädigungsleistungen nur für zeitlich begrenzte Eingriffe vorzusehen, d.h. wenn von vornherein gewiss ist oder mit grosser Sicherheit angenommen werden kann, dass Rechte nur vorübergehend entzogen oder beschränkt werden. Solches steht hier wie dargelegt noch keineswegs fest. Zudem ist die Überprüfung und Neufestlegung einer Entschädigung nach einem bestimmten Zeitablauf gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung unzulässig. Die Entschädigung muss auch für vorübergehende Enteignungen, ob sie in Form einer Kapitalzahlung oder von wiederkehrenden Leistungen entrichtet wird, für die ganze Dauer der Enteignung vorweg bestimmt werden ( BGE 99 Ib 87 E. 2 S. 90 mit Hinweis). Der Entscheid der Schätzungskommission ist daher auch insofern aufzuheben, als die Minderwertsentschädigung in jährlich zu leistende Zahlungen aufgeteilt und eine Anpassungsklausel vorgesehen wird. Ergänzend kann darauf hingewiesen werden, dass die mit den Abflügen auf Piste 16 verbundene Lärmbelastung in den fraglichen Gebieten von Opfikon-Glattbrugg etliche Zeit vor dem Jahr 1997 die Immissionsgrenzwerte überstieg. Die Enteigner haben selbst nicht ausgeschlossen, dass der Fluglärm schon in den siebziger Jahren übermässig gewesen sei (vgl. BGE 130 II 394 E. 12.2.1 S. 417 und E. 12.2.2 S. 418). Die Liegenschaft des Enteigneten wird somit, wie andere auch, seit Jahrzehnten stark belärmt. Überdies ist in Betracht zu ziehen, dass in diesem Gebiet Entschädigungsansprüche nur für BGE 134 II 49 S. 94 Bauten entstehen, die vor 1961 erstellt worden sind (vgl. oben E. 6; BGE 130 II 394 E. 12.1 S. 415). Die belärmten Wohnhäuser weisen demnach heute ein Alter von mindestens gegen fünfzig Jahren auf. Bei Bauten solchen Alters wird selbst bei einer künftigen Lärmentlastung die einmal erlittene Werteinbusse schwerer wieder wettgemacht werden können als bei neueren Gebäuden. Auch unter diesem Gesichtswinkel rechtfertigt es sich, die fluglärmbedingte Entwertung durch Kapitalzahlung abzugelten. 21. Gemäss Art. 76 Abs. 5 Satz 3 EntG ist die Enteignungsentschädigung bei vorzeitiger Besitzeinweisung vom Tage der Besitzergreifung an zum üblichen Zinsfuss zu verzinsen. Die Verzinsungspflicht entsteht nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung auch dann, wenn beim Auftreten übermässiger Immissionen die nachbarlichen Abwehrrechte unterdrückt und vom Enteigner faktisch in Besitz genommen werden ( BGE 106 Ib 241 E. 3 S. 245). Die Enteigner wenden gegen die Verzinsung im vorliegenden Falle ein, der Eigentümer habe sein Grundstück beim Auftreten übermässiger Immissionen weiterhin in gleicher Weise nutzen können. Dies gelte hier umso mehr, als am Wohnhaus des Enteigneten bereits bauliche Schallschutzmassnahmen getroffen worden seien. Es sei daher kein Nutzungsverlust eingetreten, der durch Zinszahlung zu vergüten wäre. Die ruhige Lage einer Wohnung oder einer Wohnliegenschaft stellt indes, was die Enteigner an anderer Stelle selbst ausführen, einen wichtigen die Nutzungsqualität mitbestimmenden Wertbestandteil einer Immobilie dar. Geht die Ruhe verloren und wird der Eigentümer beim Wohnen durch Lärm gestört, so wird der bisherige Nutzen des Grundstücks in qualitativer Hinsicht eingeschränkt. Solche qualitativen Beeinträchtigungen der Nutzung, die den Gegenwert der getätigten Investitionen mindern, sind wie andere Nutzungseinbussen durch Verzinsung der Entschädigung abzugelten. Daran ändert auch nichts, wenn wie hier am Haus des Enteigneten Schallschutzmassnahmen getroffen worden sind, vermögen doch diese den Fluglärm nur teilweise zu dämmen und machen den Aufenthalt im Freien nicht angenehmer. Die Verzinsung kann allerdings in Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Entschädigungsanspruch erst einige Zeit nach dem Auftreten übermässiger Immissionen entstand (vgl. BGE 130 II 394 E. 12.3 S. 419 ff.), erst ab Entstehung des Anspruchs zu laufen beginnen. Dieser Zeitpunkt fällt praktisch mit dem dies aestimandi zusammen. Die Enteignungsentschädigung von BGE 134 II 49 S. 95 Fr. 150'000.- ist demnach ab 1. Januar 1997 zu den vom Bundesgericht festgelegten Zinssätzen zu verzinsen, nämlich: ab 1.1.1997 bis 31.3.1997 zu 4,5 % vom 1.4.1997 bis 31.12.2000 zu 4 % vom 1.1.2001 bis 31.8.2002 zu 4,5 % vom 1.9.2002 bis 30.4.2003 zu 4 % ab 1.5.2003 zu 3,5 %. Nach Ablauf von zwanzig Tagen seit der endgültigen Feststellung der Entschädigung ist Verzugszins zu leisten ( Art. 88 Abs. 1 EntG ). Weitere Fragen 22. Die Enteigner verlangen, dass die Entschädigungsleistung im Sinne von Art. 962 ZGB im Grundbuch angemerkt werde. Wohl fehle die für Anmerkungstatbestände des öffentlichen Bundesrechts nötige besondere gesetzliche Grundlage, doch habe der Enteignete an der Schätzungsverhandlung dem grundbuchlichen Eintrag zugestimmt und komme daher die Dispositionsmaxime zum Zuge. Ob eine solche Eintragung aufgrund einer Vereinbarung vorgenommen werden könnte, kann jedoch offengelassen werden. Nachdem im vorinstanzlichen Verfahren kein Vergleich geschlossen worden ist und sich der Enteignete im bundesgerichtlichen Verfahren der verlangten Eintragung widersetzt, kann nicht davon ausgegangen werden, die Parteien hätten sich über die grundbuchliche Anmerkung geeinigt. Eine solche kann deshalb, da die gesetzliche Grundlage immer noch fehlt, nicht angeordnet werden.
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2,021
fr
Sachverhalt ab Seite 242 BGE 147 V 242 S. 242 A. Architecte de profession, A. est atteinte de surdité bilatérale profonde congénitale. Elle a bénéficié de différentes mesures de l'assurance-invalidité, notamment de la prise en charge de frais d'interprétariat au cours de sa formation professionnelle, puis de son activité professionnelle. Dans le cadre du renouvellement de ces prestations à partir du 1 er février 2019, l'Office de l'assurance-invalidité pour le canton de Vaud BGE 147 V 242 S. 243 (ci-après: l'office AI) a requis des informations sur les revenus de l'intéressée. Par décision du 3 mai 2019, il a confirmé à A. la prise en charge des frais de prestations fournies par des tiers sous la forme d'une codeuse-interprète en langage parlé complété (LPC) et d'une interprète en langue des signes française (LSF) du 1 er février 2019 au 28 février 2024. Dans une correspondance accompagnant cette décision, l'office AI a précisé que le montant mensuel maximum pouvant être octroyé dans le cadre du service de tiers s'élevait à 790 fr. 95, soit la moyenne mensuelle brute des revenus réalisés par l'assurée depuis 2015. B. L'assurée a déféré cette décision au Tribunal cantonal du canton de Vaud, Cour des assurances sociales, puis produit un résumé des coûts des prestations fournies par la codeuse-interprète LPC (entre janvier 2014 et avril 2019). Statuant le 28 janvier 2020, le Tribunal cantonal a rejeté le recours et confirmé la décision rendue le 3 mai 2019. C. A. forme un recours en matière de droit public contre cet arrêt dont elle demande la réforme en ce sens que: "le droit effectif aux services de tiers sera calculé sur une base annualisée correspondant à douze fois la limite mensuelle déterminée par l'Office intimé en application de l' art. 9 al. 2 OMAI , ou selon tout autre mécanisme d'annualisation que justice dira". Subsidiairement, elle conclut à l'annulation de l'arrêt attaqué et au renvoi de la cause à l'autorité précédente afin qu'elle rende une nouvelle décision dans le sens des considérants à intervenir. En annexe à son recours, l'assurée produit une correspondance du 24 février 2020 adressée à l'office AI, ainsi que la réponse de celui-ci du 27 février 2020. Le 31 août 2020, l'assurée adresse au Tribunal fédéral une copie d'un échange de courriels avec le service qui organise les prestations d'interprétariat. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
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Erwägungen Extrait des considérants: 3. En instance fédérale, le litige porte uniquement sur l'étendue du remboursement par l'assurance-invalidité, pour la période du 1 er février 2019 au 28 février 2024, des frais liés à l'invalidité causés par les services de tiers au sens de l'art. 21 ter al. 2 LAI dont A. a besoin, en lieu et place d'un moyen auxiliaire, pour exercer son activité d'architecte indépendante. BGE 147 V 242 S. 244 4. 4.1 En ce qui concerne les moyens auxiliaires, qui font partie des mesures de réadaptation prévues par l' art. 8 LAI , l' art. 21 al. 1, 1 re phrase, LAI prévoit que l'assuré a droit, d'après une liste que dressera le Conseil fédéral, aux moyens auxiliaires dont il a besoin pour exercer une activité lucrative ou accomplir ses travaux habituels, pour maintenir ou améliorer sa capacité de gain, pour étudier, apprendre un métier ou suivre une formation continue, ou à des fins d'accoutumance fonctionnelle. Selon l'art. 21 ter LAI ("prestations de remplacement"), l'assurance peut allouer des indemnités d'amortissement à l'assuré qui a acquis, à ses frais, un moyen auxiliaire auquel il a droit (al. 1); l'assurance peut allouer des contributions à l'assuré qui a recours, en lieu et place d'un moyen auxiliaire, aux services de tiers (al. 2). L'art. 21 ter al. 4 LAI précise que le Conseil fédéral fixe le montant des indemnités et contributions prévues aux al. 1 et 2. Selon l' art. 14 al. 1 let . c RAI (RS 831.201), la liste des moyens auxiliaires visée par l' art. 21 LAI fait l'objet d'une ordonnance du Département fédéral de l'intérieur (ci-après: le DFI), qui édicte également des dispositions complémentaires concernant les contributions aux frais causés par les services spéciaux de tiers dont l'assuré a besoin en lieu et place d'un moyen auxiliaire. Faisant usage de cette (sous-)délégation de compétence, le DFI a édicté l'ordonnance du 29 novembre 1976 concernant la remise de moyens auxiliaires par l'assurance-invalidité (OMAI; RS 831.232.51). Aux termes de l' art. 9 OMAI , l'assuré a droit au remboursement des frais liés à l'invalidité, qui sont dûment établis et causés par les services spéciaux de tiers dont il a besoin, en lieu et place d'un moyen auxiliaire, pour aller à son travail (al. 1 let. a), exercer une activité lucrative (al. 1 let. b) ou acquérir des aptitudes particulières qui permettent de maintenir des contacts avec l'entourage (al. 1 let. c); le remboursement mensuel ne doit dépasser ni le revenu mensuel de l'activité lucrative de l'assuré ni une fois et demie le montant minimal de la rente ordinaire de vieillesse (al. 2). 4.2 Selon la circulaire de l'Office fédéral des assurances sociales (OFAS) concernant la remise de moyens auxiliaires par l'assurance-invalidité (CMAI), dans sa version en vigueur dès le 1 er janvier 2019, en cas de services fournis par des tiers, l'AI ne prend en charge que les frais effectivement déboursés, contre présentation d'une facture établie par l'assuré (ch. 1033). Le remboursement mensuel de services fournis par des tiers ne doit dépasser ni le montant du revenu mensuel brut de l'assuré, ni une fois et demie le montant minimum BGE 147 V 242 S. 245 de la rente simple ordinaire de vieillesse (ch. 1034). Selon le ch. 6.3 de l'annexe 1 CMAI, le montant mensuel maximal des prestations de tiers (mais pas au-delà du revenu mensuel brut) est de 1'778 fr. en 2019. (...) 6. La recourante revendique sur le fond l'existence d'une lacune de l' art. 9 al. 2 OMAI qu'il incomberait au Tribunal fédéral de combler par voie jurisprudentielle, en ce sens qu'une architecte indépendante aurait droit à une "annualisation" du montant du remboursement déterminé sur une base mensuelle. Elle fait valoir que l' art. 9 al. 2 OMAI ne tient en effet pas compte des situations "spéciales" des architectes indépendants, à l'inverse de celle d'un salarié dont le revenu et les frais d'interprétariat en langue des signes sont réguliers. Elle relève qu'en raison de la nature mixte de son activité, les frais mensuels d'interprétariat peuvent être très importants à certaines occasions ponctuelles (suivi de chantier, mise en place d'un projet, défense orale lors d'un concours d'architecture), tandis qu'à d'autres moments elle n'aurait pas recours aux services de tiers (sous-traitance de l'établissement de plans, travaux purement techniques, etc.). La rémunération d'une architecte indépendante interviendrait en outre à des échéances propres au domaine de la construction, sans proximité chronologique avec les périodes de travail ayant nécessité le recours à une interprète. A titre subsidiaire, elle fait valoir qu'une application stricte de l' art. 9 al. 2 OMAI porterait gravement atteinte aux principes constitutionnels de l'égalité de traitement ( art. 8 Cst. ) et de l'interdiction de l'arbitraire ( art. 9 Cst. ) puisque son droit aux prestations se trouverait, en raison de sa qualité d'indépendante, "de facto drastiquement limité par l'irrégularité de ses besoins combinée à la segmentation mensuelle censément prescrite par l' art. 9 al. 2 OMAI ". Elle demande dès lors à être placée dans une situation correspondant à celle qui serait la sienne si son activité professionnelle permettait que son besoin de recourir au service de tiers soit régulier. Les remboursements seraient ainsi décomptés chaque mois et le droit aux prestations prendrait immédiatement fin dès la limite annuelle atteinte, cela jusqu'au début de l'année de référence suivante. 7. 7.1 Le Tribunal fédéral peut examiner à titre préjudiciel la légalité et la constitutionnalité d'ordonnances du Conseil fédéral. Il examine BGE 147 V 242 S. 246 en principe librement la légalité et la constitutionnalité des ordonnances (dites dépendantes) de cette autorité qui reposent sur une délégation législative. Lorsque celle-ci est relativement imprécise et que, par la force des choses, elle donne au Conseil fédéral un large pouvoir d'appréciation, cette clause s'impose au Tribunal fédéral en vertu de l' art. 190 Cst. Dans un tel cas, le Tribunal fédéral doit se borner à examiner si les dispositions incriminées sortent manifestement du cadre de la délégation de compétence donnée par le législateur à l'autorité exécutive ou si, pour d'autres motifs, elles sont contraires à la loi ou à la Constitution; il n'est pas habilité à substituer sa propre appréciation à celle du Conseil fédéral ( ATF 144 II 313 consid. 5.2; ATF 143 II 87 consid. 4.4; ATF 141 II 169 consid. 3.4; ATF 140 V 485 consid. 2.3). Il ne revient en particulier pas au Tribunal fédéral d'examiner l'opportunité de l'ordonnance ( ATF 137 III 217 consid. 2.3) ou de prendre position au sujet de l'adéquation politique, économique ou autre d'une disposition d'une ordonnance ( ATF 144 II 454 consid. 3.3; ATF 143 II 87 consid. 4.4; ATF 139 II 460 consid. 2.3). La légalité d'un règlement édicté sur la base d'une sous-délégation doit être appréciée selon les mêmes principes que ceux qui s'appliquent à une ordonnance du Conseil fédéral reposant sur une délégation de la loi ( ATF 144 II 313 consid. 5.2; ATF 104 Ib 364 consid. 2c). 7.2 Selon la jurisprudence, il n'y a lieu de déroger au sens littéral d'un texte clair par voie d'interprétation que lorsque des raisons objectives permettent de penser que ce texte ne restitue pas le sens véritable de la disposition en cause. De tels motifs peuvent découler des travaux préparatoires, du but et du sens de la disposition, ainsi que de la systématique de la loi, étant précisé que le Tribunal fédéral ne privilégie aucune méthode d'interprétation ( ATF 146 V 87 consid. 7.1; ATF 144 V 313 consid. 6.1 et les références). L'interprétation de la loi peut conduire à la constatation d'une lacune. Une lacune authentique (ou proprement dite) suppose que le législateur s'est abstenu de régler un point alors qu'il aurait dû le faire et qu'aucune solution ne se dégage du texte ou de l'interprétation de la loi. En revanche, si le législateur a renoncé volontairement à codifier une situation qui n'appelait pas nécessairement une intervention de sa part, son inaction équivaut à un silence qualifié. Quant à la lacune improprement dite, elle se caractérise par le fait que la loi offre certes une réponse, mais que celle-ci est insatisfaisante. D'après la jurisprudence, seule l'existence d'une lacune proprement dite BGE 147 V 242 S. 247 appelle l'intervention du juge, tandis qu'il lui est en principe interdit, selon la conception traditionnelle qui découle notamment du principe de la séparation des pouvoirs, de corriger les silences qualifiés et les lacunes improprement dites, à moins que le fait d'invoquer le sens réputé déterminant de la norme ne soit constitutif d'un abus dedroit, voire d'une violation de la Constitution ( ATF 142 IV 389 consid. 4.3.1 et les références). 8. 8.1 En adoptant l'art. 21 ter al. 4 LAI ( art. 21 bis al. 3 LAI jusqu'au 31 décembre 2011), le législateur a délégué au Conseil fédéral la fixation du montant des prestations au sens de l'al. 2 de la disposition de façon étendue et sans prescription ("le Conseil fédéral fixe le montant des indemnités et contributions prévues aux al. 1 et 2 [...]"; "Der Bundesrat setzt die Höhe der Beiträge nach den Absätzen 1 und 2 [...]"; "Il Consiglio federale stabilisce l'importo dei sussidi di cui ai capoversi 1 e 2 [...]"). Pour le gouvernement fédéral, à l' art. 9 al. 2 OMAI , le DFI a édicté une prescription d'évaluation ("Bemessungsvorschrift" [ ATF 118 V 200 consid. 3c]) en fixant une limitation maximale au remboursement mensuel correspondant au "revenu mensuel de l'activité lucrative de l'assuré" et à une fois et demie le montant minimal de la rente ordinaire de vieillesse. Cette limitation vise à assurer qu'il existe un rapport entre l'étendue de la contribution de l'assurance-invalidité aux prestations de service de tiers et le revenu réalisé par la personne assurée. Cette exigence que "la dépense en faveur des prestations de service soit en rapport avec le gain réalisé par l'invalide" avait déjà été exprimée lors des travaux préparatoires de la 1 re révision de la LAI (cf. Message du 27 février 1967 relatif à un projet de loi modifiant la loi sur l'assurance-invalidité, FF 1967 I 677) au cours des discussions sur l'introduction de la prise en charge par l'assurance-invalidité des frais supplémentaires occasionnés par les prestations de service de tiers (Procès-verbal de la Commission fédérale d'experts pour la révision de l'assurance-invalidité des 1 er , 2 et 3 février 1966, ch. 13.4, p. 17 ss). Le lien entre le montant pris en charge et le revenu de l'intéressé n'a cependant pas été repris à l' art. 9 al. 2 OMAI à son origine - celui-ci prévoyait que "le remboursement mensuel maximum correspond au montant d'une allocation pour impotent grave" (RO 1976 2664, 2667) -, mais a été introduit par la modification de l'OMAI du 21 septembre 1982, en vigueur à partir du 1 er janvier 1983 (RO 1982 1931, 1932; cf. aussi RCC 1982 p. 407 ss). Le BGE 147 V 242 S. 248 critère du "revenu du travail mensuel" a alors été prévu afin de garantir la proportionnalité entre le revenu mensuel de l'activité lucrative et le remboursement des prestations de services (Procès-verbal de la sous-commission des questions d'AI de la Commission fédérale de l'AVS/AI du 15 septembre 1982, p. 8-9). Il s'agit donc d'éviter qu'au regard d'une activité lucrative modeste, l'assuré puisse bénéficier de contributions relativement importantes à titre de prestations de tiers, à hauteur de une fois et demie le montant minimum de la rente ordinaire de vieillesse (SILVIA BUCHER, Eingliederungsrecht der Invalidenversicherung, 2011, p. 222 n. 394). 8.2 Selon le texte clair de l' art. 9 al. 2 OMAI , la limite du remboursement des frais occasionnés par les services d'un tiers est déterminée par "le revenu mensuel de l'activité lucrative de l'assuré", soit sur une base mensuelle et non pas annuelle, comme le souhaiterait la recourante. A cet égard, il n'y a pas de raison objective de penser que cette règle ne s'appliquerait qu'à des personnes de condition salariée alors que l'auteur de la disposition d'exécution aurait omis - dans le sens d'une lacune - de prendre en considération la situation des indépendants dont les revenus peuvent être moins réguliers. On peut déduire de l'historique et du but de la disposition que le législateur, soit pour lui le DFI, entendait assurer un lien étroit entre la prestation allouée à l'assuré pour l'exercice de son activité lucrative - comme en l'espèce - et le revenu en découlant "immédiatement" (dans ce sens également ATF 118 V 200 consid. 3a [prise en considération des revenus obtenus pendant la période où les services de tiers ont été effectués]). La référence à une base mensuelle de remboursement en fonction du revenu mensuel permet de garantir un tel lien. Cette référence n'est du reste pas discutée par la doctrine (MEYER/REICHMUTH, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung, 3 e éd. 2014, p. 245 s.; ERWIN MURER, Invalidenversicherungsgesetz [Art. 1-27 bis IVG], 2014, p. 944 ss, spéc. p. 950 n. 472; BUCHER, loc. cit.). 9. Cela dit, au-delà de la reconnaissance du droit à la prise en charge des services en cause pour la période considérée, le 3 mai 2019, l'office intimé a indiqué un montant mensuel maximum en fonction des revenus réalisés par la recourante durant les quatre années antérieures à cette date. Or il ne ressort pas clairement de la communication assortissant la décision administrative s'il entendait par là avoir déterminé le montant du remboursement de façon fixe, une fois pour toutes. Il convient dès lors d'apporter les précisions suivantes en relation avec la notion de "revenu mensuel de l'activité BGE 147 V 242 S. 249 lucrative" au sens de l' art. 9 al. 2 OMAI , en ce qui concerne une personne de condition indépendante. 9.1 En droit des assurances sociales, l' art. 12 LPGA contient une définition de la notion de personnes exerçant une activité lucrative indépendante qui renvoie tacitement aux art. 5 ss LAVS ainsi qu'à la pratique de l'AVS (JEAN-PHILIPPE DUNAND, in Commentaire romand, Loi sur la partie générale des assurances sociales [LPGA], 2018, n° 4 ad art. 12 LPGA et la référence; ANNINA JANETT, in Basler Kommentar, Allgemeiner Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG], 2020, n° 4 ad art. 12 LPGA ). Dans le domaine des moyens auxiliaires visant la réadaptation ( art. 21 ss LAI ), le Tribunal fédéral a ainsi déjà jugé que la personne assurée exerce une activité lucrative lorsque, sans tenir compte des éventuelles rentes, elle réalise un revenu annuel équivalent ou supérieur au montant correspondant à la cotisation minimale pour les personnes sans activité lucrative au sens de l' art. 10 al. 1 LAVS ( ATF 130 V 360 consid. 3.2.1; arrêts 9C_573/2016 du 20 février 2017 consid. 4.1; 9C_767/2009 du 10 février 2010 consid. 4 et les références, in SVR 2010 IV n° 60 p. 182; cf. ch. marg. 1019 CMAI), soit un revenu annuel minimum de 4'702 fr. en 2019 (ch. 6.1 de l'annexe 1 CMAI, dans sa version en vigueur au 1 er janvier 2019). Dans ce contexte, le revenu d'une activité indépendante est défini à l' art. 17 RAVS (RS 831.101), qui, reprenant les termes de l' art. 18 LIFD (RS 642.11) et renvoyant aux al. 2 et 4 de cette disposition, formalise une harmonisation de la notion de revenu d'une activité indépendante entre le droit de l'AVS et le droit fiscal ( ATF 134 V 250 consid. 3.2 et les références). Selon l' art. 9 al. 3 LAVS , en relation avec l' art. 23 al. 1 RAVS , le revenu provenant d'une activité indépendante et le capital propre engagé dans l'entreprise sont ainsi déterminés par les autorités fiscales cantonales en se fondant sur la taxation passée en force de l'impôt fédéral direct (calcul postnumerando; pour les détails, voir ch. marg. 1203 ss des directives de l'OFAS sur les cotisations des travailleurs indépendants et des personnes sans activité lucrative dans l'AVS, AI et APG [DIN], valables dès le 1 er janvier 2011). Il est ensuite communiqué aux caisses de compensation et inscrit au compte individuel sous l'année pour laquelle les cotisations sont fixées (art. 30 ter al. 4 LAVS). Les caisses de compensation sont liées par les données des autorités fiscales cantonales ( art. 23 al. 4 RAVS ). BGE 147 V 242 S. 250 9.2 Il est incontesté que les revenus provenant d'une activité lucrative indépendante peuvent être irréguliers et soumis à des fluctuations plus ou moins importantes. Or la relation prévue par l' art. 9 al. 2 OMAI entre le remboursement des services d'un tiers auxquels recourt l'assuré pour exercer son activité lucrative et le gain réalisé par celui-ci avec l'aide dudit tiers (consid. 8 supra) vaut pour tout assuré qui travaille, que ce soit à titre dépendant ou indépendant. Il en découle que la fixation définitive à l'avance du montant à rembourser à ce titre à une personne de condition indépendante sans prendre en considération, le cas échéant, l'évolution concrète de ses revenus n'est pas admissible. Une telle approche statique contrevient à la disposition en cause, qui suppose un lien de proportionnalité entre le remboursement mensuel et le montant du revenu mensuel obtenu au moyen, aussi, du recours aux services de tiers. Aussi, lorsqu'il existe des éléments en faveur d'une amélioration des revenus de l'assuré exerçant une activité indépendante au cours de l'année pendant laquelle il recourt aux services d'un tiers, l'organe d'exécution de l'assurance-invalidité ne peut se contenter de renvoyer à une limitation du remboursement fixée de manière statique (en référence, en l'occurrence, à des revenus antérieurs à la période considérée). Il est tenu de réserver la fixation définitive ultérieure du revenu mensuel à prendre en considération - et donc du remboursement définitif -, en fonction des éléments et des données concrètes fournies par l'assuré sur ces revenus pour l'année déterminante, dont par exemple sa taxation fiscale établie une fois connu le résultat de l'exercice clos au terme de la période fiscale. En d'autres termes, l'organe de l'assurance-invalidité peut fixer le revenu probable de l'année civile durant laquelle le revenu mensuel déterminant sera acquis par l'assuré, en se fondant par exemple sur le dernier revenu communiqué par les autorités fiscales à la caisse de compensation (compte individuel AVS). Cependant, il doit réserver la fixation définitive ultérieure en cas d'augmentation du revenu effectivement obtenu pour l'année considérée. Une telle adaptation ultérieure, en fonction des revenus effectivement réalisés pendant la période en cause, permet de placer l'assuré de condition indépendante - telle la recourante - dans la même situation qu'un salarié (au sens de l' art. 10 LPGA ), dès lors que le revenu alors pris en considération coïncide avec celui effectivement réalisé pendant l'année civile en question. On tient ainsi compte de la capacité économique effective de la personne assurée, qu'elle soit salariée ou indépendante. BGE 147 V 242 S. 251 9.3 Dans ce contexte, et s'agissant du grief tiré d'une violation de l'égalité de traitement en relation avec celui de l'arbitraire, on constate que le recours irrégulier d'un architecte aux services du tiers interprète ne découle pas des caractéristiques d'une activité dépendante ou indépendante mais du choix de l'activité professionnelle en cause. Si la recourante exerçait une activité d'architecte salariée, elle serait également contrainte de solliciter les services d'un interprète au rythme des activités saisonnières et des besoins particuliers des clients. Pour s'acquitter des frais d'interprétariat, l'indépendant opère en revanche des prélèvements en cours d'exercice, avant de connaître le bénéfice net qui résulte des comptes établis après la fin de l'exercice. Aussi, pour définir le revenu effectivement acquis d'un indépendant, l'on doit nécessairement tenir compte du résultat de l'exercice clos au terme de l'année civile. A ce défaut, on omettrait le fait que des prélèvements mensuels inférieurs au bénéfice net entraînent la constitution de réserves, tandis que des prélèvements supérieurs impliquent la dissolution de réserves. Par sa simple référence à l'irrégularité de son recours aux services de tiers, la recourante n'établit dès lors pas en quoi elle remplirait les conditions d'une situation "spéciale" qui nécessiterait une réglementation particulière. On ne saurait ainsi suivre la recourante lorsqu'elle semble demander que l'on prenne en considération seulement certains mois de l'année pour fixer son droit à la prise en charge de ses frais d'interprétariat.
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Sachverhalt ab Seite 42 BGE 114 Ia 42 S. 42 Am 28. Juni 1987 stimmten die thurgauischen Stimmberechtigten über eine neue Kantonsverfassung ab. Nach amtlichem Ergebnis wurde die Vorlage bei einer Stimmbeteiligung von 22,6% mit 13 178 Ja- gegen 13 109 Nein-Stimmen angenommen. F. forderte den Regierungsrat am 28. Juni 1987 erfolglos zu einer Nachzählung auf. Überdies verlangte er mit Eingabe vom 4. Juli 1987 an das Departement des Innern und der Volkswirtschaft, es sei abzuklären, BGE 114 Ia 42 S. 43 wie viele Stimmberechtigte ihr Stimmrecht mangels Abstimmungsunterlagen nicht hätten ausüben können. Im weiteren wiederholte er sein Begehren um Nachzählung aller Stimmzettel. Am 9. Juli 1987 teilte er dem Departement mit, er habe inzwischen erfahren, dass die Praxis der Stimmenauszählung in verschiedenen Gemeinden einige Fragen offenlasse, so dass eine Nachkontrolle der Stimmzettel unumgänglich sei. Ein weiteres Schreiben von F. vom 11. Juli 1987 enthält den Hinweis, in den Bezirken Diessenhofen, Münchwilen und Weinfelden seien keine ungültigen Stimmen ausgewiesen, obwohl dort solche abgegeben worden seien. In der Folge konkretisierte F. seine Vorwürfe und erklärte, angesichts der von ihm gelieferten Beweise sei "eine vollumfängliche Überprüfung des Abstimmungsverfahrens einzuleiten, welche sich nun nicht mehr nur auf eine Nachkontrolle beschränken" könne. Das Departement des Innern und der Volkswirtschaft behandelte die erwähnten Eingaben von F. als Rekurs im Sinne von § 52 des thurgauischen Gesetzes über Wahlen und Abstimmungen vom 10. Januar 1953 (WAG) und wies ihn ab. Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau am 11. November 1987 abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte. F. hat gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Stimmrechts eingereicht. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit es auf sie eintreten kann.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Das vom Verfassungsrecht des Bundes gewährleistete politische Stimmrecht gibt dem Bürger einen Anspruch darauf, dass kein Abstimmungsergebnis anerkannt wird, das nicht den freien Willen der Stimmbürger zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt ( BGE 113 Ia 45 E. 2b mit Hinweisen). Nach dem thurgauischen Gesetz über Wahlen und Abstimmungen kann jeder Stimmberechtigte die Durchführung und die Ergebnisse von Abstimmungen durch Rekurs anfechten ( § 52 Abs. 1 WAG ). Gemäss § 52 Abs. 3 WAG ist die angefochtene Abstimmung ungültig zu erklären und deren Wiederholung anzuordnen, wenn die geltenden Vorschriften verletzt worden sind und deshalb die Richtigkeit des Ergebnisses angezweifelt werden muss, so dass nicht feststeht, ob das ermittelte Resultat dem Willen der Mehrheit der stimmenden BGE 114 Ia 42 S. 44 Aktivbürger entspricht. Sind Rechtsverletzungen vorgekommen, die am Abstimmungsergebnis nichts zu ändern vermochten, so sind die Vorschriftswidrigkeiten zu rügen und zu ahnden, die Ergebnisse des angefochtenen Urnenganges jedoch gleichwohl als gültig zu erklären ( § 52 Abs. 4 WAG ). Der Beschwerdeführer hatte mit einem Rekurs gestützt auf § 52 Abs. 1 WAG beim Departement des Innern und der Volkswirtschaft und hernach mit einer Beschwerde beim Verwaltungsgericht vorgebracht, das Ergebnis der Abstimmung vom 28. Juni 1987 über die neue Kantonsverfassung, die mit 13 178 Ja- gegen 13 109 Nein-Stimmen angenommen worden war, sei durch verschiedene Rechtsverletzungen und Verfahrensmängel verfälscht worden. Das Verwaltungsgericht ging in seinem Entscheid nicht näher auf die erhobenen Vorwürfe ein. Es war der Ansicht, bezüglich bestimmter Mängel habe der Beschwerdeführer sein Recht zur Anfechtung des Abstimmungsergebnisses verwirkt. Andere Mängel wiederum erachtete es als von vornherein unerheblich für den Ausgang der Abstimmung, und im übrigen bezeichnete es die Vorwürfe als zu allgemein gehalten und nicht hinreichend substantiiert. Mit der staatsrechtlichen Beschwerde wird geltend gemacht, das Verwaltungsgericht habe es in "willkürlicher Art und Weise unterlassen, die vom Beschwerdeführer gerügten Verfahrensmängel und Unregelmässigkeiten zu prüfen und den Sachverhalt entsprechend den Beweisanträgen abzuklären". 4. a) Der Beschwerdeführer rügte in seiner Rechtsschrift an das Verwaltungsgericht in erster Linie, bei der Abstimmung vom 28. Juni 1987 sei die Vorschrift von § 13 WAG verletzt worden, wonach die zuständige Gemeindebehörde dafür zu sorgen habe, dass jeder Stimmberechtigte spätestens drei Wochen vor der Abstimmung seinen Stimmrechtsausweis und je einen Stimmzettel erhalte. Er behauptete, in Missachtung dieser Bestimmung hätten beispielsweise Insassen von Altersheimen die Abstimmungsunterlagen nicht erhalten. Auch seien die Unterlagen "längst nicht allen Jung-Stimmbürgern zugestellt worden". Der Beschwerdeführer wies darauf hin, vor allem in Landgemeinden seien die Stimmregister auf eine Abstimmung hin "jeweils nicht aktuell nachgeführt", was zur Folge habe, dass "viele Jung-Stimmbürger (noch) vom Stimmrecht ausgeschlossen" seien. Diese Vorwürfe betreffen die Vorbereitung der Abstimmung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts müssen Mängel bei BGE 114 Ia 42 S. 45 der Vorbereitung eines Urnenganges sofort und vor der Abstimmung gerügt werden, damit der Mangel noch vor der Abstimmung behoben werden kann und diese nicht wiederholt zu werden braucht. Unterlässt der Stimmberechtigte das, obwohl nach den Verhältnissen ein sofortiges Handeln geboten und zumutbar war, so verwirkt er das Recht zur Anfechtung der Abstimmung ( BGE 105 Ia 150 ; BGE 101 Ia 241 ; 98 Ia 620 E. 2, je mit Hinweisen). Das Verwaltungsgericht war der Auffassung, im Lichte dieser Rechtsprechung habe der Beschwerdeführer sein Recht verwirkt, die Abstimmung vom 28. Juni 1987 wegen Verletzung der Vorschrift von § 13 WAG anzufechten. Es führte aus, die betroffenen Stimmbürger hätten vor dem Urnengang rügen müssen, dass ihnen das Abstimmungsmaterial nicht zugestellt worden sei. Ein sofortiges Handeln sei ihnen zuzumuten gewesen. Es gehe nun nicht an, die Säumnis dieser rügepflichtigen Stimmbürger mit dem Argument aus dem Weg zu schaffen, der Beschwerdeführer habe erst nach der Abstimmung von den Unregelmässigkeiten Kenntnis erhalten. Er könne für sich nicht mehr Rechte beanspruchen, als den betroffenen Stimmbürgern zustünden. Andernfalls liesse sich - wie das Gericht weiter erwog - die auf Treu und Glauben beruhende Rechtsprechung des Bundesgerichts ohne weiteres dadurch umgehen, dass nach jeder Volksabstimmung ein "Unwissender" zu finden wäre, der solche rügepflichtigen Tatsachen noch nachträglich geltend machen könnte. b) Der Argumentation des Verwaltungsgerichts kann nicht gefolgt werden. Das Gericht hat nicht abgeklärt, ob der Beschwerdeführer die Mängel schon vor der Abstimmung kannte oder ob er von ihnen - entsprechend seiner Behauptung - erst nach dem Urnengang Kenntnis erhielt. Es war der Meinung, unbekümmert darum, habe er sein Recht, das Ergebnis der Abstimmung wegen Verletzung von § 13 WAG anzufechten, auf jeden Fall deshalb verwirkt, weil die von der Nichtzustellung des Abstimmungsmaterials direkt betroffenen Stimmbürger ihrer Rügepflicht nicht nachgekommen seien. Diese Ansicht geht fehl. Für die Beurteilung der Frage, ob das Anfechtungsrecht verwirkt war, kam es nicht auf das Verhalten der direkt betroffenen Stimmbürger an, sondern einzig darauf, ob der Beschwerdeführer bereits vor der Abstimmung von den Unregelmässigkeiten Kenntnis hatte. Nur wenn dies zuträfe und ihm nach den Umständen ein sofortiges Handeln im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zuzumuten gewesen wäre (vgl. BGE 110 Ia 178 ff.), hätte das Verwaltungsgericht mit Recht BGE 114 Ia 42 S. 46 Verwirkung annehmen dürfen. Sollte der Beschwerdeführer dagegen erst nach dem Urnengang von den Fehlern betreffend die Zustellung der Stimmzettel erfahren haben, dann könnte er sein Recht, das Abstimmungsergebnis wegen dieser Mängel anzufechten, nicht verwirkt haben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts setzt die Verwirkung voraus, dass es dem Stimmbürger zuzumuten war, die Fehler bei der Vorbereitung des Urnenganges sofort und vor der Abstimmung zu rügen. Ein sofortiges Handeln im Sinne dieser Praxis ist jedoch nur dann möglich, wenn der Stimmbürger die Mängel vor der Abstimmung kennt. Erhielt der Beschwerdeführer erst nach dem Urnengang von den erwähnten Fehlern Kenntnis, so war es ihm nicht möglich und damit auch nicht zumutbar, sie vor der Abstimmung zu beanstanden. Würde ihm bei dieser Sachlage verwehrt, die Mängel im Anschluss an die Abstimmung geltend zu machen, so wäre das mit dem jedem Stimmbürger zustehenden verfassungsmässigen Anspruch auf ein unverfälschtes Abstimmungsergebnis nicht vereinbar. Der Umstand, dass ein anderer Stimmbürger noch Beschwerde führen kann, wenn der direkt betroffene Stimmberechtigte dazu nicht mehr berechtigt ist, vermag daran nichts zu ändern. Der andere Stimmbürger hat ein selbständiges Beschwerderecht; er handelt nicht als Vertreter der direkt Betroffenen. Demnach ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht mit unrichtiger Begründung annahm, der Beschwerdeführer habe sein Recht verwirkt, das Abstimmungsergebnis wegen Mängeln bei der Vorbereitung des Urnenganges anzufechten. Dabei hat es - wie erwähnt - die entscheidende Frage nicht abgeklärt, ob der Beschwerdeführer schon vor der Abstimmung von den Mängeln Kenntnis hatte. Es ist insoweit seiner Untersuchungspflicht nicht nachgekommen. Bereits deswegen muss der angefochtene Entscheid aufgehoben werden. c) Wird angenommen, der Beschwerdeführer habe die Mängel vor der Abstimmung nicht gekannt und daher sein Anfechtungsrecht nicht verwirkt, so war er berechtigt zu rügen, das Abstimmungsergebnis sei dadurch verfälscht worden, dass in Verletzung der Vorschrift von § 13 WAG verschiedene Stimmbürger mangels Zustellung der Abstimmungsunterlagen ihr Stimmrecht nicht hätten ausüben können. Dabei machte er insbesondere geltend, einer ganzen Gruppe von Stimmberechtigten, nämlich Jungbürgern, sei das Abstimmungsmaterial nicht zugestellt worden. Träfen diese Mängel tatsächlich zu, so wäre es nicht von vornherein BGE 114 Ia 42 S. 47 ausgeschlossen, dass dadurch der Ausgang der Abstimmung über die neue Kantonsverfassung hätte beeinflusst werden können. Das Resultat des Urnenganges fiel knapp aus; die Vorlage wurde mit einem Mehr von bloss 69 Stimmen angenommen. Hätten lediglich 35 Personen anders gestimmt, so wäre die Vorlage abgelehnt worden. Das Verwaltungsgericht hätte daher abklären müssen, ob die Vorwürfe des Beschwerdeführers begründet seien. Wie ausgeführt, hat jeder Stimmberechtigte einen durch die Verfassung geschützten Anspruch auf ein Abstimmungsergebnis, das den Willen der Stimmbürger zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt. Daraus ergibt sich für die Behörden die Pflicht, gegen das Ergebnis einer Abstimmung vorgebrachte Rügen jedenfalls dann näher zu untersuchen, wenn das Abstimmungsresultat knapp ausfiel und der Stimmbürger auf konkrete Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Auszählung oder für ein gesetzwidriges Verhalten der für die Durchführung der Abstimmung zuständigen Organe hinzuweisen vermag (vgl. BGE 98 Ia 85 ). Im vorliegenden Fall wurde ein Abstimmungsergebnis angefochten, bei dem die Differenz zwischen den Ja- und den Nein-Stimmen lediglich 69 Stimmen betrug, und der Beschwerdeführer führte in seiner Beschwerde an das Verwaltungsgericht nicht nur mehrere Fälle an, in welchen Insassen von Altersheimen keine Stimmzettel erhalten hätten, sondern behauptete ausserdem, eine ganze Gruppe von Stimmberechtigten, nämlich Jungbürger, seien mangels Nachführung der Stimmregister nicht mit den Abstimmungsunterlagen versehen worden, wobei er für seine Behauptungen verschiedene Beweise (Abhörung von Zeugen; Überprüfung der Stimmregister bestimmter Gemeinden) anbot. Er vermochte damit auf konkrete Anhaltspunkte für eine wiederholte Verletzung von § 13 WAG durch die zuständigen Gemeindebehörden hinzuweisen. Das Verwaltungsgericht war bei dieser Sachlage von Bundesrechts wegen gehalten, durch Abnahme der angebotenen Beweise abzuklären, ob die behaupteten Mängel zuträfen. Indem es das unterliess, hat es - unter der erwähnten Annahme, dass das Anfechtungsrecht nicht verwirkt war - seine Untersuchungspflicht auch insoweit verletzt. 5. a) Der Beschwerdeführer rügte vor Verwaltungsgericht weitere Unregelmässigkeiten (Fehler bei der Stimmabgabe und bei der Auszählung der Stimmen; uneinheitliche Praxis der Gemeinden bei der Beurteilung der Gültigkeit der Stimmzettel; unzulässige Beeinflussung der Willensbildung der Stimmbürger durch BGE 114 Ia 42 S. 48 die Presse), die seiner Ansicht nach ebenfalls zur Verfälschung des Abstimmungsergebnisses beigetragen hätten. Das Verwaltungsgericht stellte hinsichtlich dieser Rügen zunächst fest, der Beschwerdeführer bringe verschiedene neue Tatsachen vor, was grundsätzlich mit § 58 des thurgauischen Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRG) unvereinbar sei. Es erklärte dann aber, in der Praxis würden neue Vorbringen berücksichtigt, wenn ein Verfahren im öffentlichen Interesse im Sinne von § 12 Abs. 3 VRG liege. Das Gericht liess offen, ob diese Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt sei, da auch bei Bejahung der Frage auf die erhobenen Vorwürfe nicht näher eingegangen werden könnte, da sie teils zu allgemein gehalten und teils von vornherein unerheblich für den Ausgang der Abstimmung seien. Die Voraussetzung, unter der das Verwaltungsgericht gemäss ständiger Praxis neue Tatsachen berücksichtigt, war hier klarerweise gegeben, ging es doch im Verfahren vor der kantonalen Instanz darum zu prüfen, ob das Ergebnis der Abstimmung über die neue Kantonsverfassung dem freien Willen der Stimmbürger entspreche, und an der Abklärung dieser Frage bestand ein erhebliches öffentliches Interesse. Was die Eventualbegründung des Verwaltungsgerichts anbelangt, so ist darauf in den nachfolgenden Erwägungen einzugehen. b) Wie dargelegt wurde, könnten in Anbetracht des knappen Abstimmungsresultats bereits jene Mängel, welche die Zustellung der Stimmzettel betreffen, einen Einfluss auf das Ergebnis der Abstimmung gehabt haben. Bei dieser Sachlage ging es nicht an, auf gewisse andere vom Beschwerdeführer behauptete Unregelmässigkeiten mit der Begründung nicht einzugehen, sie könnten von vornherein keine Auswirkungen auf das Abstimmungsergebnis haben. Vielmehr verhielt es sich unter den erwähnten Umständen auch hinsichtlich der weiteren Rügen des Beschwerdeführers so, dass das Gericht diese näher untersuchen musste, sofern er mit seinen Vorbringen auf konkrete Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Auszählung oder für ein gesetzwidriges Verhalten der für die Durchführung der Abstimmung zuständigen Organe hinzuweisen vermochte. Dies traf jedenfalls in bezug auf folgende Behauptungen zu: - In der Ortsgemeinde Bettwiesen habe der Gemeindeweibel für einen Stimmbürger den Stimmzettel ausgefüllt und abgegeben, was gegen die Vorschrift von § 21 WAG verstosse (Ziff. 5 der Beschwerde an das Verwaltungsgericht, im folgenden abgekürzt Beschwerde/VG); BGE 114 Ia 42 S. 49 - in der Munizipalgemeinde Weinfelden habe ein Stimmbürger die Angaben auf seinem Stimmzettel mit der Schreibmaschine angebracht, was nach § 30 WAG Ungültigkeit zur Folge habe. Das Abstimmungsprotokoll dieser Gemeinde weise jedoch keine ungültigen Stimmen aus (Ziff. 6.2 Beschwerde/VG); - in der Munizipalgemeinde Affeltrangen habe ein Stimmbürger zugegebenermassen einen ungültigen Stimmzettel eingelegt, doch weise auch das Abstimmungsprotokoll dieser Gemeinde keine ungültigen Stimmen aus (Ziff. 6.3. Beschwerde/VG); - in den Bezirken Diessenhofen und Münchwilen seien gemäss Abstimmungsprotokoll keine ungültigen Stimmen abgegeben worden, doch sei "dies nicht richtig" (Ziff. 6.3. Beschwerde/VG); - in der Munizipalgemeinde Birwinken sei ein Stimmzettel als überzählig "im Papierkorb gelandet" (Ziff. 6.4. Beschwerde/VG); - in der Ortsgemeinde Dottnach, Munizipalgemeinde Hugelshofen, habe ein Stimmbürger zwei Stimmzettel (den zweiten für seinen ortsabwesenden Sohn) in die Urne gelegt (Ziff. 3 der Beschwerdeergänzung), - und ein Gemeinderat von P. habe erklärt, der Gemeindeammann dieser Gemeinde sei froh, "dass keine Nachzählung erfolge, denn in P. sei das gemeldete Abstimmungsergebnis auch nicht korrekt" (Ziff. 2 der Beschwerdeergänzung). Das Verwaltungsgericht hätte - hier wiederum nur unter der Annahme, dass das Anfechtungsrecht betreffend die Rüge der Verletzung des § 13 WAG nicht verwirkt war - aufgrund der vom Beschwerdeführer angebotenen Beweise abklären müssen, ob diese Vorbringen, mit welchen auf konkrete Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Auszählung der Stimmen und für ein gesetzwidriges Verhalten der für die Durchführung der Abstimmung zuständigen Organe hingewiesen wurde, zuträfen. Indem es das unterliess, ist es auch in diesen Punkten seiner Untersuchungspflicht nicht nachgekommen.
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Sachverhalt ab Seite 312 BGE 133 III 311 S. 312 A. X. était propriétaire de plusieurs parcelles formant un grand domaine à Y., en particulier de la parcelle n° x, sur laquelle étaient érigés une vaste villa (bâtiment n° a) et deux bâtiments annexes (n os b et c). A son décès en 1949, il a laissé huit héritiers, soit sa veuve dame X. et ses sept enfants, parmi lesquels A., dame B., dame C. et dame D. Le 20 janvier 1960, les héritiers ont conclu un acte notarié de convention de partage des terrains de Y., qui prévoyait en substance le partage de la parcelle n° x en plusieurs nouvelles parcelles et la distribution de toutes les parcelles en fonction des valeurs attribuées à chacune d'entre elles. Dame D. a reçu notamment une parcelle (actuellement n° y) sur laquelle sont sis les bâtiments n os a, b et c. Les parties ont convenu que ces bâtiments seraient la propriété de A., de dame B., de dame C. et de dame D., chacun pour un quart. Elles ont convenu de constituer une servitude personnelle de superficie sur ces bâtiments au profit de A., de dame B. et de dame C. BGE 133 III 311 S. 313 B. La servitude de superficie a été enregistrée au registre foncier le 12 février 1960. Elle figure actuellement au feuillet de la parcelle n° y au grand livre, tel qu'il existe depuis la mise en vigueur du registre foncier fédéral, le 25 juillet 1994; ce feuillet énonce l'existence d'un droit de superficie, sans en indiquer les bénéficiaires ni leurs quote-parts, et renvoie aux pièces justificatives. Quant au registre des servitudes, il précise ce qui suit, concernant l'inscription du 12 février 1960 : "au profit de Madame B., de Monsieur A. et de Mademoiselle C., une servitude personnelle de superficie sur les bâtiments N° a, b et c (...). Il est expressément convenu que ces bâtiments sont la propriété de Madame D., Mademoiselle C., Madame B. et Monsieur A., chacun pour un quart." C. Par acte notarié des 21 février et 6 mars 1968, A., dame B., dame C. et dame D. ont apporté des modifications à la servitude de superficie. Le corps principal de cet acte a la teneur suivante : "1. (...) Cette servitude est au profit de Mademoiselle C., de Madame B. et de Monsieur A., également comparants et il a été stipulé que lesdits bâtiments seraient la propriété indivise par parts égales, soit un quart à chacun de Mademoiselle C., de Madame D., de Madame B. et de Monsieur A. 2. Il est expressément convenu entre les comparants que cette servitude personnelle de superficie profite non seulement à Monsieur A. personnellement, mais que conformément aux dispositions de l'article 779, alinéa 1 du Code civil suisse, elle passe à ses héritiers. Monsieur A. ou les siens peuvent en outre la céder en tout ou partie à des descendants de Monsieur X. mais non à des tiers. En revanche, les comparants conviennent qu'en ce qui concerne les autres bénéficiaires, soit Mademoiselle C. et Madame B., ladite servitude personnelle est, pour chacune d'elles, strictement personnelle, incessible et qu'elle ne passera point à leurs héritiers." Cette modification de cessibilité a été enregistrée au registre foncier le 15 mars 1968. D. Dame D. est décédée le 2 octobre 1985, laissant pour seuls héritiers son mari D. - qui a déclaré renoncer à la succession de son épouse - et ses trois fils E., F. et G. Dans le cadre du partage de la succession, il a été convenu que F. céderait à G. la moitié de ses droits dans la parcelle n° y et dans les bâtiments n os a, b et c. La modification du registre foncier a été opérée le 20 juillet 1987. Depuis lors, le registre des servitudes indique que "les bâtiments appartiendront à Monsieur G. pour un/huitième (1/8), à Monsieur E. pour BGE 133 III 311 S. 314 un/douzième (1/12) et à Monsieur F. pour un/vingt-quatrième (1/24)". Les bénéficiaires de cette inscription au registre des servitudes se sont comportés en copropriétaires des bâtiments, comme leur mère l'avait fait auparavant. Le 10 mai 1996, après le décès de dame C., A. a fait savoir à ses neveux E., F. et G. qu'il souhaitait vendre bientôt les bâtiments en indivision ainsi que ses terrains. L'année suivante, dame B. a également exprimé le désir de sortir de l'indivision. E., F. et G. se sont montrés intéressés à acheter les parts de A. et de dame B., mais les discussions ont achoppé sur la question de la valeur à attribuer aux bâtiments sis sur la parcelle n° y. E. Le 10 septembre 2002, A. a actionné E., F. et G. (ci-après: les consorts D.) devant le Tribunal de première instance du canton de Genève. Il a notamment conclu, avec suite de frais et dépens, à la constatation que les consorts D. étaient indûment inscrits au registre des servitudes du registre foncier de Genève comme titulaires d'un droit de superficie sur les bâtiments n os a, b et c sis sur la parcelle n° y de la commune de Y., à leur radiation immédiate de cette inscription relative au droit de superficie et à la constatation que la servitude de superficie au profit de dame C. avait à son décès été transférée de plein droit à A. et à dame B. A. est décédé le 3 janvier 2003, laissant pour héritiers son épouse et ses quatre enfants (ci-après: les hoirs A.), qui ont repris l'instance. Les consorts D. ont conclu au déboutement des hoirs A. de toutes leurs conclusions. Le Tribunal de première instance a débouté les hoirs A. de toutes leurs conclusions par jugement du 7 septembre 2005. F. Statuant par arrêt du 18 mai 2006 sur appel des hoirs A., la Chambre civile de la Cour de justice du canton de Genève a confirmé le jugement de première instance. S'agissant de l'inscription des défendeurs au registre des servitudes comme (co)titulaires du droit de superficie, les juges cantonaux ont considéré en substance que la construction juridique choisie par les parties au partage successoral de 1960 - consistant à attribuer la propriété des bâtiments à quatre d'entre elles à raison de quatre quote-parts égales, en créant une servitude de superficie en faveur de trois d'entre elles seulement - était impossible puisqu'un quart du droit de superficie n'avait pas de titulaire. La convention des parties était donc nulle en ce qui concernait la constitution du droit de BGE 133 III 311 S. 315 superficie, mais elle pouvait être convertie en un acte valable qui correspondait à leur volonté. La conversion s'appliquait également à l'acte de disposition par lequel la propriétaire de la parcelle avait sollicité, en 1960, l'inscription de la servitude de superficie au registre foncier. Si elle avait su que sa demande d'inscription portait sur un droit nul parce qu'impossible, elle aurait sollicité l'inscription d'un droit valable et conforme à la cause de l'inscription, et aurait donc requis l'inscription d'une servitude personnelle ayant quatre cotitulaires, dont elle-même. Dans ces conditions, la désignation des défendeurs et des demandeurs comme co-bénéficiaires du droit de superficie, au registre des servitudes, était justifiée, et les conclusions des demandeurs tendant à radier du registre foncier toute désignation des défendeurs comme co-bénéficiaires de la servitude étaient mal fondées. S'agissant du sort de la quote-part de feue dame C., la cour cantonale a considéré que la durée du droit de dame C. avait par la modification de 1968 été fixée à son décès. Les constructions faisant retour au propriétaire du fonds à l'expiration de la durée du droit de superficie ( art. 779c CC ), il devait en aller de même de la quote-part dont la durée était expirée alors que les autres quote-parts subsistaient. Il s'ensuivait que les défendeurs, en tant que copropriétaires de la parcelle grevée, avaient acquis la quote-part de leur tante décédée et augmenté d'autant leurs propres quote-parts déjà existantes du droit de superficie. Cela étant, les conclusions des demandeurs tendant à la constatation que la servitude de superficie au profit de dame C. avait à son décès été transférée de plein droit à A. et à dame B. devaient être rejetées. G. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours en réforme interjeté par les demandeurs contre l'arrêt de la Cour de justice.
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Erwägungen Extrait des considérants: 3. 3.2 3.2.1 Le droit de superficie est la servitude en vertu de laquelle une personne a la faculté d'avoir ou de faire des constructions, soit sur le fonds grevé, soit au-dessous ( art. 779 al. 1 CC ). Il donne ainsi le moyen de dissocier la propriété du fonds de la propriété des constructions qui s'y trouvent au moment de la constitution ou qui sont édifiées par la suite: en dérogation au principe de l'accession énoncé BGE 133 III 311 S. 316 à l' art. 667 CC , ces constructions sont la propriété du titulaire du droit de superficie, conformément à l' art. 675 al. 1 CC (PAUL-HENRI STEINAUER, Les droits réels, t. III, 3 e éd. 2003, n. 2513). Sauf clause contraire, toute la surface de l'immeuble grevé peut être bâtie; l'exercice du droit est cependant souvent limité par l'acte constitutif à une partie déterminée de l'immeuble grevé (STEINAUER, op. cit., n. 2524), notamment lorsqu'il porte sur des constructions existantes. Le droit de superficie peut être constitué en servitude personnelle - seule hypothèse directement visée par les art. 779 ss CC - ou en servitude foncière (STEINAUER, op. cit., n. 2518). 3.2.2 Contrairement aux servitudes foncières (art. 730 à 744 CC), qui sont constituées en faveur du propriétaire actuel d'un fonds, les servitudes personnelles (art. 745 à 781 CC) sont constituées en faveur d'une personne déterminée. Il en existe deux sortes. Les servitudes personnelles proprement dites, l'usufruit (art. 745 à 775 CC) et le droit d'habitation ( art. 776 ss CC ), sont indissolublement liées à la personne de leur titulaire et sont par conséquent incessibles et intransmissibles ( art. 749 et 776 al. 2 CC ; STEINAUER, op. cit., n. 2403 et 2497). En revanche, les servitudes personnelles dites irrégulières, telles que le droit de superficie (art. 779 à 779l CC), peuvent être cessibles et transmissibles (STEINAUER, op. cit., n. 2511; cf. art. 779 al. 2 CC ). La constitution et l'extinction des servitudes personnelles irrégulières, notamment du droit de superficie, sont en principe régies par les règles applicables aux servitudes foncières (STEINAUER, op. cit., n. 2512, 2521 et 2557). 3.2.3 L'inscription au registre foncier est nécessaire pour la constitution des servitudes ( art. 731 al. 1 CC ). Une servitude n'existe comme droit réel que si cette inscription a eu lieu ( art. 971 al. 1 CC , applicable par renvoi de l' art. 731 al. 2 CC ). Par inscription au registre foncier, il faut entendre l'inscription au grand livre ( art. 972 al. 1 CC ); le droit ne prend donc naissance que s'il a été porté au grand livre (art. 25 al. 4 de l'ordonnance du 22 février 1910 sur le registre foncier [ORF; RS 211.432.1]; STEINAUER, Les droits réels, t. I, 4 e éd. 2007, n. 894, 895 et 897; ATF 124 III 293 consid. 2a; HENRI DESCHENAUX, Le registre foncier, Traité de droit privé suisse, vol. V/II/2, 1983, p. 500 et 502; DIETER ZOBL, Grundbuchrecht, 2 e éd. 2004, n. 19, 95 et 223). Selon l' art. 968 CC , les servitudes foncières sont inscrites au feuillet du fonds servant et du fonds dominant (cf. art. 35 al. 1 ORF ), seule l'inscription au fonds servant étant toutefois essentielle pour la constitution de la servitude ( art. 25 al. BGE 133 III 311 S. 317 4 ORF ; STEINAUER, Les droits réels, t. II, 3 e éd. 2002, n. 2234). Les servitudes personnelles, pour lesquelles il n'y a par définition pas de fonds dominant, sont inscrites au seul feuillet du fonds servant (cf. art. 35 al. 1 ORF ). L'inscription sur le feuillet du fonds servant doit désigner le fonds bénéficiaire de la servitude ou, pour les servitudes personnelles, la personne titulaire du droit ( art. 35 al. 2 let . d ORF); une inscription qui ne comprend pas cette indication est lacunaire ( ATF 124 III 293 consid. 2a; STEINAUER, Les droits réels, t. II, 3 e éd. 2002, n. 2234). 3.2.4 Le grand livre ( art. 942 al. 2 et 945 CC ) est le livre principal du registre foncier, destiné à donner l'état des droits sur un immeuble (DESCHENAUX, op. cit., p. 52; ZOBL, op. cit., n. 223; STEINAUER, Les droits réels, t. I, 4 e éd. 2007, n. 565). Comme on vient de le voir, un droit réel dont la constitution est légalement subordonnée à une inscription au registre foncier, comme c'est le cas des servitudes ( art. 731 al. 1 CC ), ne prend naissance que s'il a été porté au grand livre ( art. 971 al. 1 CC ). Les registres accessoires dont le Conseil fédéral a prescrit la tenue en vertu de la compétence que lui donne l' art. 949 al. 2 CC (cf. art. 108 al. 1 ORF ) ne font pas partie intégrante du registre foncier ( art. 942 al. 2 CC a contrario) et ne jouent pas de rôle pour la naissance, les effets et l'extinction des droits réels (DESCHENAUX, op. cit., p. 56; STEINAUER, Les droits réels, t. I, 4 e éd. 2007, n. 573; ZOBL, op. cit., n. 260). Lorsque les cantons ont fait usage de la faculté conférée par l' art. 108 al. 2 ORF d'instituer d'autres registres accessoires, comme un registre des servitudes, les inscriptions dans ces registres ne produisent pas non plus les effets spécifiques du registre foncier (DESCHENAUX, op. cit., p. 57-58; STEINAUER, Les droits réels, t. I, 4 e éd. 2007, n. 573; ZOBL, op. cit., n. 260 et 268). 3.3 En l'espèce, il est constant que le feuillet de la parcelle n° y au grand livre, tel qu'il existe depuis la mise en vigueur du registre foncier fédéral, le 25 juillet 1994, énonce uniquement l'existence d'un droit de superficie, en renvoyant aux pièces justificatives, mais n'en désigne pas les bénéficiaires; en revanche, le registre des servitudes mentionne comme bénéficiaires du droit de superficie A., dame B., dame C. et dame D., respectivement leurs ayants cause. Les conclusions prises par les demandeurs, qui lient le Tribunal fédéral ( art. 63 al. 1 OJ [RO 3 p. 521]), tendent à la constatation que les défendeurs sont indûment inscrits au registre des servitudes du registre foncier de Genève comme (co)titulaires du droit de superficie litigieux, ainsi qu'à leur radiation immédiate de cette inscription au registre BGE 133 III 311 S. 318 des servitudes. Cela étant, il y a lieu d'examiner ci-après si les défendeurs sont ou non inscrits à tort au registre des servitudes comme (co)titulaires du droit de superficie litigieux, au regard de la convention de 1960 sur laquelle repose cette inscription. 3.4 3.4.1 Il est constant que les parties à cette convention voulaient attribuer un quart de la propriété des bâtiments sis sur la parcelle n° y à chacune des quatre personnes désignées. Elles ont ainsi expressément convenu d'attribuer la propriété des bâtiments à ces quatre personnes, à raison de quatre quote-parts égales. Pour parvenir à ce résultat et dissocier temporairement la propriété des bâtiments de celle du bien-fonds (cf. art. 675 al. 1 CC ), elles ont convenu de créer un droit de superficie en faveur de trois d'entre elles, partant de l'idée erronée que le principe de l'accession ( art. 667 al. 2 CC ) garantissait à la propriétaire de la parcelle la quote-part restante de la propriété collective des bâtiments, après l'attribution de trois quote-parts d'un quart chacune à trois superficiaires. D'un point de vue juridique, la propriété sur une construction, en présence d'une servitude de superficie, est indissolublement liée à la titularité de la servitude, en ce sens que le propriétaire de la construction ne peut être que le titulaire de la servitude de superficie ( ATF 90 I 252 consid. 2; ARTHUR MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, vol. IV/ 1/2, 1974, n. 10 ad art. 675 CC ; ROBERT HAAB/AUGUST SIMONIUS/WERNER SCHERRER/DIETER ZOBL, Zürcher Kommentar, vol. IV/1, 1977, n. 8 ad art. 675 CC ; STEINAUER, Les droits réels, t. II, 3 e éd. 2002, n. 1629; PAUL PIOTET, Les droit réels limités, Traité de droit privé suisse, t. V/1/3, 1978, p. 75). Le propriétaire du fonds grevé ne peut ainsi pas se voir attribuer la propriété (collective) de la construction sans être cotitulaire de la servitude de superficie. Il s'ensuit que la construction juridique choisie par les parties à l'acte notarié de convention de partage du 20 janvier 1960 est impossible: en effet, d'une part, il n'est pas possible d'attribuer à dame D. une part de propriété collective d'un quart des bâtiments faisant l'objet du droit de superficie sans en faire simultanément la cotitulaire de ce droit; d'autre part, il n'est pas possible d'attribuer aux cotitulaires du droit de superficie la propriété collective de ces bâtiments à raison de trois quarts seulement, puisque les cotitulaires du droit de superficie doivent avoir ensemble la pleine propriété de la construction. BGE 133 III 311 S. 319 La convention des parties est donc nulle, pour cause de contenu impossible ( art. 20 al. 1 CO ), en ce qui concerne la constitution du droit de superficie. Contrairement à ce que soutiennent les demandeurs, il ne saurait être question de maintenir la convention en tant qu'elle prévoit la constitution d'un droit de superficie en faveur des seuls A., dame B. et dame C. En effet, l'attribution à des personnes déterminées de la propriété sur une construction en dérogation au principe de l'accession est indissolublement liée, comme on l'a vu, à la constitution d'un droit de superficie en faveur de ces mêmes personnes. Au surplus, il y a lieu d'admettre que les parties à l'acte notarié de convention de partage du 20 janvier 1960 n'auraient pas prévu la constitution d'un droit de superficie en la seule faveur des trois prénommés si elles avaient su que la construction juridique retenue ne permettait pas d'attribuer la propriété des bâtiments à A., dame B., dame C. et dame D., à raison d'un quart chacun ( art. 20 al. 2 CO ). La construction d'un droit de superficie en faveur des seuls A., dame B. et dame C., respectivement de leurs ayants cause, telle que proposée par les demandeurs, ne peut par conséquent qu'être écartée. 3.4.2 Selon le principe de la conversion, admis par la jurisprudence et la doctrine, un acte juridique nul peut être interprété comme un acte valable permettant d'obtenir approximativement le même résultat, à condition que les exigences de l'acte de remplacement soient également remplies, que celui-ci n'aille pas, dans ses conséquences, plus loin que l'acte nul, et que la conversion ne soit pas contraire au but de la norme dont découle la nullité de l'acte à convertir ( ATF 126 III 182 consid. 3b). En l'espèce, comme la cour cantonale l'a retenu à bon droit, toutes les conditions d'une conversion sont réunies, de sorte que la clause frappée de nullité de l'acte notarié de convention de partage du 20 janvier 1960 doit être convertie en une clause par laquelle il est constitué sur les bâtiments n os a, b et c, ainsi que sur toutes canalisations desservant lesdits bâtiments, une servitude de superficie en faveur de dame D., dame C., dame B. et A., cotitulaires de la servitude - et donc propriétaires collectifs des constructions - chacun pour un quart. La conversion s'applique également à l'acte de disposition par lequel la propriétaire de la parcelle a sollicité, en 1960, l'inscription de la servitude de superficie au registre foncier, comme l'autorité cantonale l'a exposé avec raison. BGE 133 III 311 S. 320 3.4.3 Il résulte de ce qui précède que l'inscription des défendeurs au registre des servitudes comme (co)titulaires du droit de superficie litigieux a été opérée sur la base d'une cause valable, compte tenu de la conversion, telle qu'elle vient d'être décrite, de la clause de l'acte notarié de convention de partage du 20 janvier 1960 constituant ce droit de superficie ainsi que de l'acte de disposition y relatif. Partant, le recours ne peut qu'être rejeté en tant qu'il conteste le rejet des conclusions des demandeurs relatives à l'inscription des défendeurs au registre des servitudes comme (co)titulaires d'un droit de superficie sur les bâtiments n os a, b et c sis sur la parcelle n° y. Vu les conclusions dont il est saisi (cf. art. 63 al. 1 OJ ), le Tribunal fédéral n'a pas à statuer sur l'inscription du droit de superficie litigieux au grand livre, qui apparaît lacunaire au regard des prescriptions de l' art. 35 al. 2 let . d ORF - dans sa teneur en vigueur depuis le 1 er janvier 1995 - dans la mesure où l'inscription sur le feuillet de la parcelle n° y ne désigne pas les bénéficiaires du droit de superficie (cf. consid. 3.2.3 supra). 4. 4.1 En ce qui concerne le rejet par la cour cantonale de leur conclusion tendant à la constatation que la servitude de superficie au profit de dame C. a à son décès été transférée de plein droit à A. et à dame B., les demandeurs reprochent à la cour cantonale d'avoir retenu qu'au décès de dame C., la quote-part de cette dernière dans le droit de superficie revenait aux propriétaires du fonds servant - soit aux défendeurs - en vertu de l' art. 779c CC . Se référant à la doctrine relative à la constitution et à l'expiration d'un usufruit au bénéfice de plusieurs personnes, ils soutiennent que, lorsqu'un droit de superficie est constitué en faveur de plusieurs personnes et qu'il est convenu que le droit de l'une d'elles ne passera pas à ses héritiers, le décès de cette personne a pour effet d'accroître proportionnellement les parts des autres superficiaires. 4.2 4.2.1 Si le droit de superficie constitué en servitude personnelle (cf. consid. 3.2.2 supra) est distinct (soit si sa cessibilité et sa transmissibilité n'ont pas été supprimées; cf. art. 7 al. 2 ch. 1 in fine ORF) et permanent (soit s'il est établi pour trente ans au moins ou pour une durée indéterminée; cf. art. 7 al. 2 ch. 2 ORF ), il peut être ou non immatriculé comme immeuble au registre foncier en vertu de l' art. 779 al. 3 CC (STEINAUER, Les droits réels, t. III, 3 e éd. 2003, n. 2519). BGE 133 III 311 S. 321 Sauf convention contraire, le droit de superficie est cessible et il passe aux héritiers ( art. 779 al. 2 CC ; STEINAUER, Les droits réels, t. III, 3 e éd. 2003, n. 2525). Lorsque le droit de superficie n'est pas immatriculé comme immeuble au registre foncier, le transfert s'opère indépendamment du registre foncier (STEINAUER, Les droits réels, t. III, 3 e éd. 2003, n. 2527 et t. I, 4 e éd. 2007, n. 693). Le droit de superficie s'éteint pour les causes qui mettent fin aux servitudes foncières, la cause la plus fréquente étant la survenance du terme extinctif dont les parties sont convenues (STEINAUER, Les droits réels, t. III, 3 e éd. 2003, n. 2557). À l'extinction du droit de superficie, le principe de l'accession reprend force: les constructions font retour au propriétaire du fonds et deviennent partie intégrante de ce fonds, conformément à l' art. 779c CC (STEINAUER, Les droits réels, t. III, 3 e éd. 2003, n. 2558). 4.2.2 Comme on l'a vu (cf. consid. 3.2.2 supra), le droit de superficie constitué en faveur d'une personne déterminée est une servitude personnelle dont il peut être convenu qu'elle sera incessible et intransmissible ( art. 779 al. 2 CC ), à l'instar de l'usufruit qui a impérativement un tel caractère. Une servitude personnelle telle qu'un droit de superficie ou un usufruit peut être constituée en faveur d'une seule personne ou en faveur de plusieurs personnes déterminées. La doctrine propose, dans l'hypothèse où plusieurs personnes sont bénéficiaires d'un usufruit, de leur appliquer par analogie les règles sur la copropriété (art. 646 à 651 CC) lorsque les bénéficiaires n'ont pas entre eux un lien juridique faisant naître une propriété commune selon l' art. 652 CC (communauté héréditaire, société simple), ou les règles sur la propriété commune (art. 652 à 654 CC) lorsque les titulaires sont liés entre eux par un tel rapport de communauté (STEINAUER, Les droits réels, t. III, 3 e éd. 2003, n. 2404; cf. ALEXANDRA FARINE FABBRO, L'usufruit immobilier, thèse Fribourg 2000, p. 9-10; MAX BAUMANN, Zürcher Kommentar, vol. IV/2a, 1999, n. 3, 4 et 7 ad art. 745 CC ; HANS LEEMANN, Berner Kommentar, vol. IV/2, 1925, n. 9 ad art. 745 CC ). La doctrine romande parle, par analogie avec la propriété, de co-usufruit dans le premier cas et d'usufruit commun dans le second (cf. STEINAUER, Les droits réels, t. III, 3 e éd. 2003, n. 2404; FARINE FABBRO, op. cit., p. 9-10). Si l'usufruit qui a été constitué en faveur d'une unique personne physique s'éteint à la mort de l'usufruitier ( art. 749 al. 1 CC ), il en va différemment en cas de co-usufruit ou d'usufruit commun: le BGE 133 III 311 S. 322 décès de l'un des titulaires ne met pas fin à l'usufruit, mais l'usufruit des autres titulaires s'accroît en proportion et ce n'est qu'au décès du dernier titulaire que l'usufruit s'éteint (STEINAUER, Les droits réels, t. III, 3 e éd. 2003, n. 2464a; FARINE FABBRO, op. cit., p. 219 s.; BAUMANN, op. cit., n. 2 et 8 ad art. 748-749 CC ; cf. ROLAND M. MÜLLER, Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch II, 2 e éd. 2003, n. 2 ad art. 749 CC ). 4.2.3 Les mêmes principes doivent trouver application lorsqu'une servitude personnelle de superficie est constituée en faveur de plusieurs personnes et que le titulaire d'une part stipulée intransmissible décède. Ce décès ne met ainsi pas fin au droit de superficie en tant que tel, mais le droit des autres cotitulaires de la servitude s'accroît en proportion. Ce n'est qu'à l'extinction du droit de superficie lui-même - lequel prendra fin par le décès du dernier cotitulaire si toutes les parts ont été stipulées intransmissibles, ou à l'expiration du terme convenu par les parties, ou à l'expiration de la durée maximum de cent ans prévue par l' art. 779l CC pour les droits de superficie constitués comme droits distincts, à savoir ceux dont la cessibilité et la transmissibilité n'ont pas été supprimées (cf. consid. 4.2.1 supra) - que les constructions feront retour au propriétaire du fonds servant et deviendront partie intégrante de ce fonds, en application de l' art. 779c CC . 4.3 4.3.1 En l'espèce, les parties intéressées ont convenu, par acte notarié des 21 février et 6 mars 1968, que la servitude de superficie qu'ils avaient convenu de constituer dans l'acte notarié de convention de partage du 20 janvier 1960 serait incessible et intransmissible en ce qui concernait deux de ses cotitulaires, à savoir dame C. et dame B. En application des principes qui viennent d'être exposés, le décès de la première nommée conduit à l'accroissement proportionnel des droits des autres cotitulaires, à savoir, étant donné la conversion de la clause nulle de l'acte notarié de convention de partage du 20 janvier 1960 (cf. consid. 3.4.2 supra), de dame B., des demandeurs (en tant qu'ayants cause de A.) et des défendeurs (en tant qu'ayants cause de dame D.). C'est donc à tort que la cour cantonale a jugé que la quote-part de dame C. revenait aux seuls défendeurs, en tant qu'ayants cause de dame D. 4.3.2 Les demandeurs ont conclu à la constatation que la servitude de superficie au profit de dame C. avait à son décès été transférée BGE 133 III 311 S. 323 de plein droit à A. et à dame B., à l'exclusion de dame D. (respectivement de ses ayants cause). Or, comme on vient de le voir, le décès de dame C. conduit à l'accroissement proportionnel des droits de tous les autres cotitulaires, y compris des défendeurs en tant qu'ayants cause de dame D. Dès lors, les conclusions des demandeurs sur ce point ne peuvent qu'être rejetées.
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Sachverhalt ab Seite 172 BGE 123 III 171 S. 172 A.- a) Par contrat du 28 juillet 1986, la S.I. X. a remis à bail à T. un appartement de quatre pièces sis au septième étage d'un immeuble dont elle est propriétaire, à Genève. Le bail était conclu pour une durée de trois ans, soit du 1er août 1986 au 31 juillet 1989; il se renouvelait tacitement d'année en année. Le loyer annuel, sans les charges, se montait à 9'252 fr. Le bail a été repris par dame G. conformément à un avenant signé le 5 septembre 1989. Par arrêté du 13 juin 1988, le Conseil d'Etat du canton de Genève a accordé rétroactivement à la S.I. X., pour l'immeuble en question, une subvention annuelle et une exonération fiscale d'une durée de dix ans, soit jusqu'au 31 décembre 1991, sur la base d'un coût total de 5'565'000 fr. financé à concurrence de 2'225'000 fr. par des fonds propres et pour le solde de 3'340'000 fr. par un prêt garanti par une inscription hypothécaire en premier rang. Le dernier état locatif autorisé a été fixé à 431'256 fr., à partir du 1er décembre 1991, et le loyer de dame G. à 13'020 fr., sans les charges, dès la même date. b) Par avis de majoration de loyer du 23 mars 1994, la S.I. X. a informé dame G. que le loyer de son appartement se monterait à 16'920 fr. dès le 1er août 1994. La hausse était motivée par la sortie de l'immeuble du régime HCM (logements destinés à la classe moyenne). La locataire a contesté cette majoration et la tentative de conciliation a échoué. B.- Le 21 juillet 1994, la S.I. X. a ouvert action contre dame G. en vue de faire constater judiciairement le caractère non abusif de la majoration de loyer contestée. La défenderesse a conclu au rejet de la demande. Par jugement du 12 octobre 1995, le Tribunal des baux et loyers du canton de Genève a fixé à 16'920 fr. le loyer annuel à payer par la défenderesse. Statuant le 20 mai 1996, sur appel de la défenderesse, la Chambre d'appel en matière de baux et loyers a confirmé ce jugement. BGE 123 III 171 S. 173 C.- La défenderesse a recouru en réforme au Tribunal fédéral, en concluant à l'annulation de l'arrêt de la Chambre d'appel et au rejet intégral de la demande. Le Tribunal fédéral a admis partiellement le recours, dans la mesure où il était recevable, et réformé l'arrêt attaqué en ce sens que le loyer annuel à payer par la défenderesse dès le 1er août 1994 a été déclaré abusif en tant qu'il dépassait 16'223 fr. Pour arriver à ce montant, le Tribunal fédéral a tenu compte, d'une part, à concurrence de 364'154 fr., des charges hypothécaires calculées au taux de 5,5% sur un capital de 6'620'985 fr. résultant de l'addition des fonds propres réévalués (3'280'985 fr.) et des fonds étrangers initiaux (3'340'000 fr.) et, d'autre part, des charges d'entretien s'élevant à 173'273 fr.; d'où un état locatif annuel admissible de 537'427 fr. La différence entre ce montant et le niveau de l'état locatif au moment de la sortie de l'immeuble du contrôle étatique (431'256 fr.) rendait ainsi admissible une hausse de loyer de 24,60% et permettait à la demanderesse de réclamer à la défenderesse un loyer annuel de 16'223 fr. au maximum.
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Erwägungen Extrait des considérants: 6. a) En principe, pour majorer unilatéralement un loyer, le bailleur ne devrait invoquer que des critères relatifs, et le juge appliquer la méthode relative. Exceptionnellement, la jurisprudence admet que le bailleur se prévale directement d'un facteur absolu et que le juge applique la méthode absolue pour examiner une majoration unilatérale du loyer (LACHAT, La pratique récente en matière de loyers, in: Séminaire sur le droit du bail, Neuchâtel 1996, n. 38 à 43). La sortie d'un immeuble du contrôle cantonal des loyers constitue précisément l'une des exceptions à ce principe ( ATF 117 II 77 ), justifiée, d'une part, par le fait que les dispositions relatives à la contestation des loyers abusifs ne s'appliquent pas aux locaux d'habitation dont le loyer est soumis au contrôle d'une autorité ( art. 253b al. 3 CO ) et, d'autre part, parce que les modalités spécifiques auxquelles obéit la fixation du loyer par l'autorité administrative compétente ne sont pas de nature à éveiller chez le locataire la confiance, propre à la méthode relative, quant au caractère suffisant du dernier loyer payé par lui (arrêt non publié du 25 janvier 1994, dans la cause 4C.153/1993, consid. 2 in fine, reproduit in: mietrechtspraxis [mp] 1994, p. 93 ss, 95 in fine). La méthode absolue sert à vérifier concrètement que le loyer ne procure pas un rendement excessif au bailleur. Dans cette méthode, BGE 123 III 171 S. 174 c'est le loyer lui-même, sans égard aux stipulations contractuelles, ni à son évolution dans le temps, qui est contrôlé sur la base de la situation financière de l'immeuble à un moment donné, tandis que, dans la méthode relative, il s'agit d'examiner uniquement si une modification du loyer est compatible avec la volonté exprimée antérieurement par celui qui la réclame ( ATF 120 II 240 consid. 2 p. 242; ATF 117 II 77 consid. 2 p. 80). L' art. 269 CO implique une analyse du rendement net obtenu par le bailleur. Ce rendement résulte du rapport existant entre les fonds propres investis dans la chose remise à bail et le loyer après déduction des charges d'exploitation et des intérêts débiteurs sur les capitaux empruntés. Pour déterminer le montant des fonds propres investis, il faut partir du coût de revient effectif de l'immeuble, à moins que le prix d'achat de celui-ci ne soit manifestement exagéré, et en soustraire le montant des fonds étrangers (emprunts du propriétaire garantis ou non par hypothèque; ATF 117 II 77 consid. 3a/aa, qui traite de la disposition similaire de l' art. 14 AMSL ). Les fonds propres investis par le bailleur doivent être adaptés au renchérissement, mais leur réévaluation ne saurait dépasser le 40% du prix de revient de l'immeuble pour les motifs indiqués dans l' ATF 120 II 100 . Lorsque les loyers étaient soumis au contrôle d'une autorité étatique, cette réévaluation doit être opérée en fonction du renchérissement enregistré depuis la date d'investissement des fonds propres, et non pas depuis la date de la sortie du contrôle cantonal (ATF ATF 117 II 77 consid. 3b/aa p. 83). Au demeurant, il n'est pas possible de substituer au coût de revient partiellement réévalué d'autres valeurs, plus ou moins abstraites, telles que la valeur vénale de l'immeuble, sa valeur fiscale ou sa valeur d'assurance-incendie ( ATF 122 III 257 consid. 3b). Le montant des fonds propres peut varier avec le temps (LACHAT/MICHELI, Le nouveau droit du bail, 2e éd., p. 206, n. 5.4). Il augmente lorsque le bailleur amortit sa dette hypothécaire ou finance lui-même des travaux à plus-value ( ATF 122 III 257 consid. 3a; 117 II 77 consid. 3a/cc). Inversement, il diminue si le bailleur alourdit la charge hypothécaire de son immeuble (cf. ROHRER, Wie wird die Nettorendite im Sinne von Art. 269 OR berechnet?, in: MietRecht Aktuell [MRA] 1996, p. 43 ss, 48, traduit in: Cahiers du bail [CdB] 1996, p. 65 ss, 69; GUT, Angemessener Ertrag, in: mp 1996, p. 177 ss, 188). Lorsqu'il est nul, parce que la dette hypothécaire est égale ou supérieure au montant de l'investissement initial réévalué, le revenu locatif ne pourra plus servir qu'à couvrir les charges immobilières effectives, faute de fonds propres. ROHRER est d'avis que le BGE 123 III 171 S. 175 montant de ces charges importe peu, car la jurisprudence n'impose pas le montant jusqu'à concurrence duquel le bailleur peut hypothéquer son immeuble et ne prescrit pas davantage à quelles fins les prêts qui lui ont été consentis doivent être utilisés (ibid.). On ne saurait lui emboîter le pas. L'auteur indique lui-même les abus que pourrait générer la solution qu'il préconise et à l'appui de laquelle il ne cite d'ailleurs aucun précédent. De fait, dans l'hypothèse où la valeur vénale de l'immeuble aurait fortement augmenté depuis sa construction ou son achat, le bailleur serait en mesure d'en réaliser la plus-value aux dépens des locataires en utilisant une partie du crédit octroyé par la banque sur la base de cette valeur pour acheter un autre immeuble, tout en faisant assumer par les locataires de l'immeuble grevé le service de la dette hypothécaire (MRA, cit., p. 48; CdB, cit., p. 70 en haut; dans le même ordre d'idées, cf. l'arrêt de la Cour de cassation civile neuchâteloise du 18 janvier 1994 publié in: Recueil de jurisprudence neuchâteloise 1994, p. 55 ss, 56/57 consid. 5 et son résumé in: Droit du bail 1994, n. 13). La solution préconisée par ROHRER, si elle était adoptée, reviendrait du reste à entériner, par un chemin détourné, celle qui consiste à calculer le rendement en fonction de la valeur actuelle effective de l'immeuble du bailleur et qui a été expressément rejetée dans l' ATF 122 III 257 , précité. En réalité, pour rester dans le droit fil de la jurisprudence, il convient de limiter les emprunts à prendre en considération pour le calcul des charges financières au prix de revient de l'immeuble calculé selon la méthode usuelle, c'est-à-dire à la valeur réactualisée des fonds propres investis par le bailleur, augmentée des fonds étrangers initiaux. Demeure réservée l'hypothèse où les emprunts excédant ce plafond ont servi à financer des prestations supplémentaires du bailleur, au sens des art. 269a let. b CO et 14 OBLF (RS 221.213.11). Si l'on s'en tient à la limite ainsi fixée, l'affectation des fonds empruntés importe peu. En effet, du moment que, selon la jurisprudence, le rendement admissible de l'entier des fonds propres réactualisés doit être fixé en fonction d'un taux supérieur d'un demi pour cent au taux déterminant pour les prêts hypothécaires en premier rang ( ATF 122 III 257 consid. 3a; ATF 120 II 100 consid. 6b), le bailleur n'a aucun intérêt à réduire la part de son investissement personnel initial en augmentant sa dette hypothécaire.
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Sachverhalt ab Seite 122 BGE 139 IV 121 S. 122 A. Die Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland beschuldigt E., am 26. Dezember 2011 vorsätzlich G. getötet zu haben. E. wurde in Untersuchungshaft versetzt, jedoch mit Entscheid vom 13. November 2012 des Zwangsmassnahmengerichts des Kantons Bern unter Anordnung von Ersatzmassnahmen wieder in Freiheit entlassen. Der Entscheid wurde zunächst nur dem Beschuldigten, dessen Verteidiger und der Staatsanwaltschaft zugestellt, nicht aber A., B., C. und D., die im Strafverfahren als Straf- und Zivilkläger auftreten. Bei A. handelt es sich um den Bruder des Getöteten, bei B., C. und D. um die Kinder. Nachdem die vier auf Nachfrage hin doch noch von der Haftentlassung erfahren hatten, reichten sie am 30. November 2012 bei der Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts des Kantons Bern Beschwerde ein. Sie beantragten in erster Linie, der Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts sei aufzuheben und E. sei wieder in Untersuchungshaft zu setzen. Zudem verlangten sie, es sei festzustellen, dass ihnen das Haftentlassungsgesuch und der Haftentlassungsentscheid zu Unrecht nicht mitgeteilt wurden. Das Obergericht des Kantons Bern trat mit Beschluss vom 5. Dezember 2012 auf die Beschwerde nicht ein. Zur Begründung führte es aus, nur die verhaftete Person sowie die Staatsanwaltschaft seien zur Beschwerde gegen Entscheide über die Anordnung, Verlängerung und Aufhebung der Untersuchungshaft legitimiert. Hinsichtlich der beantragten Feststellung fehle es an einem aktuellen Rechtsschutzinteresse. Zudem stehe das Orientierungsrecht gemäss Art. 214 Abs. 4 StPO Angehörigen von Opfern ohnehin nicht zu, denn dieses diene nicht der Durchsetzung der Zivilansprüche, wie von Art. 117 Abs. 3 StPO vorausgesetzt. B. Mit Beschwerde in Strafsachen vom 7. Januar 2013 beantragen A., B., C. und D., es sei festzustellen, dass ihnen das Haftentlassungsgesuch und der Haftentlassungsentscheid des BGE 139 IV 121 S. 123 Zwangsmassnahmengerichts zu Unrecht nicht mitgeteilt worden sind. Der Beschuldigte sei zudem umgehend wieder in Untersuchungshaft zu versetzen. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese auf die Beschwerde vom 30. November 2012 eintrete und darüber materiell entscheide. (...) Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. (Auszug)
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. 4.1 Weiter ist zu prüfen, ob Art. 382 StPO sowie Art. 81 i.V.m. Art. 111 BGG geboten hätten, dass das Obergericht auf die Beschwerde eintritt. Vorauszuschicken ist, dass es sich sowohl bei der Schweizerischen Strafprozessordnung wie auch beim Bundesgerichtsgesetz um Bundesgesetze handelt. Im Gegensatz zur Situation vor Inkrafttreten der Schweizerischen Strafprozessordnung, als Art. 111 Abs. 1 BGG entgegenstehende Bestimmungen kantonaler Strafprozessordnungen ohne Weiteres hinter jene des Bundesgerichtsgesetzes zurückzutreten hatten ( Art. 49 Abs. 1 BV ), bestehen somit seither zwei einander gleichgeordnete Erlasse. Nach wie vor bezweckt indessen Art. 111 Abs. 1 BGG , Kohärenz im Instanzenzug herzustellen. 4.2 Nach Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG bedarf die Legitimation zur Beschwerde in Strafsachen eines rechtlich geschützten Interesses an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids. In einer nicht abschliessenden Aufzählung ("insbesondere") sind unter anderem die beschuldigte Person (Ziff. 1), die Staatsanwaltschaft (Ziff. 3) und die Privatklägerschaft (Ziff. 5) genannt, wobei für Letztere zusätzlich vorausgesetzt ist, dass sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung der Zivilansprüche auswirken kann. In der Literatur wurde Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG als "Generalklausel mit Regelbeispielen" bezeichnet (NIKLAUS SCHMID, Die Strafrechtsbeschwerde nach dem Bundesgesetz über das Bundesgericht - eine erste Auslegeordnung, ZStR 124/2006 S. 179). Dies bedeutet zum einen, dass die Aufzählung, wie bereits erwähnt, nicht abschliessend ist. Zum andern hat aber auch nicht in jedem Fall ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung eines Entscheids in einer Strafsache, wer in der Aufzählung ausdrücklich genannt ist. Mit anderen Worten verleiht die Bestimmung von Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG nicht selbst das rechtlich geschützte Interesse, welches sie voraussetzt. Das Bundesgericht legte beispielsweise dar, dass die BGE 139 IV 121 S. 124 beschuldigte Person über kein rechtlich geschütztes Interesse verfügt, wenn eine Verurteilung infolge Verjährung nicht mehr möglich ist (Urteil 6B_301/2009 vom 17. Juli 2009 E. 1.4 mit Hinweis; vgl. auch BGE 131 IV 191 E. 1.2 S. 193 f. mit Hinweisen). Umgekehrt bejahte es gestützt auf Art. 3 EMRK die Legitimation eines Beschwerdeführers, obwohl dieser gegen die von ihm angezeigten Polizeibeamten keine Zivilansprüche gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG geltend machen konnte (Urteil 1B_355/2012 vom 12. Oktober 2012 E. 1.2 mit Hinweisen). 4.3 Hinsichtlich der Staatsanwaltschaft urteilte das Bundesgericht in BGE 137 IV 22 , diese könne einen Haftentlassungsentscheid des Zwangsmassnahmengerichts bei der Beschwerdeinstanz anfechten. Zur Begründung führte es aus, nach Art. 81 Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 3 BGG sei die Staatsanwaltschaft grundsätzlich zur Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht legitimiert. Der Grundsatz der Einheit des Verfahrens verlange deshalb, dass ihr auch auf kantonaler Ebene die Legitimation zur Beschwerde gegen Haftentscheide zuerkannt werde. Zudem verlange das öffentliche Interesse an einer funktionierenden Strafjustiz, dass die Staatsanwaltschaft ein Beschwerderecht gegen einen die Haft aufhebenden Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts besitze. Das Bundesgericht wies weiter darauf hin, aus der Entstehungsgeschichte von Art. 222 StPO gehe nicht hervor, dass es die Absicht des Gesetzgebers war, die Staatsanwaltschaft vom Beschwerderecht auszuschliessen (zum Ganzen: a.a.O., E. 1 S. 23 ff. mit Hinweisen). Diese Rechtsprechung wurde seither mehrfach bestätigt ( BGE 137 IV 87 E. 3 S. 89 ff., BGE 137 IV 230 E. 1 S. 232, 237 E. 1.2 S. 240; BGE 138 IV 148 E. 3.1 S. 150; je mit Hinweisen). In BGE 137 IV 230 wird weiter ausgeführt, dass es die Fortführung des Strafverfahrens erschweren oder gar vereiteln kann, wenn ein Untersuchungsgefangener aus der Haft entlassen wird, obwohl ein Haftgrund besteht. Die Staatsanwaltschaft ist indessen verpflichtet, ein Verfahren einzuleiten und durchzuführen, wenn ihr Straftaten oder auf Straftaten hinweisende Verdachtsgründe bekannt werden (Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Art. 300 und 308 ff. StPO ). Zudem obliegt ihr im Grundsatz die Verfahrensleitung bis zur Einstellung oder Anklageerhebung ( Art. 61 lit. a StPO ). Sie hat somit grundsätzlich ein Rechtsschutzinteresse, sich gegen die aus ihrer Sicht ungerechtfertigte Entlassung eines Angeschuldigten aus der Untersuchungshaft zur Wehr zu setzen (a.a.O., E. 1 S. 232 mit Hinweis). BGE 139 IV 121 S. 125 4.4 Art. 222 StPO ist somit bezüglich des Beschwerderechts nicht im Sinne eines qualifizierten Schweigens zu verstehen. Das muss allgemein gelten, neben der Staatsanwaltschaft also auch für die Privatklägerschaft. Insofern trifft das Argument der Beschwerdeführer, Art. 222 StPO betreffe nicht das Beschwerderecht, zu. Die Bestimmung regelt aber immerhin insoweit das Beschwerderecht, als sie dieses für die verhaftete Person nun positiv und in allgemeiner Weise vorsieht, nachdem es in der ursprünglichen Fassung noch beschränkt war (vgl. dazu im Einzelnen BGE 137 IV 22 E. 1.3 S. 24 mit Hinweisen). 4.5 Das rechtlich geschützte Interesse, wie es Art. 382 Abs. 1 StPO für die in der StPO vorgesehenen Rechtsmittel und Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG für die Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht voraussetzt, kann sich entweder aus dem kantonalen oder eidgenössischen Gesetzesrecht oder aber unmittelbar aus einem angerufenen speziellen Grundrecht ergeben ( BGE 136 I 229 E. 3.2 S. 235 mit Hinweis). Die Beschwerdeführer machen zum einen geltend, dass bei Flucht oder Kollusion ihre Zivilansprüche vereitelt werden könnten. Damit berufen sie sich indessen lediglich auf das Erhältlichmachen der von ihnen geltend gemachten Forderungen, denn auf deren Beurteilung hat der Haftentlassungsentscheid keine direkte Auswirkung. Ein rechtlich geschütztes Interesse besteht in dieser Hinsicht nicht (Urteil 1B_681/2011 vom 8. März 2012 E. 2.3.3). Zum anderen wird in der Beschwerdeschrift indessen auch vorgebracht, dass der Beschuldigte den Beschwerdeführer 1 mit dem Tod bedroht habe. Wie es sich in dieser Hinsicht mit dem rechtlich geschützten Interesse verhält, ist genauer zu untersuchen. 4.6 Das Recht auf Leben findet verfassungs- und völkerrechtlich in Art. 10 Abs. 1 BV , Art. 2 EMRK und Art. 6 UNO-Pakt II (SR 0.103.2) seine Verankerung. Es schützt das Individuum vor Eingriffen des Staats, enthält jedoch darüber hinaus auch positive Schutzpflichten. Dazu gehört nach konstanter Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die Pflicht des Staats, präventiv Schutzmassnahmen zu ergreifen, wenn das Leben einer Person durch Dritte bedroht wird. Wenn die Behörden wissen oder wissen müssten, dass von kriminellen Handlungen eines Dritten reell und unmittelbar eine derartige Gefahr ausgeht, sind sie verpflichtet, die in ihrer Macht stehenden geeigneten Massnahmen zu ergreifen (Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte BGE 139 IV 121 S. 126 Choreftakis und Choreftaki gegen Griechenland vom 17. Januar 2012, Nr. 46846/08, §§ 44-47; Dink gegen Türkei vom 14. September 2010, Nr. 2668/07 etc., §§ 64-75; je mit Hinweisen). Die genannten verfassungs- und völkerrechtlichen Garantien schreiben nicht vor, welche konkreten Massnahmen zum Schutz des Lebens zu ergreifen sind. Dem Staat kommt bei deren Auswahl ein Ermessen zu, dessen Umfang durch das Gebot der Effektivität und den Grundsatz der Verhältnismässigkeit bestimmt ist (GRABENWARTER/PABEL, Europäische Menschenrechtskonvention, 5. Aufl. 2012, S. 154). Welche Massnahmen als geeignet anzusehen sind, bestimmt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. 4.7 Geht von einem Inhaftierten eine konkrete und unmittelbare Gefahr für das Leben anderer Personen aus, so haben diese ein Interesse daran, dass ein allfälliges Haftentlassungsgesuch abgewiesen wird. Das Bestehen eines derartigen Interesses bedeutet jedoch auch vor dem Hintergrund der positiven Schutzpflichten des Staats nicht zwangsläufig, dass diesen Personen ein Beschwerderecht gegen den Haftentlassungsentscheid zukommt. Das hat auch praktische Gründe. So könnte sich im Fall der Haftentlassung einer angeblich gemeingefährlichen Person eine sehr grosse Zahl von Personen in einem ersten Schritt an die Beschwerdeinstanz und in einem zweiten ans Bundesgericht wenden. Eine derartige Ausweitung der Beschwerdelegitimation gebieten die positiven Schutzpflichten, welche die konkreten, vom Staat zu ergreifenden Massnahmen nicht vorbestimmen, nicht. Sie würde auch Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG entgegenlaufen. Denn obgleich nach den obigen Ausführungen (E. 4.2) der Aufzählung in dieser Bestimmung beispielhafter Charakter zukommt, so bezweckte doch der Gesetzgeber mit dem auf die Privatklägerschaft bezogenen Zusatz "wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann" zweifelsohne eine Einschränkung von deren Beschwerderecht. 4.8 Aus den genannten Gründen sind die Beschwerdeführer weder nach der Strafprozessordnung noch nach dem Bundesgerichtsgesetz zur Beschwerde gegen die vom Zwangsmassnahmengericht angeordnete Haftentlassung berechtigt. Sind sie oder andere Personen der Auffassung, mit den angeordneten Ersatzmassnahmen (Kontaktsperre gegenüber 30 Personen, Sicherheitsleistung im Umfang von Fr. 100'000.-, tägliche Meldepflicht, Eingrenzung auf das Gebiet der Schweiz, Pass- und Schriftensperre) könne der BGE 139 IV 121 S. 127 Wiederholungsgefahr nicht hinreichend begegnet werden, haben sie sich an die Staatsanwaltschaft zu wenden. Dieser kommt eine grosse Verantwortung zu, hat sie doch aufgrund ihrer Funktion einen wesentlichen Einfluss darauf, dass der Staat seinen positiven Schutzpflichten nachkommt. 4.9 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Beschwerde in diesem Punkt abzuweisen ist. 5. 5.1 Auf die Rüge der Beschwerdeführer, sie seien in Verletzung von Art. 117 Abs. 3 i.V.m. Art. 214 Abs. 4 StPO von der Haftentlassung nicht unterrichtet worden, ist das Obergericht ebenfalls nicht eingetreten. Zudem hat es festgehalten, die Rüge sei ohnehin unbegründet. 5.2 Nach Art. 117 Abs. 3 StPO stehen den Angehörigen die gleichen Rechte zu wie dem Opfer, wenn sie Zivilansprüche geltend machen. Das Opfer hat unter anderem das Recht, über die Aufhebung der Untersuchungshaft oder die Flucht der beschuldigten Person orientiert zu werden, wobei die Orientierung über die Aufhebung der Haft unterbleiben kann, wenn die beschuldigte Person dadurch einer ernsthaften Gefahr ausgesetzt würde ( Art. 214 Abs. 4 StPO ). Die Literatur ist hinsichtlich der Frage, in welchem Umfang Art. 117 Abs. 3 StPO den Angehörigen die gleichen Rechte wie dem Opfer gewährt, gespalten. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, eine generelle Gleichstellung der Angehörigen auch in Bezug auf die dem Opfer gewährten besonderen Schutzrechte, die nicht funktional zur Geltendmachung der eigenen privatrechtlichen Ansprüche sind, erscheine wenig sinnvoll (MAZZUCCHELLI/POSTIZZI, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 7 zu Art. 117 StPO ). Teilweise wird auf den (Schutz-)Zweck des betreffenden Rechts abgestellt. So schreibt SCHMID, die Angehörigen könnten sich auf die besonderen Rechte des Opfers berufen, "soweit sich diese Schutzrechte nach ihrer Ausrichtung auch auf sie als Angehörige beziehen (z.B. Ausschluss der Öffentlichkeit, Vermeidung der Begegnung u.ä.) bzw. die Ausübung der Schutzrechte nicht zu widersinnigen Ergebnissen führen könnte" (NIKLAUS SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 2009, N. 5 zu Art. 117 StPO ). Ein weiterer Teil der Literatur will den Angehörigen pauschal die gleichen Rechte wie dem Opfer zubilligen (VIKTOR LIEBER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], 2010, N. 6 f. zu Art. 117 StPO ; HANSPETER KIENER, in: Kommentierte Textausgabe zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], 2008, S. 96). BGE 139 IV 121 S. 128 Dem Wortlaut von Art. 117 Abs. 3 StPO lässt sich keine Einschränkung in dem Sinne entnehmen, dass den Angehörigen, die Zivilansprüche geltend machen, nur insoweit die gleichen Rechte wie dem Opfer zukommen, als dies die Durchsetzung der Zivilansprüche erleichtert. Auch in der Botschaft des Bundesrats finden sich keine Anhaltspunkte für diese Auffassung. Mit Blick auf die vorliegend umstrittene Frage gibt es keinen Anlass daran zu zweifeln, dass der klare Wortlaut von Art. 117 Abs. 3 StPO den tatsächlichen Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck bringt. Angehörige des Opfers, die nach Art. 118 f. StPO erklärt haben, Zivilansprüche geltend zu machen, sind deshalb nach Art. 214 Abs. 4 StPO von einer erfolgten Aufhebung der Untersuchungshaft zu informieren. 5.3 Gemäss dem angefochtenen Entscheid handelt es sich bei den Beschwerdeführern um Straf- und Zivilkläger. Diese haben somit die erforderliche Erklärung nach Art. 118 f. StPO abgegeben. Dass der Beschuldigte durch die Orientierung über die Aufhebung der Haft einer ernsthaften Gefahr ausgesetzt würde, wird von keiner Seite - auch nicht vom Beschuldigten selbst - geltend gemacht. Unter diesen Voraussetzungen hätten die Beschwerdeführer benachrichtigt werden müssen. Die Rüge der Verletzung von Art. 117 Abs. 3 i.V.m. Art. 214 Abs. 4 StPO ist begründet.
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Sachverhalt ab Seite 106 BGE 130 I 106 S. 106 Le 14 novembre 2002, le Grand Conseil genevois a modifié la loi d'organisation judiciaire (OJ/GE) en lui ajoutant un titre XIV consacré au Tribunal cantonal des assurances sociales (ci-après: TCAS), juridiction destinée à reprendre les compétences exercées jusque-là BGE 130 I 106 S. 107 par le Tribunal administratif et différentes commissions de recours. Le nouvel art. 56T OJ /GE définit la composition de cette juridiction dans les termes suivants: Le Tribunal cantonal des assurances sociales se compose de: a) 5 juges, dont un président et un vice-président; b) 5 suppléants; c) 16 juges assesseurs désignés par le Grand Conseil à raison de 8 sur proposition des associations représentatives des employeurs et de 8 sur proposition des associations représentatives des salariés. Ceux-ci doivent bénéficier d'une formation spécifique sur les questions juridiques et d'assurances sociales dont les modalités sont fixées par le règlement. En l'absence de référendum, cette loi a été promulguée le 8 janvier 2003, et sa date d'entrée en vigueur a été fixée au 1 er août 2003. L'élection populaire des cinq juges et cinq suppléants au TCAS a été fixée au 15 juin 2003. Toutefois, constatant que le nombre de candidats valablement présentés ne dépassait pas celui des postes à pourvoir, les candidats ont été déclarés élus sans scrutin par arrêté du Conseil d'Etat du 30 avril 2003. Par publication des 4, 11 et 18 juin 2003, l'élection par le Grand Conseil des seize juges assesseurs au TCAS a été fixée aux 26 et 27 juin suivants. Le résultat de l'élection a été publié le 4 juillet 2003. Le TCAS est entré en fonction le 1 er août 2003. Olivier Dobler a formé un recours de droit public contre l'élection des juges assesseurs. Il se plaint d'une violation des droits politiques en relevant que, selon l'art. 132 al. 1 de la constitution genevoise (Cst./GE), les magistrats de l'ordre judiciaire sont élus par le Conseil général, soit le peuple. Le Grand Conseil conclut à l'irrecevabilité, subsidiairement au rejet du recours. En cas d'admission des griefs soulevés, le Grand Conseil demande au Tribunal fédéral de prendre une décision incitative, sans annuler l'élection, afin d'éviter que l'ensemble des jugements rendus par le TCAS depuis le 1 er août 2003 ne soient soumis à révision. Le recourant a répliqué, en relevant qu'un projet de loi a été déposé le 8 septembre 2003, modifiant l' art. 56T OJ /GE - suppression de l'élection des assesseurs par le Grand Conseil -, prévoyant à titre transitoire que le TCAS fonctionne avec trois juges, sans assesseurs, jusqu'à entrée en fonction de ces derniers, et BGE 130 I 106 S. 108 comportant une clause d'urgence. La disposition transitoire et la clause d'urgence ont été supprimées, et la modification de l'art. 56T, adoptée le 14 novembre 2003, a été publiée le 21 novembre suivant. Le Tribunal fédéral a admis le recours et annulé l'élection.
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. Le recourant se plaint d'une violation de l' art. 132 Cst./GE , dont la teneur est la suivante: Art. 132 Pouvoir judiciaire 1 Les magistrats du pouvoir judiciaire, à l'exception des juges prud'hommes, sont élus par le Conseil général, en un seul collège, selon le système majoritaire. 2 L'élection a lieu tous les six ans. 3 Les magistrats sortant de charge sont immédiatement rééligibles. 4 La loi règle tout ce qui concerne l'exécution du présent article, ainsi que, même en dérogation au principe constitutionnel, le mode de pourvoir aux fonctions qui deviennent vacantes dans l'intervalle des élections générales. Le recourant soutient que les seize postes d'assesseurs nouvellement créés ne seraient pas devenus vacants dans l'intervalle, puisque le TCAS serait un nouveau tribunal. L' art. 56T OJ /GE violerait ainsi la constitution cantonale, ce que le Grand Conseil aurait dû constater d'office. 2.1 Pour le Grand Conseil, les juges assesseurs au TCAS ne seraient pas des "magistrats de l'ordre judiciaire" au sens de l' art. 132 al. 1 Cst./GE . Dans la constitution cantonale de 1847, les élections judiciaires se faisaient par le Grand Conseil. L'élection directe par le peuple avait été introduite en 1904, avec une exception pour le Tribunal des prud'hommes. Cette exception était justifiée par le fait que la juridiction des prud'hommes était une institution sui generis, dont les juges étaient choisis dans des catégories professionnelles. Pour le Grand Conseil, le TCAS serait lui aussi une institution sui generis: il s'agirait d'une juridiction spécialisée; les assesseurs, qui ne sont pas des juges de carrière, représenteraient les partenaires sociaux, sur proposition des associations d'employeurs et de salariés, avec une activité lucrative annexe. Le Grand Conseil relève que les membres des commissions que le TCAS est appelé à remplacer, n'étaient jamais élus par le peuple. Le Grand Conseil insiste BGE 130 I 106 S. 109 enfin sur les spécificités de la fonction d'assesseurs: ceux-ci siègent aux côtés d'un juge professionnel disposant d'une voix prépondérante; ils ne peuvent concilier; les conditions d'éligibilité, d'incompatibilités, de taux d'occupation et de rémunération sont différentes; un assesseur ne peut pas remplacer un juge professionnel. Le Grand Conseil en conclut que l'exception applicable aux prud'hommes devrait s'étendre par analogie aux suppléants du TCAS. 2.2 L'argumentation du Grand Conseil se heurte toutefois à un élément essentiel, soit le texte constitutionnel lui-même. L'exception réservée à l' art. 132 al. 1 Cst./GE est expressément limitée à la seule juridiction prud'homale, et le parallèle avec cette dernière tombe à faux: le constituant genevois a cru nécessaire de préciser, tant à l'art. 132 qu'à l' art. 140 al. 2 Cst./GE , que les juges prud'hommes n'étaient pas soumis à l'élection populaire, partant manifestement du point de vue qu'il s'agissait de magistrats. Dans son arrêt du 17 février 1971 dans la cause Dumartheray (publié in SJ 1971 p. 572), le Tribunal fédéral a considéré comme évident que les seize assesseurs des Chambres des baux au Tribunal de première instance genevois, représentants des milieux immobiliers et des locataires appelés à statuer aux côtés d'un juge professionnel, devaient être considérés comme des magistrats de l'ordre judiciaire. Il n'est d'ailleurs pas contesté que les assesseurs fonctionnant dans les autres juridictions, soit en particulier le Tribunal de police ( art. 27A OJ /GE), le Tribunal de la jeunesse ( art. 12 OJ /GE), la Chambre d'accusation ( art. 50 OJ /GE) et le Tribunal des baux et loyers ( art. 56M OJ /GE) sont considérés comme des magistrats et sont, à ce titre, élus par le peuple. L'exemple du Tribunal des baux et loyers est d'ailleurs significatif puisqu'il s'agit également d'une juridiction dont les chambres sont présidées par un juge au Tribunal de première instance, assisté d'un assesseur représentant les milieux immobiliers, et d'un assesseur représentant les locataires ( art. 56N OJ /GE). La fonction représentative des assesseurs n'est donc pas un obstacle à leur qualité de magistrat. Les autres règles concernant les autorités judiciaires assimilent généralement les assesseurs aux juges professionnels, sous réserve de prescriptions particulières concernant notamment l'éligibilité; ainsi, l' art. 60F OJ /GE fixe les conditions d'âge des "magistrats du pouvoir judiciaire" et mentionne, dans les cas particuliers, les juges assesseurs à côté BGE 130 I 106 S. 110 notamment des juges de la Cour de cassation; l'interdiction d'exercer une activité professionnelle souffre également d'une exception en faveur des assesseurs et des juges à la Cour de cassation notamment. 2.3 Il découle de ce qui précède que, dans la conception prévalant en droit constitutionnel genevois, la notion de magistrat de l'ordre judiciaire doit s'entendre de manière très large, comprenant tous les membres des juridictions. Tel est d'ailleurs l'avis de la commission législative dans son rapport à l'appui du projet de loi modifiant l' art. 56T OJ /GE: il n'existe pas fondamentalement de différence de statut entre les juges professionnels et les assesseurs, l'ensemble des juges, quelle que soit leur fonction, ayant toujours été élus par le peuple. 3. Le Grand Conseil invoque l'exception de l' art. 132 al. 4 Cst./GE , applicable selon lui par analogie. Il se réfère aux deux arrêts rendus en 1971 par le Tribunal fédéral à propos des assesseurs aux Chambres des baux du Tribunal de première instance d'une part (arrêt du 17 février 1971 dans la cause Dumartheray, publié in SJ 1971 p. 572), et de l'élection des juges du Tribunal administratif genevois d'autre part ( ATF 97 I 24 ). 3.1 Dans le premier arrêt, le Tribunal fédéral a considéré qu'il existait une analogie suffisante avec le cas visé à l' art. 132 al. 4 Cst./GE : les juges du Tribunal de première instance avaient été élus par le peuple; les assesseurs siégeaient à côté d'un juge professionnel dont le rôle était, en pratique, décisif, de sorte que les citoyens avaient en définitive la garantie d'être jugés par un magistrat élu par le peuple. Il s'agissait de juridictions de première instance dont les jugements étaient susceptibles d'appel devant des magistrats élus par le peuple. La restriction au droit des citoyens était moins grave. L'urgence pouvait aussi être invoquée, compte tenu du délai très bref pour mettre en place la nouvelle juridiction exigée par la législation fédérale. Les difficultés pratiques d'une élection par le peuple de juges représentatifs de divers milieux ont également été retenues. En revanche, dans le second arrêt, le Tribunal fédéral a annulé l'élection des juges du Tribunal administratif. L' art. 132 al. 4 Cst./GE avait été adopté dans le seul but d'éviter de convoquer le corps électoral tout entier pour chaque vacance qui viendrait à se produire entre deux élections générales. La possibilité de déroger à l'élection populaire était ainsi limitée à la repourvue de postes déjà BGE 130 I 106 S. 111 existants ( ATF 97 I 24 consid. 4c p. 33-34). Toute interprétation extensive et par analogie n'était pas absolument exclue, mais il fallait que l'analogie existe réellement et que la dérogation ne heurte pas trop fortement le principe, ni ne lèse trop gravement les droits qui en découlent pour le citoyen (consid. 4d p. 34). L'élection complète d'un nouveau tribunal n'avait rien de comparable avec un cas de vacance, et devait être soumise au peuple. 3.2 En l'occurrence, le TCAS constitue une juridiction entièrement nouvelle. Les juges professionnels ont certes été élus avant les assesseurs, mais en vue d'une entrée en fonction simultanée. Il est évident que l'exception visée à l' art. 132 al. 4 Cst./GE ne s'applique pas directement: il n'y a pas de poste "devenu vacant", même si le TCAS est appelé à succéder aux autorités de recours dont il reprend les compétences. Le cas précité des Chambres des baux était différent, car des assesseurs venaient s'adjoindre à une juridiction déjà existante. Par ailleurs, même si le magistrat de métier peut exercer une certaine influence, les cours du TCAS sont composées d'un juge et de deux assesseurs disposant d'une même voix délibérative, de sorte que pour toute décision (sous réserve des questions de principe ou des changements de jurisprudence, art. 56U al. 2 OJ /GE), la voix d'un assesseur est nécessaire. En outre, selon la loi elle-même, les assesseurs ne sont pas de simples laïcs, mais doivent bénéficier d'une formation spécifique sur les questions juridiques et d'assurances sociales ( art. 56T let . c OJ). L'argument relatif à la possibilité d'un recours devant des magistrats élus par le peuple ne peut pas non plus être retenu, le TCAS statuant en instance unique ( art. 56V OJ /GE). Les arguments invoqués par le Grand Conseil, déjà considérés comme discutables dans l'arrêt du Tribunal fédéral relatif au Tribunal des baux, ne sauraient ainsi valoir dans la même mesure en l'espèce. En outre, l'argument de l'urgence n'est pas non plus déterminant: on ne voit pas ce qui empêchait de procéder à l'élection des assesseurs en même temps que des juges. Selon la loi fédérale du 6 octobre 2000 sur la partie générale du droit des assurances sociales (LPGA; RS 830.1), les cantons sont certes tenus d'instituer un tribunal des assurances sociales ( art. 57 LPGA ), mais disposent pour ce faire d'un délai de cinq ans dès le 1 er janvier 2003 ( art. 82 al. 2 LPGA ). Quant aux difficultés liées au facteur représentatif, elles ne paraissent pas insurmontables, puisqu'il suffit de proposer à l'élection deux listes distinctes de candidats. BGE 130 I 106 S. 112 . 3.3 Il n'existe dès lors manifestement pas d'analogie suffisante entre l'élection des assesseurs au TCAS et le remplacement de postes vacants au sens de l' art. 132 al. 4 Cst./GE permettant de renoncer - même provisoirement dès lors qu'une élection populaire devra en tout cas avoir lieu lors des prochaines élections générales - au vote du peuple. Le recours doit par conséquent être admis (...).
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Erwägungen ab Seite 518 BGE 103 Ia 517 S. 518 Considérant en droit: 1. a) La recourante, en sa qualité d'institutrice de l'enseignement primaire, soutient essentiellement que l'arrêté du Conseil d'Etat du canton de Neuchâtel du 12 mars 1976, en tant qu'il la colloque dans les classes 15a-14a-13a de l'échelle des fonctions du personnel enseignant, alors que les instituteurs du même degré bénéficient d'une classe supérieure, viole le principe constitutionnel de l'égalité juridique tel qu'il résulte de l' art. 4 Cst. En attaquant cet arrêté, la recourante critique préjudiciellement le règlement d'application du 21 décembre 1971 de la loi du 19 octobre 1971, sur la base duquel dit arrêté a été pris. Le moyen tiré de la prétendue inconstitutionnalité de ce règlement aurait pu être porté devant le Tribunal fédéral dans le délai de trente jours dès sa promulgation. Toutefois, bien que ce délai de recours soit depuis longtemps échu, un tel grief peut encore être soulevé dans le cadre d'un recours contre une décision d'application du règlement. Le Tribunal fédéral ne peut alors qu'annuler la décision d'application concrète et non plus la norme de base entachée de vice. En l'espèce, la recourante est légitimée pour agir, dès lors que la décision d'application concrète la concerne personnellement ( ATF 101 Ia 194 /195). b) Il importe en l'espèce d'examiner dans quelle mesure la recourante peut se prévaloir de l' art. 4 Cst. pour exiger l'observation du principe de l'égalité des rémunérations entre institutrices et instituteurs de l'enseignement primaire. Cette question est d'ailleurs liée au problème plus général de la discrimination entre hommes et femmes, notamment en raison du sexe comme critère de rémunération. Le principe de l'égalité juridique est inscrit dans la Constitution fédérale à son art. 4 qui dispose que tous les Suisses sont égaux devant la loi et qu'il n'y a en Suisse ni sujets, ni privilèges de lieu, de naissance, de personnes ou de familles. Si la deuxième phrase de cet article a permis au XIXe siècle l'abolition des privilèges sous toutes les formes, de ce fait la liquidation de l'Ancien Régime et l'instauration de la démocratie, elle n'a plus aujourd'hui qu'un intérêt historique (FLEINER/GIACOMETTI, Bundesstaatsrecht, p. 410; FAVRE, Le droit constitutionnel suisse, 2e éd., p. 259; AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, No 1778, p. 642). En revanche, sa première phrase a pris, au cours de plus de 125 ans d'application et sous l'effet de BGE 103 Ia 517 S. 519 l'évolution des idées notamment par rapport au principe d'égalité, une extension et une importance imprévisibles. La jurisprudence du Tribunal fédéral a constamment admis que le principe général de l'égalité de traitement, proclamé par l' art. 4 Cst. , ne permet pas de faire, entre divers cas, des distinctions juridiques qu'aucun fait important ne justifie ou de soumettre à un régime identique des situations de fait qui présentent entre elles des différences importantes et de nature à rendre nécessaire un traitement diffèrent. Autrement dit, il y a lieu d'appliquer un traitement juridique semblable à des situations de fait semblables et un traitement juridique diffèrent à des situations de fait différentes ( ATF 101 Ia 515 /516; 100 Ia 328 consid. 4b; 94 I 654 ; 91 I 84 ; 90 I 162 ; 88 I 159 ; 87 I 358 ; 86 I 279 ). La jurisprudence a également précisé qu'étant donné l'extrême diversité des situations existantes, on ne saurait considérer qu'il y a inégalité de traitement, au sens de l' art. 4 Cst. , que si la différence porte sur des circonstances de fait essentielles. 2. Il est généralement admis que la teneur de l' art. 4 Cst. , prescrivant que "tous les Suisses" sont égaux devant la loi, a une portée trop restrictive. La garantie de cette égalité concerne également les étrangers ( ATF 93 I 3 consid. 1a et jurisprudence citée); elle vaut donc aussi non seulement pour les Suissesses, mais pour les femmes en général. Tout être humain est en droit de se prévaloir de l'égalité devant la loi. Si donc ce principe de l'égalité des hommes et des femmes devant la loi est clairement reconnu, se pose en revanche la question déterminante ici de savoir dans quelle mesure le sexe féminin d'une personne est un de ces éléments pouvant justifier un traitement juridique diffèrent. Il est à cet égard évident que le droit peut tenir compte de différences physiques. Ainsi, par exemple, on ne considère généralement pas comme constituant une inégalité juridique le fait que les femmes, contrairement aux hommes, ne soient pas tenues d'accomplir leur service militaire, parce qu'il existe entre les deux sexes, par rapport à cette obligation, une différence essentielle qui paraît justifier l'application d'un traitement juridique diffèrent. La question de savoir s'il existe une différence essentielle, de nature à fonder objectivement un traitement juridique diffèrent, a été résolue dans une large mesure dans la jurisprudence compte tenu des conceptions juridiques dominantes à BGE 103 Ia 517 S. 520 l'époque où la décision a été prise ( ATF 100 Ia 328 , consid. 4b; FAVRE, Droit constitutionnel suisse, 2e éd., p. 48 et 260; GRISEL, Droit administratif suisse, p. 55/56; AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, No 310, p. 124; KÄGI, Le droit de la femme suisse à l'égalité politique, Genève 1956, p. 20 ss). Quelques exemples tirés de la jurisprudence sont caractéristiques à cet égard. Dans un arrêt Kempin du 29 janvier 1887, le Tribunal fédéral a en effet jugé admissible une prescription cantonale zurichoise interdisant à une femme de pratiquer le barreau. "D'après les conceptions juridiques actuellement dominantes", relevait-il,"le traitement juridique diffèrent des sexes en matière de droit public, notamment en ce qui concerne leur droit de participation à la vie publique, n'apparaît nullement dénué de fondement intrinsèque. Dès lors, une norme cantonale qui refuse aux femmes le droit de représenter les parties devant les tribunaux, ne saurait être considérée comme inconstitutionnelle au regard de l' art. 4 Cst. " (ATF 13, p. 5). Cependant, dans un arrêt Roeder du 24 février 1923, le Tribunal fédéral se distançait résolument de cette jurisprudence et faisait valoir l'opinion contraire, en déclarant inconstitutionnelle une loi cantonale fribourgeoise excluant les femmes de l'accès à la profession d'avocat. Il considérait que l'arrêt de 1887 n'était plus en harmonie avec les conditions du moment. Il constatait à cet égard que, par suite de transformations d'ordre économique et social qui s'étaient produites lors des dernières décennies, les femmes avaient été obligées d'étendre leur activité à des domaines qui autrefois paraissaient réservés aux hommes. Elles s'y étaient mieux que par le passé préparées par leur éducation et leur instruction qui tendaient à se rapprocher de celles que recevaient les hommes. Si les droits politiques continuaient en Suisse à être refusés aux femmes, en revanche, dans la vie économique, les moeurs et les lois qui en étaient le reflet avaient consacré l'égalité des sexes, la différence de sexe n'étant plus en elle-même une raison suffisante pour refuser aux femmes l'accès à telle profession déterminée. Le Tribunal fédéral concluait en définitive, dans cet arrêt, que, l'aptitude à la profession d'avocat dépendant beaucoup plus de la personnalité que du sexe, il y avait lieu d'admettre que la femme possédait les qualités intellectuelles et morales indispensables pour l'exercer correctement - et que le refus à une femme du droit de pratiquer le barreau ne pouvait résulter que de préjugés et de BGE 103 Ia 517 S. 521 conceptions surannées et constituait une restriction inadmissible à la liberté garantie par l' art. 31 Cst. ( ATF 49 I 19 /20). De plus, dans un arrêt du 26 juin 1957, concernant le droit de vote des femmes, le Tribunal fédéral devait examiner si l' art. 23 Cst. vaud., qui disposait que sont citoyens actifs tous les Suisses âgés de vingt ans révolus, pouvait être interprété dans le sens que par le mot "Suisse" le législateur cantonal avait exclu les femmes de l'exercice du droit de vote. Telle avait été l'opinion du Conseil d'Etat vaudois. Les recourantes prétendaient au contraire qu'en se confinant dans une interprétation strictement historique, le Conseil d'Etat avait violé l' art. 4 Cst. , car il avait perdu de vue qu'au regard des circonstances actuelles, la différence de sexe ne justifiait plus un traitement différentiel quant à l'octroi du droit de vote. Le Tribunal fédéral a admis que l'interprétation du Conseil d'Etat n'était pas arbitraire. Il s'est toutefois demandé si l' art. 23 Cst. vaud. qui, d'après la volonté claire du législateur et en vertu d'un usage absolument constant, conférait les droits politiques aux hommes à l'exclusion des femmes, pouvait constituer, ainsi compris, une disposition contraire à l' art. 4 Cst. , autrement dit si cet art. 4 imposait au constituant vaudois l'obligation d'accorder aux femmes les mêmes droits politiques qu'aux hommes. Mais le Tribunal fédéral a laissé cette question indécise, s'étant toujours refusé à examiner le problème de la conformité des dispositions d'une constitution cantonale avec celles de la constitution fédérale ( ATF 83 I 181 consid. 6). Aujourd'hui en Suisse, la femme a pratiquement obtenu l'égalité quasi complète en ce qui concerne l'exercice des droits politiques, alors qu'il y a relativement peu de temps encore, il paraissait objectivement justifié de lui refuser le droit de vote. 3. a) La recourante fait valoir qu'elle est en droit, en vertu de l' art. 4 Cst. , d'exiger, en sa qualité d'institutrice, une rémunération égale à celle d'un instituteur dans la mesure où elle accomplit le même travail. Il est évident que la question à examiner, soit celle de savoir si une femme peut exiger, en vertu de la constitution, la même rémunération qu'un homme, ne concerne que les rapports de travail relevant du droit public. Le problème ne se pose dès lors pas sous le même angle sur le plan de l'économie privée, où le salaire est normalement fixé non pas en vertu d'une décision de l'autorité, mais par voie contractuelle. BGE 103 Ia 517 S. 522 b) Une évolution fondamentale s'est produite dans ce domaine au cours des années récentes. Le temps n'est pas si lointain où l'on tenait encore pour justifié le fait que, dans les services publics et en particulier dans l'enseignement, l'homme soit mieux rétribué que la femme qui effectuait le même travail, cette différence étant motivée tout d'abord par le fait que la plupart des instituteurs étaient mariés et devaient subvenir à l'entretien d'une famille, alors que les institutrices, souvent célibataires, n'assumaient que leur propre entretien. Cet argument n'a plus de raison d'être, dès lors que les charges familiales d'un fonctionnaire marié sont en général prises en considération dans l'octroi d'allocations familiales. C'est en définitive à la suite de l'évolution des idées en la matière en Suisse, elle-même consécutive à une évolution qui s'est produite dans le même sens sur le plan international, que l'égalité des salaires a été largement réalisée par voie législative pour les fonctionnaires des services publics fédéraux et cantonaux. 4. a) à e) (Evolution du principe de l'égalité de rémunération entre travailleurs et travailleuses sur le plan international.) f) Il importe d'examiner dans quelle mesure le principe de l'égalité de rémunération est applicable en Suisse dans le cadre des conventions et traités internationaux signés et ratifiés par la Confédération. La Suisse a approuvé la convention No 100 sur l'égalité de rémunération par arrêté fédéral du 15 juin 1972 (RO 1973 II 1601). Cette approbation n'a pas été obtenue sans difficulté. Une première fois le Conseil fédéral, dans un rapport du 12 décembre 1952 (FF 1952, vol. 3, p. 810 ss), avait proposé de ne pas approuver cette convention No 100, partant de l'idée que la notion de travail de valeur égale est difficilement applicable. La Confédération n'aurait que des possibilités limitées d'influencer, dans le domaine privé, la réalisation du principe de l'égalité de rémunération pour un travail de valeur égale, la fixation des salaires appartenant en premier lieu aux partenaires sociaux. Les Chambres fédérales s'étaient ralliées à cette opinion. En juin 1958, la Conférence internationale du travail a adopté la convention No 111 prohibant toute discrimination en matière d'emploi et de profession. Le Conseil fédéral était d'avis que la Suisse devait ratifier cette convention No 111 en même temps que la convention No 100, s'agissant de promouvoir dans l'une et l'autre des droits fondamentaux de l'homme. BGE 103 Ia 517 S. 523 Le Conseil national avait admis cette proposition. Mais le Conseil des Etats n'avait approuvé que la convention No 111 et avait refusé d'approuver la convention No 100. Le Conseil fédéral a alors ratifié la convention No 111, en vertu de l'arrêté fédéral du 15 juin 1961. La question de l'approbation de la convention No 100 n'est revenue à l'ordre du jour que par le dépôt du postulat Leuenberger, lors de la session de mars 1970. Les cantons et les associations centrales d'employeurs et de travailleurs ont alors été invités par l'OFIAMT à se prononcer sur la ratification de cette convention. Les associations d'employeurs s'y sont opposées tandis que les associations de travailleurs et la grande majorité des cantons (18 sur les 20 qui s'étaient exprimés) se sont prononcés dans un sens positif, de même que les organisations féminines et l'Association des communes suisses. L'Office fédéral du personnel, les CFF et les PTT ont répondu qu'à leur avis plus rien ne s'opposait à une ratification, l'égalité de rémunération entre les travailleurs des deux sexes pour un travail de valeur égale ayant déjà été largement réalisée dans l'administration. Le Conseil fédéral, dans son message du 20 octobre 1971, proposait dès lors de donner suite au postulat Leuenberger et d'approuver la convention No 100. Il relevait à l'appui de sa proposition que la situation avait continué d'évoluer en faveur des travailleuses. Dans les services publics, les différences de rémunération avaient été supprimées, à quelques exceptions près, notamment dans l'administration fédérale et les entreprises de la Confédération. Comme la plupart des départements cantonaux compétents en matière de droit du travail se sont prononcés, précisait le Conseil fédéral, en faveur de la ratification, il est permis de conclure qu'il n'existe plus, dans ces cantons, de différence importante quant à la rémunération des travailleurs des deux sexes pour un travail de valeur égale. Le Conseil fédéral spécifiait en outre que les conventions collectives de travail déclarées de force obligatoire générale ne faisaient aucune distinction entre les salaires minima de la main-d'oeuvre masculine et de la main-d'oeuvre féminine pour un travail de valeur égale, étant entendu que s'il constatait que des clauses contractuelles comportaient une discrimination en cette matière, il refusait d'étendre leur champ d'application. C'est pour tous ces motifs que les deux Chambres ont ratifié la convention No 100 (FF 1971 II, pp. 1554/1555). BGE 103 Ia 517 S. 524 La Suisse étant actuellement liée par ces deux conventions Nos 100 et 111, on peut se demander quelles sont les obligations qu'elle a juridiquement assumées par leur ratification, notamment par celle de la convention No 100. Sous réserve de l'exercice des compétences appartenant au pouvoir fédéral notamment en matière de fixation des traitements du personnel fédéral, la Confédération n'a pas d'influence déterminante sur la fixation des salaires; il ne lui est dès lors demandé par la convention, en ce qui concerne les fonctionnaires cantonaux ou l'économie privée, que d'encourager l'application du principe de l'égalité de rémunération. La convention ne peut pour le surplus pas être incorporée directement dans le droit interne et être exécutoire comme telle, de sorte que l'application du principe qu'elle pose requiert certainement la mise en oeuvre préalable de lois ou arrêtés d'exécution (cf. BUDINER, Le droit de la femme à l'égalité de salaire et la convention No 100, Paris 1975, p. 57 ss; VALTICOS, Conventions internationales du travail et droit interne, in Revue critique de droit international privé, 1955, No 2). Il en est de même de la Charte sociale européenne, que la Suisse a signée en qualité de membre du Conseil de l'Europe et qu'elle envisage de ratifier. Enfin, le principe de l'égalité de rémunération est consacré aussi, comme déjà précisé, par d'autres instruments internationaux, tels le Traité de Rome (art. 119) et le Pacte international relatif aux droits économiques, sociaux et culturels (art. 7). Certes, la Suisse n'est pas membre des Communautés européennes et elle n'a pas adhéré au Pacte international. Mais ces différentes dispositions doivent être mentionnées, visant le même but fondamental que la convention No 100. Elles contiennent des normes internationales qui créent un climat propre à rendre effectifs les droits résultant de ces conventions et "constituent certainement un important élément de formation d'un droit commun international dans le domaine des droits de l'homme" (cf. A. FAVRE, Principes du droit des gens, Editions universitaires, Fribourg 1977, pp. 346/347; VALTICOS, L'OIT et sa contribution au principe de la primauté du droit à la protection internationale des droits de l'homme, in Revue de la Commission internationale des juristes, t. IX, No 2, p. 3 ss). 5. Quant à l'état actuel de la législation dans les cantons suisses en matière de rétribution des instituteurs et des institutrices, il se présente de la manière suivante: BGE 103 Ia 517 S. 525 Dans le canton de Zurich, il n'y a aucune différence entre instituteurs et institutrices du degré primaire. Ils reçoivent un même traitement. Ils ne sont d'ailleurs pas indiqués séparément dans la décision du Conseil d'Etat du 16 novembre 1972 fixant les traitements des "Volksschullehrer". Le canton de Berne a réalisé le postulat "gleiche Leistung - gleicher Lohn" dans la loi sur les traitements du 1er juillet 1973. Dans l'ordonnance du 5 septembre 1973, fixant le nombre des leçons obligatoires des enseignants, le Conseil exécutif prévoit à l'art. 2 que, pour avoir un traitement identique, dans les limites d'un même type d'école et au même niveau scolaire, maîtresses et maîtres doivent donner le même nombre de leçons obligatoires. En outre, l'art. 14 de cette ordonnance fixe le même nombre de leçons obligatoires pour instituteurs et institutrices des écoles primaires. Ils sont de plus colloqués dans la même classe de traitement. Il y a donc bien égalité de rémunération entre maîtresses et maîtres des écoles primaires, même si les leçons données en supplément au programme obligatoire sont rétribuées séparément. La situation dans le canton de Lucerne est réglée par la loi sur l'enseignement du 28 octobre 1963 qui prévoit au par. 9 al. 3 que le nombre d'heures obligatoires par semaine est de 28 pour les institutrices et de 30 pour les instituteurs, et également par décret sur le traitement des maîtres des écoles publiques du 1er juillet 1974 qui fixe le traitement annuel de base des maîtresses au 28/30 du traitement des maîtres. Le montant du traitement de base est donc fonction du nombre d'heures d'enseignement hebdomadaire. Le nombre de leçons certes diffère, mais la rétribution par leçon-semaine est la même pour les maîtres et les maîtresses. Dans les cantons d'Uri ( art. 3 de l'ordonnance du 29 mai 1972 sur la participation du canton aux traitements du personnel enseignant), de Schwyz (par. 4 de l'ordonnance du 20 novembre 1968 sur les traitements du personnel enseignant) , d'Obwald (convention du 1er janvier 1976 entre associations du personnel enseignant et communes) et de Nidwald (art. 67 de la loi sur les écoles (Schulgesetz) et par. 1, groupe III, et 2 des "Richtlinien" du 1er janvier 1976), on ne constate aucune différence dans la rémunération notamment des instituteurs et institutrices primaires. Ces enseignants bénéficient tous de la même classe de traitement, à l'exception des religieuses enseignantes qui ont un statut particulier. Il en est de même dans les cantons BGE 103 Ia 517 S. 526 de Glaris (ordonnance du 2 février 1973, art. 1er) et de Zoug (loi sur les traitements des enseignants du 21 octobre 1976, par. 1 et 6). Enseignants et enseignantes sont compris sous le même vocable "Lehrer". Tel est également le cas du canton de Soleure (Lehrerbesoldungsgesetz du 8 décembre 1963, avec les modifications jusqu'au 22 janvier 1975, par. 7). Dans le canton de Bâle-Ville, le principe de l'égalité des sexes est également appliqué pour la fixation des traitements des fonctionnaires et des enseignants. En particulier, les institutrices et les instituteurs des écoles primaires appartiennent au groupe de fonctions 6 de l'annexe 1 de la loi sur les traitements du 12 novembre 1970 et sont attribués aux classes de traitement 16 et 15, le terme "Primarlehrer" englobant aussi bien les institutrices que les instituteurs. Dans le canton de Bâle-Campagne, la situation pour ces enseignants est analogue à celle de Bâle-Ville (Landratsbeschluss du 15 juin 1972, classification des fonctions, classe 13). Dans le canton de Schaffhouse, tous les enseignants du même degré touchent le même traitement. Une différence quant au nombre d'heures d'enseignement existe en ville de Schaffhouse où, pour les trois premières classes, il y a une réduction de deux heures, ces classes étant généralement attribuées à des institutrices. Dans le canton d'Appenzell Rhodes-Intérieures, le traitement est le même pour institutrices et instituteurs primaires du même degré. Il en est de même dans le canton d'Appenzell Rhodes-Extérieures et dans les cantons de Saint-Gall, des Grisons, d'Argovie et de Thurgovie. Dans le canton de Genève, les traitements du corps enseignant sont établis suivant le nombre de leçons hebdomadaires, groupées par postes. Les postes sont fixés par le Département de l'instruction publique, les traitements des postes incomplets étant proportionnels à ceux des postes complets (art. 25 al. 1 et 2 de la loi du 21 décembre 1973 sur le traitement du personnel de l'Etat). Selon l'art. 27 de cette même loi, les instituteurs et institutrices primaires reçoivent un traitement fixé chaque année par le Conseil d'Etat, le traitement minimal correspond à la classe 14 pos. 2 de l'échelle des traitements et le traitement maximal à la classe 16 pos. 12. Dans le canton de Vaud, selon les indications du Département de l'instruction publique du 16 mai 1977, il y avait, avant 1960, une différence de plusieurs classes notamment entre l'institutrice BGE 103 Ia 517 S. 527 et l'instituteur primaires. C'est la loi de 1960 sur l'instruction publique primaire, à son art. 116, qui paraît avoir supprimé cette différence, en disposant que le personnel enseignant est rémunéré par un traitement de base, une allocation variant avec le coût de la vie et une allocation de ménage. Mais en fait cette suppression s'est faite en deux étapes et ce n'est que dès le 1er janvier 1967 que l'égalité de rémunération entre enseignants primaires a été pleinement réalisée. En revanche, dans le canton de Fribourg, une différence de traitement entre instituteurs et institutrices du degré primaire existe toujours. Cette différence se justifierait, selon la Direction de l'instruction publique, par une durée des études plus longue d'un an pour les instituteurs que pour les institutrices. Dans le canton du Valais, si le décret du 11 juillet 1963 imposait encore une différence de rétribution entre instituteurs et institutrices primaires, cette différence a été entièrement supprimée, par décret du 7 février 1973. Dans le canton du Tessin, c'est par décret du 2 février 1971 que cette différence a été supprimée. Il résulte de cet examen des législations cantonales en la matière que, dans la quasi-totalité des cantons, instituteurs et institutrices du degré primaire sont soumis à une formation analogue, donnent le même nombre de leçons obligatoires et sont colloqués dans la même classe de traitement. 6. Compte tenu de l'évolution de cette situation - en particulier dans les cantons suisses -, on ne saurait soutenir encore, comme paraît le faire KNAPP (Egalité de rémunération des travailleurs masculins et féminins dans la CEE et en Suisse, ouvrage déjà cité, p. 65), que l' art. 4 Cst. ne viserait pas l'égalité de rémunération pour les femmes effectuant un travail égal à celui des hommes. D'après la conception juridique actuelle, il n'est en effet point douteux que l' art. 4 Cst. garantit à la femme travaillant dans un service public la même rémunération qu'à l'homme qui effectue le même travail. Le principe de l'égalité de droit entre hommes et femmes est si profondément ancré dans le sentiment juridique suisse (preuve en soient, par exemple, les travaux de revision du droit de la famille) que l'on doit considérer actuellement comme constituant une violation de ce principe le fait qu'un homme et une femme travaillant dans un service public ne soient pas rétribués de la même façon lorsqu'ils accomplissent le même travail. Il n'y a par ailleurs pas lieu d'examiner en l'espèce si, s'agissant d'une fonction BGE 103 Ia 517 S. 528 comparable dans un service public, une institutrice aurait le droit constitutionnel d'exiger qu'il lui soit attribué le même nombre d'heures de travail qu'à un homme. 7. En l'espèce, la recourante requiert l'annulation de l'arrêté du Conseil d'Etat neuchâtelois du 12 mars 1976, dans la mesure où il la colloque dans une classe de traitement inférieure à celle dans laquelle sont colloqués ses homologues masculins. Elle prétend de ce fait être victime d'une inégalité de traitement qui ne peut se justifier au regard de l' art. 4 Cst. Il n'est pas contesté que, selon l'art. 8 du règlement d'application de la loi sur les traitements des titulaires de fonctions publiques, les instituteurs de l'enseignement primaire bénéficient des classes 13a-12a-11a et les institutrices de ce même enseignement des classes 15a-14a-13a. Cette collocation différente entraîne une inégalité dans la rémunération pour des enseignants du même degré, et il importe dès lors d'examiner si cette différence se justifie. Les instituteurs et les institutrices du degré primaire sont, comme déjà spécifié, colloqués dans des classes de traitement différentes, cette différence se traduisant par un montant annuel de 1'800 fr. à l'avantage de l'instituteur. Il n'est pas contesté que les institutrices reçoivent une formation identique à celle de l'instituteur du moins par rapport au programme de l'enseignement primaire. La différence de rémunération ne peut dés lors se justifier que par un supplément de travail dont serait chargé l'instituteur. A cet égard, le Conseil d'Etat invoque l'art. 23 du règlement d'application du 21 décembre 1971 qui fixe les obligations hebdomadaires du personnel enseignant, compte tenu du degré et de la nature de l'enseignement. Selon cet article, l'indice général relatif aux obligations hebdomadaires de l'instituteur est de 32 et celui de l'institutrice de 30, ce qui signifie que l'instituteur doit donner 32 leçons par semaine, alors que l'institutrice n'en donne que 30. C'est cette différence dans le nombre réglementaire d'heures/semaine qui a conduit le Conseil d'Etat à opérer une distinction quant au traitement, colloquant les institutrices dans des classes inférieures. Encore faut-il que cette différence réglementaire corresponde à une différence effective. Or l'autorité cantonale doit reconnaître à ce sujet, dans sa réponse au recours, que ces obligations horaires fixées par le règlement ne sont plus exigées actuellement, à mesure que les BGE 103 Ia 517 S. 529 charges d'un enseignant ont tendance à s'adapter à l'horaire des élèves qui est inférieur. Dans ces conditions, il faut admettre que les institutrices effectuent un travail de valeur égale et quant à la qualité et quant à la quantité, à celui des instituteurs. La rémunération doit donc aussi être égale. Il est exact que le Conseil d'Etat se réfère en outre à une étude du service de l'enseignement primaire selon laquelle les instituteurs auraient une charge hebdomadaire moyenne de 29 heures, alors que cette charge serait de 27 heures pour les institutrices. Mais il doit lui-même admettre que, ne s'agissant en l'occurrence que de moyennes, un nombre appréciable d'institutrices ont la même charge hebdomadaire d'enseignement que les instituteurs, à mesure qu'elles s'occupent de classes de même degré. Le Conseil d'Etat ne conteste d'ailleurs pas que la recourante soit dans ce cas. Une institutrice peut dès lors être responsable d'une classe du degré de celle d'un instituteur, avec un même programme d'enseignement et le même nombre de leçons hebdomadaires, donc avec un travail de valeur égale. Les règles constitutionnelles exigent alors une rémunération égale. Mais, selon l'art. 8 du règlement précité, l'institutrice étant colloquée dans une classe de traitement inférieure, reçoit en tout état de cause un salaire inférieur à celui de l'instituteur. Dans cette situation, cette disposition réglementaire doit être considérée comme inconstitutionnelle. Le Conseil d'Etat relève encore que la différence de la charge hebdomadaire moyenne s'expliquerait par le fait qu'un grand nombre d'institutrices seraient responsables de classes des degrés inférieurs, ce qui impliquerait des charges horaires réduites. D'abord, il s'agit là d'une allégation toute générale qui n'indique même pas dans quelle mesure cette réduction interviendrait. De plus, il existe des instituteurs et des institutrices, telle la recourante, qui assument les mêmes charges horaires. Il faut en définitive constater qu'il y a bien, en l'espèce, inégalité de traitement au détriment de la recourante, dans le fait qu'en sa qualité d'institutrice de l'enseignement primaire dans le ressort scolaire de Neuchâtel, elle a été colloquée dans les classes de traitement 15a-14a-13a de l'échelle des traitements du personnel enseignant (art. 13 de la loi de 1971), alors qu'elle assume effectivement des obligations analogues à celles qui incombent aux instituteurs du même degré d'enseignement, lesquels BGE 103 Ia 517 S. 530 sont colloqués dans les classes supérieures 13a-12a-11a, ce qui leur permet de bénéficier d'un salaire annuel supérieur à celui de la recourante à concurrence de 1'800 fr. Cette inégalité viole le principe de l'égalité de rémunération entre hommes et femmes pour un travail de valeur égale, et, partant, l' art. 4 Cst. qui impose son application. La décision attaquée, qui consacre cette inégalité, doit donc être annulée, dans la mesure où elle fixe la rétribution de la recourante.
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Sachverhalt ab Seite 139 BGE 83 III 138 S. 139 A.- Die Kläger und Berufungskläger waren mit der Ausführung des Umbaues des Hauses "Zum grossen Otter" in Zürich beschäftigt, der im Frühjahr 1954 beendigt wurde. Zwei von ihnen (die Kläger Nr. 7 und 8) erwirkten im Februar und März 1954 vorsorglich (superprovisorisch) die Vormerkung von Bauhandwerkerpfandrechten, und nach gerichtlicher Bestätigung dieser Vormerkungen erhoben sie binnen der ihnen dazu angesetzten Frist Klage auf Anerkennung ihrer Ansprüche gegen den Grundeigentümer. Nach dessen am 5. Mai 1954 erfolgten Tode gelangte die Verlassenschaft indessen am 2. Juni 1954 zur konkursamtlichen Liquidation. Infolgedessen wurden die beiden Prozesse gemäss Art. 207 SchKG eingestellt und die Forderungen und Pfandrechte der beiden Kläger gemäss Art. 63 Abs. 1 der Konkursverordnung in dem als Bestandteil BGE 83 III 138 S. 140 des Kollokationsplanes aufgelegten Lastenverzeichnis pro memoria vorgemerkt. Die zweite Gläubigerversammlung beschloss, die Masse habe in diese Prozesse nicht einzutreten, und es verlangte auch kein einzelner Konkursgläubiger die Beklagtenrolle gemäss Art. 260 SchKG an Stelle der Masse zu übernehmen. Daher vermerkte das Konkursamt am 5. Oktober 1954 im Lastenverzeichnis, die Ansprüche der Kläger Nr. 7 und 8 seien nun definitiv geworden, und am 15. Oktober 1954 schrieb der Richter die beiden Prozesse infolge des Verzichtes der Masse und des Nichteintrittes einzelner Konkursgläubiger als erledigt ab. B.- Die andern Kläger erlangten ebenfalls superprovisorische Vormerkungen der von ihnen geltend gemachten Bauhandwerkerpfandrechte. Die gerichtliche Bestätigung der Vormerkungen erfolgte zu ihren Gunsten am 10. Juni 1954, also erst nach Eröffnung des Nachlasskonkurses. (Inbezug auf zwei Kläger, Nr. 3 und 5, hätten die superprovisorischen Vormerkungen nach den Angaben des angefochtenen Urteils erst nach Eröffnung des Nachlasskonkurses, am 3. und 19. Juni 1954, stattgefunden; das letztere Datum würde sogar demjenigen der gerichtlichen Bestätigung der Vormerkung nachfolgen, was als widerspruchsvoll erscheint). Im Lastenverzeichnis wurden die Forderungen aller dieser Kläger als durch Bauhandwerkerpfandrecht gesichert anerkannt, welche Verfügungen unangefochten blieben. C.- Das Pfandgrundstück gelangte am 16. November 1954 zur Versteigerung. Der Zuschlagspreis von Fr. 700'000. - deckte die Forderung des Beklagten 1, Heinrich Gassmann, mit Nachpfandrecht an einem Schuldbrief im 3. Range ganz und die Schuldbriefforderungen des Beklagten 2, David Zangwil, im 5. Rang teilweise. Sämtliche Bauhandwerkerforderungen blieben ungedeckt. Die als vorläufige Eintragungen zu ihren Gunsten vorgemerkten Pfandrechte wurden am 30. November 1954 im Grundbuche gelöscht. BGE 83 III 138 S. 141 D.- Binnen der vom Konkursamt gemäss Art. 117 VZG eingeräumten Frist klagten 14 Bauhandwerker gegen die beiden Beklagten auf Deckung des Pfandausfalles im Sinne von Art. 841 ZGB . Nach Wegfall des Klägers Nr. 10 und Eintritt der Erben des Beklagten Nr. 1 in den Prozess wies das Bezirksgericht die beiden Klagen ohne materielle Prüfung ab, weil die Kläger mangels definitiver Eintragung ihrer Pfandrechte zu einer Klage nach Art. 841 ZGB nicht legitimiert seien; dazu genüge die vorläufige, nun gelöschte Eintragung nicht. Das Obergericht des Kantons Zürich, an das die verbliebenen Kläger ausser Nr. 12 appellierten, bestätigte das erstinstanzliche Urteil am 8. März 1957. E.- Die vor Obergericht aufgetretenen Kläger haben Berufung an das Bundesgericht eingelegt mit dem Antrag, das obergerichtliche Urteil sei aufzuheben und "die Sache zur Abnahme der Beweise und zur materiellen Erledigung des Prozesses an die Vorinstanz zurückzuweisen". F.- Die Erben des Beklagten Nr. 1 beantragen Abweisung der Berufung. Der Antrag des Beklagten Nr. 2 geht dahin, die Berufung sei mangels Streitwertangabe von der Hand zu weisen, eventuell sei sie abzuweisen.
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Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1./2.- (Prozessuales). 3. Das angefochtene Urteil spricht den Klägern die Befugnis, vorgehende Pfandgläubiger auf Deckung des Pfandausfalles nach Art. 841 ZGB zu belangen, von vornherein deshalb ab, weil sie mangels definitiver Eintragung im Grundbuch keine gültigen Bauhandwerkerpfandrechte erworben hätten. Die Vormerkung vorläufiger Eintragungen habe das Pfandrecht zwar zu sichern, nicht aber zu begründen vermocht; hiezu wäre es nach Ansicht der Vorinstanz nötig gewesen, sie durch definitive Eintragungen zu ersetzen. Die Kläger hätten es versäumt, dafür besorgt zu sein. Den Klägern Nr. 7 und 8 sei bei Bewilligung der Vormerkungen eine Monatsfrist nach Beendigung der Hauptprozesse hiefür eingeräumt worden; somit hätten BGE 83 III 138 S. 142 sie die definitive Eintragung spätestens am 15. November 1954 (einen Monat nach der Prozessabschreibung) beim Grundbuchamte nachsuchen müssen. Auch den andern Klägern sei die Anmeldung der Pfandrechte zu definitiver Eintragung obgelegen, sobald die zu ihren Gunsten erfolgte Kollokation rechtskräftig war, also vom 10. September 1954 an. Diese Erwägungen gehen zunächst richtig davon aus, dass Art. 837 ZGB u.a. den Bauhandwerkern (gemäss Abs. 1 Ziff. 3 daselbst) kein von Gesetzes wegen bestehendes Pfandrecht gibt, sondern einen gesetzlichen Anspruch auf ein Pfandrecht zugesteht, das erst durch Eintragung im Grundbuch gemäss Art. 799 Abs. 1 ZGB entsteht ( BGE 40 II 452 , BGE 81 II 279 ). Das angefochtene Urteil verkennt jedoch die Wirkungen der vor der Konkurseröffnung erfolgten vorläufigen Eintragung eines solchen Pfandrechtes in Verbindung mit der auf die Vormerkung gestützten Kollokation durch Zulassung im Lastenverzeichnis ( Art. 125 Abs. 2 VZG ). Art. 22 Abs. 4 der Grundbuchverordnung lässt die vorläufige Eintragung von Bauhandwerkerpfandrechten ausdrücklich zu. Er geht dabei freilich über den Wortlaut des Gesetzes ( Art. 961 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB ) hinaus, da man es nach dem Gesagten nicht mit dinglichen Rechten zu tun hat, die bereits ohne Eintragung bestünden. Aber die Verordnung trägt mit jener Vorschrift dem Zweck des Bauhandwerkerpfandrechtes zutreffend Rechnung und ermöglicht dessen Sicherung; die Zulässigkeit einer solchen Massnahme wurde längst auch von der Rechtsprechung bejaht (vgl. BGE 39 II 139 , BGE 40 II 458 /9). Mit der vorläufigen Eintragung lässt sich nun nicht nur die Eintragungsfrist des Art. 839 Abs. 2 ZGB wahren; sie sichert das Bauhandwerkerpfandrecht auch im Fall eines nachfolgenden Konkurses des Grundeigentümers. Auf dieser Grundlage kann das Pfandrecht, wiewohl es nicht durch definitive Grundbucheintragung förmlich errichtet wurde, im Konkurse zu voller Geltung kommen. Denn bei Bejahung der übrigen Anspruchsvoraussetzungen ist es, so BGE 83 III 138 S. 143 wie es vorläufig eingetragen wurde, als dinglich bestehend zu kollozieren, und gemäss der rechtskräftig in diesem Sinn erfolgten Kollokation nimmt alsdann die Forderung mit entsprechendem Pfandprivileg an der Verteilung des Pfanderlöses teil. Keineswegs darf die Gültigkeit der Kollokation an die Bedingung einer nach Eintritt ihrer Rechtskraft beim Grundbuchamte nachzusuchenden definitiven Eintragung geknüpft werden (vgl. Art. 59 Abs. 2 der Konkursverordnung). Es wäre denn auch sinnlos, eine Pfandrechtskollokation, die sich nur auf die vor dem Konkurs vorgemerkte vorläufige Eintragung zu stützen braucht, dann hinterher in ihrer Gültigkeit von einer grundbuchlichen Massnahme abhängig zu machen, die eben, weil vor der Kollokation mangels eines Rechtstitels gar nicht möglich, nicht Voraussetzung der Kollokation sein kann. Daraus folgt, dass das vor dem Konkurs vorläufig eingetragene Pfandrecht im Konkurs beim Vorliegen der übrigen Voraussetzungen als dingliches Recht anzuerkennen ist, ohne dass es noch der förmlichen Errichtung durch definitive Grundbucheintragung bedarf. Mit Recht hat daher das Konkursamt die rechtskräftig kollozierten Pfandrechte der Kläger als für die Konkursabwicklung endgültig anerkannt betrachtet. Als der Richter am 10. Juni 1954 die Vormerkungen zu Gunsten der Kläger (ausser Nr. 7 und 8, die bereits früher Vormerkungen erwirkt hatten) bewilligte, bemass er deren Geltungsdauer denn auch für den Fall der Konkursdurchführung einfach bis zur rechtskräftigen Kollozierung ihrer Ansprüche, in der zutreffenden Erwägung, mit der Validierung durch Zulassung der Pfandrechte im Lastenverzeichnis werden die Vormerkungen ihren Zweck erfüllt haben, ohne dass es noch einer definitiven Grundbucheintragung bedürfe. Ähnlich verhält es sich mit der Berücksichtigung der Bauhandwerkerpfandrechte der Kläger Nr. 7 und 8. Deren Zulassung im Lastenverzeichnis beruht nicht auf selbständiger Kollokationsverfügung, sondern auf dem BGE 83 III 138 S. 144 Ausgang der von ihnen gegen den Grundeigentümer angehobenen Prozesse. Wären diese durch ein für die Kläger obsiegliches Urteil (gegen die Masse selbst oder gegen einzelne Konkursgläubiger, die an deren Stelle auf Grund einer Abtretung nach Art. 260 SchKG eingetreten wären) beendigt worden, so hätten die pro memoria vorgemerkten grundpfandgesicherten Forderungen gemäss dem Urteil definitiv zugelassen werden müssen. Gleich verhielt es sich beim Verzicht der Masse (und der einzelnen Konkursgläubiger), der zur Abschreibung der beiden Prozesse führte. Das Konkursamt hat denn auch dieses Urteilssurrogat im Lastenverzeichnis zutreffend durch den Vermerk berücksichtigt, die betreffenden Forderungen und Pfandrechte seien nun definitiv geworden. Hiebei wurde ebenfalls mit Recht keine definitive Eintragung im Grundbuch veranlasst. In grundbuchlicher Hinsicht genügte eben zur gerichtlichen Zusprechung des Pfandrechtes oder zur entsprechenden Anerkennung der Klage durch die Masse die vor der Konkurseröffnung vorgemerkte vorläufige Eintragung, die durch rechtzeitige Klageanhebung prosequiert worden war. Dem Obergericht kann darin nicht beigestimmt werden, die Kläger Nr. 7 und 8 hätten binnen Monatsfrist seit der Abschreibung der Prozesse, also bis zum 15. November 1954 (einen Tag vor der Steigerung), die definitive Grundbucheintragung verlangen sollen, da der Richter die vorläufige Eintragung mit Wirkung bis einen Monat nach Prozessbeendigung bewilligt hatte. Diese Befristung war zweifellos nicht für den Fall eines Konkurses gemeint; jedenfalls vermochte sie die vollgültige Validierung der vorläufigen Eintragung durch den der Konkursmasse gegenüber wie ein Urteil wirksamen Prozessausgang und durch die ihr entsprechende definitive Zulassung im Lastenverzeichnis nicht zu hindern. Eine definitive Eintragung im Grundbuch müsste vollends als sinnlose Förmlichkeit erscheinen, da die Forderungen der Kläger nach dem Lastenverzeichnis in ihrem ganzen Betrage fällig, also keinesfalls einem Erwerber BGE 83 III 138 S. 145 des Pfandgrundstückes zu überbinden waren. Lägen aber Garantierückhalte vor, so hätte mit einer Anmeldung der betreffenden erst später fällig werdenden Forderungen, soweit sie durch den Zuschlagspreis gedeckt worden wären, füglich bis nach der Versteigerung zugewartet werden können. Das Konkursamt (die Konkursverwaltung) hätte alsdann diese Überbünde gleichzeitig mit dem Eigentumsübergang auf den Ersteigerer anmelden können, analog Art. 68 Abs. 2 VZG (vgl. im übrigen Art. 128 Abs. 2 VZG , wonach bei einer Verwertung während hängigen Streites über eine dingliche Last ein Hinweis auf den Prozess in den Steigerungsbedingungen nebst einer vorläufigen Eintragung im Grundbuch genügt, um das streitige Recht dem Ersteigerer wie auch spätern Erwerbern des Grundstücks gegenüber zu wahren). 4. Die zur Validierung im Konkurs hinreichende vor dessen Eröffnung vorgemerkte vorläufige Eintragung ist nun ohne weiteres auch als genügende grundbuchliche Massnahme anzuerkennen, um den Bauhandwerker bei einem Pfandausfall als Pfandberechtigten zur Klage nach Art. 841 ZGB zu legitimieren. Dieser Prozess spielt sich zwar nicht notwendig im Rahmen des Konkurses ab. Die Klage kann innert der ordentlichen Verjährungsfrist angehoben werden, auch wenn die Bauhandwerker von der ihnen durch Art. 117 VZG gebotenen Vergünstigung keinen Gebrauch gemacht haben ( BGE 53 II 471 ). Allein die Grundlage der Klage bildet eben der im Konkurs erlittene Pfandausfall, der ihnen unter den nähern Voraussetzungen des Art. 841 ZGB von vorgehenden Pfandgläubigern zu ersetzen ist. Dieses auf dem Ergebnis der Zwangsvollstreckung beruhende Anfechtungsrecht hat in grundbuchrechtlicher Beziehung nur zur Voraussetzung, dass eine Grundbucheinschreibung vorhanden war, die es ermöglichte, die Forderung des Bauhandwerkers samt dem dafür beanspruchten Pfandrechte im Konkurse zur Vollstreckung zuzulassen. Diese Eigenschaft kommt aber, wie dargetan, der vor dem Konkurse vorgemerkten vorläufigen BGE 83 III 138 S. 146 Eintragung zu, ohne dass es einer nachfolgenden definitiven Eintragung bedürfte, die mangels eines Rechtstitels vor der rechtskräftigen Kollokation oder Prozessbeendigung gar nicht möglich und nachher gänzlich überflüssig, wenn nicht gar während des Konkurses und bis zur Verwertung des Grundstückes überhaupt unzulässig ist (vgl. HOMBERGER, N. 37 zu Art. 960 ZGB ). 5. Trifft somit der von der Vorinstanz angenommene Klageabweisungsgrund nicht zu, so ist die Sache zur Prüfung der anderen Anspruchsgrundlagen in tatbeständlicher und rechtlicher Hinsicht an die Vorinstanz zurückzuweisen. Beachtlich sind dabei vorweg die Einreden der Beklagten bezüglich der für den Konkurs wirksamen Vormerkung als solcher (wie sie bei den Klägern Nr. 3 und 5 fehlt, falls die vorsorgliche Vormerkung, gemäss den Datumsangaben des angefochtenen Urteils, erst nach der Konkurseröffnung erfolgt sein sollte). Denn weder die Bewilligung der Vormerkungen noch der Ausgang der von den Klägern Nr. 7 und 8 angehobenen Prozesse noch die Kollokation der andern Kläger durch Zulassung der angemeldeten grundpfandgesicherten Forderungen im Lastenverzeichnis hat materielle Rechtskraftwirkung gegenüber den Beklagten, die als vorgehende Pfandgläubiger keine Veranlassung (wenn überhaupt eine Befugnis) hatten, die den Klägern zuerkannten Pfandrechte im Hinblick auf deren Teilnahme am Konkurs als solche anzufechten (vgl. BGE 53 II 472 ff. Erw. 3; HAEFLIGER, Le rang et le privilège de l'hypothèque légale des artisans et entrepreneurs, thèse 1957, S. 30 ff.).
4,402
1,695
Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird dahin gutgeheissen, dass das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 8. März 1957 aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.
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Sachverhalt ab Seite 94 BGE 113 IV 93 S. 94 A.- Le 5 octobre 1985, X., directeur adjoint d'une banque, a été arrêté en exécution d'un mandat d'arrêt aux fins d'extradition décerné par l'Office fédéral de la police (OFP); en effet, le Procureur général de la République italienne, à Turin, avait décerné un mandat d'arrêt contre X. soupçonné d'avoir participé à un vaste trafic de stupéfiants; il a été procédé aussi à une perquisition au domicile de X. et à la saisie de tous ses avoirs bancaires. Le 10 octobre 1985, le Procureur de Turin a révoqué le mandat d'arrêt frappant X., si bien que le 11 octobre 1985 l'OFP ordonna la libération immédiate de celui-ci. Un mois plus tard, soit le 11 novembre 1985, le Procureur de Turin a demandé l'audition de X. dans le cadre d'une commission rogatoire et notamment le séquestre de divers comptes bancaires. L'OFP a constaté que cette demande d'entraide n'était pas manifestement inadmissible et l'a fait suivre aux autorités cantonales compétentes; le Juge d'instruction du canton de Genève a ordonné l'audition de X.; le Ministère public du district de Zurich (Bezirksanwaltschaft Zürich) a adressé une circulaire à toutes les banques de ce canton leur intimant l'ordre d'indiquer par écrit si elles étaient ou avaient été en relations bancaires avec les personnes physiques ou morales désignées, dans l'affirmative de fournir les pièces justificatives et de bloquer toutes les valeurs y relatives; cette ordonnance contient notamment les motifs qui suivent: "... Zahlreiche Mitglieder der Heroinhändler-Organisation wurden auch in Italien verhaftet, ferner 2 in Zürich (Beschuldigte 4 und 5), sowie 2 in Genf (X. und A.). ..." A la demande du Procureur de Turin, le Juge d'instruction italien a rendu une ordonnance de non-lieu datée du 29 janvier 1986 contenant notamment les termes suivants: "... dichiara chiusa la formale istruttoria nei confronti del solo imputato X. ...; ... dichiara non doversi procedere nei confronti di X. in ordine al reato a lui ascritto per non avere egli commesso il fatto." B.- Par lettre du 1er décembre 1986, l'OFP a déclaré ne pas entrer en matière sur la demande d'indemnisation de X., qui avait conclu à une indemnité de 655'695 francs 60 pour détention injustifiée et autres actes de procédure. BGE 113 IV 93 S. 95 Le 30 décembre 1986, X. a saisi la Chambre de céans d'une plainte par laquelle il demande principalement que la Confédération suisse soit tenue de lui verser 491'542 francs 30 à titre d'indemnité, sous suite de dépens. Subsidiairement, il conclut à ce que la Chambre de céans fixe elle-même l'indemnité en cause, dépens à charge de la Confédération suisse. Il précise encore qu'en cas d'incompétence de la Chambre d'accusation du Tribunal fédéral, la plainte doit être transmise à l'autorité compétente. C.- Invité à présenter des observations, l'OFP a conclu à l'allocation d'une indemnité adaptée au dommage et au tort effectivement subis par et à la suite de la détention extraditionnelle et d'une indemnité appropriée pour les frais de défense dans la procédure d'extradition devant les autorités suisses; les frais de la procédure devant le Tribunal fédéral devraient, selon l'OFP, être supportés par le plaignant.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. Aux termes de l' art. 15 EIMP (RS 351.1), les dispositions fédérales ou cantonales sont applicables par analogie à l'indemnité due pour la détention injustifiée et les autres dommages subis par la personne poursuivie au cours d'une procédure menée notamment en Suisse; la Confédération verse l'indemnité si la demande est présentée ou exécutée par une autorité fédérale. Il est incontesté que X. a été l'objet d'une procédure relative à la coopération internationale en matière pénale, domaine où l'EIMP s'applique ( art. 1er al. 1 EIMP ). Dans la mesure où l'OFP a décerné un mandat d'arrêt aux fins d'extradition contre X., mandat exécuté par une autorité cantonale, et où cet office a ensuite ordonné la mise en liberté du plaignant, c'est bien une autorité fédérale qui a agi (voir art. 47 al. 1 et 49 al. 1 EIMP). Dès lors que les conditions de l' art. 15 EIMP sont réunies, les dispositions du droit fédéral tels les art. 122 al. 1 PPF et 99 al. 1 DPA, prévoyant l'indemnisation pour détention injustifiée et autres dommages, sont applicables par analogie; on ne saurait en conséquence suivre l'OFP d'après lequel la loi sur la responsabilité de la Confédération (LRCF, RS 170.32) trouverait application; en effet, selon l' art. 3 al. 2 LRCF , lorsque la responsabilité pour des faits déterminés est prévue dans des actes législatifs spéciaux, la responsabilité de la Confédération est régie par ces dispositions. D'ailleurs, d'après cet article la responsabilité de la Confédération est engagée seulement si le dommage BGE 113 IV 93 S. 96 a été causé sans droit, ce qui n'est pas le cas en l'espèce ( ATF 103 Ib 67 consid. 3). 2. On peut se demander si le principe de l'application analogique des dispositions concernant l'indemnisation due en raison de détention injustifiée et d'autres dommages, prévu à l' art. 15 al. 1 EIMP , a une portée uniquement matérielle ou aussi procédurale; les travaux préparatoires ne donnent pas de réponse concluante à cet égard. La règle prévue à l' art. 12 EIMP , d'après laquelle les actes de procédure sont réglés par le droit de procédure applicable en matière pénale, ne se rapporte qu'aux actes de collaboration internationale dans ce domaine précis, c'est-à-dire dans la mesure où il s'agit bien d'actes concernant la justice pénale; cela ressort de la systématique de l'EIMP et des travaux préparatoires (voir FF 1976 II 442 et rapport de la commission d'experts, p. 31). L' art 10 LRCF invoqué par l'OFP, aux termes duquel le Tribunal fédéral statue en instance unique au sens des art. 110 ss de l'OJ, ne s'applique pas; il a pour unique objet les réclamations dirigées contre la Confédération en vertu de cette loi dont la portée est définie restrictivement ( art. 3 LRCF ). Si l'on admet d'une part l'existence d'une lacune de l' art. 15 EIMP , il s'impose de la combler en se référant aux art. 122 al. 3 PPF et 100 al. 4 DPA afin de procéder par analogie et de sauvegarder l'unité du droit. D'autre part, sur le plan de la compétence de la Chambre d'accusation, le résultat ne serait pas différent si l'on admettait que les dispositions de procédure précitées sont applicables par analogie en fonction du texte même de l' art. 15 EIMP . En matière d'indemnité pour détention préventive ou d'autres actes d'instruction découlant de l'application de la PPF, la Chambre de céans prononce après avoir reçu une proposition émanant du juge d'instruction ( art. 122 al. 3 PPF ); sur le plan du droit pénal administratif, la Chambre de céans statue sur la plainte déposée contre la décision prise par l'administration ( art. 100 al. 4 DPA ). Dans les domaines étroitement liés que constituent la mise en détention de l'accusé, la perquisition et la confiscation (qui peuvent justifier une indemnité), la PPF, le DPA et l'EIMP contiennent une attribution de compétence qui correspond pour l'essentiel à celle relative à l'indemnité. Aux termes de l' art. 52 al. 2 PPF , l'inculpé peut recourir à la Chambre de céans contre le refus de mise en liberté émanant du juge d'instruction ou du procureur général; il en va de même - par voie de plainte - lorsqu'un refus semblable est prononcé par l'autorité judiciaire au sens de BGE 113 IV 93 S. 97 l' art. 51 al. 5 DPA ou aussi par l'OFP dans le cadre de l'EIMP (art. 47 al. 1 et 48 al. 2 EIMP); la Chambre de céans peut également être saisie d'un recours - respectivement d'une plainte - en matière de séquestre (ou de saisie; art. 65 PPF , 46 DPA, 47 al. 3 EIMP), de perquisition et de perquisition visant des papiers ( art. 67 PPF , 48 DPA, art. 69 PPF , 50 DPA; pour la voie de recours ou de plainte: art. 214 et 69 al. 3 PPF , 26 al. 1 et 2 DPA, 48 al. 2 EIMP). En l'espèce, l'OFP n'étant pas entrée en matière sur la demande d'indemnité du plaignant et la Chambre de céans ayant été saisie de la cause très rapidement, on pourrait laisser indécise la question de savoir si la procédure ainsi suivie était celle de l' art. 122 al. 3 PPF ou de l' art. 100 al. 4 DPA . En vertu du principe de la séparation des pouvoirs, on doit toutefois préférer l'application de l' art. 100 al. 4 DPA à celle de l' art. 122 al. 3 PPF ; en effet, dans une procédure d'entraide internationale en matière pénale, telle que l'extradition par exemple, l'Etat requis exerce une activité administrative sur le plan international (FF 1976 II 434; ATF 109 Ib 157 consid. 3b, 99 Ia 90); c'est aussi pour ce motif que le mandat d'arrêt aux fins d'extradition est décerné par une autorité administrative, non pas judiciaire, sous réserve il est vrai de la voie de la plainte à la Chambre de céans. 3. En vertu de l' art. 15 EIMP et des dispositions fédérales applicables par analogie, une indemnité est due pour la détention injustifiée et les autres dommages subis par la personne poursuivie; elle peut être refusée cependant, en tout ou en partie, à l'inculpé qui a provoqué l'instruction par sa faute ou qui a, sans raison, entravé ou prolongé la procédure ( art. 99 al. 1 DPA ; voir art. 122 al. 1 PPF ). La Confédération verse l'indemnité seulement si la demande d'entraide présentée par un Etat étranger est exécutée par une autorité fédérale ( art. 15 al. 2 EIMP ). Une plainte comme celle qui est en cause ici n'est recevable que pour violation du droit fédéral, pour constatation inexacte ou incomplète de faits pertinents ou pour inopportunité (art. 100 al. 4 en liaison avec l' art. 28 al. 2 DPA ). a) Le plaignant a dû subir des opérations d'instruction objectivement graves constituées par son arrestation le 5 octobre 1985, sa détention durant 7 jours, la perquisition effectuée à son domicile et la saisie de tous ses avoirs bancaires; il en est résulté un dommage important qui s'est révélé injustifié après que les poursuites pénales dirigées contre le détenu eurent fait l'objet d'un non-lieu, car il n'avait pas commis BGE 113 IV 93 S. 98 les infractions qu'on lui reprochait ( ATF 108 IV 202 consid. b et jurisprudence citée). En revanche, sa comparution à l'audience du Juge d'instruction genevois du 8 octobre 1985, tenue pour lui notifier le mandat d'arrêt en vue d'extradition, ne saurait entrer en ligne de compte dans la fixation du préjudice. L'OFP a décerné le mandat d'arrêt en vue d'extradition; on doit considérer que la perquisition et la saisie des avoirs bancaires consécutives à cet acte ont également été ordonnées par cet office dont la loi exige qu'il prenne simultanément les mesures permettant la remise des objets et valeurs qui peuvent servir de moyens de preuve ou qui proviennent de l'infraction et qu'il décide quels sont ces objets et valeurs (art. 34 al. 1 et 47 al. 3 EIMP); de plus, l'OFP a fait suivre aux autorités cantonales, destinataires du télex ordonnant l'arrestation, la demande du Procureur de Turin qui requérait non seulement l'arrestation mais encore la perquisition et la saisie. On ne saurait soutenir, l'OFP en convient, que X. ait provoqué l'instruction par sa faute ou, sans raison, entravé ou prolongé la procédure. Dès lors, son droit à une indemnité doit être reconnu dans son principe. Le plaignant ne demande pas la réparation d'un préjudice matériel mais moral, causé par les mesures d'instruction, ce qui est admissible ( ATF 107 IV 156 et références). Le montant de l'indemnité doit être fixé en fonction de la gravité de l'atteinte portée à la personnalité ( art. 49 al. 1 CO ). En l'espèce, cette atteinte est d'une importance certaine compte tenu de l'activité professionnelle du plaignant et de l'inconsistance de la grave accusation portée à tort contre lui. Toutefois, une indemnité pour tort moral de 100'000 fr. dépasse nettement ce que l'on peut raisonnablement considérer comme adéquat. La comparaison avec des cas semblables conduit à en fixer la quotité à un montant total de 5'000 fr. au plus. Rien ne démontre notamment que le plaignant aurait subi un choc psychique particulier du fait des mesures d'instruction subies. b) On ne discerne pas d'indice ni même d'offre de preuve tendant à établir que l'OFP, auteur du mandat d'arrêt, est responsable de la parution de l'article du journal "La Suisse" du 12 octobre 1985 au sujet de l'arrestation du "Britannique X.". Si l'on ne peut établir que ce texte a pour origine des informations émanant de l'OFP, le droit à une indemnité de ce chef n'est pas fondé. BGE 113 IV 93 S. 99 c) Le plaignant demande également à être indemnisé pour le tort moral causé par la circulaire du 18 novembre 1985 adressée à toutes les banques du canton de Zurich par le Procureur du district de Zurich (Bezirksanwaltschaft); cette autorité agissait dans le cadre d'une instruction qui ne touchait pas que le plaignant et demandait ainsi aux établissements bancaires de révéler leurs relations avec les personnes poursuivies, de fournir les pièces y afférentes et de saisir tous les avoirs concernés; le texte comprenait notamment les termes suivants: "Zahlreiche Mitglieder der Heroinhändler-Organisation wurden auch in Italien verhaftet, ferner 2 in Zürich (Beschuldigte 4 und 5) sowie 2 in Genf (X. und A.)." Cette ordonnance a pour objet non pas l'extradition mais d'autres actes d'entraide au sens de l' art. 16 al. 1 EIMP , ce qui ressort de sa teneur et de la demande d'entraide du Procureur de Turin du 11 novembre 1985 sur laquelle elle est fondée; cette circulaire concernait donc la préservation des preuves et la saisie d'avoirs concernant les 11 personnes physiques et morales citées en tête, au nombre desquelles ne figure pas le plaignant; force est donc de constater qu'elle n'a aucun rapport avec l'extradition de celui-ci (voir FF 1966 I 481). Or l'exécution d'autres actes d'entraide revient aux cantons, non pas à l'OFP (art. 16 al. 1 et 17 al. 2 EIMP; FF 1976 II 462), et en l'espèce ce sont les cantons qui les ont exécutés; le devoir incombant à l'OFP de transmettre aux autorités cantonales et fédérales compétentes les demandes concernant les autres actes d'entraide, à moins qu'elles ne soient manifestement irrecevables, ne justifie pas une autre interprétation ( art. 17 al. 2 EIMP ). Dès lors, la Confédération n'est pas tenue de verser une indemnité de ce chef ( art. 15 al. 2 EIMP ). d) Les frais engagés par la personne poursuivie pour sa défense peuvent aussi donner lieu à une indemnité ( ATF 108 IV 203 ; arrêt non publié de la Chambre de céans du 14 avril 1981 dans la cause Sch. c. Bundesanwaltschaft, cité aux ATF ATF 107 IV 155 , consid. 2b et 5; art. 11 de l'ordonnance sur les frais et indemnités en procédure pénale administrative, RS 313.32). La raison pour laquelle le plaignant a constitué un avocat en Italie est indépendante de la décision prise dans d'autres pays, dont l'Etat requis en vue de l'extradition; comme le reconnaît le plaignant, son avocat en Italie avait pour mission d'obtenir le plus rapidement possible la levée du mandat d'arrêt décerné par le Procureur de Turin. Donc, sur le plan formel, cette mesure de défense n'était pas dirigée de façon directe BGE 113 IV 93 S. 100 contre l'exécution par l'OFP de la demande d'extradition, si bien qu'au sens de l' art. 15 al. 2 EIMP , la Confédération ne saurait verser une indemnité de ce chef. La constitution d'un avocat en Suisse se justifiait face au mandat d'arrêt émanant de l'OFP. La note d'honoraires de 35'731 francs 10, qui comprend d'ailleurs des démarches postérieures à la mise en liberté du plaignant, n'indique pas le temps consacré au dossier ni le prix de l'heure retenu; elle se limite à une indication plus ou moins globale des opérations entreprises, qui ne permet pas de spécifier ces points par une récapitulation détaillée au sens de l' art. 11 de l'ordonnance précitée (RS 313.32) . Si l'on admet un coût de l'heure d'avocat de 200 fr., il en résulte une durée de plus de 175 heures, soit environ 22 jours de travail, c'est-à-dire près d'un mois; faute de données propres à justifier ce chiffre, on doit le considérer comme exagéré. La proposition de faire taxer les honoraires par la commission de taxation compétente du canton de Genève ne permet pas une autre conclusion, car cette autorité ne serait pas non plus en mesure de se déterminer en connaissance de cause si le plaignant ne complétait pas le dossier. Or, la Chambre de céans ne saurait se prononcer en cette matière lorsque les pièces propres à démontrer l'ampleur des mesures nécessaires pour assurer sa défense font défaut. Le plaignant ne saurait obtenir de dédommagement à ce titre (arrêt non publié de la Chambre de céans du 9 novembre 1982 dans la cause C. c. Bundesanwaltschaft, consid. 2b). e) Le plaignant soutient que son incarcération injustifiée, en particulier, lui a causé un préjudice capitalisé de 335'846 fr. 70 au titre de perte de gain futur. Cependant, il n'apporte aucun élément concret propre à justifier, même très partiellement, cette prétention et n'offre pas de preuve à cet égard. D'après la jurisprudence, le préjudice dont on réclame la réparation doit résulter de faits précis et démontrés ( ATF 107 IV 157 et jurisprudence citée); dès lors, il ne suffit pas de se déclarer prêt à apporter la preuve de l'existence et de la quotité du dommage par l'audition de témoins, sans autres précisions. A tort, le plaignant se réfère à l' art. 25 al. 2 DPA aux termes duquel la Chambre de céans ordonne l'administration de preuves s'il en est besoin pour sa décision; les plaintes contre le refus d'indemnisation par l'administration suivent exclusivement la procédure prévue aux art. 28 al. 2 à 5 DPA applicable par analogie ( art. 100 al. 4 DPA ); or, on l'a vu, BGE 113 IV 93 S. 101 une telle plainte est recevable seulement pour violation du droit fédéral, pour constatation inexacte ou incomplète de faits pertinents ou pour inopportunité ( art. 28 al. 2 DPA ). Le plaignant n'invoque cependant aucun de ces griefs et n'a d'ailleurs pas non plus formulé d'offres de preuve concrète devant l'OFP.
