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de
Sachverhalt ab Seite 713 BGE 142 III 713 S. 713 A. A.A. (geb. 1956) und B.A. (geb. 1958) heirateten am 14. Januar 1983. Ihrer Ehe entspross ein mittlerweile volljähriger Sohn. B. B.a Am 27. Juni 2011 machte A.A. am Bezirksgericht W. (Kanton Schwyz) die Scheidungsklage anhängig. Er stellte den Antrag, die Ehe der Parteien gestützt auf Art. 114 ZGB zu scheiden; weitere Anträge betrafen die Nebenfolgen der Scheidung. In ihrer Klageantwort vom 31. Oktober 2011 beantragte auch B.A., die Ehe zu scheiden. Zugleich stellte sie hinsichtlich der Nebenfolgen eigene Begehren. BGE 142 III 713 S. 714 B.b Mit Urteil vom 19. Juni 2015 schied der Einzelrichter gestützt auf Art. 114 ZGB die Ehe der Parteien. Er regelte die Scheidungsfolgen (nachehelicher Unterhalt, güterrechtliche Auseinandersetzung und berufliche Vorsorge), entschied über die Kosten- und Entschädigungsfolgen und wies das Armenrechtsgesuch von A.A. ab. C. C.a Beide Parteien legten gegen das Scheidungsurteil beim Kantonsgericht Schwyz Berufung ein. Das Rechtsmittel der Frau zielte im Wesentlichen darauf ab, höhere Unterhaltsbeiträge und eine grössere güterrechtliche Ausgleichszahlung zu erstreiten. Demgegenüber verlangte der Mann in seinem Hauptberufungsantrag, das erstinstanzliche Scheidungsurteil (Bst. B.b) insgesamt aufzuheben unter Vormerknahme, dass er hiermit die nach Art. 114 ZGB erhobene Scheidungsklage zurückziehe bzw. zurückgezogen habe. Eventualiter stellte der Mann eine Reihe von Begehren betreffend die Nebenfolgen der Scheidung. C.b
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Mit Beschluss vom 15. Dezember 2015 hiess das Kantonsgericht die Berufung der Frau und die Eventualberufung des Mannes insoweit gut, als es gewisse Teile des erstinstanzlichen Urteils aufhob und die Sache zur Durchführung eines neuen Verfahrens und zur Neubeurteilung an das Bezirksgericht W. zurückwies. Die Hauptberufung von A.A. wies das Kantonsgericht hingegen ab, ebenso seine Beschwerde betreffend die Verweigerung des Armenrechts (Dispositiv-Ziffer 1). Die oberinstanzlichen Gerichtskosten von Fr. 2'000.- wurden A.A. zu zwei Dritteln und B.A. zu einem Drittel auferlegt (Dispositiv-Ziffer 2). Ausserdem sprach das Kantonsgericht beiden Parteien zu Lasten der Bezirksgerichtskasse W. eine Entschädigung zu (Dispositiv-Ziffer 3). D. D.a Vor Bundesgericht beantragt A.A. (Beschwerdeführer), den Beschluss des Kantonsgerichts (Bst. C.b) in Bezug auf die Dispositiv-Ziffern 1, 2 und 3 aufzuheben. In Gutheissung seiner Berufung sei das Scheidungsurteil vom 19. Juni 2015 (Bst. B.b) aufzuheben und vorzumerken, dass er mit seiner Berufung die nach Art. 114 ZGB erhobene Scheidungsklage zurückgezogen habe. Das Scheidungsverfahren sei als gegenstandslos geworden vom Protokoll abzuschreiben. Weiter sei ihm sowohl für die erste Instanz als auch vor dem Kantonsgericht das Armenrecht zu gewähren. Eventualiter beantragt der Beschwerdeführer die Rückweisung der Sache zu neuer BGE 142 III 713 S. 715 Entscheidung an die Vorinstanz. Weitere Eventualbegehren betreffen die unentgeltliche Rechtspflege vor den kantonalen Instanzen. Auch für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht der Beschwerdeführer um das Armenrecht. D.b B.A. (Beschwerdegegnerin) beantragt, die Beschwerde abzuweisen; eventualiter sei der Beschwerdeführer zufolge Klagerückzugs zu den erst- und zweitinstanzlichen Gerichtskosten und zu einer vollen Parteientschädigung für die beiden kantonalen Verfahren zu verurteilen. Auch die Beschwerdegegnerin ersucht für das bundesgerichtliche Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege. Die Vorinstanz verzichtete auf eine Vernehmlassung. Mit "freiwilligen Bemerkungen" nahm der Beschwerdeführer zur Beschwerdeantwort Stellung. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. 4.1 Nach Art. 292 Abs. 1 ZPO wird die einseitig eingereichte Scheidungsklage nach den Vorschriften über die Scheidung auf gemeinsames Begehren fortgesetzt, wenn die Ehegatten bei Eintritt der Rechtshängigkeit noch nicht seit mindestens zwei Jahren getrennt gelebt haben (Bst. a) und mit der Scheidung einverstanden sind (Bst. b). Steht der geltend gemachte Scheidungsgrund fest, so findet kein Wechsel zur Scheidung auf gemeinsames Begehren statt ( Art. 292 Abs. 2 ZPO ). Wie sich aus den erstinstanzlichen Feststellungen über die Prozessgeschichte ergibt, stellte der Einzelrichter am Bezirksgericht W. in einem Eheschutzentscheid vom 14. Juli 2011 fest, dass die Parteien per 4. April 2009 getrennt leben. In ihren Eingaben im Scheidungsprozess bekräftigen die Parteien diese Tatsache übereinstimmend. Als der Beschwerdeführer den Scheidungsprozess mit Klage vom 27. Juni 2011 anhängig machte (s. Sachverhalt Bst. B.a), stand demnach im Sinne von Art. 114 ZGB fest, dass die Parteien seit mindestens zwei Jahren getrennt gelebt hatten. Das Bezirksgericht schied die Ehe denn auch nicht gestützt auf ein gemeinsames Begehren ( Art. 292 Abs. 1 ZPO ), sondern in Anwendung von Art. 114 ZGB (in Verbindung mit Art. 292 Abs. 2 ZPO ; s. Sachverhalt Bst. B.b). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Beschwerdegegnerin in ihrer Klageantwort vom 31. Oktober 2011 selbst den Antrag stellte (s. Sachverhalt Bst. B.a), die Ehe zu BGE 142 III 713 S. 716 scheiden, die Parteien sich über den Grundsatz der Scheidung also einig waren (DENIS TAPPY, in: CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, N. 6 und 11 zu Art. 292 ZPO ). Wie der Beschwerdeführer selbst zutreffend ausführt, konnte die Beschwerdegegnerin mit ihrem eigenen Scheidungsantrag seine Klage auch nicht im Sinne von Art. 241 ZPO anerkennen. Die unmittelbare Erledigung des Scheidungsprozesses bzw. die Scheidung der Ehe lässt sich nicht dadurch herbeiführen, dass der eine Ehegatte dem Richter gegenüber einseitig erklärt, die Scheidungsklage des andern zu anerkennen. Nur das Gericht kann die Ehe durch Scheidung auflösen. Als er mit Urteil vom 19. Juni 2015 die Scheidung aussprach, befand der Einzelrichter am Bezirksgericht W. deshalb nicht nur über das Scheidungsbegehren des Beschwerdeführers, sondern auch über dasjenige der Beschwerdegegnerin. 4.2. Nun hält der Beschwerdeführer der Beschwerdegegnerin aber entgegen, dass sie mit dem besagten Antrag in ihrer Klageantwort keine Widerklage erhoben habe, um ihren eigenständigen, höchstpersönlichen Anspruch auf Scheidung geltend zu machen. Schon deshalb habe er seine Klage zurückziehen können. Der Beschwerdeführer äussert sich jedoch nicht dazu, wie die Beschwerdegegnerin in einem Prozess, der sich ausschliesslich um eine Scheidung nach Art. 114 ZGB dreht, eine Widerklage hätte stellen müssen bzw. woran es hierzu im konkreten Fall fehlte. Insofern erscheint fraglich, ob er den Anforderungen an die Begründung einer Beschwerde an das Bundesgericht ( Art. 42 Abs. 2 BGG ) genügt. Auch so geht sein Einwand aber an der Sache vorbei. Eine Widerklage ist eine Klage, mit welcher die beklagte Partei ein selbständiges Ziel verfolgt, indem sie einen von der Vorklage nicht erfassten, unabhängigen Anspruch ins Recht legt, den sie auch separat hätte einklagen können ( BGE 123 III 35 E. 3c S. 47). Sind die Eheleute auf den Richter angewiesen, um sich des Bandes ihrer Ehe zu entledigen, so kann es eine Widerklage im beschriebenen Sinne jedenfalls insofern nicht geben, als die Auflösung der Ehe als solche aus ein und demselben Scheidungsgrund infrage steht: Selbst wenn sich der beklagte Ehegatte nicht auf ein Scheidungsbegehren in einer Klageantwort beschränkt, sondern in einem eigenständigen Rechtsbehelf im Sinne einer vermeintlichen "Widerklage" die Abweisung der Vorklage beantragt und ein eigenes Scheidungsbegehren stellt, vermag er mit einer derartigen Vorgehensweise kein Ziel zu verfolgen, das von der Vorklage nicht abhängig bzw. bereits erfasst wäre. Soweit der beklagte BGE 142 III 713 S. 717 Ehegatte in Übereinstimmung mit dem klagenden denselben Scheidungsgrund für gegeben hält, fusst sein Rechtsbegehren - genau wie dasjenige des Klägers - nämlich auf demselben Lebenssachverhalt: Der Tatsache, dass die Eheleute bei Eintritt der Rechtshängigkeit der Klage mindestens zwei Jahre getrennt gelebt haben ( Art. 114 ZGB ). Dass die Beschwerdegegnerin die Scheidung aus einem anderen Grund als demjenigen des Getrenntlebens angestrebt und es verpasst hätte, diesen anderen Scheidungsgrund widerklageweise geltend zu machen, behauptet der Beschwerdeführer nicht und ist auch nicht ersichtlich. Gibt es in einem Prozess, in dem nur ein einziger Scheidungsgrund zu beurteilen ist, hinsichtlich des Scheidungspunkts aber gar keine Widerklage im Rechtssinne, so ist auch dem Einwand des Beschwerdeführers der Boden entzogen, wonach die Beschwerdegegnerin den Rückzug seiner Scheidungsklage nicht mit einer Widerklage zu verhindern gewusst habe. 4.3 Zu prüfen bleibt, welche Bewandtnis es bei der gegebenen prozessualen Ausgangslage mit dem Rückzug der Klage des Beschwerdeführers hat. 4.3.1 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, die noch unter der Herrschaft des alten Scheidungsrechts (in Kraft bis zum 31. Dezember 1999) erging, war der Rückzug der Scheidungsklage in jeder Instanz zulässig, solange die Scheidungsfrage noch rechtshängig war. Selbst ein Ehegatte, der in oberer kantonaler Instanz mit einem solchen Begehren im Scheidungspunkt obsiegt hatte, konnte den Klagerückzug noch vor Bundesgericht erklären, ja es war ihm auch gestattet, trotz Fehlens einer Beschwernis die Angelegenheit beim Bundesgericht allein zum Zweck des Klagerückzugs anhängig zu machen. Derartige Rückzugserklärungen waren "um ihrer eherechtlichen Bedeutung willen" auch dann zuzulassen, wenn keine Partei durch das Urteil der oberen kantonalen Instanz beschwert ist, zur Einlegung einer eigentlichen Berufung an das Bundesgericht also keine Partei berechtigt wäre (ausführlich BGE 84 II 232 E. 3 S. 235 ff.). Im konkreten Fall hatten sich die Eheleute im kantonalen Rechtsmittelverfahren darauf geeinigt, gestützt auf aArt. 142 ZGB ein gemeinsames Scheidungsbegehren zu stellen. Das Obergericht schied die Ehe in Anwendung der erwähnten Norm und stellte ihnen das Urteil am 14. April 1958 zu. Am 3. Mai 1958 reichte der Mann beim Obergericht zuhanden des Bundesgerichts Berufung ein. Er erklärte den Rückzug der Klage, weil er sich mit der Frau ausgesöhnt habe und sie gemeinsam beschlossen hätten, die eheliche Gemeinschaft BGE 142 III 713 S. 718 fortzuführen. "Zum Zeichen des Einverständnisses mit dem Klagerückzug" unterzeichnete auch die Frau diese Eingabe (BGE a.a.O., Sachverhalt Bst. A-C S. 233 f.). In seinen rechtlichen Erwägungen hielt das Bundesgericht ausdrücklich fest, dass das obergerichtliche Urteil "infolge der beidseitigen Rückzugserklärungen der Parteien ohne weiteres dahingefallen" sei (BGE a.a.O., E. 5 S. 239). Der zitierte Entscheid gibt also keine Antwort auf die hier streitige Frage, ob ein Ehegatte seine Scheidungsklage auch gegen den Willen des anderen zurückziehen, allein zu diesem Zweck an eine obere Instanz gelangen und auf diese Weise den Scheidungsprozess insgesamt zu Fall bringen kann, obwohl die untere Instanz die Scheidung gestützt auf ein und denselben - unbestrittenen - Scheidungsgrund ausgesprochen, der rückzugswillige Ehegatte mit seinem Begehren im Scheidungspunkt in unterer Instanz also obsiegt hat. 4.3.2 Nichts anderes ergibt sich aus BGE 82 II 81 , den auch BGE 84 II 232 erwähnt. In jenem Entscheid gestattete das Bundesgericht der Frau, ihre auf aArt. 137 ZGB gestützte Scheidungsklage gleichzeitig mit der Berufung an das Bundesgericht zurückzuziehen, losgelöst davon, ob sich die Parteien unterdessen "ausgesöhnt haben". Dem Entscheid zufolge ist diese Befugnis zum Klagerückzug Ausfluss des höchstpersönlichen Rechts, über den Scheidungsanspruch zu verfügen, solange wenigstens die Scheidungsfrage noch die Gerichte beschäftigt. Im konkreten Fall erachtete das Bundesgericht den Rückzug auch nicht als rechtsmissbräuchlich, da die Ehefrau im kantonalen Verfahren mit ihren Begehren hinsichtlich der Nebenfolgen in wesentlichen Punkten nicht oder nur teilweise durchgedrungen war und deshalb keine Gewähr dafür besass, vor Bundesgericht ein für sie günstiges Urteil erstreiten zu können ( BGE 82 II 81 E. 1 S. 82 ff.). Im kantonalen Verfahren hatte das Obergericht die Scheidungsklage der Ehefrau gutgeheissen und die Ehe wegen Ehebruchs geschieden (aArt. 137 ZGB). Die Widerklage, mit welcher der Ehemann gestützt auf aArt. 142 ZGB (Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses) ebenfalls die Scheidung verlangt hatte, war abgewiesen worden, weil die tiefe Zerrüttung im Sinne von aArt. 142 Abs. 2 ZGB der Schuld des Ehemannes zuzuschreiben war (BGE a.a.O., Sachverhalt Bst. A-C S. 81 f.). Auch aus diesem Entscheid lässt sich für die heute zu beurteilende Streitfrage nichts gewinnen. Zwar folgt aus dem resümierten Entscheid, dass die Ehefrau ihre Scheidungsklage auch gegen den Willen des Ehemannes in der nächsthöheren Instanz zurückziehen konnte, hielt der Ehemann vor Bundesgericht BGE 142 III 713 S. 719 doch an der Scheidung fest. Allerdings tat er dies, um an der Auflösung der Ehe aus einem anderen Scheidungsgrund festzuhalten. Im Unterschied zum heutigen Streit betraf der Rückzug im damaligen Prozess nur einen von zwei voneinander unabhängigen Streitgegenständen, die dem Richter mit zwei je selbständigen Klagen zur Beurteilung unterbreitet worden waren. Dies zeigt sich auch am Urteilsspruch des Bundesgerichts, das die Auflösung der Ehe infolge Gutheissung der Klage der Frau als dahingefallen erklärt und die Abweisung der Klage des Mannes bestätigt (BGE a.a.O., Dispositiv S. 84). 4.3.3 Im Ergebnis beharrt die Beschwerdegegnerin zu Recht auf ihrem eigenen Anspruch, vom Richter nach Massgabe von Art. 114 ZGB die Auflösung ihrer Ehe nach Getrenntleben verlangen zu können. Der Beschwerdeführer vermag dem Bundesgericht nicht aufzuzeigen, wie das Kantonsgericht angesichts seines Klagerückzugs nicht nur sein eigenes, sondern auch das Scheidungsbegehren der Beschwerdegegnerin als dahingefallen hätte erklären können, obwohl sich diese mit Ziffer 1 des erstinstanzlichen Urteilsspruchs (Auflösung der Ehe) abgefunden hatte. Dass die Beschwerdegegnerin vor erster Instanz ausdrücklich ein entsprechendes Rechtsbegehren gestellt hat, stellt der Beschwerdeführer nicht in Abrede. Sein Einwand, dass sie mit diesem Begehren keine (förmliche) Widerklage erhoben habe und deshalb nichts damit ausrichten könne, ist aus den dargelegten Gründen (s. E. 4.2) unbehelflich. So aber bleibt es dabei, dass das erstinstanzliche Urteil die Scheidungsbegehren beider Ehegatten erfasst (s. E. 4.1) und dass dem Ansinnen des Beschwerdeführers, seine auf Art. 114 ZGB gestützte Scheidungsklage im Berufungsverfahren zurückzuziehen, die Entscheidung der Beschwerdegegnerin gegenübersteht, die Auflösung der Ehe nach Art. 114 ZGB im Berufungsverfahren nicht anzufechten. Auch die überkommene Maxime des "favor matrimonii" ist in einer Konstellation, wie sie hier gegeben ist, kein Grund für den Richter, sich über die prozessualen Gegebenheiten hinwegzusetzen und dem rückzugswilligen Ehegatten gegenüber dem scheidungswilligen einfach den Vorrang einzuräumen. Beantragen die Eheleute dem Richter wenn auch klageweise, so doch übereinstimmend aus demselben Grund die Auflösung ihrer Ehe, so können sie diesen einen Prozessgegenstand auch nur noch gemeinsam fallen lassen. Der Beschwerdeführer irrt sich deshalb, wenn er meint, bei der gegebenen Ausgangslage allein über seinen Scheidungsanspruch verfügen zu können. Ein Klagerückzug, BGE 142 III 713 S. 720 wie er ihn sich vorzustellen scheint, käme höchstens dort in Frage, wo sich der beklagte Ehegatte der Klage auf Auflösung der Ehe widersetzt oder - im Sinne einer echten Widerklage - die Scheidung aus einem anderen Grund verlangt. Hier aber ist weder die eine noch die andere Alternative gegeben. 4.4 Wie die vorigen Erwägungen zeigen, hatte der Beschwerdeführer in der gegebenen prozessualen Situation von vornherein gar nicht das Recht, seine Scheidungsklage im Rahmen seiner Berufung zurückzuziehen und auf diese Weise einseitig über den Streitgegenstand zu verfügen. Mit dieser Ersatzbegründung (nicht publ. E. 2) ist der Entscheid des Kantonsgerichts, die Hauptberufung des Beschwerdeführers abzuweisen (s. Sachverhalt Bst. C.b), im Ergebnis zu bestätigen. Bestand aber gar kein Recht auf einen solchen Rückzug der Scheidungsklage, so erübrigen sich weitere Erörterungen zur Frage, ob der Beschwerdeführer dieses Recht im Sinne Art. 2 Abs. 2 ZGB allenfalls missbräuchlich ausgeübt hat. (...)
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CH_BGE_005
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CH
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1,363,558
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de
Sachverhalt ab Seite 226 BGE 147 V 225 S. 226 A. Die im Vereinigten Königreich domizilierte, im Tourismusbereich tätige X. Ltd. liess am 27. März 2020 die Voranmeldung von Kurzarbeit ab dem 1. April 2020 für die in der Schweiz beschäftigte Angestellte A. einreichen. Dagegen erhob das Amt für Arbeitslosenversicherung des Kantons Bern (nachfolgend: AfA) mit Verfügung vom 7. Mai 2020 Einspruch, weil die X. Ltd. keinen Betriebssitz in der Schweiz habe, weshalb sie keine Voranmeldung für Kurzarbeit einreichen könne. Die dagegen von A. erhobene Einsprache wies das AfA ab (Einspracheentscheid vom 6. Juli 2020). B.
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Die hiergegen eingereichte Beschwerde der A. hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Bern gut und wies die Sache zur Abklärung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen im Sinne der Erwägungen und Neuverfügung an das AfA zurück (Entscheid vom 26. November 2020). An der im Namen der X. Ltd. geführten Beschwerde hielt A. im Laufe des Verfahrens nicht mehr fest, sodass das Verwaltungsgericht, nachdem es beide Verfahren vereinigt hatte, dieses Verfahren als erledigt vom Protokoll abschrieb. C. Das AfA führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei der Einspracheentscheid vom 6. Juli 2020 zu bestätigen. A. schliesst sinngemäss auf Abweisung der Beschwerde. Die X. Ltd. wie auch das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. BGE 147 V 225 S. 227 Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Es liegt ein länderübergreifender Sachverhalt vor, der auf der Grundlage von Art. 8 FZA (SR 0.142.112.681) und Art. 1 Abs. 1 Anhang II FZA in Verbindung mit Art. 11 ff. der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (SR 0.831.109.268.1; nachfolgend: VO Nr. 883/2004) und den diese konkretisierenden Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 987/ 2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der VO Nr. 883/2004 (SR 0.831.109.268.11; nachfolgend: VO Nr. 987/ 2009) zu beurteilen ist. Die entsprechenden Bestimmungen finden in der Arbeitslosenversicherung durch den Verweis in Art. 121 Abs. 1 lit. a AVIG (SR 837.0) Anwendung. Ziff. 2 des Beschlusses Nr. U3 der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vom 12. Juni 2009 hält zur Bedeutung des Begriffs "Kurzarbeit" im Hinblick auf die in Art. 65 Abs. 1 VO Nr. 883/2004 genannten Personen fest, dass eine Person, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen, in dessen Gebiet sie wohnt, weiter bei einem Unternehmen beschäftigt ist und die vorübergehend nicht arbeitet, die jedoch jederzeit an ihren Arbeitsplatz zurückkehren kann, als Kurzarbeiter anzusehen ist, und die entsprechenden Leistungen gemäss Art. 65 Abs. 1 VO Nr. 883/ 2004 vom zuständigen Träger des Beschäftigungsmitgliedstaats zu erbringen sind. Als Grund hierzu nennt die Verwaltungskommission in Ziff. 6 ihrer Erwägungen, das von Art. 65 der VO Nr. 883/2004 verfolgte Ziel des Schutzes der Arbeitslosen würde verfehlt, wenn eine Person, die bei demselben Unternehmen in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnstaat beschäftigt bliebe und vorübergehend nicht arbeite, dennoch als vollarbeitslos anzusehen wäre und sich somit an den Träger des Wohnorts wenden müsste, um dort Leistungen bei Arbeitslosigkeit zu erhalten. 3.2 Gemäss schweizerischem Recht hat der Arbeitgeber die Kurzarbeit bei der kantonalen Amtsstelle anzumelden ( Art. 36 Abs. 1 AVIG ). Die örtliche Zuständigkeit der kantonalen Amtsstelle richtet sich für die Kurzarbeitsentschädigung nach dem Ort des Betriebes ( Art. 119 Abs. 1 lit. b AVIV [SR 837.02]). BGE 147 V 225 S. 228 Die Verordnung des Bundesrates vom 20. März 2020 über Massnahmen im Bereich der Arbeitslosenversicherung im Zusammenhang mit dem Coronavirus (Covid-19) (Covid-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung; SR 837.033; einschliesslich ihrer bisherigen Änderungen [AS 2020 877, 1075, 1201]) und den damit eingeführten Erleichterungen in Bezug auf die Kurzarbeit enthält für die zu beurteilende Problematik keine einschlägigen Bestimmungen, weshalb sie als Rechtsgrundlage ausser Betracht fällt. 4. 4.1 Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, indem sie trotz Sitz der X. Ltd. im Vereinigten Königreich einen grundsätzlichen Anspruch der angemeldeten Arbeitnehmerin auf Kurzarbeitsentschädigung nach AVIG bejaht hat. 4.2 Die Vorinstanz erwog, es gebe keine gesetzliche Grundlage, die einen Betriebssitz in der Schweiz verlange. Namentlich Art. 31 Abs. 1 lit. a AVIG setze einzig die Beitragspflicht des betroffenen Arbeitnehmers voraus ( Art. 2 Abs. 1 lit. a AVIG in Verbindung mit Art. 3 AHVG ), was hier erfüllt sei. Ebenso wenig ergebe sich eine solche Anspruchsvoraussetzung aus Art. 36 Abs. 1 AVIG , welcher einzig das Verfahren zur Anmeldung von Kurzarbeit regle und namentlich bestimme, dass die Voranmeldung bei der kantonalen Amtsstelle einzureichen sei. Art. 37 AVIG umschreibe die Pflichten des Arbeitgebers, ohne Anspruchsvoraussetzungen festzulegen. Damit sei bereits aufgrund der sozialversicherungsrechtlichen Unterstellung der betroffenen Mitarbeiterin in der Schweiz nach den Bestimmungen des AVIG ein Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung zu bejahen, sofern die weiteren Voraussetzungen nach Art. 31 AVIG erfüllt seien. Die Anwendbarkeit des FZA liess die Vorinstanz offen, da die Beschwerde bereits gestützt auf nationales Recht gutzuheissen sei. Die Sache sei deshalb zur Prüfung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen an den Beschwerdeführer zurückzuweisen. 4.3 Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, die Vorinstanz verletze mit ihrer Auffassung Art. 36 AVIG in Verbindung mit Art. 119 Abs. 1 lit. b AVIV . Denn das AfA sei für die Beurteilung der Voranmeldung von Kurzarbeit für den im Vereinigten Königreich und somit nicht in der Schweiz bzw. im Kanton Bern domizilierten Betrieb örtlich nicht zuständig. Der von Kurzarbeit betroffene Betrieb müsse im Zuständigkeitsbereich einer inländischen kantonalen Amtsstelle liegen, was bei fehlendem Betrieb in der Schweiz nicht der Fall sei. BGE 147 V 225 S. 229 5. 5.1 Abweichend vom Territorialitätsprinzip, das für sozialrechtliche Ansprüche mit grenzüberschreitendem Bezug grundsätzlich an den Wohnort anknüpft, ist für die Leistungsausrichtung der Kurzarbeitsentschädigung der Beschäftigungsstaat zuständig (THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 2402 Rz. 458). Dieses Prinzip ist auch in der VO Nr. 883/2004 verankert, die in koordinationsrechtlichem Sinne festlegt, welcher Mitgliedstaat für die verschiedenen Zweige der sozialen Sicherheit zuständig ist. Anwendung findet sie gemäss ihres Art. 3 Abs. 1 Bst. h unter anderem für alle Rechtsvorschriften, die Leistungen bei Arbeitslosigkeit betreffen und bezüglich der Kurzarbeit verweist sie auf das Recht des Beschäftigungsstaats (Art. 65 Abs. 1). Kurzarbeit gilt dabei als eine Sonderform der Arbeitslosigkeit, die EU-rechtlich als vorübergehende Teilarbeitslosigkeit im Rahmen eines fortbestehenden Arbeitsverhältnisses definiert wird (NUSSBAUMER, a.a.O., S. 2402 Rz. 458; SUSANNE DERN, in: VO [EG] Nr. 883/2004, Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, Kommentar, 2012, N. 9 ff. zu Art. 65 VO Nr. 883/ 2004; Kreisschreiben des SECO vom 1. Juni 2016 über die Auswirkungen der Verordnungen [EG] Nr. 883/2004 und 987/2009 auf die Arbeitslosenversicherung [KS ALE 883], Rz. A38 f.). Liegt der Beschäftigungsort nicht in der Schweiz, können die von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmenden nicht von der Kurzarbeitsentschädigung nach schweizerischem Recht profitieren, und zwar unabhängig von ihrem Wohnort. Nach Art. 1 Bst. a VO Nr. 883/2004 gilt dabei als Beschäftigung jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt. Eine Beschäftigung nach schweizerischem Recht liegt vor, wenn die betreffende Person in einem für Beschäftigung geschaffenen System sozialer Sicherheit gesetzlich versichert ist (KS ALE 883 Rz. A4 ff.). Entscheidend ist, ob die betreffende Person AHV-rechtlich als unselbstständig erwerbstätig gilt. Als Beschäftigte sind folglich alle Personen zu betrachten, die AHV-rechtlich als unselbstständig erwerbstätig gelten. 5.2 Es steht in sachverhaltlicher Hinsicht fest, dass die Beschwerdegegnerin in der Schweiz tätig und sozialversicherungsrechtlich abgabepflichtig ist (vgl. Art. 13 Abs. 1 VO Nr. 883/2004 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 8 VO Nr. 987/2009). Entgegen der BGE 147 V 225 S. 230 Auffassung der Vorinstanz ist damit jedoch der grundsätzliche Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung nach Schweizer Recht nicht bereits gegeben. Auch wenn die Arbeitnehmenden allein Anspruchsberechtigte sind und die Anspruchsberechtigung auf Kurzarbeit in persönlicher Hinsicht an das AHV-Beitragsstatut anknüpft ( Art. 31 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 lit. a AVIG ), sind zusätzlich betriebsbezogene Voraussetzungen zu erfüllen. Denn die Kurzarbeitsregelung greift an verschiedenen Stellen den Begriff des Betriebes auf. So ist organisatorische Bezugsgrösse für die Berechnung des Mindestarbeitsausfalls der gesamte Betrieb oder eine Betriebsabteilung, sofern diese als Organisationseinheit betrachtet werden kann. Dies ist nicht der Fall, wenn die Gruppe nur wenige Arbeitnehmende oder gar nur eine einzelne Person umfasst (Weisung AVIG-Praxis KAE des SECO, Rz. C31-C36). Auch der Anspruch eines ausländischen Arbeitgebers auf Kurzarbeitsentschädigung in der Schweiz hängt entscheidend hiervon ab, was die Vorinstanz in Verletzung von Bundes- und internationalem Recht verkennt. In der vorliegenden Konstellation mit nur einer in der Schweiz tätigen Arbeitnehmenden, die nicht in einem Betrieb oder Betriebszweig der X. Ltd. in der Schweiz beschäftigt wird und daher nicht als eigene Betriebsabteilung angesehen werden kann, gilt die Schweiz nicht als Beschäftigungsstaat. Daran knüpft aber die Leistungsberechtigung, wie dargelegt, in betrieblicher Hinsicht bei Kurzarbeit an. Das Institut der Kurzarbeitsentschädigung folgt insoweit eigenen Anspruchs- und Bemessungsvorschriften (vgl. NUSSBAUMER, a.a.O., S. 2401 Rz. 456). Deshalb ist ein solcher Anspruch nicht schon aufgrund des Umstands zu bejahen, dass die Beschäftigte in der Schweiz sozialversicherungspflichtig ist und allenfalls bei Ganzarbeitslosigkeit Arbeitslosenentschädigung nach schweizerischem Recht erhalten könnte. Der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung besitzt dementsprechend andere Anknüpfungskriterien, indem echte und unechte Grenzgänger bei Vollarbeitslosigkeit Leistungen nach den Rechtsvorschriften des Wohnstaats erhalten bzw. erhalten können (unechte Grenzgänger besitzen ein Wahlrecht; zum Begriff der Vollarbeitslosigkeit vgl. DERN, a.a.O., N. 9 ff. zu Art. 65 VO Nr. 883/2004; KS ALE 883 Rz. A38 f., A71 ff. und D34; für den deutschen Staat spiegelbildlich ebenso: Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Kurzarbeit in Fällen mit grenzüberschreitendem Bezug, WD 6 - 3000 - 073/20, 24. August 2020, www.bundestag.de [besucht am 15. April 2021]). BGE 147 V 225 S. 231 5.3 Zu keinem anderen Ergebnis führte Art. 11 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 VO Nr. 883/2004, da diese vorliegend nicht zur Anwendung gelangen. Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 883/2004 bestimmt als Grundregel, dass Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats unterliegen. Art. 13 Abs. 1 VO Nr. 883/2004 befasst sich mit der Zuständigkeit bei Ausübung von Tätigkeiten in zwei oder mehr Mitgliedstaaten. Der Titel II der VO Nr. 883/2004 (Art. 11-16) enthält allgemeine Kollisionsregeln zur Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften. Diese allgemeinen Vorschriften gemäss Titel II gelten jedoch nur insoweit, als die besonderen Bestimmungen für die einzelnen Leistungsarten nichts anderes bestimmen, welche Titel III bilden ("Besondere Bestimmungen über die verschiedenen Arten von Leistungen": Leistungen bei Krankheit sowie Leistungen bei Mutterschaft und gleichgestellte Leistungen bei Vaterschaft [Kapitel 1, Art. 17-35], Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten [Kapitel 2, Art. 36-41], Sterbegeld [Kapitel 3, Art. 42-43], Leistungen bei Invalidität [Kapitel 4, Art. 44-49], Alters- und Hinterbliebenenrenten [Kapitel 5, Art. 50-60], Leistungen bei Arbeitslosigkeit [Kapitel 6, Art. 61-65a], Vorruhestandsleistungen [Kapitel 7, Art. 66], Familienleistungen [Kapitel 8, Art. 67-69], besondere beitragsunabhängige Geldleistungen [Kapitel 9, Art. 70]; BGE 144 V 127 E. 4.2.2 S. 130 m.w.H.; SVR 2019 BVG Nr. 39 S. 151, 2C_461/ 2018 E. 3.3.1). Als besondere Bestimmung für Leistungen bei Arbeitslosigkeit geht damit Art. 65 VO Nr. 883/2004 den allgemeinen Bestimmungen vor. 5.4 Zusammenfassend fehlt es hier an einer Anbindung der wirtschaftlichen Tätigkeit der Arbeitgeberin an dauerhafte betriebliche Strukturen in der Schweiz. Nachdem somit bei Kurzarbeit oder sonstigem vorübergehenden Arbeitsausfall Arbeitslosenleistungen nach den Vorschriften des Beschäftigungsstaats, als ob die Arbeitnehmenden dort wohnten, gewährt werden (Art. 65 Abs. 1 VO Nr. 883/2004; KS ALE 883 Rz. D34) und Art. 119 Abs. 1 lit. b AVIV damit übereinstimmend die örtliche Zuständigkeit der kantonalen Amtsstelle nach dem Ort des Betriebs festlegt, bestehen hinreichende gesetzliche Grundlagen, die den anspruchsverneinenden Entscheid des Beschwerdeführers stützen. Der vorinstanzliche Entscheid, der sich einzig nach der sozialversicherungsrechtlichen Beitragspflicht der von Kurzarbeit betroffenen Beschwerdegegnerin richtet, ist somit rechtswidrig ergangen. Die Beschwerde ist begründet.
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Sachverhalt ab Seite 19 BGE 129 II 18 S. 19 Das Sekretariat der Wettbewerbskommission eröffnete am 28. September 1998 eine Untersuchung über die Preisbindung für deutschsprachige Bücher, in die es den Schweizerischen Buchhändler- und Verleger-Verband (für die Beteiligten in der Schweiz) sowie den Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. (für die Beteiligten in Deutschland) einbezog. Mit Verfügung vom 6. September 1999 stellte die Kommission fest, dass der "Sammelrevers 1993 für den Verkauf preisgebundener Verlagserzeugnisse in der Schweiz" eine unzulässige Wettbewerbsabrede im Sinne von Art. 5 Abs. 1 und Abs. 3 lit. a des Kartellgesetzes (KG; SR 251) bilde. Sie verpflichtete die Verleger und Zwischenbuchhändler, ihre Abnehmer ohne Sammelrevers-Preisbindung zu beliefern, und erklärte die Buchhändler als nicht mehr an diese gebunden (RPW 1999 S. 441 ff.). Die Rekurskommission für Wettbewerbsfragen bestätigte diesen Entscheid auf Beschwerde hin am 21. Mai 2001 (RPW 2001 S. 381 ff.). Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. sowie der Schweizerische Buchhändler- und Verleger-Verband haben hiergegen am 21. Juni 2001 zwei im Wesentlichen gleich lautende Verwaltungsgerichtsbeschwerden eingereicht mit dem Antrag, den Beschwerdeentscheid der Rekurskommission aufzuheben; eventuell BGE 129 II 18 S. 20 sei die Sache zur Neubeurteilung an diese, subeventuell zur Ergänzung des Verfahrens an die Wettbewerbskommission selber zurückzuweisen. Die Rekurskommission hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die Wettbewerbskommission beantragt, die Beschwerden abzuweisen. Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement hat von einer einlässlichen Stellungnahme abgesehen. Im Rahmen eines zweiten Schriftenwechsels haben die Parteien zu der im Auftrag des Bundesamts für Kultur in Verbindung mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft ausgearbeiteten Studie "Buchmarkt und Buchpreisbindung in der Schweiz" (sog. "Prognos"-Bericht, Basel, September 2001) Stellung genommen und dabei an ihren Ausführungen und Anträgen festgehalten.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerden teilweise gut und weist die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Wettbewerbskommission zurück. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Die gestützt auf das 4. Kapitel des Kartellgesetzes, namentlich auf Art. 30 KG , erlassenen Verfügungen der Wettbewerbskommission sind verwaltungsrechtlicher Natur. Entsprechende Beschwerdeentscheide der Rekurskommission (vgl. Art. 44 KG ) können mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten werden ( Art. 97 Abs. 1 und Art. 98 lit. e OG ; BGE 127 III 219 E. 1a S. 221 f.). Als Interessenvertreter der von der Verfügung materiell betroffenen Verleger und Buchhändler sind die Beschwerdeführer hierzu legitimiert (vgl. Art. 11a VwVG und Art. 103 lit. a OG ). Auf ihre frist- und formgerecht eingereichten Eingaben ist unter Vereinigung der Verfahren ( Art. 24 BZP in Verbindung mit Art. 40 OG ; BGE 113 Ia 390 E. 1) einzutreten. 1.2 Als unzulässig beurteilte Wettbewerbsabreden können in Ausnahmefällen zugelassen werden, wenn sie notwendig erscheinen, um überwiegende öffentliche Interessen zu verwirklichen ( Art. 8 KG ). Dabei handelt es sich um eine politisch motivierte Ausnahme vom Grundsatz, dass die Wirtschaftsbeziehungen in erster Linie durch den Markt geregelt werden sollen. Der entsprechende Entscheid steht deshalb nicht den Wettbewerbsbehörden, sondern dem Bundesrat als politischer Instanz zu (BBl 1995 I 552 f., S. 577; MANUEL BIANCHI DELLA PORTA, in: Tercier/Bovet [Hrsg.], Droit de la concurrence, Basel 2002, Rz. 2 zu Art. 8 KG ; JÜRG BORER, Kommentar zum schweizerischen Kartellgesetz, Zürich 1998, N. 1 BGE 129 II 18 S. 21 zu Art. 8 KG ; CHRISTIAN J. MEIER-SCHATZ, Das neue schweizerische Kartellgesetz im Überblick - Erste Erfahrungen, in: Christian J. Meier-Schatz [Hrsg.], Das neue Kartellgesetz, Erste Erfahrungen in der Praxis, Bern 1998, S. 9 ff., 25 f.; ROGER ZÄCH, Schweizerisches Kartellrecht, Bern 1999, Rz. 257, S. 144; vgl. als Anwendungsfall RPW 1998 S. 478 ff.). Es ist deshalb nicht am Bundesgericht, im vorliegenden Verfahren entsprechende Ausnahmegründe zu berücksichtigen. Das Gericht hat ausschliesslich zu prüfen, ob der Entscheid, der umstrittene Sammelrevers bilde eine unzulässige Wettbewerbsabrede im Sinne von Art. 5 KG , aus wettbewerblichen Gründen Bundesrecht verletzt ( Art. 104 lit. a OG ). Dabei ist es an den von der Rekurskommission festgestellten Sachverhalt gebunden, soweit dieser nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen ermittelt wurde ( Art. 105 Abs. 2 OG ). 2. Sachverhaltsmässig sind folgende Elemente des Sammelrevers, der gleichermassen in Deutschland, Österreich und der Schweiz angewendet wird, unbestritten: Die Verleger, die den Sammelrevers unterschreiben, schliessen mit allen Buchhändlern, die den Revers ebenfalls unterschrieben haben, einen Preisbindungsvertrag ab. Dabei setzt der Verleger die Endabnehmerpreise seiner Bücher fest. Die Buchhändler verpflichten sich, die vom Verleger festgesetzten Preise einzuhalten (Ziff. 1). Ebenso verpflichten sich die Zwischenbuchhändler, nur reversgebundene Händler zu beliefern (Ziff. 5 Abs. 2). Auch Wiederverkäufer, die ausserhalb der Schweiz beliefert werden, müssen für den Fall eines Reimports in die Schweiz auf die Preisbindung verpflichtet werden (Ziff. 5 Abs. 3). Der Formularvertrag regelt zudem die zulässigen Sonderpreise (Rabatte, Subskriptionspreise usw. [Ziff. 2-4]). Der Buchhändler verpflichtet sich bei Anbieten oder Gewähren unzulässiger Nachlässe oder Überschreiten des Ladenpreises zur Bezahlung einer Konventionalstrafe an den Schweizerischen Buchhändler- und Verlegerverband oder an den Verlag, sofern dieser ausnahmsweise Zahlung an sich selber wünscht (Ziff. 6 Abs. 1). Der Verlag kann daneben insbesondere seine Lieferungen einstellen (Ziff. 6 Abs. 2). Der Buchhändler verpflichtet sich, einem vereidigten Buchprüfer Einblick in seine Geschäftsunterlagen zu geben, wenn die begründete Vermutung besteht, dass er gegen die Preisbindung verstösst (Ziff. 7). Desgleichen verpflichtet sich der Verlag zur Bezahlung einer Konventionalstrafe an den Schweizerischen Buchhändler- und BGE 129 II 18 S. 22 Verlegerverband, wenn er seine gebundenen Preise unterbietet oder die Unterbietung durch Dritte veranlasst (Ziff. 6 Abs. 3). Die Verlage sichern eine lückenlose Preisbindung und Gleichbehandlung der Abnehmer in Preisbindungsfragen zu (Ziff. 8). Als Vertreter der einzelnen Verlage wirkt ein Preisbindungstreuhänder, welcher die Preisbindungsverträge der einzelnen Buchhändler entgegennimmt und die Einhaltung der Preisbindung überwacht. Umgekehrt bevollmächtigen die Buchhändler eine Preisbindungsbevollmächtigte oder -beauftragte, welche in ihrem Namen Änderungen des Sammelrevers (insbesondere durch die Aufnahme neuer Verlage) unterzeichnet (Ziff. 11 Abs. 1). Für die Beilegung von Streitigkeiten aus dem Preisbindungsvertrag ist ein Schiedsgericht vorgesehen. Dessen Obmann wird vom Preisbindungstreuhänder und der Preisbindungsbeauftragten bestimmt und wählt zwei weitere Schiedsrichter aus einer Liste von Fachrichtern, welche von den Verlagen und den Buchhändlern erstellt wird (Ziff. 10). Der Sammelrevers legt selber keine Ladenpreise fest; dies ist Sache der einzelnen Verlage. Kein Verleger ist verpflichtet, am Sammelrevers teilzunehmen. Der Schweizerische Buchhändler- und Verleger-Verband verfügt über keine Druckmittel, um Verlage zur Teilnahme zu zwingen. Auch die teilnehmenden Verlage sind sodann nicht verpflichtet, für alle ihre Werke einen gebundenen Preis festzusetzen. Trotzdem gilt für ungefähr 90% aller deutschsprachigen Bücher, die in der Schweiz verkauft werden, ein vom Verlag festgesetzter Ladenpreis, von dem die Buchhandlungen nicht bzw. nur in dem vom Sammelrevers vorgesehenen Rahmen (Sonderpreise) abweichen. Nicht festgelegt sind die Konditionen im Verhältnis zwischen den Verlagen und dem Zwischenbuchhandel sowie dem Zwischenbuchhandel und dem Buchhandel. 3. Das Kartellgesetz bezweckt, volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen von Kartellen und anderen Wettbewerbsbeschränkungen zu verhindern und damit den Wettbewerb im Interesse einer freiheitlichen marktwirtschaftlichen Ordnung zu fördern ( Art. 1 KG ; vgl. Art. 96 Abs. 1 BV ). Vereinbarungen, die den Wettbewerb beeinträchtigen, sind nicht generell verboten, sondern in den Schranken des Gesetzes erlaubt ( Art. 19 Abs. 1 OR ; BBl 1995 I 555). Als Wettbewerbsabreden gelten rechtlich erzwingbare oder nicht erzwingbare Vereinbarungen sowie aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen gleicher oder verschiedener Marktstufen, die eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken BGE 129 II 18 S. 23 ( Art. 4 Abs. 1 KG ). Unzulässig sind - vorbehältlich der ausnahmsweisen Zulassung durch den Bundesrat ( Art. 8 KG ) - Wettbewerbsabreden, die den Wettbewerb auf einem Markt für bestimmte Waren oder Leistungen erheblich beeinträchtigen (vgl. E. 5) und sich nicht durch die in Art. 5 Abs. 2 KG genannten Gründe der wirtschaftlichen Effizienz rechtfertigen lassen (vgl. E. 10) oder die zur Beseitigung wirksamen Wettbewerbs führen ( Art. 5 Abs. 1 KG ; vgl. E. 6-9). In diesem Fall ist eine Rechtfertigung aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz ausgeschlossen (BBl 1995 I 555; BORER, a.a.O., N. 21 zu Art. 5 KG ; FRANZ HOFFET, in: Homburger/Schmidhauser/Hoffet/Ducrey, Kommentar zum schweizerischen Kartellgesetz, Zürich 1997, Rz. 95, 108 und 130 zu Art. 5 KG ; ZÄCH, a.a.O., Rz. 260 und 302; PHILIPPE GUGLER/PHILIPP ZURKINDEN, in: Tercier/Bovet [Hrsg.], a.a.O., Rz. 10 ff. zu Art. 5 KG ). Dass eine Abrede den wirksamen Wettbewerb beseitigt, kann direkt nachgewiesen werden oder sich gestützt auf Art. 5 Abs. 3 KG ergeben, wonach dies bei gewissen "harten Kartellen" in widerlegbarer Weise vermutet wird. 4. Der Sammelrevers bildet unbestrittenermassen (zumindest) im vertikalen Verhältnis zwischen den Verlegern und Buchhändlern eine rechtlich erzwingbare Vereinbarung, die eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt und bewirkt. Umstritten ist, ob dies auch im horizontalen Verhältnis (Buchhändler unter sich bzw. Verleger unter sich) gilt (vgl. hierzu E. 6). Unter den Begriff der Wettbewerbsabrede im Sinne von Art. 4 Abs. 1 KG fallen auch Absprachen zwischen Unternehmen verschiedener Marktstufen, also auch sogenannte "vertikale" Wettbewerbsabreden (BBl 1995 I 544f.; BGE 124 III 495 E. 2a S. 499). Die Unterscheidung zwischen vertikalen und horizontalen Absprachen ist erst für die Prüfung von deren materiellrechtlichen Zulässigkeit im Rahmen von Art. 5 KG von Bedeutung (BBl 1995 I 546f.; BORER, a.a.O., N. 6 zu Art. 4 KG ; HOFFET, a.a.O., Rz. 43 zu Art. 4 KG ; BRUNO SCHMIDHAUSER, in: Homburger/Schmidhauser/Hoffet/Ducrey, Kommentar zum schweizerischen Kartellgesetz, a.a.O., Rz. 48 zu Art. 4 KG ; ZÄCH, a.a.O., Rz. 273; DAGMAR MARIA KAMBER, Die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der Buchpreisbindung in der Schweiz, Diss. Basel 1999, S. 130). Der Sammelrevers ist deshalb eine Wettbewerbsabrede im Sinne von Art. 4 Abs. 1 KG (ebenso PIERRE RIEDER, Wettbewerb und Kultur, Diss. Bern 1998, S. 160). BGE 129 II 18 S. 24 5. 5.1 Eine Wettbewerbsbeeinträchtigung liegt vor, wenn durch eine Abrede die Handlungsfreiheit der Wettbewerbsteilnehmer im Innen- oder Aussenwettbewerb hinsichtlich eines oder mehrerer Wettbewerbsparameter beschränkt wird (ROLAND VON BÜREN, Wettbewerbsbeschränkungen im schweizerischen und europäischen Recht, in: Die neue schweizerische Wettbewerbsordnung im internationalen Umfeld, Berner Tage für die juristische Praxis 1996, Bern 1997, S. 11 ff., insbesondere S. 15; ZÄCH, a.a.O., Rz. 277, S. 152). Der Sammelrevers engt die Preisgestaltung der Buchhändler ein und beeinträchtigt damit den Wettbewerb. 5.2 5.2.1 Unter der Geltung der Kartellgesetze vom 20. Dezember 1962 (KG62; AS 1964 S. 53 ff.) und vom 20. Dezember 1985 (KG85; AS 1986 S. 874 ff.) hat das Bundesgericht eine Behinderung als erheblich erachtet, wenn sie eine gewisse Intensität aufwies und vom Betroffenen als solche empfunden wurde, weil sie seine Handlungsfreiheit unmittelbar oder mittelbar beeinflusste, ihn insbesondere zwang, auszuweichen oder Gegenmassnahmen zu ergreifen, um den Folgen der Diskriminierung zu entgehen ( BGE 112 II 268 E. 2b S. 276 mit Hinweisen; Urteil des Bundesgerichts 4C.366/1995 vom 28. Februar 1996, publ. in: VKKP 3/1996 S. 151 ff. E. 3). Das Element der Spürbarkeit ist auch nach dem geltenden Recht massgebend (BORER, a.a.O., N. 17 zu Art. 5 KG ; ZÄCH, a.a.O., Rz. 284). Da dieses nebst der Persönlichkeit der einzelnen Wettbewerbsteilnehmer (Individualschutz) aber auch den Wettbewerb als solchen schützen will (Institutionsschutz), ist die Erheblichkeit nicht mehr allein aus der Optik der einzelnen Unternehmen, sondern in Bezug auf das Funktionieren des wirksamen Wettbewerbs schlechthin zu beurteilen (HOFFET, a.a.O., Rz. 66 zu Art. 5 KG ; MEIER-SCHATZ, a.a.O., S. 19 f.; ZÄCH, a.a.O., Rz. 281). Dabei sind qualitative wie quantitative Merkmale relevant (GUGLER/ZURKINDEN, a.a.O., Rz. 81 ff. zu Art. 5 KG ; ZÄCH, a.a.O., Rz. 282). Eine erhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigung ist (zumindest) dann zu bejahen, wenn die Abrede einen auf dem entsprechenden Markt relevanten Wettbewerbsparameter betrifft, wobei die Beteiligten einen erheblichen Marktanteil halten (vgl. WALTER A. STOFFEL, Wettbewerbsabreden, in: Roland von Büren/Lucas David [Hrsg.], Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Basel 2000, S. 55 ff., 95 f.). Die Lehre postuliert insofern mehrheitlich gewisse quantitative Grenzwerte (VON BÜREN, a.a.O. [1997], S. 17; HOFFET, a.a.O., Rz. 67 zu BGE 129 II 18 S. 25 Art. 5 KG ; CHRISTIAN J. MEIER-SCHATZ, Horizontale Wettbewerbsbeschränkungen, in: AJP 1996 S. 811-825, 817; ders., a.a.O. [1998], S. 36; HUBERT STÖCKLI, Ansprüche aus Wettbewerbsbehinderung, Freiburg 1999, S. 108 f.; vgl. ROLAND VON BÜREN, Das schweizerische Kartellrecht zwischen gestern und morgen, in: ZBJV 137/2001 S. 543 ff., 572 f.). In Anlehnung an die Praxis in der EU wird dabei die Schwelle bei einem Marktanteil von etwa 5-10% erblickt (STÖCKLI, a.a.O., S. 109 f.; ZÄCH, a.a.O., Rz. 283; ebenso die Rekurskommission in RPW 1999 S. 503 E. 4.5 S. 519). In einer - für die Gerichte nicht verbindlichen - allgemeinen Bekanntmachung vom 18. Februar 2002 gemäss Art. 6 KG über die wettbewerbsrechtliche Behandlung vertikaler Abreden (BBl 2002 S. 3895 ff.) erachtet die Wettbewerbskommission u.a. vertikale Wettbewerbsabreden über die direkte oder indirekte Fixierung von Fest- oder Mindestverkaufspreisen für den Weiterverkauf der bezogenen Waren durch den Händler als erhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigung (Ziff. 3a). Andere Vertikalabreden wertet sie (in der Regel) nicht als solche, wenn die von allen beteiligten Unternehmen gehaltenen Marktanteile auf keinem der relevanten Märkte eine Schwelle von 10% überschreiten (Ziff. 4). 5.2.2 Der Preis ist für die meisten Güter ein wichtiger Wettbewerbsparameter. Das Gesetz geht davon aus, dass bei (horizontalen) Preisabsprachen vermutungsweise der Wettbewerb beseitigt ist ( Art. 5 Abs. 3 lit. a KG ). Umso eher ist anzunehmen, dass eine Aufhebung des Preiswettbewerbs in aller Regel (mindestens) eine erhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigung darstellt, sofern sie Güter mit einem wesentlichen Marktanteil betrifft. Angesichts des Marktanteils der preisgebundenen Bücher von rund 90% (vgl. E. 2) ist deshalb davon auszugehen, dass der Wettbewerb hier erheblich beeinträchtigt ist (ebenso RIEDER, a.a.O., S. 162). Dies stellen die Beschwerdeführer an sich auch nicht in Frage. 6. 6.1 Nach Art. 5 Abs. 3 lit. a KG wird die Beseitigung wirksamen Wettbewerbs, welche eine Rechtfertigung aus wettbewerblichen Gründen ausschliesst, bei Abreden über die direkte oder indirekte Festsetzung von Preisen vermutet, sofern sie zwischen Unternehmen getroffen werden, die tatsächlich oder der Möglichkeit nach miteinander im Wettbewerb stehen. Dabei ist die Wirkung der Abrede entscheidend und nicht das Mittel zu deren Erreichung (BBl 1995 I 567; HOFFET, a.a.O., Rz. 115 zu Art. 5 KG ). Die Buchpreisbindung betrifft die Festsetzung von (Endverbraucher-)Preisen und bewirkt BGE 129 II 18 S. 26 deren Gleichheit. Umstritten ist, ob es sich dabei auch um eine Preisabrede zwischen Unternehmen handelt, die miteinander im Wettbewerb stehen. 6.2 Die gesetzliche Vermutung von Art. 5 Abs. 3 KG erfasst nur horizontale Wettbewerbsabreden (CARL BAUDENBACHER, Vertikalbeschränkungen im neuen schweizerischen Kartellgesetz, in: AJP 1996 S. 826 ff., 831; BORER, a.a.O., N. 23 zu Art. 5 KG ; HOFFET, a.a.O., Rz. 71 und 114 zu Art. 5 KG ; STOFFEL, a.a.O. [2000], S. 99). Vertikale Absprachen fallen zwar ebenfalls unter den Begriff der Wettbewerbsabrede im Sinne von Art. 4 Abs. 1 KG (vgl. E. 4) und damit unter die Regelung von Art. 5 KG (BBl 1995 I 553; HOFFET, a.a.O., Rz. 43 zu Art. 5 KG ), doch gilt die entsprechende Vermutung für sie nicht (BBl 1995 I 517, S. 546, 566). Eine (individuelle) vertikale Preisabrede oder Preisbindung zwischen Hersteller und Händler ist vermutungsweise keine Beseitigung, sondern allenfalls eine erhebliche Beeinträchtigung des wirksamen Wettbewerbs, die mit Gründen der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt werden kann (BAUDENBACHER, a.a.O., S. 830 f.; HOFFET, a.a.O., Rz. 81 zu Art. 5 KG ; ders., Sammelrevers für Musiknoten, Anmerkungen zum Entscheid der Wettbewerbskommission vom 1. September 1997, in: sic! 2/1998 S. 224 ff., 229 f.). Die Unterscheidung zwischen Vertikal- und Horizontalabreden darf indessen nicht formalistisch gehandhabt werden. Eine Vielzahl von Vertikalabreden ist einer Horizontalabsprache gleichzustellen, wenn sie auf irgendeine Weise verknüpft oder mit einer Horizontalabrede kombiniert sind, namentlich falls sie vom gleichen marktmächtigen Unternehmen ausgehen oder in irgendeiner Form, z.B. durch Einsetzen einer neutralen Aufsichtsinstitution, zentral koordiniert erscheinen (BBl 1995 I 566; BAUDENBACHER, a.a.O., S. 831; BORER, a.a.O., N. 7 zu Art. 4 und N. 24 zu Art. 5 KG ; VON BÜREN, a.a.O. [1997], S. 22; HOFFET, a.a.O. [1997], Rz. 44 und 114 zu Art. 5 KG ; STOFFEL, a.a.O. [2000], S. 101; ZÄCH, a.a.O., Rz. 317; PIERRE-ALAIN KILLIAS, in: Tercier/Bovet, a.a.O., Rz. 42 zu Art. 4 Abs. 1 KG ). 6.3 Die Rekurskommission geht davon aus, dass eine horizontale Vereinbarung weder für die Verleger noch für die Buchhändler nachgewiesen sei. Vertragsrechtlich liege jeweils eine individuelle Absprache zwischen den einzelnen Verlagen und Buchhändlern vor (Entscheid der Rekurskommission, E. 5.1.1). Dies wird zu Recht nicht bestritten. Aufgrund von Art. 4 Abs. 1 KG gelten indessen nicht nur Absprachen, sondern auch aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen als "Abreden" im Sinne des Gesetzes. Eine BGE 129 II 18 S. 27 horizontale Abrede gemäss Art. 5 Abs. 3 lit. a KG liegt deshalb bereits dann vor, falls neben den vertikalen Preisabsprachen zwischen den Verlagen und Buchhandlungen eine bezüglich des Preises aufeinander abgestimmte Verhaltensweise im horizontalen Verhältnis nachgewiesen werden kann. Dabei muss die abgestimmte Verhaltensweise vom blossen Parallelverhalten abgegrenzt werden, welches nicht unter das Kartellgesetz fällt (Rekurskommission in RPW 1999 S. 503 E. 4.2 S. 517). Ein solches liegt vor, wenn Unternehmen spontan gleich oder gleichförmig reagieren oder sich wechselseitig nachahmen (BBl 1995 I 545; SCHMIDHAUSER, a.a.O., Rz. 47 zu Art. 4 KG ; ZÄCH, a.a.O., Rz. 272). Ein bewusst praktiziertes Parallelverhalten ist noch keine abgestimmte Verhaltensweise im Sinne von Art. 4 Abs. 1 KG , selbst wenn es in der Erwartung erfolgt, dass die übrigen Marktteilnehmer sich gleich verhalten werden, und auch wenn davon wettbewerbsbeschränkende Wirkungen ausgehen (BORER, a.a.O., N. 14 zu Art. 4 KG ). Für die Annahme einer abgestimmten Verhaltensweise ist vielmehr ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken bzw. ein Mindestmass an Verhaltenskoordination vorausgesetzt (BBl 1995 I 545; BGE 124 III 495 E. 2a S. 499; BORER, a.a.O., N. 14 zu Art. 4 KG ). Die Wettbewerbsteilnehmer müssen bewusst die praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lassen (ZÄCH, a.a.O., Rz. 269, mit Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH). Entscheidend ist, dass das Gleichverhalten nicht durch exogene Marktfaktoren erzwungen, sondern planmässig, aufgrund ausgetauschter Marktinformationen erfolgt (VON BÜREN, a.a.O. [1997], S. 14 f.; ders., a.a.O. [2001], S. 549; STÖCKLI, a.a.O., Rz. 188-192; STOFFEL, a.a.O. [2000], S. 69). Gleichverhalten kann eine abgestimmte Verhaltensweise aber immerhin indizieren (VON BÜREN, a.a.O. [1997], S. 15; STÖCKLI, a.a.O., Rz. 192). 6.4 6.4.1 Die Wettbewerbskommission stellt nicht in Abrede, dass eine (rein) vertikale Preisbindung zweiter Hand nicht unter Art. 5 Abs. 3 KG fiele. Sie nahm jedoch an, der Sammelrevers führe als organisatorische Bündelung vertikaler Preisbindungsvereinbarungen zu einer kollektiven Preisbindung; neben den vertikalen Preisbindungsverträgen lägen zwei gleichgerichtete horizontale Abreden (je eine zwischen den Verlagen und zwischen den Buchhändlern) vor. Es handle sich um ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken, dem der gemeinsame Wille zugrunde liege, eine einheitliche umfassende Marktordnung mittels lückenloser Preisbindung durchzusetzen. BGE 129 II 18 S. 28 Gleichermassen hat sie im ähnlich gelagerten Parallelfall des Sammelrevers für Musiknoten eine Bündelung inhaltlich identischer vertikaler Preisbindungen als Vermutungstatbestand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 lit. a KG behandelt, da eine absichtliche, organisierte Bündelung mit gleicher Wirkung wie eine Horizontalabrede vorliege (RPW 1997 S. 334 Ziff. 45 S. 341 f.; zustimmend HOFFET, a.a.O. [1998], S. 229; WALTER A. STOFFEL, Erste Erfahrungen im Bereich der Wettbewerbsabreden, in: Meier-Schatz, a.a.O. [1998], S. 75 ff., 107 f.; STOFFEL, a.a.O. [2000], S. 71 f.). 6.4.2 Die Rekurskommission ist der Ansicht, dass der Sammelrevers das koordinierende Element bilde, welches eine horizontal abgestimmte Verhaltensweise erst ermögliche oder zumindest erleichtere. Die Musterverträge für die individuellen Preisbindungsabsprachen seien von den Verbänden der Verleger und Buchhändler zur Verfügung gestellt worden. Der Sammelrevers enthalte hinsichtlich der Handhabung der Konventionalstrafe (Geltendmachung nur durch Preisbindungsbeauftragte, Zahlung an den Schweizerischen Buchhändler- und Verlegerverband), der Einsetzung des Schiedsgerichts, der Überwachungsfunktion des Preisbindungstreuhänders und der Aufgaben der Preisbindungsbeauftragten wesentliche Elemente einer gemeinschaftlichen Regelung. Die Verleger seien daran interessiert, mit Hilfe eines dichten Verkaufsstellennetzes mit breitem Angebot eine grosse Anzahl von Titeln anzubieten. Aus dem Verkauf erfolgreicher Titel könnten Buchhändler und Verleger die Kosten des Angebots von Titeln finanzieren, die sich als weniger rentabel erwiesen. Die Preisbindung erlaube somit Verlegern und Buchhändlern eine Quersubventionierung. Diese setze voraus, dass die Preisbindung von der überwiegenden Zahl der Marktteilnehmer angewandt werde; nur so sei ein Einfluss auf die Struktur des Verkaufsstellennetzes zu erwarten. Bloss durch ein gleichförmiges Verhalten hätten die Verleger eine Chance, mit Hilfe der Preisbindung die von ihnen gewünschte örtliche Dichte und sachliche Breite des Angebots zu fördern. Durch den Sammelrevers werde die lückenlose Anwendung der Preisbindung erleichtert, wenn nicht erst ermöglicht, da der Einsatz des Preisbindungstreuhänders und der Preisbindungsbeauftragten den Verwaltungsaufwand erheblich verringere und den Vollzug der einzelnen Absprachen erst erlaube. Der Sammelrevers sei ein wichtiges oder unerlässliches Instrument zur Anwendung der Preisbindung und erhöhe in bestimmender Weise die Chancen, dass die überwiegende Zahl der Verleger die Preise ihrer Produkte binde. Der einzelne Verleger BGE 129 II 18 S. 29 wende die Preisbindung nicht an, weil sie für ihn individuell vorteilhaft sei, sondern weil er dank dem Sammelrevers darauf zählen könne, dass seine Konkurrenten dies ebenfalls täten. Der Sammelrevers bilde somit das koordinierende Element, das eine abgestimmte Verhaltensweise von einer bloss gleichförmigen unterscheide. Angesichts des Marktanteils der preisgebundenen Bücher hätten die Buchhändler, selbst wenn sie wollten, gar keine andere Wahl als sich ebenfalls der Preisbindung zu unterstellen. Es liege deshalb eine horizontale Wettbewerbsabrede über die indirekte Festsetzung von Preisen im Sinne von Art. 5 Abs. 3 lit. a KG vor. 6.4.3 Die Beschwerdeführer bestreiten dies: Beim Sammelrevers handle es sich um eine individuelle Vereinbarung zwischen den einzelnen Verlegern und Buchhändlern (mithin um vertikale Abreden) und um ein zulässiges Parallelverhalten. Das System der Preisbindungsbeauftragten sei bloss eine administrative, organisatorische Bündelung der vertikalen Preisbindungsverträge und die einzig effiziente Form, um angesichts der grossen Masse von Verlegern und Buchhändlern die Rechtswirksamkeit der Preisbindung garantieren zu können. Die einzelnen Buchhändler seien nicht in der Lage, die Einhaltung der Preisbindung durch die Verlage zu überwachen, geschweige denn zu sanktionieren. Die Bestellung eines Schiedsgerichts und die Konventionalstrafe liessen nicht auf ein abgestimmtes Verhalten schliessen. Der einzelne Verleger entscheide sich für die Preisbindung, weil er sie individuell betriebswirtschaftlich für seine Produkte für sinnvoll halte. Der durch Preisbindungstreuhänder und Preisbindungsbevollmächtigte geschaffene organisatorische Rahmen mache das Bündel vertikaler Absprachen nicht zu einer horizontalen Abrede. Selbst wenn eine solche vorläge, hätte diese im Übrigen nicht die Preisfestsetzung zum Gegenstand; es wäre nur abgestimmt, dass die Bücher preisgebunden zu vertreiben seien, ohne dass Preiselemente oder -komponenten festgelegt würden. Diese seien durch die Absprache nur in vertikaler Richtung betroffen. 6.5 6.5.1 Ein Gleichverhalten der Verlage liegt unbestrittenermassen insofern vor, als die am Sammelrevers beteiligten Verleger gegenüber dem Buchhandel die Preisbindung durchsetzen. Hingegen ist die Höhe dieser Preise nicht horizontal abgestimmt, sondern wird von jedem Verleger individuell und autonom festgelegt (VKK 1982 S. 131 f.). Der Sammelrevers ist insofern nicht mit den klassischen sog. harten Preisbindungskartellen zu vergleichen wie etwa jenem BGE 129 II 18 S. 30 für Bier (vgl. BGE 112 II 268 ff.) oder für Zement (vgl. dazu die Untersuchung der ehemaligen Kartellkommission über die Wettbewerbsverhältnisse auf dem Zementmarkt, in: VKKP 5/1993 S. 43 ff., v.a. S. 85 ff.), aber auch nicht mit branchenweisen Preisempfehlungen, mit denen bestimmte Preise oder Preiskorridore festgelegt werden, die in der ganzen Branche Anwendung finden (vgl. dazu den Entscheid der Wettbewerbskommission vom 17. August 1998 betreffend Service- und Reparaturleistungen [RPW 1998 S. 382 ff.], von der Rekurskommission aufgehoben [RPW 1999 S. 503 ff.]; Entscheid der Wettbewerbskommission vom 8. Mai 2000 betreffend Fahrstunden [RPW 2000 S. 167 ff.], von der Rekurskommission bestätigt [RPW 2001 S. 200 ff.]). 6.5.2 Es mag zutreffen, dass Verlage die schlecht verkäuflichen Titel mit dem Ertrag aus den gut verkäuflichen quersubventionieren. Indessen wird der Preiswettbewerb zwischen den Verlagen dadurch nicht ausgeschaltet (ebenso die frühere Kartellkommission in ihrer Beurteilung der alten Marktordnung, in: VKK 1982 S. 131 f.). Der Sammelrevers schliesst auch nicht aus, dass sich einzelne Verleger auf gut verkäufliche Titel beschränken, keine Quersubventionierung vornehmen und daher alle ihre Titel zu einem günstigeren Preis anbieten können. Gerichtsnotorisch gibt es denn auch unter verschiedenen Buchtiteln, die ähnliche Fragen behandeln (z.B. verschiedene Sachbücher für bestimmte Gebiete), nebst einem Qualitäts- auch einen gewissen Preiswettbewerb. Bei Werken, die nicht (mehr) dem Urheberrecht unterliegen (z.B. Literaturklassiker), kann ein solcher sogar bei von verschiedenen Verlagen herausgegebenen gleichen Titeln bestehen. Die Vorinstanz betrachtet als entscheidend, dass die Verleger mit Hilfe der Preisbindung die von ihnen gewünschte örtliche Dichte und sachliche Breite des Angebots fördern. Dies betrifft allerdings nicht die Preisfestsetzung auf Stufe Verlag, sondern allenfalls Art und Zahl der umgesetzten Bücher. Zu diesem Zweck soll - so die Vorinstanz - die Zahl der Verkaufsstellen hoch gehalten werden, was erleichtert werde, wenn den Buchhandlungen mittels Preisbindung eine gewisse Marge gesichert werden könne. 6.5.3 Soweit eine horizontale Vereinbarung zwischen den Verlagen besteht, wird dadurch somit nicht der Preiswettbewerb zwischen diesen, sondern derjenige zwischen den Buchhandlungen beeinträchtigt. Auch die Wettbewerbskommission hat denn in der horizontalen Bündelung zwischen den Verlagen nur eine Wettbewerbsausschaltung auf der Stufe des Handels gesehen (Verfügung der BGE 129 II 18 S. 31 Wettbewerbskommission vom 6. September 1999, Ziff. 45 f., 51, 59 f.) und nicht auf jener der Produktion. In der Lehre wird indessen angenommen, dass auch Horizontalabreden unter Herstellern über die Preisbindung der zweiten Hand (also auf einer anderen Marktstufe) unter die Vermutung von Art. 5 Abs. 3 lit. a KG fielen (HOFFET, a.a.O. [1997], Rz. 117 zu Art. 5 KG ). Wie es sich damit verhält, kann dahin gestellt bleiben, da jedenfalls eine Horizontalabrede auf Stufe des Buchhandels besteht. 