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Sachverhalt ab Seite 57 BGE 148 III 57 S. 57 A. A.a Die B. AG (Klägerin, Beschwerdegegnerin) betreibt ein Lokal mit Restaurant und Bar in U. Sie hat bei der A. AG (Beklagte, Beschwerdeführerin) die "X. Geschäftsversicherung KMU" abgeschlossen, enthaltend eine Fahrhabeversicherung sowie eine Betriebs- und Unfallversicherung. Die Fahrhabeversicherung umfasst laut Police Nr. x vom 17. August 2018 unter der Rubrik "Weitere Gefahren" auch die Versicherung für Ertragsausfall und Mehrkosten infolge Epidemie bis zu einem Höchstbetrag von Fr. 2'000'000.- bei einem Selbstbehalt von Fr. 200.-. BGE 148 III 57 S. 58 A.b Am 16. März 2020 stufte der Bundesrat die Situation in der Schweiz im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Coronavirus als ausserordentliche Lage im Sinne von Art. 7 des Bundesgesetzes vom 28. September 2012 über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Epidemiengesetz; SR 818.101) ein. Er ordnete mit Wirkung ab dem 17. März 2020 die Schliessung von für das Publikum öffentlich zugänglichen Einrichtungen an, insbesondere von Restaurations- und Barbetrieben (Art. 6 Abs. 2 lit. b und c Verordnung 2 vom 13. März 2020 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus [COVID-19]; [COVID-19-Verordnung 2; SR818.101.24; Änderung vom 16. März 2020]). Restaurations- und Barbetriebe waren für das Publikum erst ab dem 11. Mai 2020 unter einschränkenden Auflagen wieder öffentlichzugänglich (Art. 6 Abs. 3 lit. b bis COVID-19-Verordnung 2 [Transitionsschritt 2: Restaurationsbetriebe; Änderung vom 8. Mai 2020]). Die Betriebsschliessung ab 17. März 2020 führte bei der Klägerin zu einem Ertragsausfall. Am 18. März 2020 errechnete sie einen zu erwartenden Betriebsunterbrechungsschaden bis 30. April 2020 von Fr. 75'397.- und bat die Beklagte mit Schreiben vom 19. März 2020, die versicherten Leistungen zu erbringen. Mit E-Mail vom 23. März 2020 und Schreiben vom 25. März 2020 lehnte die Beklagte Entschädigungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus ab. B. Am 21. April 2020 erhob die Klägerin Teilklage am Handelsgericht des Kantons Aargau und beantragte, die Beklagte sei zu verpflichten, ihr Fr. 40'000.- für Ertragsausfall und Mehrkosten infolge Epidemie zu bezahlen, nebst 5 % Zins seit dem Tag der Klageeinreichung. Die Geltendmachung weiterer Ansprüche behielt sie sich vor. Mit Urteil vom 17. Mai 2021 hiess das Handelsgericht die Klage - abgesehen vom Beginn des Verzugszinslaufes - gut und verpflichtete die Beklagte, der Klägerin Fr. 40'000.- zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 24. April 2020 zu bezahlen. C. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht. Sie begehrt, das Urteil des Handelsgerichts sei aufzuheben und die Klage der Beschwerdegegnerin sei abzuweisen. Eventualiter sei das Urteil des Handelsgerichts aufzuheben und die Streitsache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. (...) BGE 148 III 57 S. 59 Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. (Auszug)
1,252
541
Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) sind Vertragsbestimmungen, die im Hinblick auf den künftigen Abschluss einer Vielzahl von Verträgen generell vorformuliert wurden (vgl. Urteile 4A_47/ 2015 vom 2. Juni 2015 E. 5.1; 4C.282/2003 vom 15. Dezember 2003 E. 3.1; 4P.135/2002 vom 28. November 2002 E. 3.1). 2.1 Allgemeine Geschäftsbedingungen haben von sich heraus keine Geltung zwischen den Parteien. Sie gelten nur und soweit, als die Parteien sie für ihren Vertrag ausdrücklich oder konkludent übernommen haben ( BGE 118 II 295 E. 2a; Urteile 4A_47/2015 vom 2. Juni 2015 E. 5.1; 4A_548/2013 vom 31. März 2014 E. 3.3.1; 4C.282/2003 vom 15. Dezember 2003 E. 3.1). In einem ersten Schritt ist daher zu prüfen, ob die Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vertragsbestandteil sind. 2.1.1 Ist dies der Fall, gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur, wenn keine individuellen Abreden bestehen, die von den allgemeinen Bedingungen abweichen (Vorrang der Individualabrede; BGE 135 III 225 E. 1.4; BGE 125 III 263 E. 4b/bb; BGE 123 III 35 E. 2c/bb; Urteil 4A_503/2020 vom 19. Januar 2021 E. 5.3 mit weiteren Hinweisen). 2.1.2 Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen können nur dann vom Konsens erfasst sein, wenn die zustimmende Partei bei Vertragsschluss zumindest die Möglichkeit hatte, von ihrem Inhalt in einer zumutbaren Weise Kenntnis zu nehmen (sog. Zugänglichkeitsregel; vgl. BGE 139 III 345 E. 4.4; 77 II 154 E. 4 S. 156; Urteil 4A_47/2015 vom 2. Juni 2015 E. 5.4.1). Für den Versicherungsvertrag bestimmt Art. 3 Abs. 2 VVG (SR 221.229.1) darüber hinaus, dass der Versicherungsnehmer in Besitz der Allgemeinen Versicherungsbedingungen sein muss, wenn er den Versicherungsvertrag beantragt oder annimmt. 2.1.3 Stimmte die Partei der Übernahme der Allgemeinen Geschäftsbedingungen global zu, d.h. ohne diese zu lesen, zur Kenntnis zu nehmen oder deren Tragweite zu verstehen (sog. Globalübernahme; BGE 119 II 443 E. 1a; BGE 109 II 452 E. 4; Urteil 4C.282/2003 vom 15. Dezember 2003 E. 3.1), wird die Geltung Allgemeiner BGE 148 III 57 S. 60 Geschäftsbedingungen durch die sog. Ungewöhnlichkeitsregel eingeschränkt: Der Verfasser von Allgemeinen Geschäftsbedingungen muss nach dem Vertrauensgrundsatz davon ausgehen, dass der Vertragspartner ungewöhnlichen Klauseln nicht zustimmt (Urteil 4A_499/2018 vom 10. Dezember 2018 E. 3.3.3). Entsprechend sind von der global erklärten Zustimmung alle ungewöhnlichen Klauseln ausgenommen, auf deren Vorhandensein die zustimmende Partei nicht gesondert aufmerksam gemacht worden ist ( BGE 138 III 411 E. 3.1; BGE 135 III 1 E. 2.1, BGE 135 III 225 E. 1.3; BGE 119 II 443 E. 1a). Die Ungewöhnlichkeit beurteilt sich aus der Sicht des Zustimmenden im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ( BGE 138 III 411 E. 3.1; BGE 135 III 1 E. 2.1; BGE 119 II 443 E. 1a) unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls ( BGE 135 III 1 E. 2.1; BGE 119 II 443 E. 1a). 2.1.3.1 Die Ungewöhnlichkeitsregel ist ein Instrument der Konsenslehre (Urteil 4A_499/2018 vom 10. Dezember 2018 E. 3.3.2). Sie konkretisiert das Vertrauensprinzip ( BGE 138 III 411 E. 3.1; BGE 135 III 1 E. 2.1 S. 7). Dieses bezweckt den Schutz von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr und zielt nicht primär darauf ab, die schwächere oder unerfahrene Partei vor der stärkeren oder erfahreneren zu schützen. Für die Anwendung der Ungewöhnlichkeitsregel braucht es sich daher beim Zustimmenden nicht zwingend um eine schwächere oder unerfahrene Partei zu handeln. Auch eine stärkere, geschäfts- oder branchenerfahrene Vertragspartei kann von einer global übernommenen Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen überrascht werden und die Ungewöhnlichkeitsregel anrufen (Urteil 4A_499/2018 vom 10. Dezember 2018 E. 3.3.2 mit weiteren Hinweisen). Die Stellung und Erfahrung des Zustimmenden ist dennoch nicht irrelevant, sondern spielt bei der subjektiven Ungewöhnlichkeit eine Rolle. 2.1.3.2 Die AGB-Klausel hat nämlich für die zustimmende Partei zunächst subjektiv ungewöhnlich zu sein. Zu berücksichtigen ist unter anderem, ob der Zustimmende geschäfts- und branchenkundig ist: Je weniger geschäfts- oder branchenerfahren er ist, umso eher wird eine Klausel für ihn ungewöhnlich sein (Urteil 4A_499/2018 vom 10. Dezember 2018 E. 3.3.3). So können branchenübliche Klauseln für einen Branchenfremden ungewöhnlich sein, für einen Branchenkenner demgegenüber nicht ( BGE 138 III 411 E. 3.1; BGE 119 II 443 E. 1a). Branchenkenntnis oder Geschäftserfahrung schliesst aber die Ungewöhnlichkeit nicht zwingend aus. Auch für einen Branchenkundigen oder Geschäftserfahrenen kann eine AGB-Klausel unter BGE 148 III 57 S. 61 Umständen ungewöhnlich sein (Urteil 4A_499/2018 vom 10. Dezember 2018 E. 3.3.3). 2.1.3.3 Neben der subjektiven Ungewöhnlichkeit hat die fragliche Klausel objektiv beurteilt einen geschäftsfremden Inhalt aufzuweisen, damit die Ungewöhnlichkeitsregel zur Anwendung gelangt. Sie hat mithin objektiv ungewöhnlich zu sein. Dies ist dann zu bejahen, wenn sie zu einer wesentlichen Änderung des Vertragscharakters führt oder in erheblichem Masse aus dem gesetzlichen Rahmen des Vertragstypus fällt. Je stärker eine Klausel die Rechtsstellung des Vertragspartners beeinträchtigt, desto eher ist sie als ungewöhnlich zu qualifizieren ( BGE 138 III 411 E. 3.1; BGE 135 III 1 E. 2.1, BGE 135 III 225 E. 1.3). Bei Versicherungsverträgen sind auch die berechtigten Deckungserwartungen zu berücksichtigen ( BGE 138 III 411 E. 3.1; Urteile 4A_232/2019 vom 18. November 2019 E. 2.2; 4A_48/2015 vom 29. April 2015 E. 2.1). Entsprechend kann eine in allgemeinen Versicherungsbedingungen vorgesehene Haftungsbeschränkung als ungewöhnlich qualifiziert werden, wenn der durch die Bezeichnung und Werbung beschriebene Deckungsumfang erheblich reduziert wird, so dass gerade die häufigsten Risiken nicht mehr gedeckt sind ( BGE 138 III 411 E. 3.1; Urteile 4A_176/2018 vom 6. August 2018 E. 4.2; 4A_152/2017 vom 2. November 2017 E. 4.3; 4A_187/2007 vom 9. Mai 2008 E. 5.4.2; 5C.134/2004 vom 1. Oktober 2004 E. 4.2; 5C.53/2002 vom 6. Juni 2002 E. 3.1). 2.1.3.4 Das Bundesgericht prüft die Anwendung der Ungewöhnlichkeitsregel als Rechtsfrage frei ( Art. 106 Abs. 1 BGG ; BGE 142 V 466 E. 6.2; BGE 140 V 50 E. 2.3). Es ist dabei an die Feststellungen der kantonalen Gerichte über die äusseren Umstände sowie das Wisen und Wollen der Beteiligten grundsätzlich gebunden ( Art. 105 Abs. 1 BGG ; BGE 138 III 411 E. 3.4). 2.2 Haben die Parteien die Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Vertrag übernommen, ist in einem zweiten Schritt der Inhalt durch Auslegung zu ermitteln. 2.2.1 Allgemeine Geschäftsbedingungen sind grundsätzlich nach denselben Prinzipien auszulegen wie andere vertragliche Bestimmungen ( BGE 142 III 671 E. 3.3; BGE 135 III 1 E. 2). Entscheidend ist demnach in erster Linie der übereinstimmende wirkliche Wille der Vertragsparteien und in zweiter Linie, falls ein solcher nicht festgestellt werden kann, die Auslegung der Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips ( BGE 142 III 671 E. 3.3; BGE 140 III 391 E. 2.3). BGE 148 III 57 S. 62 Dabei ist vom Wortlaut der Erklärungen auszugehen, welche jedoch nicht isoliert, sondern aus ihrem konkreten Sinngefüge heraus zu beurteilen sind ( BGE 146 V 28 E. 3.2; BGE 142 III 671 E. 3.3; BGE 140 III 391 E. 2.3). Auch wenn der Wortlaut auf den ersten Blick klar erscheint, darf es also nicht bei einer reinen Wortauslegung sein Bewenden haben ( BGE 131 III 606 E. 4.2; BGE 130 III 417 E. 3.2; BGE 129 III 702 E. 2.4.1; BGE 127 III 444 E. 1b). Vielmehr sind die Erklärungen der Parteien so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten ( BGE 146 V 28 E. 3.2; BGE 145 III 365 E. 3.2.1; BGE 144 III 327 E. 5.2.2.1). Das Gericht hat auch den vom Erklärenden verfolgten Regelungszweck zu beachten, wie ihn der Erklärungsempfänger in guten Treuen verstehen durfte und musste ( BGE 146 V 28 E. 3.2; BGE 142 III 671 E. 3.3; BGE 140 III 391 E. 2.3). Für die Auslegung einer von der einen Vertragspartei aufgesetzten Vertragsbestimmung ist demnach entscheidend, welches Regelungsziel die andere Vertragspartei darin als redliche Geschäftspartnerin vernünftigerweise erkennen durfte und musste (Urteile 4A_203/2019 vom 11. Mai 2020 E. 3.3.2.2., nicht publ. in: BGE 146 III 254 ; 4A_652/2017 vom 24. August 2018 E. 5.1.2; 4C.443/1996 vom 26. März 1997 E. 2a). Dabei ist für den Regelfall anzunehmen, dass der Erklärungsempfänger davon ausgehen durfte, der Erklärende strebe eine vernünftige, sachgerechte Regelung an (Urteile 4A_652/2017 vom 24. August 2018 E. 5.1.2; 4C.443/ 1996 vom 26. März 1997 E. 2a). Das Bundesgericht überprüft diese objektivierte Auslegung von Wilenserklärungen als Rechtsfrage, wobei es an Feststellungen des kantonalen Gerichts über die äusseren Umstände sowie das Wissen und Wollen der Beteiligten grundsätzlich gebunden ist ( Art. 105 Abs. 1 BGG ; BGE 146 V 28 E. 3.2; BGE 144 III 93 E. 5.2.3; BGE 142 III 671 E. 3.3). 2.2.2 Mehrdeutige Wendungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen sind im Zweifel zu Lasten jener Partei auszulegen, die sie verfasst hat (sog. Unklarheitsregel). In allgemeinen Versicherungsbedingungen sind mehrdeutige Klauseln somit gegen den Versicherer als deren Verfasser zu interpretieren ( BGE 146 III 339 E. 5.2.3; BGE 133 III 61 E. 2.2.2.3, BGE 133 III 607 E. 2.2; BGE 124 III 155 E. 1b). Für den Versicherungsvertrag konkretisiert Art. 33 VVG die Unklarheitsregel insofern, als der Versicherer für alle Ereignisse haftet, welche die Merkmale der versicherten Gefahr an sich tragen, es sei denn, dass der Vertrag einzelne Ereignisse in "bestimmter, unzweideutiger Fasung" von der Versicherung ausschliesst (Urteil 4A_92/2020 vom BGE 148 III 57 S. 63 5. August 2020 E. 3.2.2). Es ist somit am Versicherer, die Tragweite der Verpflichtung, die er eingehen will, genau zu begrenzen ( BGE 135 III 410 E. 3.2; BGE 133 III 675 E. 3.3; zu Art. 33 VVG vgl. auch Urteil 4A_153/2015 vom 25. Juni 2015 E. 4.1). Die Unklarheitsregel kommt jedoch nur subsidiär zur Anwendung, wenn sämtliche übrigen Auslegungsmittel versagen ( BGE 133 III 61 E. 2.2.2.3; BGE 122 III 118 E. 2a und E. 2d; Urteile 4A_279/2020 vom 23. Februar 2021 E. 6.2; 4A_81/2020 vom 2. April 2020 E. 3.1). Es genügt mithin nicht, dass die Parteien über die Bedeutung einer Erklärung streiten, sondern es ist vorausgesetzt, dass die Erklärung nach Treu und Glauben auf verschiedene Weise verstanden werden kann ( BGE 118 II 342 E. 1a) und es nicht möglich ist, den Zweifel mit den übrigen Auslegungsmitteln zu beseitigen (Urteile 4A_92/ 2020 vom 5. August 2020 E. 3.2.2; 4A_186/2018 vom 4. Juli 2019 E. 4.1; 4A_152/2017 vom 2. November 2017 E. 4.2). Wie die Anwendung der Ungewöhnlichkeitsregel prüft das Bundesgericht die Anwendung der Unklarheitsregel als Rechtsfrage frei (dazu E. 2.1.3.4).
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Sachverhalt ab Seite 13 BGE 142 V 12 S. 13 A. Der 1947 geborene A. bezieht seit 1. Juli 2012 eine AHV-Rente. Im Januar 2014 meldete er sich, nachdem er seine Erwerbstätigkeit Ende 2013 aufgegeben hatte, zum Bezug von Ergänzungsleistungen (EL) an. Mit Verfügung vom 25. März 2014 lehnte die Ausgleichskasse des Kantons Zug einen Anspruch auf EL ab; sie rechnete dabei der Ehefrau des Gesuchstellers, geboren 1961, ein hypothetisches Einkommen an, sodass insgesamt ein Einnahmenüberschuss resultierte. Daran wurde auf Einsprache hin festgehalten (Einspracheentscheid vom 12. September 2014). B.
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Die hiergegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Zug insoweit teilweise gut, als es die Verfügung vom 25. März 2014 und den Einspracheentscheid vom 12. September 2014 aufhob und die Sache zum Neuentscheid im Sinne der Erwägungen an die Ausgleichskasse zurückwies. Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen (Entscheid vom 16. April 2015 [samt Berichtigung vom 28. April 2015]). C. Die Ausgleichskasse führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei der Einspracheentscheid vom 12. September 2014 zu bestätigen. Während die Vorinstanz und A. auf Abweisung der Beschwerde schliessen (lassen), verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) auf eine Vernehmlassung. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. BGE 142 V 12 S. 14 Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Die jährliche Ergänzungsleistung ( Art. 3 Abs. 1 lit. a ELG [SR 831.30]) entspricht dem Betrag, um den die anerkannten Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen übersteigen ( Art. 9 Abs. 1 ELG ). Als Einnahmen angerechnet werden zwei Drittel der Erwerbseinkünfte in Geld oder Naturalien, soweit sie bei alleinstehenden Personen jährlich Fr. 1'000.- und bei Ehepaaren und Personen mit rentenberechtigten Waisen oder mit Kindern, die einen Anspruch auf eine Kinderrente der AHV oder IV begründen, Fr. 1'500.- übersteigen (Art. 11 Abs. 1 lit. a Teilsatz 1 ELG). Angerechnet werden ferner Einkünfte und Vermögenswerte, auf die verzichtet worden ist ( Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG ). Sie werden in gleicher Weise in die EL-Berechnung einbezogen wie Einkünfte und Vermögenswerte, auf die nicht verzichtet worden ist (vgl. auch Rz. 3481.01 der Wegleitung des BSV über die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV [WEL], gültig ab 1. April 2011). 3.2 Unter dem Titel des Verzichtseinkommens ( Art. 11 Abs. 1 lit. a und g ELG ) ist auch ein hypothetisches Einkommen des Ehegatten eines EL-Ansprechers anzurechnen (vgl. Art. 9 Abs. 2 ELG ), sofern auf eine zumutbare Erwerbstätigkeit oder deren zumutbare Ausdehnung verzichtet wird ( BGE 117 V 287 E. 3b S. 290 ff.; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts P 18/99 vom 22. September 2000 E. 1b, in: AHI 2001 S. 132; vgl. auch RALPH JÖHL, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 1758 f. Rz. 178). Bei der Ermittlung einer allfälligen zumutbaren Erwerbstätigkeit der Ehefrau oder des Ehemannes ist der konkrete Einzelfall unter Anwendung familienrechtlicher Grundsätze (vgl. Art. 163 ZGB ) zu berücksichtigen ( BGE 117 V 287 E. 3c S. 292). Dementsprechend ist auf das Alter, den Gesundheitszustand, die Sprachkenntnisse, die Ausbildung, die bisherige Tätigkeit, die konkrete Arbeitsmarktlage sowie gegebenenfalls auf die Dauer der Abwesenheit vom Berufsleben abzustellen ( BGE 134 V 53 E. 4.1 S. 61; BGE 117 V 287 E. 3a S. 290; Urteile 8C_589/2007 vom 14. April 2008 E. 5.1 und des Eidg. Versicherungsgerichts P 40/03 vom 9. Februar 2005 E. 2, in: SVR 2007 EL Nr. 1 S. 1, sowie P 18/99 vom 22. September 2000 E. 1b, in: AHI 2001 S. 132; je mit weiteren Hinweisen). Ferner ist bei der Festlegung eines hypothetischen Einkommens zu berücksichtigen, dass für die Aufnahme und Ausdehnung der BGE 142 V 12 S. 15 Erwerbstätigkeit eine gewisse Anpassungsperiode erforderlich und nach einer langen Abwesenheit vom Berufsleben die volle Integration in den Arbeitsmarkt in einem gewissen Alter nicht mehr möglich ist. Dem wird im Rahmen der Ergänzungsleistung dadurch Rechnung getragen, dass der betreffenden Person allenfalls eine realistische Übergangsfrist für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder Erhöhung des Arbeitspensums zuzugestehen ist, bevor ein hypothetisches Erwerbseinkommen angerechnet wird (Urteile 9C_265/2015 vom 12. Oktober 2015 E. 3.4.1 und 9C_630/2013 vom 29. September 2014 E. 3 mit Hinweis, in: SZS 2015 S. 61). 4. Letztinstanzlich unbestritten geblieben - und daher für das Bundesgericht verbindlich (vgl. nicht publ. E. 2) - ist die Feststellung des kantonalen Gerichts, wonach von einer generellen Zumutbarkeit der arbeitsmarktlichen Integration der Ehefrau des Beschwerdegegners und damit von einer grundsätzlichen Anrechenbarkeit eines entsprechenden hypothetischen Erwerbseinkommens im Rahmen der EL-Anspruchsermittlung auszugehen ist. Streitgegenstand bildet einzig die Frage, ob zu Recht entschieden wurde, die Anrechnung des diesbezüglichen Einkommens sei erst nach einer angemessenen Anpassungszeit bzw. Übergangsfrist zulässig. 5. 5.1 Gemäss Art. 9 Abs. 5 lit. c ELG in Verbindung mit Art. 14a Abs. 2 ELV (SR 831.301) wird teilinvaliden EL-Bezügern unter 60 Jahren ein je nach Invaliditätsgrad abgestuftes hypothetisches Erwerbseinkommen angerechnet (Rz. 3424.02 WEL). Gleiches gilt im Falle nicht invalider Witwen ohne minderjährige Kinder ( Art. 9 Abs. 5 lit. c ELG in Verbindung mit Art. 14b ELV ; Rz. 3425.02 WEL). Die Herabsetzung einer laufenden EL infolge der Anrechnung eines Mindesteinkommens nach den Art. 14a Abs. 2 und Art. 14b ELV wird erst sechs Monate nach Zustellung der entsprechenden Verfügung wirksam ( Art. 25 Abs. 4 ELV ; Rz. 4130.05 f. WEL). 5.2 Unter den Parteien ist zu Recht unbestritten, dass Art. 25 Abs. 4 ELV in Fällen wie dem hier zu beurteilenden nicht zur Anwendung gelangt, auch nicht analogieweise (Urteil 9C_630/2013 vom 29. September 2014 E. 5.1 mit Hinweisen, in: SZS 2015 S. 61). In der WEL wird die Einräumung einer Anpassungsfrist jedoch für zwei weitere Konstellationen ausdrücklich bejaht: Zum einen für den Fall, dass die laufende EL auf Grund der Anrechnung eines hypothetischen Erwerbseinkommens für den nicht invaliden Ehegatten eines BGE 142 V 12 S. 16 invaliden EL-Bezügers reduziert werden muss (Rz. 3482.06 WEL). Eine Übergangszeit von sechs Monaten zur Aufnahme einer nicht qualifizierten, mit Fr. 1'500.- monatlich entschädigten Teilerwerbstätigkeit wurde dabei als grosszügig bemessen betrachtet (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts P 40/03 vom 9. Februar 2005, in: SVR 2007 EL Nr. 1 S. 1). In Rz. 3482.07 WEL hält das BSV ferner fest, dass, falls das Einkommen aus einer selbstständigen Erwerbstätigkeit wesentlich tiefer ausfällt als ein Einkommen, welches die EL-beziehende Person als Arbeitnehmerin zumutbarerweise erzielen könnte, letzteres als Erwerbseinkommen anzurechnen ist. Die Anpassung ist der Person diesfalls anzukündigen und es ist ihr eine Frist von höchstens zwölf Monaten zu gewähren. 5.3 Im kantonalen Entscheid wurde in Anbetracht der beschriebenen zwei Fallgruppen erwogen, die Forderung, auch im vorliegenden Kontext einer erstmalig beantragten EL eine Übergangsfrist - allenfalls per analogiam - zu berücksichtigen, erweise sich im Lichte der skizzierten Rechtslage als angezeigt. Dafür sprächen überdies die konkreten Gegebenheiten, welche zwar keine Unzumutbarkeit der Arbeitsaufnahme zu begründen vermöchten, die indes verdeutlichten, dass die Ehefrau des Beschwerdegegners auf der Arbeitssuche wohl mit grösseren Schwierigkeiten konfrontiert sei als andere Betroffene. Die Sache sei deshalb an die Beschwerdeführerin zurückzuweisen, damit sie eine angemessene Anpassungszeit festsetze. Die Beschwerdeführerin bringt dagegen im Wesentlichen vor, die Rechtsauffassung der Vorinstanz, wonach vorliegend hinsichtlich der als grundsätzlich zumutbar erklärten Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ebenfalls eine Übergangszeit zu beachten sei, treffe nicht zu. Wenn das kantonale Gericht sich auf das Urteil 8C_172/2007 vom 6. Februar 2008 sowie auf die in der WEL erwähnten Fallbeispiele beziehe und die Übergangszeit "per analogiam" auch hier für zur Einhaltung angezeigt erachte, halte dies rechtlich nicht stand. Es sei nicht ersichtlich, weshalb eine Übergangszeit, welche bei laufenden EL im Rahmen einer Revision oder bei Aufforderung, die selbstständige Erwerbstätigkeit aufzugeben, einzuhalten sei, auch gewährt werden solle, wenn bei einer Neuanmeldung grundsätzlich bewusst und ohne Anpassungsgründe auf das Erzielen eines Einkommens verzichtet werde. Gegenstand des Urteils 8C_172/2007 sei nicht die Frage gewesen, ob eine Übergangsfrist zu Recht oder Unrecht eingeräumt worden sei oder nicht. Vielmehr habe das Bundesgericht einzig die Zumutbarkeit der Erwerbsaufnahme der Ehefrau BGE 142 V 12 S. 17 eines invaliden EL-Ansprechers beurteilen müssen. Auch dem im genannten Urteil zitierten Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts P 18/02 vom 9. Juli 2002 lasse sich sodann nichts Genaueres über den zugrunde liegenden Sachverhalt entnehmen. Die übrigen im Urteil 8C_172/2007 in diesem Zusammenhang erwähnten Urteile beträfen ferner Fälle, in welchen laufende EL-Ansprüche revidiert worden seien und auf Grund des Alters der Kinder neu die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch die Ehefrau zu prüfen gewesen sei. 5.4 Nach den unter E. 3.2 hiervor dargelegten Grundsätzen ist nicht invaliden Ehegatten von EL-Ansprechern im Einzelfall eine realistische Übergangsfrist für die zumutbare Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder Ausdehnung des Arbeitspensums einzuräumen. Anders als die Beschwerdeführerin annimmt, gilt dies rechtsprechungsgemäss sowohl für laufende als auch für erstmals beantragte Ergänzungsleistungen (Urteile 9C_630/2013 vom 29. September 2014 E. 5.1, in: SZS 2015 S. 61; 8C_172/2007 vom 6. Februar 2008 E. 4.2; des Eidg. Versicherungsgerichts P 28/04 vom 30. August 2004 E. 2.2 und 4.4; P 18/02 vom 9. Juli 2002 E. 1b und 4 sowie P 18/99 vom 22. September 2000 E. 1b und 2d, je in fine, in: AHI 2001 S. 132). Darauf hinzuweisen ist indessen, dass in den erwähnten Urteilen 9C_265/2015 vom 12. Oktober 2015 und 9C_630/2013 vom 29. September 2014 (in: SZS 2015 S. 61) über den EL-Leistungsanspruch von Bezügern einer IV-Rente zu befinden war. Im vorliegenden Fall handelt es sich demgegenüber um einen im Zusammenhang mit dem Bezug einer AHV-Rente gestellten Antrag auf EL. Diese beiden Konstellationen unterscheiden sich insofern massgeblich, als der AHV-Rentenbeginn regelmässig vorausseh- und planbar ist. Eine integrale Übertragung der angeführten Rechtsprechung auf die hier zu beurteilende Sachlage erscheint daher nicht ohne Weiteres als sachgerecht. Vielmehr gilt es diesbezüglich zu präzisieren, dass eine Übergangsfrist ab Beginn des potenziellen EL-Bezugs dort nicht einzuräumen ist, wo mit Blick auf einen absehbaren künftigen EL-Bezug des einen Ehepartners dem anderen Ehepartner im Vorfeld genügend Zeit zur Verfügung stand, um sich erwerblich einzugliedern. Mit Eintritt in das AHV-Rentenalter ist im Regelfall mit einer Aufgabe der Erwerbstätigkeit zu rechnen. Zeichnet sich eine solche ab, kann der Ehepartner des EL-Ansprechers nicht bis zum letzten Moment der Aufgabe der Erwerbstätigkeit mit der Arbeitssuche zuwarten. Die gegenteilige Betrachtungsweise nähme in Kauf, dass die Eheleute durch entsprechende Dispositionen in der Lebensführung die EL-Berechtigung zu optimieren vermöchten, was abzulehnen ist. BGE 142 V 12 S. 18 5.4.1 Der Beschwerdegegner bezieht seit 1. Juli 2012 eine AHV-Altersrente. Er arbeitete in der Folge noch bis Ende 2013 in unselbstständiger Stellung. Hat es sich dabei um ein befristetes Arbeitsverhältnis gehandelt, verfügte die Ehefrau zweifellos über genügend Zeit, sich um eine eigene Tätigkeit zu kümmern. Soweit er aber unbefristet angestellt war, stellt sich die Frage nach der Kündigungsfrist ( Art. 335c OR ). Je nach deren Länge ist - je nach Integrationsmöglichkeit der Ehefrau in den Arbeitsmarkt - nur, aber immerhin, eine "zusätzliche" Anpassungsfrist zu gewähren (vgl. Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts P 18/99 vom 22. September 2000, in: SVR 2001 EL Nr. 5 S. 13, in welchem Fall es ebenfalls um AHV und EL ging). Der "Stichtag" der Kündigung erweist sich dabei als praktikabler Anknüpfungspunkt. Anders als danach zu fragen, wann der Entschluss zur Erwerbsaufgabe gefasst worden ist, stellt die Kündigung eine in Bezug auf die Absehbarkeit des künftigen EL-Bezugs fixe und nicht manipulierbare und damit objektive Richtgrösse dar. 5.4.2 Die Akten enthalten keine Hinweise auf die Kündigungsmodalitäten des bis Ende 2013 vom Beschwerdegegner ausgeübten Anstellungsverhältnisses. Der Arbeitsbestätigung der B. AG vom 23. Dezember 2013 ist einzig zu entnehmen, dass der Beschwerdegegner im Dezember 2013 noch für die Unternehmung gearbeitet hatte, ab dem 1. Januar 2014 aber definitiv nicht mehr bei ihr angestellt gewesen war. Handschriftlich vermerkt ist sodann gleichenorts, dass das Arbeitsverhältnis vom 1. April bis 31. Dezember 2013 gedauert habe. Ist auf Grund der vorhandenen Unterlagen somit nicht eruierbar, ob es sich um eine befristete oder unbefristete Anstellung gehandelt hat bzw., im zweitgenannten Fall, in welchem Zeitpunkt die Kündigung erfolgt ist, lassen sich keine Rückschlüsse darauf ziehen, ob und bejahendenfalls in welchem zeitlichen Ausmass eine Übergangsfrist einzuräumen ist. Der Vorinstanz ist vor diesem Hintergrund keine zu sanktionierende Bundesrechtsverletzung vorzuwerfen, wenn sie die Angelegenheit an die Beschwerdeführerin zurückgewiesen hat, damit sie die (allenfalls) zu gewährende Anpassungszeit in Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse festsetze. Zu präzisieren ist jedoch, dass die Ausgleichskasse in erster Linie die hiervor genannten Aspekte zu klären und je nach Ergebnis, in einem zweiten Schritt, zusätzlich den kantonalgerichtlichen Vorgaben Rechnung zu tragen haben wird. Anzufügen ist ferner, dass im Falle einer rückwirkenden EL-Zusprechung die realistische Übergangsfrist für die zumutbare BGE 142 V 12 S. 19 Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht erst ab Verfügungserlass zu laufen beginnt, sondern bereits ab allfälligem EL-Anspruchsbeginn (Urteil 9C_630/2013 vom 29. September 2014 E. 5.2, in: SZS 2015 S. 61). 5.5 Die in der Beschwerde dagegen erhobenen Einwände vermögen keine offensichtliche Unrichtigkeit der diesbezüglichen Feststellung des kantonalen Gerichts zu begründen. Den Argumenten, wonach es der aus Asien stammenden Ehefrau des Beschwerdegegners, welche sich vom 14. Mai 2008 bis 30. November 2010 und hernach wiederum ab 15. Dezember 2011 in der Schweiz aufgehalten hat, zumutbar gewesen wäre, sich hier mit Blick auf die zukünftige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in sprachlicher und anderweitiger Hinsicht zu assimilieren, wurde im vorinstanzlichen Entscheid bereits durch die Bejahung der generellen Zumutbarkeit der arbeitsmarktlichen Integration Beachtung geschenkt. Dies gilt insbesondere auch bezüglich der Hinweise auf den guten Bildungsstand der Betroffenen, ihre Kenntnisse der englischen Sprache sowie die fehlenden Betreuungs- und Erziehungsaufgaben. Dem Vorwurf, dass die Ehefrau des EL-Ansprechers es trotz verwertbarer erwerblicher Leistungsfähigkeit auch angesichts des sich nach Aufgabe der Erwerbstätigkeit ihres Ehegatten Ende Dezember 2013 abzeichnenden finanziellen Engpasses unterlassen habe, sich um eine Anstellung zu bemühen, und damit der ihr auf Grund der ehelichen Unterhaltspflicht ebenfalls obliegenden Schadenminderungspflicht nur ungenügend nachgekommen sei (vgl. Urteil 9C_630/2013 vom 29. September 2014 E. 5.2 mit weiteren Hinweisen, in: SZS 2015 S. 61), wird die Beschwerdeführerin, wie hiervor aufgezeigt, im Rahmen der Rückweisung nachgehen. (...)
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Sachverhalt ab Seite 335 BGE 108 Ib 334 S. 335 Die Eheleute Hermann und Josy Abegg sind Gesamteigentümer der Liegenschaft GB Nr. 1864 "Chermatte" in Sarnen. Das 21'417 m2 grosse Grundstück wurde durch den ersten Zonenplan, der am 1. April 1964 in Kraft trat, mit 5170 m2 entlang der Sarner Aa in die Freihaltezone, mit 10'990 m2 in die Zone für öffentliche Bauten und Werke und mit 5257 m2 in die Wohnzone W 2 eingewiesen. Am 17. Mai 1977 trat ein neues Baureglement mit Zonenplan in Kraft. Dieser brachte für die "Chermatte" folgende Änderungen: Die Zone für öffentliche Bauten und Werke wurde zu 2860 m2 zu Lasten der Freihaltezone (neue Bezeichnung: Landschaftsschutzzone) und zu 3710 m2 zu Lasten der Wohnzone W 2 ausgedehnt. Der in der Wohnzone verbleibende Flächenanteil von 1449 m2 wurde in die Wohnzone W 3 umgeteilt. Dieser Zone wurde auch der kleine Abschnitt des Cherwegs im Ausmass von 170 m2 zugewiesen, der gemäss Zonenplan 1964 zur Zone für öffentliche Bauten und Werke gehört hatte. Sowohl in der Zone für öffentliche Bauten und Werke als auch in der Freihalte- beziehungsweise Landschaftsschutzzone gilt für Privatbauten ein grundsätzliches Bauverbot (Art. 28 Abs. 2 und Art. 30 Abs. 2 des früheren Baureglements der Gemeinde Sarnen, aBauR; Art. 23 Abs. 1 und 2 des früheren Obwaldner Baugesetzes, aBauG; Art. 34 Abs. 2 und Art. 36 Abs. 2 Baureglements der Gemeinde Sarnen vom 19. März 1976, BauR; Art. 24 Abs. 1 und 2 des Baugesetzes des Kantons Obwalden vom 4. Juni 1972, BauG). Kommt das Bauverbot einer Enteignung gleich, so kann der Grundeigentümer vom Gemeinwesen unter anderem die Übernahme BGE 108 Ib 334 S. 336 des Bodens gegen volle Entschädigung verlangen (Art. 23 Abs. 3 aBauG; Art. 24 Abs. 3 BauG; Art. 51 Abs. 1 BauR). Nachdem ein Verkauf der "Chermatte" an die Dorfschaftsgemeinde an der Ablehnung in der Volksabstimmung gescheitert war, machten Hermann und Josy Abegg das Heimschlagsrecht gegen volle Entschädigung geltend. Das Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden, das den Fall in zweiter Instanz zu beurteilen hatte, bezeichnete das Heimschlagsrecht als Anspruch der Grundeigentümer, vom Gemeinwesen die formelle Enteignung eines materiell enteigneten Grundstücks zu verlangen. Die Entschädigungsfrage stelle sich daher in gleicher Weise wie bei der formellen Enteignung. Der Anspruch auf volle Entschädigung umfasse in erster Linie den Schaden des Eigentumsentzugs, d.h. aus formeller Enteignung; zudem sei zu prüfen, ob dem Enteigneten allenfalls Ansprüche aus materieller Enteignung zustehen. Von dieser Zweiteilung ging es aus, um - mangels einer Regelung im kantonalen Recht - den massgebenden Bewertungszeitpunkt zu ermitteln. Dabei folgte es zunächst schweizerischer Lehre und Rechtsprechung, wonach für die Entschädigungspflicht und die Bemessung der Entschädigung aus materieller Enteignung in der Regel die Verhältnisse bei Inkrafttreten der Eigentumsbeschränkung massgebend sind. Demgegenüber wird bei der formellen Enteignung für die Beurteilung der Qualität des Grundstücks wie auch für die Ermittlung der Preisverhältnisse in der Regel auf den Zeitpunkt des Entscheids der Schatzungskommission abgestellt. Indessen folgte das Gericht deutscher Rechtsauffassung, indem es annahm, für jene Fälle dränge sich eine Ausnahme auf, wo eine der Enteignung beziehungsweise dem Heimschlag zeitlich vorausgegangene Eigentumsbeschränkung als Vorwirkung der späteren Enteignung aufzufassen sei, wenn nämlich die verbindliche Planungsmassnahme und die Enteignung in ursächlichem Zusammenhang stünden und als einheitliche Enteignungsmassnahme erschienen. Das sei der Fall, wenn auf Grund einer rechtskräftigen Planung die Enteignung des Grundstücks mit Sicherheit zu erwarten sei. Für die Beurteilung der Qualität des zu enteignenden Grundstücks sei - im Unterschied zur Ermittlung der Entschädigung - auf den Zeitpunkt abzustellen, von dem an jede konjunkturelle Entwicklung des Grundstücks verhindert wurde. Was die Verjährung von Entschädigungsforderungen aus formeller und materieller Enteignung betrifft, nahm das Verwaltungsgericht mangels einer Regelung im kantonalen Recht in Anlehnung an das eidgenössische BGE 108 Ib 334 S. 337 Luftfahrts- und das Nationalstrassenrecht eine Frist von fünf Jahren an. Anhand dieser Grundsätze gelangte das Gericht zu folgendem Ergebnis: Den grössten Teil der Zone für öffentliche Bauten und Werke und damit den Hauptteil der Heimschlagsfläche beurteilte es in Anlehnung an die deutsche Rechtsauffassung. Bei Inkrafttreten des Zonenplans 1964 habe die "Chermatte" Baulandqualität aufgewiesen. Bewertungszeitpunkt sei der 9. Oktober 1979, das Datum des Entscheides der Schatzungskommission. Ein Preis von Fr. 130.--/m2, wie ihn die Schatzungskommission für das gemäss Zonenplan 1964 der Wohnzone W 2 zugewiesene Land angenommen habe, erscheine zu hoch; angemessen seien Fr. 120.--/m2. Für den Landabschnitt von 170 m2 des bisherigen Cherwegs erachtete es mit der Schatzungskommission einen Preis von Fr. 20.--/m2 als richtig. Nach der Auffassung des Gerichts bewirkte einzig jener Abschnitt der 1964 angeordneten Freihaltezone, welcher der damals festgelegten Zone für öffentliche Bauten und Anlagen vorgelagert war, schon im Jahre 1964 definitiv eine materielle Enteignung. Die darauf gestützte Entschädigungsforderung erachtete es als verjährt. Für den Verbleibenden Kulturlandwert jenes Abschnitts bezeichnete es den von der Schatzungskommission ermittelten Preis von Fr. 1.50/m2 als angemessen. Den Wert der von der Schatzungskommission als Vorgartenland bezeichneten und mit Fr. 80.--/m2 geschätzten Fläche setzte es auf Fr. 40.--/m2 herab. Sowohl Josy und Hermann Abegg als auch die Dorfschaftsgemeinde und die Einwohnergemeinde Sarnen fechten das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 21. Januar/11. Februar 1981 mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht an. Das Bundesgericht heisst beide Beschwerden teilweise gut.
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Erwägungen Auszug aus den Erwägungen: 4. a) Die "Chermatte" wurde 1964 abgesehen von einem kleineren Wohnzonenanteil hauptsächlich der Zone für öffentliche Bauten und Werke und zu einem geringeren Teil der Freihaltezone zugewiesen. 1977 wurde die Zone für öffentliche Bauten und Werke ausgedehnt; die Freihaltezone erhielt die neue Bezeichnung "Landschaftsschutzzone". Sowohl die Zone für öffentliche Bauten und Werke als auch die Freihalte- bzw. Landschaftsschutzzone bewirken im wesentlichen ein Bauverbot für private Bauten (Art. 23 Abs. 1 und 2 aBauG; Art. 24 Abs. 1 und 2 BauG; Art. 28 Abs. 2, Art. 30 Abs. 2 aBauR; Art. 34 Abs. 2, Art. 36 Abs. 2 BGE 108 Ib 334 S. 338 BauR). Da die "Chermatte" bei Inkrafttreten des Zonenplans 1964 Baulandcharakter hatte und bei Erlass des Zonenplans 1977 noch über rund 5000 m2 Wohnzonenfläche verfügte, kommen die Bauverbote beider Zonenarten nach der zutreffenden Auffassung des Verwaltungsgerichts einer Enteignung gleich. Die "Chermatte" ist somit seit 1964 zur Hauptsache und seit 1977 zu einem zusätzlichen Teil von einer materiellen Enteignung betroffen. Damit war die Voraussetzung für die Geltendmachung des Heimschlagsrechts erfüllt; nach Obwaldner Recht stellt nämlich das Heimschlagsrecht eine Folge der materiellen Enteignung dar, im Gegensatz etwa zum früheren Zürcher Baugesetz, das es als davon unabhängiges, selbständiges Institut ausgestaltet hat (vgl. Urteil Blaser und Lüthi gegen Staat Zürich vom 17. Februar 1982, veröffentlicht in ZBl 83/1982, S. 208). b) Dass die Grundeigentümer vom Gemeinwesen die Übernahme des belasteten Grundstücks verlangt haben, ändert nichts daran, dass eine materielle Enteignung vorliegt. Diese wird durch die Übernahme des Grundstücks durch das Gemeinwesen nicht in eine formelle Enteignung umgewandelt; sie wird lediglich durch eine formelle Enteignung ergänzt, soweit es um die Bewertung und Übernahme des bereits auf den Landwirtschaftswert reduzierten Grundstücks geht. Das Inkrafttreten der Eigentumsbeschränkung hat den Minderwert verursacht und die weitere Wertsteigerung als Bauland verhindert ( BGE 97 I 814 /815). c) Da das öffentliche Recht des Kantons Obwalden keine speziellen Regeln über die Berechnung der Heimschlagsentschädigung enthält, ist die volle Entschädigung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 RPG nach der Methode zu ermitteln, die sich aus der zitierten Rechtsprechung ergibt. Demnach ist davon auszugehen, dass die materielle Enteignung in jenem Zeitpunkt stattfindet, in dem die Eigentumsbeschränkung formell in Rechtskraft erwächst. In diesem Moment verliert das belastete Land seinen vormaligen Wert; es hat nur noch einen Restwert, der bei nicht überbauten Grundstücken in der Regel dem landwirtschaftlichen Wert entspricht. Da es seit Inkrafttreten der Eigentumsbeschränkung kein Bauland mehr ist, macht das Grundstück keine Baulandpreissteigerungen mehr mit. Für die Berechnung der Entschädigung aus materieller Enteignung ist somit vom Landwert in jenem Zeitpunkt auszugehen, in dem die Eigentumsbeschränkung in Kraft getreten ist ( BGE 97 I 814 ; BGE 93 I 144 ). BGE 108 Ib 334 S. 339 Der Restwert, der dem Grundstück nach Inkrafttreten der Eigentumsbeschränkung verbleibt, macht die Preisänderung mit, die sich von diesem Zeitpunkt an für landwirtschaftlichen Boden ergeben. Wird das Heimschlagsrecht erst Jahre nach der materiellen Enteignung ausgeübt, so hat die Entschädigung für die formelle Enteignung dem Wert im Zeitpunkt des Heimschlags zu entsprechen. Nur wenn zwischen dem Zeitpunkt der materiellen und jenem der formellen Enteignung keine nennenswerte Preisentwicklung stattgefunden hat, kann davon abgesehen werden, die Schätzungstage auseinanderzuhalten. 5. Mit Inkrafttreten des Zonenplans 1964 ist der grösste Teil der "Chermatte" von einem Verbot für private Bauten betroffen worden. Die Entschädigungsansprüche aus materieller Enteignung sind demnach zur Hauptsache am 1. April 1964 entstanden. Damit stellt sich vorweg die Frage, ob die Entschädigungsforderung der Grundeigentümer weitgehend verjährt sei. Die beschwerdeführenden Gemeinden erheben die Einrede der Verjährung ausdrücklich. a) Das in der Volksabstimmung vom 13. Juni 1976 abgelehnte Raumplanungsgesetz vom 4. Oktober 1974 (BBl 1974 II 816) schrieb in Art. 54 Abs. 2 für Entschädigungsforderungen aus materieller Enteignung eine bundesrechtliche Verjährungsfrist von 10 Jahren vor. Im geltenden Raumplanungsgesetz fehlt eine solche Bestimmung. Es ist daher grundsätzlich den Kantonen überlassen, die Verjährung zu regeln. Das öffentliche Recht des Kantons Obwalden enthält keine Verjährungsvorschrift, die unmittelbar oder analog auf Entschädigungsforderungen aus materieller Enteignung anwendbar wäre. Das bedeutet nicht, dass deshalb eine Verjährung überhaupt nicht eintrete. Die herrschende Lehre und die neuere Rechtsprechung nehmen vielmehr an, das Institut der Verjährung bestehe grundsätzlich nicht nur im privaten, sondern auch im öffentlichen Recht, und zwar selbst beim Schweigen des Gesetzgebers und sowohl hinsichtlich der Ansprüche des Gemeinwesens gegen den Privaten wie auch umgekehrt ( BGE 105 Ib 267 E. 3a, BGE 101 Ia 21 /22 E. 4a, je mit Verweisungen). Die Verjährbarkeit öffentlichrechtlicher Ansprüche gilt ohne Einschränkung auch für die Enteignungsentschädigung ( BGE 105 Ib 11 E. 3; BGE 101 Ib 285 /286 E. 5; BGE 97 I 627 /628). b) Es fragt sich, welche Frist für die Verjährung von Forderungen aus materieller Enteignung massgebend sei. Das Verwaltungsgericht nahm eine Verjährungsfrist von fünf Jahren an. Es stützte sich dabei unter Hinweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung BGE 108 Ib 334 S. 340 ( BGE 105 Ib 14 ; BGE 101 Ib 285 E. 5a, b) auf eine analoge Anwendung von Art. 25 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Nationalstrassen vom 8. März 1960 (NSG) und Art. 44 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Luftfahrt vom 21. Dezember 1948 (LFG) . Die vom Verwaltungsgericht angerufenen Normen und Urteile betreffen indessen die Verjährung von Forderungen aus öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkungen, die Folgen eidgenössischer Sachplanungen darstellen. Daher war es in den genannten Fällen naheliegend und gerechtfertigt, Vorschriften aus dem gleichen bzw. verwandten Sachbereich des Bundesrechts für die Fristberechnung heranzuziehen. Sie dienten der Lückenfüllung in Spezialgebieten, die im übrigen sehr detailliert geregelt sind. Dagegen eignen sich die Bestimmungen von Art. 25 Abs. 3 NSG und Art. 44 Abs. 3 LFG nicht, analog auf die Verjährung von Forderungen aus materieller Enteignung angewendet zu werden, die eine Folge kommunaler Zonenplanung darstellen. Eine Frist von fünf Jahren erscheint für solche Fälle bei Schweigen des Gesetzes als zu kurz. Es darf nicht übersehen werden, dass die Verjährungsregelung nicht nur auf unterschiedliche Situationen anwendbar sein muss, sondern sich die betroffenen Grundeigentümer auch häufig bei Planerlass über die Folgen der ihnen auferlegten Eigentumsbeschränkungen noch keine Rechenschaft geben. Anders als bei Entschädigungen, die für die Beeinträchtigung durch den Betrieb eines öffentlichen Werks zu entrichten sind, liegt auf dem Gebiet der Raumplanung eine kurz bemessene Verjährungsfrist auch nicht unbedingt im Interesse des Gemeinwesens. Die gleichzeitige Erfüllung einer Vielzahl von Entschädigungsansprüchen kann Finanzierungsschwierigkeiten nach sich ziehen, die möglicherweise nicht eintreten, wenn sich die Anmeldung der Forderungen über einen längeren Zeitraum erstreckt. Auf der andern Seite steht der Annahme einer zu langen Verjährungsfrist das öffentliche Interesse an der Rechtssicherheit entgegen ( BGE 101 Ia 21 /22 mit Hinweisen). Demzufolge ist beim Fehlen einer Gesetzesvorschrift für Entschädigungsforderungen aus materieller Enteignung als Folge von Zonenplänen eine Verjährungsfrist von zehn Jahren anzunehmen. Damit wird die bisher vom Bundesgericht vertretene Auffassung bestätigt ( BGE 97 I 627 /628 mit Verweisungen). Sie deckt sich auch mit der Fristenregelung, die einzelne Kantone ausdrücklich festgelegt haben (z.B.: Zürich, § 183ter EG ZGB; Basel-Stadt, § 4c des Anhangs zum Hochbautengesetz). c) Beim eingangs genannten Fristbeginn am 1. April 1964 wäre BGE 108 Ib 334 S. 341 demnach die Entschädigungsforderung der Grundeigentümer zu einem grossen Teil am 1. April 1974 verjährt gewesen. Das Übernahmebegehren wurde erst 1975 gestellt. Indessen ist den privaten Beschwerdeführern zugutezuhalten, dass zur Zeit der Entstehung des Entschädigungsanspruchs jedenfalls in den Kantonen noch unklar war, ob Forderungen des öffentlichen Rechts und namentlich solche aus materieller Enteignung bei Fehlen einer ausdrücklichen Bestimmung überhaupt verjährten. So hat etwa das Verwaltungsgericht des Kantons Bern seine Praxis der Unverjährbarkeit solcher Forderungen erst im Jahre 1970 aufgegeben (ZBl 72/1971, S. 330/331). Sodann trat das frühere Baugesetz des Kantons Obwalden, das die Entschädigungspflicht für enteignungsähnliche Bauverbote erstmals klar anordnete, am 16. Mai 1965 in Kraft. Unter diesen Umständen konnte der Beginn der Verjährungsfrist im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Eigentumsbeschränkung - 1. April 1964 - für die privaten Beschwerdeführer nicht klar erkennbar sein. Zudem musste sie der Hinweis im Schreiben des Gemeinderates vom 19. Januar 1972, es bestehe für sie trotz der beabsichtigten Erweiterung der Zone für öffentliche Bauten und Werke kein Grund zur Beunruhigung, in ihrem Vertrauen auf den Fortbestand ihrer Entschädigungsforderung bestärken. Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, der Anspruch sei bereits verjährt gewesen, als die Beschwerdeführer am 8. Januar 1975 das Übernahmebegehren stellten. 6. Zu prüfen ist, ob das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts dem Erfordernis der vollen Entschädigung gemäss Art. 5 Abs. 2 RPG entspricht. a) Das Verwaltungsgericht legte die enteignungsrechtlich begründete Zweiteilung der Heimschlagsentschädigung insoweit seinem Entscheid zugrunde, als es die Entschädigungsfrage für den nördlichen Teil der 1964 festgelegten Freihaltezone beurteilte. Es nahm einerseits an, dass 1964 eine Forderung aus materieller Enteignung entstanden sei, erachtete diese aber als verjährt. Da die Verjährung dieses Anspruchs entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht eingetreten ist (E. 5c), wird er anhand des Landwerts von 1964 neu zu schätzen sein. Der vom Verwaltungsgericht eingeschlagene Weg entspricht aber im Grundsatz Art. 5 Abs. 2 RPG . Anderseits bejahte das Gericht einen Entschädigungsanspruch für den landwirtschaftlichen Restlandwert nach den Grundsätzen BGE 108 Ib 334 S. 342 der formellen Enteignung. Dabei übernahm es den von der Schatzungskommission ermittelten Preis von Fr. 1.50/m2. Diese Schätzung erscheint indessen zu tief. Sie mag zwar dem landwirtschaftlichen Ertragswert entsprechen, wird aber dem Verkehrswert, der auch für landwirtschaftlichen Boden in den letzten Jahrzehnten eine beträchtliche Steigerung erfahren hat, nicht gerecht (vgl. nicht veröffentlichtes Urteil vom 16. Dezember 1981 i.S. BLS c. Burgergemeinde Ferden; vgl. auch PETER WIEDERKEHR, Die Expropriationsentschädigung, Diss. Zürich 1966, S. 32 unten). Sie erreicht den Anspruch der vollen Entschädigung nicht und verstösst somit gegen Art. 5 Abs. 2 RPG . Insoweit ist die Beschwerde der Grundeigentümer begründet. Der Restlandwert wird demzufolge neu zu bestimmen sein. b) In bezug auf die 1964 beschlossene Zone für öffentliche Bauten und Werke folgte das Verwaltungsgericht dem System der Zweiteilung des Entschädigungsanspruchs indessen nicht mehr. In gleicher Weise behandelte es jene Fläche, um welche diese Zone 1977 zu Lasten der 1964 geschaffenen Wohnzone ausgedehnt worden war. In Anlehnung an die deutsche Lehre und Rechtsprechung (vgl. BGHZ 50, 93 ff. = NJW 1968, S. 1278/1279) fasste es das durch die Zone für öffentliche Bauten und Werke bewirkte Bauverbot für Privatbauten als Vorwirkung der späteren Enteignung auf. Das Inkrafttreten der Beschränkung erachtete es nur insoweit als bedeutsam, als die vormalige Qualität des betroffenen Grundstücks auf diesen Zeitpunkt zu ermitteln sei. Für die Berechnung der Entschädigung dagegen stellte das Gericht einheitlich auf den mutmasslichen Landwert ab, den das Grundstück im Zeitpunkt des Entscheids der Schatzungskommission gehabt hätte, wenn es von der Eigentumsbeschränkung gar nicht betroffen worden wäre. Dieses System begünstigt den abwartenden Heimschlagsberechtigten zum Nachteil des Gemeinwesens. Seit 1964 sind die Baulandpreise gestiegen. Indem das Verwaltungsgericht für die Ermittlung der Entschädigung gesamthaft und damit auch für den Anspruch aus materieller Enteignung auf den Tag der Schätzung - 9. Oktober 1979 - abstellte, hat es den Grundeigentümern jedenfalls in bezug auf die 1964 belastete Fläche mehr zugesprochen, als ihnen nach Art. 5 Abs. 2 RPG zusteht. Insoweit hat es Bundesrecht verletzt, weshalb die Beschwerde des entschädigungspflichtigen Gemeinwesens in diesem Punkt begründet ist. Die Heimschlagsentschädigung wird daher in der vorstehend unter lit. a beschriebenen Weise festzusetzen sein. BGE 108 Ib 334 S. 343 Grundsätzlich analog zu beurteilen ist die Entschädigung hinsichtlich der 1977 zu Lasten der Wohnzone ausgedehnten Zone für öffentliche Bauten und Werke. Indessen ist in bezug auf diese Fläche festzustellen, dass der Tag des Inkrafttretens des Zonenplans (17. Mai 1977) und das Schätzungsdatum (9. Oktober 1979) verhältnismässig nahe beieinanderliegen. Wenn in dieser Zeitspanne keine Änderung der Preise für Landwirtschaftsland eingetreten ist, wäre es mit Art. 5 Abs. 2 RPG vereinbar gewesen, die Heimschlagsentschädigung einheitlich auf das Datum des Inkrafttretens der Eigentumsbeschränkung zu ermitteln. Im Blick auf eine Neuschätzung des Restlandwerts wäre heute eine einheitliche Schätzung wohl nur noch zulässig, wenn ein gewisser Ausgleich bei der Verzinsung des Gesamtbetrags geschaffen würde (vgl. E. 7). c) Die Parteien sind der übereinstimmenden Ansicht, dass der südliche Teil der 1964 der Freihaltezone zugewiesene Fläche als sogenanntes Vorgartenland aufgefasst werden kann. Für das Bundesgericht besteht daher kein Anlass, diese Qualifikation als solche zu überprüfen. Was dagegen die Höhe der Entschädigung für diese Fläche betrifft, so ist festzustellen, dass der Grundstücksteil die Eigenschaft als Vorgartenland erst verloren hat, als er gemäss Zonenplan 1977 von der angrenzenden Wohnzone getrennt wurde. Bewertungsstichtag ist daher das Inkrafttreten des geltenden Zonenplans. Nur wenn der vom Verwaltungsgericht gegenüber der Bewertung der Schatzungskommission um die Hälfte herabgesetzten Preis von Fr. 40.--/m2 dem Landwert am Bewertungsstichtag entspricht, ist er mit Art. 5 Abs. 2 RPG vereinbar. Für das Vorgehen ist auf die bereits festgehaltenen Ausführungen zu verweisen (lit. b, am Ende). d) Gegen die Schätzung der 170 m2 umfassenden Teilfläche des Cherwegs zu Fr. 20.--/m2 erheben die Parteien keinerlei Einwände. Es erübrigt sich daher, die Richtigkeit dieser Bewertung zu überprüfen. 7. Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Dorfschaftsgemeinde Sarnen verpflichtet, die Entschädigungsforderung der Grundeigentümer ab 13. September 1977, dem Tag der Geltendmachung, zu verzinsen. In analoger Anwendung von Art. 18 Abs. 2 des Zwangsenteignungsgesetzes des Kantons Obwalden vom 9. April 1877 (ZEntG) nahm das Verwaltungsgericht einen Zinsfuss von 5% an. a) Die beschwerdeführenden Gemeinden verlangen eine variable Verzinsung zum jeweiligen Hypothekarzinsfuss der Obwaldner BGE 108 Ib 334 S. 344 Kantonalbank. Sie berufen sich dabei auf ein Urteil des Bundesgerichts, in dem der Hypothekarzinsfuss für Entschädigungen aus materieller Enteignung als sachlich richtig bezeichnet worden ist ( BGE 97 I 352 ). Es ist zu prüfen, ob die vom Verwaltungsgericht in Ermangelung einer gesetzlichen Regelung getroffene Lösung mit dem Grundsatz der vollen Entschädigung gemäss Art. 5 Abs. 2 RPG im Einklang steht. In Ermangelung einer bundesrechtlichen Regelung ist der vom Verwaltungsgericht in Anlehnung an Art. 18 Abs. 2 ZEntG einheitlich angenommene Zinsfuss von 5% nicht zu beanstanden. In einem kantonalen Verfahren, das sich nach kantonalem Enteignungsrecht abwickelt, besteht kein Anlass, den "üblichen Zinsfuss" im Sinne von Art. 76 Abs. 5 beziehungsweise Art. 19bis Abs. 4 des Bundesgesetzes über die Enteignung vom 20. Juni 1930 anzuwenden. b) Für den Beginn der Verzinsungspflicht gilt folgendes: Für die Grundstücksfläche, die am 1. April 1964 der Freihaltezone und der Zone für öffentliche Bauten und Werke zugewiesen wurde, ist der Anspruch auf Entschädigung aus materieller Enteignung zwar an jenem Tag entstanden (E. 6a, b), das Übernahmebegehren aber erst am 8. Januar 1975 gestellt worden. Dem Grundsatz der vollen Entschädigung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 RPG genügt es, wenn die Entschädigung von diesem Zeitpunkt an verzinst wird, in dem sie erstmals in unverkennbarer Weise gegenüber dem Gemeinwesen geltend gemacht worden ist (vgl. BGE 97 I 818 E. 3a). Der geltende Zonenplan der Dorfschaftsgemeinde Sarnen trat am 17. Mai 1977 in Kraft. Danach wurde nebst einer für die Grundeigentümer unwesentlichen Änderung der Zonenart im Westen des Grundstücks ein Anteil der bisher in der Wohnzone gelegenen Parzellenfläche neu der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen zugewiesen. Die hiefür aus materieller Enteignung entstandene Forderung ist in jenem Zeitpunkt entstanden (E. 6b). Von da ab ist die Entschädigung auch zu verzinsen, da die bisherigen Verkaufsverhandlungen einer Anmeldung der Forderung gleichzusetzen sind. Dasselbe gilt für den vom Verwaltungsgericht als Vorgartenland bezeichneten Flächenanteil, der diese Eigenart erst verloren hat, als er durch die Ausdehnung der Zone für öffentliche Bauten und Werke von der Wohnzone abgetrennt wurde (E. 6c). Für die Übernahme des Landes, das seinen Baulandwert durch BGE 108 Ib 334 S. 345 die Zonenzuweisungen vom 1. April 1964 und vom 17. Mai 1977 verloren hat, ist der landwirtschaftliche Restwert nach den Grundsätzen der formellen Enteignung zu entschädigen (E. 6a). Danach stellt die Entschädigung im Gegensatz zu jener aus materieller Enteignung eine Voraussetzung und nicht eine Folge der Enteignung dar. Der Enteigner kann daher die Eigentumsübertragung erst verlangen, nachdem er die Entschädigung bezahlt hat. Damit stellt sich die Frage der Verzinsung von vornherein nicht. Nur im Fall der vorzeitigen Besitzeseinweisung verlangt der Grundsatz der vollen Entschädigung, dass die Entschädigungssumme verzinst wird. So sieht denn auch Art. 18 Abs. 2 ZEntG die Verzinsung zu 5% für diesen Fall vor. 8. Beide Beschwerden erweisen sich somit als teilweise begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, und die Sache ist zum neuen Entscheid im Sinne der Erwägungen an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen.
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Erwägungen ab Seite 94 BGE 137 III 94 S. 94 Aus den Erwägungen: 1. 1.3 Die Frist für Beschwerden in Zivilsachen beträgt grundsätzlich 30 Tage ( Art. 100 Abs. 1 BGG ). Mit Bezug auf die Wechselbetreibung kennt das Gesetz zwar eine auf 5 Tage verkürzte Frist, aber nur soweit Entscheide der kantonalen Aufsichtsbehörden in SchK-Sachen angefochten sind ( Art. 100 Abs. 3 lit. a BGG ). Ein Teil der Lehre möchte diese 5-tägige Frist auch bei Beschwerden gegen Gerichtsentscheide in Wechselsachen angewandt BGE 137 III 94 S. 95 wissen (PHILIPPIN, La nouvelle loi sur le Tribunal fédéral, JdT 2007 II S. 152; DONZALLAZ, Loi sur le Tribunal fédéral, Commentaire, 2008, Rz. 4106). Diesen (ihre Ansicht nicht weiter begründenden) Stimmen kann jedoch nicht gefolgt werden; vielmehr muss bei Gerichtsentscheiden im Rahmen der Wechselbetreibung, namentlich gegen den Entscheid des Wechselvorschlagsrichters, die normale 30-tägige Frist von Art. 100 Abs. 1 BGG gelten: Zunächst ergibt sich dies im Rahmen der grammatikalischen Auslegung aus dem klaren Wortlaut von Art. 100 Abs. 3 lit. a BGG , der die verkürzte 5-tägige Frist auf Entscheide der "kantonalen Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen" beschränkt. Sodann spricht auch die historische Auslegung für diese Sichtweise: Ausgangspunkt ist die mit Bezug auf die Wechselbetreibung aufgestellte Spezialnorm von Art. 20 SchKG , mit welcher die normale 10-tägige Beschwerdefrist auf 5 Tage verkürzt wird. Früher galt diese Bestimmung für das gesamte Beschwerdeverfahren nach Art. 17-19 SchKG vor allen Aufsichtsbehörden, d.h. sowohl vor den kantonalen Aufsichtsbehörden als auch vor der SchK-Kammer des Bundesgerichts (vgl. PFLEGHARD, Schuldbetreibungs und Konkursbeschwerde, in: Prozessieren vor Bundesgericht, 2. Aufl. 1998, Rz. 5.37). Seit Inkrafttreten des BGG findet Art. 20 SchKG nur noch für das kantonale Beschwerdeverfahren nach Art. 17-18 SchKG Anwendung, weil Art. 19 SchKG aufgehoben wurde und die Beschwerde an das Bundesgericht neu in Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG geregelt wird. Entsprechend war auch die Frist für Beschwerden gegen Entscheide der kantonalen Aufsichtsbehörden eigenständig im BGG zu regeln. Der Gesetzgeber hat dies getan, indem er für Wechselbetreibungen in Art. 100 Abs. 3 lit. a BGG die Frist von Art. 20 SchKG inhaltlich übernommen hat. Demgegenüber galt für die Rechtsmittel gegen gerichtliche Entscheide seit je die normale 30-tägige Frist (vgl. Art. 54 Abs. 1 OG für die Berufung und Art. 89 Abs. 1 OG für die staatsrechtliche Beschwerde; betreffend Weiterzug des Wechselrechtsvorschlages im Speziellen vgl. Urteile 5P.180/1989 vom 19. Juli 1989; 5P.81/1992 vom 30. März 1992 E. 1; 5P.396/1993 vom 20. Dezember 1993 E. 1; 5P.191/2001 vom 6. Juli 2001 E. 2; 5P.371/2002 vom 13. November 2002 E. 1.1). Es kann mithin kein Versehen des Gesetzgebers im Sinn eines Übersehens des in der Wechselbetreibung grundsätzlich wichtigen Beschleunigungsgebotes vorliegen; vielmehr ist angesichts der expliziten Beschränkung BGE 137 III 94 S. 96 auf die kantonalen Aufsichtsbehörden in Art. 100 Abs. 3 lit. a BGG und mangels anderweitiger Ausführungen in der Botschaft zum BGG (vgl. BBl 2001 4341 Ziff. 4.1.4.5) von der bewussten Entscheidung des Gesetzgebers auszugehen, die unter dem früheren Recht geltende Fristenregelung materiell nicht zu verändern (in diesem Sinn auch: PETER, Das neue Bundesgerichtsgesetz und das Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, BlSchK 2007 S. 9; WALTHER, Auswirkungen des BGG auf die Anwaltschaft/Parteivertretung, in: Reorganisation der Bundesrechtspflege, 2006, S. 357). Zum gleichen Resultat führt schliesslich die systematische Auslegung, denn allein die vorgenannte Sichtweise bettet sich ins Gesamtsystem der Rechtsmittel gegen Entscheide der Gerichte einerseits und der Aufsichtsbehörden andererseits ein: Im "normalen" Beschwerdeverfahren vor den kantonalen Aufsichtsbehörden (d.h. ausserhalb der Wechselbetreibung) ist generell eine 10-tägige Frist vorgesehen ( Art. 17 Abs. 2 und Art. 18 Abs. 1 SchKG ), welche auch für den Weiterzug an das Bundesgericht galt (aArt. 19 Abs. 1 SchKG), während gegen Gerichtsentscheide in SchK-Sachen bereits im OG 30-tägige Rechtsmittelfristen vorgesehen waren (siehe oben). Dieses Fristenregime wurde ohne inhaltliche Änderungen auf das BGG übertragen, indem gegen Gerichtsentscheide wiederum eine 30-tägige ( Art. 100 Abs. 1 BGG ) und gegen die "normalen" Entscheide der kantonalen Aufsichtsbehörden die 10-tägige Beschwerdefrist aufgestellt wurde ( Art. 100 Abs. 2 lit. a BGG ), wie sie in aArt. 19 Abs. 1 SchKG zu finden war und wie sie im SchK-Beschwerdeverfahren generell üblich ist. Der Fristendualismus, je nachdem ob das Rechtsmittel an ein Gericht oder an eine Aufsichtsbehörde führt, ist mithin für das ganze Betreibungs- und Konkursverfahren typisch. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass für Beschwerden gegen gerichtliche Entscheide im Rahmen der Wechselbetreibung die 30-tägige Frist von Art. 100 Abs. 1 BGG gilt und sich die vorliegende Beschwerde in Zivilsachen somit als rechtzeitig erweist.
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Sachverhalt ab Seite 81 BGE 101 V 81 S. 81 A.- Der in Basel wohnhafte Sch. ist Direktor der Firma O. AG. Als deren Treuhänder ist er im August 1970 in die Kollektivgesellschaft D. & Co. eingetreten. Die zum Erwerb der Beteiligung an der Firma D. & Co. erforderlichen Mittel wurden von der Firma O. AG aufgebracht, welcher auch sämtliche Erträgnisse aus der durch Sch. ausgeübten Beteiligung zufliessen. Grundlage des Treuhandverhältnisses ist der Treuhandvertrag vom 18. Oktober 1971. Darnach ist Sch. Gesellschafter der D. & Co., welche Stellung er "gänzlich für Rechnung und Gefahr" der Aktiengesellschaft innehat; deren Weisungen und Richtlinien sind für ihn verbindlich; die Entschädigung für die Tätigkeit als Gesellschafter "ist in derjenigen BGE 101 V 81 S. 82 inbegriffen, welche er für seine übrige Tätigkeit als Direktor des Auftraggebers und dessen Konzerngesellschaften erhält". Die Caisse de compensation de la Fédération genevoise des sociétés de détaillants stellte fest, dass Sch. für die ersten sechs Monate seiner Tätigkeit in der D. & Co. einen Gewinnanteil von Fr. 330'112.-- erhalten hatte, rechnete diesen Betrag auf ein Jahreseinkommen um und ermittelte nach Abzug des Zinses des im Betrieb investierten Eigenkapitals ein Einkommen von Fr. 628'774.--. Auf dieser Grundlage setzte die Ausgleichskasse die von Sch. für die Zeit vom August 1970 bis September 1971 geschuldeten persönlichen Sozialversicherungsbeiträge fest. Die entsprechende Kassenverfügung vom 21. Oktober 1971 ist von der AHV-Rekurskommission des Kantons Genf am 12. Mai 1972 bestätigt worden. Die dagegen eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde hat das Eidg. Versicherungsgericht mit Entscheid vom 26. Oktober 1972 abgewiesen ( BGE 98 V 191 ). B.- Mit Verfügung vom 8. April 1974 eröffnete die Ausgleichskasse dem Sch., dass er für die Jahre 1974 und 1975 persönliche Sozialversicherungsbeiträge von je Fr. 53'640.-- zu bezahlen habe. Dieser Forderung legte sie ein nach Abzug des Eigenkapitalzinses verbliebenes mittleres Jahreseinkommen von Fr. 670'515.-- aus selbständiger Erwerbstätigkeit der Jahre 1971/72 zugrunde. C.- Sch. liess gegen diese Verfügung bei der Kantonalen Rekurskommission für die Ausgleichskassen, Basel, Beschwerde erheben, indem er unter anderem geltend machte: Die Erträgnisse aus der Beteiligung an der D. & Co. würden ungeschmälert der Aktiengesellschaft abgeliefert. Die Eidgenössische Wehrsteuerverwaltung habe es bezüglich der Wehrsteuer als zulässig anerkannt, dass seine Beteiligung an der Kollektivgesellschaft D. & Co. der O. AG zugerechnet werde. In diesem Sinn sei die kantonale Wehrsteuerverwaltung bei der Steuerveranlagung 1973/74 vorgegangen. Weil die Steuerverwaltung den Ertrag aus der "Beteiligung D." nicht als Erwerbseinkommen des Sch., sondern als Ertrag der O. AG qualifiziert habe, dürften auf diesem Ertrag keine Sozialversicherungsbeiträge erhoben werden. Die Vorinstanz hat die Beschwerde am 27. Juni 1974 abgewiesen. BGE 101 V 81 S. 83 D.- Diesen Entscheid zieht Sch. mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidg. Versicherungsgericht weiter. Er lässt beantragen, der Entscheid sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass er für die Zahlungen der D. & Co. nicht beitragspflichtig sei. Zur Begründung wird im wesentlichen vorgebracht: Bei der Beurteilung, ob der innerhalb einer Kollektivgesellschaft erzielte Ertrag abgabepflichtiges Erwerbseinkommen sei, habe die Ausgleichskasse auf gesellschaftsinterne Verhältnisse abzustellen, wenn diese von den Beteiligten bewiesen werden. Darum sei vorliegend die gewählte Konstruktion für die Beteiligung der O. AG an der D. & Co. massgebend, die eine Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen auf den Erträgnissen der D. & Co. nicht zulasse. Zweifellos wäre es durch eine andere Rechtsgestaltung möglich gewesen, jeden Anschein einer Beitragspflicht zu vermeiden. Im Vertrauen darauf, dass die Steuerverwaltungen wie die andern abgaberechtlichen Behörden praxisgemäss von den tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten ausgehen, sei ein einfacher und klarer Treuhandvertrag gewählt worden. Die beteiligten Steuerverwaltungen hätten denn auch entschieden, dass die der O. AG aus der Beteiligung D. & Co. zustehenden Erträge von dieser zu versteuern seien. In gleicher Weise habe die Ausgleichskasse, die an die steuerrechtliche Qualifikation gebunden sei, zu verfahren. Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherung beantragen die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
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Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. In seinem Urteil vom 26. Oktober 1972 hat das Eidg. Versicherungsgericht erkannt, dass der zwischen Sch. und der O. AG abgeschlossene Treuhandvertrag für die D. & Co. eine "res inter alios acta" sei. Zu den Teilhabern der Kollektivgesellschaft gehöre Sch., nicht die O. AG. Sch. kämen Dritten gegenüber alle Verpflichtungen zu, welche das Gesetz den Mitgliedern einer Kollektivgesellschaft auferlege. Zu diesen Verpflichtungen gehöre auch die Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen als Selbständigerwerbender auf dem ihm zukommenden Netto-Gewinnanteil. Die Beitragspflicht bestehe ohne Rücksicht darauf, ob der Beitragspflichtige den BGE 101 V 81 S. 84 Anteil zu seinem Nutzen verwenden oder einer natürlichen oder juristischen Person zu Eigentum übertrage. Das Gericht führte weiter aus, dass die Sozialversicherung dann von dieser Betrachtungsweise abgehen und sich an die wirtschaftliche Wirklichkeit halten müsste, wenn die Parteien beabsichtigt hätten, durch ihre Vereinbarungen eine Beitragspflicht zu umgehen ( BGE 98 V 192 Erw. 3). - Diese Rechtsprechung basiert auf dem allgemeinen Grundsatz, dass die Beitragsordnung der AHV sich in der Regel an die nach aussen kundgemachten rechtlichen Verhältnisse zu halten hat (EVGE 1967 S. 227). In dem soeben zitierten Urteil hat das Eidg. Versicherungsgericht übrigens auch erklärt, dass die Beiträge auf dem Anteil am Reingewinn, welcher auf den an einer Kommanditgesellschaft treuhänderisch beteiligten Kommanditär entfällt, von diesem entrichtet werden müssen. Ebenfalls im Urteil vom 26. Oktober 1972 hat das Eidg. Versicherungsgericht unter Berufung auf EVGE 1967 S. 227 aber auch darauf hingewiesen, dass die Beiträge von treuhänderisch erzieltem Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit regelmässig von jener Person bezahlt werden müssen, die der Fiskus als dafür steuerpflichtig bezeichnet. Die Frage wurde offen gelassen, ob die Ausgleichskasse im Falle des Sch. durch eine spätere definitive Steuermeldung gebunden wäre, wenn sich aus dieser Meldung ergäbe, dass der Fiskus die Gewinnanteile aus der D. & Co. bei der O. AG besteuert hat ( BGE 98 V 194 Erw. 5). 2. An der im Urteil vom 26. Oktober 1972 dargelegten Rechtsprechung (insbesondere Erwägungen 2-4) ist festzuhalten, weshalb auf jene Darlegungen verwiesen werden kann. Hingegen ist heute zu prüfen, ob die Tatsache, dass sowohl der eidgenössische wie der kantonale Fiskus für den Gewinnanteil 1971/72 des Sch. aus seiner Beteiligung an der D. & Co. die Fiduziantin O. AG und nicht den Treuhänder besteuern, auch beitragsrechtlich zu einer neuen Betrachtungsweise des seit dem Urteil vom 26. Oktober 1972 unveränderten Gesellschafts- und Treuhandverhältnisses führen muss. 3. Als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit gilt das in selbständiger Stellung erzielte Einkommen unter anderem aus Handel und Gewerbe, einschliesslich der Anteile der Teilhaber von Kollektivgesellschaften, soweit sie den gesetzlich abzugsfähigen Eigenkapitalzins übersteigen BGE 101 V 81 S. 85 ( Art. 9 Abs. 1 AHVG in Verbindung mit Art. 17 lit. c und Art. 18 Abs. 2 AHVV ). Art. 20 Abs. 3 AHVV bestimmt ferner unter dem Randtitel "Beitragspflichtige Personen", dass die Teilhaber von Kollektivgesellschaften die Beiträge von dem gemäss Art. 17 lit. c AHVV berechneten Anteil am Einkommen der Personengesamtheiten zu entrichten haben. Aus diesen Vorschriften ergibt sich, dass die in einer Kollektivgesellschaft realisierten Geschäftsgewinne Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit darstellen und beitragsrechtlich von den "Teilhabern" zu verabgaben sind. Teilhaber einer Kollektivgesellschaft können nur die natürlichen Personen sein, welche die Kollektivgesellschaft gemäss Art. 552 OR bilden. Grundsätzlich ist jede einzelne dieser Personen für ihren Gewinnanteil beitragspflichtig, soweit er den zum Abzug zugelassenen Eigenkapitalzins übersteigt. Diese Ordnung geht einer abweichenden steuerrechtlichen Betrachtungsweise schon deshalb vor, weil der Treuhandvertrag nur die daran beteiligten Personen verpflichten, mithin keine darüber hinausgehenden gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse begründen kann. Aber auch abgesehen davon, muss der Treuhänder den auf ihn entfallenden Gewinnanteil aus der Kollektivgesellschaft jedenfalls dort AHV-rechtlich selber verabgaben, wo der Treugeber selber überhaupt nicht der Beitragspflicht unterworfen werden könnte. Denn das AHV-rechtliche Postulat lückenloser Erfassung des Arbeitseinkommens hat ohnehin Priorität gegenüber den Veranlagungsvorschriften des Art. 23 Abs. 1 und 4 AHVV , wonach die Steuerbehörden das massgebende Einkommen anhand der Wehrsteuerveranlagung zu ermitteln und die Ausgleichskassen sich an die Angaben der Steuerbehörden zu halten haben. In diesem Zusammenhang ist folgendes zu beachten: Das Wehrsteuerrecht bestimmt nicht, wer für treuhänderisch erworbenes Einkommen steuerpflichtig ist - ob der Treuhänder oder der Treugeber -, sondern lässt wahlweise beide Lösungen zu (KÄNZIG, Wehrsteuer N. 25 zu Art. 2). Wenn die Eidgenössische Steuerverwaltung am 19. November 1971 der heutigen Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers geschrieben hat: "Vorliegend dürften die Verhältnisse genügend klar und übersichtlich gestaltet worden sein, um eine direkte Zurechnung der auf den in Frage stehenden Gesellschaftsanteil an der D. & Co. entfallenden Faktoren bei der Treugeberin ... BGE 101 V 81 S. 86 zu gestatten, sofern sie bei dieser ordnungsgemäss verbucht werden", so liess sie sich allein davon leiten, dass der Gewinnanteil besteuert werde; sie war mit der Besteuerung bei der Fiduziantin einverstanden, sofern diese das dafür Erforderliche vorkehre. Bei dieser Sachlage ist dem Bundesamt für Sozialversicherung zuzustimmen, dass der wehrsteuerrechtlichen Bestimmung derjenigen Person, die für den Gewinnanteil eines treuhänderischen Kollektivgesellschafters steuerpflichtig ist, keine entscheidende Bedeutung dafür zukommt, ob und gegebenenfalls von wem auf diesem Gewinnanteil Sozialversicherungsbeiträge entrichtet werden müssen. In dieser Hinsicht sind die Ausgleichskassen an die Angaben der Steuerbehörden nicht gebunden. Diese haben das für die Beitragspflicht massgebende Erwerbseinkommen zu ermitteln und den Ausgleichskassen verbindlich zu melden. Aber wer von diesem Einkommen Sozialversicherungsbeiträge bezahlen muss, ist von der Ausgleichskasse auf Grund des AHV-Rechts zu bestimmen. Im übrigen hat die Rechtsprechung zu Art. 23 Abs. 4 AHVV schon längst erkannt, dass der Richter von rechtskräftigen Steuertaxationen unter anderem dann abweichen darf, wenn sachliche Umstände gewürdigt werden müssen, die steuerrechtlich belanglos, sozialversicherungsrechtlich aber bedeutsam sind ( BGE 98 V 188 Erw. 2 und dort zitierte Urteile). 4. Zusammenfassend ergibt sich, dass fiduziarische Verhältnisse nichts daran ändern, dass die AHV-Beitragsordnung sich in der Regel an die nach aussen - insbesondere durch das Handelsregister - kundgemachten Rechtsverhältnisse zu richten hat ( BGE 101 V 7 , EVGE 1967 S. 227). Treuhandverhältnisse können, wenn überhaupt, die Beitragspflicht des Treuhänders als Teilhaber einer Kollektivgesellschaft nur dann in Frage stellen, wenn der Fiduziant diese Beitragspflicht rechtlich zu übernehmen vermag. Im vorliegenden Fall ist die Treugeberin mangels natürlicher Persönlichkeit ausserstande, die persönliche Beitragspflicht zu erfüllen. Demzufolge hat Sch. selber von den auf ihn entfallenden Gewinnanteilen aus der D. & Co. persönliche Beiträge zu entrichten. An diesem Ausgang des Verfahrens vermögen die Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nichts zu ändern. Insbesondere ist es belanglos, ob die für die Beteiligung der O. AG an der D. & Co. gewählte Konstruktion steuerliche Vorteile bietet oder nicht und ob es durch eine BGE 101 V 81 S. 87 andere Rechtsgestaltung möglich gewesen wäre, die streitigen Beiträge einzusparen.
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Dispositiv Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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Erwägungen ab Seite 43 BGE 141 III 43 S. 43 Aus den Erwägungen: 2. Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe ihr Gesuch um Widerruf des Konkurses zu Unrecht nicht gutgeheissen. Sämtliche Forderungsbeträge der Gläubiger seien beglichen und auch der Organisationsmangel, der zur Auflösung der Beschwerdeführerin geführt habe, sei in der Zwischenzeit behoben worden. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin hätte die Vorinstanz deshalb den Konkurs in analoger Anwendung von Art. 195 SchKG widerrufen müssen. 2.1 Die Vorinstanz führte aus, dass der rechtskräftige Auflösungsentscheid vom 18. September 2012 nicht aufgrund des SchKG ergangen sei. Es habe damit auch gar keine Konkurseröffnung nach SchKG stattgefunden, womit ein Widerruf nach den Bestimmungen des SchKG ausgeschlossen sei. In der Lehre werde zwar die Auffassung vertreten, dass eine analoge bzw. "modifizierte Anwendung" von Art. 195 SchKG möglich sei, sofern einerseits der Mangel in der Organisation nach Massgabe der anwendbaren Bestimmungen nachträglich behoben worden ist und andererseits die Voraussetzungen von Art. 195 SchKG gegeben sind (FRANCO LORANDI, Konkursverfahren über Handelsgesellschaften zufolge Organisationsmangel [ Art. 731b OR ], BlSchK 2012 S. 49 f.). Gleichwohl sehe Art. 731b OR keine Möglichkeit vor, den rechtskräftigen und vollstreckbaren gerichtlichen Auflösungsentscheid nachträglich zu widerrufen. 2.2 2.2.1 Fehlt der Gesellschaft eines der vorgeschriebenen Organe oder ist eines dieser Organe nicht rechtmässig zusammengesetzt, so kann BGE 141 III 43 S. 44 ein Aktionär, ein Gläubiger oder der Handelsregisterführer dem Richter beantragen, die erforderlichen Massnahmen zu ergreifen ( Art. 731b Abs. 1 OR ). Der Richter kann insbesondere der Gesellschaft unter Androhung ihrer Auflösung eine Frist ansetzen, binnen derer der rechtmässige Zustand wieder herzustellen ist (Abs. 1 Ziff. 1), das fehlende Organ oder einen Sachwalter ernennen (Abs. 1 Ziff. 2) oder die Gesellschaft auflösen und ihre Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs anordnen (Abs. 1 Ziff. 3). Bei diesem Organisationsmängelverfahren handelt es sich gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung um ein streitiges Verfahren (Urteil 4A_321/2008 vom 5. August 2010 E. 2), welches im Summarium durchzuführen ist ( BGE 138 III 166 E. 3.9 S. 172 f.). 2.3 2.3.1 Ordnet der Richter gestützt auf Art. 731b Abs. 1 Ziff. 3 OR die Auflösung der Gesellschaft und deren Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs an, wird ein normales Konkursverfahren durchgeführt (Urteil 5A_137/2013 vom 12. September 2013 E. 1.2.2). 2.3.2 Gemäss Art. 195 Abs. 1 SchKG widerruft das Konkursgericht den Konkurs und gibt dem Schuldner das Verfügungsrecht über sein Vermögen zurück, wenn dieser nachweist, dass sämtliche Forderungen getilgt sind (Ziff. 1), er von jedem Gläubiger eine schriftliche Erklärung vorlegt, dass dieser seine Konkurseingabe zurückzieht (Ziff. 2), oder ein Nachlassvertrag zustande gekommen ist (Ziff. 3). Die Lehre ist sich einig darüber, dass ein Konkursverfahren, welches vom Richter gestützt auf Art. 731b Abs. 1 Ziff. 3 OR angeordnet wurde, nicht gestützt auf Art. 195 Abs. 1 SchKG widerrufen werden kann. Denn die Durchführung des Konkursverfahrens beruht diesfalls nicht auf einem Konkurs, sondern auf einem richterlichen Auflösungsentscheid. Es hat mithin nie eine Konkurseröffnung durch ein Konkursgericht stattgefunden, welche widerrufen werden könnte (LUKAS BERGER UND ANDERE, Die Behebung von Organisationsmängeln - handelsregisterrechtliche und zivilprozessuale Aspekte, Zeitschrift zur Handelsregisterpraxis [REPRAX] 2012 S. 25; LORANDI, a.a.O., BlSchK 2012 S. 48 f.; ders. , Konkursverfahren über Handelsgesellschaften ohne Konkurseröffnung - Gedanken zu Art. 731b OR , AJP 2008 S. 1391; MARCEL SCHÖNBÄCHLER, Die Organisationsklage nach Art. 731b OR , 2013, S. 288; BÜRGE/GUT, Richterliche Behebung von Organisationsmängeln der AG und der GmbH - Normgehalt und verfahrensrechtliche Aspekte von Art. 731b OR , SJZ 2009 S. 160; WATTER/PAMER-WIESER, in: Basler Kommentar, BGE 141 III 43 S. 45 Obligationenrecht, Bd. II, 4. Aufl. 2012, N. 26 zu Art. 731b OR ; AMONN/WALTHER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9. Aufl. 2013, § 38 Rz. 47; CHARLES JAQUES, Scioglimento e liquidazione di società prive di organi, RtiD 2010 I S. 1033). Zwei Autoren befürworten demgegenüber eine analoge Anwendung von Art. 195 SchKG für den Fall, dass zum einen der Organisationsmangel nachträglich behoben worden ist und zum anderen auch die Voraussetzungen von Art. 195 SchKG gegeben sind. Wenn diese beiden Voraussetzungen erfüllt seien, könne der Richter, welcher die Auflösung gestützt auf Art. 731b Abs. 1 Ziff. 3 OR angeordnet hat, seinen Auflösungsentscheid widerrufen (LORANDI, a.a.O., AJP 2008 S. 1391; ders. , a.a.O., BlSchK 2012 S. 49 f.; SCHÖNBÄCHLER, a.a.O., S. 289 f.). 2.4 Das Bundesgericht hat sich nie ausdrücklich zur Frage geäussert, ob ein gestützt auf Art. 731b Abs. 1 Ziff. 3 OR ergangener Auflösungsentscheid aufgrund nachträglicher Behebung des Organisationsmangels gestützt auf eine analoge Anwendung von Art. 195 SchKG widerrufen werden kann. Es ist daher im Folgenden zu prüfen, ob die methodischen Voraussetzungen einer Analogie gegeben sind. 2.5 2.5.1 Voraussetzung für eine analoge Anwendung eines Rechtssatzes ist das Vorliegen einer Lücke im Gesetz (statt aller EMMENEGGER/TSCHENTSCHER, in: Berner Kommentar, 2012, N. 380 zu Art. 1 ZGB ). Eine solche besteht dann, wenn sich eine Regelung als unvollständig erweist, weil sie jede Antwort auf die sich stellende Rechtsfrage schuldig bleibt. Hat der Gesetzgeber eine Rechtsfrage nicht übersehen, sondern stillschweigend - im negativen Sinn - mitentschieden (qualifiziertes Schweigen), bleibt jedoch kein Raum für richterliche Lückenfüllung. Eine Gesetzeslücke, die vom Gericht zu füllen ist, liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts nur dann vor, wenn der Gesetzgeber etwas zu regeln unterlassen hat, was er hätte regeln sollen, und dem Gesetz diesbezüglich weder nach seinem Wortlaut noch nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt eine Vorschrift entnommen werden kann (vgl. BGE 140 III 206 E. 3.5.1 S. 213; BGE 139 II 404 E. 4.2 S. 416 f.; BGE 138 II 1 E. 4.2 S. 3; BGE 135 III 385 E. 2.1 S. 386). 2.5.2 Art. 731b OR äussert sich nicht zur Frage, ob ein Auflösungsentscheid bei nachträglicher Behebung des Organisationsmangels widerrufen werden kann. BGE 141 III 43 S. 46 Demgegenüber enthält die ZPO zwar keine ausdrückliche Regel zur Frage der Widerrufbarkeit von Organisationsmängelentscheiden. Es gilt im Zivilprozess aber der allgemeine Grundsatz, wonach Summarentscheide den ordentlichen Entscheiden hinsichtlich Rechtskraft gleichgestellt sind, d.h. mit Ablauf der Rechtsmittelfrist formell rechtskräftig und damit - unter Vorbehalt einer Revision nach Art. 328 ff. ZPO - unwiderrufbar werden (CHEVALIER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 4 f. zu Art. 256 ZPO ). Denn die ZPO sieht einzig für Summarentscheide betreffend freiwillige Gerichtsbarkeit ( Art. 256 Abs. 2 ZPO ) und vorsorgliche Massnahmen ( Art. 268 Abs. 1 ZPO ) die Möglichkeit einer nachträglichen Aufhebung oder Abänderung vor (CHEVALIER, a.a.O., N. 9 f. zu Art. 256 ZPO ). Summarentscheide aus Verfahren, die nicht in einem ordentlichen Verfahren zu prosequieren sind, in denen der Richter hinsichtlich der Rechtsanwendung über volle Kognition verfügt und in denen das Regelbeweismass gilt, sind demgegenüber definitiv (vgl. FABIENNE HOHL, Procédure civile, Bd. II, 2. Aufl. 2010, N. 1556, 1582 und 1613). Dies trifft auch für Auflösungsentscheide nach Art. 731b Abs. 1 Ziff. 3 OR zu, gilt in Organisationsmängelverfahren doch das Regelbeweismass und hinsichtlich der Rechtsanwendung volle Kognition des Gerichts. Schliesslich sind Auflösungsentscheide auch nicht in einem nachfolgenden ordentlichen Verfahren zu bestätigen, womit sie nach Ablauf der Rechtsmittelfrist formell rechtskräftig und damit unwiderrufbar werden. 2.5.3 Die Unwiderrufbarkeit von Auflösungsentscheiden gestützt auf Art. 731b Abs. 1 Ziff. 3 OR scheint auch den Vorstellungen des Gesetzgebers zu entsprechen: Gemäss der Botschaft vom 19. Dezember 2001 zur Revision des Obligationenrechts (GmbH-Recht sowie Anpassungen im Aktien-, Genossenschafts-, Handelsregister- und Firmenrecht, BBl 2002 3232 zu Art. 731b [neu]) soll die zwangsweise Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs gerade auch dann zur Anwendung gelangen, wenn die Gesellschaft nicht überschuldet ist. Dass der Gesetzgeber dabei die Möglichkeit einer nachträglichen Behebung des Organisationsmangels übersehen hätte, kann schwerlich behauptet werden. Es ist vielmehr anzunehmen, dass der Gesetzgeber eine nachträgliche Widerrufbarkeit des Auflösungsentscheids stillschweigend ausgeschlossen hat. BGE 141 III 43 S. 47 2.5.4 In diese Richtung gehen auch die Erwägungen in BGE 136 III 369 : Das Bundesgericht musste sich in diesem Entscheid zur Frage äussern, ob die nach dem Auflösungsentscheid erfolgte, nachträgliche Behebung des Organisationsmangels im Berufungsverfahren nach der alten Tessiner Zivilprozessordnung trotz strengem Novenverbot noch vorgebracht werden kann. Das Bundesgericht kam unter Hinweis auf die erwähnte Stelle in der bundesrätlichen Botschaft zum Schluss, dass die zwangsweise Liquidation dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers entspreche; zudem sei mit der Einführung des Art. 731b OR auch die in Art. 86 Abs. 3 aHRegV vorgesehene Möglichkeit entfallen, die Auflösung zu widerrufen, sofern die Gesellschaft innert dreier Monate den gesetzmässigen Zustand wiederhergestellt hat ( BGE 136 III 369 E. 11.4.2 S. 371 f.). Damit erscheine das Novenverbot im Tessiner Berufungsverfahren durchaus im Einklang mit den Vorstellungen des Gesetzgebers und es stelle keinen überspitzten Formalismus dar, wenn die nachträgliche Behebung des Organisationsmangels im Berufungsverfahren nicht mehr berücksichtigt würde ( BGE 136 III 369 E. 11.4.3 S. 372). 2.5.5 Von einer Gesetzeslücke bezüglich der Frage, ob ein Auflösungsentscheid bei nachträglicher Behebung des Organisationsmangels widerrufen werden kann, kann damit keine Rede sein. Denn zum einen sieht die ZPO mit dem Grundsatz der formellen Rechtskraft von Summarentscheiden eine Regelung vor, welche einen Widerruf des Organisationsmängelentscheids ausserhalb einer Revision nach Art. 328 ff. ZPO ausschliesst. Zum anderen ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber eine nachträgliche Widerrufbarkeit des Auflösungsentscheids gestützt auf Art. 731b Abs. 1 Ziff. 3 OR stillschweigend ausgeschlossen hat. Damit besteht kein Raum für eine analoge Anwendung von Art. 195 SchKG . 2.6 Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit der Konzeption des Organisationsmängelverfahrens, wie sie die bundesgerichtliche Rechtsprechung herausgearbeitet hat. Denn nach der Rechtsprechung stehen die in Art. 731b Abs. 1 OR genannten Massnahmen in einem Stufenverhältnis: Das Gericht soll die drastische Massnahme der Auflösung gemäss Ziffer 3 erst anordnen, wenn die milderen Massnahmen gemäss Ziffer 1 und Ziffer 2 nicht genügen oder erfolglos geblieben sind ( BGE 138 III 407 E. 2.4 S. 409, BGE 138 III 294 E. 3.1.4 S. 298 f.). Es gilt mithin das Verhältnismässigkeitsprinzip: Nur wenn sich mildere Mittel nicht als sachgerecht bzw. zielführend erweisen, kommt als ultima ratio die Auflösung der Gesellschaft nach BGE 141 III 43 S. 48 Art. 731b Abs. 1 Ziff. 3 OR zur Anwendung ( BGE 138 III 407 E. 2.4 S. 409, BGE 138 III 294 E. 3.1.4 S. 299; BGE 136 III 278 E. 2.2.2 S. 280). Dies ist etwa der Fall, wenn - wie vorliegend im Verfahren vor dem Amtsgericht Solothurn-Lebern - Verfügungen nicht zustellbar sind oder wenn sich die Gesellschaft in keiner Art und Weise vernehmen lässt ( BGE 138 III 407 E. 2.4 S. 409, 294 E. 3.1.4 S. 299). Ist aber die Auflösung einer Gesellschaft gestützt auf Art. 731b Abs. 1 Ziff. 3 OR ohnehin erst auszusprechen, wenn alle milderen Mittel versagt bzw. sich als nicht mehr zielführend herausgestellt haben, muss der Auflösungsentscheid mit Eintritt der formellen Rechtskraft definitiv sein. 2.7 Die Vorinstanz hat damit eine analoge Anwendung von Art. 195 SchKG zutreffend verneint und das Gesuch der Beschwerdeführerin zu Recht abgewiesen.
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Erwägungen ab Seite 196 BGE 135 IV 196 S. 196 Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Ist vor Ablauf der Verjährungsfrist ein erstinstanzliches Urteil ergangen, so tritt die Verjährung nicht mehr ein ( Art. 97 Abs. 3 StGB ). Das Bundesgericht hat gestützt auf diese gesetzliche Bestimmung entschieden, dass die Verfolgungsverjährung mit der Fällung des erstinstanzlichen Urteils und nicht erst mit dessen Eröffnung endet ( BGE 130 IV 101 E. 2.3 S. 105). Eine Strafverfügung ist dem erstinstanzlichen Urteil gleichgestellt ( BGE 133 IV 112 E. 9.4.4 S. 117). Unter erstinstanzlichen Urteilen sind ausschliesslich verurteilende Erkenntnisse zu verstehen ( BGE 134 IV 328 E. 2.1 S. 331). 2.2 Nach der Botschaft vom 21. September 1998 zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches (BBl 1999 1979 ff. Ziff. 216.11) war ein Hauptproblem des damals geltenden Rechts, dass die absolute Verfolgungsverjährung noch im Rechtsmittelverfahren eintreten konnte. Dieses wurde dadurch behoben, dass nach den neuen Bestimmungen die Strafverfolgungsverjährung endet, sobald ein erstinstanzliches Urteil ergangen ist. Als erstinstanzliches Urteil gilt sowohl ein Urteil im Abwesenheitsverfahren als auch ein Strafmandat (Strafbefehl), das weder Gegenstand einer Einsprache noch eines Rechtsmittelverfahrens war. Gegenüber der Gefahr, dass dem Rechtsmittelverfahren keine Grenzen mehr gesetzt sind, bleibt dem Angeschuldigten der Schutz durch das Verzögerungsverbot nach BGE 135 IV 196 S. 197 Art. 4 BV sowie das Beschleunigungsgebot nach Art. 6 EMRK (BBl 1999 2134 Ziff. 216.11). Gleichzeitig wurden das Ruhen und die Unterbrechung der Verjährungsfristen - und damit der Unterschied zwischen relativer und absoluter Verjährungsfrist - abgeschafft und die Verjährungsfristen verlängert (BBl 1999, a.a.O.). 2.3 Die Strafverfolgung und die Strafe für Übertretungen verjähren in drei Jahren ( Art. 109 StGB ). Hingegen sind weder Beginn noch Ende der Verjährungsfrist in Art. 103 ff. StGB geregelt. Aufgrund von Art. 104 StGB gelten die Bestimmungen des ersten Teils des Strafgesetzbuches - d.h. unter anderem auch Art. 97 Abs. 3 StGB - grundsätzlich auch für Übertretungen, soweit in den Art. 103 bis 109 StGB nichts Abweichendes geregelt ist. Art. 104 StGB verweist generell und ausnahmslos auf den ersten Teil des Strafgesetzbuches, soweit im Übertretungsstrafrecht keine speziellen Regeln aufgestellt werden. Weder dem Gesetz noch der Botschaft lässt sich entnehmen, dass einzelne Absätze der Gesetzesbestimmungen des ersten Teils auf das Übertretungsstrafrecht keine Anwendung finden sollen. Die Botschaft hält im Gegenteil ausdrücklich fest, dass die Verfolgungsverjährung auch im Strafbefehlsverfahren, also bei geringfügigeren Delikten, mit dem erstinstanzlichen Urteil endet (BBl 1999, a.a.O.). Gestützt auf den Willen des Gesetzgebers soll die Verfolgungsverjährung im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich nicht mehr eintreten (a.a.O.). 2.4 In einem nicht publizierten Entscheid hat das Bundesgericht aArt. 70 Abs. 3 StGB, welcher dem neuen Art. 97 Abs. 3 StGB entspricht, auf Übertretungen angewendet (vgl. Urteil 6P.182/2004 vom 2. Mai 2005 E. 3.3). 2.5 Auch die Lehre spricht sich, soweit ersichtlich, für die Anwendbarkeit von Art. 97 Abs. 3 StGB auf Übertretungen aus (PETER MÜLLER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. I, 2. Aufl. 2007, N. 70 vor Art. 97 StGB ; STEFAN HEIMGARTNER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. I, 2. Aufl. 2007, N. 13 zu Art. 109 StGB ; TRECHSEL/STÖCKLI, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 1. Aufl. 2008, N. 1 zu Art. 109 StGB ; MARTIN SCHUBARTH, Das neue Recht der strafrechtlichen Verjährung, ZStrR 120/2002 S. 331 Ziff. 24). DENYS präzisiert zu aArt. 70 Abs. 3 StGB, dass die Entscheidung einer Administrativbehörde, z.B. in einem Ordnungsbussenverfahren, nicht unter den Begriff "erstinstanzliches Urteil" falle. Erst der Entscheid einer gerichtlichen Behörde, welche die Entscheidung der BGE 135 IV 196 S. 198 Administrativbehörde im Rechtsmittelverfahren überprüft, erachtet dieser Autor als erstinstanzliches Urteil im Sinne von aArt. 70 Abs. 3 StGB (CHRISTIAN DENYS, Prescription de l'action pénale: les nouveaux art. 70, 71, 109 et 333 al. 5 CP, SJ 2003 II S. 59 f.). 2.6 Strafverfügungen ergehen gestützt auf die in den jeweiligen kantonalen Prozessordnungen festgelegten Kompetenzaufteilungen bei nicht allzu schwerwiegenden Delikten. Das Strafbefehlsverfahren ist nach dem Entwurf zur Schweizerischen Strafprozessordnung insbesondere auf Übertretungen anwendbar, d.h. in Fällen, in welchen lediglich die Busse als Strafe zur Verfügung steht ( Art. 103 StGB ; BBl 2006 1389, Art. 355 StPO ; GOLDSCHMID/MAURER/SOLLBERGER, Kommentierte Textausgabe zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 1. Aufl. 2008, S. 344 ff.). Werden Strafverfügungen und Strafbefehle generell als erstinstanzliche Urteile im Sinne von Art. 97 Abs. 3 StGB qualifiziert, soweit sie in Rechtskraft erwachsen, so ist diese Bestimmung auch auf Übertretungen anzuwenden. Aus der Botschaft ergibt sich dasselbe Resultat. Darin findet sich kein Hinweis, dass der Gesetzgeber Verbrechen bzw. Vergehen und Übertretungen bei der Verfolgungsverjährung nach einem erstinstanzlichen Urteil anders behandeln wollte. Die Auffassung der Vorinstanz, Art. 97 Abs. 3 StGB sei auf Übertretungen nicht anwendbar, ist unzutreffend und verletzt Bundesrecht.
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Sachverhalt ab Seite 276 BGE 80 I 276 S. 276 A.- Jusqu'en automne 1953, Jean Flury, à Genève, a exploité un commerce de fournitures pour l'horlogerie BGE 80 I 276 S. 277 en gros et a pratiqué en même temps la fabrication, d'une part des aiguilles de montres et, d'autre part, de certaines fournitures: axes de balanciers, bouchons en métal pour échappements et finissages, fournitures de mécanismes et de remontoirs, masses, pignons de finissages, ressorts de masses à vis, tampons de cylindres et tiges pour mises à l'heure négative. A la même époque, Fiedler exploitait une fabrique d'aiguilles de montres. Quant à la maison Golay-Buchel & Cie SA, elle fabriquait des pierres fines pour l'horlogerie et l'industrie, des outillages divers, notamment pour l'horlogerie (activité non soumise à autorisation); elle faisait, de plus, le commerce de fournitures pour l'horlogerie en gros. En septembre 1953, Flury a remis: à Ernest Fiedler la fabrication des aiguilles de montres "avec 50 ouvriers", de sorte que cette entreprise, sans changer de branche, a augmenté le nombre de ses ouvriers. En même temps, Flury a cédé à la maison Golay-Buchel & Cie SA la fabrication des fournitures pour l'horlogerie "avec 16 ouvriers". Dans ce cas, la maison cessionnaire, qui avait jusqu'alors fait le commerce des fournitures horlogères en gros, entreprenait désormais certaines fabrications dans cette branche, qu'elle adjoignait ainsi à celle de la fabrication des pierres d'horlogerie. Requis de donner son autorisation à ce double transfert, le Département fédéral de l'économie publique (en bref: le Département) a décidé, le 15 janvier 1954, d'autoriser, d'une part, la cession à Fiedler de la fabrication des aiguilles de montres, mais avec 26 ouvriers, et, d'autre part, la cession à la maison Golay-Buchel de la fabrication des fournitures pour l'horlogerie avec 16 ouvriers. Cette décision est, en résumé, motivée comme il suit: Il s'agit, en l'espèce, de l'adjonction d'une entreprise existante à deux autres. Cette opération nécessite un permis de par l'art. 9 OIH. L'autorité doit s'inspirer de l'art. 4 de l'arrêté, car la loi ne fixe pas de conditions pour la délivrance du permis dans les cas de ce genre. La maison BGE 80 I 276 S. 278 Golay-Buchel emploie 10 ouvriers à la fabrication des pierres d'horlogerie; en outre, cette société travaille la pierre industrielle et produit des outillages divers, notamment pour l'horlogerie, mais en dehors du statut horloger; la cession de la part de l'entreprise Flury lui apporte un complément normal, car la clientèle est la même. La cession à Fiedler ne comporte pas pour lui une activité nouvelle. Pour la répartition des ouvriers, le Département a admis que 16 ouvriers travaillent chez Flury aux fournitures horlogères cédées à Golay-Buchel. Le surplus, pour arriver à l'effectif de 42, chiffre maximum de 1952/1953, savoir 26 ouvriers, est attribué à Fiedler. B.- Contre cette décision, Fiedler et Flury ont formé conjointement un recours de droit administratif "en tant que la décision attaquée a réduit de 50 à 26 le nombre des ouvriers cédés à la maison Ernest Fiedler". L'argumentation des recourants se résume comme il suit: Flury a le droit d'occuper 66 ouvriers. Par suite de l'ouverture de nouvelles maisons autorisées par le Département, un chômage partiel s'est produit dès 1948, réduisant de 12 à 3 le nombre des ouvriers occupés à la fabrication des axes de balanciers chez Flury. Celui-ci a réparti ses ouvriers de façon à permettre aux maison qui reprenaient son exploitation de travailler rationnellement. Un effectif de 50 ouvriers est nécessaire pour la fabrication des aiguilles. Fiedler en a donc repris 50, ce qui, avec les 16 cédés à la maison Golay-Buchel, donne le total de 66 auquel Flury pouvait prétendre. En droit, la cession d'une part d'entreprise de Flury à Fiedler n'est pas soumise à un permis. L'arrêté du 22 juin 1951 ne règle pas le cas de la reprise partielle d'une entreprise par une autre; il faut en conclure que cette reprise peut avoir lieu sans autorisation. Dans la mesure où il prévoit une autre solution, l'art. 9 OIH est illégal et ne s'applique pas. Le Département lui-même, du reste, ne dit pas que l'art. 4 AIH est applicable en l'espèce, mais seulement qu'il y a lieu de s'en inspirer. Au surplus, on ne se trouve pas dans l'un des cas que vise cette disposition légale. BGE 80 I 276 S. 279 C.- La Chambre suisse de l'horlogerie recourt contre l'autorisation accordée à Flury de "céder à la maison Golay-Buchel & Cie à Lausanne la part de son entreprise comprenant la fabrication de fournitures d'horlogerie avec 16 ouvriers". Elle allègue en bref: Il n'y a pas, en l'espèce, de reprise d'une exploitation avec l'actif et le passif, de sorte que la cession dont il s'agit ne peut avoir lieu sans autorisation (art. 9 OIH). L'art. 4 AIH est applicable, car il y a en réalité transformation, mais on ne se trouve dans le cas ni de la lettre b, ni de la lettre c de son premier alinéa. L'autorisation ne ne peut pas non plus être accordée de par l'art. 4 al. 2, faute de circonstances spéciales. Il n'est pas exact de dire, comme le fait le Département, que la fabrication de fournitures pour l'horlogerie soit un complément normal à l'activité de celui qui fait le commerce de ces fournitures. La maison Golay-Buchel est du reste prospère. Sa viabilité n'est nullement menacée, tandis que son accroissement constant porte atteinte à plusieurs branches de l'industrie horlogère. Elle a enfin vendu à l'étranger des fournitures pour l'horlogerie "à des prix sensiblement plus bas que ceux qui sont couramment pratiqués". "Elle a commis des infractions aux tarifs minima lorsque ceux-ci étaient rendus obligatoires par les arrêtés du Conseil fédéral." D.- Sur le recours de Fiedler et Flury le Département répond en bref comme il suit: Toute ouverture, transformation ou augmentation du nombre des ouvriers doit être autorisée préalablement. C'est la règle générale, à laquelle la dernière phrase de l'art. 3 al. 1 fait une exception. Cette disposition légale, cependant, ne s'applique pas dans la présente espèce, car il n'y a pas de reprise avec l'actif et le passif d'une entreprise existante. C'est dès lors la règle générale qui s'applique, et une autorisation est nécessaire. Le législateur a voulu éviter que le permis ne mette son titulaire au bénéfice d'un privilège et ne crée un droit qui subsiste et soit négociable indépendamment de son utilisation. Il faut dès lors admettre que, lors de la cession d'une entreprise, l'effectif cédé est celui que l'entreprise BGE 80 I 276 S. 280 emploie réellement, c'est-à-dire celui qu'elle a employé pendant la période immédiatement antérieure à la cession. Le Département s'est fondé, en l'espèce, sur les déclarations de Flury lui-même pour fixer le nombre des ouvriers affectés à chacune des deux parts de l'entreprise qui ont fait l'objet de la cession. Cependant, si ces déclarations s'avéraient inexactes, il faudrait revoir le nombre des ouvriers attribués à chacune des entreprises cessionnaires. Sur le recours de la Chambre suisse de l'horlogerie le Département répond: Il y a en réalité transformation de l'entreprise Golay-Buchel par la cession d'une part de l'exploitation de Flury. Les lit. b et c de l'art. 4 al. 1 AIH n'étant manifestement pas applicables, l'autorisation nécessaire ne pourrait être accordée qu'en vertu de l'art. 4 al. 2 AIH. Flury faisait, d'une part, l'achat et la vente, d'autre part, la fabrication de fournitures pour l'horlogerie. La maison Golay-Buchel ne faisait que l'achat et la vente. Mais la fabrication, précisément, des pièces dont elle faisait le commerce, constituait un complément normal à son activité. Flury jouissait d'une situation acquise, dans laquelle il a mis la maison Golay-Buchel, qui donne toute garantie de sérieux. Dans ce cas aussi, cependant, il faudra'au besoin, rectifier le nombre des ouvriers accordés à la maison Golay-Buchel par l'autorisation attaquée, si ce nombre se révèle inexact. E.- La maison Golay-Buchel conclut au rejet du recours formé par la Chambre suisse de l'horlogerie. Elle répond comme il suit aux arguments de la recourante: On est bien en présence d'une reprise de la maison Flury avec l'actif et le passif. Au surplus, l'arrêté du 22 juin 1951 ne doit pas être interprété extensivement. Touchant l'adjonction à une entreprise d'une nouvelle branche de fabrication, le message du Conseil fédéral à l'Assemblée fédérale, du 6 octobre 1950, relève qu'il y a lieu d'examiner "la situation dans la branche, les besoins de la clientèle et la qualité des produits du requérant". BGE 80 I 276 S. 281
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Erwägungen Considérant en droit: 1. L'arrêté du 22 juin 1951 prévoit un seul cas où la reprise d'une entreprise horlogère n'est pas subordonnée à un permis. C'est la reprise "avec l'actif et le passif" (art. 3 al. 1 dernière phrase AIH), c'est-à-dire le cas où l'entreprise est transférée dans son ensemble et intégralement au nouvel acquéreur (RO 80 I 221, consid. 3). Il n'en est pas ainsi dans la présente espèce, où il n'y a que reprise partielle d'une entreprise. Au surplus, cette reprise n'a même pas eu lieu avec l'actif et le passif: dans une lettre du 17 septembre 1953, adressée au Département, la maison Golay-Buchel affirme elle-même que Flury conservait ses débiteurs et son passif; de plus, dans sa réponse au recours de la Chambre suisse de l'horlogerie, elle mentionne encore qu'elle n'avait repris aucun article du passif et que Flury avait conservé pour l'encaisser lui-même une partie de son actif. Les cessions litigieuses étaient donc soumises à un permis. La cession de Flury à la maison Golay-Buchel apparaît comme une transformation de cette dernière entreprise par adjonction d'une branche de fabrication à une autre (art. 3 al 2 AIH), opération subordonnée à un permis par l'art. 3 al. 1 AIH et soumise aux conditions des art. 4 al. 1 lit. c et 4 al. 2 AIH. Car la maison Golay-Buchel, qui, dans le cadre du statut horloger, pratiquait jusqu'ici uniquement la fabrication de pierres, veut y adjoindre dorénavant la fabrication de certaines fournitures, c'est-à-dire une activité appartenant à une branche différente. Quant à la cession de Flury à la maison Fiedler, elle n'entraîne pas la transformation de cette entreprise, mais l'augmentation du nombre de ses ouvriers. Elle est soumise à autorisation par l'art. 3 al. 1 AIH et doit satisfaire aux exigences de l'art. 4 al. 1 lit. d AIH. Dans la décision attaquée, le Département a cru pouvoir appliquer des règles spéciales, s'agissant d'un cas de cession partielle, c'est-à-dire d'un cas où, comme dans celui BGE 80 I 276 S. 282 que vise la dernière phrase de l'art. 3 al. 1 AIH, il n'y avait pas augmentation de l'appareil de production. Cette idée est erronée et ne trouve aucun fondement dans la loi. Celle-ci n'a pas pour but de maintenir en tout cas les exploitations existantes et d'en assurer nécessairement la reprise lorsque leurs titulaires se retirent. Elle tend au contraire à permettre la création d'entreprises nouvelles dans toute la mesure du possible. Il n'y a donc pas de raison, en l'espèce, de ne pas appliquer les al. 1 et 2 de l'art. 4 AIH. Pour l'application de l'al. 2, le fait que l'appareil de production n'est pas augmenté pourra être retenu comme circonstance favorable à l'autorisation; encore faudra-t-il que les autres conditions, définies par la pratique et la jurisprudence dans le cadre légal, soient réalisées. 2. a) Touchant la transformation projetée par la maison Golay-Buchel, il faut rechercher tout d'abord si l'autorisation doit être accordée en vertu de l'art. 4 al. 1 AIH. Sous réserve des "importants intérêts" de l'industrie horlogère, cette disposition légale autorise la transformation dans deux cas exclusivement: celui où le requérant veut exploiter une invention brevetée, un nouveau procédé de fabrication ou une amélioration technique (lit. b) et celui où, en raison de changements qui se sont produits dans la fabrication ou sur le marché de la montre, la transformation dont il s'agit est nécessaire pour que l'entreprise demeure viable (lit. c). Ce sont là deux cas où la tendance générale au maintien des entrepreneurs dans leur branche, tendance propre à l'arrêté du 22 juin 1951, est tempérée par des dispositions expresses. Manifestement, aucun de ces deux cas n'est donné dans la présente espèce, de sorte que la maison Golay-Buchel ne peut se réclamer de l'al. 1, mais tout au plus, de l'al. 2 de l'art. 4 AIH (arrêt Charbonney du 26 mars 1954, non publié). b) L'art. 4 al. 2 AIH prévoit que l'autorisation pourra être accordée dans d'autres cas encore que ceux de l'art. 4 al. 1, c'est-à-dire même si le requérant ne satisfait pas à BGE 80 I 276 S. 283 toutes les conditions que pose cet article. Mais il faudra toujours que la bonne marche de l'entreprise apparaisse assurée. En outre, l'autorisation devra être justifiée par des circonstances spéciales, qu'il appartient à la pratique et à la jurisprudence de définir (RO 78 I 469, no 69; 79 I 308 , consid. 4; 317; 385). S'agissant d'un cas de transformation, il faudra notamment que des circonstances spéciales justifient suffisamment le passage à une autre branche ou l'adjonction d'une branche à une autre en dehors des cas où les lit. b et c de l'art. 4 AIH l'autorisent expressément. c) La bonne marche de l'entreprise sera assurée si le requérant possède des capacités techniques et commerciales suffisantes ou si, à défaut de connaissances ou d'expériences suffisantes sur l'un de ces points, des circonstances spéciales permettent d'accorder néanmoins l'autorisation. En l'espèce, les titulaires de la maison Golay-Buchel possèdent incontestablement des capacités commerciales suffisantes pour assurer la bonne marche de l'entreprise. Le Département estime en outre qu'ils donneraient, par leur activité antérieure, toute garantie en ce qui concerne la qualité, c'est-à-dire touchant les problèmes techniques de la fabrication. Ce point, cependant, n'a fait l'objet d'aucune instruction quelconque. Il n'apparaît pas que la maison ait jamais encore pratiqué la fabrication qu'elle désire entreprendre et l'on ne sait si l'un des associés au moins possède les connaissances techniques nécessaires'ni si quelque autre circonstance permettrait d'admettre qu'une lacune éventuelle sur ce point serait comblée (cf. arrêt Jacot, du 26 juin 1953, consid. 3, non publié). A cet égard, le Tribunal fédéral a toujours jugé qu'en tout cas l'engagement d'un tiers par un simple contrat de travail, qui n'offrirait pas des garanties satisfaisantes du point de vue de la durée notamment, ne saurait suffire en général (arrêts Froidevaux, du 27 mars 1953; Marchand, du 11 juin 1953; Bolli, du 5 décembre 1952; Thiébaud, du 5 décembre 1952). Quoi qu'il en soit, la question n'a pas été suffisamment BGE 80 I 276 S. 284 éclaircie. Il est nécessaire, dès lors, de renvoyer l'affaire au Département pour compléter l'instruction sur ce point. d) La question de la bonne marche de l'entreprise étant tranchée et supposé qu'elle le soit dans le sens affirmatif, il restera à examiner s'il existe en l'espèce des circonstances spéciales justifiant l'autorisation exceptionnelle par dérogation à l'art. 4 al. 1 lit. b et c. A ce titre, le Département allègue tout d'abord qu'il s'agit d'une transformation pour la reprise partielle d'une exploitation existante avec le même nombre d'ouvriers, de sorte qu'il n'y aura aucune augmentation de l'appareil de production. Cette circonstance peut être prise en considération du point de vue des intérêts prépondérants de l'industrie horlogère dans son ensemble (préambule à l'art. 4 al. 2), car une augmentation inconsidérée de l'appareil de production peut léser ces intérêts (arrêt Chambre suisse de l'horlogerie c. Zumsteg et Parel, du 11 juin 1953, non publié, consid. 3). Mais le simple fait qu'il n'y aura pas augmentation de l'appareil de production n'est en tout cas pas suffisant pour justifier que l'on permette à un entrepreneur de sortir de sa branche; cette circonstance pourrait aussi bien être invoquée dans le cas où la reprise partielle serait faite par une exploitation de la même branche ou par un entrepreneur qui n'appartiendrait pas encore à l'industrie horlogère; elle ne saurait donc conférer aucun avantage à l'entrepreneur d'une autre branche. Le Département allègue encore, dans le cadre de l'art. 4 al. 2, que la maison Golay-Buchel est déjà introduite, bien qu'à titre de commerçante seulement, dans la nouvelle branche qu'elle désire entreprendre. Il en conclut que la reprise projetée apportera un complément normal à l'exploitation. Il peut certes paraître souhaitable à la maison Golay-Buchel de s'adjoindre la fabrication d'articles dont elle fait déjà le commerce et cette dernière circonstance permet d'admettre qu'elle possède les connaissances et l'expérience commerciales voulues pour entreprendre la BGE 80 I 276 S. 285 fabrication projetée. Mais il n'en reste pas moins que le commerce et la fabrication sont deux choses entièrement différentes et que, vu les motifs donnés ci-dessus, la pratique du commerce dans une branche donnée ne peut servir à justifier exceptionnellement le passage à la fabrication correspondante. Enfin, il est vrai, comme le Département l'allègue, que Flury ne ferait que mettre la maison Golay-Buchel au bénéfice de la situation exceptionnelle où il se trouvait lui-même, pratiquant à la fois le commerce et la fabrication de fournitures pour l'horlogerie. Mais ce n'est pas là une circonstance spéciale justifiant l'autorisation. De telles circonstances ne peuvent exister que dans l'entreprise elle-même qui doit bénéficier de l'autorisation et il ne suffit pas que le cédant soit dans une situation exceptionnelle pour que le cessionnaire puisse la revendiquer au même titre. Le Département tiendra compte de ces divers points dans le nouvel examen qu'il fera de la requête de la maison Golay-Buchel. 3. L'augmentation du nombre de ses ouvriers réalisée par la cession de Flury à Fiedler n'est pas contestée dans son principe, de sorte que le Tribunal fédéral n'a pas à revoir, sur ce point, la décision attaquée. 4. a) Quant au nombre supplémentaire d'ouvriers dont la cession autorisée fait bénéficier l'entreprise Fiedler, la décision attaquée l'a fixé à 26. Flury et Fiedler attaquent la décision sur ce point et demandent que la cession porte sur 50 ouvriers. Le Tribunal fédéral doit donc examiner si cette augmentation se justifie. Pour la cession de Flury à la maison Golay-Buchel, avec transformation de cette dernière entreprise, la décision attaquée avait fixé le nombre d'ouvriers à 16. L'autorisation étant attaquée dans son principe même par la Chambre suisse de l'horlogerie, rien n'empêche le Tribunal fédéral d'examiner également si le nombre ainsi fixé se justifie. Il le fait en vue du cas où le Département accorderait à nouveau à la maison Golay-Buchel l'autorisation de BGE 80 I 276 S. 286 reprendre de Flury la fabrication des fournitures d'horlogerie. b) Le Département n'a entendu accorder, soit à Fiedler, soit à la maison Golay-Buchel, que le nombre d'ouvriers que Flury occupait, lors de la reprise, aux fabrications cédées. Cela se justifiait en ce qui concerne l'augmentation du nombre des ouvriers par la cession de Flury à Fiedler. Car l'art. 4 al. 1 lit. d AIH autorise l'augmentation lorsque le requérant prouve "qu'il est en mesure de procurer à ce personnel supplémentaire une occupation de longue durée", Or, dans un cas où, comme en l'espèce, la cession comporte reprise de la clientèle, il est clair que, par la reprise, l'acquéreur assure à son nouveau personnel une occupation de longue durée. L'application de la même règle se justifierait également pour déterminer le nombre d'ouvriers auquel aurait droit la maison Golay-Buchel dans le cas où l'autorisation lui serait accordée de transformer son entreprise en reprenant une partie de celle de Flury. Dans l'un comme dans l'autre cas, ce sera donc le nombre d'ouvriers occupés, par Flury, au moment du transfert dans la branche de fabrication cédée qui entrera en ligne de compte, c'est-à-dire l'effectif occupé par Flury pendant la dernière ou les deux dernières années. Dans la décision attaquée, le Département avait admis les indications données par Flury lui-même, qui affirmait avoir occupé en 1952-1953 42 ouvriers en tout, dont 26 à la fabrication des aiguilles de montres et 16 à la fabrication des fournitures pour l'horlogerie. L'attribution avait été faite sur cette base. Cependant, il résulte des nouveaux renseignements obtenus de Flury au cours de l'instruction de la cause devant le Tribunal fédéral que, pendant les années 1952-1953, Flury a occupé 25 ouvriers et non pas 26 à la fabrication des aiguilles de montres et 6 ouvriers et non pas 16 à la fabrication des fournitures pour l'horlogerie, soit un total de 31 ouvriers au lieu de 42. Ces chiffres n'ont pas été contestés dans la présente instance. Aussi le Département a-t-il proposé au Tribunal fédéral de BGE 80 I 276 S. 287 modifier dans ce sens l'attribution faite dans la décision attaquée et d'accorder 25 ouvriers au lieu de 26 à Fiedler pour la fabrication des aiguilles de montres et 6 ouvriers au lieu de 16 à la maison Golay-Buchel pour la fabrication des fournitures d'horlogerie. Cette proposition se justifie en principe. c) Il suit de là que l'effectif accordé à Fiedler devrait être, non pas augmenté de 26 à 50, comme Fiedler lui-même et Flury le demandent, mais au contraire réduit d'une unité. L'augmentation requise à concurrence de 50 unités doit donc en tout cas être refusée. Mais la réduction à 25 unités, qui se justifierait en principe, ne saurait être prononcée, car, selon la première phrase de l'art. 109 al. 1 OJ, le Tribunal fédéral ne peut aller au-delà des conclusions des parties. Il ne saurait donc, en l'absence d'un recours de la Chambre suisse de l'horlogerie sur ce point, diminuer le nombre d'ouvriers que Flury a été autorisé à céder à Fiedler, alors que ces deux personnes concluaient, au contraire, à l'augmentation de ce nombre. Dans la mesure, cependant, où Fiedler estimerait être à même d'assurer une occupation de longue durée à un effectif plus considérable, il lui serait loisible de former une nouvelle demande d'augmentation du nombre de ses ouvriers, qui pourrait être examinée dans le cadre de l'art. 4 AIH. d) Quant à l'effectif supplémentaire dont bénéficierait la maison Golay-Buchel, l'autorisation étant attaquée dans son principe même, il pourrait être fixé à nouveau et réduit dans le cas où le Département accorderait derechef l'autorisation requise (supra, ch. 2). Sous réserve des éléments de fait nouveaux que ferait apparaître le complément d'instruction indispensable, il serait alors fixé à 6 ouvriers.
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2,592
Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral prononce: Le recours de Flury et Fiedler est rejeté. Le recours de la Chambre suisse de l'horlogerie est admis en ce sens que BGE 80 I 276 S. 288 la décision attaquée est annulée dans la mesure où elle autorise Flury à céder à Golay-Buchel & Cie la part de son entreprise comprenant la fabrication de fournitures d'horlogerie, telle qu'elle est décrite dans cette décision; dans cette mesure, l'affaire est renvoyée au Département fédéral de l'économie publique pour qu'il se prononce à nouveau comme il est dit dans les motifs; le recours de la Chambre suisse de l'horlogerie est rejeté pour le surplus.
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Erwägungen ab Seite 401 BGE 110 II 401 S. 401 Erwägungen: 1. Die am 12. Juli 1983 gegründete Fundaziun Pro Gonda wurde vom Handelsregister des Kantons Graubünden am 11. November 1983 in romanischer Sprache ins Tagebuch eingetragen. Das Eidgenössische Amt für das Handelsregister verweigerte mit Verfügung vom 15. Februar 1984 die Genehmigung, da Eintragungen in anderen als den Amtssprachen des Bundes unzulässig seien. Die Fundaziun Pro Gonda führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, die Verfügung des Eidgenössischen Handelsregisteramtes sei aufzuheben und dieses anzuweisen, die in romanischer Sprache erfolgte Eintragung zu genehmigen und deren Bekanntmachung anzuordnen. Sie ersucht ferner um Erlass der Gerichtskosten. Das Eidgenössische Amt für das Handelsregister begehrt Abweisung der Beschwerde. 2. Gemäss Art. 7 Abs. 1 der Verordnung über das Handelsregister vom 7. Juni 1937 (HRegV) werden die Eintragungen in das BGE 110 II 401 S. 402 Register in der Landessprache abgefasst, die am Sitz des Amtes als Amtssprache gilt. Weil es sich um eine eidgenössische Vorschrift handelt, bestimmt unabhängig davon, ob sie von den Bundes- oder kantonalen Behörden angewendet wird, nicht kantonales Recht, sondern Bundesrecht ihren Inhalt. Es ist deshalb entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin unerheblich, dass die Kantonsverfassung Graubündens das Rätoromanische als Amtssprache anerkennt. Gemäss Art. 116 BV ist das Rätoromanische zwar National-, nicht aber Amtssprache. Mit der Anerkennung des Rätoromanischen als National- oder Landessprache anlässlich der Revision von 1938 wurde nach den Ausführungen in der Botschaft des Bundesrates im Bereich der Amtssprachen am früheren rechtlichen und tatsächlichen Zustand nichts geändert (BBl 1937 II 24 und 27). Die Botschaft weist besonders darauf hin, dass Bestimmungen in bestehenden Gesetzen, Verordnungen und Reglementen, wo von den Nationalsprachen die Rede sei, inskünftig dem neuen Begriff der Amtssprachen zu unterstellen und in diesem Sinne auszulegen und anzuwenden seien (BBl 1939 II 24). Diese Auffassung ist in den eidgenössischen Räten ausdrücklich bestätigt worden und unwidersprochen geblieben (Sten.Bull. 1937 NR S. 711 ff., SR S. 483 ff.). Die von der Beschwerdeführerin angerufenen Zitate aus der bundesrätlichen Botschaft vermögen nichts daran zu ändern. Sie betreffen nicht das Rätoromanische als Amtssprache, wie die Beschwerdeführerin zu unterstellen versucht, sondern ausnahmslos "die Erfüllung der gestellten Nebenbegehren" (BBl 1937 II 27), wie zum Beispiel die Übersetzung der bedeutendsten Bundesgesetze in eine der rätoromanischen Schriftsprachen sowie die Entgegennahme von Schriftstücken in rätoromanischer Sprache. Es bestand Einigkeit darüber, dass das Rätoromanische nicht Amtssprache des Bundes werden sollte (BBl 1937 II 27). Das war im übrigen auch gar nie verlangt worden (BBl 1937 II 2 und 12). Auf dieser Grundlage beurteilt hat das Eidgenössische Handelsregisteramt demnach mit der Verweigerung des Eintrags kein Bundesrecht verletzt. 3. Trifft, wie dargelegt, die Bundesverfassung selbst für das Rätoromanische eine nach National- und Amtssprache unterschiedliche Ordnung, so kann weder die von der Beschwerdeführerin angerufene Sprachenfreiheit, noch das Sprachgebietsprinzip, noch die Garantie des Rätoromanischen als Nationalsprache verletzt sein.
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Sachverhalt ab Seite 109 BGE 134 III 108 S. 109 A. A. (Beschwerdegegner) trat am 1. Mai 2006 bei der X. AG (Beschwerdeführerin) eine Stelle als Facharzt für Anästhesie mit einem Pensum von 80 % an. Am 15. Mai 2006 fand zwischen dem Beschwerdegegner und dem Verwaltungsratspräsidenten der Beschwerdeführerin eine Besprechung statt. Per E-Mail vom 16. Mai 2006 teilte der Beschwerdegegner der Beschwerdeführerin mit, er wolle nicht, dass sein Name für Inserate im Zusammenhang mit der geplanten Schmerzklinik verwendet werde und halte das Inserat zum jetzigen Zeitpunkt für verfrüht und kontraproduktiv. Die Chance für einen späteren geordneten Aufbau der Schmerzklinik werde vertan. B. Mit Schreiben vom 22. Mai 2006, noch innerhalb der Probezeit, löste die Beschwerdeführerin den Vertrag mit dem Beschwerdegegner auf den 31. Mai 2006 auf. Der Verwaltungsratspräsident führte zur Begründung aus, er habe sich vorgestellt, dass der Beschwerdegegner neben seiner 80 % Tätigkeit als Anästhesiearzt die Schmerztherapie in einer 20 % Tätigkeit in der Klinik und für die Belegärzte übernehmen werde. Leider habe er nach einer Sitzung feststellen müssen, dass der Beschwerdegegner mit der Vorgehensweise und dem Zeitpunkt des Beginns der Schmerztherapie nicht einverstanden sei. Da man nicht die Zeit habe, noch einige Monate zu warten, und im Juni 2006 mit der Schmerztherapie starten möchte, kam der Verwaltungsratspräsident zum Schluss, die Stelle entspreche nicht der Vorstellung der Parteien, so dass man sich für eine andere Lösung entschieden habe. C. Am 14. Juli 2006 reichte der Beschwerdegegner beim Arbeitsgericht Rorschach Klage ein und verlangte von der Beschwerdeführerin als Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung Fr. 26'800.-, entsprechend zwei Monatslöhnen, nebst Zins. Während das Arbeitsgericht die Klage abwies, sprach das Kantonsgericht St. Gallen dem Beschwerdegegner am 21. August 2007 in teilweiser Gutheissung der kantonalen Berufung Fr. 20'000.- nebst Zins zu. Die Beschwerdeführerin erhebt gegen diesen Entscheid Beschwerde in Zivilsachen und beantragt dem Bundesgericht im Wesentlichen, die Klage abzuweisen. Der Beschwerdegegner schliesst auf kostenfällige Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 7. Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, selbst wenn der Kündigung ein gewisses Willkürelement anhaften würde, vermöchte dies BGE 134 III 108 S. 110 keine Rechtsmissbräuchlichkeit nach Art. 336 OR zu begründen, da diese Bestimmung während der Probezeit nur zurückhaltend anzuwenden sei. 7.1 Ob der sachliche Kündigungsschutz auch während der Probezeit greift, wird in der Lehre uneinheitlich beurteilt (für eine Anwendung: STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N. 8 zu Art. 335b OR ; VISCHER, Der Arbeitsvertrag, 3. Aufl., in: Schweizerisches Privatrecht Bd. VII/4, S. 234; STREIFF/VON KAENEL, Der Arbeitsvertrag, 6. Aufl., N. 9 zu Art. 335b OR , je mit Hinweisen; dagegen: TROXLER, Der sachliche Kündigungsschutz nach Schweizer Arbeitsvertragsrecht, Diss. Basel 1992, S. 36 ff.; BRAND/DÜRR/GUTKNECHT/PLATZER/SCHNYDER/STAMPFLI/WANNER, Der Einzelarbeitsvertrag im Obligationenrecht, N. 1 und 5 zu Art. 335b OR ). Das Bundesgericht hat die Frage nicht abschliessend beurteilt (Urteile des Bundesgerichts 4A_281/2007 vom 18. Oktober 2007, E. 5.2 am Ende; 4C.272/1993 vom 6. Januar 1994, E. 2 mit Hinweisen; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts C.265/1984 vom 2. Oktober 1984, E. 5, publ. in: SJ 1986 S. 295 f.). Es hat allerdings festgehalten, für den Fall, dass der Kündigungsschutz zur Anwendung kommen sollte, sei nur mit Zurückhaltung auf die Missbräuchlichkeit der Kündigung zu schliessen (zit. Urteil 4A_281/2007, E. 5.2 am Ende; ebenso WYLER, Droit du travail, S. 332). Der Schutz vor missbräuchlichem Verhalten ergibt sich indessen bereits aus dem allgemeinen Rechtsmissbrauchsverbot (STAEHELIN, a.a.O., N. 8 zu Art. 335b OR ), das durch Art. 336 OR konkretisiert wird, wobei die Aufzählung in Art. 336 OR nicht abschliessend ist ( BGE 132 III 115 E. 2.1 S. 116 f. mit Hinweisen). Selbst TROXLER, der die Anwendung des sachlichen Kündigungsschutzes grundsätzlich ablehnt, anerkennt Ausnahmen, namentlich wenn eine Kündigung während der Probezeit ausgesprochen wird, um Ansprüche des Arbeitnehmers zu vereiteln oder wenn sie als Reaktion auf in guten Treuen erhobene Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfolgt (TROXLER, a.a.O., S. 45). Soweit die Lehre die Missbrauchsbestimmungen nicht oder nur einschränkend zur Anwendung kommen lassen will, rechtfertigt sie dies mit Hinweis auf den Sinn und Zweck der Probezeit (BRAND/DÜRR/GUTKNECHT/PLATZER/SCHNYDER/STAMPFLI/WANNER, a.a.O., N. 1 zu Art. 335b OR ; TROXLER, a.a.O., S. 36 ff.; STREIFF/VON KAENEL, a.a.O., N. 9 zu Art. 335b OR ; WYLER, a.a.O., S. 332). Damit ist grundsätzlich davon auszugehen, dass auch eine Kündigung während der Probezeit missbräuchlich sein kann. Zu prüfen bleibt aber im Einzelfall, ob die Kündigung, welche einen Tatbestand nach Art. 336 OR erfüllt oder sonst BGE 134 III 108 S. 111 in einem gewöhnlichen Arbeitsverhältnis als missbräuchlich angesehen würde, mit Blick auf den durch die Probezeit verfolgten Zweck zulässig erscheint. 7.1.1 Die Probezeit soll den Parteien die Möglichkeit bieten, einander kennenzulernen, was zur Schaffung eines Vertrauensverhältnisses notwendig ist (VISCHER, a.a.O., S. 234). Sie erlaubt den Parteien abzuschätzen, ob sie die gegenseitigen Erwartungen erfüllen (vgl. BGE 120 Ib 134 E. 2a), und sie werden in die Lage versetzt, über die in Aussicht genommene langfristige Bindung in Kenntnis der konkreten Umstände zu urteilen ( BGE 129 III 124 E. 3.1 S. 125 f. mit Hinweisen; vgl. auch Urteile des Bundesgerichts RK.2/2005 vom 5. Oktober 2005, E. 4.3; 4C.272/1993 vom 6. Januar 1994, E. 2). Das Recht, während der Probezeit mit verkürzter Frist zu kündigen, ist ein Ausfluss der Vertragsfreiheit (vgl. TROXLER, a.a.O., S. 38). Bei Abschluss des Vertrages liegt es grundsätzlich im Belieben des Arbeitgebers, welchen von mehreren Kandidaten er einstellen will. Ebenso entscheidet der Arbeitnehmer frei, für welche Arbeitsstelle er sich bewirbt. Nach Art. 335b OR wirkt diese Abschlussfreiheit in die Probezeit nach, indem die Parteien grundsätzlich den Entscheid über eine langfristige Bindung aufgrund der in der Probezeit gewonnenen Erkenntnisse frei treffen können. Soweit sich die Kündigung an diesem Zweck der Probezeit orientiert, ist allein darin, dass ihr etwas "Willkürliches" anhaftet, in der Tat kein Rechtsmissbrauch zu erblicken. Die zulässige "Willkür" entspricht der Freiheit der Parteien, darüber zu entscheiden, ob sie sich langfristig binden wollen (zit. Urteil des Bundesgerichts C.265/1984, E. 5; vgl. WYLER, a.a.O., S. 332; STREIFF/ VON KAENEL, a.a.O., N. 9 zu Art. 335b OR ). 7.1.2 Der zu beurteilende Fall liegt indessen anders. Die Beschwerdeführerin wusste bei Vertragsabschluss, dass der Beschwerdegegner zu 20 % für einen anderen Arbeitgeber tätig war. Es musste ihr klar sein, dass dem Beschwerdegegner eine sofortige Aufgabe dieser Tätigkeit kaum möglich oder zumutbar sein würde. Indem die Beschwerdeführerin in den Vertragsverhandlungen lediglich eine Pensumsaufstockung in unbestimmter Zukunft thematisierte, gab sie dem Beschwerdegegner nach Treu und Glauben zu verstehen, dass seine anderweitige Tätigkeit, die einem sofortigen Ausbau seiner Arbeit für die Beschwerdeführerin entgegenstand, keinen Hinderungsgrund für dessen Anstellung bildete. Wenn sie dennoch umgehend wegen der mangelnden sofortigen Verfügbarkeit des Beschwerdegegners kündigte, liegt darin nicht eine vom Zweck der Probezeit erfasste, BGE 134 III 108 S. 112 "zulässige Willkür", sondern ein Verhalten, das im Widerspruch zu erwecktem Vertrauen steht und keinen Rechtsschutz verdient (vgl. TROXLER, a.a.O., S. 38), zumal es nicht in Erkenntnissen gründet, die erst aufgrund der Arbeit während der Probezeit gewonnen wurden. Die Kündigung erfolgte zudem als Reaktion darauf, dass der Beschwerdegegner seinen Anspruch auf die vorläufige Einhaltung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit von 80 % geltend gemacht hatte (vgl. TROXLER, a.a.O., S. 45). Damit hat die Vorinstanz die Kündigung zu Recht als missbräuchlich qualifiziert.
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Sachverhalt ab Seite 16 BGE 128 V 15 S. 16 A.- La société X. SA, de siège à A. a été fondée le 8 mars 1985 avec un capital de 50'000 fr.; elle avait pour but d'effectuer toutes études, projets et expertises, d'entreprendre toutes réalisations techniques, principalement dans le domaine des installations électriques en courant fort et faible, ainsi que des installations téléphoniques et de fournir des conseils techniques. C. en était le président du conseil d'administration, B. d'abord le fondé de procuration puis le vice-président (dès le 3 juin 1986) avec signature collective à deux, le troisième administrateur étant, dès mars 1987, D. Le 16 septembre 1996, la société a demandé un sursis concordataire de quatre mois dans le but de proposer à ses créanciers un concordat dividende. Le sursis accordé le 28 octobre 1996 a été révoqué, à la demande du commissaire au sursis, par décision du 24 février 1997, publiée le 11 avril 1997 dans la Feuille officielle du canton de Fribourg. La faillite de la société a été prononcée le 16 avril 1997. X. SA était affiliée en qualité d'employeur auprès de la Caisse de compensation FRSP-CIGA (ci-après: la caisse de compensation). Considérant les cotisations sociales non versées par l'employeur comme irrecouvrables, la caisse de compensation a adressé à chacun des administrateurs, le 23 décembre 1999, une décision en réparation du dommage, leur réclamant paiement d'un montant de 241'219 fr. 90 correspondant aux cotisations paritaires impayées pour les années 1994 à 1997, y compris les frais de gestion, les intérêts moratoires et les frais de sommation. B.- B. ayant formé opposition, la caisse de compensation a porté le cas devant le Tribunal administratif du canton de Fribourg en maintenant intégralement sa demande. Par jugement du 4 octobre 2001, la juridiction cantonale a admis la demande en totalité. C.- B. interjette recours de droit administratif contre ce jugement dont il demande en substance principalement l'annulation, subsidiairement la réforme, le montant à réparer étant réduit de 19'340 fr. 40, le tout sous suite de dépens. La caisse de compensation a conclu au rejet du recours, alors que l'Office fédéral des assurances sociales a renoncé à se déterminer.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. La décision litigieuse n'ayant pas pour objet l'octroi ou le refus de prestations d'assurance, le Tribunal fédéral des assurances doit se borner à examiner si les premiers juges ont violé le droit fédéral, BGE 128 V 15 S. 17 y compris par l'excès ou par l'abus de leur pouvoir d'appréciation, ou si les faits pertinents ont été constatés d'une manière manifestement inexacte ou incomplète, ou s'ils ont été établis au mépris de règles essentielles de procédure (art. 132 en corrélation avec les art. 104 let. a et b et 105 al. 2 OJ ). 2. En instance fédérale, le recourant soutient, pour l'essentiel et pour la première fois, que le droit de demander réparation était périmé lorsque la caisse a notifié sa décision le 23 décembre 1999. a) L' art. 82 RAVS règle la prescription du droit de la caisse de compensation de demander la réparation du dommage. Un tel droit se prescrit lorsque la caisse ne le fait pas valoir par une décision de réparation dans l'année après qu'elle a eu connaissance du dommage et, en tout cas, à l'expiration d'un délai de cinq ans à compter du fait dommageable (al. 1). Lorsque ce droit dérive d'un acte punissable soumis par le code pénal à un délai de prescription de plus longue durée, ce délai est applicable (al. 2). En dépit de la terminologie dont use l' art. 82 RAVS , les délais institués par cette norme ont un caractère péremptoire ( ATF 126 V 451 consid. 2a, ATF 121 III 388 consid. 3b et les références). Par moment de la "connaissance du dommage" au sens de l' art. 82 al. 1 RAVS , il faut entendre, en règle générale, le moment où la caisse de compensation aurait dû se rendre compte, en faisant preuve de l'attention raisonnablement exigible, que les circonstances effectives ne permettaient plus d'exiger le paiement des cotisations, mais pouvaient entraîner l'obligation de réparer le dommage ( ATF 126 V 444 consid. 3a, 452 consid. 2a, ATF 121 III 388 consid. 3b et les références). Lorsque le dommage résulte d'une faillite, le moment de la "connaissance du dommage" ne coïncide pas avec celui où la caisse connaît la répartition finale ou reçoit un acte de défaut de biens; la jurisprudence considère, en effet, que le créancier qui entend demander la réparation d'une perte qu'il subit dans une faillite connaît suffisamment son préjudice, en règle ordinaire, lorsqu'il est informé de sa collocation dans la liquidation; il connaît ou peut connaître à ce moment-là le montant de l'inventaire, sa propre collocation dans la liquidation, ainsi que le dividende prévisible. Les mêmes principes sont applicables en cas de concordat par abandon d'actifs ( ATF 119 V 92 consid. 3, ATF 118 V 196 consid. 3a et les arrêts cités; VSI 1995 p. 170 consid. 2). La partie lésée peut toutefois, en raison de circonstances spéciales, acquérir la connaissance nécessaire avant le dépôt de l'état de collocation. Ainsi, selon la jurisprudence, on peut exiger d'une caisse BGE 128 V 15 S. 18 qu'elle se fasse représenter à la première assemblée des créanciers ou qu'elle en demande le procès-verbal, dès lors que son devoir de diligence lui commande de suivre l'évolution de la procédure de faillite ( ATF 121 V 240 consid. 3c/aa et les références). S'il apparaît à ce moment-là déjà qu'elle subira un dommage, le délai d'une année commencera à courir. Même la connaissance d'un dommage partiel est suffisante pour faire partir le délai prévu par l' art. 82 al. 1 RAVS ( ATF 126 V 452 consid. 2a, ATF 121 V 243 consid. 3c/bb). b) Dans le cas d'espèce, il résulte des faits non contestés retenus par les premiers juges que la caisse de compensation aurait dû, dans le cadre de la procédure de faillite, avoir connaissance du dommage lors du dépôt de l'état de collocation le 24 décembre 1998. C'est en conséquence à juste titre qu'ils ont considéré que le droit de demander réparation n'était, dans ce sens, pas périmé dès lors que la décision de l'intimée a été rendue le 23 décembre 1999, soit dans le délai d'une année prévu par l' art. 82 RAVS . Reste cependant à examiner les conséquences de la procédure de sursis concordataire quant à la connaissance du dommage. 3. a) La procédure concordataire s'ouvre par une demande de sursis concordataire permettant au débiteur d'effectuer les démarches nécessaires à l'élaboration d'un concordat et de bénéficier, pendant ce délai, d'une suspension des poursuites. Avec l'octroi du sursis, rendu public, le juge nomme un ou plusieurs commissaires qui ont pour fonction générale de surveiller les activités du débiteur et d'exercer certaines attributions spécifiques de la LP ( art. 295 al. 2 LP ). Alors que sous l'ancien droit, le commissaire ne pouvait solliciter la révocation du sursis auprès du juge avant l'échéance du délai accordé que si le débiteur contrevenait aux interdictions qui lui étaient faites ou à ses injonctions (ancien art. 298 LP ), le nouveau droit permet au commissaire de demander la révocation, non seulement aux conditions de l' art. 298 al. 3 LP , mais également à celles de l' art. 295 al. 5 LP (cf. la Loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, modification du 16 décembre 1994, entrée en vigueur le 1er janvier 1997, RO 1995 1227). Aux termes de cette disposition, la révocation peut également intervenir lorsque cela se révèle nécessaire aux fins de conserver le patrimoine du débiteur ou lorsqu'il est manifeste qu'un concordat ne pourra pas être conclu. La première hypothèse vise une perte notable de substance des actifs ou une augmentation sensible des passifs pendant la phase du sursis concordataire. La deuxième hypothèse peut être réalisée aussi BGE 128 V 15 S. 19 bien lorsque, manifestement, il apparaît que les majorités qualifiées des créanciers ne pourront être obtenues ( art. 305 LP ) que lorsque les conditions d'une homologation font défaut ( art. 306 LP ). b) Dans l'affaire qui a donné lieu à l'arrêt H. du 1er février 1995 (VSI 1995 p. 169), le Tribunal fédéral des assurances a jugé que dans l'éventualité du refus de l'homologation d'un concordat par abandon d'actif, on peut exiger d'une caisse de compensation créancière qu'elle se renseigne sur les motifs de ce refus et entreprenne, s'il y a lieu, les démarches nécessaires en vue de sauvegarder le délai de péremption. La caisse doit alors se montrer active et curieuse, à tout le moins à partir du jour où le dispositif du jugement de refus de l'homologation du concordat est publié. En particulier, dans de telles circonstances, il incombe à l'administration de requérir sans délai l'édition du jugement, ce qui lui permettra de se faire une idée précise des risques qu'elle encourt, et de rendre au besoin une décision fondée sur l' art. 81 al. 1 RAVS afin de sauvegarder ses droits, quitte à réclamer au responsable la totalité du montant des cotisations restées impayées, moyennant cession de son droit à un dividende éventuel dans la faillite (VSI 1995 p. 172 sv. consid. 4c et arrêt cité). c) Il n'existe pas de motifs sérieux de traiter différemment la situation où un sursis concordataire est révoqué et celle où l'homologation d'un concordat est refusée. En effet, ces procédures qui mettent en oeuvre un appel aux créanciers et dans lesquelles les décisions sont rendues publiques, font apparaître un risque élevé de pertes pour la caisse de compensation en révélant l'existence à tout le moins possible d'une insolvabilité. Dans ces conditions, il se justifie d'exiger de la caisse qu'elle se montre active, cherche à obtenir les renseignements pour se faire une idée des risques menaçant sa créance et prenne les mesures ou décisions qui s'imposent pour sauvegarder ses droits. Selon la jurisprudence précitée, le devoir de diligence de la caisse de compensation lui commande de suivre l'évolution de la procédure de faillite de la société débitrice. Cette jurisprudence doit être précisée dans le sens où ce même devoir de diligence lui impose aussi de se renseigner à temps en cas de révocation d'un sursis concordataire afin de prendre les décisions commandées par les circonstances pour sauvegarder ses droits. d) Dans le cas d'espèce, la caisse aurait pu se rendre compte aisément, en prenant connaissance de l'ordonnance du 24 février 1997 par laquelle le juge révoquait le sursis de quatre mois accordé à la société X. SA, que la situation financière ne permettait pas le paiement intégral des charges sociales. BGE 128 V 15 S. 20 Dans les semaines qui ont suivi la publication de la décision le 11 avril 1997, l'intimée pouvait ainsi avoir une connaissance suffisante de son dommage - même partiel - pour être en mesure de prendre, à l'égard des responsables, une décision en réparation. Le délai de péremption d'un an de l' art. 82 RAVS était ainsi écoulé lorsqu'elle a rendu sa décision le 23 décembre 1999. 4. (Frais et dépens)
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Sachverhalt ab Seite 218 BGE 148 V 217 S. 218 A. A.a Der 1970 geborene A. bezog ab 1. November 2009 eine ordentliche Witwerrente (Verfügung vom 23. Dezember 2009). Am 13. Mai 2019 sprach ein Herr B. am Schalter der Ausgleichskasse des Kantons Thurgau (nachfolgend: Ausgleichskasse) vor und teilte mit, er komme im Auftrag des A.; dieser habe am 11. Juni 2015 wieder geheiratet. Nach Abklärungen, welche die erneute Eheschliessung bestätigten, forderte die Ausgleichskasse Rentenleistungen von insgesamt Fr. 38'340.- (vom 1. Juli 2015 bis 31. Mai 2019) zurück (Verfügung vom 21. Mai 2019). A.b Auf Einsprache des A. hin reduzierte die Ausgleichskasse ihre Rückforderung auf Fr. 14'670.-. Sie hielt fest, die AHV-Zweigstelle BGE 148 V 217 S. 219 der Gemeinde C. (nachfolgend: AHV-Zweigstelle) habe bereits am 23. Dezember 2016 von der Wiederverheiratung erfahren; am 27. Dezember 2016 sei eine entsprechende Mutationsmeldung erfolgt. Da sich die Verwaltung dieses Wissen anrechnen lassen müsse, sei der am 21. Mai 2019 verfügte Rückforderungsanspruch verwirkt. Indessen habe A. seine Meldepflicht verletzt, indem er die Zivilstandsänderung verspätet gemeldet habe. Daher könnten immerhin die vom 1. Juli 2015 bis 31. Dezember 2016 bezogenen Leistungen zurückgefordert werden (Einspracheentscheid vom 18. Dezember 2019). B. Die dagegen erhobene Beschwerde des A. hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 18. November 2020 teilweise gut. Es änderte den Einspracheentscheid vom 18. Dezember 2019 dahingehend ab, dass A. zur Rückzahlung zu viel ausgerichteter Witwerrenten von lediglich Fr. 9'815.- verpflichtet werde. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab. C. Die Ausgleichskasse führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei die Rückforderung der Witwerrenten für die Periode vom 1. Juli 2015 bis 31. Mai 2019 auf Fr. 38'340.- festzulegen. A. lässt beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen; eventualiter sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau verlangt ebenfalls Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) schliesst auf deren Gutheissung. D. Die II. und die I. sozialrechtliche Abteilung des Bundesgerichts haben ein Verfahren nach Art. 23 BGG durchgeführt. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Unrechtmässig bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten (Art. 25 Abs. 1 erster Satz ATSG). Nach Art. 25 Abs. 2 erster Satz ATSG (in der hier anwendbaren, bis Ende Dezember 2020 geltenden Fassung, welche in der Folge in dieser Version wiedergegeben wird; vgl. dazu: BGE 144 V 210 E. 4.3.1 mit Hinweisen) erlischt der Rückforderungsanspruch mit Ablauf eines Jahres, nachdem die Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Jahren nach der Entrichtung der BGE 148 V 217 S. 220 einzelnen Leistung. Es handelt sich um Verwirkungsfristen ( BGE 140 V 521 E. 2.1 mit Hinweisen). 2.2 Ob resp. inwieweit die Rückforderung verwirkt ist, stellt eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage dar (Urteil 9C_ 290/2021 vom 22. Oktober 2021 E. 2.2 mit Hinweis). 3. Streitig und zu prüfen ist, ob der Rückforderungsanspruch der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt seiner Geltendmachung am 21. Mai 2019 verwirkt war, insbesondere ab wann die einjährige relative Verwirkungsfrist nach Art. 25 Abs. 2 erster Satz ATSG einsetzte. 3.1 Das kantonale Gericht hat diesbezüglich erwogen, das erstmalige unrichtige Handeln der Verwaltung habe in der Weiterausrichtung der Witwerrente nach der Wiederverheiratung des Beschwerdegegners am 11. Juni 2015 bestanden. Sodann sei das Verhalten der AHV-Zweigstelle, deren Kenntnis der Ausgleichskasse anzurechnen sei, vom 23. bis 27. Dezember 2016 als sog. "zweiter Anlass" zu qualifizieren. Die Verwirkungsfrist für die Rückforderung der vom 11. Juni 2015 bis 23. Dezember 2016 zu Unrecht ausgerichteten Witwerrente habe somit ab letzterem Datum zu laufen begonnen. Da diese Rentenleistungen jedoch erst mit Verfügung vom 21. Mai 2019 zurückverlangt worden seien, müsse die Rückforderung als verwirkt gelten. Demgegenüber sei betreffend die ab 1. Januar 2017 ausgerichteten Leistungen insoweit von "rollenden" Verwirkungsfristen auszugehen, als mit der Ausrichtung jedes einzelnen monatlichen Rentenbetreffnisses ein separater, neuer Fristenlauf begonnen habe. Auch die Rückforderung dieser Renten sei im Mai 2019 verwirkt, mit Ausnahme der nicht länger als ein Jahr vor Verfügungserlass zurückliegenden Leistungen. Somit könnten lediglich die in den letzten zwölf Monaten vor dem 21. Mai 2019 ausgerichteten Witwerrenten von Fr. 9'815.- ([7 x Fr. 815.- = Fr. 5'705.-] + [5 x Fr. 822.- = Fr. 4'110.-]) zurückgefordert werden. 3.2 Die Beschwerdeführerin hält dem im Wesentlichen entgegen, die relative einjährige Verwirkungsfrist sei nicht bereits im Zeitpunkt der Wiederverheiratung des Beschwerdegegners ausgelöst worden. Es stelle sich vielmehr die Frage, wann der Fehler aus "zweitem Anlass" in zumutbarer Weise habe erkannt werden können und müssen. Dies sei erst am 13. Mai 2019 der Fall gewesen, als sich der Bekannte des Beschwerdegegners in dessen Auftrag gemeldet und die Wiederverheiratung thematisiert habe. Mit Erlass der Rückforderungsverfügung vom 21. Mai 2019 sei die relative Verwirkungsfrist demnach gewahrt, sodass sämtliche vom 1. Juli 2015 bis 31. Mai BGE 148 V 217 S. 221 2019 zu Unrecht ausgerichteten Witwerrenten von Fr. 38'340.- zurückzubezahlen seien. 4. Nachdem auch das BSV geltend macht, die (Weiter-)Ausrichtung der unrechtmässigen Leistung werde nur in gewissen, hier nicht einschlägigen Fällen als erster Fehler betrachtet, rechtfertigt sich ein Überblick über die Rechtsprechung zum Beginn der einjährigen relativen Verwirkungsfrist nach Art. 25 Abs. 2 erster Satz ATSG. 4.1 Das Eidgenössische Versicherungsgericht (heute und im Folgenden: Bundesgericht) ging in diesem Zusammenhang ursprünglich vom Wortlaut des aArt. 47 Abs. 2 erster Satz AHVG aus, wonach der Rückforderungsanspruch "mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ausgleichskasse davon Kenntnis erhalten hat" verwirkt. In BGE 100 V 162 zog es gestützt darauf für den Beginn des Fristenlaufs den Zeitpunkt heran, in welchem sich die Verwaltung über die irrtümliche Leistung effektiv Rechenschaft gibt. 4.2 In BGE 110 V 304 änderte das Bundesgericht diese Rechtsprechung rund zehn Jahre später und formulierte den Grundsatz, dass nicht mehr die tatsächliche, sondern die zumutbare Kenntnis der leistungsausrichtenden Behörde über den zur Rückforderung Anlass gebenden Sachverhalt für die Auslösung der relativen einjährigen Verwirkungsfrist ausschlaggebend ist. Um die den Versicherungsträgern eingeräumte Möglichkeit, zu Unrecht ausbezahlte Leistungen zurückzufordern, wenn die Rückerstattung auf einem Irrtum der Verwaltung beruht, nicht "illusorisch" zu machen ("Per non rendere illusoria la possibilità conferita agli organi dell'assicurazione di esigere la restituzione di prestazioni [...]"), nahm es in dessen Erwägung 2b Abstand davon, den Fristbeginn auf den Tag festzulegen, an welchem der Fehler gemacht wurde. Vielmehr stellte es neu auf den Moment ab, in dem die Verwaltung zu einem späteren Zeitpunkt mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt von der unrichtigen Leistungsausrichtung hätte Kenntnis erlangen müssen (zum Ganzen: ULRICH MEYER-BLASER, Die Rückerstattung von Sozialversicherungsleistungen, ZBJV 131/1995 S. 479 f.). 5. 5.1 Angesichts dieser Rechtsprechungsänderung, welche in Anwendung des Art. 25 Abs. 2 erster Satz ATSG nach wie vor zu beachten ist (vgl. BGE 130 V 318 ), bestehen zwei Grundprinzipien. 5.1.1 Einerseits ist, wie erwähnt, unter der Wendung "nachdem die Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat" der BGE 148 V 217 S. 222 Zeitpunkt zu verstehen, in welchem die Verwaltung bei Beachtung der gebotenen und zumutbaren Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen, dass die Voraussetzungen für eine Rückerstattung bestehen, oder mit anderen Worten, in welchem sich der Versicherungsträger über Grundsatz, Ausmass und Adressat des Rückforderungsanspruchs hätte Rechenschaft geben müssen ( BGE 146 V 217 E. 2.1; BGE 122 V 270 E. 5a; BGE 119 V 431 E. 3a). 5.1.2 Beruht die unrechtmässige Leistungsausrichtung andererseits auf einem Fehler der Verwaltung, so wird die einjährige relative Verwirkungsfrist nicht durch das erstmalige unrichtige Handeln der Amtsstelle ausgelöst, sondern es bedarf eines sog. "zweiten Anlasses". Danach ist erst auf jenen Tag abzustellen, an dem das Durchführungsorgan später - beispielsweise anlässlich einer Rechnungskontrolle oder aufgrund eines zusätzlichen Indizes - unter Anwendung der ihm zumutbaren Aufmerksamkeit seinen Fehler hätte erkennen müssen ( BGE 146 V 217 E. 2.2; BGE 139 V 570 E. 3.1; BGE 124 V 380 E. 1; BGE 122 V 270 E. 5b/aa; zum Ganzen: UELI KIESER, Kommentar zum ATSG, 4. Aufl. 2020, N. 85 zu Art. 25 ATSG ; JOHANNA DORMANN, in: Basler Kommentar, Allgemeiner Teil des Sozialversicherungsrechts, 2020, N. 53 zu Art. 25 ATSG ; SYLVIE PÉTREMAND, in: Commentaire romand, Loi sur la partie générale des assurances sociales, 2018, N. 93 zu Art. 25 ATSG ). 5.2 5.2.1 Was das Verhältnis dieser beiden Grundsätze betrifft, so verschob sich die Gewichtung zusehends zum Prinzip des "zweiten Anlasses" hin, welches in der Folge zum Regelfall wurde (vgl. BGE 124 V 380 E. 1; BGE 122 V 270 E. 5b/aa; RtiD 2013 II S. 342, 9C_ 744/2012 E. 6.3; Urteil I 308/03 vom 22. September 2003). Dem liegt die bereits in BGE 110 V 304 erkannte Entwicklung zugrunde (vgl. E. 4.2 hiervor), dass es der verfügenden Amtsstelle mit Blick auf die zunehmende Masse der von ihr vorzunehmenden Verwaltungshandlungen immer weniger zumutbar ist, jeden einzelnen ihrer Schritte im Detail zu überprüfen und ihre Fehler zeitnah erkennen zu können (so auch: MICHAEL E. MEIER, Bemerkungen zum Urteil 9C_625/2019 vom 18. Mai 2020 = BGE 146 V 217 , SZS 2021 S. 150). Im hier interessierenden Kontext ist eine Privilegierung der Verwaltung in diesem Sinne insbesondere dort anzunehmen, wo die unrichtige Leistungsausrichtung zwar aus den Akten ersehen werden kann oder könnte, eine Rückforderung aber daran scheitert, dass hinsichtlich deren Umfang oder anderer relevanter BGE 148 V 217 S. 223 Aspekte nähere Abklärungen notwendig sind (statt vieler: Urteile 9C_200/2021 vom 1. Juli 2021 E. 6.3 und 9C_132/2018 vom 14. Mai 2018 E. 4). Demnach genügt es für den Beginn der relativen einjährigen Verwirkungsfrist nicht, dass bloss Umstände bekannt sind, die möglicherweise zu einem Rückforderungsanspruch führen können, oder dass der Anspruch nur dem Grundsatz nach, nicht aber in masslicher Hinsicht feststeht. Die Frist beginnt vielmehr erst dann, wenn der Versicherungsträger über sämtliche für die Ermittlung der Rückforderung wesentlichen Umstände Kenntnis hat bzw. unter Anwendung der zumutbaren Aufmerksamkeit haben müsste ("zweiter Anlass"), indem vor allem die Gesamtsumme der unrechtmässig ausbezahlten Leistungen bereits vor Erlass der Rückerstattungsverfügung feststellbar ist (vgl. dazu schon: BGE 112 V 180 E. 4a; ferner: Urteile 9C_544/2018 vom 5. Februar 2019 E. 8.2 und 8C_ 349/2015 vom 2. November 2015 E. 6). 5.2.2 Parallel dazu hat das Bundesgericht stets daran festgehalten, dass die einjährige relative Verwirkungsfrist im Zeitpunkt der zumutbaren Kenntnisnahme einsetzen kann (vgl. etwa: BGE 119 V 431 E. 3b; Urteile 9C_241/2018 vom 2. April 2019 E. 3 und 9C_ 534/2009 vom 4. Februar 2010 E. 3.4). Die Verwaltung soll zwar eine angemessene Zeit für nähere Abklärungen (betreffend Grundsatz, Ausmass oder Adressat) erhalten, wenn und soweit sie über hinreichende, aber noch unvollständige Hinweise auf einen möglichen Rückforderungsanspruch verfügt. Unterlässt sie dies, so ist der Beginn der relativen Verwirkungsfrist auf den Zeitpunkt festzusetzen, in welchem die rückfordernde Behörde ihre unvollständige Kenntnis mit dem erforderlichen und zumutbaren Einsatz derart zu ergänzen im Stande war, dass der Rückforderungsanspruch hätte geltend gemacht werden können (statt vieler: BGE 112 V 180 E. 2b; SVR 2001 IV Nr. 30 S. 93, I 609/98 E. 2e; Urteil 9C_ 511/2017 vom 6. September 2017 E. 2). Ergibt sich jedoch die Unrechtmässigkeit der Leistungserbringung direkt aus den Akten, so beginnt die einjährige Frist in jedem Fall sofort, ohne dass Zeit für eine weitere Abklärung zugestanden würde (Urteile 9C_454/2012 vom 18. März 2013 E. 4, nicht publ. in: BGE 139 V 106 , aber in: SVR 2013 IV Nr. 24 S. 66; K 70/06 vom 30. Juli 2007 E. 5.1, nicht publ. in: BGE 133 V 579 , aber in: SVR 2008 KV Nr. 4 S. 11; 9C_589/2020 vom 8. Juli 2021 E. 2.2 mit Hinweis). Im Urteil 9C_ 241/2018 vom 2. April 2019 hielt das Bundesgericht denn auch explizit fest, dass sich Änderungen im Zivilstand (Wiederverheiratung BGE 148 V 217 S. 224 eines Witwerrentenbezügers respektive Scheidung eines IV-Rentners mit Zusatzrente für die Ehefrau) offenkundig auf den Rentenanspruch auswirken und somit einen unmittelbar zur Rentenrückforderung Anlass gebenden Sachverhalt bilden. 6. 6.1 Angewandt auf den konkreten Fall steht in tatsächlicher Hinsicht fest, dass das zuständige Amt der Gemeinde C., auf dessen Verhalten die Vorinstanz für den Beginn des Fristenlaufs abgestellt hat, am 23. Dezember 2016 von der (erneuten) Heirat des Beschwerdegegners erfuhr. Nach grundsätzlich verbindlicher (nicht publ. E. 1.1) Sachverhaltsfeststellung des kantonalen Gerichts erging drei Tage später, am 27. Dezember 2016, eine Mutationsmeldung an die AHV-Zweigstelle. Die AHV-Zweigstelle untersteht, wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat, der direkten Aufsicht und Weisungsbefugnis der kantonalen Ausgleichskasse (vgl. § 6 Abs. 3 des Einführungsgesetzes des Kantons Thurgau vom 12. Juni 2013 zu den Bundesgesetzen über die Alters- und Hinterlassenenversicherung und über die Invalidenversicherung [EG AHVG/IVG; RB 831.1]). Daher muss sich die Beschwerdeführerin das Wissen der AHV-Zweigstelle über die Wiederverheiratung des Beschwerdegegners unbestritten anrechnen lassen ("Was die Zweigstelle weiss, das weiss auch die Ausgleichskasse."; BGE 140 V 521 E. 6). 6.2 Die Beschwerdeführerin sprach dem Beschwerdegegner in der Verfügung vom 23. Dezember 2009, welche unangefochten in Rechtskraft erwuchs, eine Witwerrente zu. Mit der Wiederverheiratung des Beschwerdegegners am 11. Juni 2015 erlöschte der an sich berechtigte Rentenanspruch (vgl. Art. 23 Abs. 4 lit. a AHVG ), womit die Leistungsausrichtung (nachträglich) objektiv unrechtmässig wurde. Dannzumal konnte der Beschwerdeführerin jedoch kein allfälliger erster Fehler vorgeworfen werden, indem sie die Rentenleistungen weiterhin ausrichtete, war doch eine Meldung über die Wiederverheiratung seitens des Beschwerdegegners noch gar nicht erfolgt. Sodann kommt dem Zivilstandsregister, welches aus Sicht der Verwaltung eine Informationsquelle hätte bilden können, keine mit dem Handelsregister vergleichbare Publizitätswirkung zu. Von einem entsprechenden Eintrag musste die Beschwerdeführerin somit nicht wissen ( BGE 139 V 6 E. 5.1; SVR 2002 IV Nr. 2 S. 5, I 678/00 E. 3b). Indessen fand die Zivilstandsänderung des Beschwerdegegners, welche grundsätzlich einen unmittelbar zur Rentenrückforderung BGE 148 V 217 S. 225 Anlass gebenden Sachverhalt bilden kann (vgl. E. 5.2.2 hiervor), aufgrund der von den Parteien thematisierten Meldepflichtverletzung erst - aber immerhin - im Dezember 2016 Eingang in die Akten. Ab diesem Zeitpunkt waren betreffend den von Gesetzes wegen bereits im Juni 2015 weggefallenen Anspruch auf eine Witwerrente keine ungeklärten Aspekte (mehr) offen, welche die Rückforderung respektive den Beginn der einjährigen relativen Verwirkungsfrist um eine angemessene Zeit nach hinten hätten verschieben können (vgl. Urteil 9C_454/2012 vom 18. März 2013 E. 4, nicht publ. in: BGE 139 V 106 , aber in: SVR 2013 IV Nr. 24 S. 66). Mit anderen Worten ergab sich der Rückforderungstatbestand schon Ende Dezember 2016 in jeder Hinsicht direkt aus den Akten, ohne dass weiterer Abklärungsbedarf bestanden hätte. Die somit in diesem Moment vorhandene zumutbare Kenntnisnahme muss sich die Beschwerdeführerin anrechnen lassen, was nach dem Gesagten unmittelbar zur Auslösung der relativen Verwirkungsfrist nach Art. 25 Abs. 2 erster Satz ATSG führt (vgl. E. 5.2.2 hiervor). Eines "zweiten Anlasses" bedarf es unter diesen Umständen nicht. 6.3 Zusammenfassend ist die Rückforderung der seit 11. Juni 2015 unrechtmässig ausgerichteten Rentenleistungen im Zeitpunkt der Verfügung vom 21. Mai 2019 bereits verwirkt. Da es der Beschwerdegegner vorliegend unterlassen hat, den vorinstanzlichen Entscheid innert der Beschwerdefrist selber anzufechten, bleibt es bei der vom kantonalen Gericht auf Fr. 9'815.- festgesetzten Rückforderung (vgl. Art. 107 Abs. 1 BGG ). Die Beschwerde ist unbegründet.
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Sachverhalt ab Seite 159 BGE 109 IV 159 S. 159 A.- Gestützt auf einen wegen Mordversuchs und Widerhandlungen gegen die Waffengesetzgebung am 22. Januar 1976 vom Strafgericht von Civril (Türkei) gegen B. erlassenen Haftbefehl und ein von der türkischen Botschaft in Bern am 16. Februar 1983 gestelltes bzw. am 21. Mai 1983 ergänztes formelles Auslieferungsgesuch ordnete das Bundesamt für Polizeiwesen am 16. Juni 1983 die Verhaftung des genannten türkischen Staatsangehörigen an; dieser wurde am 26. Juni 1983 in Haft gesetzt und daraufhin unverzüglich einvernommen. B.- Mit Eingabe vom 1. Juli 1983 ficht B. diesen Auslieferungshaftbefehl mit Beschwerde bei der Anklagekammer des Bundesgerichts an. Er beantragt, der Haftbefehl sei aufzuheben und er sei aus der Haft zu entlassen. Gleichzeitig stellt er ein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und insbesondere um Bezeichnung des Verteidigers als Armenanwalt. Das Bundesamt für Polizeiwesen beantragt Abweisung der Beschwerde und des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege, evtl. Rückweisung dieses Gesuchs zu näherer Begründung.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Nach Art. 47 des Bundesgesetzes über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG) ist die Verhaftung des BGE 109 IV 159 S. 160 Angeschuldigten während des Auslieferungsverfahrens die Regel. Ausnahmen rechtfertigen sich nur, wenn die Voraussetzungen des Art. 47 Abs. 1 lit. a oder b IRSG gegeben sind oder wenn gemäss Art. 47 Abs. 2 IRSG wegen Hafterstehungsunfähigkeit des Verfolgten oder wegen anderer Gründe (z.B. offensichtliche Unbegründetheit des Auslieferungsbegehrens) die Anordnung anderer sichernder Massnahmen als geboten erscheint. 2. Dass B. nicht hafterstehungsfähig und das Auslieferungsgesuch der türkischen Botschaft a priori unbegründet sei, wird in der Beschwerde selber nicht behauptet. Es wird in dieser auch nicht der Versuch unternommen nachzuweisen, dass der Beschwerdeführer zur Zeit der ihm zur Last gelegten Taten nicht am Tatort gewesen sei. Zu prüfen bleibt daher einzig noch, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er sich voraussichtlich der Auslieferung entziehen und die Strafuntersuchung gefährden werde. Ersteres wird in der Beschwerde bestritten. B. macht geltend, er habe schon seit 1981 gewusst, dass er vom türkischen Staat weiter verfolgt werde. Dennoch habe er sich vor Polizeigericht des Kantons Basel-Stadt wegen Missachtung der Einreisesperre und Verwendung eines echten, aber ihm nicht zustehenden Ausweispapiers verantwortet. Auch habe er sich im Rahmen des von ihm angestrengten Asylverfahrens den Behörden für sämtliche Befragungen zur Verfügung gestellt und sei stets einer Erwerbstätigkeit nachgegangen. Diese Argumentation lässt ausser Acht, dass das Asylgesuch des Beschwerdeführers am 15. Oktober 1982 in erster Instanz abgewiesen worden ist und dass die B. angeblich seit 1981 bekannte Tatsache, wonach der türkische Staat ihn wegen strafbarer Handlungen verfolge, erst mit der Einreichung des Auslieferungsgesuchs durch die türkische Botschaft eine für ihn bedrohliche Aktualität erlangt hat. Angesichts dieser veränderten Sachlage aber, ist die Möglichkeit, er werde sich durch Flucht der Auslieferung entziehen, in solche Nähe gerückt, dass dem Begehren um Entlassung aus der Auslieferungshaft nicht entsprochen werden kann. Daran ändert auch nichts, dass der Beschwerdeführer früher stets einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, steht dies einer Flucht doch in keiner Weise entgegen.
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Sachverhalt ab Seite 144 BGE 128 V 143 S. 144 A.- Die 1940 geborene K. ist bei der Visana krankenversichert. Sie leidet an chronischem Asthma bronchiale, an chronischer Sinusitis und an vegetativer Dystonie. Zudem steht sie seit 1994 wegen Beschwerden in den Kiefergelenken bei Dr. med. dent. C. in Behandlung. Die diagnostizierte artikuläre Dysfunktion und Tendomyopathie wurden durch eine Physiotherapie für die Kaumuskulatur sowie durch eine Schienentherapie mittels Michiganschiene behandelt. Für die definitive prothetische Rekonstruktion des Gebisses ersuchte Dr. med. dent. C. die Visana im Dezember 1996 um Kostengutsprache. Mit Verfügung vom 7. Mai 1997 verneinte die Visana nach Rücksprache mit ihrem Vertrauenszahnarzt Dr. med. dent. A. die Ausrichtung von Leistungen aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung an die von Dr. med. dent. C. geplante zahnärztliche Behandlung. Im Einspracheverfahren wurde PD Dr. med. dent. B., Leitender Arzt Zahnmedizin der Klinik X., mit einer Begutachtung beauftragt. Gestützt auf den Bericht vom 15. Februar 1999 und die Stellungnahme des Vertrauenszahnarztes vom 8. März 1999 wies die Visana die Einsprache mit Entscheid vom 19. März 1999 ab. B.- Mit Beschwerde liess K. die Übernahme der Kosten für die von Dr. med. dent. C. vorgesehenen zahnärztlichen Behandlungen aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung beantragen. Das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt (seit April 2002: Sozialversicherungsgericht) holte bei Prof. Dr. med. et Dr. med. dent. P., Kiefer- und Gesichtschirurgie der Kliniken des Spitals Y., ein Gutachten ein. Gestützt auf dieses Gutachten vom 25. November 1999 sowie auf diejenigen des Prof. Dr. med. E. vom 10. Februar 1999 und des PD Dr. med. dent. B. vom 15. Februar 1999 wies das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt die Beschwerde mit Entscheid vom 30. August 2000 ab. C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt K. wiederum die Übernahme der Kosten für die notwendigen zahnärztlichen Behandlungen durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung beantragen. Die Visana schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. (Leistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung bei zahnärztlichen Behandlungen, rechtliche Grundlagen; s. BGE 128 V 136 Erw. 2 mit Hinweisen). BGE 128 V 143 S. 145 4. Für die Beurteilung der vorliegend streitigen Leistungspflicht aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung ist klarzustellen, dass zwischen ärztlichen und zahnärztlichen Behandlungen zu unterscheiden ist. a) Sowohl Art. 31 Abs. 1 KVG wie auch die Art. 17-19 KLV sprechen von "zahnärztlichen Behandlungen", die durch bestimmte Erkrankungen bedingt sind oder die Behandlung bestimmter Erkrankungen unterstützen. Die zahnärztlichen Behandlungen einerseits und die Erkrankungen andererseits stehen in einer Wechselwirkung. Die von der sozialen Krankenversicherung zu übernehmenden zahnärztlichen Behandlungen müssen entweder die Folge ("bedingt") und die bestimmten Erkrankungen die Ursache sein ( Art. 17 und 18 KLV ) oder die zahnärztlichen Behandlungen müssen die Behandlung bestimmter Erkrankungen unterstützen ( Art. 19 KLV ). Keineswegs verhält es sich so, dass die Behandlungen aller aufgeführten Erkrankungen zu zahnärztlichen Behandlungen geworden sind. Die Behandlung maligner Tumore im Gesichts-, Kiefer- und Halsbereich ( Art. 17 lit. c Ziff. 2 KLV ) beispielsweise wird niemand im Ernst als zahnärztliche Behandlung aufgefasst wissen noch deren Behandlung davon abhängig machen wollen, ob das Tumorleiden vermeidbar gewesen sei. Noch deutlicher zeigt sich dies in Art. 18 KLV , wo in gleicher Weise eine Wechselwirkung zwischen der schweren Allgemeinerkrankung als Ursache und der zahnärztlichen Behandlung als Folge besteht. Die beiden Bestimmungen Art. 17 und 18 KLV unterscheiden sich nicht grundsätzlich, sondern lediglich hinsichtlich der örtlichen Nähe von Erkrankung als Ursache und zahnärztlicher Behandlung als Folge. Während die Erkrankungen gemäss Art. 17 lit. c, d, e und f KLV in der Nähe der Zähne und des Parodonts liegen und diese damit durch direkte Einwirkung schädigen können, ist bei den meisten der in Art. 18 KLV aufgelisteten schweren Allgemeinerkrankungen ein solch enger Bezug nicht vorhanden. Besonders augenfällig zeigt sich hier, dass die Behandlung der schweren Allgemeinerkrankung und die zahnärztliche Behandlung nicht das Gleiche sind und dass die erste klarerweise eine ärztliche Behandlung darstellt ( BGE 128 V 135 ). b) Die im Vordergrund stehenden Kriterien für die Abgrenzung zwischen ärztlicher und zahnärztlicher Behandlung sind der Ansatzpunkt und die therapeutische Zielsetzung der Behandlung. aa) Stellt man zunächst auf den Ansatzpunkt ab, sind zahnärztliche Behandlungen - wie bereits gemäss konstanter Rechtsprechung BGE 128 V 143 S. 146 zum KUVG - grundsätzlich therapeutische Vorkehren am Kausystem. Darunter fallen die Behandlung der Zähne, des Zahnhalteapparates sowie die Behandlung an den Organbereichen, die ein künstliches Gebiss aufzunehmen haben ( BGE 120 V 195 Erw. 2b). bb) Als weiteres entscheidendes Kriterium dient die therapeutische Zielsetzung, die sich danach bestimmt, welcher Körperteil oder welche Funktion unmittelbar therapiert oder verbessert werden soll (vgl. GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Fn. 333). cc) Einige Beispiele mögen der Veranschaulichung dienen: Während etwa bei der Überkronung eines schadhaften Zahnes Ansatzpunkt und therapeutische Zielsetzung den gleichen Zahn betreffen, können sie auch verschiedene Bereiche erfassen. Eine Aufbissschiene beispielsweise, die nicht zur Verbesserung der Funktion der Zähne bei der Zerkleinerung der Nahrung, sondern zur Entlastung arthrotischer Kiefergelenke angebracht wird, setzt zwar am Zahnapparat an, bezweckt aber die Therapierung der Kieferarthrose. In solchen Fällen wird im Allgemeinen der therapeutischen Zielsetzung das grössere Gewicht beizumessen sein, was bedeutet, dass das Anbringen einer solchen Aufbissschiene als ärztliche Massnahme anzusehen ist. Umgekehrt liegt eine zahnärztliche Behandlung vor, wenn sie die Zähne als solche oder ihre vordringliche Funktion zur Zerkleinerung der Nahrung (Verbesserung der Bissverhältnisse) betrifft. Daran ändert auch nichts, wenn der Ansatzpunkt der Behandlung im Kieferbereich ausserhalb des Zahnapparates und des Parodonts liegt. Die therapeutische Zielsetzung, die auf eine Verbesserung dieser Funktion gerichtet ist, gibt den Ausschlag und macht die Behandlung zu einer zahnärztlichen. c) Die genannten Kriterien dürften im Allgemeinen zur Unterscheidung zwischen zahnärztlicher und ärztlicher Behandlung ausreichen. Soweit es nötig sein sollte, könnten ergänzend weitere sachdienliche Kriterien herangezogen werden. 5. Während die Kosten für eine ärztliche Behandlung von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung bei gegebenen Krankheitswert nach Massgabe von Art. 25 KVG zu übernehmen sind, richtet sich die Leistungspflicht für eine zahnärztliche Behandlung nach Art. 31 Abs. 1 KVG in Verbindung mit Art. 17 ff. KLV . a) Die durchgeführte Therapie mittels einer Michiganschiene setzte wohl an den Zähnen an; therapeutische Zielsetzung war aber klarerweise die Entlastung der Kiefermuskulatur und der Kiefergelenke. BGE 128 V 143 S. 147 Damit fallen vorliegend Ansatzpunkt und therapeutische Zielsetzung auseinander. Es ist kein Grund ersichtlich, von der Regel abzuweichen, wonach der therapeutischen Zielsetzung grösseres Gewicht beizumessen ist (Erw. 4b/cc). Damit liegt eine ärztliche Behandlung vor. Die Kosten hiefür und für Massnahmen mit der gleichen therapeutischen Zielsetzung sind demzufolge - nachdem der Krankheitswert der Kiefergelenksbeschwerden gestützt auf die medizinischen Akten ohne weiteres zu bejahen ist - von der Beschwerdegegnerin nach Massgabe von Art. 25 KVG zu übernehmen, und demzufolge unabhängig davon, ob die Erkrankung der Versicherten in Art. 17 ff. KLV aufgeführt ist. Der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass Zahnärzte und Zahnärztinnen für ärztliche Behandlungen in der Mundhöhle, die nicht zahnärztliche Vorkehren im engeren Sinne sind und die trotzdem fast ausschliesslich von Zahnärzten und Zahnärztinnen vorgenommen werden, auch unter Geltung des KVG als Leistungserbringer und Leistungserbringerinnen anerkannt sind ( BGE 128 V 135 ). b) Die Übernahme der Kosten für zahnärztliche Behandlungen durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung setzt voraus, dass die Erkrankung der Versicherten in Art. 17 ff. KLV aufgeführt ist. Zu prüfende Anknüpfungspunkte sind vorliegend die Kiefergelenksarthrose gemäss Art. 17 lit. d Ziff. 1 KLV und die Kondylus- und Diskusluxation gemäss Art. 17 lit. d Ziff. 3 KLV . Aus dem Gutachten des PD Dr. med. dent. B. vom 15. Februar 1999 können keine Schlüsse hinsichtlich des Vorliegens einer dieser Erkrankungen gezogen werden. Der gerichtlich bestellte Experte Prof. Dr. med. et Dr. med. dent. P. sodann sagt in seinem Gutachten vom 25. November 1999 unter Ziff. 3, radiologisch (OPT) könne rechts eine beginnende Kiefergelenksarthrose vermutet werden. Er legt jedoch nicht dar, wie er zu dieser Diagnose gelangt. Anzunehmen ist, dass er dies aus dem Röntgenbefund, den er unter der Anamnese in Ziff. 1.a wiedergibt, ableitet, wonach bezüglich der Kiefergelenke rechtsseitig eine Abflachung festzustellen sei. Im Atlas der Erkrankungen mit Auswirkungen auf das Kausystem (SSO-Atlas), herausgegeben von der Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft SSO, wird hiezu ausgeführt, dass frühe Veränderungen an der Gelenksoberfläche konventionell-radiologisch nicht erkennbar seien, sondern erst die "zunehmende Abflachung". Eine solche Abflachung scheint für die Diagnose des Gutachters verantwortlich zu sein. Im Sinne einer sorgfältigen Abklärung des Sachverhaltes BGE 128 V 143 S. 148 ist der Experte noch danach zu fragen. Er wird in diesem Zusammenhang auch zu erklären haben, was es bedeutet, wenn er diese Diagnose vermutet, insbesondere ob mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von einer Kiefergelenksarthrose auszugehen sei. Eine Kiefergelenksarthrose für sich allein vermag, wie oben dargelegt, die Leistungspflicht der obligatorischen Krankenpflegeversicherung für die Kosten der zahnärztlichen Behandlung grundsätzlich zu begründen. Nachdem aber der Gutachter ohnehin nochmals zu befragen ist und auch der Fall in Betracht zu ziehen ist, dass er die überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Kiefergelenksarthrose verneint, ist er auch anzuhalten, zu prüfen (allenfalls mit Magnet-Resonanz-Tomographie), ob eine Kondylus- und/oder Diskusluxation vorliegt. Die Sache ist deshalb an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie diese Abklärungen bei dem von ihr bestellten Gutachter noch durchführen kann. 6. Sollte sich aufgrund der nachzuholenden Abklärungen ergeben, dass die Beschwerdegegnerin für die Kosten der zahnärztlichen Behandlung grundsätzlich leistungspflichtig ist, hat das Gericht entweder selber abzuklären oder durch die Beschwerdegegnerin abklären zu lassen, welche Massnahmen unter dem Gesichtswinkel des Art. 17 KLV zur Behandlung des Leidens notwendig und im Sinne von Art. 32 Abs. 1 KVG wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sind. Allfällige Kosten sind in jedem Fall nur soweit zu übernehmen, als die zahnärztliche Behandlung durch eine oder durch beide der oben erwähnten Erkrankungen bedingt ist.