6.5.4 Der Sammelrevers führt dazu, dass alle angeschlossenen Buchhandlungen den gleichen vom Verlag festgesetzten Preis einhalten. Dieses Gleichverhalten ist offensichtlich nicht auf exogene Marktfaktoren zurückzuführen. Wenn auch allenfalls auf Stufe Verlag die Preisbindung noch betriebswirtschaftlich begründet werden mag, so trifft dies auf den Buchhandel nicht mehr zu. Nach betriebswirtschaftlichen Überlegungen ist nicht ersichtlich, weshalb ein Buchhändler den Preis nicht senken sollte, wenn er dadurch einen Wettbewerbsvorteil erzielen kann. Die Preisbindung entspringt im Gegenteil dem bewussten Wunsch der (Mehrheit der) Buchhändler, den Preiswettbewerb auf der Stufe des Endabnehmerpreises durch ein möglichst umfassendes Preisbindungssystem auszuschalten. Ein wesentliches Indiz hierfür liegt bereits darin, dass der Sammelrevers koordiniert eingeführt worden ist, um die frühere Marktordnung zu ersetzen, deren wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit in Frage gestellt erschien. Über die Einführung des Sammelrevers wurde an Generalversammlungen des Beschwerdeführers 2 von 1991 und 1992 diskutiert und beschlossen. Bereits die frühere Kartellkommission hat unter Hinweis auf diese Zustimmung an der Generalversammlung von 1991 den Sammelrevers als kartellähnlich (im Sinne des KG85) bezeichnet, da trotz formal vertikaler Konstruktion eine kollektive Durchsetzung vorgesehen sei. Ein Preiswettbewerb bestehe in gewissem Masse auf Stufe der Verleger, schlage aber nicht mehr auf den Detailhandel durch (VKKP 1a/1996 S. 170 ff.). 6.5.5 Zwar legen die Buchhändler nicht selber in horizontalen Abreden die Buchpreise fest, sondern halten bloss die von den Verlagen vorgegebenen Preise ein. Eine Preisabrede liegt indessen nicht nur vor, wenn ein konkreter Preis, sondern auch wenn bloss einzelne Komponenten oder Elemente der Preisbildung fixiert werden (BBl 1995 I 567; BORER, a.a.O., N. 25 zu Art. 5 KG ; HOFFET, a.a.O. [1997], Rz. 117 zu Art. 5 KG ; MEIER-SCHATZ, a.a.O. [1996], S. 820). Als Preisabrede hat auch die abgestimmte Verhaltensweise zu gelten, wonach ein einheitlicher Endabnehmerpreis angewendet BGE 129 II 18 S. 32 wird, selbst wenn dieser nicht durch die Buchhändler, sondern je durch die einzelnen Verleger bestimmt ist. Die Buchhändler wissen, dass infolge des Sammelrevers alle anderen angeschlossenen Buchhändler jedes Buch zum gleichen Preis verkaufen wie sie. Diese Ausschaltung des Preiswettbewerbs auf Stufe Endabnehmer ist das offensichtliche Ziel des Sammelrevers. Gerichtsnotorisch treten die Beschwerdeführer, welche die Verlage und Buchhandlungen vertreten, nicht nur im vorliegenden Verfahren, sondern auch in der Öffentlichkeit und der Politik für die Beibehaltung der Preisbindung ein (vgl. z.B. www.sbvv.ch/medienaktuell.htm) und machen diese damit zu einer Frage von kollektivem Interesse auf Verbandsebene. Auch die Funktion der Preisbindungsbevollmächtigten wirkt koordinierend. Ohne Absprache auf der Ebene des Verbandes wäre es höchst unwahrscheinlich, dass alle beteiligten Buchhandlungen für ihre Kontakte mit den Verlagen die gleiche Bevollmächtigte bezeichnen würden. Schliesslich ist auch die konkrete Ausgestaltung des Schiedsgerichts ein Indiz für eine horizontale Abrede. Wohl lässt die Einsetzung von Schiedsgerichten durch Dritte nicht automatisch auf eine solche schliessen, kommt dies im Wirtschaftsleben doch nicht selten vor. Es fällt im vorliegenden Zusammenhang indessen ins Gewicht, dass nicht etwa der einzelne Buchhändler das Schiedsgericht anrufen kann. Der Entscheid, ob ein Schiedsverfahren eingeleitet wird, obliegt gemäss Ziff. 10 Abs. 5 des Sammelrevers dem Preisbindungstreuhänder bzw. der Preisbindungsbeauftragten, welche gemeinsam den Obmann des Schiedsgerichts bezeichnen (Ziff. 10 Abs. 3 des Sammelrevers). Die Ausgestaltung des Schiedsverfahrens folgt damit dem gleichen horizontal abgestimmten, koordinierenden Mechanismus wie die Institution der Preisbindungsbeauftragten. Die Beschwerdeführer wenden ein, der Sammelrevers sei die einzige Möglichkeit, um das (als vertikale Abreden zulässige) Preisbindungssystem durchzusetzen. Gerade dies unterstreicht aber, dass in Wirklichkeit ein horizontal abgestimmtes Verhalten vorliegt: Offensichtlich streben die Buchhändler eine möglichst lückenlose Durchsetzung der Preisbindung an und haben gerade zu diesem Zweck gemeinsame Durchsetzungsinstrumente geschaffen (im Resultat gleicher Ansicht KAMBER, a.a.O., S. 146 f.). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang der Hinweis der Beschwerdeführer auf das Urteil des deutschen Bundesgerichtshofes (BGH) vom 9. Juli 1985. Abgesehen davon, dass dieses auf der Basis einer anderen Rechtslage erging, äusserte sich der BGH dort nur zum Verhältnis zwischen den Verlagen, nicht auch zu demjenigen zwischen den BGE 129 II 18 S. 33 Buchhandlungen; zudem stellte er nur auf die rechtliche Qualifikation der Verträge ab, während das Kartellgesetz eben nicht nur Vereinbarungen, sondern auch vertragsloses Zusammenwirken erfasst. 6.6 Somit ist gemäss Art. 5 Abs. 3 lit. a KG vorliegend eine Wettbewerbsbeseitigung zu vermuten. Ob die Annahme als widerlegt gelten kann, ist im Folgenden zu prüfen (E. 7-9). 7. 7.1 Wird nicht nachgewiesen, dass trotz der Abrede wirksamer Wettbewerb besteht, gilt dieser als beseitigt. Art. 5 Abs. 3 KG regelt damit die Beweislast, das heisst die Folgen der Beweislosigkeit. Demgegenüber liegt die Beweisführungslast im verwaltungsrechtlichen Verfahren bei der Wettbewerbskommission, wobei die Parteien eine Mitwirkungspflicht trifft ( Art. 12 und 13 VwVG i.V.m. Art. 39 KG ; BORER, a.a.O., N. 23 zu Art. 5 KG ; HOFFET, a.a.O. [1997], Rz. 111 zu Art. 5 KG ; MEIER-SCHATZ, a.a.O. [1996], S. 820 Ziff. 4.1.; STOFFEL, a.a.O. [2000], S. 115 f.; ZÄCH, a.a.O., Rz. 309; KAMBER, a.a.O., S. 151). 7.2 Die Frage der Beseitigung wirksamen Wettbewerbs bezieht sich immer auf einen sachlich und räumlich abgegrenzten Markt für bestimmte Waren oder Leistungen (VON BÜREN, a.a.O. [1997], S. 15 f.; HOFFET, a.a.O. [1997], Rz. 47 zu Art. 5 KG ; ZÄCH, a.a.O., Rz. 275 u. S. 172 ff.). Der räumlich relevante Markt umfasst das Gebiet, in dem die Marktgegenseite die entsprechenden Waren oder Dienstleistungen nachfragt (vgl. Art. 11 Abs. 3 lit. b der Verordnung vom 17. Juni 1996 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen [VKU; SR 251.4] ). Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, dies sei hier der entsprechende Währungsraum, d.h. die Schweiz (ebenso KAMBER, a.a.O., S. 149 f.). Die Beschwerdeführer stellen diese Abgrenzung zu Recht nicht in Frage. Umstritten ist hingegen die sachliche Marktumschreibung. 7.3 7.3.1 Die Definition des sachlich relevanten Markts erfolgt aus der Sicht der Marktgegenseite; massgebend ist, ob aus deren Optik Waren oder Dienstleistungen miteinander im Wettbewerb stehen. Dies hängt davon ab, ob sie vom Nachfrager hinsichtlich ihrer Eigenschaften und des vorgesehenen Verwendungszwecks als substituierbar erachtet werden (vgl. Art. 11 Abs. 3 lit. a VKU; VON BÜREN, a.a.O. [1997], S. 16; HOFFET, a.a.O. [1997], Rz. 48 f. zu Art. 5 KG ; MEIER-SCHATZ, a.a.O. [1998], S. 22; STOFFEL, a.a.O. [2000], S. 87 f.). Die Parteien sind sich einig, dass die für die Marktabgrenzung massgebliche BGE 129 II 18 S. 34 Marktgegenseite hier die Leser bzw. Käufer von Büchern sind (Verfügung der Wettbewerbskommission, Ziff. 64); unterschiedliche Ansichten bestehen hinsichtlich des nachgefragten Guts. 7.3.2 Die Vorinstanzen haben den Buchhandel als eigene Wertschöpfungsstufe und als relevanten Markt den Handel mit (deutschsprachigen) Büchern unter Einbezug sämtlicher Verkaufsstellen betrachtet, mithin die buchhändlerische Leistung (Vermittlung des Buches, Präsentation von Büchern, Beratung usw.; Verfügung der Wettbewerbskommission, Ziff. 69, 76; Entscheid der Rekurskommission, E. 5.3; zustimmend KAMBER, a.a.O., S. 149). Für diese bestehe aufgrund der Preisbindung kein Preiswettbewerb. Die Beschwerdeführer erachten demgegenüber nicht den Buchhandel als relevanten Markt, sondern die Bücher. Es sei deshalb nicht nur der Wettbewerb beim Vertrieb ein- und desselben Titels ("Intrabrand"-Wettbewerb), sondern auch der Wettbewerb zwischen verschiedenen Titeln bzw. Verlagen ("Interbrand"-Wettbewerb) massgebend. 7.3.3 Die frühere Kartellkommission hat in einer Stellungnahme zu Handen des Preisüberwachers (VKKP 1a/1996 S. 166 f.) angenommen, der Buchmarkt bilde aus der Sicht der Anbieter einen einheitlichen Markt, aus der Sicht der Nachfrager indessen nicht, da kaum Austauschbarkeit zwischen den verschiedenen Buchtiteln bestehe. In der Regel bilde daher jeder Buchtitel einen eigenen Markt. Die Beschwerdeführer gehen demgegenüber davon aus, dass zumindest in gewissem Mass zwischen verschiedenen Buchtiteln Austauschbarkeit bestehe. Aus der Optik der Vorinstanzen ist dies unerheblich, weil auch dann innerhalb des relevanten Marktes (buchhändlerische Leistung) kein Preiswettbewerb herrsche. Das Argument der Vorinstanzen, das Herstellen von Büchern und die buchhändlerische Leistung seien verschieden, bedeutet allerdings noch nicht, dass auch aus der Sicht des Kunden getrennte Märkte bestehen. Die Beschwerdeführer weisen an sich zu Recht darauf hin, dass die buchhändlerische Leistung in der Regel nicht gesondert, sondern nur zusammen mit dem Buch nachgefragt oder vergütet wird, was allerdings nur relevant ist, soweit tatsächlich Austauschbarkeit angenommen werden kann. Will der Käufer hingegen einen bestimmten Titel, beschränkt sich seine Auswahl auf die verschiedenen Buchhandlungen. Es stehen dann nicht Bücher, sondern Verkaufsstellen im Wettbewerb. Wie gross der Anteil der Buchkäufe ist, bei der Austauschbarkeit besteht, ist umstritten. Die Frage braucht nicht geklärt zu werden, wenn sich ergibt, dass auch bei der Betrachtungsweise BGE 129 II 18 S. 35 der Beschwerdeführer wirksamer Wettbewerb beseitigt ist oder umgekehrt auch bei der Annahme der Vorinstanzen noch wirksamer Wettbewerb herrscht. 8. 8.1 Die durch Art. 5 Abs. 3 KG begründete Vermutung kann durch den Nachweis entkräftet werden, dass trotz der Abrede ein funktionierender Innen- oder Aussenwettbewerb besteht (BBl 1995 I 565; GUGLER/ZURKINDEN, a.a.O., Rz. 12 zu Art. 5 KG ; BORER, a.a.O., N. 22 zu Art. 5 KG ; VON BÜREN, a.a.O. [1997], S. 21, 24; HOFFET, a.a.O. [1997], Rz. 112 zu Art. 5 KG ; MEIER-SCHATZ, a.a.O. [1996], S. 820; ZÄCH, a.a.O., Rz. 305). Ein funktionierender Aussenwettbewerb liegt vor, wenn es Unternehmen gibt, die nicht an der Abrede beteiligt sind und damit so viel Konkurrenz schaffen, dass ein wirksamer Wettbewerb nicht als beseitigt erscheint. Ein funktionierender Innenwettbewerb besteht, wenn die Abrede in Wirklichkeit gar nicht befolgt wird oder wenn trotz der die Vermutung begründenden Absprache bezüglich einzelner Wettbewerbsparameter aufgrund anderer Faktoren ein wirksamer Wettbewerb fortbesteht (ZÄCH, a.a.O., Rz. 305; STOFFEL, a.a.O. [2000], S. 116 f.). Die Wirkung einer Abrede ist immer im Kontext der übrigen rechtlichen und tatsächlichen Marktzutrittsschranken zu würdigen (HOFFET, a.a.O. [1997], Rz. 59 ff. zu Art. 5 KG ); massgeblich ist, ob im Ergebnis die Marktfunktionen des Wettbewerbs beeinträchtigt werden oder nicht (HOFFET, a.a.O. [1997], Rz. 62 zu Art. 5 KG ; vgl. hierzu im Einzelnen: ZÄCH, a.a.O., Rz. 10-29). Zu diesem Zweck hat deshalb auch bei den Vermutungstatbeständen eine entsprechende Marktanalyse zu erfolgen (HOFFET, a.a.O. [1997], Rz. 112 zu Art. 5 KG ). 8.2 Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, dass kein wirksamer Aussenwettbewerb bestehe, da das Angebot der nicht preisgebundenen Bücher im modernen Antiquariat und in Buchclubs nicht geeignet sei, den Handel mit preisgebundenen Büchern wirksam zu konkurrenzieren. Dies ist angesichts des Marktanteils der preisgebundenen Bücher von rund 90% (vgl. E. 2) offensichtlich und wird auch von den Beschwerdeführern nicht in Frage gestellt. Umstritten ist jedoch, ob und inwiefern noch ein wirksamer Innenwettbewerb besteht: 8.2.1 Nach Ansicht der Wettbewerbskommission ist die Vermutung von Art. 5 Abs. 3 lit. a KG nicht widerlegt, da innerhalb des relevanten Marktes (Handel mit deutschsprachigen Büchern im Währungsgebiet der Schweiz) der Wettbewerb bezüglich des Preises (und damit des zentralen Marktparameters) für die der Preisbindung BGE 129 II 18 S. 36 unterliegenden Bücher ausgeschaltet sei. Die Rekurskommission ihrerseits hat angenommen, die Vermutung könne nicht durch die Relevanz anderer Wettbewerbsparameter widerlegt werden, da das Gesetz jeweils bereits einen einzigen Wettbewerbsparameter (nämlich den Preis [ Art. 5 Abs. 3 lit. a KG ] oder die Produktions-, Bezugs- oder Liefermengen [ Art. 5 Abs. 3 lit. b KG ] oder die Marktaufteilung [ Art. 5 Abs. 3 lit. c KG ]) zur Begründung der Vermutung genügen lasse; erforderlich sei der Nachweis, dass trotz der fraglichen Abrede der Preiswettbewerb in hinreichendem Masse spiele, was beim umstrittenen Sammelrevers nicht der Fall sei. 8.2.2 Die Beschwerdeführer machen geltend, es herrsche trotz des Sammelrevers zwischen den verschiedenen Buchtiteln und Verlagen ein Preiswettbewerb. Ob dies zutrifft, hängt mit der Frage nach dem sachlich relevanten Markt (E. 7.3) zusammen und kann dahin gestellt bleiben. Selbst wenn der Handel als eigener Markt betrachtet wird, besteht nämlich ein relevanter Wettbewerb zwischen den Buchhandlungen fort. 8.3 8.3.1 Art. 5 Abs. 3 KG nennt die einzelnen Tatbestände, welche die Vermutung einer Wettbewerbsbeseitigung begründen, zwar alternativ und nicht kumulativ; dies bedeutet indessen bloss, dass ein einzelner von ihnen zur Begründung der Vermutung genügt, nicht aber auch, dass die Beseitigung des Wettbewerbs damit unabänderlich feststünde. Die Argumentation der Vorinstanz setzt unzulässigerweise die Vermutungsbasis mit der Vermutungsfolge gleich. Die Vermutung zeichnet sich im Unterschied zur Fiktion dadurch aus, dass sie widerlegt werden kann (MARIO M. PEDRAZZINI/ROLAND VON BÜREN/EUGEN MARBACH, Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Bern 1998, Rz. 1054; STÖCKLI, a.a.O., Rz. 519-524). Das Gesetz beschränkt die Möglichkeiten, dies zu tun, hier nicht. Die horizontale Preisabrede begründet nach dem eindeutigen Wortlaut von Art. 5 Abs. 3 KG deshalb nur die Vermutung einer Wettbewerbsbeseitigung und nicht auch eine entsprechende Fiktion. 8.3.2 Preisabsprachen sind gesetzlich nicht ausnahmslos untersagt (VON BÜREN, a.a.O. [1997], S. 22; ZÄCH, a.a.O., Rz. 304). Das Gesetz unterscheidet zwischen einer erheblichen Beeinträchtigung und der Beseitigung des Wettbewerbs; nur diese ist absolut verboten. Eine erhebliche Beeinträchtigung, die nach Art. 5 Abs. 1 und 2 KG gerechtfertigt werden kann, liegt vor, wenn der Wettbewerb hinsichtlich einzelner relevanter Parameter erheblich beeinträchtigt ist (vgl. E. 5). Als beseitigt erweist sich der Wettbewerb demgegenüber, BGE 129 II 18 S. 37 wenn die autonome Festlegung sämtlicher relevanter Wettbewerbsparameter ausgeschlossen ist (VON BÜREN, a.a.O. [1997], S. 15, 21 f.; PEDRAZZINI/VON BÜREN/MARBACH, a.a.O., Rz. 1040; WALTER A. STOFFEL, Les ententes restrictives à la concurrence, in: SZW Sondernummer 1996, S. 7 ff., 11 f.; STOFFEL, a.a.O. [2000], S. 98). Sind mehrere solche relevant, kann folglich ein Restwettbewerb auch vorliegen, wenn er nur bezüglich einzelner dieser Parameter noch funktioniert. Die Vermutung nach Art. 5 Abs. 3 KG ist daher nicht erst widerlegt, wenn nachgewiesen wird, dass uneingeschränkter Wettbewerb herrscht, sondern bereits, wenn dargetan ist, dass trotz der die Vermutung begründenden Abrede noch ein gewisser - wenn auch allenfalls erheblich beeinträchtigter - Rest- oder Teilwettbewerb besteht. 8.3.3 Der Preis ist auf den meisten Märkten ein wichtiger Parameter. Die Beseitigung des entsprechenden Wettbewerbs führt daher in vielen Fällen - insbesondere bei homogenen Gütern (Benzin, Heizöl usw.; ZÄCH, a.a.O., Rz. 301) - zur Beseitigung wirksamen Wettbewerbs schlechthin (HOFFET, a.a.O. [1997], Rz. 116 zu Art. 5 KG ; STOFFEL, a.a.O. [2000], S. 98). Dies schliesst aber nicht aus, dass es Märkte gibt, auf denen der Preis nicht den alleinigen oder dominierenden Wettbewerbsfaktor bildet. Bei unterschiedlichen Produkten verschiedener Hersteller kann es deshalb selbst bei kartellistisch vereinheitlichten Preisen wegen der Unterschiedlichkeit der einzelnen Marken zu einem gewissen (Rest-)Wettbewerb kommen (ZÄCH, a.a.O., Rz. 301, S. 174). 8.3.4 Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann somit auch bei einer (horizontalen) Preisabrede die Vermutung der Wettbewerbsbeseitigung durch den Nachweis widerlegt werden, dass auf einem konkreten Markt der Preis nicht der allein entscheidende Wettbewerbsparameter ist, und es daher trotz dessen Ausschaltens aufgrund anderer Faktoren (z.B. Qualität) noch zu einem - wenn auch allenfalls erheblich beeinträchtigten - Wettbewerb kommt (VON BÜREN, a.a.O. [1997], S. 24; STOFFEL, a.a.O. [1996], S. 17; WALTER A. STOFFEL, Unzulässige Wettbewerbsabreden, in: Roger Zäch [Hrsg.], Das Kartellgesetz in der Praxis, Zürich 2000, S. 19 ff., 28; STOFFEL, a.a.O. [2000], S. 117; ZÄCH, a.a.O., Rz. 306, S.176 f.). Das Sekretariat der Wettbewerbskommission hat denn auch in einem anderen Fall (SVIT-Honorarrichtlinien) selber festgehalten, dass bei der Beurteilung von Preisabsprachen die Bedeutung des Preises als Wettbewerbsfaktor mitberücksichtigt werden müsse. In Dienstleistungsmärkten sei der Preis nicht ein dominanter Wettbewerbsparameter, BGE 129 II 18 S. 38 da die Art und Qualität der Leistung stark vom Leistungserbringer abhingen (RPW 1998 S. 189 ff. Ziff. 49). Nachdem die Vorinstanzen vorliegend als relevanten Markt nicht die Bücher, sondern den Buchhandel (und damit einen Dienstleistungsmarkt) betrachteten, ist auch hier die Bedeutung des Preises als Wettbewerbsfaktor zu prüfen. Die Auffassung der Rekurskommission, wonach die Vermutung gemäss Art. 5 Abs. 3 lit. a KG nur durch den Nachweis umgestossen werden könne, dass der Preiswettbewerb trotz der Abrede spiele, steht im Widerspruch zum Gesetz. Die Vermutung kann auch widerlegt werden, wenn nachgewiesen ist, dass auf dem Buchhandelsmarkt trotz Ausschaltung des Preiswettbewerbs aufgrund anderer Parameter ein wirksamer (Rest- oder Teil-)Wettbewerb fortbesteht. 9. 9.1 Die Vorinstanzen haben sich aufgrund ihrer unzutreffenden Rechtsauffassung mit der Bedeutung des Preises als Wettbewerbsparameter und mit der Frage eines allfälligen Restwettbewerbs aufgrund anderer Faktoren (Qualität des Sortiments, der Beratung und weiterer Serviceleistungen) nicht weiter auseinander gesetzt. Der Sachverhalt ist insofern an sich unvollständig festgestellt ( Art. 105 Abs. 2 OG ). Immerhin haben sie aber auch diesbezüglich gewisse Aussagen gemacht. Weitere Unterlagen sind von den Beschwerdeführern eingereicht worden. Zudem liegt inzwischen der "Prognos"-Bericht über den Buchmarkt und die Buchpreisbindung vor (FELIX NEIGER/JOSEF TRAPPEL [Prognos AG], Schlussbericht Buchmarkt und Buchpreisbindung in der Schweiz, Basel, September 2001). 9.2 Die Wettbewerbskommission beantragt zwar, diesen nicht zu den Verfahrensakten zu nehmen, da der Sachverhalt nicht unvollständig festgestellt sei, der Bericht keine neuen, für das vorliegende Verfahren entscheidrelevanten Tatsachen enthalte und die Vorgehensweise bei der Ausarbeitung nicht wissenschaftlich erscheine; zudem hätten Interessengruppen der Buchbranche bei dessen Erarbeitung mitgewirkt. Hierzu besteht indessen kein Anlass: 9.2.1 Der "Prognos"-Bericht geht auf ein Postulat des Nationalrats zurück (Postulat 99.3484), das - als Reaktion auf die hier zur Diskussion stehende Verfügung der Wettbewerbskommission - den Bundesrat eingeladen hatte, die kultur- und arbeitsmarktpolitische Bedeutung der Preisbindung darzustellen. Das Bundesamt für Kultur (BAK) beauftragte gestützt hierauf die Prognos AG damit, die Situation des Buchhandels in der Schweiz und die arbeitsmarkt- bzw. kulturpolitische Bedeutung der Buchpreisbindung zu beleuchten. BGE 129 II 18 S. 39 Dabei sollten gemäss Zielsetzung zunächst die volkswirtschaftlichen und anschliessend die kulturpolitischen Auswirkungen der Preisbindung analysiert werden ("Prognos"-Bericht, Anlage I, Ziff. 2). Eine aus Vertretern und Vertreterinnen des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco), des BAK und des Bundesamts für Statistik sowie der Präsidentin der Kulturstiftung Pro Helvetia zusammengesetzte Gruppe begleitete diese Arbeit. 9.2.2 Wie sich aus dem Auftrag und der Lektüre des Berichts ergibt, befasst sich dieser nicht nur mit den (vorliegend unerheblichen, vgl. E. 1.2) kulturpolitischen, sondern auch mit den ökonomischen Aspekten der Buchpreisbindung; er enthält insoweit deshalb auch Sachverhaltsaussagen, die für die hier zu beurteilenden Fragen erheblich sind. Zwar handelt es sich nicht um ein gerichtliches Gutachten; auch trifft zu, dass Interessenvertreter der Buchbranche und namentlich der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer zu den im Bericht enthaltenen Thesen Stellung nehmen konnten. Dies schliesst aber nicht aus, auf darin enthaltene Sachverhaltsfeststellungen abzustellen, soweit diese nach freier Beweiswürdigung als unbestritten und zutreffend gelten können. Es besteht deshalb kein Grund, den entsprechenden Bericht nicht zu den Akten zu nehmen, zumal die Parteien Gelegenheit erhalten haben, sich mit dessen Inhalt auseinander zu setzen. 9.3 Insgesamt erlaubt die Aktenlage dem Bundesgericht damit, selber zu beurteilen, ob neben dem (ausgeschalteten) Preiswettbewerb der Qualitätswettbewerb relevant erscheint (E. 9.4) und tatsächlich besteht (E. 9.5). 9.4 9.4.1 Die Beschwerdeführer machen geltend, ein erheblicher Teil der Kundschaft lege beim Buchkauf hauptsächlich Wert auf Servicefaktoren wie Sortimentsqualität und Beratung. Sie belegen dies mit Ergebnissen von Umfragen, wonach nur 48% der Käufer den niedrigen Preis als wichtig oder sehr wichtig beurteilten, aber zwischen 63 und 69% Faktoren wie übersichtliche Bücheranordnung, fachkundige Beratung und grosse Auswahl/breites Sortiment besonderes Gewicht beilegten. In anderen Märkten liege der Anteil der Kunden, die den Preis als "besonders wichtig" bezeichneten, demgegenüber viel höher (zwischen 55 und 83%). Zwar sind diese Umfragen zumindest teilweise vom Beschwerdeführer 1 selber oder in seinem Auftrag durchgeführt worden, doch hat die Rekurskommission diese Darlegung nicht bestritten, sondern sie bloss - aufgrund ihrer unzutreffenden Rechtsauffassung - als unerheblich erachtet, da dies BGE 129 II 18 S. 40 nichts daran zu ändern vermöge, dass die Ausschaltung des Preiswettbewerbs die Vermutung gemäss Art. 5 Abs. 3 lit. a KG begründe (Entscheid der Rekurskommission, E. 5.4.2). 9.4.2 Die Vorinstanzen stellen nicht in Abrede, dass im Buchhandel neben dem Produkt "Buch" auch die Serviceleistungen (Beratung, Verfügbarkeit eines Sortiments usw.) von Bedeutung sind. Die Rekurskommission hat festgehalten, dass eine Preisabrede den Beteiligten immer die Möglichkeit belasse, sich mit anderen Mitteln wie Kundenbetreuung, Werbung oder Produktdifferenzierung zu konkurrenzieren; die Beteiligten würden in der Regel solche Mittel zur Steigerung ihrer Umsätze und Gewinne intensiv nutzen (Entscheid der Rekurskommission, E. 5.4.2). 9.4.3 Der "Prognos"-Bericht kommt zum Schluss, dass im In- und Ausland die Preissensibilität der Buchkundschaft relativ gering sei. Andere Faktoren als der Preis stünden im Vordergrund, so die Breite des Sortiments, die Übersichtlichkeit des Angebots, die Qualität der Bedienung und Beratung sowie Standort und Ausstattung der Buchhandlung. Illustriert wird dies unter anderem damit, dass in den Grenzregionen zu Deutschland und Frankreich trotz Preisunterschieden von 20-30% kaum jemand Bücher im grenznahen Ausland kaufe (S. 33 f., 78, 90). Der Bericht stützt sich dabei auf eine Studie der Universität St. Gallen (URS FÜGLISTALLER/ANDREAS GRÜNER/CRISTIAN RUSCH, Dienstleistungskompetenz und Dienstleistungscontrolling im Schweizer Buchhandel, St. Gallen 2001, S. 8, 13 und 22; vgl. dazu HANS JOBST PLEITNER/URS FÜGLISTALLER/CRISTIAN RUSCH, Schweizer Buchhandel - eine ökonomische Situationsanalyse, in: NZZ 9./10. Februar 2002, S. 27), welche aufgrund eigener Umfragen und Erhebungen feststellt, dass nur für rund 34% der Buchkunden der Preis eine sehr wichtige oder wichtige Rolle spiele (FÜGLISTALLER/GRÜNER/RUSCH, a.a.O., S. 31; "Prognos"-Bericht, S. 34). Diese Zahlen werden von den Vorinstanzen nicht bestritten. Es entspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass zumindest bei einem erheblichen Teil der Buchkäufe den genannten Servicefaktoren (Sortimentsqualität, Beratung) eine erhebliche Bedeutung zukommt. 9.4.4 Insgesamt kann somit als erwiesen erachtet werden, dass auf dem Buchhandelsmarkt nebst dem Preis auch die Qualität eine erhebliche Bedeutung hat, so dass die Ausschaltung des Preiswettbewerbs nicht zwangsläufig den Wettbewerb an sich beseitigt. 9.5 Der entsprechende Qualitätswettbewerb findet im Übrigen auch statt: BGE 129 II 18 S. 41 9.5.1 Die Wettbewerbskommission hat ausdrücklich eingeräumt, dass ein gewisser Qualitäts- und Leistungswettbewerb zwischen den Buchhändlern existiere; sie hält diesen allerdings aufgrund des ausgeschalteten Preiswettbewerbs für "verzerrt" (Verfügung der Wettbewerbskommission, Ziff. 84). Auch die Rekurskommission führt aus, dass der Kunde durch den Bezug zusätzlicher (Dienst-)Leistungen Nutzen ziehen könne, dass aber die Ausschaltung des Preiswettbewerbs seine Wahlfreiheit "beschränke" (Entscheid der Rekurskommission, E. 5.4.2). Verzerrung und Beschränkung sind jedoch nicht dasselbe wie die vom Gesetz verlangte Beseitigung. Nach den Ausführungen der Vorinstanzen ist deshalb davon auszugehen, dass der Qualitätswettbewerb zwischen den Buchhandlungen zwar wohl beeinträchtigt, aber nicht beseitigt ist. 9.5.2 Dies erscheint auch ohne weiteres plausibel: Die Leistung des Buchhändlers besteht einerseits in der Lieferung des Buches, andererseits im Dienstleistungsangebot (einschliesslich der Führung eines möglichst breiten Sortiments an im Laden vorhandenen, d.h. zur Einsicht offen liegenden und sofort - nicht erst auf Bestellung hin - verfügbaren Titeln). Für diese Gesamtleistung wird der für alle Buchhandlungen gleichermassen festgesetzte Preis bezahlt. Der Kunde erhält hierfür einerseits das Buch, welches in allen Buchhandlungen gleich ist, andererseits die Service-Dienstleistungen, welche unter den Buchhandlungen variieren können. Je nach Qualität der Dienstleistungen erhält der Kunde für den gleichen Preis somit eine unterschiedliche Gegenleistung. Er wird deshalb diejenige Buchhandlung vorziehen, in welcher der Service am besten ist, weil er dadurch für sein Geld eine grössere Gegenleistung erhält. Insofern besteht unzweifelhaft ein Wettbewerb zwischen den Buchhandlungen. Es ist nicht ersichtlich, weshalb dieser Qualitätswettbewerb infolge der Preisbindung ausgeschaltet sein sollte. Der Gewinn eines Unternehmens hängt nicht nur von der Bruttomarge, sondern auch von den Kosten und dem Umsatz ab. Infolge der Preisbindung kann der Buchhändler seinen Umsatz (und damit seinen Bruttoertrag) nur durch bessere Qualität der Dienstleistungen und dadurch erreichte Kundenzufriedenheit steigern. Nach normalen betriebswirtschaftlichen Überlegungen ist somit zu erwarten, dass die Buchhändler gerade infolge der Preisbindung die übrigen Wettbewerbsparameter besonders beachten, um ein optimales Verhältnis zwischen Kostenstruktur und Umsatz zu erreichen. Die Rekurskommission führt selber aus, dass die Anbieter Effizienzvorteile entweder als höhere Gewinne für sich behalten oder in Form von Zusatzleistungen an die Kunden weiter BGE 129 II 18 S. 42 geben in der Hoffnung, dadurch ihren Umsatz zu steigern (Entscheid der Rekurskommission, E. 5.4.2). Sie nimmt damit an, dass trotz Preisbindung die verschiedenen Buchhandlungen unterschiedlich effizient sind und dem Kunden daher unterschiedliche Leistungen anbieten können. Für diejenigen Kunden, welche einzig das Buch, aber keine Beratung und Sortimentsausstellung beanspruchen (weil sie genau wissen, welches Buch sie wünschen), ist damit zwar der Wettbewerb weitgehend ausgeschaltet bzw. bezieht sich dieser höchstens noch auf die Raschheit der Bestellung und Lieferung. Da indessen ein erheblicher Teil der Kunden tatsächlich weitere Dienstleistungen beansprucht (vgl. E. 9.4), bedeutet dies nicht, dass der Wettbewerb beseitigt wäre. 9.5.3 Die Rekurskommission nahm an, dass eigentlich erwartet werden dürfte, dass der Kunde bereit sei, den Preis für die Dienstleistungen separat zu bezahlen, und nicht bloss denjenigen, der sich aus der Mischrechnung ergebe, wenn es für ihn tatsächlich nicht so sehr auf den Preis denn auf die Leistung ankomme (Entscheid der Rekurskommission, E. 5.4.2 in fine). Hieraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass kein Qualitätswettbewerb mehr bestünde. Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass mangels Austauschbarkeit einzelner Titel als sachlich relevanter Markt die Dienstleistungen der Buchhandlungen zu gelten haben (vgl. E. 7.3), werden diese Leistungen in der Regel doch zusammen mit dem Buch nachgefragt. Es ist auch auf anderen Märkten üblich, dass nebst der Lieferung der Ware eine gewisse Beratung erfolgt, die von den Kunden in unterschiedlichem Masse in Anspruch genommen, aber trotzdem nicht gesondert entgolten wird, sondern im Preis der Ware enthalten ist. Dies allein stellt noch keine Beseitigung des Wettbewerbs dar. In Märkten, in welchen die Beratungstätigkeit einen erheblichen Anteil am Warenpreis ausmacht, kann die Preisbindung gerade ein Mittel sein, um die - auch ökonomisch - unerwünschte Trittbrettfahrerproblematik zu vermeiden (Personen, die in qualifizierten und teureren Handlungen unentgeltlich Beratung in Anspruch nehmen, um anschliessend im billigeren Discountgeschäft die Ware zu kaufen). 9.5.4 Ebenfalls nicht ausschlaggebend ist das Argument, das Kartellgesetz gehe davon aus, dass der Nachfrage am besten entsprochen werde, wenn das Angebot auf diese und nicht nach Wettbewerbsabreden ausgerichtet sei. Nach dem Gesagten richten die Buchhändler ihr Angebot zwar nicht bezüglich des Preises, wohl aber bezüglich anderer Wettbewerbsparameter (Serviceleistungen) durchaus an der Nachfrage aus. Dass der Wettbewerb durch die BGE 129 II 18 S. 43 Preisabrede erheblich beeinträchtigt wird, ist nicht bestritten, aber nicht ausschlaggebend, solange ein Teilwettbewerb aufgrund anderer Faktoren fortbesteht (vgl. E. 8.3). 9.5.5 Wettbewerbsrechtlich bedenklich und unzulässig sind Preisabsprachen in erster Linie, wenn sie im Ergebnis zu Marktabschottungen führen bzw. aktuellen und potenziellen Wettbewerbern den Marktzutritt erschweren oder verunmöglichen (vgl. E. 8.1; PEDRAZZINI/VON BÜREN/MARBACH, a.a.O., S. 252, Rz. 1040; HOFFET, a.a.O [1997], Rz. 57 zu Art. 5 KG ; MEIER-SCHATZ, a.a.O. [1996], S. 815 Ziff. 2.2; GUGLER/ZURKINDEN, a.a.O., Rz. 72 zu Art. 5 KG ). Die Ein- und Austrittsbedingungen auf dem Markt sind deshalb ein zentrales Kriterium für die Beurteilung konkreter Wettbewerbsbeschränkungen (BBl 1995 I 513). Wenn trotz Absprachen ein lebhafter Wechsel im Bestand der Marktteilnehmer erfolgt, ist der Wettbewerb nicht beseitigt. Anders als die in der EU als unzulässig beurteilte Preisbindung für niederländischsprachige Bücher (Urteil des EuGH vom 17. Januar 1984 in der Rechtssache 43/82 und 63/82, VBVB und VBBB, Slg. 1984, S. I-19 ff.) führt der Sammelrevers weder rechtlich noch faktisch zu einem Zulassungssystem für Buchhandlungen (vgl. auch Urteil des EuGH vom 17. Januar 1995 in der Rechtssache C-360/92, Publishers Association, Slg. 1995, S. I-23 ff., S. 73 f., wonach das mit dem Sammelrevers 93 vergleichbare britische "Net Book Agreement" sich von jenem niederländischen System unterscheidet). Von keiner Seite wird behauptet, der Marktzutritt für neue Buchhandlungen werde durch den Sammelrevers erschwert oder verunmöglicht. Im Gegenteil ist aktenmässig erstellt und unbestritten, dass die Zahl der Sortimentsbuchhandlungen stark schwankt. Sie hat zwischen 1985 und 1995 um mehr als 20% zu- und seit der Mitte der 90er-Jahre wieder um rund 10% abgenommen, während zugleich die grössten Buchhandlungen ihren Umsatz erheblich steigern konnten ("Prognos"-Bericht, S. 20, 43). Trotz Buchpreisbindung treten somit in der Realität in einem erheblichen Ausmass Wettbewerber auf dem Markt ein und aus, und kommt es zu Verlagerungen in den relativen Umsatzanteilen. Derartige Schwankungen im Bestand der Marktteilnehmer und ihren Marktanteilen wären nicht erklärlich, gäbe es nicht zumindest einen wirksamen (Teil-)Wettbewerb zwischen den Buchhandlungen. Damit ist die Vermutung von Art. 5 Abs. 3 lit. a KG widerlegt. 10. Der Wettbewerb wird durch den Sammelrevers aber erheblich (vgl. E. 5) und an sich in unzulässiger Weise beeinträchtigt, es BGE 129 II 18 S. 44 sei denn, die Abrede erscheine aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz als gerechtfertigt ( Art. 5 Abs. 1 und 2 KG ). 10.1 Die ehemalige Kartellkommission hat noch unter dem Geltungsbereich des KG62 in zwei früheren Erhebungen über die Wettbewerbsverhältnisse auf dem Büchermarkt (VKK 3/1973 S. 187 ff.) und über das Verhältnis zwischen Verlegern, Buchhandel und Buchclubs in der Deutschschweiz (VKK 2/3/1982 S. 117 ff.) die Buchpreisbindung hauptsächlich kulturpolitisch begründet (VKK 3/1973 S. 187 ff., 210 ff.; VKK 2/3/1982 S. 126, 131; vgl. KAMBER, a.a.O., S. 100 ff.; RIEDER, a.a.O., S. 146 ff.). Nach den Erfahrungen in Ländern ohne Buchpreisbindung (Frankreich, Schweden) würde bei einer Aufhebung der Preisbindung der Büchervertrieb über Discounter begünstigt und die Zahl der Neuerscheinungen vermindert; die Preise würden bei einzelnen Titeln (Erfolgsbüchern) gesenkt, bei anderen erhöht (VKK 2/3/1982 S. 127 ff.). Das geltende Kartellgesetz lässt im Rahmen von Art. 5 bewusst keine wettbewerbliche Rechtfertigung aus kultur- oder allgemeinpolitischen Gründen mehr zu. Einzig Gründe der wirtschaftlichen Effizienz fallen hierfür noch in Betracht (BORER, a.a.O., N. 33 zu Art. 5 KG ); kulturpolitische Argumente sind im Rahmen einer allfälligen ausnahmsweisen Zulassung nach Art. 8 KG zu berücksichtigen (BBl 1995 I 558; vgl. E. 1.2). In der Botschaft zum Kartellgesetz wurde die Buchpreisbindung zwar als ein möglicher Anwendungsfall hierfür erwähnt (BBl 1995 I 577; vgl. auch AB 1995 N 1091 ff., Bundesrat Delamuraz, NR Stucky und Strahm; AB 1995 S 858, Bundesrat Delamuraz); dies bedeutet aber nicht, dass eine Rechtfertigung der Buchpreisbindung aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz deshalb zum Vornherein ausgeschlossen wäre. In den parlamentarischen Beratungen des Kartellgesetzes wurde beantragt, im Rahmen von Art. 6 Abs. 2 KG auch Abreden über die Verbreitung von Büchern zu erwähnen, um die Buchpreisbindung aufrecht zu erhalten (Anträge Loeb, AB 1995 N 1085, und Iten, AB 1995 S 857). Dem ist entgegengesetzt worden, dies sei unnötig, weil bereits nach der vorgeschlagenen Formulierung eine Rechtfertigung aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz erfolgen könne (AB 1995 N 1088 ff., Voten Jaeger, Fischer, Ledergerber; AB 1995 S 857 f., Berichterstatterin Simmen und Bundesrat Delamuraz). Der Antrag wurde hierauf im Nationalrat knapp abgelehnt (AB 1995 N 1092) und im Ständerat zurückgezogen (AB 1995 S 858). 10.2 Die Prüfung entsprechender Rechtfertigungsgründe setzt neben der Beurteilung von Rechtsfragen Feststellungen sachverhaltlicher BGE 129 II 18 S. 45 Natur voraus. Anders als bezüglich der Beseitigung des Wettbewerbs (vgl. E. 9) liegen zur Zeit insofern keine hinreichenden Grundlagen vor, welche es dem Bundesgericht erlaubten, die Frage abschliessend zu beurteilen. Es kann nicht Sache des Bundesgerichts sein, die von den Beschwerdeführern diesbezüglich erhobenen - von den Vorinstanzen gestützt auf ihre unzutreffende Rechtsauffassung aber nicht weiter vertieften - Einwände erstinstanzlich zu prüfen. Die Sache ist hierzu an die Wettbewerbskommission zurückzuweisen ( Art. 114 Abs. 2 OG ). Davon könnte nur abgesehen werden, wenn sich im Rahmen einer summarischen Prüfung bereits heute ergäbe, dass eine entsprechende Rechtfertigung zum Vornherein ausser Betracht fällt; dem ist indessen nicht so. 10.3 Art. 5 Abs. 2 lit. a KG nennt als legitime Rechtfertigungsgründe die Senkung der Herstellungs- und Vertriebskosten, die Verbesserung von Produkten oder Produktionsverfahren, die Förderung der Forschung und der Verbreitung von technischem oder beruflichem Wissen sowie die rationellere Nutzung von Ressourcen. Diese Gründe sind im Gesetz abschliessend aufgezählt (BORER, a.a.O., N. 33 zu Art. 5 KG ). Zur Rechtfertigung genügt, dass einer von ihnen gegeben ist (ZÄCH, a.a.O., Rz. 286). 10.3.1 Die Beschwerdeführer machen geltend, der Sammelrevers diene der Senkung von Vertriebs- und Herstellungskosten, weil er ein flächendeckendes Netz von breitsortierten Buchhandlungen gewährleiste. Eine Aufhebung der Preisbindung würde die Zahl der Buchhandlungen reduzieren und das bisherige flächendeckende Netz ausdünnen. Dadurch sänken die Verbreitungschancen für neue Titel. Indem der Sammelrevers den Verlegern eine Mischkalkulation gestatte, fördere er die Bereitschaft zur Herausgabe neuer Titel und erleichtere er den Vertrieb neuer Verlagserzeugnisse. Auch die Vorinstanz geht davon aus, dass die Buchpreisbindung den Verlagen eine Mischkalkulation und eine Quersubventionierung schlecht verkäuflicher durch erfolgreichere Titel ermögliche (Entscheid der Rekurskommission, E. 5.1.3). Wie bei jeder Quersubventionierung ist somit anzunehmen, dass die Buchpreisbindung für einen Teil der Bücher die Herstellungskosten senkt, für einen anderen aber erhöht. Kern der Argumentation bildet die Annahme, dass die Herstellungskosten für die weniger leicht verkäuflichen Titel steigen würden. Eine Aufhebung der Preisbindung reduzierte somit tendenziell die Zahl der erscheinenden Bücher. Die Beschwerdeführer machen hingegen nicht geltend, dass durch die Absprache die Herstellungskosten insgesamt reduziert würden; eine Rechtfertigung unter diesem BGE 129 II 18 S. 46 Titel (Herstellungskosten) erscheint deshalb zweifelhaft und bedarf vertiefterer Abklärungen. Preisbindungen zweiter Hand können auch gerechtfertigt erscheinen, weil sie die Vertriebskosten senken und damit die Lancierung eines neuen Produkts fördern (BBl 1995 I 558 f.; ZÄCH, a.a.O., Rz. 287; Übersicht über die Praxis bei STOFFEL, a.a.O. [2000], S. 107 ff.). Nach der von allen Beteiligten geteilten Auffassung kann davon ausgegangen werden, dass die Buchpreisbindung jedenfalls bezüglich einzelner Titel vertriebsförderlich und eine Rechtfertigung insofern deshalb nicht zum Vornherein ausgeschlossen ist. 10.3.2 Nach Ansicht der Beschwerdeführer erlaubt die Preisbindung zudem eine Verbesserung des Produktesortiments, indem sie ein breites Angebot von Titeln ermöglicht. Der Begriff der Verbesserung von Produkten ist weit zu verstehen; er beschränkt sich nicht auf technische oder funktionelle Belange, sondern erfasst z.B. auch die Umweltverträglichkeit von Produkten (BBl 1995 I 558 f.; ZÄCH, a.a.O., Rz. 288; a.M. MEIER-SCHATZ, a.a.O. [1998], S. 24). Nicht nur die Verbesserung einzelner Erzeugnisse im engeren Sinn, sondern auch die Verbreiterung des Angebots oder des Produktesortiments können als Produkteverbesserung in diesem Sinne verstanden werden (MEIER-SCHATZ, a.a.O. [1996], S. 818; ZÄCH, a.a.O., Rz. 288). Die Vorinstanzen haben als relevanten Markt nicht den Handel mit je einzelnen Titeln, sondern mit (deutschsprachigen) Büchern gesamthaft betrachtet. Als "Produkt" kommt somit das ganze Buchangebot in Frage. Sofern es stimmt, dass die Preisbindung die Zahl und Vielfalt der erhältlichen Titel erhöht (was eine noch abzuklärende Sachverhaltsfrage ist), könnte dies eine Produkteverbesserung (Breite und Qualität des Buchsortiments) im Sinne des Gesetzes bilden. Eine Rechtfertigung erscheint damit auch unter diesem Titel nicht zum Vornherein unmöglich. 10.3.3 Ähnliches gilt für den Aspekt der "Verbreitung von technischem oder beruflichem Wissen" und der "rationelleren Nutzung von Ressourcen": Wenn es - wie die Beschwerdeführer mit Vergleichen zwischen dem deutschsprachigen und dem englisch- und schwedischsprachigen Buchmarkt vorbringen - zutrifft, dass die Zahl der verfügbaren Fachbuchtitel durch die Preisbindung erhöht wird, ist nicht ausgeschlossen, diese mit dem Argument der Verbreitung von technischem und beruflichem Wissen zu rechtfertigen (vgl. Urteil des EuGH C-360/92, Slg. 1995 S. I-23 ff., 67 f., zum Begriff des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts im Sinne von Art. 85 Ziff. 3 EGV im Zusammenhang mit der britischen BGE 129 II 18 S. 47 Buchpreisbindung). Zu den Ressourcen gehören auch öffentliche Güter und natürliche Ressourcen (BBl 1995 I 558 f.; OLIVIER PIAGET, La justification des ententes cartellaires dans l'Union européenne et en Suisse, Basel 2001, S. 168 f.; MEIER-SCHATZ, a.a.O. [1996], S. 818; STOFFEL, a.a.O. [2000], S. 113). Es ist deshalb denkbar, die Nutzung des in der Menschheit vorhandenen Wissens als Ressource in diesem Sinne zu verstehen, deren Ausbeutung durch eine Verbreiterung des Buchangebots gefördert wird. 10.4 Um aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz als gerechtfertigt gelten zu können, muss die umstrittene Abrede unabhängig vom Rechtfertigungsgrund notwendig sein ( Art. 5 Abs. 2 lit. a KG ). Es soll das mildeste und verhältnismässigste Mittel gewählt werden, um zu den gewünschten Effizienzvorteilen zu gelangen (BBl 1995 I 560; BORER, a.a.O., N. 36 zu Art. 5 KG ; ZÄCH, a.a.O., Rz. 294). In der Lehre wird zum Teil die Ansicht vertreten, Wettbewerbsabreden über die Festsetzung von Preisen seien zur Erreichung der Effizienzziele in aller Regel nicht notwendig (ZÄCH, a.a.O., Rz. 295, S. 171). Dies dürfte zutreffen, sofern tatsächlich mildere Mittel zur Verfügung stehen. Die Vorinstanzen haben sich zu dieser Problematik nicht geäussert. Sie werden im Weiteren deshalb zu prüfen haben, ob die angestrebten Ziele (soweit sie aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt sind) nicht auch mit anderen Mitteln als dem Sammelrevers 93 erreicht werden könnten. Dabei wird insbesondere zu klären sein, ob mit einer rein vertikalen Ausgestaltung des Sammelrevers (wie dies auch von den Vorinstanzen als zulässig erachtet würde) ohne horizontale Bündelung die angestrebten Zwecke (soweit ökonomisch gerechtfertigt) nicht gleichermassen erreicht werden könnten. Eine Rechtfertigung setzt schliesslich voraus, dass die Abrede den beteiligten Unternehmen in keinem Fall Möglichkeiten eröffnet, wirksamen Wettbewerb zu beseitigen ( Art. 5 Abs. 2 lit. b KG ). Auch dieser Aspekt wird durch die Wettbewerbskommission noch vertieft werden müssen. 10.5 Aus völkerrechtlichen Gründen darf die Abrede nicht zu einer Abschottung des schweizerischen Marktes führen (ZÄCH, a.a.O., Rz. 295, S. 169 f.). Nachdem es vorliegend um den deutschsprachigen Büchermarkt geht, der sich nebst der Schweiz überwiegend auf Deutschland und Österreich erstreckt, ist hierbei in erster Linie das Verhältnis zu diesen Ländern massgebend. Es wird insofern zu berücksichtigen sein, dass in Deutschland und Österreich ein analoger Sammelrevers angewendet wird und nationale Buchpreisbindungssysteme vor dem Recht der EU standhalten können (vgl. dazu BGE 129 II 18 S. 48 ABl C 073 vom 6. März 2001, Entschliessung des Rates vom 12. Februar 2001; Urteil des EuGH vom 3. Oktober 2000 in der Rechtssache C-9/99, Echirolles Distribution SA, Slg. 2000, S. I-8207; THOMAS HOFMANN, Buchpreisbindungen auf dem Prüfstand des Europarechts, in: GRUR 2000 S. 555 ff.; KNUT WERNER LANGE [Hrsg.], Handbuch des deutschen und europäischen Kartellrechts, Heidelberg 2001, S. 215 ff.). Auch dieser Problematik und deren Auswirkungen auf die kartellrechtliche Zulässigkeit des Sammelrevers in der Schweiz wird noch nachzugehen sein. 11. 11.1 Der angefochtene Entscheid ist somit aufzuheben und die Sache im Sinne der Erwägungen an die Wettbewerbskommission ( Art. 114 Abs. 2 OG ) zur Abklärung zurückzuweisen, ob die durch den Sammelrevers verursachte erhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigung aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt werden kann ( Art. 5 Abs. 2 KG ).
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Sachverhalt ab Seite 204 BGE 148 II 203 S. 204 A. Die Region Basel des Schweizerischen Verbandes des Personals öffentlicher Dienste (vpod region basel) ist Teil des Schweizerischen Verbandes des Personals öffentlicher Dienste (VPOD; Art. 105 Abs. 2 BGG ). Mit Schreiben vom 14. November 2017 und 28. Juni 2018 ersuchte der vpod region basel das Arbeitsinspektorat Basel-Stadt um Überprüfung eines vom 5. August 2015 datierten Arbeitsvertrags, der zwischen der A. AG (ehemals B. AG) als Arbeitgeberin und einer Arbeitnehmerin abgeschlossen wurde. Gemäss diesem Vertrag wurde die Arbeitnehmerin zum Zweck des Tätigwerdens beim Kunden für die Aufgabe als "Seniorenbetreuerin 24h"-Begleitung in einem Turnus von jeweils 21 Tagen eingestellt. Der Vertrag sah zudem vor, dass die Arbeitnehmerin für die Dauer von jeweils 21 Tagen (inkl. Wochenende) beim zu betreuenden Kunden wohnen und danach von einer anderen Mitarbeiterin für die Dauer von 21 Tagen abgelöst werden sollte ( Art. 105 Abs. 2 BGG ). Der vpod region basel vertrat dabei die Ansicht, dass der Arbeitsvertrag die arbeitsgesetzlichen Höchstarbeits- und Ruhezeitvorschriften nicht einhalte. Mit Verfügung vom 2. August 2018 stellte das Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt des Kantons Basel-Stadt (WSU; nachfolgend: Departement) fest, dass das Arbeitsgesetz und dessen Verordnungen auf Arbeitnehmende der A. AG, welche zu 24-Stunden-Betreuung in Privathaushalten beschäftigt werden, keine Anwendung finde und die beantragte Überprüfung des Arbeitsvertrags auf die Einhaltung der arbeitsgesetzlichen Höchstarbeits- und Ruhezeitvorschriften deshalb entfalle. B. Eine gegen diese Verfügung gerichtete Beschwerde des VPOD an den Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt überwies das BGE 148 II 203 S. 205 Präsidialdepartement am 14. Januar 2019 dem Verwaltungsgericht zum Entscheid. Mit Urteil vom 10. April 2020 wies das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht, Dreiergericht, die Beschwerde ab. C. Mit Eingabe vom 4. Juni 2020 reicht der VPOD Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht ein. Er beantragt, das Urteil des Appellationsgerichts Basel-Stadt vom 10. April 2020 sei aufzuheben, und es sei festzustellen, dass das Arbeitsgesetz (und dessen Verordnungen) auf Arbeitnehmende der A. AG, welche zur 24-Stunden-Betreuung in Privathaushalten beschäftigt werden, anwendbar sei. Ferner sei das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Basel-Stadt anzuweisen, die Einhaltung der arbeitsgesetzlichen Höchst- und Ruhezeiten bei dieser Firma zu prüfen. Das Appellationsgericht und das Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt des Kantons Basel-Stadt schliessen auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die A. AG verzichtet auf Vernehmlassung. Das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung lässt sich nicht vernehmen. Der Beschwerdeführer hat repliziert. Das Departement hat dupliziert. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
1,255
511
Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Strittig und zu prüfen ist vorliegend die Frage, ob das Arbeitsgesetz auf Arbeitnehmende der A. AG, die zu 24-Stunden-Betreuung in Privathaushalten beschäftigt werden, anwendbar ist. 3.1 Soweit der Beschwerdeführer zunächst vorbringt, der hier strittige Arbeitsvertrag enthalte in Ziff. 5 eine Rechtswahlklausel zugunsten des Arbeitsgesetzes, ist folgendes festzuhalten: Ausgangspunkt des vorliegenden Verfahrens bildet die Departementsverfügung vom 2. August 2018, mit welcher festgestellt wurde, dass das Bundesgesetz vom 13. März 1964 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz, ArG; SR 822.11) auf die vorliegend interessierenden Arbeitsverhältnisse nicht anwendbar sei. Diese Verfügung wurde gestützt auf Art. 41 Abs. 3 ArG im Rahmen der kantonalen Vollzugskompetenzen erlassen. Dabei können die kantonalen Behörden lediglich feststellen, ob ein BGE 148 II 203 S. 206 nicht-industrieller Betrieb oder ein Arbeitnehmer unter Art. 2-3 ArG fällt (MÜLLER/MADUZ, ArG Kommentar, 8. Aufl. 2017, N. 4 zu Art. 41 ArG ; KASPER/WILDHABER, in: ArG, Blesi/Pietruszak/Wildhaber [Hrsg.], 2018, N. 22 zu Art. 41 ArG ), nicht aber, ob die Bestimmungen des ArG gestützt auf einen Verweis in einem privatrechtlichen Einzelarbeitsvertrag als ergänzendes Recht zur Anwendung gelangen. Somit bildet die Frage, ob das ArG aufgrund eines Verweises in einem privatrechtlichen Arbeitsvertrag anwendbar sei, nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Auf die diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers ist nicht weiter einzugehen. 3.2 Der Beschwerdeführer macht insbesondere geltend, der hier strittige Arbeitsvertrag falle unter das Arbeitsgesetz. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, die Auslegung von Art. 2 Abs. 1 lit. g ArG , wonach das Arbeitsgesetz auf private Haushaltungen nicht anwendbar sei, ergebe, dass diese Ausnahmebestimmung nicht auf Dreiparteienverhältnisse, namentlich auf Personalverleih, anzuwenden sei. Er beruft sich hierfür auf ein Parteigutachten (vgl. KURT PÄRLI, Rechtsgutachten "Zur Anwendbarkeit des Arbeitsgesetzes auf Arbeitstätigkeiten in privaten Haushaltungen" [nachfolgend: Gutachten PÄRLI], 2018, Rz. 52 und 62). 3.3 Vorliegend ist unbestritten, dass es sich bei dem zur Diskussion stehenden 24-Stunden-Betreuungsmodell um ein Dreiparteienverhältnis zwischen der A. AG, einer Arbeitnehmerin und dem zu betreuenden Kunden handelt. 3.3.1 Beim Vorliegen von Dreiecksverhältnissen kann die Tätigkeit der jeweiligen Betreuungsorganisation Personalverleih i.S.v. Art. 12 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1989 über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih (Arbeitsvermittlungsgesetz, AVG; SR 823.11) sein. Unter Umständen kann es sich um ein anderes Vertragsverhältnis , namentlich um einen Auftrag ( Art. 394 OR ), handeln (vgl. GABRIELA NAEMI MEDICI, Migrantinnen als Pflegehilfen in Schweizer Privathaushalten, 2015, S. 99; zur Abgrenzung von Personalverleih und Auftrag vgl. auch MANUEL VOGLER, Haushaltshilfen im schweizerischen Arbeitsrecht, 2016, S. 12 ff.). 3.3.2 Als Personalverleih werden Dreiecksverhältnisse zwischen einem Arbeitgeber (Verleiher), einem Einsatzbetrieb (Entleiher) und einem Arbeitnehmer bezeichnet (Urteil 2C_132/2018 vom 2. November 2018 E. 4.3.2; GEISER/MÜLLER, Arbeitsrecht in der Schweiz, 3. Aufl. 2015, S. 67). BGE 148 II 203 S. 207 Die Arbeitsvermittlungsverordnung definiert Personalverleih sinngemäss als das Überlassen eines Arbeitnehmers an einen Einsatzbetrieb, wobei der Verleiher bzw. Arbeitgeber dem Einsatzbetrieb wesentliche Weisungsbefugnisse gegenüber dem Arbeitnehmer abtritt ( Art. 26 der Verordnung vom 16. Januar 1991 über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih [Arbeitsvermittlungsverordnung, AVV; SR 823.111] ; Urteile 2C_132/2018 vom 2. November2018 E. 4.3.1; 2C_543/2014 vom 26. November 2014 E. 2.1; 4C.360/2004 vom 19. Januar 2005 E. 4.3; vgl. auch CHRISTIAN DRECHSLER, Personalverleih: unscharfe Grenzen, AJP 2010 S. 314 ff., 315). Das Abtreten wesentlicher Weisungsbefugnisse an den Einsatzbetrieb stellt ein zentrales Qualifikationsmerkmal des Personalverleihs sowie ein wichtiges Abgrenzungskriterium von anderen Vertragsverhältnissen, namentlich vom Auftrag, dar (vgl. Urteile 2C_132/2018 vom 2. November 2018 E. 4.3.3; 2C_543/2014 vom 26. November 2014 E. 2.6; FABIAN LOOSER, Der Personalverleih, 2015, RZ. 64; MICHAEL KULL, Arbeitsvermittlungsgesetz [AVG], 2014,N. 21 zu Art. 12 AVG ; MEDICI, a.a.O., S. 99 f.; GEISER/MÜLLER, a.a.O., S. 67; Weisungen und Erläuterungen des Staatssekretariats für Wirtschaft [SECO] zum Arbeitsvermittlungsgesetz, zur Arbeitsvermittlungsverordnung und der Gebührenverordnung zum Arbeitsvermittlungsgesetz [nachfolgend: SECO-Weisungen AVG], 2007,S. 62 ff.; so auch Gutachten PÄRLI, a.a.O., Rz. 42). Dabei muss die Weisungsbefugnis nicht vollständig beim Dritten liegen; vielmehr kann das Weisungsrecht auch zwischen dem rechtlichen Arbeitgeber (Personalverleiher) und dem Einsatzbetrieb aufgespalten werden (Urteile 2C_132/2018 vom 2. November 2018 E. 4.3.2 f.; 2C_543/2014 vom 26. November 2014 E. 2.1; je mit Hinweisen; vgl. zum Ganzen auch MEDICI, a.a.O., S. 100 f.; VOGLER, a.a.O., S. 13). Als weitere Kriterien für das Vorliegen von Personalverleih nennt die Arbeitsvermittlungsverordnung namentlich den Umstand, dass der Arbeitnehmer in persönlicher, organisatorischer, sachlicher und zeitlicher Hinsicht in die Arbeitsorganisation des Einsatzbetriebes eingebunden wird, dass er seine Arbeit mit Werkzeugen, Material oder Geräten des Einsatzbetriebes ausführt und dass der Einsatzbetrieb die Gefahr für die Schlechterfüllung des Vertrages trägt ( Art. 26 Abs. 1 AVV ; vgl. auch SECO-Weisungen AVG, a.a.O., S. 66 f.). BGE 148 II 203 S. 208 3.3.3 Ob eine Dienstleistung als Personalverleih zu qualifizieren ist oder ob es sich dabei um andere Arten von Dienstleistungen handelt, die einem Dritten erbracht werden, ergibt sich aus einer Abgrenzung im Einzelfall . Massgeblich ist hierbei der Inhalt des Vertrags und die Umschreibung der konkreten Tätigkeit im Einsatzbetrieb ("le contenu du contrat, la description du poste et la situation du travail concrète dans l'entreprise locataire"; Urteile 2C_132/2018 vom 2. November 2018 E. 4.1 mit weiteren Hinweisen; 2C_543/2014 vom 26. November 2014 E. 2.4). Das Bundesgericht hat bereits entschieden, dass auch Betreuungs- und Hausdienste unter bestimmten Voraussetzungen als Personalverleiher vom Arbeitsvermittlungsgesetz erfasst werden können (vgl. Urteile 2C_132/2018 vom 2. November 2018 E. 6.3; 2C_543/2014 vom 26. November 2014 E. 2.5; 2C_356/2012 vom 11. Februar 2013 E. 4.4). 3.4 Das Arbeitsgesetz ist, unter Vorbehalt der Art. 2-4, anwendbar auf alle öffentlichen und privaten Betriebe ( Art. 1 Abs. 1 ArG ). 3.4.1 Ein Betrieb im Sinne des Arbeitsgesetzes liegt vor, wenn ein Arbeitgeber dauernd oder vorübergehend einen oder mehrere Arbeitnehmer beschäftigt, unabhängig davon, ob bestimmte Einrichtungen oder Anlagen vorhanden sind. Wenn die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Gesetzes nur für einzelne Teile eines Betriebes gegeben sind, ist das Gesetz nur auf diese anwendbar ( Art. 1 Abs. 2 ArG ). Der Begriff des Betriebes ist im Gesetz bewusst sehr weit gefasst. Als Betrieb gilt jede Arbeitsorganisation, in der mindestens ein Arbeitnehmer dauernd oder vorübergehend beschäftigt wird. Daraus darf nicht geschlossen werden, dass der Betrieb im Sinne des ArG mit dem Arbeitgeber identisch ist. Es ist sehr wohl möglich, dass das Arbeitsverhältnis nicht mit dem Betriebsinhaber, sondern mit einem Dritten besteht. Der Betrieb ist dann jeweils derjenige Unternehmensträger, der die Direktionsgewalt ausübt und die Arbeit konkret organisiert (Urteil 2C_703/2015 vom 20. Juni 2016 E. 2.1 mit Hinweisen; ROLAND BACHMANN, in: ArG, Blesi/Pietruszak/Wildhaber [Hrsg.], 2018, N. 9 zu Art. 1 ArG ; THOMAS GEISER, in: Arbeitsgesetz [nachfolgend: Arbeitsgesetz], Geiser/von Kaenel/Wyler [Hrsg.], 2005, N. 7 zu Art. 1 ArG ). So kann insbesondere bei Leiharbeit das Arbeitsverhältnis zum Verleiher bestehen, während in der Regel der Einsatzbetrieb als Betrieb i.S.v. Art. 1 Abs. 2 ArG zu betrachten ist (BACHMANN, a.a.O., N. 10 zu Art. 1 ArG ). BGE 148 II 203 S. 209 3.4.2 Gemäss der Ausnahmebestimmung von Art. 2 Abs. 1 lit. g ArG ist das Arbeitsgesetz auf private Haushaltungen nicht anwendbar. Eine Gegenausnahme gilt nur für die Bestimmungen des Arbeitsgesetzes und seiner Verordnungen über das Mindestalter ( Art. 2 Abs. 4 ArG ). Anstelle des öffentlich-rechtlichen Arbeitnehmerschutzes tritt hier gemäss Art. 359 Abs. 2 OR ein Schutz durch Normalarbeitsverträge der Kantone (vgl. Urteil 4A_96/2017 vom 14. Dezember 2017 E. 4.1.3, in: SJ 2018 I S. 325; für den Kanton Basel-Stadt vgl. den Normalarbeitsvertrag für Arbeitnehmende im Haushalt einschliesslich der 24-Stunden-Betreuung im Kanton Basel-Stadt [NAVHaushalt BS; SG 215.700], in der im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils geltenden Fassung vom 20. November 1990). Zudem habendie dem Normalarbeitsvertrag des Bundes vom 20. Oktober 2010 für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Hauswirtschaft unterstellten Arbeitnehmer Anspruch auf einen Mindestlohn (vgl. Art. 5 der Verordnung vom 20. Oktober 2010 über den Normalarbeitsvertrag für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Hauswirtschaft [NAV Hauswirtschaft; SR 221.215.329.4]; vgl.MÜLLER/MADUZ, a.a.O., N. 19 zu Art. 2 ArG ). 3.4.3 Liegt Personalverleih vor, geht die Lehre mehrheitlich davon aus, dass der Einsatzbetrieb gemäss Art. 12 Abs. 1 AVG und Art. 26 Abs. 1 AVV mit dem Betriebsbegriff i.S.v. Art. 1 Abs. 2 ArG übereinstimme (vgl. REMO WAGNER, Die Rund-um-die-Uhr-Betreuung in der Pflege, AJP 2016 S. 768 ff., 774; LOOSER, a.a.O., Rz. 260; MEDICI, a.a.O., S. 101 f.). Ob in solchen Konstellationen bzw. Mehrparteienverhältnissen die Ausnahme gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. g ArG greift, wird nachstehend durch Auslegung zu ermitteln sein (vgl. E. 4 hiernach). Besteht zwischen der Betreuungsorganisation und der zu betreuenden Person hingegen ein Vertragsverhältnis (Auftrag bzw. Werkvertrag), untersteht das Unternehmen, welches mit seinen Angestellten einem privaten Haushalt Betreuungs- und Pflegedienstleistungen erbringt, grundsätzlich dem Arbeitsgesetz und stellt es den Betrieb nach Art. 1 Abs. 2 ArG dar. Die Ausnahme gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. g ArG gelangt in solchen Fällen nicht zur Anwendung (vgl. LOOSER, a.a.O., Rz. 262; WAGNER, a.a.O., S. 774; THOMAS GEISER, Rechtsprechungspanorama Arbeitsrecht[nachfolgend: AJP 2020],AJP 2020 S. 1446 ff., 1456; so auch Gutachten PÄRLI, a.a.O., Rz. 57 und THOMAS GEISER, Kurzstellungnahme zur Anwendbarkeit des ArG bei 24-Stunden-Betreuung [nachfolgend: Kurzgutachten GEISER], Rz. 2 f.). BGE 148 II 203 S. 210 Wie bereits ausgeführt, liegt hier kein Zweiparteien-, sondern ein Dreiparteienverhältnis vor (vgl. E. 3.3 hiervor). Ob die Vorinstanz dieses Verhältnis zu Recht als Personalverleih qualifiziert habe oder ob es sich um ein anders zu qualifizierendes Dreiparteienverhältnis handelt, kann angesichts der nachfolgenden Erwägungen offenbleiben. 4. Denn es ist vorliegend bloss zu prüfen, ob die Ausnahme gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. g ArG nicht nur bei Zweiparteien- , sondern auch bei Dreiparteienverhältnissen wie dem vorliegenden im Bereich von Betreuungs- und Hausdiensten zur Anwendung gelangen kann. Dies ist durch Auslegung zu ermitteln. 4.1 Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden ( BGE 143 III 600 E. 2.7; BGE 142 V 466 E. 3.2; BGE 140 I 305 E. 6.1; BGE 123 II 464 E. 3a). Auszugehen ist vom Wortlaut, doch kann dieser nicht allein massgebend sein. Besonders wenn der Text unklar ist oder verschiedene Deutungen zulässt, muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden, unter Berücksichtigung der weiteren Auslegungselemente, wie namentlich der Entstehungsgeschichte der Norm und ihrem Zweck ( BGE 142 III 402 E. 2.5.1; BGE 124 II 372 E. 5). Wichtig ist auch der Sinn, der einer Norm im Kontext zukommt, und das Verhältnis, in welchem sie zu anderen Gesetzesvorschriften steht (systematische Auslegung; vgl. BGE 146 III 217 E. 5; BGE 145 III 324 E. 6.6). 4.2 Ob Art. 2 Abs. 1 lit. g ArG , wie der Beschwerdeführer behauptet, "eng" auszulegen sei, ist in der Lehre umstritten (für eine restriktive Auslegung vgl. THOMAS GEISER, in: Fachhandbuch Arbeitsrecht, Portmann/von Kaenel [Hrsg.], 2018, Rz. 16.36; differenzierter ders. , Arbeitsgesetz, a.a.O., N. 6 zu Art. 2 ArG und MÜLLER/MADUZ, a.a.O., N. 1 zu Art. 2 ArG ). Die Rechtsprechung legt Ausnahmebestimmungen indessen in der Regel restriktiv aus (vgl. BGE 142 II 197 E. 5.6; BGE 139 II 363 E. 2.2; BGE 110 V 246 E. 2b mit Hinweis; BGE 107 V 4 E. 4). So hat das Bundesgericht namentlich im Zusammenhang mit dem Verbot der Nacht- bzw. Sonntagsarbeit erwogen, dass Ausnahmebestimmungen des Arbeitsgesetzes und dessen Verordnungen eng auszulegen sind (vgl. BGE 145 II 360 E. 3.4; BGE 134 II 265 E. 5.5; BGE 126 II 106 E. 5a; Urteil 2C_358/2020 / 2C_359/2020 vom 24. März 2021 E. 4.3). Bei der Auslegung ist ferner dem BGE 148 II 203 S. 211 Willen des Gesetzgebers, der in Art. 1 ArG zum Ausdruck kommt, Rechnung zu tragen, den Betriebsbegriff möglichst weit zu fassen (vgl. GEISER/LÜTHI, in: Loi sur le travail, Geiser/von Kaenel/Wyler [Hrsg.], 2005, N. 6 zu Art. 2 ArG ; vgl. auch E. 3.4.1 hiervor). Der Grund liegt im Bestreben, den Schutz des Gesetzes möglichst allen Arbeitnehmern zukommen zu lassen (HANS PETER TSCHUDI, Schweizerisches Arbeitsschutzrecht, 1985, S. 25; BACHMANN, a.a.O., N. 1 zu Art. 1 ArG ). Dies spricht dafür, in Zweifelsfällen von der Anwendbarkeit des Arbeitsgesetzes auszugehen (so auch BACHMANN, a.a.O., N. 1 zu Art. 1 ArG ). 