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Erwägungen ab Seite 785 BGE 138 III 785 S. 785 Extrait des considérants: 2. (...) 2.1 La sortie d'un coopérateur de la société coopérative par démission fait l'objet notamment de l' art. 842 CO . A teneur de l'alinéa 1 er de cette disposition, tout associé a le droit de sortir de la société aussi longtemps que la dissolution n'a pas été décidée. Il est ainsi conféré à l'associé, de par la loi, un droit subjectif légal de sortir de la société coopérative en donnant sa démission, droit BGE 138 III 785 S. 786 qui ne peut pas être supprimé par les statuts ni lui être retiré (ALFRED L. SCHWARTZ, in Basler Kommentar, Obligationenrecht, vol. II, 4 e éd. 2012, n° 2 ad art. 842 CO ; ANNE HÉRITIER LACHAT, in Commentaire romand, Code des obligations, vol. II, 2008, n° 5 ad art. 842 CO ). Des limitations au droit de sortie peuvent toutefois être prévues par les statuts de la société ( art. 832 ch. 3 et 833 ch. 4 CO ) ou sur une base conventionnelle (art. 842 al. 3 et 843 al. 1 CO). Il est ainsi permis de créer des restrictions, sur le plan financier, en imposant aux associés sortants l'obligation de verser une indemnité équitable à la société si la sortie, en raison des circonstances où elle a lieu, cause un sérieux préjudice à la société ou en compromet l'existence (cf. art. 842 al. 2 CO ). Des restrictions sont également possibles sur le plan des délais, en excluant la sortie pour une période de cinq ans au plus ( art. 843 al. 1 CO ). Selon une ancienne jurisprudence, les statuts de la coopérative peuvent subordonner le droit de sortie de l'associé à d'autres conditions que celles résultant des art. 842 al. 2 et 843 al. 1 CO, pour autant toutefois que l'exercice de ce droit n'en soit pas rendu onéreux à l'excès au sens de l' art. 842 al. 3 CO ( ATF 89 II 138 consid. 4b p. 150). Ce précédent a été approuvé par la doctrine (PETER FORSTMOSER, Berner Kommentar, 1974, n° 13 ad art. 842 CO ; SCHWARTZ, op. cit., n° 5 ad art. 842 CO ; MATTHIAS COURVOISIER, in Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Roberto/Trüeb [éd.], 2 e éd. 2012, n° 7 ad art. 842 CO ; HÉRITIER LACHAT, op. cit., n° 11 ad art. 842 CO ; nuancé : JACQUES-ANDRÉ REYMOND, La coopérative, TDPS vol. VIII/3/1, 1996, p. 116/117). Les restrictions statutaires à la liberté de sortie d'un associé peuvent être incluses dans les statuts originaires de la coopérative ou introduites pendant le cours de la vie sociale, à la majorité des deux tiers des voix émises ( art. 888 al. 2 CO ; FORSTMOSER, op. cit., n° 25 ad art. 842 CO ; REYMOND, op. cit., p. 111 infra; HÉRITIER LACHAT, op. cit., n° 16 ad art. 842 CO ). Il est ainsi licite que les statuts d'une société coopérative d'habitation oblige un membre sortant à vendre un bien-fonds à un acquéreur qui entre dans la coopérative ( ATF 89 II 138 ). Il est également possible de lier la sortie de la coopérative à la fin automatique d'un bail (BJM 1975 p. 147), à la perte du droit à une rente qui n'est pas encore exigible ( ATF 80 II 123 consid. 2) ou à une réduction à 90 % de la réserve mathématique, s'agissant de la créance de sortie d'un employeur BGE 138 III 785 S. 787 à l'encontre d'une institution de prévoyance pour le personnel ( ATF 115 V 362 consid. 6). En revanche, la doctrine majoritaire est d'avis que sont contraires à la loi les statuts qui contraignent l'associé sortant à verser une indemnité de départ dite indépendante, c'est-à-dire sans que la coopérative soit tenue de démontrer l'existence d'un préjudice entraîné par la démission de l'associé, à l'exemple d'une clause pénale (FORSTMOSER, op. cit., n os 27 et 31 ad art. 842 CO ; PETER ROTHENBÜHLER, Austritt und Ausschluss aus der Genossenschaft, 1984, p. 66/67; REYMOND, op. cit., p. 113; HANS-JAKOB STUDER, Die Auslösungssumme im schweizerischen Genossenschaftsrecht, 1977, p. 90; contra: HÉRITIER LACHAT, op. cit., n° 17 ad art. 842 CO ). Cette opinion est convaincante. En effet, à l' art. 842 al. 2 CO , le législateur a expressément soumis le versement d'une indemnité équitable par l'associé sortant au profit de la coopérative à la circonstance que la démission entraîne un sérieux préjudice à la société ou en compromette l'existence. Il apparaît ainsi que le paiement d'une indemnité constitue une compensation pour les inconvénients que suscite pour la société le principe du libre droit de sortie de l'associé. Or le versement d'une indemnité indépendante de tout dommage créé à la société pourrait pratiquement rendre très difficile, voire même annihiler, la liberté de sortie, qui est garantie à tout sociétaire par l' art. 842 al. 1 CO . La clause statutaire qui institue une indemnité de cette nature est illicite au sens de l' art. 20 al. 1 CO ( ATF 80 II 123 consid. 3c), c'est-à-dire nulle "ungültig", comme le sont les conditions de sortie onéreuses à l'excès en vertu de l' art. 842 al. 3 CO (cf. SCHWARTZ, op. cit., n° 13 ad art. 842 CO ; HÉRITIER LACHAT, op. cit., n° 15 ad art. 842 CO ). Ces considérations théoriques amènent le Tribunal fédéral à retenir la solution suivante. 2.2 D'après l'art. 6 des statuts de la recourante, dans leur version du 30 juin 2008, le sociétaire sortant est tenu au versement à la coopérative d'une indemnité de 500 fr. par part sociale, sans qu'il soit nécessaire, pour que l'indemnité soit due, que la sortie entraîne un dommage à la société ou en compromette l'existence. On voit donc que cette clause statutaire instaure, pour l'associé démissionnaire, le versement automatique au bénéfice de la coopérative d'une indemnité en argent, en ce sens que la société est dispensée de prouver avoir subi un dommage provoqué par la démission. Cette BGE 138 III 785 S. 788 clause, qui a le caractère d'une peine conventionnelle (cf. art. 160 et 161 al. 1 CO ), est illicite, et par conséquent nulle. Partant, la cour cantonale a nié à juste titre le droit pour la recourante d'obtenir, sur la base de ses statuts, une indemnité de sortie dite indépendante de la part des intimés démissionnaires.
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Zusammenfassung der Rechtsprechung zu den Sachverhalten, die von Art. 4 Abs. 1 lit. g BewG i.V.m. Art. 1 Abs. 2 lit. b BewV erfasst werden (E. 3.1-3.3). Der Erwerb eines Grundstücks durch eine Schweizer Staatsangehörige, welcher nicht nur aus Eigenmitteln ihres (ausländischen) Ehegatten, sondern auch durch einen ausschliesslich aufgrund des Einkommens des Ehegatten gewährten Bankkredit finanziert wird, verschafft dem Ehegatten eine ähnliche Stellung wie dem Eigentümer im Sinne der genannten Bestimmungen; folglich besteht eine Bewilligungspflicht (E. 3.4-3.6). Sachverhalt ab Seite 482 BGE 142 II 481 S. 482 A. A.a A.X., de nationalité suisse, est actuellement domiciliée à Dubaï (Emirats arabes unis). Elle s'est mariée en mai 2012 avec B.X., ressortissant anglais également domicilié à Dubaï. L'intéressée souhaite acquérir, à titre de propriétaire exclusive, les immeubles n os *** et *** du registre foncier de la Commune de C. (FR), lesquels comprennent une habitation individuelle, un garage, un jardin d'agrément, un pavillon et un pré. Le prix de vente des immeubles a été fixé dans un premier temps à 1'750'000 fr. L'achat aurait dû être financé de la manière suivante: - 1'155'000 fr. grâce à un prêt de la banque D., accordé aux deux époux et fondé exclusivement sur le revenu du mari; - 100'000 fr. au moyen de fonds de l'épouse; - 495'000 fr. au moyen de fonds du mari. Par la suite, le prix de vente a été réduit à 1'660'000 fr. Le montant du prêt accordé par la banque est resté identique (1'155'000 fr.), de sorte que cette baisse de prix a amené à une réduction des investissements respectifs de l'épouse et du mari. Selon le projet de contrat de vente du 24 février 2015, l'acheteuse s'engageait à reprendre la dette garantie par les cédules hypothécaires grevant les immeubles, le solde du prix de vente étant payé par virement bancaire. Il était précisé dans le contrat que l'investissement de B.X. s'inscrivait dans un contexte matrimonial ordinaire et qu'aucun droit réel ou autre droit lui conférant une position analogue à celle du propriétaire ne lui était accordé. A.b Avant de procéder à la signature du contrat de vente, A.X. a voulu s'assurer que ladite vente ne présentait aucune difficulté sous l'angle de la loi fédérale du 16 décembre 1983 sur l'acquisition d'immeubles par des personnes à l'étranger (LFAIE; RS 211.412.41). Par BGE 142 II 481 S. 483 écriture du 6 janvier 2015, complétée le 24 février 2015, l'intéressée a ainsi adressé à la Commission fribourgeoise pour l'acquisition d'immeubles par des personnes à l'étranger (ci-après: la Commission) une demande de constatation du non-assujettissement de la vente en question à la LFAIE. B. Par décision du 11 mai 2015, la Commission a constaté que l'acquisition, par A.X., des immeubles n os *** et *** du registre foncier de la Commune de C. n'était pas assujettie à la LFAIE. A l'encontre de cette décision, l'Office fédéral de la justice (ci-après: l'Office fédéral) a formé un recours auprès du Tribunal cantonal du canton de Fribourg (ci-après: le Tribunal cantonal). Par arrêt du 27 octobre 2015, ce dernier a rejeté le recours. Les juges cantonaux ont retenu, en substance, que A.X. était de nationalité suisse et voulait acquérir les immeubles en son nom propre, à titre de propriétaire exclusive, de sorte que l'achat en question n'était pas assujetti à la LFAIE. Le financement d'une partie de l'opération par le mari de l'intéressée n'était pas propre à soumettre cette acquisition à la LFAIE, en l'absence de l'octroi de tout droit de nature réelle (usufruit, droit d'habitation, droit de gage immobilier, droit d'emption, droit de préemption, servitude immobilière) ou contractuelle (prêt des immeubles, bail de longue durée) en faveur de B.X., destiné à conférer à celui-ci une position analogue à celle d'un propriétaire. C. Agissant par la voie du recours en matière de droit public, l'Office fédéral demande au Tribunal fédéral, sous suite de frais, d'annuler l'arrêt rendu le 27 octobre 2015 par le Tribunal cantonal et la décision de la Commission du 11 mai 2015. Le Tribunal cantonal conclut au rejet du recours. La Commission se réfère à sa décision du 11 mai 2015 et à la décision du Tribunal cantonal du 27 octobre 2015. A.X. n'a pas formulé d'observations. La II e Cour de droit public a délibéré sur le présent recours en séance publique le 4 novembre 2016.
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Erwägungen Extrait des considérants: 3. Le litige porte sur le point de savoir si l'acquisition des immeubles de C. par l'intimée est ou non assujettie au régime d'autorisation de la LFAIE. Selon le recourant, la participation financière du mari (étranger) de l'intéressée à l'opération immobilière en question serait propre à conférer à celui-ci une position analogue à celle d'un propriétaire BGE 142 II 481 S. 484 sur les immeubles litigieux, de sorte que l'achat de ceux-ci serait soumis à autorisation. 3.1 L' art. 2 al. 1 LFAIE pose le principe selon lequel l'acquisition d'immeubles par des personnes à l'étranger est subordonnée à une autorisation de l'autorité cantonale compétente. Il n'est à juste titre pas contesté que le simple achat d'un immeuble en Suisse par une personne domiciliée à l'étranger, mais de nationalité suisse, n'est en principe pas soumis à la LFAIE ( art. 5 LFAIE a contrario; cf. MÜHLEBACH/GEISSMANN, in Lex F., Kommentar zum Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland, 1986, n° 5 ad art. 5 LFAIE p. 89). 3.2 D'après l' art. 4 al. 1 let . g LFAIE, il faut assimiler à l'acquisition d'immeubles l'acquisition de droits qui confèrent à leur titulaire une position analogue à celle du propriétaire d'un immeuble. Selon l'art. 1 al. 2 let. b de l'ordonnance du 1 er octobre 1984 sur l'acquisition d'immeubles par des personnes à l'étranger (OAIE; RS 211.412.411), au nombre de ces droits figure en particulier "le financement de l'achat d'un immeuble ou de sa construction, si les accords intervenus, le montant des crédits octroyés ou la situation financière du débiteur placent l'acquéreur ou le maître d'ouvrage dans un rapport de dépendance particulière à l'égard du créancier". 3.3 Selon la jurisprudence, le financement de l'acquisition d'un bien-fonds grâce à un crédit étranger, garanti par gage immobilier, ne tombe en principe pas sous le coup de l' art. 4 al. 1 let . g LFAIE, pour autant que ledit crédit reste dans la limite usuelle des deux tiers de la valeur vénale de l'immeuble (arrêts 2C_219/2015 du 20 novembre 2015 consid. 7.5.3, in RNRF 97/2016 p. 196, notamment p. 204; 2C_854/2012 du 12 mars 2013 consid. 5.3; 2C_118/2009 du 15 septembre 2009 consid. 4.1; 2C_637/2008 du 8 avril 2009 consid. 4; 2A.510/2003 du 4 mai 2004 consid. 2; 2A.184/2001 du 7 septembre 2001 consid. 2; voir aussi, sous l'empire de l'ancien arrêté fédéral du 23 mars 1961 sur l'acquisition d'immeubles par des personnes domiciliées à l'étranger [AFAIE], ATF 107 Ib 12 consid. 4 p. 18 s.; cf. MÜHLEBACH/GEISSMANN, op. cit., n os 72 p. 71 et 77 p. 74 s. ad art. 4 LFAIE ). Lorsque la charge excède manifestement la mesure de ce qui est usuel en matière de commerce et que le propriétaire foncier n'aurait pas, dès lors, obtenu d'un tiers non intéressé un crédit correspondant, le créancier peut se voir octroyer une position similaire à celle d'un propriétaire, notamment si le BGE 142 II 481 S. 485 propriétaire et débiteur est économiquement faible ou dépend économiquement du créancier (arrêts 2C_219/2015 du 20 novembre 2015 consid. 7.5.3, in RNRF 97/2016 p. 196, notamment p. 205; 2C_854/2012 du 12 mars 2013 consid. 5.3; 2A.510/2003 du 4 mai 2004 consid. 2; 2A.184/2001 du 7 septembre 2001 consid. 2; voir aussi, sous l'empire de l'ancien droit, ATF 107 Ib 12 consid. 4 p. 18 s.). On considère que ce cas de figure est réalisé lorsque le financement étranger est de 80 % ou plus (arrêts 2C_854/2012 du 12 mars 2013 consid. 5.3; 2C_637/2008 du 8 avril 2009 consid. 4.2; 2A.184/2001 du 7 septembre 2001 consid. 2; voir aussi JACQUES TISSOT, Questions choisies en matière de LFAIE, RNRF 87/2006 p. 69, notamment p. 79; MARC BERNHEIM, Die Finanzierung von Grundstückkäufen durch Personen im Ausland, 1993, p. 107 s.; MÜHLEBACH/GEISSMANN, op. cit., n° 77 ad art. 4 LFAIE p. 74 s.). Ces principes ont été posés dans des cas où le prêt était garanti par un gage immobilier, bien que celui-ci ne donne pas au créancier une position analogue à celle d'un propriétaire sur l'immeuble grevé, puisqu'il ne peut pas s'approprier l'immeuble à défaut de paiement ( art. 816 al. 2 CC ; cf. arrêts 2C_219/2015 du 20 novembre 2015 consid. 7.5.3, in RNRF 97/2016 p. 196, notamment p. 204; 2C_854/2012 du 12 mars 2013 consid. 5.3; cf. MÜHLEBACH/GEISSMANN, op. cit., n° 72 ad art. 4 LFAIE p. 71). La jurisprudence a considéré que cette pratique doit s'appliquer, à plus forte raison, lorsque le créancier étranger ne bénéficie pas d'un droit de gage immobilier, car dans ce cas il n'acquiert aucun droit réel sur l'immeuble et il est pour lui encore plus difficile d'exercer une influence déterminante et d'acquérir une position analogue à celle d'un propriétaire (cf. arrêts 2C_219/2015 du 20 novembre 2015 consid. 7.5.3, in RNRF 97/2016 p. 196, notamment p. 205; 2C_637/2008 du 8 avril 2009 consid. 4.1; voir aussi BERNHEIM, op. cit., p. 108). Finalement, contrairement à ce que pourrait laisser entendre l'arrêt attaqué, l'aspect subjectif n'est pas pertinent dans l'examen des conditions de l' art. 4 al. 1 let . g LFAIE cum art. 1 al. 2 let. b OAIE . Il n'est pas nécessaire que les parties aient eu l'intention d'éluder les règles de la LFAIE. L'élément déterminant est, sur le plan objectif, le résultat économique que les relations juridiques établies entre les parties permettent d'atteindre (arrêt 2C_854/2012 du 12 mars 2013 consid. 5.2). 3.4 En l'occurrence, l'intimée souhaite acheter deux immeubles situés à C. (FR), pour un prix total de 1'660'000 fr. Il ressort de l'arrêt BGE 142 II 481 S. 486 attaqué que cette acquisition serait financée à hauteur de 1'155'000 fr. grâce à un prêt de la banque D. Le solde devrait être assumé par les époux. L'arrêt entrepris n'est pas clair sur le montant exact des investissements qui devraient être fournis par les époux, dans la mesure où il se limite à indiquer qu'initialement l'intimée avait planifié d'investir 100'000 fr. et son mari 495'000 fr. et que, par la suite, la réduction du prix de vente (de 1'750'000 fr. à 1'660'000 fr.) "a eu une incidence sur les apports des époux", le montant du prêt accordé par la banque D. étant resté "identique". En tout état de cause, cet élément n'est pas décisif en l'espèce, car les circonstances entourant l'achat litigieux sont de toute façon propres à fonder un assujettissement dudit achat au régime d'autorisation de la LFAIE. En effet, même dans l'hypothèse la plus favorable à l'intimée, consistant à retenir que le rabais de 90'000 fr. aura comme conséquence de réduire uniquement l'investissement du mari, l'acquisition des immeubles de C. au prix de 1'660'000 fr. serait financée de la manière suivante: - 100'000 fr. au moyen de fonds de l'épouse; - 405'000 fr. au moyen de fonds du mari; - 1'155'000 fr. grâce au prêt de la banque D. Selon cette hypothèse, le mari participerait à l'achat à hauteur de 405'000 fr. (environ 24 % du prix de vente). Cet élément, à lui seul, ne suffit certes pas pour établir un cas d'application de l' art. 4 al. 1 let . g LFAIE cum art. 1 al. 2 let. b OAIE , le crédit octroyé par le mari ne dépassant pas la limite usuelle des deux tiers, voire 80 %, de la valeur vénale de l'immeuble (cf. supra consid. 3.3). Cependant, il ressort expressément de l'arrêt attaqué que le prêt de 1'155'000 fr. accordé par la banque D. était "fondé exclusivement sur le revenu du mari". L'intimée n'aurait donc pas pu obtenir seule ce crédit, sans la participation de son mari. En d'autres termes, c'est uniquement sur la base de la situation économique de ce dernier que la banque a accepté d'octroyer au couple le prêt nécessaire à l'acquisition litigieuse. Sans l'aide du mari, tant sous l'angle de l'argent investi directement par celui-ci, que du point de vue de sa participation décisive dans la relation contractuelle avec la banque ayant conduit à l'allocation du crédit, l'intimée n'aurait pas la possibilité d'acquérir les immeubles litigieux. Dans une telle situation, il se justifie de prendre en compte le montant du prêt accordé par la banque dans le calcul de la proportion entre les fonds investis par l'intéressée et les fonds dont celle-ci BGE 142 II 481 S. 487 a pu disposer grâce à la participation de son mari dans l'opération immobilière. Partant, même selon l'hypothèse de financement - favorable à l'intéressée - retenue ci-dessus, le total des fonds investis par le mari (405'000 fr., soit environ 24 % du prix de vente) plus ceux octroyés au couple sur la base des revenus de celui-ci (1'155'000 fr., soit environ 70 % du prix de vente), représenteraient 94 % de la valeur des immeubles de C., soit une proportion se situant bien au-delà de la limite des deux tiers, voire 80 %, retenue par la jurisprudence (cf. supra consid. 3.3). Dans ces conditions, force est de constater que le financement, par le mari (étranger) de l'intimée, relatif à l'acquisition des immeubles de C., associé au fait que le prêt hypothécaire accordé au couple était fondé exclusivement sur le revenu du mari, est propre à conférer à ce dernier une position analogue à celle d'un propriétaire au sens de l' art. 4 al. 1 let . g LFAIE cum art. 1 al. 2 let. b OAIE . 3.5 Il ressort de ce qui précède que, en considérant que l'acquisition des immeubles litigieux par l'intimée, selon les modalités exposées par celle-ci, n'était pas assujettie au régime d'autorisation de la LFAIE, le Tribunal cantonal a violé le droit fédéral. 3.6 Les considérants qui précèdent conduisent à l'admission du recours dans la mesure où il est recevable. L'arrêt attaqué sera annulé et il sera constaté que l'acquisition, par l'intimée, des immeubles n os *** et *** du registre foncier de la commune de C. est assujettie au régime de l'autorisation. (...)
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Sachverhalt ab Seite 113 BGE 132 IV 112 S. 113 A. est l'administrateur de la société C. SA, dont le but social est principalement l'exploitation d'un bureau technique de travaux d'architecture et d'ingénieur. Les 29 juillet et 21 octobre 2002, cette société a déposé au Conseil communal de X. des demandes de sanction définitive relatives à des constructions sur ses articles 2676 et 2583 du cadastre de X. Lors de la mise à l'enquête publique de ces projets, B., propriétaire de l'article 2545 du cadastre de X. et, par ailleurs, président de la commission d'urbanisme de la commune de X., a fait opposition aux demandes de sanction présentées par C. SA. Ces oppositions, déclarées irrecevables par le Conseil communal de X. lors de ses décisions des 3 octobre 2002 et 27 mars 2003, ont donné lieu à une longue procédure. Alors que ces procédures étaient pendantes, A. a adressé le 25 août 2003 au Conseil communal de X. une lettre visant à dénoncer les actes de B., ce dernier lui ayant proposé de retirer les oppositions BGE 132 IV 112 S. 114 contre le versement de 60'000 francs entre ses mains. Il s'est exprimé en ces termes: "(...) nous dénonçons vivement et publiquement: les actions téméraires et abusives de votre président de la commission d'urbanisme, élu démocratiquement, et qui essaie de nous extorquer CHF 60'000.-, preuve du 10 avril 2003 et dont vous étiez bien au courant depuis le 11 avril 2003 (...)". Le 12 septembre 2003, B. a déposé une plainte pénale contre A., notamment en raison de la lettre du 25 août 2003. Pour sa part, A. a déposé le 12 décembre 2003 une plainte pénale à l'encontre de B., pour calomnie, menace et contrainte. Le Ministère public neuchâtelois a suspendu cette plainte jusqu'à droit connu dans la procédure pénale à l'encontre du plaignant. Par jugement du 4 novembre 2005, le Tribunal de police du district de Boudry a condamné A., pour diffamation et pour violation des dispositions relatives à la protection de l'environnement, à une amende de 5'000 francs, avec un délai de radiation de deux ans, aux frais de justice arrêtés à 1'723 francs et au versement d'une indemnité de dépens de 750 francs en faveur de B. En droit, le tribunal a considéré, s'agissant de l'infraction de diffamation, que A. n'avait pas apporté la preuve de la vérité selon l' art. 173 ch. 2 CP , puisqu'aucun jugement pénal ne condamnait B. pour extorsion. En conséquence, il a condamné A. pour diffamation. Par arrêt du 16 mars 2006, la Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal du canton de Neuchâtel a admis le pourvoi en cassation déposé par A., en ce sens qu'elle l'a libéré de la condamnation pour violation des dispositions relatives à la protection de l'environnement. Statuant elle-même, elle a condamné A. à une amende de 4'200 francs, fixant à deux ans le délai de radiation. Elle a réduit à 1'550 francs les frais de justice de première instance et a fixé à 750 francs l'indemnité de dépens pour la première instance. Enfin, elle a condamné A. à une part réduite des frais de deuxième instance, arrêtés à 660 francs. En droit, elle a constaté, en relation avec l'infraction de diffamation, que A. avait adressé la lettre litigieuse au Conseil communal de X., alors que celui-ci avait déjà déclaré irrecevable l'opposition de B. au projet de construction de C. SA et que le litige était pendant devant le Tribunal administratif neuchâtelois. Elle en a déduit que A. ne pouvait poursuivre ni un intérêt public ni un intérêt privé BGE 132 IV 112 S. 115 digne de protection en dévoilant au conseil communal les manoeuvres de B., mais ne pouvait avoir adressé la lettre litigieuse que par vengeance, pour dire du mal de B. En conformité avec l' art. 173 ch. 3 CP , A. ne pouvait donc être admis à faire la preuve de la vérité selon l' art. 173 ch. 2 CP . La cour cantonale a ainsi maintenu la condamnation pour diffamation par substitution de motifs. Contre cet arrêt cantonal, A. dépose un pourvoi en nullité devant le Tribunal fédéral. Il conclut à l'annulation de l'arrêt attaqué, soutenant qu'il aurait dû être autorisé à faire la preuve de la vérité et que cette preuve avait été apportée, en l'absence de jugement de condamnation, par le biais de divers indices. L'intimé ainsi que le Ministère public et le Tribunal cantonal neuchâtelois ont renoncé à se déterminer. Le Tribunal fédéral a admis le pourvoi en nullité.
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. 2.1 L' art. 173 ch. 1 CP réprime le comportement de celui qui, en s'adressant à un tiers, aura accusé une personne ou jeté sur elle le soupçon de tenir une conduite contraire à l'honneur, ou de tout autre fait propre à porter atteinte à sa considération, ou aura propagé une telle accusation ou un tel soupçon. Cette disposition protège la réputation d'être une personne honorable, c'est-à-dire de se comporter comme une personne digne a coutume de le faire selon les conceptions généralement reçues. L'honneur protégé par le droit pénal est conçu de façon générale comme un droit au respect, qui est lésé par toute assertion propre à exposer la personne visée au mépris en sa qualité d'homme ( ATF 128 IV 53 consid. 1a p. 57/58). 2.2 En l'espèce, il n'est pas contesté qu'en dénonçant au conseil communal les "actions téméraires et abusives" de l'intimé, qui essayait "de lui extorquer 60'000 francs", le recourant a porté atteinte à la considération de l'intimé. Contrairement à ce que soutient le recourant, il n'a pas critiqué le politicien en tant que tel, mais il a accusé l'intimé d'avoir eu un comportement malhonnête. En conséquence, on se trouve en présence d'une atteinte à l'honneur, au sens de l' art. 173 ch. 1 CP . 3. La cour cantonale a refusé au recourant la possibilité d'apporter la preuve de la véracité de l'allégation contraire à l'honneur ou celle de sa bonne foi. BGE 132 IV 112 S. 116 3.1 Selon l' art. 173 ch. 3 CP , l'inculpé ne sera pas admis à faire les preuves libératoires et sera punissable si ses allégations ont été articulées ou propagées sans égard à l'intérêt public ou sans autre motif suffisant, principalement dans le dessein de dire du mal d'autrui, notamment lorsqu'elles ont trait à la vie privée ou à la vie de famille. La jurisprudence et la doctrine interprètent de manière restrictive les conditions énoncées à l' art. 173 ch. 3 CP . En principe, l'accusé doit être admis à faire les preuves libératoires et ce n'est qu'exceptionnellement que cette possibilité doit lui être refusée (cf. CORBOZ, Les infractions en droit suisse, vol. I, Berne 2002, art. 173 CP , n. 54; RIKLIN, Basler Kommentar, Strafgesetzbuch II, art. 173 CP , n. 20). Pour que les preuves libératoires soient exclues, il faut, d'une part, que l'accusé ait tenu les propos attentatoires à l'honneur sans motif suffisant (d'intérêt public ou privé) et, d'autre part, qu'il ait agi principalement dans le dessein de dire du mal d'autrui. Ces deux conditions doivent être réalisées cumulativement pour refuser les preuves libératoires. Ainsi, l'accusé sera admis aux preuves libératoires s'il a agi pour un motif suffisant (et ce, même s'il a agi principalement pour dire du mal d'autrui) ou s'il n'a pas agi pour dire du mal d'autrui (et ce, même si sa déclaration n'est pas fondée sur un motif suffisant) ( ATF 116 IV 31 consid. 3 p. 38, ATF 116 IV 205 consid. 3b p. 208). Déterminer le dessein de l'auteur (en particulier s'il a agi pour dire du mal d'autrui) relève de l'établissement des faits (cf. ATF 129 IV 271 consid. 2.5 p. 276) et ne peut par conséquent pas être remis en cause dans un pourvoi. En revanche, la notion d'intérêt public est une question de droit fédéral, qui peut être revue librement par la cour de céans ( ATF 69 IV 165 consid. 2 p. 168). 3.2 3.2.1 En l'occurrence, la cour cantonale a constaté que le recourant avait agi par vengeance et, partant, qu'il avait accusé l'intimé de tentative d'extorsion principalement pour dire du mal de ce dernier. Le recourant ne remet pas en cause, à juste titre, la réalisation de cette première condition d'exclusion des preuves libératoires, puisqu'il s'agit d'une constatation de fait. La controverse porte sur la seconde condition d'exclusion, à savoir sur l'intérêt public, notion qui relève du droit fédéral. Comme le conseil communal avait déjà déclaré irrecevables les oppositions de l'intimé, la cour cantonale a estimé que le recourant ne pouvait BGE 132 IV 112 S. 117 poursuivre un intérêt public ni aucun autre intérêt privé. Pour sa part, le recourant soutient qu'il existait un intérêt pour le conseil communal, voire pour les administrés de la commune, de connaître la pratique du président de la commission d'urbanisme, car les infractions évoquées touchaient au rôle de celui-ci dans la procédure d'autorisation de construire. 3.2.2 La cour cantonale refuse au recourant tout intérêt public ou privé, au motif que la procédure devant le conseil communal était terminée. Il faut cependant se demander s'il n'existait pas un intérêt public à révéler au conseil communal les irrégularités de la procédure, indépendamment de l'issue de celle-ci. La jurisprudence a reconnu un intérêt public à révéler qu'un avocat pratiquant avait été condamné ( ATF 69 IV 165 consid. 2 p. 167/168) et à dénoncer par tract les soupçons de vol pesant sur un chef de la police ( ATF 101 IV 292 consid. 4 p. 294/295), en raison des professions exercées, qui exigeaient une confiance particulière du public. En l'espèce, l'intimé a certes fait opposition aux demandes de construction déposées par la société du recourant en tant que propriétaire d'une parcelle voisine. Cependant, il était président de la commission d'urbanisme de la commune et occupait par là même un poste public, qui doit être confié à une personne intègre. En outre, les infractions évoquées ne relevaient pas du domaine privé ni de la vie de famille, mais touchaient une procédure d'autorisation de construire, domaine de compétence de la commission d'urbanisme. Dans ces circonstances, il existait un intérêt pour le conseil communal de connaître la pratique de l'intimé. C'est donc à tort que la cour cantonale a refusé au recourant la possibilité d'apporter la preuve de la véracité de ses allégations ou celle de sa bonne foi. 4. Selon l' art. 173 ch. 2 CP , l'accusé n'encourra aucune peine s'il prouve que les allégations qu'il a articulées ou propagées sont conformes à la vérité ou qu'il avait des raisons sérieuses de les tenir de bonne foi pour vraies. 4.1 Le recourant soutient qu'il a apporté la preuve de l'infraction commise par l'intimé par le biais d'indices sérieux, à savoir notamment par la lettre du 10 avril 2003 du conseil de l'intimé, verbalisant l'intention de ce dernier de réclamer 60'000 francs en échange du retrait de ses oppositions et recours. Alors que le premier juge a considéré que la preuve de la vérité n'avait pas été apportée, faute d'un jugement condamnatoire correspondant, la cour cantonale ne BGE 132 IV 112 S. 118 s'est pas prononcée sur la question puisqu'elle a refusé au recourant la possibilité d'apporter les preuves libératoires. 4.2 Selon la jurisprudence, l'accusé qui a allégué la commission d'une infraction doit en principe apporter la preuve de la vérité par la condamnation pénale de la personne visée ( ATF 106 IV 115 consid. 2c p. 117). Une exception a été admise dans un cas où la poursuite pénale n'était plus possible en raison de la prescription ( ATF 109 IV 36 consid. 3b p. 37). Dans une autre affaire, le Tribunal fédéral a relevé qu'il existait de bonnes raisons, au regard de la présomption d'innocence, de s'en tenir à l'exigence d'un jugement de condamnation, tout en laissant ouverte la question des exceptions à apporter à ce principe ( ATF 116 IV 31 consid. 4 p. 39). Enfin, dans une dernière affaire, les allégations dans un journal que quelqu'un avait commis de graves infractions ont été considérées comme prouvées par un jugement exécutoire rendu postérieurement à ces allégations ( ATF 122 IV 311 consid. 2e p. 317). La doctrine émet certaines réserves à l'égard de cette jurisprudence. TRECHSEL constate que, selon la jurisprudence, il n'est plus possible d'apporter la preuve de la véracité des allégations accusant quelqu'un d'avoir commis une infraction dans une procédure pour atteinte à l'honneur si l'autorité compétente a acquitté cette personne ou prononcé une ordonnance de non-lieu ou une décision de refus de suivre (à défaut de soupçons suffisants). A ses yeux, une décision refusant d'ouvrir une enquête ne saurait empêcher toute preuve de la vérité. Cet auteur ajoute que, du reste, la jurisprudence a refusé une telle conséquence dans le cas où l'action pénale était prescrite. Citant un ancien arrêt argovien (AGVE 1951 n° 34), il relève que l'accusé ne peut être renvoyé à agir par la voie pénale, pour apporter la preuve de la vérité (TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2 e éd., Zurich 1997, art. 173 CP , n. 10). RIKLIN considère aussi que la jurisprudence va très loin, dans la mesure où une décision refusant de poursuivre interdit toute preuve de la vérité. Selon cet auteur, cette conséquence ne vaut cependant que si les décisions concernées ont déjà été prononcées au moment de l'atteinte à l'honneur. Pour lui, si une telle décision fait défaut, l'accusé ne peut être renvoyé à agir par la voie pénale ou à attendre l'issue d'une procédure pénale ouverte dans l'intervalle (RIKLIN, op. cit., art. 173 CP , n. 12). Après avoir résumé la jurisprudence, STRATENWERTH et JENNY relèvent qu'il ne faut pas oublier que le juge pénal, aussi en cas d'atteinte à l'honneur, doit rechercher BGE 132 IV 112 S. 119 la vérité matérielle (STRATENWERTH/JENNY, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I: Straftaten gegen Individualinteressen, 6 e éd., Berne 2003, § 11, n. 39). Enfin, tout en admettant que la jurisprudence repose sur des motifs raisonnables, CORBOZ se demande, en l'absence de disposition légale précise, ce qui permet d'empêcher l'accusé d'apporter la preuve de la vérité dans le cadre de la procédure dirigée contre lui (CORBOZ, La diffamation, SJ 1992 p. 629 ss, spéc. p. 657, note de bas de page 146). 4.3 En l'espèce, il n'existe aucune décision d'acquittement ou de non-lieu. Le Ministère public neuchâtelois a suspendu la procédure sur la plainte pénale du recourant, jusqu'à droit connu sur la plainte déposée par l'intimé contre le recourant. Par cette décision de suspension, le recourant s'est donc vu refuser la possibilité d'apporter la preuve de la vérité par la voie pénale. Il paraît inéquitable, d'une part, d'empêcher le recourant d'agir au pénal en suspendant le traitement de sa plainte pénale et, d'autre part, de lui refuser la possibilité d'apporter la preuve de la véracité de ses allégations d'une autre manière dans le cadre de la procédure dirigée contre lui. En outre, la ratio de la jurisprudence résumée au considérant précédant, qui consiste à éviter des jugements contradictoires, fait défaut, puisque, d'emblée, le Ministère public neuchâtelois a fait dépendre le traitement de la plainte du recourant de la présente procédure. Tant que le traitement de sa plainte sera suspendu et que, partant, la poursuite pénale à l'encontre de l'intimé ne sera pas possible (cf. ATF 109 IV 36 consid. 3b p. 37), le recourant doit donc être autorisé à apporter la preuve de la vérité ou celle de sa bonne foi dans la présente procédure par d'autres moyens. 4.4 Le recourant soutient qu'il a déjà apporté la preuve de la véracité de ses allégations, en produisant la lettre de l'avocat de l'intimé confirmant la proposition de celui-ci. Cette seule lettre ne suffit cependant pas. En soi, une offre transactionnelle n'est pas illicite. Mais elle peut le devenir si l'auteur tente d'obtenir plus que ce à quoi il a droit en menaçant la partie adverse d'un dommage sérieux (cf. CORBOZ, Les infractions en droit suisse, op. cit., art. 181 CP , n. 24). Au vu des faits constatés, la cour de céans ne peut cependant déterminer si l'infraction d'extorsion ou de contrainte est réalisée.
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Sachverhalt ab Seite 2 BGE 145 V 2 S. 2 A. Die IV-Stelle Uri sprach A. mit Verfügung vom 11. April 2001 rückwirkend ab 1. November 2000 eine ganze Invalidenrente, basierend auf einem 100%igen Invaliditätsgrad zu. Diese wurde mit Mitteilungen vom 15. April 2002 und 9. März 2005 bestätigt. Im BGE 145 V 2 S. 3 Rahmen einer weiteren von Amtes wegen eingeleiteten Rentenrevision holte die IV-Stelle das polydisziplinäre Gutachten des Medizinischen Zentrums Römerhof, Zürich (MZR), vom 27. August 2015 ein. Mit Vorbescheid vom 11. März 2016 stellte sie in der Folge die Aufhebung der Rente infolge eines verbesserten Gesundheitszustandes in Aussicht. Nachdem A. dagegen Einwand erhoben hatte, teilte ihr die IV-Stelle mit Schreiben vom 27. Juli 2016 mit, ein Revisionsgrund gemäss Art. 17 Abs. 1 ATSG liege zwar nicht vor, es bestehe jedoch ein Anspruch auf Wiedereingliederungsmassnahmen, da Eingliederungsressourcen vorhanden seien. In der Folge erteilte die IV-Stelle Kostengutsprache für ein Belastbarkeitstraining bei der Stiftung B. für die Dauer vom 25. Oktober 2016 bis 24. Januar 2017. A. brach das Training nach drei Tagen ab. Mit Schreiben vom 10. November 2016 leitete die IV-Stelle das Mahn- und Bedenkzeitverfahren ein und teilte mit, sie erwarte, dass das Belastbarkeitstraining unverzüglich wieder aufgenommen werde; falls sich A. dieser Massnahme widersetze, werde die Rente gestützt auf Art. 7b IVG aufgehoben. Nachdem das Training auch nach der ärztlicherseits empfohlenen Unterbrechung von zwei bis drei Monaten nicht wieder aufgenommen worden war, verlängerte die IV-Stelle am 20. März 2017 die bereits vorgängig angesetzte Frist bis 31. März 2017, damit A. eine schriftliche Mitwirkungserklärung einreichen konnte, ansonsten die Rente gestützt auf Art. 7b IVG aufgehoben werde. Androhungsgemäss stellte die IV-Stelle die Rente mit Verfügung vom 7. April 2017 auf Ende Mai 2017 ein. B. Das Obergericht des Kantons Uri wies die dagegen erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 12. Januar 2018). C. A. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erheben und beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids vom 12. Januar 2018 und der Verfügung der IV-Stelle vom 7. April 2017 sei ihr weiterhin eine ganze Rente der Invalidenversicherung auszurichten. Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Stellungnahme. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Die Vorinstanz stellt unter Verweis auf das MZR-Gutachten vom 27. August 2015, wonach in einer körperlich leichten bis BGE 145 V 2 S. 4 mittelschweren Tätigkeit eine 80%ige Arbeitsfähigkeit bestehe, fest, ein Revisionsgrund sei zu verneinen, da die Experten lediglich einen im Wesentlichen gleich gebliebenen Sachverhalt anders beurteilten. Im Übrigen sei das Gutachten jedoch beweiskräftig und es zeige nachvollziehbar auf, dass durchaus Eingliederungsressourcen bestehen würden. Die Versicherte habe keinen Arztbericht vorgelegt, der die Unzumutbarkeit der Teilnahme an den niederschwelligen Integrationsmassnahmen belege. Fehl gehe auch der Einwand, bei einer (andauernden) 100%igen Arbeitsunfähigkeit bestehe von vornherein keine Arbeitsfähigkeit, die im Sinne von Art. 8a IVG verbessert werden könne. Die Erwerbsfähigkeit könne nicht nur "verbessert", sondern auch "wieder hergestellt" werden, was sich beispielsweise aus Art. 8 Abs. 1 lit. a IVG ergebe. Gerade Integrationsmassnahmen, die der Vorbereitung auf berufliche Massnahmen dienten, seien unter anderem darauf ausgerichtet, arbeitsunfähige Versicherte mit Eingliederungsressourcen auf spätere berufliche Massnahmen vorzubereiten. Der zwischen der Verweigerung der Mitwirkung und der Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit geforderte Kausalzusammenhang sei ohne Weiteres zu bejahen. Bei aktiver Teilnahme an zumutbaren Integrationsmassnahmen (und daran anschliessenden beruflichen Massnahmen) sei eine Erhöhung der Arbeitsfähigkeit zu erwarten. Der langen Rentenbezugsdauer werde in dem Sinne Rechnung getragen, als die Versicherte mittels Integrationsmassnahmen auf die beruflichen Massnahmen vorbereitet werde. Da eine Verpflichtung zur Mitwirkung an den zumutbaren Eingliederungsmassnahmen bestehe und das Mahn- und Bedenkzeitverfahren korrekt durchgeführt worden sei, habe die IV-Stelle die Rente in Anwendung von Art. 21 Abs. 4 ATSG in Verbindung mit Art. 7b Abs. 1 IVG zu Recht aufgehoben. 2.2 Die Beschwerdeführerin rügt, nachdem gemäss einhelliger Auffassung die abweichende Beurteilung der Arbeitsfähigkeit durch das MZR keinen Revisionsgrund darstelle, könne für die Eingliederungsmassnahmen nichts anderes gelten. Eine abweichende Beweisabnahme, indem für die Rentenrevision nicht, aber für Eingliederungsmassnahmen dennoch auf das MZR-Gutachten abgestellt werde, sei widersprüchlich und führe zu einem offensichtlich unhaltbaren und damit willkürlichen Ergebnis. Denn einerseits bestehe infolge einer 100%igen Arbeitsunfähigkeit ein Rentenanspruch, andererseits werde eine Eingliederungspflicht mit dem Ziel der Rentenaufhebung infolge einer 80%igen Arbeitsfähigkeit bejaht. Das kantonale Gericht habe den Einwand, wonach die Auflage zur Teilnahme an BGE 145 V 2 S. 5 Eingliederungsmassnahmen auf der Grundlage der Expertise einer Umgehung von Art. 17 ATSG gleichkomme, nicht beachtet. Es dürfe allerdings nicht darüber hinweggesehen werden, dass Eingliederungsmassnahmen, seien es solche nach dem Grundsatz "Eingliederung vor Rente" im Sinne von Art. 8 IVG oder nach der Devise "Eingliederung aus Rente" nach Art. 8a IVG , untrennbar mit dem Rentenanspruch verwoben seien. So sei mit dem Ziel der beruflichen Eingliederung regelmässig die Rentenaufhebung oder -herabsetzung verbunden. Gerade deshalb könne und dürfe sich die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Rentenvoraussetzung und der Eingliederungsfähigkeit als Eingliederungsvoraussetzung nicht auf unterschiedliche Beweisgrundlagen stützen. Wo - wie vorliegend - für den Rentenanspruch ein zumindest materielles Beweisverwertungsverbot bezüglich des MZR-Gutachtens bestehe, müsse dies klar auch für den Eingliederungsanspruch gelten. Andernfalls könnte die Rente bei nicht genügender Folgeleistung der versicherten Person im Rahmen von Eingliederungsmassnahmen in Umgehung von Art. 17 ATSG aufgehoben werden. Schliesslich sei zu berücksichtigen, dass eine Invalidität von 100 % bestehe. Anders als bei einem Teilrentner, bei dem eine Restarbeitsfähigkeit stets vorhanden gewesen sei, betrage die Arbeitsfähigkeit hier 0 %. Damit sei kein Potential vorhanden, um mittels Eingliederungsmassnahmen eine Verbesserung der Arbeitsfähigkeit zu prognostizieren. Art. 8a IVG gehe jedoch von einer allfälligen Besserung der Arbeitsfähigkeit aus, wovon bei einer 100%igen Arbeitsunfähigkeit nicht die Rede sein könne. Dies gelte umso mehr, als sich Eingliederungsmassnahmen bei der 60-jährigen Versicherten, welche seit bald 20 Jahren infolge einer 100%igen Arbeitsunfähigkeit berentet werde, von vornherein als nicht eingliederungswirksam erweisen würden. Bereits altersbedingt und aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen könne sie auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Stelle finden. Die Renteneinstellung wegen fehlender Mitwirkung sei aus diesen Gründen eine unzulässige Sanktion. Darum sei sie aufzuheben und der Rentenanspruch sei zu bestätigen. 2.3 Die IV-Stelle macht geltend, die Versicherte verkenne, dass gestützt auf das MZR-Gutachten letztlich von keiner Verbesserung des Gesundheitszustandes ausgegangen worden sei. Das Gutachten sei also sehr wohl verwertet worden. Überdies sei dessen Beweiskraft unbestritten. Für die hypothetische Frage, ob die Erwerbsfähigkeit im Sinne von Art. 8a Abs. 1 IVG voraussichtlich verbessert werden könne, gebe es keine fundiertere Grundlage als ein solches polydisziplinäres Gutachten, das unter anderem auch berufliche BGE 145 V 2 S. 6 Massnahmen aus medizinischer Sicht ausdrücklich als "indiziert" bezeichne. Der vorliegende Fall zeige, dass Eingliederungspotential bei im Übrigen unverändert gebliebenem Gesundheitszustand durchaus zu bejahen sei, weshalb die IV-Stelle in Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrags Wiedereingliederungsmassnahmen habe zusprechen dürfen bzw. müssen. Die Behauptung, wonach eine seit mehreren Jahren zu 100 % erwerbsunfähige Person a priori über kein Eingliederungspotential im Sinne von Art. 8a Abs. 1 IVG verfügen könne, sei durch nichts bewiesen. Vielmehr zeige das medizinisch gut dokumentierte Dossier vorliegend das Gegenteil. Ob die beruflichen Wiedereingliederungsmassnahmen zur Herabsetzung oder Aufhebung der Rente geführt hätten, bleibe infolge der Mitwirkungspflichtverletzung der Versicherten, für die sie die Konsequenzen zu tragen habe, ungewiss. 3. Das Bundesgericht hat sich in der Vergangenheit bereits verschiedentlich mit dem per 1. Januar 2012 im Rahmen der 6. IV-Revision eingeführten Instrument der eingliederungsorientierten Rentenrevision befasst. Dabei hat es festgestellt, dass die Wiedereingliederung gemäss Art. 8a IVG (in Kraft seit 1. Januar 2012) für rentenbeziehende Personen mit vermutetem Eingliederungspotential vorgesehen ist, bei denen der Gesundheitszustand oder die erwerblichen Verhältnisse keine anspruchswesentliche Änderung erfahren haben (SVR 2014 IV Nr. 18 S. 69, 8C_667/2013 E. 2 mit Hinweisen). Eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Anspruch auf Wiedereingliederung für Rentenbezügerinnen und -bezüger ist bisher nicht erfolgt. 4. 4.1 Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der Bestimmung. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente. Abzustellen ist dabei namentlich auf die Entstehungsgeschichte der Norm und ihren Zweck, auf die dem Text zu Grunde liegenden Wertungen sowie auf die Bedeutung, die der Norm im Kontext mit anderen Bestimmungen zukommt. Die Gesetzesmaterialien sind zwar nicht unmittelbar entscheidend, dienen aber als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen. Namentlich bei neueren Texten kommt den Materialien - bei noch kaum veränderten Umständen oder gewandeltem Rechtsverständnis - eine besondere Stellung zu. Das Bundesgericht hat sich bei der Auslegung von Erlassen stets von einem BGE 145 V 2 S. 7 Methodenpluralismus leiten lassen und nur dann allein auf das grammatikalische Element abgestellt, wenn sich daraus zweifelsfrei die sachlich richtige Lösung ergab ( BGE 142 V 442 E. 5.1 S. 445 mit Hinweisen; BGE 135 II 78 E. 2.2 S. 81; BGE 135 V 153 E. 4.1 S. 157, BGE 135 V 249 E. 4.1 S. 252; BGE 134 I 184 E. 5.1 S. 193; BGE 134 II 249 E. 2.3 S. 252). 4.2 4.2.1 4.2.1.1 Der am 1. Januar 2012 im Rahmen der 6. IV-Revision (erstes Massnahmenpaket) in Kraft getretene Art. 8a Abs. 1 IVG (AS 2011 5659; BBl 2010 1817) sieht vor, dass Rentenbezügerinnen und Rentenbezüger Anspruch auf Massnahmen zur Wiedereingliederung haben, sofern die Erwerbsfähigkeit voraussichtlich verbessert werden kann (lit. a), und die Massnahmen geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit zu verbessern (lit. b). Auch in der französischen und italienischen Fassung des Gesetzes ist von einem Anspruch die Rede: "Les bénéficiaires de rente ont droit à des mesures de nouvelle réadaptation..."; "I beneficiari di una rendita hanno diritto a provvedimenti di reintegrazione...". Massnahmen zur Wiedereingliederung sind gemäss Art. 8a Abs. 2 IVG Integrationsmassnahmen zur Vorbereitung auf die berufliche Eingliederung nach Art. 14a Abs. 2 IVG (lit. a), Massnahmen beruflicher Art nach Art. 15 bis 18c IVG (lit. b), die Abgabe von Hilfsmitteln nach Art. 21 bis 21 quater IVG (lit. c) und die Beratung und Begleitung der Rentenbezügerinnen und Rentenbezüger und ihrer Arbeitgeber (lit. d). Nach dem Wortlaut des Art. 8a Abs. 1 IVG können grundsätzlich alle Rentenbezügerinnen und -bezüger von Wiedereingliederungsmassnahmen profitieren, falls die weiteren Voraussetzungen (voraussichtliche Wirksamkeit und Geeignetheit im Sinne von Art. 8a Abs. 1 lit. a und b IVG ) vorliegen. Ein Revisionsgrund im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG wird nicht verlangt. Da das Gesetz zudem von einem "Anspruch" auf Massnahmen spricht, ist fraglich, ob die Rentenbezügerinnen und -bezüger bei subjektiver Eingliederungsunfähigkeit zu Wiedereingliederungsmassnahmen verpflichtet werden können. 4.2.1.2 Darauf liefert Art. 7 Abs. 2 lit. e IVG , ebenfalls mit der 6. IV-Revision ins Gesetz eingefügt und damit in Kraft seit 1. Januar 2012, vom Wortlaut her eine klare Antwort. Die versicherte Person muss an allen zumutbaren Massnahmen, die zur Erhaltung des bestehenden Arbeitsplatzes oder zu ihrer Eingliederung ins Erwerbsleben oder in einen dem Erwerbsleben gleichgestellten Aufgabenbereich BGE 145 V 2 S. 8 dienen, aktiv teilnehmen ( Art. 7 Abs. 2 IVG ). Dies sind gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. e IVG insbesondere Massnahmen zur Wiedereingliederung von Rentenbezügerinnen und Rentenbezügern nach Art. 8a Abs. 2 IVG . In allen Sprachregelungen ist von einer Pflicht die Rede: "L'assuré doit participer activement à la mise en oeuvre de toutes les mesures raisonnablement exigibles..."; "L'assicurato deve partecipare attivamente all'esecuzione di tutti i provvedimenti ragionevolmente esigibili...". Der gesamte Art. 7 IVG steht unter dem Titel "Pflichten der versicherten Person". Aus dem Wortlaut ergibt sich klar, dass die Zumutbarkeit der Massnahmen der Mitwirkungspflicht eine Grenze setzt. 4.2.2 Art. 7 Abs. 2 lit. e IVG stellt in systematischer Hinsicht das Gegenstück zu Art. 8a Abs. 1 IVG dar. Während Art. 8a Abs. 1 IVG unter dem Titel "Wiedereingliederung von Rentenbezügerinnen und Rentenbezügern" einen Anspruch auf Massnahmen zur Wiedereingliederung statuiert, verpflichtet Art. 7 Abs. 2 IVG die versicherte Person zur aktiven Teilnahme an allen zumutbaren Massnahmen, die insbesondere zur Eingliederung ins Erwerbsleben dienen. Nach Art. 7b Abs. 1 IVG , eingefügt mit der 5. IV-Revision und in Kraft seit 1. Januar 2008 (AS 2007 5129; BBl 2005 4459), können die Leistungen nach Art. 21 Abs. 4 ATSG gekürzt oder verweigert werden, wenn die versicherte Person den Pflichten nach Art. 7 IVG oder nach Art. 43 Abs. 2 ATSG nicht nachgekommen ist. Die Teilnahme an zumutbaren Wiedereingliederungsmassnahmen im Sinne von Art. 7 Abs. 2 lit. e IVG stellt eine solche mittels Sanktionen durchsetzbare Pflicht dar. Als zumutbar gilt gemäss Art. 7a IVG , ebenfalls mit der 5. IV-Revision auf 1. Januar 2008 in Kraft gesetzt (AS 2007 5129; BBl 2005 4459), jede Massnahme, die der Eingliederung der versicherten Person dient; ausgenommen sind Massnahmen, die ihrem Gesundheitszustand nicht angemessen sind. Mit Art. 7 Abs. 2 lit. e IVG wird ein Aspekt des im Sozialversicherungsrecht allgemein geltenden Grundsatzes der Schadenminderungspflicht für Rentenbezügerinnen und -bezüger ausdrücklich definiert. Art. 21 Abs. 4 ATSG sieht die vorübergehende oder dauernde Kürzung von Leistungen vor, wenn sich eine versicherte Person einer zumutbaren Behandlung oder Eingliederung ins Erwerbsleben, die eine wesentliche Verbesserung der Erwerbsfähigkeit oder eine neue Erwerbsmöglichkeit verspricht, entzieht oder widersetzt, oder wenn sie nicht aus eigenem Antrieb das ihr Zumutbare dazu beiträgt ( Art. 21 Abs. 4 Satz 1 ATSG ). Vorgängig muss ein Mahn- und BGE 145 V 2 S. 9 Bedenkzeitverfahren durchgeführt werden ( Art. 21 Abs. 4 Satz 2 ATSG ). Über Art. 21 Abs. 4 ATSG hinaus fordert Art. 7 Abs. 2 IVG die aktive Teilnahme an den Massnahmen. Im Vergleich zur ATSG-Bestimmung setzt Art. 7 Abs. 2 IVG zudem nicht voraus, dass die Massnahmen eine wesentliche Verbesserung der Erwerbsfähigkeit oder eine neue Erwerbsmöglichkeit versprechen. Auch gemäss Art. 8a Abs. 1 IVG muss die Verbesserung der Erwerbsfähigkeit nicht wesentlich sein. Ob der Verzicht auf die Wesentlichkeit der Verbesserung "gewollt" ist, um dem Grundsatz der "Eingliederung statt Rente" vermehrt zum Durchbruch zu verhelfen (vgl. ERWIN MURER, Invalidenversicherungsgesetz, Art. 1-27 bis IVG , Handkommentar, 2014, N. 79 zu Art. 7-7b: Art. 7 IVG ; anders: MEYER/REICHMUTH, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG], 3. Aufl. 2014, N. 25 zuArt. 7-7b IVG), oder ob durch den Verweis in Art. 7b Abs. 1 IVG auf Art. 21 Abs. 4 ATSG auch im Zusammenhang mit Wiedereingliederungsmassnahmen nach Art. 8a IVG eine wesentliche Verbesserung in Aussicht stehen muss, kann an dieser Stelle offenbleiben. Denn hier ist nicht zweifelhaft, dass Wiedereingliederungsmassnahmen zu einer wesentlich verbesserten Erwerbsfähigkeit führen können (vgl. E. 5.3.2 hiernach). 4.2.3 Dem historischen Auslegungselement kommt erhöhter Stellenwert zu, weil Art. 8a und Art. 7 Abs. 2 lit. e IVG erst mit der 6. IV-Revision per 1. Januar 2012 in Kraft getreten sind. Dieses Element ist folglich mit einer geltungszeitlichen Herangehensweise gleichzusetzen (vgl. E. 4.1 hiervor). Vorauszuschicken ist, dass der mit der 5. IV-Revision ins Gesetz eingefügte Art. 7a IVG in der parlamentarischen Beratung Gegenstand eines Minderheitsantrags war. Die vorberatende Kommission des Nationalrates wollte als Unzumutbarkeitsgründe neben der Gesundheit auch das Alter und die persönlichen Verhältnisse aufführen, was aber keine Mehrheit fand (AB 2006 N 343 ff.). Neu gilt als Ausfluss einer verstärkten Schadenminderungspflicht der Grundsatz der Zumutbarkeit jeder Massnahme, die der Eingliederung ins Erwerbsleben oder in einen Aufgabenbereich dient (Botschaft vom 22. Juni 2005 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung [5. Revision], BBl 2005 4459 ff., 4524 und 4526; AB 2006 N 345). 4.2.3.1 Gemäss der bundesrätlichen Botschaft vom 24. Februar 2010 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket; BBl 2010 1817) wird mit BGE 145 V 2 S. 10 der 6. IV-Revision das Instrument der eingliederungsorientierten Rentenrevision eingeführt, mit welchem die Wiedereingliederung aktiv gefördert wird, indem Rentenbezügerinnen und -bezüger mit Eingliederungspotenzial durch persönliche Beratung, Begleitung und weitere spezifische Massnahmen gezielt auf eine Wiedereingliederung vorbereitet werden. Bezweckt werde eine Reduktion des Rentenbestandes (BBl 2010 1840). Eingliederungspotential wird insbesondere bei rentenbeziehenden Personen vermutet, die bei gleich gebliebenem Sachverhalt aufgrund der strenger gewordenen Rentenzusprechungspraxis heute keine Rente mehr erhalten würden bzw. nicht mehr im selben Umfang (BBl 2010 1840). Mit der Gesetzesrevision sollten die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden, um das Rentenrevisionsverfahren als Instrument zur Eingliederung aktiv zu nutzen. Die Wiedereingliederung gemäss Art. 8a IVG sei insbesondere für rentenbeziehende Personen vorgesehen, bei denen der Gesundheitszustand oder die erwerblichen Verhältnisse keine anspruchswesentliche Änderung erfahren hätten (BBl 2010 1840 ff. und 1887 ff.). Ziel sei, die Leistungs- und Erwerbsfähigkeit von Rentenbezügerinnen und -bezügern soweit zu verbessern, dass eine Wiedereingliederung möglich werde und die Rente im Gegenzug für die Zukunft entsprechend herabgesetzt oder aufgehoben werden könne. In jedem einzelnen Fall sei die Verhältnismässigkeit einer Wiedereingliederung zu prüfen (z.B. Kosten-Nutzen-Verhältnis, Alter der betroffenen Person etc. [BBl 2010 1842]). Betont wird schliesslich auch, dass es nicht im freien Belieben der Rentenbezügerinnen und -bezüger stehe, ob sie sich eingliedern lassen wollen oder nicht. Komme die IV-Stelle zum Schluss, dass eine Verbesserung der Erwerbsfähigkeit mit Hilfe von geeigneten Massnahmen voraussichtlich erreicht werden könne, entstehe für die betroffene Person eine gesetzliche Pflicht zur Mitwirkung. Diese trage damit einen wesentlichen Anteil am Gelingen einer Wiedereingliederung. Komme die Rentenbezügerin bzw. der Rentenbezüger der Mitwirkungspflicht nicht nach, so bestehe die Möglichkeit einer Leistungskürzung oder -verweigerung gemäss Art. 21 ATSG . Neu solle eine wirksame Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Durchführung von Eingliederungsmassnahmen auch für die Wiedereingliederung ausdrücklich vorgesehen werden (BBl 2010 1850). Die mit der 5. IV-Revision für die Zusprache von Eingliederungsmassnahmen explizit ins Gesetz aufgenommene Mitwirkungspflicht solle auch für alle zumutbaren Massnahmen zur Wiedereingliederung von Rentenbezügerinnen und -bezügern gelten und werde in Art. 7 Abs. 2 lit. e IVG BGE 145 V 2 S. 11 festgeschrieben. Die Beweislast der Unzumutbarkeit einer Massnahme liege bei der versicherten Person (BBl 2010 1886, zu Art. 7 Abs. 2 Bst. e). 4.2.3.2 Die ständerätliche Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK-S) führte in ihren Sitzungen vom 19. und 20. Mai 2010 eine vertiefte Diskussion zum Begriff des "Anspruchs" in Art. 8a Abs. 1 IVG , nachdem sich die Kommissionsmitglieder darauf geeinigt hatten, dass alle Rentenbezügerinnen und Rentenbezüger, also auch solche, die eine ganze Rente beziehen, von Wiedereingliederungsmassnahmen profitieren sollen (Protokoll der Sitzungen vom 19. und 20. Mai 2010, S. 5). Es bestand eine Unsicherheit, ob der Anspruch auf Wiedereingliederungsmassnahmen als Wahlrecht der versicherten Person missverstanden werden könnte, sich zur Durchführung entsprechender Massnahmen zur Verfügung zu stellen oder eben nicht. Der Vorschlag, in Art. 8a Abs. 1 IVG von einer Rechtspflicht anstatt von einem Anspruch zu reden, wurde nicht weiterverfolgt, weil im Grundsatz Einigkeit bestand, dass Anspruch und Pflicht sich nicht ausschliessen, sondern gleichzeitig bestehen würden, indem die rentenbeziehende Person Anspruch auf Wiedereingliederungsmassnahmen habe und gleichzeitig verpflichtet sei, an zumutbaren Massnahmen aktiv teilzunehmen. Die Kommission liess es bei einer Bitte an den Bundesrat bewenden, die Frage im Hinblick auf die Beratungen im Zweitrat nochmals zu prüfen (Protokoll der Sitzungen vom 19. und 20. Mai 2010, S. 6 ff.). Die nationalrätliche Kommission setzte sich damit nicht auseinander. 4.2.3.3 Im Ständerat als Erstrat erwähnte der Kommissionssprecher der SGK-S, im Rahmen der Detailberatung sei im Zentrum der Diskussion gestanden, ob die versicherte Person, die bereits Leistungen beziehe, ein Wiedereingliederungsrecht oder vielmehr eine Schadenminderungspflicht habe - diese Frage könnte, insbesondere, wenn Renten möglicherweise gekürzt würden, zu prozessualen Problemen führen und sei im Zweitrat vertieft zu prüfen. Zu Art. 7 Abs. 2 lit. e IVG bemerkte er im Übrigen vorab, dass eine Pflicht zur Mitwirkung bei Eingliederungsmassnahmen bestehe (AB 2010 S 650). Das Thema wurde in der Folge nicht mehr aufgenommen. Im Nationalrat bezeichnete der Sprecher der nationalrätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK-N) die eingliederungsorientierte Rentenrevision als eine von vier Hauptbereichen der Vorlage. Habe das Augenmerk in der 5. IV-Revision primär der Vermeidung unnötiger neuer Renten gegolten, so solle nunmehr die Zahl bestehender Renten verringert werden (AB 2010 N 2011). Von BGE 145 V 2 S. 12 weiteren Parlamentsmitgliedern wurden die Unterstützungswürdigkeit des Leitgedankens "Eingliederung aus Rente" unterstrichen (AB 2010 N 2027) und die Einführung von Wiedereingliederungsmassnahmen für rentenbeziehende Personen gemäss Art. 8a IVG begrüsst, "car elles ont pour objectif premier de faire en sorte que la rente ne soit, selon la formule consacrée, qu'une passerelle vers la réintégration professionnelle totale ou partielle" (AB 2010 N 2028). 4.2.4 Sinn und Zweck der neuen Art. 7 Abs. 2 lit. e und Art. 8a IVG ist die Wiedereingliederung von rentenbeziehenden Personen mit entsprechendem Potential ins Erwerbsleben. Durch die Gewährung von Massnahmen wird eine Stabilisierung und Verbesserung der Erwerbsfähigkeit angestrebt mit dem Ziel, laufende Renten aufheben oder herabsetzen zu können und so gleichzeitig eine Kostenreduktion in der Invalidenversicherung zu erreichen. Die neue Regelung fokussiert auf Rentenbezügerinnen und -bezüger, welche keine revisionsrechtlich relevante Änderung im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG erfahren haben (SVR 2014 IV Nr. 18 S. 69, 8C_667/2013 E. 2; Urteil 9C_572/2012 vom 18. Oktober 2012 E. 2.3.1). Erst die Teilnahme der versicherten Person an zumutbaren Massnahmen soll zu einer Rentenrevisionsmöglichkeit führen. Die teleologische Herangehensweise zeigt auf, dass die Teilnahme an Wiedereingliederungsmassnahmen nicht ins Belieben der rentenbeziehenden Person gestellt ist. Trotz allfälliger subjektiver Eingliederungsunfähigkeit muss sie an allen zumutbaren Massnahmen teilnehmen, und zwar aktiv, damit ihr Eingliederungspotential ausgeschöpft werden kann. 4.3 4.3.1 Zusammenfassend führen sämtliche Auslegungsmethoden einheitlich zum Schluss, dass Rentenbezügerinnen und -bezüger auch bei fehlendem Revisionsgrund im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet sind, an zumutbaren Massnahmen aktiv teilzunehmen. Dies betrifft Personen mit ganzen und Teilrenten gleichermassen. Aus dem Umstand, dass Art. 8a Abs. 1 IVG von einer voraussichtlichen Verbesserung (und nicht auch von einer Wiederherstellung) der Erwerbsfähigkeit spricht, kann mit Blick auf Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Regelung entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht abgeleitet werden, dass die Verpflichtung lediglich für Versicherte statuiert worden wäre, die zu weniger als 100 % erwerbsunfähig sind. Gestützt auf Art. 7 Abs. 2 lit. e IVG geht es in einem umfassenden Sinn um die "Wiedereingliederung" mittels entsprechender Massnahmen. Mit Widerstand der einzelnen BGE 145 V 2 S. 13 rentenbeziehenden Personen, welche sich künftig mit einem Wiedereingliederungsplan der Verwaltung konfrontiert sehen, wurde bereits im Gesetzgebungsprozess gerechnet, weshalb eine klar verpflichtende Regelung anvisiert wurde. Zudem sollen flankierende Massnahmen - so neben der Weiterausrichtung der Rente bis zum Abschluss der Massnahmen auch der auf drei Jahre ab Entscheid der IV-Stelle begrenzte Anspruch auf Beratung und Begleitung gemäss Art. 8a Abs. 4 IVG - den Weg der "Eingliederung aus Rente" unterstützen. Der Verpflichtung zur aktiven Teilnahme an Eingliederungsmassnahmen wird durch die Sanktionierungsmöglichkeiten der Kürzung oder Verweigerung von Rentenleistungen Nachdruck verliehen. 4.3.2 Das Auslegungsergebnis deckt sich mit der Stossrichtung der IV-Revisionen 5 und 6. Die Invalidenversicherung soll sich von einer Rentenversicherung zur Eingliederungsversicherung entwickeln; ihre Hauptaufgabe soll nunmehr in der Beseitigung oder bestmöglichen Verminderung der nachteiligen Auswirkungen eines Gesundheitsschadens auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten bestehen (RITLER/LÜTHI, Eingliederung und Wiedereingliederung aus der Sicht der Invalidenversicherung, SZS 2016 S. 722). Die Erreichung dieses Ziels gestaltet sich bei der Wiedereingliederung von Rentenbeziehenden im Vergleich zur Eingliederung vor Rente (erwartungsgemäss) schwieriger (RITLER/LÜTHI, a.a.O., S. 739), aber keineswegs als unmöglich. 4.3.3 4.3.3.1 Im Schrifttum wird zwar eine Mitwirkungspflicht bezogen auf alle zumutbaren Eingliederungsmassnahmen bejaht, soweit überhaupt zu dieser Problematik Stellung genommen wird. Gleichzeitig wird jedoch davon ausgegangen, dass die Massnahmen gemäss Art. 8a IVG vernünftigerweise nur dann in Aussicht genommen werden sollen, wenn seitens der versicherten Person überhaupt die erforderliche Bereitschaft zu ihrer Durchführung bestehe (HANS-JAKOB MOSIMANN, Schadenminderungs- und Mitwirkungspflichten nach der 5. IV-Revision, SZS 2018 S. 729, insb. S. 738; MURER, a.a.O., N. 16 zu Art. 8a IVG ; MEYER/REICHMUTH, a.a.O., N. 1 zu Art. 8a IVG ; SILVIA BUCHER, Eingliederungsrecht der Invalidenversicherung, 2011, S. 75 Rz. 124). 4.3.3.2 Wird eine Rente, die bei pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern ohne nachweisbare organische Grundlage gesprochen wurde, gestützt auf lit. a der Schlussbestimmungen der Änderung vom 18. März 2011 (6. IV-Revision, in Kraft BGE 145 V 2 S. 14 getreten am 1. Januar 2012; nachfolgend: SchlB IVG) herabgesetzt oder aufgehoben, so hat der Bezüger ebenfalls Anspruch auf Massnahmen zur Wiedereingliederung nach Art. 8a IVG . Dabei ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten. In diesem Sinne ist insbesondere von Bedeutung, dass die fragliche Massnahme - unter prospektiver Betrachtung - eingliederungswirksam ist, was eine subjektive und objektive Eingliederungsfähigkeit der betroffenen Person voraussetzt (Urteil 8C_664/2013 vom 25. März 2014 E. 2). Subjektive und objektive Eingliederungsfähigkeit der rentenbeziehenden Person wird auch vorausgesetzt, wenn diese bei der Invalidenversicherung um Übernahme von Umschulungskosten ersucht (Urteil 9C_644/2012 vom 23. Oktober 2012 E. 3; vgl. ferner Urteile 9C_726/2011 vom 1. Februar 2012 E. 5.1 und 9C_128/2009 vom 4. Mai 2009 E. 5 mit Hinweisen). Die bisherige Rechtsprechung stand immer im Zusammenhang mit der Geltendmachung des Anspruchs auf Eingliederungsmassnahmen seitens der versicherten Personen. Ob die subjektive Eingliederungsfähigkeit Anspruchsvoraussetzung für Wiedereingliederungsmassnahmen nach Art. 8a IVG bildet, wenn die IV-Stelle selber Eingliederungsressourcen entdeckt, welche von der rentenbeziehenden Person als nicht vorhanden beurteilt werden, hatte das Bundesgericht seit Inkrafttreten der 6. IV-Revision noch nicht zu entscheiden (vgl. auch E. 3 hiervor). 4.3.3.3 Gemäss eindeutigem Auslegungsergebnis hat die rentenbeziehende Person nicht nur einen Anspruch im Sinne von Art. 8a Abs. 1 IVG , sondern gestützt auf Art. 7 Abs. 2 lit. e IVG auch eine Pflicht, an zumutbaren Eingliederungsmassnahmen teilzunehmen (E. 4.3.1 hiervor). Im Gesetzgebungsprozess ist diese Pflicht im Hinblick darauf, dass rentenbeziehende Personen anfänglich womöglich keinen Sinn darin sehen dürften, durch (erfolgreiche) Eingliederungsmassnahmen ihre Erwerbsfähigkeit wiederzuerlangen oder zu steigern mit der Konsequenz, die Rente nach Beendigung der flankierenden Massnahmen unter Umständen ganz oder teilweise zu verlieren, besonders betont worden. Damit muss davon ausgegangen werden, dass hier die subjektive Eingliederungsfähigkeit, also die Bereitschaft zur Durchführung der Massnahmen, nicht vorausgesetzt wird, obwohl die Eingliederungswirksamkeit bei deren Vorhandensein zweifellos grösser ist. Die flankierenden Schutzmassnahmen sollen den durch die Mitwirkungspflicht erzeugten Druck auf Rentenbezügerinnen und -bezüger auffangen. BGE 145 V 2 S. 15 5. 5.1 Im vorliegend zu beurteilenden Fall sind sich die Parteien gestützt auf das MZR-Gutachten vom 27. August 2015 und einen Vergleich mit den ärztlichen Einschätzungen im Zeitpunkt der Rentenzusprache mittels Verfügung vom 11. April 2001 einig, dass kein Revisionsgrund vorliegt und namentlich keine Änderung des Gesundheitszustandes eingetreten ist. Während die Vorinstanz und die IV-Stelle davon ausgehen, ein Revisionsgrund sei zur Anordnung von Eingliederungsmassnahmen nicht notwendig, nimmt die Beschwerdeführerin an, die Auflage der IV-Stelle zur Teilnahme an Eingliederungsmassnahmen auf der Grundlage der Expertise vom 27. August 2015 komme einer Umgehung von Art. 17 ATSG gleich. Wie das Auslegungsergebnis der relevanten Gesetzesbestimmungen zeigt, ist entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ein Revisionsgrund im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG nicht vorausgesetzt, um Eingliederungsmassnahmen anordnen zu können. Bei der Verneinung eines Revisionsgrundes stützt sich die IV-Stelle auf das als beweiskräftig eingestufte Gutachten und es ist nicht ersichtlich, inwiefern ihr widersprüchliches Verhalten vorgeworfen werden könnte, wenn sie aus dem gutachtlichen Attest einer 80%igen Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Beschäftigung ein aktuelles Eingliederungspotential ableitet. Damit ist noch nicht gesagt, dass künftige berufliche Massnahmen zu einem Eingliederungserfolg im Sinne einer Wiedererlangung einer (Teil-)Erwerbsfähigkeit führen. Eine Umgehung der Revisionsbestimmungen kann schon deshalb nicht angenommen werden, weil die Wiedereingliederungsbemühungen gemäss Art. 8a in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 lit. e IVG gerade bezwecken, rentenbeziehende Personen ins Erwerbsleben zurückzuführen, die keine Änderung des Gesundheitszustandes erfahren haben. 5.2 Der Fokus der Wiedereingliederung im Sinne von Art. 8a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 lit. e IVG richtet sich sodann entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin gleichermassen auf versicherte Personen, die eine ganze Rente und solche, die eine Bruchteilsrente beziehen. Sie sollen durch zumutbare Massnahmen aktiv ins Erwerbsleben zurückgeführt werden. Anhaltspunkte für einen anderen Bedeutungsgehalt der Bestimmungen liegen nicht vor. 5.3 5.3.1 Auch das Alter und die lange Rentenbezugsdauer sprechen nicht für sich allein gegen eine erfolgreiche Wiedereingliederung. BGE 145 V 2 S. 16 Der Gesetzgeber verzichtete im Gegensatz zur Regelung in lit. a SchlB IVG bewusst auf solche Einschränkungen bei der Definition der Zumutbarkeit der Massnahmen in Art. 7a IVG (vgl. E. 4.2.3 hiervor). In die Beurteilung der Zumutbarkeit fliessen jedoch zwingend auch Verhältnismässigkeitsabwägungen ein, nachdem Art. 8a Abs. 1 IVG die Wirksamkeit (lit. a) und Geeignetheit (lit. b) der Massnahmen vorschreibt. Relevant sind somit die Umstände des konkreten Falles, welche nach dem nicht nur bei der Rechtsetzung, sondern auch bei der Rechtsanwendung zu beachtenden Grundsatz der Verhältnismässigkeit, der auch in Art. 8a Abs. 1 lit. a und b IVG seinen Ausdruck gefunden hat, zu würdigen sind (vgl. BUCHER, a.a.O., S. 74 ff; MOSIMANN, a.a.O., S. 737 [zur Zumutbarkeit medizinischer Massnahmen]). Das Alter und die Rentenbezugsdauer fallen deshalb durchaus ins Gewicht (vgl. BBl 2010 1842; zur Einschränkung bezüglich Eingliederungsbereitschaft der rentenbeziehenden Person vgl. E. 4.3.3.3 hiervor). Die Rechtsprechung anerkennt, dass das (vorgerückte) Alter zusammen mit weiteren persönlichen und beruflichen Gegebenheiten dazu führen kann, dass die einer versicherten Person verbliebene Resterwerbsfähigkeit auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt realistischerweise nicht mehr nachgefragt wird. Massgebend sind die Umstände des konkreten Falles, etwa die Art und Beschaffenheit des Gesundheitsschadens und seiner Folgen, der absehbare Umstellungs- und Einarbeitungsaufwand und in diesem Zusammenhang auch Persönlichkeitsstruktur, vorhandene Begabungen und Fertigkeiten, Ausbildung, beruflicher Werdegang oder Anwendbarkeit von Berufserfahrung aus dem angestammten Bereich ( BGE 138 V 457 E. 3.1 S. 460). Für den Zeitpunkt, in welchem die Frage nach der Verwertbarkeit der (Rest-)Arbeitsfähigkeit bei vorgerücktem Alter beantwortet wird, ist auf das Feststehen der medizinischen Zumutbarkeit einer (Teil-) Erwerbstätigkeit abzustellen ( BGE 138 V 457 E. 3.3 S. 462; Urteil 9C_469/2016 vom 22. Dezember 2016 E. 3.2; vgl. dazu: MARCO WEISS, Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit aufgrund vorgerückten Alters - Rechtsprechungstendenzen, SZS 2018 S. 630). Diese Praxis kann hier für die Prüfung der Zumutbarkeit und Verhältnismässigkeit von Eingliederungsmassnahmen analog zur Anwendung kommen. Relevant ist dabei das Alter, in welchem das Eingliederungspotential der rentenbeziehenden Person medizinisch feststeht. Die Beweislast für die Unzumutbarkeit einer Eingliederungsmassnahme liegt bei der versicherten Person (Urteil 9C_842/2010 vom BGE 145 V 2 S. 17 26. Januar 2011 E. 2.2 mit Hinweis auf BBl 2005 4560 und AB 2006 N 343 ff.). 5.3.2 Gemäss MZR-Gutachten vom 27. August 2015 liegt mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit ein chronisches lumbales Schmerzsyndrom mit intermittierender radikulärer Reizung L5 und S1 links bei schweren degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule vor. In einer körperlich leichten bis mittelschweren, wechselbelastenden Beschäftigung wird eine 80%ige Arbeitsfähigkeit attestiert. Bei einer solch hohen, fachärztlich einlässlich begründeten Restarbeitsfähigkeit steht das Eingliederungspotential der Beschwerdeführerin aus gesundheitlicher Sicht fest. Es besteht durchaus Aussicht auf eine mittels Wiedereingliederungsmassnahmen wesentlich verbesserte bzw. wiederhergestellte Erwerbsfähigkeit. Mit Blick auf die aus gutachtlicher Sicht grossen Eingliederungsressourcen machen auch die Rentendauer und das Alter Wiedereingliederungsmassnahmen nicht unzumutbar. Das Alter - im relevanten Zeitpunkt der Gutachtenserstattung war die Versicherte 57-jährig - steht einer Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit namentlich deshalb nicht entgegen, weil vor dem Rentenbezug ein Einsatz in ganz unterschiedlichen Hilfstätigkeiten ohne Schwierigkeiten möglich war, so zuerst als Zimmermädchen in einem Hotel, danach als Reinigungskraft in einem Spital und schliesslich langjährig zunächst in der Produktion und anschliessend in der Kontrolle von Artikeln für die Automobilindustrie, was auf eine gewisse Flexibilität der Beschwerdeführerin in Bezug auf künftige Einsatzbereiche hindeutet. Von einer Unverhältnismässigkeit kann ebenfalls nicht ausgegangen werden, nachdem keinerlei weitere Anhaltspunkte gegen die Eingliederungswirksamkeit von geeigneten Massnahmen sprechen und solche im Übrigen auch nicht geltend gemacht werden (vgl. zur Beweislast E. 5.3.1 hiervor i.f.). Unter diesen Umständen lässt sich weder die Durchführung des Mahn- und Bedenkzeitverfahrens gestützt auf Art. 7b Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 21 Abs. 4 ATSG nach Abbruch bzw. Nichtwiederaufnahme der Wiedereingliederungsmassnahmen noch die Einstellung der Rente nach Ausbleiben einer fristgemässen Reaktion der Versicherten beanstanden. Die Vorinstanz hat damit die Renteneinstellung zu Recht bestätigt. 5.3.3 Streitgegenstand bildet lediglich die Renteneinstellung nach erfolglos durchgeführtem Mahn- und Bedenkzeitverfahren. Ob die Rente allenfalls wieder zur Ausrichtung gelangen kann, sobald die Versicherte sich künftig zur Teilnahme an Wiedereingliederungsmassnahmen verpflichtet, muss hier nicht beantwortet werden.
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Sachverhalt ab Seite 342 BGE 134 III 341 S. 342 A. A.a X. (vormals Y.) ist seit 1976 Eigentümerin des Grundstücks Kat.-Nr. x, GBBl. y, mit dem Haus B. in Zürich. Zu Lasten dieser Liegenschaft und zu Gunsten der Stadt Zürich ist seit dem 24. November 1909 folgende als "Quartierservitut" bezeichnete Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen: "Es dürfen keine Fabriken angelegt und keine geräuschvollen, die Luft verunreinigenden, unsittlichen oder feuersgefährlichen Gewerbe betrieben werden. Ebenso ist die Anlage von Werkplätzen für Steinhauer, Zimmerleute etc. und die Ausübung von Droschken- und Fuhrhaltereigeschäften nicht gestattet." A.b Durch eine Mieterin wird seit dem 8. September 1995 im ersten und seit etwa Mitte 1999 auch im zweiten Obergeschoss des Hauses B. unter dem Namen "D." ein Sexsalon betrieben. Das von der Salon-Inhaberin erst nachträglich eingereichte Gesuch um Erteilung der baurechtlichen Bewilligung der Nutzungsänderung wurde von der Bausektion der Stadt Zürich am 19. Juli 2000 abgewiesen. Die anschliessenden verwaltungsrechtlichen Rechtsmittelverfahren führten am 5. Mai 2003 zu einem Urteil der I. Öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts (1P.771/2001 und 1P.773/2001), worin die von Y. (X.) und der Mieterin erhobenen staatsrechtlichen Beschwerden teilweise gutgeheissen wurden. Mit Entscheid vom 18. Februar 2004 stellte die Bausektion der Stadt Zürich in der Folge fest, dass das Bordell im ersten Obergeschoss zulässig und nur im zweiten Obergeschoss aufzuheben sei. B. Mit Eingabe vom 12. August 2004 reichte die Stadt Zürich beim Bezirksgericht Zürich gegen X. Klage ein und beantragte, der Beklagten unter Androhung von Ordnungsbusse oder Bestrafung wegen Ungehorsams gemäss Art. 292 StGB zu verbieten, in der Liegenschaft B. sexgewerbliche Dienstleistungen anzubieten oder zu dulden. Die Beklagte schloss auf Abweisung der Klage und erhob Widerklage mit dem Rechtsbegehren, es sei festzustellen, dass die zu Gunsten der Klägerin und zu Lasten ihres Grundstücks im Grundbuch eingetragene Personaldienstbarkeit "Quartierbestimmungen betr. BGE 134 III 341 S. 343 Gewerbebeschränkungen z.G. Stadt Zürich" für die Klägerin alles Interesse verloren habe, und das zuständige Grundbuchamt sei anzuweisen, den entsprechenden Eintrag zu löschen; allenfalls sei festzustellen, dass das Verbot, ein unsittliches Gewerbe zu betreiben, ungerechtfertigt sei, und das Grundbuchamt anzuweisen, die eingetragene Dienstbarkeit entsprechend abzuändern. Das Bezirksgericht hiess die Klage am 18. Januar 2006 gut und wies die Widerklage ab. In Abweisung einer Berufung der Beklagten bestätigte das Obergericht (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich diesen Entscheid mit Urteil vom 22. Dezember 2006. C. Mit Eingabe vom 15. Februar 2007 hat die Beklagte eidgenössische Berufung erhoben und beantragt, die Klage abzuweisen und die Widerklage gutzuheissen. Das Bundesgericht weist die Berufung ab, soweit es darauf eintritt.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die Beklagte beanstandet sowohl die Gutheissung der Klage als auch die Abweisung der Widerklage. Aus verschiedenen Gründen zieht sie die Rechtsbeständigkeit der in Frage stehenden Dienstbarkeit in Zweifel, so dass die Berufung vorab hinsichtlich der auf deren Löschung bzw. Abänderung gerichteten Widerklage zu prüfen ist. 2.1 Mit dem Hinweis, Gemeindeservituten seien heute widerrechtlich im Sinne von Art. 20 OR , hält die Beklagte die strittige Dienstbarkeit für nichtig. Ihre Auffassung begründet sie im Wesentlichen damit, die Quartierservitut habe dazu gedient, Anlagen und Gewerbe, von denen übermässige Einwirkungen ausgingen, zu untersagen. Es sei der Klägerin bei deren Errichtung mithin einerseits um Immissionsschutz gegangen, doch habe sie andererseits auch nutzungsplanerische Interessen verfolgt. Vor dem Erlass des kantonalen Gesetzes über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht (Planungs- und Baugesetz vom 7. September 1975 [PBG/ZH; LS 700.1]) und der entsprechenden kommunalen Ausführungsgesetzgebung seien auf diese Weise eine Vielfalt von Gemeindeservituten errichtet worden. Heute fänden sich öffentlichrechtliche Vorschriften, die wie die strittige Quartierservitut positiv auf eine geordnete Bodennutzung hinlenken wollten, in diesen Erlassen. So halte Art. 24c Abs. 3 der Bauordnung der Stadt Zürich (BZO) beispielsweise fest, dass in BGE 134 III 341 S. 344 Quartiererhaltungszonen mit einem Wohnanteil von mindestens 50 % sexgewerbliche Salons oder vergleichbare Einrichtungen nicht mehr zulässig seien. Derartige Bestimmungen gehörten zu den Vorschriften über die Grundstücknutzungen und seien mitsamt den kommunalen Ausführungsbestimmungen zwingendes, nicht abänderbares Recht. Spätestens seit den 1960er-Jahren seien Fragen der strittigen Art abschliessend im öffentlichen Recht geregelt und einer privatrechtlichen Regelung nicht mehr zugänglich. Klar verankert sei dieser Grundsatz in § 218 Abs. 2 PBG /ZH, wonach Bauvorschriften im Sinne dieses Gesetzes einer für die Baubehörden verbindlichen privatrechtlichen Regelung nur zugänglich seien, wo es ausdrücklich vorgesehen sei. 2.2 Im Gegensatz zu anderen Fällen mit ähnlichen Nutzungsfragen (vgl. etwa 5C.81/1999 vom 1. Juli 1999, publ. in: Pra 88/1999 Nr. 189 und ZBGR 82/2001 S. 56 ff.) geht es hier nicht um einen Rechtsstreit unter Privaten. Als Gemeinwesen verfolgt die Klägerin mit der auf der privatrechtlichen Dienstbarkeit beruhenden Klage auch nicht private Zwecke. Sie tritt nicht privatrechtlich, als Eigentümerin eines Nachbargrundstücks auf. Vielmehr geht es ihr um öffentliche Interessen. Servituten, die im Dienste des öffentlichen Bau- und Planungsrechts stehen, sind seit jeher als zulässig betrachtet worden (vgl. BGE 78 II 21 E. 4 S. 26 f. bezüglich einer zu Gunsten des Kantons Zürich errichteten Dienstbarkeit auf Unterlassung des Betreibens einer Gastwirtschaft; PETER LIVER, Zürcher Kommentar, Die Grunddienstbarkeiten, Einleitung N. 100 ff. und N. 114 zu Art. 730 ZGB ). Von Bedeutung waren solche Dienstbarkeiten beispielsweise auch immer wieder im Rahmen von Enteignungen (vgl. Art. 5 und 91 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Enteignung [EntG; SR 711]; BGE 116 Ib 241 E. 3a S. 245; BGE 99 Ia 364 E. 4b S. 368 f.; LIVER, a.a.O., N. 102 a.E. zu Art. 730 ZGB ; HANS MICHAEL RIEMER, Die beschränkten dinglichen Rechte, 2. Aufl., Bern 2000, § 11 N. 10). Aufgrund der Entwicklung des öffentlichen Bau- und Planungsrechts in neuerer Zeit mögen privatrechtliche Dienstbarkeiten als Instrumente auf diesem Gebiet an Bedeutung verloren haben. Für den vorliegenden Fall ist jedoch immerhin auf den in § 218 Abs. 2 PBG /ZH nach wie vor ausdrücklich festgehaltenen Vorbehalt zu Gunsten privatrechtlicher Regelungen wie auch auf die Anwendungsfälle etwa bei Quartierplänen ( § § 139 und 140 PBG /ZH) sowie bei Grenzbereinigungen ( § 180 PBG /ZH) hinzuweisen. Es kann unter diesen BGE 134 III 341 S. 345 Umständen nicht gesagt werden, ältere Dienstbarkeiten der in Frage stehenden Art seien widerrechtlich bzw. seien ohne weiteres unzulässig geworden. Die Einführungs- und Schlussbestimmungen des kantonalen Planungs- und Baugesetzes sehen namentlich nicht etwa eine Pflicht des berechtigten Gemeinwesens zur Ablösung solcher Dienstbarkeiten vor (vgl. die § § 342 ff. PBG /ZH). Das Bundesgericht hat zudem schon wiederholt geäussert, dass beispielsweise ein Gestaltungsplan oder öffentlichrechtliche Bauvorschriften nicht von sich aus bestehende Dienstbarkeiten ausser Kraft zu setzen vermöchten (vgl. BGE 91 II 339 E. 4a S. 342; 107 II 331 E. 5a S. 341; Urteil 5C.213/2002 vom 7. Februar 2003, E. 3.2, publ. in: ZBGR 85/2004 S. 95 f.). Dass den angeführten Entscheiden Dienstbarkeiten unter Privaten zugrunde gelegen hatten, ist aus der hier massgebenden Sicht ohne Belang. Von einer Nichtigkeit der strittigen Dienstbarkeit aus den von der Beklagten angeführten Gründen kann nach dem Gesagten keine Rede sein. 3. Die Beklagte bringt sodann vor, die Klägerin habe im Sinne von Art. 736 Abs. 1 ZGB seit Jahrzehnten alles Interesse an der uralten Gemeindeservitut verloren, so dass ihr ein Anspruch auf deren Löschung zustehe. 3.1 Den geltend gemachten Interessenverlust glaubt sie vorab mit dem Inkrafttreten des modernen öffentlichen Bau-, Raumplanungs- und Umweltrechts begründen zu können, das einer Anrufung der Servitut keinen Raum mehr lasse. Wie das Obergericht hervorhebt und die Beklagte übrigens selbst nicht verschweigt, sind nach dem geltenden öffentlichen (städtischen) Baurecht (Art. 24c Abs. 3 BZO) in Gebieten, wo ein Wohnanteil von mindestens 50 % vorgeschrieben ist, sexgewerbliche Salons oder vergleichbare Einrichtungen nicht zulässig. Nach den von der Beklagten nicht beanstandeten Feststellungen der Vorinstanz liegt ihr Grundstück in der Quartiererhaltungszone QII mit einem Wohnanteil von 50 %. Dem Inhalt und dem Umfang der Dienstbarkeit nach ist das klägerische Interesse an deren Ausübung unter den angeführten Umständen keineswegs untergegangen: Was öffentlichrechtlich verboten ist, kann aus der Sicht des Privatrechts nicht inhaltlich überholt sein bzw. unzeitgemäss geworden sein (vgl. BGE 130 III 554 E. 2 S. 556). Soweit die Beklagte (in formeller Hinsicht) geltend macht, die privatrechtliche Dienstbarkeit sei überflüssig, weil das öffentliche Baurecht eine entsprechende Bestimmung enthalte, verdient ihr Standpunkt keinen Rechtsschutz ( Art. 2 Abs. 2 ZGB ): Es geht nicht an, BGE 134 III 341 S. 346 unter Hinweis auf das öffentlichrechtliche Verbot, das heute für den Betrieb eines Etablissements der in Frage stehenden Art gilt, die rückwirkende Aufhebung des seit 1909 ununterbrochen bestehenden privatrechtlichen Verbots gleichen Inhalts zu verlangen, um die (Rechts-)Lücke ausnützen zu können, wie sie sich nach den Feststellungen im bundesgerichtlichen Urteil vom 5. Mai 2003 ergab, als der Salon im ersten Obergeschoss der beklagtischen Liegenschaft eingerichtet wurde. Unbehelflich ist das Vorbringen der Beklagten, die verwaltungsrechtlichen Instanzen hätten rechtskräftig festgestellt, dass die Nutzung des ersten Obergeschosses als Erotiksalon Bestandesgarantie geniesse: Da gemäss Art. 24c Abs. 3 BZO im Quartier, wo das beklagtische Grundstück liegt, sexgewerbliche Salons nicht zulässig sind, steht die Dienstbarkeit nicht im Widerspruch zum öffentlichen Recht. Dass die genannte Regelung erst nach dem Einrichten des Sexsalons in der beklagtischen Liegenschaft in Kraft trat und jener deshalb nicht darunterfiel, kann nicht zur Folge haben, dass - aufgrund einer Bestandesgarantie - das Betreiben des strittigen Etablissements schlechthin zulässig wäre und der Zivilrichter von einer entsprechenden Tatsache auszugehen hätte. Die Nichtanwendung der einschlägigen öffentlichrechtlichen Nutzungsbeschränkungen auf den umstrittenen Betrieb bedeutet nicht, dass damit auch privatrechtliche Nutzungsbeschränkungen ausser Kraft gesetzt worden wären. Vielmehr ist der Rechtszustand massgebend, wie er ohne die Nutzungsbeschränkung durch die städtische Bauordnung bestand und weiterhin besteht, wozu auch das strittige Gemeindeservitut und das darin sinngemäss enthaltene Verbot des Betriebs sexgewerblicher Einrichtungen gehören. Aus dieser Sicht hat die Klägerin an der Dienstbarkeit nach wie vor ein Interesse. 3.2 Die Beklagte ist ferner der Ansicht, die Klägerin habe das Interesse an der Ausübung der Dienstbarkeit ebenfalls deshalb verloren, weil dem von der Vorinstanz festgehaltenen Sinn und Zweck, den "C.-Platz" als gehobenes Wohnquartier zu schützen, insofern keine Bedeutung mehr zukomme, als der durch den Strassenverkehr in der fraglichen Zone verursachte Lärm heute sehr gross sei und der "C.-Platz" sich zu einem hektischen Verkehrsknotenpunkt und zu einem lebhaften Gewerbezentrum entwickelt habe. Der Hinweis auf die eingetretene Änderung des Quartiercharakters ist unbehelflich. Er ändert nichts daran, dass nach den öffentlichrechtlichen Bestimmungen der Wohnanteil im fraglichen Gebiet eine sexgewerbliche Nutzung ausschliesst. Von einem Verlust des Interesses am zivilrechtlichen Verbot kann auch aus dieser Sicht keine Rede sein. BGE 134 III 341 S. 347 4. 4.1 Des Weiteren bringt die Beklagte vor, das Verbot ein "unsittliches" Gewerbe zu betreiben, sei als Inhalt einer Dienstbarkeit nicht zulässig. Einer Dienstbarkeit mit einem derart vagen Moralbegriff hätte wegen mangelnder Bestimmtheit von Anfang an die Eintragung in das Grundbuch verweigert werden müssen. Das im Grundbuch eingetragene Recht und die eingetragene Last müssten ihrem Inhalt nach für Dritte klar erkennbar sein, was hier nicht zutreffe. 4.2 Soweit die von der Beklagten angesprochene Frage sich überhaupt nach Bundesrecht beurteilt und damit hier zu prüfen ist (dazu nicht publ. E. 6.2), ist darauf hinzuweisen, dass beispielsweise das Bezirksgericht Zürich eine gleichlautende Formulierung als hinreichend bestimmt betrachtet hat (Urteil vom 17. Januar 1936, publ. in: ZBGR 17/1936 S. 265 ff. und SJZ 33/1936-37 Nr. 23 S. 123 f.; offenbar zustimmend LIVER, a.a.O., N. 97 und 193 zu Art. 730 ZGB ; a.M. HEINZ REY, Berner Kommentar, N. 91 zu Art. 730 ZGB ). Auch wenn heutzutage wohl eine andere Umschreibung gewählt würde, ist der in jenem Entscheid vertretenen Auffassung beizupflichten. Es besteht in der Tat ein genügender Bestimmtheitsgrad. Ein gewisser Auslegungsspielraum liegt in der Natur von Dienstbarkeiten der in Frage stehenden Art. So kann angesichts der Vielfalt heutiger Bewirtungsformen etwa auch der Begriff "Gastwirtschaftsbetrieb" (vgl. BGE 87 I 311 ff.) oder der Begriff "lärmendes, gesundheitswidriges oder ekelerregendes Gewerbe" (vgl. BGE 88 II 145 ff.) auslegungsbedürftig sein. Der in der beklagtischen Liegenschaft eingerichtete Betrieb lässt sich auf jeden Fall nach wie vor unter den in der strittigen Dienstbarkeit gewählten Begriff "unsittliches Gewerbe" subsumieren.
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Sachverhalt ab Seite 183 BGE 127 V 183 S. 183 A.- Die dreizehn im Rubrum als Beschwerdegegner aufgeführten Personen waren Arbeitnehmer der M. AG und erhielten mehrheitlich für die Monate Oktober bis Dezember 1997, teilweise bereits für weiter zurückliegende Monate, keinen Lohn für geleistete Arbeit. Am 1. Dezember 1997 schloss die M. AG mit der T. AG in Gründung per 1. Februar 1998 einen Kauf- und Übernahmevertrag ab. Die Gründung der T. AG erfolgte am 9. Dezember 1997. Am 12. Dezember 1997 änderte die M. AG ihre Firma in F. AG. Ein Grossteil der BGE 127 V 183 S. 184 rubrizierten Arbeitnehmer kündigte am 16. Dezember 1997 das Arbeitsverhältnis mit der M. AG bzw. der F. AG wegen Lohngefährdung fristlos, anderen hatte die Arbeitgeberin bereits im November 1997 auf Ende Dezember 1997 gekündigt, einzelne wurden in der T. AG angestellt. Mit Verfügungen vom 18. Februar 1998 lehnte die Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland die Gesuche der im Rubrum aufgeführten Arbeitnehmer um Insolvenzentschädigung ab. Zur Begründung gab sie an, die Ausrichtung von Insolvenzentschädigung bei der Übernahme einer Firma würde zu einer zweckwidrigen Liquidations- bzw. Sanierungshilfe führen. B.-
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Die dreizehn Betroffenen liessen Beschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, die Verfügungen vom 18. Februar 1998 seien aufzuheben und es seien ihnen Insolvenzentschädigungen samt Zins zu 5% seit 23. Dezember 1997 auszurichten. Nachdem die Arbeitslosenkasse auf ein Wiedererwägungsgesuch nicht eingetreten war, hiess das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft die Beschwerden im Sinne der Erwägungen gut und wies die Sache zur Prüfung der individuellen Anspruchsvoraussetzungen sowie zur Berechnung der Insolvenzentschädigungen an die Arbeitslosenkasse zurück (Entscheid vom 28. April 1999). C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Arbeitslosenkasse die Aufhebung des kantonalen Entscheides. Die dreizehn Arbeitnehmer lassen die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) schliesst auf Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. D.- Die dreizehn als Beschwerdegegner rubrizierten Personen haben mit Eingabe vom 11. Februar 2000 mitteilen lassen, dass über die T. AG am 11. Januar 2000 der Konkurs eröffnet und das Konkursverfahren am 27. Januar 2000 mangels Aktiven eingestellt worden sei. Die bereits seit Einreichung der Beschwerden beim Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft sistierten Lohnprozesse seien vom Bezirksgericht X daraufhin gemäss Art. 207 SchKG sistiert worden (Verfügungen vom 27. Januar 2000). Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdegegner nach Massgabe von Art. 51 Abs. 1 lit. a AVIG Anspruch auf Insolvenzentschädigung haben. Unter den Parteien besteht Uneinigkeit BGE 127 V 183 S. 185 darüber, ob ein Betriebsübergang im Sinne von Art. 333 OR vorliegt und, bejahendenfalls, ob die damit verbundene solidarische Haftung der Erwerberin für die Lohnforderungen aus den Arbeitsverhältnissen zwischen der Veräusserin und den Arbeitnehmern den Anspruch auf Insolvenzentschädigung ausschliesst. Umstritten sind somit die Auswirkungen des Art. 333 OR auf die insolvenzentschädigungsrechtliche Ordnung. 3. a) Gemäss Art. 51 Abs. 1 lit. a AVIG haben beitragspflichtige Arbeitnehmer von Arbeitgebern, die in der Schweiz der Zwangsvollstreckung unterliegen oder in der Schweiz Arbeitnehmer beschäftigen, Anspruch auf Insolvenzentschädigung, wenn gegen ihren Arbeitgeber der Konkurs eröffnet wird und ihnen in diesem Zeitpunkt Lohnforderungen zustehen. Die Insolvenzentschädigung deckt nach Art. 52 Abs. 1 AVIG (in der vom 1. Januar 1996 bis 31. August 1999 geltenden, vorliegend anwendbaren Fassung) Lohnforderungen für die letzten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses, für jeden Monat jedoch nur bis zum Höchstbetrag nach Artikel 3 Absatz 1; als Lohn gelten auch die geschuldeten Zulagen. b) Der gesetzliche Zweck der Insolvenzentschädigung besteht im Schutz der Lohnguthaben der Arbeitnehmer und in der Sicherstellung des Lebensunterhaltes der Arbeitnehmer im Konkursfall des Arbeitgebers (BBl 1980 III 534f. und 606; BGE 114 V 58 Erw. 3c). Diesem Zweck entsprechend können nur effektive Lohnansprüche, welche von der versicherten Person zumindest glaubhaft zu machen sind ( Art. 74 AVIV ), Gegenstand des Anspruchs auf Insolvenzentschädigung bilden (ARV 1998 Nr. 12 S. 62 Erw. 3a). c) Mit der Ausrichtung der Entschädigung gehen laut Art. 54 Abs. 1 AVIG die Lohnansprüche des Versicherten im Ausmass der bezahlten Entschädigung und der von der Kasse entrichteten Sozialversicherungsbeiträge samt dem gesetzlichen Konkursprivileg auf die Kasse über. Diese darf auf die Geltendmachung nicht verzichten, es sei denn, das Konkursverfahren werde durch das Konkursgericht eingestellt ( Art. 230 SchKG ). Nach der angeführten Gesetzesbestimmung tritt die Arbeitslosenkasse im Umfang der von ihr entrichteten Insolvenzentschädigung voll in die Rechte der Arbeitnehmer gegenüber den Arbeitgebern ein; die Rechtsstellung der Kasse entspricht derjenigen der Arbeitnehmer, deren Lohnforderungen sie anstelle der Arbeitgeber mit gesetzlichem Rückgriffsrecht auf diese bzw. auf die Konkursmasse befriedigt ( BGE 112 V 63 Erw. 2c). Die Arbeitnehmer müssen allerdings - gemäss der BGE 127 V 183 S. 186 allgemeinen Schadenminderungspflicht - im Konkurs- oder Pfändungsverfahren alles unternehmen, um ihre Ansprüche gegenüber den Arbeitgebern zu wahren ( Art. 55 Abs. 1 Satz 1 AVIG ; BGE 114 V 59 Erw. 3d; ARV 1999 Nr. 24 S. 142 f. Erw. 1c). 4. a) Nach Art. 333 Abs. 1 OR geht das Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten mit dem Tage der Betriebsnachfolge auf den Erwerber über, wenn der Arbeitgeber den Betrieb oder einen Betriebsteil auf einen Dritten überträgt und der Arbeitnehmer den Übergang nicht ablehnt. Der bisherige Arbeitgeber und der Erwerber des Betriebes haften solidarisch für die Forderungen des Arbeitnehmers, die vor dem Übergang fällig geworden sind und die nachher bis zum Zeitpunkt fällig werden, auf den das Arbeitsverhältnis ordentlicherweise beendigt werden könnte oder bei Ablehnung des Übergangs durch den Arbeitnehmer beendet wird ( Art. 333 Abs. 3 OR ). b) Der Zweck von Art. 333 Abs. 1 OR in der Fassung vom 25. Juni 1971 bestand ursprünglich nur darin, den Übergang von Unternehmen zu erleichtern und dem Erwerber des Betriebes die eingearbeiteten Arbeitskräfte nach Möglichkeit zu sichern; im Übrigen konnte der Erwerber einen Arbeitsvertrag aus beliebigem Grund kündigen ( BGE 114 II 352 Erw. 3). Mit der Revision vom 17. Dezember 1993, in Kraft seit 1. Mai 1994, wurde die Bestimmung jedoch der Richtlinie 1977/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (ABl. L 61, vom 5. März 1977, S. 26 ff.; modifiziert durch die Richtlinie 1998/50/EG des Rates vom 29. Juni 1998 [ABl. L 201, vom 17. Juli 1998, S. 88]) angepasst, mit der die umfassende Wahrung der Interessen der betroffenen Arbeitnehmer beim Betriebsübergang angestrebt wird ( BGE 123 III 468 ; nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 25. März 1999, 4C.37/1999; BEAT DENZLER, Zur Tragweite von Art. 333 OR , in: recht 1998 S. 66 ff.; ADRIAN STAEHELIN, Zürcher Kommentar, Der Arbeitsvertrag: Art. 319-362 OR , 3. Aufl., Zürich 1996, N 1 zu Art. 333 OR ; MANFRED REHBINDER, Berner Kommentar, Kommentar zu den Art. 331-335 OR , Bern 1992, N 2 zu Art. 333 OR ; MICHAEL E. WINKLER, Unternehmensumwandlungen und ihre Auswirkungen auf Arbeitsverträge, Diss. Zürich 2000, S. 29 f.; WOLFGANG PORTMANN, Individualarbeitsrecht, Zürich 2000, S. 182 Rz 839; BRUNNER/BÜHLER/WAEBER, Kommentar zum Arbeitsvertragsrecht, Deutsche Fassung der 2. Aufl., Basel/Frankfurt a.M. BGE 127 V 183 S. 187 1997, N 3 zu Art. 333 OR ; JÜRG BRÜHWILER, Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, 2. Aufl., Bern 1996, N 1 zu Art. 333 OR ; vgl. auch GABRIEL AUBERT, Die neue Regelung über Massenentlassungen und den Übergang von Betrieben, in: AJP 1994 S. 703 f.). Die Auslegung des Betriebsübergangsbegriffs im Sinne von Art. 333 OR orientiert sich an der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (nicht veröffentlichte Urteile des Bundesgerichts vom 25. März 1999, 4C.37/1999, und vom 6. August 1996, 4P.66/1996; WINKLER, a.a.O., S. 21 f.; ROLAND A. MÜLLER, Die neuen Bestimmungen über den Betriebsübergang, in: AJP 1996 S. 150 ff.). c) Die erwähnten Interessen der Arbeitnehmer betreffen namentlich die Vertragsdauer, welche durch den arbeitsrechtlichen Übergang nicht unterbrochen wird. Nicht beeinträchtigt werden zudem dienstaltersabhängige Ansprüche wie Kündigungsschutz, Lohnfortzahlung bei Verhinderung an der Arbeitsleistung, Gratifikation oder Abgangsentschädigung (PORTMANN, a.a.O., S. 182 Rz 839; WINKLER, a.a.O., S. 63). Zweck der solidarischen Haftung der alten und neuen Arbeitgeber für die aus den Arbeitsverhältnissen erwachsenen Forderungen der Arbeitnehmer, die vor der Übergabe fällig geworden sind und die nachher bis zum Zeitpunkt fällig werden, auf den die Arbeitsverhältnisse ordentlicherweise beendet werden könnten ( Art. 333 Abs. 3 OR ), ist der Schutz der Arbeitnehmer vor neuen Arbeitgebern, deren Bonität sie nicht kennen (BRÜHWILER, a.a.O., N 5 zu Art. 333 OR ). d) Im Gegensatz zur Lösung nach altem Recht ( BGE 114 II 352 Erw. 3) geht das Arbeitsverhältnis im Falle eines Betriebsübergangs automatisch auf die erwerbende Person über, selbst wenn dies gegen deren Willen geschehen sollte ( BGE 123 III 468 Erw. 3b). Die Übernahme der bisherigen Arbeitsverhältnisse ist seit der Revision von Art. 333 OR Rechtsfolge und nicht Tatbestandsmerkmal (zur damit verbundenen Erschwernis von Betriebssanierungen durch Gründung von Auffanggesellschaften: FRANCO LORANDI, Betriebsübernahmen gemäss Art. 333 OR im Zusammenhang mit Sanierungen und Zwangsvollstreckungsverfahren, in: Schuldbetreibung und Konkurs im Wandel, Festschrift 75 Jahre Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz, Basel 2000, S. 96 und 101; HANS HOFSTETTER, Zur Anwendbarkeit von Art. 333 OR bei Unternehmenssanierungen, in: AJP 1998 S. 927 und 929 f.; RICO A. CAMPONOVO, Übernahme von Arbeitsverhältnissen gemäss Art. 333 OR bei Unternehmenssanierungen, in: Der Schweizer Treuhänder, BGE 127 V 183 S. 188 1998 S. 1417 ff.; WINKLER, a.a.O., S. 103 ff. mit Hinweisen einerseits auf die in der Literatur vorgeschlagenen Lösungsansätze zur einschränkenden Anwendung von Art. 333 OR und anderseits auf die Auswirkungen der neuen Betriebsübergangsrichtlinie 1998/50/EG vom 29. Juni 1998 für die Auslegung von Art. 333 OR ; ferner Entscheid der Kantonalen Schiedskommission für Arbeitslosenversicherung Basel-Stadt vom 22. April 1999, publiziert in: BJM 2000 S. 31 ff. und BlSchK 1999 S. 232 ff.). Die Frage, ob der Erwerber oder die Erwerberin die Arbeitsverhältnisse tatsächlich übernimmt oder nicht, ist also nur insoweit von Bedeutung, als sich daraus Rückschlüsse auf die Entwicklung der betrieblichen Organisation ziehen lassen (nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 4. September 1998, 4C.221/1998). Eine Betriebsübertragung im Sinne von Art. 333 OR setzt im Übrigen laut diesem Urteil keine rechtliche Beziehung zwischen altem und neuem Arbeitgeber voraus; es genügt, wenn der Betrieb tatsächlich weitergeführt oder wieder aufgenommen wird. Für die Anwendung von Art. 333 OR ist das Vorliegen einer zivilrechtlichen Übertragung folglich unerheblich (WINKLER, a.a.O., S. 35; zu den Konsequenzen des als Vorentwurf des EJPD und des EFD vom Dezember 1997 vorliegenden Bundesgesetzes über die Fusion, Spaltung und Umwandlung von Rechtsträgern vgl. WINKLER, a.a.O., S. 38 f.; ferner GASSER/EGGENBERGER, Vorentwurf zu einem Fusionsgesetz - Grundzüge und ausgewählte Einzelfragen, in: AJP 1998 S. 457 ff., insbesondere S. 470 f.). 5. a) Das kantonale Gericht hat die Frage offen gelassen, ob im vorliegenden Fall ein Betriebsübergang im Sinne von Art. 333 Abs. 1 OR gegeben sei. Die Regelung nach Art. 333 OR und das Institut der Insolvenzentschädigung würden nebeneinander stehen, weshalb Arbeitnehmer, unabhängig davon, ob eine Betriebsübernahme stattgefunden habe, Anspruch auf Insolvenzentschädigung hätten, sofern die Voraussetzungen gemäss Art. 51 ff. AVIG gegeben seien. Mache der Arbeitnehmer Lohnforderungen gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber geltend und würden diese wegen Insolvenz nicht erfüllt, so bestehe Anspruch auf Insolvenzentschädigung. Die mit Art. 333 OR privatrechtlich eingeräumte Wahlfreiheit werde durch die öffentlich-rechtliche Regelung der Art. 51 ff. AVIG nicht eingeschränkt. Eine solche Einschränkung müsste im AVIG ausdrücklich geregelt sein, was nicht der Fall sei. Bei Zweifeln über Ansprüche aus Arbeitsvertrag sei die Arbeitslosenversicherung in analoger Anwendung von Art. 29 AVIG BGE 127 V 183 S. 189 vorleistungspflichtig. Gegen mögliche Missbräuche stünden ihr gegenüber der konkursiten Gesellschaft die paulianischen Anfechtungsklagen der Art. 285 ff. SchKG zur Verfügung. b) Die Arbeitslosenkasse ist der Ansicht, es lasse sich ohne Klärung der Bedeutung eines vor Eröffnung des Konkurses über den vorherigen Arbeitgeber erfolgten Betriebsüberganges für den Anspruch auf Insolvenzentschädigung nicht entscheiden, ob es der Schutzzweck der Insolvenzentschädigung und die Ordnung gemäss Art. 333 OR zuliessen, unter dem Begriff des Arbeitgebers gemäss Art. 51 Abs. 1 AVIG ungeachtet eines Betriebsüberganges auch den ehemaligen Arbeitgeber zu erfassen. Das kantonale Gericht verkenne die Absichten des Gesetzgebers, die einer sachgerechten Auslegung von Art. 333 OR zu Grunde zu legen seien. c) Im Ergebnis - so seco und Arbeitslosenkasse - führe die Auffassung der Vorinstanz dazu, dass Art. 333 OR weitgehend seines Anwendungsbereiches beraubt und die im Wirtschaftsleben bereits vielfach praktizierte Methode gewahrt bleibe, sich durch entsprechende Rechtsgestaltungen der Lohnzahlungspflicht zu entledigen und Lohnkosten wirksam der Sozialversicherung zu überbinden ("Sozialisierung" von Lohnkosten). Der Wortlaut des Art. 51 Abs. 1 lit. a AVIG schliesse aus, den Veräusserer eines Betriebs, über den nach erfolgtem Betriebsübergang der Konkurs eröffnet wird, weiterhin als Arbeitgeber im Sinne jener Bestimmung zu betrachten, weil er nicht mehr als Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis weiterhafte, sondern lediglich auf Grund der gesetzlichen Solidarität als Solidarschuldner. d) Das seco führt an, die Insolvenzentschädigung gewährleiste keine voraussetzungslose Rückversicherung für die Lohnforderungen der Arbeitnehmer gegenüber jedem beliebigen Schuldner. Insofern der Arbeitnehmer von einer Durchsetzung seiner Lohnforderung gegenüber dem Arbeitgeber auf dem Weg der Zwangsvollstreckung absehe, erweise sich die Insolvenzentschädigung als subsidiär. In Fällen, in welchen zum Zweck einer Sanierung eine Betriebsübernahme erfolge und über den vormaligen Arbeitgeber der Konkurs herbeigeführt werde, könne das Ziel der Vermeidung einer missbräuchlichen Abwälzung von Lohnkosten auf die Gemeinschaft der Versicherten nur über eine sach- und zweckgerechte Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen erreicht werden. Die Tatsache, dass dem Arbeitnehmer bei einem Betriebsübergang in der Person des Erwerbers ein neuer, solventer Schuldner und Arbeitgeber gegenüberstehe, schliesse den BGE 127 V 183 S. 190 Anspruch auf Insolvenzentschädigung aus (so auch LORANDI, a.a.O., S. 117, der meint, solange der Arbeitnehmer von einer zwangsvollstreckungsrechtlichen Durchsetzung seiner Lohnforderung gegenüber dem Betriebsübernehmer absehe, erweise sich die Insolvenzentschädigung als subsidiär). Durch den automatischen Übergang des Arbeitsverhältnisses erhielten die Arbeitnehmer für alle ausstehenden Forderungen einen neuen Schuldner und würden dadurch vom Gläubigerrisiko, mit ihren ungedeckten Lohnforderungen infolge Insolvenz des ehemaligen Arbeitgebers auszufallen, befreit. Dieser Bestandesschutz des Arbeitsverhältnisses bilde das rechtstechnische Instrument, den Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des ehemaligen Arbeitgebers zu schützen. Eine Lohnforderung, die sich wegen Betriebsübergangs primär gegen den Erwerber richte, könne nicht mehr wegen Konkurses des vormaligen Arbeitgebers im Sinne von Art. 51 AVIG insolvenzbedingt ausfallen, weil der Arbeitgeber weggefallen sei. e) Die Beschwerdegegner machen im Wesentlichen geltend, das Gesetzmässigkeitsprinzip werde verletzt, wenn die Verwaltung als Folge der Änderung einer Privatrechtsbestimmung auf dem Weg einer restriktiveren - wirtschaftspolitisch motivierten - Auslegung des Art. 51 Abs. 1 AVIG Leistungseinschränkungen vornehme, welche das Gesetz nicht kenne. Soweit die Verwaltung der Meinung sei, infolge der Änderung von Art. 333 OR sei eine neue Rechtslage geschaffen worden, welche die Frage der Reform der Anspruchsvoraussetzungen gemäss Art. 51 AVIG aufdränge, so sei dafür der erforderliche Gesetzgebungsprozess einzuleiten. Art. 51 AVIG kenne kein Anspruchskriterium "Nichtvorhandensein eines Anspruchs gemäss Art. 333 OR ". Eine vorfrageweise Prüfung eines Anspruchs gemäss Art. 333 OR sei nicht notwendig. Die sozialversicherungsrechtliche Auswirkung von Art. 333 OR bestehe darin, dass der Arbeitslosenkasse nach der Subrogation gemäss Art. 54 AVIG neu zwei Schuldner zur Verfügung stünden. Geändert hätten sich nicht die arbeitslosenversicherungsrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen, sondern die privatrechtlichen Grundlagen für den Regress der Kasse. Schliesslich sei die Auslegung der Verwaltung, wonach mit dem Betriebsübergang der Arbeitgeber gemäss Art. 51 Abs. 1 AVIG weggefallen sein solle, gesetzwidrig und verletze die Rechtsgleichheit. 6. a) Arbeitnehmerschutzrechtliche Bestimmungen müssen gerade dann greifen, wenn die Gesetze des Marktes unternehmerische Entscheidungen verlangen (so BGE 116 Ib 276 Erw. 4b BGE 127 V 183 S. 191 bezüglich der Ausnahmen vom Nacht- und Sonntagsarbeitsverbot). Aus der Stärkung des Schutzes der Arbeitnehmer bei Betriebsübernahmen im Sinne einer umfassenden Wahrung der arbeitsvertraglichen Interessen folgt indessen nicht eine Entlastung der Arbeitslosenversicherung. Der Zweck des Instituts der Insolvenzentschädigung im Arbeitslosenversicherungsrecht lässt deshalb eine Auslegung gemäss der Konzeption der Verwaltung nicht zu. Lohnforderungen gegenüber den bisherigen Arbeitgebern, die sich wegen des Betriebsüberganges nun auch gegen die Erwerber richten, können nach wie vor im Sinne von Art. 51 AVIG geltend gemacht werden. Das Gesetz knüpft den Anspruch auf Insolvenzentschädigung nicht an die Bedingung der Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Auflösung der Arbeitsverhältnisse; es wird einzig verlangt, dass den Arbeitnehmern im Zeitpunkt der Konkurseröffnung Lohnforderungen zustehen (vgl. SZS 2001 S. 92). Der in Art. 333 Abs. 1 OR geregelte Übergang des Arbeitsverhältnisses und die Haftungsbestimmung von Art. 333 Abs. 3 OR ändern unter insolvenzrechtlichen Gesichtspunkten nichts an der Arbeitgebereigenschaft der Veräusserer. Entgegen der Auffassung der Arbeitslosenkasse haften somit vormalige Arbeitgeber, über welche nach der Übereignung des Betriebes der Konkurs eröffnet wird, gemäss Art. 333 Abs. 1 OR sowohl aus dem ehemaligen Arbeitsverhältnis als auch auf Grund der gesetzlichen Solidarität ( Art. 333 Abs. 3 OR ) für die ausstehenden Lohnforderungen. Den Arbeitnehmern könnte bei einem Betriebsübergang denn auch in der Regel gar nicht zugemutet werden, ausstehende Lohnforderungen aus dem früheren Arbeitsverhältnis vorweg gegenüber den neuen Arbeitgebern, die im Übrigen entgegen der Auffassung des seco nicht immer solvent sein müssen, zivilprozessual geltend zu machen und vollstreckungsrechtlich auch durchzusetzen. Die insolvenzrechtliche Auswirkung von Art. 333 OR besteht darin, dass die Arbeitslosenkasse, welche mit der in Art. 54 AVIG geregelten Subrogation in die Rechte der Arbeitnehmer eintritt, ihre zwingend auszuübende Regressforderung neu gegenüber zwei Schuldnern, dem bisherigen Arbeitgeber und dem Betriebserwerber geltend machen kann (so auch WINKLER, a.a.O., S. 99; anderer Meinung: THOMAS GEISER, Betriebsübernahmen und Massenentlassungen im Zusammenhang mit Zwangsvollstreckungsverfahren, in: HASENBÖHLER/SCHNYDER [Hrsg.], Zivilprozessrecht, Arbeitsrecht, Kolloquium zu Ehren von Professor Adrian Staehelin, Zürich 1997, BGE 127 V 183 S. 192 S. 113, welcher die Ansicht vertritt, im Falle der Veräusserung eines Betriebs im Konkurs hafte der Übernehmer nicht solidarisch für die Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis, die vor Konkurseröffnung entstanden seien - diese seien ausschliesslich aus der Konkursmasse zu befriedigen und es bestehe gegenüber der Arbeitslosenkasse ein Anspruch auf Insolvenzentschädigung). Das Sozialversicherungsgericht hat folglich im Rahmen der Beurteilung des Anspruchs auf Insolvenzentschädigung nicht zu prüfen (auch nicht vorfrageweise; vgl. dazu BGE 120 V 382 Erw. 3a mit Hinweisen), ob die Voraussetzungen des Art. 333 OR erfüllt sind. b) Der auf den 1. Mai 1994 revidierte Art. 333 OR führt deshalb nicht zu einem Koordinationsbedarf. Es ist weder eine neue, restriktivere Auslegung des unveränderten Art. 51 AVIG noch eine richterliche Lückenfüllung vorzunehmen. Eine Koordination ist nicht bereits deswegen notwendig, weil das Arbeitslosenversicherungsrecht in einer besonders engen Beziehung zum Arbeitsvertragsrecht steht (vgl. als Beispiel BGE 115 V 437 , welchem Urteil ein Meinungsaustausch mit der I. Zivilabteilung zu den arbeitsvertraglichen Grundsatzfragen vorausgegangen ist). c) Nichts anderes ergibt sich im Übrigen aus Art. 29 AVIG . Hat die Kasse begründete Zweifel daran, ob der Versicherte für die Zeit des Arbeitsausfalls gegenüber seinem bisherigen Arbeitgeber Lohn- oder Entschädigungsansprüche im Sinne von Art. 11 Abs. 3 AVIG hat oder ob sie erfüllt werden, so zahlt sie Arbeitslosenentschädigung aus ( Art. 29 Abs. 1 AVIG ). Mit der Zahlung gehen alle Ansprüche des Versicherten samt dem gesetzlichen Konkursprivileg im Umfang der ausgerichteten Arbeitslosenentschädigung auf die Kasse über ( Art. 29 Abs. 2 Satz 1 AVIG ). Art. 29 Abs. 1 AVIG regelt zwei unterschiedliche Tatbestände, nämlich einerseits den Fall, dass Zweifel darüber bestehen, ob die versicherte Person überhaupt Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin hat und anderseits den Fall, dass Zweifel über die Realisierbarkeit ausgewiesener Ansprüche bestehen (THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 366). Mit der Sonderbestimmung von Art. 29 Abs. 1 AVIG kommt das Gesetz den Versicherten bei Unsicherheit über das Bestehen von die Anrechenbarkeit des Arbeitsausfalles (als eine der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen) ausschliessenden Ansprüchen nach Art. 11 Abs. 3 AVIG entgegen, indem es dieses Anspruchsmerkmal im Sinne einer BGE 127 V 183 S. 193 unwiderlegbaren gesetzlichen Vermutung als gegeben annimmt ( BGE 126 V 373 Erw. 3a/bb). Die zu Art. 29 Abs. 2 Satz 1 AVIG von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Legalzession sind auf die Insolvenzentschädigung gemäss Art. 54 Abs. 1 AVIG ebenfalls anwendbar ( BGE 123 V 78 Erw. 2c). Art. 29 Abs. 1 und 2 AVIG bestätigen für den vorliegenden Fall somit sinngemäss, dass die Arbeitnehmer ihren Anspruch auf Insolvenzentschädigung unabhängig davon, ob ein Betriebsübergang stattgefunden hat, geltend machen können. d) Die Verwaltung berücksichtigt bei ihrer Argumentation ferner die Tatsache zu wenig, dass sich die meisten Arbeitnehmer auf Grund ihrer sozial schwachen Stellung dazu gezwungen sehen, ihre Arbeitskraft den Übernehmern ebenfalls zur Verfügung zu stellen. Gerade bei einem Sanierungsfall sind sie kaum in der Lage zu erkennen, wie es sich mit der Bonität der neuen Gesellschaft verhält. Gesellschaftsrechtliche Unternehmensumwandlungen können die Realisierbarkeit von Arbeitnehmerforderungen mit andern Worten gefährden. Der Anspruch auf Insolvenzentschädigung garantiert den Arbeitnehmerschutz effizienter als die Solidarhaftung gemäss Art. 333 Abs. 3 OR (vgl. zur Auslegung dieser Bestimmung: WINKLER, a.a.O., S. 94 ff.). Dabei ist allerdings einzuräumen, dass die Insolvenzentschädigung keine volle und voraussetzungslose Rückversicherung für Lohnforderungen der Arbeitnehmer garantiert. Machen Arbeitnehmer von dem in Art. 333 Abs. 1 OR verankerten Ablehnungsrecht (vgl. Art. 333 Abs. 2 OR ) Gebrauch, wäre es für sie tatsächlich und rechtlich schwierig, die ihnen gegen die ehemaligen Arbeitgeber zustehenden Lohnansprüche bei den Übernehmern geltend zu machen. Dieses Hindernis entfällt bei einem Anspruch auf Insolvenzentschädigung. Um im Rahmen von Unternehmenssanierungen der von der Arbeitslosenkasse befürchteten missbräuchlichen Abwälzung von Lohnkosten auf die Versichertengemeinschaft entgegenzutreten (zur rechtsmissbräuchlichen Gesetzesumgehung: BGE 123 V 238 Erw. 7b/bb mit Hinweisen), hat die Arbeitslosenversicherung allerdings ihrer Pflicht nachzukommen, ihre Forderungen auf dem Regressweg geltend zu machen ( Art. 54 Abs. 1 Satz 2 AVIG ; BGE 123 V 77 Erw. 2c). e) Nach dem Gesagten entspricht die Leistungspflicht der Arbeitslosenkasse für die umstrittene Insolvenzentschädigung und das Regressrecht der Verwaltung der geltenden Rechtslage. Wie die Beschwerdegegner zutreffend ausführen, ist es gegebenenfalls BGE 127 V 183 S. 194 Sache des Gesetzgebers, der von der Verwaltung dargelegten und gewünschten Konzeption zur Lösung des Problems der rückständigen Arbeitnehmerforderungen zum Durchbruch zu verhelfen (vgl. die Lösungsvorschläge de lege ferenda von LORANDI, a.a.O., S. 110 ff.). 7. Bei diesem Ausgang des Verfahrens braucht nicht geprüft zu werden, wie es sich mit den Kündigungen der Arbeitsverhältnisse verhält. Die Verwaltung vertritt die Auffassung, diese Kündigungen seien aus Anlass der Betriebsübernahme und im Interesse der Erwerberin, somit in Umgehung von Art. 333 OR erfolgt. Diesbezüglich ist immerhin darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung sowohl des Bundesgerichts als auch des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften eine ausschliesslich im Hinblick auf einen Betriebsübergang ausgesprochene Kündigung nicht gültig ist; offen gelassen hat das Bundesgericht allerdings die Konsequenzen einer Kündigung mit dem Zweck, den Rechtsfolgen des Art. 333 OR zu entgehen (nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichtes vom 7. Januar 1999, 4C.333/1998; zum Bestandesschutz übergehender Arbeitsverhältnisse vgl. WINKLER, a.a.O., S. 108 ff., der - ebenso wie die Botschaft I über die Anpassung des Bundesrechts an das EWR-Recht vom 27. Mai 1992 [BBl 1992 V 402] - zum Schluss kommt, auf Grund von Art. 333 OR bestehe kein erhöhter Kündigungsschutz). 8. Zusammenfassend ergibt sich, dass die Übernahmeregelung gemäss dem revidierten Art. 333 OR und das Institut der Insolvenzentschädigung sich nicht gegenseitig ausschliessen. Es kann keine Rede davon sein, dass zwingendes Arbeitsvertragsrecht im Hinblick auf sozialversicherungsrechtliche Leistungen zur Disposition gestellt wird. Entgegen der Auffassung der Arbeitslosenkasse und des seco gibt es de lege lata weder ein Konkurrenzproblem noch wird die arbeitslosenversicherungsrechtliche durch die arbeitsprivatrechtliche Leistungspflicht verdrängt. Es ist mit anderen Worten für das Bestehen eines Anspruchs auf Insolvenzentschädigung unerheblich, ob eine Übertragung des Arbeitsverhältnisses stattgefunden hat. Daraus folgt, dass Arbeitnehmer, unabhängig davon, ob ein Anwendungsfall von Art. 333 OR vorliegt, Insolvenzentschädigung beanspruchen können, sofern die Voraussetzungen gemäss Art. 51 AVIG in Bezug auf den bisherigen Arbeitgeber oder die bisherige Arbeitgeberin erfüllt sind. Dieser Anspruch ergibt sich auch aus der in der gesetzlichen Ordnung der Insolvenzentschädigung begründeten Vorleistungspflicht ( BGE 112 V 70 Erw. 4; ARV 1990 Nr. 8 BGE 127 V 183 S. 195 S. 53 Erw. 2). Die Arbeitslosenkasse anderseits kann ihr Regressrecht, das sie zwingend auszuüben hat ( BGE 123 V 77 Erw. 2b), gemäss Art. 54 AVIG gegenüber den bisherigen wie auch gegenüber den neuen Arbeitgebern geltend machen. 9. (Gerichtskosten und Parteientschädigung)
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Sachverhalt ab Seite 561 BGE 123 II 560 S. 561 Im Gebiet des Sonnenberges in der Gemeinde Kriens und der Stadt Luzern verläuft die Nationalstrasse A2 (N2) durch den Sonnenbergtunnel. Das südliche Tunnelportal, an welches sich ein 70 m langes Rasterbauwerk und eine ca. 100 m lange Brücke über eine Quartierstrasse und die Kantonsstrasse Luzern-Kriens anschliesst, befindet sich im Grenzbereich von Kriens und Luzern im Gebiet Grosshof; dort besteht auch ein Anschlussbauwerk. 1956 bzw. 1959 kauften Y. und X. je ein Grundstück an der Sonnenbergstrasse in Kriens. Die von den neuen Eigentümern überbauten Parzellen liegen in einer Horizontaldistanz von knapp 80 m bzw. 60 m vom heute bestehenden Tunnel-Südportal entfernt. Im Rahmen der Nationalstrassenplanung wurden Ende 1960 Projektierungszonen für die Nationalstrasse Dagmersellen-Luzern festgesetzt. Der Bundesrat genehmigte das generelle Nationalstrassenprojekt mit einem durchgehenden Sonnenbergtunnel Mitte 1962. Das Ausführungsprojekt wurde im Mai 1964 öffentlich aufgelegt; am 2. November 1964 entschied der Regierungsrat über die Einsprachen. Damals kündigte Y. Entschädigungsansprüche für den Fall an, dass sein Haus durch den zu erwartenden Verkehrslärm eine Wertverminderung erfahre. Das Ausführungsprojekt wurde am 17. Dezember 1965 vom Eidg. Departement des Innern (EDI) genehmigt. Der Landerwerb für den Nationalstrassenbau im interessierenden Bereich erfolgte freihändig. 1976 wurde der Sonnenbergtunnel in Betrieb genommen. Mit der Eröffnung des Gotthard- und des Seelisberg-Tunnels im September/November 1980 ist die A2 durchgehend befahrbar. Seit der Eröffnung des Sonnenbergtunnels verlangen die Nachbarn einen besseren Lärmschutz. Bereits 1975 und 1979 wurden Lärmberechnungen und -messungen durchgeführt. Ein 1983 öffentlich aufgelegtes Projekt mit Lärmschutzwänden und -dämmen wurde von Anwohnern bekämpft; sie forderten eine Überdachung. In einem im Januar 1985 erstatteten Gutachten kam ein Expertenbüro indes zum Schluss, dass die damals in der Praxis angewendeten Lärm-Grenzwerte eingehalten seien. Aufgrund der mit Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 7. Oktober 1983 über den Umweltschutz (Umweltschutzgesetz, USG; SR BGE 123 II 560 S. 562 814.01) am 1. Januar 1985 und der Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1986 (LSV; SR 814.41) am 1. April 1987 veränderten Rechtslage arbeitete der Kanton Luzern ein Sanierungsprojekt mit einer Überdachung der A2 im fraglichen Bereich aus. 1991 teilte das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) dem Kanton aber mit, das Projekt mit Kosten von rund 50 Mio. Franken sei unverhältnismässig. Am 5. August 1991 verlangten X. und Y. vom Kanton Luzern die Einleitung eines Enteignungsverfahrens und die Zusprechung einer "Minderwertentschädigung" für ihre Liegenschaften wegen der Lärmbelastung. An der Einigungsverhandlung vor dem Präsidenten der Eidg. Schätzungskommission 9. Kreis bezifferten X. und Y. ihre Entschädigungsforderungen mit je Fr. 200'000.-- bis Fr. 250'000.--. Es wurde Robert Hofmann, Vorsteher der Abteilung Akustik/Lärmbekämpfung der EMPA, als Experte beigezogen; die S. AG wurde mit der Vornahme von Lärm-Kurzzeitmessungen beauftragt. Der Regierungsrat seinerseits hielt an einer Sitzung im Juli 1992 fest, die Sanierung der A2 im Grosshof nur mit Lärmschutzwänden komme nicht in Frage; das Problem sei mit einer verkürzten Überdachung zu lösen. Einem überarbeiteten Sanierungsprojekt mit Überdachung der A2 und Kosten von ca. 26 Mio. Franken stimmte das BUWAL im Dezember 1992 erneut nicht zu. Der Kanton nahm daher die Projektierung neuer Sanierungsvorschläge an die Hand. Das im März 1993 erstattete Lärmgutachten wies aus, dass die Immissionsgrenzwerte (IGW) während des Tages im Bereich der Grundstücke X. und Y. eingehalten sind, nachts hingegen bei der Parzelle Y. um 1 dB(A) und bei der Parzelle X. um 2 dB(A) überschritten sind. Darauf fand am 13. Juni 1994 die zweite Schätzungsverhandlung statt. Eine Einigung konnte nicht erzielt werden. Am 16. November 1993 stimmte der Regierungsrat dem Lärmschutzprojekt N2-Anschluss Grosshof zu. Das BUWAL genehmigte dieses Projekt am 7. April 1994 mit Vorbehalten. In der Folge stellte sich heraus, dass die für die Beurteilung beigezogenen Lärm-Werte einer Korrektur bedürfen und daher Sanierungserleichterungen ins Auge gefasst werden müssten. Zwischen dem 22. August und 20. September 1994 wurde ein Ausführungsprojekt mit Sanierungserleichterungen öffentlich aufgelegt. Das Projekt umfasst im wesentlichen die Erneuerung des bestehenden Rasterbauwerks einschliesslich einer Verlängerung von ca. 40 m beim Südportal des Sonnenbergtunnels, die Erstellung BGE 123 II 560 S. 563 von Lärmschutzwänden oder -dämmen längs der A2 und von Lärmschutzwänden im Mittelstreifen der Autobahn sowie die Erstellung von Lärmschutzdämmen mit Wänden bei den Ein- und Ausfahrtsrampen des Anschlusses Luzern-Kriens mit Lärmschutzverkleidungen an bestehenden Brückenuntersichten, Widerlagern und Mauern. Es gingen 28 Einsprachen ein. Im Rahmen der nationalstrassenrechtlichen Einspracheverhandlungen ergab sich, dass die Sanierungserleichterungen auf Ablehnung stossen. Es wurde daher eine Verlängerung des Rasterbauwerks ins Auge gefasst, welche ca. 8 Mio. Franken kosten, aber eine Lärmverminderung von ca. 3 dB(A) bringen würde. Bei den lärmmässig am stärksten betroffenen Liegenschaften würden damit die IGW um ca. 2 dB(A) unterschritten. Im Oktober 1995 beschloss der Regierungsrat, diese Projektergänzung dem BUWAL und dem Bundesamt für Strassenbau (ASB) zur Genehmigung einzureichen. Bereits zuvor wies die Schätzungskommission am 21. August 1995 das zweite Sistierungsgesuch des Kantons ab. X. wurde für die lärmbedingte Wertverminderung ihres Grundstücks für die Zeit vom 1. Januar 1991 bis 31. Dezember 1995 Fr. 31'482.-- und für die Zeit ab 1. Januar 1996 der Jahreszins auf Fr. 100'000.-- zugesprochen; Y. erhielt eine entsprechende Entschädigung für die Zeit vom 1. Januar 1991 bis 31. Dezember 1995 in der Höhe von Fr. 34'917.-- und ab dem 1. Januar 1996 den Jahreszins auf Fr. 122'000.--. Weiter hielt die Schätzungskommission fest, der ab dem 1. Januar 1996 bestehende Zinsanspruch entfalle, wenn die Beurteilungspegel den IGW nicht mehr überstiegen. Der Kanton Luzern führt gegen den Entscheid der Eidg. Schätzungskommission Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Dieses heisst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut
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Erwägungen aus folgenden Erwägungen: 3. Nach Auffassung des Kantons Luzern besteht kein Raum für die Enteignung nachbarrechtlicher Abwehransprüche, wenn eine Nationalstrasse Immissionen über dem Immissionsgrenzwert (IGW) verursacht und daher sanierungspflichtig ist. Wäre dem nicht so, meint der Kanton weiter, hätte der Anlageneigentümer zweimal zu bezahlen: zunächst für die Enteignung des nachbarrechtlichen Abwehranspruches, sodann für die Sanierungsaufwendungen (zu dieser Problematik HEINZ AEMISEGGER, Aktuelle Fragen des Lärmschutzrechts BGE 123 II 560 S. 564 in der Rechtsprechung des Bundesgerichts, Umweltrecht in der Praxis [URP] 1994 S. 447 f.). Solche Doppelzahlungen seien nicht im Sinne des Enteignungs- und des Umweltschutzgesetzes. a) Ergeben sich aus der Art der Bewirtschaftung oder Nutzung eines Grundstückes übermässige Einwirkungen auf benachbarte Liegenschaften, so können sich deren Eigentümer gestützt auf das in Art. 684 ZGB enthaltene Immissionsverbot mit den in Art. 679 ZGB genannten nachbarrechtlichen Klagen zur Wehr setzen. Daneben verpflichtet Art. 7 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (Enteignungsgesetz, EntG; SR 711) den mit dem Enteignungsrecht ausgestatteten Anlageneigentümer, die geeigneten Vorkehren zu treffen, um die Öffentlichkeit und die benachbarten Grundstücke gegen Gefahren und Nachteile sicherzustellen, die mit der Erstellung und dem Betrieb seines Unternehmens notwendig verbunden und nicht nach Nachbarrecht zu dulden sind. Nach der bundesgerichtlichen Praxis, die durch den Entscheid Werren ( BGE 94 I 286 ) eingeleitet und seither in zahlreichen Urteilen bestätigt wurde, gelten die vom Strassenverkehr ausgehenden Immissionen als übermässig, wenn sie - kumulativ - für den Grundeigentümer nicht voraussehbar waren, ihn in spezieller Weise treffen und ihm einen schweren Schaden verursachen. Gehen von einem im öffentlichen Interesse liegenden Werk unvermeidbare übermässige Einwirkungen aus, werden die aus dem Nachbarrecht fliessenden Abwehrrechte des Betroffenen enteignet; der Nachbar kann nicht Beseitigung des Lärms verlangen, sondern nur eine Enteignungsentschädigung beanspruchen. Art. 5 Abs. 1 EntG lässt die Enteignung der aus dem Grundeigentum hervorgehenden Nachbarrechte ausdrücklich zu. Sie wird als zwangsweise Errichtung einer Dienstbarkeit auf dem Grundstück des Enteigneten zugunsten des Werkeigentümers verstanden, deren Inhalt in der Pflicht zur Duldung von Immissionen besteht ( BGE 123 II 481 E. 7; BGE 121 II 317 E. 4 und 5; BGE 119 Ib 348 E. 4b; BGE 116 Ib 11 E. 2a und 2b/aa). b) Die Wurzeln der Rechtsprechung zur Enteignung nachbarrechtlicher Abwehransprüche liegen im Nachbarrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (vgl. Christoph Zäch, Kommentar USG, N. 37 zu Art. 22), insbesondere in den Art. 679 und 684 ZGB . Sie regeln den privatrechtlichen Immissionsschutz ( BGE 106 Ib 231 E. 3a; Botschaft zum Umweltschutzgesetz: BBl 1979 III 764). Öffentlichrechtlicher Immissionsschutz war bei Erlass des ZGB zu Beginn dieses Jahrhunderts kaum ein Thema. Mit der fortschreitenden wirtschaftlichen Entwicklung und der damit einhergehenden BGE 123 II 560 S. 565 Belastung der Umwelt wurde der privatrechtliche Immissionsschutz durch öffentlichrechtliche Bestimmungen verstärkt. So erliessen zunächst die Kantone für die einzelnen (Bau-)Zonen Vorschriften über zulässige und verbotene Einwirkungen (NICCOLÒ RASELLI, Berührungspunkte des privaten und öffentlichen Immissionsschutzes, URP 1997 S. 274 ff.). Wegen der starken Zunahme der Mobilität seit 1945 zeigte sich überdies, dass weder die Immissionsschutzvorschriften des ZGB noch diejenigen des kantonalen Bau- und Planungsrechtes genügen, um Lärmbelastungen wirksam zu bekämpfen (Botschaft des Bundesrates zu Art. 24septies BV , BBl 1970 I/2 764 und 769 f.). Eine einheitliche und eingehende Regelung des Lärmschutzes auf Bundesebene erwies sich als notwendig. Mit Art. 24septies BV , der in Abs. 1 Satz 2 die Lärmbekämpfung als eine Schwerpunktaufgabe bezeichnet, und mit dem Umweltschutzgesetz wurde der Lärmschutz auf neue Rechtsgrundlagen gestellt. Ziel der entsprechenden Regeln ist es, Lärmbegrenzungen möglichst umfassend bereits an der Quelle greifen zu lassen. Bei neuen Anlagen soll Lärm jedenfalls nicht über gewisse Schwellenwerte hinaus toleriert werden; gegebenenfalls sind Schutzmassnahmen zugunsten der Betroffenen anzuordnen ( Art. 19-25 USG ; Näheres auch in BBl 1979 III 789ff.). Für bestehende Anlagen, welche die Immissionsgrenzwerte übersteigen, besteht eine Sanierungspflicht ( Art. 16-18 USG , Art. 13-20 LSV ; BGE 122 II 33 E. 3c). c) Das Eigentum ist verfassungsrechtlich gewährleistet ( Art. 22ter BV ). Für die Bestimmung des Eigentumsinhaltes knüpft die Bundesverfassung an die herkömmlichen Formen der Sachherrschaft, namentlich an den privatrechtlichen Eigentumsbegriff an. Bund und Kantone können jedoch im Rahmen ihrer verfassungsmässigen Befugnisse auf dem Wege der Gesetzgebung im öffentlichen Interesse die Enteignung oder Eigentumsbeschränkungen vorsehen ( Art. 22ter Abs. 2 BV ). Anpassungen des Eigentumsinhaltes an veränderte Verhältnisse und gewandelte Auffassungen sind damit verfassungsrechtlich zulässig (GEORG MÜLLER in Kommentar BV, Art. 22ter, Rz. 1; eingehend zur Eigentumsgarantie als durch die Gesetzgebung konkretisierungsbedürftiges Grundrecht und zum Verhältnis zwischen Bestimmung des Eigentumsinhaltes und der Festlegung von Eigentumsschranken: GEORG MÜLLER, Privateigentum heute, ZSR 1981 II 48 ff.). In Übereinstimmung mit der verfassungsrechtlichen Ordnung hält Art. 641 ZGB fest, dass sich der Inhalt des Eigentums aus den Schranken der Rechtsordnung ergibt. Trotz gleichbleibender privatrechtlicher Regelung kann sich somit BGE 123 II 560 S. 566 - bedingt durch die fortwährende Änderung des öffentlichen Rechts - der Eigentumsinhalt wandeln (Robert Haab/August Simonius/Werner Scherrer/Dieter Zobl, Zürcher Kommentar zum ZGB, N. 1 zu Art. 641). Eine neue Inhaltsbestimmung des Eigentums ergab sich nach Auffassung von Arthur Meier-Hayoz (Berner Kommentar zum ZGB, N. 115 zu Art. 684) unter anderem aus den vorstehend (E. 3b) erwähnten, in den kantonalen Zonenordnungen oder an anderer Stelle des kantonalen Bau- und Planungsrechtes verankerten öffentlichrechtlichen Immissionsschutzvorschriften. Die gleiche Tragweite kommt nach Meinung weiterer Autoren und des Bundesgerichtes der Neuordnung des Bodenrechtes durch Art. 22quater BV und das Bundesgesetz über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (Raumplanungsgesetz, RPG; SR 700) zu ( BGE 122 II 326 E. 4a; BGE 118 Ib 38 E. 2a; BGE 114 Ib 100 E. 3c und BGE 114 Ib 301 E. 3c; HEINZ REY, Die Grundlagen des Sachenrechts und das Eigentum, Bern 1991, S. 8 f.; ENRICO RIVA, Hauptfragen der materiellen Enteignung, Bern 1990, S. 178; MARTIN LENDI, Planungsrecht und Eigentum, ZSR 1976 I 142). Verhält es sich so, muss jedenfalls auch den Bestimmungen des Umweltschutzgesetzes über den Lärm- bzw. den Immissionsschutz, zu dem die Sanierungsvorschriften zählen ( Art. 11-25 USG ), die gleiche inhaltsbestimmende Bedeutung zukommen (so ausdrücklich GEORG MÜLLER, Privateigentum heute, a.a.O., S. 84 ff.). Denn seit Erlass des Umweltschutzgesetzes sind die genannten öffentlichrechtlichen Immissionsschutzvorschriften des kantonalen Bau- und Planungsrechtes weitgehend durch das Umweltschutzgesetz ersetzt worden bzw. hat das kantonale Recht seine eigenständige Bedeutung verloren, soweit sein materieller Gehalt sich mit dem Bundesrecht deckt oder weniger weit geht als dieses ( BGE 118 Ia 112 E. 1b; 118 Ib 590 E. 3). d) Nach ausdrücklicher Bestimmung von Art. 5 EntG können neben anderen dinglichen Rechten an Grundstücken auch die aus dem Grundeigentum hervorgehenden Nachbarrechte Gegenstand der Enteignung bilden ( Art. 5 Abs. 1 EntG ; BGE 123 II 481 E. 7a; vgl. BGE 106 Ib 231 E. 3b/bb und cc, wo die Frage aufgeworfen wurde, ob auch für die Abweichung von öffentlichrechtlichen Bestimmungen ein Enteignungsverfahren durchzuführen sei, was für die Abweichung von gemischt-rechtlichen bzw. Doppelnormen bejaht wurde). Die Enteignungspraxis wurde von der vorstehend dargestellten Rechtsfortbildung ebenfalls erfasst. So führte vor allem die Umweltschutzgesetzgebung des Bundes im Zusammenhang BGE 123 II 560 S. 567 mit der Enteignung nachbarrechtlicher Abwehransprüche zu neuen Fragestellungen (vgl. ALAIN WURZBURGER, De quelques incidences de la loi fédérale sur la protection de l'environnement sur le droit privé, in: Verfassungsrechtsprechung und Verwaltungsrechtsprechung, Zürich 1992, S. 183 ff.). Das Bundesgericht verschloss sich ihnen nicht. In drei Punkten bestand Anlass zur Präzisierung der Rechtsprechung. aa) Im nicht veröffentlichten Entscheid vom 12. Juni 1989 i.S. Basel-Stadt (E. 3) hielt das Bundesgericht fest, die sachliche Zuständigkeit der Eidg. Schätzungskommission sei gegeben, wenn ein mit dem Enteignungsrecht ausgestattetes Unternehmen Rechte entziehe oder beschränke, die Enteignungsobjekte bildeten. Nachbarrechte könnten gemäss Art. 5 EntG Gegenstand der Enteignung sein. Gingen Immissionen von einem Werk aus, für das dem Werkeigentümer das Enteignungsrecht zustehe, könne der Geschädigte gestützt auf Art. 5 EntG auf dem Enteignungsweg eine Entschädigung verlangen, worüber der Enteignungsrichter entscheide. Die damaligen Gesuchsteller hatten sich zur Begründung ihrer Entschädigungsforderung auf das Enteignungsgesetz berufen und sich bewusst an den Enteignungsrichter gewandt. Das Bundesgericht stellte klar, die Eidg. Schätzungskommission habe nicht darüber zu befinden, ob die Gesuchsteller auch gestützt auf das Umweltschutzgesetz Ansprüche erheben könnten, wenn sich die enteignungsrechtlichen Entschädigungsforderungen als unbegründet erwiesen. In BGE 116 Ib 11 (E. 3b) und BGE 119 Ib 348 (E. 6c) wurden diese Grundsätze bestätigt. Ergänzend wurde festgehalten, das Enteignungsgesetz und das Umweltschutzgesetz wiesen Berührungspunkte auf, doch verfolgten sie grundsätzlich verschiedene Zwecke. Während das Umweltschutzgesetz Menschen, Tiere und Pflanzen gegen schädliche oder lästige Einwirkungen schützen wolle ( Art. 1 Abs. 1 USG ), ermögliche das Enteignungsgesetz dem Gemeinwesen, sich die zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendigen Güter zwangsweise zu beschaffen und allfällige Hindernisse zu beseitigen ( Art. 1 EntG ; BGE 116 Ib 11 E. 3b). Dazu führte das Bundesgericht in BGE 119 Ib 348 (E. 6c/bb) weiter aus, der Bundesgesetzgeber habe mit Art. 5 und 18 EntG (Entschädigung in Form von Sachleistungen) die geeigneten Rechtsinstrumente geschaffen, damit einerseits der so erlittene finanzielle Schaden mittels Geld behoben und anderseits das Wohlbefinden nicht nur der Eigentümer, sondern auch der Bevölkerung im allgemeinen geschützt werden könne. In BGE 121 II 317 ergänzte das Bundesgericht, dass auch nach Inkrafttreten BGE 123 II 560 S. 568 des Umweltschutzgesetzes Art. 5 EntG anzuwenden sei. Nur die Anwendung der Bestimmungen über die Enteignung der nachbarrechtlichen Abwehransprüche ermögliche es den betroffenen Eigentümern, Schadenersatz zu erhalten. bb) Hinsichtlich der Voraussetzungen für die Zusprechung einer Entschädigung für die Enteignung nachbarrechtlicher Abwehransprüche (Unvorhersehbarkeit, Spezialität und Schwere der vom Strassenverkehr ausgehenden Beeinträchtigungen; vorstehende E. 3a) stellte das Bundesgericht in BGE 116 Ib 11 (E. 3a) klar, dass eine Überschreitung der in den Anhängen zur Lärmschutz-Verordnung festgelegten Alarmwerte nicht auf die Unvorhersehbarkeit von Immissionen schliessen lasse. Die Alarmwerte könnten - wenn überhaupt - nur im Zusammenhang mit der Voraussetzung der Spezialität und allenfalls bei der Bemessung des Schadens berücksichtigt werden. Seit BGE 119 Ib 348 (E. 5b/cc) gilt der Immissionsgrenzwert für Lärm nach Anhang 3 zur Lärmschutz-Verordnung als Schwelle, jenseits der das Erfordernis der Spezialität bei Strassenlärm erfüllt ist (im gleichen Sinne BGE 121 II 317 E. 5 und 6 bei Fluglärm; hinsichtlich der Anwendung des Kriteriums der Spezialität, wenn im Anhang zur Lärmschutz-Verordnung keine Immissionsgrenzwerte festgelegt worden sind: BGE 119 Ib 348 E. 8; vgl. auch BGE 122 II 337 E. 3a). cc) Eine weitere Klarstellung erfolgte hinsichtlich der Art einer zu bezahlenden Enteignungsentschädigung. Grundsätzlich ist sie in Geld zu leisten ( Art. 17 EntG ). Der Enteignungsrichter ist jedoch gehalten, eine Sachleistung ( Art. 18 EntG ) in Form von Schallschutzmassnahmen an Gebäuden zuzusprechen, wenn durch eine solche, von der Umweltschutzgesetzgebung ausdrücklich vorgesehene Massnahme (vgl. Art. 20 USG ) die vom Enteigneten erlittenen Nachteile ganz oder teilweise behoben und gleichzeitig Personen, die in einem den Immissionen ausgesetzten Gebäude wohnen (Mieter, Pächter), wirksam in ihrem Wohlbefinden geschützt werden können ( BGE 122 II 337 E. 4b; BGE 121 II 350 E. 7; BGE 119 Ib 348 E. 6). e) Aus der zitierten Rechtsprechung lässt sich nicht ableiten, dass die Sanierungspflicht einer Anlage einem enteignungsrechtlichen Entschädigungsanspruch zum vornherein entgegensteht. Diese Frage war noch gar nie zu prüfen. Sie wirft eine Reihe von Problemen auf. Aufgrund der gegebenen tatsächlichen Ausgangslage brauchen hier freilich nicht alle denkbaren Sachverhaltsvarianten beurteilt zu werden. Vorliegend geht es um eine öffentliche Anlage, von welcher feststeht, dass sie jedenfalls seit Beginn der neunziger Jahre und BGE 123 II 560 S. 569 damit nach Inkrafttreten des Umweltschutzgesetzes Immissionen bewirkt, welche die Sanierungs- und allenfalls eine Entschädigungspflicht begründen. Ob die Voraussetzungen für die Zusprechung einer Enteignungsentschädigung tatsächlich gegeben sind, ist im folgenden zu prüfen. 4. a) Die A2 im Bereiche des Südportales des Sonnenbergtunnels ist sanierungspflichtig. Am Augenschein, an welchem sich die bundesgerichtliche Delegation über das Ausmass der aktuellen Lärmbelastung eingehend ins Bild setzen konnte, wurde das seitens der Vertreter des Kantons Luzern vorbehaltlos bestätigt. Sie haben bei dieser Gelegenheit nicht nur auf die verschiedenen vom Kanton bisher erarbeiteten Sanierungsprojekte hingewiesen, sondern auch den Willen des Kantons betont, die Sanierung innert der gesetzlichen Frist bis zum 1. April 2002 in Angriff zu nehmen, sofern die zuständigen Bundesstellen grünes Licht geben und dem Sanierungsprojekt von den Nachbarn nicht Opposition erwächst. Dass Altanlagen erheblich zur Lärmbelastung beitragen, war bei Erlass des Umweltschutzgesetzes klar. Zur Durchsetzung des in der Bundesverfassung hervorgehobenen öffentlichen Interesses an einem wirksamen Lärmschutz ( Art. 24septies Abs. 1 Satz 2 BV ) wurden daher die Anlageninhaber verpflichtet, ihre Anlagen den Anforderungen der Umweltschutzgesetzgebung anzupassen ( Art. 16 USG ; ANDRÉ SCHRADE, Kommentar USG, N. 1 ff. Vorbemerkungen zu Art. 16-18). Nur damit kann der Schutz vor schädlichen oder lästigen Einwirkungen ( Art. 24septies Abs. 1 Satz 1 BV ) erreicht werden. Die Zahlung einer blossen Enteignungsentschädigung für die Duldung von Lärm führt naturgemäss nicht zum angestrebten Verfassungsziel. Dementsprechend kann den enteignungsrechtlichen Ansprüchen in Sachverhalten, wie sie hier vorliegen, keine prioritäre Bedeutung, sondern allenfalls ergänzende Funktion zukommen. Sinngemäss trug das Bundesgericht dieser Prioritätenordnung bereits im Zusammenhang mit der Frage, in welcher Form eine Enteignungsentschädigung auszurichten ist, seit BGE 119 Ib 348 Rechnung (bestätigt in BGE 121 II 350 E. 7 und BGE 122 II 337 E. 4b und E. 8). Es hielt - wie gesagt - den Enteignungsrichter an, eine Sachleistung in Form von Schallschutzmassnahmen an bestehenden Gebäuden anzuordnen, wenn dadurch die vom Enteigneten erlittenen Nachteile ganz oder teilweise behoben und gleichzeitig Personen, die in einem den Immissionen ausgesetzten Gebäude wohnen (Mieter, Pächter), wirksam in ihrem Wohlbefinden geschützt werden können. Aus ähnlichen Überlegungen verpflichtet das 1930 BGE 123 II 560 S. 570 erlassene Enteignungsgesetz den Enteigner, die geeigneten Vorkehren zu treffen, um die Öffentlichkeit und die benachbarten Grundstücke gegen Gefahren und Nachteile sicherzustellen, die mit der Erstellung und dem Betrieb seines Unternehmens notwendig verbunden und nicht nach Nachbarrecht zu dulden sind ( Art. 7 Abs. 3 EntG ; HEINZ HESS/HEINRICH WEIBEL, Das Enteignungsrecht des Bundes, Bd. I, Bern 1986, N. 38 ff. zu Art. 7). b) aa) Art. 16 Abs. 2 USG ermächtigt den Bundesrat, Sanierungsfristen festzulegen. Gestützt auf diese Kompetenz legte er in Art. 17 Abs. 2 LSV die Frist für die lärmschutzrechtliche Sanierung auf den 1. April 2002 fest. Bis zu diesem Zeitpunkt muss die A2 im Bereiche des Sonnenbergtunnels die IGW einhalten, sofern keine Erleichterungen gewährt werden. Die im Umweltschutzgesetz vorgesehene Möglichkeit, Sanierungsfristen festzusetzen, soll es den Anlageninhabern ermöglichen, sich auf die Anforderungen der mit dem Umweltschutzgesetz eingeführten neuen Rechtslage einzustellen und innerhalb einer als angemessen betrachteten Zeitspanne die notwendigen Dispositionen zu treffen (SCHRADE, a.a.O., N. 1 ff. und N. 37 zu Art. 16). Es war dem Gesetzgeber mithin bewusst, dass sachgerechte Sanierungen unter Umständen nicht ohne erheblichen Zeit- und Planungsaufwand zu verwirklichen sind (vgl. Art. 17 Abs. 1 und 2 LSV ). Die Enteignungspraxis muss dieser - wie gesagt auch für die Bestimmung des Eigentumsinhaltes massgebenden - umweltschutzrechtlichen Rechtslage im Interesse einer greifbaren Verbesserung der Lärmsituation Rechnung tragen. Wenn das Umweltschutzrecht des Bundes festlegt, dass ein Nachbar einer öffentlichen Anlage Immissionen über dem IGW jedenfalls während der vom Bundesrat kompetenzgemäss festgelegten Sanierungsfrist zu dulden hat, kann der Betreiber einer öffentlichen Anlage vor Ablauf dieser Frist grundsätzlich nicht zu einer Enteignungsentschädigung verpflichtet werden (zur Pflicht, Einwirkungen öffentlicher Anlagen unter gewissen Voraussetzungen entschädigungslos zu dulden: REY, a.a.O., S. 10 f.; GEORG MÜLLER in Kommentar BV, Art. 22ter BV , Rz. 64; RIVA, a.a.O., S. 276, weist darauf hin, dass sich bereits aus dem Zusammenspiel von Art. 22ter Abs. 2 und 3 BV ergebe, dass jedenfalls ein gewisses Mass an Eigentumsbeeinträchtigungen entschädigungslos hingenommen werden müssten). Wollte man es anders halten, würden gerade bei öffentlichen Anlagen die Sanierungsbestrebungen unnötigerweise erschwert, was nicht im Interesse der betroffenen Nachbarn liegt. BGE 123 II 560 S. 571 bb) Aus ähnlichen Überlegungen liess das Bundesgericht bereits vor Inkrafttreten des Umweltschutzgesetzes Entschädigungen für die Enteignung nachbarrechtlicher Abwehransprüche im Falle einer sanierungspflichtigen Strassenanlage nur in engen Grenzen zu. Im nicht publizierten Urteil vom 16. Juli 1984 i.S. Staat Bern (E. 4a) hielt es fest, gleich wie bei entschädigungslos zu duldenden vorübergehenden Störungen, die sich aus Bauarbeiten auf den Nachbarparzellen ergäben, sei bei einer nachträglich sanierten Nationalstrasse eine enteignungsrechtliche Entschädigung für die Duldung von Immissionen bis zur Sanierung nur zu leisten, wenn die Einwirkungen ihrer Art, Stärke und Dauer nach aussergewöhnlich seien. Seit Erlass der Umweltschutzgesetzgebung muss sich das Kriterium der Dauer der Einwirkungen nach den Sanierungsvorschriften im Umweltschutzgesetz und in der Lärmschutz-Verordnung richten. Solange die Sanierungsfrist noch läuft, kann im allgemeinen nicht gesagt werden, die Einwirkungen seien im enteignungsrechtlich relevanten Sinne ihrer Dauer nach aussergewöhnlich. Ähnlich verhält es sich übrigens bei gewissen Tatbeständen der vorübergehenden Enteignung im Sinne von Art. 6 EntG (vgl. Urteil des Bundesgerichtes vom 4. Juli 1984, in ZBl 87/1986 S. 76; BGE 109 Ib 268 ). c) All diese Erwägungen führen zur Abweisung des Entschädigungsbegehrens, ohne dass im heutigen Zeitpunkt zu entscheiden wäre, wie sich die Rechtslage ausnimmt, wenn die Sanierungsfrist überschritten würde oder eine Sanierung nur mit Erleichterungen möglich wäre.
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Sachverhalt ab Seite 131 BGE 87 I 131 S. 131 A.- Mit Vertrag vom 4. August 1958 kaufte der Beschwerdeführer von der Beschwerdegegnerin einen Traktor. In den Lieferungsbedingungen wird als Erfüllungsort für Lieferung und Zahlung und als Gerichtsstand Gossau vereinbart. Da der Käufer in der Folge den Vertrag nicht halten wollte, klagte die Verkäuferin gegen ihn vor dem Bezirksgericht Gossau auf Vertragserfüllung. Der Beklagte liess die Antwortfrist unbenützt verstreichen. Darauf BGE 87 I 131 S. 132 wurde ihm eine Notfrist von 14 Tagen angesetzt. Er bestätigte den Erhalt und erklärte mit Schreiben vom 26. Juni 1959 sich "rein an den Kaufvertrag zu halten". Da sein Vater, der den Traktor finanzieren sollte, den Vertrag noch nicht unterzeichnet habe, werde dieser wohl kaum rechtsgültig sein. Zur ersten Tagfahrt erschien der Beklagte nicht und musste peremtorisch vorgeladen werden. Am 22. April 1960 erliess das Bezirksgericht das Versäumnisurteil, mit dem es die Klage schützte. Der Beschwerdeführer wandte sich mit einer Rechtsverweigerungsbeschwerde an das Kantonsgericht St. Gallen. Er machte geltend, die vereinbarte Gerichtstandsklausel sei gemäss Art. 11 des Bundesgesetzes über die Handelsreisenden nichtig und diese Nichtigkeit von Amtes wegen zu berücksichtigen. Die erste Instanz habe auch willkürlich angenommen, der Beklagte habe sich stillschweigend auf die Klage eingelassen; denn es habe kein Vorverfahren stattgefunden, weil der Brief des Beklagten vom 26. Juni 1959 keine Klageantwort darstelle. Das Kantonsgericht hat die Beschwerde mit Entscheid vom 20. Oktober 1960 abgewiesen. B.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 22. Februar 1961 beantragt Werner Heiniger, die Urteile des Bezirksgerichtes Gossau vom 22. April 1960 und der Rekurskommission des Kantonsgerichtes vom 20. Oktober 1960 aufzuheben.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: Das Bezirksgericht geht davon aus, aus dem Schreiben des Beklagten vom 26. Juni 1959 müsse auf eine stillschweigende Genehmigung des Gerichtstandes im Sinne von Art. 91 Abs. 3 ZPO geschlossen werden. Die Rekurskommission versteht das dahin, dass nachträglich, d.h. im gerichtlichen Verfahren eine stillschweigende Gerichtstandsvereinbarung zustande gekommen sei, indem der Beklagte dem von der Klägerin in Anspruch genommenen Gerichtstand Gossau zugestimmt habe, und dass ein BGE 87 I 131 S. 133 Käufer, der den Vertrag mit einem Kleinreisenden abgeschlossen habe, auf den ihm durch Art. 11 HRG eingeräumten Vorteil dadurch verzichten könne, dass er mit dem Verkäufer selbst, ausdrücklich oder stillschweigend, einen neuen Gerichtstand vereinbare. Die Rekurskommission erklärt dazu, diese Auffassung lasse sich vom Standpunkt der Willkür vertreten, erscheine nicht schlechthin als unhaltbar. Art. 11 HRG schreibt, wie im Urteil über die Berufung ausgeführt wird, nicht zwingend den Gerichtstand am Wohnsitz des Bestellers vor, und die Wirkung des Verbotes besteht nur darin, dass die Klausel nicht beachtet werden darf. Er will verhindern, dass der Besteller vor einem andern als seinem ordentlichen Richter sein Recht suchen müsse auf Grund einer Vereinbarung, bei deren Abschluss er noch nicht daran glaubte, dass sie wirksam werden könne, ein Anstand darüber jedenfalls noch nicht bestand. Ist aber der Prozess vor dem Richter der nichtigen Vereinbarung eingeleitet worden und muss sich der beklagte Käufer auf Grund der Zustellung der Klage und der Aufforderung, darauf zu antworten, und allenfalls einer Vorladung darüber bewusst sein, dass er genötigt werden wolle, sich vor dem vereinbarten Richter zu verantworten, so besteht kein Anlass mehr, ihn zu hindern, einen neuen Gerichtstand insbesondere durch Einlassung zu begründen. Nach der Rechtsprechung kommt es dabei für die Frage, ob der Beklagte auf das Recht verzichtet habe, die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Richters zu bestreiten, nicht entscheidend darauf an, ob nach dem kantonalen Recht Einlassung angenommen werden könne. Ob eine die Garantie des Art. 59 BV ausschliessende Einlassung vorliege, beurteilt sich vielmehr nach den Grundsätzen, welche das Bundesgericht zu Art. 59 BV entwickelt hat ( BGE 68 I 150 , BGE 67 I 108 und die hier genannten weitern Entscheidungen). Danach hat sich der Beklagte auf den Streit eingelassen, wenn er sich gegenüber der beim unzuständigen Richter BGE 87 I 131 S. 134 eingereichten Klage derart verhalten hat, dass die nachträgliche Erhebung der Unzuständigkeitseinrede aus dem Gesichtspunkt der bona fides im Rechtsverkehr nicht gebilligt werden kann. Dieser Maxime widerspricht die nachträgliche Bestreitung der Zuständigkeit dann, wenn der Beklagte dem Gericht gegenüber den Willen bekundet hat, vorbehaltlos zur Sache zu verhandeln ( BGE 67 I 108 mit Zitaten). Der Beschwerdeführer hat sich im Prozess nicht rein passiv verhalten. Er erklärte gegenüber dem Gerichtspräsidenten vielmehr, er halte sich an den Kaufvertrag, und da der Vater das Geschäft hätte finanzieren sollen, den Vertrag aber bis dahin nicht unterzeichnet habe, werde der Vertrag kaum rechtsgültig sein. Er bestritt damit nicht die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Richters, sondern wendete Ungültigkeit des Kaufvertrages ein, erhob also gegenüber der Klage eine Einrede aus dem abgeschlossenen Vertrag. Dadurch hat er, wenn auch summarisch, sich auf den Prozess eingelassen, das Zustandekommen eines für ihn verbindlichen Kaufvertrages in Abrede gestellt, weil er vom Geldgeber nicht unterzeichnet worden sei, und sich damit zur Klage in einer Weise verhalten, welche die nachträgliche Erhebung der Einrede der örtlichen Unzuständigkeit ausschliesst...
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Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
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Sachverhalt ab Seite 109 BGE 132 III 109 S. 109 Selon contrat de bail à loyer conclu le 22 mai 2001 entre la société Y. SA et la fédération d'entreprises Z., cette première partie a remis en location à la seconde des locaux d'environ 150 m 2 existant au deuxième étage d'un bâtiment du centre de Genève. Ces locaux étaient loués à usage de bureaux. Le contrat était conclu pour une durée de cinq ans, du 1 er juin 2001 au 31 mai 2006. Répondant à une annonce publiée dans la presse, X. a pris contact avec la locataire en vue de reprendre les locaux. Il a fait état d'une BGE 132 III 109 S. 110 activité de consultant en informatique. Dans une demande de location adressée à la régie qui représentait la bailleresse, il a indiqué la profession de "consultant". Aux termes d'une convention conclue le 13 février 2003 par la bailleresse, la locataire et X., le bail et ses dispositions particulières furent transférés à ce dernier dès le 1 er mars 2003. Dans les locaux, avec son épouse, X. a entrepris d'exploiter un salon de massages érotiques. Le 1 er avril 2003, la bailleresse l'a mis en demeure de fermer ce salon dans un délai de dix jours et d'utiliser les lieux conformément au contrat, c'est-à-dire en y installant des bureaux. Elle menaçait son locataire d'une résiliation immédiate fondée sur l' art. 257f al. 3 CO . X. a rejeté cette sommation en opposant que son activité n'était pas fondamentalement différente de celle exercée par l'ancienne locataire. Le 16 avril 2003, la bailleresse a résilié le contrat avec effet au 31 mai 2003. X. a saisi la commission de conciliation compétente d'une requête tendant à l'annulation de la résiliation. Y. SA a saisi la même autorité d'une demande tendant à l'évacuation forcée des locaux. Après échec de la conciliation, les deux causes furent jointes devant le Tribunal des baux et loyers du canton de Genève. Ce tribunal a rejeté la demande principale du locataire; accueillant la demande reconventionnelle de la bailleresse, il a condamné celui-là à évacuer les locaux de sa personne et de ses biens. Le demandeur ayant appelé du jugement, la Chambre d'appel en matière de baux et loyers s'est prononcée le 24 juin 2005. A l'instar des premiers juges, elle a retenu que l'exploitation d'un salon de massages érotiques constituait une violation du contrat et qu'il en résultait une situation insupportable pour la défenderesse; elle a donc confirmé le jugement. Le demandeur a saisi le Tribunal fédéral d'un recours en réforme tendant à l'annulation de la résiliation intervenue le 16 avril 2003. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. Dès le 13 février 2003, le demandeur et la défenderesse ont été liés par un contrat de bail à loyer et celui-ci était éventuellement résiliable, aux conditions de l' art. 257f CO , avant l'échéance qui y était stipulée. BGE 132 III 109 S. 111 Aux termes des art. 257f al. 1 et 2 CO , le locataire est tenu d'user de la chose louée avec le soin nécessaire et, s'il s'agit d'un bien immobilier, d'avoir pour les personnes habitant la maison et pour les voisins les égards qui leur sont dus. L' art. 257f al. 3 CO prévoit que si le maintien du bail est devenu insupportable pour le bailleur ou le voisinage et que le locataire persiste à enfreindre ses devoirs en dépit d'une protestation écrite, le bailleur peut, s'il s'agit d'un bail d'habitation ou de locaux commerciaux, résilier ce contrat en observant un délai de congé de trente jours pour la fin d'un mois. La résiliation anticipée peut notamment intervenir lorsque le locataire affecte la chose à une utilisation incompatible avec les stipulations du contrat ( ATF 123 III 124 consid. 2a p. 126; DAVID LACHAT, Das Mietrecht für die Praxis, 6 e éd., Zurich 2005, p. 477), pour autant que la situation résultant de cette utilisation, considérée objectivement, se révèle grave au point d'être insupportable pour le bailleur (arrêts 4C.331/2004 du 17 mars 2005, consid. 1.1.4; 4C.306/ 2003 du 20 février 2003, consid. 3.5, SJ 2004 I p. 442). Les principes généraux de l'interprétation des contrats sont déterminants pour apprécier l'existence et la portée de stipulations explicites ou tacites concernant l'utilisation de la chose. Parmi d'autres éléments, on prend en considération le mode d'utilisation habituel de choses du même genre, à l'époque de la conclusion du contrat (MARTIN USTERI et al., Schweizerisches Mietrecht: Kommentar, 2 e éd., Zurich 1998, ch. 20 et 21 ad art. 256 CO ; PETER HIGI, Commentaire zurichois, ch. 20 ad art. 256 CO ), et on garde à l'esprit que des locaux commerciaux peuvent a priori se prêter à des activités ou exploitations très diverses (CLAUDIA HEUSI, Ausgewählte Fragen zur Geschäftsmiete, mp 1999 p. 3). Le juge apprécie librement, selon les règles du droit et de l'équité ( art. 4 CC ), si la résiliation anticipée répond à un motif suffisamment grave (arrêts précités 4C.331/2004 et 4C.306/2003, ibidem). A cette fin, il prend en considération tous les éléments concrets du cas particulier. Le Tribunal fédéral ne revoit qu'avec réserve la décision d'équité prise en dernière instance cantonale. Il intervient lorsque celle-ci s'écarte sans raison des règles établies par la doctrine et la jurisprudence en matière de libre appréciation, ou lorsqu'elle s'appuie sur des faits qui, dans le cas particulier, ne devaient jouer aucun rôle, ou encore lorsqu'elle ignore des éléments qui auraient absolument dû être pris en considération; en outre, le Tribunal fédéral redresse les décisions rendues en vertu d'un pouvoir BGE 132 III 109 S. 112 d'appréciation lorsqu'elles aboutissent à un résultat manifestement injuste ou à une iniquité choquante ( ATF 130 III 28 consid. 4.1 p. 32, ATF 130 III 213 consid. 3.1 p. 220; ATF 129 III 380 consid. 2 p. 382). 3. Le contrat du 22 mai 2001 a été conclu par écrit sur la base d'une formule imprimée d'avance et, sous la rubrique "destination des locaux", il ne contient rien de plus que le libellé "bureaux". L'utilisation effective, de juin 2001 à février 2003, n'a pas été élucidée mais il s'agissait vraisemblablement d'une activité administrative de l'organisation qui était alors locataire. La Chambre d'appel n'a pas constaté l'existence d'une réelle et commune intention des parties qui eût pour objet la destination des locaux concernés. Par conséquent, il faut rechercher comment, selon le principe de la confiance ( ATF 131 III 268 consid. 5.1.3 p. 276; ATF 130 III 417 consid. 3.2; ATF 129 III 118 consid. 2.5 p. 123), le demandeur pouvait et devait comprendre le terme "bureaux" au moment où il est devenu partie au contrat, le 13 février 2003. Or, ce terme désigne habituellement des locaux équipés et meublés pour l'exercice d'activités essentiellement intellectuelles ou administratives, activités qui se manifestent par la création ou la modification de documents, la tenue de discussions ou l'usage des télécommunications. Les massages érotiques ne s'inscrivent aucunement dans ce profil et on n'envisage pas qu'un salon tel que celui du demandeur puisse être normalement exploité dans des bureaux. En effet, une entreprise de ce genre nécessite plutôt des locaux équipés et meublés autrement. Par ailleurs, il n'apparaît pas que la défenderesse ait consenti de façon tacite, avec ou après la convention du 13 février 2003, à une affectation autre que celle spécifiée dans le contrat initial. Ainsi, la Chambre d'appel retient à bon droit que l'exploitation du salon constitue une violation des obligations contractuelles du demandeur. 4. D'après cette autorité, la condition d'une situation insupportable pour la défenderesse est aussi réalisée. Cette partie a allégué les nuisances subies par divers voisins et elle a offert les preuves correspondantes; la Chambre d'appel n'a toutefois pas jugé utile de les administrer. Elle a de toute manière considéré que l'entreprise du demandeur pouvait être assimilée à un lieu de prostitution, en particulier "du point de vue de la respectabilité de l'immeuble et de la tranquillité des autres locataires". Elle a constaté que le bâtiment comportait déjà un dancing avec strip-tease et un "bar à champagne"; toutefois, cela n'obligeait pas la défenderesse à "tolérer toute activité liée au sexe" dans les étages supérieurs qui étaient BGE 132 III 109 S. 113 occupés par des bureaux et des appartements. Dans son prononcé, la Chambre d'appel consacre ses plus longs développements au fait qu'en se faisant passer pour un consultant en informatique, le demandeur a trompé la défenderesse au sujet de ses intentions. On observe d'emblée que la tromperie imputable au demandeur, quoique blâmable, n'est d'aucune pertinence pour apprécier si l'exploitation du salon de massages crée réellement et objectivement une situation insupportable. Pour le surplus, l'arrêt ne constate aucun inconvénient concrètement subi par la défenderesse ou par des occupants de l'immeuble. Selon les juges d'appel, la connotation lascive de l'activité pratiquée dans les locaux engendre par elle-même, indépendamment de toute gêne effective pour le voisinage, une situation insupportable. Or, cette approche purement abstraite ne satisfait pas aux exigences d'une appréciation conforme aux art. 4 CC et 257f al. 3 CO; au contraire, même en cas de prostitution dans des locaux loués, le bailleur qui prétend résilier sur la base de cette dernière disposition doit prouver l'incidence négative subie par lui ou par le voisinage (arrêt 4C.267/1994 du 10 janvier 1995, consid. 2b, mp 1996 p. 7). A première vue, l'arrêt attaqué devrait donc être annulé, et la cause renvoyée à la juridiction cantonale pour faire administrer et apprécier les preuves offertes par la défenderesse ( art. 64 al. 1 OJ ). 5. Il y a cependant lieu de reconsidérer la portée que la jurisprudence confère à l' art. 257f al. 3 CO en rapport avec les stipulations des parties concernant l'utilisation de la chose. L' art. 257f al. 3 CO vise un cas particulier d'inexécution des obligations, spécifique à la relation entre bailleur et locataire, et il en règle les effets. Dans son domaine de validité, il exclut l'application des règles générales de l' art. 107 CO relatif aux droits de la partie qui ne parvient pas à obtenir le respect d'un contrat. Selon son texte, cette disposition spéciale vise les manquements du locataire dans son devoir de diligence concernant la chose, d'une part, ou dans les égards dus au voisinage, s'il s'agit d'une chose immobilière, d'autre part. Adhérant à l'avis des commentateurs, le Tribunal fédéral a jugé ce texte trop restrictif, en ce sens qu'en réalité, l' art. 257f CO régit également le cas où le locataire use de la chose en violation des stipulations du contrat (arrêt du 27 février 1997 in ATF 123 III 124 , précité, consid. 2a p. 126). Il existe encore un autre cas particulier d'inexécution des obligations imposées au locataire, concernant le paiement régulier du loyer et BGE 132 III 109 S. 114 des frais accessoires, qui est réglé à l' art. 257d CO . En dehors de ces hypothèses régies par des dispositions spéciales, le bailleur peut user des droits conférés par l' art. 107 CO si le locataire se trouve en demeure ( ATF 123 III 124 consid. 3b p. 127). Sous certaines conditions ayant surtout pour objet une sommation de la partie lésée et l'assignation, par elle, d'un délai convenable d'exécution, cette partie peut résilier le contrat alors même que, éventuellement, la violation imputable à l'autre partie n'engendre pas une situation insupportable. Le régime consacré par l'arrêt du 27 février 1997, en rapport avec l'hypothèse où le locataire use de la chose en violation des stipulations contractuelles, a pour conséquence que le bailleur n'est en mesure de parer à la violation du contrat que si l'utilisation effective, incompatible avec la convention des parties, conduit à une situation insupportable (BEAT ROHRER, commentaire ad ATF 123 III 124 in MietRecht Aktuell 1997 p. 113, 118). Pourtant, il est loisible au bailleur d'insérer, dans le bail de locaux commerciaux et avec l'acceptation du locataire, des clauses destinées à délimiter les activités qui seront admises dans ces locaux. Les clauses de ce genre peuvent notamment avoir pour but de définir l'ambiance ou le caractère de l'immeuble, ou de prévenir des conflits de voisinage. Leur légitimité n'est pas douteuse et on ne discerne aucun besoin de restreindre la liberté contractuelle dans ce domaine. Or, le régime précité entraîne une restriction de cette liberté, dans la mesure où le bailleur ne peut réagir contre une violation persistante desdites clauses qu'à la condition de prouver une situation objectivement insupportable. Il s'agit d'une restriction qui ne se déduit ni du texte ni du système de la loi. Le Tribunal fédéral ne l'a d'ailleurs pas voulue car l'arrêt du 27 février 1997 ne concernait pas un cas d'utilisation incompatible avec les clauses du contrat. La conséquence mise en évidence ici apparaît donc indésirable dans la présente affaire, où la défenderesse devait pouvoir imposer le respect de la clause d'affectation "bureaux" même si la violation du contrat, sur ce point, n'entraînait pas une situation insupportable. Au regard de l' art. 257f al. 3 CO , la résiliation n'est valable qu'après une protestation écrite du bailleur et une violation persistante des stipulations concernant l'utilisation de la chose; elle doit aussi satisfaire à la forme prévue par l' art. 266l CO et laisser au locataire un délai de départ de trente jours au moins, expirant à la fin d'un mois. Ces modalités sont adéquates et elles ne diffèrent pas BGE 132 III 109 S. 115 fondamentalement de celles prévues à l' art. 107 CO pour le régime général de l'inexécution des contrats (cf. CLAUDE RAMONI, Demeure du débiteur et contrats de droit suisse, thèse Lausanne 2002, n. 334-337 p. 157; voir aussi WOLFGANG WIEGAND, Commentaire bâlois, 3 e éd., n. 10 ad art. 109 CO ). Nul ne conteste que la défenderesse les ait dûment observées. Pour le surplus, comme on vient de le voir, il s'impose de renoncer à la condition ayant pour objet une situation objectivement insupportable. Dans son résultat, l'arrêt de la Chambre d'appel se révèle donc conforme au droit fédéral, ce qui conduit au rejet du recours.