4.3 Nach dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 lit. g ArG ist das Arbeitsgesetz auf private Haushaltungen nicht anwendbar. Das Gesetz definiert den Begriff der privaten Haushaltung nicht. Nach Rechtsprechung und Lehre liegt eine private Haushaltung im Sinne dieser Bestimmung vor, wenn jemand für seine privaten Bedürfnisse und nicht zu geschäftlichen Zwecken Personen in seiner Wohnung beschäftigt (vgl. Urteil 4A_96/2017 vom 14. Dezember 2017 E. 4.1.3, in: SJ 2018 I S. 325; GEISER/LÜTHI, a.a.O., N. 39 zu Art. 2 ArG ), wobei irrelevant ist, ob der Arbeitnehmer zusammen mit dem Arbeitgeber in einem gemeinsamen Haushalt wohnt oder nicht (BACHMANN, a.a.O., N. 71 zu Art. 2 ArG ). Dies sagt indessen nichts darüber aus, ob die hier interessierende Ausnahmebestimmung nur bei Zweiparteien- oder auch bei Dreiparteienverhältnissen greift. Als Beispiele für Arbeitnehmer im Hausdienst, die unter die Ausnahme gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. g ArG fallen können, nennen die Lehre sowie das SECO unter anderem Haushaltshilfen, Chauffeure, Reinigungspersonal, Köche, Gärtner oder Privatlehrer (vgl. GEISER, Arbeitsgesetz, a.a.O., N. 39 zu Art. 2 ArG ; BACHMANN, a.a.O., N. 69 zu Art. 2 ArG ; MÜLLER/MADUZ, a.a.O., N. 19 zu Art. 1 ArG ; GEISER/LÜTHI, a.a.O., N. 39 zu Art. 2 ArG ; Wegleitung des Staatssekretariats für Wirtschaft [SECO] zum Arbeitsgesetz und zu den Verordnungen 1 und 2, Juli 2020, S. 002-3,www.seco.admin.ch, unter Publikationen & Dienstleistungen/Arbeit/Arbeitsbedingungen). Daraus kann geschlossen werden, dass grundsätzlich auch Pflege- und Betreuungsdienstleistungen in privaten Haushaltungen von dieser Ausnahmebestimmung erfasst werden können. Die aufgeführten Beispiele deuten sodann eher auf ein Verständnis hin, wonach es sich typischerweise um Zweiparteienverhältnisse handelt (vgl. WAGNER, a.a.O., S. 773), bei denen ein Vertragsverhältnis zwischen dem privaten Haushalt und dem Arbeitnehmer besteht. BGE 148 II 203 S. 212 4.4 In historisch-teleologischer Hinsicht ist festzuhalten, dass die hier interessierende Ausnahme privater Haushalte vom betrieblichen Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes in den Materialien zum Arbeitsgesetz insbesondere mit dem fehlenden Bedürfnis, solche Arbeitnehmer dem Arbeitsgesetz zu unterstellen und den Schwierigkeiten, derartige Vorschriften durchzusetzen, begründet wurde (vgl. Botschaft vom 30. September 1960 zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel [Arbeitsgesetz], BBl 1960 II 909, 945). Insbesondere wollte der Gesetzgeber vermeiden, dass staatliche Inspektoren in privaten Haushaltungen Kontrollen durchführen (vgl. GEISER, AJP 2020, a.a.O., S. 1456). 4.4.1 Der Schutz der Privatsphäre und des Privatlebens des Inhabers des privaten Haushaltes, auf welchen auch die Vorinstanz hinweist, ist insbesondere bei Zweiparteienverhältnissen von Bedeutung. In solchen Fällen liegt es nahe, dass die Kontrolle der Einhaltung der Arbeitsgesetzgebung in der Regel den Zutritt zum privaten Haushalt voraussetzt. Wird der jeweilige Arbeitnehmer zudem direkt vom Inhaber des privaten Haushalts angestellt, ist ferner davon auszugehen, dass zwischen den Parteien ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht, welches die Ausnahme vom Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes ebenfalls rechtfertigen kann. 4.4.2 Wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt, ist die Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften des Arbeitsgesetzes und dessen Verordnungen über die Arbeits- und Ruhezeiten bei der Betreuungsorganisation möglich. So kann die Arbeitszeit namentlich digital, mit Hilfe webbasierter Zeiterfassungssysteme, erfasst werden. Der Zugang zum Privathaushalt ist hierfür nicht zwingend nötig. Zu denken ist ferner an Rapportierungspflichten der Betreuungskräfte gegenüber dem Verleiher. Damit erscheint naheliegend, dass in Fällen von Mehrparteienverhältnissen - anders als bei Zweiparteienverhältnissen - die Möglichkeit besteht, die Einhaltung des Arbeitsgesetzes beim Verleiher bzw. bei der Betreuungsorganisation zu kontrollieren. Bei Dreiparteienverhältnissen fallen der Schutz der Privatsphäre des Haushaltsinhabers sowie die Kontroll- und Durchsetzungsschwierigkeiten somit von vornherein weniger stark ins Gewicht. Daher kann der Argumentation der Vorinstanz, wonach die Einhaltung der Arbeitszeiten nur am tatsächlichen Arbeitsort bzw. nur beim privaten Haushalt überprüft werden könne, sodass BGE 148 II 203 S. 213 entsprechende Kontrollen einen übermässigen Eingriff in die Privatsphäre der zu betreuenden Personen darstellen würden, in dieser Absolutheit nicht gefolgt werden. 4.4.3 Würde es sich sodann um Personalverleih handeln, so würde zwischen dem Arbeitnehmer und dem privaten Haushalt keine vertragliche Beziehung vorliegen (vgl. Urteil 2C_132/2018 vom 2. November 2018 E. 4.3.2; vgl. auch E. 3.3.2 hiervor). Die jeweilige Arbeitskraft wäre nicht direkt vom privaten Haushalt, sondern vom Verleiher angestellt, welchem zumindest ein geteiltes Weisungsrecht zukäme. So könnte es je nach Geschäftsmodell vorkommen, dass der Verleiher an der Organisation der Arbeit mitwirkt, indem er dem Arbeitnehmer Fachanweisungen erteilt, dessen Einsatz (mit) definiert oder ihm Schulungen anbietet. Auch könnte eine Rapportierungspflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Verleiher vorgesehen sein (vgl. VOGLER, a.a.O., S. 13; MICHAEL KULL, Die Abgrenzung des einfachen Auftrags zum Personalverleih am Beispiel der hauswirtschaftlichen Tätigkeit, AJP 2013 S. 1485 ff., 1488). Zudem könnte der Arbeitnehmer - wie vorliegend (vgl. vorne Sachverhalt Bst. A) - schnell durch einen anderen ersetzt werden. So ist davon auszugehen, dass in solchen Dreiparteien-Konstellationen in der Regel kein derart ausgeprägtes Vertrauensverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem privaten Haushalt besteht, wie dies bei reinen Zweiparteienverhältnissen der Fall ist. 4.4.4 Im Ergebnis spricht die historisch-teleologische Auslegung eher gegen die Anwendung der Ausnahme gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. g ArG auf Dreiecksverhältnisse. 4.5 Dieses Ergebnis wird schliesslich dadurch erhärtet, dass Art. 2 Abs. 1 lit. g ArG , wie bereits ausgeführt, nur dann zur Anwendung gelangt, wenn jemand für seine privaten Bedürfnisse Personen in seinem Haushalt beschäftigt (vgl. E. 4.3 hiervor). Im Fall von Dreiparteienverhältnissen dient die Betreuungsarbeit zwar zunächst den privaten Bedürfnissen der zu betreuenden Person. Wie der Beschwerdeführer unter Hinweis auf das Gutachten PÄRLI zu Recht ausführt, bewirkt das Arbeitsergebnis aber auch die Erfüllung des Dienstleistungsvertrags zwischen der Betreuungsorganisation und der zu betreuenden Person und kommt - wirtschaftlich betrachtet - der Betreuungsorganisation zugute. Die im Rahmen des Arbeitsvertrags zwischen der Betreuungsorganisation und dem Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung dient BGE 148 II 203 S. 214 somit (auch) der Erfüllung der Leistungspflicht der Betreuungsorganisation gegenüber der zu betreuenden Person aus dem jeweiligen Vertrag, sodass in diesem Fall nicht nur private Bedürfnisse des Haushaltsinhabers befriedigt werden. Dies spricht ebenfalls gegen die Anwendung von Art. 2 Abs. 1 lit. g ArG in Fällen von Dreiparteienverhältnissen. 4.6 Im Ergebnis ist Folgendes festzuhalten: Aus der Auslegung von Art. 2 Abs. 1 lit. g ArG ergibt sich, dass diese Bestimmung auf Zweiparteienverhältnisse zugeschnitten ist, d.h. auf Konstellationen, in welchen die Arbeitskraft direkt vom privaten Haushalt angestellt wird und ihre Anweisungen ausschliesslich von diesem bezieht (so auch Gutachten PÄRLI, a.a.O., Rz. 52 und 62 und Kurzgutachten GEISER, a.a.O., Rz. 3). In solchen Fällen rechtfertigt sowohl die besondere Vertrauensbeziehung zwischen dem Arbeitnehmer und dem Inhaber des privaten Haushalts als auch der Schutz der Privatsphäre des Letzteren eine Ausnahme vom Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes. Demgegenüber ist bei Dreiparteien-Konstellationen, so namentlich in Fällen von Personalverleih, möglich, die Einhaltung der Arbeits- und Ruhezeiten bei der Betreuungsorganisation zu kontrollieren. Der Wille des historischen Gesetzgebers, der sich - wie es die in der Lehre aufgeführten Beispiele (Köche, Chauffeure, Gärtner; vgl. E. 4.3 hiervor) zeigen - vor allem auf die Intimität der Verhältnisse stützt, erstreckt sich nicht auf Mehrparteienverhältnisse wie den vorliegenden. Zudem dient die Arbeitsleistung der Betreuungskraft in Fällen von Mehrparteienverhältnissen nicht nur der Erfüllung privater Bedürfnisse der zu betreuenden Person, sondern auch dem kommerziellen Zweck der Betreuungsorganisation. Diese Argumente sprechen - unter Berücksichtigung des Zwecks des Arbeitsgesetzes, einen umfassenden Schutz möglichst vieler Arbeitnehmenden zu gewährleisten (vgl. E. 4.2 hiervor) - für eine restriktive Handhabung von Art. 2 Abs. 1 lit. g ArG und damit gegen die Anwendung dieser Ausnahmebestimmung auf Fälle von Mehrparteienverhältnissen. Dass diese Ausnahmebestimmung ohnehin nicht zur Anwendung gelangt, wenn zwischen der Betreuungsorganisation und dem privaten Haushalt ein Vertragsverhältnis im Sinne eines Auftrags oder eines Werkvertrags vorliegt, wurde im Übrigen bereits erwogen (vgl. E. 3.4.3 hiervor). BGE 148 II 203 S. 215 Vor diesem Hintergrund ist zusammenfassend festzuhalten, dass Art. 2 Abs. 1 lit. g ArG nur in Fällen greift, in welchen die jeweilige Arbeitskraft direkt vom privaten Haushalt angestellt wird, nicht aber beim Vorliegen von Dreiparteienverhältnissen.
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Erwägungen ab Seite 80 BGE 141 III 80 S. 80 Extrait des considérants: 1. 1.2 Conformément à l' art. 93 al. 1 let. a LTF , une décision incidente ne peut faire séparément l'objet d'un recours au Tribunal fédéral que si elle peut causer un préjudice irréparable. Cela suppose que la partie recourante soit exposée à un préjudice de nature juridique, qui ne puisse pas être ultérieurement réparé ou entièrement réparé par une décision finale qui lui serait favorable; un dommage économique ou de pur fait n'est pas considéré comme un dommage irréparable de ce point de vue ( ATF 138 III 333 consid. 1.3.1; ATF 134 III 188 consid. 2.1 p. 190 et consid. 2.2). Cette condition s'apprécie par rapport à la décision de première instance, et non par rapport à la BGE 141 III 80 S. 81 décision d'irrecevabilité du recours rendue par le tribunal supérieur. En particulier, si la question qui a fait l'objet de la décision incidente de première instance peut être soulevée à l'appui d'un recours contre la décision finale ( art. 93 al. 3 LTF ), il n'y a pas de préjudice irréparable (arrêts 4A_248/2014 du 27 juin 2014 consid. 1.2.3; 5A_435/2010 du 28 juillet 2010 consid. 1.1.1; 5D_72/2009 du 9 juillet 2009 consid. 1.1). Tel est en principe le cas des décisions sur l'administration des preuves dans le procès principal, puisqu'il est normalement possible, en recourant contre la décision finale, d'obtenir l'administration de la preuve refusée à tort ou d'obtenir que la preuve administrée à tort soit écartée du dossier (arrêt 5A_435/2010 précité consid. 1.1.1; pour des exceptions, cf. notamment les arrêts 5A_315/2012 du 28 août 2012 consid. 1.2.1; 4A_64/2011 du 1 er septembre 2011 consid. 3, in sic! 1/2012 p. 52; 4A_195/2010 du 8 juin 2010 consid. 1.1.1; 5A_603/2009 du 26 octobre 2009 consid. 3.1). Cette réglementation est fondée sur des motifs d'économie de procédure, le Tribunal fédéral ne devant en principe s'occuper d'une affaire qu'une seule fois, lorsqu'il est certain que la partie recourante subit effectivement un dommage définitif ( ATF 134 III 188 consid. 2.2). Il incombe au recourant de démontrer l'existence d'un tel préjudice lorsque celui-ci n'est pas d'emblée évident ( ATF 137 III 522 consid. 1.3). 1.3 La première décision à l'origine de l'arrêt attaqué, bien qu'elle soit intitulée "ordonnance sur preuves", est en réalité matériellement une décision portant sur la capacité d'ester en justice de la société anonyme. La capacité d'ester en justice est le corollaire en procédure de l'exercice des droits civils ( art. 67 al. 1 CPC ). La personne morale a l'exercice des droits civils, à condition qu'elle possède les organes que la loi et les statuts exigent à cet effet ( art. 54 CC ). Elle exerce ses droits civils par l'intermédiaire de ses organes, qui expriment sa volonté à l'égard des tiers ( art. 55 al. 1 CC ). Il y a lieu d'entendre par là les organes exécutifs, et non l'organe législatif ou l'organe de contrôle (LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2010, n. 9.127; BOHNET, in La personne morale et l'entreprise en procédure, 2014, p. 15 n. 35, p. 18 n. 44 et p. 42 n. 122; BRÖNNIMANN, in Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, n os 3, 4 et 9 ad art. 159 CPC ; HASENBÖHLER, in Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [éd.], 2 e éd. 2013, n° 3 ad art. 159 CPC ). BGE 141 III 80 S. 82 Les organes exécutifs, mais aussi toutes les personnes qui peuvent valablement représenter la société anonyme dans les actes juridiques avec des tiers en vertu des règles du droit civil, peuvent accomplir des actes judiciaires en son nom, comme signer des écritures, donner procuration à un avocat et comparaître aux audiences. Sont en premier lieu légitimés à représenter la société en justice les membres du conseil d'administration et, à moins que les statuts ou le règlement d'organisation ne l'exclue, un seul des membres de celui-ci ( art. 718 al. 1 CO ). En second lieu, la société peut être représentée en justice par un ou plusieurs des membres du conseil d'administration (délégués) ou par des tiers (directeurs), auxquels le conseil d'administration a délégué son pouvoir de représentation ( art. 718 al. 2 CO ; LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, loc. cit.; BOHNET, loc. cit.; LEU, in Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner/Gasser/Schwander [éd.], 2011, n° 6 ad art. 159 CPC ). Toutes ces personnes sont organes, expriment directement la volonté de la société et sont inscrites au registre du commerce ( art. 720 CO ). En troisième lieu, sans avoir la qualité d'organes, en vertu de leurs pouvoirs de représentation, peuvent représenter la société en justice les fondés de procuration ( art. 458 CO ), qui sont inscrits au registre du commerce et n'ont pas besoin de pouvoir spécial pour plaider, à moins que leur procuration n'ait été restreinte ( art. 460 al. 3 CO ), ainsi que les mandataires commerciaux ( art. 462 CO ), qui ne sont pas inscrits au registre du commerce, à condition qu'ils aient reçu le pouvoir exprès de plaider ( art. 462 al. 2 CO ; dans ce sens déjà, pour la comparution à l'audience de conciliation: ATF 140 III 70 consid. 4.3 p. 72; cf. LEUCH/MARBACH/KELLERHALS/STERCHI, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 5 e éd. 2000, n° 1a ad art. 83 CPC /BE). Chacune des personnes habilitée à représenter la société en justice doit justifier de sa qualité et de son pouvoir en produisant soit un extrait du registre du commerce, soit l'autorisation qui lui a été délivrée pour plaider et transiger dans l'affaire concrète dont le tribunal est saisi (cf. art. 68 al. 3 CPC ). Savoir quelle(s) personne(s) est (sont) habilitée(s) à représenter la société anonyme en procédure ressortit ainsi à la capacité d'ester en justice de celle-ci. Il s'agit d'une condition de recevabilité de la demande ( art. 59 al. 2 let . c CPC). Le fait que cette ou ces personnes ne doivent ensuite être interrogées que comme partie ( art. 159 CPC en relation avec les art. 163-164 et 191-192 CPC), et non comme témoin (art. 169 ss en relation avec les art. 165-167 CC ), qu'elles BGE 141 III 80 S. 83 peuvent donc avoir des contacts avec l'avocat de la société anonyme, peuvent assister aux audiences au cours desquelles sont notamment interrogés les témoins, n'en est qu'une conséquence. 1.4 En l'espèce, la cour cantonale n'a pas dénié à la société défenderesse la capacité d'ester en justice, ayant choisi qu'elle serait représentée au procès par C., de sorte que la question de la recevabilité du recours sous l'angle de l' art. 93 al. 1 let. b LTF n'entre pas en considération. En n'admettant comme représentant de la société défenderesse qu'une seule personne, C. - qui, au demeurant, n'a que la signature collective à deux -, la cour cantonale a privé la société de son droit de désigner le membre du conseil d'administration, le directeur, le fondé de procuration ou le mandataire commercial, ce dernier avec pouvoir exprès pour plaider, qui ont personnellement connaissance des faits de la cause pour la représenter en justice. Une telle décision est susceptible de causer un préjudice irréparable au sens de l' art. 93 al. 1 let. a LTF , dès lors que la question de savoir si une autre personne ou d'autres personnes auraient pu également représenter la société ne pourra pratiquement pas être soulevée avec la décision finale. Les mêmes considérations valent pour la décision prise en audience du 6 janvier 2014, laquelle n'est que la conséquence de la décision du 23 décembre 2014.
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Erwägungen ab Seite 58 BGE 106 Ib 57 S. 58 Aus den Erwägungen: 2. Das FPolG ist gestützt auf Art. 24 BV ergangen, der dem Bund das Recht der Oberaufsicht über die Forstpolizei verliehen und ihn beauftragt hat, die nötigen schützenden Bestimmungen zur Erhaltung der schon vorhandenen Waldungen aufzustellen. Dem Bund steht somit die Kompetenz zur Grundsatzgesetzgebung auf diesem Gebiet zu (vgl. BLOETZER, Die Oberaufsicht über die Forstpolizei nach schweizerischem Recht, Zürich 1978, S. 114 ff.). Nach dem Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts sind die Kantone in Sachgebieten, welche die Bundesgesetzgebung abschliessend geregelt hat, nicht zur Rechtssetzung befugt ( BGE 102 Ia 375 E. 2; BGE 101 Ia 506 E. 2b; BGE 97 I 503 E. 3a). Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - die kantonalen Rechtssätze dem Bundesrecht inhaltlich nicht widersprechen (FLEINER/GIACOMETTI, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, Zürich 1949, S. 95). Die in den Art. 33 ff. FPolG enthaltene Regelung über Teilung und Veräusserung öffentlicher Waldungen ist abschliessend, soweit dies im vorliegenden Fall von Belang ist. Art. 41 Abs. 2 des bündnerischen Forstgesetzes ist somit nicht anwendbar, und es ist im folgenden einzig zu prüfen, ob der angefochtene Entscheid vor den einschlägigen Bestimmungen des FPolG standhält. Ob der Bundesgesetzgeber mit dem Erlass der Art. 33 ff. FPolG noch im Rahmen seiner auf Grundsatzbestimmungen beschränkten Gesetzgebungskompetenz geblieben ist, hat das Bundesgericht gemäss Art. 113 Abs. 3 BV nicht zu untersuchen. 3. a) Nach Art. 33 FPolG darf eine Teilung öffentlicher Waldungen zu Eigentum oder Nutzniessung nur mit Bewilligung der Kantonsregierung und nur zu öffentlicher Hand BGE 106 Ib 57 S. 59 ( Art. 2 Abs. 1 lit. a FPolG ) erfolgen. Art. 35 FPolG schreibt vor, dass Gemeinde- und Korporationswaldungen, auch wenn die Veräusserung statutarisch statthaft ist, in keinem Falle ohne vorherige Bewilligung der betreffenden Kantonsregierung veräussert werden dürfen. Diese Bestimmung wird durch Art. 31 der Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei vom 1. Oktober 1965 (FPolV) in dem Sinne näher ausgeführt, dass die vollständige oder teilweise Veräusserung von öffentlichen Wäldern nur mit Bewilligung der Kantonsregierung und in der Regel nur an die öffentliche Hand erfolgen darf. b) Die Auffassung des beschwerdeführenden Departementes, die streitige Waldabtretung stelle eine Teilung öffentlichen Waldes im Sinne von Art. 33 FPolG dar, stützt sich auf ein Urteil des Bundesgerichts vom 25. Oktober 1974 i.S. Leuthold (ZBl 76/1975 S. 294 ff.). Darnach ist unter "Teilung" im Sinne von Art. 33 FPolG jede Abtrennung einer Parzelle von einer öffentlichen Waldung, die bisher als ganzes bewirtschaftet wurde, zu verstehen. Das Gericht führte aus, Art. 33 FPolG solle verhindern, dass der Wald in unwirtschaftlicher Weise zerstückelt werde. Die weniger strenge Regelung des Art. 35 FPolG für Veräusserungen könne daher lediglich auf gänzlich isolierte Waldparzellen, die mit dem restlichen Wald des Gemeinwesens nicht zusammenhängen, Anwendung finden. Hingegen müsse Art. 33 FPolG sinngemäss jederzeit Platz greifen, wenn eine bisher zusammen mit angrenzendem Wald des gleichen Gemeinwesens bewirtschaftete Parzelle abgetrennt und veräussert werden solle (ZBl 76/1975 S. 295 f. E. 3a). Diese Praxis schränkt den Anwendungsbereich des Art. 35 FPolG stark ein. Zwar scheint sie natürlicher Lesart der Art. 33 und 35 FPolG zu entsprechen. Sie orientiert sich indessen lediglich am Wortlaut dieser Bestimmungen und lässt weitere Auslegungselemente, namentlich die Entstehungsgeschichte der Art. 33 und 35 FPolG , ausser acht. Da Teilung und Veräusserung öffentlicher Waldungen unterschiedlichen Voraussetzungen unterliegen, kommt dem Verhältnis dieser Bestimmungen zueinander erhebliche praktische Bedeutung zu. Diese Frage ist daher vorweg abzuklären. 4. Die Unterscheidung zwischen "Teilung" und "Veräusserung" öffentlichen Waldes taucht schon in den frühesten Materialien zur eidgenössischen Forstpolizeigesetzgebung auf. BGE 106 Ib 57 S. 60 Der Begriff der "Veräusserung" war nie streitig; er wurde offenbar als selbstverständlich angesehen. Dagegen finden sich im Zusammenhang mit dem Ausdruck "Teilung" verschiedene Anhaltspunkte, welche zum besseren Verständnis der Art. 33 und 35 FPolG beitragen. a) Gegen Ende des 18. Jahrhunderts gewann unter dem Einfluss neuer wirtschaftlicher und politischer Theorien die Auffassung an Bedeutung, dass der Bauer Privateigentum besser und sorgfältiger bewirtschafte als Gemeinland. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden daher vielerorts Wald und Flur, welche bisher Allmend waren oder Korporationen gehört hatten, unter die Genossen aufgeteilt. Dies führte namentlich beim Wald rasch zu Übernutzung und grobem Raubbau (vgl. dazu GROSSMANN, Forstgesetzgebung und Forstwirtschaft in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Beiheft Nr. 25 zur Zeitschrift des Schweizerischen Forstvereins 1949, S. 60 ff. 63). b) Bundesrat und Bundesversammlung erkannten diese Gefahr offensichtlich und veranschlagten sie höher als diejenige, welche von anderen Arten der Veräusserung öffentlicher Waldungen an Private ausging. Art. 9 Abs. 2 des Entwurfes des Bundesrates vom 3. Dezember 1875 zu einem Bundesgesetz betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei im Hochgebirge (aFPolG) lautete folgendermassen: "Eine Waldtheilung ist mit Ausnahme ausserordentlicher Verhältnisse nur zwischen mehreren Gemeinden, Korporationen, Stiften und Genossenschaften, nicht aber unter Gliedern derselben statthaft (BBl 1875 IV 1104)." Dagegen machte Art. 10 desselben Entwurfes die blosse "Veräusserung" von "Gemeinds-, Korporations-, Stifts- und Genossenschaftswaldungen" lediglich von einer Bewilligung der Kantonsregierung abhängig. Im Gesetz (aFPolG vom 24. März 1876) wurde folgende Fassung aufgenommen: "Art. 12. Eine Realtheilung der Staats-, Gemeinde- und Korporationswaldungen ist weder zur Nuzniessung noch zum Eigenthum statthaft, mit Ausnahme ausserordentlicher Verhältnisse, worüber die kantonale Regierung zu entscheiden hat. Art. 13. Gemeinde- und Korporationswaldungen dürfen ohne Bewilligung der Kantonsregierung nicht veräussert werden. (AS 1876 S. 353 ff., 356.)." BGE 106 Ib 57 S. 61 c) In seiner Botschaft vom 1. Juni 1898 zu einem Bundesgesetz betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei (BBl 1898 III 545 f.) wies der Bundesrat darauf hin, dass die Kantone die im zitierten Art. 12 aFPolG vorgesehene Möglichkeit zu Ausnahmebewilligungen derart large gehandhabt hätten, dass die gesetzliche Regel illusorisch gemacht worden sei. Diese Teilungen hätten fast überall den Ruin der Waldungen mit sich gebracht und verunmöglichten eine geregelte Forstwirtschaft. Er beantragte daher ein gänzliches Verbot solcher Realteilungen öffentlicher Waldungen (Art. 25 des Entwurfes). Nach den Beratungen der nationalrätlichen Kommission über diesen Entwurf legte der Bundesrat einen zweiten Entwurf samt Botschaft vor (BBl 1899 III 101 ff., 115 ff.). Darin nahm er erstmals Bezug auf Verhältnisse, in welchen sich mehrere Gemeinwesen oder öffentliche Korporationen in gemeinsamen Besitz von Wald befinden. Er stellte fest, dass solche Wälder meist übernutzt würden, so dass deren Aufteilung im öffentlichen Interesse liege. Er beantragte daher den Räten die Aufnahme einer Bestimmung, welche sinngemäss dem heutigen Art. 34 FPolG entspricht (Art. 29 des II. Entwurfes). Zugleich modifizierte er die Bestimmung des I. Entwurfes über das generelle Verbot der Realteilung öffentlicher Waldungen. Er beantragte neu, solche Realteilungen "zu Privathanden" gänzlich zu verbieten und sie in den übrigen Fällen von einer Bewilligung der Kantonsregierung abhängig zu machen (Art. 28 des II. Entwurfes). In bezug auf Art. 13 aFPolG schlug er lediglich vor, die Bewilligungspflicht auch auf solche Gemeinde- und Korporationswaldungen zu erstrecken, deren Veräusserung statutarisch statthaft ist. Die Bundesversammlung folgte den Anträgen des Bundesrates im wesentlichen. Das Ergebnis ihrer Beratungen bildeten die heute noch in Kraft stehenden Art. 33-35 FPolG . Gleichzeitig wurde der Begriff des "öffentlichen Waldes" erweitert. Er umfasst heute nicht nur die Staats- und Gemeindewaldungen, sondern auch die "Korporationswaldungen sowie solche Waldungen, welche von einer öffentlichen Behörde verwaltet werden" ( Art. 2 lit. a FPolG ). d) Diese Materialien zeigen, dass der Gesetzgeber die Begriffe "Teilung" und "Veräusserung" bewusst unterschieden hat. Unter "Teilung" verstand er die Aufteilung unter bisher BGE 106 Ib 57 S. 62 Berechtigte. Der Ausdruck "Realteilung" gibt diesen Sinn anschaulicher wieder: es ist damit die reale Ausscheidung bisher ideell bestehender Anteile, namentlich die Aufteilung unter die Mitglieder einer Korporation oder eines Miteigentums- oder Gesamthandsverhältnisses gemeint. Diese Realteilung sollte weiterhin zulässig sein, soweit Gemeinwesen oder Korporationen in Frage standen (vgl. Art. 2 lit. a FPolG ); Art. 34 FPolG ordnet für diesen Fall Zuständigkeit und Verfahren. Dagegen sollte die Aufteilung unter private Einzelmitglieder ausgeschlossen werden, da man mit der zumeist daraus folgenden Übernutzung des Waldes ausgesprochen schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Unter "Veräusserung" - so lässt sich folgern - ist demgegenüber die Übertragung von Wald an aussenstehende Dritte zu verstehen. In dieser Hinsicht erschien dem Gesetzgeber eine Bewilligungspflicht als genügend. Dieses Verständnis der Begriffe "Teilung" und "Veräusserung" entspricht auch dem Wortsinn. "Teilung" (und noch mehr der frühere Ausdruck "Realteilung") deutet auf einen internen Vorgang unter bisher Berechtigten hin, "Veräusserung" dagegen auf ein nach aussen gerichtetes Geschehen. Die historische Auslegung führt somit zu einer hinreichend deutlichen Sinngebung. Andere Interpretationsmethoden scheiden mangels genügend sicherer Ansatzpunkte aus, so dass die gefundene Auslegung als massgebend zu erachten ist. An den Erwägungen im zitierten Urteil i.S. Leuthold (ZBl 76/1975 S. 294 ff.) zur Abgrenzung von "Teilung" und "Veräusserung" kann deshalb nicht festgehalten werden.
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Sachverhalt ab Seite 43 BGE 95 I 43 S. 43 Riassunto della fattispecie: A.- Per attuare il raggruppamento dei terreni nel comune di Bedano fu costituito un consorzio ai sensi degli art. 35 e BGE 95 I 43 S. 44 segg. della legge ticinese sul raggruppamento e la permuta dei terreni, del 13 dicembre 1949 (LRPT). Ad esso furono chiamati a far parte le persone fisiche e giuridiche nonchè gli enti di diritto pubblico aventi proprietà o interessi nel comprensorio, in quanto derivasse loro un utile dalle opere di raggruppamento (art. 6 cpv. 1 LRPT). Tra i consorziati figurano anche Carletto Testuri e Domenico Conti. Il primo possedeva nel comprensorio, prima del raggruppamento, terreni per una superficie complessiva di mq 5142, stimati (ai fini del raggruppamento) fr. 19 388.50. Dedotta la percentuale d'espropriazione collettiva dell'8,5% fissata ai sensi dell'art. 6 § 1 LRPT, la sua interessenza si riduceva a fr. 17 740.50. Con il progetto di nuovo riparto Testuri ottenne fondi per una superficie complessiva di mq 5669, con una stima di raggruppamento di fr. 17 763.50. Testuri chiese, mediante ricorso alla Commissione cantonale di prima istanza, l'assegnazione di ulteriore terreno, ma la sua domanda venne respinta. La Commissione cantonale di seconda istanza, successivamente adita dal consorziato, ne accolse tuttavia il gravame, nel senso che gli attribuì la "particella libera" n. 391, di mq 2865 e stimata fr. 7 162.50, intestata al consorzio. La Commissione spiegò che Testuri era uno dei pochi consorziati ancora dediti all'agricoltura, ed osservò che la LRPT è soprattutto destinata a favorire lo sviluppo di tale attività. Domenico Conti, a sua volta, possedeva nel comprensorio, prima del raggruppamento, terreni per una superficie complessiva di mq 8165, stimati (ai fini del raggruppamento) fr. 25 145.80. Dedotta la percentuale d'espropriazione collettiva dell'8,5% fissata ai sensi della citata norma, la sua interessenza si riduceva a fr. 23 003.--. Con il progetto di nuovo riparto Conti ottenne fondi per una superficie complessiva di mq 6629, con una stima di raggruppamento di fr. 22 415.--. Anche Conti chiese, mediante ricorso alla Commissione cantonale di prima istanza, l'assegnazione di ulteriore terreno, ma pure la sua domanda venne respinta. La Commissione cantonale di seconda istanza, successivamente adita dal consorziato, ne accolse tuttavia il gravame, nel senso che gli attribuì la "particella libera" n. 491, di mq 1000 e stimata fr. 4.-, rispettivamente fr. 4,50.- il mq, intestata al consorzio. La Commissione ha dato le stesse spiegazioni come nel caso Testuri. BGE 95 I 43 S. 45 B.- Il Consorzio per il raggruppamento dei terreni di Bedano impugna le accennate decisioni della Commissione di II. istanza mediante due ricorsi di diritto pubblico, in cui fa valere una violazione dell'art. 4 CF e della garanzia costituzionale della proprietà. Esso rimprovera in sostanza alla Commissione di aver sovvertito i principi che stanno alla base della LRPT, in particolare il principio dell'equivalenza. Secondo il Consorzio è arbitrario operare a vantaggio di un consorziato assegnazioni che esorbitino in misura tanto notevole dai limiti della sua interessenza.