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Sachverhalt ab Seite 362 BGE 115 V 362 S. 362 A.- Die Pensionskasse Schweizerischer Elektrizitätswerke (PKE) ist eine Genossenschaft im Sinne von Art. 828 ff. OR . Ihr gehören seit 1922 die Services Industriels de la Commune de Sion als Genossenschafter an, welche damit für einen Teil ihrer Mitarbeiter die berufliche Vorsorge durchführen liessen. Die Services Industriels erklärten auf den 31. März 1985 den Austritt aus der PKE, worauf ihnen gestützt auf Art. 30 Abs. 7 der PKE-Statuten 90% des Deckungskapitals oder Fr. 15'985'969.-- ausbezahlt wurden. B.- Am 25. März 1986 reichten die Services Industriels de la Commune de Sion beim Versicherungsgericht des Kantons Zürich gegen die PKE Klage ein auf Auszahlung der restlichen 10% des Deckungskapitals. Mit Urteil vom 8. Juli 1988 hiess das Versicherungsgericht die Klage in dem Sinne gut, dass es die PKE verpflichtete, den Services Industriels den Betrag von Fr. 1'775'045.-- nebst Zins zu 5% seit 25. März 1986 zu überweisen. BGE 115 V 362 S. 363 C.- Die PKE lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 8. Juli 1988 sei insoweit aufzuheben, als es die PKE verpflichte, den Services Industriels den Betrag von Fr. 1'775'045.-- nebst Zins zu 5% ab dem 25. März 1986 zu überweisen. Die Klage der vorinstanzlichen Klägerin sei vollumfänglich abzuweisen. Die Services Industriels de la Commune de Sion lassen Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen.
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Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. Das angefochtene Urteil betrifft einen Streit zwischen einer Vorsorgeeinrichtung (PKE) und einem Arbeitgeber (Services Industriels) über Fragen der beruflichen Vorsorge im Sinne von Art. 73 Abs. 1 BVG . Das Urteil kann daher gemäss Art. 73 Abs. 4 BVG an das Eidg. Versicherungsgericht weitergezogen werden ( BGE 113 V 200 Erw. 1a). Der Austritt der Services Industriels als Genossenschafter erfolgte erst nach Inkrafttreten des BVG, so dass der Anwendung der durch dieses Gesetz neu geschaffenen Zuständigkeitsordnung nichts im Wege steht ( BGE 113 V 292 , BGE 112 V 359 Erw. 3). 2. ... 3. a) Der Umfang der Überprüfungsbefugnis des Eidg. Versicherungsgerichts in Beschwerdesachen ergibt sich aus Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 und 105 OG . Nach Art. 104 lit. a OG kann mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens gerügt werden. Die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig oder unvollständig ist oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen erfolgte (Art. 104 lit. b in Verbindung mit Art. 105 Abs. 2 OG ). Im Beschwerdeverfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen (einschliesslich deren Rückforderung) erstreckt sich dagegen die Überprüfungsbefugnis des Eidg. Versicherungsgerichts auch auf die Angemessenheit der angefochtenen Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden und kann über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen ( Art. 132 OG ; erweiterte Kognition; BGE 108 V 247 Erw. 1a). BGE 115 V 362 S. 364 b) Unter den Begriff der Versicherungsleistungen in Art. 132 (und 134) OG fallen praxisgemäss Leistungen, über deren Rechtmässigkeit bei Eintritt des Versicherungsfalles befunden wird ( BGE 106 V 98 Erw. 3). Es handelt sich demnach um Ansprüche von Versicherten, nicht aber von Institutionen. Letztere können daher nicht als Versicherte gelten und demzufolge auch keinen Versicherungsfall im genannten Sinne auslösen. Der Beschwerdegegnerin fehlt somit die Versicherteneigenschaft, weshalb das vorliegende Verfahren keinen Streit über die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen nach Art. 132 (und 134) OG betrifft. Die Überprüfungsbefugnis richtet sich daher nach Art. 104 lit. b in Verbindung mit Art. 105 Abs. 2 OG (eingeschränkte Kognition). 4. a) Solange die Auflösung der Genossenschaft nicht beschlossen ist, steht gemäss Art. 842 OR jedem Genossenschafter der Austritt frei (Abs. 1). Die Statuten können vorschreiben, dass der Austretende zur Bezahlung einer angemessenen Auslösungssumme verpflichtet ist, wenn nach den Umständen durch den Austritt der Genossenschaft ein erheblicher Schaden erwächst oder deren Fortbestand gefährdet wird (Abs. 2). Ein dauerndes Verbot oder eine übermässige Erschwerung des Austritts durch die Statuten oder durch Vertrag sind ungültig (Abs. 3). b) Gemäss Art. 864 OR bestimmen die Statuten, ob und welche Ansprüche an das Genossenschaftsvermögen den ausscheidenden Genossenschaftern oder deren Erben zustehen. Diese Ansprüche sind aufgrund des bilanzmässigen Reinvermögens im Zeitpunkt des Ausscheidens mit Ausschluss der Reserven zu berechnen (Abs. 1). Die Statuten können dem Ausscheidenden oder seinen Erben ein Recht auf gänzliche oder teilweise Rückzahlung der Anteilscheine mit Ausschluss des Eintrittsgeldes zuerkennen. Sie können die Hinausschiebung der Rückzahlung bis auf die Dauer von drei Jahren nach dem Ausscheiden vorsehen (Abs. 2). c) Nach Art. 6 Abs. 1 lit. d der PKE-Statuten erlischt die Mitgliedschaft samt allen damit verbundenen Rechten und Pflichten ausser in den im Gesetz vorgesehenen Fällen unter anderem, wenn die Unternehmung, in deren Dienst das Mitglied steht, ihre Zugehörigkeit zur PKE durch schriftliche Erklärung aufgibt. Eine solche Erklärung kann nur unter Beobachtung einer Kündigungsfrist von einem Jahr jeweils auf Ende eines Geschäftsjahres und nachdem die Unternehmung mindestens fünf Jahre der PKE angehört hat, erfolgen. Sie erfordert entweder das Einverständnis der BGE 115 V 362 S. 365 Mehrheit der Mitglieder der austretenden Unternehmung (Ziff. 1) oder den Nachweis, dass die Unternehmung die Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenfürsorge für ihr Personal durch eine eigene Fürsorgeeinrichtung oder auf andere Weise zu ebenso günstigen Bedingungen für die Versicherten wie die PKE sichergestellt hat (Ziff. 2). d) Der Kollektivaustritt einer Unternehmung ist gemäss Art. 30 Abs. 6 der PKE-Statuten dem Einzelaustritt von Mitgliedern gleichgestellt; vorbehalten bleibt Abs. 7 dieser Bestimmung, welcher lautet: Erfolgt der Kollektivaustritt aufgrund von Art. 6 Abs. 1 lit. d Ziff. 2, so wird die Summe der Einzelaustrittsforderungen gemäss Abs. 6 auf 90% des für die austretende Gruppe nach Massgabe des Liquidationsgrades zu berechnenden vorhandenen Deckungskapitals erhöht und der neuen Fürsorgeeinrichtung der Unternehmung überwiesen. 5. a) Streitig und zu prüfen ist hier einzig, ob eine Pflicht der Beschwerdeführerin zur Herausgabe von mehr als 90% des Deckungskapitals gemäss Art. 30 Abs. 7 ihrer Statuten besteht. b) Die Beschwerdegegnerin liess im vorinstanzlichen Verfahren vorbringen, der Abzug von 10% des Deckungskapitals laufe praktisch auf eine Auslösungssumme im Sinne von Art. 842 Abs. 2 OR hinaus, wofür die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien. Die Vorinstanz hat diese These mit der Begründung verworfen, der Rückbehalt eines bestimmten Kapitalanteils könne schon rein begrifflich keine Auslösungssumme darstellen. Die herrschende Lehre (STUDER, Die Auslösungssumme im schweizerischen Genossenschaftsrecht, Diss. Bern 1977, S. 88; ROTHENBÜHLER, Austritt und Ausschluss aus der Genossenschaft, Diss. Zürich 1984, S. 73 ff.; FORSTMOSER, N. 41 zu Art. 842 OR ) betrachte die Auslösungssumme als ein Entgelt, mittels welchem sich der Genossenschafter von der gesellschaftlichen Bindung lösen könne; sie sei eine spezifische Leistungspflicht eines austretenden Genossenschafters. Dem ist beizupflichten. 6. a) Die Beschwerdegegnerin hat geltend gemacht, der Abzug von 10% des Deckungskapitals bedeute eine übermässige Erschwerung des Austritts und sei daher gemäss Art. 842 Abs. 3 OR ungültig. b) Nach dem Gesetz besitzt der ausscheidende Genossenschafter - wenn die Statuten nichts anderes vorsehen - keinen Anspruch auf eine Abfindung. Schweigen die Statuten, verfallen beim Austritt eines Mitglieds seine Einlagen und virtuellen Ansprüche BGE 115 V 362 S. 366 auf einen Anteil am Genossenschaftsvermögen. Das ist auch in der Literatur unbestritten (GERWIG, Schweizerisches Genossenschaftsrecht, Bern 1957, S. 239; VON STEIGER, Grundriss des Schweizerischen Genossenschaftsrechts, Zürich 1963, S. 71; GUTZWILLER, N. 16 zu Art. 864/865 OR; FORSTMOSER, Genossenschaftsrecht, Syst. Teil, N. 323). Daraus kann sich faktisch eine erhebliche Austrittserschwerung ergeben. Art. 842 Abs. 3 OR bietet indes keinen Schutz vor der Austrittserschwerung, die aus dem gesetzlich zulässigen Verfall der virtuellen Ansprüche auf das Genossenschaftsvermögen ( Art. 864 OR ) resultiert. Entsprechend liegt keine übermässige Austrittserschwerung im Sinne von Art. 842 Abs. 3 OR vor, wenn dem Ausscheidenden aufgrund der Satzungen kein Abfindungsanspruch zusteht. Noch weniger kann das angenommen werden, wenn die Statuten eine bloss teilweise Abfindung zuerkennen (siehe auch FORSTMOSER, N. 41 zu Art. 842 OR , GERWIG, a.a.O., S. 240 f.). Der Abzug von 10% des Deckungskapitals in Art. 30 Ziff. 7 der PKE-Statuten stellt demnach keine übermässige Austrittserschwerung im Sinne von Art. 842 Abs. 3 OR dar. 7. a) Die Vorinstanz hat gegen diese Grundsätze eingewendet, dass in ihnen den Besonderheiten einer Pensionskassengenossenschaft nicht Rechnung getragen werde. Das Bundesgericht habe in BGE 89 II 150 erkannt, dass die besondere Art der in Frage stehenden Genossenschaft mit berücksichtigt werden müsse, um festzustellen, ob eine Austrittserschwerung das zulässige Mass übersteige. Zweck einer Personalvorsorgeeinrichtung sei es, aufgrund von Beiträgen der angeschlossenen Genossenschafter (Betriebe und deren Arbeitnehmer) eine planmässige Vorsorge zu betreiben und entsprechende Deckungsmittel für die in den Statuten vorgesehenen Vorsorgefälle zu äufnen. Im Gegensatz zur Tätigkeit anderer Genossenschaften werde von einer Personalvorsorgegenossenschaft damit auf lange Sicht aufgrund der geleisteten Beiträge ein Vorsorgeschutz aufgebaut. Die Vorsorgetätigkeit wäre sinn- und zwecklos, wenn es einer Personalvorsorgegenossenschaft freistünde, beim Austritt eines Kollektivmitglieds im Rahmen der Regelung von Art. 864 und 865 OR die Deckungskapitalien der Genossenschaft verfallen zu lassen oder empfindlich zu kürzen. Entgegen der von der PKE vertretenen Auffassung habe das Bundesgericht bereits in BGE 80 II 132 und 133 festgestellt, dass Statutenbestimmungen einer Personalvorsorgegenossenschaft, welche die Rückzahlung geleisteter Beiträge, ja sogar die Ausrichtung fällig gewordener Renten ausschlössen, die Folgen BGE 115 V 362 S. 367 des Austritts verschärfen, diesen erschweren und praktisch sogar die grundsätzlich gewährleistete Austrittsfreiheit vernichten würden. Das Gericht habe darauf hingewiesen, dass bei Personalvorsorgegenossenschaften der Verfall der geleisteten Beiträge der Versicherten als ungerecht erscheinen würde, weil die Rückerstattung einem ethischen Bedürfnis entspreche. Dies sei die Folge der innern Rechtfertigung dieser Art von Genossenschaften. Diese bundesgerichtlichen Überlegungen hätten auch im Rahmen von Art. 30 Abs. 7 der PKE-Statuten zu gelten, so dass eine Kürzung der Deckungskapitalien unter den besondern Verhältnissen einer Pensionskassengenossenschaft als übermässige Erschwerung des Austritts gewertet werden müsse. b) Der genannte BGE 80 II 123 ff. lässt indes die von der Vorinstanz gezogenen Schlüsse nicht zu. In diesem Entscheid hatte das Bundesgericht über die Rechtmässigkeit einer Statutenbestimmung einer Pensionskassengenossenschaft zu befinden, wonach bei Ausschluss oder Austritt des Mitglieds bereits entstandene Rentenansprüche dahinfielen. Das Gericht erkannte, dass eine einmal entstandene Leistungspflicht der genossenschaftlichen Pensionskasse "selbständiger Natur" ist bzw. dass die Forderung des Mitglieds "vom Eintritt des Versicherungsfalles an" "selbständigen Charakter erlangt hat und die Eigenschaft eines wohlerworbenen Rechts ( BGE 61 II 171 ff.) besitzt" (S. 129 f. Erw. 2b); bereits entstandene Rentenansprüche können daher dem Berechtigten nicht mehr entzogen werden (S. 131 Erw. 2c). Es ging demnach in diesem Entscheid nicht um die Frage der übermässigen Austrittserschwerung infolge Verfalls des Anteils am Genossenschaftsvermögen. Dazu wurde vielmehr unmissverständlich festgehalten, dass dem ausscheidenden Genossenschafter keinerlei Ansprüche "auf Anteil am Genossenschaftsvermögen als solchem" zustehen und dieser somit "nach Gesetz wie nach den Statuten" keinen Abfindungsanspruch geltend machen könne (S. 128 Erw. 2a). Das Bundesgericht steht mithin in BGE 80 II 123 ff. ebenfalls auf dem Boden der oben dargelegten Lehre, wonach der Verfall eines jeglichen Anspruchs auf einen Anteil am Genossenschaftsvermögen bei Austritt nicht unter dem Titel der übermässigen Austrittserschwerung gemäss Art. 842 Abs. 3 OR korrigiert werden kann. Daran ist festzuhalten. Der Austritt eines Arbeitgebers mit seiner Belegschaft aus einer genossenschaftlichen Pensionskasse löst zweifellos keinen Versicherungsfall im herkömmlichen Sinne des Wortes aus. Ebenso BGE 115 V 362 S. 368 trifft es nicht zu, dass allenfalls vor dem Austritt der Services Industriels aus der PKE der heute streitige Anspruch entstanden sei und die Eigenschaft eines wohlerworbenen Rechts erlangt haben könnte. Schliesslich liegen auch keine Verhältnisse vor, die zulässigerweise mit einem Versicherungsfall verglichen werden könnten. Es lässt sich daher aus BGE 80 II 123 ff. auch nicht analogieweise etwas zugunsten der Beschwerdegegnerin herleiten. 8. Die Vorinstanz hat die Frage geprüft, ob sich die Regeln, welche zum nachgenannten Anwendungsfall eines gruppenweisen Austritts von Destinatären einer Personalvorsorgestiftung entwickelt worden sind, auf den vorliegenden Fall des Austritts eines Genossenschafters übertragen lassen. Sie hat diese Praxis so zusammengefasst, dass Anwartschaften von Arbeitnehmern, die von Personalfluktuationen betroffen werden, zu denen die Arbeitgeberseite die Ursache gesetzt hat, keine wesentlichen Schmälerungen erfahren dürfen. Vielmehr haben die Arbeitnehmer nach dem Grundsatz von Treu und Glauben Anspruch auf Wahrung ihres Besitzstandes, was konkret bedeutet, dass das Personalvorsorgevermögen dem Personal folgen muss (siehe RIEMER, Die Auswirkungen grösserer Personalfluktuationen beim Arbeitgeber auf dessen Personalvorsorgestiftung, SZS 1982 S. 3 ff.; derselbe, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, S. 101, N. 11; BGE 110 II 436 ; SZS 1985 S. 200 Erw. 6). Die Vorinstanz hat ein solches Vorgehen im vorliegenden Fall zu Recht abgelehnt. Die Anwendung der angeführten Regel auf Personalvorsorgegenossenschaften wäre mit den in Erwägung 6 hievor dargelegten Grundsätzen nicht vereinbar, ganz abgesehen davon, dass im vorliegenden Fall keine Personalfluktuationen (im Sinne von Entlassungen ganzer Abteilungen eines Unternehmens oder in Form grundlegender Umstrukturierungen infolge von Handänderungen) in Frage stehen.
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Erwägungen ab Seite 335 BGE 139 III 334 S. 335 Aus den Erwägungen: 3. Der Beschwerdeführer beanstandet zunächst die Auferlegung der Gerichtskosten in der Höhe von Fr. 12'000.-. 3.1 Er ist der Auffassung, für das Nichteintreten wegen Nichtleistung des Kostenvorschusses dürften überhaupt keine Kosten erhoben werden. Diese Ansicht entbehrt der Grundlage. Die fristgemässe Leistung des Kostenvorschusses bildet eine Prozessvoraussetzung ( Art. 59 Abs. 2 lit. f ZPO ). Säumnis zieht Nichteintreten nach sich ( Art. 101 Abs. 3 ZPO ). Für derartige Nichteintretensentscheide sieht das Bundesrecht keine Kostenfreiheit vor. Im Kanton Zürich besteht ebenso wenig eine Kostenbefreiung nach kantonalem Recht ( Art. 116 ZPO ). Indem Art. 106 Abs. 1 Satz 2 ZPO bestimmt, dass bei Nichteintreten die klagende Partei als unterliegend gilt, bringt der Bundesgesetzgeber zudem zum Ausdruck, dass auch für Nichteintretensentscheide Kosten erhoben werden können. Es ist mithin zulässig, das Nichteintreten auf eine Klage mangels (fristgemässer) Leistung des Kostenvorschusses mit Kosten zu verbinden (ebenso RICHARD KUSTER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung, Baker & McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 6 zu Art. 101 ZPO ; STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2013, § 16 Rz. 29; SUTER/VON HOLZEN, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 15 zu Art. 101 ZPO ; DENIS TAPPY, in: Code de procédure civile commenté, Bohnet und andere [Hrsg.], 2011, N. 38 zu Art. 101 ZPO ). Im Übrigen erhebt auch das Bundesgericht im Grundsatz eine Gebühr, wenn es zufolge Nichtleistung des Kostenvorschusses auf eine Beschwerde nicht eintritt (vgl. THOMAS GEISER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 37 zu Art. 62 BGG ). Die gegenteilige Behauptung des Beschwerdeführers trifft nicht zu. BGE 139 III 334 S. 336 3.2 Eventualiter richtet sich der Beschwerdeführer gegen die Höhe der vorinstanzlich festgesetzten Gerichtsgebühr von Fr. 12'000.-. 3.2.1 Nach Art. 96 ZPO setzen die Kantone die Tarife für die Prozesskosten fest. Im Kanton Zürich gelangt die gestützt auf § 199 Abs. 1 des Gesetzes des Kantons Zürich vom 10. Mai 2010 über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess (GOG; LS 211.1) erlassene Gebührenverordnung des Obergerichts vom 8. September 2010 (GebV OG; LS 211.11) zur Anwendung. § 2 Abs. 1 lit. a GebV OG nennt als Grundlage für die Festsetzung der Gebühren im Zivilprozess den Streitwert bzw. das tatsächliche Streitinteresse, den Zeitaufwand des Gerichts und die Schwierigkeit des Falls (vgl. auch § 199 Abs. 3 GOG). § 4 Abs. 1 GebV OG sieht für vermögensrechtliche Streitigkeiten ein nach Streitwert abgestuftes Raster für die Grundgebühr vor. Bei einem Streitwert über Fr. 1 Mio. bis Fr. 10 Mio. beträgt die Grundgebühr Fr. 30'750.- zuzüglich 1 % des Fr. 1 Mio. übersteigenden Streitwertes. Die Grundgebühr kann unter Berücksichtigung des Zeitaufwandes des Gerichts und der Schwierigkeit des Falls ermässigt oder um bis zu einem Drittel, in Ausnahmefällen bis auf das Doppelte, erhöht werden (§ 4 Abs. 2 GebV OG). Wird das Verfahren ohne Anspruchsprüfung oder nach Säumnis erledigt, kann die gemäss §§ 4-8 bestimmte Gebühr bis auf die Hälfte reduziert werden (§ 10 Abs. 1 GebV OG). Für die vorliegende Klage mit einem Streitwert von Fr. 1,5 Mio. setzte die Vorinstanz die Grundgebühr in Übereinstimmung mit § 4 Abs. 1 GebV OG auf Fr. 35'750.- fest. In Anwendung von § 4 Abs. 2 und § 10 Abs. 1 GebV OG reduzierte sie die ordentliche Grundgebühr auf rund einen Drittel, mithin auf Fr. 12'000.-. Der Beschwerdeführer rügt, die vorinstanzliche Kostenfestsetzung verletze das Kostendeckungs- sowie das Äquivalenzprinzip und sei überdies willkürlich. Zudem habe die Vorinstanz Art. 119 Abs. 6 ZPO missachtet. 3.2.2 Dass die Vorinstanz die Gerichtsgebühr auch zur Abgeltung des Aufwands für die Behandlung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege festgelegt hätte, geht aus dem angefochtenen Beschluss nicht hervor und ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht anzunehmen, nachdem die Vorinstanz im Beschluss vom 18. Dezember 2012 betreffend Abweisung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege ausdrücklich auf das Verbot der Kostenerhebung BGE 139 III 334 S. 337 im Gesuchsverfahren hinwies. Mithin kann der Vorinstanz insofern kein fehlerhaftes Vorgehen vorgeworfen werden. 3.2.3 Das Kostendeckungsprinzip besagt, dass der Gebührenertrag die gesamten Kosten des betreffenden Verwaltungszweigs nicht oder nur geringfügig übersteigen soll (vgl. BGE 126 I 180 E. 3a/aa mit Hinweisen). Es spielt im Allgemeinen für Gerichtsgebühren keine Rolle, decken doch erfahrungsgemäss die von den Gerichten eingenommenen Gebühren die entsprechenden Kosten bei Weitem nicht ( BGE 120 Ia 171 E. 3 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer zeigt jedenfalls nicht auf, dass Letzteres für die Zürcher Justiz nicht zutreffen soll. Seine Ansicht, das Kostendeckungsprinzip sei verletzt, begründet er vielmehr mit dem unbehelflichen Hinweis, dass die vom Gericht vorgenommenen Handlungen konkret weniger gekostet hätten als die in Rechnung gestellte Gerichtsgebühr. Die Rüge erweist sich als unbegründet (vgl. Urteile 2C_404/2010 vom 20. Februar 2012 E. 6.5; 4P.315/2006 vom 22. Mai 2007 E. 2.2.2). 3.2.4 Das Äquivalenzprinzip verlangt in Konkretisierung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes insbesondere, dass eine Gebühr nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zum objektiven Wert der bezogenen Leistung stehen darf und sich in vernünftigen Grenzen bewegen muss (im Allgemeinen: BGE 132 II 47 E. 4.1; BGE 130 III 225 E. 2.3 S. 228; BGE 126 I 180 E. 3a/bb; je mit Hinweisen; im Speziellen für Gerichtsgebühren: BGE 120 Ia 171 E. 2a mit Hinweisen). Der Wert der Leistung bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Nutzen, den sie dem Pflichtigen bringt, oder nach dem Kostenaufwand der konkreten Inanspruchnahme im Verhältnis zum gesamten Aufwand des betreffenden Verwaltungszweigs, wobei schematische, auf Wahrscheinlichkeit und Durchschnittserfahrungen beruhende Massstäbe angelegt werden dürfen. Es ist nicht notwendig, dass die Gebühren in jedem Fall genau dem Verwaltungsaufwand entsprechen; sie sollen indessen nach sachlich vertretbaren Kriterien bemessen sein und nicht Unterscheidungen treffen, für die keine vernünftigen Gründe ersichtlich sind ( BGE 128 I 46 E. 4a S. 52; BGE 126 I 180 E. 3a/bb). Bei der Festsetzung von Verwaltungsgebühren darf deshalb innerhalb eines gewissen Rahmens auch der wirtschaftlichen Situation des Pflichtigen und dessen Interesse am abzugeltenden Akt Rechnung getragen werden, und bei Gerichtsgebühren darf namentlich der Streitwert eine massgebende Rolle spielen. Dem Gemeinwesen ist es nicht verwehrt, mit den Gebühren für bedeutende Geschäfte den Ausfall in weniger bedeutsamen BGE 139 III 334 S. 338 Fällen auszugleichen. In Fällen mit hohem Streitwert und starrem Tarif, der die Berücksichtigung des Aufwandes nicht erlaubt, kann die Belastung allerdings unverhältnismässig werden, namentlich dann, wenn die Gebühr in Prozenten oder Promillen festgelegt wird und eine obere Begrenzung fehlt ( BGE 130 III 225 E. 2.3 mit Hinweisen). Der Zürcher Tarif zieht als Grundlage für die Bemessung der Gerichtsgebühr nicht allein den Streitwert bzw. das tatsächliche Streitinteresse heran, sondern berücksichtigt auch den Zeitaufwand des Gerichts und die Schwierigkeit des Falls. § 4 Abs. 2 GebV OG erlaubt eine Ermässigung der Grundgebühr unter Berücksichtigung dieser Kriterien ohne Begrenzung nach unten. Sodann kann die - allenfalls bereits ermässigte - Grundgebühr bei Erledigung ohne Anspruchsprüfung oder nach Säumnis bis auf die Hälfte reduziert werden (§ 10 Abs. 1 GebV OG). Mit diesen Möglichkeiten kann sowohl dem Nutzen für den Gebührenpflichtigen als auch dem Aufwandkriterium hinreichend Rechnung getragen werden. Sie erlauben, die Gerichtsgebühr so festzusetzen, dass sie sich in vernünftigen Grenzen hält und nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zum objektiven Wert der bezogenen Leistung steht (vgl. Urteil 4P.315/2006 vom 22. Mai 2007 E. 2.2.2). Die anwendbaren Tarifbestimmungen sind demnach unter dem Gesichtspunkt des Äquivalenzprinzips nicht zu beanstanden. Damit stellt sich nur die Frage, ob dem Äquivalenzprinzip im konkreten Einzelfall nachgelebt wurde. Der Beschwerdeführer bringt vor, der Nichteintretensbeschluss habe der Vorinstanz den denkbar geringsten Aufwand verursacht, zumal der Aufwand für die Behandlung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege mit Blick auf die dafür vorgeschriebene Kostenlosigkeit nicht berücksichtigt werden dürfe (dazu E. 3.2.2). Wenn eine Gebühr von Fr. 12'000.- für einen mangels Leistung des Kostenvorschusses gefällten Nichteintretensentscheid gemessen am Aufwand als sehr hoch erscheinen mag, so ist andererseits zu berücksichtigen, dass der Streitwert auch bei Nichteintretensentscheiden ein relevantes Bemessungskriterium bilden darf. Der Beschwerdeführer wendet ein, der angefochtene Beschluss habe keine materielle Rechtskraftwirkung in Bezug auf den eingeklagten Anspruch. Die Leistung der Vorinstanz sei daher für den Beschwerdeführer (wie auch für die Beschwerdegegnerin) ohne jeglichen Nutzen. Diese Argumentation verfängt nicht. Der objektive Wert der bezogenen Leistung kann BGE 139 III 334 S. 339 nicht nach der Art der Verfahrenserledigung respektive dem effektiven Prozessausgang in Bezug auf das eingeklagte Recht bestimmt werden. Der wirtschaftliche Nutzen für den Rechtssuchenden besteht vielmehr im Zugang zur Justiz an sich, der darin besteht, dass er die Möglichkeit hat, seinen Anspruch mittels einer zulässigen Klage gerichtlich durchzusetzen. Der Wert dieser Möglichkeit ist umso grösser, je höher der Betrag des Klageanspruchs (Streitwert) liegt. In Berücksichtigung aller massgebenden Kriterien ist daher fraglich, ob die erhobene Gerichtsgebühr unter dem Aspekt des Äquivalenzprinzips als unverhältnismässig beurteilt werden muss. Wie sich aus der nachfolgenden Erwägung ergibt, braucht die Frage indessen nicht abschliessend beantwortet zu werden. 3.2.5 Der Beschwerdeführer moniert, dass die Vorinstanz in Willkür verfallen sei, indem sie von der nach unten offenen Ermässigungsmöglichkeit gemäss § 4 Abs. 2 GebV OG völlig unzureichend Gebrauch gemacht habe. Nach ständiger Praxis des Bundesgerichts liegt Willkür in der Rechtsanwendung vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht ( BGE 137 I 1 E. 2.4 mit Hinweisen). Dabei greift das Bundesgericht in Ermessensentscheide, zu denen Entscheide über die Höhe der Gerichtsgebühr gehören, nur mit grösster Zurückhaltung ein (Urteil 4A_680/2011 vom 2. Dezember 2011 E. 2). Da die Vorinstanz die ordentliche Gerichtsgebühr pauschal in Anwendung von § 4 Abs. 2 und § 10 Abs. 1 GebV OG auf rund einen Drittel reduzierte, ist nicht klar, in welchem betragsmässigen Umfang sie nach § 4 Abs. 2 GebV OG dem geringen Zeitaufwand durch eine Ermässigung der ordentlichen Gerichtsgebühr Rechnung trug und inwieweit sie von der Kürzungsmöglichkeit nach § 10 Abs. 1 GebV OG Gebrauch machte. Die Kürzungsmöglichkeit nach § 10 Abs. 1 GebV OG ("Besonderheiten bei der Verfahrenserledigung") trägt dem Umstand Rechnung, dass die Erledigung ohne Anspruchsprüfung oder bei Säumnis oftmals mit geringerem Aufwand verbunden ist, als wenn eine materielle Anspruchsprüfung erfolgt. Dies braucht indessen nicht BGE 139 III 334 S. 340 stets der Fall zu sein. So kann beispielsweise das Nichteintreten zufolge internationaler oder örtlicher Unzuständigkeit mit erheblichem Aufwand verbunden sein. § 10 Abs. 1 GebV OG ist aus diesem Grund als Kann-Vorschrift formuliert und eröffnet einen Rahmen (bis zur Hälfte) (vgl. HAUSER/SCHWERI/LIEBER, Kommentar zum zürcherischen Gesetz über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess, 2012, N. 38 zu § 199 GOG). Das Nichteintreten mangels Leistung des Kostenvorschusses verursacht demgegenüber in der Tat einen denkbar geringen Aufwand für das Gericht, weshalb hier eine Ermässigung gemäss § 4 Abs. 2 GebV OG und kumulativ die Ausschöpfung der Kürzungsmöglichkeit um die Hälfte nach § 10 Abs. 1 GebV OG zwingend erscheint. Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen, nachdem die Vorinstanz die ordentliche Gerichtsgebühr insgesamt auf rund einen Drittel kürzte: Der geringe Aufwand für das Gericht führte zu einer maximalen Kürzung nach § 10 Abs. 1 GebV OG, und die Vorinstanz berücksichtigte den nämlichen Umstand zudem durch eine Ermässigung der Grundgebühr nach § 4 Abs. 2 GebV OG. Der Beschwerdeführer hält die Reduktion der ordentlichen Gerichtsgebühr auf rund einen Drittel für ungenügend. Er argumentiert, indem die GebV OG für die Ermässigung keinerlei Begrenzung nach unten festlege, komme zum Ausdruck, dass bei einem - wie hier - denkbar geringsten Zeitaufwand des Gerichts die Gerichtsgebühr auf Null oder auf einen symbolischen Betrag zu reduzieren sei. Andere Kantone würden denn auch für Nichteintretensentscheide wegen Nichtleistung des Kostenvorschusses keine (Waadt) oder sehr geringe Gebühren (Genf) vorsehen. Es sei stossend und laufe dem Gerechtigkeitsgedanken zuwider, dass der Beschwerdeführer, nur weil er seine Klage im Kanton Zürich habe anhängig machen müssen, mit einer Gebühr in der Höhe von Fr. 12'000.- konfrontiert sei, während er in anderen Kantonen für die gleiche Leistung nichts oder fast nichts hätte bezahlen müssen, zumal auch in Zürich eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für eine Reduktion der Gerichtsgebühr bei geringem Zeitaufwand (ohne Begrenzung nach unten) bestehe. Die Belastung mit Kosten von Fr. 12'000.- sei auch im Ergebnis unhaltbar, nachdem der Beschwerdeführer mangels hinreichender Mittel um unentgeltliche Rechtspflege habe ersuchen und - nach Abweisung des Gesuchs - auf seine Klage verzichten müssen, weil er den Kostenvorschuss nicht habe aufbringen können. BGE 139 III 334 S. 341 Der Willkürvorwurf ist berechtigt. § 4 Abs. 2 GebV OG sieht vor, dass die Grundgebühr unter Berücksichtigung des Zeitaufwands des Gerichts und der Schwierigkeit des Falls ermässigt werden kann, und legt dafür keine Begrenzung nach unten fest (vgl. zur Berücksichtigung von Zeitaufwand und Schwierigkeit des Falls allgemein HAUSER/SCHWERI/LIEBER, a.a.O., N. 8 sowie 20 f. zu § 199 GOG). Vorliegend kommt es einer unsachgemässen Nichtausschöpfung des dem Gericht eingeräumten Ermessensspielraums gleich, wenn die Vorinstanz dem Umstand, dass der Fall für das Gericht einen äusserst geringen Zeitaufwand erforderte, nicht durch eine erheblich stärkere Ermässigung der Grundgebühr Rechnung trug. Es ist in der Tat kaum eine andere Konstellation vorstellbar, die dem Gericht noch weniger Aufwand abverlangte, als das Nichteintreten wegen Nichtleistung des Kostenvorschusses. Dabei ist stets im Auge zu behalten, dass der Aufwand für die Behandlung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege mit Blick auf Art. 119 Abs. 6 ZPO - ausser bei Bös- oder Mutwilligkeit, wovon vorliegend aber keine Rede ist - nicht in Rechnung gestellt werden darf (vgl. E. 3.2.2). Die Vorinstanz hat ihr Ermessen unterschritten, indem sie trotz geringstem Zeitaufwand von der Ermässigungsmöglichkeit nach § 4 Abs. 2 GebV OG nur unzureichend Gebrauch machte. Hingegen findet die Ansicht des Beschwerdeführers, es sei unter den gegebenen Umständen gänzlich auf die Erhebung einer Gebühr zu verzichten, im Normtext von § 4 Abs. 2 GebV OG, der nur von "ermässigen" und nicht von "verzichten" spricht, keine Stütze. Sodann ist dem Beschwerdeführer beizupflichten, dass die erhobene Gebühr von Fr. 12'000.- im Ergebnis stossend ist, wenn man berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer wegen Bedürftigkeit um unentgeltliche Rechtspflege ersuchte und nach deren Ablehnung schliesslich auf die Weiterverfolgung seiner Klage verzichtete. Unter Berücksichtigung dieses Umstands ist die auf Fr. 12'000.- festgesetzte Gerichtsgebühr schlechterdings nicht mehr vertretbar und willkürlich hoch. (...) 4. Der Beschwerdeführer rügt sodann, dass ihm zugunsten der Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung von Fr. 9'000.- auferlegt wurde. 4.1 Betreffend Parteientschädigung erwog die Vorinstanz, dass sich die Beschwerdegegnerin lediglich zum Gesuch des BGE 139 III 334 S. 342 Beschwerdeführers um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege habe äussern müssen. Dabei habe sie sich auch zur Aussichtslosigkeit geäussert, was eine entsprechende Instruktion der Rechtsvertreter durch die Klientschaft vorausgesetzt habe. In Anwendung von § 10 Abs. 1 lit. a (betreffend Zwischenentscheide) und § 11 Abs. 4 (erfolgte Instruktion) der (kantonalen) Verordnung über die Anwaltsgebühren vom 8. September 2010 (AnwGebV; LS 215.3) sowie unter Berücksichtigung des hohen Streitwerts setzte sie die Parteientschädigung auf rund einen Viertel der ordentlichen Grundgebühr fest. 4.2 Der Beschwerdeführer beanstandet, die Zusprechung einer Parteientschädigung komme vorliegend einer unzulässigen Entschädigung für die Stellungnahme zum Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gleich. Da die Vorinstanz die Parteientschädigung einzig mit dem der Beschwerdegegnerin für die Stellungnahme zum Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege angefallenen Aufwand rechtfertigte, ist zu prüfen, ob im Gesuchsverfahren um unentgeltliche Rechtspflege der Gegenpartei des Hauptverfahrens eine Parteientschädigung zugesprochen werden darf, wenn sie von der ihr eingeräumten Äusserungsmöglichkeit Gebrauch gemacht hat. Diese Frage ist zu verneinen: Art. 119 Abs. 3 Satz 2 ZPO sieht vor, dass die Gegenpartei im Verfahren um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege angehört werden kann. Das Gesetz stellt somit die Anhörung der Gegenpartei in das richterliche Ermessen. Der Sinn und Zweck der Anhörung der Gegenpartei besteht darin, dem mit dem Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege befassten Richter zusätzliche Erkenntnisse zu verschaffen. Denn oft vermag die Gegenpartei zur Abklärung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie vor allem der Erfolgsaussichten der gestellten Rechtsbegehren beizutragen (siehe Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], BBl 2006 7303 zu Art. 117; vgl. auch ALFRED BÜHLER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 115 f. zu Art. 119 ZPO ). Nicht geregelt ist, wie es sich mit der Entschädigung der Gegenpartei verhält, wenn sich diese geäussert hat und das Gesuch in der Folge abgewiesen wurde. Die Frage, ob die Gegenpartei nach einer fakultativen Anhörung gemäss Art. 119 Abs. 3 Satz 2 ZPO Anspruch auf Parteikostenersatz hat, ist in der Literatur umstritten. Ein Teil der Lehre ist ausdrücklich der Meinung, dass der Gegenpartei diesfalls keine Parteientschädigung BGE 139 III 334 S. 343 zustehe (BÜHLER, a.a.O., N. 152 zu Art. 119 ZPO ; VIKTOR RÜEGG, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2010, N. 9 zu Art. 119 ZPO ). Andere Autoren schliessen die Zusprechung einer Parteientschädigung in dieser Konstellation dagegen zumindest nicht aus (FRANK EMMEL, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 15 zu Art. 119 ZPO ; STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, a.a.O., § 16 Rz. 63; TAPPY, a.a.O., N. 27 zu Art. 119 ZPO ). Eine Autorin ist der Auffassung, dass die gesetzliche Grundlage fehle, um die Gegenpartei leer ausgehen zu lassen, soweit diese gemäss Abs. 3 zum Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege Stellung genommen und eine Entschädigung verlangt habe (INGRID JENT-SØRENSEN, in: ZPO, Oberhammer [Hrsg.], 2010, N. 15 zu Art. 119 ZPO ). Die Parteientschädigung ist die Vergütung für den Aufwand, den die Beteiligung an einem gerichtlichen Verfahren einer Partei verursacht, namentlich die Kosten einer berufsmässigen Vertretung (vgl. Art. 95 Abs. 3 ZPO ). Allein der Umstand, dass die Gegenpartei des Hauptverfahrens im Gesuchsverfahren um die unentgeltliche Rechtspflege nach Art. 119 Abs. 3 Satz 2 ZPObloss fakultativ anzuhören ist, würde es nicht zwingend ausschliessen, ihr eine Parteientschädigung zuzusprechen, wenn sie zur Stellungnahme eingeladen wird und sich vernehmen lässt. Entscheidend ist jedoch, dass der Gegenpartei des Hauptverfahrens im Gesuchsverfahren um unentgeltliche Rechtspflege in diesem Fall keine Parteistellung zukommt (siehe Urteil 5A_29/2013 vom 4. April 2013 E. 1.1 mit Hinweis), da die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege das Rechtsverhältnis zwischen dem Gesuchsteller und dem Staat betrifft, nicht aber die Rechte und Pflichten der Gegenpartei tangiert. Dem entspricht es, dass die Gegenpartei des Hauptverfahrens keiner Rechte verlustig geht, wenn sie sich zum Gesuch nicht äussert. Aus dem Verzicht auf eine Stellungnahme zum Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann für den Hauptprozess nichts abgeleitet werden. Namentlich darf der Gegenpartei im Hauptprozess nicht etwa entgegengehalten werden, sie hätte mangels Bestreitung der Ausführungen des Gesuchstellers zu den Erfolgsaussichten dessen Behauptungen anerkannt. Die Gegenpartei des Hauptverfahrens würde ferner im umgekehrten Fall einer Gutheissung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege, nachdem sie sich zum Gesuch (ohne Bös- oder Mutwilligkeit) geäussert und einen Antrag gestellt hat, auch nicht mit einer Parteientschädigung an den Gesuchsteller belastet. Der durch das Gesuch verursachte anwaltliche Aufwand des BGE 139 III 334 S. 344 Gesuchstellers ist vom Entschädigungsanspruch des unentgeltlichen Rechtsbeistandes umfasst (vgl. BÜHLER, a.a.O., N. 151 zu Art. 119 ZPO ). Da die Beschwerdegegnerin vorliegend nicht Partei des Gesuchsverfahrens um unentgeltliche Rechtspflege war, steht ihr für dieses Verfahren keine Parteientschädigung zu, obwohl sie zur Stellungnahme eingeladen wurde und von der Äusserungsmöglichkeit Gebrauch gemacht hat. Dies hat die Vorinstanz verkannt, indem sie im Rahmen des Nichteintretensbeschlusses der Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung zusprach, mit der die fakultative Stellungnahme zum Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege abgegolten werden sollte. 4.3 Sodann rügt der Beschwerdeführer zu Recht, dass die Vorinstanz mit der Zusprechung einer Parteientschädigung auch die Dispositionsmaxime verletzt hat. Im Geltungsbereich der ZPO wird - anders als im Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht ( BGE 111 Ia 154 E. 4 und 5; BERNARD CORBOZ, Commentaire de la LTF, 2009, N. 53 zu Art. 68 BGG ; GEISER, a.a.O., N. 3 zu Art. 68 BGG ) - eine Parteientschädigung nicht von Amtes wegen, sondern nur auf Antrag festgesetzt. Die entsprechende Absicht des Gesetzgebers geht aus den Materialien hervor (Botschaft, a.a.O., 7296 zu Art. 102 und 103 ZPO ) und wird durch den Wortlaut von Art. 105 ZPO zum Ausdruck gebracht, indem Absatz 2 im Gegensatz zu Absatz 1 über die Gerichtskosten gerade nicht vorschreibt, dass die Parteientschädigung von Amtes wegen zugesprochen wird. Die Doktrin ist sich denn auch einig in dieser Frage (ALEXANDER FISCHER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung, Baker & McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 4 zu Art. 105 ZPO ; GASSER/RICKLI, Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kurzkommentar, 2010, N. 2 zu Art. 105 ZPO ; DAVID JENNY, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 6 zu Art. 105 ZPO ; RÜEGG, a.a.O., N. 2 zu Art. 105 ZPO ; MARTIN H. STERCHI, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 6 zu Art. 105 ZPO ; TAPPY, a.a.O., N. 7 zu Art. 105 ZPO ; ADRIAN URWYLER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kommentar, Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], 2011, N. 4 zu Art. 105 ZPO ). Die Beschwerdegegnerin hat indessen keinen entsprechenden Antrag gestellt, wie der Beschwerdeführer geltend macht und von der BGE 139 III 334 S. 345
10,558
4,245
Beschwerdegegnerin nicht bestritten wird. Die Dispositiv-Ziffer 4 des angefochtenen Beschlusses ist demnach auch aus diesem Grund aufzuheben, und der angefochtene Entscheid ist dahingehend neu zu fassen, dass keine Parteientschädigung zugesprochen wird.
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CH_BGE_005
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Federation
CH_BGE_005_BGE-139-III-334_2013-07-08
https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?lang=de&type=highlight_simple_query&page=12&from_date=&to_date=&from_year=2013&to_year=2013&sort=relevance&insertion_date=&from_date_push=&top_subcollection_clir=bge&query_words=&part=all&de_fr=&de_it=&fr_de=&fr_it=&it_de=&it_fr=&orig=&translation=&rank=119&highlight_docid=atf%3A%2F%2F139-III-334%3Ade&number_of_ranks=267&azaclir=clir
BGE_139_III_334
fba92992-ff32-43ce-bb0e-3289b470ffd3
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1,999
de
Sachverhalt ab Seite 114 BGE 125 II 113 S. 114 A.- K.S., geboren 1925, war früher als Bauunternehmer tätig. Diese Tätigkeit übte er massgeblich bis ins Jahr 1973 aus, reduzierte sie in den folgenden Jahren sukzessive und stellte sie schliesslich vollumfänglich ein. Im Jahre 1981 teilte er dem Gemeindesteueramt mit, er habe seine Tätigkeit als Bauunternehmer definitiv aufgegeben. Im Jahre 1968 kaufte er Land in D. und erstellte darauf in den Jahren 1968/69 durch die eigene Bauunternehmung ein Mehrfamilienhaus, das in der Folge vermietet wurde. Neben diesem Objekt verfügen K.S. und seine Ehefrau E.S. über weitere Liegenschaften, nämlich ein Mehrfamilienhaus in R., ein Wohn- und Geschäftshaus in W. sowie ein Ferienhaus in I. In den Jahren 1974 bis 1982 fanden verschiedene Käufe und Verkäufe von Liegenschaften statt. Im Jahre 1994 verkaufte K.S. das Mehrfamilienhaus in D. zum Preise von Fr. 1'700'000.--. Mit Veranlagungsmitteilung vom 4. Juni 1996 und der am 8. Juli 1996 zugestellten Steuerrechnung veranlagte der Steuerkommissär die Pflichtigen für die direkte Bundessteuer 1995/96 mit einem durchschnittlich steuerbaren Einkommen von Fr. 584'300.--, wobei er den Gewinn aus dem Verkauf des Mehrfamilienhauses in D. im Jahre 1994 gestützt auf Art. 16 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) mit Fr. 998'305.-- (durchschnittlich Fr. 499'152.--) mit einbezog. Die von den Pflichtigen dagegen erhobene Einsprache wurde mit Entscheid vom 22. August 1996 abgewiesen. B.- Gegen den Einspracheentscheid liessen K.S. und E.S. Beschwerde erheben. Die Bundessteuer-Rekurskommission des BGE 125 II 113 S. 115 Kantons Zürich hiess diese mit Entscheid vom 13. März 1997 (veröffentlicht in StE 1997 B 23.1 Nr. 37) teilweise gut und legte das steuerbare Einkommen für die direkte Bundessteuer 1995/96 auf Fr. 105'400.-- fest. Nach Auffassung der Rekurskommission kann die bisherige, auf Art. 21 Abs. 1 lit. a des Bundesratsbeschlusses vom 9. Dezember 1940 über die Erhebung einer direkten Bundessteuer (BdBSt; SR 642.11 a.F.) abgestützte Praxis zum «gewerbsmässigen Liegenschaftenhandel» unter der Herrschaft des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer nicht ohne weiteres übernommen werden. Nach dieser Praxis unterliegen Gewinne aus dem Verkauf von Liegenschaften als Erwerbseinkommen der direkten Bundessteuer, wenn sie auf einer Tätigkeit des Pflichtigen beruhen, welche über die gewöhnliche Verwaltung von Privatvermögen hinausgeht. Die Rekurskommission erwog, steuerbar seien nach Art. 18 Abs. 2 DBG als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit nur Kapitalgewinne aus der Veräusserung, Verwertung oder buchmässigen Aufwertung von Geschäftsvermögen. Eine Spaltung der selbständigen Erwerbstätigkeit in eine solche mit und in eine ohne Geschäftsvermögen laufe der Systematik des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer und überdies dem verfassungsrechtlich verankerten Harmonisierungsgebot zuwider. Der Steuerpflichtige habe im Zeitpunkt der Veräusserung der Liegenschaft keine selbständige Erwerbstätigkeit mehr ausgeübt und könne daher nicht mehr über Geschäftsvermögen verfügen. Da demnach Privatvermögen vorliege, stelle der erzielte Verkaufsgewinn keine nach Art. 18 Abs. 2 DBG steuerbare Einkunft aus selbständiger Erwerbstätigkeit dar, sondern gemäss Art. 16 Abs. 3 DBG steuerfreier Kapitalgewinn aus der Veräusserung von Privatvermögen. Entsprechend liess sie die für die Steuerperiode 1995/96 geltend gemachten Geschäftsverluste von durchschnittlich Fr. 20'249.-- (Fr. 23'860.-- im Jahr 1993 und Fr. 16'638.- im Jahre 1994) nicht zum Abzug zu. C.- Die Abteilung Direkte Bundessteuer des kantonalen Steueramtes Zürich hat gegen den Entscheid der Bundessteuer-Rekurskommission mit Eingabe vom 15. Mai 1997 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht erhoben mit dem Antrag, die Beschwerdegegner für die direkte Bundessteuer 1995/96 mit einem steuerbaren Einkommen von durchschnittlich Fr. 604'500.-- einzuschätzen. D.- Die Bundessteuer-Rekurskommission und die Beschwerdegegner K.S. und E.S. schliessen auf Abweisung der Beschwerde. BGE 125 II 113 S. 116 Die Beschwerdegegner beantragen eventualiter, das steuerbare Einkommen im Falle einer Gutheissung der Beschwerde auf Fr. 584'300.-- festzusetzen. Die Eidgenössische Steuerverwaltung stellt den Antrag, die Beschwerde gutzuheissen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut und bestätigt den Einsprache-Entscheid des Kantonalen Steueramtes Zürich vom 22. August 1996.
1,041
712
Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die Vorinstanz geht in ihrem Entscheid davon aus, die unter dem Bundesratsbeschluss über die Erhebung einer direkten Bundessteuer entwickelte Praxis zur Besteuerung des gewerbsmässigen Liegenschaftenhandels (nach Art. 21 Abs. 1 lit. a BdBSt ) könne unter dem neuen Recht nicht unbesehen weitergeführt werden. Das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer unterscheide systematisch nur noch zwischen Privatvermögen und Geschäftsvermögen. Der frühere Bundesratsbeschluss habe dagegen eine Dreiteilung gekannt, nach der gemäss einer langjährigen Praxis gestützt auf Art. 21 Abs. 1 lit. a BdBSt auch Gewinne aus einer die schlichte Vermögensverwaltung übersteigenden Erwerbstätigkeit besteuert worden seien. Nach Art. 18 Abs. 1 und 2 DBG seien alle Einkünfte aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit steuerbar, namentlich auch alle Kapitalgewinne aus Veräusserung, Verwertung oder buchmässiger Aufwertung von Geschäftsvermögen. Der selbständig Erwerbstätige nehme regelmässig durch Einsatz von Arbeitsleistung und Kapital in frei bestimmter Selbstorganisation planmässig, anhaltend und nach aussen sichtbar zum Zweck der Gewinnerzielung am wirtschaftlichen Verkehr teil. Die Verwaltung eigenen Vermögens sei dagegen keine Erwerbstätigkeit, auch dann nicht, wenn das Vermögen gross sei und der Steuerpflichtige zu seiner fortlaufenden Orientierung eine kaufmännische Buchhaltung führe oder führen lasse. Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Privatvermögen seien nach Art. 16 Abs. 3 DBG steuerfrei. Nach dem Gebot der Steuerharmonisierung ( Art. 42quinquies Abs. 1 BV ), gemäss dem u.a. auch das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer auf die kantonalen Steuergesetze abzustimmen sei, sei auch auf die kantonalen Begriffsbildungen zur selbständigen Erwerbstätigkeit und zur Abgrenzung des Geschäftsvermögens vom Privatvermögen Rücksicht zu nehmen; denn die neue Konzeption, die nur noch zwischen BGE 125 II 113 S. 117 Privatvermögen (Veräusserungsgewinne steuerfrei, Art. 16 Abs. 3 DBG ) und Geschäftsvermögen unterscheide, das die Grundlage einer selbständigen Erwerbstätigkeit bilde (Veräusserungsgewinne steuerbar, Art. 18 Abs. 1 und 2 DBG ), entstamme nachweislich kantonaler Doktrin und Praxis. 3. a) Das Gesetz ist in erster Linie aus sich selbst heraus, d.h. nach Wortlaut, systematischer Stellung, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen, aber auch nach der Entstehungsgeschichte auszulegen (vgl. BGE 123 II 9 E. 2 S. 11, 464 E. 3a S. 468; BGE 124 II 241 E. 3 S. 245 f., 265 E. 3a S. 268). Ausgangspunkt jeder Auslegung ist der Wortlaut; doch kann dieser allein nicht massgebend sein. Vom Wortlaut kann abgewichen werden, wenn triftige Gründe für die Annahme bestehen, dass er nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte, aus Sinn und Zweck der Norm oder aus dem Zusammenhang mit anderen Gesetzesbestimmungen ergeben (vgl. BGE 124 II 265 E. 3a S. 268, mit Hinweisen). Die allgemeinen, aus Art. 1 ZGB abgeleiteten Auslegungsregeln sind auch für das Steuerrecht massgebend (vgl. ERNST HÖHN/ROBERT WALDBURGER, Steuerrecht, 8. Aufl., S. 155 ff.); da der Bund nach Art. 42quinquies Abs. 1 BV die Harmonisierung der direkten Steuern von Bund, Kantonen und Gemeinden anstrebt, sind die üblichen Auslegungselemente im Steuerrecht durch harmonisierungsspezifische Auslegungselemente zu ergänzen (MARKUS REICH, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Band I/1, N. 26 ff. zu Art. 1 StHG [SR 642.14]). b) Unter dem Bundesratsbeschluss vom 9. Dezember 1940 über die Erhebung einer direkten Bundessteuer wurden Gewinne aus Liegenschaftenhandel gestützt auf Art. 21 Abs. 1 Ingress, Art. 21 Abs. 1 lit. a, d und f sowie auf Art. 43 Abs. 1 BdBSt besteuert. Nach Art. 21 Abs. 1 Ingress BdBSt war das gesamte Einkommen des Steuerpflichtigen, namentlich aus Erwerbstätigkeit steuerbar, nach Abs. 1 lit. a insbesondere jedes Einkommen aus einer Tätigkeit (namentlich aus Handel, Gewerbe, Industrie, Land- oder Forstwirtschaft, aus freien Berufen sowie Beamtung, Anstellung oder Arbeitsverhältnis und aus der Erfüllung einer Dienstpflicht). Kapital- und Aufwertungsgewinne wurden nur besteuert, wenn sie im Betrieb eines zur Führung kaufmännischer Bücher verpflichteten Unternehmens erzielt wurden ( Art. 21 Abs. 1 lit. d und f BdBSt ). Nach Art. 43 Abs. 1 wurde bei Aufhören der Steuerpflicht und bei Vornahme einer Zwischenveranlagung neben der Steuer vom übrigen Einkommen BGE 125 II 113 S. 118 eine volle Jahressteuer auf den in der Berechnungs- und in der Veranlagungsperiode erzielten Kapitalgewinnen und Wertvermehrungen im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. d und f BdBSt erhoben. In der Praxis zum Bundesratsbeschluss über die Erhebung einer direkten Bundessteuer wurden die Kapitalgewinne wie folgt unterschieden: - einerseits Kapitalgewinne, die im Rahmen schlichter Vermögensverwaltung oder in Ausnützung einer sich zufällig bietenden Gelegenheit erzielt wurden und steuerfrei waren; - anderseits Kapitalgewinne, die aus einer Erwerbstätigkeit resultierten und nach Art. 21 Abs. 1 lit. a BdBSt (der nicht verlangt, dass der Steuerpflichtige zur Führung von Büchern verpflichtet ist) besteuert wurden oder die von einem buchführungspflichtigen Unternehmen unabhängig von jeglicher Tätigkeit erzielt wurden und nach Art. 21 Abs. 1 lit. d und f sowie Art. 43 BdBSt besteuert wurden. c) Nach ständiger Praxis bilden Gewinne aus der Veräusserung von Liegenschaften Erwerbseinkommen und ist die damit verbundene Tätigkeit nach Art. 21 Abs. 1 lit. a BdBSt als Liegenschaftenhandel zu qualifizieren, wenn sie über die schlichte Verwaltung des Privatvermögens hinausgeht bzw. der Gewinn nicht nur in Ausnützung einer zufällig sich bietenden Gelegenheit erlangt wird, sondern die Tätigkeit in ihrer Gesamtheit auf Erwerb (Verdienst) gerichtet ist ( BGE 112 Ib 79 E. 2a; BGE 122 II 446 E. 3 S. 448 ff.; Pra 1998 234 E. 2c; ASA 61 791 E. 1a ; 63 43 E. 3a). Zur Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und (selbständiger) Erwerbstätigkeit haben Lehre und Rechtsprechung verschiedene Kriterien entwickelt. Ob eine Erwerbstätigkeit vorliegt, ist immer nach der Gesamtheit der Umstände zu beurteilen ( BGE 112 Ib 79 E. 2a S. 81; 122 II 446 E. 3a S. 449). Als Indizien für eine über die blosse Vermögensverwaltung hinausreichende Erwerbstätigkeit fallen bei Liegenschaftsgewinnen etwa die (systematische oder planmässige) Art und Weise des Vorgehens, die Häufigkeit von Liegenschaftsgeschäften, der enge Zusammenhang eines Geschäftes mit der beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, spezielle Fachkenntnisse, die Besitzesdauer, der Einsatz erheblicher fremder Mittel zur Finanzierung der Geschäfte oder die Verwendung des erzielten Gewinns bzw. die Wiederanlage in Liegenschaften in Betracht. Jedes dieser Indizien kann zusammen mit andern, im Einzelfalle jedoch unter Umständen auch bereits allein zur Annahme einer Erwerbstätigkeit im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. a BdBSt ausreichen (vgl. BGE 104 Ib 164 E. 1 S. 166; BGE 112 Ib 79 E. 2a S. 81; vgl. auch BGE 122 II 446 E. 3 BGE 125 II 113 S. 119 S. 448 ff.; ASA 58 666 E. 2 ; 61 666 E. 2 und 791 E. 1a; StE 1991 B 23.1 Nr. 24 E. 3b). So ist eine Erwerbstätigkeit anzunehmen, wenn eine steuerpflichtige Person ein Vermögensobjekt nicht bloss zum Zwecke der privaten Vermögensanlage oder in Ausnützung einer zufällig sich bietenden Gelegenheit, sondern in der offenkundigen Absicht erwirbt, es möglichst rasch mit Gewinn weiterzuveräussern, oder wenn sie sich bemüht, wie ein haupt- oder nebenberuflich selbständig Erwerbstätiger die Entwicklung eines Marktes zur Gewinnerzielung auszunützen (vgl. BGE 122 II 446 E. 3b S. 450). Nach der Rechtsprechung weist auf eine Erwerbstätigkeit auch hin, dass sich die pflichtige Person für ein bestimmtes Grundstücksgeschäft in einer einfachen Gesellschaft (Baukonsortium) mit einer Person verbindet, die sich in Ausübung ihres Berufes beteiligt und die Geschäftsführung für gemeinsame Rechnung im Einvernehmen mit ihr besorgt. In einem solchen Fall muss sich die pflichtige Person, die zur Erreichung des gemeinsamen Erwerbszwecks nur mit einer Einlage beigetragen hat, die vom geschäftsführenden Fachmann für Rechnung aller Teilhaber unternommenen Bemühungen wie eine eigene Erwerbstätigkeit anrechnen lassen (vgl. BGE 96 I 655 E. 2 S. 658 f.; BGE 122 II 446 E. 3b S. 450; Pra 1998 234 E. 2c). 4. a) Der Gesetzgeber hat in Art. 16 Abs. 1 DBG «alle wiederkehrenden und einmaligen Einkünfte» für steuerbar erklärt. Er hat damit - wie bereits in Art. 21 Abs. 1 Ingress BdBSt, der ebenfalls das «gesamte Einkommen des Steuerpflichtigen aus Erwerbstätigkeit, Vermögensertrag oder anderen Einnahmenquellen» als steuerbar qualifizierte - den Grundsatz der Gesamtreineinkommensbesteuerung aufgestellt. Der Auffassung von HÖHN/WALDBURGER (a.a.O., S. 308 f.), wonach das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer keine Generalklausel kenne, kann nicht gefolgt werden. Steuerfrei sind nach Art. 16 Abs. 3 DBG die Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Privatvermögen. Damit wird im Gesetz ausdrücklich festgehalten, was schon unter dem Bundesratsbeschluss über die Erhebung einer direkten Bundessteuer Gültigkeit hatte. Die hauptsächlichen steuerbaren Einkünfte sind in den Art. 17 bis 23 DBG näher umschrieben; insbesondere werden - im Gegensatz zum Bundesratsbeschluss über die Erhebung einer direkten Bundessteuer - die unselbständige Erwerbstätigkeit und die selbständige Erwerbstätigkeit in den Art. 17 und 18 DBG definiert. Art. 18 Abs. 1 DBG bestimmt, dass alle Einkünfte aus einem Handels-, Industrie-, Gewerbe-, Land- und Forstwirtschaftsbetrieb, BGE 125 II 113 S. 120 aus einem freien Beruf sowie aus jeder anderen selbständigen Erwerbstätigkeit steuerbar sind. Zu den Einkünften aus selbständiger Erwerbstätigkeit gehören nach Art. 18 Abs. 2 DBG auch alle Kapitalgewinne aus Veräusserung, Verwertung oder buchmässiger Aufwertung von Geschäftsvermögen. b) Das Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (Steuerharmonisierungsgesetz; StHG), das am 1. Januar 1993 in Kraft getreten ist und seine volle Wirkung für alle Kantone ab dem 1. Januar 2001 entfalten wird (vgl. Art. 72 StHG ), regelt die einkommenssteuerpflichtigen Einkünfte in den Art. 7 und 8. Wie das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer geht auch das Steuerharmonisierungsgesetz davon aus, dass alle wiederkehrenden Einkünfte, insbesondere solche aus selbständiger und unselbständiger Erwerbstätigkeit, der Einkommenssteuer unterliegen ( Art. 7 Abs. 1 StHG ). Die Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit werden in Art. 8 Abs. 1 und 2 StHG im Grundsatz gleich geregelt wie im Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, wobei die Kantone in Bezug auf Gewinne aus der Veräusserung von Grundstücken des Geschäftsvermögens nach Art. 12 Abs. 4 StHG ein anderes System vorsehen können, indem sie diese der Grundstückgewinnsteuer unterstellen. 5. a) Der Wortlaut von Art. 18 Abs. 1 DBG ist insofern klar, als er alle Einkünfte, die aus einem Handels-, Industrie-, Gewerbe-, Land- oder Forstwirtschaftsbetrieb sowie aus einem freien Beruf stammen, als steuerbar bezeichnet. Daneben wird aber auch «jede andere selbständige Erwerbstätigkeit» der Einkommenssteuer unterworfen. Weder im Gesetz noch in einer Verordnung wird näher festgelegt, was als selbständige Erwerbstätigkeit gilt oder unter welchen Voraussetzungen Liegenschaftsgewinne steuerbar sind. b) Der Terminus «selbständige Erwerbstätigkeit» ist ein steuerrechtlicher Begriff, der in der Praxis aufgrund der vielfältigen Sachverhalte, die damit abgedeckt werden, nicht klar definiert ist. Allgemein wird darunter jede Tätigkeit verstanden, bei der ein Unternehmer auf eigenes Risiko, unter Einsatz von Arbeit und Kapital, in einer frei gewählten Organisation und mit der Absicht der Gewinnerzielung am Wirtschaftsverkehr teilnimmt (vgl. BGE 121 I 259 E. 3c S. 263; ERNST BLUMENSTEIN/PETER LOCHER, System des Steuerrechts, 5. Aufl. 1995, S. 158; FRANCIS CAGIANUT/ERNST HÖHN, Unternehmenssteuerrecht, 3. Aufl. 1993, § 1 N. 17 ff. und 34 ff.; ERNST HÖHN/ROBERT WALDBURGER, Steuerrecht, 8. Aufl. 1997, BGE 125 II 113 S. 121 N. 33 zu § 14 S. 318; ERNST HÖHN, Interkantonales Steuerrecht, 3. Aufl. 1993, N. 5 ff. zu § 13 S. 194 f.; MARKUS REICH, a.a.O., N. 13 zu Art. 8 StHG ). Eine selbständige Erwerbstätigkeit kann haupt- oder nebenberuflich, dauernd oder temporär ausgeübt werden. Ob eine selbständige Erwerbstätigkeit vorliegt, ist stets nach den gesamten Umständen des Einzelfalles zu beurteilen (vgl. BGE 112 Ib 79 E. 2a S. 81; 122 II 446 E. 3a S. 449); die einzelnen Merkmale des Begriffs der selbständigen Erwerbstätigkeit dürfen nicht isoliert betrachtet werden und können auch in unterschiedlicher Intensität auftreten (vgl. REICH, a.a.O., N. 13 ff. zu Art. 8 StHG ). Auch wenn der Begriff im Normalfall die oben genannten Elemente umfasst, so bedeutet dies nicht, dass eine Tätigkeit, bei der einzelne dieser Elemente fehlen, automatisch nicht mehr selbständig ist. So kann es z.B. bei liberalen oder künstlerischen Berufen gänzlich am Einsatz von Kapital fehlen. Selbst der stille Teilhaber in einer einfachen Gesellschaft, die über einen gewerblichen oder geschäftlichen Betrieb verfügt, gilt als selbständig erwerbend. Das Bundesgericht hat im Übrigen erkannt, dass eine selbständige Erwerbstätigkeit (nach Art. 21 Abs. 1 lit. a BdBSt ) im Einzelfall auch vorliegen kann, wenn der Betreffende nicht nach aussen sichtbar am Wirtschaftsverkehr teilnimmt bzw. dass eine nebenberufliche, selbständige Erwerbstätigkeit auch gegeben sein kann, wenn kein selbständiger Marktauftritt vorliegt und wenn kein Unternehmen, Gewerbe oder Geschäft betrieben wird ( BGE 122 II 446 E. 5 S. 453). Der Begriff der selbständigen Erwerbstätigkeit nach Art. 18 DBG ist umfassender als jener der Unternehmung, des Geschäftes, Betriebes oder Gewerbes, die eine organisierte Einheit von Arbeit und Kapital erfordern (vgl. BLUMENSTEIN/LOCHER, a.a.O., S. 158; vgl. auch ROBERT PATRY, Grundlagen des Handelsrechts, in: Schweizerisches Privatrecht, Band VIII/1, S. 72 ff. und 87 f.). Das zeigt sich darin, dass Art. 18 Abs. 1 DBG nebst den Einkünften aus einem Betrieb (aus Handel, Industrie, Gewerbe, Land- oder Forstwirtschaft) und freien Berufen auch alle Einkünfte «aus jeder anderen selbständigen Erwerbstätigkeit» für steuerbar erklärt. c) Aus der Entstehungsgeschichte des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer ergibt sich nicht, dass der Gesetzgeber die Besteuerung der Einkünfte aus Erwerbstätigkeit (namentlich aus Liegenschaften- oder Wertpapierhandel) im Vergleich zum früheren Recht einschränken wollte. Der Botschaft (BBl 1983 III S. 162) ist vielmehr zu entnehmen, dass der Gesetzgeber bewusst eine BGE 125 II 113 S. 122 Erweiterung gegenüber dem bisherigen Recht vorgenommen hat, indem er die Kapitalgewinnsteuerpflicht (mit Art. 18 Abs. 2 DBG ) auf den gesamten Bereich der selbständigen Erwerbstätigkeit, d.h. auf alle Gegenstände des Geschäftsvermögens, ausgedehnt hat, während dem sie nach bisherigem Recht ( Art. 21 Abs. 1 lit. d BdBSt ) auf buchführungspflichtige Unternehmen beschränkt war (vgl. auch BERNHARD ZWAHLEN, in: ERNST HÖHN/PETER ATHANAS, Das neue Bundesrecht über die direkten Steuern, S. 57). Die Eidgenössischen Räte haben sich mit der Besteuerung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit und Kapitalgewinnen nicht im Detail auseinander gesetzt. d) Der Gesetzgeber nimmt somit an, dass auch Gewinne aus einer Tätigkeit, die über die schlichte Verwaltung von Privatvermögen hinausgeht, steuerbares Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit darstellen und auch die für diese Tätigkeit verwendeten Vermögenswerte Geschäftsvermögen bilden, selbst wenn keine in einem eigentlichen Unternehmen organisierte Tätigkeit vorliegt. Steuerfrei sind somit nach Art. 16 Abs. 3 DBG jene Kapitalgewinne auf Privatvermögen, die im Rahmen der gewöhnlichen Vermögensverwaltung, d.h. ohne besondere, auf Erwerb gerichtete Aktivität des Pflichtigen, oder aufgrund einer sich zufällig bietenden Gelegenheit entstehen. Aus diesen Gründen kann - entgegen der Auffassung der Vorinstanz (vgl. namentlich E. 2b) - nicht angenommen werden, dass unter dem neuen Recht Gewinne, die aus einer Tätigkeit stammen, welche die schlichte Vermögensverwaltung zwar übersteigt, jedoch noch nicht ein eigentliches Gewerbe oder Unternehmen darstellt, steuerfrei sind. e) In der Lehre - auf die sich die Vorinstanz stützt - wird teilweise die Meinung vertreten, dass die bisherige Praxis, die eine Dreiteilung der Kapitalgewinne vorgenommen habe, nicht mehr weitergeführt werden könne. So ist MARKUS REICH (Der Begriff der selbständigen Erwerbstätigkeit im Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, in: Problèmes actuels de droit fiscal, Mélanges en l'honneur du Professeur Raoul Oberson, 1995, S. 117 ff., sowie im Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht, a.a.O., N. 9 ff. zu Art. 8 StHG ) der Auffassung, da es neben der (explizit steuerfreien) Privatvermögenssphäre lediglich die Sphäre des Geschäftsvermögens gebe, das Grundlage der selbständigen Erwerbstätigkeit bilde, genüge für eine Besteuerung neuerdings nicht mehr, dass die Gewinne bloss im Rahmen einer Tätigkeit angefallen seien, die über die schlichte Vermögensverwaltung hinausgehe; vielmehr sei jeweils BGE 125 II 113 S. 123 überzeugend zu begründen, weshalb im Einzelfall selbständige Erwerbstätigkeit vorliege. Eine allzu starke Einengung der Sphäre der privaten Vermögensverwaltung sei inskünftig nicht mehr möglich. Auch BLUMENSTEIN/LOCHER (a.a.O., S. 158) sind der Auffassung, dass der bisherigen Praxis des Bundesgerichts zu Art. 21 Abs. 1 lit. a BdBSt teilweise der Boden entzogen sein dürfte. Und FRANCIS CAGIANUT fordert (in: HÖHN/ATHANAS, Das neue Bundesrecht über die direkten Steuern, S. 51), dass die bundesgerichtliche Praxis überdacht werde und bei der Abgrenzung zwischen Steuerpflicht und Steuerfreiheit von Kapitalgewinnen die Regeln über die Unterscheidung von Privat- und Geschäftsvermögen vermehrt beachtet werden sollten. Mit der in der Rechtsprechung teilweise verwendeten Formulierung «Gewinne aus einer die schlichte Vermögensverwaltung übersteigenden Erwerbstätigkeit» ist nicht eine besondere Art von Erwerbstätigkeit gemeint. Diese Formulierung umschreibt lediglich ein Kriterium, das es erlauben soll, die selbständige Erwerbstätigkeit im Bereich des Immobilien- und Wertschriftenhandels von der Verwaltung des Privatvermögens abzugrenzen. Da von einem weiten Begriff der selbständigen Erwerbstätigkeit auszugehen ist (oben lit. b - d), erlaubt es Art. 18 DBG , eine Tätigkeit, welche die schlichte Verwaltung von Privatvermögen übersteigt, als eine Form der selbständigen Erwerbstätigkeit aufzufassen. Die von der Vorinstanz vertretene restriktive Auslegung des Begriffs der selbständigen Erwerbstätigkeit ist abzulehnen. Die Steuerfreiheit von privaten Kapitalgewinnen ( Art. 16 Abs. 3 DBG ) beschränkt sich demnach wie bisher auf die schlichte Verwaltung privaten Vermögens. Somit ist die bisherige Praxis beizubehalten, wonach Veräusserungsgewinne steuerbar sind, wenn sie in einer über die schlichte Vermögensverwaltung hinausgehenden Tätigkeit erzielt werden, auch wenn keine in einem eigentlichen Unternehmen organisierte Aktivität vorliegt (vgl. DANIELLE YERSIN, La distinction entre l'activité indépendante et la gestion de la fortune privée, dans le domaine immobilier, in: ASA 67 S. 105 ff.; ZWAHLEN, a.a.O., S. 57). f) Wenn mit der Vorinstanz davon ausgegangen würde, dass die zur Diskussion stehenden Aktivitäten nicht als selbständige Erwerbstätigkeit im Sinne von Art. 18 DBG zu qualifizieren wären, stellte sich die Frage, ob nicht eine Besteuerung im Rahmen der Generalklausel von Art. 16 Abs. 1 DBG in Betracht gezogen werden müsste. Die Besteuerung nach dieser Bestimmung hätte für den Steuerpflichtigen indessen gegebenenfalls den Nachteil, dass ihm BGE 125 II 113 S. 124 die in den Art. 27-31 DBG für Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit vorgesehenen Abzüge von Abschreibungen, Rückstellungen und Verlusten verwehrt würden. 6. a) Nach der Praxis des Bundesgerichts - die wie gesehen grundsätzlich beizubehalten ist - liegt steuerbarer Liegenschaftenhandel vor, wenn der Steuerpflichtige An- und Verkäufe von Liegenschaften nicht nur im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung bei sich zufällig bietender Gelegenheit tätigt, sondern wenn er dies systematisch und mit der Absicht der Gewinnerzielung tut, d.h. wenn er eine Tätigkeit entfaltet, die in ihrer Gesamtheit auf Erwerb gerichtet ist. Eine solche Tätigkeit qualifiziert sich als selbständige Erwerbstätigkeit im Sinne von Art. 18 Abs. 1 und 2 DBG und führt zur Kapitalgewinnbesteuerung, wenn der veräusserte Vermögensgegenstand zum Geschäftsvermögen gehört hat, d.h. wenn er für die selbständige Erwerbstätigkeit verwendet wurde. Dabei ist es unerheblich, ob die Tätigkeit haupt- oder nebenberuflich ausgeübt wird. Ob Gewinne aus der Veräusserung von Vermögenswerten im vorerwähnten Sinne der Besteuerung nach Art. 18 DBG unterliegen, ist im Einzelfalle stets nach der Gesamtheit der Umstände zu beurteilen. Als Indizien für eine selbständige Erwerbstätigkeit können bei Liegenschaftsgewinnen wie bisher etwa die (systematische bzw. planmässige) Art und Weise des Vorgehens, die Häufigkeit der Liegenschaftsgeschäfte, der enge Zusammenhang eines Geschäftes mit der beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, der Einsatz spezieller Fachkenntnisse, die Besitzesdauer, der Einsatz erheblicher fremder Mittel zur Finanzierung der Geschäfte oder die Realisierung im Rahmen einer Personengesellschaft in Betracht kommen (vgl. oben E. 3c). b) Der Beschwerdegegner war als Bauunternehmer tätig, reduzierte diese Tätigkeit ab 1973 sukzessive und stellte sie 1982 schliesslich vollumfänglich ein. Ausserdem war er in der Zeit von 1967 bis 1982 auf dem Liegenschaftenmarkt in einer den Rahmen blosser Vermögensverwaltung sprengenden Art und Weise tätig. In diesem Zeitraum kaufte er verschiedentlich Land, überbaute es und verkaufte die Liegenschaften später mit Gewinn. Der Umfang und die Art und Weise der aktiven Kaufs- und Verkaufstätigkeit sowie der Zusammenhang dieser Aktivität mit seiner damals betriebenen Bauunternehmung führen zweifelsfrei zum Schluss, dass der Beschwerdegegner in dieser Zeit als Liegenschaftenhändler selbständig erwerbstätig war. In dieser Zeit (1968/69) erwarb und überbaute er auch die fragliche Liegenschaft in D. mit einem Mehrfamilienhaus, BGE 125 II 113 S. 125 wobei er die Baumeister- und Zimmereiarbeiten von seiner eigenen Bauunternehmung ausführen liess. Die Eigenmittel beliefen sich dabei auf lediglich 5 bzw. 10 Prozent der Anlagekosten, der Rest wurde fremdfinanziert. Die für den Bau beanspruchte Hypothek machte bei Anlagekosten von Fr. 598'000.-- vorerst einen Betrag von Fr. 567'000.-- aus und wurde im Jahre 1984 auf Fr. 600'000.-- erhöht. Unter diesen Umständen ist der Schluss verwehrt, der Beschwerdegegner habe die fragliche Liegenschaft bloss zur privaten Kapitalanlage erworben. Vielmehr muss angenommen werden, dass er die Liegenschaft gekauft hat, um seiner Bauunternehmung Arbeit zu verschaffen und das Grundstück eventuell gewinnbringend zu veräussern. Aus dem engen Zusammenhang der Liegenschaft mit der Tätigkeit des Pflichtigen als Bauunternehmer und Liegenschaftenhändler ist zu schliessen, dass die Liegenschaft im Geschäftsvermögen des Beschwerdegegners stand. Der Gewinn aus deren Veräusserung stellt daher einen nach Art. 18 Abs. 2 DBG steuerbaren Kapitalgewinn dar, und zwar unabhängig davon, ob sie zum geschäftlichen Anlage- oder Umlaufvermögen gehört hat (vgl. ASA 61 791 E. 6). Dass die Liegenschaften der privaten Vorsorge des Beschwerdegegners dienten, macht sie noch nicht zu Privatvermögen bzw. den auf Geschäftsvermögen erzielten Gewinn nicht zu einem steuerfreien privaten Kapitalgewinn. Die Altersvorsorge kann auch mit Mitteln des Geschäftsvermögens sichergestellt werden. Die Tatsache, dass der Vermögensertrag der Vorsorge des Pflichtigen bzw. der Verkaufserlös für eine Schenkung zur Mittelbeschaffung für Wohneigentum an die Söhne des Beschwerdegegners dienen sollte, schliesst daher nicht aus, dass die stillen Reserven bei der Veräusserung besteuert werden. c) Zu prüfen bleibt, ob der Umstand, dass der Beschwerdegegner seit 1982 keine Tätigkeit als Bauunternehmer oder Liegenschaftenhändler mehr ausgeübt hat, sondern sich auf die Verwaltung bzw. Vermietung der noch in seinem Eigentum befindlichen Liegenschaften (ein Wohnhaus, ein Ferienhaus und zwei Mehrfamilienhäuser) beschränkt hat, der Besteuerung des Gewinns aus dem Verkauf der Liegenschaft in D. im Jahre 1994 entgegensteht. aa) Wenn ein Steuerpflichtiger seine selbständige Erwerbstätigkeit aufgibt und dies den Steuerbehörden mitteilt, tritt grundsätzlich die Kapitalgewinnbesteuerung wegen Privatentnahme ein, wenn der Pflichtige nicht ausdrücklich erklärt, Aktiven des Geschäftsvermögens im Rahmen der Geschäftsliquidation noch verkaufen zu BGE 125 II 113 S. 126 wollen (so genannte verzögerte Liquidation) oder den Betrieb nur vorübergehend - etwa bis zum geplanten Verkauf des Geschäfts an Dritte oder bis zur Übertragung auf einen Erben - verpachten zu wollen. Für eine Besteuerung des bei einem späteren Verkauf erzielten Gewinns besteht dagegen grundsätzlich kein Raum ( BGE 112 Ib 79 E. 4b S. 86 f.). Das Bundesgericht hat diesen Grundsatz in einem Fall aufgestellt, in dem ein Bauunternehmer ein von seiner Unternehmung erstelltes Einfamilienhaus, das zu seinem Geschäftsvermögen gehörte, bis zum Verkauf selber bewohnte. Es erkannte, die Steuerbehörden hätten die stillen Reserven auf der Wohnliegenschaft im Zeitpunkt der Geschäftsaufgabe steuerlich erfassen müssen, d.h. nachdem der Pflichtige von ihnen die Vornahme einer Zwischenveranlagung wegen Geschäftsaufgabe verlangt hatte, und nicht erst beim späteren Verkauf; somit müsse nicht jeder, der einmal als (selbständig erwerbender) Liegenschaftenhändler tätig gewesen sei, bis zu seinem Tod als Liegenschaftenhändler gelten (BGE a.a.O. E. 2a S. 81, mit Hinweisen). In jenem Fall war die fragliche Liegenschaft sichtbar und eindeutig einem privaten Zweck gewidmet worden. Der Steuerpflichtige hatte damit den Steuerbehörden gegenüber den eindeutigen Willen geäussert, die privat genutzte Liegenschaft dem Geschäftsvermögen zu entziehen (vgl. auch den Entscheid des Bundesgerichts vom 13. Juli 1994, in: StR 49/1994 575 E. 5b). Aus diesen Gründen konnte von den Steuerbehörden erwartet werden, dass sie im Zeitpunkt der Widmung, spätestens aber im Zeitpunkt der Aufgabe der Unternehmung die Überführung der Liegenschaft ins Privatvermögen verlangt hätten. bb) Ein solcher Fall liegt hier indessen nicht vor. Die fragliche Liegenschaft wurde vom Beschwerdegegner zu geschäftlichen Zwecken erworben und anschliessend von seiner eigenen Bauunternehmung mit einem Mehrfamilienhaus überbaut. Dieses hat er nicht privat genutzt, sondern vermietet. Zwar teilte der Beschwerdegegner dem Gemeindesteueramt 1981 mit, er habe seine Tätigkeit als Bauunternehmer definitiv aufgegeben. Er behielt jedoch die geschäftlichen Liegenschaften weiterhin in seinem Eigentum, führte auch nach 1981 eine Liegenschaftenbuchhaltung weiter und hat auch den Abzug von Geschäftsverlusten geltend gemacht. Ob er seine Erwerbstätigkeit im Immobiliensektor weiterführen würde oder nicht, liess sich damals noch nicht beurteilen. Wenn ein Steuerpflichtiger über die stillen Reserven auf seinen zum Geschäftsvermögen gehörenden Liegenschaften mit den Steuerbehörden BGE 125 II 113 S. 127 bei der Geschäftsaufgabe - wie im vorliegenden Fall - nicht abrechnet, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Liegenschaften im Geschäftsvermögen verbleiben; durch den blossen Zeitablauf kann die fragliche Liegenschaft nicht in das Privatvermögen übergehen (vgl. ASA 57 271 E. 3b S. 276). Würde angenommen, dass bei der Einstellung einer Geschäftstätigkeit jeweils auch der Liegenschaftenhandel aufgegeben wird, hätte dies zur Folge, dass sogleich sämtliche Liegenschaften ins Privatvermögen überführt würden. Das würde für den Steuerpflichtigen sofort zu einer häufig sehr erheblichen Steuerbelastung führen, obwohl er über den Gewinn noch nicht verfügen kann, und ihn möglicherweise zwingen, zur Bezahlung der Steuern einen Teil der Liegenschaften zu verkaufen. Auch würde sich die Frage stellen, wie die Gewinne zu behandeln sind, wenn der Pflichtige mit den ins Privatvermögen überführten Liegenschaften zu einem späteren Zeitpunkt neue Geschäfte tätigt. cc) Eine lange Besitzesdauer oder der Umstand, dass seit längerer Zeit keine Grundstückgeschäfte getätigt worden sind, stehen für sich allein betrachtet der Annahme einer selbständigen, auf Erwerb gerichteten Tätigkeit nicht entgegen. Gerade im Liegenschaftenhandel kommt es häufig vor, dass ein Steuerpflichtiger Grundstücke aus ganz verschiedenen Gründen über Jahre hinaus behält, bis er sie mit Gewinn verkauft, sei es zum Beispiel, weil er von Anfang an mit einem gewinnbringenden Verkauf erst in einer ferneren Zukunft rechnet, sei es, weil er die Grundstücke vorerst überbauen will oder weil eine geplante Überbauung auf unvorhergesehene Hindernisse stösst. Ein derart verzögerter Verkauf hängt trotzdem nach wie vor mit der selbständigen Erwerbstätigkeit des Pflichtigen zusammen (vgl. ASA 47 209 E. 1b S. 211). Dies gilt auch dann, wenn er die zu geschäftlichen Zwecken erworbene Liegenschaft zur Kapitalanlage über längere Zeit weiter behält. Dass der Pflichtige beim Verkauf keine besondere Tätigkeit mehr zu entfalten braucht, spielt an sich keine Rolle, da er in einem solchen Fall die Hauptarbeit, die auf ein gewinnbringendes Vorgehen schliessen lässt, früher geleistet hat. Würde eine selbständige Erwerbstätigkeit nach Ablauf einer bestimmten Frist - d.h. als Folge des blossen Zeitablaufs - in einen Akt der schlichten Verwaltung privaten Vermögens umqualifiziert, wäre der Ungleichbehandlung Tür und Tor geöffnet. Steuerpflichtige, die mit der Veräusserung ihres Geschäftsvermögens genügend lange zuwarten können, würden in ungerechtfertigter Weise besser gestellt als BGE 125 II 113 S. 128 solche, welche die Liegenschaft in kurzer Zeit veräussern, obwohl der Gewinn in beiden Fällen auf die selbständige Erwerbstätigkeit des Pflichtigen zurückzuführen ist. Ausserdem liesse sich nur schwer beurteilen, welche Frist als angemessen zu gelten hätte (vgl. nicht veröffentlichtes Urteil vom 30. Januar 1996 i.S. J.D. E. 3d). d) Somit ist anzunehmen, dass die Liegenschaft, die nie ins Privatvermögen überführt wurde, weiterhin Geschäftsvermögen darstellte und der Gewinn aus deren Veräusserung im Jahre 1994 Folge der selbständigen Erwerbstätigkeit des Pflichtigen war. 7. Ist beim Beschwerdegegner eine selbständige Erwerbstätigkeit anzunehmen, sind die in den Bemessungsjahren erlittenen Verluste von Fr. 23'860.- (1993) und Fr. 16'638.-- (1994), im Durchschnitt Fr. 20'249.--, zum Abzug zuzulassen ( Art. 27 Abs. 2 lit. b DBG ).
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Sachverhalt ab Seite 243 BGE 139 I 242 S. 243 A. Am 1. April 2010 ist § 34 des basel-städtischen Gastgewerbegesetzes vom 15. September 2004 in Kraft getreten, wonach das Rauchen in öffentlich zugänglichen Räumen verboten ist, mit Ausnahme von sog. Fumoirs, d.h. abgetrennten, unbedienten und mit einer eigenen Lüftung versehenen Räumen. Bereits zuvor, am 22. Januar 2010, war in Basel der Verein "Fümoar" gegründet worden, welcher sich "die Milderung der wirtschaftlichen Folgen des teilweisen Rauchverbots in Basler Restaurants" (Art. 1 der Statuten des Vereins "Fümoar") zum Ziel gesetzt hat und den Betrieb von Gastwirtschaften unter ausschliesslichem Zutritt von Gästemitgliedern ohne Verpflichtung der Wirtemitglieder zur BGE 139 I 242 S. 244 Errichtung eines Fumoirs ermöglichen will. Gästemitglied wird eine natürliche Person durch die Unterzeichnung einer Beitrittserklärung auf einer Mitgliederliste, welche in den dem Verein "Fümoar" angeschlossenen Betrieben aufliegt; sie muss einen Mitgliederbeitrag von jährlich Fr. 10.- an eines der Wirtemitglieder des Vereins "Fümoar" ausrichten (vgl. Art. 8 der Statuten des Vereins "Fümoar"). Auf eidgenössischer Ebene steht seit dem 1. Mai 2010 das Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen in Kraft. Auch dieses Gesetz verbietet grundsätzlich das Rauchen in geschlossenen Räumen, die öffentlich zugänglich sind oder mehreren Personen als Arbeitsplatz dienen. Unter bestimmten, im PaRG definierten Voraussetzungen ist jedoch sowohl die Errichtung von abgetrennten Raucherräumen in Restaurationsstätten als auch der Betrieb von reinen Raucherlokalen zulässig. B. Das Restaurant Y., betrieben von der X. AG, ist dem Verein "Fümoar" als Wirtemitglied angeschlossen. Eine Abklärung des Arbeitsinspektorats des Amtes für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Basel-Stadt (AWA) hat ergeben, dass im Restaurant Y. das Rauchen toleriert wird und jeweils gleichzeitig mit rauchenden Gästen mehrere Angestellte im Betrieb tätig sind. C. Mit Verfügung vom 7. Juli 2010 stellte das Arbeitsinspektorat fest, es verletze das Bundesgesetz über das Passivrauchen und § 34 des basel-städtischen Gastgewerbegesetzes, wenn im Lokal des Restaurants Y. das Rauchen toleriert werde. Um den rechtmässigen Zustand wiederherzustellen, wurde der Betreiberin eine Frist bis zum 30. November 2010 gewährt, das Rauchen in ihren Lokalitäten zu verbieten; wenn dies nicht durchgesetzt werde, würden die verantwortlichen Personen verzeigt. Ein von der Geschäftsführung der X. AG gegen diese Verfügung erhobener Rekurs an das Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt (WSU) blieb erfolglos (Entscheid vom 30. Juni 2011). Eine gegen den Rekursentscheid erhobene Eingabe an den Regierungsrat wurde dem Verwaltungsgericht zum Entscheid übergeben. Mit Urteil vom 25. Juni 2012 wies dieses die Beschwerde ab. D. Mit Eingabe vom 14. September 2012 beantragt die X. AG (Beschwerdeführerin), es sei der Entscheid des Appellationsgerichts Basel-Stadt als Verwaltungsgericht vom 25. Juni 2012 aufzuheben. (...) Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. BGE 139 I 242 S. 245 (Auszug)
685
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Das Bundesgesetz vom 3. Oktober 2008 zum Schutz vor Passivrauchen (SR 818.31; nachfolgend: PaRG) regelt den Schutz vor Passivrauchen in geschlossenen Räumen, die öffentlich zugänglich sind oder mehreren Personen als Arbeitsplatz dienen (Art. 1 Abs. 1 PaRG). Zu den öffentlich zugänglichen Räumen zählen unter anderem Restaurations- und Hotelbetriebe unabhängig von kantonalen Bewilligungserfordernissen (Art. 1 Abs. 2 lit. h PaRG). Rauchen ist in den Räumen untersagt, die unter den Geltungsbereich von Artikel 1 Absatz 1 und 2 fallen (Art. 2 Abs. 1 PaRG). Der Betreiber oder die Betreiberin oder die für die Hausordnung verantwortliche Person kann in besonderen Räumen, in denen keine Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer beschäftigt werden, das Rauchen gestatten, sofern sie abgetrennt, besonders gekennzeichnet und mit ausreichender Belüftung versehen sind (Raucherräume). Ausnahmsweise dürfen in Raucherräumen von Restaurations- und Hotelbetrieben Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer mit deren ausdrücklicher Zustimmung beschäftigt werden. Das Einverständnis hat im Rahmen des Arbeitsvertrages zu erfolgen (Art. 2 Abs. 2 PaRG). Gemäss Art. 3 PaRG ("Raucherbetriebe") werden Restaurationsbetriebe auf Gesuch hin als Raucherlokale bewilligt, wenn der Betrieb (a.) eine dem Publikum zugängliche Gesamtfläche von höchstens 80 Quadratmetern hat; (b.) gut belüftet und nach aussen leicht erkennbar als Raucherlokal bezeichnet ist; und (c.) nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt, die einer Tätigkeit im Raucherlokal im Arbeitsvertrag zugestimmt haben. Nach Art. 4 PaRG können die Kantone strengere Vorschriften zum Schutz der Gesundheit erlassen (vgl. Urteile 6B_75/ 2012 vom 26. Oktober 2012 E. 2.1; 2C_345/2012 vom 27. September 2012 E. 3.3). 2.2 Gemäss § 34 des basel-städtischen Gesetzes vom 15. September 2004 über das Gastgewerbe (SG 563.100; nachfolgend: GGG/BS) ist das Rauchen in öffentlich zugänglichen Räumen von Gastgewerbebetrieben verboten. Ausgenommen sind einzig "zum Zweck des Rauchens eigens abgetrennte, unbediente und mit eigener Lüftung versehene Räume (Fumoirs)". In Konkretisierung dieser Bestimmung hält § 16 der Verordnung vom 12. Juli 2005 zum Gastgewerbegesetz (SG 563.110; nachfolgend: VGGG/BS) fest, dass als öffentlich zugänglich jeder Raum gilt, der von jeder Person betreten werden darf, BGE 139 I 242 S. 246 insbesondere zum Zweck des entgeltlichen Erwerbs von Speisen und Getränken zum Konsum an Ort und Stelle. Gemäss § 7 Abs. 1 GGG/ BS sind für die Durchsetzung des Rauchverbots primär die Bewilligungsinhaber zuständig; sie haben gemäss § 29 GGG/BS für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung im Betrieb zu sorgen (vgl. Urteil 2C_345/2012 vom 27. September 2012 E. 2). 2.3 Die kantonale Bestimmung in § 34 GGG/BS nimmt somit nur "eigens abgetrennte, unbediente und mit eigener Lüftung versehene Räume" (d.h. Fumoirs) vom allgemeinen Rauchverbot in der Öffentlichkeit zugänglichen geschlossenen Räumen aus. Wie die Beschwerdeführerin zutreffend darlegt, stellt die kantonale Regelung damit gegenüber der bundesrechtlichen Regelung eine Verschärfung dar, und zwar in zweifacher Hinsicht: Zum einen verbietet sie im Unterschied zu Art. 3 lit. c PaRG die Bedienung in Raucherräumen: Unabhängig von einer allfälligen schriftlichen Zustimmung im Arbeitsvertrag ist die Beschäftigung von Arbeitnehmenden in Raucherräumen nicht erlaubt ("unbediente Raucherräume"). Dies hat zum anderen zur Folge, dass § 34 GGG/BS im Unterschied zum PaRG keine "Raucherbetriebe" zulässt (vgl. Art. 3 PaRG; E. 2.1); auch die Errichtung von reinen Raucherlokalen ist nach der kantonalen Regelung unzulässig (vgl. hierzu auch PORTMANN/RIBBE, Vom öffentlichen Restaurationsbetrieb zum privaten Raucherklub, AJP 2012 S. 649 ff., dort 660). 2.4 Gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen sind beim Restaurant Y. bereits die bundesrechtlichen Vorgaben nicht erfüllt: Zum einen ist fraglich, ob die Restaurationsfläche tatsächlich unter 80 m 2 liegt. Das Appellationsgericht war von einer solchen von 111,30 m 2 ausgegangen und die Beschwerdeführerin hatte eine hiergegen gerichtete Rüge möglicherweise verspätet erhoben. Zum anderen liegen keine schriftlichen Zustimmungserklärungen sämtlicher Mitarbeitenden zur Beschäftigung in einem Raucherlokal vor. Dennoch prüfte die Vorinstanz die Rechtmässigkeit von § 34 GGG/BS unter dem Blickwinkel sowohl des Bundes- als auch des Verfassungsrechts. Da derzeit vor Bundesgericht noch zahlreiche Fälle zur selben Streitfrage hängig sind, rechtfertigt es sich, die Rechtmässigkeit der kantonalen Regelungen hinsichtlich der erhobenen Verfassungsrügen ( Art. 8 und 49 BV ) zu prüfen. 3. Die Beschwerdeführerin macht geltend, § 34 GGG/BS verletze die derogatorische Kraft von Bundesrecht ( Art. 49 Abs. 1 BV ): Der BGE 139 I 242 S. 247 Normzweck der gegenüber der bundesrechtlichen Regelung verschärften Bestimmung bestehe nicht darin, Konsumenten vor dem Passivrauchen zu schützen, die sich freiwillig in Fumoirs aufhielten, sondern - ausschliesslich - das bedienende Personal. § 34 GGG/ BS stelle daher nicht eine Gesundheitsvorschrift für Gäste, sondern einzig eine Bestimmung zum Schutz der Arbeitnehmenden dar. Der Kanton Basel-Stadt verfüge jedoch über keine Kompetenz, eine strengere Arbeitnehmerschutzgesetzgebung als im Bund einzuführen ( Art. 110 Abs. 1 lit. a BV ). 3.1 Wie aus dem Ingress hervorgeht, stützt sich das Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen sowohl auf Art. 110 Abs. 1 lit. a als auch auf Art. 118 Abs. 2 lit. b der Bundesverfassung, d.h. auf den Arbeitnehmer- wie auch auf den allgemeinen Gesundheitsschutz. Art. 118 Abs. 1 BV räumt dem Bund die Kompetenz ein, im Rahmen seiner Zuständigkeiten Massnahmen zum Schutz der Gesundheit zu erlassen. Wie schon aus dem Wortlaut hervorgeht, hat diese Bestimmung keine Kompetenz begründende Funktion; das Gesundheitswesen ist grundsätzlich Sache der Kantone. Dem Bund stehen Rechtsetzungskompetenzen zum Schutz der Gesundheit nur im Rahmen der ihm ohnehin eingeräumten Regelungsbefugnisse sowie in den in Art. 118 Abs. 2 BV abschliessend aufgezählten Bereichen zu; hierunter fällt auch "die Bekämpfung übertragbarer, stark verbreiteter oder bösartiger Krankheiten von Menschen und Tieren" (lit. b). Nur innerhalb der in Art. 118 Abs. 2 BV genannten Gebiete verfügt der Bund somit über eine umfassende Kompetenz mit nachträglich derogatorischer Wirkung (vgl. BGE 138 I 435 E. 4.3.1 S. 448; BGE 133 I 110 E. 4.2 S. 116 f.; BGE 128 I 295 E. 3d/bb S. 301 f.; Urteil 2P.278/2004 vom 4. April 2005 E. 2.3.2 mit Hinweisen; die Lehre spricht von einer "fragmentarischen Rechtsetzungskompetenz des Bundes"; vgl. HÄFELIN/HALLER/KELLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 8. Aufl. 2012, N. 1086; vgl. TOMAS POLEDNA, in: Die schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, 2. Aufl. 2008, N. 12 ff. zu Art. 118 BV ; vgl. auch JAAG/RÜSSLI, Schutz vor Passivrauchen: verfassungsrechtliche Aspekte, AJP 2006 S. 21 ff., dort 24 f.). Die in Art. 110 Abs. 1 lit. a BV enthaltene Regelungskompetenz zum Arbeitnehmerschutz ist umfassend und wirkt nachträglich derogatorisch. Soweit der Bund das Arbeitnehmerschutzrecht regelt und den Kantonen keine spezifischen Regelungszuständigkeiten belässt, sind die zwingenden bundesrechtlichen Vorschriften grundsätzlich BGE 139 I 242 S. 248 abschliessend. Durch den Erlass des Arbeitsgesetzes vom 13. März 1964 (ArG; SR 822.11) und der darauf gestützten Verordnungen hat der Bund eine weitreichende Regelung für den allgemeinen Arbeitnehmerschutz geschaffen (vgl. BGE 130 I 279 E. 2.3.1 S. 284; vgl. auch BGE 136 I 29 E. 3.4.2 S. 34 f.; BGE 133 I 110 E. 4.3 S. 117; BGE 132 III 257 E. 5 S. 259 ff.; vgl. THOMAS GÄCHTER, in: Die schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, 2. Aufl. 2008, N. 21 zu Art. 110 BV ; vgl. auch VINCENT MARTENET, L'interdiction de fumer dans les lieux publics intérieurs ou fermés, AJP 2007 S. 247 ff., dort 250). 3.2 Nach dem Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts ( Art. 49 Abs. 1 BV ) können Kantone in Sachgebieten, welche die Bundesgesetzgebung abschliessend geregelt hat, keine Rechtsetzungskompetenzen mehr wahrnehmen. Trotz grundsätzlich abschliessender bundesrechtlicher Regelung bestehen kantonale Zuständigkeiten jedoch weiter, wenn sie in der einschlägigen Bundesgesetzgebung ausdrücklich vorgesehen sind ( BGE 138 I 468 E. 2.6 S. 473 f., BGE 138 I 454 E. 3.6.3 S. 463). Auch wenn sich eine Bundesregelung in einem bestimmten Sachbereich an sich als abschliessend darstellt, ist eine kantonale Lösung nicht ausgeschlossen, falls sie ein anderes Ziel verfolgt als dasjenige des Bundesrechts ( BGE 138 I 410 E. 3.1 S. 414 f.; BGE 137 I 167 E. 3.4 S. 174 f.; BGE 133 I 110 E. 4.1 S. 116). Die Kantone dürfen jedoch im Rahmen der ihnen zukommenden Kompetenzen nur solche Vorschriften erlassen, die nicht gegen den Sinn und Geist des Bundesrechts verstossen und dessen Zweck nicht beeinträchtigen oder vereiteln ( BGE 138 I 435 E. 3.1 S. 446, BGE 138 I 356 E. 5.4.2 S. 360 f., 331 E. 8.4.3 S. 354; BGE 137 I 31 E. 4.1 S. 41; je mit Hinweisen). Schliesslich gilt, dass die Kantone ihrer Möglichkeit zur Gesetzgebung dann vollends benommen sind, soweit Bundesrecht in einem bestimmten Bereich kantonales Recht insgesamt untersagt. In solchen Fällen sind ergänzende kantonale Bestimmungen selbst dann ausgeschlossen, wenn sie in Übereinstimmung mit dem Bundesrecht stünden ( BGE 138 I 410 E. 3.1 S. 414, BGE 138 I 435 E. 3.1 S. 446; BGE 137 I 167 E. 3.4 S. 174 f.; BGE 133 I 110 E. 4.1 S. 116; Urteile 2C_727/2011 vom 19. April 2012 E. 3.3, nicht publ. in: BGE 138 II 191 ff.; 2C_333/2012 vom 5. November 2012 E. 5.1; 2C_728/2011 vom 23. Dezember 2011 E. 7.2). Das Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen sieht ausdrücklich vor, dass die Kantone "strengere Vorschriften zum Schutz der Gesundheit" erlassen dürfen (Art. 4 PaRG). Eine Regelungskompetenz BGE 139 I 242 S. 249 bleibt demnach auch nach Inkrafttreten das PaRG bei den Kantonen. Strittig bleibt indes die Frage, zum Schutz von wessen Gesundheit den Kantonen die Möglichkeit zum Erlass strengerer Vorschriften verbleibt. 3.3 Die Beschwerdeführerin bringt mit Blick auf den Sinn bzw. den Umfang der verbleibenden kantonalen Kompetenz vor, der "Schutz der Gesundheit" nach Art. 4 PaRG sei als Verfassungsbegriff im Sinne von Art. 118 Abs. 1 und 2 lit. b BV eng auszulegen und könne entgegen der Auffassung der Vorinstanz und auch vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Beratungen nur als Schutz der Gesundheit der Konsumenten verstanden, nicht aber auf den Arbeitnehmerschutz ( Art. 110 Abs. 1 lit. a BV ) ausgedehnt werden. Genau hierum ginge es jedoch, wenn der Kanton ein Bedienungsverbot in Raucherräumen statuiere. 3.4 Die Rügen der Beschwerdeführerin, wonach § 34 GGG/BS den Zweck der bundesrechtlichen Regelung im PaRG vereitle, vermögen nicht zu überzeugen: 3.4.1 Der Wortlaut der weit gefassten Formulierung "Schutz der Gesundheit" lässt sowohl die enge Interpretation der Beschwerdeführerin, die sich auf die Begrifflichkeit der Verfassung stützt, als auch das Begriffsverständnis der Vorinstanz zu, die auch Arbeitnehmende unter diesen Begriff fallen lässt. Man kann sich in systematischer Betrachtungsweise auf den Standpunkt stellen, Art. 4 PaRG beziehe sich auf den Ingress, damit sowohl auf den Schutz der Arbeitnehmenden im Sinne von Art. 110 BV als auch auf denjenigen der Gesundheit im Sinne von Art. 118 BV (vgl. PORTMANN/RIBBE, a.a.O., S. 659 f.; VINCENT MARTENET, La protection contre le tabagisme passif à l'épreuve du fédéralisme - Questions choisies de droit fédéral et genevois [nachfolgend: 2011], AJP 2011 S. 479 ff., dort 480), oder aber, dass Art. 4 PaRG ("Schutz der Gesundheit") - e contrario - den im Ingress angerufenen Arbeitnehmerschutz wieder ausschliesse. Weder der Wortlaut des Gesetzes noch die systematische Betrachtungsweise ergeben ein klares Auslegungsergebnis. 3.4.2 Wie sich aus den Materialien ergibt, sah der ursprüngliche Entwurf der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats (SGK-N) als Erstrat vor, dass über die bundesrechtliche Regelung hinausgehende kantonale Bestimmungen hätten derogiert werden sollen (vgl. Bericht SGK-N Nr. 04.476 vom 1. Juni 2007, BBl 2007 6185, 6200 Ziff. 4.2). Der Nationalrat folgte diesem BGE 139 I 242 S. 250 Konzept; demgegenüber beantragte die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerats diesem erfolgreich die Aufnahme eines Vorbehalts, weiter gehende Regelungen der Kantone zuzulassen (vgl. Votum Urs Schwaller, AB 2008 S 37). Der Nationalrat folgte diesem Vorschlag im Rahmen der Differenzbereinigung (AB 2008 N 879 ff.). Dem Vorbehalt lagen Beratungen über bereits bestehende oder geplante kantonale Regelungen zugrunde, die sich auch auf Bedienungsverbote in abgetrennten Raucherräumen bezogen; die Räte hatten somit von den entsprechenden kantonalen Regelungen Kenntnis (vgl. Voten Thomas Weibel AB 2008 N 880; Jean-Charles Rielle AB 2008 N 881; vgl. auch Bericht SGK-N, a.a.O., BBl 2007 6185, 6192 Ziff. 2.5 und 6200 Ziff. 4.2; Stellungnahme des Bundesrates vom 22. August 2007, BBl 2007 6207, 6208 Ziff. 1.1 und Voten AB 2008 N 879 ff.). In den Materialien finden sich demnach wesentliche Anhaltspunkte dafür, dass kantonale Regelungen, die sich auch auf unbediente Fumoirs bezogen, weiterhin zugelassen werden sollten. 3.4.3 Die Vorinstanz hat mit Blick auf die Materialien zu § 34 GGG/ BS festgestellt (kantonale Abstimmungsunterlagen), dass der Bestimmung eine doppelte Zwecksetzung zugrunde liegt, nämlich die allgemeine Eindämmung des Tabakkonsums und der Schutz vor den negativen Folgen des Passivrauchens des im Gastgewerbe tätigen Personals. Das Appellationsgericht legt § 34 GGG/BS denn auch willkürfrei als Bedienungsverbot aus, das gleichzeitig der Verminderung der Attraktivität der Fumoirs als Orte längeren Verbleibs und damit auch dem Gesundheitsschutz der Gäste diene. Der Kanton nimmt demnach eine Kompetenz wahr, die gleichermassen den Gesundheitsschutz der Gäste als auch den Arbeitnehmerschutz umfasst. Ähnlich verhält es sich mit den Zwecken des PaRG: Wie das Bundesgericht bereits vor dessen Inkrafttreten unter Bezugnahme auf Art. 4 PaRG festgehalten hat, ist eine völlige Trennung des Schutzes von Konsumenten und Angestellten nur denkbar bei Regelungen, die sich ausschliesslich auf jeweils eine der Kategorien Arbeitnehmerschutz oder Gesundheitsschutz beziehen und wo auch faktisch, insbesondere örtlich, eine klare Abgrenzung vorliegt, wie dies etwa bei Arbeitsstellen zutreffen kann, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind, oder umgekehrt bei öffentlichen Räumen, in denen keine Arbeitnehmenden tätig sind (vgl. BGE 136 I 29 E. 3.4.2 S. 34 f.; vgl. auch BGE 136 I 117 E. 4.2 S. 25 f.; BGE 133 I 110 E. 4.5 S. 117 f.). Bei Restaurationsbetrieben als Regelungsgegenstand des kantonalen Rauchverbots in öffentlich zugänglichen Räumen (Art. 34 GGG/ BGE 139 I 242 S. 251 BS) - und insbesondere beim Kleinbetrieb im vorliegenden Fall - handelt es sich nicht um Lokalitäten, in denen der Gesundheitsschutz von Konsumenten und Arbeitnehmenden vollständig abtrennbar wäre ( BGE 136 I 29 E. 3.4.2 S. 34 f.; BGE 133 I 110 E. 4.5 S. 117 f.; vgl. auch KURT PÄRLI, ARV 2010 S. 254 ff., dort 257; MARTENET, 2011, a.a.O., S. 480). § 34 GGG/BS verstösst demnach nicht gegen die Zwecke des PaRG. Indem mit dem Rauchverbot in Gastronomiebetrieben zudem ein anderes, eingeständiges Ziel verfolgt wird als die im Arbeitsgesetz abschliessend geregelten Materien zum allgemeinen Arbeitnehmerschutz (vgl. Art. 1 ff. ArG ), verbleibt den Kantonen eine ergänzende Rechtsetzungskompetenz, wo sich - mit Blick auf den wahrgenommenen Regelungsgegenstand - der Gesundheitsschutz der Konsumenten vor den negativen Folgen des (Passiv-)Rauchens nicht von demjenigen des Personals unterscheiden lässt (vgl. BGE 136 I 29 E. 3.4.2 S. 34 f., BGE 136 I 17 E. 4.2 S. 25 f.; BGE 133 I 110 E. 4 S. 115 ff.; vgl. PÄRLI, a.a.O., S. 257). 3.4.4 Die Regelung in § 34 GGG/BS des Kantons Basel-Stadt geht - in gleicher Weise wie der Paradigmenwechsel auf Bundesebene ("von der Freiheit des Rauchens zur Freiheit des Nichtrauchens") - vom Grundsatz aus, dass geschlossene Räume, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, rauchfrei sein sollen (vgl. für den Kanton Solothurn Urteil 2C_233/2010 vom 17. August 2010 E. 4.2.3; für den Kanton St. Gallen 2C_627/2009 vom 23. Februar 2010 E. 2.3.1). Wie das Bundesgericht für die Bundesebene bereits festgestellt hat, besteht der Zweck dieser Regelungen - über den engen Wortlaut des "Schutzes vor dem Passivrauchen" hinaus - darin, ein grundsätzliches Rauchverbot in öffentlich zugänglichen Räumen zu statuieren (vgl. Art. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 PaRG) bzw. das Rauchen unattraktiver zu gestalten: Ein Bedienungsverbot in Raucherräumen ist geeignet, deren Attraktivität zu verringern, sodass sie von Rauchern nur kurzzeitig aufgesucht werden und nicht zu eigentlichen Gasträumen mutieren, unter denen sich - unter sozialem Druck - auch die Kolleginnen und Kollegen von Rauchern wiederfinden. Vor diesem Hintergrund kann der Beschwerdeführerin nicht gefolgt werden, wenn sie Raucher und freiwillige Passivraucher in den ihnen zugewiesenen Raucherräumen vom Regelungsbereich des PaRG bzw. des § 34 GGG/BS ausschliessen will. Durch das Ziel der Eindämmung des Tabakkonsums bzw. des allgemeinen Gesundheitsschutzes werden diese in den Schutzzweck der entsprechenden Reglementierungen einbezogen und von dem den Kantonen BGE 139 I 242 S. 252 überlassenen Kompetenzbereich erfasst (Art. 4 PaRG; vgl. auch BGE 136 I 29 E. 3.4.2 S. 34 f.). 3.5 Somit erweist sich das gegen die Beschwerdeführerin verfügte Rauchverbot hinsichtlich der vorgebrachten Rügen als rechtmässig: Gemäss den unbestrittenen sachverhaltlichen Feststellungen der Vorinstanz ( Art. 105 Abs. 1 BGG ) wird das Rauchen in den Räumlichkeiten der Beschwerdeführerin stets geduldet; gleichzeitig mit rauchenden Gästen sind mehrere Angestellte im Betrieb tätig. Wenn die Vorinstanz im Rahmen der Anwendung von § 34 GGG/BS zum Schluss kommt, das verfügte Rauchverbot sei zu schützen, stellt dies weder eine willkürliche noch eine gegen die Kompetenzordnung verstossende Auslegung der infrage stehenden kantonalen Bestimmung dar (vgl. BGE 136 I 29 E. 3.4.2 S. 34 f.; vgl. oben E. 3.2 und 3.4.3; vgl. auch PORTMANN/RIBBE, a.a.O., S. 658 ff.; PÄRLI, a.a.O., S. 256 f.; MARTENET, 2011, a.a.O., S. 480). 3.6 Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist auch der Vollzug der Bestimmung durch das Arbeitsinspektorat weder kompetenzwidrig noch willkürlich: Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 des Arbeitsgesetzes verpflichtet die Arbeitgeber, zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmenden alle Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebs angemessen sind. Der Vollzug des ArG obliegt im Kanton Basel-Stadt dem Amt für Wirtschaft und Arbeit, dem das Arbeitsinspektorat angehört (§ 1 Einführungsgesetz des Kantons Basel-Stadt vom 29. Juni 1967 zum Bundesgesetz über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel [Arbeitsgesetz; SG 812.100]). Es bestand demnach zum Zeitpunkt des verfügten Rauchverbots eine parallele Zuständigkeit sowohl des Arbeits- als auch des Bauinspektorats. Wie die Vorinstanz ausführt, ist es Sache der Exekutive, gestützt auf die Gesetzesgrundlagen funktionale Zuweisungen vorzunehmen. Eine offensichtliche Überschreitung des Kompetenzbereichs des (damals mit der Durchsetzung des Rauchverbots mitbefassten) Arbeitsinspektorats ist nicht zu erkennen. 4. Wie die Beschwerdeführerin weiter vorbringt, finden in ihrem Betrieb nur Personen Einlass, die selbst Gästemitglieder des Vereins "Fümoar" sind und damit ausdrücklich auf den Schutz vor Passivrauchen verzichtet haben. Indem damit kein Mensch unfreiwillig dem Passivrauch anderer ausgesetzt sei, werde dadurch weder das PaRG noch § 34 GGG/BS umgangen. BGE 139 I 242 S. 253 4.1 § 34 GGG/BS statuiert ein grundsätzliches Rauchverbot in Gastronomiebetrieben, welches - in gleicher Weise wie der Paradigmenwechsel auf Bundesebene und in anderen Kantonen - vom Grundsatz ausgeht, dass geschlossene Räume, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, rauchfrei sein sollen (vgl. Art. 1 Abs. 1 PaRG; vgl. für den Kanton Solothurn Urteil 2C_233/2010 vom 17. August 2010 E. 4.2.3; für den Kanton St. Gallen 2C_627/2009 vom 23. Februar 2010 E. 2.3.1). Wie bereits festgestellt, umfasst dieser Schutzgedanke auch Raucher und freiwillige Passivraucher (oben E. 3.4.4). Verwaltungsrechtliche Regelungen sind, wie die Vorinstanz ausführt, zwingend. Der Normzweck von § 34 GGG/BS kann demnach nicht durch eine Erklärung der Betroffenen, teilweise oder ganz auf gesetzlichen Schutz verzichten zu wollen, für diese ausser Kraft gesetzt werden; dies widerspräche dem angestrebten Gesundheitsschutz (vgl. für das Bundesgesetz Urteil 6B_75/2012 vom 26. Oktober 2012 E. 3; PORTMANN/ RIBBE, a.a.O., S. 655 ff.). 4.2 Gemäss § 16 VGGG/BS gilt als öffentlich zugänglich ein Raum, der von jeder Person, insbesondere zum Zweck des entgeltlichen Erwerbs von Speisen und Getränken zum Konsum an Ort und Stelle, betreten werden darf (vgl. E. 2.2). Wenn die Vorinstanz davon ausgeht, der Betrieb der Beschwerdeführerin sei öffentlich zugänglich im Sinne von § 16 VGGG/BS, so ist dies nicht willkürlich: Die Mitgliedschaft im Verein "Fümoar" kann problemlos erlangt werden (Entrichtung des Mitgliederbeitrags von Fr. 10.-; oben Sachverhalt A), und die Lokalitäten der Beschwerdeführerin können von allen Personen aufgesucht werden, die dem Verein angeschlossen sind. Es hat demnach entgegen ihren Ausführungen nicht nur ein bestimmter, begrenzter Kreis von Personen Zugang zu den Lokalitäten. Die Vereinsmitgliedschaft ist das Mittel zur Erreichung des in den Statuten festgehaltenen Vereinszwecks, der darin besteht, dass auch nach Inkrafttreten der kantonalen Regelung im Mai 2010 in Restaurationsbetrieben geraucht werden kann ("Milderung der wirtschaftlichen Folgen des Rauchverbots in nicht eigens abgetrennten, bedienten und nicht mit eigener Lüftung versehenen Innenräumen von Gastgewerbebetrieben"). Das Bundesgericht hat bereits festgestellt, dass die öffentliche Zugänglichkeit bei Vereinen, deren Zweck in Umgehung des Gesetzes darin besteht, in Restaurationsbetrieben trotz allgemeinem Rauchverbot Tabak konsumieren zu können, nicht wirksam eingeschränkt ist (vgl. Urteil 6B_75/2012 vom 26. Oktober 2012 E. 3 für den Kanton Thurgau bzw. die bundesgesetzliche Minimalregelung im PaRG). BGE 139 I 242 S. 254 Es gelingt der Beschwerdeführerin demnach nicht, "dasselbe Ziel" des Passivrauchschutzes durch "Zutrittsbeschränkungen der Nichtraucher" zu ihren Räumlichkeiten zu erreichen. Sie kann sich durch ihr Vorgehen nicht wirksam von den bundesrechtlichen Vorgaben bzw. § 34 GGG/BS befreien. 5. Die Beschwerdeführerin macht geltend, § 34 GGG/BS verstosse gegen das verfassungsrechtliche Grundrecht der Rechtsgleichheit und gegen das Diskriminierungsverbot ( Art. 8 Abs. 1 und 2 BV ). Denn nach § 34 GGG/BS seien im Gegensatz zur bundesrechtlichen Regelung nur unbediente Raucherräume zugelassen, womit die kleineren Gastwirtschaftsbetriebe (sog. "Eckkneipen") faktisch von der Möglichkeit ausgeschlossen würden, rauchende Gäste zu bewirten. Indem die Rüge die kantonale Bestimmung in Inhalten betrifft, die über die bundesrechtliche Regelung hinausgehen (Bedienungsverbot in Raucherräumen; vgl. E. 2.2 f.), ist sie zu hören (vgl. Art. 190 BV ); sie vermag indes nicht durchzudringen: 5.1 Nach Art. 8 Abs. 1 BV verletzt ein Erlass das Rechtsgleichheitsgebot, wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die kein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen ersichtlich ist, oder er Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen, wenn also Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird. Die ungerechtfertigte Gleich- bzw. Ungleichbehandlung muss sich auf eine wesentliche Tatsache beziehen. Die Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen besteht, kann zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich beantwortet werden. Dem Gesetzgeber bleibt im Rahmen dieser Grundsätze ein weiter Gestaltungsspielraum ( BGE 138 I 265 E. 4.1 S. 267; BGE 136 I 297 E. 6.1 S. 304, BGE 136 I 1 E. 4.1 S. 5; BGE 135 I 130 E. 6.2 S. 137 f.; BGE 131 I 1 E. 4.2 S. 6 f.; je mit Hinweisen; Urteil 2C_864/2010 vom 24. März 2011 E. 4.1). 5.2 Die Beschwerdeführerin sieht eine massgebliche Differenz zwischen ihrem Kleinbetrieb und Gaststätten mit grösseren Restaurationsflächen, die in § 34 GGG/BS jedoch unberücksichtigt geblieben sei. Es ist demnach zu prüfen, ob die Regelung hinsichtlich entscheidwesentlicher Tatsachen rechtliche Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen würden. Diese Prüfung misst sich insbesondere am Regelungszweck der Bestimmung (vgl. BGE 136 I 1 E. 4.3 S. 7 ff.; vgl. RAINER J. SCHWEIZER, in: Die BGE 139 I 242 S. 255 schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, 2. Aufl. 2008, N. 22 zu Art. 8 BV ). § 34 GGG/BS bezweckt, ein Rauchverbot in Gaststätten zu statuieren; die Bestimmung lässt Ausnahmebereiche zu, wo das Rauchen gestattet bleibt. Wenn der kantonale Gesetzgeber für solche Ausnahmen unbediente abtrennbare Räume vorsieht (vgl. oben E. 2.3), so ist dies eine sinnvolle, jedenfalls keine willkürliche Regelung, um den Gesundheitsschutz des Personals und der Konsumenten gegenüber der bundesrechtlichen Regelung zusätzlich zu stärken. Die (hier bloss faktische) Ungleichbehandlung beruht auf sachlichen, mit dem Regelungszweck der Norm im Einklang stehenden Motiven; auch ist es sachgegeben, dass kleinere Gaststätten ihr Angebot weniger nach verschiedenen Kundensegmenten differenzieren können, als dies grösseren Betrieben möglich ist. Mit Blick auf den Regelungszweck und die tatsächlichen Verhältnisse drängt sich demnach keine unterschiedliche Behandlung der Lokale nach ihrer Grösse (Differenzierungsgebot) auf. Das Rechtsgleichheitsgebot ( Art. 8 Abs. 1 BV ) ist nicht verletzt. 5.3 Art. 8 Abs. 2 BV verbietet qualifizierte Ungleichbehandlungen einer Person allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, welche historisch oder in der gegenwärtigen sozialen Wirklichkeit tendenziell ausgegrenzt oder als minderwertig behandelt wird ( BGE 138 I 265 E. 4.2 S. 267 f.; BGE 136 I 297 E. 7.1 S. 306; BGE 134 I 56 E. 5.1 S. 61 f.; BGE 129 I 217 E. 2.1 S. 223 f. mit Hinweisen auf Rechtsprechung und Doktrin; KIENER/KÄLIN, Grundrechte, 2007, S. 359 ff.). Diese Bestimmung knüpft an die natürlichen Eigenschaften des Menschen an ( BGE 138 I 265 E. 4.2 S. 267 f.; BGE 136 I 297 E. 7.1 S. 306; BGE 134 I 56 E. 5.1 S. 61 f.). Als Betriebsgesellschaft eines Kleinlokals kann sich die Beschwerdeführerin nicht auf Art. 8 Abs. 2 BV berufen. 6. Auch wenn die Beschwerdeführerin schliesslich geltend macht, dem Verein "Fümoar" gehörten mittlerweile mehr als 192'000 Mitglieder an, und er damit aufzeigen will, dass sich ein Grossteil der Bevölkerung weniger strikte Rauchverbote in Gaststätten bzw. eine Bedienung in Fumoirs wünschte, so wäre diesem Anliegen durch eine entsprechende Änderung des kantonalen Rechts (im Rahmen der bundesrechtlichen Minimalvorgaben) Rechnung zu tragen. Eine kantonale Volksinitiative im Kanton Basel-Stadt, die eine Lockerung des kantonalen Rauchverbots zugunsten der Übernahme der BGE 139 I 242 S. 256 bundesrechtlichen Regelung zum Schutz des Passivrauchens hätte bringen sollen (kantonale Volksinitiative "Ja zum Nichtraucherschutz ohne kantonale Sonderregelung"), wurde am 27. November 2011 vom basel-städtischen Stimmvolk allerdings abgelehnt (vgl. hierzu auch Urteil 2C_345/2012 vom 27. September 2012 E. 3.3). Ohnehin vermag die Tatsache, dass ein Teil der Bevölkerung mit der Gesetzgebung zum Schutz vor dem Passivrauchen nicht einverstanden ist, das Gericht nicht davon zu entbinden, das Gesetz anzuwenden. 7. Die angefochtene Verfügung (Rauchverbot) des Arbeitsinspektorats verstösst weder gegen die als verletzt behaupteten Verfassungsbestimmungen ( Art. 8 BV , Art. 49 BV ) noch erging sie unter offensichtlicher Verletzung von kantonalen Kompetenzvorschriften. Es erübrigt sich, die Sache zur Neubeurteilung an das Arbeitsinspektorat zurückzuweisen. Die Vorinstanz hat durch die Abweisung der Beschwerde kein Bundesrecht verletzt. Inwiefern die kantonale Regelung "im Übrigen auch" gegen den Gesamtarbeitsvertrag für das Gastgewerbe verstösst und in welcher Weise das Urteil 1 BvR 3262/ 07, 402/08, 906/08 des deutschen Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 2008 zu berücksichtigen wäre, legt die Beschwerdeführerin nicht näher dar, sodass hierauf nicht weiter einzugehen ist (vgl. nicht publ. E. 1.3).
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Erwägungen ab Seite 202 BGE 137 IV 201 S. 202 Extrait des considérants: 1. Le recourant invoque une violation des art. 59, 62, 62c et 62d CP. 1.1 Aux termes de l' art. 62d al. 1 CP , qui s'applique lorsque le juge a ordonné une mesure thérapeutique institutionnelle, l'autorité compétente examine, d'office ou sur demande, si l'auteur peut être libéré conditionnellement ou si la mesure doit être levée; elle prend une décision à ce sujet au moins une fois par année; au préalable, elle entend l'auteur et demande un rapport à la direction de l'établissement chargé de l'exécution de la mesure. Comme sous l'empire de l'ancien art. 45 ch. 1 al. 3 CP ( ATF 128 IV 241 consid. 3.2 p. 247 s.), le rapport exigé par la disposition doit émaner du médecin traitant, dresser un bilan du traitement, comporter les éléments d'appréciation médicaux utiles à l'évaluation de la dangerosité actuelle de l'auteur et se prononcer sur l'évolution probable de ces éléments en cas de poursuite du traitement selon les modalités les plus indiquées (arrêt 6B_714/2009 du 19 novembre 2009 consid. 1.1 et les réf. citées). 1.2 Conformément à l' art. 62 al. 1 CP , l'auteur doit être libéré conditionnellement de l'exécution institutionnelle de la mesure dès que son état justifie qu'on lui donne l'occasion de faire ses preuves en liberté. La loi ne définit pas cette notion. Elle n'exige pas la guérison de l'auteur, mais une évolution ayant eu pour effet d'éliminer BGE 137 IV 201 S. 203 ou de réduire dans une mesure suffisante le risque de nouvelles infractions. Il n'est donc pas nécessaire que l'auteur soit mentalement normal. Il suffit qu'il ait appris à vivre avec ses déficits, de manière que l'on puisse poser un pronostic favorable quant à son comportement futur (arrêt 6B_714/2009 du 19 novembre 2009 consid. 1.2 et les réf. citées), étant rappelé que s'agissant de la décision sur le pronostic, le principe "in dubio pro reo" n'est pas applicable ( ATF 127 IV 1 consid. 2a p. 4 s.). Ce pronostic doit être posé en tenant compte du principe de la proportionnalité ( art. 5 al. 2 Cst. et 56 al. 2 CP) selon lequel l'atteinte aux droits de la personnalité qui résulte pour l'auteur d'une mesure ne doit pas être disproportionnée au regard de la vraisemblance qu'il commette de nouvelles infractions et de leur gravité. Cette disposition postule de la sorte la pesée à effectuer entre l'atteinte aux droits inhérente à la mesure ordonnée et la dangerosité de l'auteur (6B_457/2007 du 12 novembre 2007 consid. 5.2). Présente un caractère de dangerosité le délinquant dont l'état mental est si gravement atteint qu'il est fortement à craindre qu'il commette de nouvelles infractions. Lors de l'examen du risque de récidive, il convient de tenir compte de l'imminence et de la gravité du danger, ainsi que de la nature et de l'importance du bien juridique menacé. Lorsque des biens juridiques importants, tels que la vie ou l'intégrité corporelle, sont mis en péril, il faut se montrer moins exigeant quant à l'imminence et à la gravité du danger que lorsque des biens de moindre valeur, tels que la propriété ou le patrimoine, sont menacés ( ATF 127 IV 1 consid. 2a p. 5 et les arrêts cités). Le pronostic doit également tenir compte de la durée de la privation de liberté déjà subie par l'auteur (en ce sens: ROTH/THALMANN, in Commentaire romand, Code pénal, vol. I, 2009, n° 26 ad art. 62 CP ). Cependant, cette circonstance est sans pertinence lorsque la dangerosité actuelle de l'auteur atteint le degré requis pour justifier l'internement chez un individu inaccessible à un traitement médical. En effet, la loi ne limite pas l'internement dans le temps et n'autorise la libération conditionnelle d'un interné que s'il est hautement vraisemblable que celui-ci se comportera correctement en liberté (cf. art. 64a al. 1 CP ; MARIANNE HEER, in Basler Kommentar, Strafrecht, vol. I, 2 e éd. 2007, n° 13 ad art. 64a CP ). Il est ainsi manifeste que, dans la pesée des intérêts opérée par le législateur, le droit à la liberté personnelle d'un auteur qui présente une dangerosité susceptible de justifier un internement ne l'emporte jamais sur l'intérêt public à la sécurité des personnes. BGE 137 IV 201 S. 204 1.3 Conformément à l' art. 56 al. 6 CP , une mesure dont les conditions ne sont plus remplies doit être levée. Comme son prononcé suppose qu'elle soit propre à détourner l'auteur de la commission de nouvelles infractions en relation avec son grave trouble mental (cf. art. 59 al. 1 let. b CP ), une mesure thérapeutique institutionnelle ne peut dès lors être maintenue que si elle conserve une chance de succès, ainsi que le prévoit du reste l' art. 62c al. 1 let. a CP . Au contraire de l'internement, qui consiste principalement à neutraliser l'auteur, la mesure thérapeutique institutionnelle cherche à réduire le risque de récidive par une amélioration des facteurs inhérents à l'intéressé (cf. ANDREA BAECHTOLD, Exécution des peines, 2008, p. 316). Il s'ensuit que, pour qu'une mesure thérapeutique institutionnelle puisse être maintenue, c'est le traitement médical, non la privation de liberté qui lui est associée, qui doit conserver une chance de succès du point de vue de la prévention spéciale. Une mesure thérapeutique institutionnelle ne saurait être maintenue au seul motif que la privation de liberté qu'elle comporte a pour effet d'empêcher l'auteur de commettre de nouvelles infractions. Sinon, ne cherchant plus à réduire le risque de récidive par le traitement de l'auteur, mais uniquement par la neutralisation de celui-ci, elle ne se différencierait plus de l'internement, mesure qui n'est admissible qu'aux conditions prévues à l' art. 64 CP . Certes, la notion de traitement médical doit être entendue largement. Même la simple prise en charge de l'auteur dans un milieu structuré et surveillé accompagnée d'un suivi psychothérapeutique relativement lointain constitue un traitement, si elle a pour effet prévisible d'améliorer l'état de l'intéressé de manière à permettre, à terme, sa réinsertion dans la société (cf. HEER, op. cit., n° 66 ad art. 59 CP ). Mais, lorsqu'il n'y a plus lieu de s'attendre à une amélioration de l'état de l'auteur, l'autorité compétente doit lever la mesure, en prenant au besoin une ou plusieurs des dispositions prévues à l'art. 62c al. 3 à 6 CP. 1.4 L' art. 59 al. 4 CP prévoit que la mesure ne peut, en règle générale, excéder cinq ans. Cependant, si les conditions d'une libération conditionnelle ne sont pas réunies après cinq ans et qu'il est à prévoir que le maintien de la mesure détournera l'auteur de nouveaux crimes ou délits en relation avec le trouble mental, le juge peut ordonner la prolongation de la mesure de cinq ans au plus à chaque fois. La mesure peut ainsi être reconduite aussi souvent et aussi longtemps que son maintien s'avère nécessaire, approprié et proportionnel ( ATF 135 IV 139 consid. 2.1 p. 141). Dans ce cadre, elle ne connaît pas de BGE 137 IV 201 S. 205 limite maximale. Cette prolongation est indiquée lors de traitements selon l' art. 59 al. 3 CP . Cette possibilité existe parce que les mesures thérapeutiques appliquées à des malades mentaux chroniques n'agissent souvent que très lentement ( ATF 134 IV 315 consid. 3.4.1 p. 321 s. et réf. citées). 2. Le recourant conteste l'appréciation du risque de récidive par la cour de cassation pénale au regard des infractions qu'il a commises qu'il qualifie de délits mineurs et fait valoir que le risque de passage à l'acte est faible. Il conteste mettre gravement en danger l'ordre ou la sécurité publics. 2.1 Pour la cour de cassation pénale, même si la gravité des infractions à l'origine de la mesure n'est pas particulièrement significative, le pronostic de la mesure selon l' art. 62 al. 1 CP doit être examiné de manière rigoureuse au regard de la dangerosité de l'intéressé relevée par les experts, dangerosité qui s'est manifestée en particulier quand le recourant a bouté le feu à deux reprises à son lit. Se fondant sur les avis médicaux unanimes, la cour cantonale retient que le recourant est atteint d'une pathologie psychiatrique majeure, ancienne, au traitement long et aléatoire, dont il ne parvient pas à surmonter les effets. En raison notamment de troubles délirants et de l'impulsivité occasionnée par cette double pathologie, il présente un danger pour la sécurité publique au vu du risque de réitération mis en évidence par les experts, ce danger excédant de beaucoup la gravité intrinsèque des infractions. En conséquence, aucun pronostic favorable quant au comportement futur de l'intéressé ne peut être posé en l'état. 2.2 Il est constant que le recourant souffre d'un grave trouble mental chronique qui peut le conduire à adopter des comportements dangereux, respectivement menaçants ou violents pour autrui. Cette dangerosité résulte de l'association, d'une part, d'une schizophrénie paranoïde (impliquant une vulnérabilité au stress considérable selon l'expertise du 20 décembre 2004) et, d'autre part, d'un syndrome de dépendance à des substances psychoactives multiples (réponse au stress selon la même expertise), soit une grave désorganisation psychique associée à une compulsion. La pathologie mentale est jugée grave. Le constat selon lequel l'intéressé présente un danger pour la sécurité publique qui va au-delà de la gravité des infractions qu'il a commises, est conforté par les nombreuses agressions qu'il a perpétrées sur des surveillants ainsi que par l'usage du feu à deux reprises BGE 137 IV 201 S. 206 depuis son arrivée à l'unité psychiatrique des EPO le 23 mars 2010. Les expertises des 20 décembre 2004 et 22 janvier 2010 mentionnent expressément un risque de réitération significatif à défaut de tout traitement institutionnel et en cas de consommation de substances psychoactives. L'appréciation par les experts de 2004 de ce risque d'hétéro-agressivité, majoré en cas de rechute toxicomaniaque, déjà retenu par le Tribunal fédéral dans l'arrêt précédent (6B_241/2008 du 12 juin 2008 consid. 3.1.1) n'a pas été évaluée différemment dans l'expertise du 22 janvier 2010. Il a été relativisé par les seconds experts, uniquement dans le contexte d'un élargissement dans le cadre carcéral et à la condition que l'adhésion du recourant au traitement perdure. Ces conclusions ont été suivies, puisque l'intéressé a pu sortir d'isolement cellulaire le 23 mars 2010 et être transféré à l'Unité de psychiatrie des EPO. Au vu de ces éléments, l'appréciation de la cour cantonale quant à la dangerosité et au risque de récidive qui fondent un pronostic défavorable à une libération conditionnelle ne souffre aucune critique. 3. Le recourant soutient que la mesure thérapeutique institutionnelle n'est pas susceptible d'améliorer son état. La prolongation du maintien en milieu carcéral après plusieurs années violerait le droit fédéral. Par son grief, il s'en prend à la proportionnalité de la mesure. 3.1 Pour la cour cantonale, seule une mesure thérapeutique institutionnelle en milieu carcéral permet d'assurer l'adhésion du condamné au traitement et de le soigner en le mettant, lui et autrui, à l'abri de la dangerosité découlant de sa pathologie, qui présente un caractère persistant, même si ses manifestations varient en intensité au fil du temps. Si quelques progrès ont pu être obtenus en matière d'alliance thérapeutique, c'est précisément du fait de la contrainte que seul un cadre institutionnel fermé peut apporter. Les experts ont attribué l'absence de progrès de l'expertisé sur le plan thérapeutique non seulement à la gravité du trouble qui l'affecte, mais aussi au manque de continuité dans la prise en charge médicamenteuse du fait de son absence de collaboration et/ou de son adhésion partielle au traitement. Bien qu'ils évoquent le caractère extrêmement aléatoire d'un succès thérapeutique, ils ne l'excluent pas pour autant et préconisent à long terme une thérapie multidimensionnelle avec des mesures d'élargissement progressives. Le dernier rapport du SMPP du 5 juillet 2010 conclut, de manière générale, à une bonne alliance thérapeutique depuis que le recourant a rejoint l'unité de psychiatrie, même si elle peut être mise à mal lorsque les BGE 137 IV 201 S. 207 idées délirantes envahissent les relations interpersonnelles. Au vu de ces constatations, que le recourant ne discute pas ( art. 105 al. 1 LTF ), et compte tenu de la large portée qu'il faut attribuer à la notion de traitement médical (consid. 1.3) ainsi que des quelques progrès avérés accomplis par le recourant depuis le mois de mars 2010, le moyen tiré de l'absence de toute chance de succès de la mesure thérapeutique institutionnelle est infondé. 3.2 Au regard de la durée et de l'intensité de la mesure, la cour cantonale relève que le recourant a, depuis sa récente adhésion au traitement, bénéficié d'un allègement de régime, soit d'un passage de régime cellulaire à celui de l'unité de psychiatrie des EPO, en date du 23 mars 2010. Comme l'a relevé l'autorité cantonale, l'atteinte à la liberté personnelle imposée par la mesure a été modifiée en fonction de la situation et ne dépasse pas ce qui est strictement nécessaire à la thérapie. Le temps écoulé depuis le prononcé de la mesure ordonnée en 2005 ne suffit pas à lui seul pour retenir qu'elle serait disproportionnée. Un traitement institutionnel dure en principe jusqu'à ce que son but soit atteint, si sa poursuite ne paraît pas vouée à l'échec. En l'espèce, il a été retenu que le recourant n'est pas inaccessible au traitement. Le succès thérapeutique impose, selon les experts, un encadrement médical adéquat. Selon eux, il serait prématuré d'envisager de mettre fin au placement carcéral, une telle décision ne pouvant intervenir qu'en cas de résultats positifs dans le cadre des premières mesures d'élargissement envisagées. Dans ce cas, un placement dans une institution médico-sociale cadrante à visée réhabilitative serait nécessaire pour une bonne évolution à long terme. Il en résulte que l'amélioration de l'état de santé du recourant, compte tenu de sa pathologie, ne peut être obtenu que par un traitement de longue haleine qui comporte des paliers progressifs d'élargissement. Les traitements sur une longue durée sont propres au type de pathologie dont souffre le recourant (consid. 1.4) et c'est au regard de ces considérations que la loi n'a pas fixé de limite maximale au renouvellement des traitements institutionnels. Compte tenu de la dangerosité que le recourant présente pour autrui (consid. 2.1), des perspectives de stabilisation et d'amélioration de son état de santé, la gravité de l'atteinte aux droits de sa personnalité qu'implique la poursuite du traitement institutionnel depuis près de huit ans n'apparaît pas disproportionnée par rapport à l'intérêt public à la prévention de futures infractions.
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Sachverhalt ab Seite 180 BGE 129 IV 179 S. 180 A.- Le 15 juin 2002, le juge d'instruction du Valais central a été avisé de l'existence d'une suspicion d'abus sexuels au préjudice de l'enfant X., né en mai 1998. Le voisin A. était mis en cause. Il a été prévu que la direction des entretiens serait confiée à une psychologue et que ceux-ci seraient enregistrés sur support vidéo. Le 16 juin 2002, X. a été entendu par une psychologue et une agente de police. Fortuitement, l'enregistrement vidéo a été effacé. Le lendemain, la mère de l'enfant a remis à la police un enregistrement, dans lequel l'enfant, dialoguant avec ses parents, mettait en cause A. Une autre audition de l'enfant par la psychologue et l'agente de police s'est tenue le 20 juin 2002, à la demande des parents. Elle a été enregistrée sur bande vidéo et transcrite par écrit. Le 9 juillet 2002, la psychologue, dans un document intitulé "Commentaires et analyse de crédibilité" visé par son chef de service, lui-même psychologue-psychothérapeute, a indiqué que l'ensemble des éléments apportés par cette audition ne permettait pas de conclure avec certitude que les faits relatés par l'enfant étaient exacts ni de déclarer ces faits peu probables. Le 31 juillet 2002, la représentante du ministère public a observé qu'il manquait au dossier une expertise de crédibilité répondant aux critères minima dégagés au cours de ces dernières années, l'analyse de la psychologue devant nécessairement être complétée par le point de vue d'un expert neutre qui n'ait pas assisté l'enquêteur dans son audition. Le 18 septembre 2002, le juge d'instruction a confié l'expertise à R. Il lui a demandé de lui faire connaître la méthodologie dont elle entendait faire usage et lui a annoncé qu'il lui préciserait sous peu les exigences posées par le Tribunal fédéral et la doctrine spécialisée BGE 129 IV 179 S. 181 en matière d'audition d'enfants. Le 1er octobre 2002, le juge a communiqué aux parties la méthodologie établie par l'experte. Dès le 10 octobre 2002, les parents X. sont intervenus à plusieurs reprises auprès du juge afin qu'il définisse clairement le statut et la mission exacte de l'experte. Le 13 novembre 2002, après que les parents X., le prévenu et le ministère public eurent chacun déposé leur liste de questions à l'experte, le nouveau juge d'instruction en charge du dossier a confirmé le mandat confié à celle-ci et lui a adressé son propre questionnaire. A la suite de discussions préalables avec l'experte, les parents X. ont mis en cause "les méthodes et a priori" qu'elle manifestait en tant que praticienne de la psychanalyse. Le 15 novembre 2002, ils ont fait savoir au juge qu'ils n'entendaient absolument plus confier leur enfant à cette thérapeute et ont requis que le dossier d'expertise soit transféré en mains d'un véritable pédopsychiatre. Par courrier du 27 novembre 2002, ils ont indiqué au juge que l'expertise litigieuse ne correspondait pas aux réquisits d'une véritable expertise de crédibilité et qu'il pouvait interpréter leur requête comme une demande de récusation. Le ministère public et le prévenu s'y sont opposés. B.- Le 3 décembre 2002, le juge d'instruction a rejeté la requête tendant à la récusation de l'experte. X. et ses parents ont recouru contre cette décision. Ils ont invoqué notamment l'incompatibilité du mandat confié à l'experte avec les nouvelles dispositions de la LAVI (RS 312.5). Par décision du 14 janvier 2003, la Chambre pénale du Tribunal cantonal valaisan a rejeté le recours. C.- Agissant par ses parents, X. se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral contre cette décision. Il conclut à son annulation.
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Erwägungen Extrait des considérants: 1. 1.1 La décision attaquée ne met pas fin à l'action pénale mais tranche une question de procédure soulevée par le recourant; il s'agit donc d'une décision incidente. En application de l' art. 268 PPF , la recevabilité d'un pourvoi en nullité contre une décision préjudicielle ou incidente, émanant d'une autorité cantonale de dernière instance, présuppose que cette dernière se soit prononcée définitivement sur un point de droit fédéral ( ATF 128 IV 34 consid. 1a p. 35/36; ATF 119 IV 168 consid. 2a p. 170). Cela est le cas en l'espèce. En effet, la BGE 129 IV 179 S. 182 décision attaquée tranche définitivement, sur le plan cantonal, la question de savoir si l'expertise de crédibilité ordonnée judiciairement est compatible avec les exigences limitatives de l' art. 10c LAVI quant au nombre d'auditions de l'enfant victime. Cette disposition est une norme de droit fédéral au sens de l' art. 269 al. 1 PPF (cf. ATF 119 IV 168 consid. 3 p. 171). La décision attaquée est donc susceptible d'un pourvoi en nullité, malgré son caractère incident ( ATF 119 IV 168 consid. 2b p. 170/171). 1.2 Tant que les faits ne sont pas définitivement arrêtés, comme en l'espèce, il faut se fonder sur les allégués de celui qui se prétend lésé pour déterminer s'il est une victime au sens de l' art. 2 LAVI ( ATF 126 IV 147 consid. 1 p. 149). Le recourant soutient avoir été sexuellement abusé. Directement atteint dans son intégrité sexuelle, il apparaît comme une victime ( art. 2 al. 1 LAVI ). Aux termes de l' art. 270 let . e ch. 2 PPF, la victime peut faire valoir une violation des droits que lui accorde la LAVI. Cette disposition est une codification de la jurisprudence, laquelle a admis que la victime ou les personnes assimilées peuvent se pourvoir en nullité indépendamment de toute autre condition lorsqu'elles invoquent la violation d'un droit qui leur est garanti par la LAVI dans la procédure pénale, afin d'éviter qu'une violation de ces garanties du droit fédéral échappe à la connaissance du Tribunal fédéral ( ATF 122 IV 79 consid. 1a p. 81, 71 consid. 2 p. 75, 37 consid. 1a p. 39/40). Le recourant est donc habilité à soulever une violation d'un droit procédural découlant de la LAVI, en l'espèce à propos de l'interprétation et de l'application de l' art. 10c LAVI . Savoir si la norme de la LAVI invoquée a été violée ou non est une question de fond, non de recevabilité. 2. Le recourant se plaint d'une violation de l' art. 10c LAVI . 2.1 Le 23 mars 2001, les Chambres fédérales ont adopté une modification de la LAVI, entrée en vigueur le 1er octobre 2002 (RO 2002 p. 2997). Y figure l'art. 10c, selon lequel l'enfant ne doit en principe pas être soumis à plus de deux auditions sur l'ensemble de la procédure (al. 1). La première audition doit intervenir dès que possible. Elle est conduite par un enquêteur formé à cet effet, en présence d'un spécialiste. Les parties exercent leurs droits par l'intermédiaire de la personne chargée de l'interrogatoire. L'audition a lieu dans un endroit approprié. Elle fait l'objet d'un enregistrement vidéo. L'enquêteur et le spécialiste consignent leurs observations particulières dans un rapport (al. 2). Une seconde audition est organisée BGE 129 IV 179 S. 183 si, lors de la première, les parties n'ont pas pu exercer leurs droits, ou si cela est indispensable au bon déroulement de l'enquête ou à la sauvegarde de l'intérêt de l'enfant. Dans la mesure du possible, elle doit être menée par la personne qui a procédé à la première audition. Pour le reste, les dispositions de l'al. 2 sont applicables (al. 3). 2.2 En l'espèce, la procédure pénale a été initiée avant l'entrée en vigueur de la nouvelle réglementation, le recourant ayant en particulier été entendu par les autorités de poursuite pénale les 16 et 20 juin 2002 déjà. On peut donc se demander si l' art. 10c LAVI s'applique à une procédure en cours. Selon l'art 12 al. 2 de l'ordonnance sur l'aide aux victimes d'infraction (OAVI; RS 312.51), les dispositions relatives à la protection et aux droits de la victime dans la procédure pénale (art. 5 à 10 LAVI) sont applicables à tous les actes de procédure accomplis après l'entrée en vigueur de la LAVI. Cette disposition n'a pas formellement été modifiée lors de la révision et ne mentionne donc pas les art. 10a à 10d LAVI en vigueur depuis le 1er octobre 2002. Comme ces nouvelles dispositions complètent les art. 5 à 10 LAVI en s'attachant spécifiquement à la protection de la personnalité des enfants victimes dans la procédure pénale, il convient de leur appliquer par analogie l' art. 12 al. 2 OAVI . En conséquence, l' art. 10c LAVI régit la présente procédure et le recourant peut s'en prévaloir. Au demeurant, cette solution s'accorde avec la jurisprudence, selon laquelle les dispositions de procédure de la LAVI s'appliquent aux décisions rendues après l'entrée en vigueur de cette loi ( ATF 120 Ia 101 consid. 1 p. 102/103). 2.3 Le nouvel art. 10c LAVI tend notamment à restreindre le nombre d'interrogatoires auquel l'enfant victime peut être soumis. En principe, il ne devrait pas y en avoir plus de deux. Cette règle se fonde sur la constatation qu'un interrogatoire sur les circonstances de l'acte peut être traumatisant pour un enfant. Dans les cas d'abus sexuels par exemple, le traumatisme de l'enfant ne remonte pas uniquement à l'abus, mais est renforcé par les suites liées à l'événement. Cette victimisation secondaire, susceptible de causer un grave préjudice à l'enfant, doit être évitée au maximum (cf. FF 2000 p. 3525). 2.4 Selon l' art. 10c al. 1 LAVI , les interrogatoires visés par la nouvelle réglementation sont ceux menés dans le cadre de l'ensemble de la procédure, par quoi il faut bien sûr comprendre de la procédure pénale. Cela exclut donc une audition de l'enfant hors d'une telle procédure, par exemple celle menée dans le cadre d'une procédure BGE 129 IV 179 S. 184 civile (divorce des parents notamment) ou encore les questions posées à l'enfant par des particuliers avant la procédure pénale, comme ses parents, dans l'optique d'éclaircir des soupçons d'abus (cf. EVA WEISHAUPT, Besonderer Schutz minderjähriger Opfer im Strafverfahren, in RPS 120/2002 p. 231 ss, 239). En l'espèce, le juge d'instruction a ordonné une expertise de crédibilité des déclarations du recourant, âgé de quatre ans. Ce type d'expertise s'impose surtout lorsqu'il s'agit des déclarations d'un petit enfant qui sont fragmentaires ou difficilement interprétables, lorsqu'il existe des indices sérieux de troubles psychiques, ou lorsque des éléments concrets font penser que la personne interrogée a été influencée par un tiers (cf. ATF 128 I 81 consid. 2 p. 84 ss; ATF 118 Ia 28 consid. 1c p. 31/32; arrêt 1P.8/2002 du 5 mars 2002, consid. 4.3.1; cf. aussi PHILIPP MAIER/ARNULF MÖLLER, Begutachtungen der Glaubhaftigkeit in der Strafrechtspraxis, in PJA 2002 p. 682 ss, 685/686). La question à résoudre ici est de déterminer si la limitation des auditions prévues à l' art. 10c LAVI touche également une expertise de crédibilité ordonnée par les autorités de poursuite pénale. Il ressort du message du Conseil fédéral qu'à l'occasion du deuxième interrogatoire - celui prévu par l' art. 10c al. 3 LAVI - les parties présentes au procès (autorités chargées de l'enquête, parquet, défense, expert chargé de vérifier la crédibilité des affirmations, représentants de la victime) disposent du droit de poser des questions (FF 2000 p. 3517); aussi, un deuxième interrogatoire de l'enfant selon l' art. 10c al. 3 LAVI peut-il en particulier répondre aux besoins d'une expertise de crédibilité. Dans le même sens, WEISHAUPT (op. cit., p. 240) mentionne qu'une deuxième audition selon l' art. 10c al. 3 LAVI peut être nécessaire en raison d'une expertise de crédibilité. Le message pas plus que la doctrine, même s'ils n'abordent pas directement cette question, ne laissent donc entendre qu'une expertise échapperait à l' art. 10c LAVI . Le but même de la nouvelle réglementation, qui se soucie d'éviter les traumatismes supplémentaires provoqués par la répétition d'interrogatoires, ne saurait être battu en brèche par un traitement différencié réservé à l'expertise. Que l'expert dispose d'une formation en règle générale à même d'éviter une victimisation secondaire (cf. MARKUS HUG, Glaubhaftigkeitsgutachten bei Sexualdelikten gegenüber Kindern, in RPS 118/2000 p. 19 ss, 40) n'y change rien. En effet, conformément à l' art. 10c al. 2 LAVI , l'enquêteur de la police qui procède à la première audition est lui-même formé à cet effet et doit en plus BGE 129 IV 179 S. 185 être accompagné d'un spécialiste. Déjà à ce stade, tout est mis en oeuvre pour éviter une victimisation secondaire. Rien ne justifie véritablement une plus grande souplesse à l'égard de l'expert par rapport aux personnes spécialement formées qui interviennent au début de l'enquête. Il faut donc conclure qu'une expertise de crédibilité est soumise à l' art. 10c LAVI . Cette solution vaut lorsque l'expert est mandaté par le juge dans le cadre de la procédure et qu'il apparaît de la sorte comme un auxiliaire de la justice. 2.5 La difficulté consiste à concilier les exigences scientifiques requises pour mener à bien l'expertise et la protection prévue par la loi pour l'enfant victime. L'élément cardinal d'une expertise de crédibilité consiste en l'analyse des déclarations selon des critères prédéterminés. L'expertise intervient dans une phase de la procédure où l'enfant s'est déjà exprimé sur les faits de la cause. L'expert doit garder à l'esprit que sa manière de se comporter avec l'enfant dans une expertise judiciaire ne peut être identique à une approche clinique. Il doit en général entrer en contact avec l'enfant pour effectuer sa mission, par exemple pour se faire une idée propre quant à l'état physique et psychique de celui-ci ou pour se rendre compte de réactions qu'il a suscitées (cf. ATF 128 I 81 consid. 2 et 3 p. 84 ss; HUG, op. cit., p. 40; MAX STELLER/RENATE VOLBERT, Glaubwürdigkeitsbegutachtung, in Max Steller et Renate Volbert [éd.], Psychologie im Strafverfahren, 1997, p. 24-27; GÜNTER KÖHNKEN, Methodik der Glaubwürdigkeitsbegutachtung, in Jörg M. Fegert [éd.], Begutachtung sexuell missbrauchter Kinder, Fachliche Standards im juristischen Verfahren, 2001, p. 45/46). D'après une enquête allemande, citée par HUG, dans 44% des cas étudiés un seul rendez-vous avec l'expert a suffi; pour les autres cas, plusieurs rendez-vous ont eu lieu, jusqu'à quatre; au total, les auditions ont duré en moyenne trois heures (cf. DETLEF BUSSE/RENATE VOLBERT, Glaubwürdigkeitsgutachten in Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs, Ergebnisse einer Gutachtenanalyse, in Luise Greuel, Thomas Fabian et Michael Stadler [éd.], Psychologie der Zeugenaussage, 1997, p. 131 ss, 135). Il n'apparaît donc pas rare qu'une expertise de crédibilité requière plus d'une audition. Cela ne saurait exclure par avance la compatibilité d'une telle expertise avec l' art. 10c LAVI , cette hypothèse n'ayant manifestement pas été voulue par le législateur. Même si la formation spécifique de l'expert ne le soustrait pas à la réglementation de l' art. 10c LAVI (cf. supra, consid. 2.4 in fine), il ne faut pas non plus omettre qu'elle implique en principe une audition conduite dans les règles de l'art. BGE 129 IV 179 S. 186 Outre le respect des droits de la défense, l' art. 10c al. 3 LAVI institue la possibilité de tenir une deuxième audition si cela est indispensable au bon déroulement de l'enquête ou à la sauvegarde de l'intérêt de l'enfant. Cette extension a été introduite lors des débats parlementaires (cf. BO 2000 CN p. 1173 ss). L' art. 10c al. 1 LAVI limite en principe le nombre d'auditions à deux durant la procédure. Selon la teneur même de cette disposition, des exceptions restent donc possibles, étant précisé qu'il ne s'agit pas de les systématiser. Par analogie avec le texte de l' art. 10c al. 3 LAVI , le bon déroulement de l'enquête ou l'intérêt de l'enfant peuvent constituer des critères justifiant plus de deux auditions (cf. WEISHAUPT, op. cit., p. 241). S'agissant d'une expertise de crédibilité, une telle justification pourrait résulter de la nécessité scientifique, et à travers elle du bon déroulement de l'enquête pénale, ou de la protection de l'enfant, si un fractionnement de l'audition apparaissait préférable pour lui. C'est au cas par cas, en fonction de l'ensemble des circonstances concrètes, que l'admissibilité de plus de deux auditions doit être examinée. Il incombe au juge, autant que faire se peut, de prendre les mesures nécessaires propres à harmoniser tant les droits des deux parties (accusé et victime) que les intérêts de la poursuite pénale. A noter que l'abandon d'une expertise de crédibilité pour éviter d'entendre encore l'enfant pourrait conduire à ce qu'il faille en dernier ressort libérer l'accusé au bénéfice du doute. 2.6 La présente procédure, y compris l'expertise ordonnée, est donc soumise à l' art. 10c LAVI . Le recourant a déjà été entendu les 16 et 20 juin 2002. Ces deux auditions sont antérieures à l'entrée en vigueur de l' art. 10c LAVI et la deuxième a été requise par les parents. Dans ce contexte particulier, il n'apparaît nullement exclu d'entendre encore le recourant, à supposer en particulier que le bon déroulement de l'enquête l'exige, voire l'intérêt propre de celui-ci. Le recourant et l'intimé ne contestent pas la pertinence d'une expertise de crédibilité. Selon la décision attaquée, le juge d'instruction a communiqué aux parties le 1er octobre 2002 la méthodologie établie par l'experte. Au moins implicitement, la décision attaquée renvoie donc au contenu de ce document. Il en ressort que l'experte souhaite voir le recourant 2 fois par semaine (1/2 heure?) pendant une période dont [elle ne peut] fixer le terme mais qu'[elle] espère courte (1 mois?). Dès le 10 octobre 2002, les parents du recourant ont plusieurs fois demandé au juge d'instruction de préciser le statut et la mission exacte de l'experte. Le 13 novembre 2002, le juge a confirmé le mandat confié à l'experte. Le 15 novembre 2002, BGE 129 IV 179 S. 187 les parents du recourant ont fait savoir qu'ils n'entendaient pas confier leur enfant à cette experte et qu'ils souhaitaient l'intervention d'un véritable pédopsychiatre. Contrairement à ce que laisse entendre la décision attaquée, il n'apparaît pas que le recourant (par l'entremise de ses parents) aurait tardé à soulever son opposition. L' art. 10c LAVI est entré en vigueur le 1er octobre 2002, soit le jour où la méthodologie de l'experte a été communiquée. Le recourant a ensuite demandé des précisions sur le déroulement de l'expertise avant de s'opposer à sa mise en oeuvre telle qu'elle était prévue par l'experte. Dans ces conditions, on ne voit pas que le recourant aurait agi de manière contraire à la bonne foi, au point de pouvoir lui dénier le bénéfice des droits procéduraux accordés par l' art. 10c LAVI . D'ailleurs, on ne saurait guère concevoir une renonciation aux droits précités, du moins de la part d'un jeune enfant supposé victime d'un acte d'ordre sexuel (cf. WEISHAUPT, op. cit., p. 244/245). L'experte envisage plusieurs auditions. La manière dont elle les a annoncées fait penser à un nombre soutenu et indéterminé. Leur compatibilité avec l' art. 10c LAVI apparaît fortement suspecte. Le juge d'instruction devait veiller au respect de cette disposition, notamment en s'enquérant auprès de l'experte de l'éventuelle nécessité d'auditions répétées dans le cas concret et en lui rappelant les exigences légales restrictives en ce domaine. Le cas échéant, il lui incombait d'inviter l'experte à employer une méthode d'investigation mieux conciliable avec l' art. 10c LAVI et bien sûr respectueuse des standards scientifiques reconnus ( ATF 128 I 81 consid. 2 p. 84 ss). L'analyse de la procédure cantonale ne permet pas de conclure à une véritable prise en compte du nouvel art. 10c LAVI . La méconnaissance de cette norme est attestée par la motivation de la décision attaquée, la Chambre pénale s'étant contentée de signaler qu'une violation de la LAVI pourrait éventuellement donner lieu à un complément d'expertise voire à une nouvelle expertise. Le pourvoi doit donc être admis, la décision attaquée annulée et la cause renvoyée à l'autorité cantonale, qui veillera à la poursuite de l'instruction dans le respect des exigences de l' art. 10c LAVI .
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Erwägungen ab Seite 243 BGE 131 V 242 S. 243 Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Bestimmungen auch im Invalidenversicherungsbereich geändert worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben ( BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 4. Juli 2001) eingetretenen Sachverhalt abstellt ( BGE 121 V 366 Erw. 1b), sind die bis 31. Dezember 2002 BGE 131 V 242 S. 244 gültig gewesenen Bestimmungen anwendbar (vgl. BGE 130 V 259 Erw. 3.5, BGE 130 V 333 Erw. 2.3, 425 Erw. 1.1, 447 Erw. 1.2.1, je mit Hinweisen). 2.2 Nach Art. 50 Abs. 1 IVG finden für die Sicherung der Leistungen und die Verrechnung die Art. 20 und 45 AHVG sinngemäss Anwendung. Nachzahlungen von Leistungen können gemäss Art. 50 Abs. 2 IVG in Abweichung von Art. 20 Abs. 1 AHVG an Drittpersonen oder Drittstellen, welche im Hinblick auf die Leistung der Invalidenversicherung Vorschussleistungen erbracht haben, ausgerichtet werden. Laut Art. 85 bis Abs. 1 IVV (in der seit 1. Januar 1999 geltenden Fassung) können Arbeitgeber, Einrichtungen der beruflichen Vorsorge, Krankenversicherungen, öffentliche und private Fürsorgestellen oder Haftpflichtversicherungen mit Sitz in der Schweiz, welche im Hinblick auf eine Rente der Invalidenversicherung Vorschussleistungen erbracht haben, verlangen, dass die Nachzahlung dieser Rente bis zur Höhe ihrer Vorschussleistungen verrechnet und an sie ausbezahlt wird. Die bevorschussenden Stellen haben ihren Anspruch mit besonderem Formular frühestens bei der Rentenanmeldung und spätestens im Zeitpunkt der Verfügung der IV-Stelle geltend zu machen. Nach Art. 85 bis Abs. 2 IVV gelten als Vorschussleistungen einerseits freiwillige Leistungen, sofern die versicherte Person zu deren Rückerstattung verpflichtet ist und sie der Auszahlung der Rentennachzahlung an die bevorschussende Stelle schriftlich zugestimmt hat (lit. a), und andererseits die vertraglich oder auf Grund eines Gesetzes erbrachten Leistungen, soweit aus dem Vertrag oder dem Gesetz ein eindeutiges Rückforderungsrecht infolge der Rentennachzahlung abgeleitet werden kann (lit. b). Die Nachzahlung darf der bevorschussenden Stelle höchstens im Betrag der Vorschussleistungen und für den Zeitraum, in welchem diese erbracht worden ist, ausbezahlt werden ( Art. 85 bis Abs. 3 IVV ). (...) 4. 4.1 Es ist unbestritten und nach der Aktenlage nicht in Frage zu stellen, dass sich die an die Gemeinde Y. zwecks indirekter Verrechnung mit dem sozialhilferechtlichen Rückerstattungsanspruch der Gemeinde gegenüber der Versicherten ausbezahlten Rentenbetreffnisse in Höhe von Fr. 16'530.- auf Zeiten beziehen, für welche die heutige Beschwerdeführerin tatsächlich von der Gemeinde Y. Sozialhilfeleistungen bezogen hat. Im Zentrum der BGE 131 V 242 S. 245 Argumentation in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde steht der Einwand, die Leistungen der Gemeinde Y. seien nicht, wie es Art. 85 bis Abs. 1 IVV verlange, "im Hinblick auf eine Rente der Invalidenversicherung" gewährt worden. Dazu wird ausgeführt, die Gemeinde habe ihre Leistungen im Zeitraum zwischen dem 1. Januar 1999 und dem 30. April 2001 ausgerichtet, während die Anmeldung zum Leistungsbezug bei der Invalidenversicherung erst am 7. Januar 2000 erfolgt sei. Von dieser Anmeldung habe die Gemeinde nichts gewusst. Sie habe die Versicherte vielmehr zur Aufnahme einer Arbeit angehalten und bei der Arbeitslosenversicherung angemeldet. Die Versicherte habe denn auch beim Arbeitsamt der Gemeinde Y. gestempelt. Ohne invalidenversicherungsrechtliches Verfahren oder ohne Kenntnis desselben könne eine Vorschussleistung aber nicht "im Hinblick auf eine Rente der Invalidenversicherung" erbracht worden sein, sodass die in Art. 85bis Abs. 1 IVV genannte Voraussetzung für eine Drittauszahlung nicht erfüllt sei. Dies habe die Vorinstanz ungeprüft gelassen. 4.2 In der bisher ergangenen Rechtsprechung zu dem auf den 1. Januar 1994 in Kraft getretenen Art. 85 bis IVV - die auf den 1. Januar 1999 erfolgte Neufassung ist rein redaktioneller Art und kann vorliegend vernachlässigt werden - hat das in dieser Bestimmung genannte Erfordernis der "im Hinblick auf eine Rente der Invalidenversicherung erbrachten Vorschussleistungen", soweit ersichtlich, keine Rolle gespielt (vgl. BGE 128 V 108 , BGE 123 V 25 ; SVR 2001 IV Nr. 13 S. 39). Auch der zur Drittauszahlung extra legem ergangenen Rechtsprechung vor dem In-Kraft-Treten des Art. 85 bis IVV lässt sich diesbezüglich nichts entnehmen (vgl. BGE 118 V 88 ; vgl. auch nachstehende Erw. 5.2). Mit der Einfügung des Abs. 2 in Art. 50 IVG auf den 1. Januar 1997 hat Art. 85 bis Abs. 1 IVV eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage erhalten ( BGE 128 V 110 Erw. 2d; MEYER-BLASER, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG], in: MURER/STAUFFER [Hrsg.], Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Zürich 1997, S. 289 f.). Auch Art. 50 Abs. 2 IVG spricht von Nachzahlungen von Leistungen an Drittpersonen oder Drittstellen, welche "im Hinblick auf die Leistung der Invalidenversicherung Vorschussleistungen erbracht haben" (Satz 1); der Bundesrat regelt das Verfahren sowie die Voraussetzungen der Auszahlung an Dritte (Satz 2). BGE 131 V 242 S. 246 5. Es ist einzuräumen, dass sich der Standpunkt der Beschwerdeführerin auf den Wortlaut sowohl des Art. 50 Abs. 2 IVG wie auch des Art. 85 bis Abs. 1 IVV stützen kann. Unbestrittenermassen ist das gemäss Wortlaut verlangte Erfordernis der "im Hinblick auf die Leistung der Invalidenversicherung" ( Art. 50 Abs. 2 IVG ) oder der "im Hinblick auf eine Rente der Invalidenversicherung" ( Art. 85 bis Abs. 1 IVV ) erbrachten Vorschussleistungen im vorliegenden Fall nicht gegeben (in der französischsprachigen Fassung: "... qui ont accordé des avances dans l'attente de l'octroi des prestations de l'assurance-invalidité" [art. 50 al. 2 LAI] oder: "... qui, en vue de l'octroi d'une rente de l'assurance-invalidité, ont fait une avance ..." [art. 85 bis al. 1 RAI]; in der italienischsprachigen Version: "... che hanno accordato anticipi in attesa della concessione di prestazioni dell'assicurazione per l'invalidità" [art. 50 cpv. 2 LAI] oder: "... che, in vista della concessione di una rendita dell'assicurazione invalidità, hanno effettuato anticipi ..." [art. 85 bis cpv. 1 OAI]). Indessen fragt sich, ob der Wortlaut auch den für die Gesetzesauslegung massgeblichen Rechtssinn ausdrückt. 5.1 Das Gesetz ist in erster Linie nach seinem Wortlaut auszulegen. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Auslegungen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente, namentlich des Zwecks, des Sinnes und der dem Text zu Grunde liegenden Wertung. Wichtig ist ebenfalls der Sinn, der einer Norm im Kontext zukommt. Vom klaren, d.h. eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, u.a. dann nämlich, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Grund und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit andern Vorschriften ergeben ( BGE 129 II 118 Erw. 3.1, BGE 129 V 103 Erw. 3.2, je mit Hinweisen). 5.2 Die Formulierung "im Hinblick auf die Leistung der Invalidenversicherung" resp. "im Hinblick auf eine Rente der Invalidenversicherung" erbrachte Vorschussleistungen ist zunächst auf dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte von Art. 85 bis IVV und Art. 50 Abs. 2 IVG zu würdigen. Wie das Eidgenössische Versicherungsgericht in BGE 118 V 88 ausgeführt hat, stand die damalige, rein auf der Grundlage einer Verwaltungspraxis entwickelte Drittauszahlung in einem Spannungsverhältnis zum gesetzlichen BGE 131 V 242 S. 247 Abtretungsverbot ( Art. 50 IVG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 AHVG ), und zwar in jenen Fällen, in welchen die seit jeher normativ bestehenden Voraussetzungen für die Sicherstellung einer zweckgemässen Rentenverwendung ( Art. 50 IVG in Verbindung mit Art. 45 AHVG und Art. 76 AHVV ) nicht erfüllt waren. Es ist daher verständlich, dass der Verordnungsgeber - eingedenk einerseits des Fehlens einer formellgesetzlichen Grundlage und andererseits des vom Eidgenössischen Versicherungsgericht in BGE 118 V 88 Entschiedenen - eine restriktive Formulierung wählte, welche die später Gegenstand der indirekten Verrechnung darstellenden Sozialhilfeleistungen gleichsam als Vorschussleistungen der Invalidenversicherung betrachtete. Nachdem nun aber mit Art. 50 Abs. 2 IVG eine ausdrückliche formellgesetzliche Grundlage geschaffen worden ist, um die Nachzahlung an bevorschussende Stellen in Abweichung vom gesetzlichen Leistungsabtretungsverbot zu regeln, besteht an sich kein Anlass mehr für eine solche zurückhaltende Betrachtungsweise. Daran ändert nichts, dass Art. 50 Abs. 2 IVG selber den Passus "im Hinblick auf die Leistung der Invalidenversicherung" enthält. Hier stellt sich die Frage, ob die an sich klare Formulierung in Art. 85 bis Abs. 1 IVV und Art. 50 Abs. 2 IVG zu weit gefasst ist und im Sinne einer teleologischen Reduktion einer vom Wortlaut abweichenden, restriktiven Interpretation zu weichen hat (vgl. BGE 129 V 220 Erw. 4.2.1 mit Hinweis; ERNST A. KRAMER, Teleologische Reduktion - Plädoyer für einen Akt methodentheoretischer Rezeption, in: Rechtsanwendung in Theorie und Praxis, Symposium zum 70. Geburtstag von Arthur Meier-Hayoz, Basel 1993, S. 65). Sinn und Zweck von Art. 50 Abs. 2 IVG und Art. 85 bis IVV ist die Leistungskoordination von Invalidenversicherung einerseits und Sozialhilfe andererseits. Mit dem Passus "im Hinblick auf ..." geht der Wortlaut allerdings zu weit. Es kann für die Herstellung der Leistungskoordination nur darauf ankommen, dass objektiv für den gleichen Zeitraum Sozialhilfe- und Invalidenversicherungsleistungen fliessen und dass für die zur Verhinderung eines doppelten Leistungsbezuges erforderliche Drittauszahlung die weiteren normativen Erfordernisse des Art. 85 bis Abs. 1 bis 3 IVV erfüllt sind, hingegen nicht, dass die Sozialhilfeleistungen in subjektiver Kenntnis eines (bereits eingereichten oder später zu stellenden) Antrages um Zusprechung einer Rente der Invalidenversicherung ausgerichtet werden. BGE 131 V 242 S. 248 5.3 Für diese objektive Betrachtungsweise sprechen ferner folgende systematische Auslegungsüberlegungen: Abs. 2 von Art. 85 bis IVV umschreibt den Begriff Vorschussleistungen in den beiden Formen der freiwilligen (lit. a) und der vertraglich oder auf Grund eines Gesetzes erbrachten (lit. b) Leistungen abschliessend, ohne dass für das Vorliegen einer solchen Vorschussleistung verlangt wird, dass sie "im Hinblick auf eine Rente der Invalidenversicherung" erbracht worden ist. Durch Abs. 3, wonach die Nachzahlung der bevorschussenden Stelle höchstens im Betrag der Vorschussleistung und für den Zeitraum, in welchem diese erbracht worden ist, ausbezahlt werden darf, ist weiter auch der Grundsatz der sachlichen Kongruenz der miteinander indirekt zu verrechnenden Leistungen sichergestellt. Darüber hinaus auch noch zu verlangen, dass die bevorschussende Stelle ihre Leistung in Kenntnis eines schon anhängig gemachten oder später noch zu stellenden Rentenbegehrens gegenüber der Invalidenversicherung erbracht hat, macht nach dem Gesagten keinen Sinn. Ein wörtliches Verständnis des Passus "im Hinblick auf ... " würde gegenteils ein Einfallstor bieten für Zufälligkeiten, welche je nachdem die Drittauszahlung erlauben oder ihr entgegenstehen. Derjenige Sozialhilfebezüger, welcher den - schon eingereichten oder noch einzureichenden - Rentenantrag der Sozialhilfebehörde verschweigt, hätte nicht mit der Nachzahlung der später festgesetzten Rente der Invalidenversicherung an die Gemeinde zu rechnen, weil die Sozialhilfe bei Abstellen auf die subjektive Kenntnis der Gemeinde, nicht "im Hinblick auf" die künftige Rente der Invalidenversicherung ausgerichtet worden wäre. Hingegen hätte derjenige Versicherte, welcher der Sozialhilfebehörde von seinem Antrag bei der Invalidenversicherung Kenntnis gibt, später unter den Voraussetzungen des Art. 85 bis Abs. 2 lit. b IVV (Erfordernis eines eindeutigen Rückforderungsrechtes) eine Nachzahlung mit indirekter Verrechnung zu gewärtigen. Dies wäre im Lichte des verfassungsmässigen Gleichbehandlungsgrundsatzes ( Art. 8 Abs. 1 BV ) ein stossendes Ergebnis, das es auf dem Wege der Auslegung zu vermeiden gilt (zur Bedeutung des Rechtsgleichheitsgrundsatzes für die Auslegung vgl. BGE 126 V 97 Erw. 4b). 6. 6.1 In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird weiter geltend gemacht, die Gemeinde Y. habe als bevorschussende Stelle ihren Nachzahlungsanspruch nicht, wie es Art. 85 bis Abs. 1 Satz 3 IVV BGE 131 V 242 S. 249 verlangt, auf besonderem Formular geltend gemacht; auch habe die Beschwerdeführerin einer Auszahlung der Rente an die Gemeinde Y. nie zugestimmt. 6.2 Beide Rügen sind unbegründet. Im Rahmen von Art. 85 bis Abs. 2 lit. b IVV ist - im Gegensatz zu den freiwilligen Leistungen nach lit. a - keine Zustimmung der versicherten Person nötig; vielmehr wird diese durch das Erfordernis eines "eindeutigen Rückforderungsrechts" ersetzt. Die Abgabe der Zustimmung auf dem dafür vorgesehenen amtlichen Formular im Sinne der vor dem In-Kraft-Treten des Art. 85 bis IVV auf den 1. Januar 1994 ergangenen Rechtsprechung ( BGE 118 V 93 Erw. 3) kann daher nicht mehr die gleiche Bedeutung haben. Vielmehr kommt dem letzten Satz von Art. 85 bis Abs. 1 IVV , wonach die bevorschussenden Stellen ihren Anspruch mit besonderem Formular geltend zu machen haben, nurmehr Ordnungscharakter zu.