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Erwägungen Estratto dei considerandi: 4. Giusta l' art. 88 OG hanno veste per interporre un ricorso di diritto pubblico i privati o gli enti collettivi che si trovano lesi nei loro diritti da decreti o da decisioni che li riguardano personalmente o che rivestono carattere obbligatorio generale. Il ricorso di diritto pubblico è un rimedio destinato a proteggere i titolari dei diritti costituzionali dagli abusi di potere di cui possono essere vittima. Solo il titolare di un diritto di questa natura può quindi interporlo. Lo Stato come tale, vale a dire nella sua qualità di detentore del potere pubblico, non può essere soggetto di diritti costituzionali: questi esistono precisamente contro di lui, destinati come sono a tutelare i privati dagli abusi di potere. Ne consegue che l'ente pubblico, quando interviene in questa sua veste, non è legittimato ad impugnare con un ricorso di diritto pubblico una decisione resa contro di lui (RU 83 I 121/22 e rif. anteriori ; 88 I 108 ; 93 I 66 ). Questo principio non vale solo per i cantoni o i comuni come tali, ma anche per le loro autorità quando agiscono come titolari del pubblico potere, e per le corporazioni di diritto pubblico che perseguono scopi di interesse generale ed adempiono compiti pubblici di cui lo Stato ha affidato loro l'esecuzione (RU 41 I 29 ; 83 I 269 /70 ; 88 I 108 ). La giurisprudenza del Tribunale federale ha sin qui considerato le corporazioni di diritto pubblico incaricate di eseguire le operazioni di raggruppamento dei terreni come enti di tale natura, non legittimati ad interporre un ricorso di diritto pubblico per violazione di diritti costituzionali (RU 83 I 269). Tra queste corporazioni rientra anche il consorzio per il raggruppamento dei terreni del diritto ticinese. Esso ha il compito di BGE 95 I 43 S. 46 attuare il raggruppamento, che ha per fine "la migliore utilizzazione del suolo con la sistemazione fondiaria, la formazione di aziende agricole razionali e l'organizzazione della produzione agraria e dell'economia forestale e pastorizia"; inoltre, l'attuazione del raggruppamento è destinata "a facilitare l'introduzione del registro fondiario ed a ridurne le spese" (art. 1 LRPT; cfr. inoltre gli art. 15 e segg., 62 e 63 e segg. LRPT; cfr. inoltre gli art. 15 e segg., 62 e 63 e segg. LRPT). Il consorzio adempie quindi compiti di interesse generale che lo Stato, cui propriamente incombe di eseguirli, gli delega. Assegnatario di tali mansioni, il consorzio per il raggruppamento dei terreni del diritto ticinese non possiede quindi, in linea di massima, la veste per interporre un ricorso di diritto pubblico avverso un giudizio pronunciato contro di lui (cfr. la sentenza inedita del 15 febbraio 1967 nella causa Consorzio RT Aquila-Largario c. de Giorgi, consid. 1a, cpv. 1). Il principio dianzi enunciato soffre tuttavia eccezioni. La prima si verifica quando l'ente pubblico si pone sul terreno del diritto privato, ed entra in rapporto con altri soggetti giuridici in condizione di parità: in tale caso, la giurisprudenza gli riconosce la veste per interporre ricorso di diritto pubblico in difesa dei propri interessi alla stregua di un privato qualsiasi (RU 83 I 268/69 ; 88 I 108 ; 89 I 111 e 206 ; 90 I 337 ; 93 I 66 ). A simile caso è assimilato quello in cui l'autorità, senza che l'ente si sia necessariamente posto su di un piano di parità con altri soggetti giuridici nel campo del diritto privato, colpisce la corporazione pubblica nella sua qualità di proprietaria del patrimonio amministrativo o fiscale, o mette comunque in discussione tali diritti di proprietà (RU 88 I 109; cfr. inoltre le sentenze inedite del 26 settembre 1946 nella causa Ortsbürgergemeinde St. Gallen c. Eglin, del 3 luglio 1947 nella causa Stadt Luzern c. Steuerrekurskommission, del 13 novembre 1947 nella causa Einwohnergemeinde Liestal c. Regierungsrat Basel-Landschaft, e del 29 giugno 1960 nella causa Gemeinde Küblis c. Graubünden). Infine, la giurisprudenza stabilisce una ulteriore eccezione al principio in favore del comune che, nella sua veste di titolare del pubblico potere, insorge a difesa della propria autonomia, o contro decisioni che mettono in causa la sua esistenza o la consistenza del suo territorio (RU 83 I 122 e 269 ; 87 I 214 consid. 2 ; 88 I 108 ; 89 I 111 e 206 ; 93 I 66 ). BGE 95 I 43 S. 47 5. Non c'è alcun motivo di scostarsi da questa giurisprudenza. In particolare, non si può operare, nei riguardi del consorzio, con criteri analoghi a quelli che la giurisprudenza del Tribunale federale ha elaborato in materia di autonomia comunale. Innanzitutto, ostano a ciò ragioni giuridico-politiche. Il consorzio non ha affatto una esistenza ed una intrinseca giustificazione paragonabili a quelle del comune politico, che forma il sostrato peculiare delle istituzioni democratiche dello Stato. Inoltre, quand'anche gli si volessero riconoscere una certa analogia strutturale con il comune ed un certo potere di autodeterminazione (art. 35 e segg. LRPT), codesta struttura e codesto potere non sono per nulla paragonabili a quelli che sono propri del comune politico. Del resto, nè la costituzione del Cantone Ticino nè la sua legislazione equiparano il consorzio al comune: ora, solo in caso affermativo si sarebbe tutt'al più potuto esaminare se l'autonomia dell'ente fosse stata eventualmente violata. A ragione pertanto, nella fattispecie, il consorzio non pretende di essere stato leso nella sua autonomia dalle impugnate decisioni. Ci si può chiedere invece se, come sostiene il consorzio, quest'ultimo non sia anche chiamato a tutelare, oltre gli interessi pubblici, anche quelli privati dei singoli consorziati (che sovente ne sono anche i promotori). A questa domanda si deve rispondere per la negativa. In effetti, non rientra, di massima, nei compiti assegnati al consorzio la difesa degli interessi dei consorziati. Contrariamente a quanto sostengono il ricorrente e la stessa Commissione, il consorzio per il raggruppamento dei terreni non è affatto la personificazione degli interessi di tutti i consorziati. Questi ultimi, d'altra parte, hanno già a loro disposizione gli usuali rimedi giuridici, compreso il ricorso di diritto pubblico, per far valere le loro ragioni. Il quesito di sapere se, allo stadio iniziale del raggruppamento, quando la procedura attraversa una fase di incertezza giuridica, il consorzio sia legittimato ad interporre nell'interesse dei suoi membri e quale loro fiduciario un ricorso di diritto pubblico, non concerne la presente fattispecie, e può quindi rimanere indeciso. 6. Il ricorrente rimprovera alla precedente istanza di averlo spogliato delle particelle n. 391 e 491 di Bedano. In virtù di quanto esposto, la legittimazione del consorzio dev'essere riconosciuta se le relative decisioni lo colpiscono nella sua BGE 95 I 43 S. 48 qualità di proprietario del patrimonio amministrativo o finanziario. Ciò, tuttavia, non si avvera. I fondi in discussione non sono che delle cosiddette "parcelle libere". Essi si differenziano nettamente dai fondi adibiti alle opere consortili. Questi ultimi, che il consorzio si procaccia in virtù dell'art. 6 § 1 LRPT mediante una deduzione proporzionale al valore delle particelle dei singoli consorziati, servono direttamente al conseguimento delle finalità che la legge attribuisce al consorzio, e cioè al riordino particellare: essi costituiscono pertanto beni pubblici di uso comune, e rientrano nel patrimonio amministrativo dell'ente. Non così si può dire per le particelle libere. Certo, almeno in parte, esse pure sono il risultato della deduzione percentuale di terreno operata a carico dei consorziati: è infatti noto che questa deduzione va calcolata con un certo leggero eccesso, al fine di consentire, in sede di decisione dei ricorsi contro il nuovo riparto particellare, l'indispensabile latitudine di manovra alle Commissioni di ricorso (cfr. sentenza inedita del 16 ottobre 1968 nella causa Probst-Passauer c. Wiget e cons.). All'origine di siffatte particelle libere, tuttavia, possono pure contribuire altre cause, quali l'impossibilità tecnica di assegnare ad ogni consorziato la giusta spettanza, o l'eventuale rinuncia di singoli consorziati ad una piena assegnazione nei limiti dell'interessenza. Queste particelle, benchè menzionate sui catastrini di nuovo riparto come beni del consorzio, non danno a quest'ultimo il diritto di pretenderne l'assegnazione. Esse non costituiscono, del resto, proprietà del consorzio, cui non vengono definitivamente attribuite che una volta completamente esaurita la procedura di nuovo riparto (art. 26 LRPT). Soltanto a partire da quel momento, le particelle libere che dovessero ancora rimanere diventano sostanzialmente proprietà del consorzio, entrando a far parte del suo patrimonio finanziario. Poichè, prima di quel momento, il consorzio non ha alcun diritto all'attribuzione di fondi non destinati alle opere consortili, il ricorrente non può essere leso nella sua qualità di proprietario del patrimonio finanziario od amministrativo da decisioni che attribuiscono a singoli consorziati particelle libere. I ricorsi devono di conseguenza essere dichiarati irricevibili.
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Sachverhalt ab Seite 581 BGE 137 III 580 S. 581 A. Par contrat du 11 février 2004, la Z. (ci-après: la bailleresse) a cédé à X. et Y. (ci-après: les locataires) l'usage d'un appartement de cinq pièces à Genève, moyennant le paiement d'un loyer mensuel de 1'720 fr., charges en sus. Le contrat a été conclu pour une durée initiale de cinq ans (du 1 er mars 2004 au 28 février 2009). Il contient une clause de tacite reconduction, indiquant qu'il se renouvelle ensuite, sauf résiliation donnée par l'une des parties, de cinq ans en cinq ans. Il a été convenu que le loyer pouvait être adapté en cours de bail en fonction de l'évolution de l'indice officiel suisse des prix à la consommation, moyennant un préavis écrit d'un mois au moins et à raison d'une fois tous les douze mois au maximum. Il est précisé que l'indice de référence est celui du 31 janvier 2004. Par avis du 17 septembre 2007, la bailleresse a notifié une hausse de loyer prenant effet au 1 er novembre 2007 et portant le loyer à 1'783 fr. sans les charges. Cette hausse est fondée sur l'évolution de l'indice entre le 31 janvier 2004 et le 31 août 2007. Le contrat n'ayant pas été résilié pour son échéance, il s'est renouvelé, conformément à la clause de tacite reconduction, pour la période du 1 er mars 2009 au 28 février 2014. Le 16 septembre 2009, la bailleresse a notifié un second avis de hausse, avec effet dès le 1 er novembre 2009, portant le loyer mensuel à 1'820 fr., charges non comprises. Il était invoqué la variation de l'indice entre le 31 août 2007 et le 31 août 2009. Les locataires se sont opposés à cette hausse de loyer. B. A la suite de l'échec de la tentative de conciliation, le Tribunal des baux et loyers du canton de Genève, saisi par la bailleresse, a fixé, par jugement du 15 septembre 2010, à 1'790 fr., charges non comprises, le loyer mensuel dû dès le 1 er novembre 2009. Les premiers juges ont considéré que la bailleresse, en ne notifiant pas de hausse lors de la reconduction du bail, avait montré que le loyer fixé à cette date lui convenait et que l'indexation devait en conséquence être calculée à partir de la date de la reconduction. L'augmentation a donc été calculée sur la base de l'indice de février 2009. Saisie d'un appel formé par la bailleresse, la Chambre d'appel en matière de baux et loyers du canton de Genève, par arrêt du 11 avril BGE 137 III 580 S. 582 2011, a annulé le jugement attaqué et validé la hausse notifiée par la bailleresse, fixant le loyer à 21'840 fr. par an, charges non comprises, dès le 1 er novembre 2009. La cour cantonale a considéré que, par la tacite reconduction, les parties étaient restées liées, de manière continue, par la même clause d'indexation, de sorte que la hausse devait être déterminée en fonction de l'évolution de l'indice à compter de la précédente fixation du loyer. Les locataires, qui soutiennent l'opinion des juges de première instance, exercent un recours en matière civile au Tribunal fédéral, ainsi qu'un recours constitutionnel subsidiaire, contre l'arrêt cantonal du 11 avril 2011. C. Par arrêt du 3 novembre 2011, le Tribunal fédéral a rejeté le recours. (résumé)
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Erwägungen Extrait des considérants: 1. 1.1 Le recours en matière civile n'est en principe ouvert, dans le domaine du droit du bail, que si la valeur litigieuse atteint au moins 15'000 fr. ( art. 74 al. 1 let. a LTF ). En l'espèce, la bailleresse a conclu, devant l'autorité précédente, à ce que le loyer soit fixé à 21'840 fr. par an, tandis que les locataires ont conclu à un loyer de 21'480 fr. La différence entre ces deux conclusions - qui constituait l'objet du litige - n'est donc que de 360 fr. par an (21'840 fr. - 21'480 fr.). Si l'on multiplie ce chiffre par vingt ( art. 51 al. 4 LTF ; ATF 121 III 397 consid. 1 p. 399; ATF 118 II 422 consid. 1 p. 424), on obtient un total de 7'200 fr., de sorte que la valeur litigieuse est insuffisante. Ce point n'est pas litigieux. Le recours en matière civile est néanmoins recevable si la contestation soulève une question juridique de principe ( art. 74 al. 2 let. a LTF ). Les recourants se prévalent de cette disposition et, conformément aux exigences de l'art. 42 al. 2 deuxième phrase LTF, ils ont expliqué de manière précise en quoi la contestation soulève une question juridique de principe (cf. arrêt 4A_546/2010 du 17 mars 2011 consid. 1.1, non publié in ATF 137 I 135 ). La jurisprudence a souligné qu'il fallait se montrer restrictif dans l'admission d'une dérogation à l'exigence de la valeur litigieuse sur la base de l' art. 74 al. 2 let. a LTF . Elle s'est efforcée de cerner la notion de contestation soulevant une question juridique de principe ( ATF 135 III 1 consid. 1.3 p. 4 s., ATF 135 III 397 consid. 1.2 p. 399; BGE 137 III 580 S. 583 ATF 134 III 267 consid. 1.2 p. 269, ATF 134 III 354 consid. 1.3 p. 357). En résumé, il faut qu'il soit nécessaire, pour résoudre le cas d'espèce, de trancher une question juridique qui donne lieu à une incertitude caractérisée, laquelle appelle de manière pressante un éclaircissement de la part du Tribunal fédéral, en tant qu'autorité judiciaire suprême chargée de dégager une interprétation uniforme du droit fédéral ( ATF 135 III 397 consid. 1.2 p. 399). Le Tribunal fédéral n'a jamais tranché la question, telle qu'elle est maintenant posée. Dans l' ATF 123 III 76 , il s'est concentré sur l'hypothèse d'une clause d'indexation qui arrive à expiration; examinant la validité d'une majoration de loyer notifiée pour l'échéance contractuelle, il a admis que les deux parties pouvaient demander un calcul selon la méthode absolue. Il a précisé que si les parties optent pour la méthode relative, il faut garder à l'esprit que les facteurs ordinaires de variation du loyer ne peuvent pas être pris en compte pendant la durée de validité de la clause d'indexation. En conséquence, il est possible de remonter au-delà de la dernière fixation du loyer jusqu'au début de la période de validité de la clause d'indexation, mais pas au-delà de la dernière reconduction tacite ( ATF 123 III 76 consid. 4 p. 27 ss). Cette jurisprudence a été confirmée plusieurs fois par la suite ( ATF 125 III 358 consid. 1b/bb p. 362; arrêts 4A_489/2010 du 6 janvier 2011 consid. 4.2; 4C.157/2001 du 1 er octobre 2001 consid. 1a et b). Elle ne traite cependant pas la question posée en l'espèce, qui porte exclusivement sur l'application d'une clause d'indexation qui a été valablement reconduite tacitement pour une nouvelle période de cinq ans (cf. art. 269b et 270c CO ; art. 17 et 18 OBLF [RS 221.213.11]; ATF 124 III 57 consid. 3b p. 60; ATF 123 III 76 consid. 4a p. 77). L'autorité précédente explique elle-même que la jurisprudence cantonale a varié sur cette question, de sorte qu'il faut admettre l'existence d'une incertitude caractérisée. Les parties n'ayant pu citer aucun auteur qui s'exprime sur la question, on ne saurait parler d'une doctrine bien établie. La question pourrait à nouveau se poser en tout temps et peut-être sans qu'une valeur litigieuse suffisante ne soit jamais atteinte. Il faut donc admettre que la contestation soulève une question juridique de principe, de sorte que le recours en matière civile est ouvert, ce que l'intimée ne conteste d'ailleurs pas. Il en résulte que le recours constitutionnel, qui a été interjeté par précaution, est irrecevable, puisqu'il revêt un caractère subsidiaire ( art. 113 LTF ). BGE 137 III 580 S. 584 1.2 Interjeté par les parties qui ont succombé dans leurs conclusions sur le montant du loyer de leur habitation et qui ont donc qualité pour recourir ( art. 76 al. 1 LTF ), dirigé contre un arrêt final ( art. 90 LTF ) rendu en matière civile ( art. 72 al. 1 LTF ) par une autorité cantonale de dernière instance statuant sur recours ( art. 75 LTF ), le recours en matière civile est en principe recevable, puisqu'il a été déposé dans le délai (art. 46 al. 1 let. a, 48 al. 1 et 100 al. 1 LTF) et la forme ( art. 42 LTF ) prévus par la loi. 1.3 Le recours peut être interjeté pour violation du droit, tel qu'il est délimité par les art. 95 et 96 LTF . En l'espèce, les recourants soulèvent exclusivement une question de droit matériel fédéral. Le grief est donc recevable ( art. 95 let. a LTF ) et le Tribunal fédéral peut même appliquer ce droit d'office ( art. 106 al. 1 LTF ). Toutefois, compte tenu de l'exigence de motivation contenu à l' art. 42 al. 1 et 2 LTF , sous peine d'irrecevabilité ( art. 108 al. 1 let. b LTF ), le Tribunal fédéral n'examine en principe que les griefs invoqués; il n'est pas tenu de traiter, comme le ferait une autorité de première instance, toutes les questions juridiques qui se posent, lorsque celles-ci ne sont plus discutées devant lui ( ATF 135 II 384 consid. 2.2.1 p. 389; ATF 135 III 397 consid. 1.4). 1.4 Le Tribunal fédéral conduit en principe son raisonnement juridique sur la base des faits établis par l'autorité précédente ( art. 105 al. 1 LTF ). En l'espèce, les faits ne sont pas contestés et l'on ne voit aucun motif prévu par la loi pour y revenir d'office ( art. 105 al. 2 LTF ). Il faut donc s'en tenir aux constatations cantonales. 1.5 Le Tribunal fédéral ne peut aller au-delà des conclusions des parties ( art. 107 al. 1 LTF ). Toute conclusion nouvelle est irrecevable ( art. 99 al. 2 LTF ). 2. Lorsque des cocontractants conviennent d'une clause de tacite reconduction, ils acceptent qu'une absence de résiliation de leur part soit interprétée comme une volonté de poursuivre la relation contractuelle. La tacite reconduction signifie donc que les parties, en ne résiliant pas, sont convenues de maintenir leur contrat. Il est symptomatique d'observer que lorsqu'une hausse de loyer est notifiée pour l'échéance alors que le contrat se renouvelle tacitement, la jurisprudence parle volontiers d'une augmentation de loyer "en cours de bail" (cf. par exemple: ATF 123 III 76 consid. 4c p. 81). La reconduction tacite marque donc davantage la continuité dans la relation contractuelle plutôt qu'une césure. BGE 137 III 580 S. 585 Si l'on devait suivre l'opinion des recourants, il en résulterait qu'aucune des parties ne pourrait invoquer la variation de l'indice intervenue entre la dernière fixation du loyer et la fin de la précédente période de cinq ans. Il y aurait donc une brèche dans l'indexation. Or, on doit garder à l'esprit que les parties, expressément au moment de la conclusion du contrat puis tacitement au moment de la reconduction, ont exprimé la volonté de soumettre le loyer à la clause d'indexation, sans que l'on puisse discerner dans leur intention la moindre rupture pour toute la période allant du 1 er mars 2004 au 28 février 2014. Il faut relever que la bailleresse n'était tenue, ni en vertu d'une disposition légale, ni sur la base d'une clause contractuelle, de procéder à une indexation à l'expiration de la première période de cinq ans. On observe que la bailleresse n'a augmenté le loyer qu'une seule fois pendant la première période de cinq ans et on en déduit qu'elle ne voulait le faire que lorsque l'augmentation de l'indice était suffisamment significative. Cette manière de procéder est raisonnable et on ne voit pas pourquoi on devrait l'entraver en exigeant une indexation à la fin de chaque période de cinq ans alors que les parties conviennent tacitement de maintenir la clause d'indexation. Sous l'angle de la bonne foi, les locataires devaient déduire de l'attitude de la bailleresse qu'elle renonçait à notifier une augmentation de loyer aussi longtemps que la variation de l'indice n'était pas suffisamment importante. Ils ne pouvaient en revanche pas sérieusement s'imaginer que la bailleresse leur faisait cadeau de l'indexation entre la dernière fixation de loyer et la fin de la première période de cinq ans. Lorsque les baux ne contiennent ni clause d'indexation, ni clause d'échelonnement, le loyer ne peut être modifié que pour l'échéance, c'est-à-dire le moment où s'opère, sauf résiliation, la tacite reconduction. On applique alors d'ordinaire la méthode relative et on recherche l'évolution des paramètres par rapport aux circonstances qui étaient connues au moment de la dernière fixation du loyer ( ATF 118 II 422 consid. 3 p. 425 ss). De jurisprudence constante, le moment déterminant pour la comparaison des situations est celui de la dernière fixation du loyer ( ATF 126 III 124 consid. 2a p. 126; ATF 124 III 67 consid. 3 p. 69; ATF 121 III 163 consid. 2c p. 164), peu importe si, dans l'intervalle, il y a eu une reconduction tacite ne comportant aucune modification du loyer. La jurisprudence a même expressément retenu qu'une modification du bail qui ne remet pas en cause le montant du loyer, autrement dit qui ne constitue pas une nouvelle fixation du loyer en fonction de bases de calcul modifiées, ne saurait BGE 137 III 580 S. 586 constituer un point de référence pour juger de l'admissibilité d'une adaptation postérieure ( ATF 126 III 124 consid. 2a p. 126; arrêt 4A_489/2010 déjà cité, consid. 4.1). Il n'y a pas de raison de trancher différemment la question qui est maintenant posée. Lors de la reconduction tacite, le contrat n'a été modifié que sur un point, à savoir l'échéance qui a été reportée du 28 février 2009 au 28 février 2014. Qu'il n'y ait pas d'autre changement est manifestement le sens de la clause contractuelle prévoyant qu'en l'absence de résiliation, le bail se poursuit aux conditions en vigueur à l'échéance. Le montant du loyer n'a pas été modifié, ni d'ailleurs la clause d'indexation qui en régit la fixation. Il n'y a dès lors pas eu une nouvelle fixation du loyer, qui puisse servir de référence pour le calcul de l'indexation. En conclusion, lorsqu'un bail assorti valablement d'une clause d'indexation se renouvelle tacitement pour une durée de cinq ans au minimum, la prochaine indexation doit être calculée en se référant à l'indice connu au moment de la dernière fixation du loyer, sans égard à la reconduction tacite survenue dans l'intervalle. Ainsi, la cour cantonale n'a pas transgressé le droit fédéral (...).
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Sachverhalt ab Seite 137 BGE 140 V 136 S. 137 A. J., geboren 1976, war bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen versichert, als er am 5. Dezember 2001 auf dem Weg zur Arbeit bei einem Selbstunfall tödlich verunglückte. Mit Verfügung vom 18. Oktober 2002 sprach die SUVA der Witwe, L., sowie den beiden Halbwaisen E., geboren 1999, und F., geboren 2000, ab 1. Januar 2002 Hinterlassenenleistungen zu. Am 17. Dezember 2003 hob die SUVA infolge Wiederverheiratung von L. (nunmehr B.) deren Hinterlassenenrente per 1. Mai 2003 auf, richtete die beiden Halbwaisenrenten aber nach wie vor der Mutter aus. Am 27. Dezember 2006 machte Q., die im Kosovo lebende Mutter des J., geltend, die Halbwaisenrenten seien ihr - auch rückwirkend - zu überweisen, da sie die Vormundschaft über E. und F. innehabe. Nach längerer Korrespondenz in dieser Sache, während welcher die SUVA die Direktauszahlung stets verweigerte, verlangte Q. eine beschwerdefähige Verfügung, welche die SUVA am 18. Juli 2012 erliess und mit Einspracheentscheid vom 7. November 2012 bestätigte. B. Das Kantonsgericht des Kantons Luzern wies die dagegen erhobene Beschwerde nach Beiladung von B. mit Entscheid vom 17. September 2013 ab. C. Q. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, es sei der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben; evenualiter sei für den Leistungsanspruch der Kinder ein Sperrkonto einzurichten. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eingetreten ist.
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273
Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an ( Art. 106 Abs. 1 BGG ). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann BGE 140 V 136 S. 138 sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht eingetreten ( Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG ). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist ( Art. 106 Abs. 2 BGG ). 1.2 1.2.1 Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann ( Art. 97 Abs. 1 BGG ). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat ( Art. 105 Abs. 1 BGG ), und es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht ( Art. 105 Abs. 2 BGG ). Diese Einschränkungen der Rüge- und Überprüfungsbefugnis gelten nicht bei Beschwerden, welche sich gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung richten. Hier kann jede unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden ( Art. 97 Abs. 2 BGG ) und das Bundesgericht ist nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden ( Art. 105 Abs. 3 BGG ). 1.2.2 Es fragt sich, ob die Regelung über die freie Kognition des Bundesgerichts gemäss Art. 105 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 97 Abs. 2 BGG zur Anwendung gelangt. Das trifft nicht zu. Gegenstand des angefochtenen Entscheids bildet einzig die Frage der Auszahlungsmodalität der den Kindern unbestrittenermassen zustehenden Waisenrenten. Damit ist auch der letztinstanzliche Prüfungsgegenstand umschrieben. Angesichts des Ausnahmecharakters des Art. 105 Abs. 3 BGG und der damit zusammenhängenden restriktiven Interpretation ( BGE 135 V 412 E. 1.2.2 S. 414 mit Hinweisen auf die BGE 140 V 136 S. 139 Literatur) ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Geldleistungen der Militär- und Unfallversicherung kognitionsmässig auch bei dieser nicht den Anspruch als solchen, sondern einzig die Auszahlungsmodalität beschlagenden Streitigkeit anders als die übrigen vom Bundesgericht zu beurteilenden Versicherungsmaterien behandeln wollte. Daher gilt die eingeschränkte Kognition. 2. Die Beschwerdeführerin verlangt die Auszahlung der Halbwaisenrenten ihrer beiden Enkel E. und F. an sich selber. Zur Begründung führte sie vor Vorinstanz aus, gemäss Verfügung der Sozialbehörde X. (Kosovo) vom 5. Februar 2002 sei sie Vormund und damit gesetzliche Vertreterin der Halbwaisen. Die Vorinstanz hat festgehalten, die entsprechende Verfügung beziehe sich einzig auf das Kind F., nicht aber auf E. Da die Beschwerdeführerin für E. somit auch nach eigener Darstellung nicht Vormund sei, komme eine Auszahlung der Halbwaisenrente für E. zum Vornherein nicht in Frage. Mit dieser Erwägung setzt sich die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde ans Bundesgericht nicht auseinander, weshalb es an einer sachbezogenen Begründung im Sinne von Art. 42 Abs. 2 BGG fehlt und insoweit auf die Beschwerde nicht eingetreten werden kann. 3. Streitig und zu prüfen bleibt, wer - als gesetzlicher Vertreter von F. - Anspruch auf Auszahlung der Hinterlassenenleistung hat. 4. 4.1 Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Anspruch auf Hinterlassenenrenten von (Halb-)Waisen ( Art. 30 UVG ), die elterliche Sorge (Art. 252 Abs. 1 und 2, Art. 296 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 297 Abs. 3 ZGB ) sowie die damit verbundene Vermögensverwaltung ( Art. 318 Abs. 1 ZGB ), die gesetzliche Vertretung ( Art. 304 Abs. 1 ZGB ) und die Voraussetzungen des Entzugs der elterlichen Sorge (Art. 311 f. ZGB) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 4.2 4.2.1 Bezüglich des anwendbaren internationalen Rechts ist hingegen zu differenzieren: Gemäss dem Grundsatz, wonach jenes Recht zur Anwendung gelangt, welches bei Verwirklichung des zu Rechtsfolgen führenden Sachverhaltes in Kraft stand ( BGE 139 V 335 E. 6.2 S. 338; BGE 132 V 215 E. 3.1.1 S. 220), ist angesichts der auch rückwirkend geltend gemachten Auszahlung der Halbwaisenrenten das anwendbare Recht zu bestimmen. BGE 140 V 136 S. 140 Das Europäische Übereinkommen vom 20. Mai 1980 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgerechts (Europäisches Sorgerechtsübereinkommen [SR 0.211.230.01]; nachfolgend: ESÜ) ist für die Schweiz am 1. Januar 1984 und für Serbien am 1. Mai 2002 in Kraft getreten. Da der Kosovo von der Schweiz am 27. Februar 2008 als selbstständiger Staat anerkannt wurde, ist vom 1. Mai 2002 bis zu dieser Sezession das ESÜ massgebend (Art. 1 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht [IPRG; SR 291]). Ob es auch für den Nachfolgestaat Kosovo anwendbar bleibt, ist fraglich (vgl. dazu BGE 139 V 263 ), so dass mangels anderer beidseitig unterzeichneter völkerrechtlicher Verträge im Übrigen die Bestimmungen des IPRG massgebend sind. Art. 85 Abs. 1 IPRG in der bis 30. Juni 2009 geltenden Fassung verweist auf das Haager Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (SR 0.211. 231.01; nachfolgend: MSA) und in der ab 1. Juli 2009 geltenden Fassung auf das Haager Übereinkommen vom 19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Massnahmen zum Schutz von Kindern (Haager Kindesschutzübereinkommen, HKsÜ; SR 0.211.231.011). 4.2.2 Nach Art. 27 Abs. 1 IPRG wird eine im Ausland ergangene Entscheidung von Amtes wegen (vgl. DÄPPEN/MABILLARD, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 3. Aufl. 2013, N. 1 zu Art. 27 IPRG ) nicht anerkannt, wenn die Anerkennung mit dem schweizerischen ordre public nicht vereinbar wäre; eine im Ausland ergangene Entscheidung wird auf entsprechenden Einwand hin (vgl. DÄPPEN/MABILLARD, a.a.O., N. 1 zu Art. 27 IPRG ) nach Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG ebenfalls nicht anerkannt, wenn sie unter Verletzung wesentlicher Grundsätze des schweizerischen Verfahrensrechts zustande gekommen ist, insbesondere bei Verletzung des rechtlichen Gehörs. Nach Art. 16 MSA darf von den Bestimmungen dieses Übereinkommens nur abgewichen werden, wenn ihre Anwendung mit der öffentlichen Ordnung offensichtlich unvereinbar ist. Art. 23 Abs. 2 HKsÜ sieht verschiedene Gründe vor, bei deren Vorliegen die Anerkennung eines behördlichen Entscheids versagt werden kann, etwa auf Antrag jeder Person, die geltend macht, dass die Massnahme ihre elterliche Sorge beeinträchtigt und sie ohne ihre Anhörung getroffen BGE 140 V 136 S. 141 wurde (lit. c), oder wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des ersuchten Staates offensichtlich widerspricht (lit. d) oder wenn das Verfahren nach Art. 33 HKsÜ nicht eingehalten wurde (lit. f). Das MSA und das HKsÜ gelangen infolge Verweis in Art. 85 IPRG auch gegenüber Nichtvertragsstaaten zur Anwendung (vgl. SCHNYDER/GROLIMUND, in: Basler Kommentar, a.a.O., N. 17 zu Art. 1 IPRG ). Gemäss Art. 9 Abs. 1 lit. a ESÜ kann die Anerkennung und Vollstreckung versagt werden, wenn bei einer Entscheidung, die in Abwesenheit des Beklagten oder seines gesetzlichen Vertreters ergangen ist, dem Beklagten das das Verfahren einleitende oder gleichwertige Schriftstück weder ordnungsgemäss noch rechtzeitig zugestellt worden ist, so dass er sich verteidigen konnte; nach Art. 10 Abs. 1 lit. a ESÜ kann die Anerkennung und Vollstreckung auch verweigert werden, wenn die Wirkungen der Entscheidungen mit den Grundwerten des Familien- und Kindschaftsrechts im ersuchten Staat offensichtlich unvereinbar sind. 5. 5.1 Es ist unbestritten, dass die Halbwaisenrente grundsätzlich an den Inhaber der elterlichen Sorge auszuzahlen ist. Nach dem hier massgebenden schweizerischen Recht geht die elterliche Sorge beim Tod des einen Ehegatten auf den überlebenden über ( Art. 297 Abs. 3 ZGB ). Demnach stand B. nach dem Tod von J. die alleinige elterliche Sorge für ihre Söhne zu. Die Beschwerdeführerin macht vor Bundesgericht geltend, durch die Verfügung der Sozialbehörde X. (Kosovo) vom 5. Februar 2002 sei der Mutter die elterliche Sorge entzogen und sie selber als Vormund ihrer beiden Enkel eingesetzt worden. Die Kinder lebten seit mehr als zehn Jahren bei ihr und würden von ihr betreut. Die leibliche Mutter kümmere sich nicht um ihre Kinder und die Halbwaisenrente sei daher direkt an sie auszubezahlen. 5.2 Abgesehen davon, dass sich in den Akten gewichtige Hinweise finden, welche gegen die Sachverhaltsdarlegung der Beschwerdeführerin bezüglich des Verhaltens der Mutter sprechen und die Beschwerdeführerin auch kein Verfahren um Anerkennung des Entscheids der Sozialbehörde X. (Kosovo) bei der zuständigen Schweizer Behörde eingeleitet hat, erfüllt die von ihr beigebrachte Verfügung vom 5. Februar 2002 die Voraussetzungen der Anerkennung dieses ausländischen Entscheids nicht; dies gilt ungeachtet dessen, ob nach IPRG das MSA resp. das HKsÜ oder das ESÜ anwendbar ist (vgl. dazu oben E. 4.2). Bei all diesen Übereinkommen wie auch nach BGE 140 V 136 S. 142 Art. 27 IPRG steht die Anerkennung unter dem Vorbehalt des ordre public. Wie die Vorinstanz zu Recht ausführt, widerspricht die Verfügung der Sozialbehörde X. (Kosovo) vom 5. Februar 2002 den in der Schweiz geltenden Grundsätzen diametral. Die Verfügung geht davon aus, die Mutter habe F. nach dem Tod ihres ersten Ehegatten im Stich gelassen ("abgeworfen"). Eine entsprechende Erklärung der Mutter, wonach sie auf die Ausübung der elterlichen Sorge verzichtet, liegt indessen nicht vor; vielmehr bestehen glaubwürdige Anhaltspunkte, dass die Mutter ihre Söhne unfreiwillig bei deren Grosseltern zurückgelassen hat. Daran ändert auch die von der Beschwerdeführerin aufgelegte und von der Mutter unterzeichnete Vollmacht vom 18. Januar 2002 nichts, da diese nur die Vertretung durch den Schwiegervater vor Behörden zwecks Regelung der Ehescheidung beinhaltete und zwischenzeitlich auch widerrufen wurde. Die Annahme in der Verfügung vom 5. Februar 2002, für F. habe keine elterliche Sorge bestanden, ist daher offensichtlich unzutreffend, da diese beim Tod seines Vaters von Gesetzes wegen weiterhin bei der Mutter - nunmehr als alleiniger Inhaberin - verblieb. Es kommt hinzu, dass die Mutter in das Verfahren vor der Sozialbehörde X. (Kosovo) nicht einbezogen worden ist (vgl. dazu den Einwand der Mutter im Schreiben vom 14. März 2007 und in der Stellungnahme vor Vorinstanz vom 5. März 2013), obwohl sie durch den Entzug der elterlichen Sorge direkt und in schwerwiegender Weise betroffen ist. Die entsprechende Verfügung war ihr denn auch nicht einmal zugestellt worden, so dass sie keine Möglichkeit hatte, dagegen ein Rechtsmittel zu ergreifen. Unter diesen Umständen liegt ein offensichtlicher und schwerer Verstoss gegen fundamentale Grundsätze der Schweizer Rechtsordnung vor, weshalb der Verfügung vom 5. Februar 2002 gestützt auf Art. 85 Abs. 1 IPRG in Verbindung mit Art. 16 MSA resp. Art. 23 Abs. 2 lit. d und f HKsÜ und auf Art. 10 Abs. 1 lit. a ESÜ (materieller ordre public) sowie gestützt auf Art. 85 Abs. 1 IPRG in Verbindung mit Art. 16 MSA resp. Art. 23 Abs. 2 lit. c HKsÜ und auf Art. 9 Abs. 1 lit. a ESÜ (formeller ordre public; Verletzung des rechtlichen Gehörs) die Anerkennung zu versagen ist. Auch aus der Bescheinigung der Sozialbehörde X. (Kosovo) vom 22. Oktober 2008 kann die Beschwerdeführerin nichts zu ihren Gunsten ableiten, basiert diese doch auf der Verfügung vom 5. Februar 2002. Da die Mutter demnach weiterhin Inhaberin der elterlichen Sorge ist, ist die Rente für F. - wie jene für E. - weiterhin ihr auszurichten. BGE 140 V 136 S. 143 5.3 Auch die übrigen Einwände der Beschwerdeführerin vermögen an diesem Ergebnis nichts zu ändern: Abgesehen davon, dass die für die Drittauszahlung nach Art. 20 Abs. 1 ATSG (SR 830.1) notwendige Zweckentfremdung der Waisenrenten nicht nachgewiesen ist, handelt es sich dabei auch um eine Kann-Vorschrift, die dem Sozialversicherungsträger ein Ermessen einräumt (vgl. UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009, N. 10 zu Art. 20 ATSG ). Unter den gegebenen Umständen liegt jedenfalls keine rechtsfehlerhafte Ausübung des Ermessens durch die SUVA vor, indem sie sich gegen eine Drittauszahlung aussprach. Schliesslich kann die Beschwerdeführerin auch aus dem Verweis auf die familienrechtliche Regelung von Pflegekinderverhältnissen ( Art. 300 Abs. 1 und Art. 316 Abs. 1 ZGB ) nichts zu ihren Gunsten ableiten, da es auch hier an einer rechtsgenüglichen behördlichen Bewilligung fehlt.