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Sachverhalt ab Seite 41 BGE 142 III 40 S. 41 A. A.a B. (le maître de l'ouvrage) a conclu un contrat d'entreprise avec C. AG et D. GmbH (ci-après: les entrepreneurs) pour la réalisation des travaux de rénovation de sa villa située à Mies (VD). Les entrepreneurs ont sous-traité la réalisation des travaux d'électricité à A. GmbH (ci-après: A. ou la sous-traitante). Le maître de l'ouvrage est en litige avec les entrepreneurs au sujet de la réalisation de l'ensemble des travaux. A.b B. a déposé une requête de preuve à futur contre les entrepreneurs devant le Tribunal de première instance de Genève le 5 mars 2013. Il a conclu à ce qu'un expert soit désigné pour examiner la conformité au contrat des travaux effectués par les entrepreneurs. Par ordonnance du 25 juin 2013, le tribunal a admis la requête, ordonné qu'une expertise judiciaire soit effectuée par l'architecte E. et invité les parties à faire part au tribunal de leurs remarques concernant les questions à poser à l'expert, la personne de l'expert, ainsi que le montant des frais de l'expertise. Par ordonnance du 13 septembre 2013, le tribunal a nommé E. en qualité d'expert et fixé sa mission. A.c Dans l'intervalle, le 5 juillet 2013, B. a ouvert une action en paiement contre les entrepreneurs devant le Tribunal de première instance de Genève, dans laquelle les défenderesses ont dénoncé l'instance à A. le 28 octobre 2013 ( art. 78 CPC ). BGE 142 III 40 S. 42 B. Par requête du 14 octobre 2014, A. a demandé à ce que le tribunal l'autorise à intervenir dans la procédure de preuve à futur aux côtés des entrepreneurs ( art. 79 al. 1 let. a CPC ). A. invoque être l'objet d'une procédure pénale administrative menée par l'Office fédéral de l'énergie, lequel a sollicité que le rapport d'expertise à rendre par E. lui soit communiqué. Elle fait valoir qu'il lui est indispensable de pouvoir se prononcer sur les défauts allégués en relation avec les travaux d'électricité qu'elle a réalisés. Elle précise avoir informé l'expert du fait qu'elle se tenait à sa disposition pour tout renseignement, mais que celui-ci ne lui a pas répondu. B. s'est opposé à l'intervention de A. dans la procédure de preuve à futur, parce que, d'une part, celle-ci n'a pas d'intérêt juridique à l'intervention accessoire et que, d'autre part, seule la procédure au fond lui a été dénoncée. Les entrepreneurs ont accepté l'intervention. Par ordonnance du 4 février 2015, le Tribunal de première instance a rejeté la requête d'intervention formée par A. Statuant par arrêt du 10 juin 2015, la Chambre civile de la Cour de justice du canton de Genève a rejeté le recours de A. et confirmé le rejet de la requête d'intervention. C. Contre cet arrêt, A. interjette un recours en matière civile au Tribunal fédéral. Elle conclut à la réforme de cette décision, en ce sens que sa requête d'intervention soit admise et qu'elle puisse en conséquence verser à la procédure la prise de position et le chargé de pièces qu'elle a adressés le 22 août 2014 à l'Office fédéral de l'énergie dans le cadre de la procédure pénale administrative, se déterminer sur le rapport d'expertise et sur toutes les autres étapes de la procédure. L'intimé B. conclut à l'irrecevabilité, respectivement au rejet du recours. Les entrepreneurs intimés déclarent qu'ils "appuient le recours en matière civile interjeté par (A.)". La cour cantonale se réfère aux considérants de son arrêt. (résumé) BGE 142 III 40 S. 43
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Erwägungen Extrait des considérants: 3. La question litigieuse est de savoir si l'intervention est admissible dans une procédure de preuve à futur "hors procès" et, dans l'affirmative, jusqu'à quand un tiers peut se faire admettre comme intervenant au cours de cette procédure. 3.1 Avant toute chose, il s'impose de rappeler les règles applicables et la jurisprudence afférente à la procédure de preuve à futur "hors procès". En vertu de l' art. 158 al. 1 CPC , une preuve à futur peut être obtenue dans trois cas: lorsque la loi confère le droit d'en faire la demande (let. a), lorsque la preuve est mise en danger (let. b, 1 er cas) ou lorsque le requérant a un intérêt digne de protection (let. b, 2 e cas). 3.1.1 Dans le 1 er cas de la let. b, le tribunal administre les preuves en tout temps lorsque la mise en danger de celles-ci est rendue vraisemblable par le requérant. Cette preuve à futur a pour but d'assurer la conservation de la preuve, lorsque le moyen de preuve risque de disparaître ou que son administration ultérieure se heurterait à de grandes difficultés. Une partie peut donc requérir une expertise ou une autre preuve sur des faits qu'elle entend invoquer dans un procès éventuel (preuve à futur "hors procès"), en vue de prévenir la perte de ce moyen de preuve (arrêt 4A_143/2014 du 23 juin 2014 consid. 3). L'administration de la preuve, qui intervient normalement au cours des débats principaux ( art. 231 CPC ), est effectuée hors procès, avant même l'ouverture de l'action (cf. art. 158 al. 1 in initio CPC, qui contient les termes "en tout temps"). N'est pas traitée ici la possibilité de requérir une expertise à titre de preuve à futur dans le procès pendant, soit à un stade antérieur à celui où elle serait normalement administrée ( art. 231, 226 al. 3 CPC ). Dans le 2 e cas de la let. b, la preuve à futur "hors procès" est destinée à permettre au requérant de clarifier les chances de succès d'un procès futur, de façon à lui éviter de devoir introduire un procès dénué de toute chance. Il s'agit là d'une nouvelle institution, qui n'était connue que de certains droits de procédure cantonaux, tels ceux des cantons de Vaud et Berne. Le requérant doit établir qu'il a un intérêt digne de protection à l'administration de la preuve. Il ne lui suffit pas d'alléguer avoir besoin d'éclaircir des circonstances de fait; il doit rendre vraisemblable l'existence d'une prétention matérielle concrète contre sa partie adverse, laquelle nécessite BGE 142 III 40 S. 44 l'administration de la preuve à futur ( ATF 140 III 16 consid. 2.2.2; ATF 138 III 76 consid. 2.4.2 p. 81; arrêts 4A_143/2014 déjà cité, consid. 3.1; 4A_342/2014 du 17 octobre 2014 consid. 3). 3.1.2 Dans tous les cas, il s'agit d'une procédure probatoire spéciale de procédure civile ( art. 1 CPC ; arrêt 4A_143/2014 déjà cité, consid. 3.2). Elle est régie par les dispositions sur les mesures provisionnelles des art. 261 ss CPC ( art. 158 al. 2 CPC ). La procédure sommaire des art. 248 ss CPC est donc applicable ( art. 248 let . d CPC). En particulier, le tribunal notifie la requête à l'autre partie ou cite immédiatement les parties à une audience ( art. 253 CPC ). Il ordonne l'administration de la preuve à futur et la procédure se poursuit ensuite par l'administration effective de cette preuve. Exceptionnellement, lorsque l'administration de la preuve ne peut être assurée autrement, le tribunal statue sans entendre la partie adverse ( art. 265 CPC ) et prend toutes les mesures en vue de l'administration de cette preuve. Tous les moyens de preuve prévus par les art. 168 ss CPC peuvent être administrés en preuve à futur hors procès, et ce conformément aux règles qui leur sont applicables. Lorsqu'il s'agit d'une expertise, les règles des art. 183-188 CPC s'appliquent. En particulier, le tribunal nomme un expert, préside au déroulement des opérations, instruit l'expert et lui soumet les questions soumises à expertise ( art. 185 al. 1 CPC ). Il donne aux parties l'occasion de s'exprimer sur ces questions et de proposer qu'elles soient modifiées ou complétées ( art. 185 al. 2 CPC ) et fixe à l'expert un délai pour déposer son rapport ( art. 185 al. 3 CPC ). Il communique ensuite celui-ci aux parties et leur donne la possibilité de demander des explications ou de poser des questions complémentaires à l'expert ( art. 187 al. 4 CPC ). Le tribunal devra peut-être se prononcer sur une demande de récusation ou de révocation de l'expert, et nommer un autre expert ( ATF 138 III 46 consid. 1.1; arrêts 5A_435/2010 du 28 juillet 2010 consid. 1.1.1; 4A_248/2014 déjà cité, consid. 1.2.3). 3.1.3 La procédure de preuve à futur n'a, dans tous les cas, pas pour objet d'obtenir qu'il soit statué matériellement sur les droits ou obligations des parties, mais seulement de faire constater ou apprécier un certain état de fait. Le tribunal ne statue pas sur le fond, ni, dans le 2 e cas de l' art. 158 al. 1 let. b CPC , ne procède à un examen des chances de succès de la prétention matérielle du requérant ( ATF 140 III 16 consid. 2.2.2; ATF 138 III 76 consid. 2.4.2 p. 81; arrêt 4A_143/2014 déjà cité, consid. 3.1). Une fois les opérations BGE 142 III 40 S. 45 d'administration de la preuve terminées, le juge clôt la procédure et met les frais et dépens à la charge du requérant (lequel pourra les faire valoir ultérieurement dans le procès futur au fond; cf. ATF 140 III 30 consid. 3.3-3.5). L'administration de la preuve à futur "hors procès" ne prive pas les parties du droit de requérir du tribunal saisi de la cause au fond qu'il ordonne que la preuve soit administrée à nouveau. Toutefois, si le tribunal s'estime suffisamment renseigné par l'expertise effectuée à titre de preuve à futur, il peut renoncer à ordonner une nouvelle expertise. L'expertise ordonnée en procédure de preuve à futur a en effet la valeur d'une expertise judiciaire. 3.1.4 En l'espèce, l'arrêt attaqué n'indique pas sur la base de quelle disposition légale la preuve à futur "hors procès" a été ordonnée. Ce point peut toutefois demeurer indécis, dès lors que la question litigieuse de l'intervention dans le cadre de l'administration d'une expertise hors procès se pose de la même manière, quel que soit son fondement légal. 3.2 Il s'impose d'examiner désormais si une intervention accessoire peut être admise dans une telle procédure de preuve à futur "hors procès". 3.2.1 Aux termes de l' art. 74 CPC , qui règle l'intervention accessoire, quiconque rend vraisemblable un intérêt juridique à ce qu'un litige pendant soit jugé en faveur de l'une des parties peut en tout temps intervenir à titre accessoire et présenter au tribunal une requête en intervention à cet effet. Par définition, l'intervenant accessoire ne fait donc pas valoir des prétentions propres, mais soutient les conclusions d'une des parties principales, qu'il a intérêt à voir triompher (arrêt 5A_603/2013 du 25 octobre 2013 consid. 4.2). Il doit rendre vraisemblable un intérêt juridique à ce que la partie aux côtés de laquelle il veut intervenir ait gain de cause. Le jugement qui sera rendu entre les parties principales ne lui sera pas directement opposable, mais il aura valeur de moyen de preuve dans le procès ultérieur entre lui et la partie qu'il a assistée, le "résultat défavorable à la partie principale" lui étant "opposable" ( art. 77 CPC ); sont réservés les cas prévus par l' art. 77 let. a et b CPC . Au vu de sa réglementation aux art. 74-77 CPC , l'institution de l'intervention accessoire a manifestement été pensée en relation avec un procès au fond pendant. BGE 142 III 40 S. 46 3.2.2 Il y a toutefois lieu d'admettre qu'un tiers puisse aussi intervenir dans une procédure de preuve à futur "hors procès". En effet, cette procédure est conçue comme une procédure formellement indépendante, régie par les règles des mesures provisionnelles ( art. 158 al. 2 CPC qui renvoie aux art. 261 ss CPC ). Elle est introduite par une requête et est close par décision du juge. La doctrine quasi unanime s'est prononcée dans ce sens (cf. ADRIAN STAEHELIN ET AL., Zivilprozessrecht, 2 e éd. 2013, § 13 n° 56 p. 198; ZUBER/GROSS, in Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, vol. I, 2012, n° 17 ad art. 74 CPC p. 814; GRABER/FREI, in Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2 e éd. 2013, n° 15 ad art. 74 CPC p. 468; STAEHELIN/SCHWEIZER, in Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [éd.], 2 e éd. 2013, n os 14 et 22 ad art. 74 CPC p. 613 ss; TANJA DOMEJ, in ZPO, Oberhammer/Domej/Haas [éd.], 2 e éd. 2014, n° 3 ad art. 74 CPC p. 386; LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2010, n° 9.54 p. 229; contra: TARKAN GÖKSU, in Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner/Gasser/Schwander [éd.], 2011, n° 18 ad art. 74 CPC p. 468). Certes, la procédure de preuve à futur n'aboutit pas à un jugement qui tranche des droits, de sorte que la condition posée par l' art. 74 CPC - que le litige soit jugé en faveur de l'une des parties - ne peut être remplie en tant que telle. Mais cette procédure, formellement indépendante, n'a de raison d'être qu'en relation avec un procès futur sur le fond, dans lequel l'expertise pourra être utilisée. Par conséquent, il faut et il suffit que le tiers intervenant à la procédure de preuve à futur "hors procès" rende vraisemblable qu'il pourrait intervenir à titre accessoire dans le procès futur sur le fond et qu'il a, de ce fait, intérêt à participer à l'administration de l'expertise en procédure de preuve à futur par des questions, des modifications de questions et des demandes d'explications à l'intention de l'expert ou en lui posant des questions complémentaires (art. 185 al. 2 et 187 al. 4 CPC). 3.2.3 En l'espèce, la société tierce qui requiert de pouvoir intervenir est une sous-traitante, qui a exécuté des travaux d'électricité dans la villa construite par les entrepreneurs pour le maître de l'ouvrage et contre laquelle les entrepreneurs pourront se retourner si des défauts lui sont imputables. De surcroît, le procès au fond était déjà pendant au moment du dépôt de la requête d'intervention de la sous-traitante et les entrepreneurs lui ont dénoncé le litige au fond. Il est donc BGE 142 III 40 S. 47 manifeste que la sous-traitante a rendu vraisemblable un intérêt juridique à son intervention à la procédure de preuve à futur "hors procès" et son intérêt à participer à l'administration de l'expertise à titre de preuve à futur, laquelle porte aussi sur les travaux qu'elle a effectués. D'ailleurs, la cour cantonale n'a, sur le principe, pas exclu qu'un tiers puisse intervenir à titre accessoire à la procédure de preuve à futur "hors procès". Elle a toutefois considéré qu'en l'espèce, la requête d'intervention était tardive. 3.3 Il reste donc à examiner jusqu'à quand une intervention peut être présentée au cours d'une procédure de preuve à futur "hors procès". 3.3.1 Conformément à l' art. 74 CPC , l'intervention est possible en tout temps (jederzeit). Autrement dit, l'intervenant peut requérir sa participation et se joindre à la procédure en tout état de cause, tant que celle-ci est pendante, donc aussi en appel ou dans le recours limité au droit (Message du 28 juin 2006 relatif au code de procédure civile suisse, FF 2006 6896 ad art. 72-75; cf. notamment STAEHELIN ET AL., op. cit., § 13 n° 57 p. 198; ZUBER/GROSS, op. cit., n° 18 ad art. 74 CPC p. 814 s.); l'intervention n'est en revanche pas possible pour la première fois devant le Tribunal fédéral, seul celui qui a pris part à la procédure devant l'autorité cantonale ayant la qualité de partie à la procédure de recours fédérale (cf. art. 76 al. 1 LTF ). L'intervenant se joint toutefois au procès dans l'état où il le trouve: il ne peut accomplir que les actes de procédure compatibles avec l'état du procès ( art. 76 al. 1 CPC ); il ne peut exiger que l'on revienne à un stade antérieur de la procédure (cf. notamment STAEHELIN ET AL., op. cit., § 13 n° 59 p. 199; ZUBER/GROSS, op. cit., n° 3 ad art. 76 CPC p. 826). 3.3.2 En l'espèce, la cour cantonale a considéré que le tribunal avait déjà fixé la mission de l'expert par décisions des 25 juin et 13 septembre 2013 et qu'à ce moment-là, il n'y avait alors plus de décision à rendre susceptible de porter atteinte à la situation juridique de l'intervenante. En d'autres termes, elle a estimé que la procédure était trop avancée pour autoriser une intervention, puisqu'il n'y avait plus de décision à rendre. Cette conclusion est arbitraire. Tout d'abord, elle est en contradiction manifeste avec l' art. 74 CPC , qui admet l'intervention en tout temps, tant que la procédure est pendante, y compris en procédure de BGE 142 III 40 S. 48 recours; or, selon la jurisprudence, la procédure de preuve à futur ne se termine pas avec la nomination de l'expert et la fixation de la mission de celui-ci ( ATF 138 III 46 consid. 1.1). Ensuite, elle cause une atteinte aux droits de l'intervenante dans la mesure où elle l'a privée de son droit de participer à l'administration de l'expertise, de son droit à la communication du rapport de l'expert et de la possibilité de demander des explications ou de poser des questions complémentaires audit expert, par écrit ou en audience, dans cette procédure de preuve à futur "hors procès" (art. 185 al. 2 et 187 al. 4 CPC). Le fait que l'intervenante puisse intervenir dans le procès au fond (dont l'instance lui a d'ailleurs été dénoncée), dans lequel elle aurait la possibilité de se déterminer sur l'expertise et de produire des pièces, n'y change rien. Il s'ensuit que le recours doit être admis, que l'arrêt attaqué doit être annulé et que l'intervention de la sous-traitante doit être autorisée avec effet au 14 octobre 2014, la cause étant renvoyée au Tribunal de première instance pour suite de la procédure de preuve à futur "hors procès". (...)
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Erwägungen ab Seite 43 BGE 133 V 42 S. 43 Aus den Erwägungen: 2. Streitig und zu prüfen ist der Zeitpunkt, ab welchem die Unfallversicherung eine Hilflosenentschädigung auszurichten hat. Hingegen ist nicht mehr umstritten, dass nur Anspruch auf eine Entschädigung für eine Hilflosigkeit leichten Grades besteht. Ebenso unbestritten sind die ab 1. Juni 2002 laufende Invalidenrente und die Integritätsentschädigung. 2.1 Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) sprach die Hilflosenentschädigung ab 1. Januar 2000 zu, während die Vorinstanz den Beginn im Sinne einer reformatio in peius auf den 1. August 2001 festsetzte. Der Versicherte verlangt die Hilflosenentschädigung wie vor der Vorinstanz ab 1. Mai 1998. 2.2 Der Beschwerdeführer begründet seinen Anspruch damit, dass er am 24. April 1998 aus dem Paraplegikerzentrum X. ausgetreten sei. Sein Gesundheitszustand sei im damaligen Zeitpunkt stabilisiert gewesen. Wohl bestimme Art. 37 Abs. 1 UVV , dass der Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung am ersten Tag des Monats beginne, in dem die Voraussetzungen erfüllt seien, frühestens jedoch beim Beginn eines allfälligen Rentenanspruchs. Im vorliegenden Fall seien die beruflichen Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung im Sommer 2001 abgeschlossen worden, weshalb er an sich erst ab dem 1. August 2001 den Anspruch auf eine Rente der Unfallversicherung erheben könne. Insofern stehe der Entscheid der Vorinstanz, die Hilflosenentschädigung ebenfalls erst ab 1. August 2001 laufen zu lassen, im Einklang mit Art. 37 UVV . Indessen sei diese Verordnungsbestimmung gesetzwidrig und stehe namentlich in Widerspruch zu Art. 26 UVG . Dort würden die Voraussetzungen für eine Hilflosenentschädigung umschrieben, wobei sich kein Zusammenhang zum Rentenanspruch herauslesen lasse. Eine solche Verknüpfung sei auch überflüssig, da der Renten- und der Hilflosenentschädigungsanspruch an unterschiedliche Voraussetzungen gebunden seien. Art. 37 UVV führe vielmehr zu nicht haltbaren Ergebnissen: so könnten Versicherte, die beruflich gut eingegliedert seien und deshalb keinen BGE 133 V 42 S. 44 Rentenanspruch hätten, gar keine Hilflosenentschädigung beziehen, auch wenn sie hilflos seien. 2.3 Die Vorinstanz erwog hiegegen, Art. 37 UVV sei gesetzeskonform. Solange kein Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung der Unfallversicherung bestehe, habe stattdessen die Invalidenversicherung eine solche Leistung zu erbringen. Das Eidgenössische Versicherungsgericht habe dies in BGE 124 V 166 auch für den Fall bestätigt, dass die Hilflosigkeit ausschliesslich auf einen Unfall zurückzuführen sei. Ein gleichzeitiger Bezug beider Hilflosenentschädigungen sei sodann ausgeschlossen. Demnach sei Art. 37 UVV , auch wenn dies im genannten Urteil nicht ausdrücklich gesagt werde, als gesetzeskonform zu betrachten. Auch die SUVA hat in der Duplik an die Vorinstanz darauf hingewiesen, dass Art. 37 UVV die Ansprüche auf die Hilflosenentschädigung der Invalidenversicherung einerseits und der Unfallversicherung anderseits voneinander abgrenze und die Invalidenversicherung prioritär zu leisten habe. 3. Angesichts der geschilderten Argumentationen ist zu prüfen, ob Art. 37 UVV gesetzmässig ist. 3.1 Nach der Rechtsprechung kann das Eidgenössische Versicherungsgericht Verordnungen des Bundesrates grundsätzlich, von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen abgesehen, auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüfen. Bei unselbstständigen Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, geht es in erster Linie darum zu beurteilen, ob sie sich im Rahmen der Delegationsnorm halten. Besteht ein sehr weiter Spielraum des Ermessens für die Regelung auf Verordnungsebene, muss sich das Gericht auf die Prüfung beschränken, ob die umstrittenen Vorschriften offensichtlich aus dem Rahmen der im Gesetz delegierten Kompetenzen herausfallen oder aus anderen Gründen verfassungs- oder gesetzwidrig sind (vgl. Art. 191 BV ). Es kann sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen, und es hat auch nicht die Zweckmässigkeit zu untersuchen ( BGE 131 V 14 E. 3.4.1; BGE 131 II 566 E. 3.2, BGE 129 V 740 E. 4.1). Die vom Bundesrat verordnete Regelung verstösst allerdings dann gegen das Willkürverbot oder das Gebot der rechtsgleichen Behandlung ( Art. 9 und 8 Abs. 1 BV ), wenn sie sich nicht auf ernsthafte Gründe stützen lässt, wenn sie sinn- oder zwecklos ist oder wenn sie rechtliche Unterscheidungen trifft, für die sich ein vernünftiger BGE 133 V 42 S. 45 Grund nicht finden lässt. Gleiches gilt, wenn die Verordnung es unterlässt, Unterscheidungen zu treffen, die richtigerweise hätten berücksichtigt werden sollen ( BGE 131 II 166 E. 2.3, BGE 129 V 275 E. 4; BGE 131 V 266 E. 5.1; BGE 130 V 473 E. 6.1; BGE 130 I 32 E. 2.2.1; BGE 129 II 164 E. 2.3; BGE 129 V 271 E. 4.1.1, BGE 129 V 329 E. 4.1, je mit Hinweisen; vgl. auch BGE 130 V 45 E. 4.3). 3.2 Sowohl Art. 26 UVG , welcher den Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung als solchen regelt, als auch Art. 27 UVG , welcher sich zu deren Höhe äussert, sagen nichts aus zum Beginn des Anspruchs auf die genannte Leistung. 3.3 Art. 37 Satz 1 UVV bestimmt, das der Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung am ersten Tag des Monats entsteht, in dem die Voraussetzungen erfüllt sind, jedoch frühestens beim Beginn eines allfälligen Rentenanspruchs. Mit diesem Wortlaut, der insoweit mit der französischen und der italienischen Fassung von Art. 37 UVV übereinstimmt, stellt die genannte Vorschrift einen Zusammenhang her zwischen der Hilflosenentschädigung und der Rente. Es fragt sich, ob sich dafür ein vernünftiger Grund finden lässt. 3.4 Zunächst fällt auf, dass die Invalidenversicherung und die Militärversicherung keinen solchen Zusammenhang kennen (vgl. Art. 35 Abs. 1 IVV und Art. 20 MVG ). Dies macht denn auch Sinn, weil die bei der Hilflosenentschädigung verlangte Hilflosigkeit und die bei der Rente vorausgesetzte Invalidität zwei verschiedene Begriffe sind (so schon ZAK 1970 S. 478 E. 1c; vgl. auch ZAK 1971 S. 78 E. 3b, Urteile vom 13. Oktober 2005 E. 4.3 [I 431/05] und vom 4. Februar 2004 E. 3.2 [H 128/03], je mit Hinweisen). Sie haben nur so viel gemeinsam, als beide an eine Beeinträchtigung der Gesundheit anknüpfen (vgl. Art. 7 und 8 ATSG einerseits mit Art. 9 ATSG anderseits). Wohl sprechen Art. 26 Abs. 1 UVG und Art. 42 Abs. 2 IVG (je in den bis Ende 2002 gültig gewesenen Fassungen) von "Invalidität". Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Begriff der Hilflosigkeit schon vor dem Inkrafttreten des ATSG am 1. Januar 2003 nicht an die Invalidität im Sinne des Gesetzes (d.h. an die Erwerbsunfähigkeit gemäss alt Art. 4 Abs. 1 IVG ) angeknüpft hat. In SVR 2005 IV Nr. 4 S. 14 (Urteil vom 2. Juni 2004, I 127/04) hielt das Eidgenössische Versicherungsgericht fest, dass der Gesetzgeber in Art. 9 ATSG die bisherige Definition der Hilflosigkeit übernehmen wollte (vgl. BBl 1991 II 249). Die BGE 133 V 42 S. 46 Bestimmung weicht von der bisherigen Umschreibung in alt Art. 42 Abs. 2 IVG allerdings dahingehend ab, dass anstelle der "Invalidität" von einer "Beeinträchtigung der Gesundheit" ausgegangen wird, was einerseits eine gewisse Ausweitung darstellt (KIESER, ATSG-Kommentar N. 3 zu Art. 9). Andererseits drückt der Wortlaut der Bestimmung nur aus, was schon nach altem Recht gegolten hatte. Der Terminus "Invalidität" in alt Art. 42 Abs. 2 IVG wollte die Anspruchsberechtigung für eine Hilflosenentschädigung nicht auf Invalide im Sinne von alt Art. 4 IVG , das heisst auf Versicherte, die infolge eines geistigen oder körperlichen Gesundheitsschadens in ihrer Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt waren, beschränken. Vielmehr hatte das Wort "Invalidität" dort nicht eine wirtschaftliche Bedeutung, sondern diejenige der körperlichen und oder geistigen Behinderung. Gerade körperlich Behinderte - exemplarisch sei an Rollstuhlfahrer erinnert -, die dank einer guten Eingliederung wegen ihres Gesundheitsschadens keine Erwerbseinbusse erleiden, hingegen in den alltäglichen Lebensverrichtungen dauernd auf die Hilfe Dritter angewiesen sind, waren schon bisher anspruchsberechtigt. Das ATSG hat demnach mit der neuen Formulierung von Art. 9 insbesondere einen redaktionellen Fehler eliminiert (SVR 2005 IV Nr. 4 S. 15 E. 2.2.1 in fine). 3.5 Dass Hilflosigkeit und Invalidität zwei verschiedene Dinge sind, zeigt sich nicht nur darin, dass viele Versicherte, insbesondere Paraplegiker, zwar eine Hilflosenentschädigung beziehen, dank einer guten beruflichen Eingliederung aber keinen Rentenanspruch haben (neben dem in SVR 2005 IV Nr. 4 S. 14 publizierten Urteil vgl. etwa BGE 117 V 146 ). Umgekehrt gibt es auch Versicherte, die vollständig invalid sind und daher eine ganze Rente beziehen, ihre alltäglichen Lebensverrichtungen jedoch selber besorgen können und deshalb nicht hilflos sind. Insoweit ist kein vernünftiger Grund für den in Art. 37 UVV bezüglich des Beginns des Anspruchs auf eine Hilflosenentschädigung vorgenommenen Zusammenhangs mit der Rente zu erkennen. 3.6 Der Konnex zwischen der Hilflosenentschädigung und der Rente in Art. 37 UVV mag seinen Grund im Verständnis des früheren Unfallversicherungsrechts haben. Damals war die Hilflosigkeit nicht in der Form einer eigenständigen Leistung abgegolten worden, sondern als (lohnabhängiger) Zuschlag zur Invalidenrente ( Art. 77 Abs. 1 KUVG ; MAURER, Recht und Praxis der schweizerischen obligatorischen Unfallversicherung, 2. Aufl., 1963, S. 242). BGE 133 V 42 S. 47 Wohl aus dieser Optik heraus hat das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) im Vorentwurf für die UVV vom 20. März 1980 einen Text vorgeschlagen, der im Wesentlichen mit dem heutigen Art. 37 Satz 1 UVV übereinstimmt ( Art. 34 Abs. 1 UVV -Entwurf). Dem hat die Kommission zur Vorbereitung der Verordnung über die obligatorische Unfallversicherung am 13./14. August 1980 diskussionslos zugestimmt (Protokoll S. 15; vgl. auch Protokoll der Sitzungen vom 29./30. April und 5. Mai 1981 S. 56). Im zweiten Entwurf des BSV vom Februar 1982 ist - nebst der Streichung eines Wortes im Nebensatz - zum Wort "Rentenanspruch" das "allfällig" eingefügt worden; dies wohl aus der Überlegung heraus, dass es eben auch Fälle von hilflosen Versicherten gibt, denen dank einer erfolgreichen Eingliederung gar kein Rentenanspruch zusteht. Bei dieser Formulierung blieb es im dritten und vierten Entwurf. Schliesslich hat die Kommission den so bereinigten Art. 37 UVV am 29./30. März 1982 ohne Diskussion angenommen (Protokoll S. 25). Den Materialien zur UVV lässt sich somit nicht entnehmen, weshalb im Falle der Berentung die Hilflosenentschädigung erst ab dem Zeitpunkt des Rentenbeginns laufen soll und nicht schon dann, wenn die Voraussetzungen für die Entschädigung erfüllt sind. 3.7 Falls Art. 37 UVV durch das altrechtliche Verständnis der Abgeltung von Hilflosigkeit im Rahmen der Berentung beeinflusst worden sein sollte, müsste jedoch insofern ein Widerspruch festgestellt werden, als in der Botschaft zum UVG ausdrücklich gesagt wird, dass die Hilflosenentschädigung nicht wie bisher als lohnabhängiger Rentenzuschlag, sondern wie in der Invalidenversicherung als eigenständige Leistung gewährt werden soll (BBl 1976 III 169), und dass die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung der Unfallversicherung dieselben sein sollen wie in der Invalidenversicherung (BBl 1976 III 193). Mit andern Worten lag der Botschaft die Überlegung zu Grunde, die Hilflosenentschädigung von der Rente abzukoppeln. Auch dies spricht dafür, dass sich der in Art. 37 UVV verankerte Konnex zwischen der Hilflosenentschädigung und der Rente nicht auf ernsthafte Gründe stützen lässt. 3.8 Die Vorinstanz stellt zur Bejahung der Gesetzmässigkeit von Art. 37 UVV auf BGE 124 V 166 ab. In diesem Urteil ging es indessen einzig um die Koordination bzw. Kumulation der Hilflosenentschädigung der Unfallversicherung einerseits mit derjenigen BGE 133 V 42 S. 48 der Invalidenversicherung (und der Alters- und Hinterlassenenversicherung) anderseits. Wohl wird Art. 37 UVV in Verbindung mit Art. 19 UVG in einer Klammer zitiert ( BGE 124 V 170 f. E. 4b); indessen hat sich für das Eidgenössische Versicherungsgericht die Frage der Verfassungs- und Gesetzmässigkeit von Art. 37 UVV in diesem Fall gar nicht gestellt, weshalb sie denn auch weder aufgeworfen noch geprüft wurde. Das räumt auch die Vorinstanz ein. Damit geht deren Berufung auf das genannte Urteil fehl. 3.9 Schliesslich spricht auch die folgende Überlegung gegen ernsthafte Gründe für die in Art. 37 UVV statuierte Verknüpfung von Hilflosenentschädigung und Rente: Gemäss Art. 19 Abs. 1 UVG entsteht der Rentenanspruch, wenn (1) von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes mehr erwartet werden kann und (2) allfällige Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung abgeschlossen sind. Der zweite Sachverhalt (Abschluss der Eingliederung durch die Invalidenversicherung) hat keinen Zusammenhang mit der Frage der Hilflosigkeit. Muss eine versicherte Person trotz einer an sich bereits bestehenden Hilflosigkeit im Sinne von Art. 38 Abs. 2 bis 4 UVV auf den Beginn der Hilflosenentschädigung der Unfallversicherung nur deshalb warten, weil die Invalidenversicherung eine berufliche Eingliederung durchführt und darum noch kein Anspruch auf eine Rente der Unfallversicherung entstehen kann, wird hier mit Bezug auf den Beginn der Hilflosenentschädigung ein Umstand berücksichtigt, der mit der Hilflosigkeit nichts zu tun hat. Dies gilt an sich auch für den ersten Sachverhalt (Abschluss der Heilbehandlung). Denn auch der Zeitpunkt des Abschlusses hat keinen Einfluss darauf, ob Hilflosigkeit besteht oder nicht. Ein Vorbehalt ist jedoch für den Fall anzubringen, dass die Heilbehandlung in einem Spital durchgeführt wird. Dass hier eine allfällige Hilflosigkeit nicht durch eine Hilflosenentschädigung abgegolten wird, ist gesetzlich geregelt (vgl. den Ende 2002 aufgehobenen Art. 26 Abs. 2 UVG ; seit dem 1. Januar 2003 ist dieser Sachverhalt in Art. 67 Abs. 2 ATSG festgehalten). Wenn Art. 26 Abs. 1 UVG klar und unzweideutig festhält, dass der Versicherte bei Hilflosigkeit ( Art. 9 ATSG ) Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung hat, verletzt Art. 37 UVV diesen gesetzlichen Grundsatz insoweit, als ein Anspruch auf Hilflosenentschädigung BGE 133 V 42 S. 49 "frühestens beim Beginn eines allfälligen Rentenanspruchs" eingeräumt wird. Dieser Vorbehalt erweist sich nach dem Gesagten als gesetzwidrig.
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Sachverhalt ab Seite 90 BGE 118 Ib 90 S. 90 A.- Die Skischule Davos betreibt den im Jahre 1971 erstellten Skilift Geissloch in Davos Platz. Die Talstation des Liftes befand BGE 118 Ib 90 S. 91 sich bis zum Ende der Skisaison 1990/91 auf der Parzelle Nr. 6151, welche seit 1977 zur Bauzone gehört und 1991 mit einem Mehrfamilienhaus überbaut wurde. Die Bergstation (Abbügelstelle) befand sich im Waldesinnern im Bereich eines Spazierweges, der 1988/89 durch eine etwas unterhalb verlaufende Waldstrasse ersetzt wurde. Durch die Überbauung der Parzelle Nr. 6151 und den Bau der Waldstrasse wurde der Betrieb des Skiliftes eingeengt. Insbesondere bei der Talstation gab es Konflikte zwischen der baulichen Nutzung einerseits und der Pisten- und Skiliftbenutzung andererseits. Sie wurden dadurch verschärft, dass die dort entlang dem Landwasser verlaufende Langlaufloipe wegen der erwähnten Überbauung in den Bereich der Talstation des Skiliftes verschoben wurde. Die Skischule Davos sah sich durch diese Entwicklung gezwungen, die Talstation um rund 70 m weiter nach Süden, in Richtung des Skiliftes Bolgen, zu verschieben. Die Bergstation des rund 310 m langen neuen Skiliftes, der rund 150 m im Waldareal verlaufen soll, ist auf der Waldstrasse, rund 20 m neben der bisherigen Abbügelstelle vorgesehen. Die Wiederaufforstung für die nötige Rodung einer Waldschneise für den neuen Skilift soll teils in der Schneise des alten Liftes vorgenommen werden. Im Sommer 1991 wurde der alte Geissloch-Lift abgebrochen. Am 17. Juni 1991 bzw. 3. Juli 1991 erhielt die Skischule Davos die Bau- und Betriebsbewilligung für den neuen Skilift respektive die Ausnahmebewilligung für Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen. B.- Am 30. September 1990 stellte die Skischule Davos ein Gesuch um Rodung von 1472 m2 Schutzwald für den Bau des neuen Skiliftes Geissloch. Bereits für den Bau des alten Skiliftes waren seinerzeit 800 m2 Wald beansprucht worden, was am 4. Oktober 1971 bewilligt worden war. Sodann hatte der Ski-Club Davos am 22. Dezember 1977 vom Eidgenössischen Oberforstinspektorat die Bewilligung zur Rodung von 4800 m2 Wald für die Verlängerung des Hanges für die internationale Slalompiste, welche den FIS-Normen entsprechen und die Durchführung grösserer Sportanlässe erlauben sollte, erhalten. Hingegen hatte das Bundesamt für Forstwesen mit Entscheid vom 26. März 1987 der Skischule Davos die Rodung von 550 m2 Wald im "Bolgen" verweigert, welche der Verbesserung des Ski- und Übungsgeländes hätte dienen sollen. Die Regierung des Kantons Graubünden hielt sich aufgrund des eidgenössischen Forstpolizeirechts für die Rodungsbewilligung zuständig und erteilte sie mit Entscheid vom 9. Juli 1991. BGE 118 Ib 90 S. 92 C.- Mit Eingabe vom 23. August 1991 führte das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) gegen den Beschluss der Regierung des Kantons Graubünden vom 9. Juli 1991 Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Es beantragte, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben, und machte insbesondere geltend, wegen des Zusammenhanges der fraglichen Rodung mit früher erteilten Rodungen, welche zum "gleichen Werk" zu zählen seien, sei für die Rodungsbewilligung nicht der Kanton Graubünden, sondern das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) zuständig. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. b) In erster Linie macht der Beschwerdeführer geltend, die Zuständigkeitsordnung für die Rodungsbewilligung gemäss Forstpolizeirecht sei verletzt worden. Damit stellt er sinngemäss den Antrag, die Streitsache sei zur materiellen Behandlung des Rodungsgesuches zuständigkeitshalber an das BUWAL zu überweisen. Darüber muss vorweg entschieden werden, da der angefochtene Entscheid aufgehoben werden müsste, wenn dieses Vorbringen begründet wäre ( BGE 106 Ib 145 E. 5; BGE 99 Ib 502 E. 2), und die Akten zum materiellen Entscheid der zuständigen Bundesbehörde zu überweisen wären (vgl. BGE 115 Ib 364 ; BGE 107 Ib 253 ). Für den Rodungsentscheid kann es wesentlich sein, ob die zuständige kantonale oder eidgenössische Behörde als erste Instanz urteilt (vgl. BGE 113 Ib 405 E. 3a), auch wenn gegen die Entscheide beider Behörden letztlich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig ist ( Art. 25bis Abs. 3 FPolV ). 2. a) Gemäss Art. 31 Abs. 2 des Bundesgesetzes betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei vom 11. Oktober 1902 (FPolG) bedürfen alle Rodungen in Schutzwaldungen der Bewilligung des Bundesrates. Indessen delegierte der Bundesrat bereits mit einem Kreisschreiben vom 24. Dezember 1909 die Kompetenz, Rodungen bis 30 a in Schutzwaldungen zu bewilligen, an die Kantone (BBl 1910 I 20). Am 18. März 1971 wurde das Forstpolizeigesetz revidiert und ein neuer Art. 50 Abs. 2 eingefügt, welcher für die Delegation der Bewilligungskompetenz eine definitive Rechtsgrundlage enthält (AS 1971 1190; BBl 1970 I 494 ff. Botschaft). Danach wird der Bundesrat ermächtigt, einzelne, ihm aufgrund des Gesetzes zustehende Befugnisse ganz oder teilweise auf die Kantone zu übertragen, wobei die Delegationsmöglichkeit für BGE 118 Ib 90 S. 93 Rodungsbewilligungen im Schutzwaldgebiet auf die Fläche von 30 a im Einzelfall eingeschränkt ist. In der Folge machte der Bundesrat von dieser Delegationsmöglichkeit Gebrauch, indem er mit Beschluss vom 25. August 1971, in Kraft seit 1. September 1971, die Art. 25bis und 25ter in die Forstpolizeiverordnung einfügte (AS 1971 1192). Gemäss Art. 25bis Abs. 1 lit. a FPolV sind die Kantone für Rodungsbewilligungen im Schutzwald von einer Fläche bis und mit 30 a zuständig ( Art. 25bis Abs. 1 lit. a FPolV ). Art. 25ter FPolV sah ursprünglich vor, dass zur Ermittlung der für die Zuständigkeit zur Erteilung von Bewilligungen massgeblichen Rodungsflächen alle Rodungen zusammenzuzählen sind, welche a) innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren vom gleichen Eigentümer, b) vom gleichen oder verschiedenen Eigentümern im selben zusammenhängenden Waldstück, und c) für das gleiche Werk, unabhängig von den territorialen und eigentumsrechtlichen Verhältnissen anbegehrt werden. Mit einer Änderung der Forstpolizeiverordnung vom 9. Dezember 1985 wurden die Buchstaben a und b von Art. 25ter FPolV gestrichen (AS 1985 2022). b) Welche Rodungen "für das gleiche Werk anbegehrt werden", muss sich aus Art. 25bis Abs. 1 lit. a und Art. 25ter FPolV selber ergeben. Die Bestimmungen sind gleichzeitig erlassen worden und müssen als Einheit betrachtet werden: Art. 25bis Abs. 1 lit. a FPolV überträgt den Kantonen eine flächenmässig bestimmte Kompetenz, Art. 25ter FPolV soll die Umgehung der flächenmässigen Bestimmung der Zuständigkeit verhindern ( BGE 113 Ib 151 , 406; BGE 99 Ib 194 , 503 E. 3), ohne die delegierte Befugnis selber auszuhöhlen. Die Umgehung der Kompetenzordnung kann dazu führen, dass kantonale und eidgenössische Behörden über zusammenhängende Rodungen entscheiden, wobei die später entscheidende Behörde ihre Auffassung nicht frei bilden kann, sondern zur Vermeidung von widersprüchlichen und rechtsungleichen Ergebnissen gezwungen ist ( BGE 99 Ib 503 E. 3). c) Die ursprüngliche Fassung von Art. 25ter FPolV zeigte deutlich, dass die Kompetenzdelegation "im Einzelfall" ( Art. 50 Abs. 2 FPolG ) nicht auf einzelne Bewilligungsverfahren beschränkt ist, sondern eben gerade zwei oder mehrere, durch den Eigentümer (lit. a), das Waldstück (lit. b) oder das gleiche Werk (lit. c) zusammenhängende Gesuche umfassen kann (vgl. BGE 99 Ib 504 ). Seit der teilweisen Aufhebung von Art. 25ter FPolV ergibt sich das nur noch aus dem Begriff des "gleichen Werks" (frühere lit. c). BGE 118 Ib 90 S. 94 Als "Werke" gelten Projekte, Bauten oder Anlagen, die eine Verminderung des Waldareals oder eine dauernde oder vorübergehende Zweckentfremdung von Waldboden zur Folge haben ( Art. 25 Abs. 1 FPolV ; vgl. BBl 1988 III S. 192). Ein Werk kann aus einer einzigen Baute oder Anlage bestehen (vgl. BGE 113 Ib 148 ff.), aber auch eine Mehrzahl solcher umfassen, wenn sie in erheblichem Zusammenhang zueinander stehen (vgl. BGE 108 Ib 167 ff.; BGE 106 Ib 144 E. 5; 99 Ib 500 ff.), eben zum "gleichen" Werk gehören (z.B. Strassen, Wasserkraftwerke). Das "Werk" kann Rodungen an verschiedenen Orten (vgl. BGE 113 Ib 403 ff.; 108 Ib 178 f.) und zu verschiedenen Zeiten (vgl. BGE 99 Ib 504 ) nötig machen, verschiedene Waldgebiete betreffen und auch über das Waldareal hinausgehen (vgl. BGE 113 Ib 403 ff.). Alle Rodungen, die durch den Zweck eines solchen Werks bedingt sind, müssen zusammengezählt werden, selbst wenn ihr Zusammenhang nur formal ist ( BGE 113 Ib 406 ). Der Zusammenhang zwischen den anbegehrten Rodungen kann auch durch die einheitliche Rechtsgrundlage (Verordnung, Plan etc.) gegeben ( BGE 99 Ib 501 ff.; vgl. BGE 113 Ib 403 ff. und BGE 108 Ib 178 f.) oder funktionaler Art sein ( BGE 115 Ib 364 f. E. 5b; BGE 106 Ib 144 E. 5). Der Begriff des "gleichen Werks" ist somit nicht eng auszulegen ( BGE 115 Ib 364 E. 5a; vgl. BGE 113 Ib 151 E. 2c). d) Auch der Ausdruck "anbegehrt" ist formell auszulegen: Nur dann, wenn eine bereits erteilte Bewilligung durch Zeitablauf untergegangen ist und die entsprechenden Rodungen überhaupt nicht vorgenommen wurden, ist sie bei der Berechnung der Rodungsfläche für das gleiche Werk in einem späteren Verfahren nicht zu berücksichtigen, da in einem solchen Fall eine Umgehung von Art. 25bis Abs. 1 lit. a FPolV nicht zu befürchten ist ( BGE 113 Ib 151 f. E. 2c, 406; vgl. BBl 1988 III 192: Botschaft Waldgesetz; vgl. Art. 7 Abs. 2 des Vernehmlassungsentwurfs für die neue Waldverordnung). e) Alle anderen anbegehrten Rodungen sind grundsätzlich in die Berechnung der Rodungsfläche im Sinne von Art. 25ter FPolV einzubeziehen. Die geltende Fassung des eidgenössischen Forstpolizeirechts sieht namentlich keine zeitliche Grenze vor, welche dies für zurückliegende Rodungen ausschliessen würde. Da Art. 25ter FPolV erst seit rund 20 Jahren in Kraft steht und auch die jüngste bundesgerichtliche Rechtsprechung davon ausging, dass keine zeitliche Grenze besteht (vgl. BGE 115 Ib 363 ), hat das Bundesgericht heute keinen Anlass zu prüfen, ob sich in Auslegung der Bestimmung eine zeitliche Schranke aufdränge, auch wenn das Inkrafttreten des neuen Waldgesetzes und der neuen Waldverordnung bevorsteht, BGE 118 Ib 90 S. 95 wobei die Verordnung nach Art. 7 des Vernehmlassungsentwurfs für den Einbezug von Rodungsflächen eine Begrenzung der Zeitspanne auf 15 Jahre, innert welcher die Rodungen für das gleiche Werk anbegehrt wurden, enthalten soll. Indessen ergibt sich aus der Einfügung von Art. 25ter FPolV im Jahre 1971 in die bereits bestehende Ordnung eine intertemporalrechtliche Grenze. In BGE 99 Ib 194 E. 2 bestimmte das Bundesgericht in Anwendung von Art. 25ter lit. b FPolV , dass bei der Prüfung der Zuständigkeit nur die Rodungsflächen einzubeziehen sind, welche nach dem Inkrafttreten von Art. 25ter FPolV am 1. September 1971 anbegehrt wurden (bestätigt in BGE 99 Ib 503 f.). f) Die beiden massgebenden Kriterien der Zuständigkeit für die Rodungsbewilligung sind somit das Werk und die Waldfläche, die für dieses gesamthaft zu roden ist. Keine Bedeutung haben die territorialen und eigentumsrechtlichen Verhältnisse ( Art. 25ter FPolV ), also auch nicht die Zahl und Grösse der betroffenen Parzellen. Ebensowenig hängt die Zuständigkeitsfrage von der Person des Gesuchstellers, seiner Tätigkeit, dem Benutzerkreis des Werkes oder vom Vorhandensein von weiteren, am Werk oder der Rodung Interessierten ab. 3. Touristische Transportanlagen (insbesondere Skilifte, Sessellifte) und Skipiste, welche Waldareal beanspruchen, sind klarerweise "Werke" im Sinne von Art. 25ter FPolV (vgl. BGE 113 Ib 411 ff.). Sicher ist ferner, dass ein Skilift und die einzige ihm dienende Skipiste wegen ihres funktionalen Zusammenhangs zum gleichen Werk gehören ( BGE 115 Ib 364 f. E. 5b). Das "gleiche Werk" auf eine solche einzige Piste zu beschränken widerspräche jedoch sowohl dem Zweck von Art. 25ter FPolV als auch der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, für die eine kommunale Güterregulierung ( BGE 113 Ib 406 E. 3b) und die sukzessive Gewinnung von Bauland nach einem Reglement der Bürgergemeinde ( BGE 99 Ib 504 ) je ein "gleiches Werk" im Sinne von Art. 25ter FPolV darstellen. Es macht sachlich keinen Unterschied, ob eine Transportanlage lediglich eine oder zugleich mehrere Skipisten erschliesst; sie bilden alle zusammen ein gleiches Werk. Nichts anderes ergibt sich aus dem erwähnten BGE 115 Ib 363 ff.: Der Skilift erschloss lediglich eine einzige markierte Piste, weshalb zwischen Lift und Piste ein besonders enger Zusammenhang bestand. Aufgrund dieser seltenen Situation lag ein eindeutiger Fall von einem "gleichen Werk" vor. Mehr kann dem Hinweis auf den "engen" Zusammenhang nicht entnommen werden, BGE 118 Ib 90 S. 96 schon gar nicht, dass lediglich eine Piste notwendigerweise zu einer Bergbahn gehöre, die anderen Abfahrtsmöglichkeiten also von vornherein nicht zum "gleichen Werk" zu zählen seien. Darüber hinaus kann auch ein System von mehreren Transportanlagen, welche eine oder mehrere Pisten erschliessen, zum gleichen Werk im Sinne von Art. 25ter FPolV gehören. Augenfällig ist das, wenn eine einzelne Bergbahn vom Tal aus einen oder mehrere Skihänge an einem Berg erschliesst, wo sich ein System von Skiliften befindet, das nur dank der Bergbahn überhaupt erreicht werden kann; die Skilifte sind dann von der Bergbahn abhängig, haben wie die dazugehörenden Pisten nur dank der Bergbahn eine Funktion und damit Existenzgrundlage. Ein genügender Zusammenhang zwischen verschiedenen Transportanlagen und Pisten braucht hingegen nicht schon aufgrund eines Richt- oder Nutzungsplans erblickt zu werden, der ein Skigebiet ausscheidet. Ebensowenig liegt überall ein funktionaler Zusammenhang vor, wo sich dem Skifahrer die Möglichkeit bietet, Abfahrten unter Benützung spezifischer Transportmittel aneinanderzureihen. Denkt man an die touristischen Bahnen, welche grössere Skigebiete untereinander verbinden, oder gar an die Bahn- und Busverbindungen im Tal, die zum gleichen Zweck extra eingerichtet werden, so dürfte bei der Annahme des gleichen Werkes eher Zurückhaltung angebracht sein. Andernfalls bliebe den Kantonen im Gebiet mit bedeutenden Skistationen wohl kaum mehr je die Zuständigkeit zur Bewilligung von Rodungen für den Skitourismus. 4. a) Im vorliegenden Fall wurden seit dem 1. September 1971 die Rodung von 4800 m2 für den Slalomhang (Gesuch vom 2. August 1977) und - aktuell - von 1472 m2 für den neuen Skilift Geissloch (Gesuch vom 30. September 1990) anbegehrt. Aus den Akten geht nicht mit Sicherheit hervor, ob auch die Rodung von 800 m2 für den alten Geisslochskilift, welche am 4. Oktober 1971 bewilligt wurde, nach dem 1. September 1971 anbegehrt worden ist. Die Frage kann jedoch, wie sich nachstehend zeigen wird, offenbleiben. Das Gesuch vom 21. März 1986 für die Rodung von 550 m2 zur Verbesserung des Ski- und Übungsgeländes, welches am 26. März 1987 abgelehnt wurde, fällt dagegen ausser Betracht; was für eine erteilte, aber durch Zeitablauf untergegangene Bewilligung gilt, die überhaupt nicht vorgenommen wurde, muss erst recht für eine verweigerte Rodung gelten, da in diesem Fall ohnehin keine Gefahr der Umgehung von Art. 25bis Abs. 1 lit. a FPolV zu befürchten ist (vgl. BGE 113 Ib 151 f. E. 2c, 406). BGE 118 Ib 90 S. 97 b) Der Geisslochskilift gliedert sich in den untersten Teil eines grösseren Pistensystems ein, das durch die Luftseilbahn Brämabüel-Jakobshorn und durch die Sesselbahn Carjöl-Usser Isch vom Tal erschlossen ist und eine grössere Anzahl von Skiliften umfasst, mit welchen die verschiedenen Pisten abwechselnd erreicht werden können. Das bedeutet jedoch noch nicht, dass der neue Geisslochlift diesbezüglich zu einem gleichen Werk im Sinne von Art. 25ter gehört. Er bildet nicht in gleichem Masse Teil dieses Liftsystems wie andere, in den offenen Berghang oberhalb der Waldgrenze führende oder dort angelegte Transportanlagen. Er hat eine besondere Funktion, da seine Benützer auf den Pisten unterhalb des Waldes wieder den Ausgangspunkt erreichen und auf diesen Pisten nur in untergeordnetem Masse Skifahrer aus den höheren Teilen des Skigebiets ins Tal fahren, um anschliessend den Geisslochlift zu benützen. Zur Hauptsache dient dieser Lift Skifahrern (Anfängern, weniger Sportlichen und vor allem Kindern), die sich nur dort, in Dorfnähe, tummeln. Das zeigt unter anderem der beträchtliche Anteil der Einnahmen des letzten Betriebsjahres, der auf den Verkauf von Billetten und besonderen Abonnementen an einer eigenen Kasse entfiel. Daneben wird er von der Skischule wohl für die ersten Lektionen oder auch die ersten Fahrten mit Anfänger- und Kinderklassen benützt, bevor sie in der Folge mit der Luftseilbahn die höheren Skihänge aufsuchen. Hingegen ist der Geisslochskilift als Teil des gleichen Werks zu betrachten, zu dem auch die Skilifte Bolgen und Carjöl samt den verschiedenen durch sie erschlossenen Pisten gehören. Die drei Lifte liegen am gleichen Hang und haben ihren Ausgangspunkt relativ nahe beisammen auf etwa derselben Höhe im Talgrund. Die Skifahrer haben die Möglichkeit, auf dem präparierten Pistennetz von der Bergstation des einen Liftes die Talstation eines anderen Liftes zu erreichen. Das ergibt sich nicht bloss aufgrund der topographischen Verhältnisse, sondern auch aus der Begründung des 1986 abgelehnten Rodungsgesuchs, wo die Beschwerdegegnerin den ganzen Hang unterhalb des Bolgenwalds einschliesslich der Slalomschneise als ein Skigelände darstellt. Der relativ grosse Anteil an Einnahmen des Geisslochskiliftes aus der Beteiligung an Abonnementen für ein weiteres Transportmittelnetz zeigt, dass es sich dabei nicht um eine bloss theoretische Möglichkeit handelt, sondern der Lift zumindest auch von Skifahrern benützt wird, welche die Berechtigung zur Benützung der Nachbarlifts ebenfalls erworben haben. BGE 118 Ib 90 S. 98 c) Zu prüfen ist deshalb, ob auch der FIS-Slalomhang Bolgen, dessen Rodung 1977 anbegehrt und bewilligt und in der Folge grossenteils auch ausgeführt worden ist, zum gleichen Werk wie die Lifte Geissloch, Bolgen und Carjöl gehört. Der obere Teil dieses Hanges ist vom Geisslochlift und vom Bolgenlift her durch eine Querfahrt und einen Aufstieg zu erreichen; einfacher ist das vom Geisslochlift aus. Vom Berg her führt lediglich eine Abfahrt im Wald von der mit einer Luftseilbahn erschlossenen Ischalp zum Slalomhang herab. Der untere Teil des Slalomhanges hingegen ist in das Pistensystem Bolgen-Geissloch einbezogen; auch er kann vom Geisslochlift her besser erreicht werden als vom Bolgenlift aus. Entsprechend wurde der Zusammenhang zwischen Slalomhang und den beiden Skiliften von deren Betreibern in früheren Verfahren herausgestrichen, nämlich im Bewilligungsverfahren für den Slalomhang und in demjenigen von 1986/87, wo es um die Rodung einer Fläche von 550 m2 im "Bolgen" ging. Mit dem Bau der neuen Waldstrasse 1988/89, auf deren Trassee die neue obere Abbügelstelle des Geisslochliftes eingerichtet werden soll, wurde eine direkte Pistenverbindung in den unteren Bereich der für den Slalomhang bewilligten Rodungsfläche hergestellt, denn die Waldstrasse fällt von der neuen Abbügelstelle her zu beiden Seiten gegen die Skipisten ab, welche zurück zur Talstation des Geisslochliftes oder des Bolgenliftes führen. Das vom Geisslochlift erreichbare Pistensystem wurde damit gegen den Slalomhang hin bedeutend verbessert und dieser so mit dem Geisslochlift stärker verbunden. Aus diesen Gründen liegt es nahe, die Rodung von 4800 m2 für den FIS-Slalomhang als für das gleiche Werk anbegehrt zu betrachten, zu dem auch der Skilift Geissloch gehört. d) Sodann gehören zum gleichen Pistensystem, das mit dem Geisslochskilift und den beiden anderen Liften am Bolgenhang ein gleiches Werk bildet, die im Wald angelegten Abfahrten auf der 1988/89 gebauten neuen Waldstrasse. Ob diese für die Zwecke der Waldwirtschaft optimal angelegt wurde, worüber sich die Parteien nicht einig sind, kann dahingestellt bleiben. Sicher ist, dass sie in idealer Weise von der oberen Abbügelstelle des neuen Geisslochliftes aus die Verbindungen zu den Pisten herstellt, welche beidseits des Liftes zur Talstation führen, vor allem in südlicher Richtung. Ob die Pisten auf der Waldstrasse mit Maschinen präpariert werden oder allein durch die Benützung der zahlreichen Skifahrer entstehen, ist dabei nicht entscheidend. BGE 118 Ib 90 S. 99 Die Benützung der Waldstrasse als Skipiste steht mit dem alten und erst recht mit dem neuen Geisslochskilift in engstem Zusammenhang. Das Bundesamt für Forstwesen stimmte ihrer Anlage denn auch 1987 (nach Begehung mit den kantonalen Forstbehörden) mit der ausdrücklichen Bemerkung zu, dass zur Minimisierung der Eingriffe ein Zusammenlegen der beiden Nutzungen sinnvoll sei, künftige Verbreiterungen aus skitouristischen Gründen jedoch von vornherein abgelehnt werden müssten. Zwar fügte das Bundesamt damals bei, der Bau der Waldstrasse stelle seines Erachtens keinen Rodungstatbestand dar. Indessen ist aus heutiger Sicht nicht gewiss, dass dies auch für die tatsächlich gebaute Strassenanlage gilt, die nach den Feststellungen am Augenschein nicht so geführt ist, wie die Pläne in den Akten, z.B. der Plan für die streitige Rodung, zeigen. Die Auffassung, wonach der Bau der Waldstrasse keiner Rodung bedürfe, mag zwar vertretbar sein, wenn man den Bau der Waldstrasse isoliert betrachtet. Sie geht jedoch völlig darüber hinweg, dass die Anlage der Abfahrtspisten als jeweils vorübergehende Zweckentfremdung von Waldareal ( Art. 25 Abs. 1 FPolV ) einer Rodungsbewilligung bedarf, ebenso wie die Anlage des (im Rodungsplan enthaltenen) oberen Abbügelplatzes. Die Beschwerdegegnerin als Betreiberin des Skiliftes wird diese Rodung noch anbegehren müssen, falls ihr die Rodungsbewilligung für den neuen Lift erteilt wird. Auch wenn diese unvermeidlich voraussehbare Rodungsfläche nicht Gegenstand des Begehrens der Beschwerdegegnerin bildete und die Beschwerdeführerin sie nicht zum Gegenstand ihrer Beschwerde gemacht hat, ist auch sie in die für die Bestimmung der Zuständigkeit massgebliche Rodungsfläche einzubeziehen ( Art. 114 Abs. 1 2 . Halbsatz OG). Sie wurde weder ausgemessen noch von den Parteien beziffert, dürfte wohl aber zusammen mit der anbegehrten Rodungsfläche 30 a ausmachen. e) Rechnet man die derart ermittelten Rodungsflächen zusammen, so ergibt sich, dass die Fläche von 30 a, welche in der Zuständigkeit des Kantons gelegen wäre, jedenfalls überschritten ist. Somit war der Kanton Graubünden für die anbegehrte Rodung von 1472 m2 Wald aufgrund der für das gleiche Werk bereits anbegehrten Rodungen nicht zuständig.
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Sachverhalt ab Seite 481 BGE 124 II 480 S. 481 P. starb im Jahre 1984. Er hinterliess als gesetzliche Erben seine Ehefrau und zwei Söhne. Nach seinem Tode ergaben sich Hinweise darauf, dass er Steuern hinterzogen hatte. Das kantonale Steueramt führte in der Folge das Verfahren gegenüber den Erben durch. Mit Verfügung vom 16. Januar 1990 setzte es die vom Erblasser in der Periode 1983/84 hinterzogene direkte Bundessteuer auf Fr. 8'870.40 und die von ihm verschuldete Busse auf Fr. 2'882.90 fest und erklärte die Erben für diese Beträge haftbar (Art. 130 Abs. 1 des Bundesratsbeschlusses BGE 124 II 480 S. 482 vom 9. Dezember 1940 über die Erhebung einer direkten Bundessteuer). Am 19. September 1990 bestätigte die Bundessteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich diese Nachsteuer- und Bussenauflage. Eine gegen diesen Entscheid gerichtete Verwaltungsgerichtsbeschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil vom 5. Juli 1991 ab. Die Erben erhoben gegen dieses Urteil eine Individualbeschwerde bei der Europäischen Kommission für Menschenrechte. Sie rügten darin, es werde ihnen ohne persönliches Verschulden eine Busse auferlegt; das verletze die Vermutung der Schuldlosigkeit gemäss Art. 6 Ziff. 2 EMRK . Zudem beklagten sie sich darüber, dass ihnen die besonderen Verfahrensgarantien nach Art. 6 Ziff. 1 und 3 EMRK bisher nicht gewährt worden seien. Mit Bericht vom 18. April 1996 verneinte die Europäische Kommission für Menschenrechte eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 2 EMRK , weil die Beschwerdeführer nicht als "wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte" anzusehen seien. Eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK erblickte die Kommission jedoch in der fehlenden Öffentlichkeit der Verhandlung. Die Sache wurde durch die Kommission beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte innerhalb der Frist von drei Monaten anhängig gemacht ( Art. 32 Ziff. 1, 47 EMRK ). Mit Urteil vom 29. August 1997 erkannte der Gerichtshof: 1. mit sieben zu zwei Stimmen, dass Art. 6 Ziff. 2 (der Konvention) im vorliegenden Fall Anwendung findet und verletzt worden ist; 2. einstimmig, dass die behauptete Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 und 3 der Konvention nicht zu prüfen ist; 3. einstimmig, a) dass der beklagte Staat den Beschwerdeführern innert drei Monaten Fr. 7'000.- für die im Verfahren vor den Strassburger Organen erwachsenen Kosten und Auslagen zu bezahlen hat; b) dass dieser Betrag nach Ablauf dieser Frist und bis zur Bezahlung um einen jährlichen Zins von 5% zu erhöhen ist. Am 15. September 1997 ersuchten die Erben gestützt auf Art. 139a OG um Revision des Urteils des Bundesgerichts vom 5. Juli 1991 und um Rückerstattung der bezahlten Busse. Das Bundesgericht heisst das Revisionsgesuch gut, hebt das Urteil vom 5. Juli 1991 auf und entscheidet über die Verwaltungsgerichtsbeschwerde neu. Es heisst die Beschwerde gut, soweit sie sich gegen BGE 124 II 480 S. 483 die Bussenauflage richtet, und verpflichtet die kantonale Behörde, die Busse zurückzuerstatten. Die Nachsteuerforderung wird vom Bundesgericht bestätigt.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: I. Revisionsgesuch 1. a) Das Bundesamt für Justiz hat dem Anwalt der Gesuchsteller das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 29. August 1997 am 2. September 1997 zugesandt. Mit dem Revisionsgesuch vom 15. September 1997 haben die Gesuchsteller die Frist von 90 Tagen, die Art. 141 Abs. 1 lit. c OG vorsieht, gewahrt. b) Art. 139a OG , auf den das Revisionsgesuch sich stützt, wurde mit der Änderung vom 4. Oktober 1991 eingeführt und steht seit dem 15. Februar 1992 in Kraft. Die Vorschrift bildete im Zeitpunkt der Einreichung des Revisionsgesuchs (15. September 1997), nicht jedoch im Zeitpunkt, da das hier angefochtene Urteil des Bundesgerichts gefällt wurde (5. Juli 1991), geltendes Recht, so dass sich die intertemporalrechtliche Frage stellt. Ziff. 3 Abs. 1 der Schlussbestimmungen der Änderung vom 4. Oktober 1991 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) bestimmt: Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts und des Eidgenössischen Versicherungsgerichts anwendbar, auf ein Beschwerde- oder Berufungsverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist. Die Revision nach Art. 139a OG wird vom Vorbehalt, den die Schlussbestimmung für Beschwerden und Berufungen aufstellt, nicht erfasst. Revisionsgesuche sind somit auch dann nach neuem Verfahrensrecht zu beurteilen, wenn der angefochtene Entscheid unter dem alten Recht gefällt worden ist, die Frist zur Anfechtung dieses Entscheides jedoch erst unter dem neuen Recht abläuft. So verhält es sich hier. Dass Ziff. 3 Abs. 1 der Schlussbestimmung die Revisionsgesuche nicht ausdrücklich erwähnt, rechtfertigt es nicht, eine Lücke anzunehmen und Revisionsgesuche gleich zu behandeln wie Berufungen und Beschwerden. Mit der Änderung vom 4. Oktober 1991 wollten Bundesrat und Parlament die zur Entlastung des Bundesgerichts unerlässlichen Massnahmen, aber auch die für die Einhaltung der Konventionsgarantien notwendigen Anpassungen der Verfahrensgesetze des Bundes möglichst rasch einführen, BGE 124 II 480 S. 484 nachdem eine erste Vorlage vom 23. Juni 1989 an der Volksabstimmung vom 1. April 1990 gescheitert war (vgl. BBl 1991 II 467, 471; AB 1991 N 1309, S 865). Es ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber die Revision nach dem neuen Art. 139a OG dann nicht zulassen wollte, wenn der angefochtene Entscheid noch unter altem Recht gefällt wurde, die Frist zur Anfechtung dieses Entscheides beim Inkrafttreten des neuen Rechts noch läuft oder noch gar nicht zu laufen begonnen hat. Verfahren vor den Strassburger Instanzen dauern oft sehr lange. Im vorliegenden Fall vergingen von der Einreichung der Individualbeschwerde bis zum Entscheid des Gerichtshofes mehr als fünf Jahre. Der Vorbehalt in Ziff. 3 Abs. 1 der Schlussbestimmungen bezüglich der Berufungs- und Beschwerdeverfahren bezweckt, Entscheide nicht beliebig nach altem oder neuem Verfahrensrecht anfechten zu lassen, wenn die Frist dazu erst unter dem neuen Recht abläuft (vgl. auch BGE 115 II 97 ff., besonders E. 2c S. 101; ferner Urteil vom 30. September 1997 i.S. F., Pra 1998 Nr. 20 E. 3b in fine). Die Revision nach Art. 139a OG wurde indessen eingeführt, damit die Schweiz ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen aus der Konvention ( Art. 50 und 53 EMRK ) nachkommen kann. Auf ein Revisionsgesuch nach Art. 139a OG nur deshalb nicht einzutreten, weil das Verfahren vor den Strassburger Instanzen lange gedauert hat, würde deshalb dem Sinngehalt des Gesetzes widersprechen. Die Revision nach Art. 139a OG muss somit auch dann zulässig sein, wenn der angefochtene Entscheid vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts gefällt worden ist, die Frist zur Anfechtung dieses Entscheides aber erst nach diesem Zeitpunkt abläuft. c) Auf das Revisionsgesuch, das auch den übrigen formellen Anforderungen genügt, ist somit einzutreten. 2. a) Art. 139a OG hat folgenden Wortlaut: 1 Die Revision eines Entscheides des Bundesgerichts oder einer Vorinstanz ist zulässig, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte oder das Ministerkomitee des Europarates eine Individualbeschwerde wegen Verletzung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und deren Protokolle gutgeheissen hat und eine Wiedergutmachung nur durch Revision möglich ist. 2 Stellt das Bundesgericht fest, dass die Revision geboten, aber eine Vorinstanz zuständig ist, so überweist es ihr die Sache zur Durchführung des Revisionsverfahrens. 3 Die kantonale Vorinstanz hat auch dann auf das Revisionsgesuch einzutreten, wenn das kantonale Recht diesen Revisionsgrund nicht vorsieht. BGE 124 II 480 S. 485 b) Die erste nach Art. 139a OG für die Gutheissung eines Revisionsgesuches erforderliche Voraussetzung, die Gutheissung einer Individualbeschwerde durch den Gerichtshof (oder das Ministerkomitee) wegen Verletzung der Konvention, ist erfüllt. Der Gerichtshof hat festgestellt, das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 5. Juli 1991, in welchem den Gesuchstellern ohne persönliches Verschulden eine Steuerbusse für die vom Erblasser begangene Steuerhinterziehung auferlegt worden sei, verstosse gegen das Recht auf Vermutung der Schuldlosigkeit, wie es in Art. 6 Ziff. 2 EMRK garantiert sei. Damit hat der Gerichtshof eine Konventionsverletzung bejaht und den Standpunkt der Beschwerdeführer und heutigen Gesuchsteller geschützt. c) Weitere Voraussetzung für eine Gutheissung des Revisionsgesuchs nach Art. 139a Abs. 1 OG ist, dass keine andere Möglichkeit der Wiedergutmachung (als jene der Revision) besteht. Diese Voraussetzung ist insbesondere im Zusammenhang mit Art. 50 EMRK zu sehen, wonach der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Entschädigung zuspricht, wenn die innerstaatlichen Gesetze nur eine unvollkommene Wiedergutmachung gestatten. In den Materialien zu Art. 139a OG wird ausgeführt, in manchen Fällen werde das Urteil bzw. der Entscheid der europäischen Behörden, allenfalls zusammen mit der Leistung einer Geldsumme als Schadenersatz oder Genugtuung, genügen. Nur wenn dies nicht zutreffe, solle das schweizerische Verfahren wieder aufgerollt werden (Botschaft des Bundesrates vom 18. März 1991 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege, BBl 1991 II 529; vgl. BGE 123 I 283 E. 3a). Der Schuldvorwurf, der den Gesuchstellern nach dem Urteil des Gerichtshofes zu Unrecht gemacht worden ist, kann auf dem Weg der Entschädigung nicht oder nur unvollkommen wieder gutgemacht werden. Vollkommene Gutmachung ist nur durch Verfahrenswiederaufnahme nach innerstaatlichem Recht möglich, wenn damit der Schuldvorwurf beseitigt werden kann. Der Gerichtshof hat in seinem Entscheid den Gesuchstellern lediglich eine Entschädigung für das Verfahren vor den Strassburger Instanzen zugesprochen, nicht jedoch für das Unrecht, das ihnen durch die Konventionsverletzung erwachsen ist. Er hat damit die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach Art. 50 EMRK zumindest vorläufig - implizit - verneint. Einer vollkommenen Wiedergutmachung durch Wiederaufnahme des innerstaatlichen Verfahrens steht damit nichts im Weg. Das Gesuch ist somit grundsätzlich begründet und die Revision nach Art. 139a OG zu gewähren. BGE 124 II 480 S. 486 d) Nach Art. 144 Abs. 1 OG hat das Bundesgericht die frühere Entscheidung aufzuheben und aufs Neue zu entscheiden, wenn es zum Ergebnis gelangt, dass der Revisionsgrund zutreffe. Das Revisionsgesuch ist somit gutzuheissen und das Urteil des Bundesgerichts vom 5. Juli 1991 aufzuheben. II. Verwaltungsgerichtsbeschwerde 2A.431/1990 3. Mit der Aufhebung des Urteils des Bundesgerichts vom 5. Juli 1991 steht das Verfahren zur Neubeurteilung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 21. Dezember 1990 wieder offen ( Art. 144 Abs. 1 OG ). a) Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat festgestellt, die Haftung der Erben für die vom Erblasser verschuldete Steuerbusse verstosse gegen die Konvention. Diese Feststellung beschränkt sich zwar auf den im Einzelfall ergangenen "innerstaatlichen Vollzugsakt", das heisst auf das vor den Strassburger Organen angefochtene Urteil des Bundesgerichts, doch wurde dieses unmittelbar durch eine "bestimmte Gesetzeslage determiniert", nämlich Art. 130 Abs. 1 BdBSt , den das Bundesgericht anzuwenden hatte (vgl. JÖRG POLAKIEWICZ, Die Verpflichtungen der Staaten aus den Urteilen des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Berlin, Heidelberg usw. 1993, S. 215 ff., besonders 253 ff.). Gemäss dieser Vorschrift haften die Erben "bis zur Höhe ihrer Erbteile solidarisch für die vom Erblasser hinterzogene Steuer und von ihm verwirkten Bussen ohne Rücksicht auf ein eigenes Verschulden." Diese Bestimmung erweist sich nach den Motiven, die der Gerichtshof seinem Entscheid zu Grunde gelegt hat, als konventionswidrig. Wortlaut und Sinn von Art. 130 Abs. 1 BdBSt sind klar, so dass ein mit der Konvention im Einklang stehendes Resultat sich auch nicht durch eine "konventionsfreundliche" Auslegung des Gesetzes erzielen lässt. Die Schweiz kann somit ihren Verpflichtungen aus Art. 50 und 53 EMRK nur nachkommen, wenn sie diese Norm nicht anwendet. Das muss gelten, obschon der Gerichtshof zum Gesetz nicht ausdrücklich Stellung genommen, sondern den individuell-konkreten Anwendungsakt als konventionswidrig bezeichnet hat. Nur in seltenen Fällen stellen nämlich die EMRK-Organe ausdrücklich fest, dass das Gesetz selbst die Konvention verletze (MARK E. VILLIGER, Die Wirkungen der Entscheide der EMRK-Organe im innerstaatlichen Recht, namentlich in der Schweiz, ZSR 104/1985 I S. 495). Es ist nicht anzunehmen, dass der Bundesgesetzgeber bei der Einführung von Art. 139a OG die Wiedergutmachung durch Revision auf die Fälle beschränkt haben BGE 124 II 480 S. 487 wollte, wo der Gerichtshof die Konventionswidrigkeit des Gesetzes ausdrücklich festgestellt hat. Eine solche Absicht ergibt sich auch aus den Materialien nicht (BBl 1985 II 860 ff., 893; 1991 II 508 f., 529 f.; AB 1987 N 380; 1988 S 261; 1991 N 1309, S 868). Das Bundesgericht hat daher dem Art. 130 Abs. 1 BdBSt , soweit die Bestimmung sich auf Grund der Entscheidung des Gerichtshofes als konventionswidrig erwiesen hat, die Anwendung zu versagen. Diese Auslegung von Art. 139a OG steht zu Art. 113 Abs. 3 und 114bis Abs. 3 BV nicht im Widerspruch. Nach diesen Bestimmungen ist das Bundesgericht nicht nur an die Bundesgesetzgebung, zu welcher auch der Bundesratsbeschluss vom 9. Dezember 1940 über die Erhebung einer direkten Bundessteuer gehört ( BGE 117 Ib 367 E. 1a), sondern auch an die von der Bundesversammlung genehmigten Staatsverträge gebunden. Die Europäische Menschenrechtskonvention ist somit für das Bundesgericht nicht weniger verbindlich als die Bundesgesetzgebung. Die Verfassungsbestimmungen lösen jedoch den Konflikt nicht, der sich ergibt, wenn ein Bundesgesetz einem Staatsvertrag, hier der Europäischen Menschenrechtskonvention, widerspricht (vgl. BGE 117 Ib 367 E. 2). Insofern stellt Art. 139a OG eine Sondernorm dar, die nach ihrem Sinn und Zweck es dem Richter verbietet, ein Gesetz weiterhin anzuwenden, wenn auf Grund einer Entscheidung des Gerichtshofes oder des Ministerkomitees festgestellt worden ist, dass es der Europäischen Menschenrechtskonvention widerspricht. b) Ist aber Art. 130 Abs. 1 BdBSt auf Grund der Entscheidung des Gerichtshofes insoweit unanwendbar geworden, so können die Gesuchsteller und Beschwerdeführer nicht für die Bezahlung der vom Erblasser verwirkten Busse haftbar erklärt werden. Ihre Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist gutzuheissen, soweit sie sich gegen die Steuerbusse richtet. Hingegen ist die mit Entscheid der Bundessteuer-Rekurskommission vom 19. September 1990 auf Fr. 8'870.40 festgesetzte Nachsteuer zu bestätigen mit den Erwägungen, die das Bundesgericht bereits im Entscheid vom 5. Juli 1991 (E. 2a) angestellt hat. Auch der Gerichtshof konnte darin, dass die Erben für die Nachsteuer solidarisch haftbar erklärt wurden, keine Menschenrechtsverletzung erkennen. Insoweit wird der aufgehobene Entscheid durch den Revisionsgrund nicht berührt und ist das Bundesgericht an sein früheres Urteil und dessen Erwägungen gebunden. Die Beschwer-deführer verlangen denn auch - mit Recht - keine Revision des Entscheides in Bezug auf die Nachsteuern. BGE 124 II 480 S. 488 4. Die Gesuchsteller beantragen ferner, dass die kantonale Steuerverwaltung verpflichtet werde, den Gesuchstellern die bezahlte Busse von Fr. 2'882.90 samt Zins zurückzuzahlen. Es kann offen bleiben, inwieweit neue Tatsachen und Rechtsbegehren in einem Revisionsgesuch zuzulassen sind (vgl. Poudret, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Art. 140 N 4 ). Hebt das Bundesgericht sein früheres Urteil auf und entscheidet neu, dass den Beschwerdeführern keine Busse auferlegt werden dürfe, so haben die kantonalen Behörden die bereits bezahlten Beträge zurückzuerstatten. Dieses Vorgehen entspricht ständiger Praxis des Bundesgerichts in Steuersachen, weil Veranlagungsverfahren und Steuerbezugsverfahren verschiedene Verfahrensabschnitte darstellen. Die exakte Berechnung kann deshalb sinnvollerweise nicht durch das Bundesgericht vorgenommen werden. Im vorliegenden Fall kommt dazu, dass auf Grund der Vorbringen im Revisionsgesuch nicht feststeht, wer von den solidarisch haftbar erklärten Gesuchstellern welchen Betrag der Busse bezahlt hat und rückerstattungsberechtigt ist. Art. 139a OG schreibt auch nicht vor, dass die Wiedergutmachung zwingend durch das Bundesgericht zu erfolgen habe. Das ergibt sich daraus, dass Art. 139a Abs. 1 OG ein Revisionsgesuch nur insoweit zulässt, als die Wiedergutmachung "nur durch (diese) Revision möglich ist". Aus diesen Gründen rechtfertigt es sich, dass die zuständige kantonale Behörde über die Rückerstattung der Steuerbusse befindet. Sie wird dabei zu beachten haben, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte Forderungen regelmässig nach den jeweils geltenden landesüblichen Ansätzen zu verzinsen sind, auch wenn das Landesrecht die Verzinsung nicht vorsieht.
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Sachverhalt ab Seite 243 BGE 130 I 241 S. 243 Le Département des transports, de l'équipement et de l'environnement du canton du Valais (ci-après cité: le Département cantonal ou le maître de l'ouvrage) mit en soumission, dans le cadre de l'aménagement de la route nationale A9, un mandat d'étude portant sur des prestations d'ingénieur pour la réalisation d'une tranchée couverte. Soumis à la procédure sélective, le marché donna lieu, dans sa première étape, à la présélection de cinq candidats. En faisaient notamment partie le "Consortium 1" et le "Consortium 2" qui reçurent les documents contenant une description du mandat ainsi que les conditions particulières du maître de l'ouvrage (ci-après: les documents remis aux soumissionnaires). Y figuraient notamment l'énumération et la description des critères d'adjudication, avec la mention de leur pondération respective, à savoir 35 % pour le critère "compréhension du projet et sa démarche" (critère A), 35 % pour le critère "approche technique" (critère B) et 30 % pour le critère "prix" (critère C). Ce dernier se décomposait de la manière suivante: % Pts C. PRIX 30 - Montant de l'offre corrigée des ingénieurs 0.65 19.50 - Devis global de l'ouvrage (pour la variante proposée au § 5.1), composé selon les parties d'ouvrages décrites sous § 4.1, vu sous l'angle des installations propres à l'exécution du chantier (matériels, machines, etc.) et de l'exécution de l'ouvrage (terrassements, soutènements, bétons, étanchéité, etc.) 0.25 7.50 - Risque sur le coût de l'ouvrage par rapport aux prestations de l'ingénieur (présence sur le chantier, revendications, soumission, suivi, etc.) 0.10 3.0 TOTAL 100 A l'ouverture des offres, les honoraires d'ingénieur se montaient à respectivement 4'364'256 fr. pour le Consortium 1 et 2'987'837 fr. pour le Consortium 2, pour un coût de l'ouvrage devisé à 81'809'394 fr. dans le premier projet, contre 45'190'000 fr. dans le second. Le Conseil d'Etat adjugea le marché au Consortium 1 (ci-après également cité: l'adjudicataire) pour un montant d'honoraires BGE 130 I 241 S. 244 d'ingénieur, après correction des offres, de 4'600'262 fr. (décision du 12 juillet 2002). Le Consortium 2 recourut contre cette décision, en soutenant, pour l'essentiel, que le principe de la transparence avait été violé et que le marché n'avait pas été attribué à l'offre économiquement la plus avantageuse. Le Département cantonal objecta que le diagramme utilisé pour évaluer les honoraires d'ingénieur ne pouvait plus, à ce stade de la procédure, être remis en cause, car il avait été adressé à tous les soumissionnaires deux semaines avant l'échéance du délai pour déposer les offres, sans que cela ne provoquât de réaction de leur part. Pour sa part, le Consortium 1 fit valoir que le devis calculé par son concurrent évincé n'était pas "réaliste", un prix de 45'190'000 fr. pour la réalisation de l'ouvrage projeté n'étant possible que si une solution "nouvelle, géniale, innovante et inconnue jusqu'ici" était proposée, ce qui n'était pas le cas en l'occurrence. Le Consortium 2 contesta avoir sous-estimé l'évaluation du coût de l'ouvrage dans son offre. A titre de moyen de preuve, il demanda que l'Office fédéral des routes fût invité à donner son avis sur le projet qu'il avait proposé dans sa soumission, en particulier sur la crédibilité du coût estimé de l'ouvrage. Par arrêt du 26 mars 2003, la Cour de droit public du Tribunal cantonal du canton du Valais (ci-après: la Cour cantonale) rejeta le recours dont elle était saisie, en épousant l'argumentation développée par le Département cantonal et le Consortium 1. Agissant par la voie du recours de droit public, le Consortium 2 conclut à l'annulation de l'arrêt de la Cour cantonale et de la décision d'adjudication précités. Subsidiairement, il invite le Tribunal fédéral à annuler l'arrêt attaqué et à constater l'illicéité de la décision d'adjudication. Le Tribunal fédéral a admis le recours, annulé l'arrêt attaqué et constaté que le marché litigieux avait été adjugé au Consortium 1 en violation du droit fédéral au sens des considérants.
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. Le présent litige est soumis à l'Accord intercantonal du 25 novembre 1994 sur les marchés publics (AIMPu; RS 172.056.4). La nouvelle version de cet accord, du 15 mars 2001 (AIMPu 2001; RS 172.056.5), entrée en vigueur le 5 août 2003 pour le canton du BGE 130 I 241 S. 245 Valais (RO 2003 p. 2373), n'est pas applicable (cf. art 22 al. 1 AIMPu 2001 a contrario). Au surplus, le cas est régi par la loi valaisanne du 23 juin 1998 sur les marchés publics (aLcMP) ainsi que par l'ordonnance du 26 juin 1998 sur les marchés publics (aOcMPu), textes abrogés et remplacés dès le 1 er juin 2003 respectivement par la loi du 8 mai 2003 concernant l'adhésion du canton du Valais à l'accord intercantonal sur les marchés publics (LcAIMPu; cf. art. 22 LcAIMPu) et par l'ordonnance du 11 juin 2003 sur les marchés publics (OcMPu). (...) 4. 4.1 Le recourant fait valoir que les méthodes de calcul choisies par l'adjudicateur pour noter le critère du prix sont arbitraires ( art. 9 Cst. ) et contreviennent aux principes généraux qui gouvernent les marchés publics tels que la transparence de la procédure, l'égalité de traitement entre les concurrents, l'utilisation parcimonieuse des deniers publics et l'attribution du marché à l'offre économiquement la plus avantageuse. Comme devant l'instance précédente, le Département cantonal et le Consortium 1 contestent au recourant le droit de mettre en cause le diagramme d'évaluation des honoraires d'ingénieur distribué aux soumissionnaires deux semaines avant l'échéance du délai fixé pour la remise des offres. Se référant à l' ATF 125 I 205 , ils soutiennent en effet que cette question devait faire l'objet d'un recours "à cette époque déjà", conformément aux règles de la bonne foi et de la sécurité du droit. 4.2 Dans l'arrêt cité par les intimés, il est certes exact que le Tribunal fédéral a jugé que, dans le cadre de la procédure sélective, les documents de l'appel d'offres qui contiennent les conditions fixées par l'adjudicateur pour la qualification des candidats font partie intégrante de l'appel d'offres, si bien que les éventuels vices les affectant doivent être contestés, sous peine de forclusion, à ce stade déjà de la procédure, dans le délai de dix jours dès leur remise, à l'instar de ce qui est prévu pour recourir contre l'appel d'offres lui-même (cf. ATF 125 I 203 consid. 3a p. 205 ss). Cette jurisprudence concernait toutefois les documents remis aux soumissionnaires dans le cadre de la première étape de la procédure sélective, soit celle destinée à qualifier les candidats qui seront ensuite admis, dans une seconde phase de la procédure, à BGE 130 I 241 S. 246 présenter une offre proprement dite. Or, à l'image de la procédure ouverte, cette première étape se caractérise effectivement par un appel d'offres public qui, en Valais, était susceptible de recours, au moment déterminant, en vertu de l'art. 15 let. b aLcMP, disposition calquée sur le § 33 des (anciennes) Directives du 25 novembre 1994 pour l'exécution de l'AIMPu (pour la situation actuelle, cf. art. 15 LcAIMPu en relation avec l'art. 15 AIMPu 2001). Le présent cas est cependant différent, puisque le document litigieux, soit le diagramme d'évaluation des honoraires d'ingénieur, n'a été remis aux soumissionnaires qu'après leur qualification pour participer à la seconde étape de la procédure sélective qui, elle, se déroule en dehors de toute publication d'un (nouvel) appel d'offres (sur la distinction entre ces deux étapes, cf. art. 9 let. b aLcMP et art. 10 LcAIMPu). La situation se rapproche donc de celle décrite à l' ATF 129 I 313 , où le Tribunal fédéral a jugé qu'une juridiction cantonale pouvait, sans arbitraire, estimer que des documents étaient encore attaquables avec la décision d'adjudication lorsqu'ils avaient été remis aux soumissionnaires après le délai fixé dans l'avis officiel pour recourir contre l'appel d'offres public. Or, c'est semble-t-il bien ce qu'a considéré la Cour cantonale, puisqu'elle n'a pas dénié au recourant le droit de critiquer le diagramme d'évaluation des honoraires d'ingénieur; la seule conséquence qu'elle a tirée du fait qu'il avait eu connaissance de ce document "bien avant le délai d'échéance du dépôt des offres fixé définitivement au 30 novembre 2001" était qu'il ne pouvait pas se plaindre d'une violation du principe de la transparence. 4.3 Même s'il n'a pas l'obligation de saisir immédiatement le juge, le soumissionnaire qui constate une irrégularité dans le déroulement de la procédure d'appel d'offres n'en demeure pas moins tenu, en principe, de la signaler sans attendre à l'adjudicateur, au risque d'adopter un comportement contraire aux principes de la bonne foi et de la sécurité du droit (cf. ROBERT WOLF, Die Beschwerde gegen Vergabeentscheide - Eine Übersicht über die Rechtsprechung zu den neuen Rechtsmitteln, in ZBl 104/2003 p. 1 ss, 10). Rappelée sous la forme d'un obiter dictum à l' ATF 125 I 205 , cette règle est conforme à l'exigence de célérité à laquelle obéit la procédure relative à la passation des marchés publics, en ce sens qu'il est préférable de corriger immédiatement une irrégularité contenue dans l'appel d'offres et les documents y relatifs plutôt que de procéder à BGE 130 I 241 S. 247 l'adjudication du marché et de s'exposer au risque, si le vice est ensuite constaté par un juge, de devoir reprendre la procédure à son début. La forclusion tirée du principe de la bonne foi ne peut toutefois être opposée à une partie que pour les irrégularités qu'elle a effectivement constatées ou, à tout le moins, qu'elle aurait dû constater en faisant preuve de l'attention commandée par les circonstances. Or, l'on ne saurait exiger des soumissionnaires qu'ils procèdent à un examen juridique approfondi de l'appel d'offres et des documents de l'appel d'offres, vu leurs connaissances généralement limitées en la matière et le délai relativement court qui leur est imparti pour déposer leurs offres. Il convient, au contraire, de ne pas se montrer trop strict à cet égard et de réserver les effets de la forclusion aux seules irrégularités qui sont particulièrement évidentes ou manifestes. Cette solution offre par ailleurs l'avantage de garantir une certaine effectivité à la protection juridique dont doivent bénéficier les soumissionnaires, l'expérience enseignant que, par crainte de compromettre leurs chances d'obtenir un marché, très rares sont ceux qui, en pratique, contestent l'appel d'offres ou les documents de l'appel d'offre avant l'adjudication (cf. VINCENT CARRON/JACQUES FOURNIER, La protection juridique dans la passation des marchés publics, Fribourg 2002, p. 74/75). En l'espèce, on ne peut raisonnablement pas reprocher au recourant de n'avoir pas immédiatement contesté ou émis des réserves au sujet du diagramme d'évaluation des honoraires d'ingénieur, car il ne sautait pas aux yeux, à sa seule lecture, que ce document consacrait une méthode de notation ne reflétant que dans une très faible mesure les écarts de prix entre les différentes offres. Ainsi, la courbe de ce diagramme dépend essentiellement d'un prix moyen dont ni la détermination, en cinq étapes, ni, surtout, la portée exacte, ne se laissent aisément appréhender (cf. infra consid. 6.2). Ce n'est, en réalité, qu'en appliquant concrètement le modèle aux chiffres ressortant des différentes soumissions, et en comparant la courbe ainsi obtenue avec d'autres modèles (soit les méthodes préconisées par PICTET et BOLLINGER ou par le Guide romand), que le problème soulevé par le recourant apparaît dans toute son ampleur (cf., à cet égard, le graphique comparatif qu'il a produit en procédure cantonale). Par conséquent, le recourant n'était pas forclos, en instance cantonale, à mettre en cause le diagramme d'évaluation des honoraires d'ingénieur. BGE 130 I 241 S. 248 4.4 Au demeurant, ainsi qu'on l'a vu (cf. supra consid. 4.2, 2 e paragraphe in fine), la Cour cantonale n'a pas suivi l'intimé qui demandait, pourtant de manière explicite, que le recourant ne fût plus admis à contester le diagramme litigieux. Or, le Tribunal fédéral ne saurait, dans un recours pour arbitraire, confirmer l'arrêt attaqué par un motif substitué qui a expressément été écarté par l'autorité mise en cause (cf. ATF 94 I 305 consid. 4 p. 311/312; arrêt 2P.231/2003 du 28 janvier 2004, consid. 2.2 in fine). 5. 5.1 Le principe de la transparence - ancré à l'art. 2 let. b aLcMP - exige du pouvoir adjudicateur qu'il énumère par avance et dans l'ordre d'importance tous les critères d'adjudication qui seront pris en considération lors de l'évaluation des soumissions; à tout le moins doit-il spécifier clairement l'importance relative qu'il entend accorder à chacun d'eux. En outre, lorsqu'en sus de ces critères, le pouvoir adjudicateur établit concrètement des sous-critères qu'il entend privilégier, il doit les communiquer par avance aux soumissionnaires, en indiquant leur pondération respective. En tous les cas, le principe de la transparence interdit de modifier de manière essentielle, après le dépôt des offres, la présentation des critères ( ATF 125 II 86 consid. 7c p. 101 et les références citées). Il n'exige toutefois pas, en principe, la communication préalable de sous-critères ou de catégories qui tendent uniquement à concrétiser le critère publié, à moins que ceux-ci ne sortent de ce qui est communément observé pour définir le critère principal auquel ils se rapportent ou que l'adjudicateur ne leur accorde une importance prépondérante et leur confère un rôle équivalent à celui d'un critère publié. De la même manière, une simple grille d'évaluation ou d'autres aides destinées à noter les différents critères et sous-critères utilisés (telles une échelle de notes, une matrice de calcul ...) ne doivent pas nécessairement être portées par avance à la connaissance des soumissionnaires, sous réserve d'abus ou d'excès du pouvoir d'appréciation (cf. arrêt 2P.172/2002 du 10 mars 2003, consid. 2.3). Le point de savoir si, dans un cas d'espèce, les critères utilisés sont inhérents au critère publié ou relèvent d'une grille d'évaluation, en sorte que le principe de la transparence n'en exige pas la communication par avance, résulte de l'ensemble des circonstances qui entourent le marché public en cause, parmi lesquelles il faut mentionner la documentation relative à l'appel d'offres, en particulier le cahier BGE 130 I 241 S. 249 des charges et les conditions du marché (cf. à cet égard, arrêt 2P.85/2001 du 6 mai 2002, consid. 4.1, publié in SJ 2002 I p. 549). 5.2 Le recourant soutient que l'adjudicateur a violé le principe de la transparence, car il a utilisé à plusieurs reprises le sous-critère "présence sur le chantier" pour évaluer l'offre aussi bien sous l'angle de la "compréhension du projet et de sa démarche" (critère d'adjudication A) que sous l'angle de son "approche technique" (critère B), alors que la "présence sur le chantier" n'avait été annoncée dans les documents remis aux soumissionnaires qu'en relation avec le critère du prix (critère C), plus précisément sous le sous-critère "risque sur le coût de l'ouvrage par rapport aux prestations de l'ingénieur". Le Tribunal cantonal a considéré que ce n'était là qu'un simple élément d'appréciation - et non un sous-critère - qui n'avait, au surplus, servi qu'à apprécier le critère du prix. Cette constatation des faits est arbitraire. En effet, il ressort des pièces, plus particulièrement des différents tableaux que l'adjudicateur a distribués aux soumissionnaires lors d'une séance d'information le 24 juillet 2002, que la "présence sur le chantier" est un élément qui a été utilisé pour analyser les prestations du géologue/géotechnicien et du géomètre (soit le critère A) ainsi que pour évaluer les offres sous l'angle de la protection de l'environnement (soit le critère A) et sous l'angle de l'approche technique de la tranchée couverte (soit le critère B). Certes, comme le fait remarquer le Département cantonal, les documents remis aux soumissionnaires, en particulier la description du mandat, ne manquent pas de spécifier que "l'offre doit préciser les heures de présence hebdomadaire des différents domaines de compétence sur le chantier, en dehors des séances avec le (maître de l'ouvrage)". Du moment, toutefois, qu'au titre des critères d'adjudication et de leur pondération, il n'était fait allusion à la "présence sur le chantier" qu'en relation avec un sous-critère d'une importance mineure rattaché au critère principal du prix (10 % de ce critère), le recourant pouvait raisonnablement partir de l'idée que cet élément serait utilisé pour noter ce seul critère. Sa transposition pour évaluer d'autres critères heurte, par conséquent, le principe de la transparence. 5.3 Selon le recourant, les règles de notation utilisées pour évaluer le critère du prix contreviennent également au principe de la transparence. BGE 130 I 241 S. 250 Dans les documents remis aux soumissionnaires, l'adjudicateur a indiqué la pondération accordée à ce critère, soit 30 points sur 100 (ou 30 %), répartis de la manière suivante: 19,5 points pour le sous-critère du "montant de l'offre corrigée des ingénieurs" (les honoraires d'ingénieurs), 7,5 points pour celui du "devis global de l'ouvrage" (le coût estimé de l'ouvrage) et 3 points pour celui du "risque sur le coût de l'ouvrage par rapport aux prestations de l'ingénieur". Aussi bien, le recourant ne peut se plaindre d'une violation du principe de la transparence en relation avec le critère du prix que s'il démontre que l'un des sous-critères le composant aurait, après le dépôt des offres, été modifié de manière substantielle. Sur ce point, son argumentation tend, pour l'essentiel, à soutenir que les diagrammes utilisés par l'adjudicateur pour évaluer, premièrement, les honoraires d'ingénieur et, secondement, le coût estimé de l'ouvrage, ont eu pour effet de "gommer" fortement les écarts réels de prix entre les offres, au point de modifier, d'une manière arbitraire, le poids effectif du critère (principal) du prix par rapport à l'indice de pondération qui avait initialement été annoncé aux soumissionnaires (30 %). Telle qu'alléguée, la violation du principe de la transparence n'a donc pas de portée propre et se confond, en réalité, avec les griefs - également invoqués par le recourant - tirés de l'application arbitraire des règles et principes qui gouvernent les procédures de marchés publics, telles l'attribution du marché à l'offre économiquement la plus avantageuse, l'utilisation parcimonieuse des deniers publics, la concurrence efficace ou l'égalité de traitement entre soumissionnaires. En d'autres termes, il convient d'examiner si le diagramme d'évaluation des honoraires d'ingénieur (cf. infra consid. 6) et le diagramme d'évaluation du coût de l'ouvrage (cf. infra consid. 7), consacrent l'un et l'autre des méthodes de calcul admissibles pour noter les deux sous-critères (du critère principal du prix) auxquels ils se rapportent. 6. 6.1 Le choix d'une méthode de notation parmi les nombreuses solutions qui s'offrent à l'adjudicateur relève du large pouvoir d'appréciation qui lui est reconnu, le juge ne devant sanctionner que l'abus ou l'excès de ce pouvoir (cf. arrêts 2P.111/2003 du 21 janvier 2004, consid. 3.3; 2P.172/2002 du 10 mars 2003, consid. 3.2). Dans une affaire valaisanne, la Cour de céans a jugé que le modèle proposé par le Guide romand, dans sa version de décembre 1999, BGE 130 I 241 S. 251 bien que critiquable parce qu'il affaiblit de manière considérable le poids réel du critère du prix dans l'adjudication, n'est pourtant pas d'emblée inadmissible; sa prise en compte conduit en revanche à un résultat inacceptable si cet inconvénient est aggravé par le fait que le critère du prix ne bénéficie, par rapport aux autres critères d'adjudication, que d'un faible indice de pondération ( ATF 129 I 313 consid. 9.2 et 9.3 p. 327/328). Dans la ligne de cette jurisprudence, le Tribunal fédéral a récemment jugé que n'était pas arbitraire une méthode d'évaluation qui relativisait pourtant le critère du prix de manière presque aussi importante que la règle de notation exposée dans le Guide romand, car ce critère comptait pour une part appréciable dans l'adjudication, soit à raison de 60 % (arrêt 2P.111/2003 du 21 janvier 2004, consid. 3.3). 6.2 En l'espèce, le diagramme d'évaluation des honoraires d'ingénieur se présente sous la forme d'une courbe qui permet, après avoir déterminé un prix moyen, d'attribuer une note aux différentes offres en fonction de leur écart par rapport à ce prix moyen. Ce dernier s'obtient par un calcul en cinq étapes qui consiste, premièrement, à établir le prix moyen des offres déposées (PM1), deuxièmement, à écarter les prix supérieurs à 25 % à cette moyenne, troisièmement, à calculer sur cette base un nouveau prix moyen (PM2), quatrièmement, à écarter les prix inférieurs de 15 % à cette nouvelle moyenne et, enfin, cinquièmement, à calculer le prix moyen à proprement parler (PM3) qui doit servir de base à l'évaluation des offres. Pour obtenir la note maximale de 6, l'offre doit être d'au moins 40 % inférieure au prix moyen (PM3), tandis qu'un prix équivalent à ce prix moyen reçoit une note de 4,8 qui décroît régulièrement à mesure que le prix de l'offre augmente jusqu'à atteindre 0 lorsque ce prix est de 160 % plus élevé que le prix moyen. Appliquée au marché en cause, cette méthode d'évaluation a abouti à la prise en compte d'un prix moyen (PM3) de 4'164'111 fr. qui a donné lieu à l'attribution d'une note de 4,65 (sur six) au Consortium 1 (pour des honoraires d'ingénieur de 4'364'256 fr.) et d'une note de 5,64 au Consortium 2 (pour des honoraires de 2'987'837 fr.). Traduites en points (sur 100), ces notes correspondent, compte tenu d'un maximum de 19,5 points pour le sous-critère considéré, à 15,13 points pour le Consortium 1 et à 18,35 points pour le Consortium 2, soit un écart de 3,22 points. Au regard de la considérable différence de prix entre les deux offres en cause, qui se chiffre à 1'376'419 fr. (4'364'256 fr. - 2'987'837 fr.), un tel écart de points BGE 130 I 241 S. 252 est pour le moins modeste. Il illustre bien le fait, critiqué par le recourant, que la méthode choisie par l'adjudicateur pour noter les honoraires d'ingénieur a eu pour effet de fortement atténuer, une fois convertis en points, les réels écarts de prix entre les différentes offres en compétition. Une telle règle de notation suppose donc, pour être admissible, que le critère du prix, considéré dans son ensemble, ait bénéficié d'un facteur de pondération d'une certaine importance (cf. supra consid. 6.1). Tel n'est cependant pas le cas. En effet, le prix à prendre en compte, à côté des autres critères d'adjudication, pour attribuer le marché à l'offre économiquement la plus avantageuse concerne, en l'occurrence, les honoraires d'ingénieur pour les prestations énumérées par le maître de l'ouvrage dans les documents remis aux soumissionnaires, soit: le génie civil et l'approche architecturale de différentes parties de l'ouvrage (tranchée couverte, portails, murs, locaux techniques, canalisations, câbles ...), les éléments de génie civil portant sur les installations de sécurité et les installations électromécaniques, ainsi que les prestations géotechniques (mécanique des sols, hydrogéologie) et géométriques. En revanche, le sous-critère "devis global de l'ouvrage", n'a rien à faire avec le prix du marché à adjuger dans le présent cas: destiné à tenir compte du coût estimé du projet, il représente, certes, un critère valable, d'ordre financier, pour adjuger le marché à l'offre économiquement la plus avantageuse; dans l'examen "du rapport prix/prestations (qui) doit être observé", au sens de l'art. 39 al. 1 aOcMPu, ce critère devait toutefois être pris en considération, nonobstant sa composante financière, "en dehors du prix", au même titre que d'autres critères du même ordre tels que la "rentabilité" ou les "coûts d'exploitation" de l'ouvrage projeté. Le Département cantonal objecte qu'il est "à craindre que les honoraires définitifs qui seront versés (à l'adjudicataire) soient en rapport avec les coûts réels de construction, ce qui laisse envisager de nombreuses et pénibles revendications en tout genre". Cet argument ne convainc toutefois pas, car les honoraires d'ingénieur ne sont pas calculés au prorata du coût de l'ouvrage, mais sont, au contraire, forfaitaires, à l'exception de quelques prestations payées au "temps effectif", comme l'examen de variantes en cours de travaux (cf. description du mandat). Il n'y a donc pas de relation, même indirecte, entre le coût du projet et les honoraires d'ingénieur. BGE 130 I 241 S. 253 6.3 Il s'ensuit que le critère du prix a tout au plus bénéficié, au cas particulier, d'un indice de pondération de 22.5 %, décomposé à raison de 19.5 % pour les honoraires d'ingénieur et de 3 % pour le "risque sur le coût de l'ouvrage par rapport aux prestations de l'ingénieur", soit un taux qui, même pour un marché complexe, se situe clairement à la limite inférieure de ce qui est admissible pour le critère du prix, sous réserve de vider de sa substance la notion, centrale en matière de marchés publics, d'offre économiquement la plus avantageuse (cf. ATF 129 I 313 consid. 9.2 p. 327). Or, le diagramme d'évaluation des honoraires d'ingénieur se modélise par une courbe dont la pente, qui reflète la fermeté de la notation, est encore moins marquée que celle que l'on obtiendrait en appliquant la méthode - pourtant controversée - qui était proposée par le Guide romand jusqu'à ce que son remplacement par une autre méthode ne soit "fortement suggéré" (cf. complément à l'annexe de ce guide du 16 octobre 2001; ATF 129 I 313 consid. 9.2 p. 327). Par conséquent, en admettant une règle de notation qui affaiblit considérablement le critère du prix - tant en soi que par rapport au poids que lui reconnaissaient les documents d'appel d'offres -, les autorités intimées sont tombées dans l'arbitraire. 7. Il s'agit maintenant d'examiner les griefs, de même nature que ceux évoqués précédemment, que le recourant formule à l'endroit de l'autre diagramme mis en cause, soit celui utilisé pour évaluer le coût de l'ouvrage. 7.1 Selon les indications figurant dans la description du mandat, pour se conformer à ce sous-critère, les soumissionnaires doivent déterminer de manière "approximative les quantités et le devis de l'ouvrage avec une précision de ± 10 % sur les quantités". Le diagramme d'évaluation concerné s'articule autour d'un prix moyen qui sert de référence pour noter les différentes offres. Déterminé par l'adjudicateur, ce prix de référence correspond à une estimation faite sur la base du coût moyen de quatre ouvrages similaires qui ont été réalisés dans le passé en Valais et en Suisse romande. Plus les estimations se rapprochent de ce prix de référence, meilleure est la note qu'elles obtiennent, et inversement. La notation se fait toutefois différemment selon que le prix estimé de l'ouvrage par les soumissionnaires est supérieur ou inférieur au prix de référence. Ainsi, aux offres dont l'estimation est égale ou inférieure au prix de référence, la note maximale de 6 est attribuée, à condition toutefois BGE 130 I 241 S. 254 que le prix estimé ne soit pas inférieur de plus de 20 % au prix de référence; passé cette limite, les notes attribuées subissent en effet une forte et régulière dégression, jusqu'à atteindre 0 quand le devis est plus de 50 % inférieur au prix de référence. En revanche, pour les soumissions dont le prix estimé dépasse le prix de référence, la dégression des notes est nettement moins forte: elle va, selon une pente régulière, jusqu'à 10 % pour les offres dont le devis est supérieur de 20 % au prix de référence (ce qui correspond encore à une note de 5,4), et continue ensuite, selon une pente tout aussi régulière mais un peu plus forte, jusqu'à atteindre 100 % (soit une note de 0) à partir d'un prix estimé 100 % plus élevé que le prix de référence. La particularité de cette méthode de notation tient donc au fait qu'elle pénalise fortement les soumissions qui font état d'une estimation inférieure de plus de 20 % au prix de référence, tandis que les estimations supérieures à ce prix ne subissent qu'une pénalité moindre. A titre d'exemple, un ouvrage dont le prix estimé est de 40 % supérieur au prix de référence obtient encore une note de 4 points environ (sur 6 points), alors qu'un prix estimé de 40 % inférieur à ce même prix de référence est seulement gratifié d'une note de 1,8 points environ. 7.2 Le Département cantonal a justifié le choix de cette méthode d'évaluation en ces termes: "plus les prix sont bas pour la réalisation d'un ouvrage et plus ils s'écartent d'un prix moyen estimé pour des travaux analogues, plus les risques de dépassement deviennent importants, avec les fâcheuses conséquences qui s'ensuivent (nombreuses revendications diverses, délais dépassés ...). Au contraire, lorsque les prix sont proches du prix moyen ou même légèrement supérieurs à celui-ci, les risques de dépassement par rapport au devis initial sont bien plus faibles" . En outre, une estimation aussi basse laisse "craindre que les honoraires définitifs qui seront versés soient en rapport avec les coûts réels de construction" . Dans ces conditions, il n'était pas possible, toujours selon le Département cantonal, "d'établir un rapport de confiance solide sur la base de telles données financières objectivement peu crédibles" . Même si le Département cantonal ne le dit pas expressément, il apparaît que la méthode de notation choisie vise, en définitive, à prévenir les risques de sous-enchère en pénalisant, à l'avance, les offres qui s'écartent de plus de 20 % du prix moyen estimé par l'adjudicateur. BGE 130 I 241 S. 255 7.3 On peut se demander si la solution choisie par l'adjudicateur, consistant à pénaliser le soumissionnaire dans la notation plutôt que d'écarter son offre, est admissible. La législation valaisanne en vigueur semble en effet ne pas le permettre, puisqu'elle prévoit l'exclusion des offres qui ne couvrent pas le prix de revient ( art. 23 let . g OcMPu), en accord apparemment avec la jurisprudence cantonale rendue en application de l'art. 38 aOcMPu (cf. les arrêts cités par GALLI / MOSER / LANG, Praxis des öffentlichen Beschaffungsrechts, Zurich/Bâle/Genève 2003, n. 540 et 544). La doctrine semble également plutôt pencher dans le sens d'une exclusion du soumissionnaire dont l'offre est anormalement basse, en considération de son défaut d'aptitude lié au risque qu'il ne puisse pas exécuter correctement le mandat, par exemple à cause d'un risque accru d'insolvabilité (cf. ZUFFEREY/MAILLARD/MICHEL, Droit des marchés publics, Fribourg 2002, p. 121 et 122; GAUCH/STÖCKLI/DUBEY, Thèses sur le nouveau droit fédéral des marchés publics, Fribourg 1999, p. 36; ETIENNE POLTIER, Les marchés publics: premières expériences vaudoises, in RDAF 2000 I p. 297 ss, 306). Cette question peut toutefois rester indécise, car la règle de notation choisie se révèle insoutenable pour un autre motif. En effet, cette méthode revient, en réalité, à considérer comme anormale et à pénaliser, à l'avance et sans aucun discernement, toute offre nettement plus basse que l'estimation faite par l'adjudicateur (cf. ZUFFEREY/MAILLARD/MICHEL, op. cit., p. 122). Or, la possibilité devrait à tout le moins être offerte au soumissionnaire visé, avant toute décision d'adjudication, de s'expliquer et de justifier le prix avantageux qu'il offre, surtout lorsqu'il obtient de bonnes notes sur les critères techniques. C'est seulement si les renseignements obtenus de sa part ne sont pas convaincants ou laissent apparaître un risque d'insolvabilité que son offre peut ensuite, dans un second temps, être écartée ou pénalisée (cf. ZUFFEREY/MAILLARD/MICHEL, op. cit., p. 121; GALLI/MOSER/LANG, op. cit., n. 536 et 547; POLTIER, op. cit., p. 306). Inscrite à l'art. XIII ch. 4 let. a de l'Accord sur les marchés publics, conclu à Marrakech le 15 avril 1994, et entré en vigueur pour la Suisse le 1 er janvier 1996 (AMP; RS 0.632.231.422), cette règle, qui n'est qu'une modalité du droit d'être entendu, a été formalisée en Valais à l'art. 38 aOcMPu, disposition qui précise que l'adjudicateur peut demander au soumissionnaire dont l'offre est anormalement basse une expertise ainsi que des garanties particulières. Comme le recourant n'a pas été invité, dans le cas d'espèce, BGE 130 I 241 S. 256 à justifier le coût de son projet avant que la décision d'adjudication ne soit rendue, son droit d'être entendu a été violé. Certes, il a pu s'exprimer devant la Cour cantonale. Vu la gravité du vice, il ne pouvait toutefois pas être réparé devant l'autorité intimée. Au demeurant, la Cour cantonale n'a pas donné d'argument convaincant permettant d'écarter, par appréciation anticipée des preuves, l'attestation produite en cause par le recourant, aux termes de laquelle un consortium d'entrepreneurs se disait prêt, "sous réserve du contrôle du devis", à réaliser les travaux aux prix unitaires figurant dans la soumission. 7.4 Par ailleurs, le diagramme d'évaluation litigieux consacre une méthode de notation si singulière qu'il devait, sous peine de violer le principe de la transparence, être communiqué aux soumissionnaires avant l'adjudication. En effet, même si l'on peut, à la limite, se montrer d'accord avec l'objectif de privilégier les estimations qui s'approchent d'un certain prix de référence, on ne peut en revanche pas accepter, sans autre examen, que celles qui lui sont inférieures soient systématiquement et davantage pénalisées que celles qui lui sont supérieures. Certes, les désagréments pratiques exposés par le Département cantonal, en particulier le risque de dépasser le devis, sont peut-être moins grands dans le second que dans le premier cas. Une telle solution est toutefois arbitraire, car elle heurte gravement l'objectif premier des marchés publics, soit celui d'adjuger le marché à l'offre économiquement la plus avantageuse. En effet, entre deux soumissions, dont l'une est, par hypothèse, 30 % meilleur marché qu'un certain prix moyen, et l'autre, 30 % plus chère que ce même prix moyen, les chances que le coût final s'approchera (voire même sera en-dessous) du prix moyen demeurent importantes dans le premier cas, tandis qu'elles sont quasiment nulles dans le second. Dans le cas particulier, où le prix de référence de l'ouvrage a été arrêté à 64'683'405 fr., la méthode choisie a eu pour conséquence que le recourant, pour un projet estimé à 45'190'000 fr. (soit environ 30 % moins cher que le prix de référence), a obtenu 4,97 points (sur 7,5 points), tandis que l'adjudicataire en a reçu 6,2 pour un projet estimé à 81'809'394 fr. (soit environ 26 % plus cher que le projet de référence). Bien qu'elle puisse sembler modeste, la différence, de 1,23 points, est en réalité importante. En effet, le total des points obtenus par les concurrents est de 81,89 points (sur 100 points) pour le Consortium 1 et de 80,35 points pour le Consortium 2: au final, seul un écart de 1,54 points a donc permis à l'adjudicataire d BGE 130 I 241 S. 257 'em porter le marché. Si, au lieu d'être durement pénalisé par l'estimation du coût de l'ouvrage proposé, le recourant avait, au contraire, reçu une note supérieure - même très légèrement supérieure - à son concurrent, le résultat de l'adjudication aurait ainsi été tout autre. 7.5 Les griefs, formulés en relation avec le diagramme d'évaluation du coût de l'ouvrage, tirés de l'interdiction de l'arbitraire, de la violation du droit d'être entendu et de la violation du principe de la transparence, sont donc fondés. 8. En résumé, il apparaît que la soumission du recourant a été évincée, bien qu'elle fût notablement plus avantageuse que celle de l'adjudicataire sur le plan du prix et qu'elle en fût très proche sur les plans de la compréhension du projet et de sa démarche ainsi que de l'approche technique: sur ces critères, la différence de points n'est, en effet, que de 2,01 points sur 100. Un tel résultat est insoutenable et justifie l'admission du recours et l'annulation de la décision attaquée. Dans la mesure où le contrat a déjà été passé entre les parties, il est constaté que le mandat a été attribué au Consortium 1 en violation du droit fédéral. (...)
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Sachverhalt ab Seite 227 BGE 119 V 225 S. 227 A.- Franz E., geboren 1923, musste sich im Jahre 1975 einer Staroperation am rechten Auge unterziehen. Die Invalidenversicherung übernahm als medizinische Massnahme die Kosten für Operation, Spitalpflege und ambulante Nachbehandlung sowie als Hilfsmittel die optische Versorgung (Kontaktlinse rechts) und damit in Zusammenhang stehende augenärztliche Kontrollen. In der Folge erbrachte die Invalidenversicherung mehrmals Leistungen beim Ersatz der Kontaktlinsen. 1988 wurde Franz E. 65 Jahre alt. Mit Rechnung vom 27. Februar 1991 machte sein Optiker bei der Invalidenversicherung Kosten für zwei Kontaktlinsenkontrollen und zwei Ersatzlinsen (tränenbedingte Oberflächenveränderungen, Verlust) geltend. Das Sekretariat der Invalidenversicherungs-Kommission teilte Franz E. am 13. März 1991 mit, dass eine Kostenübernahme nur in Frage komme, wenn die Kontaktlinsen zur Ausübung der Erwerbstätigkeit erforderlich seien. Nachdem er im Juli 1988 pensioniert worden sei, würden Leistungen ausser Betracht fallen. Mit Schreiben vom 20. März 1991 legte Franz E. eine Bestätigung seines Arbeitgebers auf, wonach er von diesem nach Erreichen des AHV-Rentenalters im Teilpensum weiterbeschäftigt werde. Dennoch wies die Eidg. Ausgleichskasse das Leistungsgesuch mit BGE 119 V 225 S. 228 Verfügung vom 7. Oktober 1991 ab. Sie begründete dies damit, dass Eingliederungsmassnahmen und in wesentlicher Ergänzung dazu abgegebene Hilfsmittel nur bis zum Erreichen des AHV-Pensionsalters übernommen werden könnten. B.- Eine hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit der Begründung gut, Franz E. habe vor Entstehen des Anspruchs auf eine AHV-Rente Hilfsmittel nach Art. 21 oder 21bis IVG erhalten, welche er zur Ausübung seiner fortdauernden beruflichen sowie der Tätigkeit im übrigen Aufgabenbereich benötige, weshalb er im Rahmen der in Art. 4 HVA verankerten Besitzstandsgarantie weiterhin Anspruch darauf in bisherigem Umfang habe (Entscheid vom 7. April 1992). C.-
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Die Eidg. Ausgleichskasse führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids und Wiederherstellung der angefochtenen Verfügung. Auf die Begründung wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen. Franz E. beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung enthält sich eines Antrages. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. (Kognition) 2. Die Vorinstanz hat im angefochtenen Entscheid die massgebenden Gesetzesbestimmungen, nach welchen in der Schweiz wohnhafte Bezüger von Altersrenten der AHV Anspruch auf die Abgabe von Hilfsmitteln haben ( Art. 43ter Abs. 1 AHVG in Verbindung mit Art. 66ter AHVV und Art. 2 HVA ) oder nach welchen ihnen der Anspruch auf vor Altersrentenbeginn nach Art. 21 und 21bis IVG ausgerichtete Hilfsmittel oder Ersatzleistungen in Art und Umfang erhalten bleibt ( Art. 43ter Abs. 2 AHVG in Verbindung mit Art. 4 HVA ), zutreffend dargelegt, so dass darauf verwiesen werden kann. Ebenfalls richtig sind die Ausführungen des kantonalen Gerichts, wonach die Invalidenversicherung Kontaktlinsen als Hilfsmittel abgibt (Ziff. 7.02* HVI Anhang), soweit diese für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder die Tätigkeit im Aufgabenbereich, für die Schulung, die Ausbildung oder die funktionelle Angewöhnung notwendig sind ( Art. 2 Abs. 2 HVI in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 und Abs. 4 IVG und Art. 14 IVV ). BGE 119 V 225 S. 229 3. Streitig und zu prüfen ist, ob die AHV für Kontaktlinsenkontrollen und -ersatz aufzukommen hat. a) Die Vorinstanz hat zutreffend erwogen, dass diese Frage grundsätzlich in Lichte der AHV-rechtlichen Hilfsmittelregelung zu prüfen sei. Dabei hat sie festgestellt, dass nach der Liste der Hilfsmittel in HVA Anhang kein Anspruch auf Kostenübernahme bestehe, weil dort Kontaktlinsen nicht aufgeführt seien, sondern nur Lupenbrillen (Ziff. 8 HVA Anhang). Gestützt auf die in Art. 4 HVA verankerte Besitzstandsgarantie hat die Vorinstanz den Anspruch des Beschwerdegegners auf Leistungen der AHV dennoch bejaht, da er auch nach Erreichen des AHV-Alters einer Erwerbstätigkeit nachgehe. b) Die beschwerdeführende Eidg. Ausgleichskasse vertritt demgegenüber die Auffassung, Brillen (oder Kontaktlinsen) könnten gemäss Art. 21 Abs. 1 in fine IVG übernommen werden, wenn diese Hilfsmittel eine wesentliche Ergänzung medizinischer Eingliederungsmassnahmen bildeten. Sie würden einen integrierenden Bestandteil von medizinischen Eingliederungsmassnahmen darstellen und seien daher auch als solche (nach Art. 12 IVG ) zu betrachten und nicht als Hilfsmittel (nach Art. 21 IVG ), auf welche der Versicherte im Rahmen der Liste in HVI Anhang Anspruch habe. Entsprechend komme die Wahrung des Besitzstandes nach Art. 4 HVA nicht zur Anwendung. c) Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Art. 1 Abs. 1 HVI umschreibt u.a. den Anspruch auf Hilfsmittel nach Art. 21 IVG . Abs. 1 letzter Satz dieser Bestimmung spricht klarerweise von der Kostenübernahme für Brillen (Zahnprothesen und Schuheinlagen), wenn diese Hilfsmittel eine wesentliche Ergänzung medizinischer Eingliederungsmassnahmen darstellen. Der Gesetzgeber unterscheidet somit die Durchführung der medizinischen Eingliederungsmassnahme einerseits von ihrer wesentlichen Ergänzung durch Hilfsmittel anderseits. Dass sich die Regelung, in welchen Fällen welche optischen Hilfsmittel abzugeben sind, im Kreisschreiben über die medizinischen Massnahmen und nicht in der Wegleitung über die Abgabe von Hilfsmitteln findet, vermag diese gesetzliche Abgrenzung nicht aufzubrechen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die Abgabe von Brillen und Kontaktlinsen im Zusammenhang mit medizinischen Massnahmen daher ebenfalls als Hilfsmittelversorgung anzusehen ist (ZAK 1984 S. 128 E. 1). 4. Vorliegendenfalls wurde die medizinische Eingliederungsmassnahme, nämlich die Staroperation am rechten Auge, Ende 1975 BGE 119 V 225 S. 230 durchgeführt. 1988 vollendete der Versicherte das 65. Altersjahr und erreichte damit das AHV-Rentenalter. Es stellt sich deshalb die Rechtsfrage, ob - nach diesem Zeitpunkt - hinsichtlich der Eingliederungswirksamkeit der Kontaktlinsenversorgung noch von einer wesentlichen Ergänzung einer früher erfolgten medizinischen Eingliederungsmassnahme gesprochen werden kann. Diese Frage ist gestützt auf Art. 4 HVA zu bejahen. Die Bestimmung lautet (in deutscher, französischer und italienischer Fassung), wie folgt: "Für in der Schweiz wohnhafte Bezüger von Altersrenten, die bis zum Entstehen des Anspruchs auf eine Altersrente Hilfsmittel oder Ersatzleistungen nach den Artikeln 21 oder 21bis des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG) erhalten haben, bleibt der Anspruch auf diese Leistungen in Art und Umfang bestehen, solange die massgebenden Voraussetzungen weiterhin erfüllt sind und soweit die vorliegende Verordnung nichts anderes bestimmt. Im übrigen gelten die entsprechenden Bestimmungen der Invalidenversicherung sinngemäss." "Les bénéficiaires d'une rente de vieillesse domiciliés en Suisse qui bénéficient de moyens auxiliaires ou de contributions aux frais au sens des articles 21 et 21bis de la loi sur l'assurance-invalidité (LAI) au moment où ils peuvent prétendre une rente AVS, continuent d'avoir droit à ces prestations dans la même mesure, tant que les conditions qui présidaient à leur octroi sont remplies et autant que la présente ordonnance n'en dispose pas autrement. Pour le reste, les dispositions de l'assurance-invalidité relatives aux moyens auxiliaires sont applicables par analogie." "I beneficiari di una rendita di vecchiaia domiciliati in Svizzera, assegnatari di mezzi ausiliari o di sussidi per le spese ai sensi degli articoli 21 e 21bis della legge sull'assicurazione per l'invalidità (LAI) nel momento in cui nasce il diritto a una rendita AVS continuano ad averne diritto nella medesima misura fintanto che le condizioni determinanti sono adempite e salvo disposizioni contrarie della presente ordinanza. Per il resto, le corrispondenti disposizioni dell'assicurazione per l'invalidità sono applicabili per analogia." Die Besitzstandsgarantie bezieht sich ohne sprachliche Einschränkung auf alle Hilfsmittel oder Ersatzleistungen nach den Art. 21 und 21bis IVG , somit u.a. auch auf Brillen, die im Sinne von Art. 21 Abs. 1 in fine IVG eine wesentliche Ergänzung medizinischer Eingliederungsmassnahmen bilden. Die "massgebenden Voraussetzungen", die gemäss Art. 4 HVA erfüllt sein müssen, damit die fortgesetzte Hilfsmittelversorgung im Rentenalter möglich ist, können sich systematischerweise nur auf die spezifischen IV-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen der Art. 21 f. IVG beziehen: im Falle von Art. 21 Abs. 1 IVG darauf, dass die Hilfsmittel für die BGE 119 V 225 S. 231 Ausübung der Erwerbstätigkeit oder die Tätigkeit im Aufgabenbereich, für die Schulung, die Ausbildung oder zum Zwecke der funktionellen Angewöhnung erforderlich sind; bei Brillen u.a., dass sie zudem eine wesentliche Ergänzung medizinischer Eingliederungsmassnahmen bilden. Ein systematischer Bezug zu den altersmässigen Voraussetzungen für Eingliederungsmassnahmen, wie sie Art. 10 Abs. 1 IVG vorsieht, fehlt dagegen. Es können deshalb Kontaktlinsen auch dann noch eine wesentliche Ergänzung einer medizinischen Eingliederungsmassnahme bilden, wenn diese bereits abgeschlossen ist und - unabhängig vom Alter - kein Anspruch nach Art. 12 IVG mehr besteht. Dies gilt selbst dann, wenn der Versicherte zwischenzeitlich das AHV-Rentenalter erreicht hat. 5. a) Zu prüfen bleibt, ob der Beschwerdegegner in bezug auf die von ihm während des Altersrentenbezugs geforderte Hilfsmittelversorgung die spezifischen IV-rechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Fraglos stellt die Kontaktlinse eine wesentliche Ergänzung der medizinischen Eingliederungsmassnahme dar, ersetzt sie doch die bei der Augenoperation entfernte, trüb gewordene Linse des rechten Auges. b) Im Sinne der Voraussetzung der Erforderlichkeit für die Erwerbstätigkeit ist in quantitativer Hinsicht die Frage zu stellen, ob der Beschwerdegegner nach Erreichen des AHV-Rentenalters weiterhin einer rechtlich erheblichen Erwerbstätigkeit nachgeht. Mit dem quantitativen Element der Erwerbstätigkeit hat sich das Eidg. Versicherungsgericht bislang erst im Zusammenhang mit der Kostenübernahme der Invalidenversicherung für invaliditätsbedingte Abänderungen an einem Motorfahrzeug beschäftigt ( BGE 105 V 63 ). Dort ging es um die konkrete Definition der existenzsichernden Erwerbstätigkeit. Was als rechtlich erhebliche Erwerbstätigkeit zu betrachten ist, bei deren Vorliegen die in der Liste der HVI mit einem * bezeichneten Hilfsmittel im Rahmen der Besitzstandsgarantie auch bei Altersrentnern durch die AHV übernommen werden können, lässt sich indessen aus dem genannten Urteil nicht herleiten. Hand hiezu bietet die Wegleitung über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung (WHMI). Rz. 1006 WHMI (= Rz. 3 in der bis zum 1. Januar 1989 gültig gewesenen Fassung) besagt, dass Erwerbstätigkeit anzunehmen sei, wenn der Versicherte ohne Anrechnung von Soziallohn und Renten aus seiner Tätigkeit ein jährliches Einkommen erzielt, das dem Mindestbeitrag für Nichterwerbstätige gemäss Art. 10 Abs. 1 AHVG entspricht oder höher ist. Gemäss WHMI Anhang 2 Ziff. 6.1 beträgt das massgebende BGE 119 V 225 S. 232 Einkommen Fr. 3'000.-- (1989) oder Fr. 3'208.-- (ab 1990). Diese Verwaltungsweisung, die für den Sozialversicherungsrichter nicht verbindlich ist, lässt ohne weiteres eine dem Einzelfall angepasste und diesem gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zu. Sie ist daher nicht zu beanstanden ( BGE 116 V 19 E. 3c mit Hinweisen). Es ist sodann gerechtfertigt, diesen Einkommensbetrag, welcher die rechtlich erhebliche Erwerbstätigkeit für die Abgabe der Hilfsmittel durch die Invalidenversicherung definiert, auch im Bereich der Hilfsmittelversorgung durch die AHV gelten zu lassen. Denn es sollen nicht Personen, welche lediglich ein kleines Einkommen erzielen, im Rahmen der Besitzstandsgarantie des Anspruchs auf Hilfsmittel nach Art. 21 Abs. 1 IVG verlustig gehen. Zu fordern ist dagegen, dass das massgebende Einkommen im Anschluss an die Pensionierung mit einer gewissen Regelmässigkeit erzielt wird, nämlich, dass es der Versicherte jedes Jahr erreicht (wobei unerheblich ist, wie die Tätigkeit auf das Jahr verteilt ist), und dass ausgeschlossen ist, dass er es lediglich im Hinblick auf die Hilfsmittelübernahme erzielt. 6. Im vorliegenden Fall ist der Beschwerdegegner im Juni 1988 65jährig geworden. Bezüglich seiner Erwerbstätigkeit im AHV-Rentenalter ist aufgrund der Akten lediglich bekannt, dass er 1990 während eines gut zweimonatigen Einsatzes bei der PTT einen Lohn von rund Fr. 4'100. - erzielt hat und daselbst ab 1. März 1991 bis auf weiteres bei einem Stundenlohn von Fr. 77.24 (inkl. Teuerungszulagen, Ortszuschlag, Ferienentschädigung und Krankenlohnabgeltung) beschäftigt war. Für die restliche Zeit (zweite Hälfte 1988 und 1989) liegen keine Unterlagen vor, welche die in der vorinstanzlichen Beschwerde geltend gemachten Arbeitseinsätze (1988 beim Weltpostverein; 1989 bei der Generaldirektion PTT) bestätigen und das damit erzielte Erwerbseinkommen ausweisen würden. Die Sache ist deshalb an die Verwaltung zurückzuweisen, damit diese die erwerbsmässigen Voraussetzungen seit Eintritt ins AHV-Alter überprüfe und nachher über den Anspruch des Beschwerdegegners auf Kontaktlinsenkontrolle und -ersatz neu verfüge.
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Sachverhalt ab Seite 503 BGE 129 III 503 S. 503 A.- Die B. AG (nachfolgend: die Klägerin) schloss mit A. (nachfolgend: der Beklagte) am 9. Juli 1990 einen öffentlich beurkundeten Vertrag, worin der Beklagte der Klägerin ein Kaufrecht am Grundstück GB X. einräumte. Die Parteien hielten im Vertrag ausdrücklich fest, dass das Kaufrecht erst nach Ablauf der nach Art. 218 aOR geltenden Sperrfrist, d.h. erst ab dem 1. April 1997 ausgeübt werden konnte. Die Klägerin hatte den vereinbarten Preis von Fr. 130'000.- bereits am 28. April 1989 bezahlt. Mit Verfügung BGE 129 III 503 S. 504 vom 7. Mai 1991 verweigerte das Grundbuchamt Baden wegen Nichtbeurkundung des Grundstückpreises und weiterer Mängel die Eintragung des Kaufrechts ins Grundbuch. Am 22. Dezember 1993 schlossen die Parteien einen öffentlich beurkundeten Kaufvertrag über das gleiche Grundstück. Darin hielten die Parteien fest, dass die Klägerin den Kaufpreis von Fr. 130'000.- (umgerechnet Fr. 20.75 pro Quadratmeter) bereits gezahlt hatte. Im August 1998 legten die Parteien den Kaufrechtsvertrag vom 9. Juli 1990 dem Finanzdepartement Aargau (Abteilung Landwirtschaft) vor, um zu erfahren, ob der Vertrag mit dem am 1. Januar 1994 in Kraft getretenen Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991 über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB; SR 211.412.11) vereinbar ist. Mit Verfügung vom 24. August 1998 stellte das Finanzdepartement des Kantons Aargau (Abteilung Landwirtschaft) fest, dass die Klägerin nicht als Selbstbewirtschafterin im Sinne von Art. 9 BGBB betrachtet werden könne und der Quadratmeterpreis des Grundstücks GB X. gemäss Art. 66 BGBB höchstens Fr. 9.30 betragen dürfe. Im Oktober 1999 reichte die Klägerin beim Finanzdepartement ein Gesuch um Bewilligung des Kaufvertrages vom 22. Dezember 1993 ein. Mit Verfügung vom 10. Januar 2000 verweigerte das Finanzdepartement gestützt auf Art. 61 i.V.m. Art. 63 BGBB die Bewilligung und teilte den Parteien in derselben Verfügung mit, dass ein neuer Kaufvertrag zu einem Quadratmeterpreis zu Fr. 6.40 bewilligt werden könnte, sofern sich trotz öffentlicher Ausschreibung zu einem nicht übersetzten Preis kein Selbstbewirtschafter meldet. B.- Am 17. Februar 2000 beantragte die Klägerin beim Bezirksgericht Baden, der Beklagte sei zur Bezahlung von Fr. 130'000.- nebst 5% Zins seit dem 22. Dezember 1993 zu verpflichten. Eventuell sei der Beklagte zu verpflichten, den Verkehrswert der Parzelle gemäss Ergebnis des Beweisverfahrens, mindestens jedoch Fr. 50'000.- nebst 5% Zins seit dem 22. Dezember 1993 zu bezahlen. Mit Urteil vom 4. September 2001 hiess das Bezirksgericht Baden die Klage teilweise gut und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von Fr. 130'000.- nebst 5% Zins seit dem 14. Februar 2000. Der Beklagte erhob dagegen Appellation, welche das Obergericht des Kantons Aargau mit Urteil vom 30. Oktober 2002 abwies. C.- Der Beklagte beantragt dem Bundesgericht mit Berufung, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen. Sodann seien die Akten zur Fällung eines neuen Kostenentscheids für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Klägerin schliesst auf Abweisung der Berufung. BGE 129 III 503 S. 505
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569
Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Die Vorinstanz vertritt die Auffassung, der Bereicherungsanspruch sei erst mit Rechtskraft der bewilligungsverweigernden Verfügung vom 10. Januar 2000 entstanden. Auf die Feststellungsverfügung vom 24. August 1998 habe es nicht ankommen können, weil ihr keine rechtsgestaltende Wirkung zukomme. Die relative Verjährungsfrist von einem Jahr ab Kenntnis des Bereicherungsanspruchs habe somit erst am 14. Februar 2000 zu laufen begonnen, und der Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung des Kaufpreises sei zur Zeit der Klageerhebung am 17. Februar 2000 nicht verjährt gewesen. 3.2 Der Beklagte stellt sich dagegen auf den Standpunkt, der Beginn der einjährigen Verjährungsfrist des Bereicherungsanspruchs hänge nicht von der rechtsgestaltenden Wirkung einer amtlichen Verfügung ab. Massgebend seien allein die tatsächlichen Kenntnisse der Klägerin um den Rückzahlungsanspruch gewesen. Die Klägerin habe spätestens mit Erhalt der Feststellungsverfügung vom 24. August 1998 gewusst, dass der Erwerb des Grundstücks GB X. nicht bewilligt werden könne. Der Rückzahlungsanspruch sei deshalb zu einem Zeitpunkt eingeklagt worden, als er bereits verjährt war. 3.3 In der vorliegenden Streitsache liegt ein Bereicherungsanspruch aus nicht verwirklichtem Zuwendungsgrund vor. Er entsteht in dem Zeitpunkt, da feststeht, dass sich der Zuwendungsgrund nicht mehr verwirklichen wird (VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des schweizerischen Obligationenrechts, Bd. I, S. 489). Die Verjährung beginnt mit Ablauf eines Jahres, nachdem der Verletzte von seinem Bereicherungsanspruch Kenntnis hat, in jedem Fall aber mit Ablauf von zehn Jahren seit der Entstehung des Anspruchs ( Art. 67 Abs. 1 OR ; vgl. zum Beginn der absoluten Verjährungsfrist BGE 119 II 20 E. 2b S. 22). 3.4 Fristauslösende Kenntnisnahme liegt vor, wenn der Gläubiger einen solchen Grad von Gewissheit über den Bereicherungsanspruch hat, dass nach Treu und Glauben gesagt werden kann, der Gläubiger habe nunmehr keinen Anlass oder keine Möglichkeit mehr zu weiterer Abklärung und anderseits genügend Unterlagen zur Klageerhebung, so dass ihm eine solche vernünftigerweise zugemutet werden dürfe ( BGE 127 III 421 E. 4b S. 427; BGE 82 II 411 E. 9a S. 428 f.; BGE 63 II 252 E. 3 S. 259 f.; BERTI, Basler Kommentar, 2. Aufl., N. 4 zu Art. 67 OR ; EUGEN BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner BGE 129 III 503 S. 506 Teil, 2. Aufl., S. 699 ff.). Gewissheit über den Bereicherungsanspruch setzt Kenntnisse über das ungefähre Ausmass der Vermögenseinbusse, die Grundlosigkeit der Vermögensverschiebung und die Person des Bereicherten voraus ( BGE 105 II 92 E. 3a S. 95 f.; BGE 82 II 411 E. 9b S. 429; BGE 63 II 252 E. 3 S. 259; BUCHER, a.a.O., S. 700; GUHL/KOLLER/SCHNYDER/DRUEY, Das Schweizerische Obligationenrecht, 9. Aufl., § 28 N. 8). Im Gegensatz zu der in Art. 26 OR für den Irrtum vorgesehenen Regelung kommt es nicht darauf an, wann der Geschädigte bei der nach den Umständen zu erwartenden Aufmerksamkeit den Bereicherungsanspruch hätte erkennen können, sondern es wird auf die tatsächlichen Kenntnisse über den Anspruch abgestellt ( BGE 109 II 433 E. 2 S. 434 f.; BERTI, a.a.O., N. 4 zu Art. 67 OR ; BUCHER, a.a.O., S. 700). Immerhin wird verlangt, dass der Gläubiger, der die wesentlichen Elemente seines Anspruchs kennt, sich nach den Einzelheiten und genauen Angaben erkundigt, deren er für die Prozessführung bedarf ( BGE 109 II 433 E. 2 S. 435). Nach BGE 110 II 335 E. 2c S. 338 f., in dem es um den Beginn der Verjährungsfrist für die Rückerstattung des im Voraus bezahlten Kaufpreises infolge Nichtbewilligung eines Grundstückkaufs durch Ausländer ging, kennt der Käufer sein Rückforderungsrecht hinreichend, sobald er weiss, dass die Bewilligung nicht erhältlich ist oder dass die Parteien nicht mehr darum nachsuchen. Das Bundesgericht hielt fest, dass bei bewilligungsbedürftigen Rechtsgeschäften der Kläger den Entscheid der Behörde im Allgemeinen abwarten darf, bevor man von ihm verlangen kann, dass er auf Rückforderung der Nichtschuld klage. Bloss informelle Stellungnahmen der Behörde liess das Bundesgericht in dem erwähnten Urteil jedenfalls nicht genügen, um dem Kläger Gewissheit davon zu verschaffen, dass die Bewilligung nicht mehr erhältlich ist. 3.5 Das Instrument der Feststellungsverfügung, wie es im Bundesverwaltungsrecht in Art. 25 VwVG vorgesehen ist, bezweckt, dem Betroffenen eine die Behörde verpflichtende Auskunft über seine Rechtslage zu erteilen. Die Feststellungsverfügung unterscheidet sich von einfachen behördlichen Auskünften und Stellungnahmen dadurch, dass sie eine förmliche Verfügung darstellt, die auf dem Rechtsmittelweg angefochten werden kann. Geht die rechtsfeststellende Verfügung einer gestaltenden Verfügung voraus, ist die erlassende Behörde an den Inhalt ihrer Feststellungsverfügung grundsätzlich gebunden (vgl. zum Ganzen BLAISE KNAPP, Précis de droit administratif, 4. Aufl., N. 966 und 968 ff.; HÄFELIN/MÜLLER, Allgemeines BGE 129 III 503 S. 507 Verwaltungsrecht, 4. Aufl., N. 895; MOOR, Droit administratif, Bd. II, 2. Aufl., S. 161; BENOÎT BOVAY, Procédure administrative, S. 259 f.). Als verbindliche behördliche Auskunft kann eine Feststellungsverfügung daher geeignet sein, dem Betroffenen hinreichend Gewissheit über den Inhalt einer ihr nachgehenden Gestaltungsverfügung zu vermitteln. Dies gilt zumindest insoweit, als die in der Feststellungsverfügung enthaltenen Auskünfte klar und vollständig sind und der rechtserhebliche Sachverhalt sich nach Erlass der Feststellungsverfügung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr ändert. 3.6 Bei der Verfügung des Finanzdepartements des Kantons Aargau vom 24. August 1998 handelt es sich um eine gestützt auf Art. 84 lit. b BGBB ergangene Feststellungsverfügung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 lit. b VwVG . Nach dieser Bestimmung kann derjenige, der ein schutzwürdiges Interesse hat, von der Bewilligungsbehörde feststellen lassen, ob der Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstücks bewilligt werden kann. Im Bund ergibt sich ein Anspruch auf Erlass einer Feststellungsverfügung allgemein aus Art. 25 Abs. 2 VwVG , wenn der Gesuchsteller ein schutzwürdiges, rechtliches oder tatsächliches Interesse nachweist, das nicht durch eine rechtsgestaltende Verfügung gewahrt werden kann ( BGE 126 II 300 E. 2c S. 303 mit Hinweisen). Im Unterschied zum auf Art. 25 Abs. 2 VwVG gestützten Anspruch auf Erlass einer Feststellungsverfügung ist der Feststellungsanspruch nach Art. 84 BGBB nicht subsidiär. Er besteht von Gesetzes wegen auch dann, wenn die Voraussetzungen für den Erlass einer Gestaltungsverfügung ( Art. 83 BGBB ) vorhanden wären. Der Verzicht auf die Subsidiarität des Feststellungsanspruchs bedeutet allerdings nicht, dass die Feststellungsverfügung die Bewilligung zu ersetzen vermag. Der Vorinstanz ist insoweit zuzustimmen, als das bewilligungspflichtige Rechtsgeschäft von Gesetzes wegen nur durch eine Gestaltungsverfügung (Bewilligung) vollgültig werden kann (BEAT STALDER, Das bäuerliche Bodenrecht - Kommentar zum Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht vom 4. Oktober 1991, N. 3 zu Art. 84 BGBB ). Der Feststellungsanspruch nach Art. 84 BGBB soll den Parteien ermöglichen, vor der Durchführung des Bewilligungsverfahrens verbindliche Auskünfte über die Chancen der Bewilligung ihres Rechtsgeschäfts einzuholen (STALDER, a.a.O., N. 9 zu Art. 84 BGBB ). Die Parteien können dadurch Vorkehrungen vermeiden, die sich nachträglich als unzulässig oder nutzlos erweisen (Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht [BGBB] vom 19. Oktober 1988, BBl 1988 III 1058 f.; STALDER, a.a.O., N. 2 BGE 129 III 503 S. 508 zu Art. 84 BGBB ; hierzu allgemein KÖLZ/HÄNER, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., N. 208). Die Bewilligungsbehörde ist im Rahmen eines dem Feststellungsverfahren nachfolgenden Bewilligungsverfahrens an ihre Feststellungsverfügung grundsätzlich gebunden: Hat sie festgestellt, das Geschäft sei bewilligungsfähig, so hat sie die Bewilligung im Bewilligungsverfahren zu erteilen. Lautete die Feststellung umgekehrt auf Nichtbewilligungsfähigkeit, so wird ein dennoch eingereichtes Gesuch abzuweisen sein, es sei denn, der rechtserhebliche Sachverhalt habe sich seit Erlass der Feststellungsverfügung verändert (STALDER, a.a.O., N. 9 und 11 zu Art. 84 BGBB ). Nach Erhalt der Feststellungsverfügung hat der Gläubiger somit in aller Regel hinreichend Kenntnis darüber, ob mit der Erteilung der Bewilligung gerechnet werden kann oder nicht. Mit derselben Sicherheit weiss er in diesem Zeitpunkt auch, ob sich ein allfälliger Zuwendungsgrund verwirklichen wird bzw. ob ihm ein Bereicherungsanspruch aus nicht verwirklichtem Zuwendungsgrund zusteht. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist die zusätzliche Durchführung eines Bewilligungsverfahrens zur Erlangung einer Gestaltungsverfügung (Bewilligungsverweigerung), damit der Gläubiger seinen Bereicherungsanspruch gerichtlich geltend machen kann, entbehrlich. Für den Beginn der relativen Verjährungsfrist von einem Jahr ab Kenntnis des Bereicherungsanspruchs ist eine gestützt auf Art. 84 BGBB ergangene Feststellungsverfügung daher grundsätzlich massgeblich. 3.7 Die Feststellungsverfügung von 1998 vermittelte der Klägerin Kenntnis davon, dass sie nicht als Selbstbewirtschafterin im Sinne von Art. 9 BGBB betrachtet werden konnte. Gemäss Art. 63 Abs. 1 lit. a BGBB ist das Fehlen dieser Eigenschaft ein Grund zur Verweigerung der Bewilligung zum Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstücks. Die Behörde wies darauf hin, dass eine juristische Person die Voraussetzung der Selbstbewirtschaftung grundsätzlich nicht erfüllen könne. Immerhin halte es die Praxis so, dass eine Aktiengesellschaft dann als Selbstbewirtschafterin gilt, wenn die Mehrheit der Aktionäre die Selbstbewirtschaftung übernehme. Dies treffe auf die Aktionäre der Klägerin aber nicht zu. Weiter stellte das Finanzdepartement fest, dass der Landwirtschaftsbetrieb der Klägerin im Kanton Thurgau und somit ausserhalb des ortsüblichen Bewirtschaftungsbereichs des Gewerbes der Erwerberin liege, was gemäss Art. 63 Abs. 1 lit. d BGBB wiederum einen Grund zur Bewilligungsverweigerung darstelle. Sodann hielt das Finanzdepartement fest, dass der höchstzulässige Quadratmeterpreis für BGE 129 III 503 S. 509 das Grundstück GB X. bei Fr. 9.30 liege. Daraus wurde für die Klägerin ersichtlich, dass der vereinbarte und bezahlte Preis von Fr. 130'000.- (umgerechnet Fr. 20.75 pro Quadratmeter) übersetzt war und somit nach Art. 63 Abs. 1 lit. b BGBB ein weiterer Grund zur Bewilligungsverweigerung vorlag. Mit Erhalt dieser Feststellungsverfügung wusste die Klägerin, dass das Finanzdepartement bei dieser Sachlage ein Gesuch um Bewilligung des Kaufvertrags vom 22. Dezember 1993 ablehnen würde. Daran ändert nichts, dass sich die Feststellungsverfügung nicht auf diesen Kaufvertrag, sondern auf den formungültigen Kaufrechtsvertrag vom 9. Juli 1990 bezog. Beide Verträge betrafen dieselben Parteien, dasselbe Grundstück und denselben Grundstückpreis. Mit einer abweichenden Beurteilung des Kaufvertrags im Bewilligungsverfahren war nicht zu rechnen, hätte das Finanzdepartement doch andernfalls gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossen. Mit Verfügung vom 10. Januar 2000 lehnte die Behörde das Bewilligungsgesuch unter Bezugnahme auf die bereits getroffenen Feststellungen in der Verfügung vom 24. August 1998 denn auch ab. Immerhin ist anzufügen, dass sich die Feststellungsverfügung nicht dazu äusserte, ob und zu welchen - allenfalls veränderten - Bedingungen eine Ausnahmebewilligung erteilt werden könnte. Erst die verweigernde Verfügung vom 10. Januar 2000 wies darauf hin, dass vom Prinzip der Selbstbewirtschaftung eine Ausnahme im Sinne von Art. 64 Abs. 1 lit. f BGBB gemacht werden könnte, wenn sich trotz öffentlicher Ausschreibung zu einem nicht übersetzten Grundstückpreis kein Selbstbewirtschafter meldet. Die fehlende Arrondierung ( Art. 63 Abs. 1 lit. d BGBB ) hätte in diesem Fall keine Rolle mehr gespielt. In Anbetracht dessen aber, dass sich die Klägerin bereits nach Erhalt der Feststellungsverfügung über die wesentlichen Elemente ihres Bereicherungsanspruchs, d.h. über die Person des Bereicherten, die prinzipielle Grundlosigkeit und den Umfang der Vermögensverschiebung im Klaren war, durfte ihr zugemutet werden, sich nach Erhalt der Feststellungsverfügung über die Möglichkeit einer Ausnahmebewilligung zu erkundigen. Auch aus dem Umstand, dass der zulässige Preis für landwirtschaftliche Grundstücke marktabhängig ist und aufgrund der sich ändernden Marktlage stets neu berechnet werden muss, kann die Klägerin nichts für sich ableiten. Die Verfügung gab den Wortlaut von Art. 66 BGBB wieder, wonach der Erwerbspreis als übersetzt gilt, wenn er die Preise für vergleichbare Grundstücke in der betreffenden Gegend im Mittel der letzten fünf Jahre um mehr als 5 Prozent BGE 129 III 503 S. 510 übersteigt. Die Verfügung setzte die Klägerin somit in Kenntnis darüber, dass aufgrund der Preisvorschriften des BGBB Preisveränderungen nach oben stark begrenzt sind (auf 1.65-2 Prozent pro Jahr, vgl. EDUARD HOFER, Preisvorschriften über das bäuerliche Bodenrecht, in: AJP 1993 S. 1072) und der vereinbarte Preis von Fr. 20.75 pro Quadratmeter aus diesem Grund in absehbarer Zukunft nicht mehr zulässig sein wird. Die Verfügung betraf demnach einen Sachverhalt, der die Möglichkeit einer bewilligungsbegünstigenden Änderung nicht offen liess. Für ein weiteres Zuwarten in der Hoffnung auf eine Bewilligungserteilung bestand nach Treu und Glauben kein Anlass mehr. Die Feststellungsverfügung vom 24. August 1998 erteilte der Klägerin somit umfassend Auskunft zur Frage, ob in Zukunft eine Bewilligung doch noch erhältlich ist. Unter diesen Umständen hatte die Klägerin genügend Anlass, den Bereicherungsanspruch bereits nach Eröffnung der Feststellungsverfügung gerichtlich geltend zu machen. Die relative Verjährungsfrist von einem Jahr nach Art. 67 Abs. 1 OR begann mit Rechtskraft dieser Verfügung am 25. September 1998 zu laufen.
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Sachverhalt ab Seite 442 BGE 94 I 441 S. 442 A.- a) La société "Machines de Bureau 'Anker', SA" (en abrégé: Anker SA), à Zurich, place ses marchandises par l'entremise de voyageurs de commerce. Ceux-ci ont pour instruction de faire signer au client un bulletin de commande, qui est transmis au siège de la société. L'acheteur reçoit par la suite une confirmation de commande signée par la venderesse à Zurich. b) La loi fribourgeoise sur le timbre, du 13 mai 1936, prévoit d'une part un droit de timbre de dimension, de 30, 75 ou 150 ct. par feuille, selon le format, et un droit de timbre gradué, perçu au taux de 1 fr. 50 par 1000 fr., selon la "valeur de l'acte" frappé (arrondie aux 200 fr. supérieurs jusqu'à 1000 fr., puis aux 1000 fr. supérieurs). Le timbre de dimension s'applique à de nombreux documents, en particulier aux conventions - ou copies de conventions - remises au préposé au registre des pactes de réserve de propriété (art. 8 de la loi); le timbre gradué frappe divers titres et contrats, notamment les reconnaissances de dettes (art. 11). c) Jacques Jamain, aux Rosalys (canton de Fribourg) a commandé le 16 octobre 1967 à Anker SA une caisse enregistreuse du prix de 7270 fr. Il a versé comptant 1470 fr. Anker SA a confirmé la commande par écrit le 26 octobre 1967. Elle a requis l'inscription du pacte de réserve de propriété sur le registre tenu par l'Office des poursuites de Châtel-St-Denis. Celui-ci lui a réclamé un droit de timbre gradué de 9 fr. B.- Anker SA a fait valoir, auprès du Département des finances du canton de Fribourg, que la dernière signature de ses contrats de vente était toujours apposée dans le canton de Zurich, auquel revenait en conséquence la compétence de les frapper d'un impôt. Par lettre du 29 juillet 1968, la Trésorerie de l'Etat de Fribourg lui a répondu, en substance, ce qui suit. BGE 94 I 441 S. 443 Les contrats conclus par Anker SA ne sont, comme tels, frappés d'aucun droit de timbre dans le canton de Fribourg. En revanche, dès que la venderesse en fait usage auprès d'une autorité judiciaire du canton, ils sont assujettis d'une part au timbre de dimension (en tant que pactes de réserve de propriété: art. 8 de la loi) et d'autre part au timbre gradué (en tant que reconnaissances de dette: art. 1er et 11 lettre a). C.- Agissant par la voie du recours de droit public pour violation de l'art. 46 al. 2 Cst., Anker SA requiert le Tribunal fédéral de constater que les contrats qu'elle passe avec ses clients domiciliés dans le canton de Fribourg ne sont soumis à aucun droit fondé sur la loi du 13 mai 1936 sur le timbre, et d'inviter le canton de Fribourg à ne plus prélever à l'avenir de tels droits sur lesdits contrats. D.- La Trésorerie de l'Etat de Fribourg propose que le recours soit déclaré sans objet et, subsidiairement, qu'il soit rejeté.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. ... 2. ... 3. Le droit de timbre gradué, proportionnel à la valeur constatée dans un acte écrit, est un impôt auquel s'applique l'art. 46 al. 2 Cst. (RO 71 I 325 ; 72 I 10 et 85 ; 81 I 24 ; 86 I 222 ; 89 I 459 ). Il frappe le rapport juridique documenté par l'acte (RO 81 I 24). Mais comme ne sont imposés que les rapports juridiques qui font l'objet d'un acte, le pouvoir de prélever l'impôt prend naissance avec la confection du document seulement. Il ne peut être perçu que par le canton sur le territoire duquel le document a été créé, c'est-à-dire rédigé et signé (RO 86 I 222). Lorsque plusieurs personnes doivent le signer, il ne devient parfait - toutes autres conditions étant remplies - que par l'apposition de la dernière signature. S'il a été signé dans plusieurs cantons, la souveraineté fiscale appartient à celui d'entre eux sur le territoire duquel la dernière signature a été donnée (RO 89 I 459). On doit appliquer la même règle lorsque, comme en l'espèce, les parties signent chacune dans son canton une pièce différente. Seul le canton où la dernière signature a été donnée bénéficie du droit d'imposition, en tant que cette signature est nécessaire pour que l'acte écrit, que forment ensemble les diverses pièces signées par les parties, soit parfait BGE 94 I 441 S. 444 (arrêt non publié du 28 janvier 1968 dans la cause Anker SA, consid. 3; arrêt du 18 novembre 1964 dans la cause L. AG publié dans Archives, vol. 34, p. 219, consid. 4). Le bulletin de commande est le plus souvent signé par le client de la recourante à son domicile; la confirmation de commande est toujours signée à Zurich. C'est donc le canton de Zurich qui est en droit d'imposer le rapport juridique documenté par ces deux pièces. Le canton de Fribourg entend, il est vrai, frapper du timbre gradué la reconnaissance de dette souscrite par l'acheteur. Il n'en a pas le droit non plus. La recourante manifeste de façon non équivoque, par une clause insérée dans la formule de bulletin de commande, qu'elle n'entend être liée que moyennant confirmation écrite. Jusque-là, la commande de l'acheteur n'est qu'une offre. Le contrat ne vient à chef que par l'acceptation de cette offre, acceptation qui doit au surplus prendre la forme écrite voulue par les parties (art. 16 CO). Avant l'expédition de la confirmation de commande, il n'y a pas de contrat et, partant, pas de dette de l'acheteur. Dès lors, même si le contrat de vente n'est considéré que sous son aspect particulier de reconnaissance de dette de l'acheteur pour le prix de vente (éventuellement le solde du prix après déduction d'un acompte), la souveraineté fiscale appartient encore au canton de Zurich, sur le territoire duquel la dernière signature a été apposée. On ne peut, au demeurant, contester à la recourante le droit de limiter les pouvoirs de représentation de ses commis et de faire dépendre la conclusion du contrat d'une confirmation écrite de sa part. Dans le genre de commerce qu'elle pratique, le procédé est d'usage courant. Il lui permet d'apprécier les risques qu'elle court (elle vend le plus souvent à crédit) et de fixer les délais de livraison en fonction de ses possibilités. Selon toute vraisemblance, il ne répond pas à l'intention d'éluder l'impôt. La recourante l'applique du reste même dans les cantons qui ne connaissent pas de droit de timbre. (Arrêt Anker déjà cité, consid. 3). En tant qu'il vise la perception d'un droit de timbre gradué, le recours se révèle bien fondé et doit être admis. 4. Le fisc fribourgeois a perçu en l'espèce un droit de timbre de dimension de 75 ct. Selon l'art. 8 de la loi sur le timbre, applicable aux actes créés hors du canton en vertu de l'art. 3 de la même loi, sont notamment soumises à ce droit les BGE 94 I 441 S. 445 conventions remises au préposé au registre des pactes de réserve de propriété. La recourante tient ce droit pour contraire, lui aussi, à l'interdiction de la double imposition. La règle qu'invoque la recourante ne s'applique qu'aux impôts, et non aux émoluments, ni aux charges de préférence (RO 90 I 80, 92 et les arrêt cités). Tandis que l'impôt est prélevé sans contrepartie, l'émolument est une contribution perçue, pour rémunérer un acte de l'administration, auprès de celui qui a provoqué cet acte, ou à l'occasion de l'usage d'une institution publique (RO 90 I 81, 93 ; 93 I 634 ). D'un montant en général modeste, il apparaît constituer une rétribution équitable du service rendu (RO 81 I 187). Le droit de timbre perçu en l'espèce a été mis à la charge de la partie qui a requis l'inscription, soit qui a fait usage de l'institution publique; d'un montant modéré, il apparaît adapté à la valeur de la prestation publique. Il a donc le caractère d'un émolument et échappe à la prohibition de la double imposition (RO 72 I 85/86). Sur ce point, en tant qu'il s'appuie sur l'art. 46 al. 2 Cst. le recours est mal fondé. On pourrait se demander, il est vrai, si les cantons sont en droit de prélever un émolument spécial, en plus de ceux que détermine le tarif des frais applicables à la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite (cf. RO 76 III 72/73). La question, toutefois, n'est pas du ressort de la Cour de céans. Aussi bien la recourante ne l'a-t-elle pas soulevée.
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Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Admet partiellement le recours et annule la décision attaquée en tant qu'elle prévoit la perception d'un droit de timbre gradué; Rejette le recours pour le surplus.
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Sachverhalt ab Seite 36 BGE 130 III 35 S. 36 A. A. et B. Ltd (ci-après: B.) ont conclu le 18 octobre 1994 un contrat portant sur la fabrication et la vente de cigarettes sous licence en Croatie. Certaines des marques de cigarettes qui devaient être produites par A. n'étaient pas propriété de B., mais de sociétés de son groupe avec lesquelles des accords annexes ont été passés. Ces contrats contiennent une clause d'arbitrage se référant aux règles de la CNUDCI et sont soumis au droit suisse. La coopération entre les parties s'était bien déroulée durant les premières années. Par lettre du 12 mars 1999, B. a reproché à A. de ne pas effectuer suffisamment de commandes pour approvisionner le marché croate en cigarettes des marques de son groupe; référence était faite dans ce courrier à la possibilité aménagée pour une partie, à l'art. 15 (A) du contrat du 18 octobre 1994, de mettre un terme anticipé aux relations contractuelles. Le 17 mars 1999, A. a contesté le grief qui lui était adressé et a proposé, mais vainement, à son interlocutrice de procéder à un contrôle conjoint du marché. Un nouvel échange de correspondances a suivi, sans que les parties ne trouvent de solution. Le 15 juin 1999, l'Agence croate pour la protection de la concurrence (ci-après: l'Agence) a rendu un décret provisionnel déclarant nulles plusieurs dispositions contractuelles liant A. et les différentes sociétés du groupe. B. a recouru auprès du Tribunal administratif de la République de Croatie. La décision provisoire a été remplacée par un décret du 5 novembre 1999 annulant certaines clauses du contrat du 18 octobre 1994. B. a derechef recouru contre cette décision. Par courrier du 16 février 2000, B. a déclaré mettre un terme immédiat au contrat du 18 octobre 1994 ainsi qu'aux accords conclus dans le cadre de celui-ci. Elle faisait valoir que le comportement de A. et les décisions de l'Agence rendaient impossible et inacceptable la poursuite des relations contractuelles. Elle se référait à l'art. 15 (A) du contrat lui conférant un droit de résiliation anticipée et à l'art. 15 (C) lui donnant le droit de résilier le contrat dans l'hypothèse où un acte ou une décision administrative en affecterait l'exécution, de même qu'à l'art. 20 du contrat obligeant les parties à obtenir toutes les autorisations nécessaires à la mise en oeuvre du contrat en Croatie. A. a contesté la rupture des relations BGE 130 III 35 S. 37 contractuelles, mais B. a maintenu sa position par courrier du 8 mars 2000, en se prévalant à nouveau de l'art. 15 (C) (force majeure en cas d'acte ou de décision administrative) du contrat du 18 octobre 1994. B. a retiré ses recours contre les décisions de l'Agence en juillet 2000. B. A. a contesté cette résiliation devant les juridictions croates, qui ont rendu le 7 juin 2000 une ordonnance de mesures provisionnelles faisant interdiction à B. et aux autres sociétés du groupe d'autoriser des tiers à produire ou distribuer les cigarettes visées dans les contrats passés entre les parties. La décision impartissait un délai de soixante jours à la requérante pour ouvrir une procédure arbitrale, ce que A. a fait par requêtes du 1 er novembre 2000. Dans son mémoire de demande du 30 mai 2001, A. a conclu à la constatation du caractère abusif de la résiliation qui constituer ait une violation du contrat principal, ainsi qu'au paiement de 5'775'364,70 DEM à titre de dommages-intérêts, somme ramenée en cours de procédure à au moins 2'247'468,67 DEM ou 1'149'108,29 EUR, intérêts moratoires en sus. Les défenderesses ont conclu au rejet de l'action et ont déposé une demande reconventionnelle tendant à ce que le tribunal arbitral déclare nuls les différents contrats passés dans le cadre de la production et de la distribution des cigarettes du groupe B. Les parties ont encore échangé une réplique et une duplique, puis ont produit des mémoires après enquête. Par sentence finale du 11 mars 2003, le tribunal arbitral a rejeté tant la demande que la demande reconventionnelle. Cette sentence était accompagnée d'une opinion dissidente émanant de l'un des arbitres. C. A. a déposé un recours de droit public au Tribunal fédéral fondé sur l' art. 190 al. 2 let . d LDIP. Elle conclut à l'annulation de la sentence du 11 mars 2003.
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Erwägungen Extrait des considérants: 5. Selon l' art. 190 al. 2 let . d LDIP, une sentence arbitrale peut être attaquée lorsque l'égalité des parties ou leur droit d'être entendues en procédure contradictoire n'a pas été respecté. Ce motif de recours sanctionne les seuls principes impératifs de procédure BGE 130 III 35 S. 38 réservés par l' art. 182 al. 3 LDIP (BERNARD DUTOIT, Commentaire de la loi fédérale du 18 décembre 1987, 3 e éd., n. 7 ad art. 190 LDIP ). Le "droit d'être entendu en procédure contradictoire" combine deux notions, à savoir celui d'être entendu proprement dit, dont le contenu n'est en principe pas différent de celui consacré en droit constitutionnel fédéral, et le principe de la contradiction ( ATF 119 II 386 consid. 1b). Le droit d'être entendu confère à chaque partie la faculté d'exposer tous ses moyens de fait et de droit sur l'objet du litige et de rapporter les preuves nécessaires, ainsi que le droit de participer aux audiences et de se faire représenter ou assister devant les arbitres. Quant au principe de contradiction, particulièrement affirmé dans les droits anglais ou français, un peu moins en Belgique ou en Allemagne (POUDRET/BESSON, Droit comparé de l'arbitrage international, n° 551), il garantit à chaque partie la faculté de se déterminer sur les moyens de son adversaire, d'examiner et de discuter les preuves rapportées par lui et de les réfuter par ses propres preuves ( ATF 117 II 346 consid. 1a; ATF 116 II 639 consid. 4c). En droit français, par exemple, il suppose qu'aucun moyen de fait ou de droit ne soit soulevé d'office par le tribunal arbitral sans que les parties n'aient été invitées à le commenter, encore que plusieurs arrêts récents semblent avoir sensiblement atténué l'obligation pour le tribunal arbitral de provoquer un débat contradictoire au sujet des questions juridiques (CATHERINE KESSEDJIAN, Principe de la contradiction et arbitrage, in Revue de l'arbitrage 1995 p. 381 ss, 403 ss; SERGE GUINCHARD, L'arbitrage et le respect du principe du contradictoire, in Revue de l'arbitrage 1997 p. 185 ss, 191 ss). Dans d'autres Etats, la jurisprudence a au contraire considéré que l'arbitre, comme le juge, devait appliquer d'office le droit et qu'il n'était en principe pas tenu de provoquer des explications des parties à ce sujet. Telle est l'orientation de la jurisprudence belge récente. Il en va de même en Allemagne, où l'on s'accorde cependant sur la nécessité d'un débat contradictoire lorsque le tribunal arbitral envisage de s'écarter des règles juridiques auxquelles toutes les parties avaient fait référence jusque-là (POUDRET/BESSON, ibidem). En Suisse, le "droit d'être entendu en procédure contradictoire" connaît également d'importantes restrictions en ce qui concerne les questions de droit. Le Tribunal fédéral considère en effet que l'arbitre n'a, pas davantage que le juge étatique, à soumettre à la discussion des parties les principes juridiques sur lesquels il va fonder BGE 130 III 35 S. 39 son jugement ( ATF 126 I 97 consid. 2b, ATF 126 I 19 consid. 2c). En vertu de la règle "jura novit curia", il n'est en principe pas lié par les moyens de droit développés par les parties - sous réserve de l'hypothèse dans laquelle elles auraient convenu de limiter la mission du tribunal aux moyens juridiques qu'elles invoqueraient (avec la possibilité pour un plaideur qui contesterait une sentence ne respectant pas cette limitation de recourir pour violation de la règle "ne eat judex ultra petita partium" ou de soulever le moyen pris de l'incompétence du tribunal arbitral, soit les motifs des let. b et c de l' art. 190 al. 2 LDIP , cf. HANS PETER WALTER, Praktische Probleme der staatsrechtlichen Beschwerde gegen internationale Schiedsentscheide, in Bull. ASA 2001 p. 2 ss; ATF 120 II 172 consid. 3a). Le juge peut ainsi appliquer d'office, sans avoir à attirer préalablement l'attention des parties sur l'existence de tel ou tel problème de droit, une autre disposition de droit matériel pour allouer les conclusions du demandeur (arrêt 4P.277/1998 du 22 février 1999, publié in RSDIE 2000 p. 575, consid. 3d; arrêt 4P.7/1998 du 17 juillet 1998, consid. 2a/bb). Le juge n'a pas non plus à aviser spécialement une partie du caractère décisif d'un élément de fait sur lequel il s'apprête à fonder sa décision, pour autant que celui-ci ait été allégué et prouvé selon les règles ( ATF 126 I 97 consid. 2b, ATF 126 I 19 consid. 2c; ATF 108 Ia 293 ). La jurisprudence aménage cependant une exception au principe "jura novit curia" lorsque le juge s'apprête à fonder sa décision sur une norme ou un principe juridique non évoqué dans la procédure antérieure et dont aucune des parties en présence ne s'est prévalue et ne pouvait supputer la pertinence in casu (arrêt 4P.260/2000 du 2 mars 2001, consid. 6a et les arrêts cités). D'après le Tribunal fédéral - auquel certains adressent le reproche de ne pas faire de délimitation claire entre le droit d'être entendu et le principe "jura novit curia" (PHILIPPE SCHWEIZER, in RSDIE 1996 p. 549, 2000 p. 582 et 2002 p. 583 et 590, qui voudrait une application sans réserve du principe "jura novit curia" dans la mesure où, le plus souvent, les parties sont assistées de conseils expérimentés) - savoir ce qui est imprévisible est une question d'appréciation et il convient de se montrer plutôt restrictif dans le domaine de l'arbitrage international, pour tenir compte de ses particularités (volonté des parties de faire trancher le litige par des arbitres, et non par les tribunaux étatiques; coopération d'arbitres de traditions juridiques différentes); il s'agit également d'éviter que l'argument tiré de l'imprévisibilité du raisonnement adopté par le tribunal arbitral ne soit détourné pour BGE 130 III 35 S. 40 im poser à l'autorité de recours une révision au fond des sentences arbitrales (arrêt 4P.260/2000 du 2 mars 2001, consid. 6b). Cette attitude restrictive est combattue par POUDRET et BESSON, qui soulignent que la pratique arbitrale, certes variée, révèle une tendance à laisser aux parties la responsabilité d'apporter au débat les explications et même les preuves concernant leurs arguments juridiques; dans un tel contexte, ces auteurs estiment que les arbitres doivent se montrer plus prudents, et non plus audacieux, que le juge avant de substituer leurs arguments de droit à ceux des parties (POUDRET/ BESSON, ibidem). La nécessité pour l'arbitre de provoquer un débat contradictoire au sujet des questions de droit auxquelles les parties n'ont pas fait référence jusque-là est également soulignée par MICHAEL E. SCHNEIDER (Commentaire bâlois, n. 60 ad art. 182 LDIP et les références). 6. 6.1 En l'occurrence, le tribunal arbitral considère qu'il faut d'abord examiner les arguments des défenderesses pour qui la décision de l'Agence du 5 novembre 1999 rendrait nuls les contrats litigieux en application de l' art. 20 CO . Dans l'affirmative, la question du bien-fondé de la résiliation de ceux-ci deviendrait sans objet. Les arbitres retiennent qu'on est en présence d'une impossibilité subséquente due à un changement de loi et de son interprétation par une autorité gouvernementale. Selon la jurisprudence, le juge doit déterminer ce que les parties auraient convenu de bonne foi si elles avaient envisagé, lors de la signature du contrat, l'éventualité des circonstances survenues. Cette opération n'est évidemment pas nécessaire, souligne le tribunal, si les parties avaient songé à la situation en question dans leurs contrats. De l'avis du tribunal, tel est le cas. Outre les trois motifs permettant aux parties de résilier le contrat énumérés à l'art. 15 auquel les intéressées se sont référées dans la procédure, l'accord du 18 octobre 1994 contient, en son art. 20, une clause qui prévoit que si, durant les relations contractuelles, l'une des parties ne peut remplir son obligation d'obtenir toutes les autorisations gouvernementales nécessaires, l'autre partie peut mettre un terme au contrat conformément à l'art. 15 de celui-ci. Assimilant le décret de l'Agence du 5 novembre 1999 à un retrait d'autorisation, le tribunal arbitral parvient à la conclusion que la défenderesse n° 1 était en droit de résilier celui-ci avec effet immédiat. BGE 130 III 35 S. 41 6.2 Il est vrai que la mise en oeuvre éventuelle de l' art. 20 CO relève du droit, de même que l'interprétation et la portée de la décision du 5 novembre 1999 de l'Agence et qu'à ce propos la règle "jura novit curia" paraît s'appliquer sans autre. Mais en l'occurrence l'analyse juridique qu'a faite le tribunal arbitral était effectivement sans relation avec tous les éléments sur lesquels le débat avait porté devant lui. La référence à l'art. 20 du contrat contenue dans la lettre de résiliation du 16 février 2000, à part deux mentions dans la demande (allégué n° 24) et dans le mémoire après enquêtes de la demanderesse, qui simplement la conteste (p. 25), n'a nullement été prise en compte ou discutée par les parties, les défenderesses ne reprenant pas l'allusion à cette disposition dans leurs courriers postérieurs à la lettre du 16 février 2000 ou dans leurs écritures lors de la procédure arbitrale. Durant toute celle-ci, les parties se sont attachées à démontrer quels étaient à leur sens les véritables motifs de la rupture des contrats et quelles devaient en être les conséquences juridiques. Elles ne pouvaient s'attendre à ce que le tribunal arbitral prenne prétexte d'une référence à une disposition qu'aucune des parties n'avait trouvée déterminante - effectivement il ne tombe pas sous le sens que la déclaration de nullité d'une clause ou de plusieurs clauses contractuelles par un organe administratif équivaut à un défaut d'autorisation étatique - pour construire un raisonnement juridique très éloigné des thèses qu'elles avaient l'une et l'autre soutenues. Cela est d'autant plus vrai que le tribunal arbitral a finalement rejeté non seulement la demande, mais aussi la demande reconventionnelle pour le motif que les contrats litigieux n'étaient pas nuls ("null and void") comme les défenderesses l'avaient affirmé devant lui. Dans ces circonstances, le grief fondé sur l' art. 190 al. 2 let . d LDIP est bien fondé. Le recours doit être admis.
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Sachverhalt ab Seite 242 BGE 147 IV 241 S. 242 A. Par jugement du 14 novembre 2019, le Tribunal de police de l'arrondissement de Lausanne a condamné A., pour lésions corporelles graves par négligence et violation des règles de l'art de construire par négligence, à une peine pécuniaire de 300 jours-amende à 30 fr. le jour, avec sursis durant deux ans. B. Par jugement du 2 juillet 2020, la Cour d'appel pénale du Tribunal cantonal du canton de Vaud, statuant sur l'appel formé par A. contre ce jugement, a réformé celui-ci en ce sens que le prénommé est condamné à une peine pécuniaire de 180 jours-amende à 30 fr. le jour, avec sursis durant deux ans. En substance, la cour cantonale a retenu ce qui suit: A. a oeuvré comme contremaître et chef d'un chantier à B. Le 21 octobre 2015, alors que les opérations du chantier entamées avaient conduit à une configuration de travail qui ne permettait plus de remplir correctement la benne du "dumper" utilisé pour l'excavation, A. n'a pas fait arrêter les travaux ni n'a pris contact avec le chef de projet afin d'obtenir des instructions. Il a demandé à C. de faire descendre le "dumper" en marche avant, de manière à rapprocher la benne de la pelle en vue de faciliter le chargement, alors que la pente de la rampe dépassait les limites d'utilisation de cette machine en marche avant une fois chargée. A., aux commandes de la pelle mécanique, a en outre accentué la pente de la rampe devant les roues BGE 147 IV 241 S. 243 du "dumper", afin de faciliter son chargement avec la pelle. Puis, dans cette configuration, il a surchargé le "dumper", ce qui a soulevé l'arrière de cet appareil. C. en a été éjecté. La machine a ensuite basculé et atterri sur ce dernier. C. et le "dumper" sont tombés exactement à l'endroit où un autre ouvrier et sa pelleteuse se trouvaient trois minutes auparavant. A la suite de l'accident, C. a été plongé dans le coma durant six semaines. Il a souffert de fractures du bassin et de trois côtes et a subi une ablation d'une partie de l'intestin. Il a conservé diverses séquelles. C. Le Ministère public du canton de Vaud forme un recours en matière pénale au Tribunal fédéral contre le jugement du 2 juillet 2020, en concluant, avec suite de frais, principalement à sa réforme en ce sens que l'appel de A. est rejeté et que le jugement du 14 novembre 2019 est confirmé et, subsidiairement, à son annulation et au renvoi de la cause à l'autorité précédente pour nouvelle décision. Par ordonnance du 25 janvier 2021, la Présidente de la Cour de droit pénal du Tribunal fédéral a désigné M e D. comme avocat d'office de l'intimé A. et l'a invité à se déterminer sur le recours. M e D. a déposé une réponse, qui a été communiquée au recourant. La cour cantonale a renoncé à se déterminer.
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. Le recourant reproche à la cour cantonale d'avoir prononcé, à l'encontre de l'intimé, une peine pécuniaire de 180 jours-amende. 2.1 La cour cantonale a exposé que la culpabilité de l'intimé était moyenne. Ce dernier était expérimenté, avait pu se rendre compte de la dangerosité de l'utilisation du "dumper" sur la rampe peu avant l'accident, était conscient des conditions difficiles d'excavation, mais avait décidé de changer le sens de marche de la machine sur la rampe, ce qui aurait dû l'alerter sur les conditions de sécurité. Au vu de ses responsabilités de chef de chantier, l'intimé aurait dû vérifier que la machine ne pouvait pas supporter une pente supérieure à 20 % en marche avant. Il n'avait pas tenu compte du refus de son ouvrier de poursuivre les manoeuvres d'excavation dans la nouvelle configuration qu'il avait initiée, refus qui aurait dû l'alerter sur les risques qu'il faisait courir aux personnes se trouvant sur le chantier. L'intimé avait encore accru lesdits risques en creusant la rampe pour faciliter le chargement du "dumper". Il n'avait ainsi pas pris le temps de mesurer le danger engendré par ses choix successifs et, BGE 147 IV 241 S. 244 malgré le temps écoulé, continuait de considérer que la responsabilité de l'accident reposait sur la victime. Il y avait concours d'infractions. A décharge, il convenait de tenir compte du comportement de l'intimé après l'accident - l'intéressé ayant immédiatement porté secours à la victime -, des conditions de travail particulièrement difficiles sur le chantier, ainsi que de l'absence de moyens concédés aux ouvriers pour accomplir leur travail correctement. Selon l'autorité précédente, une peine pécuniaire était suffisante pour sanctionner le comportement de l'intimé. Ce dernier avait été condamné à une peine pécuniaire de 300 jours-amende, en application de l'ancien art. 34 al. 1 CP , en vigueur au moment des faits. Selon l' art. 34 al. 1 CP dans sa teneur depuis le 1 er janvier 2018, la peine pécuniaire devait être, sauf disposition contraire, de 180 jours-amende au plus. Pour la cour cantonale, il convenait d'appliquer la disposition légale dans sa nouvelle teneur, en application de l' art. 2 al. 2 CP , dans la mesure où celle-ci était plus favorable à l'intimé. La peine pécuniaire prononcée devait ainsi être ramenée à 180 jours-amende. 2.2 Le recourant critique le raisonnement de la cour cantonale. Il soutient tout d'abord que la détermination du genre de la peine devrait advenir après la fixation de sa quotité, à savoir, concrètement, que le tribunal devrait tout d'abord fixer un nombre d'"unités pénales", avant de choisir si celles-ci peuvent ou doivent être traduites en jours-amende ou en jours de privation de liberté. Il prétend ensuite que le principe de la lex mitior ne permettrait pas de réduire la peine concernée pour se conformer à l' art. 34 al. 1 CP . 3. 3.1 Aux termes de l' art. 47 CP , le juge fixe la peine d'après la culpabilité de l'auteur. Il prend en considération les antécédents et la situation personnelle de ce dernier ainsi que l'effet de la peine sur son avenir (al. 1). La culpabilité est déterminée par la gravité de la lésion ou de la mise en danger du bien juridique concerné, par le caractère répréhensible de l'acte, par les motivations et les buts de l'auteur et par la mesure dans laquelle celui-ci aurait pu éviter la mise en danger ou la lésion, compte tenu de sa situation personnelle et des circonstances extérieures (al. 2). 3.2 Selon la jurisprudence, les critères applicables au choix de la peine sont les mêmes que ceux qui fondent la mesure de celle-ci; l'opportunité d'une sanction déterminée joue un rôle important et les décisions sur ces points exercent l'une sur l'autre une influence réciproque BGE 147 IV 241 S. 245 ( ATF 120 IV 67 consid. 2b p. 71). Pour déterminer le genre de peine devant sanctionner une infraction au regard de l' art. 47 CP , il convient donc notamment de tenir compte de la culpabilité de l'auteur ( ATF 144 IV 217 consid. 3.3.1 p. 225). Le Tribunal fédéral a certes, dans l'arrêt publié aux ATF 144 IV 313 , indiqué que la faute de l'auteur n'était pas déterminante pour le choix de la sanction ( ATF 144 IV 313 consid. 1.1.1 p. 317, avec notamment un renvoi à l'arrêt publié aux ATF 137 II 297 consid. 2.3.4 p. 301). Cela s'entend dans la mesure où différents genres de peine entrent en considération. Dans un tel cas de figure, la culpabilité de l'auteur ne peut constituer le critère décisif, mais doit être appréciée aux côtés de l'adéquation de la peine, de ses effets sur l'auteur et sur sa situation sociale ainsi que de son efficacité du point de vue de la prévention ( ATF 144 IV 313 consid. 1.1.1 p. 317; ATF 137 II 297 consid. 2.3.4 p. 301; ATF 134 IV 97 consid. 4.2 p. 100). L'arrêt publié aux ATF 144 IV 313 le rappelle d'ailleurs clairement, en précisant que, lorsque tant une peine pécuniaire qu'une peine privative de liberté entrent en considération et que toutes deux apparaissent sanctionner de manière équivalente la faute commise, il y a en règle générale lieu, conformément au principe de la proportionnalité, d'accorder la priorité à la première (cf. ATF 144 IV 313 consid. 1.1.1 p. 317). Le système même du CP implique que la culpabilité de l'auteur ait une influence sur le genre de la peine prononcée, puisque les infractions les plus graves doivent en principe être sanctionnées par une peine privative de liberté et non par une peine pécuniaire (cf. par exemple les art. 111 à 113 CP). La prise en compte de la culpabilité dans le choix de la peine ne saurait cependant justifier la simple détermination d'un quantum d'unités, que le juge n'aurait ensuite plus qu'à traduire en jours-amende ou en jours de privation de liberté, selon les limites des sanctions en question (cf. ATF 144 IV 217 consid. 3.5.3 p. 235). Au contraire, le juge doit déterminer le genre de peine devant sanctionner une infraction, en tenant compte des différents critères énoncés précédemment - parmi lesquels la culpabilité -, ainsi qu'en fixer la quotité. Le recourant ne peut donc être suivi lorsqu'il soutient que le juge devrait tout d'abord fixer un "quantum, en unités pénales", puis seulement décider du genre de peine, ce qui reviendrait à laisser de côté les critères précédemment évoqués devant être pris en compte dans le choix du genre de peine. On peut rappeler, à cet égard, qu'il est en particulier exclu, pour le juge, lors de concours d'infractions, de fixer un nombre d'"unités BGE 147 IV 241 S. 246 pénales" pour chaque acte, puis de procéder à l'aggravation avant de choisir le genre de chaque sanction (cf. ATF 142 IV 265 consid. 2.4.3 p. 270 s.). En effet, l'application de l' art. 49 CP suppose que les peines soient du même genre, ce qui implique que le juge examine, pour chaque infraction commise, la nature de la peine à prononcer (cf. ATF 144 IV 313 consid. 1.1.1 p. 316, ATF 144 IV 217 consid. 2.2 p. 219; ATF 142 IV 265 consid. 2.3.2 p. 267 s.; application de la "méthode concrète"). 4. Le recourant fait grief à la cour cantonale d'avoir fait une mauvaise application du principe de la lex mitior et notamment d'avoir combiné à tort l'ancien droit avec le nouveau. 4.1 L'ancien art. 34 al. 1 CP (dans sa teneur jusqu'au 31 décembre 2017) prévoyait que la peine pécuniaire, sauf disposition contraire de la loi, ne pouvait pas excéder 360 jours-amende. Lors de la réforme du droit des sanctions, le législateur a modifié cette disposition. Le nouvel art. 34 al. 1 CP , entré en vigueur le 1 er janvier 2018, dispose que, "sauf disposition contraire, la peine pécuniaire est de trois jours-amende au moins et ne peut excéder 180 jours-amende. Le juge fixe leur nombre en fonction de la culpabilité de l'auteur" (RO 2016 1249; FF 2012 4385). 4.2 4.2.1 Selon l' art. 2 al. 1 CP , la loi pénale ne s'applique qu'aux faits commis après son entrée en vigueur (principe de la non-rétroactivité de la loi pénale). Cependant, en vertu de l' art. 2 al. 2 CP , une loi nouvelle s'applique aux faits qui lui sont antérieurs si, d'une part, l'auteur est mis en jugement après son entrée en vigueur et si, d'autre part, elle est plus favorable à l'auteur que l'ancienne (exception de la lex mitior). Il en découle que l'on applique en principe la loi en vigueur au moment où l'acte a été commis, à moins que la nouvelle loi ne soit plus favorable à l'auteur. La loi sur la réforme du droit des sanctions ne prévoit pas de règles particulières sur le droit transitoire (FF 2012 4385). 4.2.2 Pour déterminer quel est le droit le plus favorable, il y a lieu d'examiner l'ancien et le nouveau droit dans leur ensemble et de comparer les résultats auxquels ils conduisent dans le cas concret ( ATF 135 IV 113 consid. 2.2 p. 114; ATF 134 IV 82 consid. 6.2.1 p. 87 s.; arrêt 6B_1053/2018 du 26 février 2019 consid. 3.3). Le nouveau droit ne doit être appliqué que s'il conduit effectivement à un résultat plus favorable au condamné. Par ailleurs, l'ancien et le nouveau droit ne peuvent pas être combinés. Ainsi, on ne saurait, à BGE 147 IV 241 S. 247 raison d'un seul et même état de fait, appliquer l'ancien droit pour déterminer quelle infraction a été commise et le nouveau droit pour décider si et comment l'auteur doit être puni ( ATF 134 IV 82 consid. 6.2.3 p. 88 s.; arrêt 6B_1053/2018 précité consid. 3.4). Si l'un et l'autre droit conduisent au même résultat, c'est l'ancien droit qui est applicable (cf. arrêt 6B_14/2007 du 17 avril 2007 consid. 4.2). 4.3 4.3.1 Le Tribunal fédéral ne s'est pas encore prononcé de manière claire sur l'application du droit le plus favorable dans le cadre de la réforme du droit des sanctions. Dans quelques arrêts, il a, d'office, relevé une violation manifeste du droit fédéral, en constatant qu'une autorité cantonale de deuxième instance - ayant statué après le 1 er janvier 2018 - avait prononcé, à l'encontre d'un prévenu, une peine pécuniaire supérieure à 180 jours-amende, alors que l'infraction concernée ne le prévoyait pas (cf. arrêts 6B_86/2020 du 31 mars 2020 consid. 2; 6B_1280/2019 du 5 février 2020 consid. 6). Dans d'autres arrêts présentant une configuration similaire, le Tribunal fédéral n'a pas procédé de la sorte (cf. par exemple l'arrêt 6B_478/2020 du 12 juin 2020), ou a laissé entendre que la question de la lex mitior , s'agissant de l' art. 34 al. 1 CP , n'était pas tranchée par la jurisprudence fédérale (cf. arrêt 6B_59/2020 du 30 novembre 2020 consid. 4.4). 4.3.2 Dans son Message relatif à la réforme du droit des sanctions, le Conseil fédéral explique que le nouvel art. 34 CP vise à réduire le champ d'application de la peine pécuniaire et, par conséquent, à accroître celui de la peine privative de liberté. Il relève que "la réduction de la peine pécuniaire maximale à 180 jours-amende participe au durcissement général du régime des peines", ajoutant que "si la gravité de la faute commise ne s'accommode pas avec une peine pécuniaire de moins de 180 jours-amende et que les conditions ne sont pas réunies pour accorder un sursis au condamné, la seule option qui s'offrira au juge sera la peine privative de liberté ferme". Il conclut que l'auteur sera ainsi puni plus sévèrement (cf. Message du 4 avril 2012 relatif à la modification du code pénal et du code pénal militaire [Réforme du droit des sanctions], FF 2012 4385, 4406). Il ressort donc du Message du Conseil fédéral que l'ancien régime des peines était, sous cet angle, en principe moins sévère que celui en vigueur depuis le 1 er janvier 2018. Cette conclusion est conforme à la jurisprudence qui a toujours affirmé que la peine pécuniaire, qui porte atteinte au patrimoine du prévenu, constitue une sanction BGE 147 IV 241 S. 248 plus clémente qu'une peine privative de liberté, qui atteint celui-ci dans sa liberté personnelle (cf. ATF 144 IV 313 consid. 1.1.1 p. 317, ATF 144 IV 217 consid. 3.3.3 p. 228; ATF 134 IV 97 consid. 4.2.2 p. 101 s.). 4.4 Dans son raisonnement, la cour cantonale n'a pas procédé à une comparaison concrète entre l'ancien et le nouveau droit pour déterminer quel était le droit le plus favorable. Suivant le juge de première instance qui avait appliqué l'ancien droit, elle a déclaré qu'une peine pécuniaire - qui pouvait selon le droit en vigueur en 2015 se monter à 300 jours-amende - était suffisante pour sanctionner le comportement du recourant. Puis, dans la suite de son raisonnement, elle a appliqué le nouveau droit pour ramener la quotité de cette peine de 300 à 180 jours-amende. Cette manière de faire consiste à combiner l'application de l'ancien et du nouveau droit, ce qui contrevient à la jurisprudence. Le recours doit donc être admis sur ce point, le jugement attaqué doit être annulé et la cause doit être renvoyée à la cour cantonale pour nouveau jugement. Dans son nouveau jugement, la cour cantonale devra, dans une première étape, appliquer à l'infraction en cause l'ancien droit, sous l'empire duquel les faits se sont produits. Elle devra déterminer si, dans le système de l'ancien droit, une peine pécuniaire de 300 jours-amende correspond à la culpabilité du recourant. Dans une seconde étape, elle devra appliquer le nouveau droit dans sa totalité à cette même infraction, ce qui devra conduire, à culpabilité identique, à retenir une sanction de 300 jours de peine privative de liberté. Dès lors qu'il est admis qu'une peine privative de liberté est plus sévère qu'une peine pécuniaire, elle devra appliquer l'ancien droit et confirmer la peine pécuniaire de 300 jours-amende. Si la cour cantonale arrive à la conclusion que, selon le système de l'ancien droit, la gravité de la faute du recourant doit conduire à une peine pécuniaire de moins de 300 jours-amende, par exemple de 180 jours-amende, elle pourra prononcer une peine pécuniaire de 180 jours-amende. Dans ce cas, l'application du nouveau droit conduira au même résultat et ne sera donc pas plus favorable.
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Sachverhalt ab Seite 9 BGE 133 V 9 S. 9 A. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) sprach T. mit Verfügung vom 14. Mai 2004 aufgrund einer Erwerbsunfähigkeit von 40 % eine Invalidenrente mit Wirkung ab 1. November 1996 sowie eine Integritätsentschädigung zu und setzte dabei für die Zeit bis Ende Mai 2004 einen Verzugszins von Fr. 7'405.- fest, später korrigiert auf Fr. 7'708.-. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 30. November 2004 fest. B. T. erhob dagegen Beschwerde an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich. Dieses hiess mit Urteil vom 5. April 2006 die Beschwerde gut, hob den Einspracheentscheid auf und BGE 133 V 9 S. 10
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wies die Sache an die SUVA zurück, damit sie die Verzugszinsberechnung im Sinne der Erwägungen vornehme und neu verfüge. C. Die SUVA erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Sozialversicherungsgerichts sei aufzuheben und der Einspracheentscheid sei zu bestätigen. Der Beschwerdegegner schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Gesundheit auf eine Stellungnahme verzichtet. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Streitig ist einzig die Art der Verzugszinsberechnung gemäss Art. 26 Abs. 2 ATSG auf den Invalidenrenten. Unbestritten ist, dass die Verzugszinspflicht erst mit dem Inkrafttreten des ATSG am 1. Januar 2003 (vgl. BGE 130 V 334 E. 6) und erst 24 Monate nach Entstehung des Anspruchs beginnt. Umstritten ist aber, wann diese 24-Monatsfrist beginnt bzw. was unter "Entstehung des Anspruchs" zu verstehen ist. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin beginnt der Verzugszins für jede einzelne monatliche Rentenzahlung jeweils erst 24 Monate nach deren Fälligkeit zu laufen. Nach dem angefochtenen Urteil sowie nach Ansicht des Beschwerdegegners beginnt die Verzugszinspflicht 24 Monate nach dem Rentenbeginn für die gesamten bis anhin aufgelaufenen Leistungen. 2. Die Auffassung der Vorinstanz entspricht derjenigen, die das Bundesamt für Sozialversicherungen im Rahmen der AHV/IV entwickelt hat (AHI-Praxis 2003 S. 46 f.; ebenso KIESER, ATSG-Kommentar, N. 20 zu Art. 26; KIESER, Auswirkungen des ATSG - erste Erfahrungen aus Verwaltungsverfahren und Rechtsprechung, in: Schaffhauser/Kieser [Hrsg.], Praktische Anwendungsfragen des ATSG, St. Gallen 2004, S. 9 ff., 19; MARIO CHRISTOFFEL, Spezifische Fragen, in: Schaffhauser/Kieser, a.a.O., S. 145 ff., 155). Die Unfallversicherer wenden hingegen die von der Beschwerdeführerin vertretene Berechnungsmethode an (vgl. auch PETER OMLIN, Erfahrungen in der UV, in: Schaffhauser/Kieser, a.a.O., S. 57 ff., 69 f.). 3. 3.1 Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der Bestimmung. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente. BGE 133 V 9 S. 11 Abzustellen ist dabei namentlich auf die Entstehungsgeschichte der Norm und ihren Zweck, auf die dem Text zu Grunde liegenden Wertungen sowie auf die Bedeutung, die der Norm im Kontext mit anderen Bestimmungen zukommt. Die Gesetzesmaterialien sind zwar nicht unmittelbar entscheidend, dienen aber als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen ( BGE 131 I 396 E. 3.2; BGE 131 II 368 E. 4.2; BGE 131 V 93 E. 4.1, BGE 131 V 176 E. 3.1, 439 E. 6.1; BGE 130 II 211 E. 5.1 mit Hinweisen). Namentlich bei neueren Texten kommt den Materialien eine besondere Stellung zu, weil veränderte Umstände oder ein gewandeltes Rechtsverständnis eine andere Lösung weniger nahelegen ( BGE 131 V 292 E. 5.2; BGE 128 I 292 E. 2.4; BGE 124 II 377 E. 6a). Das Bundesgericht hat sich bei der Auslegung von Erlassen stets von einem Methodenpluralismus leiten lassen und nur dann allein auf das grammatische Element abgestellt, wenn sich daraus zweifelsfrei die sachlich richtige Lösung ergab ( BGE 131 II 703 E. 4.1; BGE 124 II 376 E. 5 mit Hinweisen). 3.2 Gemäss Art. 26 Abs. 2 ATSG beginnt die Verzugszinspflicht "nach Ablauf von 24 Monaten nach der Entstehung des Anspruchs, frühestens aber 12 Monate nach dessen Geltendmachung" (frz. "à l'échéance d'un délai de 24 mois à compter de la naissance du droit, mais au plus tôt douze mois à partir du moment où l'assuré fait valoir ce droit"; ital. "dopo 24 mesi dalla nascita del diritto, ma al più presto 12 mesi dopo che si è fatto valere il diritto"). Ob sich der "Anspruch" ("droit", "diritto") auf die einzelnen monatlichen Rentenzahlungen oder auf die Rentenberechtigung als solche bezieht, ergibt sich aus dem Wortlaut nicht ausdrücklich. Auch der von beiden Parteien zitierte BGE 131 V 361 , E. 2.2, gibt dazu keine Antwort: Das Eidgenössische Versicherungsgericht erwähnt dort einerseits, dass "die jeweiligen Rentenbetreffnisse" ab dem Zeitpunkt zu verzinsen seien, in welchem die "seit Anspruchsbeginn" verstrichene Zeitspanne 24 Monate erreicht habe; daraus geht nicht hervor, ob auch der Anspruchsbeginn sich auf die jeweiligen Rentenbetreffnisse bezieht. Vielmehr ergibt sich aus der nicht amtlich publizierten Erwägung 3 dieses Entscheids, dass die hier streitige Frage damals nicht entschieden wurde. 3.3 Art. 7 Abs. 2 ATSV , wonach der Verzugszins monatlich auf dem bis Ende des Vormonats aufgelaufenen Leistungsanspruch berechnet wird, spricht in seinem deutschen Wortlaut eher für die Auffassung der Vorinstanz, während namentlich der französische Wortlaut ("L'intérêt moratoire est calculé par mois sur les BGE 133 V 9 S. 12 prestations dont le droit est échu jusqu'à la fin du mois précédent") auch die umgekehrte Auffassung zuliesse. Indessen betrifft Art. 7 ATSV nur die Berechnungsweise nach Entstehung des Anspruchs auf Verzugszins und sagt nichts aus über diesen Beginn. 3.4 In systematischer Auslegung spricht der in Art. 26 Abs. 2 ATSG verwendete Ausdruck "Entstehung des Anspruchs" für die Auffassung der Vorinstanz und des Beschwerdegegners: Wenn das Gesetz im Zusammenhang mit Renten vom Beginn oder von der Entstehung des Anspruchs spricht ( Art. 19 Abs. 1 UVG ; Art. 29 Abs. 1 IVG ; Art. 21 Abs. 2 AHVG ), dann meint es damit in der Regel den Rentenbeginn als solchen, nicht die einzelnen monatlichen Rentenzahlungen. Dies gilt auch für Art. 26 ATSG , wie sich namentlich aus dem letzten Halbsatz von Abs. 2 ergibt: Das Pronomen "dessen" bezieht sich auf den Anspruch; der Halbsatz setzt damit voraus, dass der Anspruch geltend gemacht wird. Geltend gemacht wird jedoch in der Regel nur die Rentenberechtigung als solche, nicht aber die einzelne monatliche Rentenzahlung, welche - sobald einmal der Rentenanspruch festgesetzt ist - automatisch erfolgt (vgl. Art. 19 Abs. 1 ATSG ). 3.5 Die Beschwerdeführerin beruft sich demgegenüber auf Art. 24 und 25 ATSG . In der Tat bezieht sich der in Art. 24 Abs. 1 ATSG enthaltene Ausdruck "Anspruch auf ausstehende Leistungen" bei Renten klar auf die einzelnen Monatsbetreffnisse und nicht auf das Rentenstammrecht, ebenso der "Anspruch" auf Rückerstattung gemäss Art. 25 Abs. 3 ATSG . Dies ergibt sich in diesen Fällen freilich notwendigerweise aus dem Regelungsgegenstand, würde doch sonst der Anspruch (auf ausstehende Leistungen oder auf Rückerstattung) unter Umständen schon erloschen sein, bevor er überhaupt fällig geworden bzw. bevor die entsprechende Leistung bezahlt worden ist. Diese Überlegung gilt aber nicht gleichermassen für den Verzugszins: Typischerweise beginnt dieser mit dem Verfall der Forderung zu laufen, bei Renten somit grundsätzlich mit der Fälligkeit jeder einzelnen Rente, freilich mit der Sonderregelung von Art. 105 OR (vgl. BGE 119 V 135 E. 4c; SZS 1997 S. 465 E. 4). Wenn Art. 26 ATSG den Beginn der Verzugszinspflicht um zwei Jahre hinausschiebt, dann folgt aber daraus nicht zwingend, dass diese Frist jeweils für jede einzelne Monatsrente gilt. Die entgegengesetzte Auffassung führt nicht zu einem logisch widersprüchlichen oder unmöglichen Ergebnis. BGE 133 V 9 S. 13 3.6 Abzustellen ist unter diesen Umständen auf den Sinn und Zweck von Art. 26 Abs. 2 ATSG , wie er sich namentlich aus der Entstehungsgeschichte ergibt: Die Kommission des Ständerates sah eine Verzugszinspflicht entsprechend der bisherigen Praxis nur bei trölerischem oder widerrechtlichem Verhalten des Schuldners oder bei einzelgesetzlicher Regelung vor (Art. 33 des Entwurfs; BBl 1991 II 195). Die Nationalratskommission schlug stattdessen die Gesetz gewordene Fassung vor (BBl 1999 4578 f.). Zur Begründung der 24-Monatsfrist führte sie aus: "Die Kommission trägt dem Umstand, dass in den IV-Verfahren zum Teil komplexe Abklärungen nötig sind, die auch einige Zeit in Anspruch nehmen, Rechnung, indem sie grundsätzlich erst nach 24 Monaten eine Verzugszinspflicht auf Leistungen entstehen lässt." Sie war der Auffassung, dass es möglich sein sollte, den grössten Teil der Verfahren innert zweier Jahre abzuschliessen, so dass sich die Mehrkosten im Rahmen halten lassen sollten. Im Nationalrat wurde die Bestimmung ohne Diskussion angenommen, nachdem der Berichterstatter darauf hingewiesen hatte, das Prinzip des Verzugszinses sollte in einer sehr zurückhaltenden Art und Weise verankert werden, die es auch bei der Invalidenversicherung möglich machen sollte, in dieser Zeit zu Entscheiden zu gelangen (Amtl. Bull. N 1999 1243; sinngemäss ebenso dann auch der Ständerat, Amtl. Bull. S 2000 180). Der Sinn der 24-Monatsfrist liegt nach diesen Äusserungen nicht darin, generell die Verzugszinspflicht erst um zwei Jahre verzögert eintreten zu lassen, sondern darin, der Versicherung einen gewissen Zeitraum für Abklärungen zu gewähren, innert welchem sie noch keine Verzugszinsen bezahlen muss. Diese Abklärungen beziehen sich in aller Regel nicht auf einzelne Monatsrenten, sondern auf die Rentenberechtigung als solche. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung beginnt somit die Verzugszinspflicht zwei Jahre nach Beginn der Rentenberechtigung als solcher, nicht erst jeweils zwei Jahre nach Fälligkeit jeder einzelnen Monatsrente. 4. (Kosten und Parteientschädigung)
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Sachverhalt ab Seite 201 BGE 83 IV 200 S. 201 A.- Am 14. Februar 1957 fuhren die Eheleute Hans und Ruth Meier mit einem Zug der SBB von Zürich nach Uster. Dem mit der Kontrolle der Fahrausweise betrauten Kondukteur wiesen sie zwei Retourbillete vor, die am 4. Februar 1957 gelöst worden waren und während zehn Tagen, somit bloss bis zum 13. Februar 1957, zur Hin- und Rückfahrt berechtigten. Der Aufforderung des Schaffners, die Geltungsdauer der Fahrausweise gegen Bezahlung eines Zuschlages verlängern zu lassen, gaben sie keine Folge. B.- Am 6. Juni 1957 sprach der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichtes Uster Hans und Ruth Meier von der Anklage der Übertretung des Art. 6 des Bundesgesetzes betreffend Handhabung der Bahnpolizei (BPG) vom 18. Februar 1878 in Verbindung mit Art. 43 Abs. 1 und 5 des Reglementes über den Transport auf Eisenbahnen und Schiffen (Transportreglement = TR) vom 24. Juni 1949 frei. C.- Gegen dieses Urteil erhoben die Schweizerischen Bundesbahnen und der Gemeinderat von Uster Nichtigkeitsbeschwerde.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Wer auf Bahnböfen oder in Bahnzügen usw. sich ein Verhalten zuschulden kommen lässt, das durch bundesrätlich genehmigte und veröffentlichte Reglemente verboten ist, soll mit Busse belegt werden, wenn eine Abmahnung seitens eines Bahnangestellten ohne Erfolg geblieben ist, oder auch, wenn zwar eine Abmahnung nach den Umständen nicht erfolgen konnte, der Fehlbare aber nach den Verhältnissen die Unzulässigkeit seiner Handlungsweise kennen musste ( Art. 6 BPG ). Art. 37 des bundesrätlichen Transportreglementes vom 24. Juni 1949 bestimmt, dass der Reisende bei Antritt der Fahrt mit einem gültigen Fahrausweis versehen sein muss. Wer keinen gültigen Ausweis vorweisen kann, hat unbeschadet der bahnpolizeilichen oder strafrechtlichen Folgen ausser dem Fahrpreis einen Zuschlag zu bezahlen (Art. 43 BGE 83 IV 200 S. 202 Abs. 1 TR). Zahlt der Reisende nicht sofort, so hat er nach Abs. 5 dieser Bestimmung keinen Anspruch auf Weiterreise. a) Gegen das Verbot, ohne gültigen Fahrausweis die Bahn zu benützen, vergeht sich nach diesen Bestimmungen der Reisende nicht erst, wenn er, vom Kondukteur erfolglos zur Lösung eines Billets und zur Nachzahlung aufgefordert, die Reise unbefugt fortsetzt, sondern schon mit dem Antritt der Fahrt ohne gültigen Ausweis, sofern er nach den Verhältnissen die Unzulässigkeit seines Verhaltens erkennen musste. Auch verlangt Art. 6 BPG in diesem Falle keine vorgängige Abmahnung eines Bahnangestellten. Es ist daher ohne Belang, ob der Kondukteur die Beschwerdegegner bei der Billetkontrolle aufforderte, entweder zu zahlen oder auszusteigen. Selbst wenn eine Aufforderung zum Verlassen des Zuges nicht ergangen sein sollte, berechtigte das die Beschwerdegegner keinesfalls zur Weiterfahrt, noch konnte eine solche Unterlassung die bereits begangene Übertretung ungeschehen machen (vgl. Art. 49 Abs. 2 lit. a TR; fernerBGE 38 I 176ff.). Diese lag, wie die Beschwerdeführer dem vorinstanzlichen Urteil mit Recht entgegenhalten, nicht in der Zahlungsverweigerung, sondern in der Missachtung des reglementarischen Verbotes, die Bahn ohne gültigen Fahrausweis zur Fahrt zu benutzen. b) Der Einwand der Beschwerdegegner, sie hätten in guten Treuen angenommen, der Tag, an dem das Billet gelöst werde, sei bei Berechnung der zehntägigen Frist entsprechend der Regel des Art. 77 Abs. 1 OR nicht mitzuzählen, hält nicht stand. Die Geltungsdauer von Fahrausweisen bemisst sich nicht nach den Bestimmungen des OR, sondern nach Art. 39 Abs. 4 TR, wonach der erste Geltungstag einzurechnen ist. Das entspricht herkömmlicher allgemeiner Überzeugung (vgl. OSER/SCHÖNENBERGER, Kommentar N. 3 zu Art. 77 OR ). Den Beschwerdegegnern kann daher nicht zugute gehalten werden, sie hätten aus zureichenden Gründen angenommen, die am 4. Februar gelösten Billete berechtigten sie noch am 14. Februar 1957 BGE 83 IV 200 S. 203 zur Fahrt. Selbst wenn sie anfänglich zu einer solchen Annahme begründeten Anlass gehabt hätten, was nach dem Gesagten nicht zutrifft, käme ihnen Rechtsirrtum ( Art. 20 StGB ) jedenfalls insoweit nicht zugute, als sie ohne gültigen Ausweis weiterfuhren, nachdem sie der Kondukteur auf die Ungültigkeit ihrer Billete aufmerksam gemacht und zu deren Verlängerung sowie zur Bezahlung des Zuschlages aufgefordert hatte. Strafbar ist zudem nicht nur die vorsätzliche, sondern auch die fahrlässige Übertretung bahnpolizeilicher Vorschriften ( BGE 35 I 192 ).
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Sachverhalt ab Seite 363 BGE 126 V 363 S. 363 A.- a) F. a travaillé au service de l'entreprise X SA comme poseur de revêtements industriels à partir du 26 septembre 1994. A ce titre, il était assuré auprès de la Caisse nationale suisse en cas d'accidents (CNA) contre le risque d'accidents professionnels et non professionnels, et de maladie professionnelle. Dès le 24 janvier 1995, il a été contraint de cesser son activité en raison de l'apparition d'un oedème au visage, aux yeux et aux oreilles; une tentative de reprise de travail, effectuée le 25 mars 1995, s'est soldée par un échec. (...). Se fondant sur un rapport du docteur T., médecin d'arrondissement de la CNA, du 7 septembre 1995, la CNA a, par lettre du 14 septembre 1995, informé l'assuré qu'elle prenait en charge le cas BGE 126 V 363 S. 364 en tant que maladie professionnelle, en lui allouant une indemnité journalière du 27 mars au 31 juillet 1995, sur la base d'une incapacité de travail de 100%. Elle a confirmé les termes de cette lettre par décision du 19 décembre 1995. Entre-temps, elle a déclaré l'assuré inapte à tous travaux avec exposition aux résines époxy, rétroactivement au 1er août 1995 (décision du 26 septembre 1995). Par la suite, la CNA a mis F. au bénéfice d'une indemnité pour changement d'occupation (lettres des 17 juillet 1996 et 8 juillet 1997). b) Par décision du 15 octobre 1998, la CNA a reconsidéré sa prise de position antérieure, en ce sens qu'elle a nié le droit de l'assuré à une indemnité pour changement d'occupation. En bref, elle a considéré que les conditions requises pour prétendre une telle indemnité n'étaient pas réunies dans le cas particulier, car l'assuré avait travaillé au contact des résines époxy pendant une durée inférieure à 300 jours; elle a toutefois renoncé à demander la restitution de la somme de 24'662 francs qu'elle avait versée jusqu'alors. Sur opposition, la CNA a confirmé son point de vue dans une nouvelle décision du 1er mars 1999. B.- Par jugement du 31 août 1999, le Tribunal administratif du canton de Genève a rejeté le recours formé par l'assuré contre la décision sur opposition de la CNA. C.- F. interjette recours de droit administratif contre ce jugement dont il requiert l'annulation. Il conclut, sous suite de dépens, à l'octroi d'une indemnité pour changement d'occupation, fondée sur une incapacité de travail de 100%, du 1er décembre 1997 au 30 novembre 1999 (...). La CNA conclut au rejet du recours. L'Office fédéral des assurances sociales se rallie aux considérants des juges cantonaux.
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. a) A teneur de l' art. 84 al. 2 LAA , les organes d'exécution peuvent exclure d'un travail qui les mettrait en danger, les assurés particulièrement exposés aux accidents et maladies professionnels. Le Conseil fédéral règle la question des indemnités à verser aux assurés qui, par suite de leur exclusion de l'activité qu'ils exerçaient précédemment, subissent un préjudice considérable dans leur avancement et ne peuvent pas prétendre d'autres prestations d'assurance. Edicté sur la base de cette délégation législative, l'art. 86 al. 1 de l'ordonnance sur la prévention des accidents et des maladies professionnelles (OPA) prévoit que le travailleur qui a été définitivement BGE 126 V 363 S. 365 ou temporairement exclu d'un travail ou qui a été déclaré apte à l'accomplir à certaines conditions reçoit de l'assureur une indemnité pour changement d'occupation lorsqu'il a exercé, chez un employeur assujetti à l'assurance, l'activité dangereuse pendant au moins 300 jours au cours des deux années qui ont précédé immédiatement la notification de la décision ou le changement effectivement survenu pour raisons médicales (let. b). b) En l'occurrence, il est constant que le recourant ne remplit pas les conditions réglementaires pour prétendre une indemnité pour changement d'occupation, si bien que l'intimée était fondée à reconsidérer sa décision; il ne le conteste d'ailleurs pas. En revanche, il soutient que la disposition de l' art. 86 al. 1 let. b OPA excède le cadre de la délégation législative qui figure à l'art. 84 al. 2, seconde phrase LAA. D'après lui, cette disposition consacre une inégalité de traitement entre assurés en ce sens que certains assurés dont la maladie professionnelle se déclare après une période d'exposition très longue seraient indemnisés, tandis que d'autres qui en développent les symptômes dans un laps de temps très court se verraient privés de toute indemnisation. Or, les conséquences économiques de la maladie professionnelle sont les mêmes pour ces deux catégories d'assurés et aucune circonstance particulière ne justifie une telle différence de traitement. 3. Le Tribunal fédéral des assurances examine en principe librement la légalité des dispositions d'application prises par le Conseil fédéral. En particulier, il exerce son contrôle sur les ordonnances (dépendantes) qui reposent sur une délégation législative. Lorsque celle-ci est relativement imprécise et que, par la force des choses, elle donne au Conseil fédéral un large pouvoir d'appréciation, le tribunal doit se borner à examiner si les dispositions incriminées sortent manifestement du cadre de la délégation de compétence donnée par le législateur à l'autorité exécutive ou si, pour d'autres motifs, elles sont contraires à la loi ou à la Constitution. A cet égard, il a été jugé sous l'empire de la Constitution du 29 mai 1874 qu'une norme réglementaire viole l' art. 4 aCst. lorsqu'elle n'est pas fondée sur des motifs sérieux et objectifs, qu'elle est dépourvue de sens et d'utilité ou qu'elle opère des distinctions juridiques que ne justifient pas les faits à réglementer. Dans l'examen auquel il procède à cette occasion, le juge ne doit toutefois pas substituer sa propre appréciation à celle de l'autorité dont émane la réglementation en cause. Il doit au contraire se borner à vérifier si la disposition litigieuse est propre à réaliser objectivement le but visé par la loi, sans se soucier, en BGE 126 V 363 S. 366 particulier, de savoir si elle constitue le moyen le mieux approprié pour atteindre ce but ( ATF 125 V 30 consid. 6a, ATF 124 II 245 consid. 3, 583 consid. 2a, ATF 124 V 15 consid. 2a, 194 consid. 5a et les références). Il n'en va pas autrement sous l'empire de la nouvelle Constitution fédérale entrée en vigueur le 1er janvier 2000 ( ATF 126 V 53 consid. 3b). 4. a) Dans son message du 18 août 1976, le Conseil fédéral écrivait à propos de l'art. 84 al. 2 de son projet de loi fédérale sur l'assurance-accidents, dont le texte a été repris avec une légère modification d'ordre formel dans la LAA: "Nous aurons à régler l'indemnisation des assurés qui, par suite de leur exclusion de l'activité qu'ils exerçaient précédemment, subissent un préjudice considérable et n'ont pas droit à d'autre prestations d'assurance, en appliquant par analogie les articles 18 à 21 de l'ordonnance du 23 décembre 1960 relative à la prévention des maladies professionnelles." (FF 1976 III 218 sv.). Cette proposition n'a donné lieu à aucune discussion lors des débats parlementaires. On doit dès lors admettre que c'est en pleine connaissance de cause - et notamment en connaissant le contenu des art. 18 à 21 de l'ordonnance précitée - que le législateur a délégué cette compétence au Conseil fédéral. Or, le texte de l' art. 86 al. 1 let. b OPA est calqué sur celui de l' art. 18 let. b de l'ordonnance du 23 décembre 1960 relative à la prévention des maladies professionnelles (RO 1960 1725) . b) En réalité, comme l'ont déjà relevé les premiers juges, le recourant confond deux questions: celle de la durée d'exposition à la substance nocive qui est à l'origine de la maladie professionnelle assurée, et celle de la durée de l'occupation dont le changement forcé est susceptible d'occasionner à l'assuré le "préjudice considérable dans (son) avancement" visé par la loi. En ce qui concerne la durée de l'exposition à la substance nocive, il s'agit d'une condition de l'existence d'une maladie professionnelle qui s'apprécie de cas en cas et, sur ce point, la réglementation légale ne prévoit aucun délai, ni d'exposition au risque, ni de prise en charge, comme c'était déjà le cas sous l'ancien droit (MARIE-CLAUDE HESSLER, Les maladies professionnelles dans la CEE et en Suisse, Genève 1971, p. 72; voir également ATFA 1965 p. 222 consid. 2 in fine). En revanche, s'agissant du préjudice que l'indemnité pour changement d'occupation est censée réparer, il est logique d'en soumettre l'indemnisation à la condition, en particulier, que l'assuré ait occupé son emploi pendant une durée minimale (300 jours au cours des deux années précédant la notification de la décision d'exclusion ou le changement d'occupation effectivement BGE 126 V 363 S. 367 survenu pour raisons médicales) chez un même employeur assujetti à l'assurance. C'est en effet ce dernier - et non l'assuré - qui finance l'assurance obligatoire contre les maladies professionnelles ( art. 91 al. 1 LAA ) et les primes qu'il paye sont proportionnelles aux risques présentés par son entreprise ( art. 92 al. 2 LAA ). Cela tient aussi à la nature de cette indemnité qui s'inscrit dans le cadre de la prévention des maladies professionnelles - laquelle incombe au premier chef à l'employeur ( art. 82 al. 1 LAA ) - et qui doit permettre à l'assuré victime d'une maladie professionnelle de se reconvertir dans une profession convenant mieux à son état de santé dans les limites de sa capacité de gain (cf. ATF 120 V 135 sv.; RAMA 1995 no U 225 p. 164 consid. 2b). Or, le préjudice "considérable" ("erheblich", "notevole") qui, selon l' art. 84 al. 2 LAA , doit avoir été causé à l'assuré "dans son avancement", c'est-à-dire dans ses perspectives de carrière professionnelle, présuppose l'existence de telles perspectives, ce qu'il n'est généralement possible d'établir avec une vraisemblance suffisante qu'après que l'assuré a été occupé pendant un certain temps dans l'entreprise où il a exercé l'activité dangereuse. En reprenant dans l'OPA de 1983 la norme qui figurait déjà dans son ordonnance de 1960, et dont la légalité ne semble jamais avoir été mise en doute, le Conseil fédéral n'a donc pas excédé la marge d'appréciation dont il disposait. Le moyen tiré de l'illégalité de l' art. 86 al. 1 let. b OPA se révèle ainsi mal fondé.
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Sachverhalt ab Seite 322 BGE 148 III 322 S. 322 A. Die A. AG (Beklagte, Beschwerdeführerin) amtete vom 8. Dezember 2009 bis zum 8. Januar 2015 als Revisionsstelle der B. AG. Am 30. Januar 2015 wurde über die B. AG der Konkurs eröffnet. BGE 148 III 322 S. 323 B. B.a Am 12. Dezember 2018 reichte die Konkursmasse der B. AG in Liquidation (Klägerin, Beschwerdegegnerin) beim Regionalgericht Plessur eine Klage ein. Sie verlangte, die A. AG sei zu verurteilen, ihr "einen CHF 100'000.00 übersteigenden Betrag" zu bezahlen, nebst Zins zu 5 % seit 30. Januar 2015. Sie stützte ihre Klage auf Art. 755 OR (Revisionshaftung). Überdies wies sie auf Art. 85 ZPO hin und führte aus, dass der Schadensbetrag "erst nach dem Beweisverfahren, d.h. nach Vorliegen des Expertengutachtens", bestimmt werden könne. Es sei ihr zurzeit "weder möglich noch zumutbar, den Forderungsbetrag exakt zu beziffern". B.b Die A. AG stellte mit Eingabe vom 22. Januar 2019 Antrag, auf die Klage nicht einzutreten. Ausserdem sei ihr die Frist zur Erstattung der Klageantwort einstweilen abzunehmen. Sie machte geltend, das Klagebegehren sei nicht hinreichend beziffert und die Voraussetzungen für eine unbezifferte Forderungsklage seien in der Klageschrift nicht dargetan worden. Mit Verfügung vom 25. Januar 2019 nahm das Regionalgericht die Frist zur Erstattung der Klageantwort einstweilen ab und setzte der Konkursmasse der B. AG in Liquidation Frist zur Einreichung einer Stellungnahme zum Antrag auf Nichteintreten. Die Konkursmasse der B. AG in Liquidation liess sich zum Nichteintretensbegehren am 12. März 2019 vernehmen und führte im Einzelnen aus, aus welchen Gründen es ihr unmöglich beziehungsweise unzumutbar sei, die Schadensposten derzeit zu beziffern. Am 21. Mai 2019 führte das Regionalgericht eine auf die Eintretensfrage beschränkte Hauptverhandlung durch. Mit Entscheid vom gleichen Tag wies es den Nichteintretensantrag der A. AG ab. Es kam zum Schluss, dass das (unbeziffert) gestellte Klagebegehren zulässig sei. B.c Die dagegen erhobene Berufung wies das Kantonsgericht von Graubünden mit Urteil vom 30. September 2021 ab, soweit es darauf eintrat. (...) Das Bundesgericht heisst die von der A. AG erhobene Beschwerde in Zivilsachen gut und tritt auf die Klage der Konkursmasse der B. AG in Liquidation nicht ein. (Auszug)
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Erwägungen BGE 148 III 322 S. 324 Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Die Klage enthält das Rechtsbegehren ( Art. 221 Abs. 1 lit. b, Art. 244 Abs. 1 lit. b ZPO ). Wird die Bezahlung eines Geldbetrags verlangt, so ist dieser zu beziffern ( Art. 84 Abs. 2 ZPO ). Ist es der klagenden Partei unmöglich oder unzumutbar, ihre Forderung bereits zu Beginn des Prozesses zu beziffern, so kann sie eine unbezifferte Forderungsklage erheben ( action en paiement non chiffrée; azione creditoria senza quantificazione del valore litigioso) . Sie muss jedoch einen Mindestwert angeben, der als vorläufiger Streitwert gilt ( Art. 85 Abs. 1 ZPO ). Die Erhebung einer unbezifferten Forderungsklage ist insbesondere in Fällen denkbar, in denen erst das Beweisverfahren die Grundlage der Bezifferung der Forderung abgibt. Hier ist der Klägerin zu gestatten, die Präzisierung nach Abschluss des Beweisverfahrens vorzunehmen ( BGE 140 III 409 E. 4.3.1). 2.2 Nach der Rechtsprechung ( BGE 140 III 409 E. 4.3.2) genügt es dabei nicht, wenn die klagende Partei "einzig unter Hinweis auf fehlende Informationen" auf die an sich erforderliche Bezifferung verzichtet. Vielmehr obliegt ihr der Nachweis, dass und inwieweit eine Bezifferung unmöglich oder unzumutbar ist. Mit anderen Worten: Bei Einreichung einer unbezifferten Forderungsklage ist es Aufgabe der klagenden Partei, ihr Begehren so weit wie möglich zu beziffern und wo dies nicht möglich ist aufzuzeigen, dass die erwähnten Bedingungen für eine unbezifferte Forderungsklage erfüllt sind. Das Bundesgericht hat diese Rechtsprechung mehrfach bestätigt (Urteile 4A_502/2019 vom 15. Juni 2020 E. 7.4.1; 4A_618/2017 vom 11. Januar 2018 E. 4.2). 2.3 Vorliegend ist umstritten, bis zu welchem Zeitpunkt im Verfahren die klagende Partei die Zulässigkeit der von ihr erhobenen unbezifferten Forderungsklage nachzuweisen, mithin darzutun hat, weshalb die Bezifferung unmöglich oder unzumutbar ist. 2.3.1 Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, die Klägerin habe in der Klageschrift selbst aufzuzeigen, dass die Voraussetzungen von Art. 85 Abs. 1 ZPO (Unmöglichkeit/Unzumutbarkeit der Bezifferung) gegeben sind. 2.3.2 Das Kantonsgericht stellte sich dagegen auf den Standpunkt, dass es genüge, wenn die klagende Partei die Bedingungen von Art. 85 Abs. 1 ZPO in einem zweiten Vortrag dartue. Dies ergebe sich aus BGE 148 III 322 S. 325 dem "allgemeinen Novenrecht" und dem Recht der Parteien, sich zweimal unbeschränkt äussern zu können. Dieser Meinung ist auch die Beschwerdegegnerin. 2.3.3 Die Frage ist im vorliegenden Verfahren deshalb von Bedeutung, weil die Beschwerdegegnerin (als Klägerin) erst im Rahmen eines separat angeordneten, "zweiten" Schriftenwechsels - mit Stellungnahme vom 12. März 2019 - eingehend dargelegt hat, aus welchen Gründen es ihr unmöglich beziehungsweise unzumutbar sei, die Schadensposten zu beziffern. 2.3.4 Nicht streitig ist vorliegend die in Art. 85 Abs. 1 Satz 2 ZPO im Weiteren vorausgesetzte Angabe des Mindestwerts, gab die Beschwerdegegnerin diesen Wert in ihrer Klageschrift doch an ("einen CHF 100'000.- übersteigenden Betrag"). 3. 3.1 Die streitige Frage des Zeitpunkts, in dem zu begründen ist, weshalb eine Bezifferung nicht möglich oder nicht zumutbar ist, ist nicht explizit im Gesetz geregelt. Da sie jedoch die Formulierung des Rechtsbegehrens betrifft, ist die Frage aufgrund der Bestimmungen betreffend die Rechtsbegehren und der diesbezüglichen Rechtsprechung zu lösen: 3.2 Die Klage enthält das Rechtsbegehren ( Art. 221 Abs. 1 lit. b ZPO , Art. 244 Abs. 1 lit. b ZPO ). Das Rechtsbegehren - das Gesuch um Rechtsschutz - ist Kern des Verfahrens. Es bestimmt, worüber gestritten wird; ohne Rechtsbegehren, kein Prozess. Das Rechtsbegehren muss dabei so bestimmt formuliert sein, dass es bei Gutheissung der Klage zum Urteil erhoben werden kann. Deshalb schreibt Art. 84 Abs. 2 ZPO vor, dass eine Klage auf Geldzahlung zu beziffern ist ( BGE 142 III 102 E. 5.3.1 mit Hinweisen). Dieser Grundsatz - letztlich Ausfluss der Dispositionsmaxime ( Art. 58 Abs. 1 ZPO ) - ist nicht nur von vollstreckungsrechtlicher Bedeutung, sondern prägt den Ablauf des Zivilprozesses von Beginn an: Zunächst dient die Bezifferung der Festlegung der sachlichen Zuständigkeit (siehe nur Art. 4 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 1 ZPO ) sowie der Verfahrensart (siehe Art. 243 Abs. 1 und dort auch Art. 247 Abs. 2 lit. b ZPO ; jeweils in Verbindung mit Art. 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Sodann ist sie erforderlich im Hinblick auf die Wahrung des rechtlichen Gehörs der Gegenpartei: Diese muss wissen, gegen was sie sich zu verteidigen hat ( BGE 142 III 102 E. 5.3.1; BGE 148 III 322 S. 326 Urteile 5A_101/2021 vom 28. Mai 2021 E. 3.1; 4A_366/2017 vom 17. Mai 2018 E. 5.2.1; 4A_686/2014 vom 3. Juni 2015 E. 4.3.1). Die Bezifferung ist weiter zur Bestimmung des Streitgegenstands und damit der Rechtshängigkeits- sowie später auch der Rechtskraftwirkungen bedeutsam (siehe etwa BGE 144 III 452 E. 2.3.2; vgl. auch BGE 147 III 345 E. 6.2), ferner für die Bemessung von Kostenvorschüssen und Sicherheiten (Urteil 4A_502/2019 vom 15. Juni 2020 E. 5 und 5.2), wobei hier eine nachträgliche Anpassung möglich ist (vgl. Art. 100 Abs. 2 ZPO ). Sie ist sodann materiellrechtlich wichtig für die Frage, in welchem Umfang die Verjährung durch Klageerhebung im Sinne von Art. 135 Ziff. 2 OR in Verbindung mit Art. 64 Abs. 2 und Art. 62 Abs. 1 ZPO unterbrochen wird ( BGE 147 III 166 E. 3.3.2), ebenso für die unter Umständen ab Zustellung der Klage zu bezahlenden Verzugszinsen ( Art. 102 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 1 OR ). Daraus folgt, dass die Bezifferung zwingend im verfahrenseinleitenden Schriftstück, also der Klageschrift ( Art. 220 ZPO ), enthalten sein muss (vgl. Urteil 4A_516/2019 vom 27. April 2020 E. 3.1), wie sich dies aus Art. 221 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Art. 84 Abs. 2 ZPO denn auch ergibt. 3.3 Von diesem Grundsatz ist der Gesetzgeber in Art. 85 Abs. 1 ZPO abgewichen, um jener Klägerin entgegenzukommen, die nicht in der Lage ist, die Höhe ihres Anspruchs genau anzugeben, oder der dies nicht zuzumuten ist (so bereits das Bundesgericht vor Vereinheitlichung des Zivilprozessrechts: BGE 131 III 243 E. 5.1; BGE 116 II 215 E. 4a). Gäbe es diese Bestimmung nicht, müsste die Ansprecherin in der Klage "aufs Geratewohl" einen Geldbetrag fordern, der sicher hoch genug ist, und liefe somit Gefahr, dass ihre Klage im überklagten Betrag kostenfällig abgewiesen wird, oder sie die Klage - wenn sich die Höhe ihrer Forderung im Laufe des Verfahrens herauskristallisiert - kostenfällig beschränken muss ( Art. 227 Abs. 3 ZPO ; siehe aber immerhin Art. 107 Abs. 1 lit. a ZPO ). Diese Last nimmt ihr Art. 85 Abs. 1 ZPO ab, wobei ihr die Wirkungen einer bezifferten Klage erhalten bleiben: So wird die Verjährung im Umfang der nachträglich erfolgten Bezifferung unterbrochen, und zwar rückbezogen auf den Zeitpunkt der Einreichung der (unbezifferten Forderungs-)Klage (vgl. BGE 133 III 675 E. 2.3.2 mit Hinweisen; Urteil 4A_543/2013 vom 13. Februar 2014 E. 4; ferner BGE 147 III 166 E. 3.3.2). Auch hinsichtlich des Zinsenlaufs ist die Situation für die klagende Gläubigerin günstig: Wird BGE 148 III 322 S. 327 die beklagte Schuldnerin durch die unbezifferte Forderungsklage in Verzug gesetzt ( Art. 102 Abs. 1 OR ) und die Klage in der Folge gutgeheissen, hat die Beklagte im Umfang des nachträglich Bezifferten ab dem Zeitpunkt der Zustellung der Klage Verzugszinsen zu bezahlen (Urteil 4A_87/2010 vom 9. April 2010 E. 6.3; gleich auch im Falle von Art. 105 Abs. 1 OR ). Mit dem Schrifttum ist schliesslich auf den ausforschenden Charakter der unbezifferten Forderungsklage hinzuweisen, verschafft sich die klagende Partei doch Informationen, die sie zu Beginn des Verfahrens nicht hat (vgl. FRANÇOIS BOHNET, in: Commentaire romand, Code de procédure civile, 2. Aufl. 2019, N. 3 zu Art. 85 ZPO ). 3.4 Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die - in verschiedener Hinsicht - elementare Bedeutung der Bezifferung der Rechtsbegehren schon zu Beginn des Verfahrens (E. 3.1) ist von der klagenden Partei jedenfalls zu verlangen, bereits in der Klageschrift - und nicht erst später in einer anderen allenfalls erfolgenden Eingabe - aufzuzeigen, dass und inwiefern eine Bezifferung unmöglich oder unzumutbar sein soll. Wollte man anders entscheiden, sähe sich die Beklagte nicht nur im Unklaren darüber, über welchen Betrag sie gerichtlich belangt wird, auch könnte sie vorerst nicht abschätzen, aus welchen Gründen eine Bezifferung nicht möglich sein soll. Die Beurteilung des Prozessrisikos würde ihr damit erschwert und die aus Art. 85 Abs. 1 ZPO resultierenden Konsequenzen gingen einseitig zulasten der beklagten Partei (E. 3.2). Es besteht Parallelität : Entweder beziffert die klagende Partei in der Klageschrift ihr Begehren auf Bezahlung eines Geldbetrags, oder sie legt in der Klageschrift dar, aus welchen Gründen ihr dies unmöglich oder unzumutbar sein soll. Gleich wie die Klägerin ihr Forderungsbegehren bereits in der Klageschrift beziffern muss, gleich muss die Klägerin, die sich auf eine Ausnahme von der Bezifferungspflicht beruft, bereits in der Klageschrift darlegen, weshalb ihr die Bezifferung nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Dies hat die Vorinstanz verkannt. 3.5 Auch prozessuale Überlegungen sprechen gegen die kantonsgerichtliche Lösung: Sie hätte zur Konsequenz, dass es dem Gericht faktisch versagt wäre, gleich zu Beginn des Verfahrens darüber zu befinden, ob die Voraussetzungen von Art. 85 Abs. 1 ZPO erfüllt sind. Es müsste in jedem Fall die zweite Eingabe der klagenden Parei abwarten. Es geht nun aber nicht an, dass die klagende Partei, die in der Klageschrift die Gründe für die Erhebung einer unbezifferten BGE 148 III 322 S. 328 Forderungsklage nicht nachweist, eine besondere Gelegenheit erhält, diese Gründe nachzuschieben und hierdurch die Klageschrift gleichsam zu verbessern (in den Worten der Beschwerdegegnerin: "im Rahmen ihres Replikrechts [...] nachsubstantiieren"). Die Durchführung eines besonderen "zweiten" Schriftenwechsels zur Begründung der Voraussetzungen von Art. 85 Abs. 1 ZPO wäre in das Belieben der hierfür nachweisbelasteten Klägerin gestellt. Dies kann nicht richtig sein. 3.6 Die Vorinstanz bezog sich auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach im ordentlichen (und im vereinfachten) Verfahren jede Partei grundsätzlich zweimal das Recht hat, unbeschränkt "Tatsachen und Beweismittel" vorzutragen. Diese Rechtsprechung betrifft indes die Äusserungen zur Sache (siehe nur BGE 146 III 55 E. 2.3.1). Die hier aufgeworfene Frage kann entgegen der kantonsgerichtlichen Auffassung nicht unter Rückgriff auf das "allgemeine Novenrecht" beantwortet werden. 3.7 Der dargelegten Lösung steht ferner nicht entgegen, dass Prozessvoraussetzungen grundsätzlich im Zeitpunkt der Fällung des Urteils gegeben sein müssen ( BGE 140 III 159 E. 4.2.4) und ihr Vorhandensein von Amtes wegen ( Art. 60 ZPO ) mit der eingeschränkten Untersuchungsmaxime zu prüfen ist (Urteil 4A_229/2017 vom 7. Dezember 2017 E. 3.4). Wohl hat das Bundesgericht aus diesen Grundsätzen und mit Blick auf Art. 229 Abs. 3 ZPO abgeleitet, dass die Parteien Tatsachen und Beweismittel zur Begründung der Prozessvoraussetzungen bis zu Beginn der Urteilsberatung in das Verfahren einbringen können (Urteil 4A_165/2021 vom 18. Januar 2022 E. 3.2.3). Es hat beispielsweise zur Prozessvoraussetzung der Prozessführungsbefugnis festgehalten, dass der Abtretungsgläubiger nach Art. 260 SchKG , der allein - ohne die Übrigen - klagt, bis zu Beginn der Urteilsberatung nachweisen kann, dass die anderen Abtretungsgläubiger auf die Teilnahme am Verfahren verzichtet haben (Urteil 4A_165/2021 vom 18. Januar 2022 E. 3.2 und 3.3). Anders verhält es sich beim Erfordernis, ein korrekt formuliertes Rechtsbegehren zu stellen. Dieses ist nicht blosse Sachurteilsvoraussetzung, sondern Voraussetzung für das Entstehen und die Determinierung des Prozesses überhaupt. Daher ist gemäss ausdrücklicher Gesetzesvorschrift das Rechtsbegehren in der Klageschrif t selbst zu formulieren und zu beziffern (Art. 221 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Art. 84 Abs. 2 ZPO ). Mit Bezug auf die in Art. 59 BGE 148 III 322 S. 329 Abs. 2 ZPO aufgezählten Prozessvoraussetzungen gibt es eine solche Vorschrift nicht. Es ist nichts anderes als folgerichtig (und insbesondere nicht überspitzt formalistisch), dass die Klägerin, welche die Bezahlung eines Geldbetrags verlangt, entweder in der Klageschrift ein beziffertes Begehren zu stellen oder aber in der Klageschrift darzutun hat, weshalb ihr dies nicht möglich oder nicht zumutbar ist. 3.8 Die zu prüfende Frage nach dem Zeitpunkt ist somit wie folgt zu beantworten: Beruft sich die klagende Partei auf eine Ausnahme von der Bezifferungspflicht, hat sie bereits in der Klageschrift aufzuzeigen, dass die Bedingungen nach Art. 85 Abs. 1 ZPO für eine unbezifferte Forderungsklage erfüllt sind. Dabei genügt ein blosser Hinweis auf fehlende Informationen nicht. Vielmehr muss die Klägerin bereits in der Klageschrift konkret darlegen, weshalb es ihr aus objektiven Gründen unmöglich oder wenigstens unzumutbar ist, die Klageforderung zu beziffern ( BGE 140 III 409 E. 4.3.2). Ansonsten ist der diesbezüglichen Darlegungspflicht nicht Genüge getan. 4. Zu den Rechtsfolgen im Falle des Nichteinhaltens dieser Vorgaben ist Folgendes festzuhalten: Tut die Klägerin die Voraussetzungen für die Erhebung einer unbezifferten Forderungsklage nicht dar, ist auf eine bewusst nicht bezifferte Klage nicht einzutreten, und zwar ohne vorgängige Ausübung der gerichtlichen Fragepflicht ( Art. 56 ZPO ) und ohne Ansetzung einer Nachfrist nach Art. 132 ZPO ( BGE 140 III 409 E. 4.3.2; Urteile 5A_871/2020 vom 15. Februar 2021 E. 3.3.1; 5A_368/2018 / 5A_394/2018 vom 25. April 2019 E. 4.3.4; 4A_618/2017 vom 11. Januar 2018 E. 4.3.1 und 4.4; 4A_235/2016 vom 7. März 2017 E. 2.4; 4A_375/2015 vom 26. Januar 2016 E. 7.2, nicht publ. in: BGE 142 III 102 ). Dies gilt jedenfalls für eine anwaltlich vertretene Partei. Es wäre zwar denkbar, bei unzureichender Substantiierung der Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer unbezifferten Klage den angegebenen Mindestwert, in casu Fr. 100'000.-, "als geltend gemachte Klageforderung zu interpretieren" (in diese Richtung GROBÉTY/ HEINZMANN, in: CPC, Code de procédure civile, 2021, N. 17 zu Art. 85 ZPO ; OBERHAMMER/WEBER, in: ZPO, Oberhammer/Domej/Haas [Hrsg.], 3. Aufl. 2021, N. 9 zu Art. 85 ZPO ). Nach dieser Ansicht BGE 148 III 322 S. 330 dürfte kein Nichteintretensentscheid ergehen, sondern wäre die Klage so zu behandeln, wie wenn die Klägerin von Anfang an genau den Mindestwert (also genau Fr. 100'000.-) verlangt hätte. Dies hat das Bundesgericht in BGE 140 III 409 E. 4.4 indes implizit abgelehnt. In der Tat scheint eine solche "Uminterpretation" des Klagebegehrens fragwürdig, würde der klagenden Partei doch eine Art "Teilklage" aufgedrängt, die sie so nicht erhoben hat. Es wäre an der Klägerin gewesen, in der Klageschrift ein Eventualbegehren zu formulieren dergestalt, dass sie im Falle der Unzulässigkeit der unbezifferten Forderungsklage "die Bezahlung von (genau) Fr. 100'000.- verlangt, unter Vorbehalt der Nachklage".
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Sachverhalt ab Seite 370 BGE 129 V 370 S. 370 A.- Die 1973 geborene, seit 1995 bevormundete I. bezog neben einer ganzen Invalidenrente (ab 1. November 1995) seit 1. Januar 1992 eine Entschädigung wegen Hilflosigkeit mittleren Grades. Mit Verfügung vom 5. März 1996 hob die IV-Stelle des Kantons Zürich BGE 129 V 370 S. 371
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die Hilflosenentschädigung revisionsweise auf Ende April 1996 auf und entzog einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die dagegen eingereichte Beschwerde mit Entscheid vom 21. September 1998 in dem Sinne gut, dass es die angefochtene Verfügung aufhob und die Sache an die IV-Stelle zurückwies, damit diese, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den Anspruch der Versicherten auf eine Entschädigung wegen Hilflosigkeit leichten Grades neu verfüge. Nach erfolgten Abklärungen verneinte die IV-Stelle mit Verfügung vom 16. November 1999 einen Anspruch auf eine Entschädigung wegen Hilflosigkeit leichten Grades. B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 11. Mai 2001 ab. C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt I. beantragen, in Aufhebung des kantonalen Entscheides und der Verfügung vom 16. November 1999 sei ihr bis Ende Dezember 1999 eine Hilflosenentschädigung mittleren Grades auszurichten und ab 1. Januar 2000 eine unbefristete Entschädigung wegen Hilflosigkeit mindestens leichten Grades zuzusprechen. Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das kantonale Gericht und das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) verzichten auf eine Vernehmlassung. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Ändert sich der Grad der Invalidität eines Rentenbezügers in einer für den Anspruch erheblichen Weise, so ist nach Art. 41 IVG die Rente für die Zukunft entsprechend zu erhöhen, herabzusetzen oder aufzuheben. Diese Bestimmung gilt gemäss Art. 86 IVV sinngemäss für die Revision der Hilflosenentschädigung. Laut Art. 88bis Abs. 2 lit. a IVV erfolgt die Herabsetzung oder Aufhebung der Renten und Hilflosenentschädigungen frühestens vom ersten Tag des zweiten der Zustellung der Verfügung folgenden Monats an. 2.2 Gemäss Art. 97 Abs. 2 AHVG (anwendbar auf dem Gebiete der Invalidenversicherung nach Art. 81 IVG ) kann die Ausgleichskasse in ihrer Verfügung einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung entziehen, auch wenn die Verfügung auf eine Geldleistung gerichtet ist; im Übrigen gilt Art. 55 Abs. 2 bis 4 VwVG. BGE 129 V 370 S. 372 Die aufschiebende Wirkung bedeutet, dass die in der Verfügung angeordnete Rechtsfolge vorläufig nicht eintritt, sondern gehemmt wird. Der tatsächliche und rechtliche Zustand der Beschwerdeangelegenheit soll einstweilen erhalten bleiben (KÖLZ/HÄNER, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, Rz 647; ZIMMERLI/KÄLIN/KIENER, Grundlagen des öffentlichen Verfahrensrechts, Bern 1997, S. 138; GEROLD ZOLLIKOFER, Aufschiebende Wirkung und vorsorgliche Massnahmen im Verwaltungsrechtspflegeverfahren des Bundes und des Kantons Aargau, Diss. Zürich 1980, S. 10). Der Entzug des Suspensiveffektes, als Ausnahme zur aufschiebenden Wirkung (KÖLZ/HÄNER, a.a.O., Rz 650), bedeutet dagegen, dass die angefochtene Verfügung sofort vollstreckt werden kann ( BGE 124 V 88 Erw. 6a mit Hinweisen; MERKLI/AESCHLIMANN/HERZOG, Kommentar zum Gesetz vom 23. Mai 1989 über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons Bern, Bern 1997, N 15 f. zu Art. 68 VRPG). 3. 3.1 Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, der Anspruch auf eine Entschädigung wegen Hilflosigkeit mittleren Grades bestehe statt bis Ende April 1996 (1. Revisionsverfügung vom 5. März 1996) schon aus formellen Gründen bis Ende Dezember 1999, nämlich in Anwendung von Art. 88bis Abs. 2 lit. a IVV bis zu dem der Zustellung der zweiten Revisionsverfügung vom 16. November 1999 folgenden Monat. Mit dem ersten Entscheid des kantonalen Gerichts seien die Verfügung vom 5. März 1996 und damit auch der Entzug des Suspensiveffekts der Beschwerde vollständig aufgehoben worden. Erst mit der zweiten Revisionsverfügung vom 16. November 1999 sei der Anspruch auf die Hilflosenentschädigung verneint worden. Die Einstellung der Leistung wirke daher erst ab Ende Dezember 1999 ( Art. 88bis Abs. 2 lit. a IVV ). 3.2 Nach der mit BGE 106 V 18 begründeten Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts erscheint es - unter Vorbehalt einer allfällig missbräuchlichen Provozierung eines möglichst frühen Revisionszeitpunktes durch die Verwaltung - als geboten, den mit der revisionsweise verfügten Herabsetzung oder Aufhebung einer Rente oder Hilflosenentschädigung verbundenen Entzug der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde bei Rückweisung der Sache an die Verwaltung auch noch für den Zeitraum dieses Abklärungsverfahrens bis zum Erlass der neuen Verwaltungsverfügung andauern zu lassen. Diese Rechtsprechung ist in ZAK 1987 S. 263 bestätigt worden. Sie ist auch im Falle eines in einem BGE 129 V 370 S. 373 Wiedererwägungsverfahren ergangenen Rückweisungsentscheides anwendbar (nicht veröffentlichtes Urteil M. vom 15. Juli 1987, I 530/86). Nach Auffassung der Beschwerdeführerin ist die Rechtsprechung gemäss BGE 106 V 18 zu ändern. Damit stellt sich die Rechtsfrage, ob im Revisionsverfahren nach Art. 41 IVG im Falle erst- oder letztinstanzlicher richterlicher Rückweisung der Sache an die Verwaltung zu näherer Abklärung und neuer Verfügung die allfällige Herabsetzung der Leistung im Sinne von Art. 88bis Abs. 2 lit. a IVV auf die ursprüngliche (hier: 5. März 1996) oder auf die neue Kassenverfügung (hier: 16. November 1999) zu beziehen ist, wenn der Beschwerde durch die Verwaltung der Suspensiveffekt entzogen worden ist. Diese Frage prüft das Eidgenössische Versicherungsgericht mit voller Kognition (AHI 2000 S. 182 Erw. 2b). 3.3 Sprechen keine entscheidenden Gründe zu Gunsten einer Praxisänderung, ist die bisherige Praxis beizubehalten. Gegenüber dem Postulat der Rechtssicherheit lässt sich eine Praxisänderung grundsätzlich nur begründen, wenn die neue Lösung besserer Erkenntnis der ratio legis, veränderten äusseren Verhältnissen oder gewandelten Rechtsanschauungen entspricht. Nach der Rechtsprechung ist eine bisherige Praxis zu ändern, wenn sie als unrichtig erkannt oder wenn deren Verschärfung wegen veränderter Verhältnisse oder zufolge zunehmender Missbräuche für zweckmässig gehalten wird ( BGE 127 V 273 Erw. 4a, 355 Erw. 3a, BGE 126 V 40 Erw. 5a; zu Art. 4 Abs. 1 aBV ergangene, weiterhin geltende Rechtsprechung: BGE 125 I 471 Erw. 4a, BGE 124 V 124 Erw. 6a, 387 Erw. 4c, je mit Hinweisen). 3.4 Im vorliegenden Zusammenhang haben sich seit Erlass der erwähnten Urteile weder die äusseren Verhältnisse verändert noch die allgemeinen Rechtsanschauungen gewandelt. Fraglich und zu prüfen ist daher, ob die von der Beschwerdeführerin angestrebte Lösung besserer Erkenntnis der ratio legis entspricht als die bisherige Rechtsprechung. 4. 4.1 Gemäss der Begründung von BGE 106 V 18 wird bei rein formaler Betrachtungsweise im Falle der Rückweisung der Sache an die Verwaltung zu ergänzender Abklärung und neuer Revisionsverfügung die angefochtene Revisionsverfügung aufgehoben. Gleichzeitig fällt der sinngemäss oder ausdrücklich verfügte Entzug der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde mit dem Rückweisungsurteil der Beschwerdeinstanz dahin. Demnach würde die ursprüngliche, rechtskräftige Leistungsverfügung ihre Wirkungen BGE 129 V 370 S. 374 einstweilen weiter entfalten. Die gewährte Rente oder Hilflosenentschädigung müsste also beispielsweise selbst dann bis zu der nach den Abklärungen der Verwaltung zu erlassenden neuen Verfügung ausgerichtet werden, wenn diese die ursprüngliche, im Beschwerdeverfahren aufgehobene Revisionsverfügung bestätigt, mit welcher die Rente oder die Hilflosenentschädigung herabgesetzt oder aufgehoben worden ist. 4.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, es sei aus Gründen der Rechtssicherheit und im Sinne der Koordination zum allgemeinen Bundesverwaltungsrecht (Hinweis auf ZIMMERLI/KÄLIN/KIENER, a.a.O., S. 141) die unterschiedliche Praxis im Sozialversicherungsrecht aufzugeben. Zudem schliesse sie sich der von FRANZ SCHLAURI geäusserten Kritik an. Dieser Autor (Die vorsorgliche Einstellung von Dauerleistungen in der Sozialversicherung, in: SCHAFFHAUSER/SCHLAURI, [Hrsg.], Die Revision von Dauerleistungen der Sozialversicherung, St. Gallen 1999, S. 205 ff.) hält zu BGE 106 V 18 im Wesentlichen fest, der Verwaltung stehe das Instrument des vorsorglichen Leistungsstopps zur Verfügung. Deshalb habe sich der Richter nicht um die Erhaltung der Effekte des Entzugs der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde aus einem erledigten Verfahren zu kümmern. Es habe Folgendes zu gelten (a.a.O., S. 206): "Wird eine Revision durch Entzug der aufschiebenden Wirkung als gleichzeitig angeordnete vorsorgliche Massnahme sofort vollstreckbar und handelt es sich um eine definitive Revisionsverfügung, so ist bis zum Endentscheid erster oder zweiter Gerichtsinstanz der Rentenstopp gewährleistet. Will ihn die Verwaltung nach der Rückweisung der Sache aufrechterhalten, so steht ihr vor dem Erlass einer neuen Revisionsverfügung die vorsorgliche Massnahme des vorläufigen Rentenstopps zur Verfügung. In diese Sache hat sich der Richter erst wieder auf Rekurs gegen diese neue, positive vorsorgliche Massnahme einzumischen. Seine eigene Bestätigung des vorläufigen Rentenstopps während des Revisionsprozesses soll ohne Not nicht über den Zeitraum des Gerichtsverfahrens hinaus Wirkung entfalten". In diese Kritik stimmt auch UELI KIESER (Das Verwaltungsverfahren in der Sozialversicherung, Zürich 1999, S. 195 Fussnote 1072) ein, weil die Rechtsprechung ausser Acht lasse, dass die Notwendigkeit einer erneuten Abklärung in der Regel nicht auf das Verhalten des Versicherten zurückgehe, sondern vom Verwaltungsträger zu verantworten sei. Andere Autoren, welche die Rechtsprechung gemäss BGE 106 V 18 darstellen, äussern sich nicht näher (z.B. THOMAS LOCHER, Grundriss des Sozialversicherungsrechts, 2. Aufl., Bern 1997, S. 374 N 18; GUSTAVO SCARTAZZINI, Zum Institut BGE 129 V 370 S. 375 der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde in der Sozialversicherungsrechtspflege, in: SZS 1993 S. 339 f.). 4.3 Es trifft zu, dass der mit dem Entzug der aufschiebenden Wirkung verbundene vorläufige Zustand mit dem instanzabschliessenden Entscheid ohne weiteres dahinfällt (GYGI, Aufschiebende Wirkung und vorsorgliche Massnahmen in der Verwaltungsrechtspflege, in: ZBl 1976 S. 11; SCARTAZZINI, a.a.O., S. 339; ZIMMERLI/KÄLIN/KIENER, a.a.O., S. 141). Dieses Prinzip hat das Eidgenössische Versicherungsgericht mit BGE 106 V 18 bewusst durchbrochen. Es hat sich zu den zeitlichen Auswirkungen des Suspensiveffekts einer Beschwerde, wenn diese abgewiesen wird, in BGE 112 V 74 generell geäussert (vgl. auch GEROLD STEINMANN, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsbeschwerdeverfahren und im Verwaltungsgerichtsverfahren, in: ZBl 1993 S. 149). Danach ist in den meisten Fällen eine rückwirkende Aufhebung des Suspensiveffekts anzunehmen. Die damit verbundene formale, aber dogmatisch korrekte Betrachtungsweise führt indessen im Verfahren der Revision von Sozialversicherungsleistungen zu einem sachlich unbefriedigenden Resultat ( BGE 106 V 20 Erw. 3 Ingress in fine), weil sie ausser Acht lässt, dass dieses Revisionsverfahren bei einer Rückweisung des Falles an die Verwaltung zu näherer Abklärung und neuem Entscheid materiell noch nicht abgeschlossen ist. Die mit dem Wegfall des Entzugs der aufschiebenden Wirkung verbundenen Rechtsfolgen treten zum Vornherein nicht ein, wenn die Beschwerdeinstanz die noch notwendigen Abklärungen selber vornimmt und je nach deren Ergebnis die angefochtene Revisionsverfügung bestätigt oder korrigiert. Damit stossende Ungleichheiten vermieden werden, darf es keinen Unterschied ausmachen, ob die Beschwerdeinstanz oder die Verwaltung die ergänzenden Abklärungen vornimmt und neu entscheidet. Auch diesbezüglich ist BGE 106 V 20 Erw. 3a zu bestätigen. Der Entscheid entspricht heute ebenso der ratio legis wie beim Erlass dieses Urteils. Bestätigt die Verwaltung nach Durchführung der von der Beschwerdeinstanz angeordneten Abklärung die angefochtene und aufgehobene Revisionsverfügung, so wäre, falls die Leistung im Sinne der ursprünglichen Verfügung weiter gewährt wurde, eine Rückforderung gemäss Art. 49 IVG (in Verbindung mit Art. 47 AHVG ) vielfach erschwert oder gar verunmöglicht (vgl. dazu AHI 2000 S. 184 Erw. 5). Ergeben dagegen die durch die Verwaltung durchgeführten Abklärungen die Unrichtigkeit der angefochtenen Revisionsverfügung, so muss die Nachzahlung der Leistung verfügt BGE 129 V 370 S. 376 werden. Auch diese Betrachtungsweise ( BGE 106 V 20 Erw. 3b) führt zur Bestätigung der bisherigen Praxis, weil der Versicherte in der Regel keinen Schaden erleidet (vgl. nunmehr auch die in Art. 26 Abs. 2 ATSG vorgesehene Verzugszinspflicht). Dazu kommt, dass gegen den Entzug der aufschiebenden Wirkung der Beschwerdeweg offen steht ( Art. 81 IVG und Art. 97 Abs. 2 AHVG in Verbindung mit Art. 55 Abs. 3 VwVG sowie Art. 54 Abs. 1 lit. b und Art. 55 Abs. 2 ATSG ; AHI 2000 S. 181), womit der erforderliche Rechtsschutz gewährleistet ist ( BGE 106 V 21 Erw. 3d). Die Kritik von SCHLAURI (a.a.O., S. 205) richtet sich denn auch entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht gegen das, wie er sagt, vernünftige praktische Ergebnis, sondern gegen die Begründung von BGE 106 V 18 . Den Einwänden von KIESER (a.a.O.) ist teilweise bereits Rechnung getragen worden. Die Rechtsprechung gemäss BGE 106 V 18 ist nämlich auch dann anzuwenden, wenn die Revisionsverfügung zwar nicht aus materiellen, jedoch aus formellen Gründen aufgehoben und deshalb die Sache an die Verwaltung zurückgewiesen wird (nicht veröffentlichtes Urteil G. vom 26. Januar 1996, I 351/95). Indessen hat das kantonale Gericht die in der Revisionsverfügung entzogene aufschiebende Wirkung der Beschwerde für den Zeitraum wieder herzustellen, den das Verfügungsverfahren in Anspruch genommen hätte, wenn es formell korrekt durchgeführt worden wäre (nicht veröffentlichtes Urteil St. vom 1. Dezember 1999, I 633/98). Schliesslich ist noch darauf hinzuweisen, dass auch mit Blick auf das Inkrafttreten des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 keine Änderung der Rechtsprechung angezeigt ist. Art. 56 ATSG enthält keine Regelung zu einer allfälligen aufschiebenden Wirkung der Beschwerde (KIESER, ATSG-Kommentar, Zürich 2003, N 16 zu Art. 56 mit Hinweisen auf die Materialien). 4.4 Fragen könnte man sich, ob in Anlehnung an die Praxis des Bundesrates (VPB 42 [1978] Nr. 94 S. 419, 40 [1976] Nr. 21 S. 97 Erw. 11; PETER SCHMID, Die Verwaltungsbeschwerde an den Bundesrat, Diss. Bern 1996, S. 206) die angefochtene Verwaltungsverfügung im Sinne einer vorsorglichen Massnahme der Beschwerdeinstanz provisorisch aufrechterhalten wird. Nach der Konzeption von SCHLAURI (a.a.O., S. 205) ist es Sache der Verwaltung, nach einem Rückweisungsurteil vor dem Erlass der neuen Revisionsverfügung im Sinne einer vorsorglichen Massnahme einen Rentenstopp zu verfügen, wenn sie den Entzug des Suspensiveffekts weiter dauern lassen möchte. In diesem Zusammenhang ist auch an BGE 129 V 370 S. 377 negative und damit der aufschiebenden Wirkung nicht zugängliche Verfügungen zu denken (dazu BGE 126 V 407 ), wie beispielsweise wenn ein Anspruch durch Zeitablauf erloschen ist (Erschöpfen der Taggeldberechtigung nach aKUVG, RSKV 1982 Nr. K 472 S. 19 Erw. 3), wenn ein Anspruch auf Leistungen von Anfang an zeitlich begrenzt war ( BGE 123 V 39 ) oder wenn rückwirkend über die Anspruchsvoraussetzungen entschieden wird ( BGE 126 V 409 unten mit Hinweis auf eine nicht veröffentlichte Präsidialverfügung T. vom 11. Mai 2000, in welcher nach längerer Physiotherapiebehandlung die für weitere Leistungen vorausgesetzte Wirtschaftlichkeit verneint wurde und daher die Leistungen eingestellt wurden). Invalidenrenten werden in der Regel unbefristet zugesprochen, unterliegen aber einer regelmässigen Revision ( Art. 87 Abs. 2 IVV ), die alle drei bis fünf Jahre durchzuführen ist (Rz 5008 des Kreisschreibens des BSV über Invalidität und Hilflosigkeit in der Invalidenversicherung [KSIH]). Verfügungen, mit welchen Dauerleistungen herabgesetzt oder aufgehoben werden, gelten indessen trotz der regelmässigen Revisionsüberprüfung nach ständiger Rechtsprechung nicht als negative Verfügungen (vgl. BGE 105 V 266 , ferner AHI 2000 S. 181). Verfahrensrechtlich korrekt scheint die Lösung von SCHLAURI zu sein (in gleichem Sinne auch ISABELLE HÄNER, Vorsorgliche Massnahmen im Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, in: ZSR 1997, 2. Halbbd., S. 392 f. Rz 193), weil mit der Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsverfügung der Entzug der aufschiebenden Wirkung nicht mehr weiter gelten kann. Indessen haben weder Verwaltung noch Beschwerdeinstanz in der hier interessierenden Konstellation nach der Konzeption von BGE 106 V 18 ergänzende vorsorgliche Massnahmen zu treffen. Dafür sprechen namentlich verwaltungsökonomische Aspekte, die gerade für die Sozialversicherung als typische Massenverwaltung einiges Gewicht haben. Eine Änderung der Rechtsprechung drängt sich demnach nicht auf. 4.5 Aus dem Gesagten folgt, dass die Beschwerdeführerin die Hilflosenentschädigung nicht bereits aus formellen Gründen bis Ende Dezember 1999 beanspruchen kann.
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Erwägungen ab Seite 12 BGE 132 IV 12 S. 12 Aus den Erwägungen: I. Staatsrechtliche Beschwerde 1. 1.1 Das Obergericht geht von folgendem Sachverhalt aus: Der Beschwerdeführer X. war zum Tatzeitpunkt Mitglied des Verwaltungsrates und als Direktor Mitglied der Konzernleitung der A.-Holding. Innerhalb des Verwaltungsrates war er Finanzchef der A.-Gruppe. Zudem fungierte er als Geschäftsführer a.i. der A.-Leasing und Finanzierungs AG und war Direktor der BGE 132 IV 12 S. 13 A.-Finanz AG, zweier Tochtergesellschaften der A.-Holding. Verwaltungsratspräsident der A.-Holding war der ebenfalls angeklagte Y. Mit Vertrag vom 25. Juli 1991 gewährte die A.-Finanz AG der B.-Holding, deren Hauptaktionär und Verwaltungsratspräsident Y. war, ein Darlehen über den Betrag von Fr. 12 Mio. für eine Laufzeit von drei Monaten. Der Vertrag wurde seitens der A.-Finanz AG u.a. vom Beschwerdeführer und seitens der B.-Holding u.a. von Y. unterzeichnet. Das Darlehen wurde nach mehrmaliger Verlängerung auf Drängen von S., Verwaltungsratsmitglied der A.-Holding, und der Revisionsstelle schliesslich auf den 31. März 1992 zurückbezahlt, so dass es am Bilanzstichtag in den Büchern der A.-Gruppe nicht mehr existierte. Für die Rückzahlung des Darlehens gewährte die D.-Bank der B.-Holding einen Festgeldvorschuss in der Höhe von Fr. 12 Mio. bis zum 30. April 1992. Sie eröffnete hiezu für die A.-Holding ein Festgeldkonto und schrieb diesem Konto die Fr. 12 Mio. direkt gut. Die A.-Holding nahm dabei den Betrag von Fr. 12 Mio. als Treuhänderin in eigenem Namen für ihre Tochtergesellschaft A.-Finanz AG entgegen. Diese Festgeldanlage sollte der D.-Bank von der A.-Holding gleichzeitig als Sicherheit für ihren Kredit an die B.-Holding verpfändet werden, was in Wirklichkeit indes nicht rechtsgültig geschah. In der Folge wurden Ende Mai 1992 von der A.-Finanz AG zugunsten der B.-Holding zwei neue Darlehensverträge über DM 5 Mio. und Fr. 7,5 Mio. erstellt. Der Darlehensbetrag von Fr. 12 Mio. wurde gestützt auf einen Vergütungsauftrag der A.-Holding vom 28. Mai 1992 am folgenden Tag vom Festgeldkonto bei der D.-Bank auf das Konto der B.-Holding überwiesen. Durch dieses Vorgehen war wirtschaftlich gesehen der Zustand vor der Rückzahlung des Darlehens per 31. März 1992 wieder hergestellt. Das neue Darlehen musste per 31. Dezember 1992 nach ebenfalls mehrmaliger Verlängerung bei der A.-Holding im vollen Betrag wertberichtigt werden. 1.2 Die Anklage wirft dem Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang Falschbeurkundung in Bezug auf die kaufmännische Buchführung vor. Er habe es unterlassen, die (vermeintliche) Verpfändung der Festgeldanlage der A.-Holding bei der D.-Bank als Sicherheit zugunsten des Darlehens der D.-Bank an die B.-Holding in den Jahresrechnungen der A.-Finanz AG und der A.-Holding sowie in der konsolidierten Konzernrechnung entsprechend BGE 132 IV 12 S. 14 Art. 670 Abs. 1 aOR als Eventualverpflichtung auszuweisen. Darüber hinaus hätte angesichts der schlechten finanziellen Situation der B.-Holding, gleich wie wenn das Darlehen effektiv weiter bestanden hätte, eine Wertberichtigung bei der A.-Finanz AG vorgenommen und auch in der Konzernrechnung ein um Fr. 12 Mio. schlechteres Ergebnis ausgewiesen werden müssen. Schliesslich wäre im Jahresabschluss der A.-Holding eine Korrektur hinsichtlich der Beteiligung an der A.-Finanz AG vorzunehmen gewesen. Im Weiteren legt die Anklage dem Beschwerdeführer zur Last, er habe am 11. Mai 1992 bzw. am 4. September 1992 zuhanden der Kontrollstelle zwei inhaltlich unwahre Vollständigkeitserklärungen der A.-Finanz AG bzw. der A.-Holding betreffend den Abschluss per 31. März 1992 ausgestellt. Darin habe er wahrheitswidrig bestätigt, dass ausser den bilanzierten Passiven und den aufgeführten Eventualverpflichtungen keine weiteren Verbindlichkeiten bestünden und in der vorgelegten Buchhaltung alle das Geschäftsjahr 1991/1992 betreffenden buchungspflichtigen Geschäftsvorfälle enthalten seien. (...) II. Nichtigkeitsbeschwerde (...) 8. 8.1 Gemäss Art. 251 Ziff. 1 StGB macht sich der Urkundenfälschung schuldig, wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, eine Urkunde fälscht oder verfälscht, die echte Unterschrift oder das echte Handzeichen eines andern zur Herstellung einer unechten Urkunde benützt oder eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet oder beurkunden lässt. Die Tatbestände des Urkundenstrafrechts schützen das Vertrauen, welches im Rechtsverkehr einer Urkunde als einem Beweismittel entgegengebracht wird. Mittel zum Beweis kann nur sein, was generell geeignet ist, Beweis zu erbringen. Als Urkunden gelten deshalb unter anderem nur Schriften, die bestimmt und geeignet sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen ( Art. 110 Ziff. 5 Abs. 1 StGB ). Die Urkundenfälschung i.e.S. erfasst das Herstellen einer unechten Urkunde, deren wirklicher Aussteller mit dem aus ihr ersichtlichen Urheber nicht identisch ist. Demgegenüber betrifft die BGE 132 IV 12 S. 15 Falschbeurkundung die Errichtung einer echten, aber unwahren Urkunde, bei der also der wirkliche und der in der Urkunde enthaltene Sachverhalt nicht übereinstimmen. Die Falschbeurkundung erfordert eine qualifizierte schriftliche Lüge. Eine solche wird nach der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur angenommen, wenn der Urkunde eine erhöhte Glaubwürdigkeit zukommt und der Adressat ihr daher ein besonderes Vertrauen entgegenbringt. Dies ist der Fall, wenn allgemein gültige objektive Garantien die Wahrheit der Erklärung gegenüber Dritten gewährleisten, wie sie unter anderem in der Prüfungspflicht einer Urkundsperson oder in gesetzlichen Vorschriften wie etwa den Bilanzvorschriften der Art. 958 ff. OR liegen, die gerade den Inhalt bestimmter Schriftstücke näher festlegen. Blosse Erfahrungsregeln hinsichtlich der Glaubwürdigkeit irgendwelcher schriftlicher Äusserungen genügen dagegen nicht, mögen sie auch zur Folge haben, dass sich der Geschäftsverkehr in gewissem Umfang auf entsprechende Angaben verlässt ( BGE 117 IV 35 E. 1; zuletzt BGE 129 IV 130 E. 2.1 und BGE 128 IV 265 E. 1.1.1, je mit Hinweisen). Nach ständiger Rechtsprechung wird der kaufmännischen Buchführung und ihren Bestandteilen bezüglich der in ihnen aufgezeichneten wirtschaftlichen Sachverhalte kraft Gesetzes ( Art. 957 OR ) Wahrheitsgarantie zuerkannt (zuletzt BGE 129 IV 130 E. 2.2 mit Hinweisen). Die Buchhaltung muss ein genaues und vollständiges Bild der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage vermitteln. Dabei hat die Bilanz die Vermögensverhältnisse eines Unternehmens auf einen bestimmten Stichtag hin korrekt auszuweisen. Eine falsche Buchung erfüllt den Tatbestand der Falschbeurkundung, wenn sie ein falsches Gesamtbild der Buchführung zeichnet und dabei Buchungsvorschriften und -grundsätze verletzt, die errichtet worden sind, um die Wahrheit der Erklärung und damit die erhöhte Glaubwürdigkeit der Buchführung zu gewährleisten. Blosse Verstösse gegen zivilrechtliche Buchungsvorschriften genügen jedoch nicht. Solche Grundsätze werden namentlich in den gesetzlichen Bestimmungen über die ordnungsgemässe Rechnungslegung des Aktienrechts in Art. 662a ff. OR und in den Bilanzvorschriften in Art. 958 ff. OR aufgestellt, die den Inhalt bestimmter Schriftstücke näher festlegen ( BGE 129 IV 130 E. 2.3 mit Hinweisen). 8.2 Gemäss Art. 670 aOR sind Bürgschaften, Garantieverpflichtungen und Pfandbestellungen zugunsten Dritter in der Bilanz oder in einer Beilage je in einer Gesamtsumme aufzuführen (Abs. 1; BGE 132 IV 12 S. 16 vgl. Art. 663b Ziff. 1 OR ). Für Vermögenseinbussen, die hieraus zu erwarten sind, ist in der Bilanz durch Rücklagen (Rückstellungen) Deckung zu verschaffen (Abs. 2; vgl. Art. 669 Abs. 1 OR ). Ausweispflichtige Eventualverpflichtungen sind bedingte Verbindlichkeiten, die auf Verpflichtungen zugunsten Dritter gründen und denen bei Inanspruchnahme entsprechende Forderungen gegenüberstehen ( BGE 116 II 533 E. 2a/aa/aaa). 8.3 Die Vorinstanz geht zu Recht davon aus, die beabsichtigte Verpfändung der Festgeldforderung von Fr. 12 Mio. hätte gemäss Art. 670 Abs. 1 aOR als Eventualverpflichtung in der Jahresrechnung der A.-Finanz AG sowie in der konsolidierten Konzernrechnung ausgewiesen werden müssen. Zudem hätte angesichts der schlechten finanziellen Situation der B.-Holding, gleich wie wenn das Darlehen effektiv weiterbestanden hätte, bei der A.-Finanz AG eine Wertberichtigung vorgenommen werden müssen. Die Unterlassung dieser Buchungen ist, da die Jahresrechnung als Ganzes ein besseres Bild als in Wirklichkeit zeigte, als Falschbeurkundung zu qualifizieren (vgl. NIKLAUS SCHMID, Fragen der Falschbeurkundung bei Wirtschaftsdelikten, ZStrR 95/1978 S. 294 ff.). Was der Beschwerdeführer hiegegen einwendet, führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar trifft zu, dass die B.-Holding per 31. März 1992 das Darlehen an die A.-Finanz AG zurückbezahlt hat. Dies war ihr aber nur möglich, weil die D.-Bank ihr hiefür Kredit gewährte, für welchen die A.-Finanz AG Sicherheit leistete, was in Übereinstimmung mit der Vorinstanz bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Fortbestand des Darlehens zu würdigen ist. Damit wäre auch eine Wertberichtigung geboten gewesen. Es mag zwar zutreffen, dass Wertberichtigungen auf Eventualverpflichtungen oder anderen Verbindlichkeiten nicht vorgenommen werden können. Indes wirft dies die Vorinstanz dem Beschwerdeführer nicht vor. Sie legt ihm vielmehr zur Last, er habe die Eventualverpflichtung nicht im Anhang zur Jahresrechnung der A.-Holding und der A.-Finanz AG aufgeführt und habe auch keine Rückstellungen und Wertberichtigungen in der Bilanz vorgenommen. Die Wertberichtigungen beziehen sich somit nicht auf die Eventualverpflichtung. Vielmehr hätten ein Wertberichtigungsaufwand bei der A.-Finanz AG in der Erfolgsrechnung und auf der Passivseite der Bilanz ein Rückstellungskonto in der Höhe von Fr. 12 Mio. ausgewiesen werden müssen. Schliesslich trifft zu, dass die Vorinstanz ausführt, die Eventualverpflichtung hätte auch im Anhang zur BGE 132 IV 12 S. 17 Jahresrechnung der A.-Holding aufgeführt werden müssen. Insofern handelt es sich indes offensichtlich um ein Versehen, das gemäss Art. 277 bis Abs. 1 BStP von Amtes wegen berichtigt werden kann. Denn gemäss der Anklageschrift wird dem Beschwerdeführer lediglich vorgeworfen, er hätte die Eventualverpflichtung abgesehen von der Jahresrechnung der A.-Finanz AG auch in derjenigen des Konzerns ausweisen müssen. Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als unbegründet. 9. 9.1 Der Beschwerdeführer macht hinsichtlich der beiden von ihm ausgestellten Vollständigkeitserklärungen zuhanden der Kontrollstelle vom 11. Mai 1992 und vom 4. September 1992 geltend, den Schriften komme angesichts ihrer beschränkten inhaltlichen Bedeutung keine erhöhte Glaubwürdigkeit zu. Dies ergebe sich daraus, dass das Ergebnis der Abschlussprüfung nicht geschmälert werde, wenn eine Vollständigkeitserklärung fehle oder explizit verweigert werde. Umgekehrt könne daher auch nicht angenommen werden, die Erklärung vermöge die Vollständigkeit der an die Revisionsstelle weitergeleiteten Informationen zu beweisen. Dies gelte im vorliegenden Fall besonders hinsichtlich der für die A.-Holding am 4. September 1992 abgegebenen Erklärung. Die Prüfungsberichte der Revisionsstelle an die Generalversammlung datierten vom 3. Juli 1992, so dass die Revisionsstelle der Vollständigkeitserklärung offensichtlich keinerlei Gewicht beigemessen habe. 9.2 Die Vorinstanz nimmt an, der Vollständigkeitserklärung komme aufgrund der besonders vertrauenswürdigen und garantenähnlichen Stellung des Verwaltungsrates als Aussteller sowie aufgrund des Umstandes, dass dieser damit Verantwortung für die Vollständigkeit der Auskünfte übernehme, erhöhte Überzeugungskraft zu. Es sei der Revisionsstelle praktisch nicht möglich, alle Geschäftsvorgänge einer Gesellschaft zu kontrollieren, weshalb sie sich auch auf diese Äusserungen des Verwaltungsrates verlassen können müsse. Für die Urkundenqualität sei auch nicht entscheidend, ob die Erklärung erst nach der Erstellung der Jahres- oder Konzernrechnung abgegeben werde. Denn die Prüfungsarbeiten der Revisionsstelle gälten erst mit Abschluss ihres Berichts, in einem weiteren Sinne sogar erst nach Beschlussfassung der Generalversammlung über die Genehmigung der Jahresrechnung als beendet. Nach der Vornahme der eigentlichen Prüfungshandlungen sei die Abschlussprüfung daher noch nicht abgeschlossen. BGE 132 IV 12 S. 18 9.3 9.3.1 Die Vollständigkeits- oder Bilanzerklärung steht im Zusammenhang mit der Auskunftspflicht des Verwaltungsrates gegenüber der Revisionsstelle (Art. 728 Abs. 2 aOR; vgl. Art. 728 Abs. 2 OR ). In ihr bestätigt der Verwaltungsrat zuhanden der Revisionsstelle, dass in den Büchern alle buchungspflichtigen Geschäftsvorfälle erfasst und alle bilanzierungspflichtigen Vermögenswerte und Verpflichtungen berücksichtigt sind sowie allen bilanzierungspflichtigen Risiken und Werteinbussen Rechnung getragen worden ist. Die Erklärung dient der Abgrenzung der Verantwortlichkeiten, indem sie klar stellt, dass Verwaltungsrat oder Geschäftsleitung des Unternehmens die Verantwortung für die Vollständigkeit der Auskünfte tragen. Im Weiteren dient sie der Erfassung von Vorgängen, die sich nicht in der Jahresrechnung niederschlagen. Gleichzeitig bezweckt sie den Schutz der Revisionsstelle vor Haftung. Die Vollständigkeitserklärung ersetzt die Prüfungshandlungen indes nicht (ROLF WATTER, Basler Kommentar, OR II, 2. Aufl., Basel 2002, N. 25 zu Art. 728 OR ; Schweizer Handbuch der Wirtschaftsprüfung 1998, Bd. 2, N. 3.264 S. 157 f.; Grundsätze zur Abschlussprüfung [GzA], Treuhand-Kammer, Ausgabe 2001, Nr. 7; PETER BÖCKLI, Neuerungen im Verantwortlichkeitsrecht für die Revisionsstelle, Zürich 1994, S. 47 f.; GIORGIO BEHR/ARTHUR BUCK, Die Bilanzerklärung, in: Schweizer Treuhänder 1976, Nr. 10 S. 26 ff.). 9.3.2 Das Bundesgericht hat der Vollständigkeitserklärung in einem früheren Entscheid erhöhte Überzeugungskraft und eine besondere Funktion zuerkannt. Die fragliche Erklärung sei nicht einfach eine schriftliche Behauptung, sondern ein Dokument, mit dem die Vollständigkeit der Buchhaltung bewiesen werden solle und bewiesen werden könne. Die Revisionsstelle habe in der Regel keine Möglichkeit zu überprüfen, ob die Vollständigkeitserklärung richtig sei, sondern müsse sich auf die verbindliche Äusserung der massgebenden Angestellten und Organe der Aktiengesellschaft verlassen ( BGE 105 IV 189 E. 2d S. 193 f.). 9.3.3 Diese Rechtsprechung hält einer Überprüfung im Lichte der neueren Praxis zur Falschbeurkundung (seit BGE 117 IV 35 ) nicht stand. Dies ergibt sich in erster Linie daraus, dass die Vollständigkeitserklärung gesetzlich nicht als Bestandteil der kaufmännischen BGE 132 IV 12 S. 19 Buchführung vorgeschrieben ist und ihr von daher keine erhöhte Glaubwürdigkeit in Bezug auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Buchhaltung zukommt (vgl. schon MAX LEBEDKIN, Bilanzerklärung als Urkunde?, SJZ 77/1981 S. 75). Dass sie in der Praxis dennoch von der Revisionsstelle regelmässig vom Verwaltungsrat einverlangt wird, ändert daran nichts (PETER BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 3. Aufl., Zürich 2004, § 15 N. 142; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/ NOBEL, Schweizerisches Aktienrecht, Bern 1996, § 33 N. 29 f.; vgl. auch Botschaft zur Änderung des Obligationenrechts [Revisionspflicht im Gesellschaftsrecht] sowie zum BG über die Zulassung und Beaufsichtigung der Revisorinnen und Revisoren vom 23. Juni 2004, BBl 2004 S. 4031 [ad Art. 730b Abs. 1 OR ]). Eine erhöhte Glaubwürdigkeit kommt der Vollständigkeitserklärung aber auch aufgrund ihrer Funktion nicht zu. Dies gilt im besonderen Masse, soweit die Schrift der Entlastung der Revisionsstelle in einem allfälligen Verantwortlichkeitsprozess dient. Eine besondere Garantie für die Wahrheit lässt sich auch nicht aus der besonders vertrauenswürdigen Stellung des Verwaltungsrates ableiten, denn eine solche kommt ihm im Verhältnis zur Revisionsstelle nicht zu. Denn die Vollständigkeitserklärung ist nicht nur Grundlage, sondern auch Objekt der Prüfungsarbeit (BÖCKLI, a.a.O., S. 48). Der Prüfer darf sich denn auch nicht auf sie verlassen, sondern muss, wenn er begründete Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der Bestätigungen hat, die erforderlichen zusätzlichen Prüfungen vornehmen (Schweizer Handbuch der Wirtschaftsprüfung 1998, Bd. 2, N. 3.2642 S. 157 f.). Ausserdem hindert das Fehlen der Vollständigkeitserklärung die Prüfung nicht, sondern führt höchstens zu einer Anmerkung im Abschlussbericht (Grundsätze zur Abschlussprüfung [GzA] Nr. 7 Ziff. 3.6 und 4.5). Auch wenn somit die Vollständigkeitserklärung als zusätzliche, zusammenfassende und bekräftigende Erklärung der Richtigkeit der Buchhaltung im Rahmen der gesetzlichen Wahrheitspflicht des Buchführenden gegenüber der Revisionsstelle abgegeben wird (so NIKLAUS SCHMID, Fragen der Falschbeurkundung bei Wirtschaftsdelikten, ZStrR 95/1978 S. 309 f.), unterscheidet sie sich doch erheblich von der Buchführung und auch von der Revision selbst. Die Buchführung dient in erster Linie der Selbstinformation des Unternehmens und damit der Förderung der Interessen der Betriebsangehörigen. Ausserdem bildet sie eine wichtige Voraussetzung für die Ausübung verschiedener Schutzrechte durch die Gesellschafter. BGE 132 IV 12 S. 20 Dem Revisionsbericht kommt besondere Bedeutung zu, weil die Revisionsstelle den Eigenkapitalgebern nicht zustehende Einsichts- und Kontrollrechte in finanziellen Belangen ersetzt. Sowohl Rechnungslegung als auch Rechnungsprüfung dienen schliesslich auch dem Schutz der Gläubiger und stellen in dieser Hinsicht Korrelate zum Fehlen der persönlichen Haftung der Gesellschafter dar ( BGE 122 IV 25 E. 2b; Botschaft, BBl 2004 S. 3975 f.). Aus diesen Gründen wird beiden Instituten erhöhte Glaubwürdigkeit zuerkannt. Demgegenüber erschöpft sich die Vollständigkeitserklärung in einer von der zuständigen Instanz gegenüber der Revisionsstelle abgegebenen Behauptung, der im Falle der Unwahrheit lediglich der Charakter einer schriftlichen Lüge zukommt. Die Vollständigkeitserklärung erlangt daher gegenüber der Buchführung selbst keine eigenständige Bedeutung. Sind sowohl die kaufmännische Buchführung wie die Vollständigkeitserklärung inhaltlich unrichtig, erfolgt somit lediglich ein Schuldspruch wegen Falschbeurkundung in Bezug auf die Buchführung. Dass der Beschwerdeführer zwei unrichtige Vollständigkeitserklärungen abgegeben hat, erfüllt für sich allein somit den Tatbestand der Falschbeurkundung nicht. Der Schuldspruch der mehrfachen versuchten Falschbeurkundung verletzt daher in diesem Punkt Bundesrecht. Die Beschwerde erweist sich insoweit als begründet.
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Sachverhalt ab Seite 231 BGE 141 IV 231 S. 231 A. A. stellte am 13. August 2012 bei der Kantonspolizei Aargau Strafantrag gegen X. wegen Tätlichkeiten, konstituierte sich als Strafklägerin und verlangte, zu Einvernahmen und Beweiserhebungen vorgeladen zu werden. Die Staatsanwaltschaft Baden verurteilte X. mit Strafbefehl vom 18. September 2012 wegen Tätlichkeiten zu einer Busse von 100.-. B. A., nun anwaltlich vertreten, erhob gegen den Strafbefehl am 28. September 2012 Einsprache im Schuld-, Straf- und Kostenpunkt. Die Staatsanwaltschaft überwies am 2. Oktober 2012 die Einsprache samt Akten mit dem Antrag auf Verurteilung gemäss Strafbefehl zur Durchführung des Hauptverfahrens an das Bezirksgericht Baden. Dieses verurteilte X. am 22. November 2013 wegen Tätlichkeiten zu einer Busse von Fr. 100.-. Es auferlegte die Verfahrenskosten von Fr. 1'812.- X. und A. je zur Hälfte sowie Letzterer die Kosten für die schriftliche Begründung von Fr. 45.-. BGE 141 IV 231 S. 232 Das Obergericht des Kantons Aargau wies am 6. Januar 2015 die Berufung von A. im Kosten- und Entschädigungspunkt ab und trat in der Sache nicht darauf ein. Es hob das Urteil des Bezirksgerichts Baden vom 22. November 2013 auf und fasste es von Amtes wegen neu. Danach wurde auf die Einsprache vom 28. September 2012 gegen den Strafbefehl vom 18. September 2012 nicht eingetreten. Die hälftigen Verfahrenskosten und die Kosten für die schriftliche Begründung wurden A. auferlegt, die restlichen Kosten auf die Staatskasse genommen. Die obergerichtlichen Verfahrenskosten von Fr. 1'015.- auferlegte das Obergericht A. und verpflichtete diese, X. eine Entschädigung von Fr. 978.90 auszurichten. C. A. beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das obergerichtliche Urteil sei aufzuheben und die Sache zur materiellen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen, verbunden mit der Anordnung, eine mündliche Berufungsverhandlung durchzuführen. Sie ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. D. Während das Obergericht sowie die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau auf eine Stellungnahme verzichten, lässt sich X. vernehmen und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit es darauf eintritt.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.3 Nach Art. 354 Abs. 1 StPO sind zur Einsprache gegen einen Strafbefehl namentlich die beschuldigte Person (lit. a) und weitere Betroffene (lit. b) legitimiert. Ein generelles Einspracherecht der Privatklägerschaft ergibt sich aus der Strafprozessordnung nicht. Während die Einsprachemöglichkeit der Privatklägerschaft in Art. 358 Abs. 1 lit. b des Entwurfs vom 21. Oktober 2005 zur Strafprozessordnung (E-StPO; BBl 2006 1389) noch vorgesehen war, wurde sie vom Parlament gestrichen. Die Kommission des Ständerats begründete ihren entsprechenden Antrag mit der angestrebten Verbesserung der Effizienz des Strafbefehlsverfahrens (AB 2006 S 984). Der Bundesrat schloss sich dem Änderungsvorschlag anlässlich der parlamentarischen Beratung mit der Begründung an, die Einsprachemöglichkeit der Privatklägerschaft sei nicht gerechtfertigt, da in Strafbefehlen nicht über Zivilforderungen entschieden werde und nie ein Freispruch erfolge, weshalb sie gar kein Interesse an einer Einsprache haben könne (AB 2006 S 1050). Der Nationalrat stimmte dem BGE 141 IV 231 S. 233 Beschluss des Ständerats zu (AB 2007 N 1024). Dies schliesst nach Rechtsprechung und Lehre jedoch grundsätzlich nicht aus, dass die Privatklägerschaft gestützt auf die Generalklausel von Art. 354 Abs. 1 lit. b StPO dennoch zur Einsprache legitimiert ist, wenn sie ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des Strafbefehls hat (Urteil 4D_62/2013 vom 16. Dezember 2013 E. 2.1; siehe auch BGE 138 IV 241 E. 2.6 S. 246 mit Hinweisen; JEANNERET/KUHN, Précis de procédure pénale, 2013, N. 17021; NIKLAUS SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung [StPO], Praxiskommentar [nachfolgend: Praxiskommentar], 2. Aufl. 2013, N. 6 zu Art. 354 StPO ; derselbe , Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts [nachfolgend: Handbuch], 2. Aufl. 2013, § 84 Rz. 1362 Fn. 44; CHRISTIAN SCHWARZENEGGER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Donatsch/Hansjakob/Lieber[Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 5 zu Art. 354 StPO ; FALLER/REYMOND, Le règlement d'une affaire par la voie de l'ordonnance pénale, Jusletter vom 13. Februar 2012 Rz. 15; RIEDO/FIOLKA, Der Strafbefehl: Netter Vorschlag oder ernste Drohung?, forumpoenale 2011 S. 159). So ist die Privatklägerschaft nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung etwa zur Einsprache legitimiert, wenn ihr in Verletzung von Art. 433 StPO im Strafbefehl keine Parteientschädigung zugesprochen wurde ( BGE 139 IV 102 E. 5.2 S. 109 f. mit Hinweisen). 2.4 Vorliegend wendete sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Einsprache in erster Linie gegen die rechtliche Qualifikation des Sachverhalts als Tätlichkeiten anstatt als einfache Körperverletzung. Das Bundesgericht hat sich bisher nicht zur Frage geäussert, ob die Privatklägerschaft, die sich lediglich als Strafklägerin konstituiert und im Strafverfahren keine Zivilansprüche geltend macht, als weitere Betroffene im Schuldpunkt zur Einsprache gegen einen Strafbefehl legitimiert ist. Es stellt sich folglich die Frage, ob sie durch die allenfalls zu milde rechtliche Qualifikation in ihren rechtlich geschützten Interessen betroffen ist. Die Mehrheit der Lehre vertritt die Ansicht, dass die Privatklägerschaft im Schuldpunkt zur Einsprache berechtigt ist, soweit sie eine mögliche Auswirkung der zu milden rechtlichen Qualifikation auf ihre Zivilforderungen, insbesondere die Höhe der Genugtuung, darlegen kann (vgl. GILLIÉRON/KILLIAS, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, N. 3 zu Art. 354 StPO ; MOREILLON/PAREIN-REYMOND, CPP, Code de procédure pénale, 2013, N. 9 ff. zu Art. 354 StPO ; FRANZ RIKLIN, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 11 zu Art. 354 StPO ; SCHWARZENEGGER, a.a.O., N. 5 zu BGE 141 IV 231 S. 234 Art. 354 StPO ; JEANNERET/KUHN, a.a.O., N. 17021; MICHAEL DAPHINOFF, Das Strafbefehlsverfahren in der Schweizerischen Strafprozessordnung, 2012, S. 584 f.; MARC THOMMEN, Kurzer Prozess - fairer Prozess?, 2013, S. 112). Gemäss THOMMEN hat die Privatklägerschaft einen persönlichkeitsrechtlichen Anspruch auf Feststellung des angetanen Unrechts, weshalb sie unabhängig von Auswirkungen der rechtlichen Qualifikation auf ihre Zivilforderungen einspracheberechtigt sei. Systematisch ergebe sich die Einspracheberechtigung der Privatklägerschaft auch aus dem Parteibegriff. Als vollwertige Partei geniesse sie volle Rechtsmittellegitimation; so könnte sie gegen den Strafbefehl, der eine Verfügung der Staatsanwaltschaft sei, Beschwerde erheben (a.a.O., S. 112; tendenziell gleicher Meinung SABINE GLESS, Der Strafbefehl, in: Schweizerische Strafprozessordnung und Schweizerische Jugendstrafprozessordnung, Marianne Heer [Hrsg.], 2010, S. 49, wonach Geschädigte und Privatkläger einspruchsberechtigt sind, soweit durch einen Strafbefehl andere als die zivilrechtlichen Kompensationsinteressen beeinträchtigt sind). Eine Minderheit der Autoren erachtet es als sachlich richtig, dass die Privatklägerschaft nicht zur Einsprache legitimiert ist, da der Strafbefehl immer einen Schuldspruch enthalte und darin nie über Zivilforderungen entschieden werde (MICHAEL LEUPOLD, Die Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007, Entstehung - Grundzüge - Besonderheiten, BJM 2008 S. 248; ANASTASIA FALKNER, in: Kommentierte Textausgabe zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO] vom 5. Oktober 2007, Goldschmid/Maurer/Sollberger [Hrsg.], 2008, Art. 354 StPO ). Einigkeit besteht in der Literatur darüber, dass die Privatklägerschaft mangels Rechtsschutzinteresses hinsichtlich der ausgesprochenen Strafe nicht zur Einsprache legitimiert ist, da die Bestrafung allein dem Staat zusteht (THOMMEN, a.a.O., S. 111 f.; DAPHINOFF, a.a.O., S. 584; MOREILLON/PAREIN-REYMOND, a.a.O., N. 13 zu Art. 354 StPO ; LAURENT MOREILLON, L'ordonnance pénale: simplification ou artifice?, ZStrR 128/2010 S. 36; vgl. auch Art. 382 Abs. 2 StPO ). 2.5 Die Privatklägerschaft ist Partei im Strafverfahren ( Art. 104 Abs. 1 lit. b StPO ). Als Privatklägerschaft gilt die geschädigte Person, die ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren als Straf- oder Zivilklägerin zu beteiligen ( Art. 118 Abs. 1 StPO ). Geschädigt im Sinne von Art. 118 Abs. 1 StPO ist, wer durch die Straftat in seinen Rechten unmittelbar verletzt worden ist ( Art. 115 Abs. 1 StPO ). Der Strafantrag ist der Erklärung nach Art. 118 Abs. 1 StPO gleichgestellt ( Art. 118 Abs. 2 StPO ). Die geschädigte Person kann sich gemäss BGE 141 IV 231 S. 235 Art. 119 Abs. 2 StPO als Straf- und/oder Zivilklägerin am Strafverfahren beteiligen. Strafkläger ist, wer die Verfolgung und Bestrafung der für die Straftat verantwortlichen Person verlangt ( Art. 119 Abs. 2 lit. a StPO ), Zivilkläger, wer adhäsionsweise privatrechtliche Ansprüche geltend macht, die aus der Straftat abgeleitet werden ( Art. 119 Abs. 2 lit. b StPO ). Nimmt die Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren nicht an die Hand ( Art. 310 StPO ) oder stellt sie es vollständig oder teilweise ein ( Art. 319 ff. StPO ), können die Parteien die Verfügung mittels Beschwerde anfechten (Art. 310 Abs. 2 i.V.m. Art. 322 Abs. 2 und Art. 393 ff. StPO ). Ein das Verfahren ganz oder teilweise abschliessendes Urteil eines erstinstanzlichen Gerichts kann mittels Berufung weitergezogen werden ( Art. 398 ff. StPO ). Gemäss Art. 382 Abs. 1 StPO , der die Legitimation sowohl für die Beschwerde als auch die Berufung regelt, kann jede Partei, die ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Abänderung eines Entscheides hat, ein Rechtsmittel ergreifen. Nach Abs. 2 der Bestimmung kann die Privatklägerschaft einen Entscheid hinsichtlich der ausgesprochenen Sanktion nicht anfechten. Das Bundesgericht befasste sich in zwei amtlich publizierten Entscheiden mit der Berufungslegitimation der Privatklägerschaft, die sich einzig als Strafklägerin nach Art. 119 Abs. 2 lit. a StPO konstituiert hatte. Im ersten Urteil entschied das Bundesgericht, das Recht auf Verfolgung sowie Verurteilung des Straftäters gemäss Art. 119 Abs. 2 lit. a StPO begründe, unabhängig von jeglichen Zivilansprüchen und von einem aktuellen Nachteil, das rechtliche Interesse der Privatklägerschaft im Sinne von Art. 382 Abs. 1 StPO , gegen das Urteil Berufung einzulegen. Es genüge, geschädigt zu sein, das heisst eine Person zu sein, deren Rechte durch die Straftat direkt verletzt worden sind. Ein Schaden sei nicht nötig. Ferner hielt das Bundesgericht fest, eine Auslegung der Rechtsmittellegitimation gemäss Art. 382 Abs. 1 StPO könne nicht im Lichte von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG vorgenommen werden ( BGE 139 IV 78 E. 3.3.3 f. S. 81 ff.). Im Folgeurteil räumte das Bundesgericht der Privatklägerschaft ein Interesse im Sinne von Art. 382 Abs. 1 StPO ein, eine andere rechtliche Qualifikation, insbesondere eine strengere, geltend zu machen, welche geeignet ist, auf die Würdigung der von ihr erlittenen Beeinträchtigung Einfluss zu haben ( BGE 139 IV 84 E. 1.1 S. 86). Damit kann die Privatklägerschaft, unabhängig von der Geltendmachung von Zivilansprüchen, gestützt auf Art. 382 Abs. 1 StPO unter anderem Nichtanhandnahmen und Einstellungen mit BGE 141 IV 231 S. 236 Beschwerde, Freisprüche sowie rechtliche Qualifikationen mittels Berufung anfechten (vgl. zum Rechtsmittel gegen eine implizite teilweise Einstellung: BGE 138 IV 241 E. 2.6 S. 246 f.; a.A. THOMMEN, a.a.O., S. 112; DAPHINOFF, a.a.O., S. 588). 2.6 Aus den vorstehenden Überlegungen ergibt sich, dass die in den parlamentarischen Beratungen vertretene Ansicht, wonach die Privatklägerschaft kein Interesse an der Einsprache gegen einen Strafbefehl haben kann, zu kurz greift (vgl. THOMMEN, a.a.O., S. 111). Obwohl ein Strafbefehl nie einen Freispruch enthält und darin nicht über Zivilforderungen entschieden wird, kann die Privatklägerschaft ein rechtlich geschütztes Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung haben - dies auch unabhängig von allfälligen Zivilforderungen. Es erscheint aufgrund der Systematik der Strafprozessordnung gerechtfertigt, die Privatklägerschaft zur Einsprache gegen einen Strafbefehl zuzulassen, wenn sie in einer analogen Situation gemäss Art. 382 Abs. 1 StPO legitimiert wäre, ein Rechtsmittel zu erheben (vgl. Entscheid des Kantonsgerichts Waadt vom 6. Juni 2011 E. 1a [Décision/2011/218];SCHMID, Praxiskommentar, a.a.O., N. 6 zu Art. 354 StPO ; derselbe , Handbuch, a.a.O., § 84 Rz. 1362 Fn. 44; SCHWARZENEGGER, a.a.O., N. 5 zu Art. 354 StPO ; RIKLIN, a.a.O., N. 11 zu Art. 354 StPO ). Würde man anders entscheiden, wäre diejenige Privatklägerschaft, die Geschädigte eines Delikts ist, das im Strafbefehlsverfahren beurteilt werden kann (vgl. Art. 352 StPO ), benachteiligt gegenüber einem Straf- und/oder Zivilkläger, der an einem ordentlichen Verfahren beteiligt ist. Während Erstere sich mit dem Strafbefehl abfinden müsste, könnte Letzterer zumindest an die zweite kantonale Instanz und allenfalls sogar - unter den Voraussetzungen von Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 5 BGG - an das Bundesgericht gelangen.
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Sachverhalt ab Seite 279 BGE 104 Ia 278 S. 279 Vilém Kantorik schloss am 22. November 1976 mit der Profina AG einen Vertrag über die Miete eines Personenwagens. In der Folge ergaben sich zwischen den Parteien Meinungsverschiedenheiten, und die Profina AG erlangte beim Bezirksgerichtspräsidium Oberrheintal provisorische Rechtsöffnung für den Betrag von Fr. 1746.-. Als Kantorik bei der Gerichtskommission Oberrheintal Aberkennungsklage einreichte, bestritt die Profina AG die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts mit der Begründung, die Parteien hätten im erwähnten Mietvertrag Zürich 11 als Gerichtsstand vereinbart. Die Gerichtskommission Oberrheintal trat auf die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit nicht ein, und die Rekurskommission des Kantonsgerichts St. Gallen wies die dagegen erhobene Berufung ab. Sie nahm an, Kantorik habe im Vertrag vom 22. November 1976 gültig auf den Wohnsitzgerichtsstand verzichtet. Das Bundesgericht heisst die wegen Verletzung von Art. 59 BV erhobene staatsrechtliche Beschwerde gut.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Die Rekurskommission des Kantonsgerichts nahm an, der Beschwerdeführer habe mit der Eingehung des Mietvertrages vom 22. November 1976 gültig auf den Richter an seinem Wohnort verzichtet, da die im Vertrag enthaltene Gerichtsstandsklausel den von der Rechtsprechung umschriebenen Anforderungen genüge. Ein solcher Verzicht darf nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht leichthin angenommen werden. Es bedarf dazu einer ausdrücklichen Erklärung, deren Inhalt unmissverständlich ist und den Willen, einen anderen Gerichtsstand zu begründen, klar und deutlich zum Ausdruck bringt. Befindet sich die Gerichtsstandsvereinbarung in einem Formularvertrag, so ist nach der Rechtsprechung erforderlich, BGE 104 Ia 278 S. 280 dass die Klausel an einer für den Verzichtenden gut sichtbaren Stelle angebracht ist und hervortritt ( BGE 93 I 327 f.; BGE 91 I 14 ; BGE 87 I 56 f., 51 f.; 85 I 150 E. 2; BGE 84 I 36 f. mit Hinweisen). Wie in BGE 91 I 15 dargelegt worden ist, hat das Bundesgericht beim Entscheid darüber, ob der Inhalt einer Gerichtsstandsklausel unmissverständlich sei und den Willen, einen anderweitigen Gerichtsstand zu begründen, klar und deutlich zum Ausdruck bringe, seit jeher besonders berücksichtigt, ob der Verzichtende geschäftlich erfahren und rechtskundig sei, oder ob er insoweit über keine genügenden Kenntnisse verfüge. Die Berücksichtigung dieses Umstandes kann zur Folge haben, dass eine bestimmte Gerichtsstandsklausel in einem Fall zu einer gültigen Gerichtsstandsvereinbarung führt, während sie in einem anderen nicht geeignet ist, einen Verzicht auf den Wohnsitzrichter zu bewirken. Grund für diese Rechtsprechung ist, dass Vereinbarungen prozessrechtlicher Natur gleich wie Verträge allgemein nach Massgabe des Vertrauensprinzips zu beurteilen sind. Ob ein gültiger Verzicht auf den Wohnsitzrichter vorliegt, hängt demnach davon ab, ob der Vertragspartner des Verzichtenden in guten Treuen annehmen durfte, sein Gegenkontrahent habe mit dem Akzept zum Vertrag auch der darin enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarung zugestimmt ( BGE 93 I 328 ). Da die in einem Formularvertrag oder in allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Gerichtsstandsklausel in der Regel eine geschäftsfremde und damit ungewöhnliche Bestimmung darstellt und zudem ein verfassungsmässiges Recht beschränkt, ist diese Annahme nur dann gerechtfertigt, wenn davon ausgegangen werden kann, der Verzichtende habe von der Gerichtsstandsklausel tatsächlich Kenntnis genommen und ihre Bedeutung richtig erkannt (vgl. dazu MERZ, Massenvertrag und allgemeine Geschäftsbedingungen, jetzt in: Ausgewählte Abhandlungen zum Privat- und Kartellrecht, 1977, S. 327 f.; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Komm., N. 498 ff. zu Art. 1 OR ; ferner BGE 98 Ia 321 ). Ist der Verzichtende geschäftserfahren und rechtskundig, so darf sein Vertragspartner einen solchen bewussten Verzicht auf den Wohnsitzrichter in aller Regel dann annehmen, wenn die Klausel den formellen Anforderungen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung entspricht, d.h. wenn sie unmissverständlich ist, sich an einer gut sichtbaren Stelle befindet und durch ihre drucktechnische Gestaltung hervortritt. Unter diesen Umständen kann von einem erfahrenen und rechtskundigen Geschäftspartner erwartet BGE 104 Ia 278 S. 281 werden, dass er die Gerichtsstandsklausel beachtet und versteht, ferner, dass er sie ausdrücklich ablehnt, wenn er mit dem Verzicht auf den Wohnsitzrichter nicht einverstanden ist. Das gilt jedoch nicht in gleicher Weise, wenn der Verzichtende geschäftlich nicht gewandt und rechtsunkundig ist. Es entspricht der Erfahrung, dass ein solcher Vertragspartner die in einem Formularvertrag enthaltene Gerichtsstandsklausel häufig auch dann nicht bemerkt oder ihre Tragweite nicht richtig erkennt, wenn die Klausel an sich unmissverständlich abgefasst und von den übrigen Vertragsbestimmungen abgehoben ist. Damit der Gegenkontrahent einer geschäftlich unerfahrenen und rechtsunkundigen Partei annehmen kann, sein Vertragspartner habe auf die Garantie des Wohnsitzrichters bewusst verzichtet, kann deshalb über die formellen Anforderungen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung hinaus notwendig sein, dass der Verzichtende auf die Gerichtsstandsklausel in besonderer Weise hingewiesen und dass ihm deren Bedeutung erklärt wird. In diesem Sinne ist die bisherige Rechtsprechung zu präzisieren. 4. a) Bei dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrag handelt es sich um einen zweiseitigen Formularvertrag, der auf der Vorder- und Rückseite desselben Blattes in 28 Ziffern gegliedert ist. Auf der Vorderseite befinden sich Angaben über die Vertragsparteien, den Mietgegenstand und den Mietzins, ferner vorgedruckte Bestimmungen über die Pflichten der Parteien und die Vertragsdauer. Zuunterst sind die Unterschriften angebracht, wobei über jener des Mieters fettgedruckt der Satz steht, der Mieter habe auch die Rückseite gelesen und sei damit einverstanden. Die Rückseite des Vertrages enthält ausschliesslich vorgedruckte Bestimmungen, worunter als letzte die Gerichtsstandsklausel, die folgenden Wortlaut hat: "Als Gerichtsstand vereinbaren die Parteien Zürich 11." b) Der Inhalt dieser Gerichtsstandsvereinbarung ist unmissverständlich und entspricht in der Formulierung der Art und Weise, wie Gerichtsstandsklauseln üblicherweise abgefasst werden. Die Vereinbarung lässt sich offensichtlich nicht mit den Klauseln gleichsetzen, die das Bundesgericht als unklar bezeichnet hat und die aus diesem Grunde nicht zu einem gültigen Verzicht auf den Wohnsitzrichter führen konnten (vgl. BGE 93 I 329 ; BGE 91 I 14 E. 3b; BGE 85 I 150 E. 2). Was die äussere Gestaltung der Klausel betrifft, so fällt vorab auf, dass sie sich auf der BGE 104 Ia 278 S. 282 Rückseite des Vertrages befindet, während die Unterschriften der Parteien auf der Vorderseite angebracht sind. Dieser Umstand steht der Verbindlichkeit der Vereinbarung jedoch nicht entgegen, denn vor der Unterschrift des Mieters befindet sich ein nicht zu übersehender Hinweis darauf, dass auch die Rückseite des Vertrages Bestimmungen enthalte, denen der Mieter mit seiner Unterschrift zustimme. In diesem Sinne hat das Bundesgericht bereits in BGE 93 I 328 entschieden (vgl. aber die in BGE 98 Ia 321 E. 5a geäusserten Bedenken für den Fall, dass die Gerichtsstandsklausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist, auf die in der Vertragsofferte verwiesen wird und die dieser lediglich beiliegen). Die Gerichtsstandsklausel ist die letzte Bestimmung des rückseitigen Vertragstextes und steht unter der fettgedruckten Überschrift "Gerichtsstand". Sie ist zudem als einzige Bestimmung selber fettgedruckt. Insoweit kann ihre formelle Gestaltung nicht bemängelt werden. Zu beanstanden ist jedoch, dass sich die Klausel trotz des Fettdrucks vom gesamten Schriftbild des Vertrages nur relativ geringfügig unterscheidet, da die meisten Vertragsbestimmungen mit Überschriften versehen sind, deren Druck jenem der Gerichtsstandsklausel und ihrer Überschrift entspricht. Ferner sind die Titel, die den drei rückseitigen Vertragsabschnitten vorangestellt sind (Beendigung des Mietvertrages, Folgen von Vertragsverletzungen, Nebenbestimmungen), sogar erheblich auffälliger gedruckt als die Gerichtsstandsklausel und ihre Überschrift. Bei dieser Sachlage kann man sich mit guten Gründen fragen, ob die Klausel vom übrigen Vertragstext genügend abgehoben sei. Berücksichtigt man indes, dass die Rückseite des Vertrages weder überladen noch sonstwie unübersichtlich wirkt, sondern im Gegenteil graphisch locker gestaltet und gut gegliedert ist, so lässt sich gleichwohl sagen, dass die formelle Gestaltung der Klausel den Anforderungen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung genügt. Wäre der Vertrag von einem erfahrenen Geschäftsmann abgeschlossen worden, so müsste dieser die Gerichtsstandsvereinbarung deshalb als verbindlich gegen sich gelten lassen. c) Im vorliegenden Fall verhält es sich jedoch anders. Der Beschwerdeführer ist im Sommer 1974 als Flüchtling aus der Tschechoslowakei in die Schweiz eingereist. Er ist von Beruf Maschineningenieur und es erscheint daher glaubhaft, dass er bei Unterzeichnung des Mietvertrages im November 1976 mit BGE 104 Ia 278 S. 283 den sich stellenden Rechtsfragen nicht vertraut war. In der staatsrechtlichen Beschwerde wird zudem geltend gemacht, der Beschwerdeführer habe im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nur minimale Deutschkenntnisse besessen. Die Beschwerdegegnerin bestreitet das und behauptet, der Beschwerdeführer habe die deutsche Sprache genügend beherrscht, um den Vertragstext zu verstehen. Wie es sich damit verhält, kann hier dahingestellt bleiben. Selbst wenn man nämlich davon ausgehen wollte, der Beschwerdeführer habe im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits gut Deutsch verstanden und den ganzen Vertrag durchgelesen, so konnte er glaubhafterweise nicht wissen, was die am Schluss des Vertrages stehende Gerichtsstandsklausel bedeute. Bei dieser Sachlage konnte die Gegenkontrahentin nach Treu und Glauben nicht annehmen, der Beschwerdeführer habe mit seiner Unterschrift zum Vertrag bewusst auch auf die Garantie des Wohnsitzrichters verzichtet. Sie hätte davon nur dann ausgehen können, wenn zusätzliche Gewähr dafür bestanden hätte, dass der Beschwerdeführer die Bedeutung der Gerichtsstandsklausel richtig erfasse. Das war jedoch nicht der Fall. Zwar macht die Beschwerdegegnerin geltend, mit dem Beschwerdeführer seien die wichtigsten Bestimmungen des Mietvertrages besprochen worden, und sie beantragt, es sei ihr Sachbearbeiter als Zeuge einzuvernehmen. Davon kann indes abgesehen werden, weil die Beschwerdegegnerin selber nicht behauptet, ihr Sachbearbeiter habe neben den das Mietobjekt betreffenden Bestimmungen auch die Gerichtsstandsvereinbarung als wichtige Vertragsbestimmung erachtet und er habe den Beschwerdeführer aus diesem Grunde auf die Klausel und ihre Tragweite besonders aufmerksam gemacht. Es ergibt sich deshalb, dass durch die Unterschrift des Beschwerdeführers zum Mietvertrag vom 22. November 1976 kein gültiger Verzicht auf die Garantie des Wohnsitzrichters zustande kam, weshalb die staatsrechtliche Beschwerden gutzuheissen ist.
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Sachverhalt ab Seite 24 BGE 134 I 23 S. 24 A. A.a Unter der Bezeichnung "Vorsorgekasse für das Personal des Staates Wallis" (VPSW) bestand bisher eine gemäss Art. 48 BVG BGE 134 I 23 S. 25 registrierte Stiftung im Sinne der Art. 80 ff. ZGB für die Berufsvorsorge der Beamten, Angestellten und Arbeiter der kantonalen Verwaltung (mit Einschluss der kantonalen Schulen), der Staatsanstalten, der Gerichte und der angeschlossenen Institutionen. Sodann existiert unter der Bezeichnung "Ruhegehalts- und Vorsorgekasse des Lehrpersonals des Kantons Wallis" (RVKL) eine ebenfalls gemäss Art. 48 BVG registrierte öffentlich-rechtliche Institution für die Berufsvorsorge der Lehrkräfte an den (kommunalen) Schulen der Primar- und Orientierungsstufe. Beide Kassen haben einen Deckungsgrad von deutlich unter 100 % (per 31. Dezember 2006: VPSW 61,55 %, RVKL 43,8 %), weshalb der Kanton Wallis und die Kassen seit Jahren Sanierungsbestrebungen unternehmen. A.b Am 12. Oktober 2006 erliess der Grosse Rat des Kantons Wallis ein Gesetz über die staatlichen Vorsorgeeinrichtungen (GVE; Systematische Gesetzessammlung des Kantons Wallis [SGS/VS] 172.5), welches die berufliche Vorsorge der Personen, die beim Kanton arbeiten, des Lehrpersonals der Primar- und Orientierungsschulen sowie des Personals der angeschlossenen Institutionen regelt (Art. 1 Abs. 1 GVE). Dieses sieht vor, dass die VPSW am Tag des Inkrafttretens des Gesetzes (Art. 30 GVE) in ein unabhängiges Institut des öffentlichen Rechts umgewandelt und mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet wird (Art. 2 Abs. 1 GVE) und dass die RVKL ebenfalls ein mit Rechtspersönlichkeit ausgestattetes unabhängiges Institut des öffentlichen Rechts darstellt (Art. 3 Abs. 1 GVE). Des Weitern hält es fest, dass die beiden Kassen in Zusammenarbeit mit den zuständigen kantonalen Dienststellen ihre Fusion prüfen, wobei diese bis spätestens Ende 2009 abgeschlossen sein soll, soweit die durch das Bundesrecht aufgestellten Bedingungen dies erlauben (Art. 38 GVE). Das Gesetz enthält zudem Bestimmungen über die Organisation und die Leistungen der beiden Kassen. Nebst der Umwandlung der VPSW und der als Zielvorgabe festgelegten Zusammenlegung der beiden Pensionskassen verfolgt das Gesetz hauptsächlich das Ziel, die bestehende Unterdeckung der Kassen zu reduzieren. Angestrebt wird - unter Beibehaltung der Staatsgarantie - ein Deckungsgrad von 80 % per 31. Dezember 2009 (Art. 10 GVE). Zu diesem Zweck sind verschiedene Massnahmen vorgesehen, namentlich: - Aufkapitalisierung durch einen Staatsbeitrag von insgesamt 605 Mio. Franken, in der Form eines verzinslichen und rückzahlbaren Darlehens (Art. 8 und 9 GVE); BGE 134 I 23 S. 26 - Erhöhung des Rentenalters für bestimmte Kategorien von Angestellten (Art. 15 GVE); - Festsetzung der Arbeitgeberbeiträge (Art. 17 GVE) mit Reduktion der Arbeitgeberbeiträge um 1,5 % bei allen Kategorien; - zusätzliche Reduktion der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge für die von einer Erhöhung des Pensionierungsalters betroffenen Kategorien (Art. 17 und 18 GVE); - Reduktion der maximalen AHV-Überbrückungsrente, entsprechend der Erhöhung des ordentlichen Pensionierungsalters (Art. 20 GVE); - teilweises Einfrieren der Renten (keine Anpassung an die Teuerung; Art. 36 GVE). Der Staatsrat legt den Zeitpunkt des Inkrafttretens fest, nachdem er für die VPSW die Einhaltung der zwingenden Bestimmungen des Bundesrechts im Zusammenhang mit der Anpassung der rechtlichen Strukturen der juristischen Personen überprüft hat; er kann eine rückwirkende Inkraftsetzung vorsehen (Art. 44 Abs. 2 GVE). Das Gesetz wurde im Amtsblatt des Kantons Wallis vom 27. Oktober 2006 publiziert und nach unbenütztem Ablauf der Referendumsfrist mit Beschluss des Staatsrates vom 7. Februar 2007, publiziert im Amtsblatt vom 9. Februar 2007, rückwirkend auf den 1. Januar 2007 in Kraft gesetzt. B. P. und B., beide Lehrer an kantonalen Berufsschulen des Kantons Wallis, erhoben je am 8. März 2007 "Einheitsbeschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und Verfassungsbeschwerde" mit dem Antrag, das Gesetz sei aufzuheben. Ein von ihnen gleichzeitig gestelltes Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung und die Anordnung vorsorglicher Massnahmen wies der Instruktionsrichter mit Verfügung vom 8. Mai 2007 ab. Der Grosse Rat des Kantons Wallis beantragt, es sei auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde nicht einzutreten und die Einheitsbeschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. In dem vom Bundesgericht angeordneten zweiten Schriftenwechsel hielten die Parteien an ihren Anträgen fest.
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792
Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Gegen kantonale Erlasse ist direkt die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht zulässig ( Art. 82 BGE 134 I 23 S. 27 lit. b BGG ), sofern kein kantonales Rechtsmittel ergriffen werden kann ( Art. 87 BGG ). 3.2 Gemäss Art. 61 Abs. 1 BVG bezeichnet jeder Kanton eine Behörde, welche die Vorsorgeeinrichtungen mit Sitz auf seinem Gebiet beaufsichtigt. Dieser bundesrechtlich vorgesehenen Aufsicht unterstehen nicht nur die privaten, sondern auch die öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen (vgl. Art. 48 und Art. 50 Abs. 2 BVG ). Die Aufsichtsbehörde wacht darüber, dass die Vorsorgeeinrichtung die gesetzlichen Vorschriften einhält ( Art. 62 BVG ). Sie prüft insbesondere die Übereinstimmung der reglementarischen Bestimmungen mit den gesetzlichen Vorschriften ( Art. 62 Abs. 1 lit. a BVG ). Insoweit übernimmt die BVG-Aufsichtsbehörde auch die abstrakte Normenkontrolle von öffentlich-rechtlichen Erlassen, welche von den zuständigen legislativen oder exekutiven Behörden als reglementarische Vorschriften öffentlich-rechtlicher Vorsorgeeinrichtungen erlassen worden sind ( Art. 50 Abs. 2 BVG ; BGE 115 V 368 E. 2 S. 371; BGE 112 Ia 180 E. 3c S. 187; ULRICH MEYER, Die Rechtswege nach dem Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [BVG], ZSR 106/1987 I S. 601 ff., 619 f.; HANS J. PFITZMANN, Tätigkeit und Vorgehen der BVG-Aufsichtsbehörden, in: SZS 1987 S. 273 ff., 281; HANS-ULRICH STAUFFER, Berufliche Vorsorge, Zürich 2005, S. 611, 639). Im Lichte dieser Rechtslage stellt sich die Frage, ob auf die direkt gegen das Gesetz erhobenen Beschwerden einzutreten ist oder ob nicht zunächst eine Beschwerde an die Aufsichtsbehörde zu ergreifen wäre. 3.3 Das angefochtene Gesetz regelt in seinem 1. Kapitel den Bestand der beiden Vorsorgeeinrichtungen und zugleich die Umwandlung der bisher als Stiftung geführten VPSW in eine öffentlich-rechtliche Institution. Das 2. Kapitel sieht unter anderem eine Staatsgarantie für die reglementarischen Verpflichtungen der Kassen, die Übernahme eines Teils der Unterdeckung durch den Staat, die Bildung eines Spezialfonds zur Finanzierung dieser Übernahme sowie Zielvorgaben für den Deckungsgrad und dessen Einhaltung vor. Im 3. Kapitel normiert das Gesetz das Vorsorgesystem, und zwar das beitragspflichtige Gehalt (Art. 13), die Leistungsarten (Art. 14), das ordentliche Rücktrittsalter (Art. 15) und die Versicherungsjahre (Art. 16), die Beiträge der Arbeitgeber (Art. 17) und der Versicherten (Art. 18), die Beitragsnachzahlung (Art. 19) und die AHV-Überbrückungsrente (Art. 20). Das 4. Kapitel widmet sich BGE 134 I 23 S. 28 der Organisation, Aufsicht und Kontrolle der Kassen. Im 5. Kapitel befinden sich die Übergangs- und Schlussbestimmungen, darunter Normen über die Aufkapitalisierung der VPSW (Art. 31), die Kompetenz des Staatsrates zum Erlass vorübergehender Bestimmungen für die Tätigkeit der Kassen (Art. 32), eine Übergangsregelung für die Erhöhung des ordentlichen Rücktrittsalters und die Änderung betreffend AHV-Überbrückungsrente (Art. 34), die Anpassung der Renten an die Teuerung (Art. 36) sowie den Auftrag an die Kassen, Synergien zu nutzen, eine Fusion und den Übergang vom Leistungs- zum Beitragsprimat zu prüfen (Art. 37-39), ferner Massnahmen zur Bewältigung der finanziellen Situation (Art. 40 und 41) und eine Garantie der wohlerworbenen Rechte (Art. 42). Das Gesetz enthält somit einerseits (Grundsatz-)Regelungen über die Leistungen und die Beiträge, was typischer Inhalt der Vorsorgereglemente bildet ( Art. 50 Abs. 1 BVG ), welche der Kontrolle der BVG-Aufsichtsbehörde unterstehen. Andererseits regelt es aber auch den Grundsatz, dass überhaupt öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtungen bestehen, was sich originär aus der kantonalen Souveränität ( Art. 3 BV ) ableitet und durch das BVG nicht geregelt, sondern nur anerkannt wird ( Art. 48 Abs. 2 BVG ). Sodann enthält es Regelungen über die finanziellen Leistungen des Staates (namentlich eine Staatsgarantie und staatliche Leistungen zur Aufkapitalisierung) sowie deren finanzrechtliche Behandlung. Diese Leistungen gehen insofern über die vom Kanton nach Art. 66 BVG als Arbeitgeber geschuldeten Beiträge hinaus, als die Kassen nicht nur das Personal des Kantons, sondern auch dasjenige der angeschlossenen Institutionen versichern. Die entsprechenden Regeln betreffen somit den Kanton nicht (nur) als Arbeitgeber, sondern auch als hoheitlich und finanzpolitisch handelnden Staat. Sie beruhen insoweit nicht auf dem BVG, sondern auf einem autonomen Entscheid des kantonalen Gesetzgebers. 3.4 Die Tragweite der BVG-Aufsicht ist im Zusammenhang mit den möglichen Massnahmen zu sehen, welche die Aufsichtsbehörde zur Behebung von Mängeln anordnen kann ( Art. 62 Abs. 1 lit. d BVG ). Die Aufsichtsbehörde kann mit den gesetzlichen Vorschriften nicht übereinstimmende Reglemente oder Teile davon aufheben bzw. deren Nichtanwendbarkeit feststellen und den Vorsorgeeinrichtungen verbindliche Weisungen über die Ausgestaltung entsprechender Bestimmungen erteilen. Dabei hat sie nicht nur zu BGE 134 I 23 S. 29 untersuchen, ob die Reglemente mit dem BVG und den entsprechenden Ausführungsbestimmungen übereinstimmen, sondern ob dies in Bezug auf die gesetzlichen Vorschriften allgemein der Fall ist ( BGE 112 Ia 180 E. 3b S. 186 f.). Sie kann indessen nur Massnahmen anordnen, die ihre Grundlage im BVG haben (vgl. HANS J. PFITZMANN, Die öffentlich-rechtlichen Pensionskassen im BVG-Obligatorium, in: SZS 1985 S. 233 ff., 237). Sie kann beispielsweise zwar - als Voraussetzung für die Abweichung vom Grundsatz der Bilanzierung in geschlossener Kasse - prüfen, ob eine genügende Staatsgarantie vorliegt ( Art. 45 BVV 2 ), aber sie kann nicht den Kanton zur Leistung einer Staatsgarantie oder anderer gesetzlich nicht vorgeschriebener Leistungen verpflichten. Solche Leistungen müssen vielmehr in einem kompetenzgemäss erlassenen staatlichen Gesetz vorgesehen sein (HANS-RUDOLF SCHWARZENBACH, Die Sonderregelung der Beamtenversicherungskassen im BVG, in: SZS 1986 S. 224 ff., 235). Erst wenn sich aus einem formellen kantonalen Gesetz eine solche Garantie ergibt, kann allenfalls die BVG-Aufsicht überprüfen, ob diese Garantie dem Gesetz entspricht (vgl. Urteil 2A.228/ 2005 vom 23. November 2005). Indem das angefochtene Gesetz solche staatlichen Leistungen nicht nur voraussetzt, sondern selber regelt, geht es über den möglichen Inhalt von Reglementsbestimmungen im Sinne von Art. 50 BVG hinaus; insoweit unterliegt es nicht der Kontrolle der BVG-Aufsichtsbehörden, so dass die in Art. 62 und 74 BVG vorgesehene Zuständigkeitsregelung nicht greift. Die direkte Beschwerde an das Bundesgericht ist daher zulässig (vgl. auch SJ 2001 I S. 413, 1P.23/2000, wo das Bundesgericht auf eine direkte staatsrechtliche Beschwerde gegen ein Gesetz, welches die berufliche Vorsorge der Walliser Magistraten neu regelte, ohne weiteres eintrat). Aufgrund des unlösbar engen Sachzusammenhangs zwischen den finanziellen Leistungen des Staates einerseits sowie dem angestrebten Deckungsgrad und den Leistungen der Kasse andererseits, rechtfertigt es sich, nicht nur bezüglich einzelner Teile, sondern vollumfänglich auf die Beschwerde einzutreten, zumal auch der Entscheid der Aufsichtsbehörde letztinstanzlich wiederum durch das Bundesgericht zu überprüfen wäre. 3.5 Für die gleichzeitig erhobenen subsidiären Verfassungsbeschwerden bleibt damit kein Raum ( Art. 113 BGG ). 4. Die Beschwerdeführer sind als Versicherte der VPSW zur Beschwerde legitimiert ( Art. 89 Abs. 1 BGG ). BGE 134 I 23 S. 30 5. 5.1 Umstritten ist hauptsächlich die Erhöhung des Pensionsalters. Die VPSW kannte bisher drei Kategorien von Versicherten. Für die Kategorie 1 (unter welche die Mehrheit des Staatspersonals fiel) betrug das ordentliche Pensionierungsalter 62 Jahre, für die Kategorie 2 (Berufsschullehrer) 60 Jahre und für die Kategorie 3 (Personal der Strafanstalten und der Kantonspolizei) 58 Jahre. Für die Magistraten der Justiz und der Staatsanwaltschaft (Kategorien 4 und 5) ist die Vorsorge spezialgesetzlich geregelt (Gesetz vom 23. Juni 1999 über die berufliche Vorsorge der Magistraten der Exekutive, der Justiz und der Staatsanwaltschaft [SGS/VS 172.13]; Verordnung vom 13. Oktober 1999 über die berufliche Vorsorge der Magistraten der Exekutive, der Justiz und der Staatsanwaltschaft [SGS/VS 172.130]); das ordentliche Pensionierungsalter betrug für dieselben ausser die Strafuntersuchungs- und Jugendrichter (Kategorie 4) grundsätzlich 62 Jahre, für Letztere (Kategorie 5) 60 Jahre. Ebenso konnten die in der RVKL versicherten Lehrkräfte bisher mit 60 Jahren in den Ruhestand treten. Mit dem angefochtenen Gesetz wird das ordentliche Rücktrittsalter für alle Versicherten auf 62 Jahre festgelegt, mit Ausnahme des Personals der Strafanstalten und der Kantonspolizei (Kategorie 3 der VPSW) sowie der Strafuntersuchungs- und der Jugendrichter (Kategorie 5 der VPSW), deren Rücktrittsalter auf 60 Jahre festgelegt wird (Art. 15 Abs. 1 GVE). Somit wird mit dem neuen Gesetz das Pensionierungsalter für die Lehrkräfte der RVKL sowie für die Kategorie 2 der VPSW von 60 auf 62 und für die Kategorie 3 der VPSW von 58 auf 60 erhöht; für die übrigen Kategorien bleibt das Pensionierungsalter unverändert. Die Beschwerdeführer erachten diese neue Regelung unter verschiedenen Titeln als rechtswidrig. 5.2 Das Bundesgericht wendet das Recht grundsätzlich von Amtes wegen an ( Art. 106 Abs. 1 BGG ). Die Verletzung von Grundrechten sowie von kantonalem und interkantonalem Recht prüft es indessen nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist ( Art. 106 Abs. 2 BGG ). Es gilt insofern eine besondere Rügepflicht, wie sie gestützt auf Art. 90 Abs. 1 lit. b OG für die staatsrechtliche Beschwerde gegolten hat ( BGE 133 IV 286 E. 1.4 S. 287; BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254; Urteil 5A_433/2007 vom 18. September 2007, E. 2; Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, N. 10 zu Art. 106 BGG ). Soweit die Beschwerdeführer die Verletzung von BGE 134 I 23 S. 31 Grundrechten rügen, ist auf die Rechtsmittel nur einzutreten, sofern diese entsprechende Begründungen enthalten. 5.3 Des Weitern ist es nicht Sache des Bundesgerichts, die politische Zweckmässigkeit des angefochtenen Gesetzes zu beurteilen. Die blosse Argumentation, andere Lösungen wären auch möglich oder vorzuziehen gewesen oder andere Kantone kennten grosszügigere Regelungen, kann nicht zur Aufhebung des angefochtenen Gesetzes führen. Das gilt namentlich auch, soweit die Beschwerdeführer die Notwendigkeit oder den Zeitpunkt der (angestrebten) Erhöhung des Deckungsgrads bestreiten mit dem Argument, früher sei ein tieferer Deckungsgrad vom Gesetzgeber bewusst akzeptiert worden. Das Bundesrecht erlaubt den öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen einen Deckungsgrad von weniger als 100 %, sofern eine Staatsgarantie vorliegt ( Art. 69 Abs. 2 BVG ; Art. 45 Abs. 1 BVV 2 ), schreibt den Kantonen aber keine solche vor. Es obliegt damit dem gesetzgeberischen Ermessen des Kantons, ob und unter welchen Umständen er für seine öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen eine Garantie übernehmen will. Ein einmal getroffener gesetzgeberischer Entscheid kann in den verfassungsmässigen Schranken auch wieder geändert werden, und zwar nicht nur bei veränderten sachlichen Umständen, sondern auch bei neuer politischer Würdigung unveränderter Umstände (vgl. Pra 87/1998 Nr. 31 S. 227, E. 4, 2P.27/1997; 86/1997 Nr. 1 S. 1, E. 3a und c, 2P.276/1995; URP 2000 S. 324, E. 3c, 1A.208/1999; spezifisch in Bezug auf öffentlich-rechtliche Vorsorgeregelungen: SJ 2001 I S. 413, E. 5a, 1P.23/ 2000; Urteil 2A.398/2002 vom 9. Januar 2003, E. 4.3.1). Dass früher ein tieferer Deckungsgrad akzeptiert oder grosszügigere Leistungen vorgesehen wurden, ist kein rechtliches Argument gegen das jetzige gesetzgeberische Ziel, den Deckungsgrad zu erhöhen, oder gegen die zu diesem Zweck vorgesehenen Massnahmen, ebenso wenig der Umstand, dass die Versicherten bereits bei früheren Sanierungsschritten Verschlechterungen hinnehmen mussten. 6. 6.1 Die Beschwerdeführer bringen vor, viele privat- und öffentlich-rechtliche Bestimmungen des Bundesrechts würden verletzt. Sie rügen damit eine Verletzung der derogatorischen Kraft des Bundesrechts ( Art. 49 Abs. 1 BV ), welche Grundrechtscharakter hat ( BGE 131 I 198 E. 2.3 S. 201; BGE 130 I 82 E. 2.2 S. 86 f.), weshalb insofern die qualifizierte Rügepflicht gilt (E. 5.2; BGE 133 III 638 E. 2). Die Beschwerden beschränken sich jedoch weitgehend BGE 134 I 23 S. 32 darauf, einzelne Artikel von Bundesgesetzen (ZGB, OR, BVG, FZG, FusG) aufzuzählen, ohne darzulegen, inwiefern das angefochtene Gesetz gegen diese Bestimmungen verstossen soll. Dies genügt der Rügepflicht nicht. Auf die Beschwerden ist somit in Bezug auf die angebliche Verletzung von Bundesrecht nur einzutreten, soweit sie nähere Begründungen enthalten, die im Folgenden geprüft werden. 6.2 Die Beschwerdeführer ziehen in Zweifel, ob die im Gesetz vorgesehene Umwandlung der bisherigen privatrechtlichen Stiftung VPSW in ein Institut des öffentlichen Rechts mit den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 3. Oktober 2003 über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung (FusG; SR 221.301) vereinbar sei. Ob damit eine hinreichende Beschwerdebegründung vorliegt, ist fraglich, kann aber offenbleiben, da sich die Rüge ohnehin als unbegründet erweist. 6.2.1 Das FusG regelt gemäss seinem Art. 1 Abs. 1 die Anpassung der rechtlichen Strukturen von Kapitalgesellschaften, Kollektiv- und Kommanditgesellschaften, Genossenschaften, Vereinen, Stiftungen und Einzelfirmen im Zusammenhang mit Fusionen, Spaltungen, Umwandlungen und Vermögensübertragungen. Ferner legt es gemäss seinem Art. 1 Abs. 3 die privatrechtlichen Voraussetzungen fest, unter welchen Institute des öffentlichen Rechts mit privatrechtlichen Rechtsträgern fusionieren, sich in privatrechtliche Rechtsträger umwandeln oder sich an Vermögensübertragungen beteiligen können. Das 4. Kapitel ( Art. 53-68 FusG ) regelt die Umwandlung von Gesellschaften, nicht aber von Stiftungen. Das 6. Kapitel ( Art. 78-87 FusG ) enthält Bestimmungen über die Fusion und Vermögensübernahme von Stiftungen, nicht aber über die Umwandlung. Das 7. Kapitel ( Art. 88-98 FusG ) beinhaltet besondere Vorschriften über die Fusion, Umwandlung und Vermögensübertragung von Vorsorgeeinrichtungen im Sinne des BVG (vgl. Art. 2 lit. i FusG ). Gemäss Art. 97 Abs. 1 FusG können sich Vorsorgeeinrichtungen in eine Stiftung oder in eine Genossenschaft umwandeln. Die Umwandlung einer Stiftung in ein Institut des öffentlichen Rechts ist im FusG nicht vorgesehen. 6.2.2 Die bundesrätliche Botschaft zum Fusionsgesetz vom 13. Juni 2000 führt dazu aus, die Umwandlung einer Stiftung (oder Genossenschaft) in ein Institut des öffentlichen Rechts sei nicht möglich; für entsprechende Restrukturierungen stehe indessen die Vermögensübertragung ( Art. 98 FusG ) zur Verfügung (BBl 2000 S. 4337 ff., BGE 134 I 23 S. 33 4479). Diese Auffassung wird auch in der Literatur unter Berufung auf diese Stelle in der Botschaft vertreten (HANS MICHAEL RIEMER, Vorsorgeeinrichtungen und Fusionsgesetz, in: SZS 2004 S. 139 ff., 144; JACQUES-ANDRÉ SCHNEIDER, in: Peter/Trigo Trindade, Commentaire LFus, Genf 2005, N. 4 zu Art. 97 FusG ; UELI HUBER, in: Watter/ Vogt/Tschäni/Daeniker [Hrsg.], Basler Kommentar zum Fusionsgesetz, Basel 2005, N. 4 zu Art. 97 FusG ; STAUFFER, a.a.O., S. 496 Rz. 1320; HANS CASPAR VON DER CRONE et al., Das Fusionsgesetz, Zürich 2004, S. 291 Rz. 750 und Fn. 90). 6.2.3 Die im FusG enthaltene Aufzählung der möglichen Umwandlungen ist zwar abschliessend (BBl 2000 S. 4446; VON DER CRONE et al., a.a.O., S. 271 Rz. 699), dies jedoch nur innerhalb seines Geltungsbereichs. Fällt ein Tatbestand nicht in den Geltungsbereich des FusG, ist er deswegen nicht unzulässig. Vielmehr beurteilt sich seine Zulässigkeit nach den dafür geltenden gesetzlichen Grundlagen. Das FusG stützt sich auf Art. 122 Abs. 1 BV und regelt dementsprechend privatrechtliche Verhältnisse (vgl. BGE 132 III 470 E. 4.2 S. 477 f. sowie E. 5.2 S. 479; RETO T. SCHUMACHER, Die Vermögensübertragung nach dem Fusionsgesetz, Diss. Zürich 2005, S. 221). In seinen Geltungsbereich fällt gemäss Art. 1 Abs. 3 FusG zwar die Umwandlung öffentlich-rechtlicher in privatrechtliche Rechtsträger, nicht aber der umgekehrte Vorgang, also die Umwandlung einer privatrechtlichen Stiftung in einen öffentlich-rechtlichen Rechtsträger. Denn dadurch fällt der betreffende Rechtsträger aus dem Privatrecht heraus und ist fortan vom öffentlichen Recht zu regeln (BBl 2000 S. 4481; BGE 132 III 470 E. 5.2 S. 479; VON DER CRONE et al., a.a.O., S. 293 Rz. 754; LUKAS GLANZMANN, Umstrukturierungen, Bern 2006, S. 304 Rz. 792; SCHUMACHER, a.a.O., S. 222), welches in der originären Kompetenz der Kantone liegt ( Art. 3 BV ; Art. 6 ZGB ). Das angefochtene Gesetz steht daher nicht im Widerspruch zum FusG. 6.3 Die Beschwerdeführer rügen sodann die Verletzung verschiedener Bestimmungen des BVG. Auch diesbezüglich kann offenbleiben, ob die Begründungspflicht eingehalten ist, sind doch die Rügen unbegründet: 6.3.1 Soweit die Beschwerdeführer kritisieren, die Frage einer Totalliquidation sei nicht berücksichtigt, übersehen sie, dass die blosse Änderung der Rechtsform einer Vorsorgeeinrichtung nicht einmal eine Teilliquidation (vgl. Art. 53b Abs. 1 BVG ; Urteil 2A.48/2003 BGE 134 I 23 S. 34 vom 26. Juni 2003, E. 3.2; FRITZ STEIGER, Die Teilliquidation nach Artikel 53b BVG, in: AJP 2007 S. 1051 ff., 1055), geschweige denn eine Gesamtliquidation darstellt. Ob das mit dem neuen Gesundheitsgesetz verbundene Ausscheiden der Angestellten der Gesundheitseinrichtungen aus der VPSW allenfalls eine Teilliquidation ist ( Art. 53b Abs. 1 lit. a BVG ), wird durch die Aufsichtsbehörde zu prüfen sein und bildet nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. So oder anders ist die Frage von geringer Bedeutung, da keine freien Mittel vorhanden sind, welche verteilt werden könnten ( Art. 23 FZG ). 6.3.2 Die Beschwerdeführer halten Art. 65d Abs. 2 BVG für verletzt, weil die Massnahmen zur Behebung einer Unterdeckung nicht auf einer reglementarischen Grundlage beruhten. Diese Rüge ist unbegründet: Art. 65d BVG bezieht sich auf Massnahmen zur Behebung von Unterdeckungen, die aufgrund von Art. 65 BVG und Art. 44 BVV 2 unzulässig sind und deshalb grundsätzlich (unter Vorbehalt einer zeitlich befristeten Unterdeckung gemäss Art. 65c BVG ) von den Vorsorgeeinrichtungen in Eigenverantwortung behoben werden müssen ( Art. 65d Abs. 1 BVG ; Botschaft über Massnahmen zur Behebung von Unterdeckungen in der beruflichen Vorsorge [Änderung des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge] vom 19. September 2003, BBl 2003 S. 6399 ff., 6418). Die Bestimmung gilt damit von vornherein nicht für diejenigen öffentlich-rechtlichen Kassen, bei welchen aufgrund einer Staatsgarantie eine Unterdeckung zulässig ist (BBl 2003 S. 6412), wie das bei den hier zur Diskussion stehenden Einrichtungen der Fall ist. 6.4 Unbegründet ist auch die Rüge, das Verhandlungs- oder Mediationsprinzip sei verletzt, wozu sich die Beschwerdeführer offensichtlich irrtümlich auf Art. 54 BV (recte wohl, ebenso irrtümlich, BVG) berufen. Bei öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen werden die massgebenden Rechtsgrundlagen durch die zuständigen legislativen oder exekutiven Staatsorgane erlassen ( Art. 50 Abs. 2 BVG ), wobei das paritätisch besetzte Organ kein Mitbestimmungs-, sondern nur ein Anhörungsrecht hat ( Art. 51 Abs. 5 BVG ; ZBl 98/ 1997 S. 75, E. 5d/ff, 2P.111/1995; RIEMER/RIEMER-KAFKA, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, 2. Aufl., Bern 2006, S. 71), welches, wie aktenkundig ist, in ausgiebiger Weise gewährt wurde. Das Anhörungsrecht gibt keinen Anspruch darauf, dass die von den Arbeitnehmerorganisationen eingebrachten Vorschläge vom BGE 134 I 23 S. 35 zuständigen Gesetzgeber übernommen werden. Solches folgt auch nicht aus der Koalitionsfreiheit ( Art. 28 Abs. 1 BV ; BGE 129 I 113 E. 3.1 S. 121 f.) oder aus den Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) Nr. 98 vom 1. Juli 1949 über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen (SR 0.822.719.9), Nr. 150 vom 26. Juni 1978 über die Arbeitsverwaltung (SR 0.822.725.0) oder Nr. 154 vom 19. Juni 1981 über die Förderung von Kollektivverhandlungen (SR 0.822.725.4), welche die entsprechenden Massnahmen unter den Vorbehalt der innerstaatlichen Gesetzgebung stellen und nicht unmittelbar anwendbar sind (vgl. Pra 95/2006 Nr. 107 S. 731, E. 3, 4C.422/2004). 6.5 Nicht gefolgt werden kann den Beschwerdeführern schliesslich auch, soweit sie eine Verletzung der Statuten der VPSW geltend machen. Denn wenn eine vom Kanton gegründete privatrechtliche Stiftung unmittelbar aufgrund bundesrechtmässigen kantonalen öffentlichen Rechts in eine öffentlich-rechtliche Institution überführt wird, bleibt kein Raum für eine Statutenänderung oder eine Auflösung der Stiftung gemäss deren statutarischen Vorschriften, da das öffentliche Recht den Statuten einer privatrechtlichen Stiftung vorgeht. 7. Die Beschwerdeführer machen geltend, das angefochtene Gesetz ändere die bisherigen Regelungen zum Nachteil der Versicherten ab und verletze damit den Grundsatz von Treu und Glauben ( Art. 9 BV ). 7.1 Das öffentliche Dienstverhältnis wird durch die Gesetzgebung bestimmt und macht daher, auch was seine vermögensrechtliche Seite angeht, die Entwicklung mit, welche die Gesetzgebung erfährt. Ansprüche der Dienstnehmer sind dabei grundsätzlich gegenüber den Massnahmen des Gesetzgebers nur nach Massgabe des Willkürverbots und des Rechtsgleichheitsgebots geschützt. Ein umfassender Schutz besteht nur dort, wo bestimmte Ansprüche aus dem Dienstverhältnis als wohlerworbene Rechte betrachtet werden können, welche durch den Anspruch auf Treu und Glauben ( Art. 9 BV ) und die Eigentumsgarantie ( Art. 26 BV ) geschützt sind ( BGE 106 Ia 163 E. 1b S. 167 ff.; vgl. auch BGE 132 II 485 E. 9.5 S. 513). Dies trifft aber für die vermögensrechtlichen Ansprüche der öffentlichen Angestellten in der Regel nicht zu, sondern nur dann, wenn das Gesetz die entsprechenden Beziehungen ein für allemal festlegt und BGE 134 I 23 S. 36 von den Einwirkungen der gesetzlichen Entwicklung ausnimmt, oder wenn bestimmte, mit einem einzelnen Anstellungsverhältnis verbundene Zusicherungen abgegeben werden ( BGE 118 Ia 245 E. 5b S. 255 f.; BGE 117 V 229 E. 5b S. 235; Pra 91/2002 Nr. 146 S. 790, E. 3.2, 2P.258/2001; 89/2000 Nr. 22 S. 115, E. 3, 2P.298/1998, Nr. 80 S. 485, E. 4a, 1P.529/1999; 88/1999 Nr. 3 S. 11, E. 6a, 2P.158/1997; 87/1998 Nr. 31 S. 227, E. 2, 2P.27/1997; 86/1997 Nr. 1 S. 1, E. 3b, 2P.276/ 1995; ZBl 102/2001 S. 265, E. 3c, 2P.369/1998; SJ 2001 I S. 413, E. 2, 1P.23/2000). 7.2 Die gleichen Grundsätze gelten auch für die berufliche Vorsorge: Die Statuten öffentlich-rechtlicher Vorsorgeeinrichtungen dürfen auch dann geändert werden, wenn sie keinen ausdrücklichen Abänderungsvorbehalt aufweisen, wie dies für privatrechtliche Vorsorgestiftungen gefordert wird. Allgemeine Schranken bilden das Willkürverbot und das Gleichbehandlungsgebot. Ein umfassender Schutz besteht nur dort, wo bestimmte Ansprüche aus dem Dienstverhältnis als wohlerworbene Rechte betrachtet werden können. Dies trifft dann zu, wenn sich Ansprüche aus zwingenden gesetzlichen Bestimmungen ergeben, wenn das Gesetz die entsprechenden Beziehungen ein für allemal festlegt und von den Einwirkungen der gesetzlichen Entwicklung ausnimmt, oder wenn bestimmte, mit einem einzelnen Anstellungsverhältnis verbundene Zusicherungen abgegeben werden. Wohlerworbene Rechte sind der Rentenanspruch als solcher und der bisher erworbene Bestand der Freizügigkeitsleistung, nicht aber - vorbehältlich qualifizierter Zusicherungen - während der Zugehörigkeit zur Vorsorgeeinrichtung und vor dem Eintritt des Vorsorgefalls das reglementarisch vorgesehene künftige Altersguthaben und die Anwartschaften bzw. die genaue Höhe der mit den Beiträgen finanzierten Leistungen ( BGE 130 V 18 E. 3.3 S. 29; BGE 127 V 252 E. 3b S. 255; BGE 117 V 221 E. 5b S. 227 f., BGE 117 V 229 E. 5b S. 235; SVR 2007 BVG Nr. 23 S. 78, E. 4.2, B 72/05; 2000 BVG Nr. 12 S. 57, E. 3c, B 60/99; SZS 2003 S. 429, E. 6.1 und 6.3, B 94/01; 1997 S. 49, E. 2a, B 23/94; 1994 S. 373, E. 6, B 14/91; 1989 S. 313, E. 3b, P.1079/1987; SJ 2001 I S. 413, E. 2, 1P.23/2000; Urteile 2A.562/2005 vom 28. Juni 2006, E. 5.1, und 2A.398/2002 vom 9. Januar 2003, E. 4.2; THOMAS GEISER, Änderung von Vorsorge-Reglementen und wohlerworbene Rechte, in: AJP 2003 S. 619 ff., 624; UELI KIESER, Besitzstand, Anwartschaften und wohlerworbene Rechte in der beruflichen Vorsorge, in: SZS 1999 S. 290 ff., 310 ff.; RIEMER/RIEMER-KAFKA, a.a.O., S. 104 BGE 134 I 23 S. 37 Rz. 5; SCHNEIDER, a.a.O., N. 20 zu Art. 88 FusG ; STAUFFER, a.a.O., S. 507 ff.). Rentenanwartschaften sind auch dann abänderlich, wenn mit den Prämien Leistungen finanziert wurden, die nun reduziert oder gestrichen werden (Urteil 2A.398/2002 vom 9. Januar 2003, E. 4.2; vgl. auch in Bezug auf Änderungen des Umwandlungssatzes BGE 133 V 279 E. 3.1 S. 284 f.). Insbesondere ist die Möglichkeit, vor dem ordentlichen ( Art. 13 Abs. 1 BVG ) Pensionierungsalter in den Ruhestand zu treten, nicht verfassungsrechtlich geschützt ( BGE 117 V 229 E. 5c S. 235 ff.; SJ 2001 I S. 413, E. 5c, 1P.23/2000; SZS 1989 S. 313, E. 3d, P.1079/1987; KIESER, a.a.O., S. 312; RIEMER/ RIEMER-KAFKA, a.a.O., S. 108 Rz. 21), ebenso wenig ein wertmässiger Anspruch auf einen bestimmten Arbeitgeberbeitrag ( BGE 117 V 221 E. 5b S. 227 f.). Die gleichen Grundsätze müssen auch gelten, wenn im Rahmen eines öffentlich-rechtlich geregelten Dienstverhältnisses eine privatrechtlich organisierte Pensionskasse durch eine öffentlich-rechtliche ersetzt wird. 7.3 Die von den Beschwerdeführern beanstandeten Massnahmen werden seitens des Kantons vor allem mit der angestrebten Erhöhung des Deckungsgrades begründet. Entsprechend der Unterdeckung besteht eine Staatsgarantie. Die angestrebte Erhöhung des Deckungsgrades reduziert das Risiko für den Kanton, aufgrund dieser Staatsgarantie Leistungen erbringen zu müssen. Es fragt sich, ob die bisher bestehende Staatsgarantie prinzipiell oder umfangmässig zu den wohlerworbenen Rechten gehört. 7.3.1 Im Rahmen des Bundesgesetzes vom 23. Juni 2000 über die Pensionskasse des Bundes (PKB-Gesetz; SR 172.222.0), mit welchem der Übergang zur Bilanzierung in geschlossener Kasse festgelegt wurde ( Art. 15 PKB-Gesetz ), ging der Bundesgesetzgeber davon aus, dass die bisherige Unterdeckung, die vor allem aus nicht finanzierten Leistungen für die Eintrittsgeneration und für Erhöhungen des versicherten Verdienstes resultierte, einer Arbeitgeberschuld entspreche (Botschaft zum Bundesgesetz über die Pensionskasse des Bundes vom 1. März 1999, BBl 1999 S. 5223 ff., 5248), weshalb der Fehlbetrag von den Arbeitgebern übernommen wurde ( Art. 26 PKB-Gesetz ). Dies bedeutet allerdings noch nicht, dass diese Lösung verfassungsrechtlich die einzig zulässige wäre. 7.3.2 Die Rechtsprechung hat sich bisher zu dieser Frage nicht ausdrücklich geäussert. Im Urteil 2A.228/2005 vom 23. November 2005 wurde eine rückwirkende Aufhebung einer vom BGE 134 I 23 S. 38 Gemeinwesen geleisteten Mindestzinsgarantie als unzulässig erklärt, während die Aufhebung für das laufende Jahr unbestritten blieb. In der Lehre wird die Ansicht vertreten, bei Vorsorgeeinrichtungen mit offener Bilanzierung sei eine Leistungsreduktion nicht zulässig; dies wird einerseits mit Art. 91 BVG begründet, andererseits damit, dass eine Unterdeckung weder im Freizügigkeits- ( Art. 19 FZG ) noch im Liquidationsfall ( Art. 53d Abs. 3 BVG e contrario) berücksichtigt werden dürfe, mithin die gesamte nach Art. 16 FZG berechneten Barwerte die mathematische Reserve bilden, die als wohlerworbene Rechte geschützt seien (JACQUES-ANDRÉ SCHNEIDER/ERIC MAUGUÉ, Caisses de pensions publiques: garantie étatique et modification du plan des prestations, in: SVZ 68/2000 S. 65 ff.). 7.3.3 Die Bedeutung des Art. 91 BVG liegt im intertemporalrechtlichen Bereich: Insbesondere sollen vorobligatorische Ansprüche nur abgeändert werden dürfen, wenn und soweit das Reglement der betreffenden Vorsorgeeinrichtung hierüber eine ausdrückliche Bestimmung enthält. Hinsichtlich der allgemeinen Garantie wohlerworbener Rechte sagt Art. 91 BVG jedoch nichts aus, was nach herrschender Lehre und Rechtsprechung nicht ohnehin gelten würde. Art. 91 BVG bezieht sich somit nicht auf die Frage, ob und unter welchen Umständen Vorsorgeeinrichtungen des privaten und öffentlichen Rechts gegebenenfalls im ausserobligatorischen Bereich ihre Reglemente und Statuten abändern dürfen (SZS 1994 S. 373, E. 7a, B 14/91; GEISER, a.a.O., S. 624). Auch ist die Staatsgarantie als solche keine gesetzlich zwingende Leistung. Das Bundesrecht sieht die Möglichkeit einer solchen Garantie vor, schreibt sie aber den Kantonen nicht vor. Es muss daher grundsätzlich zulässig sein, eine einmal festgelegte Garantie auch wieder aufzuheben (vorne E. 5.3, 7.1 und 7.2). Das Bundesrecht verbietet zwar im Freizügigkeitsfall eine Berücksichtigung von Unterdeckungen, doch folgt daraus nicht, dass eine einmal gewährte Staatsgarantie nach Bestand und Umfang unabänderlich wäre. Die gegenteilige Auffassung liefe im Ergebnis darauf hinaus, bestimmte einmal gewährte vermögensrechtliche Ansprüche öffentlicher Bediensteter ein für allemal für unabänderlich zu erklären, was der zitierten ständigen Rechtsprechung zuwiderliefe. Eine Parallelität zwischen Freizügigkeitsleistung und wohlerworbenen Rechten gibt es auch bei privatrechtlichen Vorsorgeeinrichtungen nicht: Auch dort muss im Freizügigkeitsfall den Austretenden die ungeschmälerte Austrittsleistung mitgegeben werden ( Art. 2 und 15 ff. FZG ), während BGE 134 I 23 S. 39 die in der Einrichtung Verbleibenden unter Umständen zu Sanierungsanstrengungen herangezogen werden können ( Art. 65d BVG ) und damit gegenüber den Austretenden allenfalls benachteiligt werden. 7.4 Im Entwurf zum angefochtenen Gesetz war vorgesehen, dass das bei Inkrafttreten zu Vorsorgezwecken angehäufte Vermögen sowie der Anspruch auf Leistungen, deren Voraussetzungen bereits erfüllt sind, als wohlerworbene Rechte garantiert werden. Der Grosse Rat ergänzte in Art. 42 GVE diese Garantie um den bei Inkrafttreten des Gesetzes geltenden Rentensatz. Gemäss Art. 83 Abs. 2 des vom Staatsrat erlassenen Grundreglements der Vorsorgekasse für das Personal des Staates Wallis vom 7. Februar 2007 werden zu diesem Zweck die Versicherungsjahre, welche durch die am 31. Dezember 2006 der Kasse angeschlossenen Versicherten der Kategorie 2 im Sinne der zu diesem Zeitpunkt geltenden Statuten erworben wurden, am 1. Januar 2007 je zu 16/15 gutgeschrieben. Mit diesen Regelungen ist der verfassungsrechtliche Schutz jedenfalls eingehalten. 7.5 Ein weiter gehender verfassungsrechtlicher Schutz wohlerworbener Rechte käme höchstens in Frage, wenn die zuständigen Behörden des Kantons feste individuelle Zusicherungen in Bezug auf die Beibehaltung der bisherigen Leistungen gemacht hätten. Dies behaupten die Beschwerdeführer selber nicht. Sie bringen nur vor, die Leistungen der Pensionskasse seien über Jahre Bestandteil der Lohn- und Personalpolitik des Kantons und ein gängiges Werbeargument bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter gewesen. Der blosse Umstand, dass eine Behörde bisher eine bestimmte Behandlung hat zukommen lassen, stellt indessen noch keine Vertrauensgrundlage dar ( BGE 129 I 161 E. 4.2 S. 170; SZS 1997 S. 49, E. 3, B 23/94; ZBl 107/2006 S. 309, E. 3, 1P.58/2004; vgl. für das privatrechtliche Vorsorgeverhältnis BGE 133 V 279 E. 3.2 S. 285) und schliesst namentlich nicht aus, dass der Staat seine Lohn- oder Personalpolitik ändert. Wer in den Staatsdienst tritt, muss damit rechnen, dass das Gesetz, welches die Rechtsstellung der Staatsangestellten regelt, grundsätzlich jederzeit geändert werden kann (SZS 1997 S. 49, E. 2c, B 23/94). Auch dass der Staatsrat früher Bedenken betreffend den tiefen Deckungsgrad mit dem Hinweis auf die Staatsgarantie beantwortet habe, kann den Gesetzgeber nicht daran hindern, später BGE 134 I 23 S. 40 Massnahmen zu treffen, welche den Deckungsgrad erhöhen. Ob der Zeitpunkt oder das Ausmass der angestrebten Erhöhung angemessen sind, ist eine Frage des gesetzgeberischen Ermessens. Auch die den Beschwerdeführern ausgestellten Versicherungs- bzw. Leistungsausweise stellen keine Vertrauensgrundlage dar, zumal sie festhalten, dass für die Berechnung der Leistungen die Bestimmungen der Statuten 2000 massgebend seien, ohne jedoch diese Statuten als unabänderlich zu erklären (vgl. auch Gutachten des Bundesamtes für Justiz über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Rentenkürzungen bei Publica und den Pensionskassen Post und SBB, publ. in: VPB 70/2006 Nr. 68 S. 1054 ff., 1074 f.; Urteil B 94/01 vom 13. September 2002 [mit Zusammenfassung in: SZS 2003 S. 429], E. 6.3). 7.6 7.6.1 Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben hat die Rechtsprechung abgeleitet, dass unter Umständen angemessene Übergangsfristen für neue belastende Regelungen verfassungsrechtlich geboten sein können ( BGE 130 I 26 E. 8.1 S. 60; Pra 2000 Nr. 22 S. 115, E. 4c, 2P.298/1998, Nr. 128 S. 745, E. 4c, 2P.56/1999). Übergangsfristen haben jedoch nicht den Zweck, die Betroffenen möglichst lange von der günstigeren bisherigen Regelung profitieren zu lassen, sondern einzig, ihnen eine angemessene Frist einzuräumen, sich an die neue Regelung anzupassen ( BGE 123 II 385 E. 9 S. 395 f.; BGE 122 V 405 E. 3b/bb S. 409; SCHNEIDER/MAUGUÉ, a.a.O., S. 77 f.). Dies gilt auch für die Änderung von besoldungs- oder pensionsrechtlichen Ansprüchen öffentlicher Angestellten: Eine mit Treu und Glauben begründete Übergangsfrist soll den Betroffenen ermöglichen, ihre Lebenshaltung an ein allfällig reduziertes Einkommen anzupassen ( BGE 130 V 18 E. 3.3 S. 29 f.; SJ 2001 I S. 413, E. 5b, 1P.23/2000; Pra 1997 Nr. 1 S. 1, E. 4c, 2P.276/1995; Urteil 2A.398/2002 vom 9. Januar 2003, E. 4.2), bei besoldungsrechtlichen Ansprüchen z.B. durch Kündigung vor dem Inkrafttreten der neuen Regelung, so dass allenfalls ein Anspruch auf eine Übergangsfrist im zeitlichen Rahmen der Kündigungsfrist oder von vergleichbarer Dauer anerkannt werden könnte (vgl. Pra 1998 Nr. 31 S. 227, E. 5, 2P.27/1997; 1997 Nr. 1 S. 1, E. 4c, 2P.276/1995; SCHNEIDER/MAUGUÉ, a.a.O., S. 78 f.). Die Rechtsprechung hat allerdings das Fehlen einer Übergangsregelung nur zurückhaltend als verfassungswidrig beurteilt und namentlich bei relativ geringfügigen Leistungseinbussen auch eine übergangslose Inkraftsetzung BGE 134 I 23 S. 41 einer neuen Regelung nicht beanstandet (Urteil P.359/1978 vom 22. Februar 1980, E. 6c nicht publ. in BGE 106 Ia 163 ; Pra 2000 Nr. 22 S. 115, E. 4c mit Hinweisen, 2P.298/1998; 1999 Nr. 3 S. 11, E. 6b, 2P.158/1997; vgl. auch für das privatrechtliche Vorsorgeverhältnis BGE 133 V 279 E. 3.3 S. 286). Bei vorsorgerechtlichen Verhältnissen sind freilich die Konsequenzen einer Verschlechterung nur sehr eingeschränkt durch Kündigung abwendbar, so dass sich allenfalls tendenziell längere Übergangsfristen rechtfertigen lassen. 7.6.2 Art. 34 des angefochtenen Gesetzes enthält die Grundsätze, in deren Rahmen die Kassen eine Übergangsregelung betreffend die Erhöhung des ordentlichen Rücktrittsalters und die Änderungen im Zusammenhang mit der AHV-Überbrückungsrente vorsehen (Abs. 1). Die Übergangsmassnahmen werden den Begünstigten während einer Zeitspanne von fünf Jahren ab Inkrafttreten des Gesetzes gewährt (Abs. 2). Die Übergangsregelung basiert bezüglich der Erhöhung des Rücktrittsalters auf einer progressiven Reduktion der Leistungen in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der ordentlichen Pensionierung (Abs. 3), bezüglich der AHV-Überbrückungsrente auf einer progressiven Reduktion der Anzahl jährlicher Maximalrenten, in Abhängigkeit vom Rücktrittsjahr (Abs. 4). Diese Grundsätze sind zweckmässig und sinnvoll, indem sie die Folgen der Rechtsänderung zeitlich gestaffelt eintreten lassen (vgl. SJ 2001 I S. 413, E. 5c, 1P.23/2000). Wer beim Inkrafttreten des Gesetzes kurz vor der nach bisherigem Recht möglichen Pensionierung steht, erleidet nur eine geringe Einbusse. Die volle Leistungskürzung tritt erst nach fünf Jahren ein, und zudem nur, wenn die versicherte Person im bisher vorgesehenen Pensionsalter zurücktritt. Arbeitet sie bis zum neu vorgesehenen Pensionsalter weiter - welches immer noch tiefer ist als das für die Mehrheit der Versicherten geltende gesetzliche Rentenalter - erleidet sie keine Renteneinbusse. Die für die Anpassung der Lebensplanung eingeräumte Frist von mehreren Jahren ist unter diesen Umständen im Lichte der dargestellten Rechtsprechung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. auch SZS 1989 S. 313, E. 4f., P.1079/1987). Das blosse Interesse der Versicherten auf möglichst lange Weitergeltung der bisherigen günstigeren Regelung ist kein verfassungsrechtlich zwingender Grund für eine längere Übergangsdauer, ebenso wenig der Umstand, dass bei anderen Gesetzesrevisionen längere Übergangsfristen festgesetzt worden sind (vorne E. 5.3). BGE 134 I 23 S. 42 8. Offensichtlich unbegründet ist die Rüge, das angefochtene Gesetz sei willkürlich. Ein Erlass ist willkürlich, wenn er sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen lässt oder sinn- und zwecklos ist ( BGE 131 I 1 E. 4.2 S. 6; BGE 129 I 1 E. 3 S. 3; BGE 124 I 297 E. 3b S. 299). Das angefochtene Gesetz bezweckt eine Erhöhung des Deckungsgrades der kantonalen Vorsorgeeinrichtungen. Dies ist ohne weiteres ein haltbarer sachlicher Grund ( BGE 117 V 229 E. 5c S. 237; SZS 1989 S. 313, E. 4e, P.1079/1987; VPB 70/2006 Nr. 68 S. 1079) und trägt überdies den gesetzgeberischen Bestrebungen auf eidgenössischer Ebene Rechnung (vgl. die parlamentarische Initiative 03.432 [Beck], welche eine Aufhebung von Art. 69 Abs. 2 BVG anstrebt und der vom Nationalrat Folge gegeben wurde [AB 2005 N 21 ff.; 2007 N 566 f.]; Vernehmlassungsvorlage vom Juni 2007 "Finanzierung öffentlich-rechtlicher Vorsorgeeinrichtungen", Änderung des BVG), auch wenn diese umstritten sein mögen (CARL HELBLING, Personalvorsorge und BVG, 8. Aufl., Bern 2006, S. 453 ff.; MEINRAD PITTET, Die öffentlichen Pensionskassen in der Schweiz, Bern 2005, S. 99 ff.). Auch die Harmonisierung des Pensionsalters der Lehrer mit demjenigen des übrigen Staatspersonals ist ohne weiteres ein sachlich haltbares Anliegen. Sie ist auch nicht unverhältnismässig, ist sie doch erforderlich und geeignet, um das angestrebte legitime Ziel zu erreichen, und zudem auch nicht unverhältnismässig im engeren Sinne, stellt sie doch im Wesentlichen einfach die betroffenen Lehrkräfte den übrigen Staatsangestellten gleich (vgl. dazu hinten E. 9.2). 9. Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung der Rechtsgleichheit ( Art. 8 BV ) mit der Begründung, die Versicherten von nur zwei der fünf Kategorien hätten durch eine Erhöhung des Pensionierungsalters die Hauptlast der Sanierung zu tragen (vgl. vorne E. 5.1). 9.1 Das Gebot der rechtsgleichen Behandlung ( Art. 8 Abs. 1 BV ) ist verletzt, wenn ein Erlass hinsichtlich einer entscheidwesentlichen Tatsache rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder wenn er Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen. Die Rechtsgleichheit ist verletzt, wenn Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich oder Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird. Die Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen ersichtlich ist, kann zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich beantwortet werden, BGE 134 I 23 S. 43 je nach den herrschenden Anschauungen und Zeitverhältnissen. Dem Gesetzgeber bleibt im Rahmen dieser Grundsätze und des Willkürverbots ein weiter Spielraum der Gestaltung, den das Bundesgericht nicht durch eigene Gestaltungsvorstellungen schmälert ( BGE 132 I 157 E. 4.1 S. 162 f.; BGE 131 V 107 E. 3.4.2 S. 114; BGE 130 I 65 E. 3.6 S. 70). 9.2 Durch das angefochtene Gesetz wird nicht etwa zum Nachteil der betroffenen Lehrkräfte (Primarschul-, Orientierungsstufen- und Berufsschullehrer) eine Ungleichheit neu geschaffen, sondern im Gegenteil eine vorher bestehende Ungleichheit aufgehoben, indem das früher tiefere Pensionsalter der betreffenden Versicherten demjenigen des übrigen Staatspersonals angeglichen wird. Rechtfertigungsbedürftig ist weniger die jetzt hergestellte Gleichbehandlung als die vorher bestehende Ungleichbehandlung. Es liegt zwar innert bestimmter Grenzen im Rahmen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums, bestimmte Gruppen von Versicherten im Hinblick auf besondere berufliche Anforderungen früher als andere zu pensionieren, weshalb es nicht unzulässig ist, dass der Kanton Wallis für die Kategorien 3 und 5 nach wie vor ein tieferes Pensionierungsalter als für die übrigen Angestellten festlegt. Jedenfalls bestehen aber keine verfassungsrechtlich zwingenden Gründe dafür, auch die betroffenen Lehrkräfte zwei Jahre früher als andere Staatsangestellte zu pensionieren. Der Gesetzgeber verstösst nicht gegen Art. 8 BV , wenn er eine bisher bestehende, verfassungsrechtlich allenfalls zulässige, aber jedenfalls nicht zwingende Ungleichbehandlung aufhebt (SJ 2001 I S. 413, E. 5a, 1P.23/2000; SZS 1989 S. 313, E. 4d, P.1079/1987). Dass dies von den bisher Bevorzugten als Nachteil empfunden wird, liegt in der Natur der Sache, ist aber verfassungsrechtlich nicht unzulässig, wäre es doch sonst a priori unmöglich, einmal festgesetzte Ungleichbehandlungen zu eliminieren. 9.3 Es trifft zu, dass eine gewisse Ungleichbehandlung zwischen den aus der VPSW ausscheidenden (u.a. diejenigen, die in das Réseau Santé Valais überführt werden) und den in dieser verbleibenden Versicherten besteht: Die Ausscheidenden erhalten 100 % ihrer Austrittsleistung, während die Verbleibenden nicht mehr diejenigen Leistungen bekommen werden, welche nach bisherigem Recht den in der Vergangenheit einbezahlten Beiträgen entsprechen würden. Diese Bevorzugung der Austretenden folgt aber aus den bundesrechtlichen Vorschriften, welche zwingend vorschreiben, BGE 134 I 23 S. 44 den ausgetretenen Versicherten die volle Austrittsleistung mitzugeben ( Art. 2 und 15 ff. FZG ), namentlich auch bei öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen mit Unterdeckung ( Art. 19 FZG ). Bei bestehender Unterdeckung müssen deshalb die fehlenden Mittel zwangsläufig durch das Gemeinwesen bezahlt werden. Die von den Beschwerdeführern beanstandete Zahlung zugunsten der Austretenden ist damit bundesrechtlich vorgegeben. Daraus kann aber, anders als die Beschwerdeführer offenbar annehmen (ebenso SCHNEIDER/ MAUGUÉ, a.a.O., S. 74), nicht abgeleitet werden, dass aus Rechtsgleichheitsgründen auch den verbleibenden Versicherten keine Sanierungsmassnahmen in Form von Leistungsänderungen auferlegt werden könnten. Es entspricht dem Grundkonzept von BVG und FZG, dass Personen, die vor dem Eintritt des Versicherungsfalls aus der Vorsorgeeinrichtung ausscheiden, mit der Entrichtung des Freizügigkeitsguthabens ihre Beziehungen zur bisherigen Einrichtung beenden: Sie haben (ausser im Falle der Liquidation, Art. 23 FZG ) keinen Anspruch mehr auf freie Mittel, können umgekehrt aber auch nicht mehr zu Sanierungsleistungen herangezogen werden (vgl. vorne E. 7.3.3). Diese obliegen dem Arbeitgeber und den (verbleibenden) Arbeitnehmern als Solidargemeinschaft der Versicherungseinrichtung ( Art. 65d BVG ). Könnten die verbleibenden Versicherten nicht mehr zu Sanierungsmassnahmen herangezogen werden, so wären solche überhaupt nicht oder nur auf Kosten des Arbeitgebers möglich; dies widerspräche bei Einrichtungen mit geschlossener Kasse der gesetzlichen Regelung ( Art. 65 ff. BVG ) bzw. würde bei Einrichtungen mit offener Kasse zwingend implizieren, dass die einmal gewährte Staatsgarantie auch in der Höhe unveränderlich wäre, was indessen dem Grundsatz der jederzeitigen Änderung der Gesetzgebung (vorne E. 7.1 und 7.2) widerspräche. Die Ungleichbehandlung von Ausgetretenen und Verbleibenden ist damit unausweichlich (STAUFFER, a.a.O., S. 414 Rz. 1114, S. 510 Rz. 1351); unter anderem um diese in Zukunft zu vermeiden oder zu reduzieren, werden heute in den öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen höhere Deckungsgrade angestrebt als in der Vergangenheit (vgl. vorne E. 8). Die Ungleichbehandlung wird immerhin dadurch gemildert, dass die Verbleibenden weiterhin die Staatsgarantie geniessen (Botschaft zu einem Bundesgesetz über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 26. Februar 1992, BBl 1992 III 533 ff., S. 595; SCHNEIDER/MAUGUÉ, a.a.O., S. 73). BGE 134 I 23 S. 45 9.4 Eine Ungleichbehandlung könnte allenfalls darin erblickt werden, dass die von der neuen Regelung Betroffenen in der Vergangenheit durch höhere Beiträge ihr früheres Pensionierungsalter vorfinanziert haben und infolge der Neuregelung nun - anders als die übrigen Versicherten - für diese Beiträge keine entsprechenden Leistungen mehr erhalten. 9.4.1 Dabei können allerdings von vornherein nur die Arbeitnehmerbeiträge von Bedeutung sein, die in der Kategorie 2 um 1 Lohnprozent höher waren als in der Kategorie 1; die bisher um 1,6 Lohnprozent höheren Arbeitgeberbeiträge stellten eine besondere Privilegierung der Kategorie 2 dar, auf deren Fortbestand kein verfassungsrechtlicher Anspruch bestehen kann (vorne E. 9.2). 9.4.2 In der Rechtsprechung wurde eine Ungleichbehandlung bejaht, wenn durch ein unfreiwilliges Ausscheiden aus einer Vorsorgeeinrichtung der Vorsorgeschutz nicht aufrechterhalten werden kann (vgl. SZS 1994 S. 373, E. 8, B 14/91). Hier ist indessen eine Weiterführung des Vorsorgeschutzes möglich, sogar ohne Renteneinbusse, wenn die Versicherten bis zum neu vorgesehenen (immer noch relativ tiefen) Pensionsalter weiterarbeiten. 9.4.3 Als gegen die Rechtsgleichheit verstossend hat das Gericht bei einer Beitragsprimatkasse eine Regelung qualifiziert, wonach freiwillig versicherte Mitglieder einer öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtung, die keinen Anspruch auf vorzeitige Pensionierung hatten, an der Finanzierung der vorzeitigen Pensionierung der obligatorisch versicherten Mitglieder durch höhere Beiträge mitzuwirken hatten; dem freiwillig Versicherten wurde daher ein Anspruch auf Rückerstattung der zur Finanzierung des flexiblen Rentenalters der obligatorisch versicherten Mitglieder entrichteten (zusätzlichen) Beiträge zuerkannt (SZS 1997 S. 331, B 37/93). Im Unterschied zu jenem Fall müssen vorliegend die Angehörigen der Kategorie 2 nicht eine vorzeitige Pensionierung einer anderen Gruppe mitfinanzieren. Zudem handelt es sich bei der VPSW bisher um eine Leistungsprimatkasse, bei welcher - im Unterschied zu einer Beitragsprimatkasse (SZS 1997 S. 331, E. 5b/bb, B 37/93) - das individuelle Äquivalenzprinzip nicht gilt, sondern der Anspruch vom Barwert der erworbenen Leistung abhängt und sich mit diesem ändern kann (vgl. Art. 16 Abs. 6 FZG ; Urteil 2A.396/2003 vom 30. September 2004, E. 5.1). In solchen Systemen sind unterschiedliche Methoden der Leistungsfinanzierung verfassungsrechtlich BGE 134 I 23 S. 46 zulässig, auch wenn sie dazu führen, dass nicht alle Versicherten in genau gleicher Weise zu den letztlich gleichen Leistungen beitragen ( BGE 121 II 198 E. 4 S. 204 f.). 9.4.4 Im Urteil P.1079/1987 vom 30. September 1988, publ. in: SZS 1989 S. 313, wurde eine Rechtsungleichheit verneint bei einer mit der vorliegenden vergleichbaren Regelung, welche eine nach früherem Recht bestehende (allerdings nur ungenügend finanzierte) Möglichkeit für Lehrkräfte, mit 60 Jahren mit nur unwesentlich gekürzter Rente in den Ruhestand zu treten, aufhob. Dabei liess auch der Umstand, dass dafür eine Pflicht zum rückwirkenden Einkauf bestanden hatte, den Verlust des weitgehenden Pensionierungsanspruchs nicht als verfassungswidrig erscheinen (E. 3 und 4); allerdings wurde offen gelassen, ob und inwieweit ein Anspruch auf Rückerstattung des seinerzeit zwecks Rückeinkaufs bezahlten Betrags bestehe (E. 5). Verneint wurden eine Rechtsungleichheit und ein Anspruch auf Rückforderung in einem Fall, in welchem ein Versicherter eine Summe für den Auskauf einer Rentenkürzung bei vorzeitiger Pensionierung geleistet hatte, in der Folge der Arbeitgeber jedoch eine generelle vorzeitige Pensionierung anordnete und somit auch diejenigen, die keine Auskaufssumme geleistet hatten, in den Genuss der gleichen Leistung gelangten; das Eidg. Versicherungsgericht erwog, anders als in dem in SZS 1997 S. 331, B 37/93, beurteilten Sachverhalt habe der Versicherte mit der streitigen Auskaufssumme nicht zur Finanzierung der vorzeitigen Pensionierung derjenigen (vorzeitig pensionierten) Versicherten beigetragen, die sich nicht auf das 63. Altersjahr eingekauft haben; auch sei er in seinen Rechten nicht geschmälert, bloss ziehe er aus dem damaligen Auskauf keinen Vorteil, weil er auch sonst in den Genuss der entsprechenden Leistung gelange. Es liege in der Natur vorzeitiger Pensionierungen, dass generelle Lösungen zu treffen seien, welche sich je nach der individuellen Altersgrenze und Versicherungsdauer für die Betroffenen unterschiedlich auswirken könnten ( BGE 127 V 252 E. 3c S. 256 f.). Auch ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung auf Rückerstattung der nutzlos eingebrachten Leistungen wurde verneint: Zum einen habe der Versicherte keinen zwingenden Rechtsanspruch auf Fortbestand seiner Anwartschaften gehabt, indem der Rechtszustand auch zu seinen Ungunsten hätte geändert werden können. Zum andern habe auch die Vorsorgeeinrichtung keinen ungerechtfertigten Vermögensvorteil erlangt, weil auch die vom Beschwerdeführer geleistete BGE 134 I 23 S. 47 Auskaufssumme das für die vorzeitige Pensionierung erforderliche Deckungskapital nur zum Teil ausgleiche. Begünstigt sei allenfalls der nach kantonalem Recht zum Ausgleich des Deckungskapitals verpflichtete Kanton. Darin lasse sich jedoch keine die Rückerstattungspflicht der Vorsorgeeinrichtung rechtfertigende Bereicherung erblicken ( BGE 127 V 252 E. 4a S. 257 f.). Auch aus Treu und Glauben ergebe sich kein Rückerstattungsanspruch (E. 4b S. 258 f.). 9.4.5 Anders als im zuletzt zitierten Fall erhalten vorliegend die Angehörigen der Kategorie 2 nicht eine zusätzliche Leistung, die sie - im Unterschied zu den anderen Leistungsempfängern - finanziert haben, sondern es wird eine bisher vorgesehene und von ihnen finanzierte Leistung reduziert. Die wirtschaftliche Konsequenz ist jedoch in beiden Fällen dieselbe: Die betroffenen Versicherten haben eine Finanzierung geleistet, die ihnen jetzt keinen Nutzen mehr bringt. Im Lichte der zitierten Rechtsprechung kann diese Regelung nicht als verfassungswidrig beurteilt werden: Sie beruht auf einem sachlich begründeten Anliegen (E. 8) und ist angesichts der Übergangsfrist (E. 7.6.2) und des garantierten Rentensatzes (E. 7.4) in ihren Auswirkungen relativ bescheiden. Sie hält sich im Rahmen der Ungleichheiten, die bei einer Reglementsänderung unvermeidlich und in gewissem Umfang hinzunehmen sind.