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Sachverhalt ab Seite 97 BGE 137 III 97 S. 97 A. Am 21. Juni 2008 stellte A.Z. (geb. 1927) das Gesuch um Adoption von E.H. (geb. 1953). Gleichzeitig ersuchte E.H. um BGE 137 III 97 S. 98 Bewilligung, nach der Adoption ihren bisherigen Familiennamen weiterführen zu dürfen. Mit Beschluss des Regierungsrates des Kantons Appenzell Ausserrhoden vom 20. Januar 2009 wurde die Erwachsenenadoption gemäss Art. 266 ZGB ausgesprochen und erhielt E.H. den Familiennamen Z. Das Gesuch von E.Z. um Änderung ihres Namens gemäss Art. 30 Abs. 1 ZGB in "H." wurde mit Verfügung des Departementes für Inneres und Kultur des Kantons Appenzell Ausserrhoden vom 6. Februar 2009 abgewiesen. B. E.Z. gelangte betreffend die Verweigerung der Namensänderung an den Regierungsrat Appenzell Ausserrhoden, welcher die Beschwerde am 7. Juli 2009 abwies. Hiergegen erhob E.Z. Beschwerde an das Verwaltungsgericht Appenzell Ausserrhoden, welche mit Urteil vom 24. Februar 2010 abgewiesen wurde. C. Mit Eingabe vom 28. Juni 2010 führt E.Z. Beschwerde in Zivilsachen. Die Beschwerdeführerin beantragt dem Bundesgericht, das Urteil des Verwaltungsgerichts Appenzell Ausserrhoden vom 24. Februar 2010 aufzuheben und die Änderung ihres Namens von "Z." in "H." zu bewilligen. (...) Das Bundesgericht heisst die Beschwerde in Zivilsachen gut. (Auszug)
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt das Gesuch der (mittlerweile) 57-jährigen Beschwerdeführerin, welche den durch die Adoption erworbenen Namen "Z." in ihren früheren Namen "H." ändern will, welchen sie zeitlebens getragen hat. Sie macht geltend, die Verweigerung der Bewilligung zur Führung ihres früheren Namens verletze die massgebenden Bestimmungen des ZGB sowie ihre u.a. durch die EMRK geschützte Persönlichkeit, zumal aus der Beibehaltung ihres früheren Namens trotz Adoption die Rechtssicherheit bzw. das öffentliche Interesse nicht beeinträchtigt werde. 3.1 Die Beschwerdeführerin wurde von A.Z. im Alter von 56 Jahren nach Art. 266 ZGB adoptiert. Nach Art. 267 Abs. 1 ZGB erhält das Adoptivkind die Rechtsstellung eines Kindes der Adoptiveltern bzw. des Einzeladoptierenden. Die Adoption hatte demnach von Gesetzes wegen zur Folge, dass die Beschwerdeführerin den Namen ihrer Adoptivmutter erwarb ( Art. 270 Abs. 2 ZGB ). Der gesetzliche Namenswechsel kann nur durch eine Namensänderung nach Art. 30 Abs. 1 ZGB rückgängig gemacht werden. Nach dieser Bestimmung BGE 137 III 97 S. 99 kann die Regierung des Wohnsitzkantons einer Person die Änderung des Namens bewilligen, wenn wichtige Gründe vorliegen. Ob im einzelnen Fall ein Grund für eine Namensänderung vorliegt, ist eine Ermessensfrage, die von der zuständigen Behörde nach Recht und Billigkeit zu beantworten ist ( Art. 4 ZGB ; BGE 136 III 161 E. 3.1 S. 162). 3.2 Die Namensänderung bei einem adoptierten Erwachsenen hat nach der Rechtsprechung den Zweck, ernstliche Nachteile zu beseitigen, die mit dem durch die Adoption erworbenen Namen verbunden sind, wobei vor allem moralische, geistige und seelische, aber auch wirtschaftliche oder administrative Interessen im Spiel stehen können ( BGE 108 II 1 E. 5a S. 4; allgemein betreffend Art. 30 Abs. 1 ZGB : BGE 136 III 161 E. 3.1.1 S. 163). Dies ist nach der Rechtsprechung z.B. der Fall, wenn der bisherige Name für seinen Träger eine religiöse Bedeutung hat ( BGE 108 II 1 E. 5b S. 5: Beibehaltung des Namens "Lévy" bei Adoption durch eine nichtjüdische Person), nicht aber im Falle blosser Unannehmlichkeiten, welche durch die Erwachsenenadoption entstehen ( BGE 105 II 65 E. 3 S. 67 ) . 3.3 Die Beschwerdeführerin beruft sich auf die zeitlebens bzw. 57 Jahre dauernde Namensführung und die Beeinträchtigung, welche durch den Namenswechsel in der sozialen und psychischen Sphäre ihrer Persönlichkeit verursacht werde. 3.3.1 Der Name gehört zur Persönlichkeit ( BGE 126 III 1 E. 3c S. 2), und der Namenswechsel durch eine Statusänderung berührt das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen um so mehr, je länger dieser den bisherigen Namen getragen hat (vgl. HEGNAUER, Berner Kommentar, 1997, N. 43 zu Art. 270 ZGB ). Die Beschwerdeführerin hält an sich richtig (unter Hinweis auf einen kantonalen Entscheid aus dem Jahre 2007; vgl. FamPra.ch 2008 S. 364 ff.) fest, dass mit Blick auf die Dauer der Namensführung auch eine 33-jährige Person sich nach einer Erwachsenenadoption wünschen könnte, den bisherigen Namen weiterführen zu wollen. In der Tat kann eine Abgrenzung nach der Anzahl Jahre der Namensführung sachlich nicht begründet werden. Das Argument der Dauer für den Wunsch, den bisherigen Namen weiterzuführen, läuft vielmehr auf die allgemeine Forderung hinaus, den durch die Erwachsenenadoption erworbenen Namen ablehnen zu dürfen. 3.3.2 Zu dieser Frage hat das Bundesgericht in BGE 105 II 65 ff. Stellung bezogen. Der Gesetzgeber habe mit der Revision des BGE 137 III 97 S. 100 Adoptionsrechts das Adoptivverhältnis dem ehelichen Kindesverhältnis gleichstellen wollen. Mit diesem Zweck sei es nicht vereinbar, wenn das Adoptivkind seinen bisherigen Namen beibehielte. Dabei sei dem Gesetzgeber die Problematik der Adoption Erwachsener durchaus bewusst gewesen. Dennoch sei bezüglich der Übernahme des Namens der Adoptiveltern keine Wahlfreiheit oder sonstwie Erleichterung vorgesehen worden. Die Rechtsprechung schloss daraus, dass eine Person, welche sich adoptieren lassen will, auch die gesetzlichen Folgen der Adoption auf sich nehmen müsse ( BGE 105 II 65 E. 3 S. 67; bestätigt in BGE 108 II 1 E. 3 S. 3). 3.3.3 Die geltende Rechtslage wird in der Lehre als unbefriedigend bezeichnet (HEGNAUER, a.a.O., N. 45 zu Art. 270 ZGB , mit Hinweis de lege ferenda ). In ihren Vorbringen übernimmt die Beschwerdeführerin die Kritik, dass ein hinreichendes öffentliches Interesse an der Namenseinheit von Eltern und mündigen Kindern fehle (vgl. HEGNAUER, a.a.O., N. 65 zu Art. 270 ZGB ). Die Beschwerdeführerin stützt sich einzig auf das Argument der Zeitspanne der Namensführung und den persönlichen Wunsch, den bisherigen Familiennamen nach der Adoption führen zu wollen. Sie beruft sich nicht auf weitere insbesondere moralische, geistige oder seelische Interessen, welche von der Vorinstanz übergangen worden seien. Anhaltspunkte, welche den Schluss zulassen würden, dass die Beschwerdeführerin durch den Namenswechsel besonders belastet wäre, gehen aus dem angefochtenen Urteil nicht hervor. Sie ist nach dem angefochtenen Urteil nicht etwa Künstlerin, Politikerin, Schriftstellerin, Inhaberin eines unter ihrem Namen geführten Geschäfts oder dergleichen. Nach der erwähnten Rechtsprechung gilt sie daher - anders als diese Personen - nicht in besonderem Masse an der Beibehaltung des Namens, unter dem sie bekannt ist, interessiert ( BGE 105 II 65 E. 4 S. 69). 3.4 Zu prüfen ist, ob an der dargelegten und vom Verwaltungsgericht als massgeblich erachteten Praxis zu Art. 30 Abs. 1 ZGB festgehalten werden kann. 3.4.1 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat mit Urteil Nr. 664/06 Losonci Rose und Rose gegen Schweiz vom 9. November 2010, nach welchem die gesetzliche Verpflichtung der Ehegatten zu einem gemeinsamen Familiennamen diskriminierend ist, mit Bezug auf Art. 8 EMRK die Bedeutung des eigenen Namens als zentrales Element der Individualisierung und Identität der Person betont (§ 51; Urteil Nr. 44378/05 Daróczy gegen Ungarn vom 1. Juli BGE 137 III 97 S. 101 2008 § 32). Ob der angefochtene Entscheid (wie die Beschwerdeführerin meint) gegen Art. 8 EMRK verstösst, braucht - wie sich aus dem Folgenden ergibt - nicht näher erörtert zu werden. 3.4.2 Die beiden angerufenen Bundesgerichtsentscheide sind in den Jahren 1979 und 1982 ergangen und stützen sich auf die Revision des Adoptionsrechts durch das Bundesgesetz vom 30. Juni 1972 (AS 1972 II 2819). Das Bundesgericht hat dabei der Entstehungsgeschichte entscheidendes Gewicht zukommen lassen (vgl. E. 3.3.2), weil es sich damals um nicht vor langer Zeit erlassene Vorschriften handelte. Seither hat die Funktion des Familiennamens zur Kennzeichnung der Familienzugehörigkeit ( BGE 126 III 1 E. 3a S. 3; BGE 119 II 307 E. 2 S. 308) an Bedeutung eingebüsst. Durch die spätere Revision von Bestimmungen des ZGB sind die gesetzlichen Wirkungen von Statusänderungen auf den Namen von Erwachsenen begrenzt worden, indem der individuellen Namenswahl mehr Gewicht eingeräumt wird (vgl. Art. 30 Abs. 2 ZGB : Wahl des Familiennamens der Ehefrau als Familiennamen; Art. 119 Abs. 1 ZGB : Wiederannahme des früheren Namens durch den geschiedenen Ehegatten; Art. 160 Abs. 2 ZGB : Voranstellung des bisherigen Namens eines der Brautleute vor den ehelichen Familiennamen). Diese Wandlung der gesetzlichen Namensregeln sind heute bei der Beurteilung der wichtigen Gründe nach Art. 30 Abs. 1 ZGB zu berücksichtigen. Im Weiteren hat das Bundesgericht in der neueren Rechtsprechung zur kindesrechtlichen Namensänderung den Grundsatz der Namenseinheit relativiert. So stellt der allgemeine Hinweis des Kindes, es diene seinem Wohl, in Namenseinheit mit Mutter und Stiefvater zu leben, mit Blick auf die veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse keinen wichtigen Grund für die Änderung des Familiennamens dar ( BGE 121 III 401 E. 2b/bb S. 403; BGE 121 III 145 E. 2c S. 148). 3.4.3 Vorliegend hat die Beschwerdeführerin in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang (bzw. gleichzeitig) mit der Erwachsenenadoption die Beibehaltung des Familiennamens verlangt. Im Licht der dargelegten Entwicklung in Gesetzgebung und Rechtsprechung kann an der bisherigen Praxis ( BGE 105 II 65 ff.) nicht länger festgehalten werden, soweit damit weitere Gründe zur Ablehnung des mit der Adoption erworbenen Namens verlangt werden. Es ist kein hinreichendes öffentliches Interesse ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin den Namen der Adoptivmutter erhält; sie weist zu Recht auf die lange Zeitspanne der bisherigen Namensführung hin. Allein BGE 137 III 97 S. 102 der Wunsch, den bisherigen Familiennamen nach der Adoption weiterführen zu wollen, bringt die enge Verbindung zwischen dem Namen und der Persönlichkeit der Beschwerdeführerin zum Ausdruck. Dies genügt als wichtiger Grund im Sinne von Art. 30 Abs. 1 ZGB , um die Namensänderung zu bewilligen. 3.5 Die Rüge der Beschwerdeführerin, der Entscheid des Verwaltungsgerichts sei mit Bundesrecht nicht vereinbar, ist demnach begründet und die Beschwerde in Zivilsachen ist gutzuheissen.
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Sachverhalt ab Seite 378 BGE 138 III 378 S. 378 A. A., exploitant viticole, et B., vinificateur et commerçant, sont copropriétaires de la parcelle n° 909 du registre foncier de la commune de X. Ce bien-fonds est principalement cultivé en vigne. Une ancienne habitation avec rural, n° ECA x, occupant 59 m 2 au sol y est BGE 138 III 378 S. 379 implantée. Les propriétaires ont vainement tenté de réhabiliter cette bâtisse mais aucun des projets mis à l'enquête n'a pu être autorisé à ce jour. C. et D. sont copropriétaires de la parcelle voisine n° 908 du registre foncier de la commune de X. Le bâtiment n° ECA x est situé en limite de cette parcelle. B. Par demande du 19 octobre 2010, C. et D. ont requis qu'ordre soit donné à A. et B. de démolir le bâtiment n° ECA x, subsidiairement, de prendre toutes les mesures propres à exclure tout risque d'éboulement, d'effondrement et de chute de tuiles ou d'autres matériaux provenant dudit bâtiment sur la parcelle n° 908, dans un délai de trois mois dès jugement définitif et exécutoire. Le 26 mai 2011, les demandeurs ont requis, à titre de mesures provisionnelles, qu'ordre soit donné à A. et B. de démonter la toiture du bâtiment n° ECA x, de démolir la moitié ouest du dernier niveau dudit bâtiment, de stabiliser l'ouvrage et de le protéger des intempéries dans un délai à dire de justice. Par ordonnance du 5 septembre 2011, la présidente du Tribunal civil de l'Est vaudois a partiellement admis la requête en ce sens qu'elle a ordonné à A. et B., sous la menace de la peine d'amende prévue par l' art. 292 CP , de démonter la toiture du bâtiment en cause d'ici le 15 décembre 2011 et de stabiliser celui-ci et de le protéger des intempéries dans le même délai. Par acte du 11 octobre 2011, A. et B. ont appelé de cette décision auprès du Tribunal cantonal du canton de Vaud. Ils ont requis que l'effet suspensif soit octroyé au recours. Le 13 octobre 2011, le Juge délégué de la Cour d'appel civile du Tribunal cantonal du canton de Vaud a rejeté cette requête. C. Par arrêt du 30 mars 2012, le Tribunal fédéral a admis le recours formé par A. et B. contre cette décision et a accordé l'effet suspensif à l'appel du 11 octobre 2011 devant le Tribunal cantonal du canton de Vaud. (résumé)
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Erwägungen Extrait des considérants: 6. Les recourants invoquent une application arbitraire de l' art. 315 al. 5 CPC (RS 272). 6.1 Selon la jurisprudence, une décision est arbitraire lorsqu'elle est manifestement insoutenable, méconnaît gravement une norme ou un principe juridique clair et indiscuté, ou heurte de manière choquante BGE 138 III 378 S. 380 le sentiment de la justice et de l'équité; il ne suffit pas qu'une autre solution paraisse concevable, voire préférable; pour que cette décision soit annulée, encore faut-il qu'elle se révèle arbitraire non seulement dans ses motifs, mais aussi dans son résultat ( ATF 137 I 1 consid. 2.4; ATF 136 I 316 consid. 2.2.2 et les références citées). 6.2 L'appel n'a pas d'effet suspensif lorsqu'il a pour objet des décisions portant sur des mesures provisionnelles ( art. 315 al. 4 let. b CPC ). A teneur de l' art. 315 al. 5 CPC , l'exécution des mesures provisionnelles peut exceptionnellement être suspendue si la partie concernée risque de subir un préjudice difficilement réparable. En tant que les mesures prononcées en l'espèce ordonnent, à titre provisoire, la démolition de la toiture d'un bâtiment, la stabilisation de celui-ci et sa protection contre les intempéries, elles constituent des mesures provisionnelles au sens des art. 262 let. b et 315 al. 4 let. b et al. 5 CPC. 6.3 Le dommage difficilement réparable de l' art. 261 al. 1 let. b CPC est principalement de nature factuelle; il concerne tout préjudice, patrimonial ou immatériel, et peut même résulter du seul écoulement du temps pendant le procès (HOHL, Procédure civile, tome II, 2 e éd. 2010, n. 1763). Il en va de même pour le dommage difficilement réparable de l' art. 315 al. 5 CPC . Il s'agit pour l'un comme pour l'autre d'une condition matérielle, respectivement de la protection juridique provisoire dans la première disposition et de la suspension de l'exécution de la mesure ordonnée dans la seconde. Le dommage est constitué, pour celui qui requiert les mesures provisionnelles, par le fait que, sans celles-ci, il serait lésé dans sa position juridique de fond et, pour celui qui recourt contre le prononcé de telles mesures, par les conséquences matérielles qu'elles engendrent (REETZ/HILBER, in Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [éd.], 2010, n° 69 ad art. 315 CPC ; DONZALLAZ, La notion de "préjudice difficilement réparable" dans le CPC, in Il Codice di diritto processuale civile svizzero, Bernasconi et al. [éd.],2011, p. 191). Ces deux notions doivent en revanche être distinguées de celle de préjudice difficilement réparable, condition de recevabilité contre une décision ou une ordonnance d'instruction ( art. 319 let. b ch. 2 CPC ). Elles ne doivent pas être confondues non plus avec la notion de préjudice irréparable de l' art. 93 al. 1 let. a LTF , condition de recevabilité des recours au Tribunal fédéral contre les décisions préjudicielles ou incidentes (HOHL, op. cit., n. 1764; DONZALLAZ, op. cit., p. 191 s.; cf. également: arrêt 4P.155/1994 du BGE 138 III 378 S. 381 4 novembre 1994 consid. 2, in RSPI 1996 p. 241; concernant le manque de coordination terminologique entre les art. 92 s. LTF et l' art. 237 CPC , cf. TAPPY, in CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, n° 5 ad art. 237 CPC ). Saisie d'une demande d'effet suspensif au sens de l' art. 315 al. 5 CPC , l'autorité cantonale d'appel doit ainsi procéder à une nouvelle pesée des intérêts entre les deux préjudices difficilement réparables, celui du demandeur à l'action si la mesure n'était pas exécutée immédiatement et celui qu'entraînerait pour le défendeur l'exécution de cette mesure (REETZ/HILBER, ibidem; DONZALLAZ, op. cit., p. 191; TREZZINI, in Commentario al Codice di diritto processuale civile svizzero [CPC], 2011, p. 1385 s.). 6.4 Lorsque la décision de mesures provisionnelles, dont la suspension de l'exécution est requise, constitue une mesure d'exécution anticipée provisoire susceptible d'avoir un effet définitif - à savoir lorsque le litige n'a plus d'intérêt au-delà du prononcé de la mesure requise -, il y a lieu de tenir compte du fait que de telles mesures portent une atteinte particulièrement grave à la situation juridique de la partie citée ( ATF 131 III 473 consid. 2.3). Celles-ci ne sont en effet admises que de façon restrictive et sont soumises à des exigences beaucoup plus élevées. Ces exigences portent aussi bien sur l'existence des faits pertinents que sur l'ensemble des conditions d'octroi des mesures en cause, en particulier sur l'appréciation de l'issue du litige sur le fond et des inconvénients respectifs pour le requérant et pour le requis, selon que la mesure soit ordonnée ou refusée. Dans de tels cas, la protection juridique provisoire ne doit ainsi être accordée que lorsque la demande apparaît fondée de manière relativement claire, au vu de l'état de fait rendu vraisemblable (ATF cité, consid. 3.2; HOHL, op. cit, n os 1844 ss; BOHNET, in CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, n° 18 ad art. 261 CPC ; TREZZINI, op. cit., p. 1159 s.). Si l'on entend offrir une véritable voie de droit à la partie, contre qui une mesure d'exécution anticipée provisoire susceptible d'avoir un effet définitif a été prononcée, il convient alors de ne pas se montrer trop exigeant quant aux conditions d'octroi de la suspension de l'exécution de la mesure ordonnée durant la procédure d'appel. C'est à cette condition seulement que l'instance cantonale de recours poura vérifier la mise en balance des intérêts contradictoires des parties effectuée par le premier juge et examiner, à son tour, si les conditions matérielles du prononcé de la mesure provisionnelle requise BGE 138 III 378 S. 382 sont réunies. A défaut de suspension, l'intimé court en effet le risque d'être définitivement privé du contrôle de la décision sur mesures provisionnelles et, par suite, de tout intérêt à la procédure sur le fond. Aussi, la requête ne devrait être refusée que lorsque l'appel paraît d'emblée manifestement infondé ou irrecevable. 6.5 En l'espèce, la mesure ordonnée est une mesure d'exécution anticipée provisoire susceptible d'avoir un effet définitif puisque, une fois la toiture démontée et le bâtiment stabilisé et protégé contre les intempéries, le litige sur le fond ne conserve que peu, voire plus du tout d'intérêt pour les parties. Par conséquent, la cour cantonale aurait dû procéder à l'examen des chances de succès de l'appel et ne refuser la requête d'effet suspensif que si celles-ci devaient être manifestement niées. En l'occurrence, il ne ressort pas de la décision entreprise que l'autorité précédente aurait procédé à un tel examen et serait arrivée à cette conclusion. Il s'ensuit que le Juge cantonal a manifestement violé l' art. 315 al. 5 CPC en refusant l'effet suspensif sans constater le défaut manifeste de chances de succès de l'appel. Le résultat, auquel il parvient et qui prive les recourants d'un véritable contrôle des mesures provisionnelles ordonnées, se révèle en outre arbitraire en l'espèce.
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Sachverhalt ab Seite 406 BGE 106 IV 405 S. 406 A.- 1. Am Nachmittag des 12. Februar 1980 parkierte T. seinen Personenwagen während 14 Minuten auf dem Postkundenparkplatz der Schanzenpost in Bern. Während eines Teils dieser Zeit trank er in einer nahegelegenen Gaststätte einen Kaffee. Danach begab er sich zur Post, um seine Postsachen abzugeben. 2. Der im Tiefparterre der Schanzenpost befindliche Parkraum weist folgende Signale und Anschläge auf: - bei der Einfahrt in den Parkplatz rechts auf Augenhöhe das Hinweissignal 4.17 ( Art. 48 Abs. 1 SSV ; Parkieren gestattet) mit der Zusatztafel unten "Nur für Postkunden 15 Minuten"; - im Innern des Parkraums ungefähr in dessen Mitte je links und rechts erhöht dasselbe Hinweissignal mit den Zusatztafeln oben "Nur für Postkunden" und unten "15 Minuten"; - an insgesamt drei Stellen im Innern des Parkraums auf Augenhöhe den Anschlag "Verbot (gestützt auf Art. 63 Abs. 2 PVG ) BGE 106 IV 405 S. 407 Die Schweizerische Eidgenossenschaft (PTT-Betriebe) in Bern als Eigentümerin der neuen Schanzenpost in Bern, Parzelle Grundbuchblatt Nr. 1110, Kreis I, belegen hiermit diese Liegenschaft gegen jede Besitzesstörung mit Verbot. Insbesondere sind verboten: das Parkieren von Motor- und anderen Fahrzeugen irgendwelcher Art auf dem nur für Postkunden der Schanzenpost reservierten Areal über die maximal zulässige Parkzeit von 15 Minuten; die unbefugte Benützung der für das PTT-Personal reservierten Einstellhalle im 1. Untergeschoss; das Parkieren von privaten Fahrzeugen aller Art auf dem Areal der Postautostation auf der Plattform über den Geleisen; das Parkieren ausserhalb der markierten Parkfelder. Diese Verbote gelten Tag und Nacht, sowie an Sonn- und Feiertagen. Zuwiderhandelnde werden mit einer Busse von 20-100 Franken bestraft. Schadenersatzansprüche für Beschädigungen bleiben vorbehalten. Für Unfälle, welche aus Nichtbeachtung dieser Verbote entstehen, wird jede Haftung abgelehnt. 3000 Bern, den 1. Februar 1976 Namens des PTT-Betriebe Die Kreispostdirektion Bern Müller." - zwischen je zwei Parkplätzen links und rechts an den Längswänden des Parkraumes insgesamt vierzehnmal der rotumrandete, auf Augenhöhe angebrachte Anschlag "Parkieren nur für die Erledigung von Postgeschäften in der Schanzenpost gestattet; Parkzeit max. 15 Minuten. Dieses Verbot gilt Tag und Nacht sowie an Sonn- und Feiertagen. Kreispostdirektion Bern." B.- Am 25. Februar 1980 stellte die Kreispostdirektion T. einen Strafbescheid zu, in welchem sie ihn wegen fahrlässiger Widerhandlung gegen Art. 63 Abs. 2 PVG (SR 783.0) mit Fr. 20.-- büsste. Da die Busse nicht bezahlt wurde, leitete die Verwaltung das ordentliche Verwaltungsstrafverfahren ein. Die Kreispostdirektion Bern stellte T. am 19. März 1980 das Schlussprotokoll zu, und nachdem dessen Verteidiger die Aufhebung des Verfahrens beantragt hatte, erliess sie am 2. Mai 1980 eine im Schuld- und Strafpunkt dem früheren Strafbescheid gleiche Strafverfügung. T. erhob Einsprache und verlangte gerichtliche Beurteilung. Der Gerichtspräsident VIII von Bern sprach T. am 2. September 1980 von der Anschuldigung der Verletzung des PVG frei. Die Verfahrenskosten hatte der Staat zu tragen, und dem Angeschuldigten wurde eine Entschädigung zugesprochen, BGE 106 IV 405 S. 408 "wobei der Generaldirektion PTT eine Frist von 10 Tagen gemäss Art. 101 Abs. 2 VStrR " angesetzt wurde. C.- Die Generaldirektion PTT führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Gerichtspräsidenten sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. T. beantragt Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde.
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633
Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Unbestritten ist, dass die Einstellhalle der Schanzenpost Bern den mit Motorfahrzeugen anfahrenden Postkunden und damit einem unbestimmbaren Personenkreis zur Verfügung steht. Es handelt sich somit um eine Verkehrsfläche, die dem allgemeinen Verkehr dient ( BGE 101 IV 175 , BGE 92 IV 11 , BGE 86 IV 31 ; siehe auch SCHULTZ, Die strafrechtliche Rechtsprechung zum Strassenverkehrsrecht 1968-1972, S. 66 betreffend Abstellgarage über dem Bahnhof Bern; 1973-1977, S. 70 betreffend Parkgarage Elisabethen in Basel; siehe auch BGE 100 IV 99 ; für das deutsche Recht: BULLERT, Gehören Parkhäuser zum öffentlichen Verkehrsraum? in DAR 1963 S. 325 ff.; JAGUSCH, Strassenverkehrsrecht, 25. Aufl., § 1 StVO 2 N. 14). 2. Die Generaldirektion PTT stellt sich auf den Standpunkt, der als Anhang zum VStrR erlassene Art. 63 Abs. 2 PVG ermächtige die PTT klarerweise, Verhaltensnormen anzuordnen, damit die reibungslose Abwicklung des Postbetriebs gewährleistet sei. Diese Sondernorm, die keinen Vorbehalt zugunsten des SVG und seiner Nebenerlasse enthalte, gelte auch für Anordnungen betreffend das Parkieren in der fraglichen Einstellhalle. Demgegenüber vertritt die Vorinstanz die Auffassung, die Bestimmungen des SVG und der dazugehörigen Verordnungen "überlagerten" die Vorschriften des PVG, wenn es um die Regelung des fliessenden oder ruhenden Verkehrs in den dem allgemeinen Verkehr offenstehenden Räumlichkeiten der PTT-Betriebe gehe. 3. Nach Art. 63 Abs. 2 PVG wird mit Busse bis zu Fr. 100.-- bestraft, wer auf Areal oder in Räumen oder Fahrzeugen, die dem Postbetrieb dienen, den mündlichen Anordnungen des Postpersonals oder amtlichen Anschlägen nicht Folge leistet. Wie die Beschwerdeführerin zutreffend bemerkt, BGE 106 IV 405 S. 409 ist diese Bestimmung im Anhang zum VStrR erlassen worden. Sie enthält in der Tat keinen ausdrücklichen Vorbehalt zugunsten der ordentlichen Strassenverkehrsordnung. Aber ebensowenig weist sie ausdrücklich darauf hin, dass der öffentliche Motorfahrzeugverkehr auf Arealen und in Räumen der PTT durch mündliche Anordnungen des Postpersonals oder durch amtliche Anschläge unter Ausschluss der spezifischen Vorschriften des SVG und seiner Nebenerlasse geregelt werden wollte. Die parlamentarischen Beratungen ergeben keine für die Auslegung der Bestimmung nützlichen Hinweise. Einzig im Motivenbericht zum Vorentwurf der Expertenkommission des EJPD vom 10. Juli 1963 findet sich eine kurze Erläuterung, indem zu Art. 63 vermerkt wird: "Die Ordnungswidrigkeiten (bisher Art. 61) werden vermehrt tatbestandsmässig umschrieben" (S. 85). Dass damit wesentliche Neuerungen hätten eingeführt werden wollen, wurde mit keinem Wort gesagt. Zieht man aber den Art. 61 des PVG vom 2. Oktober 1924 (BS 7 S. 772) heran, so wird klar, dass der heutige Art. 63 Abs. 2 PVG aus Art. 61 Abs. 2 zweiter Satz ("wer in Postwagen oder in Postschalterräumen den dienstlichen Anordnungen des Postpersonals zuwiderhandelt") hervorgegangen ist, der seinem Wortlaut und Sinne nach zweifellos nicht den öffentlichen Motorfahrzeugverkehr betraf. Diesen berücksichtigt das Postverkehrsgesetz einzig im unverändert geltenden Art. 3 Abs. 3, wonach der Bundesrat für den Verkehr auf Bergstrassen allgemein verbindliche Fahrordnungsvorschriften erlassen kann, die für die Sicherheit der Fahrten der Post und der konzessionierten Unternehmungen notwendig sind. Gestützt auf Art. 3 Abs. 3 PVG wurde - ausdrücklich in Ergänzung des Art. 62 MFV (dem der heute geltende Art. 45 SVG entspricht) - der Bundesratsbeschluss vom 10. April 1953 über den Wagenverkehr auf Bergpoststrassen (SR 741.124) erlassen. Dessen Art. 6, wonach Widerhandlungen gegen den Bundesratsbeschluss nach Art. 61 Abs. 2 PVG zu ahnden sind, wurde durch Art. 90 SVG abgelöst (s. auch Art. 107 Abs. 3 SVG ; s. die Fn. 1 zu Art. 6 des BRB), mit der Folge, dass die erwähnten Widerhandlungen nicht im Verwaltungsstrafverfahren, sondern im kantonalen Strafverfahren zu ahnden sind. Zudem enthalten auch Art. 38 Abs. 3 VRV sowie Art. 45 Abs. 2 und 111 Abs. 1 SSV Regeln betreffend die Bergpoststrassen. All dies weist darauf hin, dass der Gesetzgeber den den Postbetrieb BGE 106 IV 405 S. 410 berührenden Motorfahrzeugverkehr grundsätzlich der Ordnung des SVG und seiner Nebenerlasse hat unterstellen wollen. Hierfür sprechen überdies die im SVG und in der SSV enthaltenen besonderen Vorschriften über die Strassen und Grundstücke im Eigentum des Bundes: Nach Art. 2 Abs. 5 SVG bestimmen für Strassen im Eigentum des Bundes (worunter gemäss Art. 1 Abs. 1 VRV alle im Eigentum des Bundes stehenden, dem allgemeinen Verkehr offenstehenden Verkehrsflächen zu verstehen sind) die vom Bundesrat bezeichneten Bundesbehörden, ob und unter welchen Bedingungen der öffentliche Verkehr gestattet ist; sie stellen auch die erforderlichen Signale auf. In Ausführung dieser gesetzlichen Vorschrift wird in Art. 104 Abs. 4 SSV hervorgehoben, dass dem Bund die Signalisation auf seinen Strassen und Grundstücken Obliegt. Und weiter sieht Art. 111 Abs. 2 SSV vor, dass Verfügungen, durch die der öffentliche Verkehr auf Strassen und Grundstücken des Bundes beschränkt oder ausgeschlossen werden soll ( Art. 2 Abs. 5 SVG ), vom eidg. Departement, dem die mit der Verwaltung der Strasse und des Grundstückes betraute Amtsstelle oder Anstalt untersteht, getroffen werden. Die Generaldirektionen der SBB und der PTT-Betriebe werden ausdrücklich als für ihre Grundstücke zuständig erklärt. Sodann verlangt Art. 111 Abs. 3 SSV , dass solche Verfügungen im Bundesblatt unter Hinweis auf die Beschwerdemöglichkeit an den Bundesrat nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz zu veröffentlichen seien. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass die genannten Art. 2 Abs. 5 SVG und 104 Abs. 4 SSV unter dem Begriff der Signalisation grundsätzlich die Kennzeichnung mit den Signalen der SSV meinen ( Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 SSV , welche letztere Bestimmung in Abs. 3 einzig einen Vorbehalt zugunsten des militärischen Strassenverkehrs enthält; siehe auch die zahlreichen publizierten Anwendungsverfügungen z.B. BBl 1971 I, 1 S. 133 ; 1971 I 2 S. 1294, 1980 II S. 263, 786). Allerdings sieht Art. 112 SSV für das Bahngebiet vor, dass Verkehrsverbote aufgrund der Gesetzgebung über die Bahnpolizei durch die in dieser Verordnung vorgesehenen Signale angezeigt werden "können", was besagt, dass die spezifisch bahnpolizeiliche Kennzeichnung die Regel und die Verwendung der Signale der SSV, über die sich die Bahnunternehmung mit der Behörde verständigt, fakultativ ist. Aus Art. 112 SSV liesse sich BGE 106 IV 405 S. 411 für den hier zu beurteilenden Fall indessen selbst dann nichts ableiten, wenn man diese das "Bahngebiet" (Marginale) betreffende Bestimmung analog auf Postgebiet anwenden wollte. Denn diese Bestimmung gestattet nicht die Verwendung von Zeichen, die in der SSV nicht vorgesehen sind, sondern sie erlaubt umgekehrt die Verwendung von Signalen der SSV in Fällen, in welchen nach den einschlägigen Erlassen grundsätzlich andere Zeichen verwendet werden. 4. Art. 63 Abs. 2 PVG bildet nach dem Gesagten keine gesetzliche Grundlage zur Regelung des fahrenden und ruhenden öffentlichen Verkehrs auf den diesem zugänglichen Arealen der PTT durch mündliche Anordnungen des Postpersonals oder durch amtliche Anschläge. Die PTT-Betriebe können den öffentlichen Verkehr auf solchen Arealen nur gemäss Art. 2 Abs. 5 SVG und 104 Abs. 4 SSV durch die in der SSV vorgesehenen Signale, vor deren Anbringung das in der SSV vorgeschriebene Verfahren (vgl. insbes. Art. 111) einzuhalten ist, regeln. Da somit das Parkieren auf dem Parkplatz der Schanzenpost in Bern nicht mittels amtlicher Anschläge im Sinne von Art. 63 Abs. 2 PVG geregelt werden kann, hat sich der Beschwerdegegner, indem er diese Anschläge missachtete, nicht strafbar gemacht. Die Vorinstanz hat T. demnach zu Recht von der Anschuldigung der fahrlässigen Verletzung des Postverkehrsgesetzes freigesprochen. Die von der Generaldirektion PTT in der Nichtigkeitsbeschwerde dagegen erhobene Kritik ist unbegründet. 5. Das Parkieren im Parkraum der Schanzenpost in Bern wird indessen, wie erwähnt, nicht nur durch amtliche Anschläge im Sinne von Art. 63 Abs. 2 PVG , sondern auch durch das Signal 4.17 ( Art. 48 Abs. 1 SSV ; Parkieren gestattet) und die Zusatztafel unten "Nur für Postkunden 15 Minuten" (so bei der Einfahrt) resp. durch das Signal 4.17 und die Zusatztafeln oben "Nur für Postkunden" und unten "15 Minuten" (so im Innern des Parkraums) geregelt. Der Gerichtspräsident VIII von Bern hat sich in seinen Urteilserwägungen auch mit dieser Signalisation auseinandergesetzt und hält dafür, dass T. sich an sie gehalten habe, da er Postkunde war und seinen Wagen 14 Minuten im Parkraum der Schanzenpost parkiert hatte. Die Rechtslage wäre nach Auffassung der Vorinstanz anders, wenn die Zusatztafeln im Sinne der SSV bestimmen würden, dass höchstens 15 Minuten BGE 106 IV 405 S. 412 und nur zur Erledigung von Postgeschäften und ausschliesslich während der Erledigung dieser Postgeschäfte parkiert werden dürfe; das sei aber nicht der Fall. Der Gerichtspräsident hat jedoch richtigerweise darauf verzichtet, T. im Urteilsdispositiv, das allein in Rechtskraft erwächst, auch vom Vorwurf der Verletzung von Verkehrsregeln ( Art. 27 und 90 SVG , Art. 63 Abs. 3 SSV ) freizusprechen. Darüber konnte im Verwaltungsstrafverfahren, in dessen Rahmen das angefochtene Urteil gefällt worden ist, nicht entschieden werden. Die Verfolgung von Widerhandlungen gegen die Strassenverkehrsgesetzgebung obliegt den Kantonen ( Art. 103 Abs. 2 SVG ); das Verfahren bestimmt sich - vorbehältlich des Ordnungsbussenverfahrens gemäss dem Bundesgesetz vom 24. Juni 1970 über Ordnungsbussen im Strassenverkehr (SR 741.03) - von Anfang an nach dem kantonalen Prozessrecht. Ein solches Verfahren wegen Widerhandlung gegen das SVG ist im vorliegenden Fall weder eingeleitet noch durchgeführt und abgeschlossen worden. Zudem könnte das Urteil des erstinstanzlichen Gerichts betreffend Widerhandlung gegen das SVG, auch wenn es nicht mit einem kantonalen Rechtsmittel wegen Verletzung eidgenössischen Rechts anfechtbar ist, nicht mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde angefochten werden (Art. 268 Ziff. 1 in fine BStP). Auf die Ausführungen der Beschwerdeführerin und des Beschwerdegegners zu Sinn und Bedeutung der Zusatztafeln "Nur für Postkunden", "15 Minuten" kann daher nicht eingetreten werden. 6. Die Vorinstanz hat schliesslich entschieden: "Dem Angeschuldigten wird eine Entschädigung ausgerichtet, wobei der Generaldirektion PTT eine Frist von 10 Tagen gemäss Art. 101 Abs. 2 VStrR angesetzt wird." Die Beschwerdeführerin ficht diesen Urteilsspruch zu Recht als bundesrechtswidrig an. Gemäss Art. 101 Abs. 2 VStrR hat das Gericht, bevor es eine Entschädigung festsetzt, der beteiligten Verwaltung Gelegenheit zu gehen, sich zum Anspruch und seiner Höhe zu äussern und Antrag zu stellen. Im angefochtenen Entscheid hat jedoch die Vorinstanz über die grundsätzliche Begründetheit des Anspruchs bereits erkannt, ohne dass die Generaldirektion PTT hiezu angehört worden wäre. Das war unzulässig, denn nach der angeführten Bestimmung hatte die Beschwerdeführerin ein Recht darauf, bereits zum Grundsatz der Anspruchsberechtigung Stellung zu beziehen. Die Nichtigkeitsbeschwerde BGE 106 IV 405 S. 413 ist daher in diesem Punkt gutzuheissen und das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben. 7. Da die Generaldirektion PTT in bezug auf die Frage der Anwendung von Art. 63 Abs. 2 PVG , welche den Hauptpunkt ihrer Nichtigkeitsbeschwerde bildet, unterliegt, hat sie dem Beschwerdegegner für das Verfahren vor Bundesgericht eine Prozessentschädigung von Fr. 500.-- zu bezahlen ( Art. 83 Abs. 1 VStrR i.V.m. Art. 278 Abs. 3 BStP ).