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Sachverhalt ab Seite 418 BGE 86 II 417 S. 418 A.- Jean Ulrich, geb. 1878, übertrug im Jahre 1947 sein landwirtschaftliches Heimwesen in Maur-Ebmatingen samt lebendem und totem Inventar und Vorräten auf seine Tochter Rosa, geb. 1922. Gleichzeitig erteilte Rosa Ulrich ihrem Vater unbeschränkte Generalvollmacht zur Verwaltung, Verpachtung und zum Verkauf der Liegenschaft nach seinem freien Belieben unter Ausschluss jedes Mitspracherechts der Tochter. Mit notariellem Vertrag vom 24. August 1953 räumte Jean Ulrich namens seiner Tochter dem Fritz Frischknecht ein Kaufsrecht zum Preise von Fr. 5.- pro m2 ein, das im Grundbuch vorgemerkt wurde; Frischknecht behielt sich vor, seine Erben oder eine beliebige Drittperson in den Kaufrechtsvertrag eintreten zu lassen. Dieser erhielt von der Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich die Zustimmung gemäss Art. 218bis OR . Am 11. August 1954 trat Frischknecht seine sämtlichen Rechte und Pflichten aus dem Kaufsrechtsvertrag für Fr. 15'000.--, zahlbar bei Ausübung des Kaufsrechts, an Ernst Hafner ab. Anfangs September 1954 erklärte Hafner sein Kaufsrecht auszuüben und lud die Eigentümerin Rosa Ulrich ein, zur grundbuchlichen Behandlung am 9. September 1954 auf dem Grundbuchamt Uster zu erscheinen. Rosa Ulrich, unterstützt von ihrem Vater, weigerte sich jedoch, zum Vollzug des Kaufsrechts Hand zu bieten und den Verkauf beim Grundbuch anzumelden. Die von Hafner vorgenommene Anmeldung wies das Grundbuchamt mit Erfolg ab, nahm aber trotzdem die BGE 86 II 417 S. 419 in Art. 13 Abs. 3 EGG vorgesehene Benachrichtigung der Vorkaufsberechtigten vor, worauf der Vater Ulrich fristgemäss das ihm nach Art. 6 zustehende Vorkaufsrecht geltend machte. Rosa Ulrich erklärte sich damit einverstanden. B.- Nach erfolglosem Befehls- und Grundbuchbeschwerdeverfahren erhob Hafner beim Bezirksgericht Uster Klage, zunächst gegen Jean und Rosa Ulrich auf Mitwirkung zur Übertragung des Eigentums und Hinfälligerklärung des Vorkaufsrechts des Vaters, in der Folge ferner gegen Rosa Ulrich allein auf gerichtliche Zuweisung des Eigentums gegen Barzahlung. Gegen die beiden, den Standpunkt des Klägers schützenden Urteile des Bezirksgerichts vom 15. Oktober 1958 legten die Beklagten Berufung an das Obergericht ein. Dieses vereinigte die beiden Prozesse, wies die Berufungen ab und bestätigte die erstinstanzlichen Entscheide dahin: 1.- Dem Beklagten Jean Ulrich steht ein gesetzliches Vorkaufsrecht gegenüber der Ausübung des Kaufrechts durch Hafner nicht zu; 2.- dem Kläger wird das Eigentum an der Liegenschaft zum Preise von Fr. 5.-- pro m2 gegen Barzahlung gerichtlich zugesprochen. 3.- die Beklagte Rosa Ulrich wird verpflichtet, für den Eingang der Pfandentlassungsbewilligungen bezüglich des Kaufgrundstückes und der darauf lastenden Pfandtitel beim Grundbuchamt Uster auf den Zeitpunkt der vom Kläger zu leistenden Barzahlung besorgt zu sein. Beide Vorinstanzen stehen auf dem Standpunkt, Jean Ulrich habe zur Ausübung des den Eltern zustehenden Vorkaufsrechts gemäss Art. 6 und 14 EGG nur im Zusammenhang mit seinen als trölerhaft zu bezeichnenden Bemühungen gegriffen, den Vollzug des von ihm selbst abgeschlossenen Kaufsrechtsvertrags zu verhindern. Das sei rechtsmissbräuchlich; denn das gesetzliche Vorkaufsrecht der Verwandten gemäss Art. 6 ff. EGG diene zur Verwirklichung der in Art. 1 umschriebenen Zwecke dieses Gesetzes: BGE 86 II 417 S. 420 Schutz des bäuerlichen Grundbesitzes als Träger eines gesunden und leistungsfähigen Bauernstandes, Förderung der Bodennutzung, Festigung der Bindung zwischen Familie und Heimwesen und Erhaltung der landwirtschaftlichen Betriebe. Darum gehe es dem heute 81jährigen Jean Ulrich nicht. Infolge der seit Abschluss des Kaufrechtsvertrags (1953) erheblich gestiegenen Bodenpreise sei er lediglich unzufrieden mit dem damals vereinbarten Kaufpreis von Fr. 5.- und wolle das Vorkaufsrecht benutzen, um den Verkauf zu Fall zu bringen und günstiger über die Liegenschaft verfügen zu können. Es gehe ihm dabei keineswegs um die Erhaltung des Heimwesens. Diese Verwendung des Vorkaufsrechts nach EGG sei zweckwidrig, stelle einen offenbaren Rechtsmissbrauch dar und sei daher unwirksam. Hinsichtlich der Übertragung des Eigentums auf den Kläger stimmen die Vorinstanzen darin überein, dass die Voraussetzungen zur gerichtlichen Zusprechung des Eigentums - Kaufsrechtsvertrag und Ausübungserklärung als Erwerbsgrund, Weigerung der Eigentümerin und Verkäuferin, zur Eintragung Hand zu bieten - gemäss Art. 665 Abs. 1 ZGB gegeben seien. Der von der Beklagten vor Obergericht erhobenen Einrede des nichterfüllten Vertrags hat die Vorinstanz in der Weise Rechnung getragen, dass der Zuspruch des Eigentums gemäss Antrag des Klägers gegen Barzahlung erfolgte. C.- Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende Berufung von Vater und Tochter Ulrich mit den Anträgen (gekürzt): 1.- es seien alle Klagebegehren abzuweisen, 2.- ev. sei das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Aktenergänzung bezüglich der Frage des Rechtsmissbrauchs und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen, 3.- ev. seien, bei Verneinung des gesetzlichen Vorkaufsrechts gemäss Disp. 1, Disp. 2 und 3 der Vorinstanz aufzuheben und die Klagebegehren auf Zusprechung des BGE 86 II 417 S. 421 Eigentums und Beibringung der Pfandentlassung abzuweisen, 4.- die Gerichts- und Parteikosten aller drei Instanzen seien dem Kläger aufzuerlegen. Der Berufungsbeklagte Hafner trägt auf Abweisung der Berufung an. An Stelle des am 9. März 1960 verstorbenen Jean Ulrich sind dessen Erben in den Prozess eingetreten.
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Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Da der Streit um das Eigentum an einer Liegenschaft geht, stellt deren Wert den Streitwert dar. Er beträgt schon nach dem vertraglichen Kaufpreis von Fr. 5.- pro m2 über Fr. 130'000.--, sodass die Berufung zulässig ist ( BGE 84 II 192 ). 2. Die Berufungskläger machen geltend, die Vorinstanz habe mit der Annahme, Jean Ulrich habe unter den gegebenen Umständen das Vorkaufsrecht gemäss Art. 6 EGG missbräuchlich, weil nicht zu dem von dieser Bestimmung verfolgten Zwecke, und daher unwirksam ausgeübt, Bundesrecht verletzt. Nach Lehre und Rechtsprechung kann es mit der von Art. 2 ZGB aufgestellten Pflicht zum Handeln nach Treu und Glauben unvereinbar sein, wenn ein Rechtsinstitut zu ihm gänzlich fremden Zwecken gebraucht wird (vgl. BGE 54 II 442 ; EGGER zu Art. 2 ZGB , Note 32; SIEGWART, Die zweckwidrige Verwendung von Rechtsinstituten). Ob dies zutreffe, hat der Richter ohne Bindung an starre Regeln in jedem einzelnen Falle unter Würdigung der gesamten Umstände nach freiem Ermessen zu prüfen ( BGE 78 II 227 ). a) Die Berufungskläger machten unter Hinweis auf BGE 82 II 75 und BGE 84 II 200 zunächst geltend, es komme überhaupt nicht auf die besondern Zwecke an, die der Vorkaufsberechtigte bei der Ausübung seines Rechtes verfolgen möge. Aus den angeführten Entscheiden lässt sich indessen diese Auffassung nicht ableiten. Im erstzitierten stellte sich die Frage, ob der Verzicht des Vorkaufsberechtigten BGE 86 II 417 S. 422 auf die Ausübung gegen Abfindung in Ansehung der Zwecke des Institutes gemäss Art. 1 EGG widerrechtlich und daher nach Art. 20 OR nichtig sei. Das Bundesgericht hat sie verneint gestützt auf den privatrechtlichen Charakter des Anspruchs, der zwar höchstpersönlicher Natur, im übrigen aber in keiner Weise der freien Verfügbarkeit entrückt sei, immerhin unter Vorbehalt eines Falles, wo jene Zwecke durch die Zulassung eines Verzichtes geradezu vereitelt würden. Der zweitgenannte Entscheid befasste sich nur mit der Frage der Form und des Adressaten einer Verzichterklärung; der Zweck dieses Vorkaufsrechts spielte keine Rolle. Das gesetzliche Vorkaufsrecht der Art. 6 ff. EGG ist nicht um seiner selbst willen eingeführt worden. Den berechtigten Personen soll es nicht schlechthin zur Verfügung stehen, nur weil sie sich in einem bestimmten Verhältnis zum Eigentümer (Verwandte und Ehegatten) oder zur Liegenschaft (Pächter, Dienstpflichtige) befinden, wie es z.B. beim Vorkaufsrecht der Miteigentümer nach Art. 682 ZGB der Fall ist. Das Vorkaufsrecht des EGG dient vielmehr den Sonderzwecken, die in Art. 1 dieses Gesetzes umschrieben sind, also in erster Linie agrarpolitischen, wie auch in BGE 82 II 74 hervorgehoben wurde. Wenn daneben auch noch Tendenzen des Familienschutzes zum Ausdruck kommen (vgl. BGE 82 II 468 /69 und dort zit. Stellen des Sten.Bull. NR), müssen sie sich doch dem Hauptzweck des Gesetzes - Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes - unterordnen. Diese letztgenannten Tendenzen werden z.B. dadurch berücksichtigt, dass vom Erfordernis der Selbstbewirtschaftung, das im bundesrätlichen Entwurf enthalten war, bei Verwandten abgesehen wird; es spielt nur noch eine Rolle in Spezialfällen (Art. 7 Abs. 1, 8 Abs. 1, 11 Abs. 2, 12 Abs. 1 EGG). Das darf aber nicht zur Schlussfolgerung verleiten, das Vorkaufsrecht der an und für sich legitimierten Personen dürfe ohne Rücksicht auf die von ihm verfolgten legislatorischen Zwecke, z.B. nur zur Verwirklichung lukrativer BGE 86 II 417 S. 423 Absichten, mögen diese auch im Interesse der Familie des Berechtigten liegen, ausgeübt werden. Im vorliegenden Falle ging es dem Vater Ulrich - nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz - nicht um die Erhaltung des streitigen Heimwesens, sondern nur um dessen vorteilhafteren Verkauf. Darin liegt das Zweckwidrige, nicht schon, wie die Vorinstanz sagt, in der Absicht der Vereitelung des Kaufsrechts des Drittkäufers. Solange dem Jean Ulrich die Verkaufsmöglichkeit zu Fr. 5.- per m2 vorteilhaft erschien, dachte er nicht daran, das bäuerliche Gewerbe sich oder seiner Familie zu erhalten; es ging ihm nur um die gewinnbringende Verwertung des Bodens. Um dieses Gewinnstrebens willen war er entschlossen, das Heimwesen zu veräussern Erst als sich dann infolge der Konjunktur auf dem Liegenschaftenmarkt bessere Verkaufsmöglichkeiten zeigten, besann er sich - aufmerksam gemacht durch die Anzeige des Grundbuchamtes (die dieses übrigens mangels einer gültigen, nämlich vom allein legitimierten Eigentümer ausgehenden Anmeldung gar nicht hätte vornehmen sollen, Art. 963 Abs. 1 ZGB , Art. 13 Abs. 3 EGG , BGE 84 II 187 , 195) - auf sein Vorkaufsrecht und will nun dieses Institut benützen, um sich bezw. seine Tochter den eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen zu entziehen. Ein solches Verhalten ist rechtsmissbräuchlich. Die Berufungskläger machen nun allerdings geltend, die tatbeständlichen Feststellungen der Vorinstanz seien unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen, weil jene über die von ihnen bestrittene Behauptung des Klägers, Jean Ulrich sei mit einem neuen Kaufsinteressenten in Verbindung getreten, um das Grundstück zu einem höhern Preis zu verkaufen, nicht Beweis geführt hatte. Die Vorinstanz hat jedoch in ihren Erwägungen erklärt, auf die Abnahme dieses Beweises könne verzichtet werden, weil auch ohne dies - d.h. auf Grund der übrigen Beweisführung - angenommen werden müsse, BGE 86 II 417 S. 424 Jean Ulrich übe sein Vorkaufsrecht zweckfremd aus. Es handelt sich somit um eine Frage der Beweiswürdigung, die im Rahmen des Berufungsverfahrens nicht überprüft werden kann. Aus den gleichen Gründen - ausschliessliche Kompetenz der Vorinstanz zur Beweiswürdigung - kann der Einwand Ulrichs, er könne wegen der Sperrfrist gemäss Art. 218 OR überhaupt nicht an eine Weiterveräusserung der Liegenschaft denken, nicht gehört werden. Zudem ist nicht einzusehen, weshalb er nicht wieder, wie bei Einräumung des Kaufsrechts an Frischknecht, eine Ausnahmebewilligung nach Art. 218bis OR erwirken könnte. Auch der Hinweis auf das seiner Ehefrau und seinen 9 Nachkommen zustehende Vorkaufsrecht vermag die tatbeständlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht zu erschüttern. b) Ob - abgesehen von der zweckfremden Benützung des Vorkaufsrechts nach EGG - dem Jean Ulrich die Befugnis zur Geltendmachung desselben schon deshalb abgesprochen werden müsste, weil er dadurch, dass er namens seiner Tochter den Kaufrechtsvertrag mit Frischknecht abschloss, auf die Geltendmachung des Vorkaufsrechts verzichtet hätte, kann dahingestellt bleiben. Gegen diese Annahme bestehen Bedenken. Das Vorkaufsrecht ist ein dem Berechtigten zustehendes Gestaltungsrecht. Indem Jean Ulrich damals dem Frischknecht das Kaufsrecht einräumte, handelte er ausschliesslich als Vertreter und im Namen der Tochter Rosa; jenes Rechtsgeschäft berührte nur die Rechtssphäre der Tochter als Grundeigentümerin, in keiner Hinsicht aber seine eigene. Es erscheint daher zweifelhaft, wie trotzdem in dem Geschäft eine Verfügung - und eine solche stellt ein Verzicht dar - des Vaters über ein eigenes Recht mitenthalten sein könnte. c) Dennoch kommt dem Umstand, dass Jean Ulrich selbst, wenn auch namens der Tochter, den Kaufsrechtsvertrag mit Frischknecht abgeschlossen hatte, im Rahmen des Art. 2 ZGB entscheidende Bedeutung zu. Seine nachherige Geltendmachung des Vorkaufsrechts stellt ein BGE 86 II 417 S. 425 venire contra factum proprium dar, einen Widerspruch mit seinem eigenen Verhalten, der gegen Treu und Glauben verstösst und daher die Ungültigkeit der Rechtsausübung, die Verwirkung des Anspruchs, nach sich zieht (vgl. ENNECCERUS-LEHMANN, Schuldrecht, 1954, II S. 22, 31, 285, 929). Wohl handelte Jean Ulrich damals namens der Tochter, aber kraft einer Generalvollmacht, die ihm ausdrücklich die umfassendste Verfügungsmacht über das Grundstück und dessen Erlös gleich einem Eigentümer verlieh. Er räumte damals das Kaufsrecht zu Fr. 5.- ein, weil es ihm so passte, und hätte es nicht zu tun brauchen und zweifellos auch nicht getan, wenn er persönlich vorgezogen oder sich für die Familie verpflichtet gefühlt hätte, das Heimwesen zu behalten. Er handelte namens der Tochter, aber aus eigener Initiative und ohne jede Interessenkollision mit sich selbst. Hätte damals Jean Ulrich das Heimwesen namens der Tochter dem Frischknecht, statt ihm vorerst nur ein Kaufsrecht einzuräumen, sogleich verkauft, so wäre ihm wohl selber nicht eingefallen, hiegegen sein Vorkaufsrecht auszuüben; denn er hätte ja kraft seiner Generalvollmacht das Heimwesen gleich selber zurückkaufen können. Es ist nicht einzusehen, wieso daran der Umstand etwas ändern sollte, dass das Kaufsrecht erst ein Jahr nach Einräumung ausgeübt wurde. Bei der Sachlage durfte Frischknecht nach Treu und Glauben annehmen und sich darauf verlassen, die Geltendmachung des Vorkaufsrechts seitens desjenigen, der die Kaufsrechtsverhandlungen selbständig eingeleitet und zum Abschluss gebracht hatte, sei unter allen Umständen ausgeschlossen. Darauf kann sich auch sein Rechtsnachfolger Hafner berufen. Die Vorinstanz hat deshalb Bundesrecht nicht verletzt, wenn sie das Verhalten Ulrichs als vor Art. 2 ZGB nicht haltbar qualifiziert und ihm das Vorkaufsrecht aberkannt hat. 3. Selbst bei Verneinung des Vorkaufsrechts des Jean Ulrich soll nach der Berufung die Zusprechung des BGE 86 II 417 S. 426 Eigentums an den Kläger Hafner bundesrechtswidrig sein, nämlich erstens insofern dies "gegen Barzahlung" geschehe, was gegen Art. 656 Abs. 2, 665 Abs. 2 und 963 Abs. 2 ZGB verstosse; denn bedingtes Eigentum könne weder im Grundbuch eingetragen noch zugesprochen werden. Daran ist richtig, dass der Eintrag des Eigentums im Grundbuch nicht bedingt erfolgen kann. Daraus folgt jedoch nicht, dass der gerichtliche Zuspruch des Eigentums nicht unter der Auflage der Erbringung der Gegenleistung erfolgen dürfte. Um eine Bedingung im eigentlichen Sinne des Art. 151 OR handelt es sich dabei natürlich nicht. Wenn eine Leistung aus einem zweiseitigen Vertrag eingeklagt ist, der Zug um Zug zu erfüllen ist, kann eine Verurteilung in der Regel nur unter der Auflage, dass der Kläger auch seine eigene Leistung erbringe, ausgesprochen werden (vgl. BGE 79 II 277 ff., 280 ff.). Nicht anders verhält es sich bei Urteilen auf Zusprechung von Grundeigentum, die übrigens entgegen den Ausführungen in der Berufungsschrift nicht "das dingliche Recht als bereits existierend feststellen", sondern gestaltend wirken, indem sie auf Grund des als rechtswirksam befundenen Rechtstitels das dingliche Recht begründen. Durch die Ausübung des Kaufsrechts entsteht zwischen dem Kaufsberechtigten und dem Verpflichteten eine Kaufsobligation, ohne dass es noch des Abschlusses eines besonderen Kaufvertrages bedürfte. Die Parteien sind somit in gleicher Weise berechtigt und verpflichtet, wie wenn sie einen solchen abgeschlossen hätten. Demzufolge bildet der Kaufrechtsvertrag in Verbindung mit der Ausübungserklärung den von Art. 665 ZGB
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geforderten Erwerbsgrund, der den Erwerber berechtigt, falls der Verkäufer die Mitwirkung zur Eintragung (Anmeldung) verweigert, den gerichtlichen Zuspruch des Eigentums zu verlangen. Die von der Vorinstanz im Dispositiv 2 verfügte Zusprechung des Eigentums gegen Barzahlung ist daher so zu verstehen, dass der Kläger mit der Bezahlung des Preises das Eigentum an der Liegenschaft erlangt und das Grundbuchamt durch dieses Urteil BGE 86 II 417 S. 427 ermächtigt ist, den Kläger auf seine Anmeldung hin als Eigentümer einzutragen, sobald er sich über die erfolgte Zahlung des Kaufpreises ausweist oder denselben beim Grundbuchamt selbst zu Handen des Verkäufers hinterlegt (vgl. BGE 85 II 487 , auch LEUCH, Komm. zur bern. ZPO, Art. 408, N. 2). Dies ist so selbstverständlich, dass es sich erübrigt, das in der Sache selbst ja im vollen Umfange zu bestätigende Urteil der Vorinstanz in Dispositiv 2 etwa durch eine ausdrückliche Anweisung an das Grundbuchamt in diesem Sinne (a.a.O. S. 488 unten) zu ergänzen. Damit erledigt sich auch die von den Berufungsklägern, wie schon vor der Vorinstanz, ferner erhobene Einrede des nichterfüllten Vertrages nach Art. 82 OR . Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 3. November 1959 bestätigt.
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betrifft nur das Dispositiv der Entscheidung und nicht auch deren Begründung (Erw. 3). Sachverhalt ab Seite 220 BGE 101 Ib 220 S. 220 A.- Après avoir subi de nombreuses peines, Ami Bezençon a été condamné, le 23 mars 1965, par le Tribunal correctionnel du district de Lausanne, à trois ans et demi de réclusion et à 1'000 fr. d'amende pour diverses infractions. La peine BGE 101 Ib 220 S. 221 privative de liberté a été remplacée par un internement au sens de l'art. 42 CP, dont il a été libéré le 20 mars 1968, avec un délai d'épreuve de trois ans. Ce dernier a été prolongé d'une année, le 2 février 1971, à la suite d'une condamnation à 1'000 fr. d'amende. Le 2 février 1972, le Département de la justice, de la police et des affaires militaires du canton de Vaud, constatant que Bezençon continuait à commettre de nouvelles infractions, a ordonné sa réintégration pour trois ans au moins, aux Etablissements de la Plaine de l'Orbe. Le 6 décembre 1973, Bezençon a été transféré à la section ouverte des Etablissements de Crêtelongue, où son comportement a été bon. En semi-liberté, il a été renvoyé de sa première place, à cause de fréquentes absences, mais il a donné satisfaction dans la deuxième, où il était mieux encadré. Le directeur de Crêtelongue a donc proposé, le 28 mai 1974, de le mettre au bénéfice de la libération conditionnelle le 5 décembre suivant, première date possible, après trois ans d'incarcération. Il relevait toutefois qu'il avait pu constater lui-même le bien-fondé d'un diagnostic posé en 1968 par le Dr Mivelaz, selon lequel Bezençon est en fait "un psychopathe impulsif, peu travailleur, rusé et peu sincère". Postérieurement à ce préavis, il a été reconnu que Bezençon avait introduit sans autorisation de la bière et du vin à Crêtelongue, pour les revendre à ses codétenus, il a été surpris en train de voler un de ceux-ci, il a fait preuve d'un état d'esprit incompatible avec le régime de l'établissement et, enfin, au cours d'une tentative de fuite, il a grossièrement injurié, menacé et frappé avec des pierres le gardien qui tentait de le rattraper. En raison de ces faits, il a été retransféré aux Etablissements de la Plaine de l'Orbe, par décision du 19 juillet 1974. De plus, le 23 septembre 1974, la Commission de libération du canton de Vaud a décidé de renvoyer l'examen de son cas à sa séance du premier trimestre 1975. B.- Bezençon a formé contre cette décision un recours de droit administratif au Tribunal fédéral, pour demander à bénéficier de la libération conditionnelle. C.- Débouté le 13 novembre 1974, il demande la revision et l'interprétation de l'arrêt du Tribunal fédéral et conclut derechef à l'octroi de la libération conditionnelle. BGE 101 Ib 220 S. 222 Erwägungen Considérant en droit: 1. L'arrêt du 13 décembre 1974 contient une erreur de plume. Il y est relevé en effet, sous lettre "A" du résumé des faits, que la réintégration du requérant a été ordonnée le 2 février 1972 par l'autorité cantonale parce qu'il continuait à commettre de nouvelles infractions, qu'il faisait l'objet d'une série d'enquêtes pénales et "qu'enfin une peine de deux ans d'emprisonnement avait été prononcée contre lui". En réalité, il aurait fallu écrire "deux mois". Le recourant voit dans cette erreur un motif de revision au sens de l'art. 136 lit. d OJ. Cette disposition prévoit cependant une condition supplémentaire. Non seulement il faut qu'une inadvertance ait été commise, il faut encore qu'elle porte sur un fait important, c'est-à-dire de nature, au cas où l'existence en serait établie, à influencer le jugement dans un sens favorable au requérant (RO 42 77; 96 I 281 ). Cette seconde condition n'est nullement réalisée, car ni l'autorité cantonale ni la cour de céans n'ont fondé leurs décisions respectives, quant à l'opportunité d'une libération conditionnelle, sur les condamnations et sur les circonstances qui ont provoqué en 1972 la réintégration du requérant, mais bien sur le mauvais comportement de celui-ci, au début de l'été 1974, dans les Etablissements de Crêtelongue. Ces éléments seraient encore déterminants s'il fallait statuer à nouveau aujourd'hui et suffiraient à conduire à la conclusion que l'autorité cantonale a eu raison d'estimer qu'il ne lui était pas possible, en septembre 1974, de poser un pronostic favorable quant à la conduite future du requérant en liberté. C'est dire que l'inadvertance commise n'affecte pas un fait important au regard de l'art. 136 lit. d OJ. 2. Le requérant invoque également l'art. 136 lit. c OJ, aux termes duquel la revision peut être demandée "lorsqu'il n'a pas été statué sur certaines conclusions" ("wenn einzelne Anträge unbeurteilt geblieben sind"; "quando non è stato deciso su singole conclusioni"). En effet, il avait d'une part demandé l'autorisation de consulter le dossier et de déposer ultérieurement un mémoire complémentaire; d'autre part, il avait requis la production de l'ensemble de son dossier par les autorités cantonales. Ce moyen est mal fondé. Par conclusions (Anträge, conclusioni), BGE 101 Ib 220 S. 223 il faut entendre l'objet même du recours sur le fond et non les réquisitions relatives à la procédure ou à l'octroi de l'assistance judiciaire, sur lesquelles il peut être statué implicitement (BIRCHMEIER, n. III 4 ad art. 136, p. 501 s.). En l'espèce, on a vu que la cour de céans avait pris sa décision en fonction du comportement du requérant au début de l'été 1974; or, sur ce point, elle disposait de suffisamment de renseignements dans le dossier qui lui avait été transmis avec le recours. Quant à ordonner un échange d'écritures supplémentaire, il n'y avait aucune raison de le faire, dès lors que cette procédure doit demeurer exceptionnelle (art. 110 al. 4 OJ) et que l'affaire était si claire que non seulement il a été renoncé à demander des observations à l'autorité cantonale, mais qu'il a été encore fait application de la procédure prévue à l'art. 109 OJ. 3. Le requérant demande enfin l'interprétation, soit la rectification de l'arrêt du 13 décembre 1974. Il se fonde sur l'art. 145 al. 1 OJ. Cette disposition ne vise toutefois que le dispositif de la décision et non la motivation. De toute manière, et si l'on excepte les autres moyens soulevés et déjà rejetés, le requérant n'indique nullement en quoi le dispositif qu'il critique serait peu clair ou incomplet, contiendrait des contradictions au regard de la motivation, soit, enfin, présenterait des fautes de rédaction ou de calcul. Il n'est par ailleurs pas admissible à se référer au mémoire de recours déposé le 23 octobre 1974, car celui-ci ne tendait ni à la revision ni à l'interprétation ou à la rectification de l'arrêt du 13 novembre 1974. La requête est donc irrecevable sur ce point. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Rejette la demande de revision dans la mesure où elle est recevable.
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Sachverhalt ab Seite 2 BGE 92 II 1 S. 2 A.- Comme elle subissait une discrimination de prix de la part des fabricants de cigarettes, groupés en une association suisse dont elle refusait de respecter les conditions de vente aux détaillants, la société Alex Martin SA, grossiste en tabacs à Fribourg, assigna l'association devant le Tribunal fédéral, par demande du 6 décembre 1962. Elle concluait à la cessation du boycott et au paiement de dommages-intérêts. Les 9 janvier et 18 novembre 1963, elle chiffra la seconde conclusion à fin octobre 1962, respectivement 1963, réservant le préjudice ultérieur. Par arrêt du 16 mars 1965 (RO 91 II 25 sv.), la Ie Cour civile du Tribunal fédéral admit partiellement la demande: l'association refusait à tort au boycotté la bonification de 0,75% à 1,5% prévue par l'art. 13 de la convention conclue entre les fabricants le 15 décembre 1960; elle devait inviter aussitôt ses membres à l'accorder; elle était en outre condamnée à payer à la demanderesse une indemnité de 73 413 fr. 10, qui représentait le dommage causé par la discrimination du 1er avril 1961 au 31 octobre 1962. Décidée le 12 janvier 1961 en assemblée générale, la mesure était en effet entrée en vigueur le 1er avril. Dès cette date, les fabricants ont omis la bonification dans les factures destinées à la demanderesse. Celle-ci a donc subi le dommage consécutif à la décision illicite au für et à mesure de leurs livraisons; à réception de chaque facture, elle connaissait exactement le préjudice qui lui était causé. En exécution de l'arrêt, la défenderesse a payé, outre le montant qui y est fixé, une indemnité pour la période allant du 1er juillet 1964 au 16 mars 1965. Elle a refusé en revanche de réparer le dommage causé du 1er novembre 1962 au 30 juin 1964, que les parties arrêtent à 90 566 fr. Elle soutient que cette créance était prescrite. Le 29 juin 1965, la demanderesse lui a fait notifier un commandement de payer, frappé d'opposition. BGE 92 II 1 S. 3 B.- Les parties étant convenues de saisir directement le Tribunal fédéral, Alex Martin SA a ouvert une seconde action le 9 novembre 1965. La demande tend au paiement de 90 566 fr. avec intérêts à 5% dès le 29 juin 1965. La défenderesse conclut au rejet de l'action.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. Seule l'exception de prescription est litigieuse, et plus précisément le point de départ du délai d'un an fixé par l'art. 60 al. 1 CO (en vertu de l'art. 23 al. 1 Lcart.): Certains arguments de la demande sont manifestement dépourvus de fondement. a) Rétablissant la jurisprudence antérieure à l'arrêt publié au RO 88 II 209, la Cour de céans a reconnu à la défenderesse la qualité d'association au sens des art. 60 sv . CC et, partant, la personnalité juridique et la capacité d'ester en justice (RO 90 II 333). L'incertitude qui a existé sur ce point de droit n'empêche pas que la demanderesse ait eu connaissance de l'auteur du dommage au plus tard le 6 décembre 1962, lorsqu'elle a saisi le Tribunal fédéral en raison de la décision qu'elle jugeait illicite. En effet, pour fixer le point de départ du délai de prescription, l'art. 60 CO vise la connaissance des faits, non de leur qualification juridique. Pour la même raison, peu importe que l'illicéité de la discrimination n'ait été définitivement constatée que par l'arrêt du 16 mars 1965. Il suffit, au regard de l'art. 60 CO, que le lésé ait connu en fait la mesure. L'appréciation exacte des bases juridiques de la prétention, notamment de l'illicéité de l'acte dommageable, n'est pas requise (arrêt non publié rendu le 26 juin 1954 dans la cause Bochatay c. Roten). b) La réserve de la prétention issue d'un dommage futur, faite au cours du premier procès, ne constitue pas un acte interruptif du cours de la prescription (RO 60 II 202/3; arrêt Schlotz c. Frossard, consid. 10 b, RO 91 II 429). c) La demanderesse, enfin, n'allègue aucun fait qui donnerait à penser que la défenderesse, en invoquant la prescription, abuse de son droit au sens que la pratique a fixé. 2. Le délai de prescription de la créance déduite en justice dans le présent procès a été interrompu pour la première fois par le commandement de payer du 29 juin 1965. Il s'agit de savoir si, plus d'un an auparavant, la demanderesse avait eu "connaissance du dommage". BGE 92 II 1 S. 4 L'acte illicite consiste dans la décision du 12 janvier 1961, exécutée dès le 1er avril suivant par les membres de l'association, en vertu de leurs engagements statutaires. C'est un acte unique et instantané qui a engendré des effets dommageables identiques par leur nature, répétés au für et à mesure des factures adressées au lésé. Celui-ci a connu sur-le-champ, certainement et exactement, le montant dont il était frustré lors d'une livraison. L'ensemble du dommage qu'il a subi constitue-t-il néanmoins un dommage unique au regard de l'art. 60 al. 1 CO? Dans l'affirmative, un seul délai de prescription courait à compter du jour où le préjudice fut entièrement réalisé et où la demanderesse put en voir toute l'étendue, soit dès que la décision illicite cessa de sortir ses effets. Dans la négative, un délai distinct partait, pour le rabais refusé, dès la réception de chaque facture. Sans doute paraît-il avéré que l'attitude des fournisseurs était aussi illicite et que la défenderesse répond solidairement avec ses membres (art. 50 CO). Mais la présente action est dirigée uniquement contre l'association, qui a commis un seul acte illicite. Peu importe donc que, s'agissant de la responsabilité des fabricants, la notion du préjudice causé par chacun d'eux puisse être envisagée différemment. 3. Selon la jurisprudence constante relative à l'art. 60 al. 1 CO (RO 74 II 37; 89 II 404 , 417), le dommage n'est réputé réalisé (abgeschlossen) qu'au moment où il s'est manifesté complètement. C'est ainsi qu'il est considéré comme un tout, et non comme la somme de préjudices distincts, lorsque son ampleur résulte d'une situation qui évolue, de manière irréversible ou non, régulière ou irrégulière. Dans cette hypothèse, qui se produit notamment lorsqu'une perte de gain s'étale dans le temps, par exemple en raison d'une incapacité de travail passagère ou permanente, le délai de prescription ne saurait courir avant le terme de l'évolution. Il suit en outre du principe posé que les divers chefs de préjudice issus d'un même acte illicite ne constituent pas des dommages distincts, mais les éléments d'un seul dommage, réalisé lorsque le dernier, dans l'ordre chronologique, est survenu. Ainsi en est-il des frais médicaux et pharmaceutiques (damnum emergens) et de la perte de gain (lucrum cessans) résultant de l'incapacité temporaire de travailler ou de l'invalidité permanente en cas de lésions corporelles. Certes, il s'agit là d'ordinaire d'actes instantanés qui ont pour effet médiat un préjudice (la perte de gain, par exemple) dont BGE 92 II 1 S. 5 l'étendue n'est connue que lorsque le fait immédiatement générateur (la lésion corporelle, l'atteinte à la réputation commerciale) a terminé son évolution. Il reste que le délai de prescription ne court pas quand bien même certains éléments du préjudice sont constants et qu'ils se distinguent d'autres éléments. Cette conception de l'unité du dommage procède du but de l'institution de la prescription. Si la sécurité juridique interdit que l'on invoque tardivement des prétentions dont l'existence ou l'étendue ne peuvent plus être constatées avec certitude, la preuve étant rendue difficile par l'écoulement du temps (RO 89 II 437), cette considération essentielle n'est pas de mise, s'agissant de courts délais surtout, lorsque les éléments du préjudice ne sont pas encore tous réalisés. On ne saurait obliger le lésé à diviser son action et à procéder selon la loi au für et à mesure que se produit chaque effet partiel et distinct: cette complication sérieuse ne sert pas la sécurité juridique que l'institution veut promouvoir. 4. La notion large du dommage s'applique a fortiori dans certaines situations où l'acte illicite n'apparaît pas unique et instantané et où, pour cette raison, le préjudice peut varier et s'amplifier. Ainsi l'atteinte aux intérêts personnels d'un époux résultant d'une liaison adultère de son conjoint provient en général d'un ensemble de faits de portée et de gravité diverses. Le délai de l'art. 60 CO ne court que lorsque le lésé peut se faire une idée précise de l'importance de l'atteinte dans son ensemble, même si certains actes antérieurs suffisaient déjà à fonder l'action (RO 43 II 319 consid. 4); alors seulement, il connaît le dommage. Dans deux arrêts, le Tribunal fédéral a fixé le point de départ du délai de prescription lorsqu'un acte continu ou continué (au sens du droit pénal) a causé un préjudice dont les éléments, de même nature, s'accumulent tant que dure l'état illicite. Ainsi, le dommage n'est pas réalisé par la seule exécution du séquestre, mais subsiste aussi longtemps que la mesure est en force; partant, le délai commence à courir lorsque celle-ci est rapportée (RO 14 p. 630; contra: RGZ 106 p. 285). Dans cette hypothèse, où un acte unique engendre une situation que seule sa révocation peut faire cesser, la doctrine range aussi l'arrestation illégale (BECKER, no 7 ad art. 60 CO). Il en est une seconde, où l'activité dommageable, bien qu'elle procède d'une résolution unique, s'est répétée. L'imitation illicite de l'emballage d'un concurrent BGE 92 II 1 S. 6 constitue un tel "délit continué"; tant que persistent les actes déloyaux, le délai de prescription ne court pas (RO 55 II 253 consid. 2). Ces deux dernières espèces se distinguent seulement par les modalités de l'acte illicite, mais non quant à la notion de dommage. On est en présence, non certes d'une situation qui évolue (consid. 3; RO 43 II 319), mais néanmoins d'un préjudice résultant de l'addition d'éléments identiques, dont l'intensité est mesurée par le seul écoulement du temps (séquestre, détention) ou par le mouvement des affaires (concurrence déloyale). Il est significatif que la jurisprudence, bien que ces circonstances n'aient par nature qu'un rapport extérieur et lâche avec l'existence du dommage, a refusé, là encore, de diviser le préjudice global. Il apparaît donc que l'unité du dommage est le corollaire constant de l'unité de l'acte qui l'engendre. A l'unité de l'attitude dommageable qui, procédant d'une seule détermination, dure ou se répète, correspond l'unité du dommage que cette attitude cause au lésé par sa persistance ou sa répétition: le même dommage varie et s'amplifie. Il serait logique que ce principe s'appliquât dans le présent litige. L'espèce est analogue à celles qui viennent d'être rappelées - aux deux dernières surtout -, sauf à remarquer que les éléments successifs du préjudice sont ici matérialisés et individualisés par les factures des fabricants, donc perceptibles immédiatement avec certitude et précision. 5. Encore que le résultat ne soit pas à lui seul décisif, il n'est pas sans intérêt de comparer des domaines voisins de la prescription annale de l'art. 60 al. 1 CO. a) A l'exception d'une seule, les lois spéciales qui régissent des situations semblables adoptentla règle de l'art. 60 CO, soit par un simple renvoi exprès ou tacite, soit par une disposition propre (cf. art. 23 al. 1 Lcart.; art. 7 LCD; art. 73 al. 1 LBI; art. 44 LDA; LDMI). On ne saurait étayer une interprétation large de la connaissance du dommage directement sur la réglementation de l'action en cessation de trouble qu'elles prévoient, car cette action ne se prescrit pas (RO 88 II 178 consid. 2). Tout au plus trouvera-t-on quelque analogie dans le fait que la prétention ne s'exerce qu'autant que persiste l'activité dommageable. L'art. 28 LMF en revanche, qui constitue l'exception, précise que le délai de prescription court à compter du dernier acte de contravention. Il en était de même de la jurisprudence relative à BGE 92 II 1 S. 7 l'art. 48 a LBI 1907, qui se référait à la notion pénale d'acte continué (cf. RO 86 II 414/5). Ces deux dernières lois - dont la seconde est abrogée - visent, dans leur texte même, toute action civile, et partant aussi l'action en dommages-intérêts, qui se prescrit (cf. RO 86 II 414/5). Elles ont vu le jour alors que s'appliquait déjà l'ancien art. 69 a CO, dont le contenu est identique à celui de l'art. 60 actuel. Si, dans une règle spéciale édictée sur le point aujourd'hui litigieux, ces lois préférèrent une solution qui évite la division éventuelle des actions, lorsque dure longtemps la situation illicite, en retardant le point de départ du délai de prescription de celle qui tend - non à la cessation du trouble - mais au paiement d'une indemnité, on ne voit pas les motifs qui auraient incliné le législateur à choisir une autre voie pour le domaine d'application du code des obligations et des autres lois spéciales. Un tel choix pourrait entraîner, si l'on reproche au demandeur d'être à tard, un traitement différent suivant le fondement de l'action en dommages-intérêts issue d'un fait déterminé. Il en irait ainsi, par exemple, lorsque l'usurpation d'une marque déposée constitue à la fois une atteinte à la marque (sur un emballage ou sur la marchandise - art. 28 LMF) et un acte de concurrence déloyale (sur des prospectus ou des catalogues - art. 7 LCD). Or il tombe sous le sens qu'une certaine cohérence et une certaine unité paraissent souhaitables dans la réglementation de domaines voisins. b) En l'espèce, seule la prescription annale est en jeu. Mais l'art. 60 CO prévoit également un délai de dix ans, qui court dès le jour où le fait dommageable s'est produit. Cette institution subsidiaire (VON TUHR/SIEGWART, I p. 375) veut épargner l'auteur lorsque l'effet dommageable ne s'est pas encore manifesté dix ans après l'acte illicite. Elle repose sur l'idée que le dies a quo de la prescription décennale est antérieur à celui de la courte prescription annale. Or, au contraire de la jurisprudence et de la doctrine allemandes, qui rejettent pour le droit civil les notions d'acte continu et continué (GRUR 1932 p. 320; REIMER, GRUR 1932 p. 669), le Tribunal fédéral fait courir le délai de la prescription décennale, dans ces cas, du dernier acte illicite (pour l'art. 679 CC: RO 81 II 445 consid. 3 et 4). Si la violation continue ou successive d'un droit créait, quant à la sauvegarde du délai d'un an, autant de dommages que d'actes, la prescription pourrait être acquise alors que le délai de dix ans n'aurait pas encore commencé à courir. Ce serait une anomalie. 6. Ce qui précède assoit le principe général de l'unité du BGE 92 II 1 S. 8 dommage, dégagé explicitement par l'arrêt publié au RO 74 II 37. Il n'y a lieu de s'en départir que si la succession des effets dommageables présente une solution de continuité. Tel n'est pas le cas en l'espèce. a) Le présent litige offre une première particularité. La demanderesse n'a pas subi un dommage qui évoluait, comme une atteinte à l'intégrité corporelle, mais un préjudice constant et d'emblée déterminable dans son élément essentiel. Elle était privée d'un pourcentage précis du chiffre d'affaires de la branche cigarettes de son commerce, au für et à mesure des livraisons des grossistes. Mais l'absence du caractère intrinsèquement évolutif du dommage n'a pas incliné le tribunal à s'écarter du principe (cf. consid. 4 ci-dessus, et notamment RO 55 II 253 consid. 2). b) Une seconde particularité est plus importante et c'est sur elle que se fonde la défenderesse. La victime du boycott a connu, certainement et exactement, le montant, individualisé par une facture, dont elle était frustrée lors de chaque livraison distincte d'un fournisseur membre de l'association. Cette circonstance paraît toutefois secondaire, elle aussi. Au stade de l'exécution de la décision du 12 janvier 1961, de nombreux actes distincts ont violé le même bien juridiquement protégé et contribué à créer les divers éléments du dommage voulu par la défenderesse. De même que, lorsque les actes isolés sont issus d'une intention unique qui les relie intimement les uns aux autres, il ne serait pas naturel, quant au point de départ du délai de prescription, de diviser l'ensemble des faits illicites (RO 86 II 415), ainsi serait-il illogique de renoncer à considérer comme une unité le dommage dont les éléments, de nature identique, se réalisent successivement (dans le même sens: SJZ 1962 p. 186 = Maximes lucernoises X no 640). Au demeurant, comme le relève le premier arrêt cité, la division artificielle de l'effet d'une résolution unique conduirait à des désagréments pratiques - la multiplication des actes interruptifs, notamment des actions - sans que le but de la prescription l'exige. Certes, si l'activité illicite dure très longtemps, le principe de l'unité du dommage, combiné au besoin avec la notion de délit continu ou continué, permettrait d'allouer des indemnités pour une durée supérieure - et de beaucoup - au délai absolu de dix ans; après s'être accommodé d'un boycott, le lésé pourrait se rebiffer soudain au bout d'un très grand nombre d'années. Mais la loi (art. 28 LMF) et la jurisprudence (RO II 253) n'ont pas BGE 92 II 1 S. 9 reculé devant cette conséquence dans les domaines voisins des marques de fabrique, des brevets d'invention, du droit d'auteur et de la concurrence déloyale. Au demeurant, l'interprétation large de l'art. 60 CO corrige la brièveté du délai d'un an. En outre, l'hypothèse envisagée est plutôt théorique. En effet, si elle tolère longtemps une atteinte à ses intérêts qui engendre un dommage sérieux, la victime manifeste d'ordinaire par sa passivité même une renonciation, voire l'aveu de la légitimité de la lésion, et incline à lui opposer l'art. 2 al. 2 CC lorsqu'enfin elle prétend un droit (cf. RO 73 II 189 consid. 5, pour la propriété intellectuelle). S'agissant d'appliquer la loi sur les cartels, le juge estimera logiquement, si les discriminations ont duré pendant très longtemps sans compromettre l'existence économique du boycotté, que l'entrave à la concurrence ne présentait pas la gravité qui, selon la loi, la rend illicite. Une dernière considération justifie qu'on s'en tienne en l'espèce au principe de l'unité du dommage. Celui-ci a été appliqué, jusqu'à présent, si les divers éléments du préjudice sont de même nature; y apporter une exception lorsque tous, ou certains seulement, peuvent être individualisés, isolés et déterminés avec précision risquerait de compromettre tant la clarté, et partant la force de la règle, que la sécurité du droit. 7. Vu ce qui précède, il faut donc juger le point qui reste litigieux en l'espèce à la lumière du principe selon lequel le dommage causé par un seul acte, ou par un état continu, ou enfin par une suite d'actes procédant d'une résolution unique, constitue un tout lorsqu'il s'agit de fixer le point de départ du délai de prescription prévu à l'art. 60 CO, quand bien même il peut s'analyser en éléments homogènes distincts qui surviennent successivement. Le délai que devait respecter la demanderesse n'a donc commencé à courir que lorsque l'activité illicite, et partant le dommage, a cessé: c'est à ce moment-là seulement, soit le 16 mars 1965, que l'on pouvait déterminer exhaustivement l'objet de l'action. Il s'ensuit que l'exception de prescription doit être rejetée; en effet, le délai d'un an n'était pas écoulé le 29 juin 1965, lorsque la demanderesse en interrompit le cours.
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Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Condamne l'Association suisse des fabricants de cigarettes à payer à Alex Martin SA la somme de 90 566 fr. avec intérêts à 5% dès le 29 juin 1965.
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Sachverhalt ab Seite 484 BGE 132 III 483 S. 484 Das Betreibungsamt A. setzte am 3. Januar 2006 das Existenzmini mum von X. auf Fr. 1'850.- fest und verfügte am gleichen Tag, dass von ihrem Lohn der diese Summe übersteigende Teil gepfändet werde. Unter Hinweis auf die Wohngemeinschaft mit der Tochter wurden X. ein Grundbetrag von Fr. 775.- zugestanden und als Wohnkosten Fr. 648.-, d.h. die Hälfte des Mietzinses von Fr. 1'296.-, eingesetzt. X. führte Beschwerde an das Kantonsgericht Freiburg (Schuldbetreibungs- und Konkurskammer) als kantonaler Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen. Sie verlangte, dass ihr ein Grundbetrag von Fr. 1'100.- zuzugestehen sei und die Mietkosten nicht zur Hälfte, sondern zu drei Vierteln (d.h. mit einem Betrag von Fr. 972.-) zu berücksichtigen seien. Mit Entscheid vom 7. Februar 2006 wies die kantonale Aufsichtsbehörde die Beschwerde ab. Die von X. hiergegen erhobene Beschwerde heisst das Bundesgericht teilweise gut.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Die Beschwerdeführerin lebt nach den Feststellungen der kantonalen Aufsichtsbehörde in Wohngemeinschaft mit ihrer 24-jährigen Tochter, die einer Erwerbstätigkeit nachgeht. Dass die Tochter ihren Lebensunterhalt nicht (vollumfänglich) selbst zu bestreiten vermöchte und auf finanzielle Unterstützung durch die Beschwerdeführerin angewiesen wäre, ist dem angefochtenen Entscheid nicht zu entnehmen. Zu bestimmen ist mithin das rein persönliche Existenzminimum der Beschwerdeführerin. 4.1 Das Kantonsgericht hat ausdrücklich auf die von der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz herausgegebenen (in der Fassung vom 24. November 2000 in BlSchK 2001 S. 14 ff. veröffentlichten) Richtlinien abgestellt. Als Grundbetrag (für Nahrung, Kleidung und Wäsche, Körper- und Gesundheitspflege, Unterhalt der Wohnungseinrichtung, Kulturelles, Beleuchtung und Kochstrom bzw. -gas) setzte es die Hälfte der für ein Ehepaar oder für "zwei andere eine dauernde Hausgemeinschaft bildende erwachsene Personen" empfohlenen Pauschale von monatlich Fr. 1'550.- (Ziff. I/3) ein. Dem hält die Beschwerdeführerin entgegen, dass es nicht angehe, ihre Tochter die Hälfte der Kosten des Haushaltes tragen zu lassen. BGE 132 III 483 S. 485 4.2 In der Wohngemeinschaft der Beschwerdeführerin mit ihrer Tochter erblickt die Vorinstanz eine Hausgemeinschaft im Sinne von Ziff. I/3 der genannten Richtlinien. Mit der dort neben der Ehe erwähnten "dauernden" Hausgemeinschaft ist hauptsächlich ein Konkubinatsverhältnis gemeint (vgl. BGE 130 III 765 E. 2.3 und 2.4 S. 767 f.; ALFRED BÜHLER, Aktuelle Probleme bei der Existenzminimumberechnung, in: SJZ 100/2004 S. 26). Voraussetzung einer Gleichstellung mit der Ehe ist auf jeden Fall, dass die Hausgemeinschaft partnerschaftlicher Natur ist. Nur bei einer solchen ist nämlich anzunehmen, dass beide Personen - im Verhältnis ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (dazu BGE 114 III 12 E. 3 S. 15 f.) bzw. zu gleichen Teilen (dazu BGE 128 III 159 ) - nicht nur an die Wohnkosten, sondern etwa auch an die Aufwendungen für Nahrung oder Kulturelles beitragen, und ist es deshalb gerechtfertigt, bei der Festlegung des Grundbedarfs die Gemeinschaft als Ganzes zu behandeln und vom entsprechenden Pauschalbetrag auszugehen. Die von einer Mutter und ihrer 24-jährigen erwerbstätigen Tochter gebildete Wohngemeinschaft lässt sich mit einer Gemeinschaft der angeführten Art nicht vergleichen. Die Richtlinien der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz bestimmen denn auch, dass der Arbeitserwerb volljähriger in häuslicher Gemeinschaft mit dem Schuldner lebender Kinder bei der Berechnung des Existenzminimums grundsätzlich einzig insofern zu berücksichtigen sei, als ein angemessener Anteil von den Wohnkosten (Mietzins und Heizung) des Schuldners abzuziehen sei (Ziff. IV/2 Abs. 2 und Ziff. V/2). Indem die Vorinstanz der Beschwerdeführerin (nur) den halben Grundbetrag für Ehepaare bzw. für zwei andere eine dauernde Hausgemeinschaft bildende erwachsene Personen zugestanden hat, hat sie der Tochter in sachlich nicht gerechtfertigter Weise zugemutet, (zur Hälfte) an die allgemeinen Kosten des Haushalts beizutragen und damit von dem ihr zustehenden Ermessen einen falschen Gebrauch gemacht. 4.3 Das Existenzminimum der Beschwerdeführerin ist nach dem Gesagten auf Grund einer Einzelrechnung zu ermitteln, d.h. es ist von dem für einen alleinstehenden Schuldner empfohlenen Grundbetrag (von Fr. 1'100.-; Ziff. I/1 der Richtlinien der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz) auszugehen. Gewisse von diesem Grundbetrag zu deckende Auslagen werden möglicherweise nicht von der Beschwerdeführerin allein bestritten, sondern von der im gleichen Haushalt lebenden Tochter mitgetragen, BGE 132 III 483 S. 486 was eine Reduktion zu rechtfertigen vermöchte. In diesem Sinne sehen beispielsweise die in den Kantonen Aargau und Zürich erlassenen Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums für einen alleinstehenden Schuldner in Haushaltgemeinschaft mit erwachsenen Personen eine (pauschale) Herabsetzung des Grundbetrags um Fr. 100.- (auf Fr. 1'000.-) vor (für den Kanton Aargau: Richtlinien vom 3. Januar 2001, SAR 231.191, Ziff. I/2; für den Kanton Zürich: Kreisschreiben der Verwaltungskommission des Obergerichts vom 23. Mai 2001, veröffentlicht in: ZR 100/2001 Nr. 46 S. 153 ff., Ziff. II/1.1). Wie viel vom Grundbetrag allenfalls abzuziehen ist, hat in Anwendung des nach Art. 93 Abs. 1 SchKG eingeräumten Ermessens das Betreibungsamt bzw. die kantonale Aufsichtsbehörde zu beurteilen. Hinsichtlich des vom Kantonsgericht bei der Ermittlung des Notbedarfs eingesetzten Grundbetrags ist der angefochtene Entscheid mithin aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 5. Die Beschwerdeführerin beanstandet ferner, dass ihr bei den Wohnkosten nur die Hälfte des Mietzinses für die von ihr und ihrer Tochter belegte Wohnung zugestanden wurde. Wie bereits oben (E. 4.2) erwähnt, bestimmen die Richtlinien der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz für einen Fall der vorliegenden Art, dass bei der Ermittlung des Existenzminimums des Schuldners ein angemessener Anteil von den Wohnkosten (Mietzins und Heizung) abzuziehen sei (Ziff. V/2). Aus dem angefochtenen Entscheid ergibt sich nicht, dass die Tochter nicht berechtigt wäre, die Wohnung im gleichen Ausmass zu nutzen wie die Beschwerdeführerin. Etwas anderes macht auch diese selbst nicht geltend. Die Beschwerdeführerin begnügt sich mit einem Hinweis auf GEORGES VONDER MÜHLL (Kommentar zum SchKG, Basel 1998, N. 26 zu Art. 93 SchKG ), der lediglich das in der erwähnten Bestimmung der Richtlinien der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz Festgelegte bestätigt. Weshalb in ihrem Fall die Halbierung der Wohnkosten - wie nach dem angerufenen Autor beim Zusammenleben zweier erwachsener Personen üblich - nicht angemessen sein soll, legt sie nicht dar und ist auch nicht ersichtlich. Insbesondere bringt die Beschwerdeführerin nicht etwa vor, dass die Tochter unterstützungsbedürftig und sie ihr gegenüber unterstützungspflichtig wäre und sie dieser Pflicht in Form einer günstigen Beherbergung nachkomme. Die Beschwerde ist in diesem Punkt demnach unbegründet.
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Sachverhalt ab Seite 61 BGE 97 V 60 S. 61 A.- M. R., née en 1910, épouse de J. R., touche une rente simple d'invalidité de 2400 fr. par an. En octobre 1969, elle a requis l'octroi d'une prestation complémentaire. J. R. forme avec ses deux fils une société en nom collectif, qui exploite une entreprise de transports. Selon les indications figurant dans la demande de prestation, il touche un "salaire" de 14 400 fr. par an. C'est ce chiffre qu'a retenu la caisse. Par décision du 14 novembre 1969, elle a donc refusé la prestation sollicitée, le revenu du couple dépassant la limite légale. B.- L'intéressée a recouru. S'appuyant sur la situation comptable de l'entreprise, elle faisait valoir que J. R. a prélevé en 1968, à titre de "salaire", un montant de 9462 fr. 60. Elle ajoutait que la fortune de la société a diminué en 1968 de 15 580 fr. 56. Chacun des associés supportant un tiers de la perte, soit 5193 fr. 50, cette part devrait être déduite du revenu, le ramenant à 4269 fr. 10. Le Tribunal cantonal des assurances a retenu le chiffre de 9462 fr. 60 représentant le montant effectivement touché par J. R. La limite de revenu légale se trouvant néanmoins dépassée, il a débouté la recourante, par jugement du 25 mars 1970. C.- M. R. interjette recours de droit administratif. Elle conclut, pièces à l'appui, à ce que soit retenu le montant de 4269 fr. 10 représentant le revenu fiscalement imposable. La caisse de compensation et l'Office fédéral des assurances sociales proposent de rejeter le recours de droit administratif.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. Le litige porte uniquement sur la détermination du revenu du mari. Il est deux manières d'envisager la question, l'une mettant l'accent sur l'entité qui constitue la société en nom collectif, l'autre sur son caractère de société de personnes. a) La société en nom collectif est certes une société de personnes, mais qui possède certains des attributs de la personne morale. Elle peut ainsi, "sous sa raison sociale, acquérir des droits et s'engager, actionner et être actionnée en justice" BGE 97 V 60 S. 62 (art. 562 CO). Aussi la doctrine parle-t-elle parfois d'une "quasi-personnalité" (BROSSET/SCHMIDT, Guide des sociétés en droit suisse, Genève 1962, tome I, p. 139), ou relève à tout le moins l'"unité" que représente la société envers les tiers (GUHL, Das schweizerische Obligationenrecht, 4e éd., 1948, p. 416) et l'"autonomie" dont elle jouit quant à ses biens (HARTMANN, Kommentar zum ZGB, art. 562 CO, N. 2). Cette nature hybride apparaît non seulement à l'égard des tiers, mais aussi dans les rapports des associés entre eux et avec la société. Ainsi, tandis que l'associé d'une société simple n'a jamais droit à indemnité pour son travail (art. 537 al. 3 CO) mais n'a droit qu'à sa part des bénéfices (art. 532 et 533 CO), et alors même qu'il en va en principe de même dans la société en nom collectif (art. 557 al. 2 CO), la loi dispose que le contrat peut prévoir le versement d'intérêt sur la part sociale même si elle a été diminuée par des pertes (art. 558 al. 2 CO) ou encore le paiement d'honoraires (art. 559 CO), qui sont assimilés à une dette de la société lors du calcul des bénéfices et des pertes (art. 558 al. 3 CO) et dont la créance peut être produite dans la faillite de la société (art. 570 al. 2 CO). De plus, aucun associé n'est tenu de compléter son apport réduit par des pertes; il ne pourra simplement pas retirer de bénéfices avant que sa part ait été reconstituée (art. 560 CO). Malgré la responsabilité personnelle illimitée - mais subsidiaire - des associés, il y a donc très nette distinction entre leur fortune et l'actif social de la société. Si l'on tient cette distinction pour déterminante, dans le domaine en cause dans la présente procédure, on aboutit à la solution retenue par le juge cantonal. J. R. reconnaît en effet avoir prélevé en 1968 un montant de fr. 9462.60 à titre de "salaire". Ce prélèvement représente nécessairement des honoraires convenus (art. 559 al. 2 CO), auxquels il a droit même si la société fait des pertes. On pourrait même se demander si les honoraires convenus n'étaient pas de fr. 14 400.--, comme indiqué dans la demande de prestation, et si la part à laquelle l'intéressé aurait renoncé ne devrait pas être aussi prise en compte (art. 3 al. 1erlit. f LPC); il est toutefois superflu de poursuivre l'enquête sur ce point, le résultat pratique (refus de prestation) demeurant identique. Quant aux pertes de la société, elles diminuent certes sa part de l'actif social (représentent donc une diminution de fortune) mais non pas le revenu précité, BGE 97 V 60 S. 63 l'associé n'étant pas tenu de compléter son apport réduit par ces pertes; celles-ci se répercuteront uniquement sur les futures répartitions de bénéfices. Cette solution, qui était celle des systèmes fiscaux imposant le seul produit du travail (voir p.ex. arrêt vaudois du 6 mars 1940, dans JT 1941 III 58) a pour qualité essentielle de refléter fidèlement les disponibilités, comme le reconnaît d'ailleurs la recourante. Elle serre donc de très près la réalité du besoin actuel et paraît répondre par là au mieux au but visé par la LPC. Mais elle présente d'autre part des inconvénients, dont le plus grave sans doute découle du fait que les associés sont libres de ne pas prévoir d'honoraires... Même si la société faisait à nouveau de brillantes affaires, l'intéressé n'aurait alors des années durant aucun revenu (et aurait droit à des prestations complémentaires) aussi longtemps que sa part de l'actif social ne serait pas reconstituée par les bénéfices; voire peut-être au-delà, l'intéressé pouvant laisser cette part s'accroître selon l'art. 559 al. 3 CO (accroissement que l'on ne pourrait guère assimiler à un revenu, puisqu'on refuse une telle assimilation en cas de diminution de cette part). - Si elle serre de près la réalité du besoin actuel, la première solution ci-dessus exposée ne le fait donc que dans l'immédiat. Mais elle peut en déformer l'image dans l'avenir proche ou lointain, au point d'aboutir alors à des résultats manifestement contraires à cette même réalité. b) La seconde manière d'envisager la question part du caractère de société de personnes, qui dans les rapports internes - en principe déterminants - demeure le trait dominant de la société en nom collectif. Elle considère que cette société n'est pas une personne morale qui, comme telle, existerait indépendamment de la personne de ceux qui la composent, mais qu'"elle se confond au contraire avec l'ensemble des associés actuels" (RO 72 II 180). Si le Tribunal fédéral, dans l'arrêt précité, a adopté cette thèse pour calculer le dommage subi par la société du fait de la rupture d'un contrat, le droit fiscal - dans le système, aujourd'hui communément appliqué, de l'imposition du revenu global - l'adopte de même pour déterminer le revenu de chaque associé individuellement. C'est ainsi que la pratique fiscale attribue à chacun des associés sa part aux bénéfices et aux pertes commerciales de la société, que ces dernières sont donc déduites du revenu personnel (voir p.ex. BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, 2e éd., p. 36 et 173; BGE 97 V 60 S. 64 KÄNZIG, Wehrsteuer, art. 18 N 2 -5 et art. 22 N 88 ; GYGAX, Schweizerisches Steuer-Lexikon, vol. 1 ch. 192; pour la jurisprudence cantonale, arrêt lucernois du 22 septembre 1959, dans Zbl 1961 p. 306). Si l'on adopte cette méthode dans le domaine en cause dans la présente procédure, on aboutit à la solution requise par la recourante. Le montant prélevé par J. R. à titre de "salaire" devrait être en effet diminué de sa part aux pertes de la société durant la même période. Cette solution présente des avantages et des inconvénients inverses de ceux de la solution exposée sous lettre a) ci-dessus. Son défaut principal est de ne guère refléter les disponibilités, donc de ne pas rendre un compte fidèle du besoin actuel; et cela parce que la diminution de l'apport, entraînée par la perte subie, ne doit pas être immédiatement comblée. Or, ainsi que le dit très justement le juge cantonal, l'octroi des prestations complémentaires devrait dépendre "du revenu effectif de l'ayant droit et non d'une situation théorique". - Mais cette deuxième solution n'est pas dépourvue de qualités. D'abord, elle évite le danger de "manipulation" des honoraires convenus ou du moins réduit considérablement sa portée. Ensuite, elle donne à moyenne et longue échéance une image plus exacte de la réalité économique, soit dès l'instant où la société réalise à nouveau des bénéfices et plus encore lorsque de tels bénéfices servent à accroître l'apport selon l'art. 559 al. 3 CO. Enfin les indications sont aisément contrôlables - encore qu'avec un décalage dans le temps - sur la base des dossiers fiscaux, vu l'identité des principes. Et si l'on considère en sus que la solution retenue par le fisc est appliquée dans l'AVS en matière de cotisations déjà, ce dernier avantage prend un intérêt considérable non seulement sous l'aspect du contrôle, mais aussi sous celui de la plus grande unification possible des normes légales (voir p.ex. en ce sens RCC 1968 p. 590 consid. 3). C'est donc en principe cette seconde solution qu'il faut retenir pour l'évaluation du revenu déterminant la prestation complémentaire. En revanche, il n'y a aucune raison de l'adopter dans ce domaine lorsque l'existence de réserves latentes considérables est prouvée. Là encore on se fondera dans la mesure du possible sur le dossier fiscal (v. ATFA 1969 p. 242 s.). 2. La conséquence en est l'admission du recours en son principe...
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Sachverhalt ab Seite 82 BGE 133 II 81 S. 82 A. Die Aare-Tessin AG für Elektrizität (im Folgenden: Atel), deren Aktien (3'036'000 Namenaktien, Nennwert von Fr. 100.-) an der SWX Swiss Exchange kotiert sind, ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Olten. Die Motor-Columbus AG (im Folgenden: Motor-Columbus) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Baden. Ihre Aktien (506'000 Inhaberaktien, Nennwert Fr. 500.-) sind ebenfalls an der SWX Swiss Exchange kotiert. Die Gesellschaft ist eine reine Finanzholding mit Beteiligungen vor allem im Energiebereich. Als grösste Beteiligung hält sie 58,51 % aller Namenaktien von Atel. Die UBS AG, mit Sitz in Zürich und Basel, hielt eine Beteiligung von 55,64 % an Motor-Columbus. Am 29. September 2005 veräusserte sie diese Beteiligung an verschiedene Käufer, darunter Atel. Zeitgleich schloss Atel mit den übrigen Aktienkäufern, die ihrerseits ein Konsortium bildeten, eine Konsortialvereinbarung ab. Mit Empfehlung vom 11. August 2005 stellte die Übernahmekommission fest, die Konsortialmitglieder und Atel hielten aufgrund der Konsortialvereinbarung direkt und indirekt mehr als 33 1 / 3 % der Stimmrechte an Atel und müssten demnach den Aktionären von Atel ein öffentliches Übernahmeangebot im Sinne von Art. 32 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 24. März 1995 über die Börsen und den Effektenhandel (Börsengesetz, BEHG; SR 954.1) unterbreiten (Empfehlung I). Die Motor-Columbus könne das Pflichtangebot im Auftrag der Konsortialmitglieder durchführen und den Aktionären der Atel Aktien der Motor-Columbus zum Umtausch anbieten (Empfehlung II). BGE 133 II 81 S. 83 Am 23. März 2006 unterzeichneten die Motor-Columbus und die Atel einen Fusionsvertrag, nach welchem Motor-Columbus in Atel als übernehmende Gesellschaft ("NewCo") fusionieren sollte. Am 24. März 2006 veröffentlichte Motor-Columbus die Voranmeldung des öffentlichen Umtauschangebotes für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien der Atel. Der Angebotsprospekt wurde am 28. März 2006 publiziert. B. Am 17./21. März 2006 wandte sich die AEM S.p.A., Mailand, eine Aktionärin mit einer Beteiligung von 5,76 % an Atel, an die Übernahmekommission und ersuchte diese, das öffentliche Übernahmeangebot als unzulässig zu erklären und zu empfehlen, den Angebotsprospekt nicht zu veröffentlichen. Mit Empfehlung vom 24. März 2006 liess die Übernahmekommission die AEM S.p.A. als Intervenientin im Sinne von Art. 54 der Verordnung der Übernahmekommission vom 21. Juli 1997 über öffentliche Kaufangebote (Übernahmeverordnung-UEK, UEV-UEK; SR 954.195.1) im Verfahren zu. Nach Eingang der Stellungnahme der AEM S.p.A. entschied die Übernahmekommission mit Empfehlung vom 7. April 2006, dass der Angebotsprospekt in verschiedener Hinsicht zu ändern bzw. zu ergänzen sei. Die von der AEM S.p.A. insbesondere beanstandete Kombination des Umtauschangebotes mit anschliessender Fusion ("reverse merger") wurde indessen als zulässig erklärt (Empfehlung VI). Mit Schreiben vom 18. April 2006 erklärte die AEM S.p.A. die Ablehnung der Empfehlung VI; sie bestritt dabei die Gesetzmässigkeit des Umtauschangebotes sowie die Unabhängigkeit der Prüfstelle. Die Übernahmekomission übermittelte die Eingabe der Übernahmekammer der Eidgenössischen Bankenkommission (nachfolgend: Bankenkommission). Diese bejahte am 3. Mai 2006 die Befugnis der AEM S.p.A., die Empfehlung der Übernahmekommission abzulehnen, auch wenn sie am erstinstanzlichen Verfahren nicht als Partei, sondern bloss als Intervenientin teilnehmen konnte. Weiter verfügte sie, das Umtauschangebot vom 28. März 2006 entspreche nicht dem Börsengesetz, denn den Minderheitsaktionären werde im Ergebnis die Möglichkeit genommen, ihr Ausstiegsrecht gemäss Art. 32 BEHG wahrzunehmen, ohne Gefahr zu laufen, allenfalls einen erheblichen Preisabschlag zu erleiden. Schliesslich stellte sie fest, die Unabhängigkeit der Prüfstelle sei gegeben. Das Umtauschangebot wurde jedoch nicht suspendiert. BGE 133 II 81 S. 84 Gestützt auf die in der angefochtenen Verfügung der Bankenkommission vom 3. Mai 2006 festgestellten rechtlichen Mängel des Umtauschangebotes vom 28. März 2006 hoben die Motor-Columbus und die Atel den Fusionsvertrag vom 23. März 2006 auf. Am 1. Juni 2006 änderte die Motor-Columbus sodann den Angebotsprospekt für das öffentliche Umtauschangebot entsprechend. Nachdem sich die AEM S.p.A. zur Änderung des öffentlichen Umtauschangebotes geäussert hatte, stellte die Übernahmekommission mit Empfehlung (VII) vom 12. Juni 2006 fest, dass das geänderte Angebot gesetzeskonform sei. Nachdem die AEM S.p.A. auch diese Empfehlung am 19. Juni 2006 abgelehnt hatte, stellte die Übernahmekammer der Bankenkommission in Bestätigung der Empfehlung VII mit Verfügung vom 4. Juli 2006 fest, das geänderte Umtauschangebot entspreche nun - nach der Aufhebung des Fusionsvertrages und damit dem Wegfall des ursprünglich geplanten "reverse merger" - dem Börsengesetz. C. Gegen diese Verfügung hat die AEM S.p.A. am 4. September 2006 beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Sie beantragt, den Entscheid der Bankenkommission aufzuheben. Das öffentliche Umtauschangebot vom 28. März 2006 bzw. vom 1. Juni 2006 verstosse gegen Bundesrecht. Weiter sei zu erkennen, dass die Beschwerde auch noch gegen die Folgen der Empfehlung II vom 11. August 2005 zulässig sei. Das Bundesgericht tritt auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht ein.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Verfügungen der Bankenkommission als Börsenaufsichtsbehörde unterliegen nach den hier massgebenden Verfahrensvorschriften unmittelbar der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht (vgl. Art. 39 i.V.m. Art. 32 BEHG und Art. 98 lit. f OG ; BGE 129 II 183 E. 3.2.1 S. 187). Gemäss Art. 103 lit. a OG ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Im Allgemeinen ist ein Interesse im Sinne dieser Bestimmung nur schutzwürdig, wenn der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Urteilsfällung ein aktuelles, praktisches Interesse an der Aufhebung oder Änderung der angefochtenen Verfügung hat (vgl. BGE 128 II 34 E. 1b S. 36 mit Hinweis). Vorliegend ist die BGE 133 II 81 S. 85 Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht schon deshalb gegenstandslos, weil das Umtauschverfahren inzwischen durchgeführt worden ist, denn ein Barangebot an die verbleibenden Aktionäre der Atel, wie es die Beschwerdeführerin anstrebt, könnte wohl auch nachträglich noch gemacht werden. Die Frage des schutzwürdigen Interesses stellt sich indessen insoweit, als zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin befugt war, die Empfehlungen der Übernahmekommission abzulehnen (vgl. hierzu nachfolgend E. 4), bzw. ob ihr im Verfahren vor der Bankenkommission als Aufsichtsbehörde Parteistellung zukam (vgl. unten E. 5), nachdem sie im Verfahren vor der Übernahmekommission nur als Intervenientin teilgenommen hatte. Diese Frage, die in BGE 129 II 183 E. 4.2. S. 189 ff. noch offengelassen wurde, ist hier zu beantworten, nachdem das Bundesgericht im Urteil 2A.334/2006 vom 10. Oktober 2006 (vgl. dort E. 1.3) in Aussicht gestellt hat, sich damit zu befassen, sollte die hier betroffene Minderheitsaktionärin ihrerseits Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben. Wenn sie nicht berechtigt war, von der Bankenkommission eine von den hier massgeblichen Empfehlungen abweichende Verfügung zu verlangen, kann sie dieses Ziel auch mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht erreichen, weshalb darauf nicht einzutreten wäre (vgl. BGE 131 II 587 E. 2.1 S. 588 f.; BGE 127 II 132 E. 2a S. 136; BGE 124 II 293 E. 3b S. 304; BGE 123 II 376 E. 2 S. 378; BGE 121 II 39 E. 2c/aa S. 43, BGE 121 II 171 E. 2b S. 174; BGE 120 Ib 48 E. 2a S. 51; je mit Hinweisen). 4. 4.1 Art. 32 Abs. 1 BEHG verpflichtet den Erwerber von mehr als 33 1 / 3 Prozent der Stimmrechte einer Publikumsgesellschaft, den übrigen Inhabern von kotierten Beteiligungspapieren ein öffentliches Kaufangebot zu unterbreiten. Die Überwachung solcher Angebote obliegt der Übernahmekommission. Sie hat die Aufgabe, die Einhaltung der börsen- und übernahmerechtlichen Bestimmungen im Einzelfall zu überprüfen. Bei jedem öffentlichen Kaufangebot erlässt sie namentlich Empfehlungen, die feststellen, ob diese Bestimmungen im konkreten Fall eingehalten worden sind (vgl. Art. 23 Abs. 3 BEHG , Art. 3 Abs. 1 UEV-UEK , Art. 1 des Reglements der Übernahmekommission vom 21. Juli 1997 [Reglement-UEK, R-UEK; SR 954.195.2]; RUDOLF TSCHÄNI/MATHIAS OERTLE, in: Nedim Peter Vogt/Rolf Watter [Hrsg.], Kommentar zum schweizerischen Kapitalmarktrecht, Basel usw. 1999, Rz. 13 zu Art. 23 BEHG ; MYRIAM SENN, Die Übernahmekommission nach dem Börsengesetz, BGE 133 II 81 S. 86 AJP 1997 S. 1182; ALAIN HIRSCH, The Swiss Takeover Board, SZW Sondernummer 1997 S. 75; DIETER ZOBL/STEFAN KRAMER, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Zürich 2004, Rz. 297 S. 109). Zwangsrechtliche Mittel zur Durchsetzung ihrer Empfehlungen hat die Kommission aber nicht. Die Befugnis, die zum Vollzug des Börsengesetzes und seiner Ausführungsbestimmungen notwendigen, rechtsverbindlichen Verfügungen an die Verfahrensbeteiligten zu erlassen und zu vollziehen, kommt ausschliesslich der Bankenkommission als Aufsichtsbehörde zu (vgl. Art. 35 Abs. 1 BEHG ; ROLF WEBER, Börsenrecht, Zürich 2001, Rz. 15 zu Art. 23 BEHG ; MANFRED KÜNG/FELIX M. HUBER/MATTHIAS KUSTER, Kommentar zum Börsengesetz, Zürich 1998, Loseblattausgabe, Rz. 4 zu Art. 23 BEHG ; PETER NOBEL, Schweizerisches Finanzmarktrecht, 2. Aufl., Zürich 2004, Rz. 35 f. S. 745; RUDOLF TSCHÄNI, M&A-Transaktionen nach Schweizer Recht, Zürich 2003, Rz. 78 S. 364; STEPHAN FREI, Öffentliche Übernahmeangebote in der Schweiz, Diss. Zürich 1995, S. 193; STEPHAN WERLEN, Die Rechtsstellung der Zielgesellschaft im Übernahmekampf, Diss. Zürich 2001, S. 148; TSCHÄNI/OERTLE, a.a.O., Rz. 2 und 14 f. zu Art. 23 BEHG ; zu den Hintergründen dieser Regelung: CHRISTIAN KÖPFLI, Die Angebotspflicht im schweizerischen Kapitalmarktrecht, Diss. Zürich 1999, S. 265 ff. sowie HIRSCH, a.a.O., S. 71 ff.; SENN, a.a.O., S. 1178 ff.). Die Empfehlungen der Übernahmekommission stellen einseitige, rechtlich unverbindliche Verhaltensanweisungen dar; den Adressaten ist freigestellt, ob sie sich daran halten wollen oder nicht (vgl. SENN, a.a.O., S. 1183; NOBEL, a.a.O., Rz. 283 S. 940 und Rz. 329 S. 955; WERLEN, a.a.O., S. 154). Dementsprechend hält Art. 5 Abs. 1 UEV-UEK fest, dass die Parteien das Recht haben, eine von der Übernahmekommission erlassene Empfehlung abzulehnen. Was unter "Parteien" zu verstehen ist, bestimmt sich abschliessend nach Art. 53 Abs. 1 UEV-UEK . Genannt werden dort der Anbieter, die Personen, welche mit ihm in gemeinsamer Absprache handeln, sowie die Zielgesellschaft (vgl. dazu KÜNG/HUBER/KUSTER, a.a.O., Rz. 15 zu Art. 23 BEHG ). Nach den klaren Vorschriften des bestehenden Rechts (vgl. BGE 129 II 183 E. 4.2 S. 189 f.; MYRIAM SENN, Anmerkung zu BGE 129 II 183 , AJP 2003 S. 1108 f.) ist die Parteistellung im Verfahren vor der Übernahmekommission (und demzufolge die Befugnis, eine Empfehlung der Kommission abzulehnen) somit enger begrenzt als in einem gewöhnlichen (erstinstanzlichen) Verwaltungsverfahren: Laut Art. 6 VwVG gelten als Parteien Personen, deren Rechte oder BGE 133 II 81 S. 87 Pflichten die Verfügung berühren soll, und andere Personen, Organisationen oder Behörden, denen ein Rechtsmittel gegen die Verfügung zusteht. Die Übernahmeverordnung-UEK, die eigene Verfahrensregeln enthält, stellt eine lex specialis zum Verwaltungsverfahrensgesetz dar (vgl. BGE 129 II 183 E. 4.2 S. 190; SENN, Anmerkung, a.a.O., S. 1109; HIRSCH, a.a.O., S. 76), dessen Anwendung nach Art. 55 Abs. 5 UEV-UEK ausdrücklich ausgeschlossen ist. Das gilt damit auch für den in Art. 6 VwVG vorgesehenen Parteibegriff. Die Regelung von Art. 53 UEV-UEK ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung weder gesetzes- noch verfassungswidrig (vgl. BGE 129 II 183 E. 4.2 S. 190). 4.2 Trotz des eingeschränkten Parteibegriffs von Art. 53 UEV-UEK ist die Teilnahme weiterer Beteiligter möglich: Nach Art. 54 Abs. 1 UEV-UEK können Personen, die ein direktes berechtigtes Interesse geltend machen, als Intervenienten am Verfahren vor der Übernahmekommission teilnehmen und Einwendungen vorbringen. Bei Personen mit einer direkten oder indirekten Beteiligung von mindestens 5 % der Stimmrechte der Zielgesellschaft oder der Gesellschaft, deren Titel zum Tausch angeboten werden, wird das berechtigte Interesse vermutet (vgl. Art. 54 Abs. 2 i.V.m. Art. 38 Abs. 1 UEV-UEK ). Intervenienten können sich grundsätzlich nur schriftlich und gestützt auf öffentlich zugängliche Dokumente vernehmen lassen. Weitergehende Rechte kommen ihnen nicht zu, da Art. 54 UEV-UEK den schutzwürdigen Interessen der Minderheitsaktionäre genügend Rechnung trägt (vgl. BGE 129 II 183 E. 4.2 S. 190; siehe zum Ganzen u.a. auch TSCHÄNI/OERTLE, a.a.O., Rz. 20 zu Art. 23 BEHG sowie SENN, Übernahmekommission, a.a.O., S. 1182). Die Beschwerdeführerin verfügt über die in Art. 38 Abs. 1 UEV-UEK geforderte Beteiligung an der Zielgesellschaft. Deshalb gewährte die Übernahmekommission ihr das Recht, als Intervenientin am Verfahren teilzunehmen und Einwendungen vorzubringen (vgl. Empfehlung V vom 24. März 2006). Im Einklang mit den genannten Bestimmungen ist der Beschwerdeführerin aber zu Recht keine Parteistellung zugestanden worden und ebenso wenig die Befugnis, Empfehlungen der Kommission abzulehnen. 4.3 Dagegen bringt die Beschwerdeführerin verschiedene Argumente vor, die indessen nicht zu überzeugen vermögen: 4.3.1 Eine Ablehnungsbefugnis der Minderheitsaktionäre der Zielgesellschaft ergibt sich, entgegen der Beschwerdeführerin (sowie der BGE 133 II 81 S. 88 EBK-Verfügung vom 3. Mai 2006), namentlich nicht aus Art. 23 Abs. 3 Satz 3 BEHG (vgl. dazu auch RENATE WEY/LUKAS HUBER, Aus der Praxis der Übernahmekommission, SZW 2001 S. 151 f. und WEBER, a.a.O., Rz. 17 f. zu Art. 23 BEHG ). Danach erlässt die Übernahmekommission ihre Empfehlungen gegenüber den "Beteiligten". Dieser Begriff umfasst jedoch ausschliesslich die im vorausgehenden Satz 2 erwähnten Anbieter und Zielgesellschaften. Art. 3 Abs. 1 UEV-UEK präzisiert in Übereinstimmung mit der Terminologie von Art. 5 Abs. 1 UEV-UEK , dass die Empfehlungen an die Parteien erlassen werden. Und gemäss Art. 55 Abs. 4 UEV-UEK werden die Empfehlungen der Übernahmekommission den Parteien eröffnet. Selbst wenn die Empfehlungen anderen Beteiligten, wie z.B. Intervenienten, zur Kenntnisnahme zugestellt werden, sind diese zu deren Ablehnung nicht berechtigt (vgl. zum Ganzen auch BGE 129 II 183 E. 4.2 S. 190). 4.3.2 Unbegründet ist auch der Vorwurf der Beschwerdeführerin, eine Beschränkung der Ablehnungsbefugnis verstosse gegen die materiell- und verfahrensrechtlichen Zielsetzungen des Börsen- bzw. Übernahmerechts: Der Regelung öffentlicher Kaufangebote liegen verschiedene, teilweise gegenläufige, individuelle und funktionelle, börsen- sowie gesellschaftsrechtliche Schutzziele zugrunde (vgl. Art. 28 lit. c BEHG , Art. 1 UEV-UEK ; RUDOLF TSCHÄNI, Öffentliche Übernahmeangebote im Börsengesetz und im EG-Recht, AJP 1994 S. 309 f.; ROBERT BERNET, Die Regelung öffentlicher Kaufangebote im neuen Börsengesetz, Diss. Basel 1997, S. 74 ff.; FREI, a.a.O., S. 188 f.; CHRISTIAN MEIER-SCHATZ, Meldepflichten und Übernahmeangebote, AJP 1998 S. 54; HANS CASPAR VON DER CRONE, Übernahmerechtliche Grundsätze: Transparenz, Gleichbehandlung und Lauterkeit, in: Schweiz. Übernahmekommission [Hrsg.], Schweizerisches Übernahmerecht in der Praxis, Zürich 2005, S. 1 ff.; zu den allgemeinen Zielsetzungen des Börsengesetzes: vgl. Art. 1 BEHG ; NOBEL, a.a.O., Rz. 7 S. 732 f.; ALOIS RIMLE, Recht des schweizerischen Kapitalmarktes, Zürich 2004, Rz. 3 S. 291; ZOBL/KRAMER, a.a.O., Rz. 379 S. 138; HANSPETER DIETZI/SANDRA LATOUR, Schweizerisches Börsenrecht, Basel usw. 2002, S. 90 f.; MATTHIAS FELDMANN, L'obligation de présenter une offre publique d'acquisition à la suite d'une prise de contrôle, Diss. Lausanne 1999, S. 132 f.). Geschützt werden sollen namentlich die Minderheitsaktionäre der Zielgesellschaft (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2A.394/2000 vom 2. Juli 2001, E. 3b, publ. in: EBK-Bulletin 42/2002 BGE 133 II 81 S. 89 S. 31, mit zahlreichen Hinweisen; BGE 130 II 530 E. 5.3.1 S. 543 f.; WEBER, a.a.O., Rz. 1-4 zu Art. 32 BEHG ; KARL HOFSTETTER, in: Vogt/Watter [Hrsg.], Kommentar zum schweizerischen Kapitalmarktrecht, Basel usw. 1999, Rz. 2-4 zu Art. 32 BEHG ; KÜNG/ HUBER/KUSTER, a.a.O., Rz. 1 zu Art. 32 BEHG ; SENN, Anmerkung, a.a.O., S. 1108 f.; TSCHÄNI, Übernahmeangebote, a.a.O., S. 309; ders ., M&A-Transaktionen, a.a.O., Rz. 5 S. 334; RIMLE, a.a.O., Rz. 45 S. 303; ZOBL/KRAMER, a.a.O., Rz. 410 f. S. 149; DIETZI/LATOUR, a.a.O., S. 91). Die börsengesetzliche Regelung des Übernahmemarktes soll jedoch öffentliche Kaufangebote nicht begünstigen oder erschweren, sondern marktneutral wirken (vgl. TSCHÄNI, Übernahmeangebote, a.a.O., S. 310; BERNET, a.a.O., S. 79 mit weiteren Hinweisen). Gegebenenfalls sollen Übernahmen auch gegen den Willen der Zielgesellschaft sowie der Minderheitsaktionäre möglich sein, solange deren schutzwürdigen Interessen genügend Rechnung getragen wird. Neben dem Schutz der Minderheitsaktionäre bezweckt die Regelung der öffentlichen Übernahmeangebote auch denjenigen der Zielgesellschaft vor einer unzumutbaren Beeinträchtigung ihrer Geschäftstätigkeit (vgl. TSCHÄNI, Übernahmeangebote, a.a.O., S. 309 f.; ders ., M&A-Transaktionen, a.a.O., Rz. 5 S. 334). Übernahmetransaktionen müssen regelmässig innert kurzer Frist durchgeführt werden. Die beteiligten Gesellschaften können nicht auf unbestimmte Zeit über den Erfolg oder Nichterfolg der geplanten Transaktion im Ungewissen bleiben. Zu vermeiden sind unter anderem Gerichtsverfahren, welche von Minderheitsaktionären der Zielgesellschaft gegen ein laufendes Kaufangebot eingeleitet werden und die effiziente Durchführung des Übernahmeverfahrens bzw. den Vollzug des Angebots ungerechtfertigt verzögern oder sogar verunmöglichen (zur zeitlichen Dringlichkeit in Übernahmesituationen vgl. u.a. ANNE HÉRITIER LACHAT, Loi sur les bourses: quelques nouveautés en matière d'offres publiques d'acquisition, in: Journée 1997 de droit bancaire et financier, sous la direction de Luc Thévenoz, S. 50 f.; ZOBL/ KRAMER, a.a.O., Rz. 299 S. 109). Gemäss dem Grundsatz einer marktnahen und effizienten Überwachung der öffentlichen Übernahmeangebote steht die Regelung des Verfahrens vor der Übernahmekommission ganz im Zeichen einer raschen, ausgewogenen und einfachen Entscheidfindung (vgl. Art. 55 UEV-UEK ; WEY/HUBER, a.a.O., S. 147; TSCHÄNI, Übernahmeangebote, a.a.O., S. 310; ders ., M&A-Transaktionen, a.a.O., Rz. 5 S. 334). BGE 133 II 81 S. 90 So bestimmt z.B. Art. 60 Abs. 4 UEV-UEK , dass grundsätzlich weder Zeugen einvernommen noch Gutachten eingeholt werden (vgl. TSCHÄNI/OERTLE, a.a.O., Rz. 22 f. zu Art. 23 BEHG ; WEBER, a.a.O., Rz. 20 zu Art. 23 BEHG ). Gleichzeitig gilt es ein rechtsstaatliches Verfahren zu gewährleisten. Die beiden wichtigsten verfahrensrechtlichen Grundsätze, die Rechtsgleichheit und das rechtliche Gehör, werden denn auch in Art. 55 Abs. 1 UEV-UEK ausdrücklich erwähnt (vgl. WEY/HUBER, a.a.O., S. 147; TSCHÄNI/OERTLE, a.a.O., Rz. 21 zu Art. 23 BEHG ; WEBER, a.a.O., Rz. 19 zu Art. 23 BEHG ; HIRSCH, a.a.O., S. 76 f.). Damit steht im Einklang, dass die Zielaktionäre am Verfahren vor der Übernahmekommission nicht direkt bzw. nur in einem beschränkten Rahmen teilnehmen, d.h. nur dann, wenn die übernahmerechtlichen Verfahrensregeln eine Beteiligung ausdrücklich vorsehen. Indem der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber diesen Aktionären zwar keine Parteistellung, jedoch die Möglichkeit gewährt hat, als Intervenienten am Verfahren teilzunehmen, hat er einen Weg gefunden, sowohl ein schnelles und flexibles Verfahren als auch einen genügenden Minderheitenschutz zu gewährleisten. Vorliegend ist den schutzwürdigen Interessen der Beschwerdeführerin mit der Möglichkeit der Intervention jedenfalls ausreichend Rechnung getragen worden. Soweit Minderheitsaktionäre - wie hier - (in erster Linie) finanzielle Ansprüche geltend machen, erscheint die Ablehnung einer Empfehlung der Übernahmekommission zudem als das ungeeignete Rechtsmittel. Für die Verfolgung dieser vermögensrechtlichen Interessen können die Zielaktionäre (abgesehen von der Intervention nach Art. 54 UEV-UEK ) auf ein Verfahren ausserhalb der übernahmerechtlichen Spezialbehörden, mit anderen Worten auf den Weg an die Zivilgerichte, verwiesen werden (vgl. dazu insb. Art. 105 ff. des Bundesgesetzes vom 3. Oktober 2003 über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung [Fusionsgesetz, FusG; SR 221.301] ; siehe u.a. auch RIMLE, a.a.O., Rz. 75 S. 311). Das hier von der Übernahmekommission befolgte Vorgehen verstösst somit nicht gegen die Verfahrensgrundsätze der Rechtsgleichheit und des rechtlichen Gehörs, ebenso wenig gegen die Zielsetzungen des Börsen- und Übernahmerechts, insbesondere im Bereich der öffentlichen Kaufangebote. 4.3.3 Der Beschwerdeführerin kann im Weiteren insofern nicht gefolgt werden, als sie sich im vorliegenden Zusammenhang auf BGE 133 II 81 S. 91 Überlegungen (in der Lehre) abstützt, die nicht die Modalitäten eines laufenden öffentlichen Kaufangebots, sondern die Frage betreffen, ob ein solches Angebot überhaupt unterbreitet werden muss: In BGE 129 II 183 hat das Bundesgericht entschieden, dass die Legitimation zur Ablehnung einer Empfehlung, mit der das Nichtbestehen einer Angebotspflicht festgestellt wurde, nur den Parteien zukommt, nicht aber den (Minderheits-)Aktionären der Zielgesellschaft (vgl. dort E. 4.2 S. 189 ff. sowie Art. 34 Abs. 4 und Art. 35 der ursprünglichen Verordnung der Eidgenössischen Bankenkommission vom 25. Juni 1997 über die Börsen und den Effektenhandel [BEHV-EBK; SR 954.193; AS 1997 S. 2055 f.]). Aufgrund dieser Rechtsprechung hat die Bankenkommission die massgebliche Verordnungsbestimmung per 1. Januar 2006 geändert: In Abweichung von Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 53 Abs. 1 UEV-UEK räumt der neu eingeführte Art. 35 Abs. 2 quater BEHV-EBK (i.V.m. Art. 35 Abs. 2 bis und 2 ter BEHV-EBK ) die Befugnis zur Ablehnung einer Empfehlung der Übernahmekommission betreffend Gewährung einer Ausnahme von der Angebotspflicht sowie Feststellung des Nichtbestehens der Angebotspflicht allen an der Zielgesellschaft Beteiligten ein (vgl. AS 2005 S. 5671). Diese Erweiterung der Ablehnungsbefugnis bedurfte einer ausdrücklichen Regelung, weil sie grundsätzlich im Widerspruch zu dem in Art. 55 Abs. 2 UEV-UEK vorgesehenen einfachen und raschen Verfahren steht. Gleichzeitig wurde sie aber nicht auf die vorliegend zu beurteilende Problematik der Modalitäten eines laufenden öffentlichen Übernahmeangebotes ausgedehnt, was sich durch verschiedene Unterschiede rechtfertigt: Bei der Gewährung einer Ausnahme von der Angebotspflicht oder bei der Feststellung des Nichtbestehens einer solchen ist die zeitliche Dringlichkeit - im Gegensatz zu einem laufenden Übernahmeangebot - nicht vorrangig. Namentlich ist die (potentielle) Zielgesellschaft während der Dauer des Verfahrens nicht in ihrer Handlungsfähigkeit beschränkt, da noch kein öffentliches Angebot vorliegt. Zudem ist ein Zielaktionär weit stärker durch eine Empfehlung berührt, die ein öffentliches Pflichtangebot (und somit die Anwendung der verschiedenen spezifischen Bestimmungen zum Schutz der Minderheitsaktionäre) ausschliesst. 4.3.4 Zugunsten einer Ablehnungsbefugnis der Zielaktionäre im heute gültigen Recht können auch nicht die im Rahmen einer integrierten Finanzmarktaufsicht geplanten Gesetzesänderungen geltend BGE 133 II 81 S. 92 gemacht werden. Die neuen börsenrechtlichen Regelungen sehen vor, dass die Übernahmekommission Verfügungskompetenz erhalten soll (vgl. Art. 33a Abs. 1 E-BEHG). Überdies sollen Aktionäre mit einer Beteiligung von mindestens 2 % der Stimmrechte an der Zielgesellschaft Parteistellung haben, sofern sie diese bei der Übernahmekommission beanspruchen (vgl. Art. 33b Abs. 3 E-BEHG) und die Verfügung mittels Beschwerde an die Finanzmarktaufsichtsbehörde weiterziehen können (vgl. Art. 33c Abs. 1 E-BEHG; zum Ganzen BBl 2005 S. 2905 f. und 2950). Sollten diese Vorschläge vom Parlament angenommen werden, so würden sie beträchtliche Änderungen gegenüber dem jetzigen System darstellen, von denen keine Rückschlüsse auf das bestehende Recht gezogen werden dürfen. Vielmehr bestätigen sie, wie die Neufassung von Art. 35 BEHV-EBK , dass die von der Beschwerdeführerin vertretene Auffassung vom geltenden Recht abweicht und nur vom Gesetz- bzw. Verordnungsgeber eingeführt werden kann. 4.4 Im Zusammenhang mit den Modalitäten eines laufenden öffentlichen Kaufangebots kommt die Befugnis zur Ablehnung der Empfehlungen der Übernahmekommission nach bestehendem Recht somit nur den Parteien zu, nicht aber den Minderheitsaktionären der Zielgesellschaft, selbst wenn diese als Intervenienten zugelassen worden sind. Unter Vorbehalt einer künftigen Änderung der gesetzlichen Grundlagen gilt somit weiterhin ausschliesslich Art. 5 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 53 UEV-UEK , weshalb nach wie vor nur die Anbieterin, die Personen, die mit ihr in gemeinsamer Absprache handeln, und die Zielgesellschaft die entsprechenden Empfehlungen ablehnen können. 4.5 Die gleiche Lösung hat sich übrigens in anderen Bereichen des Wirtschaftsrechts durchgesetzt: In BGE 131 II 497 E. 5.1 S. 508 f. hat das Bundesgericht erwogen, dass ein eingeschränkter Parteibegriff auch im Rahmen von Art. 43 Abs. 4 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz, KG; SR 251) gilt. Der gesetzgeberische Wille eines einfachen und raschen Verfahrens rechtfertigt eine Einschränkung der Möglichkeit, gegen von der Kartellkommission zugelassene Zusammenschlüsse an die Rekurskommission für Wettbewerbsfragen zu gelangen. 5. Im Weiteren fragt sich, ob die Beschwerdeführerin, unabhängig von ihrer Verfahrensstellung vor der Übernahmekommission, BGE 133 II 81 S. 93 berechtigt war, von der Bankenkommission eine von den hier massgeblichen Empfehlungen abweichende Verfügung zu verlangen. 5.1 Die Bankenkommission ist im Bereich der Angebotspflicht gemäss Art. 32 BEHG die zweite zur Beurteilung berufene Instanz. Sie befasst sich dann mit der Angelegenheit, wenn sie selber in der Sache entscheiden will oder die Empfehlung der Übernahmekommission von einer Partei abgelehnt bzw. missachtet wird oder die Übernahmekommission sie um einen Entscheid ersucht (vgl. Art. 35 Abs. 1 BEHG ; Art. 35 Abs. 3 BEHV-EBK ; ZOBL/KRAMER, a.a.O., Rz. 299 S. 109 und Rz. 413 S. 150; WERLEN, a.a.O., S. 147). Wie schon dargestellt (vgl. E. 4.1 oben), ist die Übernahmekommission keine verfügende Vorinstanz der Bankenkommission (vgl. BGE 130 II 530 E. 2.2 S. 536 f. und E. 4.1.2. S. 538; BGE 130 II 351 E. 3.3.2 S. 359; BGE 129 II 183 E. 4.2 S. 190). Da ihre Empfehlungen für die Parteien keine Rechtswirkung entfalten, können sie auch nicht angefochten werden (TSCHÄNI/OERTLE, a.a.O., Rz. 25; WEBER, a.a.O., Rz. 23 zu Art. 23 BEHG ; KÖPFLI, a.a.O., S. 267; HIRSCH, a.a.O., S. 75). Mangels einer Beschwerdeberechtigung haben die Parteien einzig die Möglichkeit, wenn sie mit einer Empfehlung nicht einverstanden sind, diese zu missachten oder abzulehnen. Weigert sich eine Partei oder beide Parteien, die Empfehlung der Übernahmekommission anzuerkennen bzw. innert der gesetzten Frist zu erfüllen, oder missachten die Parteien die Empfehlung trotz formeller Genehmigung, ist die Übernahmekommission verpflichtet, der Bankenkommission als Aufsichtsbehörde Meldung zu erstatten (vgl. Art. 23 Abs. 4 BEHG , Art. 5 Abs. 3 UEV-UEK , ZOBL/ KRAMER, a.a.O., Rz. 299 S. 109; WEBER, a.a.O., Rz. 24 zu Art. 23 BEHG ; NOBEL, a.a.O., Rz. 329 S. 955; KÜNG/HUBER/KUSTER, a.a.O., Rz. 10 zu Art. 23 BEHG ; RENÉ STRAZZER, Die "Takeover-Regelung" des neuen Börsengesetzes, Der Schweizer Treuhänder [ST] 1995 S. 727; BERNHARD KELLER, Öffentliche Kaufangebote für Beteiligungspapiere, recht 21/2003 S. 69). Diese eröffnet ein formelles Verwaltungsverfahren, das eigenständigen Charakter hat (vgl. BGE 130 II 530 E. 4.1.2 S. 539; TSCHÄNI, M&A-Transaktionen, a.a.O., Rz. 83 S. 365 f.; TSCHÄNI/OERTLE, a.a.O., Rz. 26 zu Art. 23 BEHG ; HIRSCH, a.a.O., S. 75; WERLEN, a.a.O., S. 153 f.). 5.2 Die Beschwerdeführerin argumentiert, wenn vor der Bankenkommission ein formelles Verwaltungsverfahren zur Anwendung gelange, so müsse der Parteibegriff von Art. 6 VwVG BGE 133 II 81 S. 94 uneingeschränkt gelten. Dessen Voraussetzungen erfülle sie klarerweise. Sei sie somit berechtigt, eine von den hier massgeblichen Empfehlungen der Übernahmekommission abweichende Verfügung der Bankenkommission zu verlangen, so müsse ihr auch die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht offen stehen. 5.3 Unbestrittenermassen hat das Verfahren vor der Bankenkommission als Ganzes den gesetzlichen und verfassungsmässigen Garantien zu genügen (vgl. BGE 130 II 351 E. 3.3.2 S. 359). Ebenso hat das Bundesgericht festgehalten, dass die Frage der Parteistellung vor der Bankenkommission im Zusammenhang mit Art. 32 BEHG schon deshalb auf Grund von Art. 6 VwVG beantwortet werden müsse, weil in der Börsengesetzgebung spezifische Regeln fehlen (vgl. BGE 129 II 183 E. 4.2 S. 191; KÜNG/HUBER/KUSTER, a.a.O., Rz. 21 zu Art. 23 BEHG ). Gleichzeitig hat dieses Urteil aber festgehalten, dass Art. 6 VwVG im Lichte der besonderen Organisations- und Verfahrensbestimmungen der Börsengesetzgebung ausgelegt werden muss (vgl. E. 4.2 S. 192). Daraus ergibt sich vorliegend nicht, dass die Beschwerdeführerin umso mehr Anspruch darauf hatte, vor der Bankenkommission als Partei zugelassen zu werden, als sie im Verfahren vor der Übernahmekommission nur als Intervenientin teilnehmen konnte. Vielmehr drängt sich hier aus mehreren Gründen auf, die Frage der Parteistellung (vor der Übernahmekommission und vor der Bankenkommission) bzw. der Befugnis zur Ablehnung der Empfehlungen der Übernahmekommission in beiden Verfahren(sstadien) übereinstimmend zu lösen (vgl. in diesem Sinne schon BGE 129 II 183 E. 4.2 S. 191 sowie, für den in E. 4.5 erwähnten Bereich des Kartellrechts, BGE 131 II 497 E. 5.2 und 5.4 S. 509 ff.): Die von der Beschwerdeführerin vertretene Auffassung würde der vom Gesetz- bzw. Verordnungsgeber gewollten Beschleunigung des Übernahmeverfahrens zuwiderlaufen. Soll nämlich das Verfahren vor der Übernahmekommission einfach und rasch sein, so darf es nicht von Personen, die in diesem Verfahren keine Parteistellung haben, durch die Eröffnung eines Verfahrens vor der Bankenkommission wieder blockiert werden können. Die Gefahr, dass Gerichtsverfahren die effiziente Durchführung des Übernahmeverfahrens während längerer Zeit letztendlich ungerechtfertigt verzögern oder sogar verunmöglichen, gilt umso mehr für das Verfahren vor der Bankenkommission und die damit verbundene Möglichkeit, deren Verfügungen beim Bundesgericht anzufechten (vgl. dazu u.a. SENN, Anmerkung, a.a.O., S. 1109; zum Mittel der "tactical litigation" im Übernahmekampf allgemein: FREI, a.a.O., S. 194). BGE 133 II 81 S. 95 Im Weiteren würde die eigentliche Auseinandersetzung nicht vor der über besonderen Sachverstand und Beurteilungsnähe verfügenden Übernahmekommission (vgl. Art. 23 Abs. 1 BEHG ; WEBER, a.a.O., Rz. 1 zu Art. 23 BEHG ; TSCHÄNI/OERTLE, a.a.O., Rz. 1 und 5 zu Art. 23 BEHG ; HIRSCH, a.a.O., S. 72 f., SENN, Übernahmekommission, a.a.O., S. 1178, 1181 und 1184; KÜNG/HUBER/KUSTER, a.a.O., Rz. 4 zu Art. 23 BEHG ), sondern erst vor der Aufsichtsbehörde stattfinden. Die Auffassung der Beschwerdeführerin lässt sich zudem nicht mit Art. 35 Abs. 3 BEHV-EBK in Einklang bringen. Keine der dort abschliessend erwähnten Voraussetzungen, damit die Bankenkommission eine Empfehlung der Übernahmekommission überprüft, ist hier erfüllt. Angesichts des besonderen Verhältnisses zwischen Übernahme- und Bankenkommission (vgl. oben E. 4.1 und 5.1) erscheint eine über Art. 35 Abs. 3 BEHV-EBK hinausgehende Möglichkeit des Zugangs an die Aufsichtsbehörde nicht gerechtfertigt. Das spricht namentlich auch gegen das Argument der Beschwerdeführerin, aufgrund von Art. 6 VwVG müsse eine allgemeine Berechtigung der Minderheitsaktionäre angenommen werden, an die Bankenkommission zu gelangen, ob nun in Form einer Aufsichtsbeschwerde, einer Klage oder einer sonstigen Anfechtungsmöglichkeit. Eine solche Berechtigung haben im jetzigen System nicht einmal die Parteien gemäss Art. 5 und 53 UEV-UEK , können doch selbst diese eine Empfehlung nur ablehnen oder missachten, worauf die Übernahmekommission ihrer Meldepflicht nachkommen muss. Im Rahmen der bestehenden Regelung wäre allenfalls denkbar, dass Minderheitsaktionäre von der Bankenkommission erreichen, innerhalb von fünf Börsentagen ihr Attraktionsrecht auszuüben (vgl. Art. 35 Abs. 3 lit. a BEHV-EBK ). Das ist hier jedoch nicht geschehen. Im gleichen Sinne hat das Bundesgericht auch in dem in Erwägung 4.5 erwähnten Bereich des Kartellrechts entschieden und gleichzeitig festgehalten, dass die Betroffene nicht ohne Rechtsmittel war, selbst wenn sie nicht an die Rekurskommission für Wettbewerbsfragen gelangen konnte (vgl. BGE 131 II 497 E. 5.5 S. 513 f.). Dasselbe gilt hier. Insbesondere steht ihr der Weg an die Zivilgerichte (vgl. dazu oben E. 4.3.2) offen. 6. Zusammenfassend ist bei der heute gültigen Rechtslage festzuhalten, dass an der Zielgesellschaft Beteiligte nur bei einer Empfehlung der Übernahmekommission betreffend Feststellung des Nichtbestehens einer Angebotspflicht oder Gewährung einer besonderen BGE 133 II 81 S. 96 Ausnahme bei der Bankenkommission eine anfechtbare Verfügung verlangen können. Zum Weiterzug einer Empfehlung im Rahmen eines laufenden öffentlichen Angebots sind hingegen aufgrund der abschliessenden Regelung von Art. 5 i.V.m. Art. 53 UEV-UEK nur die Parteien und nicht auch die Intervenienten legitimiert. Somit bestand für die Bankenkommission kein Anlass, auf die "Ablehnung" der Beschwerdeführerin einzutreten. Soweit sie es dennoch tat, die Empfehlungen aber bestätigte, kann die Beschwerdeführerin dagegen keine Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben.
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Sachverhalt ab Seite 166 BGE 105 II 166 S. 166 A.- Oscar Z. und Ursula M. gingen am 28. April 1945 die Ehe ein, der zwei heute volljährige Töchter entsprossen. Am 15. Januar 1958 wurde die Ehe vom Bezirksgericht Winterthur auf Klage der Ehefrau gestützt auf Art. 142 ZGB geschieden. Über die güter- und scheidungsrechtliche Auseinandersetzung hatten die Parteien eine Vereinbarung geschlossen, die vom Gericht genehmigt wurde. Sie bestimmte unter anderem: "Der Beklagte verpflichtet sich, an die Klägerin eine lebenslängliche monatliche Rente im Sinne von Art. 151 ZGB im Betrage von BGE 105 II 166 S. 167 Fr. 470.-, welche sich bei seiner Pensionierung auf Fr. 300.- reduziert und jedenfalls die Hälfte des Ruhegehalts nicht übersteigen darf, zu entrichten. Mit seinem Tod erlischt diese Verpflichtung. Diese Rente ist während 5 Jahren unabänderlich und kann nachher nur im Fall einer wesentlichen Verminderung des Einkommens des Beklagten gerichtlich in angemessener Weise herabgesetzt werden. Im Zeitpunkt der Wiederverheiratung der Klägerin fällt diese Rente dahin." Oscar Z. arbeitete bei einer Versicherungsgesellschaft, bei der er bis zum Prokuristen aufstieg und deren Personalfürsorgereglement die gleitende Pensionierung vorsah, welche den Arbeitnehmern ermöglicht, ihre Pensionierung schon nach Vollendung des 60. Altersjahrs zu verlangen. Z. machte von dieser Möglichkeit Gebrauch und liess sich nach der Erreichung des 60. Altersjahrs vom 1. Januar 1974 an pensionieren. Von diesem Zeitpunkt an zahlte er seiner geschiedenen Ehefrau monatlich nur noch Fr. 300.-. Diese stellte sich jedoch auf den Standpunkt, bei Abschluss der Scheidungsvereinbarung seien beide Parteien davon ausgegangen, dass die Pensionierung des Ehemannes erst mit dessen 65. Altersjahr erfolge. Sie habe deshalb weiterhin die volle Rente zugut, welche im übrigen wertmässig der ursprünglich vereinbarten Rente nicht mehr entspreche und deshalb der Geldentwertung anzupassen sei. Eine Einigung kam zwischen den geschiedenen Gatten nicht zustande. B.- Am 22. Januar 1975 meldete die geschiedene Ehefrau die vorliegende Streitsache zur Vermittlung an. Sie beantragte, das Scheidungsurteil sei in dem Sinne abzuändern, dass der Beklagte ab sofort verpflichtet werde, ihr im Sinne von Art. 151 ZGB lebenslänglich monatlich Fr. 1'000.- zu zahlen, welcher Betrag bei einer Erhöhung des schweizerischen Landesindexes der Konsumentenpreise um 10% automatisch jeweils um 10% zu erhöhen sei. Das Bezirksgericht Hinterrhein hiess die Klage mit Urteil vom 17. Mai 1978 teilweise gut und verpflichtete den Beklagten, "a) Der Klägerin vom 22. Januar 1975 bis zum 1. August 1978 eine monatliche Rente von Fr. 932.50 im Sinne von Art. 151 ZGB zu bezahlen. Dieser Betrag gründet auf einem Indexstand von 160,4 Punkten und ist bei einer Veränderung des Indexstandes um 10 Punkte verhältnismässig anzupassen. b) Der Klägerin ab 1. August 1978 eine lebenslängliche Rente im Sinne von Art. 151 ZGB im Betrage von Fr. 630.90 zu bezahlen. BGE 105 II 166 S. 168 Dieser Betrag gründet auf einem Indexstand von 170 Punkten und ist bei einer Veränderung des Indexstandes um 10 Punkte verhältnismässig anzupassen." Das Kantonsgericht von Graubünden bestätigte dieses Urteil am 30. Januar 1979, abgesehen von einer hier nicht interessierenden Korrektur des Kostendispositivs. C.- Gegen diesen Entscheid erhob der Beklagte sowohl Berufung als auch staatsrechtliche Beschwerde. Die staatsrechtliche Beschwerde wurde mit Urteil vom heutigen Tag abgewiesen. Mit der Berufung beantragt der Beklagte die Abweisung der Abänderungsklage. Die Klägerin beantragt die Abweisung der Berufung. Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der Beklagte macht zunächst geltend, die Vorinstanz habe die Rechtsnatur der Scheidungsvereinbarung missachtet, das eingeleitete Verfahren in prozessual unzulässiger Weise durchgeführt und dadurch Bundesrecht verletzt. Zur Begründung führt er im wesentlichen aus, die von ihm geschuldete Rente beruhe nicht auf einem Urteil, sondern auf einer Konvention. Diese beziehe sich bezüglich der heutigen Streitsache auf den disponiblen Teil der scheidungsrechtlichen Auseinandersetzung und habe demnach das richterliche Urteil ersetzt. Gegenstand des Scheidungsurteils sei nicht die in der Vereinbarung getroffene Regelung der Ansprüche im Sinne von Art. 151 ZGB , sondern die richterliche Genehmigung der Konvention gewesen. Diese habe durch die richterliche Mitwirkung ihren rechtsgeschäftlichen, d.h. vertraglichen Charakter nicht verloren. Wenn sie angefochten werden wollte, hätte zuerst beim Wohnsitzrichter die Ungültigkeit der Konvention hinsichtlich des disponiblen Teils eingeklagt und daraufhin, nach Gutheissung dieser Klage, beim Scheidungsrichter in einem Nachverfahren die Neuregelung der Nebenfolgen in die Wege geleitet werden müssen. Mit dieser Betrachtungsweise verkennt der Beklagte indessen den rechtlichen Charakter einer gerichtlich genehmigten Vereinbarung über die Nebenfolgen der Scheidung. Durch die richterliche Genehmigung, die nach Art. 158 Ziff. 5 ZGB Voraussetzung der Rechtsgültigkeit ist, wird die vereinbarte Regelung zum vollwertigen Bestandteil des Urteils, und zwar BGE 105 II 166 S. 169 unabhängig davon, ob sie den disponiblen oder den nichtdisponiblen Teil der scheidungsrechtlichen Auseinandersetzung betreffe. Sie verliert somit ihren privatrechtlichen Charakter und nimmt als Bestandteil des Urteils an dessen Rechtskraft teil. Es besteht rechtlich kein Unterschied zwischen einer vom Richter getroffenen Entscheidung über streitige Nebenfolgen der Scheidung und einer von den Parteien hierüber abgeschlossenen Vereinbarung, die richterlich genehmigt worden ist ( BGE 95 II 387 E. 2, BGE 60 II 82 und 170; HINDERLING, Das schweizerische Ehescheidungsrecht, 3. Aufl., S. 187). Abgesehen davon geht es im vorliegenden Fall gerade nicht darum, die abgeschlossene Vereinbarung mit Wirkung ex tunc anzufechten oder ungültig zu erklären, sondern vielmehr um die Fragen, welche Leistungen der Beklagte gemäss der Scheidungskonvention bis zu seinem 65. Altersjahr zu erbringen habe und ob die Rente nachträglich (ex nunc) den veränderten Verhältnissen angepasst und indexiert werden dürfe. Eine Rente im Sinne von Art. 151 oder 152 ZGB kann nun aber, und zwar unabhängig davon, ob sie gerichtlich festgesetzt worden sei oder auf einer gerichtlich genehmigten Vereinbarung beruhe, nachträglich im Verfahren gemäss Art. 153 ZGB herabgesetzt werden ( BGE 104 II 239 und 243 E. 5, BGE 96 II 302 E. 3; HINDERLING, a.a.O.; vgl. auch BGE 95 II 387 betreffend Art. 157 ZGB ). Einer Ungültigkeitsklage bedarf es hiefür nicht. Soweit es sodann um die Auslegung der Konvention geht, ist zum vornherein nicht ersichtlich, weshalb vorerst auf Ungültigkeit geklagt werden müsste. 2. Beide Vorinstanzen nahmen im Rahmen ihrer Beweiswürdigung an, die Parteien seien beim Abschluss der Scheidungsvereinbarung davon ausgegangen, dass der Beklagte erst mit 65 Jahren pensioniert und die der Klägerin zugesprochene Rente deshalb erst in diesem Zeitpunkt herabgesetzt werde. Sie verpflichteten deshalb den Beklagten, der Klägerin vom Zeitpunkt der Klageeinleitung bis zum 1. August 1978 (Erreichen des 65. Altersjahrs) grundsätzlich die nicht herabgesetzte Rente zu zahlen. Von welchen Vorstellungen die Parteien beim Abschluss der Vereinbarung ausgegangen sind, ist eine Tatfrage. Feststellungen über solche Fragen können mit der Berufung nicht angefochten werden. Muss aber angenommen werden, die Parteien hätten ein Pensionierungsalter von 65 Jahren im Auge gehabt, so ist der Schluss der Vorinstanz, der Beklagte habe bis zum Erreichen BGE 105 II 166 S. 170 seines 65. Altersjahrs grundsätzlich die nicht herabgesetzte Rente zu zahlen, offensichtlich nicht zu beanstanden. Welche Regelung gegolten hätte, wenn der Beklagte wegen Krankheit oder Unfall vorzeitig hätte pensioniert werden müssen, kann dahingestellt bleiben, da dieser Fall nicht eingetreten ist. Dem Beklagten kann geglaubt werden, dass er mit seiner Pensionierung eine Einkommenseinbusse erlitt. Wenn er jedoch freiwillig früher in Pension ging, als bei Abschluss der Scheidungsvereinbarung in Aussicht genommen worden war, hat er die finanziellen Folgen selbst zu tragen und kann sie nicht auf die Klägerin überwälzen. Nach seinen eigenen Ausführungen in der Berufungsschrift bezog er nach der Pensionierung jährlich ca. Fr. 33'000.-. Durch die Vorinstanz wurde er verpflichtet, der Klägerin vom 22.1.1975 bis 1.8.1978 monatlich Fr. 932.50, also jährlich Fr. 11'190.- zu zahlen. Dieser Betrag erreicht die in der Scheidungsvereinbarung als oberste Grenze angesehene Hälfte des Ruhegehalts bei weitem nicht. Es kann deshalb nicht gesagt werden, die von der Vorinstanz getroffene Regelung sei angesichts der finanziellen Verhältnisse des Beklagten unbillig. 3. a) Die Vorinstanz indexierte die vom Beklagten zu zahlenden Renten vom Zeitpunkt der Klageeinleitung an. Der Beklagte vertritt demgegenüber die Meinung, die Vorinstanz habe BGE 100 II 245 ff. falsch ausgelegt und Bundesrecht verletzt, weil eine nachträgliche Indexierung eine Erhöhung der Rente darstelle und demzufolge Art. 153 ZGB widerspreche. b) Nach der früheren bundesgerichtlichen Rechtsprechung durfte eine der geschiedenen Ehefrau zugesprochene Rente auch im Rahmen der Neubeurteilung ihrer Kaufkraft nachträglich nicht erhöht werden ( BGE 51 II 15 ff.) und war es nicht zulässig, derartige Renten im Scheidungsurteil zu indexieren. In BGE 100 II 245 ff. änderte das Bundesgericht jedoch seine frühere Rechtsprechung. Es führte unter anderm aus, soweit eine Rente im Sinne von Art. 151 ZGB der geschiedenen Ehefrau Ersatz für den verlorenen Unterhaltsanspruch gegen den Mann gewähre, komme ihr Sachleistungscharakter zu. Die Sachleistung, d.h. der teilweise Ersatz für den entgangenen Unterhalt, werde jedoch durch eine starke Geldentwertung innerlich ausgehöhlt. Das könne durch eine Indexierung vermieden werden. Eine solche bewirke materiell lediglich, dass die Rente wertbeständig gestaltet und damit in ihrer Substanz erhalten BGE 105 II 166 S. 171 werde. So betrachtet liege in der Indexierung kein Verstoss gegen Art. 153 Abs. 2 ZGB (S. 252/253). An dieser ausführlich begründeten und auch die Lehrmeinung berücksichtigenden Rechtsprechung ist festzuhalten. Was das Bundesgericht im genannten Entscheid mit Bezug auf die ursprüngliche, im Scheidungsurteil selbst angeordnete Indexierung ausführte, muss sinngemäss auch für die nachträglich angeordnete Indexierung gelten. In beiden Fällen bewirkt die Indexierung nur nominal eine Veränderung der Rente, während sie materiell lediglich dazu dient, die Rente wertmässig, im Vergleich zur Kaufkraft, auf derselben Höhe zu halten. Die von der Vorinstanz angeordnete Indexierung stellt demnach weder einen Verstoss gegen Art. 153 Abs. 2 ZGB dar noch steht sie in Widerspruch zu den Erwägungen, die das Bundesgericht im genannten Urteil angestellt hatte. c) Nach der Rechtsprechung ist die Indexierung einer Rente gegen den Willen des Verpflichteten nur zulässig, wenn die bestimmte Aussicht besteht, dass auch das Einkommen des Pflichtigen laufend der Teuerung angeglichen wird ( BGE 100 II 253 ). Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ist diese Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt, was vom Beklagten nicht bestritten wird. Die von der Vorinstanz angeordnete Indexierung der Rente hält demnach vor dem Bundesrecht stand. Sie entspricht im übrigen auch einem Gebot der Billigkeit. Nach den Ausführungen des erstinstanzlichen Entscheids, auf den die Vorinstanz verwies, hat sich der Lebenskostenindex von der Ausfällung des Scheidungsurteils im Jahre 1958 (182,6 Punkte) bis zur Klageeinleitung (362,3 Punkte) praktisch verdoppelt und ist der Lohn- bzw. Pensionsanspruch des Beklagten jährlich mindestens im Ausmass der Teuerung erhöht worden. Das bedeutet mit anderen Worten, dass die Kaufkraft der der Klägerin 1958 zugesprochenen Rente in der Zwischenzeit wertmässig auf ungefähr die Hälfte sank, während das Einkommen des Klägers sich beinahe verdoppelte. Bei dieser Sachlage grenzt der Widerstand des Beklagten gegen die Indexierung an Rechtsmissbrauch. d) Gegen die Berechnung der indexierten Renten erhebt der Beklagte keine Einwendungen. Die Berufung ist deshalb abzuweisen.
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Sachverhalt ab Seite 424 BGE 130 V 424 S. 424 A. S., wohnhaft in T., ist bei der Sanitas Krankenversicherung obligatorisch krankenpflegeversichert. Am 23. November 2002 wurde er um 23.00 Uhr in einem ärztlich begleiteten Krankenwagen in das Ospidal Val Müstair eingeliefert; nach einer Untersuchung wurde er um 24.00 Uhr - wiederum in einer Ambulanz mit ärztlicher Begleitung - in das Spital Oberengadin überführt. Mit Datum vom 24. November 2002 stellte das Ospidal Val Müstair für den Krankenwageneinsatz zwei Rechnungen über Fr. 357.- und Fr. 1278.20, wobei die nach Zeittarif abgerechneten Kosten für die begleitende Ärztin insgesamt Fr. 700.- ausmachten. Nachdem S. diese Rechnungen bezahlt hatte, leitete er sie zur Rückerstattung an BGE 130 V 424 S. 425 die Sanitas weiter, welche den in Art. 26 KLV maximal vorgesehenen Betrag von Fr. 500.- an die Transportkosten vergütete. S. erklärte sich damit nicht einverstanden und verlangte, dass die Rechnungen für die zwei Krankentransporte einerseits nach den Kosten für die Transportleistungen (nach Art. 26 KLV ) und andererseits für die ärztlich-medizinischen Pflichtleistungen (nach Art. 25 Abs. 2 lit. a KVG ) aufzuteilen und dementsprechend abzurechnen seien. Mit Verfügung vom 19. Februar 2003 lehnte die Sanitas diese Vorgehensweise ab, da die "Kosten für die Begleitperson Arzt ... mit den Leistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung für Transportkosten abgegolten" seien, was durch Einspracheentscheid vom 10. März 2003 bestätigt worden ist. B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden mit Entscheid vom 27. Juni 2003 ab. C. S. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und des Einspracheentscheides seien ihm die Kosten für die "Begleitperson Arzt" im Umfang von Fr. 700.- zu vergüten. Die Sanitas schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung, Abteilung Kranken- und Unfallversicherung (seit dem 1. Januar 2004 im Bundesamt für Gesundheit), auf eine Vernehmlassung verzichtet. D. Abschliessend nimmt S. zur Vernehmlassung der Sanitas Stellung.
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Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. 1.1 Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Krankenversicherungsbereich geändert worden. In zeitlicher Hinsicht sind jedoch grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben ( BGE 127 V 467 Erw. 1), was hier mit der Durchführung der Krankentransporte in der Nacht vom 23. auf den 24. November 2002 geschehen ist. Daran ändert nichts, dass Verfügung und Einspracheentscheid (der an die Stelle der Verfügung tritt; BGE 119 V 350 Erw. 1b mit Hinweisen) erst im Jahr 2003 ergangen sind BGE 130 V 424 S. 426 . 1.2 Nach Art. 25 Abs. 1 KVG übernimmt die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen. Diese Leistungen umfassen Untersuchungen, Behandlungen und Pflegemassnahmen, die unter anderem von Ärzten ambulant, bei Hausbesuchen, stationär, teilstationär oder in einem Pflegeheim durchgeführt werden ( Art. 25 Abs. 2 lit. a KVG ); weiter umfassen diese Leistungen auch einen Beitrag an die medizinisch notwendigen Transportkosten sowie an die Rettungskosten ( Art. 25 Abs. 2 lit. g KVG ). In Art. 33 lit. g KVV hat der Bundesrat das Departement beauftragt, nach Anhören der zuständigen Kommission den in Artikel 25 Absatz 2 lit. g KVG vorgesehenen Beitrag an die Transport- und Rettungskosten zu bezeichnen, wobei die medizinisch notwendigen Transporte von einem Spital in ein anderes einen Teil der stationären Behandlung darstellen. In der Folge hat das Departement in Art. 26 Abs. 1 KLV vorgesehen, dass die Versicherung 50 Prozent der Kosten von medizinisch indizierten Krankentransporten zu einem zugelassenen, für die Behandlung geeigneten und im Wahlrecht des Versicherten stehenden Leistungserbringer übernimmt, wenn der Gesundheitszustand des Patienten oder der Patientin den Transport in einem anderen öffentlichen oder privaten Transportmittel nicht zulässt; maximal wird pro Kalenderjahr ein Betrag von 500 Franken übernommen. Art. 26 Abs. 2 KLV bestimmt überdies, dass der Transport in einem den medizinischen Anforderungen des Falles entsprechenden Transportmittel zu erfolgen hat. 1.3 Gemäss Art. 35 Abs. 1 KVG sind zur Tätigkeit zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung die Leistungserbringer zugelassen, welche die Voraussetzungen nach den Artikeln 36-40 KVG erfüllen. Solche Leistungserbringer sind nach Art. 35 Abs. 2 KVG Ärzte und Ärztinnen (lit. a), Spitäler (lit. h) sowie Transport-und Rettungsunternehmen (lit. m; in Kraft seit dem 1. Januar 2001). Letztere dürfen zu Lasten eines Versicherers tätig sein, wenn sie nach kantonalem Recht zugelassen sind und mit diesem Krankenversicherer einen Vertrag über die Durchführung von Transporten und Rettungen abschliessen ( Art. 56 KVV ). 1.4 Art. 43 Abs. 1 KVG schreibt vor, dass die Leistungserbringer ihre Rechnungen nach Tarifen oder Preisen erstellen. Nach Art. 43 Abs. 2 KVG ist der Tarif eine Grundlage für die Berechnung der BGE 130 V 424 S. 427 Vergütung und kann namentlich auf den benötigten Zeitaufwand abstellen (Zeittarif; lit. a). Die Tarife und Preise werden in Verträgen zwischen Versicherern und Leistungserbringern vereinbart (oder in den vom Gesetz bestimmten Fällen von der zuständigen Behörde festgesetzt; Art. 43 Abs. 4 KVG ); dies trifft für die "Vereinbarung betreffend Tarif für Primär- und Sekundärtransporte und -Einsätze zwischen dem Verband Heime und Spitäler Graubünden (H+S) und dem Kantonalverband Bündnerischer Krankenversicherer (KBK [heute santésuisse GR])" zu, die im Zeitpunkt des Krankentransportes (23./24. November 2002) gültig gewesen ist. 2. Streitig ist, ob die Sanitas die Kosten für die ärztliche Begleitung des Krankentransportes zusätzlich zum resp. unabhängig vom Beitrag an die Transportkosten zu übernehmen hat, oder ob dies im - von der Krankenkasse bereits vergüteten - Beitrag nach Art. 26 KLV enthalten ist. Nicht umstritten ist dagegen die medizinische Notwendigkeit des ärztlich begleiteten Transportes mit dem Krankenwagen von zu Hause ins Ospidal Val Müstair sowie die medizinisch indizierte Weiterverlegung ins Spital Oberengadin. 3. 3.1 Die Vorinstanz hat erwogen, dass die Krankenkasse zu Recht nur den maximalen Beitrag gemäss Art. 26 KLV vergütet habe; ein zusätzlicher Versicherungsschutz bestehe nicht. Eine Leistungspflicht nach Art. 25 Abs. 2 lit. a KVG müsse nicht geprüft werden, denn aus den Akten gehe nicht hervor, dass die den Krankentransport begleitende Ärztin eine spezielle Leistung im Sinne dieser Bestimmung erbracht hätte. Somit seien die vom Beschwerdeführer zusätzlich geforderten Fr. 700.- für die "Begleitperson Arzt" nicht zu erstatten. Der Versicherte ist demgegenüber der Auffassung, dass Vorinstanz und Krankenkasse der Kernfrage ausgewichen seien, ob die aufgrund einer im Einzelfall wegen medizinischer Indikation angeordnete Transportbegleitung durch einen Arzt eine Leistung nach Art. 25 Abs. 2 lit. a KVG (mit voller Kostenübernahmepflicht) oder eine Transportleistung nach lit. g (mit limitierter Kostenübernahme) darstelle. Das kantonale Gericht lasse in seiner Argumentation ausser Acht, dass Art. 43 Abs. 2 KVG nebst dem Einzelleistungs- und Pauschaltarif (lit. b und c) auch den Zeittarif (lit. a) vorsehe. Hier sei gemäss Vereinbarung zwischen H+S und santésuisse GR der Zeittarif angewandt worden, weshalb die in der verrechneten Zeit erbrachte Einzelleistung nicht genannt werden müsse. Die BGE 130 V 424 S. 428 Arztpräsenz auf dem Transport beinhalte die dauernde, im Sicherheitsanspruch des Patienten begründete Überwachung des Zustandes und von Fall zu Fall die Vornahme von notwendigen Pflegemassnahmen, Diagnosen und Therapien. Die Einschätzung der Möglichkeit/Wahrscheinlichkeit unterschiedlicher Geschehnisse sei für die Indikationsstellung der Transportbegleitung durch einen Arzt bestimmend; die Arztbegleitung weise jedenfalls auf einen kritischen Zustand des zu transportierenden Patienten hin. Nach Art. 25 KVG seien die - u.a. von Ärzten - zu erbringenden Massnahmen, die der Untersuchung, Diagnosestellung und Behandlung einer Krankheit dienen, sowie Pflegemassnahmen Leistungen der Grundversicherung, deren Kosten die obligatorische Krankenversicherung zu übernehmen habe. Diese Leistungen könnten auch ambulant - und damit auch in einem Transportfahrzeug - erbracht werden. Dass der Begleitarzt eines Krankentransportes Leistungen je nach Einzelfall in unterschiedlicher Beanspruchung und in wechselnder Kombination erbringe, begründe und rechtfertige die Anwendung des Zeittarifs. Pflichtleistungen der Grundversicherung erbringe der Arzt in jedem Fall; sogar die "einfache", nach anerkannten Methoden vorgenommene Beruhigung des Patienten wäre letztlich als eine Leistung von ärztlicher Psychotherapie zu qualifizieren und damit eine Pflichtleistung ( Art. 2 Abs. 1 KLV ). Aufgrund dieser Ausführungen sei es zwingend, die medizinisch indizierte Begleitung eines Krankentransportes durch einen Arzt grundsätzlich als eine Leistung nach Art. 25 Abs. 2 lit. a KVG anzuerkennen. Sie habe mit der eigentlichen Transportleistung gemäss Art. 25 Abs. 2 lit. g nichts zu tun, denn sie wäre, bei Ausfall der Transportmöglichkeit (z.B. fehlendes Fahrzeug oder geschlossener Pass) in genau gleicher Weise am Krankenbett zu erbringen, in welchem Fall die Kostenübernahme im Rahmen der Grundversicherung unbestritten wäre. Schliesslich habe bereits im KUVG die medizinisch indizierte Transportbegleitung durch einen Arzt eine Pflichtleistung dargestellt, während die Übernahme der Transportkosten an sich den Krankenkassen freigestellt gewesen sei; mit der Einführung des KVG seien die statutarischen freiwilligen Leistungen in der Grundversicherung abgeschafft und die Frage der Übernahme der Transportkosten sei einheitlich geregelt worden, ohne dass die bisher vollständig vergütete ärztliche Leistung abgeschafft werden sollte. 3.2 Das Gesetz ist in erster Linie nach seinem Wortlaut auszulegen. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene BGE 130 V 424 S. 429 Auslegungen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente, namentlich des Zwecks, des Sinnes und der dem Text zu Grunde liegenden Wertung. Wichtig ist ebenfalls der Sinn, der einer Norm im Kontext zukommt. Vom klaren, d.h. eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, u.a. dann nämlich, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Grund und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit andern Vorschriften ergeben ( BGE 130 II 71 Erw. 4.2, BGE 130 V 50 Erw. 3.2.1, BGE 129 II 356 Erw. 3.3, BGE 129 V 165 Erw. 3.5, BGE 129 V 284 Erw. 4.2, je mit Hinweisen). Der Wortlaut des Art. 25 Abs. 2 lit. g KVG stimmt - jedenfalls soweit die medizinisch notwendigen Transportkosten betreffend - in den drei Sprachversionen überein ("an die medizinisch notwendigen Transportkosten", "aux frais de transport médicalement nécessaires", "alle spese di trasporto necessarie dal profilo medico") und scheint auf den ersten Blick eindeutig zu sein. Es geht um die Kosten des Transports, d.h. der Beförderung eines Versicherten von seinem aktuellen Standort zu einem Leistungserbringer (vgl. auch Art. 26 KLV ). Anspruch auf Transportkostenbeiträge hat, wer zum Zweck der Durchführung diagnostischer oder therapeutischer Massnahmen im Zusammenhang mit einer Krankheit und ihrer Folgen zu einem Leistungserbringer gebracht werden muss, ohne sich in der Notlage einer Rettungssituation zu befinden (GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 148). Jedoch stellt sich die Frage, was genau unter diesen medizinisch notwendigen Transportkosten zu verstehen ist, und insbesondere ob sie nur die Kosten für den Transport im eigentlichen Sinne in einem (allenfalls) speziell dafür ausgerüsteten Fahrzeug umfassen oder ob dazu auch Kosten gehören, die aus der personellen Besetzung des Transportmittels resultieren. In Bezug auf den Fahrer ist dies wohl zu bejahen, kann hier jedoch letztlich offen gelassen werden (in der hier anwendbaren Vereinbarung betreffend Tarif für Primär- und Sekundärtransporte ist der Fahrer weder unter der Grundleistung noch unter den Begleitpersonen erwähnt). Jedenfalls aber ist der Text des Art. 25 Abs. 2 lit. g KVG hinsichtlich der Kosten des medizinischen Begleitpersonals des Krankentransports (Sanitäter, BGE 130 V 424 S. 430 Pflegepersonal, Ärzte) nicht eindeutig und ermöglicht denn auch verschiedene Auslegungen. 3.3 Das KVG hat Krankentransporte als Pflichtleistungen mit limitierter Kostendeckung ausgestaltet; Art. 25 Abs. 2 lit. g KVG bezweckt, die mit einem Krankentransport üblicherweise verbundenen Grundkosten zu übernehmen (Fahrzeug, Infrastruktur). Nicht darunter fallen die nach Art. 25 Abs. 2 lit. a KVG erbrachten Untersuchungen, Behandlungen und Pflegemassnahmen. Dies ergibt sich insbesondere aus der Systematik des Gesetzes, indem zwischen den Leistungen nach lit. a und lit. g unterschieden wird, hätte doch der Gesetzgeber andernfalls in Art. 25 Abs. 2 lit. g KVG ausdrücklich festgelegt, dass mit dem Transportkostenbeitrag auch die ärztlichen Leistungen, namentlich Behandlung und Pflegemassnahmen, abgegolten seien; diese Bestimmung würde dann etwa lauten: "... Transportkosten sowie an die Rettungskosten, eingeschlossen die damit verbundenen ärztlichen Leistungen". Dieser Gedanke wird dadurch bestätigt, dass der Transportkostenbeitrag auf jährlich maximal Fr. 500.- begrenzt ist ( Art. 26 Abs. 1 KLV ), womit die ärztlichen Leistungen während eines - wie hier möglicherweise langen Transportweges - kaum gedeckt werden können, was die Limitierung als nicht sinnvoll erscheinen lässt. Somit ist auch aus diesem quantitativen Blickwinkel nicht einsichtig, warum die während des medizinisch notwendigen Transports zum Leistungserbringer durch den begleitenden Arzt vorgenommenen Vorkehren diagnostischer, therapeutischer oder pflegerischer Art nicht unter die Regelung des Art. 25 Abs. 2 lit. a Ziff. 1 KVG fallen sollten. Dass die Transportkosten auch die Kosten der ärztlichen Betreuung während des Transportes umfassen sollten, lässt sich im Übrigen auch nicht aus den Gesetzesmaterialien ableiten: Der Entwurf des Bundesrates sah lediglich einen Beitrag an die Transportkosten bei Notfällen sowie an die Rettungskosten vor, während in den parlamentarischen Beratungen eine Ausweitung des Leistungstatbestandes auf einen Beitrag an die medizinisch notwendigen Transportkosten erfolgte (EUGSTER, a.a.O., S. 77 FN 323 mit Hinweisen auf die Materialien). Auch die in Art. 25 Abs. 2 lit. g KVG erwähnten Rettungskosten sind durch die obligatorische Krankenversicherung nicht voll gedeckt, sondern es wird nur (aber immerhin) ein Beitrag an die Kosten erstattet (nach Art. 27 KLV 50 Prozent der Kosten, höchstens Fr. 5000.- pro Kalenderjahr; zudem limitiert auf Rettungen in der Schweiz). BGE 130 V 424 S. 431 Rettung ist mehr als medizinischer Notfalltransport; der Begriff der Rettungskosten erschöpft sich daher nicht in den Kosten für Rettungstransporte, sondern umfasst alle Massnahmen, die zur Rettung der betroffenen Person notwendig sind (EUGSTER, a.a.O., Rz 150). Die Kosten für die ärztliche Betreuung während des Rettungstransports sind nach EUGSTER (a.a.O., S. 77 FN 324) jedoch Pflichtleistungen im Sinne von Art. 25 Abs. 2 lit. a KVG und nicht Teil der Rettungskosten gemäss Art. 25 Abs. 2 lit. g KVG . Obwohl sich dieser Autor nicht zur Frage äussert, ob die ärztliche Betreuung bei medizinisch notwendigen Transporten als Pflichtleistung unter Art. 25 Abs. 2 lit. a KVG zu subsumieren ist oder nicht, ist kein Grund ersichtlich, weshalb in dieser Hinsicht etwas anderes als bei den Rettungskosten gelten sollte; die überzeugende Meinung von EUGSTER kann deshalb sinngemäss auf den hier massgebenden Sachverhalt übertragen werden. 3.4 Schliesslich ist die Bestimmung des Art. 25 Abs. 2 lit. g KVG auch im Hinblick auf die frühere Rechtslage nach KUVG auszulegen. Damals waren die Kosten des Transportes (insbesondere in einer Ambulanz) nicht Bestandteil der gesetzlichen Leistungen zu Lasten der Grundversicherung, wobei anders lautende statutarische Regelungen vorbehalten blieben ( BGE 118 V 173 Erw. 2a mit Hinweisen); die Begleitung durch einen Krankenpfleger war nach KUVG Teil der Transportkosten und hatte deshalb keine Leistungspflicht der Krankenkasse zur Folge ( BGE 118 V 175 Erw. 3; RKUV 1994 Nr. K 938 S. 160 Erw. 2). Von den eigentlichen Transportkosten sowie den Kosten für die Betreuung durch Pflegekräfte während des Transportes waren jedoch die Kosten zu unterscheiden, die durch die während des Transports mit einer Ambulanz erfolgende ärztliche Behandlung entstanden; diese waren altrechtlich von den Krankenkassen als Pflichtleistung im Sinne einer ärztlichen ambulanten Behandlung gemäss Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 lit. a KUVG zu übernehmen (RKUV 1994 Nr. K 938 S. 160 Erw. 2b ein Kardiomobil betreffend). Wäre es der Wille des Gesetzgebers gewesen, die Transportleistungen zwar neu als Pflichtleistungen auszugestalten, aber betreffend der Kosten der ärztlichen Begleitung eine Verschlechterung gegenüber der Rechtslage nach KUVG einzuführen, müsste dies aus den Materialien ersichtlich sein, was jedoch nicht der Fall ist. Dies gilt um so mehr, als das KVG die Transportkosten zwar als Pflichtleistungen anerkennt, diese jedoch nur mit einem auf Fr. 500.- beschränkten Beitrag ausgestaltet hat. BGE 130 V 424 S. 432 Damit ist auch unter Berücksichtigung der Rechtslage nach KUVG davon auszugehen, dass die Transportkosten nach Art. 25 Abs. 2 lit. g KVG in Verbindung mit Art. 26 Abs. 1 KLV die ärztlichen Leistungen nicht umfassen, welche bei einer medizinisch notwendigen ärztlichen Begleitung anfallen. 3.5 Aus dem Gesagten folgt, dass die Kosten notwendiger ärztlicher Leistungen bei Krankentransporten im Kostenbeitrag des Art. 25 Abs. 2 lit. g KVG nicht enthalten sind. Diese sind vielmehr von den Transportkosten zu unterscheiden und gemäss Art. 25 Abs. 2 lit. a KVG vom Krankenversicherer separat zu übernehmen. 3.6 In grundsätzlicher Hinsicht ist hier jedoch weiter zu beachten, dass nach Art. 33 lit. g KVV medizinisch notwendige Transporte von einem Spital in ein anderes einen Teil der stationären Behandlung darstellen. Warum der Verlegungstransport erfolgt, ist belanglos, solange er aus Behandlungsgründen vorgenommen wird und notwendig ist (EUGSTER, a.a.O., S. 78 FN 325). Die Transportleistungen sind diesfalls durch die Tagespauschale gemäss Art. 49 Abs. 1 KVG gedeckt, sofern sie nicht gemäss Art. 49 Abs. 2 KVG ausgesondert worden sind (EUGSTER, a.a.O., Rz 152). Wird ein Patient notfallmässig in ein Spital eingewiesen und von dort sofort in ein anderes Spital weiterverlegt, hat er den Status eines stationären Patienten, wenn die Einweisung zum Zwecke einer Hospitalisation von mehr als 24 Stunden erfolgt war (EUGSTER, a.a.O., S. 78 FN 326). Sind nach dieser speziellen Regelung schon die Verlegungstransporte Bestandteil der stationären Behandlung, gilt erst Recht, dass damit einhergehende ärztliche Leistungen im Regelfall ebenfalls einen Teil der stationären Behandlung darstellen und deshalb durch die Tagespauschale gedeckt sind. 4. Da die Notwendigkeit einer ärztlichen Begleitung des Transportes des Beschwerdeführers von zu Hause ins Ospidal Val Müstair nicht bestritten ist (vgl. Erw. 2 hievor), hat die Krankenkasse hiefür die Pflichtleistungen im Sinne von Art. 25 Abs. 2 lit. a KVG gemäss der Vereinbarung betreffend Tarif für Primär- und Sekundärtransporte und -Einsätze zwischen dem Verband Heime und Spitäler Graubünden und dem Kantonalverband Bündnerischer Krankenversicherer KBK zu übernehmen. Die Weiterverlegung mit ärztlicher Begleitung ins Spital Oberengadin fällt dagegen unter die stationäre Behandlung und ist deshalb von vorneherein eine Pflichtleistung (vgl. Erw. 3.6 hievor). Die Sache wird deshalb an die Sanitas BGE 130 V 424 S. 433 zurückgewiesen, damit sie ihre Leistungen neu festsetze und anschliessend verfüge. 5. (Kosten und Parteientschädigung)
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Sachverhalt ab Seite 71 BGE 132 IV 70 S. 71 Im Jahre 1983 begingen X. und Y. (der damals noch Z. hiess) einen bewaffneten Raubüberfall auf ein Juweliergeschäft. Nach seiner Entlassung aus dem Vollzug mehrerer Strafen rief X. seinen ehemaligen Komplizen an und forderte ihn auf, den ihm zustehenden Beuteanteil am nächsten Mittwoch, 21. August 2002, ins Restaurant Anker zu bringen, sonst werde er ihn aufsuchen. Am Mittwoch teilte Y. X. telefonisch mit, dass er nicht kommen werde und das Geld nicht habe. Daraufhin erwiderte X., das sei schlecht, ganz schlecht, und wiederholte seine Ankündigung, er werde ihn zu Hause aufsuchen. Am 21. September 2002 kam es zwischen X. und A. zum Streit, der in einer körperlichen Auseinandersetzung endete. Dabei verletzte X. seinen Kontrahenten mit einem aufgeklappten Messer am Daumen. Mit zweitinstanzlichem Urteil vom 29. Oktober 2004 sprach das Obergericht des Kantons Zürich X. der einfachen Körperverletzung ( Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB in Verbindung mit dessen Ziff. 2 Abs. 1) sowie der versuchten Erpressung ( Art. 156 Ziff. 1 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB ) schuldig. Das Gericht verurteilte ihn zu einer Gefängnisstrafe von 18 Monaten und nahm davon Vormerk, dass die Strafe durch Haft bereits vollständig erstanden ist. Es ordnete seine Verwahrung gestützt auf Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB an. X. und sein Verteidiger erhoben dagegen, je mit eigener Begründung, kantonale Nichtigkeitsbeschwerde, welche das Kassationsgericht des Kantons Zürich mit Sitzungsbeschluss vom 3. Oktober 2005 abwies, soweit es auf sie eintrat. Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragen sowohl X. (mit Eingabe vom 29. Oktober 2005) als auch sein Vertreter (mit Eingabe vom 4. November 2005), den Beschluss des Kassationsgerichts des Kantons Zürich aufzuheben. Der Parteivertreter führt überdies eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 29. Oktober 2004 aufzuheben.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: II. Nichtigkeitsbeschwerde 6. 6.1 Mit Nichtigkeitsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 9 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes vom 6. BGE 132 IV 70 S. 72 Ok tober 2000 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF; SR 780.1, in Kraft seit dem 1. Januar 2002) in Verbindung mit Art. 3 BÜPF . Er macht geltend, der Schuldspruch wegen vollendeten Erpressungsversuchs sowie die psychiatrische Begutachtung stützten sich auf die Abhörprotokolle der Telefonüberwachung, die im Rahmen des eingestellten Strafverfahrens wegen Verdachts auf strafbare Vorbereitungshandlungen angeordnet worden seien. Als Zufallsfunde seien die Telefonprotokolle unverwertbar, weil ihm im Zeitpunkt der Überwachungsanordnung der Vorwurf der versuchten Erpressung noch nicht zur Last gelegt worden sei. Die Vorinstanz erwägt, Zufallsfunde aus bewilligter Telefonüberwachung, die andere strafbare Handlungen als die in der Bewilligung aufgeführten betreffen, dürften ohne Einholung einer erneuten Zustimmung der Genehmigungsbehörden verwendet werden, wenn die Voraussetzungen nach Art. 3 BÜPF für jene Straftaten erfüllt seien. Der Tatbestand der Erpressung falle unter den Katalog der bewilligungsfähigen Straftaten, weshalb die Telefonprotokolle rechtmässig bei den Akten lägen und verwertbar seien. 6.2 6.2.1 Gemäss Art. 3 Abs. 1 BÜPF müssen für die Anordnung einer Überwachung folgende Voraussetzungen erfüllt sein: "Bestimmte Tatsachen begründen den dringenden Verdacht, die zu überwachende Person habe eine in Absatz 2 oder 3 genannte strafbare Handlung begangen oder sei daran beteiligt gewesen (lit. a); die Schwere der strafbaren Handlung rechtfertigt die Überwachung (lit. b); andere Untersuchungshandlungen sind erfolglos geblieben, oder die Ermittlungen wären ohne die Überwachung aussichtslos oder unverhältnismässig erschwert (lit. c)". In Abs. 2 und 3 wird ein Deliktskatalog aufgestellt, der die Straftaten abschliessend aufzählt, zu deren Verfolgung die Anordnung der Überwachung zulässig ist. Vorliegend wurde die Telefonüberwachung angeordnet wegen Verdachts auf strafbare Vorbereitungshandlungen ( Art. 260 bis StGB ), die zu den überwachungsfähigen Straftaten im Sinne von Art. 3 Abs. 2 lit. a BÜPF zählen, und als rechtmässig genehmigt. Der Tatverdacht hat sich in der Folge nicht erhärtet, und die Strafuntersuchung wurde diesbezüglich eingestellt. Anlässlich der Überwachung ergaben sich zufällig erfasste Hinweise auf den später eingeklagten Vorwurf des Erpressungsversuchs. Auch der Tatbestand der Erpressung ( Art. 156 StGB ) gehört zu den Delikten, zu deren Verfolgung eine Überwachung zulässig ist ( Art. 3 Abs. 2 lit. a BÜPF ). BGE 132 IV 70 S. 73 6.2.2 Die Verwertbarkeit von Zufallsfunden regelt Art. 9 BÜPF . Dessen Abs. 1 bestimmt: "Werden durch die Überwachung andere strafbare Handlungen als die in der Überwachungsanordnung aufgeführten bekannt, so können die Erkenntnisse gegen die verdächtigte Person verwendet werden, wenn diese Straftaten zusätzlich zur vermuteten Straftat begangen werden (lit. a) oder die Voraussetzungen für eine Überwachung nach diesem Gesetz erfüllen (lit. b)". Nach Art. 9 Abs. 1 lit. a BÜPF können zufällig erfasste Hinweise ohne weiteres verwendet werden, wenn die ursprünglich vermutete Haupttat nachgewiesen ist. Erweist sich hingegen nachträglich, dass die Straftat nicht bewiesen werden kann, so ist für die Verwertbarkeit von Zufallsfunden gemäss Art. 9 Abs. 1 lit. b BÜPF erforderlich, dass die neu entdeckten Straftaten ihrerseits die materiellen Voraussetzungen für eine Überwachung erfüllen (vgl. nur NIKLAUS SCHMID, Verwertung von Zufallsfunden sowie Verwertungsverbote nach dem neuen Bundesgesetz über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, ZStrR 120/2002 S. 290 ff.). In Art. 9 Abs. 2 BÜPF wird sodann geregelt, wie zu verfahren ist, wenn die erfassten Zufallsfunde Dritte betreffen. Sind die Voraussetzungen nach Art. 9 Abs. 1 und 2 BÜPF nicht gegeben, so dürfen die Informationen nicht verwendet und es müssen die betreffenden Dokumente und Datenträger umgehend vernichtet werden ( Art. 9 Abs. 3 BÜPF ). Da die Strafuntersuchung hinsichtlich des Verdachts auf strafbare Vorbereitungshandlungen eingestellt wurde, beurteilt sich die Verwertbarkeit der fraglichen Telefonprotokolle nach Art. 9 Abs. 1 lit. b BÜPF . Der darin enthaltene Verweis auf "die Voraussetzungen für eine Überwachung nach diesem Gesetz" weist auf Art. 3 BÜPF ("Voraussetzungen") zurück. 6.3 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Zufallsfunde seien unverwertbar, weil im Zeitpunkt der Überwachungsanordnung noch kein Verdacht wegen versuchter Erpressung bestanden habe. Zu prüfen ist somit nur, ob der vom Zufallsfund Betroffene bezüglich der Straftat, auf welche die zufällig gefundenen Beweise zutreffen, bereits vorher Beschuldigter gewesen sein muss. Es stellt sich mit anderen Worten die Frage, ob es eines vorbestehenden Tatverdachtes bedarf, damit der Zufallsfund verwertbar ist. Der Beschwerdeführer stützt seine Ansicht auf die in der Rechtskommission des Ständerates vertretene Auffassung, wonach für die Verwertbarkeit von Zufallsfunden sämtliche Voraussetzungen von BGE 132 IV 70 S. 74 Art. 3 BÜPF erfüllt sein müssten, bzw. auf eine entsprechende Literaturstelle (NIKLAUS RUCKSTUHL, Technische Überwachungen aus anwaltlicher Sicht, AJP 2005 S. 155). Ferner beruft er sich auf eine Lehrmeinung, welche de lege ferenda ein alternatives Verwertungsmodell postuliert (JUDITH NATTERER, Die Verwertbarkeit von Zufallsfunden aus der Telefonüberwachung im Strafverfahren, Diss. Basel 2001, S. 155 ff. und 158). Die überwiegende Lehre lehnt das Erfordernis eines vorbestehenden Tatverdachts ab (PETER GOLDSCHMID, Der Einsatz technischer Überwachungsgeräte im Strafprozess, Diss. Bern 2001, S. 211 ff.; THOMAS HANSJAKOB, BÜPF/VÜPF: Kommentar zum Bundesgesetz und zur Verordnung über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, St. Gallen 2002, S. 207; DAVID HÜPPI, Zufallsfunde aus genehmigten Telefonüberwachungen, SJZ 86/1990 S. 394 ff.; MARC JEAN-RICHARD-DIT-BRESSEL, Ist ein Millionendiebstahl ein Bagatelldelikt?, ZStrR 119/2001 S. 53 f.; NATTERER, a.a.O., S. 116 [de lege lata]; NIKLAUS OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, 2. Aufl., Bern 2005, Rz. 1318; ders ., Das neue Bundesgesetz über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs [BÜPF], Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtsprechung in Graubünden [ZGRG] 2002 S. 13 f.; SCHMID, a.a.O., S. 292 ff.). 6.4 Der generelle Verweis in Art. 9 Abs. 1 lit. b BÜPF lässt offen, welche der in Art. 3 BÜPF genannten Voraussetzungen im Einzelnen erfüllt sein müssen. Der Wortlaut scheint zunächst zu verlangen, dass auch bei Zufallsfunden das Erfordernis des dringenden Tatverdachts nach Art. 3 Abs. 1 lit. a BÜPF gilt. Der Entwurf des Bundesrates (Art. 7 Abs. 4) sah demgegenüber noch eine gezielte Verweisung vor und bezeichnete ausdrücklich nur die Anforderungen an die Straftat als massgeblich (Botschaft des Bundesrates vom 1. Juli 1998, BBl 1998 S. 4310). In der Botschaft heisst es dazu, die beiden anderen genannten Voraussetzungen - dringender Tatverdacht und Subsidiarität - würden durch den Zufallsfund obsolet, da dieser den dringenden Tatverdacht begründe und weitere Untersuchungshandlungen auslöse (BBl 1998 S. 4273). Der bundesrätliche Entwurf wurde durch die Rechtskommission des Nationalrates überarbeitet, die hierfür eine Subkommission einsetzte (AB 1999 N 2602). Der Wortlaut des geltenden Art. 9 BÜPF geht auf deren Entwurf bzw. eine redaktionelle Änderung des Ständerates zurück (AB 2000 S 403). Die Frage, welche Tragweite dem Verweis in Art. 9 Abs. 1 lit. b BÜPF zukommen soll, wurde in der BGE 132 IV 70 S. 75 parlamentarischen Beratung nicht erörtert. Einzig die vorbereitende Rechtskommission des Ständerates brachte sie zur Sprache, wo sinngemäss argumentiert wurde, alle Voraussetzungen von Art. 3 BÜPF müssten erfüllt sein, da andernfalls bei Zufallsfunden die Erkenntnisse leichter ins Verfahren Eingang finden könnten als im Falle der ursprünglichen Anordnung. Zu der hier zu beurteilenden Streitfrage, ob der dringende Tatverdacht im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. a BÜPF bereits im Zeitpunkt der Überwachungsanordnung bestanden haben muss, oder ob es genügt, dass der Zufallsfund einen dringenden Tatverdacht erst begründet, lässt sich den Gesetzesmaterialien nichts entnehmen. Der Annahme eines vorbestehenden Tatverdachts auch für Zufallsfunde stehen Sinn und Zweck von Art. 9 BÜPF entgegen. Diese Norm regelt die Verwendbarkeit von Zufallsfunden, die gestützt auf eine rechtmässig angeordnete und genehmigte Telefonüberwachung erfasst werden (im Gegensatz zu den Erkenntnissen bei fehlender Genehmigung gemäss Art. 7 Abs. 4 BÜPF ). Schon ihrem Begriff nach sind Zufallsfunde aber Tatsachen, die einen Tatverdacht begründen . Sie entspringen dem (rechtmässigen) Einsatz strafprozessualer Zwangsmassnahmen und zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie aus verdachtsgesteuerten Untersuchungshandlungen stammen, aber mit diesem Verdacht nichts zu tun haben (HANSJAKOB, a.a.O., S. 202 f.; NATTERER, a.a.O., S. 2 f., 9 und 15 ff.; vgl. auch BGE 122 I 182 E. 5b/aa S. 196). Es kann deshalb nicht darauf ankommen, ob bereits im Zeitpunkt der Anordnung der Überwachung ein einschlägiger Tatverdacht in Bezug auf spätere Zufallsfunde bestanden hat. Abgesehen davon ist der Zeitpunkt, in dem der Verdacht aufkommt, für den Schutz der Privatsphäre des Überwachten ohne Bedeutung, denn mit der Telefonabhörung ist der Einbruch in den persönlichen Geheimbereich bereits in vollem Gang. Ein Verzicht, den Zufallsfund als Beweismittel zu verwerten, kann daran nichts mehr ändern (HÜPPI, a.a.O., S. 397). Einen vorbestehenden Tatverdacht auch für Zufallsfunde zu verlangen, hätte zur Folge, dass solche praktisch überhaupt nie verwendet werden könnten (vgl. BGE 122 I 182 E. 5b/aa S. 196 mit weiteren Hinweisen). Dies jedoch liesse sich mit der neu geschaffenen Gesetzesregelung, die sicherstellt, dass auch nicht verdachtsgestützte, aber rechtmässig erhobene Erkenntnisse verwertbar sein können, nicht vereinbaren. 6.5 Zusammenfassend ergibt sich, dass die Verwertung von Zufallsfunden gemäss Art. 9 Abs. 1 lit. b BÜPF nicht voraussetzt, dass BGE 132 IV 70 S. 76 bezüglich der neu entdeckten Straftaten bereits im Zeitpunkt der Überwachungsanordnung ein Tatverdacht bestanden hat. Dass sich aufgrund der zufällig erfassten Hinweise ein dringender Tatverdacht auf versuchte Erpressung ergeben hat, wird vom Beschwerdeführer nicht in Frage gestellt. Anzumerken bleibt, dass die Vorinstanz im Schuldpunkt wegen versuchter Erpressung zur Hauptsache auf die Aussagen verschiedener Personen abstellt und nicht auf die Abhörprotokolle. Da diese nach dem Gesagten rechtmässig bei den Akten liegen, kann dahin gestellt bleiben, ob dem in Art. 9 Abs. 3 BÜPF statuierten Verwertungsverbot Fernwirkung zukommt und sich auf mittelbar erlangte Beweise erstreckt. Die Beschwerde erweist sich insoweit als unbegründet.
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Sachverhalt ab Seite 277 BGE 99 II 277 S. 277 A.- Magda Ansbacher, fille de Théodore Ansbacher, décédé en 1944, s'est mariée à deux reprises. De sa première union, avec un Français, Félix Poulin, elle a eu une fille, M.B. De son second mariage, conclu en 1932 avec un ressortissant grec, J.Ch., elle a eu une autre fille, Anne Houze. Lors de ce second mariage, Magda Ch. a conservé la nationalité française. En 1951, en vue de mettre fin à divers procès nés de la succession de son père, elle a consenti à la cession de tous ses droits successoraux mobiliers, moyennant le versement d'une somme de 110 millions de francs français anciens. BGE 99 II 277 S. 278 Magda Ch. est décédée le 30 septembre 1954 à Antibes, en laissant, selon testament du 25 février 1954, la quotité disponible de sa succession à son mari et en renvoyant ses filles à leur réserve. B.- A la suite du décès de sa mère, M.B. a accusé J.Ch. d'avoir abusé de la procuration générale que sa femme lui avait donnée et en vertu de laquelle il administrait la fortune de celle-ci depuis 1946; elle a prétendu qu'il aurait encaissé, à l'insu de son épouse, une somme de 90 000 livres sterling en plus du prix de cession de 110 millions de francs. Sur la base de ces allégations, elle a obtenu, en 1955, du Président du Tribunal de 1re instance de Genève, un séquestre portant sur des fonds de son beau-père auprès de l'Union des banques suisses et de la Lloyds Bank à Genève et en 1959 un deuxième séquestre touchant des biens qui n'avaient pas été atteints en 1955. Ces deux séquestres ont été validés par des poursuites et, le débiteur ayant formé opposition, par des actions en reconnaissance de dettes introduites au for du séquestre. Après avoir obtenu, en 1964, une troisième ordonnance de séquestre, M.B. a pris des conclusions contre J.Ch. tendant au paiement de 571 875 fr. suisses. Outre cette procédure, elle a saisi, mais sans succès, les juridictions pénales genevoise et française. Elle a également ouvert, devant les tribunaux français, une action en partage de la succession et en annulation du testament de sa mère. C.- Par arrêt du 19 novembre 1970, le Tribunal de première instance de Genève a condamné J.Ch. à payer à M.B. la somme de 571 875 fr. avec intérêts. Le Tribunal a relevé que le procès se déroulait en Suisse à cause des séquestres mais que la loi applicable était le droit français parce que la succession de dame Ch. y était soumise. Il a jugé qu'eu égard à la notion de saisine du droit français, M.B. pouvait agir seule contre son beau-père, sans le concours de l'autre héritière. Enfin il a considéré que l'action était de nature contractuelle et non successorale et que la preuve du détournement commis par J.Ch. avait été rapportée. Le 29 juin 1973, la Cour de justice de Genève a annulé le jugement de première instance et a déclaré les tribunaux genevois incompétents pour connaître de la demande. L'autorité cantonale a admis que l'action intentée par M.B. était de nature successorale et partant qu'elle tombait sous le coup de l'art. 5 de la Convention franco-suisse du 15 juin 1869; que dès lors la BGE 99 II 277 S. 279 demanderesse devait être renvoyée à agir devant le juge français, seul compétent. D.- M.B. recourt contre ce prononcé. Elle conclut à sa nullité et à ce que la Cour de justice de Genève soit déclarée compétente pour connaître le fond du litige. Subsidiairement, elle conclut à ce que J.Ch. soit condamné à lui payer la somme de 571 875 fr. avec intérêts. J.Ch. a conclu au rejet du recours.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. Le prononcé attaqué est une décision préjudicielle prise séparément du fond par la juridiction suprême du canton de Genève. Il porte sur la compétence des tribunaux genevois pour connaître de l'action introduite par la recourante. Invoquant l'art. 68 OJ, celle-ci a formé un recours en nullité. La voie du recours en nullité est subsidiaire à celle du recours en réforme (RO 82 II 561 consid. 2; BIRCHMEIER, Organisation der Bundesrechtspflege, p. 252). Or la violation d'une disposition sur le for - que celle-ci soit contenue dans la législation fédérale ou dans une convention internationale - peut faire l'objet d'un recours en réforme selon l'art. 43 OJ (RO 98 II 90 consid. 1; 84 II 489 consid. 1; WURZBURGER, Les conditions objectives du recours en réforme au Tribunal fédéral, p. 217, note 31). En l'espèce, le recours en nullité doit donc être traité comme recours en réforme, dont il remplit les conditions (art. 46 et 49 OJ). 2. L'intimé ne peut, en tant que Grec, invoquer la garantie du for du domicile du défendeur, prévue par l'art. 1er de la Convention franco-suisse sur la compétence judiciaire et l'exécution des jugements en matière civile, du 15 juin 1869 (ci-après: la Convention); cf. RO 80 III 156 consid. 4a et les arrêts cités. De même, la circonstance que l'intimé n'a pas la nationalité française exclut l'application de l'art. 1er de l'ordonnance du Tribunal fédéral du 29 juin 1936 concernant l'acte additionnel du 4 octobre 1935 à la Convention de 1869, selon lequel l'action en validation d'un séquestre ordonné contre un Français domicilié en France doit être portée devant le juge naturel du défendeur en France. En revanche, l'art. 5 de la Convention paraît applicable. En vertu de cette disposition, telle qu'elle est interprétée par la BGE 99 II 277 S. 280 jurisprudence, la succession d'un Français ou d'un Suisse s'ouvre au for du pays d'origine, quel que soit celui des deux Etats où le défunt a eu son dernier domicile; c'est à ce même for que doivent être jugées les actions relatives à la liquidation et au partage d'une succession testamentaire ou ab intestat et aux comptes à faire entre les héritiers ou légataires (RO 24 I 307 ; 29 I 335 consid. 2 ; 62 I 241 consid. 1). Dès lors, la succession de Magda Ch., qui était ressortissante française, décédée en France où elle était domiciliée, s'est ouverte en France et le juge français est seul compétent pour statuer sur l'action introduite par la recourante, pour autant qu'elle soit de nature successorale. Ce dernier principe est d'ailleurs conforme au droit international privé suisse (art. 22, 23 et 32 LRDC). 3. Une action est de nature successorale, au sens de l'art. 5 de la Convention, lorsque son essence est de nature successorale, sans qu'il soit d'ailleurs nécessaire que toutes les parties au procès soient des héritiers ou des personnes qui prétendent à la succession (RO 98 II 94 ; 62 I 244 ; 58 I 111 consid. 4). Le fond d'une action relève du droit successoral lorsque les parties invoquent un titre héréditaire pour réclamer une part dans une succession et faire constater l'existence et l'étendue de leurs droits. Déterminants sont les motifs sur lesquels est fondée la demande et sur lesquels s'appuie le défendeur pour résister à la demande, à savoir les titres juridiques invoqués (ROGUIN, Conflits des lois suisses, p. 289 no 176 et p. 405 no 269; AUJAY, Etudes sur le traité franco-suisse... p. 262 no 204; CHÂTENAY, p. 49; CURTI, Der Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Frankreich, p. 18-19). En l'espèce, la recourante reproche tout d'abord à l'intimé d'avoir abusé de son pouvoir de disposer des biens de sa femme et d'avoir ainsi détourné de l'actif successoral un montant de 90 000 livres sterling pour son profit personnel et celui de dame Houze. Elle prétend ainsi qu'en vertu des règles du mandat, l'intimé est tenu de restituer cette somme à sa mandante, respectivement aux héritiers de cette dernière. De ce point de vue, la recourante ne procède pas contre l'intimé en sa qualité d'héritier ou de légataire, mais uniquement en tant que gérant des biens de sa femme. L'objet de l'action, qui aurait pu être introduite de son vivant par dame Ch. elle-même, a sans conteste un caractère contractuel. Sous cet angle, l'art. 5 de la Convention est inapplicable (cf. CHÂTENAY, Les successions en droit franco-suisse, BGE 99 II 277 S. 281 p. 48; BOISSONNAS, Les successions et les Conventions francosuisses, p. 149-150). Le caractère contractuel de l'action ressort aussi du fait que la recourante vise à faire valider des séquestres exécutés en son nom, dans son seul intérêt, et à obtenir que l'intimé soit condamné à lui payer à elle-même et non à la succession les montants réclamés. Le fait que la recourante invoque sa qualité d'héritière et que l'on doive se demander si elle peut agir seule, sans le consentement de sa demi-soeur, ne modifie pas la nature de l'action, parce que ces questions portent uniquement sur la qualité pour agir. En revanche, lorsque la recourante invoque, à l'appui de ses prétentions, l'art. 792 du code civil français (CCF), selon lequel l'héritier ou le légataire qui a recelé, au préjudice de ses cohéritiers, des biens appartenant à la succession, est déchu de ses droits sur ces biens, le débat n'a plus lieu sur le terrain contractuel. Il porte directement sur l'existence et l'étendue des droits à la succession, soit, selon l'art. 5 de la Convention, sur "les comptes à faire entre les héritiers ou légataires". Dans cette mesure, l'action doit être qualifiée de successorale. Il en va de même lorsque l'intimé s'oppose à l'action pour le motif que la recourante serait tenue de rapporter à la succession certains biens reçus à titre d'avance d'hoirie. Or il faut admettre que la solution du litige dépend essentiellement du problème de nature successorale, soit de déterminer si l'intimé, bien que légataire universel, doit être considéré comme déchu de tout droit successoral sur le montant recelé, en vertu de la sanction prévue à l'art. 792 CCF, ou si, au contraire, les conclusions de la recourante sont mal fondées dans la mesure où elle est tenue de rapporter certains biens qu'elle aurait reçus à titre d'avance d'hoirie. La question qui relève du droit des obligations, le rapport de mandat, n'est examinée dans ce contexte qu'à titre incident. Le caractère successoral de l'action apparaît prééminent et s'impose. C'est ainsi à bon droit que la recourante a été renvoyée à agir devant le juge français, seul compétent en vertu de l'art. 5 de la Convention. 4. Il n'y a pas lieu de déclarer les juridictions genevoises compétentes pour connaître uniquement de la demande tendant à faire constater que l'intimé est débiteur de la succession du montant qu'il aurait encaissé à l'insu de sa mandante, parce que l'action tendant à la validation des séquestres ne vise qu'à un BGE 99 II 277 S. 282 paiement en faveur de la recourante et non de la succession. Au surplus, les conclusions de la recourante ne tendent pas à la constatation d'un droit au profit de la succession. Dans ces conditions, le recours doit être rejeté et il appartiendra au juge français, saisi de l'action successorale, d'examiner à titre préjudiciel le litige relevant du rapport de mandat.
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Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Rejette le recours.
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Sachverhalt ab Seite 257 BGE 141 II 256 S. 257 A. Am 12. November 2013 überschritt der im Kanton Zug wohnhafte niederländische Staatsangehörige A. mit seinem Personenwagen auf der Autobahn in Deutschland die signalisierte Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h ein erstes Mal um 63 km/h und ein zweites Mal um 64 km/h (jeweils nach Abzug der Sicherheitsmarge). Ausserdem hielt er den erforderlichen Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug bei weitem nicht ein. B. Am 17. Januar 2014 auferlegte das Regierungspräsidium Karlsruhe A. eine Busse von 1'450 Euro. Überdies ordnete es ein Fahrverbot von 2 Monaten an. Der Entscheid erwuchs in Rechtskraft. C. Mit Verfügung vom 27. März 2014 entzog das Strassenverkehrsamt des Kantons Zug A. den Führerausweis für 2 Monate. Die von A. hiergegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug am 30. September 2014 ab. D. A. führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben. Die Verfügung des Strassenverkehrsamts sei in dem Sinne abzuändern, dass ihm der Führerausweis für lediglich einen Monat entzogen werde. (...) Das Bundesgericht heisst die Beschwerde, soweit es darauf eintritt, gut. (Auszug) BGE 141 II 256 S. 258
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Gemäss Art. 16c bis SVG (SR 741.01) wird nach einer Widerhandlung im Ausland der Führerausweis entzogen, wenn: a. im Ausland ein Fahrverbot verfügt wurde; und b. die Widerhandlung nach den Artikeln 16b und 16c als mittelschwer oder schwer zu qualifizieren ist (Abs. 1). Bei der Festlegung der Entzugsdauer sind die Auswirkungen des ausländischen Fahrverbots auf die betroffene Person angemessen zu berücksichtigen. Die Mindestentzugsdauer darf unterschritten werden. Die Entzugsdauer darf bei Personen, die im Administrativmassnahmenregister (Art. 104b) nicht verzeichnet sind, die am Begehungsort im Ausland verfügte Dauer des Fahrverbots nicht überschreiten (Abs. 2). Diese Bestimmung fügte der Gesetzgeber mit Bundesgesetz vom 20. März 2008, in Kraft seit 1. September 2008, in das Strassenverkehrsgesetz ein; dies im Anschluss an BGE 133 II 331 . Darin hatte das Bundesgericht in Änderung der Rechtsprechung befunden, für einen Warnungsentzug in der Schweiz nach einer Verkehrsregelverletzung im Ausland fehle es an der gesetzlichen Grundlage. 2.2 Das Regierungspräsidium Karlsruhe verfügte gegen den Beschwerdeführer ein Fahrverbot. Die diesem vorgeworfenen drei Verkehrsregelverletzungen stellen unstreitig jede für sich eine schwere Widerhandlung gemäss Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG dar. Die Voraussetzungen für den Führerausweisentzug nach Art. 16c bis Abs. 1 SVG sind daher erfüllt. Es geht einzig um seine Dauer. 2.3 Gemäss Art. 16c bis Abs. 2 SVG sind bei der Festlegung der Entzugsdauer die Auswirkungen des ausländischen Fahrverbots auf die betroffene Person angemessen zu berücksichtigen. Die Mindestentzugsdauer darf unterschritten werden. Diese beiden Sätze waren bereits im bundesrätlichen Entwurf enthalten. Sie bezwecken die Vermeidung einer Doppelbestrafung (Botschaft vom 28. September 2007 zur Änderung des Strassenverkehrsgesetzes, BBl 2007 7622 zu Art. 16c bis ). Begeht eine Person mit schweizerischem Wohnsitz im Ausland ein Strassenverkehrsdelikt, kann der Tatortstaat eine Administrativmassnahme allein mit Wirkung für das eigene Staatsgebiet aussprechen. Den schweizerischen Führerausweis als solchen kann er nicht entziehen ( BGE 128 II 133 E. 4a S. 136 mit Hinweisen). Die Wirkung der im Ausland verfügten Administrativmassnahme ist daher beschränkt. Deshalb sieht BGE 141 II 256 S. 259 Art. 16c bis SVG unter den dort genannten Voraussetzungen den Entzug des schweizerischen Führerausweises durch die hiesige Behörde vor. Das darf jedoch nicht zu einer doppelten Sanktionierung führen. Die im Ausland und in der Schweiz ausgesprochenen Massnahmen müssen in ihrer Gesamtheit schuldangemessen sein ( BGE 128 II 133 E. 3b/bb S. 136 mit Hinweis). Daher sind gemäss Art. 16c bis Abs. 2 Satz 1 SVG bei der Festlegung der Entzugsdauer die Auswirkungen des ausländischen Fahrverbots auf die betroffene Person angemessen zu berücksichtigen. Mit dem Wort "angemessen" trägt das Gesetz dem Umstand Rechnung, dass das ausländische Fahrverbot den Fehlbaren unterschiedlich stark oder gar nicht treffen kann. So gibt es Fahrzeuglenker, die im Tatortstaat oft unterwegs sind, weshalb sie das dortige Fahrverbot erheblich belastet. Umgekehrt gibt es Personen, die praktisch nie im Tatortstaat ein Fahrzeug lenken, weshalb sie das ihnen dort auferlegte Fahrverbot kaum oder überhaupt nicht trifft. Massgeblich sind somit die Umstände des Einzelfalles (Botschaft, a.a.O.). Gegebenenfalls kann sich das Unterschreiten der Mindestentzugsdauer rechtfertigen, was Art. 16c bis Abs. 2 Satz 2 SVG ausdrücklich zulässt. Diese Bestimmung geht als spätere und spezielle Art. 16 Abs. 3 Satz 2 SVG , wonach die Mindestentzugsdauer nicht unterschritten werden darf, vor. 2.4 Gemäss Art. 16c bis Abs. 2 Satz 3 SVG darf die Entzugsdauer bei Personen, die im Administrativmassnahmenregister nicht verzeichnet sind, die am Begehungsort im Ausland verfügte Dauer des Fahrverbots nicht überschreiten. Dieser Satz wurde in der parlamentarischen Beratung in das Gesetz eingefügt. Damit wird dem Unrechtsgehalt der Verkehrsregelverletzung am ausländischen Begehungsort Rechnung getragen. Verwiesen wurde auf Art. 7 Abs. 3 StGB , der im Strafrecht bei Auslandtaten eine ähnliche Regelung kennt (AB 2008 N 171 und 282 [Voten Müller]). Art. 16c bis Abs. 2 Satz 3 SVG ist nur anwendbar bei Personen, die im Administrativmassnahmenregister nicht verzeichnet sind, also bei Ersttätern. Bei Rückfalltätern darf die schweizerische Behörde die Dauer des am Begehungsort verfügten Fahrverbots überschreiten. Der Grund hierfür liegt darin, dass die ausländische Behörde von früher in der Schweiz gegen den Fehlbaren verfügten Administrativmassnahmen regelmässig keine Kenntnis hat. Dürfte die schweizerische Behörde die Dauer des am Begehungsort verfügten Fahrverbots nicht überschreiten, könnte sie die bei Rückfalltätern gemäss Art. 16b Abs. 2 und Art. 16c Abs. 2 SVG vorgesehenen Massnahmeverschärfungen nicht zur Anwendung bringen, was zu einer BGE 141 II 256 S. 260 unhaltbaren Privilegierung führen würde(AB 2008 S 127 f.[Voten Bieriund Hess], 129 [Votum Leuenberger], 180 [Voten Bieri und Leuenberger]). Bei einem Ersttäter darf die schweizerische Behörde keine strengere Wertung vornehmen als die ausländische (vgl. AB 2008 N 415 [Voten Germanier und Berberat], 416 [Votum Müller]). Dass sie gegebenenfalls nach hiesigen Massstäben ein längeres Fahrverbot als gerechtfertigt angesehen hätte, spielt keine Rolle. Die Dauer des am Begehungsort ausgesprochenen Fahrverbots begrenzt den Ermessensspielraum der schweizerischen Behörde nach oben. Es verhält sich insoweit wie bei Art. 7 Abs. 3 StGB , wonach das Gericht bei den von jener Bestimmung erfassten Auslandtaten die Sanktionen so bestimmt, dass sie insgesamt für den Täter nicht schwerer wiegen als die Sanktionen nach dem Recht des Begehungsortes. Auch damit hat der Gesetzgeber eine obere Begrenzung des Ermessensbereichs festgelegt (DONATSCH/TAG, Verbrechenslehre, 9. Aufl. 2013, S. 51; POPP/KESHELAVA, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. I, 3. Aufl. 2013, N. 38 f. vor Art. 3 StGB ). 2.5 Der Beschwerdeführer ist im Administrativmassnahmenregister nicht verzeichnet. Das deutsche Fahrverbot wurde vom 4. Juni bis zum 3. August 2014 vollzogen. Der Beschwerdeführer durfte somit während dieser Zeit in Deutschland kein Fahrzeug lenken. Dies berücksichtigte die Vorinstanz als neue Tatsache, was gemäss § 63 Abs. 4 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 1. April 1976 des Kantons Zug (BGS 162.1) zulässig war. Wie die Vorinstanz darlegt, ist der Beschwerdeführer in Deutschland regelmässig geschäftlich unterwegs. Das dortige Fahrverbot hat ihn deshalb getroffen. Die Vorinstanz erwägt, dieses hätte damit grundsätzlich eine Verringerung der Dauer des schweizerischen Führerausweisentzugs zur Folge. Sie lehnt eine solche dann aber ab wegen der Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen Verkehrsregelverletzungen. Mit seiner rücksichtslosen Fahrweise habe er mehrmals eine grosse abstrakte Gefahr für die übrigen Verkehrsteilnehmer geschaffen. Eine Verringerung des zweimonatigen Ausweisentzugs sei deshalb auch in Anbetracht des Verbots der Doppelbestrafung nicht angezeigt. 2.6 Dem kann nicht gefolgt werden. Die Dauer des deutschen Fahrverbots beträgt 2 Monate. Damit ist der Unrechtsgehalt der vom Beschwerdeführer begangenen Verkehrsregelverletzungen abgegolten. BGE 141 II 256 S. 261 Die ihm aufzuerlegende Sanktion darf somit 2 Monate nicht übersteigen. Massgeblich ist insoweit das gesamte Sanktionenpaket (oben E. 2.3). Da das deutsche Fahrverbot den Beschwerdeführer belastet hat, führte ein schweizerischer Führerausweisentzug von 2 Monaten dazu, dass er gesamthaft eine Sanktion zu tragen hätte, die 2 Monate übersteigt. Dies verletzt das Übermassverbot. Die Dauer des schweizerischen Führerausweisentzugs ist so festzusetzen, dass der Beschwerdeführer unter Berücksichtigung der Belastung, die der Vollzug des deutschen Fahrverbots für ihn dargestellt hat, eine Sanktion zu tragen hat, die 2 Monaten entspricht. Zwar ist einzuräumen, dass die Dauer des vom Regierungspräsidium Karlsruhe ausgesprochenen Fahrverbots nach hiesigen Massstäben als zu tief anzusehen wäre. Dies hat nach Art. 16c bis Abs. 2 Satz 3 SVG jedoch ausser Betracht zu bleiben. Danach kommt es auf den Unrechtsgehalt am Begehungsort an. Wenn die ausländischen Behörden eine Verkehrsregelverletzung anders werten und insbesondere Geschwindigkeitsüberschreitungen milder ahnden, haben die schweizerischen Behörden das hinzunehmen. Dass die Auffassung der Vorinstanz nicht richtig sein kann, zeigt auch Folgendes: Wäre der Beschwerdeführer praktisch nie in Deutschland unterwegs gewesen, weshalb ihn der Vollzug des dortigen Fahrverbots nicht getroffen hätte, hätte die Vorinstanz auch nur einen Führerausweisentzug von 2 Monaten aussprechen können. Damit würde in unterschiedlichen Fällen die gleiche Sanktion verhängt, was nicht angeht. 2.7 Wie sich aus der Verfügung des Strassenverkehrsamts ergibt, vertrat dieses die Auffassung, dass die Belastung des - damals noch nicht vollzogenen - deutschen Fahrverbots für den Beschwerdeführer zu einer antragsgemässen Reduktion des schweizerischen Führerausweisentzugs auf einen Monat führen müsste. Eine solche Reduktion ist angemessen. Die Rückweisung an das Strassenverkehrsamt zur neuen Festsetzung der Höhe des Führerausweisentzugs erübrigt sich damit und das Bundesgericht kann selber entscheiden ( Art. 107 Abs. 1 BGG ). Die Dauer des Führerausweisentzugs wird auf einen Monat festgesetzt.
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Sachverhalt ab Seite 92 BGE 135 I 91 S. 92 Par jugement du 27 février 2008, le Tribunal de police de l'arrondissement de Lausanne a condamné X. à la peine de cent-cinquante jours-amende à 40 francs l'un et à une amende de 1'500 francs, avec peine de substitution de trente-huit jours de privation de liberté, pour lésions corporelles simples qualifiées, violation simple des règles de la circulation routière, ivresse au volant et ivresse au volant qualifiée, conduite en état d'incapacité de conduire, tentative d'opposition ou dérobade aux mesures visant à déterminer l'incapacité de conduire, violation des devoirs en cas d'accident et contravention à la loi fédérale sur les stupéfiants. Saisie d'un recours en réforme du condamné, la Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal vaudois l'a rejeté, par arrêt du 15 avril 2008. Les frais de deuxième instance, y compris l'indemnité allouée au défenseur d'office de l'intéressé, par 484 fr. 20, ont été mis à la charge de ce dernier. X. interjette un recours en matière pénale contre cet arrêt. Il conclut à sa réforme en ce sens qu'il soit mis au bénéfice du sursis et que les frais de sa défense d'office, en première et en deuxième instances, soient laissés à la charge de l'Etat. Il requiert en outre le bénéfice de l'assistance judiciaire et la restitution de l'effet suspensif. Le Tribunal fédéral a admis partiellement le recours.
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. Le recourant conteste ensuite la mise à sa charge des frais de sa défense d'office en première et en seconde instances cantonales. Il soulève pour la première fois ces griefs devant le Tribunal fédéral. BGE 135 I 91 S. 93 2.1 Le recours en matière pénale peut être interjeté pour violation du droit, tel qu'il est circonscrit par les art. 95 et 96 LTF , soit en particulier pour violation du droit fédéral ( art. 95 let. a LTF ). Dans ce cadre, le Tribunal fédéral applique le droit d'office ( art. 106 al. 1 LTF ). Il n'est pas lié par l'argumentation des parties et il apprécie librement la portée juridique des faits. Il ne peut cependant examiner l'argumentation juridique des parties que dans la mesure où elle porte sur un point qui constitue encore l'objet du litige en instance fédérale ( art. 99 al. 2 et art. 107 al. 1 LTF ) et pour autant qu'elle repose sur des constatations de fait de la décision attaquée ( ATF 133 III 421 consid. 1.3 in fine). Il s'en tient par ailleurs, en général, aux questions juridiques que la partie recourante soulève conformément aux exigences légales relatives à la motivation du recours ( art. 42 al. 2 LTF ; ATF 134 II 245 consid. 2). Suivant le principe de l'épuisement préalable des instances cantonales qui découle de l' art. 80 al. 1 LTF , il n'examine, dans la règle, que les griefs constitutionnels qui, pouvant l'être, ont été présentés à l'autorité cantonale de dernière instance et les questions qui constituaient l'objet du litige devant l'autorité précédente; il s'ensuit que le grief invoqué pour la première fois devant le Tribunal fédéral ne doit pas se confondre avec l'arbitraire. Par ailleurs, le comportement du recourant ne doit pas être contraire à la règle de la bonne foi en vertu de laquelle celui qui ne soulève pas devant l'autorité de dernière instance cantonale un grief lié à la conduite de la procédure ne peut plus en principe le soulever devant le Tribunal fédéral. Cette juridiction ne contrôle pas non plus d'office le respect des droits fondamentaux ( art. 106 al. 2 LTF ). 2.2 En l'espèce, le recourant a emprunté, devant l'autorité de dernière instance cantonale, la voie du recours en réforme prévue par l'art. 410 du code de procédure pénale du canton de Vaud du 12 septembre 1967 (CPP/VD; RSV 312.01). Ce recours est ouvert, d'une part, pour fausse application des règles de fond, pénales ou civiles, applicables au jugement de la cause ( art. 415 al. 1 CPP /VD) et, d'autre part, pour violation des règles de procédure concernant les frais et dépens, ainsi que le sort des objets séquestrés ( art. 415 al. 2 CPP /VD). Conformément à l' art. 425 al. 2 CPP /VD, le mémoire de recours doit contenir notamment les conclusions en réforme ou en nullité (al. 2 let. b) ainsi que les motifs à l'appui des conclusions; ces motifs doivent indiquer succinctement quelles sont les irrégularités de procédure ou les violations de la loi alléguées et en quoi BGE 135 I 91 S. 94 elles consistent (al. 2 let. c). La pratique cantonale a déduit de ces deux exigences que la recevabilité du recours en réforme supposait que la modification souhaitée et le motif invoqué à l'appui de cette modification ressortent suffisamment de l'acte, sans qu'il soit cependant indispensable d'y articuler expressément les conclusions et les moyens de réforme (BENOÎT BOVAY ET AL., Procédure pénale vaudoise, 3 e éd. 2008, n° 8 ad art. 425 CPP /VD). Saisie d'un tel recours, la cour cantonale examine librement les questions de droit sans être limitée aux moyens que les parties invoquent. Elle ne peut cependant aller au-delà des conclusions du recourant (art. 447 al. 1 et 2 première phrase CPP/VD). Il résulte de ce qui précède que si l'autorité cantonale applique, lorsqu'elle connaît d'un recours en réforme, le droit d'office, elle ne procède à cet examen que dans le cadre des conclusions prises par le recourant et dans la mesure où le recours est recevable eu égard aux exigences de forme minimales posées en relation avec les conclusions et les motifs invoqués à l'appui de ces dernières. On peut en déduire que les éléments du jugement que le recourant ne remet d'aucune façon en question dans ses écritures ne sont pas l'objet du recours en réforme cantonal. Cette conclusion s'impose tout au moins en ce qui concerne les moyens de droit que la loi de procédure cantonale distingue strictement, tenant, d'une part, à l'application du droit matériel et, d'autre part, à l'application des règles de procédure relatives aux frais et aux dépens (art. 415 al. 1 et 2 et art. 425 al. 2 let . c CPP/VD), en ce sens que faute de tout grief et de toute conclusion explicite sur la question des frais, la cour cantonale, saisie d'un recours portant sur la déclaration de culpabilité ou la peine, ne réexamine pas d'office la question des frais de procédure, à moins que l'issue du recours impose une nouvelle décision sur ce point. 2.3 En l'espèce, le recourant a conclu, devant l'autorité cantonale, à libération de l'une des infractions retenues à sa charge par le jugement de première instance ainsi qu'à la réduction de sa peine et à l'octroi du sursis. Le recourant n'a donc formulé aucune conclusion spécifique sur la question des frais de première instance, notamment le principe de la mise à sa charge des frais de sa défense d'office. Il n'a, non plus, développé aucune argumentation sur ce point dans son mémoire. Aussi la cour cantonale, tenue d'examiner d'office l'application du droit matériel en relation avec les griefs développés et les conclusions au moins implicites prises dans les écritures de BGE 135 I 91 S. 95 recours n'était-elle, en revanche, pas tenue d'examiner d'office les questions de procédure concernant les frais et l'assistance judiciaire en première instance, en l'absence de toute conclusion et de toute motivation spécifique sur ce point. Il s'ensuit que les griefs d'ordre constitutionnel soulevés par le recourant sur ce point sont irrecevables dans le recours en matière pénale. 2.4 Il convient, en revanche, d'examiner la question de l'indemnité du conseil d'office du recourant pour la procédure de seconde instance cantonale. 2.4.1 Aux termes du considérant 5 de l'arrêt cantonal, les frais d'arrêt, y compris l'indemnité allouée au défenseur d'office du recourant, ont été mis à la charge de ce dernier en application de l' art. 450 al. 1 CPP /VD. Conformément à cette disposition, si le recours est rejeté, et sauf le cas où il émane du Ministère public, les frais de seconde instance sont mis à la charge du recourant. Le recourant soutient que la mise à sa charge de ces frais violerait son droit à l'assistance gratuite d'un avocat déduit des art. 29 al. 3 Cst. et 6 par. 3 let. c CEDH. Il relève que ces deux dispositions garantissent expressément la gratuité de l'assistance d'un avocat et soutient que cette garantie ne serait pas respectée par la mise à sa charge des frais de sa défense d'office au terme de la procédure. 2.4.2 Le droit à l'assistance judiciaire doit être examiné en premier lieu au regard des règles cantonales topiques, l' art. 29 al. 3 Cst. n'offrant qu'une garantie subsidiaire minimale. 2.4.2.1 Le canton de Vaud n'a pas édicté de législation spécifique sur l'assistance judiciaire en matière pénale, mais uniquement en matière civile (loi du 24 novembre 1981 sur l'assistance judiciaire en matière civile; RSV 173.81). Le code de procédure pénale vaudois prévoit que le prévenu qui n'a pas choisi de défenseur et qui doit néanmoins être assisté est pourvu d'un défenseur d'office, qui reste en principe en fonction jusqu'à l'épuisement des instances cantonales ( art. 105 al. 1 et 2 CPP /VD). Lorsque le prévenu établit son indigence, le défenseur d'office reçoit, à la charge de la caisse de l'Etat, l'indemnité prévue par le tarif des frais en matière judiciaire pénale, qui est portée sur la liste des frais prévue à l'article 156 ( art. 110 al. 1 et 2 CPP /VD), cependant que le prévenu qui n'est pas indigent doit rémunérer son BGE 135 I 91 S. 96 défenseur d'office à concurrence des honoraires normaux fixés par le président qui a désigné le défenseur d'office ( art. 111 al. 1 et 2 CPP /VD). Lorsque le défenseur d'office n'obtient pas à l'amiable le règlement de cette indemnité, elle peut lui être allouée par la caisse de l'Etat et portée sur la liste de frais précitée. Dans l'hypothèse visée par l' art. 111 CPP /VD, cette indemnité peut être mise à la charge du prévenu, même s'il est libéré sans frais à sa charge ( art. 112 al. 1 et 2 CPP /VD). Il s'ensuit que le droit cantonal pertinent ne fixe pas expressément les conditions auxquelles le bénéficiaire de l'assistance judiciaire en matière pénale peut être appelé à rembourser la caisse de l'Etat. Il ne précise pas, en particulier, si le recouvrement des frais portés sur la liste des frais du condamné indigent peut ou non être opéré nonobstant le maintien de la situation d'indigence. Pour le surplus, le recourant ne soutient pas que le droit cantonal lui offrirait une protection plus étendue que les règles constitutionnelle et conventionnelle qu'il invoque, si bien qu'il n'y a pas lieu d'approfondir la question sous cet angle ( art. 106 al. 2 LTF ). 2.4.2.2 Conformément à l' art. 29 al. 3 Cst. , toute personne qui ne dispose pas de ressources suffisantes a droit, à moins que sa cause paraisse dépourvue de toute chance de succès, à l'assistance judiciaire gratuite. Elle a en outre droit à l'assistance gratuite d'un défenseur, dans la mesure où la sauvegarde de ses droits le requiert. Selon la jurisprudence déduite de l' art. 4 aCst. , la garantie constitutionnelle n'incluait pas le droit du bénéficiaire à une prise en charge définitive par l'Etat des frais avancés. Les droits de procédure cantonaux pouvaient ainsi prévoir, sous certaines conditions, que le bénéficiaire perdait son droit à être assisté par l'Etat dans une procédure, ce droit étant subsidiaire à d'autres prétentions de l'intéressé, notamment celles découlant d'une obligation d'entretien ( ATF 119 Ia 11 consid. 3a et les références citées). L'autorité compétente pouvait également retirer l'assistance judiciaire lorsque, en cours de procédure, les conditions en ayant justifié l'octroi n'étaient plus réalisées. La restitution des montants avancés au titre de l'assistance judiciaire pouvait, par ailleurs, être exigée du bénéficiaire lorsque sa situation économique s'était améliorée dans une mesure suffisante ( ATF 122 I 5 consid. 4a p. 6). Cette jurisprudence conserve sa pertinence sous l'empire de l' art. 29 al. 3 Cst. , cette disposition ne faisant que reprendre les principes posés dans ce domaine par la jurisprudence antérieure et ne conférant pas plus de droits ( ATF 126 I 194 consid. 3a p. 196). BGE 135 I 91 S. 97 2.4.2.3 Interprétée comme une garantie d'accès à la justice, la règle de l' art. 29 al. 3 Cst. ne permet pas de remettre en cause la mise à la charge du recourant des frais de sa défense d'office, comme il le souhaite. Le recourant a, en effet, bénéficié d'un avocat durant toute la procédure, y compris en seconde instance cantonale, et l'indemnisation de son conseil a été avancée par l'Etat. Le recourant n'a donc, d'aucune manière, été empêché d'accéder à la justice et d'exercer ses droits. Toutefois, dans le cas d'espèce, où le droit cantonal ne soumet à aucune condition la restitution des montants ainsi avancés, l'interprétation de la protection constitutionnelle en ce sens qu'elle ne déploierait aucun effet au-delà de la clôture de la procédure pour laquelle elle a été accordée, tiendrait insuffisamment compte de l'exigence jurisprudentielle selon laquelle la restitution des montants avancés au titre de l'assistance judiciaire peut être exigée du bénéficiaire lorsque sa situation économique s'est améliorée dans une mesure suffisante ( ATF 122 I 5 consid. 4a p. 6, ATF 122 I 322 consid. 2c p. 324). Cela suppose qu'il soit en mesure de s'acquitter des frais concrètement mis à sa charge sans remettre en cause la couverture de ses besoins fondamentaux (cf. ATF 128 I 232 consid. 2.5.1; ATF 127 I 205 consid. 3b; ATF 125 IV 164 consid. 4a; v. aussi infra consid. 2.4.3). La gratuité de l'assistance judiciaire consacrée par l' art. 29 al. 3 Cst. n'a, en revanche, pas la portée absolue que voudrait lui voir reconnaître le recourant. 2.4.2.4 L' art. 6 par. 3 let . c CEDH invoqué par le recourant n'offre pas une protection plus étendue. Cette disposition garantit à tout accusé le droit de se défendre lui-même ou d'avoir l'assistance d'un défenseur de son choix et, s'il n'a pas les moyens de rémunérer un défenseur, de pouvoir être assisté gratuitement par un avocat d'office, lorsque les intérêts de la justice l'exigent. 2.4.2.4.1 La Cour européenne des droits de l'homme n'a jamais tranché définitivement le point de savoir si le fait de mettre à la charge du condamné des frais de justice incluant le montant des indemnités versées à son conseil d'office, dont la désignation était justifiée par l'indigence de l'accusé, était ou non conforme à l' art. 6 par. 3 let . c CEDH. Elle a notamment laissé cette question ouverte dans l'arrêt Luedicke, Belkacem et Koç contre Allemagne du 28 novembre 1978 (série A vol. 29 § 44), qui avait trait à la gratuité des frais d'interprète, en soulignant cependant que l'interprétation de l'alinéa c de cette disposition était susceptible de susciter des doutes, que l'on ne pouvait cependant invoquer à l'encontre du sens clair de l'adverbe "gratuitement" à l'alinéa e. BGE 135 I 91 S. 98 En 1982, la Commission européenne des droits de l'homme a, en revanche, jugé que la condition spécifique figurant à l'alinéa c de l' art. 6 par. 3 CEDH indiquait que, dans ce contexte, l'expression "gratuitement" n'était pas incompatible avec une exonération seulement temporaire des frais, autrement dit une exonération valable tant que l'accusé n'avait pas les moyens de faire face aux dépenses dues à son assistance par un avocat. L'expression "n'a pas les moyens de rémunérer" ne renvoyait pas seulement au moment où le tribunal décidait ou non d'accorder l'aide judiciaire gratuite, mais concernait également le moment où était tranchée la question de savoir si et dans quelle mesure le défendeur devait payer les dépens. Aussi n'était-il pas contraire à l'article 6 par. 3 let. c que l'accusé doive payer les frais de son avocat commis d'office après avoir été reconnu coupable, à moins qu'il n'en ait pas les moyens (décision de la Commission européenne des droits de l'homme du 6 mai 1982 sur la recevabilité de la requête N° 9365/81, X. contre République fédérale d'Allemagne , Décisions et Rapports 1982 vol. 28 p. 229). Dans l'affaire Croissant contre Allemagne , la Cour européenne a, par ailleurs, souligné que contrairement à d'autres clauses de l'art. 6 par. 3 (p. ex. l'al. e), l'alinéa c ne consacre pas un droit de caractère absolu parce qu'il n'exige l'assistance gratuite d'un avocat d'office que si l'accusé "n'a pas les moyens de rémunérer un défenseur". Sans trancher expressément la question de savoir si l'art. 6 empêchait un Etat, en toute hypothèse, d'essayer de recouvrer les frais de l'assistance judiciaire gratuite octroyée à un accusé qui, à l'époque du procès, n'avait pas les moyens de les assumer, elle a jugé que l'on ne pouvait dire de manière générale que le système en vigueur en Allemagne atteignait au caractère équitable de la procédure et ne se concilierait pas avec l' art. 6 CEDH . Dans ce système, la désignation d'un avocat d'office intervient indépendamment de la situation financière de l'intéressé, qui doit en principe toujours régler le montant des honoraires et des frais de ses avocats commis d'office. Sa situation financière est, en revanche, prise en considération au stade de la procédure d'exécution qui suit le jugement définitif (arrêt de la CourEDH Croissant contre Allemagne du 25 septembre 1992, série A vol. 237 B § 33 ss). 2.4.2.4.2 Une partie des commentateurs de la CEDH a entendu déduire du premier arrêt cité qu'une solution similaire s'imposait pour les frais de la défense d'office (VELU/ERGEC, La Convention européenne des droits de l'Homme, 1990, ch. 609 p. 500 s.). Pour d'autres, BGE 135 I 91 S. 99 qui se réfèrent à la décision de la Commission et aux considérants de l'arrêt Croissant , en revanche, la gratuité selon la let. c, contrairement à la let. e de l' art. 6 par. 3 CEDH , n'est pas définitive, mais dépend de l'indigence. Selon ces auteurs, il n'apparaît donc pas inéquitable de charger l'accusé condamné des frais de sa défense d'office lorsqu'il est en mesure de s'en acquitter. Une telle condamnation au paiement de ces frais suppose alors l'existence, au stade de l'exécution du jugement, de mesures de protection garantissant que le recouvrement de ces frais ne soit pas opéré tant que dure l'indigence (WOLFGANG PEUKERT, in: Europäische MenschenRechtsKonvention, EMRK-Kommentar, 2 e éd. 1996, n° 199 ad art. 6 CEDH p. 309). 2.4.2.4.3 En ce qui concerne la Suisse en particulier, il convient de rappeler qu'elle avait initialement émis, lors du dépôt de l'instrument de ratification, une déclaration interprétative aux termes de laquelle "Le Conseil fédéral suisse déclare interpréter la garantie de la gratuité de l'assistance d'un avocat d'office et d'un interprète figurant à l'article 6, paragraphe 3, lettres c et e, de la Convention comme ne libérant pas définitivement le bénéficiaire du paiement des frais qui en résultent". Cette déclaration a cependant été retirée en l'an 2000, si bien qu'il n'est pas nécessaire d'en examiner en l'espèce la portée. Selon le Conseil fédéral (Message du 24 mars 1999 concernant le retrait des réserves et déclarations interprétatives de la Suisse à l'art. 6 de la Convention européenne des droits de l'homme, FF 1999 3350 ss, spéc. 3356 ch. 242), qui se référait aux jurisprudences Luedicke et X. contre République fédérale d'Allemagne précitées, la déclaration relative à l'assistance gratuite d'un avocat apparaissait superflue dans la mesure où elle portait sur le remboursement des frais d'assistance d'un avocat d'office, le par. 3 let. c ne dispensant pas définitivement du paiement des frais d'assistance d'un avocat d'office. 2.4.2.4.4 La doctrine suisse a longtemps examiné cette question à la lumière de la déclaration interprétative formulée par la Suisse en se concentrant sur la question de la validité et des effets de cette déclaration. Ces questions ne sont plus pertinentes aujourd'hui. La doctrine plus récente est, en revanche, majoritairement de l'avis que la mise à charge du condamné des frais de sa défense d'office n'est possible au regard de l' art. 6 par. 3 let . c CEDH que pour autant qu'il soit garanti que ces frais ne seront pas recouvrés tant que l'indigence persiste (v. en ce sens: NIKLAUS OBERHOLZER, Gerichts- und Parteikosten im Strafprozess, in Gerichtskosten, Parteikosten, BGE 135 I 91 S. 100 Prozesskaution, unentgeltliche Prozessführung, Schriften der Stiftung für die Weiterbildung schweizerischer Richterinnen und Richter [SWR], vol. 3 2001, p. 43 et la note de bas de page 58; v. aussi STEFAN MEICHSSNER, Das Grundrecht auf unentgeltliche Rechtspflege [Art. 29 Abs. 3 BV], 2008, p. 179 s.; KÜNG/HAURI/BRUNNER, Handkommentar zur Zürcher Strafprozessordnung, 2005, § 12 n° 8; HAUSER/SCHWERI/HARTMANN, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6 e éd. 2005, § 40 n. 14 p. 163). Apparemment d'un avis contraire, SCHMID soutient que les frais de la défense d'office pourraient, à l'instar des autres frais, mais non des frais d'interprète, être mis à charge. Cet auteur, qui se réfère encore au texte de la déclaration interprétative, ne précise cependant pas à quelles conditions cette faculté pourrait être exercée et en particulier s'il en va de même des frais de la défense d'office accordée en raison de l'indigence de l'accusé (NIKLAUS SCHMID, Strafprozessrecht, 4 e éd. 2004, § 66 n. 1201). Selon PIQUEREZ, c'est à l'Etat qu'incombe l'avance des frais de justice, y compris ceux de défense d'office, même si, s'agissant de ces derniers, l'Etat se réserve d'en réclamer le remboursement au prévenu en cas de retour à meilleure fortune ou en considérant les frais de défense d'office comme faisant partie des frais de justice, ce qui, aux yeux de cet auteur, est conforme à l' art. 6 CEDH , qui ne garantit pas une procédure judiciaire gratuite, mais seulement le droit à l'assistance gratuite d'un avocat d'office lorsque les intérêts de la justice l'exigent (GÉRARD PIQUEREZ, Traité de procédure pénale suisse, 2 e éd. 2006, § 141 n. 1136). On ne voit cependant pas que le seul fait d'intégrer les indemnités versées au conseil d'office dans le décompte général des frais de la procédure mis à la charge du condamné puisse à lui seul justifier de faire abstraction de la condition liée à la situation économique de l'intéressé. 2.4.2.4.5 Il résulte de ce qui précède que le recourant ne peut pas non plus déduire de l' art. 6 par. 3 let . c CEDH un droit à être purement et simplement relevé des frais de sa défense d'office. Cette disposition ne lui offre dès lors pas une protection plus étendue que l' art. 29 al. 3 Cst. 2.4.3 Il reste à examiner comment la garantie constitutionnelle, telle qu'elle a été circonscrite ci-dessus, doit être mise en oeuvre. A cet égard, on ne peut méconnaître que, dans le cadre d'une procédure d'exécution forcée exercée par l'Etat afin de recouvrer les montants avancés au titre de l'assistance judiciaire, le jugement pénal qui condamne au paiement des frais, respectivement des frais de la BGE 135 I 91 S. 101 défense d'office, constitue un titre à la mainlevée définitive de l'opposition ( art. 373 CP et art. 80 al. 1 LP ), dont le juge compétent n'a ni à revoir ni à interpréter le contenu matériel ( ATF 124 III 501 consid. 3a p. 503; ATF 113 III 6 consid. 1b p. 9 s.). On ne voit par ailleurs pas que le condamné puisse, dans une telle procédure, invoquer que sa situation matérielle ne se serait pas améliorée, un tel moyen n'entrant pas dans le cadre des exceptions énumérées limitativement par la loi (cf. art. 81 al. 1 LP ). En outre, la notion de ressource suffisante au sens de l' art. 29 al. 3 Cst. ne se recoupe pas entièrement avec celle du minimum vital du droit des poursuites en ce sens qu'il n'y a pas lieu, dans l'examen du droit à l'assistance judiciaire, de se référer schématiquement aux normes du droit de l'exécution forcée mais de prendre en considération l'ensemble des circonstances individuelles du requérant ( ATF 124 I 1 consid. 2 p. 2). A cela s'ajoute que la constatation d'une atteinte au minimum vital du poursuivi à un stade ultérieur de l'exécution forcée conduit, en règle générale, à la délivrance d'un acte de défaut de bien, susceptible de déployer des conséquences négatives importantes pour le poursuivi. Dans ces conditions, les seules garanties offertes par le droit des poursuites (cf. art. 92 et 93 LP ) n'apparaissent pas suffisantes au regard des exigences déduites par la jurisprudence des art. 4 aCst. et 29 al. 3 Cst. En l'espèce, le chiffre III du dispositif de la décision entreprise met inconditionnellement à la charge du recourant l'indemnité allouée à son défenseur d'office par 484 fr. 20. Ainsi formulé, ce point du dispositif permettrait donc en principe d'entreprendre le recouvrement de ce montant par voie d'exécution forcée, cependant que la motivation de l'arrêt entrepris ne permet pas de déterminer pour quelles raisons le recourant ne pourrait plus invoquer en sa faveur la garantie constitutionnelle de l' art. 29 al. 3 Cst. On ignore en effet concrètement qu'elle était, à l'issue de cette procédure, sa situation économique. On ignore de même si la pratique des autorités cantonales offre des garanties que l'exécution forcée des frais ainsi mis à charge ne soit pas entreprise tant qu'il n'est pas établi que l'intéressé dispose des moyens nécessaires. Il convient donc d'annuler l'arrêt cantonal sur ce point - mais non en ce qui concerne les autres frais de la procédure - et de renvoyer la cause à l'autorité cantonale afin qu'elle examine à nouveau la question du sort de ces frais à l'aune des principes rappelés ci-dessus. BGE 135 I 91 S. 102 Comme on l'a vu, la garantie constitutionnelle n'impose pas une renonciation définitive de l'Etat au remboursement des frais de la défense d'office et ne s'oppose donc ni à ce que le montant de ces frais soit fixé dans le dispositif de la décision ni à ce que celui-ci statue sur le principe de l'obligation du bénéficiaire de rembourser. Elle impose simplement que le remboursement ne puisse être poursuivi par voie d'exécution forcée aussi longtemps que la situation de l'intéressé ne le permet pas. Il s'ensuit que si la cour cantonale entend maintenir une condamnation inconditionnelle au paiement de ces frais, il lui incombera d'exposer les raisons justifiant de retirer au recourant le bénéfice de l'assistance judiciaire ou d'expliquer quelles garanties offertes par le droit cantonal permettraient d'exclure que le recouvrement soit effectivement entrepris malgré cette condamnation inconditionnelle aussi longtemps que la situation économique du recourant ne s'est pas améliorée. Hors de ces hypothèses, la cour cantonale examinera s'il y a lieu de renoncer purement et simplement à ces frais ou de soumettre l'obligation de rembourser statuée dans le dispositif à une condition (cf., p. ex., art. 64 al. 4 LTF ).
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Erwägungen ab Seite 110 BGE 100 Ib 109 S. 110 Aus den Erwägungen: 2. Hauptgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist das umstrittene Problem der Abberufung eines Sachwalters durch die Aufsichtsbehörde, die Bankenkommission. a) Der Sachwalter wird durch die Aufsichtsbehörde ernannt. Er tritt an die Stelle der geschäftsuntüchtigen Fondsleitung oder Depotbank ( Art. 45 Abs. 1 AFG ). Im vorliegenden Fall des Interglobe-Anlagefonds hat die zum Sachwalter ernannte STG die Aufgabe, das Fondsvermögen zu liquidieren ( Art. 46 Abs. 2 AFG ). Die STG übt dieses Amt zum Schutz des Treugutes im Interesse der Anleger aufgrund eines ihr erteilten öffentlichrechtlichen Auftrages aus (vgl. AMMON K., Die Aufgabe des Sachwalters nach dem AFG, in Wirtschaft und Recht 22/1970, S. 57; METZGER A., Die Stellung des Sachwalters nach dem AFG, Diss. Zürich 1971, S. 149). Das Vorgehen im einzelnen bei der Liquidierung des Fonds bestimmt der Sachwalter grundsätzlich nach seinem Ermessen, soweit er nicht durch Weisungen der Aufsichtsbehörde gebunden ist (Art. 43 Abs. 3 VO zum AFG vom 20. Januar 1967, AFV). Wegweisend für sein Handeln sind ihm dabei einzig das Interesse der Anleger an einem für sie möglichst günstigen Ergebnis sowie die Sorgfalts- und Treuepflicht gegenüber der Aufsichtsbehörde bzw. dem Bund und gegenüber den Anlegern ( Art. 25 Abs. 1 AFG ; vgl. auch AMMON, a.a.O., S. 70). b) Unter welchen Voraussetzungen der Sachwalter seines Amtes enthoben werden kann bzw. abberufen werden muss, regelt das AFG nicht ausdrücklich. Doch überträgt Art. 43 Abs. 1 AFG der Aufsichtsbehörde allgemein die Pflicht, bei Gesetzes- oder Fondsreglementsverletzungen sowie sonstigen Missständen, die zur Herstellung des rechtmässigen Zustandes und zur Beseitigung der Missstände notwendigen Verfügungen zu erlassen. Dies gilt nicht nur gegenüber Fondsleitung und BGE 100 Ib 109 S. 111 Depotbank, sondern ganz allgemein und insbesondere gegenüber dem Sachwalter. Verletzt dieser in grober Weise seine Pflichten oder erweist er sich offensichtlich als unfähig, den ihm übertragenen Auftrag im Interesse der Anleger zu erfüllen, hat die Aufsichtsbehörde das zur Behebung dieser Missstände Notwendige, allenfalls die Abberufung des Sachwalters, zu veranlassen. Beim Entscheid über die Frage, ob schwere Pflichtverletzungen oder Unfähigkeit des Sachwalters vorliegen, ist der Aufsichtsbehörde ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Die Begriffe der schweren Pflichtverletzung und der Unfähigkeit sind unbestimmt. Das Bundesgericht übt bei der Überprüfung des diesbezüglichen Entscheids der Bankenkommission Zurückhaltung, weil die mit dem Wirtschaftsleben besser vertraute Bankenkommission eher in der Lage ist, im Einzelfall zu beurteilen, ob der Sachwalter pflicht- und sachgemäss gehandelt hat. Bei der Wahl der zur Behebung von allfälligen Missständen in der Sachwalterschaft geeigneten Massnahmen stellen sich der Aufsichtsbehörde auch Ermessensprobleme. So hat die Bankenkommission namentlich die Zweckmässigkeit der Abberufung eines Sachwalters während der Liquidation zu beurteilen. Den von der Aufsichtsbehörde diesbezüglich getroffenen Zweckmässigkeitsentscheid überprüft das Bundesgericht einzig auf Bundesrechtswidrigkeit, einschliesslich Missbrauch oder Überschreitung des Ermessens, nicht aber auch auf seine Angemessenheit ( Art. 104 OG ). Richtungsweisend für die Bestimmung solcher Massnahmen im einzelnen, allenfalls für eine Amtsenthebung des Sachwalters, können einzig die Interessen der Anleger sein. Bestehen daher Zweifel, ob der Sachwalter noch fähig ist, sein Amt im Interesse der Anleger zu erfüllen, oder werden von seiten der Anleger dem Sachwalter grobe Pflichtverletzung bzw. Unfähigkeit vorgeworfen, so hat die Aufsichtsbehörde eine Gesamtbeurteilung des bisherigen Handelns des Sachwalters vorzunehmen. Gestützt darauf hat sie abzuwägen, ob mit der Abberufung des Sachwalters und der Ernennung eines neuen Sachwalters den Interessen der Anleger gedient, d.h. besser gedient ist, als mit der Beibehaltung des bisherigen Sachwalters und der Erteilung bestimmter Weisungen hinsichtlich der künftigen Amtsführung. Jeder Wechsel in der Sachwalterschaft bringt nämlich Umtriebe, BGE 100 Ib 109 S. 112 Kosten und zahlreiche andere Nachteile mit sich, die - wenn immer möglich - im Interesse der Anleger vermieden werden sollten. Daraus ergibt sich die Pflicht der Aufsichtsbehörde, abzuklären, ob die Zweifel bzw. die von Anlegerseite geltend gemachten Vorwürfe hinsichtlich der Fähigkeit des Sachwalters und seiner bisherigen Amtsführung berechtigt sind. Dabei hat die Aufsichtsbehörde zunächst einen Vorentscheid zu treffen. Hält sie die Zweifel bzw. die erhobenen Vorwürfe nach Anhören des Sachwalters für begründet, so wird sie in der Regel die Revisionsstelle beauftragen, sich in einem zusätzlichen Revisionsbericht über die angebliche Verletzung der Treuepflicht zu äussern ( Art. 39 Abs. 1 lit. f AFV ). Die Revisionsstelle ist denn auch grundsätzlich geeignet, diesbezügliche Einzelheiten abzuklären. Hält die Aufsichtsbehörde die Vorwürfe der Anleger für nicht begründet bzw. wenig substantiiert und hegt sie selber keine Zweifel an der Fähigkeit des Sachwalters, so kann sie das Abberufungsbegehren aufgrund der ihr bekannten Aktenlage abweisen. Für ein allfälliges zivilgerichtliches Verantwortlichkeitsverfahren der Anleger gegen den Sachwalter ist damit nichts präjudiziert ( Art. 25 AFG ). c) Die Bankenkommission ist im vorliegenden Fall davon ausgegangen, die ihr zugänglichen Akten genügten, um eine Schadenersatzpflicht des Sachwalters mit einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit auszuschliessen. Die Beschwerdeführer sind anderer Ansicht. Sie halten dafür, die Bankenkommission habe den Tatbestand zu wenig abgeklärt und sei auf eine Reihe von Vorwürfen nicht eingetreten; namentlich habe sie eine Gesamtbeurteilung des Verhaltens des Sachwalters unterlassen. Es trifft zu, dass eine möglichst gründliche Abklärung der erhobenen Vorwürfe im Interesse der Anleger liegt. Doch ist gerade dann, wenn einzelne Anleger mit dem Sachwalter verfeindet erscheinen, darauf Bedacht zu nehmen, dass die Untersuchungen sich nicht in Einzelheiten verlieren. Soweit die Aufsichtsbehörde von der Fähigkeit des Sachwalters zur pflichtgemässen Amtsführung überzeugt ist, kann sie sich - ohne Verletzung von Bundesrecht - darauf beschränken, zu den von den Verzeigern konkret und begründet erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Ein Gleiches gilt für das bundesgerichtliche Verfahren, das sich nicht über die Fähigkeit des Sachwalters, sondern über die Rechtmässigkeit des Entscheids der Aufsichtsbehörde auszusprechen hat.
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Sachverhalt ab Seite 359 BGE 112 Ib 358 S. 359 Die Baugenossenschaft H. erhielt vom Stadtrat Zürich die Baubewilligung für den Umbau und die Renovation verschiedener Mehrfamilienhäuser sowie für den Aufbau eines zweiten Obergeschosses bei einzelnen Gebäuden. Für die Bauvorhaben auferlegte das Amt für Zivilschutz des Kantons Zürich der Baugenossenschaft H. auf der Grundlage des Bundesgesetzes über die baulichen Massnahmen im Zivilschutz (Schutzbautengesetz (BMG); SR 520.2) einen Ersatzbeitrag zur Abgeltung der Schutzraumbaupflicht. Mit einem Rekurs an den Regierungsrat des Kantons Zürich wandte sich die Baugenossenschaft H. erfolglos dagegen, dass die bloss renovierten Wohnungen bei der Berechnung der Zahl der abzugeltenden Schutzplätze miteinbezogen worden waren und dass für die Berechnung der Abgabe nicht von der Gesamtzahl der in allen Gebäuden erforderlichen Schutzplätze ausgegangen worden war. Eine gegen den Regierungsratsentscheid gerichtete Verwaltungsgerichtsbeschwerde heisst das Bundesgericht teilweise gut.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Gemäss Art. 22bis Abs. 1 BV ist für die Gesetzgebung auf dem Gebiete des Zivilschutzes ausschliesslich der Bund zuständig. Der Bund hat mit dem Schutzbautengesetz die Hauseigentümer verpflichtet, in allen üblicherweise mit Kellergeschossen versehenen Neubauten sowie bei wesentlichen Umbauten von Gebäuden mit Kellergeschossen private Schutzräume zu erstellen ( Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 BMG ). Den Kantonen wurde die Kompetenz zugewiesen, zu bestimmen, inwieweit für Bauten ohne Kellergeschoss bauliche Massnahmen zu treffen sind ( Art. 2 Abs. 2 BMG ). BGE 112 Ib 358 S. 360 Ferner können die Kantone in besonderen Fällen Ausnahmen von der Schutzraumbaupflicht anordnen. Ergeben sich daraus Einsparungen für die Hauseigentümer, so haben diese einen gleichwertigen Beitrag an die Erstellung von öffentlichen Zivilschutzbauten zu leisten ( Art. 2 Abs. 3 BMG ). Aufgrund der Kompetenzzuweisung in Art. 2 Abs. 3 BMG hat der Bundesrat in den Art. 5-7 der Verordnung über die baulichen Massnahmen im Zivilschutz (Schutzbautenverordnung (BMV); SR 520.21) Ausführungsbestimmungen über die Voraussetzungen der Erhebung, über die Berechnung und die Verwendung der Ersatzbeiträge erlassen. Der in Anwendung des Schutzbautengesetzes und der Schutzbautenverordnung ergangene Entscheid des Regierungsrates des Kantons Zürich stützt sich materiell auf öffentliches Recht des Bundes. Der Ersatzbeitrag wird gemäss Art. 6 Abs. 4 BMV in der Baubewilligung festgesetzt. Weder das Schutzbautengesetz noch die Schutzbautenverordnung enthalten Bestimmungen über die Zuständigkeit der kantonalen Behörden zum Erlass dieser Verfügung oder über bundesrechtlich vorgeschriebene Rechtsmittel. Art. 6 Abs. 5 BMV sieht einzig vor, dass bei Streitigkeiten über den Ersatzbeitrag die nach kantonalem Recht zuständige Behörde zu entscheiden habe. Eine Verwaltungsbeschwerde an das Bundesamt für Zivilschutz, an das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement oder an die Eidg. Rekurskommission für Zivilschutzangelegenheiten ist bei Streitigkeiten über Ersatzbeiträge der Hauseigentümer in den Art. 14 und 15 BMG nicht vorgesehen. Folglich ist davon auszugehen, dass nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege gegen den letztinstanzlichen kantonalen Entscheid über den Ersatzbeitrag die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig ist (Art. 97 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 98 lit. g OG ). Sie fällt unter keinen der Ausschlussgründe der Art. 99-101 OG ; sie geht zudem nach Art. 74 lit. a VwVG einer allfälligen Verwaltungsbeschwerde an den Bundesrat ( Art. 73 Abs. 1 lit. c VwVG ) vor. Eine Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich gegen den angefochtenen Regierungsratsentscheid ist nach § 49 des zürcherischen Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen ausgeschlossen. Der Regierungsratsentscheid ist somit kantonal letztinstanzlich. Auf die Beschwerde ist einzutreten. 3. Obwohl der Regierungsrat in seinem Beschluss davon ausgeht, die Pflicht zur Leistung des Ersatzbeitrages sei von der Beschwerdeführerin anerkannt und nur dessen Umfang und Höhe BGE 112 Ib 358 S. 361 bestritten, ist die - von der Baupflicht abhängige - Frage der Abgabepflicht von Amtes wegen zu prüfen. a) Nach Ansicht des Regierungsrates ist ein wesentlicher Umbau erfolgt. Der Regierungsrat stützt seine Feststellung auf Art. 2 Abs. 1 BMG und Art. 2 BMV . Zur Beurteilung der vorliegenden Beschwerde ist Art. 2 BMV in der Fassung vom 27. November 1978 massgeblich. Die am 30. September 1985 revidierte Fassung (AS 1985, S. 1672) ist nicht anwendbar auf eine Abgabe, die von der Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 8. Februar 1985 gefordert und am 6. März 1985 hinterlegt wurde, um mit dem Bau unverzüglich beginnen zu können. b) Nach Art. 2 Abs. 2 BMV gelten Umbauten als wesentlich, wenn die Baukosten 30% des Brandversicherungswertes des Gebäudes, mindestens jedoch das 50fache der durchschnittlichen Mehrkosten für einen Schutzplatz (kantonaler Gesamtdurchschnitt der privaten Schutzräume) übersteigen. Besteht keine Brandversicherung, so ist auf den Verkehrswert des Gebäudes abzustellen. Es erscheint fraglich, ob diese quantitativen Kriterien genügen, um einen Umbau als wesentlich im Sinne von Art. 2 Abs. 1 BMG ansehen zu können. Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung des Schutzbautengesetzes im Jahre 1963 eine umfassende Pflicht zum Bau von Schutzplätzen bei allen Umbauten von üblicherweise mit Kellergeschossen versehenen Gebäuden (vgl. Art. 2 Abs. 1 des bundesrätlichen Entwurfs, BBl 1962 II 712) ausdrücklich abgelehnt; er hat vielmehr die einschränkendere Fassung des Gesetzes gewählt und damit als Voraussetzung für die Schutzraumbaupflicht sowohl das Vorhandensein eines Kellers wie auch einen im Verhältnis zum ganzen Gebäude wesentlichen Umbau verlangt (Amtl.Bull. NR 1963, S. 408, vgl. auch S. 27 f.; StR 1963, S. 160 ff.). In diesem Zusammenhang wurde erwähnt, dass ein (An- und) Umbau nicht etwa schon wesentlich sei, wenn nur der Dachstock ausgebaut oder einzelne Zimmer eingebaut würden, sondern erst wenn im Verhältnis zum bisher vorhandenen ins Gewicht fallender neuer Wohnraum in grösserem Ausmass geschaffen wird (Amtl.Bull. NR 1963, S. 28 und 408; StR 1963, S. 161 f.). Dem Sinne des Gesetzes entspricht es folglich nicht, wenn als Umbau auch Veränderungen an bestehenden Wohnungen betrachtet werden, die - wie Duschen- oder Badezimmereinbau oder der Bau von Balkonen - keinen zusätzlichen Wohnraum schaffen, oder wenn die Kosten derartiger Verbesserungen bei der BGE 112 Ib 358 S. 362 Beurteilung der Wesentlichkeit in die Umbaukosten miteinbezogen werden. Der Gesetzgeber hatte nicht die Absicht, zeitgemässe Verbesserungen des bestehenden Wohnraums durch die Schutzraumbaupflicht zu erschweren. c) Aufgrund der Feststellungen der kantonalen Instanzen ist davon auszugehen, dass die Baukosten der Umbauten an den mit Kellergeschossen versehenen Gebäuden der Beschwerdeführerin die in Art. 2 Abs. 2 BMV umschriebenen Kostengrenzen übersteigen. Aus den Akten ist allerdings nicht ersichtlich, ob die im Verhältnis zu den anderen Bauvorhaben höheren Baukosten bei zwei Gebäuden möglicherweise auch die Kosten für den Duscheneinbau und den Balkonanbau im ersten Obergeschoss enthalten. Die Frage kann jedoch offenbleiben, da offensichtlich auch bei diesen Gebäuden die Kosten für das Aufstocken allein 30% des Bauwertes übersteigen. Im übrigen ist davon auszugehen, dass mit dem Bau je eines zweiten Obergeschosses zusätzlicher Wohnraum in bedeutendem und auch im Verhältnis zu den bestehenden Gebäuden wesentlichem Umfang geschaffen wird, folglich ein wesentlicher Umbau im Sinne von Art. 2 Abs. 1 BMG vorliegt. 4. Der Regierungsrat ging in seinem Entscheid davon aus, dass bei einem wesentlichen Umbau nicht nur für die neu geschaffenen oder erweiterten Wohnungen, sondern auch für die übrigen, vom Umbau nicht betroffenen Wohnungen eine Pflicht zum Bau von Schutzplätzen bestehe. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin beruht diese Rechtsauffassung auf einer unzutreffenden Auslegung von Art. 2 Abs. 2 und Art. 5 Abs. 2 BMV (in der Fassung 1978); für eine den Eigentümer derart belastende Abgabe bestehe keine gesetzliche Grundlage. a) Weder das Schutzbautengesetz noch die Schutzbautenverordnung enthalten ausdrückliche Bestimmungen darüber, welche Anzahl von Schutzplätzen der Hauseigentümer im Falle eines wesentlichen Umbaus zu erstellen oder durch einen Ersatzbeitrag abzugelten hat. Aus Art. 2 Abs. 2 BMV ergibt sich - entgegen der Auffassung des Regierungsrates - nicht zwingend, dass sich die Anzahl der zu erstellenden oder abzugeltenden Schutzplätze nach dem Wohnraum des gesamten Gebäudes bemisst. Der Bundesrat hat in Art. 2 Abs. 2 BMV lediglich die Absicht des Gesetzgebers verwirklichen wollen, wonach eine Schutzraumbaupflicht nur bei einem im Vergleich zum bestehenden Gebäude wesentlichen Umbauvorhaben entstehen soll. BGE 112 Ib 358 S. 363 b) In Art. 3 Abs. 1 BMV hat der Bundesrat die Anzahl der Pflichtschutzplätze für die verschiedenen Gebäudearten entsprechend ihrer Nutzung festgelegt. Daraus liesse sich zwar - wenn auch nicht zwingend - der Schluss herleiten, der Bundesrat habe auch bei einem wesentlichen Umbau den Bauherrn zum Bau von Schutzplätzen für das gesamte Gebäude verpflichten wollen. Auch die Protokolle der parlamentarischen Beratung im Jahre 1963 weisen darauf hin, dass es die Absicht des Gesetzgebers war, bei wesentlichen Umbauten die Schutzraumbaupflicht in gleichem Umfange wie bei Neubauten entstehen zu lassen. Dies entspricht ohne Zweifel dem Ziel, das mit dem Schutzbautengesetz verfolgt werden sollte; auch für die Bewohner älterer Häuser sollten bei einem wesentlichen Umbau Schutzräume geschaffen werden. Der Gesetzgeber ging im Jahre 1963 jedoch davon aus, dass der Bau von Schutzräumen in privaten Häusern mit Kellergeschoss nachträglich möglich sei und zu 80% von Bund, Kanton und Gemeinde finanziert werden sollte. Entsprechend hatte das Parlament die im bundesrätlichen Entwurf vorgesehene Erhebung eines Ersatzbeitrages bei den von der Baupflicht befreiten Hauseigentümern (BBl 1962 II 707 f., 713) ausdrücklich abgelehnt (Amtl.Bull. NR 1963, S. 29; StR 1963, S. 163). Die Ersatzbeitragspflicht wurde erst mit der Revision vom 7. Oktober 1977 ins Gesetz aufgenommen. Das Parlament hatte in der Zwischenzeit das Zivilschutzkonzept 1971 (vgl. BBl 1971 II 522 ff.) verabschiedet, das eine Ausdehnung der Schutzraumbaupflicht auf das ganze Landesgebiet forderte. Es war auch bekannt, dass der Bau kleiner privater Schutzräume wegen der hohen Sicherheitsanforderungen und wegen der schwierigen Organisation des Lebens in kleinen Räumen nicht die richtige Lösung und in besonders gefährdeten Gebieten (zum Beispiel in der Altstadt) gar nicht zweckmässig sein konnte (BBl 1976 III 354, 360 f.; vgl. auch den neu geschaffenen Art. 2 Abs. 4 BMG ). Die Ausdehnung der Schutzraumbaupflicht erforderte den vermehrten Bau von öffentlichen Schutzräumen; dies auch im Hinblick auf die neuartigen Gefahren, vor welchen der Bevölkerung ein nachträglich im Kellergeschoss eines Gebäudes eingerichteter Schutzraum nur schwer genügend Schutz bieten kann. Die Finanzierung dieser öffentlichen Schutzräume sollte zumindest teilweise durch die Erhebung von Ersatzbeiträgen bei den von der Baupflicht befreiten Grundeigentümern erfolgen. Durch eine Verminderung der Subventionen auf schliesslich 50% wurde gleichzeitig die finanzielle Belastung der Grundeigentümer erhöht. BGE 112 Ib 358 S. 364 Die mit diesen Neuerungen zusammenhängenden einschneidenden Verpflichtungen hätten den Gesetzgeber im Jahre 1977 veranlassen müssen, die Voraussetzungen und die Grundlagen für die Erhebung des Ersatzbeitrages - insbesondere bei Umbauten und dergleichen - eingehender zu regeln. Die aus dem Jahre 1978 stammende bundesrätliche Verordnung enthält zwar in Art. 3 Abs. 1 BMV eine Aufstellung der für die verschiedenen Arten von Gebäuden notwendigen Pflichtschutzplätze; sie stellt jedoch nicht klar, ob bei einem wesentlichen Umbau im Sinne von Art. 2 Abs. 1 BMG die Schutzplätze für das gesamte Gebäude oder bloss für den durch den Umbau gewonnenen Teil zu berechnen sind. c) Der Regierungsrat macht in seiner Vernehmlassung geltend, der Gesetzgeber habe die Baupflicht für jedes Gebäude selbständig geordnet; daraus ergebe sich sinngemäss, dass bei einem Umbau ein Schutzraum für die Bedürfnisse des ganzen Gebäudes zu errichten oder abzugelten sei. Aus der Formulierung von Art. 2 Abs. 1 BMG kann zwar der Schluss gezogen werden, dass die Schutzraumbaupflicht den Eigentümer jedes Grundstücks gesondert trifft. Der Grundeigentümer kann die ihm auferlegte Pflicht aber auch durch Beteiligung am Bau eines gemeinsamen Schutzraumes für mehrere Gebäude, selbst zusammen mit anderen Eigentümern, erfüllen. Solche gemeinsamen Schutzräume werden - entgegen dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 BMG ("in allen ... Neubauten") - durch das Schutzbautengesetz keineswegs ausgeschlossen, sondern können von den Behörden nach Art. 2 Abs. 4 BMG sogar angeordnet werden. Die zuständigen Behörden können deshalb den Bau gemeinsamer Schutzräume nicht verhindern, wenn sich damit der gesetzliche Zweck erreichen lässt und die dauernde Benützung der gemeinsamen Schutzräume durch die Bewohner der verschiedenen Gebäude sichergestellt ist. Aus den gesetzlichen Bestimmungen des Bundes lässt sich deshalb auch nicht zwingend ableiten, dass bei einem Umbau die Schutzplätze für die Gesamtzahl der Benützer des ganzen Gebäudes gebaut oder abgegolten werden müssen. d) Nach Art. 2 Abs. 1 BMV gelten Anbauten als Neubauten und Aufbauten als Umbauten. Daraus leitet die Verwaltungspraxis ab, dass bei einem Anbau an ein bestehendes Gebäude der Hauseigentümer nur für den zusätzlich geschaffenen Wohnraum, bei einem Umbau hingegen allenfalls für das gesamte bestehende Gebäude schutzraumbaupflichtig wird. Dem Wortlaut dieser Bestimmung lässt sich dies nicht ohne weiteres entnehmen. Die BGE 112 Ib 358 S. 365 Gesetzesmaterialien zeigen die Entstehung der ähnlichen ersten Verordnungsbestimmung vom 15. Mai 1964 ( Art. 1 Abs. 1 BMV ; AS 1964, S. 494): Die ursprünglich ausdrücklich im Gesetzestext erwähnten Anbauten sollten gleich wie Umbauten behandelt werden (BBl 1962 II 712; Amtl.Bull. NR 1963, S. 26; StR 1963, S. 160 f.). Die ständerätliche Kommission erwähnte in ihrer geänderten Fassung die Anbauten nicht mehr. Sie wollte jedoch nach der Darstellung ihres Berichterstatters hinsichtlich der Baupflicht keinen Unterschied zwischen Umbauten und Anbauten machen. Auch in der Fassung der nationalrätlichen Kommission, welcher der Ständerat schliesslich zustimmte, sind die Anbauten nicht erwähnt. Der Berichterstatter erklärte dazu allerdings in der Beratung: "Anbauten sind nicht mehr erwähnt. Sie sind Neubauten und fallen unter diesen Begriff..." (Amtl.Bull. NR 1963, S. 408). Dabei dachte der damalige Gesetzgeber, wie Art. 1 Abs. 1 und 2 BMV in der ersten Fassung vom 15. Mai 1964 zeigt, aber wohl nur an die Voraussetzung der Schutzraumbaupflicht, die - wie beim Neubau - entstehen sollte, wenn der Anbau üblicherweise unterkellert ist. Mit dem Schutzbautengesetz sollte ursprünglich der Bau von Schutzräumen in privaten Liegenschaften möglichst umfassend verwirklicht werden. Entsprechend dieser Zielsetzung scheint es nicht verständlich, wenn ausgerechnet bei einem Anbau zur Erweiterung des Wohn- und Geschäftsraumes des bestehenden Gebäudes, wo der Einbau von Schutzräumen durch eine geeignete Unterkellerung verwirklicht werden kann, der Eigentümer zum Bau von Schutzräumen nur für die Bewohner des Anbaus, nicht aber für das ganze Gebäude verpflichtet sein sollte. Im Keller einer bestehenden Liegenschaft dagegen dürfte die Errichtung eines den heutigen Anforderungen entsprechenden Schutzraumes, wenn nicht schon technisch unmöglich, so doch regelmässig mit einem unverhältnismässigen Aufwand verbunden sein, kann doch der Hauseigentümer nur insoweit zum Bau eines Schutzraumes verpflichtet werden, als die anerkannten Mehrkosten der vorgeschriebenen Schutzplätze 5% der Baukosten für den An- oder Umbau - und nicht für das ganze Gebäude - nicht übersteigen ( Art. 8 Abs. 1 BMG ; Art. 5 Abs. 1 BMV ). Es ist sodann nicht nur dem Ziel des Schutzbautengesetzes zuwiderlaufend, sondern es führt vor allem auch zu einer unerträglichen rechtsungleichen Behandlung der Eigentümer von bestehenden - insbesondere von älteren - Gebäuden ohne Schutzraum im Kellergeschoss, wenn sie bei jeder Erweiterung durch einen BGE 112 Ib 358 S. 366 Anbau einen Schutzraum, nur für die Bewohner des Anbaus allein, zu errichten oder abzugelten haben, hingegen bei einer umfangmässig gleichen Erweiterung durch einen Umbau oder Aufbau entweder gar nicht oder gleich für die Bewohner des ganzen Gebäudes. Diese Überlegungen und das Bemühen um eine verfassungsmässige Auslegung lassen es nicht zu, dass aus der erwähnten Verordnungsbestimmung eine Regel zur Festsetzung des Umfangs der Schutzraumbaupflicht hergeleitet wird. Um Rechtsungleichheiten zu vermeiden, ist es, mangels einer klaren gesetzlichen Regelung, vorzuziehen, den Umfang der Schutzraumbaupflicht bei einem Umbau auf den neu geschaffenen Raum zu beschränken. Vom Ziel des Gesetzes her wäre damit zwar nicht alles erreicht, was bei Umbauten und Anbauten an bestehenden Gebäuden eigentlich wünschbar wäre, doch hätte der Gesetzgeber dies eher in Kauf nehmen können, als eine unerträglich rechtsungleiche und dem Ziel des Gesetzes geradezu widersprechende Ordnung einzuführen. 5. Die zurückhaltende Auslegung, wonach bei einem wesentlichen Umbau Pflichtschutzplätze nur für den neu geschaffenen Wohnraum zu errichten oder abzugelten sind, drängt sich auch unter dem Blickwinkel der für die Erhebung des Ersatzbeitrages notwendigen gesetzlichen Grundlage auf. a) Art. 2 Abs. 3 BMG ist - entsprechend dem ursprünglichen Zweck des Schutzbautengesetzes - immer noch so formuliert, als ob die Abgeltung der Schutzraumbaupflicht in Geld eine Ausnahme wäre. In der Praxis verhält es sich jedoch bei Umbauten und teilweise auch bei Neubauten gerade umgekehrt. Der nachträgliche Einbau eines Schutzraumes nach den geltenden Technischen Weisungen des Bundesamtes für Zivilschutz (TWP 1984) wird mit Rücksicht auf die geforderte Stärke und Armierung der Stahlbeton-Decken, -Wände und -Böden sowie der Fluchtwege in einem bestehenden Gebäude aus technischen aber auch aus Kostengründen (mit einem Aufwand von immerhin 5% der Baukosten) nur selten überhaupt möglich sein. In besonders gefährdeten Gebieten vermag selbst bei Neubauten der Einbau eines privaten Schutzraumes nach den heutigen Erkenntnissen seinen Zweck nicht zu erfüllen (vgl. Art. 4 Abs. 1 lit. b BMV in der Fassung vom 30. September 1985; AS 1985, S. 1673). In diesen Fällen kommt folglich nur die Erhebung eines Ersatzbeitrages in Frage. Diese Verlagerung des Schwergewichtes von der Baupflicht zur Ersatzbeitragspflicht hat jedoch bis anhin weder den Gesetzgeber BGE 112 Ib 358 S. 367 noch den Verordnungsgeber dazu veranlasst, den gemäss Art. 2 Abs. 3 BMG zu erhebenden Ersatzbeitrag durch ausdrückliche Vorschriften näher zu bestimmen. b) Nach Art. 2 Abs. 3 BMG handelt es sich beim Ersatzbeitrag um einen Beitrag an die Erstellung von öffentlichen Zivilschutzbauten. Der Ersatzbeitrag ist vor Baubeginn zu entrichten ( Art. 6 Abs. 4 BMV ). Weitere Ausführungsvorschriften erliess der Bundesrat bisher nicht. Für die Beitragspflicht soll offenbar ohne Bedeutung sein, ob für die abzugeltenden Pflichtschutzplätze in der fraglichen Gemeinde ein öffentlicher Schutzraum besteht, in Ausführung begriffen oder geplant ist. Trotz seiner Bezeichnung ist der "Beitrag" deshalb nicht ohne weiteres als eine eigentliche Vorzugslast zu betrachten, d.h. als ein Beitrag an Leistungen der Gemeinde oder des Kantons, aus denen dem Hauseigentümer ein Sondervorteil erwächst. Mit einer Vorzugslast hat der "Beitrag" nach Art. 2 Abs. 3 BMG gemeinsam, dass dem Hauseigentümer eigene Leistungen erspart bleiben, jedoch soll er nicht Leistungen geniessen, die mit seiner Ersparnis (Mehrwertersatzprinzip) oder deren Kosten für das Gemeinwesen mit den geleisteten "Beiträgen" verglichen werden könnten (Kostendeckungsprinzip). Der "Beitrag" im Sinne von Art. 2 Abs. 3 BMG könnte als Ersatzabgabe angesehen werden. Er wird vor allem der rechtsgleichen Behandlung wegen von den von der Schutzraumbaupflicht befreiten Hauseigentümern erhoben und nach ihrer Ersparnis an Baukosten bemessen. Allenfalls könnte es sich beim "Beitrag" auch um eine Sondersteuer handeln; die Praxis hat dies auch schon bei Feuerwehrersatzabgaben angenommen ( BGE 102 Ia 14 E. 6). Für eine Qualifikation als Steuer spricht der Lenkungscharakter, den die Abgabe für den privaten Schutzraumbau haben soll (vgl. BBl 1976 III 360). Allerdings wird sie nicht voraussetzungslos von allen Eigentümern von Häusern ohne Schutzräume - bei jedem Umbau oder Neubau schlechthin - erhoben (vgl. BGE 102 Ia 183 E. 1). Die Frage nach der Rechtsnatur der Abgabe kann jedoch offenbleiben. Der Ersatz"beitrag" bedarf auf jeden Fall einer Grundlage in einem formellen Gesetz ( BGE 97 I 803 E. 6c und 7; vgl. auch VALLENDER, Grundzüge des Kausalabgaberechts, Bern 1976, S. 152 f.). c) Die gesetzliche Grundlage einer Abgabe kann auch in einer Verordnung enthalten sein, welche die Exekutive gestützt auf die in einem formellen Gesetz aufgestellten Grundsätze (über Person, BGE 112 Ib 358 S. 368 Gegenstand und Bemessungsgrundlage) im Rahmen ihrer allgemeinen Vollzugskompetenz oder aufgrund einer besonderen Delegation des Gesetz- oder Verfassungsgebers erlassen hat. Handelt es sich um eine bundesrätliche Verordnung, so kann das Bundesgericht zufolge der ihm auferlegten Bindung an die Bundesgesetze und allgemeinverbindlichen Bundesbeschlüsse (Art. 113 Abs. 3 und 114bis Abs. 3 BV) nach ständiger Praxis auf Verwaltungsgerichtsbeschwerde hin nur prüfen, ob der Bundesrat die ihm in der gesetzlichen Delegationsvorschrift gesetzten Grenzen der selbständigen Rechtsetzung nicht überschritten hat und, soweit die Delegationsvorschrift den Bundesrat nicht zur Abweichung von der Verfassung ermächtigt, ob seine Verordnungsbestimmungen verfassungsmässig sind ( BGE 109 Ib 288 E. 2a mit Hinweisen). Hinsichtlich der näheren Ausgestaltung des "Beitrags" kann sich die bundesrätliche Verordnung auf die Delegationsvorschrift in Art. 2 Abs. 3 BMG stützen. Diese ermächtigt zwar nicht zum Abweichen von der Verfassung, doch hat der Bundesrat in einem weiten Bereich freies Ermessen. Das Bundesgericht hat dieses bei seiner Prüfung zu respektieren; es darf nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen ( BGE 109 Ib 288 E. 2a). Hinsichtlich der Schutzraumbaupflicht bei einem Umbau und ihres Umfangs, aus denen sich die vom Eigentümer abzugeltende Ersparnis ( Art. 2 Abs. 3 Satz 1 BMG ) ergibt, kann sich die bundesrätliche Verordnung hingegen nur auf die Zuständigkeit zum Erlass der notwendigen Ausführungsbestimmungen nach Art. 19 Abs. 1 BMG stützen. Diese allgemeine Ausführungskompetenz belässt dem Bundesrat bezüglich technischer Fragen zwar einen vom Bundesgericht zu respektierenden Ermessensspielraum; davon abgesehen kann das Bundesgericht in diesem Bereich die Ausführungsvorschriften auf ihre Übereinstimmung mit dem Gesetz jedoch frei überprüfen. d) Die Erwägungen unter Ziff. 4 lit. d haben gezeigt, dass die Vorschriften der bundesrätlichen Verordnung nach der Auslegung des zürcherischen Regierungsrates und des Bundesamtes für Zivilschutz hinsichtlich des Umfangs des bei einem Umbau zu errichtenden Schutzraumes unzulänglich sind und sich daraus vom Gesetzgeber kaum gewollte ungleiche Belastungen der Hauseigentümer ergeben. Seit der Gesetzgeber die Bundessubventionen an den privaten Schutzraumbau bei der Revision des Art. 5 Abs. 1 BMG vom 20. Juni 1980 (in Kraft seit 1. Januar 1981) gänzlich BGE 112 Ib 358 S. 369 abgeschafft hat und auch die Kantone und Gemeinden nicht länger verpflichtet sind, Subventionen auszurichten, ist die finanzielle Belastung der privaten Hauseigentümer - verglichen mit derjenigen beim Erlass des Schutzbautengesetzes im Jahre 1964 - um ein Mehrfaches grösser geworden. Sie kann - selbst wenn sie nur nach dem Umfang des neu geschaffenen Wohnraumes berechnet wird - im Kanton Zürich nach der seit dem 1. Januar 1981 geltenden Skala bis zu Fr. 1'250.-- für das durch Umbau gewonnene Zimmer (pro Schutzplatz) erreichen. Würde - entsprechend dem angefochtenen Regierungsratsbeschluss - bei einem Umbau die Schutzraumbaupflicht die für das ganze Gebäude nötige Schutzplatzzahl umfassen, könnte sie sich noch um ein Vielfaches erhöhen. Selbst bei genossenschaftlichem Wohnungsbau des bescheidenen Standards, wie ihn teilweise die Blöcke der Beschwerdeführerin aufweisen, würde sich eine finanzielle Belastung von Fr. 3'020.-- pro gewonnenes Zimmer ergeben. Bei einer Abgabe in dieser Grössenordnung wirkt sich die mit sachlichen Gründen nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung der Hauseigentümer - von Gebäuden mit oder ohne Kellergeschoss, bei Umbau oder Anbau - unter dem Blickwinkel von Art. 4 BV unerträglich aus. Unter diesen Umständen rechtfertigt es sich, die Vorschriften der bundesrätlichen Verordnung hinsichtlich der Zahl der abzugeltenden Schutzplätze zurückhaltend auszulegen und den Umfang der Schutzraumbaupflicht im Sinne der Erwägungen unter Ziff. 4 lit. d auf den durch den Umbau gewonnenen Raum zu beschränken. Entsprechend ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde grundsätzlich zu schützen und der angefochtene Regierungsratsbeschluss, soweit darin die Anzahl der abzugeltenden Schutzplätze festgelegt wird, aufzuheben. 6. Die Beschwerdeführerin verlangt unter Ziff. 3 ihres Rechtsbegehrens, dass die Ersatzabgabe für diese geringere Zahl von Schutzplätzen in ihren verschiedenen durch Aufstockung erweiterten Wohngebäuden nach den durchschnittlichen Mehrkosten zu berechnen sei, die beim Bau eines einzigen Schutzraumes anfallen würden. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf den Umstand, dass das Gesetz den Gebäudebegriff meistens in der Mehrzahl verwende. Zudem sei bezüglich der Grösse des Schutzraumes auf denjenigen Schutzraum abzustellen, der bei einer effektiven Baupflicht in der konkreten Situation mutmasslich erstellt würde; dies sei bei Gesamtüberbauungen ein einheitlicher Schutzraum. BGE 112 Ib 358 S. 370 a) Art. 2 Abs. 1 BMG ist sowohl hinsichtlich des Begriffs der Hauseigentümer als auch der Gebäude in der Mehrzahl formuliert; die Beschwerdeführerin kann folglich aus dem in der Mehrzahl verwendeten Gebäudebegriff nichts für sich herleiten. b) Auch hinsichtlich der relevanten Schutzraumgrösse fehlt es in der Schutzbautenverordnung an einer ausdrücklichen Regelung. Wohl sieht Art. 6 Abs. 1 BMV vor, dass die Mehrkosten pro Schutzplatz, denen die Ersatzabgabe gleichwertig sein soll, vom Kanton (alljährlich) "für die verschiedenen Schutzraumgrössen" zu ermitteln sind, sich die Abgabe pro Schutzplatz folglich nach der Grösse des Schutzraumes richtet, dessen Baukosten sich der Eigentümer erspart. Art. 6 Abs. 1 BMV enthält jedoch keine Vorschrift darüber, welche Schutzraumgrösse der Berechnung zugrunde zu legen ist, wenn der Eigentümer verschiedener Gebäude diese gleichzeitig umbaut und seine Schutzraumbaupflicht durch die Erstellung eines einzigen Schutzraumes für alle Gebäude erfüllen könnte (vgl. E. 4c). Immerhin ist Art. 6 Abs. 1 BMV aber sinngemäss zu entnehmen, dass es sich um die auf das einzelne umgebaute Gebäude bezogene Schutzraumgrösse handeln muss. c) Diese Auslegung ergibt sich aus dem Zusammenhang der gesetzlichen Vorschriften über die Baupflicht mit dem an deren Stelle tretenden Ersatzbeitrag (Ersatzabgabe, ev. Sondersteuer), dessen Umfang sich nach der Baupflicht richtet. Die Baupflicht trifft den Hauseigentümer für ein bestimmtes Gebäude ( Art. 2 Abs. 1 BMG ); sie kann für verschiedene Gebäude, deren Eigentumsverhältnisse während und nach dem Bau verschieden sein können, nur gesondert bestimmt werden. Art. 2 Abs. 4 BMG erlaubt bloss, diese Baupflicht allenfalls durch die Erstellung eines gemeinsamen Schutzraumes für mehrere Gebäude zu erfüllen. Dies kann unter Umständen dazu führen, dass dem Hauseigentümer die Erfüllung der Baupflicht in der Form einer Beteiligung an einem gemeinsamen Schutzraum aus Kostengründen zugemutet werden kann und gegenüber ihm erzwingbar wird, während von ihm der Bau eines kleineren - verhältnismässig teureren - Schutzraumes wegen der Kostenbegrenzung ( Art. 8 Abs. 1 BMG und Art. 5 BMV ) nicht verlangt werden könnte. Der Ersatzbeitrag soll den Einsparungen des Hauseigentümers gleichwertig sein ( Art. 2 Abs. 3 BMG ). Selbst wenn sich bei der Erfüllung der Baupflicht für den Hauseigentümer die Möglichkeit ergäbe, durch die Beteiligung an einem gemeinsamen Schutzraum ( Art. 2 Abs. 4 BMG ) Einsparungen zu erzielen, so ist - wenn er BGE 112 Ib 358 S. 371 von der Baupflicht befreit wird - deswegen seine Einsparung nicht geringer. Es wäre geradezu widersprüchlich, der Bemessung des Ersatzbeitrages (nach der erzielten Einsparung) einen Anteil an Baukosten eines gemeinsamen Schutzraumes zugrunde zu legen, an dessen Erstellung er sich für die Bewohner seines Hauses gar nicht beteiligt. Eine gegenteilige Lösung könnte im übrigen schwerlich nur bei mehreren vom gleichen Eigentümer umgebauten oder neu erstellten benachbarten Gebäuden Anwendung finden, da Art. 2 Abs. 4 BMG die Erstellung eines gemeinsamen Schutzraumes von mehreren Eigentümern verschiedener Gebäude nicht ausschliesst; es würde aber zu schwierigen Abgrenzungen und vor Art. 4 Abs. 1 BV nicht haltbaren ungleichen Belastungen führen, wenn der Eigentümer eines einzigen Gebäudes allenfalls verlangen könnte, dass seine Ersatzleistung nach den Schutzplatzkosten in einem gemeinsamen Schutzraum bemessen würde. d) Die Berechnung des Ersatzbeitrages auf der Grundlage der Schutzplatzkosten für den in jedem einzelnen Gebäude an sich erforderlichen Schutzraum erweist sich auch im Falle der Beschwerdeführerin als sachgerecht. Würden nämlich - wie die Beschwerdeführerin es verlangt - die Kosten für einen einzelnen Schutzplatz aufgrund der Schutzraumgrösse für die Gesamtzahl der durch den Umbau erforderlichen Schutzplätze berechnet, würde sie die Ersatzabgabe für einen rein theoretischen Schutzraum leisten, der für ihre Genossenschaftsüberbauung aus praktischen Gründen nicht in Frage kommt. In diesem Punkt verdient ihre Verwaltungsgerichtsbeschwerde daher keinen Schutz; das Rechtsbegehren unter Ziff. 3 ist abzuweisen.
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Sachverhalt ab Seite 387 BGE 138 V 386 S. 387 A. W. und C. sowie die zwei in ihrem Haushalt lebenden minderjährigen Kinder werden von der Gemeinde X . mit wirtschaftlicher Hilfe unterstützt. In der Zeit vom 17. Januar bis 8. April 2011 und vom 4. Mai bis 31. Juli 2011 nahm C . an beruflichen Integrationsprogrammen der Invalidenversicherung teil. Die während der Dauer der Eingliederungsmassnahmen entrichteten Taggelder trat die IV-Stelle dem Sozialdienst X . ab. Aufgrund dieser zusätzlichen Einnahmen ergab sich im Sozialhilfebudget in den Monaten März und April 2011 ein Einnahmenüberschuss in Höhe von Fr. 635.-bzw. Fr. 176.-. Am 15. März 2011 ersuchten W. und C. die Fürsorgebehörde der Gemeinde X . (nachfolgend: Fürsorgebehörde) um Auszahlung der Überschüsse. Mit Entscheid vom 25. Mai 2011 trat die Fürsorgebehörde auf das Gesuch vom 15. März 2011 nicht ein. Zur Begründung führte sie aus, bei den Taggeldern handle es sich nicht um Rentenleistungen, sondern um Lohnersatz, welcher analog der Praxis bei unregelmässigem Erwerbseinkommen unter Berücksichtigung der gesamten Unterstützungsperiode mit Leistungen der Sozialhilfe zu verrechnen sei. Den von W. und C. dagegen erhobenen Rekurs wies der Bezirksrat Bülach am 6. Oktober 2011 ab. Der Aufsichtsbeschwerde leistete dieser in Form eines Hinweises Folge. Das zugleich gestellte Gesuch um Beiordnung eines Anwalts als unentgeltlichen Rechtsbeistand wurde bewilligt. B. Gegen diesen Entscheid gelangten W. und C. an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, welches die Beschwerde am 27. Februar 2012 abwies. Ebenso wies dieses das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters für das gerichtliche Beschwerdeverfahren ab. C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lassen W. und C. beantragen, es sei ihnen der durch Taggeldleistungen der Invalidenversicherung zustande kommende Einnahmenüberschuss auszurichten; eventualiter sei ihnen die unentgeltliche Rechtspflege für das Verfahren vor dem kantonalen Verwaltungsgericht zu gewähren. Zudem wird um unentgeltliche Rechtspflege für das letztinstanzliche Verfahren ersucht. Des Weitern verlangen sie einen zweiten Schriftenwechsel. Die Fürsorgebehörde schliesst auf Abweisung der Beschwerde. BGE 138 V 386 S. 388
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Streitig und zu prüfen ist, ob ein Anspruch auf Auszahlung des durch die Ausrichtung von IV-Taggeldern im Sozialhilfebudget entstandenen Überschusses besteht. 3.1 Das kantonale Gericht hat erwogen, die Zulässigkeit einer Verrechnung setze voraus, dass für den gleichen Zeitraum Sozialhilfe- und Invalidenversicherungsleistungen fliessen müssten (zeitliche Kongruenz) und eine sachliche Kongruenz der miteinander indirekt zu verrechnenden Leistungen gegeben sei. Es hat den Entscheid der Verwaltung geschützt, da mit der Berücksichtigung der gesamten Zeitspanne des Sozialhilfebezugs als einheitliches Ganzes die Kongruenz gewahrt bleibe. Gemäss Beschwerde ist diese Betrachtungsweise rechtswidrig und stattdessen auf eine monatliche Beurteilungsperiode abzustellen. Die Fürsorgebehörde sieht demgegenüber eine längere Zeitspanne vor, um beurteilen zu können, ob sich die wirtschaftliche Lage der Unterstützungsgemeinschaft mit Blick auf das seit Januar 2011 neu hinzugetretene, jedoch je nach Anzahl der Eingliederungstage monatlich unterschiedlich hoch ausgefallene IV-Taggeld des Beschwerdeführers stabilisiert hat. 3.2 In den Erwägungen des angefochtenen Entscheids wird auf Art. 22 ATSG (SR 830.1) und Art. 85 bis IVV (SR 831.201) verwiesen. Es gilt daher zunächst festzuhalten, dass es sich bei Taggeldern der Invalidenversicherung um nachträglich ausgerichtete Leistungen oder um Zahlungen handeln kann, die laufend eingehen. Nachzahlungen von Leistungen des Sozialversicherers können an die öffentliche Fürsorge abgetreten werden, soweit diese Vorschusszahlungen leistet ( Art. 22 Abs. 2 lit. a ATSG ). Sofern die notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind, können die Nachzahlungen mit der ausgerichteten Sozialhilfe verrechnet werden. Da die IV-Taggelder vorliegend nicht nachgezahlt, sondern laufend ausgerichtet wurden, geht es hier nicht um die Verrechenbarkeit erbrachter Sozialhilfe mit abgetretenen Sozialversicherungsleistungen. Auch Art. 85 bis Abs. 1 IVV , welcher die Nachzahlung an Dritte zum Gegenstand hat, die im Hinblick auf eine Rente der Invalidenversicherung Vorschussleistungen erbracht haben, und bei rückwirkend ausgerichteten Taggeldern sinngemäss Anwendung findet ( BGE 128 V 108 ), ist für die hier interessierenden Belange nicht massgebend. Nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet zudem die Frage, ob die Voraussetzungen zur Abtretung der laufenden IV-Taggelder an die Sozialhilfebehörde vorlagen BGE 138 V 386 S. 389 (vgl. Art. 20 ATSG und § 19 Abs. 1 des Sozialhilfegesetzes des Kantons Zürich vom 14. Juni 1981 [SHG; LS 851.1]). 4. 4.1 Gemäss § 1 Abs. 1 SHG sorgen die politischen Gemeinden nach Massgabe dieses Gesetzes für die notwendige Hilfe an Personen, die sich in einer Notlage befinden. Laut § 2 desselben Gesetzes richtet sich die Hilfe nach den Besonderheiten und Bedürfnissen des Einzelfalls und den örtlichen Verhältnissen (Abs. 1). Sie berücksichtigt andere gesetzliche Leistungen sowie die Leistungen Dritter und sozialer Institutionen (Abs. 2). Wer für seinen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen mit gleichem Wohnsitz nicht hinreichend oder nicht rechtzeitig aus eigenen Mitteln aufkommen kann, hat Anspruch auf wirtschaftliche Hilfe (§ 14 SHG). Zu den eigenen Mitteln gehören nach § 16 Abs. 2 der Verordnung vom 21. Oktober 1981 zum Zürcher Sozialhilfegesetz (SHV; LS 851.11) alle Einkünfte und das Vermögen (a.) der hilfesuchenden Person, (b.) des Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder des eingetragenen Partners dieser Person, sofern sie nicht getrennt leben. § 17 Abs. 1 SHV verweist für die Bemessung der wirtschaftlichen Hilfe auf die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS-Richtlinien) in der Fassung der 4. überarbeiteten Ausgabe April 2005 mit den Ergänzungen 12/05, 12/07, 12/08 und 12/10. Zudem erlässt die Sicherheitsdirektion Weisungen über die Anwendung der SKOS-Richtlinien (§ 17 Abs. 3). Nach § 30 Abs. 1 SHV plant die Fürsorgebehörde unter Mitwirkung des Hilfesuchenden die notwendige Hilfe. Der Hilfeplan umfasst: (a.) die zur Verbesserung der gegenwärtigen und Abwendung künftiger Notlagen erforderlichen Massnahmen, (b.) eine Bedarfsrechnung, in der das soziale Existenzminimum ermittelt und die anrechenbaren eigenen Mittel des Hilfesuchenden festgestellt werden, (c.) Angaben über Art, Umfang und Dauer der vorgesehenen Hilfe. Aus Abs. 2 ergibt sich, dass die Hilfe veränderten Verhältnissen angepasst wird. 4.2 Aufgrund des in der Sozialhilfe geltenden Subsidiaritätsprinzips (vgl. dazu SKOS-Richtlinien, Ausgabe 2005, A.4), wonach wirtschaftliche Hilfe prinzipiell nur gewährt wird, wenn der Einzelne keinen Zugang zu einer anderweitigen, zumutbaren Hilfsquelle hat (vgl. auch §§ 2 Abs. 2 und 14 SHG sowie § 16 Abs. 2 SHV), sind die verfügbaren Einkommen den anrechenbaren Ausgaben gegenüberzustellen. Zu den sozialhilferechtlich relevanten Einkünften zählen nebst dem Erwerbseinkommen auch laufend eingehende Leistungen wie BGE 138 V 386 S. 390 AHV- und IV-Renten, Arbeitslosenunterstützung oder andere Versicherungstaggelder (CLAUDIA HÄNZI, Die Richtlinien der schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe, 2011, S. 388 f.). Ob es sich bei den laufenden Versicherungsleistungen um Taggelder oder Renten handelt, ist in diesem Zusammenhang nicht massgebend. Auf die von der Verwaltung vorgenommene Abgrenzung ist daher nicht näher einzugehen. 4.3 Die Frage der Anrechenbarkeit von Einkünften und somit auch der hier interessierenden Taggelder der Invalidenversicherung stellt sich im sozialhilferechtlichen Sinne so lange, als sich die bedürftige Person in einer Notlage befindet (§ 1 SHG). Reichen die eigenen Mittel der Hilfe suchenden Person für ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familienangehörigen aus, wird keine wirtschaftliche Hilfe mehr gewährt (§ 14 SHG und § 16 Abs. 1 SHV e contrario). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die laufenden Sozialversicherungsleistungen höher ausfallen als die geleistete Sozialhilfe (vgl. SKOS-Richtlinien, A.6). 4.4 4.4.1 Eine besondere Problematik ergibt sich, wenn eine unterstützte Person Einkommen erzielt, das nicht immer den effektiven sozialhilferechtlichen Bedarf zu decken vermag, indem dieses im einen Monat höher als die Sozialhilfe ausfällt und im anderen Monat ein Fehlbetrag bleibt. Bei solchen Sachverhalten ist entscheidend, für welchen Zeitraum die Bedürftigkeit beurteilt wird und wann gesagt werden kann, die Verhältnisse hätten sich so geändert, dass die Hilfe angepasst oder eingestellt werden muss (§ 30 SHV). Dabei kann es zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, je nachdem, ob die Prüfung monatlich erfolgt oder ob eine Gesamtperiode berücksichtigt wird. 4.4.2 Das vom Kantonalen Sozialamt Zürich herausgegebene Sozialhilfe-Behördenhandbuch - auf welches insbesondere die Fürsorgebehörde verweist - sieht vor, dass, wenn eine unterstützte Person über ein unregelmässiges, nicht immer den tatsächlichen Bedarf deckendes Einkommen (durch Gelegenheitsarbeiten, Teilzeit, Stundenlohn etc.) verfügt und daher auf Unterstützung angewiesen ist, bei der Verrechnung der Sozialhilfe mit den Einnahmen von der gesamten Unterstützungsperiode auszugehen ist, während der ein Einkommen erzielt worden ist. Geprüft werden muss auch, ob eine Ablösung vorgenommen und die Unterstützung eingestellt werden darf, wenn die monatlichen Schwankungen mit einem Vermögen in der Höhe des BGE 138 V 386 S. 391 Vermögensfreibetrages gemäss den SKOS-Richtlinien ausgeglichen werden kann (Sozialhilfe-Behördenhandbuch, Fassung vom Dezember 2010, Kap. 2.5.1 S. 153 Ziff. 14). Dies empfiehlt auch die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (ZeSo 1999 S. 192). 4.4.3 Die Richtlinienkommission der SKOS hat sich zudem dazu geäussert, ob der Sozialhilfeempfänger Anspruch auf den Überschuss der IV-Taggelder hat (BERNADETTE VON DESCHWANDEN, IV-Taggelder: Hat der Klient Anspruch auf den Überschuss?, ZESO 1/2012 S. 8). Danach sind bei laufenden, variablen Einnahmen die Einnahmenüberschüsse im Folgemonat anzurechnen. Liegt das durchschnittliche Einkommen über dem sozialen Existenzminimum, ist die Unterstützung zu beenden. Diese Empfehlung gehört allerdings nicht zu den gemäss Verweis in § 17 Abs. 1 SHV zu berücksichtigenden Richtlinien. 4.5 Nach dem in E. 4.3 hievor Gesagten ist es nicht bundesrechtswidrig und bedeutet insbesondere keine willkürliche Auslegung und Anwendung ( Art. 9 BV ) der Bestimmungen des zürcherischen Sozialhilferechts, wenn die Überschussabrechnung nicht monatlich erfolgt. Wie lange die Zeitspanne zulässigerweise dauern darf, ist hier nicht zu beurteilen. Denn wie nachfolgend zu zeigen ist, bietet der vorliegende Fall keinen Anlass zur Bestimmung des genauen Abrechnungszeitraumes.
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Sachverhalt ab Seite 593 BGE 133 V 593 S. 593 A. Mediante decisione del 24 agosto 2005, confermata con provvedimento formale del 23 gennaio 2006, pronunciato in seguito all'opposizione presentata da G., patrocinata dall'avv. Amos Pagnamenta, la Cassa di disoccupazione del Cantone Ticino ha sospeso l'assicurata, alla ricerca di un'attività al 100 % dal 13 giugno 2005, dal diritto all'indennità di disoccupazione per la durata di 31 BGE 133 V 593 S. 594 giorni, in quanto la disdetta del contratto di lavoro da parte del T. era riconducibile a sua colpa. B. Contro il provvedimento su opposizione G., sempre rappresentata dall'avv. Pagnamenta, si è aggravata al Tribunale delle assicurazioni del Cantone Ticino, il cui Presidente, dopo avere esperito alcuni accertamenti, in particolare sentito i testi M., segretario amministrativo del T., e G., segretario generale dello stesso ente, ha stralciato la causa dai ruoli per intervenuta transazione, consistente nella riduzione del periodo di sospensione da 31 a 18 giorni, che, nota alle parti, è stata omologata (decreto dell'8 maggio 2006). C. Il Segretariato di Stato dell'economia (seco) ha interposto ricorso di diritto amministrativo al Tribunale federale delle assicurazioni (dal 1° gennaio 2007: Tribunale federale), al quale chiede in via principale l'annullamento del giudizio cantonale ed in via subordinata il rinvio dell'incarto all'autorità inferiore per decidere nel merito. (...) La Cassa si rimette al giudizio di questa Corte, G., ancora rappresentata dall'avv. Pagnamenta, propone di respingere il gravame, mentre il Presidente del Tribunale cantonale si esprime sulla legittimità della propria prassi in ambito di transazioni giudiziarie. A sua volta il seco ha esposto la propria opinione in merito.
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Erwägungen Dai considerandi: 4. 4.1 Giusta l' art. 50 cpv. 1 LPGA , le controversie nell'ambito delle assicurazioni sociali possono essere composte con transazione. Per il capoverso 2, l'assicuratore è tenuto a comunicare la transazione sotto forma di decisione impugnabile, mentre il capoverso 3 prevede che i capoversi 1 e 2 sono applicabili per analogia alla procedura di opposizione e nella procedura di ricorso. In proposito, questa Corte ha già precisato che per controversie "nell'ambito delle assicurazioni sociali" si intendono vertenze concernenti le prestazioni ai sensi degli art. 14 segg. LPGA e art. 132/134 OG come emerge dal testo legale in tedesco, poggiando la versione italiana su una palese svista redazionale ( DTF 131 V 417 consid. 4.1 pag. 421). 4.2 Prima dell'entrata in vigore della LPGA (1° gennaio 2003) il Tribunale federale delle assicurazioni aveva già avuto modo di affermare l'ammissibilità di transazioni giudiziarie nell'ambito di una procedura giudiziaria amministrativa (SVR 1996 AHV n. 74 BGE 133 V 593 S. 595 pag. 223, H 57/95), stabilendo che, in siffatta evenienza, il giudice doveva esaminarne la conformità con la situazione di fatto e di diritto (PJA 2003 pag. 67, H 64/01; VSI 1999 pag. 213, H 229/98; per un riassunto della giurisprudenza e del suo sviluppo si veda UELI KIESER, ATSG-Kommentar, Zurigo/Basilea/Ginevra 2003, n. 2-5 all' art. 50 LPGA ). La validità di tale principio è stata ribadita da questa Corte proprio in materia di assicurazione contro la disoccupazione (sentenza del Tribunale federale delle assicurazioni C 176/00 del 10 marzo 2003). In una successiva sentenza C 278/01 del 17 marzo 2003, resa in materia di sospensione dal diritto all'indennità di disoccupazione, la quale rinviava espressamente all'appena citata sentenza del 10 marzo 2003, il Tribunale ha altresì osservato che tale principio trovava conferma anche nelle nuove disposizioni della LPGA (in quella fattispecie non ancora applicabili). 4.3 Di recente, questa Corte ha inoltre stabilito che accordi transattivi tra assicurati e assicuratori sono possibili nell'ambito di una procedura di ricorso non solo in caso di controversie vertenti esclusivamente su prestazioni assicurative ma anche in presenza di vertenze relative a reciproche pretese (contributi e prestazioni assicurative: DTF 131 V 417 ). In detta sentenza è stato sottolineato, alla luce di quanto è emerso dai lavori preparatori relativi alla LPGA, che in ambito amministrativo la possibilità di concludere transazioni è stata limitata alle sole prestazioni affinché le casse di compensazione sfuggano alle pressioni cui verrebbero sottoposte nel settore dei contributi in caso di insolvenza dai datori di lavoro affiliati. Il medesimo rischio non sussiste tuttavia nella procedura ricorsuale. È pure stato precisato che i lavori preparatori non indicano motivi che potrebbero giustificare una limitazione dell'ammissibilità delle transazioni quanto al loro oggetto (consid. 4.2 pag. 421; si veda in proposito anche KIESER, op. cit., n. 1 all' art. 50 LPGA ). Nella sentenza del Tribunale federale delle assicurazioni U 163/03 del 14 gennaio 2004, pubblicata in: RAMI 2004 n. U 513 pag. 286, questa Corte ha altresì evidenziato che facendo l' art. 50 LPGA riferimento alla giurisprudenza valida prima della sua entrata in vigore, essa continua ad essere attuale anche posteriormente a tale data. In effetti, nel rapporto del 26 marzo 1999 la Commissione per la sicurezza sociale e la salute del Consiglio nazionale espone di avere volutamente precisato al capoverso 3 essere la disposizione BGE 133 V 593 S. 596 applicabile per analogia alla procedura d'opposizione e alla procedura giudiziaria di ricorso. Aggiungendo "per analogia" si creerebbe, a mente della Commissione, un margine di manovra che consente di meglio concretizzare il diritto della transazione secondo la giurisprudenza attualmente vigente (FF 1999 pag. 3979; nella versione tedesca si va oltre indicando la possibilità di una "weitere Konkretisierung": BBl 1999 pag. 4609; cfr. anche sentenza del Tribunale federale delle assicurazioni U 264/03 del 24 marzo 2004, consid. 1). In una sentenza del Tribunale federale delle assicurazioni U 378/05 del 10 maggio 2006 è stato ribadito, infine, che la giurisprudenza in materia di transazioni giudiziarie si applica anche all' art. 50 LPGA . È pure stato posto in evidenza che è ammissibile concludere un accordo su questioni di fatto e inerenti l'apprezzamento, mentre non è possibile derogare ad una situazione giuridica corretta (cfr. FF 1999 pag. 3978 e KIESER, op. cit., n. 6 all' art. 50 LPGA ). 5. La legge è da interpretare in primo luogo procedendo dalla sua lettera. Se il testo di un disposto legale è chiaro e non è pertanto necessario far capo ad altri metodi d'interpretazione ai fini di appurarne la portata, è lecito scostarsi dal senso letterale soltanto qualora conduca a soluzioni manifestamente insostenibili, contrarie alla volontà del legislatore. Tuttavia, se il testo non è perfettamente chiaro, se più interpretazioni del medesimo sono possibili, dev'essere ricercato quale sia la vera portata della norma, prendendo in considerazione tutti gli elementi d'interpretazione, in particolare lo scopo della disposizione, il suo spirito, nonché i valori su cui essa prende fondamento. Pure di rilievo è il senso che essa assume nel suo contesto ( DTF 130 II 65 consid. 4.2 pag. 71; DTF 130 V 49 consid. 3.2.1 pag. 50, DTF 130 V 229 consid. 2.2 pag. 232; DTF 129 V 283 consid. 4.2 pag. 284 e riferimenti). 6. Alla luce di quanto esposto, segnatamente della volontà del legislatore, che ha precisato i motivi per cui l'amministrazione - non anche i tribunali - deve limitare le proprie transazioni alle sole prestazioni ( art. 50 cpv. 1 LPGA ), dello scopo perseguito dal terzo capoverso della norma, che consiste nel concretizzare (ulteriormente) il diritto alla transazione secondo la giurisprudenza già applicabile in tale ambito (non limitata alle prestazioni), considerato poi che già la prassi del Tribunale federale delle assicurazioni precedentemente in vigore ha ritenuto ammissibile la conclusione di transazioni in ambito LADI (sentenza C 176/00 del 10 marzo 2003) e BGE 133 V 593 S. 597 implicitamente anche in materia di sospensione del diritto a indennità di disoccupazione (sentenza C 278/01 del 17 marzo 2003), ritenuto infine che ai fini di stabilire la durata della sospensione il giudice dispone di un ampio potere di apprezzamento (cfr. DTF 123 V 150 consid. 3b pag. 153), nessun motivo si oppone a riconoscere l'ammissibilità di concludere transazioni giudiziali in tale ambito. Oltretutto tale procedere, conformemente alla volontà del legislatore, permette di snellire il disbrigo dei procedimenti nel rispetto del diritto applicabile, come evidenziato dal giudice cantonale. Al riguardo va infatti rilevato che dai lavori preparatori emerge in particolare che la transazione può fungere da importante strumento procedurale nel diritto delle assicurazioni sociali non nel senso di eludere pretese di diritto, bensì per eliminare incertezze materiali. Trattasi di una forma di disbrigo nell'ambito dell'apprezzamento, soprattutto riguardo all'apprezzamento delle prove, all'accertamento della fattispecie, alla valutazione dei fatti. La transazione potrebbe permettere di risolvere un caso rapidamente, limitando ad esempio gli onerosi accertamenti del caso (FF 1999 pag. 3978). Di conseguenza si deve concludere che l' art. 50 cpv. 3 LPGA consente di stipulare transazioni giudiziali in materia di sospensione del diritto a indennità di disoccupazione e che quindi su questo punto il ricorso di diritto amministrativo è infondato.
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Sachverhalt ab Seite 249 BGE 127 III 248 S. 249 A.- Le 15 avril 1994, le notaire Y. a instrumenté un acte par lequel X. S.A. vendait à M. 4443 m2 de terres viticoles, pour le prix total de 111'075 fr., payable au plus tard le 30 juin 1994. Avant la signature de l'acte, le notaire a présenté aux parties un plan, daté du 14 avril 1994, établi par un géomètre. M. affirme qu'ayant vu ce plan, il a immédiatement signalé que le tracé proposé ne correspondait pas à l'alignement des ceps de vigne et il a demandé au notaire de faire rectifier le plan. La venderesse était représentée par dame T., qui, entendue plus tard en qualité de témoin, s'est exprimée de la manière suivante au sujet de l'intervention de M.: "il y a eu un problème de plan où l'on disait qu'une limite était en discussion, le demandeur voulant la changer". Le notaire a alors immédiatement téléphoné au géomètre, devant les parties, pour lui demander si la modification requise par l'acheteur était possible; le géomètre a répondu affirmativement. L'acte a ensuite été signé par les parties. Le 20 avril 1994, le géomètre a établi un nouveau plan, qui suivait l'alignement des ceps. Le notaire a ensuite adressé aux parties une lettre, datée du 24 mai 1994, dans laquelle il leur indiquait que, contrairement à ce que lui BGE 127 III 248 S. 250 avait laissé entendre le géomètre, la modification de limite demandée par l'acheteur nécessitait un échange de terrains portant sur une surface de 1319 m2. Par courrier du 30 mai 1994, X. S.A. a répondu qu'elle n'était pas disposée à procéder à l'échange proposé. M. a indiqué au notaire, par lettre du 13 juin 1994, qu'il conditionnait le versement du prix de vente à l'échange de terrains nécessaire pour que le tracé puisse suivre l'alignement des ceps. A l'échéance du 30 juin 1994, le prix fixé dans l'acte n'a pas été payé. Le 26 juillet 1994, X. S.A. a fait notifier à M. un commandement de payer portant sur la somme de 111'075 fr., intérêts et frais en sus. Opposition ayant été formée, la mainlevée provisoire a été prononcée le 31 août 1994. B.- Le 10 octobre 1994, M. a déposé devant la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois une action en libération de dette, soutenant "que le contrat ne l'oblige pas". Il a, en outre, appelé en cause le notaire. Par jugement du 11 mai 1999, la Cour civile a rejeté les conclusions prises par le demandeur à l'encontre de la défenderesse et de l'appelé en cause; elle a, en conséquence, constaté la somme due par l'acheteur et prononcé la levée définitive de l'opposition à concurrence de 111'075 fr., sous déduction de deux montants de 6'033 fr. 80 et 13'444 fr. 20 que la défenderesse reconnaissait devoir au demandeur à un autre titre et qu'elle entendait compenser avec sa créance en paiement du prix de vente. La cour cantonale a considéré que les arguments invoqués par le demandeur, à savoir l'erreur essentielle et, subsidiairement, le défaut de la chose vendue, n'étaient pas fondés, dès lors que la parcelle mise à sa disposition correspondait au plan du 14 avril 1994 auquel le contrat signé se référait. En ce qui concerne les conclusions prises contre l'appelé en cause, les juges cantonaux ont estimé que le notaire avait commis un acte illicite et fautif, mais que la preuve d'un dommage n'avait pas été apportée. C.- Le demandeur interjette un recours en réforme au Tribunal fédéral. Il y reprend ses conclusions sur le fond, aussi bien contre la défenderesse que contre l'appelé en cause. La défenderesse propose le rejet du recours. L'appelé en cause conclut à l'irrecevabilité du recours et, subsidiairement, à son rejet. Le demandeur a déposé parallèlement un recours en réforme cantonal, qui a été déclaré irrecevable, par arrêt du 20 septembre 2000 BGE 127 III 248 S. 251 de la Chambre des recours, en tant qu'il avait trait à l'action en libération de dette; ledit recours est toujours pendant en ce qui concerne l'action dirigée contre le notaire. Le Tribunal fédéral déclare le recours irrecevable en tant qu'il est dirigé contre l'appelé en cause, l'admet en tant qu'il est dirigé contre la défenderesse, constate que le demandeur ne doit pas à cette dernière la somme de 111'075 fr. plus intérêts et dit que l'opposition au commandement de payer est maintenue.
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Erwägungen Extrait des considérants: 1. a) La cour cantonale a rejeté les conclusions prises par le recourant contre le notaire. Le recours en réforme porte également sur ce point. b) Il faut cependant constater que les instances cantonales ne sont pas épuisées, puisque le recours en réforme cantonal est toujours pendant. S'il s'agissait d'un recours ordinaire, cela entraînerait l'irrecevabilité du recours en réforme ( art. 48 al. 1 OJ ). Si l'on était en présence d'un recours extraordinaire, il y aurait lieu de surseoir à statuer ( art. 57 al. 1 OJ ); il est cependant admis qu'il n'y a pas lieu d'attendre si le recours en réforme est manifestement irrecevable ou infondé (POUDRET, Commentaire de l'OJ, n. 1.3 ad art. 57, p. 458; CORBOZ, Le recours en réforme au Tribunal fédéral, in SJ 2000 II p. 53). En l'espèce, le recours en réforme est manifestement irrecevable, indépendamment de la nature du recours cantonal. En effet, le recours en réforme n'est ouvert que pour violation du droit fédéral ( art. 43 al. 1 OJ ). On en déduit que le recours en réforme est irrecevable lorsque la prétention litigieuse est soumise au droit cantonal ( art. 55 al. 1 let . c OJ), même si celui-ci incorpore des notions de droit fédéral ou renvoie au droit fédéral ( ATF 126 III 370 consid. 5; ATF 125 III 461 consid. 2 p. 463; ATF 123 III 395 consid. 1b). Lorsque le notaire accomplit ses fonctions ministérielles, ses relations avec ses clients relèvent du droit public et échappent au champ d'application des dispositions contractuelles sur le mandat; la responsabilité du notaire pour une éventuelle mauvaise exécution de ses tâches officielles ne relève donc pas du droit des contrats ( ATF 126 III 370 consid. 7a et les références). La responsabilité des fonctionnaires et employés publics cantonaux est en principe régie par les art. 41 ss CO , sauf si le canton, en vertu de l' art. 61 al. 1 CO , a réglementé la question ( ATF 122 III 101 consid. 2a p. 103). Il n'est BGE 127 III 248 S. 252 pas contesté en l'espèce que le canton de Vaud a réglementé la responsabilité des notaires (cf. art. 111 de la loi vaudoise du 10 décembre 1956 sur le notariat). La prétention litigieuse relève donc entièrement du droit public cantonal, ce qui exclut d'emblée un recours en réforme. c) Cela étant, les frais et dépens se rapportant aux conclusions irrecevables prises contre le notaire appelé en cause doivent être mis à la charge du recourant ( art. 156 al. 1 et art. 159 al. 1 OJ ). 2. a) Il y a lieu, partant, de restreindre l'examen du cas au litige de droit privé qui oppose l'acheteur et la venderesse. b) Interjeté par la partie qui a succombé dans ses conclusions libératoires et dirigé contre un jugement final rendu en dernière instance cantonale par un tribunal supérieur ( art. 48 al. 1 OJ ) sur une contestation civile dont la valeur litigieuse atteint le seuil de 8'000 fr. ( art. 46 OJ ), le recours en réforme est en principe recevable, puisqu'il a été formé en temps utile ( art. 54 al. 1 et art. 34 al. 1 let. a OJ ) dans les formes requises ( art. 55 OJ ). c) Le recours en réforme est ouvert pour violation du droit fédéral, mais non pour violation directe d'un droit de rang constitutionnel ( art. 43 al. 1 OJ ) ou pour violation du droit cantonal ( ATF 126 III 189 consid. 2a, 370 consid. 5; ATF 125 III 311 consid. 3e). Saisi d'un recours en réforme, le Tribunal fédéral doit conduire son raisonnement juridique sur la base des faits contenus dans la décision attaquée, à moins que des dispositions fédérales en matière de preuve n'aient été violées, qu'il y ait lieu à rectification de constatations reposant sur une inadvertance manifeste ( art. 63 al. 2 OJ ) ou qu'il faille compléter les constatations de l'autorité cantonale parce que celle-ci n'a pas tenu compte de faits pertinents et régulièrement allégués ( art. 64 OJ ; ATF 126 III 59 consid. 2a et les arrêts cités). Dans la mesure où un recourant présente un état de fait qui s'écarte de celui contenu dans la décision attaquée sans se prévaloir avec précision de l'une des exceptions qui viennent d'être rappelées, il n'est pas possible d'en tenir compte. Il ne peut être présenté de griefs contre les constatations de fait, ni de faits ou de moyens de preuve nouveaux ( art. 55 al. 1 let . c OJ). Le Tribunal fédéral ne peut aller au-delà des conclusions des parties, mais il n'est pas lié par les motifs qu'elles invoquent ( art. 63 al. 1 OJ ), ni par l'argumentation juridique retenue par la cour cantonale ( art. 63 al. 3 OJ ; ATF 126 III 59 consid. 2a; ATF 123 III 246 consid. 2; ATF 122 III 150 consid. 3). Le Tribunal fédéral peut donc admettre un recours pour d'autres motifs que ceux invoqués par BGE 127 III 248 S. 253 le recourant et il peut également rejeter le recours en adoptant une autre argumentation juridique que celle retenue par la cour cantonale (CORBOZ, op. cit., p. 59). 3. a) Le recourant se plaint d'une inadvertance manifeste au sens de l'art. 163 (recte: 63) al. 2 OJ. Il reproche à la cour cantonale d'avoir méconnu la lettre du notaire du 15 avril 1994. Cet argument est de toute évidence mal fondé, puisque le passage invoqué par le recourant est entièrement et correctement reproduit dans l'arrêt attaqué à la page 7, de sorte que l'on ne saurait dire que la cour cantonale a méconnu cette pièce. Invoquant l' art. 8 CC , le recourant reproche à la cour cantonale d'avoir mal dégagé le sens de ce document. Savoir si une lettre est propre à fonder une conviction sur la volonté réelle d'une personne est une question d'appréciation des preuves, qui n'est pas régie par l' art. 8 CC . En effet, cette disposition ne prescrit pas comment le juge doit apprécier les preuves et sur quelles bases il peut parvenir à une conviction (cf. ATF 122 III 219 consid. 3c p. 223; ATF 119 III 60 consid. 2c; ATF 118 II 365 consid. 1 p. 366). S'il faut interpréter une manifestation de volonté selon le principe de la confiance, il s'agit d'une question de droit que le Tribunal fédéral peut revoir librement ( ATF 126 III 25 consid. 3c, 59 consid. 5a, 375 consid. 2e/aa p. 379; ATF 125 III 305 consid. 2b p. 308, 435 consid. 2a/aa), sans qu'intervienne ici l' art. 8 CC . Il n'y a donc pas trace d'une violation de cette disposition. b) La cour cantonale a retenu que l'acheteur savait, au moment de signer l'acte de vente, que le plan du 14 avril 1994 ne correspondait pas à ce qu'il souhaitait, de sorte qu'il n'y a pas eu d'erreur de sa part (cf. art. 24 al. 1 CO ); au demeurant, comme le terrain mis à sa disposition est conforme à ce plan, la chose n'est pas défectueuse (cf. art. 197 et 200 CO ). Ces questions ne se posent que pour autant que le contrat de vente ait été valablement conclu. C'est le lieu de rappeler que le Tribunal fédéral, saisi d'un recours en réforme, n'est pas lié par l'argumentation juridique des parties ou de la cour cantonale. Le juge doit examiner d'office si le contrat invoqué est venu à chef (KRAMER, Commentaire bernois, n. 6 ad art. 2 CO ), en tout cas lorsqu'une partie soutient qu'elle n'est pas liée (cf. BUCHER, Commentaire bâlois, n. 25 ad art. 1er CO ). On se trouve ici dans cette dernière hypothèse. En effet, contrairement à l'acheteur qui, en concluant principalement à la réduction du prix en raison des défauts de la chose vendue, manifeste, ce faisant, sa BGE 127 III 248 S. 254 volonté de maintenir la vente, mais avec un contenu modifié ( ATF 88 II 412 ; arrêt du 13 août 1991, consid. 1, reproduit in SJ 1992 p. 13), l'acheteur qui, tel le recourant, invoque au premier chef le moyen tiré de l'erreur ( art. 24 CO ), fait valoir qu'il n'a jamais été lié par le contrat en cause (cf. ATF 114 II 131 consid. 3b p. 143; ENGEL, Traité des obligations en droit suisse, 2e éd., p. 339) à l'égal de celui qui soutient que les parties ne se sont pas mises d'accord sur les points essentiels du contrat de vente. c) La cour cantonale semble avoir admis implicitement que l'acheteur ne pouvait pas remettre en cause la conclusion du contrat, parce qu'il avait signé un acte authentique. Selon l' art. 216 al. 1 CO , les ventes d'immeubles ne sont valables que si elles sont faites par acte authentique. L'observation de la forme requise par la loi est donc une condition de validité du contrat ( art. 11 CO ). La conclusion du contrat n'en est pas moins soumise aux règles générales des art. 1er et 2 CO et l'interprétation de cet acte juridique doit être faite conformément à l' art. 18 CO . Il est donc possible, même pour un contrat soumis à une exigence de forme, que ce qui a été déclaré ne corresponde pas à la volonté réelle et commune des parties ( art. 18 al. 1 CO ; ATF 122 III 361 consid. 4 p. 366; ATF 121 III 118 consid. 4b/bb et les références). Certes, les faits constatés dans un titre authentique sont présumés exacts, mais il n'est pas exclu de renverser cette présomption ( art. 9 CC ; ATF 118 II 32 consid. 3d p. 34). d) Selon l' art. 1er al. 1 CO , le contrat est parfait lorsque les parties ont, réciproquement et d'une manière concordante, manifesté leur volonté. Si les parties ne se sont pas mises d'accord sur tous les éléments essentiels du contrat, celui-ci n'est pas venu à chef (BUCHER, op. cit., n. 20, 22 et 23 ad art. 1er CO ; KRAMER, ibid.; ENGEL, op. cit., p. 218). Savoir ce qui constitue un élément essentiel est une question de qualification juridique que le Tribunal fédéral, saisi d'un recours en réforme, peut revoir librement (cf. dans le cas de l'erreur essentielle: ATF 113 II 25 consid. 1a p. 27; ATF 105 II 16 consid. 5 p. 22). Dans un contrat de vente, la détermination de l'objet vendu constitue l'un des éléments essentiels ( ATF 103 II 190 consid. 1 p. 193; BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2e éd., p. 117 note 28; GUHL/KOLLER, Das schweizerische Obligationenrecht, 9e éd., p. 106 n. 8; KELLER/SCHÖBI, Allgemeine Lehren des Vertragsrechts, 3e éd., p. 53; ENGEL, op. cit., p. 219; JÄGGI, Commentaire zurichois, n. 3 ad art. 2 CO ). Dans le cas d'une vente BGE 127 III 248 S. 255 immobilière, l'indication d'une surface ne suffit pas; il faut que soient déterminés la forme et l'emplacement de la parcelle ( ATF 95 II 42 consid. 1; ATF 90 II 21 consid. 1). L'objet vendu doit être déterminé ou à tout le moins déterminable sur la base de l'accord des parties (VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, vol. I, p. 191). Si un élément essentiel fait défaut, l' art. 2 CO n'est pas applicable (KRAMER, ibid.). e) Il arrive que les parties ne puissent pas se mettre d'accord sur tous les éléments essentiels du contrat et qu'elles réservent l'un ou l'autre des points à un accord ultérieur; dans ce cas, le contrat n'est pas encore conclu et il ne vient à chef que lorsque tous les points essentiels ont fait l'objet d'un accord (VON TUHR/PETER, ibid.). La réserve d'un point à régler peut être convenue de manière informelle, même dans le cadre d'un contrat soumis à une exigence de forme (JÄGGI, op. cit., n. 20 et 21 ad art. 2 CO ). f) Selon les constatations souveraines de la cour cantonale, le notaire a soumis aux parties, lors de la séance du 15 avril 1994, un projet qui fixait tous les éléments essentiels d'une vente immobilière. Le recourant a cependant exprimé son désaccord à l'égard du plan, manifestant la volonté que le tracé suive l'alignement des ceps de vigne. Il y avait dès cet instant un désaccord patent portant sur un élément essentiel, à savoir la détermination exacte de la chose à vendre. La cour cantonale constate, à la page 37 de son jugement, qu'elle n'est pas parvenue à établir si un accord était alors intervenu oralement entre les parties. Dès lors, en l'absence d'une constatation quant à une commune et réelle intention, il faut interpréter les manifestations de volonté selon le principe de la confiance (sur cette notion: ATF 126 III 375 consid. 2e/aa p. 380 et les arrêts cités). Il résulte des constatations des premiers juges que la représentante de la venderesse a pris connaissance de la demande du recourant, mais ne s'est pas déterminée à son sujet. On ne peut donc pas déduire de l'attitude des parties, telle qu'elle a été constatée en fait par la cour cantonale, que la modification du tracé demandée par le recourant ait été acceptée. On ne saurait non plus déduire de l'attitude du recourant que ce dernier aurait renoncé à son exigence. C'est le contraire qui ressort des circonstances. Le notaire a téléphoné au géomètre, avant que le recourant ne signe le contrat, pour s'assurer qu'il était possible de modifier le tracé conformément à son désir; à la suite d'une réponse BGE 127 III 248 S. 256 affirmative du géomètre, on sait qu'il lui a été donné pour instruction de modifier le bornage en conséquence (lettre du notaire du 15 avril 1994); la représentante de la venderesse n'a pas opposé de veto; ce n'est que dans ces circonstances que le recourant a accepté de signer le contrat. Il suit de là que le recourant a clairement manifesté son désaccord avec le tracé proposé et qu'il n'est pas revenu sur cette prise de position. Il a certes signé le contrat - ce qui constituait une imprudence de sa part - en partant de l'idée, reconnaissable pour son cocontractant, que la question du tracé était réservée et ferait l'objet d'un accord ultérieur. Les lettres du notaire des 15 avril et 24 mai 1994, ainsi que les déclarations du géomètre sont corroboratives et montrent que c'est bien de cette manière que la position prise par le recourant devait être comprise de bonne foi. Si le recourant a signé malgré tout, ce n'est pas - comme semble le croire la cour cantonale - parce qu'il considérait que la question était d'importance mineure. Il ressort au contraire des constatations des juges précédents que le tracé avait une grande importance pour l'exploitation viticole et affectait, par voie de conséquence, la valeur du terrain. En réalité, il a signé parce qu'il pensait que le point essentiel réservé pourrait être facilement réglé, sur la base des assurances du géomètre transmises par le notaire. L'erreur commune, au moment de la signature de l'acte, a consisté à minimiser les problèmes à résoudre pour donner satisfaction au recourant. Cela résulte clairement de la lettre du notaire rédigée le 24 mai 1994 après dissipation de cette erreur: "cette modification de limite suppose en définitive une emprise (...) sur la parcelle ... contrairement à ce que le géomètre m'avait laissé entendre lors de notre entretien téléphonique du 15 avril dernier". Il est ainsi apparu postérieurement, sur le point essentiel réservé, qu'il était plus difficile qu'on ne le pensait de donner satisfaction au recourant et les parties ont buté sur une difficulté qui n'a pas pu être surmontée. En signant l'acte le 15 avril 1994, les parties sont allées trop vite en besogne, comme cela ressort clairement des déclarations du géomètre ("on a voulu anticiper en pensant que cette rectification de limite - qui nous paraissait logique parce qu'adaptée aux cultures - serait finalement adoptée, ce qui n'a pas été le cas par la suite") et des reproches adressés par la cour cantonale au notaire ("en instrumentant l'acte du 15 avril 1994 alors qu'il savait que celui-ci ne reflétait pas parfaitement la volonté concordante des parties, l'appelé en cause a indiscutablement commis une faute"). BGE 127 III 248 S. 257 D'un point de vue juridique, il faut retenir que le recourant, bien qu'il ait signé le contrat, n'a pas accepté le tracé résultant du plan du 14 avril 1994, ce que sa cocontractante savait. Il résulte de l'attitude des parties que cet élément essentiel, touchant la détermination de l'objet vendu, a été réservé lors de la passation de l'acte, un accord ultérieur sur cette question étant envisagé. Comme cet accord - contrairement à ce que les parties espéraient - n'est jamais intervenu, il faut constater qu'il n'y a pas eu d'accord sur tous les éléments essentiels du contrat, de sorte que celui-ci n'est pas venu à chef. En conséquence, le recourant ne doit pas le prix de vente et le jugement attaqué doit être réformé sur ce point dans le sens de l'admission de l'action en libération de dette et du maintien de l'opposition formée par le recourant au commandement de payer litigieux. Il va sans dire, pour le surplus, que, dans la mesure où l'intimée n'était titulaire d'aucune créance en paiement du prix de vente à l'égard du recourant, elle n'a pu valablement éteindre les dettes qu'elle admet avoir envers celui-ci (soit les montants précités de 6'033 fr. 80 et 13'444 fr. 20) par voie de compensation avec cette prétendue créance qui s'est avérée inexistante.
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Sachverhalt ab Seite 175 BGE 140 III 175 S. 175 A. Par ordonnance de preuve à futur du 21 mars 2013, prise sur requête de l'association B., le Président du Tribunal civil de l'arrondissement de Lausanne a, en particulier, enjoint à A. et X. AG de produire diverses pièces (...) et mis solidairement à leur charge les frais BGE 140 III 175 S. 176 (900 fr.) ainsi que les dépens (1'890 fr.) de la procédure (...). A titre préjudiciel, ce magistrat a rejeté le moyen tiré de l'absence de personnalité juridique et, partant, de capacité d'ester en justice de la requérante; il a considéré que le défaut d'inscription au registre du commerce n'avait qu'un effet déclaratif et n'entraînait pas l'inexistence de cette association, dont le but demeurerait idéal, alors même qu'elle exercerait une industrie en la forme commerciale pour l'atteindre. B. B.a Le 14 juin 2013, l'association B. a fait notifier à A. un commandement de payer les sommes de 900 fr. et de 1'890 fr., toutes deux avec intérêts à 5 % dès le 7 mai 2013, dues en vertu du jugement précité (...); cet acte est fondé sur une réquisition de poursuite enregistrée le 24 mai 2013 par l'office. Le poursuivi a formé opposition totale. B.b Le 24 juin 2013, le poursuivi a porté plainte au sens de l' art. 17 LP , concluant à la nullité de la réquisition de poursuite et à la radiation de la poursuite; en bref, il a fait valoir que la poursuivante était une entité inexistante, de sorte que tout acte de poursuite est nul. Statuant le 26 septembre 2013, la Chambre de surveillance des Offices des poursuites et faillites du canton de Genève a rejeté la plainte. (...) Le Tribunal fédéral a admis le recours en matière civile du poursuivant, annulé la décision attaquée et renvoyé l'affaire à l'autorité précédente pour qu'elle statue à nouveau. (extrait)
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Erwägungen Extrait des considérants: 3. Après avoir rappelé que la poursuite ouverte par une personne morale inexistante est "nulle de plein droit", l'autorité précédente a considéré, en substance, que l'office est tenu de procéder à un "contrôle à première vue de la capacité d'être partie et d'ester des personnes et entités mentionnées dans les réquisitions de poursuite", et il ne peut refuser son concours qu'en présence d'un "défaut apparemment manifeste des qualités requises pour être sujet actif et passif du droit de l'exécution forcée", son "devoir de contrôle spontané" se résumant dès lors à un "examen superficiel" des réquisitions qui lui parviennent; si la capacité d'être partie et celle d'ester ont été établies dans une décision judiciaire ayant acquis "force de chose jugée", l'office est tenu d'y déférer. BGE 140 III 175 S. 177 En l'occurrence, la juridiction précédente a constaté que, pour accepter la réquisition de poursuite de l'association poursuivante, l'office s'était fondé sur une ordonnance de preuve à futur rendue le 21 mars 2013 par le Président du Tribunal civil de l'arrondissement de Lausanne, ce magistrat ayant admis "préalablement que ladite association jouissait de la personnalité juridique". Cette ordonnance - qui ne constitue pas une simple ordonnance d'instruction - est définitive, faute de recours, et ne devait pas être validée, de telle sorte "qu'elle est entrée en force de chose jugée à l'échéance du délai d'appel de 10 jours applicable et que cette décision ne peut plus être remise en question sur aucun de ses aspects". Au demeurant, l'office n'eût-il pas été en possession de l'ordonnance précitée lorsqu'il a reçu la réquisition de poursuite "que la solution apportée à la présente plainte n'en serait pas différente au vu de la teneur et de la portée claires de cette ordonnance". 4. 4.1 De jurisprudence constante, une poursuite introduite, ou continuée ( ATF 73 III 61 consid. 1), au nom d'une personne inexistante est nulle au sens de l' art. 22 al. 1 LP ( ATF 32 I 570 consid. 1; 62 III 134 p. 135; 65 III 97 consid. 2; ATF 105 III 107 consid. 2; ATF 120 III 11 consid. 1b; ATF 114 III 62 consid. 1a); sous réserve d'exceptions qui n'entrent pas en ligne de compte en l'occurrence (cf. à ce propos: AMONN/WALTHER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9 e éd. 2013, § 8 n. 3 avec les exemples mentionnés), tel est le cas lorsque le poursuivant n'a pas la personnalité juridique (par exemple: ATF 43 III 176 [société simple]; ATF 115 III 11 consid. 2a et 16 consid. 1 [fonds de placement]). Ce principe s'applique aussi à la poursuite dirigée contre un poursuivi qui n'est pas ( ATF 28 I 293 ; 40 III 445 ; 51 III 64 ; ATF 100 III 19 consid. 3; ATF 102 III 63 consid. 2; ATF 135 III 229 ), ou plus ( ATF 120 III 39 consid. 1a [débiteur déjà décédé à la date du dépôt de la requête de séquestre]), une personne physique ou morale existante. La doctrine est du même avis (cf. parmi les auteurs récents: ACOCELLA, in Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, vol. I, 2 e éd. 2010, n° 27 ad art. 38 LP ; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 5 e éd. 2012, n. 338 et 608; LORANDI, Betreibungsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeit, 2000, n os 29 et 30 ad art. 22 LP ; MARCHAND, Précis de droit des poursuites, 2 e éd. 2013, p. 32). Cependant, le Tribunal fédéral a précisé que la sanction de la nullité n'impliquait "nullement que les autorités de poursuite doivent BGE 140 III 175 S. 178 toujours, d'office ou sur requête, examiner si les parties à une poursuite sont sujets de droit et ont la capacité d'ester en justice"; une instruction et une décision sur ce point ne s'imposent que lorsque la qualité de sujet de droit du créancier ou du débiteur "peut être sérieusement mise en doute sur le vu des pièces du dossier" ( ATF 105 III 107 consid. 2; dans le même sens: arrêt 7B.89/2002 du 26 juillet 2002 consid. 2.2; pour la capacité de discernement du poursuivi: ATF 99 III 4 consid. 3; ATF 104 III 4 consid. 2). 4.2 La nullité d'une mesure peut être constatée par l'office qui l'a prise (LORANDI, op. cit., n os 122 et 123 ad art. 22 LP avec les références). Celui-ci est, en outre, habilité à refuser de donner suite à une réquisition de poursuite quand l'incapacité du requérant est patente (cf. pour le poursuivant incapable de discernement: ATF 99 III 4 consid. 3). Il lui incombe également de rechercher de son propre chef, en consultant le site internet du registre du commerce (lettre de la Chambre des poursuites et des faillites aux autorités cantonales supérieures de surveillance du 6 décembre 2004, in ATF 130 III 763 ss), si une société poursuivie qui n'acquiert sa personnalité juridique que par l'inscription au registre du commerce existe véritablement ( ATF 40 III 445 ). La décision attaquée n'apparaît pas critiquable en tant qu'elle concerne l' office . Comme le souligne l'autorité précédente, celui-ci avait en main une décision judiciaire passée en force qui reconnaissait expressément la personnalité juridique de l'association poursuivante, dont la qualité n'inspirait, dès lors, aucun "doute sérieux" à la lecture des pièces du dossier (cf. supra, consid. 4.1). 4.3 Lorsque le commandement de payer a été notifié au poursuivi en dépit de la cause de nullité dont il est affecté, il incombe à l'autorité de surveillance de constater la nullité de cet acte (par exemple: décision de l'Autorité de surveillance de Bâle-Ville du 10 juillet 1998, in Insolvenz und Wirtschaftsrecht [IWIR] 1998 p. 170 [poursuite requise par une communauté héréditaire]). En l'espèce, l'autorité cantonale s'est limitée à vérifier si la décision de l'office de donner suite à la réquisition de poursuite était justifiée, mais elle ne s'est pas interrogée sur sa propre compétence pour connaître du moyen tiré de la nullité de la poursuite, paraissant ainsi calquer son pouvoir d'examen sur celui de l'office. Encore que la jurisprudence ne soit pas très claire à cet égard (cf. supra, consid. 4.1), une telle position ne peut être approuvée. L'office est un organe BGE 140 III 175 S. 179 administratif qui agit sur requête unilatérale du prétendu créancier ( ATF 130 III 285 consid. 5.1 avec les citations), dont il est fondé, sauf doutes sérieux, à présumer la qualité de sujet de droit ( ATF 105 III 107 consid. 2). Ces considérations ne s'appliquent pas à l'autorité de surveillance, qui statue dans le cadre d'une procédure contradictoire, régie par la maxime inquisitoire ( art. 20a al. 2 ch. 2 LP ), néanmoins tempérée par l'obligation de collaborer des parties ( ATF 123 III 328 consid. 3 avec les références). Elle ne saurait, à l'instar de l'office, réserver son contrôle à l'hypothèse où la qualité de sujet de droit du poursuivant "peut être sérieusement mise en doute sur le vu des pièces du dossier", sauf à renvoyer le poursuivi à faire trancher cette question par le juge civil, par exemple à l'occasion de la procédure de mainlevée ( art. 80 ss LP ) ou dans l'action en annulation de la poursuite ( art. 85a LP ). Or, abstraction faite de l'éventualité où elle est indubitable ("ausser Zweifel": ATF 96 III 111 consid. 4b), ou "d'emblée manifeste" ( ATF 96 III 31 consid. 2), la nullité d'une mesure de l'office ne peut pas être constatée par le juge; pareille compétence appartient aux autorités de surveillance (LORANDI, op. cit., n° 137 ad art. 22 LP avec les citations). En l'occurrence, la décision du juge vaudois est une ordonnance qui admet une requête de preuve à futur au sens de l' art. 158 CPC . Il n'est pas besoin de rechercher si - comme l'affirme sans discussion la cour cantonale - une telle décision est susceptible d'un appel au regard de l' art. 308 al. 1 let. b CPC (cf. sur cette question, notamment: FELLMANN, in Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], 2 e éd. 2013, n os 43 ss ad art. 158 CPC avec les citations); il suffit de constater que, même passée en force, cette ordonnance a été prise dans un contexte provisionnel ( art. 158 al. 2 et 261 ss CPC ), où l'examen des questions juridiques est sommaire ( ATF 139 III 86 consid. 4.2). Par surcroît, le juge civil n'a statué qu'à titre préjudiciel sur la personnalité juridique de l'association poursuivante, en sorte que - quoi que semble en penser la juridiction précédente - ses motifs ne jouissent pas de l'autorité de la chose jugée sur cette question et ne lient pas l'autorité de surveillance appelée ultérieurement à se prononcer sur la qualité de sujet de droit du poursuivant (cf. à ce sujet: RÜETSCHI, Vorfragen im schweizerischen Zivilprozess, 2011, p. 157 ss n. 348 ss et les citations; sur l'hypothèse inverse: arrêt 5A_681/2013 du 19 février 2014 consid. 2.2).
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Sachverhalt ab Seite 113 BGE 89 IV 113 S. 113 A.- Lischer fuhr am 5. Juni 1962, gegen 7.30 Uhr, am Steuer seines Personenwagens VW von Malters gegen BGE 89 IV 113 S. 114 Werthenstein. Als er auf der geraden Strecke, die ausgangs des Dorfes Schachen beginnt, aus einer Entfernung von ungefähr 80 m eine für ihn am linken Strassenrand gelegene Tankstelle erblickte, entschloss er sich, anzuhalten und Benzin zu tanken. Gleichzeitig sah er durch den Rückspiegel, dass ihm ein Personenwagen, der von Mühlemann gesteuert war, mit grösserer Geschwindigkeit folgte. Lischer verlangsamte seine Fahrt, stellte den Richtungsanzeiger und hielt gegen die Strassenmitte. Als er auf der Höhe der Tankstelle nach links abzuschwenken begann, prallte der Wagen Mühlemanns, der noch zu stoppen versucht hatte, gegen das Heck seines Fahrzeuges. Es entstand beträchtlicher Sachschaden. B.- Am 15. Januar 1963 büsste das Amtsgericht Entlebuch Lischer wegen Verletzung von Art. 25 Abs. 1 MFG mit Fr. 20.-, Mühlemann wegen fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs ( Art. 237 Ziff. 2 StGB ) mit Fr. 40.-. Es warf Lischer vor, vor dem Abschwenken nach links nicht angehalten zu haben, um den vortrittsberechtigten Mühlemann vorbeizulassen. Mühlemann legte es Missachtung von Art. 25 und 26 Abs. 4 MFG zur Last. Er habe zu nahe aufgeschlossen und deshalb sein Fahrzeug nicht mehr rechtzeitig anhalten können, als Lischer nach links abschwenkte. Ausserdem habe er sein Fahrzeug nicht beherrscht. Durch seine mangelnde Rücksichtnahme auf den andern Strassenbenützer habe er sich der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs schuldig gemacht. C.- Lischer und Mühlemann führen Nichtigkeitsbeschwerde. Sie beantragen, das Urteil des Amtsgerichtes sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen. D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde Lischers sei abzuweisen; mit Bezug auf Mühlemann sei die Sache zur Ergänzung der tatsächlichen Feststellungen und Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. BGE 89 IV 113 S. 115
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Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: I. Das Amtsgericht hat die Beschwerdeführer nach den Bestimmungen des MFG bzw. nach Art. 237 Ziff. 2 StGB verurteilt, ohne zu prüfen, ob Art. 2 Abs. 2 StGB für Widerhandlungen gegen Verkehrsvorschriften ebenfalls gelte und, wenn ja, ob das neue Recht für sie milder sei. I.1. Art. 2 Abs. 2 StGB bestimmt: "Hat jemand ein Verbrechen oder Vergehen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes verübt, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, so ist dieses Gesetz anzuwenden, wenn es für den Täter das mildere ist." Nach Art. 102 Ziff. 1 Abs. 1 SVG finden die allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches, zu denen auch Art. 2 gehört, auf die im Strassenverkehrsgesetz mit Strafe bedrohten Handlungen insoweit Anwendung, als dieses Gesetz keine abweichenden Vorschriften enthält. Dasselbe folgt nicht nur für dieses, sondern für alle Nebenstrafgesetze des Bundes aus Art. 102 und 333 Abs. 1 StGB . Das Strassenverkehrsgesetz kennt keine von Art. 2 Abs. 2 StGB abweichende Norm, so dass nach den Verweisungen angenommen werden müsste, der Grundsatz des mildern Rechts gelte auch für Widerhandlungen gegen das seit 1. Januar 1963 vollständig aufgehobene Bundesgesetz über den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr sowie seine Vollziehungsverordnung, soweit die Widerhandlungen erst nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes zur gerichtlichen Beurteilung gelangen. Fragen kann sich nur, ob dies dem Wortlaut, vor allem aber dem Sinn der Norm und den ihr zugrunde liegenden Wertungen wirklich entspricht. Der Kassationshof hat im nicht veröffentlichten Urteil vom 9. Mai 1951 i.S. Demierre die Auffassung vertreten, ein nur für die Dauer bestimmter tatsächlicher Verhältnisse erlassenes Gesetz (sog. Zeitgesetz) sei auf die unter seiner Herrschaft begangenen Taten auch nachher noch anzuwenden. In einem solchen Falle entfielen nur die BGE 89 IV 113 S. 116 Voraussetzungen für die Anwendung der Strafnorm, an der Rechtsanschauung über die Strafbarkeit eines bestimmten Verhaltens ändere sich nichts. In andern Entscheiden, so namentlich im nicht veröffentlichten Urteil vom 3. Juni 1955 i.S. Bourquin, hat sich der Kassationshof dagegen auf den Standpunkt gestellt, mit der blossen Überlegung, das Zeitgesetz falle nicht wegen einer Änderung der Anschauungen über die Strafwürdigkeit dahin, sondern lediglich wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, für die es erlassen wurde, könne das Anwendungsgebiet des Art. 2 Abs. 2 StGB nicht beschränkt werden. Es bedürfe hiezu ausdrücklicher Ausnahmen, wie sie denn auch öfters zu finden seien, wenn ein für bestimmte Zeitverhältnisse aufgestellter gesetzlicher Erlass aufgehoben oder abgeändert werde (s. z.B. Art. 3 Abs. 3 BRB über die Abänderung der Preiszuschläge aufFuttermittel, vom 30. Dezember 1952, AS 1952 1125; Art. 48 Abs. 1 Vo über die Mietzinskontrolle und die Beschränkung des Kündigungsrechts, vom 30. Dezember 1953, AS 1953 1286). Mangels einer abweichenden Bestimmung der Nebenstrafgesetzgebung komme Art. 2 Abs. 2 StGB dem Beschuldigten unabhängig davon zugute, aus welchem Grunde die übertretene Norm im Zeitpunkt der gerichtlichen Beurteilung der Tat nicht mehr in Kraft ist. Von dieser Auffassung ist der Kassationshof stillschweigend auch in einigen Urteilen ausgegangen, die keine Zeitgesetze betrafen (vgl. BGE 76 IV 52 Erw. 5), in jüngster Zeit insbesondere bei der Anwendung von Erlassen auf dem Gebiete des Strassenverkehrs ( BGE 89 IV 35 Erw. I). Diese Rechtsprechung vermag indes nicht zu befriedigen. a) Dem Art. 2 Abs. 2 StGB liegt der Gedanke zugrunde, dass nicht mehr oder milder bestraft werden soll, weil die Tat zufolge Änderung der Rechtsanschauung nicht mehr bzw. weniger strafwürdig erscheint. Das trifft auf Zeitgesetze oft schon der Natur der Sache nach nicht zu. Zeitgesetze zeichnen sich dadurch aus, dass sie zum vornherein nur für eine bestimmte Zeit erlassen werden oder BGE 89 IV 113 S. 117 dass sie nach Inhalt und Zweck nur für die Dauer von Ausnahmeverhältnissen gelten wollen. Ihre Aufhebung beruht daher, wie schon im Falle Demierre hervorgehoben wurde, in der Regel nicht aufgeänderter Rechtsanschauung, sondern auf geänderten tatsächlichen Verhältnissen. Das kann ohne ausdrückliche Vorschrift nicht zur Folge haben, dass die strafrechtliche Ahndung der während der Geltungsdauer des Gesetzes begangenen, aber erst nach dessen Aufhebung abzuurteilenden Widerhandlungen unterbleibe, Art. 2 Abs. 2 StGB also Anwendung finde. Dies müsste namentlich von all denen, die sich einer Ausnahmeregelung willig unterzogen haben, als stossend empfunden werden. Abgesehen hievon könnte der Täter vor allem bei kurzfristigen Regelungen, wie sie z.B. der Bundesratsbeschluss vom 16. November 1956 betreffend Sonntagsfahrverbot und andere Sparmassnahmen im Verbrauch flüssiger Treibstoffe (AS 1956 1273) darstellte, welcher schon am 15. Dezember 1956 aufgehoben wurde (AS 1956 1481), seine Bestrafung leicht durch Verzögerung des Verfahrens vereiteln. Zeitgesetze wären dann oft illusorisch oder liefen jedenfalls gegen Ende ihrer Geltungsdauer Gefahr, immer weniger beachtet zu werden. Dass das nicht der Sinn und Zweck eines Gesetzes sein kann, liegt auf der Hand. Soweit man der Frage überhaupt Beachtung geschenkt hat, ist übrigens auch vom schweizerischen Schrifttum anerkannt worden, dass Zeitgesetze bei sinngemässer Auslegung des Art. 2 Abs. 2 StGB von der Norm auszunehmen sind (s. insbes. Komm. THORMANN/VON OVERBECK, Art. 2 N. 17; HALTER, Das zeitliche Geltungsgebiet des StGB, S. 61; GLETTIG, Das schweiz. Clearingstrafrecht, S. 43; vgl. ferner ZÜRCHER, ZStR 27 268; HAFTER, ebenda 253; VON OVERBECK ZStR 56 363; ZBJV 56 285). Bis zur Einfügung einer Sondervorschrift für Zeitgesetze (§ 2a Abs. 3) in das deutsche Strafgesetzbuch im Jahre 1935 ist in der vorherrschenden Lehre und Rechtsprechung Deutschlands ebenfalls die Meinung vertreten worden, dass bei Änderung oder Aufhebung solcher Gesetze der Satz vom BGE 89 IV 113 S. 118 mildern Recht grundsätzlich keine Anwendung finden könne (vgl. z.B. RGSt 57 384, 416, 59 197, 61 223; FRANK, Das StGB für das Deutsche Reich, 18. Auflage, § 2 V 2; V. HIPPEL, Lehrbuch des Strafrechts, Berlin 1932, S. 78; MEZGER, Strafrecht, München 1931, S. 71; ALLFELD, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, 8. Auflage, S. 78). b) Eine Beschränkung des Art. 2 Abs. 2 StGB auf Gesetzesänderungen, denen ein Wandel strafrechtlicher Anschauungen zugrunde liegt, drängt sich auch auf bei Verwaltungsgesetzen, die nicht bloss für eine bestimmte Zeit oder für die Dauer von Ausnahmeverhältnissen erlassen werden, sondern grundsätzliche Regelungen treffen und daher auf die Dauer angelegt sind. Hier wie dort kann sich der Grundsatz des mildern Rechts von vorneherein nur auf die Strafbestimmungen beziehen, denn bloss diese können "milder" sein. Verhaltensnormen, wie z.B. die Verkehrsregeln, können zweckmässig oder unzweckmässig, so oder anders, aber nicht strenger oder milder sein. Dasselbe gilt von einem Inbegriff von Verhaltensnormen, die auf einander abgestimmt sind und zusammen eine bestimmte Ordnung ausmachen. Das Strassenverkehrsgesetz als Kernstück der Verkehrsgesetzgebung hält die Verkehrsregeln und die Strafbestimmungen denn auch deutlich auseinander, womit allerdings nicht gesagt werden will, die Systematik des Gesetzes sei für die Trennung der beiden Arten von Bestimmungen schlechthin massgebend. Dass sich der Satz vom mildern Recht nur auf die Strafbestimmungen beziehen kann, erhellt auch aus Art. 101 SVG . Im sog. stellvertretenden Strafrecht sind schweizerische Strafbestimmungen anzuwenden, aber auf die Verletzung der am Orte der Widerhandlung und zur Zeit der Begehung für den Täter geltenden Verkehrsregeln des Auslands. Ein Führer, der in England rechts fährt und dadurch einen Unfall verursacht, müsste in der Schweiz freigesprochen werden, wenn die Anwendung "schweizerischer Strafbestimmungen" auch die schweizerischen Verkehrsregeln mitumfassen würde. Werden sowohl ausserstrafrechtliche Verhaltensnormen BGE 89 IV 113 S. 119 wie Strafbestimmungen geändert, so heisst das nicht notwendig, dass eine weniger strenge Anschauung über Verstösse gegen die Ordnung Platz gegriffen hätte. Davon kann jedenfalls bei der Ablösung des MFG durch das Strassenverkehrsgesetz nicht die Rede sein. Diese Ablösung erfolgte, weil sich die alte Ordnung namentlich zufolge der stürmischen Entwicklung des Motorfahrzeugverkehrs mehr und mehr als unzulänglich erwiesen hatte. Die Verkehrsregeln sollten indes nicht umgestürzt, sondern nur auf den Stand der neuen Bedürfnisse weiterentwickelt und ausgebaut werden. Entsprechend sollten die Strafbestimmungen nur ergänzt werden. An der Anschauung über die Strafwürdigkeit von Widerhandlungen gegen Verkehrsvorschriften hat sich dagegen nichts geändert, zumindest nicht in dem Sinne, dass solche Widerhandlungen nunmehr weniger strafwürdig erschienen. Das Gegenteil dürfte eher zutreffen; jedenfalls sind sie nach wie vor mit der gleichen Strenge zu ahnden (vgl. Botschaft des Bundesrates zum Entwurf eines Bundesgesetzes über den Strassenverkehr vom 24. Juni 1955, BBl 1955 II 1, insbes. 5 ff.). Eine Ausnahme bildet die Bestimmung des Art. 90 Ziff. 2 Abs. 1 SVG , die für Fälle, wo die Störung des Verkehrs auf einer Verletzung von Verkehrsregeln beruht, an die Stelle von Art. 237 StGB getreten ist (ob auch für vorsätzliche Verkehrsstörungen oder nur für fahrlässige, wie DUBS in der Festgabe für Max Gerwig, Basler Studien zur Rechtswissenschaft, Heft 55, S. 10, annimmt, steht dabei noch offen). Hier betrifft die Gesetzesänderung eine Strafbestimmung des StGB, die von den kantonalen Gerichten sehr unterschiedlich gehandhabt wurde und deshalb einer Neuregelung rief. Es verhält sich dabei unter dem Gesichtspunkt des Art. 2 Abs. 2 StGB nicht anders, als wenn z.B. die Bestimmung über die fahrlässige Tötung, Art. 117, oder diejenige über die fahrlässige Körperverletzung, Art. 125, geändert worden wäre. Demgemäss ist Art. 2 Abs. 2 StGB auch anwendbar auf das Verhältnis von Art. 237 StGB zu Art. 90 Ziff. 2 Abs. 1 SVG . Die Anwendung des Art. 2 Abs. 2 StGB auf blosse BGE 89 IV 113 S. 120 Widerhandlungen gegen Verkehrsvorschriften entbehrt dagegen aus den angeführten Gründen der Rechtfertigung. Der Satz vom mildern Recht will den viel wichtigeren Grundsatz, wonach ein Strafgesetz auf alle während seiner Herrschaft verübten strafbaren Handlungen anzuwenden ist, nicht schlechthin ausschalten. Er will nur Härten beseitigen, die sich aus der uneingeschränkten Anwendung dieses Grundsatzes ergeben könnten. Eine sinnvolle und zweckentsprechende Beschränkung des Art. 2 Abs. 2 StGB bedeutet deshalb keine Abschwächung, sondern eine Aufwertung der Norm. Diese dem Täter einzig nach dem Wortlaut der generellen Verweisungen und unbekümmert um eine geänderte Rechtsanschauung zugute kommen zu lassen, wäre in den Auswirkungen unhaltbar, vor allem aber aus kriminalpolitischen Überlegungen nicht zu rechtfertigen, dies umsomehr als der Satz vom mildern Recht überhaupt umstritten und voller Problematik ist (vgl. z.B. HAFTER, Festgabe zum schweiz. Juristentag 1928, S. 109 ff., insbes. V). Freilich hat es der Gesetzgeber bei Zeitgesetzen wie bei andern Verwaltungsgesetzen in der Hand, durch Übergangsbestimmungen nicht nur die Rückwirkung eines Gesetzes und damit Art. 2 Abs. 2 StGB auszuschliessen, sondern in das neue Recht Vorbehalte zugunsten des alten aufzunehmen. Er hat von dieser Möglichkeit auch in neuerer Zeit noch Gebrauch gemacht (vgl. z.B. Art 41 Abs. 5 BG über die wirtschaftliche Kriegsvorsorge, vom 30. September 1955, AS 1956 85; Art. 11 Abs. 4 BB über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland, vom 28 September 1956, AS 1956 1553; Art. 68 Abs. 4 des Getreidegesetzes, vom 20. März 1959, AS 1959 995). Unterlässt er es, so entbindet dies den Richter nicht der Pflicht, anhand der dem Art. 2 Abs. 2 StGB innewohnenden Wertungen und dessen Zweckgedankens zu prüfen, ob die Anwendung der Norm auf Verstösse gegen ein Verwaltungsgesetz, wie hier, eine sachlich richtige Lösung darstelle. I.2. Bleibt es somit in bezug auf Widerhandlungen BGE 89 IV 113 S. 121 gegen Verkehrsvorschriften bei der Regel, dass das zur Zeit der Tat geltende Gesetz anzuwenden ist, so stellt sich die Frage, ob das neue Gesetz für den Täter allenfalls milder sei, nicht mehr. II.1. Nach dem angefochtenen Urteil hat es Lischer an der gebotenen Vorsicht fehlen lassen, die einem Führer obliegt, wenn er ausserhalb einer Strassenverzweigung nach links abbiegen will ( BGE 83 IV 165 ). Das Amtsgericht wirft ihm nicht vor, dass er die beabsichtigte Richtungsänderung nicht rechtzeitig angezeigt oder dass er den Lauf zu spät gemässigt hätte, sondern nur, dass er hätte anhalten sollen, um Mühlemann links überholen zu lassen. Der Beschwerdeführer wendet ein, dass er hiezu keinen Anlass hatte, weil er noch nicht nach links abgeschwenkt habe. Der Einwand scheitert indes an den tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts, wonach Lischer nach links abzubiegen im Begriffe war und Mühlemann nicht mehr anzuhalten vermochte, als er das Abbiegemanöver feststellte. Diese Feststellungen betreffen tatsächliche Verhältnisse und binden daher den Kassationshof. Dieser hat als Tatsache hinzunehmen, dass Lischer nach links abzubiegen begonnen hatte. Bevor er dies tat, hätte der Beschwerdeführer sich aber vergewissern sollen, dass er ein nachfolgendes Fahrzeug, das ihn überholen könnte, nicht gefährde. Zu dieser Vorsicht hatte er umsomehr Anlass, als er wusste, dass ihm ein Personenwagen mit grösserer Geschwindigkeit folgte. Indem Lischer diese Vorsichtsmassnahme unterliess, verstiess er gegen Art. 25 Abs. 1 MFG. II.2. Nach der Rechtsprechung darf der Führer auch ausserhalb von Strassenverzweigungen vor dem Linksabbiegen gegen die Strassenmitte einspuren, vorausgesetzt, dass die Strasse breit genug ist, um den hinter ihm folgenden Fahrzeugen das Überholen rechts zu ermöglichen; denn nur unter dieser Voraussetzung kann das Einspuren seinen BGE 89 IV 113 S. 122 Zweck, die Sicherheit und die Flüssigkeit des modernen Verkehrs zu fördern, erfüllen ( BGE 83 IV 169 , nicht veröffentlichtes Urteil des Kassationshofes vom 13. März 1959 i.S. Dumont). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Die Kantonsstrasse Luzern-Bern ist an der Unfallstelle bloss 6.50 m, jede Fahrbahn also nur 3.25 m breit. Mühlemann verblieb daher nicht genügend Raum, um Lischer rechts zu überholen, als dieser gegen die Leitlinie hielt. Lischer hätte daher nicht einspuren dürfen, sondern sich gemäss Art. 26 Abs. 1 MFG an den rechten Strassenrand halten und das Linksabschwenken bis nach der Durchfahrt Mühlemanns aufschieben müssen. III. Die Vorinstanz verkennt nicht, dass Mühlemann das Vortrittsrecht zustand. Sie sagt auch nicht, dass dieser nicht hätte überholen dürfen, weil Gegenverkehr geherrscht hätte. Sie wirft ihm nur vor, er habe zu nahe aufgeschlossen und deshalb nicht rechtzeitig anhalten können. Ein Fahrzeug kann indes ein anderes nicht überholen, ohne zunächst zu diesem aufzuschliessen. Da das Amtsgericht nicht behauptet, Mühlemann habe Art. 46 Abs. 1 MFV verletzt, ist der Vorwurf, zu nahe aufgeschlossen zu haben, nicht verständlich. Gewiss stiess der Wagen Mühlemanns gegen das Heck des Volkswagens, aber nicht weil Mühlemann Art. 46 Abs. 1 MFV missachtet hätte, sondern weil er auf das Überholmanöver verzichtete und nach rechts auszuweichen versuchte, als Lischer nach links abzuschwenken begann und ihm dadurch die Fahrbahn abschnitt. Das will jedoch nicht heissen, Mühlemann treffe keine Schuld. Das Amtsgericht scheint einleitend anzunehmen, Lischer habe, wie behauptet, den Richtungsanzeiger schon 80 m vor der Tankstelle gestellt. Es wirft Mühlemann aber nicht vor, dies wegen mangelnder Aufmerksamkeit zu spät bemerkt zu haben, offenbar weil es die Behauptung BGE 89 IV 113 S. 123 Lischers nicht für genügend bewiesen hielt. Dagegen steht fest, dass Lischer die Fahrt ständig verlangsamte und, statt gegen den rechten Strassenrand, gegen die Leitlinie hielt. Dies ist Mühlemann denn auch nicht entgangen; er will sich über die Absicht Lischers zunächst nur nicht klar geworden sein. Diese Ungewissheit hätte ihn veranlassen müssen, die Geschwindigkeit zu mässigen oder doch zumindest die Lage durch ein Warnsignal zu klären. Die Sicherheit des Verkehrs gebot es (Art. 20 MFG). Durch sein pflichtwidriges Verhalten hatMühlemann die Insassen des Volkswagens konkret gefährdet. Dass er nach Art. 90 Ziff. 2 SVG milder zu bestrafen wäre, macht er nicht geltend und ist bei einer Busse von Fr. 40.- auch nicht anzunehmen. Er ist deshalb zu Recht nach Art. 237 Ziff. 2 StGB bestraft worden.
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Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerden werden abgewiesen.
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Sachverhalt ab Seite 107 BGE 84 I 107 S. 107 A.- Nach Art. 52 Abs. 1 des schaffhausischen Gesetzes betreffend den Warenhandel sowie das Markt- und Hausierwesen (WHG) vom 20. November 1933 dürfen automatische Warenausteiler auf allgemein zugänglichen privaten oder öffentlichen Plätzen sowie an öffentlichen Strassen nur mit Bewilligung der Ortsbehörde aufgestellt oder ausgehängt werden. Der Betrieb der Automaten untersteht gemäss Art. 54 WHG den Bestimmungen des Gesetzes betreffend die öffentlichen Ruhetage und den Ladenschluss (Ruhetagsgesetz) vom 28. Januar 1920. Nach Art. 11 dieses BGE 84 I 107 S. 108 Gesetzes sind die Verkaufslokale, Kioske und Magazine aller Art an den Ruhetagen geschlossen zu halten; es dürfen keine Waren abgegeben oder den Kunden ins Haus geliefert werden. Art. 18 setzt den Ladenschluss an Werktagen auf 19 Uhr fest. B.- Die Veromat AG in Zürich, die sich mit dem Vertrieb von Warenverkaufsautomaten befasst, beantragte dem Stadtrat von Schaffhausen, ihrem Kunden Eugen Ege in Schaffhausen den Betrieb eines Warenautomaten zu bewilligen. Der Stadtrat erkannte am 9. Oktober 1957 sinngemäss, das Gesuch habe als abgewiesen zu gelten, sofern sich der Gesuchsteller nicht an Art. 11. und 18 des Ruhetagsgesetzes zu halten gedenke. Eine Beschwerde, die Ege dagegen erhob, hat der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen am 17. Dezember 1957 abgewiesen. Er hat dazu ausgeführt, Art. 52 WHG stelle die Erteilung der Bewilligung nicht ins Belieben der Behörde, sondern gestatte dieser lediglich, zu prüfen, ob der Ausübung der an sich erlaubten Tätigkeit keine polizeilichen Gründe entgegenstünden. Im vorliegenden Fall habe der Stadtrat den Betrieb des Warenautomaten einzig in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt, indem er den Gesuchsteller verpflichtet habe, sich an die Ladenschlussvorschriften zu halten. Die betreffenden Bestimmungen des Ruhetagsgesetzes dienten in erster Linie dem Schutz der öffentlichen Gesundheit. Dieser Schutz lasse sich nur verwirklichen, wenn der in seiner Berufsausübung eingeschränkte Geschäftsmann vor ungerechtfertigter Konkurrenz geschützt werde. Wie das Bundesgericht erkannt habe, erfordere der durch Art. 31 BV gewährrleistete Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gewerbegenossen, dass die Ladenschlussbestimmungen nicht nur auf Geschäfte mit Hilfspersonal angewendet würden, sondern auch auf solche, die vom Geschäftsinhaber und seiner Familie betrieben werden. Aus den selben Gründen müssten auch die Automaten der Ruhetagsregelung unterstellt werden. Entgegen der Auffassung des Rekurrenten lasse sich der Betrieb BGE 84 I 107 S. 109 eines Automaten nicht mit dem einer besonderen Ordnung unterstehenden Wirtschaftsgewerbe vergleichen. Bei diesem stehe die Bewirtung im Vordergrund; der Verkauf von Rauchwaren und dergleichen gehe lediglich nebenher. Würden Waren der nämlichen Art ausserhalb der Wirtschaften gehandelt, so falle diese Tätigkeit nicht unter die einzig im Hinblick auf die Bewirtung erlassenen Geschäftsschlussbestimmungen des Wirtschaftsgesetzes. C.- Mit der vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung des Art. 31 BV
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beantragt Ege, der Regierungsrat sei in Aufhebung des Rekursentscheids einzuladen, die nachgesuchte Bewilligung zum Betrieb eines Automaten ohne zeitliche Einschränkung zu erteilen. Die Begründung der Beschwerde ist, soweit wesentlich, aus den nachstehenden Erwägungen ersichtlich. D.- Der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Der Stadtrat von Schaffhausen hat sich nicht vernehmen lassen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 54 WHG gelten für den Betrieb von Automaten die Bestimmungen des Ruhetagsgesetzes, das in Art. 11 und 18 die Ladenöffnungszeiten regelt. Entgegen dem Einwand des Beschwerdeführers, es sei damit lediglich das Nachfüllen der Automaten nach Ladenschluss verboten worden, hat der Regierungsrat entschieden, die genannten Vorschriften schlössen auch den Verkauf durch Automaten ausserhalb der Ladenöffnungszeiten aus. Der Beschwerdeführer ficht diese Stellungnahme vor Bundesgericht nicht an. Mit Recht nicht; denn diese Auslegung entspricht dem klaren Wortlaut und dem Sinn des Art. 54 WHG , der den "Betrieb" von Automaten und nicht bloss deren Bedienung den Bestimmungen des Ruhetagsgesetzes unterstellt. Mit der staatsrechtlichen Beschwerde wird nur noch geltend gemacht, wenn Art. 54 WHG diese Bedeutung habe, so verletze er selbst Art. 31 BV . Das ist vom Staatsgerichtshof BGE 84 I 107 S. 110 frei zu prüfen; geht es doch nicht mehr um die Auslegung kantonalen Rechts, sondern um die Frage, ob dieses, so wie es ohne Willkür ausgelegt und angewendet werden kann, gegen die Bundesverfassung verstosse. Freilich kann Art. 54 WHG selbst nicht mehr mit der staatsrechtlichen Beschwerde angefochten werden, weil die Frist dazu längst abgelaufen ist; wohl aber kann seine Verfassungswidrigkeit noch im Anschluss an jeden einzelnen Anwendungsfall gerügt und verlangt werden, dass die ihn anwendende Entscheidung deswegen aufgehoben werde ( BGE 84 I 21 Erw. 2 und dort angeführte Urteile). 2. Art. 31 BV , der die Handels- und Gewerbefreiheit gewährleistet, behält in Abs. 2 kantonale Bestimmungen über die Ausübung von Handel und Gewerben sowie deren Besteuerung vor; diese dürfen jedoch ihrerseits den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit nicht beeinträchtigen. Gleich wie lit. e des früheren Art. 31 BV gestattet dieser Verfassungssatz den Kantonen, gewerbepolizeiliche Massnahmen zu ergreifen, d.h. die Ausübung von Handel und Gewerben aus polizeilichen Gründen, zum Schutze der öffentlichen Ordnung, Ruhe, Sicherheit, Gesundheit und Sittlichkeit sowie von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr einzuschränken. Diese Einschränkungen dürfen aber nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um den Zweck zu erreichen, durch den sie gedeckt sind. Überschreiten sie diese Grenze, so verstossen sie gegen Art. 31 BV ( BGE 73 I 99 /100 und dort angeführte Urteile). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind Vorschriften über den abendlichen Ladenschluss und über Ruhetage mit dem Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit vereinbar. Es handelt sich um eine polizeiliche Massnahme, welche die öffentliche Ordnung schützt und dem Ladenpersonal eine angemessene Freizeit verschafft, also der öffentlichen Gesundheit dient ( BGE 70 I 3 , BGE 73 I 99 und dort angeführte Urteile). Soweit sich Art. 11 und 18 des schaffhausischen Ruhetagsgesetzes auf das Offenhalten von Ladengeschäften und die Belieferung von Kunden BGE 84 I 107 S. 111 beziehen, steht denn auch ihre Verfassungsmässigkeit nicht in Frage. Unbestrittenermassen hält ferner das sich schon aus diesen Bestimmungen ergebende Verbot, Automaten ausserhalb der Ladenöffnungszeiten nachzufüllen (und zu unterhalten), vor Art. 31 BV stand. Zu prüfen ist dagegen, ob es diesem Verfassungssatz entspreche, wenn Art. 54 WHG auch den eigentlichen Betrieb der Warenautomaten der Ladenschlussregelung unterstellt. Von den genannten, durch Art. 11 und 18 des Ruhetagsgesetzes erfassten Ausnahmen abgesehen, bedürfen Automaten keiner Wartung; ihr Betrieb ist insofern unabhängig vom Arbeitseinsatz des Halters und seiner Angestellten. Wird die Betriebsdauer eingeschränkt, so lässt sich damit für niemanden eine Verkürzung der Arbeitszeit erreichen. Art. 54 W.HG gewährt daher an und für sich der öffentlichen Gesundheit keinen Schutz. Nach Auffassung der kantonalen Instanzen dient er indes in Verbindung mit den Bestimmungen des Ruhetagsgesetzes doch mittelbar diesem Zwecke. Dass sich die Einhaltung der Ladenschlussvorschriften dieses Gesetzes nur dann erzwingen oder wirksam überwachen lasse ( BGE 49 I 231 , BGE 70 I 4 ), wenn auch die Automaten lediglich während der Ladenöffnungszeiten in Betrieb stehen, behauptet der Regierungsrat allerdings nicht. Seiner Ansicht nach geht es vielmehr darum, die Kaufleute, die sich an die Ladenschlussvorschriften zu halten haben, vor "ungerechtfertigter Konkurrenz" seitens der Halter von Automaten zu schützen und so den Gewerbegenossen die Gleichberechtigung zu gewährleisten. In dem vom Regierungsrat in diesem Zusammenhang angerufenen Urteil BGE 73 I 99 ff. wurde die Frage, ob allen Ladeninhabern einer Gemeinde vorgeschrieben werden dürfe, am selben Wochennachmittag zu schliessen, um dem Personal einen freien Halbtag zu verschaffen, mit der Begründung bejaht, viele kleine Geschäfte könnten ihren Angestellten nicht frei geben, ohne den Laden zu schliessen, während die grossen Unternehmen nicht dazu gezwungen BGE 84 I 107 S. 112 seien; eine Benachteiligung der kleinen Betriebe lasse sich einzig vermeiden, wenn sämtliche Geschäfte am gleichen Nachmittag schliessen müssten; der angestrebte Schutz des Ladenpersonals lasse sich deshalb nicht ohne diese Massnahme verwirklichen. Diesem Entscheid liegt die Erwägung zugrunde, die schon rein tatsächlich bestehende Ungleichheit der Konkurrenzbedingungen von Gross- und Kleinbetrieben dürfe nicht durch polizeiliche Anordnungen noch verschärft werden; um eine derartige Störung des Wettbewerbs zu vermeiden. müsse der Staat unter Umständen tiefer in die freie Gewerbetätigkeit eingreifen, als dies an sich zur Erreichung des unmittelbar angestrebten Zwecks erforderlich wäre. Ob diese Weiterentwicklung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit der polizeilichen Eingriffe den dagegen erhobenen Einwendungen (ZbJV 85 S. 54) standhalte, kann offen bleiben, da sich die in BGE 73 I 99 ff. beantworteten Fragen hier nicht stellen. Während es dem Inhaber eines kleinen Ladengeschäfts nicht ohne weiteres möglich ist, zusätzliches Personal einzustellen, um die Angestellten zu ersetzen, denen der staatlich vorgeschriebene freie Halbtag gewährt werden muss ( BGE 73 I 100 ), steht die Übernahme eines Automaten in den hiefür in Betracht fallenden Geschäftszweigen (Lebensmittel-, Kurzwaren-, Rauchwaren, Ansichtskartenhandel usw.) praktisch jedem Unternehmer und vor allem auch den Inhabern kleiner Ladengeschäfte offen; wird die Ladenöffnungszeit kürzer angesetzt als die Betriebsdauer der Automaten, so wirkt sich das mithin, zum mindesten virtuell, auf alle in gleicher Weise aus. Im Gegensatz zu dem in BGE 73 I 99 ff. beurteilten Falle braucht hier demgemäss nicht dafür gesorgt zu werden, dass eine gewerbepolizeiliche Einschränkung nicht einen Teil der Gewerbegenossen infolge besonderer wirtschaftlicher Voraussetzungen in einseitiger Weise benachteilige. Die Berufung auf das angeführte Urteil und den Grundsatz der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen geht daher fehl. BGE 84 I 107 S. 113 Die Anwendung der Ladenschlussvorschriften auf den Betrieb von Automaten liesse sich demnach höchstens aus Gründen der öffentlichen Ruhe und Ordnung in Erwägung ziehen. Dass die Nachtruhe durch den Betrieb eines Automaten beeinträchtigt werden könnte, ist nicht anzunehmen. Denkbar ist hingegen, dass ein Verkauf durch Automaten an Sonntagen und hohen kirchlichen Feiertagen, namentlich zur Zeit des Gottesdienstes und in der Nähe von Kirchen, als Störung der Sonntags- und Feiertagsruhe empfunden werden könnte (vgl. BGE 50 I 176 /177, BGE 54 I 369 ; SALIS, Bundesrecht, 2. Aufl., Nr. 776 II, 984, 1010-1015). Ob dies zutreffe, hängt weitgehend von den örtlichen Gepflogenheiten ab. Die kantonalen Instanzen haben in dieser Hinsicht jedoch nichts vorgebracht, was die getroffene Regelung zu stützen vermöchte. Die in Art. 54 WHG angeordnete Ausdehnung der Ladenschlussvorschriften auf den Betrieb von Automaten wird somit auch in Berücksichtigung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen nicht durch polizeiliche Gründe gerechtfertigt. Sie beeinträchtigt daher die in Art. 31 BV gewährleistete Handels- und Gewerbefreiheit. 3. Da der angefochtene Entscheid in Anwendung einer verfassungswidrigen Bestimmung ergangen ist, verstösst er selbst gegen die Verfassung; er ist deshalb aufzuheben. Darin erschöpft sich indes der Schutz der Beschwerde nicht. Gemäss ständiger Rechtsprechung kann vielmehr das Bundesgericht die kantonale Behörde anweisen, eine zu Unrecht verweigerte Polizeierlaubnis zu erteilen ( BGE 82 I 111 Erw. 6). Das rechtfertigt sich auch hier. Wie der Regierungsrat festgestellt hat, hat der Bürger ein Recht auf die Bewilligung des Betriebs eines Automaten, wenn der Ausübung dieser Tätigkeit kein polizeiliches Hindernis im Wege steht. Die kantonalen Instanzen haben in bau- und strassenpolizeilicher Beziehung nichts gegen die Erstellung des Automaten eingewendet; sie haben die Auswahl der feilgebotenen Waren nicht beanstandet. Der Betrieb des Automaten ist denn auch grundsätzlich erlaubt BGE 84 I 107 S. 114 und nur in zeitlicher Hinsicht Einschränkungen unterworfen worden. Wie dargelegt, hält diese Auflage (soweit sie nicht nur die Bedienung der Automaten betrifft) vor der Verfassung nicht stand. Die kantonalen Behörden sind daher anzuweisen, die nachgesuchte Bewilligung ohne die angefochtene Einschränkung zu erteilen.
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Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid des Regierungsrates des Kantons Schaffhausen vom 17. Dezember 1957 wird aufgehoben, und der Regierungsrat wird angewiesen, die nachgesuchte Bewilligung im Sinne der Erwägungen zu erteilen.
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Sachverhalt ab Seite 131 BGE 133 II 130 S. 131 Le 17 août 2006, l'Office fédéral des transports a rendu une décision d'approbation des plans, au sens des art. 18 ss de la loi fédérale du 20 décembre 1957 sur les chemins de fer (LCdF; RS 742.101), pour le deuxième tronçon de la ligne de tramway Cornavin-Meyrin-CERN (ligne TCMC) dans l'agglomération genevoise. En approuvant les plans, l'Office fédéral a rejeté une opposition formée par A., propriétaire d'un centre commercial proche du tracé de ligne de tramway. A. a recouru contre cette décision auprès de la Commission fédérale de recours en matière d'infrastructures et d'environnement (CRINEN). Le 8 novembre 2006, les Transports publics genevois (TPG) - compagnie ayant obtenu une extension de la concession fédérale pour construire et exploiter la ligne de tramway - ont demandé le retrait de l'effet suspensif au recours. Statuant le 12 décembre 2006, la Vice-présidente de la Commission de recours a admis cette requête des TPG. Agissant par la voie du recours de droit administratif au sens des art. 97 ss OJ (puisque la décision attaquée avait été rendue avant le 1 er janvier 2007 - cf. art. 132 al. 1 de la loi du 17 juin 2005 sur le Tribunal fédéral [LTF; RS 173.110]), A. a demandé au Tribunal fédéral d'annuler la décision de la Vice-présidente de la Commission fédérale de recours et de confirmer l'effet suspensif de son recours soumis à ladite Commission. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
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Erwägungen Extrait des considérants: 3. Il convient en premier lieu d'examiner la réglementation du droit fédéral en matière d'effet suspensif. Le Tribunal fédéral se prononce d'office à ce sujet, étant lié par les conclusions des parties mais non pas par les motifs qu'elles invoquent ( art. 114 al. 1 OJ ). 3.1 Les dispositions de la loi fédérale du 20 décembre 1968 sur la procédure administrative (PA; RS 172.021) étaient applicables à la procédure de recours devant la Commission fédérale de recours en matière d'infrastructures et d'environnement (CRINEN). La question de l'effet suspensif était alors réglée à l' art. 55 PA . Depuis le 1 er janvier 2007, les procédures pendantes devant cette commission ont été transmises au Tribunal administratif fédéral. A défaut de dispositions spécifiques sur l'effet suspensif dans la loi du 17 juin 2005 sur le Tribunal administratif fédéral (LTAF; RS 173.32), cette question est toujours régie par l' art. 55 PA , en vertu du renvoi général à la PA de l' art. 37 LTAF . BGE 133 II 130 S. 132 Aux termes de l' art. 55 al. 1 PA , le recours a effet suspensif. Conformément à l' art. 55 al. 2 PA , l'autorité de recours, son président ou le juge instructeur peut retirer l'effet suspensif après le dépôt du recours, sauf si la décision attaquée porte sur une prestation pécuniaire (la rédaction de ce second alinéa de l' art. 55 PA a été revue lors de l'adoption de la LTAF mais les conditions du retrait de l'effet suspensif n'ont pas été modifiées - cf. RO 2006 p. 2223). L' art. 55 al. 5 PA réserve les dispositions d'autres lois fédérales prévoyant qu'un recours n'a pas d'effet suspensif. Le régime de l' art. 55 PA , où la loi prévoit que le recours a par lui-même effet suspensif, n'est pas celui qui est applicable en cas de recours au Tribunal fédéral. Actuellement, en vertu de l' art. 103 al. 1 LTF , le recours en matière de droit public n'a en règle générale pas d'effet suspensif, mais le juge instructeur peut, d'office ou sur requête d'une partie, statuer différemment à ce sujet ( art. 103 al. 3 LTF ). Dans la procédure de recours de droit administratif au Tribunal fédéral selon les anciens art. 97 ss OJ (RO 3 p. 521), la loi prévoit également que l'effet suspensif doit le cas échéant être ordonné, sauf si la décision attaquée porte condamnation à une prestation en argent ( art. 111 OJ ). 3.2 La procédure d'approbation des plans de construction de chemins de fer - applicable notamment à la construction de tramways ( art. 2 al. 1 LCdF ) - est régie par les art. 18 ss LCdF , chapitre de la loi révisé lors de l'adoption le 18 juin 1999 de la loi fédérale sur la coordination et la simplification des procédures de décision (en vigueur depuis le 1 er janvier 2000 - cf. RO 1999 p. 3071). L' art. 18a LCdF précise que cette procédure est également régie, subsidiairement, par la loi fédérale du 20 juin 1930 sur l'expropriation (LEx; RS 711). Le législateur a ainsi, en 1999, regroupé ou combiné les procédures d'approbation des plans et d'expropriation afin que toutes les oppositions, notamment celles en matière d'expropriation, soient traitées lors de l'approbation des plans; l'estimation des prétentions produites par les expropriés fera en revanche l'objet d'une procédure distincte (cf. art. 18h al. 1 et art. 18k al. 1 LCdF ; cf. Message relatif à la loi fédérale sur la coordination précitée, FF 1998 p. 2231). Lors de la révision de 1999, il a été expressément prévu, à l' art. 18h al. 5 LCdF , qu'une décision d'approbation des plans prise par l'Office fédéral des transports pouvait faire l'objet d'un recours à la BGE 133 II 130 S. 133 Commission fédérale de recours (CRINEN). La procédure de recours n'a pas été réglée plus précisément; en particulier, aucune disposition spéciale n'a été prévue pour l'effet suspensif, ce dont on peut déduire une application sans réserve de la réglementation de l' art. 55 al. 1 et 2 PA . L'alinéa 5 de l' art. 18h LCdF a été abrogé avec effet au 1 er janvier 2007, la voie de recours à la CRINEN n'étant plus ouverte depuis que le Tribunal administratif fédéral est compétent en cette matière (RO 2006 p. 2266). 3.3 Le Conseil fédéral, qui doit arrêter les prescriptions d'exécution de la loi sur les chemins de fer ( art. 97 LCdF ), a adopté le 2 février 2000 - soit peu après l'entrée en vigueur des nouveaux art. 18 ss LCdF - une ordonnance sur la procédure d'approbation des plans des installations ferroviaires (OPAPIF; RS 742.142.1). Cette ordonnance abroge une ancienne ordonnance du 23 décembre 1932 sur les projets de construction de chemins de fer ( art. 9 OPAPIF ). L' art. 6 OPAPIF (dont le titre est "notification de l'approbation des plans et début de la construction") contient un alinéa 3 dont la teneur est la suivante: "La construction de l'installation ne peut commencer qu'une fois la décision d'approbation entrée en force." (En allemand: "Mit dem Bau der Anlage darf erst gestützt auf eine rechtskräftige Plangenehmigung begonnen werden".) Le Tribunal fédéral peut en principe revoir la légalité des ordonnances du Conseil fédéral ( ATF 133 V 42 consid. 3.1 p. 44; ATF 131 II 271 consid. 4 p. 275 et les arrêts cités). Précisément, la légalité de l' art. 6 al. 3 OPAPIF est douteuse. En procédure ordinaire, dans le cadre des art. 18 ss LCdF , la décision d'approbation des plans prise par l'Office fédéral des transports est l'unique décision de l'administration fédérale. Cette décision permet en principe la construction de l'installation ferroviaire, sans qu'il soit nécessaire d'obtenir d'autres autorisations fondées sur le droit fédéral ( art. 18 al. 3 LCdF ) ou sur le droit cantonal ( art. 18 al. 4 LCdF ). Dans ce régime légal, une décision d'approbation des plans peut donc être qualifiée d'exécutoire (en allemand: vollstreckbar ) si elle n'est pas attaquée devant l'autorité de recours (CRINEN ou Tribunal administratif fédéral). En cas de recours, la décision peut être exécutoire avant d'être formellement en force (en allemand: rechtskräftig ), si le moyen juridictionnel ordinaire exercé contre elle ou susceptible de l'être n'a pas d'effet suspensif ou en a été privé, par BGE 133 II 130 S. 134 exemple par une décision incidente de retrait de l'effet suspensif fondée sur l' art. 55 al. 2 PA . En ne permettant pas d'effectuer la construction avant l'entrée en force de la décision d'approbation des plans, l' art. 6 al. 3 OPAPIF , s'il était appliqué strictement, priverait l'entreprise concessionnaire de la possibilité de commencer les travaux, quand bien même la décision serait exécutoire soit à la suite d'un retrait d'effet suspensif sur la base de l' art. 55 al. 2 PA (en cas de recours pendant devant la CRINEN ou le Tribunal administratif fédéral), soit à cause du refus du juge instructeur de prononcer l'effet suspensif (en cas de recours au Tribunal fédéral - cf. art. 111 al. 2 OJ , art. 103 al. 1 LTF ). Par ailleurs, cela pourrait également priver de portée concrète une décision du juge de l'expropriation prononçant l'envoi en possession anticipé en application de l' art. 76 LEx . L' art. 18k al. 3 LCdF permet en effet au président de la commission d'estimation d'autoriser l'envoi en possession anticipé "lorsque la décision d'approbation des plans est exécutoire". Cette question est désormais réglée, dans le cadre de la nouvelle procédure combinée de la loi sur les chemins de fer, tandis que l' art. 76 al. 1 LEx ne définit pas clairement le stade de la procédure à partir duquel l'envoi en possession anticipé peut être ordonné (cette mesure peut en principe être requise "en tout temps"). C'est délibérément que le législateur, en adoptant l' art. 18k al. 3 LCdF , a autorisé un envoi en possession anticipé, et partant le début des travaux, à un moment où la décision est certes exécutoire - parce qu'un recours formé contre elle n'a pas ou plus d'effet suspensif - mais pas encore en force (cf. Message du Conseil fédéral relatif à la loi fédérale sur la coordination, FF 1998 p. 2253 et 2267). Il convient encore de relever qu'avant l'adoption des nouvelles règles sur la procédure d'approbation des plans ( art. 18 ss LCdF ), l'art. 34 de l'ancienne ordonnance sur les projets de constructions de chemins de fer fixait le moment du début des travaux (RO 1984 p. 1443). La jurisprudence a été amenée à interpréter cette disposition, qui n'était pas claire. Le Tribunal fédéral a notamment considéré que pour ne pas priver l' art. 76 LEx de toute portée, il ne fallait pas subordonner l'envoi en possession anticipé et le début des travaux à l'entrée en force de la décision d'approbation des plans (décision "définitive" ou "rechtskräftig"), comme le texte de l'art. 34 pouvait le laisser penser, mais que ces travaux pouvaient commencer, en cas de recours, après la décision du Département fédéral, alors compétent comme BGE 133 II 130 S. 135 autorité de recours hiérarchique et autorité de surveillance (ATF 115 lb 424 consid. 6 p. 437 ss). Il résulte de ce qui précède que si le Conseil fédéral avait formulé l' art. 6 al. 3 OPAPIF en ce sens que "la construction de l'installation ne peut commencer qu'une fois la décision d'approbation exécutoire" ("eine vollstreckbare Plangenehmigung" ), cette disposition n'aurait pas été critiquable du point de vue des règles générales de la procédure administrative sur l'effet suspensif des recours ( art. 55 PA , art. 103 al. 1 LTF , art. 111 al. 2 OJ ), ni du point de vue de la réglementation de l'envoi en possession anticipé ( art. 76 LEx , art. 18k al. 3 LCdF ). En revanche, en retenant le critère de l'entrée en force, l'auteur de l'ordonnance n'a pas tenu compte du système légal, qui n'exclut pas le début des travaux alors qu'un recours est pendant, moyennant le retrait ou le refus de l'effet suspensif, et qui permet aussi à ce stade l'envoi en possession anticipé. Ce système légal s'appliquant non seulement à la construction des chemins de fer mais également à celle de la plupart des installations régies par le droit fédéral, on ne voit aucun motif de considérer que le Conseil fédéral aurait à ce sujet, en vertu de la clause de l' art. 97 LCdF sur les prescriptions d'exécution, une marge d'appréciation dont il faudrait tenir compte. Au contraire, il n'y a aucun intérêt à différer par principe la réalisation des projets ferroviaires lorsqu'ils font l'objet de décisions d'approbation des plans exécutoires. Il s'ensuit, dans la présente affaire, que l' art. 6 al. 3 OPAPIF - que la recourante n'a au demeurant pas invoqué - n'a pas à être pris en considération et que la décision attaquée ne viole pas le droit fédéral du seul fait qu'elle permet le commencement des travaux avant l'entrée en force de la décision d'approbation des plans.
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Sachverhalt ab Seite 187 BGE 129 V 187 S. 187 A.- J. (geb. 22. August 1937) hatte auf 31. Dezember 1998 seine langjährige Arbeitsstelle in der Firma P., Zürich, verloren. Er meldete sich deswegen auf den 1. März 1999 bei der Arbeitslosenversicherung zum Taggeldbezug an, welche ihm ab diesem Datum eine zweijährige Rahmenfrist für den Leistungsbezug eröffnete. Am 21. Februar 2001 bestätigte ihm die Ausgleichskasse den Empfang seiner Rentenanmeldung vom 8. Februar 2001 für einen Vorbezug der Altersrente um ein Jahr ab 1. September 2001. Mit Verfügung vom 27. Februar 2001 lehnte das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn, Öffentliche Arbeitslosenkasse, den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung in der "Folgerahmenfrist ab 1.3.2001" BGE 129 V 187 S. 188 wegen Nichterfüllens der erforderlichen Mindestbeitragszeit von 12 Monaten ab. Sie beschied damit ein Begehren des Versicherten vom 17. Februar 1999 abschlägig, worin sich dieser auf den Standpunkt gestellt hatte, mit Blick auf seinen Altersrentenbezug nach dem 64. Lebensjahr (Vorbezug der Altersrente ab 1. September 2001) bestehe die Möglichkeit, bis 31. August 2001 Arbeitslosenentschädigung zu beziehen. B.- In der hiegegen erhobenen Beschwerde an das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn machte J. erneut geltend, aufgrund des im Rahmen der Bestimmungen der 10. AHV-Revision möglich gewordenen Rentenvorbezuges ab 1. September 2001 seien die Voraussetzungen für die Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung um weitere 120 Tage gegeben. Nach Einholung einer ablehnenden Vernehmlassung und Durchführung eines zweiten Schriftenwechsels, in dessen Verlauf der (nunmehr anwaltlich vertretene) Versicherte und die Verwaltung an ihren abweichenden Standpunkten festhielten, wies das Versicherungsgericht die Beschwerde mit Entscheid vom 25. April 2002 ab. C.- J. lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, der Entscheid des kantonalen Versicherungsgerichts vom 25. April 2002 und die Ablehnungsverfügung vom 27. Februar 2001 seien aufzuheben und die Arbeitslosenkasse sei "anzuweisen, die Rahmenfrist für den Leistungsbezug nach Art. 27 Abs. 3 AVIG um sechs Monate zu verlängern und in dem Sinne die Anspruchsberechtigung des Beschwerdeführers anzuerkennen". Während Versicherungsgericht und Staatssekretariat für Wirtschaft auf eine Vernehmlassung verzichten, beantragt die Arbeitslosenkasse die Abweisung der Beschwerde.
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Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. Auf Grund der Akten steht unbestrittenerweise fest, dass der Beschwerdeführer mangels ausserordentlicher Mindestbeitragszeit von 12 Monaten ( Art. 13 Abs. 1 Satz 2 AVIG ) mit Wirkung ab der zweiten eröffneten Rahmenfrist für den Leistungsbezug ab 1. März 2001 keinen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung hat. Streitig und zu prüfen ist einzig, ob der Beschwerdeführer, welcher in der ersten Rahmenfrist vom 1. März 1999 bis 28. Februar 2001 Taggelder nach Art. 27 Abs. 2 lit. a AVIG bezogen hat, sich auf Abs. 3 dieser Bestimmung berufen kann. Danach kann der Bundesrat für Versicherte nach Abs. 2, die innerhalb der letzten zweieinhalb Jahre BGE 129 V 187 S. 189 vor Erreichen des AHV-Rentenalters arbeitslos geworden sind und deren Vermittlung allgemein aus Gründen des Arbeitsmarktes unmöglich oder stark erschwert ist, den Anspruch um höchstens 120 Taggelder erhöhen und die Rahmenfrist für den Leistungsbezug um sechs Monate verlängern ( Art. 27 Abs. 3 AVIG in der Fassung gemäss dem Bundesgesetz vom 19. März 1999 über das Stabilisierungsprogramm 1998, in Kraft seit 1. September 1999 [AS 1999 2374]). Gestützt darauf hat der Bundesrat Art. 41b AVIV erlassen, der lautet: Versicherten mit einem Taggeldhöchstanspruch nach Art. 27 Abs. 3 AVIG , die sich innerhalb der letzten zweieinhalb Jahre vor Erreichen des ordentlichen AHV-Rentenalters als arbeitslos melden, wird eine Rahmenfrist für den Leistungsbezug eröffnet, welche bis zum AHV-Rentenalter dauert. Sie haben Anspruch auf zusätzliche 120 Taggelder. (Fassung gemäss Ziff. I 6 der Verordnung über das Stabilisierungsprogramm 1998 vom 11. August 1999 [AS 1999 2387]). Vor In-Kraft-Treten der im Rahmen des Stabilisierungsprogramms 1998 neu gefassten Bestimmungen lauteten die Vorgängernormen: Art. 27 Abs. 3 AVIG Der Bundesrat kann für Versicherte, die innerhalb der letzten zweieinhalb Jahre vor Erreichen des AHV-Rentenalters arbeitslos geworden sind und deren Vermittlung allgemein aus Gründen des Arbeitsmarktes unmöglich oder stark erschwert ist, den Anspruch um höchstens 120 Taggelder erhöhen und die Rahmenfrist für den Leistungsbezug um sechs Monate verlängern (Fassung gemäss Ziff. 1 des Bundesgesetzes vom 23. Juni 1995, in Kraft seit 1. Januar 1996 [AS 1996 273, 293]). Art. 41b AVIV Rahmenfrist und Anzahl Taggelder für Versicherte vor dem Rentenalter ( Art. 27 Abs. 3 AVIG ) Versicherten, die sich innerhalb der letzten zweieinhalb Jahre vor Erreichen des ordentlichen AHV-Rentenalters als arbeitslos melden, wird eine Rahmenfrist für den Leistungsbezug eröffnet, welche bis zum AHV-Rentenalter dauert. Sie haben Anspruch auf zusätzliche 120 Taggelder (Fassung gemäss Ziff. I der Verordnung vom 11. Dezember 1995 [AS 1996 295]). 2. Art. 27 Abs. 3 AVIG spricht somit unverändert vom AHV-Rentenalter, Art. 41b AVIV (auch in der seit 1. September 1999 gültigen Fassung) dagegen vom ordentlichen AHV-Rentenalter. Der Beschwerdeführer sieht darin eine Gesetzwidrigkeit der Verordnung durch unzulässige, weil nicht von der Delegationsnorm gedeckte Einschränkung desjenigen Kreises versicherter Personen, der von der formellgesetzlichen Rahmenfristverlängerung anvisiert wird. Das kantonale Gericht hat im angefochtenen Entscheid, gestützt auf BGE 129 V 187 S. 190 das Urteil C 426/99 "vom 20. August 2000" (es handelt sich um BGE 126 V 368 , der vom 7. August 2000 datiert) erwogen, das Eidgenössische Versicherungsgericht habe in jenem Urteil keine Veranlassung gesehen, eine Gesetzwidrigkeit von Art. 41b AVIV in der damaligen Fassung anzunehmen. Das Gericht habe selber vom Eintritt des ordentlichen AHV-Rentenalters gesprochen, wiewohl eingewendet werden möge, dass in jenem Fall ein Rentenvorbezug gar nicht zur Diskussion stand. Mit der Flexibilisierung des AHV-Rentenalters, also der (durch die 10. AHV-Revision geschaffenen) Möglichkeit des Rentenvorbezuges, sei die Verordnungsbestimmung ( Art. 41b AVIV ) auf dem Hintergrund des offener formulierten Art. 27 Abs. 3 AVIG nicht gesetzwidrig geworden. Wenn auch die Möglichkeit eines gesetzgeberischen Übersehens nicht auszuschliessen sei, verdiene die Auslegung einer unveränderten Gültigkeit von Art. 41b AVIV den Vorzug, sei doch der Entscheid des Eidgenössischen Versicherungsgerichts (gemeint BGE 126 V 368 ) in einem Moment ergangen, da die (mit der 10. AHV-Revision neu gefassten) Art. 39 f. AHVG (flexibles Rentenalter) bereits in Kraft gestanden hätten. Trotz Kenntnis um die Rechtslage habe der Gesetzgeber von inhaltlichen Änderungen der Art. 27 Abs. 3 AVIG und Art. 41b AVIV abgesehen, weshalb kein Raum für eine andere Anwendung bestehe. Habe der Gesetzgeber somit zwar eine Flexibilisierung des Rentenalters mit Vorbezugsmöglichkeit der Altersrente einführen wollen, habe er aber nicht die Absicht gehabt, dadurch auch die Möglichkeit des Taggeldbezugs vom ordentlichen Rentenalter zu lösen, ansonsten dies hätte angeordnet werden können. Damit sei die einschränkende Verordnungsregelung von Art. 41b AVIV durch Art. 27 Abs. 3 AVIG "gedeckt", obwohl dessen Wortlaut lediglich vom AHV-Alter und nicht vom ordentlichen AHV-Alter spreche. Der Bundesrat enge seinen Spielraum nicht zu stark ein, wenn er die Möglichkeit für weitere 120 Taggelder nur Personen zugestehen wolle, die kurz vor dem ordentlichen AHV-Alter stünden. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird hingegen eingewendet, das Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts C 426/99 sei nicht präjudiziell und könne daher zur Untermauerung des vorinstanzlichen Standpunktes nicht dienen. Art. 27 Abs. 3 AVIG spreche lediglich vom AHV-Rentenalter und nicht vom ordentlichen AHV-Rentenalter. Dem gestützt auf diese Delegationsnorm ermächtigten Bundesrat sei es als Exekutivbehörde "verwehrt, dem Bürger auf Gesetzesstufe eingeräumte Rechte in einer Verordnung BGE 129 V 187 S. 191 zu beschneiden bzw. ihm darin neue Pflichten aufzuerlegen". Indem Art. 41b AVIV vom Erreichen des ordentlichen AHV-Rentenalters spreche, setze der Bundesrat Grenzen für die Anwendung dieser Bestimmung, welche durch das Gesetz nicht vorgegeben würden. Sämtliche Personen, die ihre Rente vorbeziehen möchten, seien dadurch ausgeschlossen. Diese Leistungseinschränkung überschreite den durch die Delegationsnorm geschaffenen Rahmen der Rechtsetzungsbefugnis. Die von der Vorinstanz erwähnte Kenntnis des Gesetzgebers um die Rechtslage sei unbehelflich, hätte doch Art. 27 Abs. 3 AVIG so oder anders keine inhaltliche Änderung erfahren müssen. Die vorinstanzliche Auffassung verkenne auch die systematische Einordnung des Rentenvorbezuges nach Art. 40 AHVG in "IV. Das flexible Rentenalter", welcher Abschnitt sich seinerseits unter "B. Die ordentlichen Renten" befinde. Eine vorzeitige Pensionierung nach Art. 40 AHVG sei somit durchaus ein AHV-Rentenalter, welches zu einer ordentlichen Rente berechtige. Schliesslich beruft sich der Beschwerdeführer auf ein Schreiben des (damaligen) Bundesamtes für Wirtschaft und Arbeit vom 23. März 1998. 3. Dass das kantonale Gericht Art. 41b AVIV , seinem Wortlaut und Rechtssinn entsprechend, zutreffend zur Anwendung gebracht hat, steht fest und wird auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten. 3.1 Fraglich ist einzig, ob die dort erwähnte qualifizierende Anspruchsvoraussetzung der Beschränkung der Erweiterung der Rahmenfrist um längstens sechs Monate mit 120 zusätzlichen Taggeldern auf das ordentliche AHV-Rentenalter gesetzmässig ist. Diese im Rahmen der konkreten, inzidenten oder vorfrageweisen Normenkontrollbefugnis gemäss ständiger Rechtsprechung ( BGE 127 I 192 Erw. 5 Ingress, BGE 127 V 454 Erw. 3b) zu beurteilende Frage nach der Gesetzmässigkeit von Art. 41b AVIV setzt zunächst voraus, dass Klarheit über den Rechtssinn der Delegationsnorm besteht. Die Prüfung der Gesetzmässigkeit der Verordnungsbestimmung kann erst stattfinden, wenn feststeht, was die übergeordnete formell gesetzliche Delegationsbestimmung (und allfällige weitere zu berücksichtigende Normen) bedeuten (vgl. z.B. BGE 126 V 71 Erw. 4b). 3.2 Art. 27 Abs. 3 AVIG ist somit daraufhin auszulegen, was der Terminus, innerhalb der letzten zweieinhalb Jahre "vor Erreichen des AHV-Rentenalters" arbeitslos geworden, bedeutet. Dazu ist festzustellen, dass der Begriff des AHV-Rentenalters (l'âge donnant BGE 129 V 187 S. 192 droit à une rente AVS; età che dà diritto alla rendita AVS) ein genereller Begriff ist, wie er sich aus der Umschreibung der Altersrentenvoraussetzungen nach Art. 21 AHVG ergibt. "AHV-Rentenalter" lässt schon rein sprachlich nicht an das individuelle Alter denken, in dem eine bestimmte versicherte Person den Rentenvorbezug wählen kann. In systematischer Hinsicht stellt der Rentenvorbezug wenn nicht geradezu das begriffliche Gegenstück, so doch eindeutig eine Abweichung zum AHV-Rentenalter dar. Was Sinn und Zweck von Art. 27 Abs. 3 AVIG anbelangt, wollte der Gesetzgeber mit dieser bevorzugten Behandlung eine bestimmte Kategorie von Arbeitslosen besser stellen, nämlich die kurz vor dem Rentenalter stehenden Versicherten, wobei er die Grenze zweieinhalb Jahre vor dem AHV-Rentenalter zog. Auch diese Überlegung spricht gegen eine Relativierung der zweieinhalbjährigen Frist des Art. 27 Abs. 3 AVIG je nach den individuellen für den Rentenbezug ausschlaggebenden Verhältnissen. Was das historische Auslegungselement anbelangt, ist Art. 27 Abs. 3 AVIG durch das Bundesgesetz vom 23. Juni 1995, in Kraft seit 1. Januar 1996 (zweite Teilrevision des AVIG), in das Gesetz gekommen. Im Entwurf des Bundesrates war die Bestimmung noch nicht vorgesehen (BBl 1994 I 340 ff., insbesondere 349). Den Verhandlungen in den beiden Räten sind keine Hinweise zu entnehmen, dass diese Bestimmung an einen individuell gewählten Vorbezug einer Rente geknüpft werden sollte (Sten.Bull. N 1994 1590 bis 1592, 1995 1129, S 1994 313, 1995 107). 4. Ergeben damit sämtliche normunmittelbaren Kriterien ( BGE 126 V 387 ff. Erw. 2c aa-cc), dass der Begriff des AHV-Rentenalters die massgebliche Altersgrenze nach Art. 21 AHVG meint, hält sich Art. 41b AVIV ohne weiteres im Rahmen dieser Bestimmung. Der Vorwurf der Gesetzwidrigkeit ist unbegründet.
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