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Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird im Sinne der Erwägungen teilweise gutgeheissen, soweit auf sie eingetreten werden kann.
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Sachverhalt ab Seite 306 BGE 129 V 305 S. 306 A.- V., geboren 1981, erlitt während der Lehre anfangs 1999 eine rechtsseitige distale Radiusfraktur und am 31. Dezember 1999 ein Supinationstrauma des rechten Fusses, bei dem er sich Bänderverletzungen zuzog. Er musste sich deshalb am 23. Juni 2000 einer Bandplastik-Operation unterziehen. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) erbrachte für den Unfall vom 31. Dezember 1999 die gesetzlichen Leistungen und zahlte u.a. ein Taggeld von Fr. 25.65 für die Zeit vom 3. Januar bis 10. August 2000 und von Fr. 108.30 ab 11. August 2000 aus. Im August 2000 schloss V. die Lehre als Sanitärmonteur ab und war ab 11. September 2000 als Temporär-Arbeitnehmer im erlernten Beruf tätig, gab diese Stelle jedoch am 17. November 2000 aus gesundheitlichen Gründen auf. Gestützt auf einen kreisärztlichen Bericht vom 30. Mai 2001, worin eine volle Arbeitsfähigkeit für körperlich leichtere Tätigkeiten angegeben wurde, stellte die SUVA die Taggeldleistungen auf den 31. Mai 2001 ein. Ab dem 14. Juni 2001 bezog V. Arbeitslosenentschädigung. Im Mai 2000 hatte sich V. auch bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug angemeldet. Die IV-Stelle des Kantons Zürich traf nähere Abklärungen und sprach dem Versicherten mit Verfügung vom 19. Juli 2001 berufliche Eingliederungsmassnahmen in Form einer erstmaligen beruflichen Ausbildung (Handelsschule bis zum KV-Abschluss an der Schule F.) in der Zeit vom 20. August 2001 bis 11. Juli 2004 zu. Mit Verfügung vom 17. September 2001 BGE 129 V 305 S. 307 setzte sie das während der Dauer der Eingliederungsmassnahme gewährte Taggeld auf Fr. 75.- im Tag fest. B.- Gegen diese Verfügung beschwerte sich V. beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und beantragte, die Sache sei zur Neufestsetzung des Taggeldes unter Berücksichtigung des von der SUVA ausgerichteten Taggeldes von Fr. 108.30 an die Verwaltung zurückzuweisen. Mit Entscheid vom 6. Juni 2002 wies das kantonale Gericht die Beschwerde ab. C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt V. das erstinstanzliche Beschwerdebegehren erneuern. Die IV-Stelle beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf Vernehmlassung.
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391
Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. (Keine Anwendbarkeit des auf den 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG] vom 6. Oktober 2000, vgl. BGE 129 V 4 Erw. 1.2) 2. 2.1 Gemäss Art. 22 Abs. 1 Satz 1 IVG hat der Versicherte während der Eingliederung ( Art. 8 ff. IVG ) Anspruch auf ein Taggeld, wenn er an wenigstens drei aufeinander folgenden Tagen wegen der Eingliederung verhindert ist, einer Arbeit nachzugehen, oder in seiner gewohnten Tätigkeit zu mindestens 50% arbeitsunfähig ist. Hatte ein Versicherter bis zur Eingliederung Anspruch auf ein Taggeld nach dem Bundesgesetz über die Unfallversicherung ( Art. 16 UVG ), so entspricht der Gesamtbetrag des Taggeldes mindestens dem bisher bezogenen Taggeld der Unfallversicherung ( Art. 25bis IVG ). Diese Bestimmung ist auch dann anwendbar, wenn die versicherte Person während der erstmaligen beruflichen Ausbildung Anspruch auf ein Taggeld nach Art. 22 Abs. 1 Satz 2 IVG (sog. kleines Taggeld) hat ( BGE 126 V 287 Erw. 3b). 2.2 Nach der Rechtsprechung bezieht sich die Besitzstandsgarantie von Art. 25bis IVG auf die Höhe des zuletzt vor der Eingliederung bezogenen Taggeldes; bei lediglich teilweiser Arbeitsunfähigkeit beschränkt sie sich auf das entsprechend gekürzte Taggeld der Unfallversicherung (AHI 1999 S. 45 ff.). Anderseits hat die Invalidenversicherung das Taggeld nicht nur dem bisher bezogenen Taggeld der Unfallversicherung anzupassen, sondern auch spätere BGE 129 V 305 S. 308 Taggelderhöhungen zu berücksichtigen, welche der Unfallversicherer im Hinblick auf die mutmassliche Lohnentwicklung gestützt auf Art. 23 Abs. 7 UVV vorgenommen hätte ( BGE 119 V 121 ). In gleicher Weise ist einer unfallbedingten Verschlechterung des Gesundheitszustandes während der Eingliederung Rechnung zu tragen, soweit sie zu einer zusätzlichen Einschränkung der Arbeitsfähigkeit führt (AHI 1999 S. 49 Erw. 5c). In SVR 2002 IV Nr. 31 S. 102 Erw. 3 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht diese Rechtsprechung bestätigt und festgestellt, dass ein allfälliger Teilerwerb oder Arbeitslosenentschädigungen, die wegen der Eingliederung wegfallen, nicht unter die Besitzstandsgarantie von Art. 25bis IVG fallen. 3. Streitig ist, ob das dem Beschwerdeführer für die Dauer der Eingliederungsmassnahme ab 20. August 2001 zustehende Taggeld unter Berücksichtigung der Besitzstandsgarantie von Art. 25bis IVG festzusetzen ist. Dabei ist davon auszugehen, dass die SUVA die Taggeldleistungen auf den 31. Mai 2001 eingestellt hat. 3.1 Die Vorinstanz hat erwogen, die Besitzstandsgarantie von Art. 25bis IVG setze nicht notwendigerweise voraus, dass bis zum Beginn der Eingliederung effektiv Taggelder der Unfallversicherung zur Ausrichtung gelangt seien; erforderlich sei jedoch, dass bis zu diesem Zeitpunkt grundsätzlich Anspruch auf ein Taggeld der Unfallversicherung bestanden habe. So verhalte es sich hier jedoch nicht. Die Einstellung der Taggeldleistungen durch die SUVA sei nicht im Hinblick auf die bevorstehende Eingliederung durch die Invalidenversicherung erfolgt. Auch habe der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Wartetaggelder der Invalidenversicherung gehabt und vorübergehend Entschädigungen der Arbeitslosenversicherung bezogen. Es bestehe daher kein relevanter Konnex zwischen den Taggeldleistungen der Unfallversicherung und denjenigen der Invalidenversicherung. 3.2 Der Beschwerdeführer lässt vorbringen, bereits im Zeitpunkt der Einstellung der Taggeldleistungen der Unfallversicherung habe der Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung festgestanden. Auch die SUVA sei davon ausgegangen, dass nach der Leistungseinstellung berufliche Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung folgten. Schon im Februar 2001 habe er sich im Einvernehmen mit der Berufsberatung der IV-Stelle um eine Ausbildung an der Technischen Schule für Wirtschaftsinformatik bemüht und einen entsprechenden Praktikumsplatz BGE 129 V 305 S. 309 gesucht. Wegen der zahlreichen Absagen habe er sich in der Folge für einen kaufmännischen Lehrgang an der Schule F. entschieden, was er der Invalidenversicherung Ende Juni 2001 mitgeteilt habe. Eine Unterstützung durch die IV-Berufsberatung habe nicht stattgefunden. Wäre es ihm gelungen, im März oder April 2001 eine Stelle zu finden, hätte das IV-Taggeld das Unfalltaggeld direkt abgelöst und wäre die Besitzstandsgarantie von Art. 25bis IVG zur Anwendung gelangt. Allein der Umstand, dass der administrative Ablauf nicht optimal verlaufen sei, dürfe nicht dazu führen, dass er den Anspruch auf Wahrung des Besitzstandes verliere, was insbesondere deshalb stossend wäre, weil ihm in keiner Weise vorgeworfen werden könne, seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen zu sein. Für die eingetretenen Verzögerungen und die mangelnde Koordination zwischen Unfallversicherung und Invalidenversicherung habe die Beschwerdegegnerin einzustehen. Im Übrigen stelle sich die Frage nach einem allfälligen Anspruch auf ein Wartetaggeld der Invalidenversicherung, weil im Zeitpunkt der Einstellung des Unfalltaggeldes Eingliederungsmassnahmen subjektiv und objektiv angezeigt gewesen seien. 4. 4.1 Der Anspruch auf Wartetaggeld gemäss Art. 22 Abs. 3 IVG in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1 IVV setzt voraus, dass der Versicherte mindestens zu 50% arbeitsunfähig ist und auf den Beginn bevorstehender Eingliederungsmassnahmen warten muss. Nach der Rechtsprechung ist für den Anspruch auf Wartetaggeld nicht erforderlich, dass über konkrete Eingliederungsmassnahmen bereits entschieden wurde (AHI 1997 S. 172 Erw. 3a). Die versicherte Person muss jedoch auf den Beginn von Eingliederungsmassnahmen und nicht bloss auf Abklärungsmassnahmen warten; zudem müssen Eingliederungsmassnahmen subjektiv und objektiv angezeigt sein (AHI 2000 S. 206). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Der Beschwerdeführer hat sich nach der Anmeldung bei der Invalidenversicherung und einem berufsberaterischen Erstgespräch vom 15. Dezember 2000 selber um einen Berufseinstieg zunächst im Computer- und Werbebereich und später auf dem Gebiet der Personalberatung bemüht. Als sich zeigte, dass seine Bewerbungen mangels genügender kaufmännischer Kenntnisse erfolglos blieben, entschloss er sich, eine dreijährige kaufmännische Ausbildung an der Schule F. zu absolvieren. Seinen Angaben zufolge hat er der Invalidenversicherung Ende Juni 2001 hievon Mitteilung gemacht. Am 19. Juli 2001 verfügte die IV-Stelle die Kostenübernahme BGE 129 V 305 S. 310 für die vorgesehene Ausbildung, welche am 20. August 2001 angetreten wurde. Auch wenn die berufliche Eingliederungsmassnahme angezeigt war, kann nicht gesagt werden, der Beschwerdeführer habe in der Zeit ab 1. Juni 2001 auf die Durchführung von Eingliederungsmassnahmen gewartet, weshalb ein Anspruch auf Wartetaggeld entfällt. 4.2 Mit der Bestimmung von Art. 25bis IVG soll verhindert werden, dass der Bezüger eines UV-Taggeldes nach Antritt einer von der Invalidenversicherung übernommenen Eingliederung mit entsprechendem Taggeld eine leistungsmässige Einbusse erleidet (Botschaft vom 18. August 1976 zum Bundesgesetz über die Unfallversicherung, BBl 1976 III S. 190 und 228). Im Sinne einer Besitzstandsgarantie soll dem Anspruchsberechtigten in der Invalidenversicherung der leistungsmässige Status als Unfallversicherter gewahrt bleiben ( BGE 126 V 285 Erw. 2a mit Hinweisen). Definitionsgemäss setzt die Besitzstandsgarantie einen bestehenden Leistungsanspruch voraus, weshalb Art. 25bis IVG grundsätzlich nur Anwendung finden kann, wenn der Taggeldanspruch der Invalidenversicherung denjenigen der Unfallversicherung unmittelbar ablöst. Massgebend für die Anwendbarkeit von Art. 25bis IVG ist nach dem Wortlaut des Gesetzes indessen nicht der effektive Bezug von Taggeld der Unfallversicherung, sondern ob der Versicherte "bis zur Eingliederung" ("jusqu'à sa réadaptation"; "fino al momento dell'integrazione") Anspruch auf ein Taggeld gemäss UVG hatte. Die Besitzstandsgarantie kann daher ausnahmsweise auch dann zur Anwendung gelangen, wenn der Taggeldanspruch der Invalidenversicherung nicht lückenlos an den Bezug des UV-Taggeldes anschliesst. Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob die Taggeldzahlungen der Unfallversicherung zu Recht vor Beginn der Eingliederungsmassnahme der Invalidenversicherung eingestellt wurden. Hiezu geht aus den Akten hervor, dass der SUVA bereits anfangs 2001 bekannt war, dass berufliche Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung zur Diskussion standen. In einer internen Stellungnahme zu einem Bericht des Orthopäden Dr. med. K., vom 5. Januar 2001 verneinte Kreisarzt Dr. med. L. die Frage, ob der Versicherte im angestammten Beruf als Sanitärmonteur je wieder voll arbeitsfähig sein werde; des Weitern bejahte er die Frage, ob aus medizinischer Sicht eine Prüfung von Umschulungsmassnahmen angezeigt sei. Im Bericht über die kreisärztliche Untersuchung vom 30. Mai 2001 gelangte er zum Schluss, im erlernten Beruf als Sanitärmonteur gelte der Versicherte seit November 2000 BGE 129 V 305 S. 311 als arbeitsunfähig. Sollte er in diesem Berufsfeld verbleiben wollen, müsste jetzt der Wiedereinstieg angestrengt werden. Dieser hätte sicher sukzessive zu erfolgen, wobei mit Schwierigkeiten zu rechnen sei, weil es sich nicht um ein geeignetes Arbeitsfeld handle. Die vom Versicherten angestrebte Umstellung auf eine Tätigkeit im Computerbereich sei zu begrüssen. Mit Ausnahme ausgesprochener Schwerarbeit dürfe der Versicherte heute als voll arbeitsfähig eingestuft werden. Die Arbeitsfähigkeit im genannten Umfang sei theoretisch ab sofort gegeben; das Stichdatum werde von der Administration festzulegen sein. Gestützt auf diese ärztliche Beurteilung hat die SUVA die Taggeldzahlungen auf den 31. Mai 2001 eingestellt und den Versicherten an die Arbeitslosenversicherung verwiesen. Die Vorinstanz erachtet diesen Entscheid als zutreffend unter Hinweis darauf, dass der Grad der Arbeitsunfähigkeit nur so lange unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit festzusetzen ist, als von der versicherten Person vernünftigerweise nicht verlangt werden kann, die restliche Arbeitsfähigkeit anderweitig einzusetzen ( BGE 115 V 404 Erw. 2; vgl. auch Art. 6 Satz 2 ATSG ). Damit bleibt unbeachtet, dass der Beschwerdeführer die restliche Arbeitsfähigkeit nicht ohne vorgängige berufliche Eingliederungsmassnahmen anderweitig zu verwerten vermochte, in welchem Sinne sich auch Kreisarzt Dr. med. L. ausgesprochen hatte. Nach den gesamten Umständen hätte jedenfalls Anlass dazu bestanden, die Aufhebung des Taggeldanspruchs mit dem Beginn der Leistungen der Invalidenversicherung zu koordinieren. In diesem Sinne war wohl auch die Feststellung des Kreisarztes zu verstehen, das Stichdatum sei durch die Administration festzulegen. Die unterlassene Koordination des Taggeldanspruchs darf sich nicht zum Nachteil des Versicherten auswirken. Der Beschwerdeführer hat daher grundsätzlich Anspruch auf Festsetzung des Taggeldes unter Berücksichtigung der Besitzstandsgarantie von Art. 25bis IVG . 4.3 Auf Grund der medizinischen Akten ist allerdings anzunehmen, dass der Beschwerdeführer ab dem 1. Juni 2001 in der angestammten Tätigkeit als Sanitärmonteur nicht voll arbeitsunfähig war. Anlässlich der Untersuchung vom 30. Mai 2001 stellte Dr. med. L. gegenüber Dezember 2000 eine Besserung der Verhältnisse im Sprunggelenk mit freier Beweglichkeit und guter Belastbarkeit fest und schloss eine sukzessive Wiederaufnahme der Arbeit im bisherigen Tätigkeitsbereich, unter Ausschluss ausgesprochener Schwerarbeit, nicht aus. Dies lässt darauf schliessen, dass der Beschwerdeführer in der fraglichen Zeit im bisherigen Beruf zumindest teilweise BGE 129 V 305 S. 312 arbeitsfähig war und daher ein entsprechend niedrigeres Taggeld bezogen hätte ( Art. 17 Abs. 1 UVG ). Wie es sich damit verhält, lässt sich auf Grund der vorhandenen Akten jedoch nicht zuverlässig beurteilen und bedarf ergänzender Abklärungen. Weil sich die Besitzstandsgarantie nach dem Gesagten (Erw. 2.2 hievor) bei lediglich teilweiser Arbeitsunfähigkeit auf das entsprechend gekürzte Taggeld der Unfallversicherung beschränkt, ist nicht ausgeschlossen, dass die Besitzstandsgarantie im vorliegenden Fall zu keinem höheren Taggeld führt. Die Sache ist daher an die Verwaltung zurückzuweisen, damit sie ergänzende Abklärungen zur Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers im bisherigen Beruf hinsichtlich der Zeit vor Beginn des Anspruchs auf das IV-Taggeld vornehme und über das Massliche des Taggeldanspruchs neu verfüge.
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Sachverhalt ab Seite 92 BGE 131 I 91 S. 92 Der Grosse Rat des Kantons Wallis beschloss am 16. September 2004 den verbindlichen Zusammenschluss der vier Munizipalgemeinden Ausserbinn, Ernen, Mühlebach und Steinhaus zu einer einzigen Gemeinde. Der Grossratsbeschluss ordnet die Fusion an und umschreibt das Gebiet der neuen Gemeinde (Art. 1), nimmt davon indes die Burgergemeinden aus (Art. 2). Darüber hinaus regelt der Beschluss verschiedenartige, mit dem Zusammenschluss verbundene Sachbereiche: Die neue Gemeinde hat in geheimer Urnenabstimmung über Namen und Wappen Beschluss zu fassen (Art. 3); die Verwaltungsrechnungen der einzelnen Munizipalgemeinden werden auf den 31. Dezember 2004 abgeschlossen und zusammen mit der Fusionsbilanz per 1. Januar 2005 von der ersten Urversammlung der neuen Gemeinde genehmigt (Art. 4); die bestehenden Reglemente bleiben während einer Übergangsfrist in Kraft (Art. 5); bis zum Beginn der nächsten Legislaturperiode bleiben die gegenwärtigen Gemeinderäte im Amt und bilden für die Übergangszeit den Gemeinderat der neuen Gemeinde, worauf die Wahlen für den zu bestimmenden Gemeinderat durchzuführen sind (Art. 6-8); der neuen Gemeinde soll während vier Jahren gemäss Finanzausgleichsrecht ein jährlicher Beitrag von 261'000 Franken, im ersten Jahr nach dem Zusammenschluss eine weitere zusätzliche Finanzhilfe von 461'000 Franken sowie aus dem Spezialfonds für Finanzausgleich schliesslich in zwei jährlichen Tranchen ein Betrag von 500'000 Franken ausbezahlt werden (Art. 9 und 10). Dieser Grossratsbeschluss ist auf den 1. Oktober 2004 in Kraft getreten. Diesem Fusionsbeschluss sind längere Bemühungen über einen Zusammenschluss der Gemeinden Ausserbinn, Ernen, Mühlebach und Steinhaus, teils unter Einbezug der Gemeinde Binn, vorausgegangen. Anlässlich von Gemeindeabstimmungen vom 22. September 2002 stimmten die Munizipalgemeinden Ernen, Mühlebach und Steinhaus einem Fusionsprojekt zu, während die Gemeinde Ausserbinn dieses ablehnte. Mit Botschaft vom 21. April 2004 beantragte der Staatsrat dem Grossen Rat den Zusammenschluss der vier Gemeinden. BGE 131 I 91 S. 93 Die Munizipalgemeinde Ausserbinn erhebt gegen den Grossratsbeschluss staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Gemeindeautonomie und rügt Missachtungen von Verfahrensrechten und des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten war.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der Beschluss des Grossen Rates kann mit keinem kantonalen Rechtsmittel angefochten werden und ist daher kantonal letztinstanzlich im Sinne von Art. 86 Abs. 1 OG (vgl. Art. 72 und 74 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren und die Verwaltungsrechtspflege). Die beschwerdeführende Gemeinde wird durch den angefochtenen Beschluss in ihrer Existenz berührt und in ihren hoheitlichen Befugnissen betroffen und ist daher zur staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung der Gemeindeautonomie legitimiert (vgl. BGE 129 I 410 E. 1.1 S. 412; BGE 121 I 218 E. 2a S. 219 f.; BGE 120 Ia 95 E. 1a S. 96 f., mit Hinweisen). Auf die Beschwerde kann eingetreten werden. Den Walliser Gemeinden kommt unbestrittenermassen Autonomie zu (vgl. Art. 26 Abs. 2 und Art. 69 ff. der Verfassung des Kantons Wallis vom 8. März 1907 [KV]; Art. 2 und 3 des Gemeindegesetzes vom 5. Februar 2004 [GG]). Die Beschwerdeführerin kann sich daher mit Autonomiebeschwerde dagegen zur Wehr setzen, dass der Grosse Rat bei der Anwendung kommunaler, kantonaler oder bundesrechtlicher Vorschriften gegen das Willkürverbot verstösst oder, soweit kantonales oder eidgenössisches Verfassungsrecht in Frage steht, dieses unrichtig auslegt und anwendet. In diesem Rahmen kann sie die Verletzung der Bestimmungen, welche die Befugnisse der Gemeinden und deren Zusammenschluss ordnen, rügen, verfassungsrechtliche Verfahrensrechte anrufen und schliesslich geltend machen, die kantonalen Instanzen hätten die Tragweite von verfassungsmässigen Rechten missachtet, soweit diese Vorbringen mit der behaupteten Autonomieverletzung in engem Zusammenhang stehen (vgl. BGE 128 I 3 E. 2b S. 9; BGE 114 Ia 168 E. 2a S. 170). Die Anwendung von kantonalem oder eidgenössischem Verfassungsrecht prüft das Bundesgericht mit freier Kognition, die Handhabung von Gesetzes- und Verordnungsrecht lediglich unter dem Gesichtswinkel des Willkürverbots (vgl. BGE 128 I 3 E. 2b S. 9 BGE 131 I 91 S. 94 mit Hinweisen). Vor diesem Hintergrund ist die Beschwerde im Folgenden zu prüfen. 2. Die Gemeinden und ihre Autonomie wurden in der alten Bundesverfassung nicht erwähnt. Die Gemeindeautonomie und ihr Umfang waren nicht durch Bundesverfassungsrecht gewährleistet, die Autonomie wurde vielmehr als Institution des kantonalen Rechts bezeichnet (vgl. BGE 113 Ia 200 E. 2b S. 206 mit Hinweisen). Art. 50 Abs. 1 BV garantiert die Gemeindeautonomie nunmehr ausdrücklich nach Massgabe des kantonalen Rechts und verweist damit in Bezug auf den Umfang auf die kantonale Verfassungs- und Gesetzgebung. Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Autonomie in der Bedeutung der Bestandesgarantie geltend macht, ist daher ausschliesslich auf das kantonale Recht abzustellen. Die Kantonsverfassung gewährt den Gemeinden in den Schranken von Verfassung und Gesetzgebung bei der Besorgung ihrer Angelegenheiten in allgemeiner Weise Autonomie; nach Art. 69 KV ordnen die Gemeinden ihre Angelegenheiten selbständig. Darüber hinaus garantiert Art. 77 Abs. 2 KV das Gebiet der Einwohnergemeinden und enthält damit eine Bestandesgarantie. Den gleichen Grundsatz enthält Art. 3 Abs. 2 GG. Der Bestand wird indessen nicht absolut gewährleistet. Gemäss Art. 26 Abs. 3 KV kann der Grosse Rat nach entsprechender Anhörung durch Dekret Zahl und Umgrenzung der Gemeinden abändern. Der Grosse Rat ist daher grundsätzlich befugt, den Zusammenschluss von einzelnen Gemeinden anzuordnen. Im neuen Gemeindegesetz wird die Fusion oder Trennung von Gemeinden ausführlich geordnet (Art. 129 ff. GG). Danach kann der Grosse Rat insbesondere zwei oder mehrere Gemeinden unter bestimmten Voraussetzungen zur Fusion zwingen (Art. 135 GG). Aus diesen Bestimmungen ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass der Grosse Rat zum Zwangszusammenschluss von einzelnen Gemeinden befugt ist. Die Beschwerdeführerin macht denn auch nicht geltend, der Bestand der Gemeinden sei absolut garantiert und es fehle dem Grossen Rat grundsätzlich die Befugnis zur Anordnung von Zwangsfusionen. Sie macht vielmehr geltend, grundlegende Verfahrensrechte seien nicht eingehalten worden, es fehlten die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Zwangsfusion und der angefochtene Beschluss verstosse gegen verschiedene Verfassungsgrundsätze und -rechte. Darauf ist im Folgenden einzugehen. BGE 131 I 91 S. 95 3. Der Zusammenschluss von Gemeinden allgemein und das Fusionsverfahren im Besondern werden in den Art. 129 ff. und 136 ff. des Gemeindegesetzes geordnet. Art. 136 Abs. 1 GG hält - übereinstimmend mit Art. 26 Abs. 3 KV - als Grundsatz fest, dass der Grosse Rat nach Anhören der Beteiligten die Zahl und die Grenzen der Gemeinden durch einen Beschluss verändern kann. Die Zwangsfusion von Gemeinden im Einzelnen wird in Art. 135 GG mit folgender Bestimmung geordnet: Art. 135 - Zwangsfusion Der Grosse Rat kann zwei oder mehrere Gemeinden zur Fusion zwingen, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist: a) wenn ein negativer Entscheid zu einem Fusionsprojekt ihren finanziellen Weiterbestand gefährdet; b) wenn eine einzige Gemeinde das Hindernis zu einer Fusion darstellt, währenddem die angrenzenden Gemeinden bereits ihre Zustimmung zu einer bedeutenden Fusion gegeben haben; c) wenn eine Gemeinde nicht mehr in der Lage ist, das Funktionieren der Institutionen zu gewährleisten, namentlich dann, wenn sie die freigewordenen Ämter aufgrund der beschränkten Einwohnerzahl nicht wiederbesetzen kann. 3.1 In verfahrensrechtlicher Hinsicht macht die Beschwerdeführerin vorerst eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend und bringt vor, dass sie weder vom Staatsrat, der vorberatenden Kommission noch vom Grossen Rat angehört worden sei, dass ihre Einwände nicht ernst genommen worden seien und dass ihr der Fusionsbeschluss nicht einmal mitgeteilt worden sei. Diese verfahrensrechtlichen Rügen sind im Rahmen der Autonomiebeschwerde zulässig und vorweg zu behandeln. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung besteht im Rechtsetzungsverfahren nach Bundesverfassungsrecht ( Art. 29 Abs. 2 BV ) kein Anspruch auf rechtliches Gehör (vgl. BGE 129 I 113 E. 1.4 S. 117; BGE 129 I 232 E. 3.2 S. 237). Im vorliegenden Fall ging der angefochtene Beschluss zwar vom Grossen Rat aus. Er stellt indessen keinen Akt der Rechtsetzung dar, sondern hat eine konkrete Anordnung betreffend Zusammenschluss von Gemeinden zum Gegenstand und ist daher als Verfügung oder Verwaltungsakt zu betrachten (vgl. BGE 129 I 232 E. 3.3 S. 237). Die Beschwerdeführerin kann sich daher auf Art. 29 Abs. 2 BV berufen (vgl. BGE 129 I 232 E. 3.2 S. 236). Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird über die bundesrechtliche Minimalgarantie hinaus vorab durch das kantonale Recht umschrieben (vgl. BGE 126 I 19 E. 2a S. 21). Die BGE 131 I 91 S. 96 Bestimmungen von Art. 26 Abs. 3 KV und Art. 136 Abs. 1 GG sehen allgemein vor, dass der Grosse Rat "nach Anhören der Beteiligten" die Zahl und die Grenzen von Gemeinden verändern kann. Die Grundsätze der Anhörung ergeben sich schliesslich aus dem Gemeindegesetz: Konzepte zu Fusionsprojekten sind den Gemeinden zu unterbreiten (vgl. Art. 132 f. GG) und es finden in den Urgemeinden und den Burgergemeinden Abstimmungen zu Fusionen statt (Art. 137 und 139 GG). Die Zwangsfusion schliesslich geht in den Konstellationen von Art. 135 lit. a und lit. b GG von (allfällig negativen) Stellungnahmen der Gemeinden aus. In welcher Form die vom kantonalen Recht vorgesehene Anhörung im Einzelnen zu gewähren ist und welches deren Grenzen sind, ist in Anlehnung an den Grundsatz von Art. 29 Abs. 2 BV und aufgrund der konkreten Verhältnisse zu bestimmen. Dem angefochtenen Fusionsbeschluss gingen, wie dargelegt, mehrjährige Bemühungen um einen Zusammenschluss der vier betroffenen Gemeinden und der Gemeinde Binn sowie Diskussionen um die Bedingungen hierfür (insbesondere finanzieller Natur) voraus. Nach einer Abstimmung über eine 5er Fusion unter Einschluss der Gemeinde Binn im Jahr 1999 stimmten die vier Gemeinden Ausserbinn, Ernen, Mühlebach und Steinhaus am 22. September 2002 über ein Fusionsprojekt ab; die Gemeinde Ausserbinn lehnte dieses mit 19 zu 14 Stimmen (57.6 %) ab, während die übrigen drei Gemeinde zustimmten. In der Folge wurde unter Einbezug der Gemeinde Ausserbinn mit den drei fusionswilligen Gemeinden und dem zuständigen Staatsrat das weitere Vorgehen besprochen (11. November 2002). Am 21. April 2004 verabschiedete der Staatsrat seine Botschaft über den Zusammenschluss der vier Gemeinden zuhanden des Grossen Rates. Die vorberatende Grossratskommission, die Thematische Kommission, lud die Vertreter der betroffenen Gemeinden auf den 24. Juni 2004 zu einer Besprechung ein, an der sich die Gemeindepräsidenten zum vorgeschlagenen Fusionsprojekt äusserten. Eine weitere Besprechung mit Vertretern der Gemeinde Ausserbinn fand am 2. Juli 2004 statt; diese legten ihre Bedenken und die Voraussetzungen für ihr Einverständnis dar. In zwei Eingaben vom 15. Juni und 26. Juni 2004 wandte sich die Gemeinde an die Kommission. Am 6. August 2004 stellte die Gemeinde Ausserbinn der Kommission bzw. dem Grossen Rat Anträge. In einer weitern Eingabe vom 26. August 2004 schliesslich brachte die Gemeinde Ausserbinn der Thematischen Kommission ihr Bedauern über die Kommissionsanträge zum Ausdruck. BGE 131 I 91 S. 97 Diese Entstehungsgeschichte zeigt deutlich, dass sich die Beschwerdeführerin ausgiebig zum vorgesehenen Zwangszusammenschluss äussern konnte. Sie hatte mehrmals Gelegenheit, ihren Standpunkt darzulegen und bei der vorbereitenden Kommission einzubringen. Insbesondere hat sie die Bedingungen dargelegt, unter welchen sie einer Fusion allenfalls hätte zustimmen können, und hat darüber hinaus klare Begehren gestellt. Dass es sich nicht um eine bloss förmliche Anhörung handelte, sondern die Bedenken der Gemeinde tatsächlich wahr- und ernstgenommen worden sind, zeigt der Bericht der Thematischen Kommission mit aller Deutlichkeit. Es ist der Kommission nicht leicht gefallen, vom gesetzlich vorgesehenen Mittel der Zwangsfusion im vorliegenden Fall Gebrauch zu machen; mehrere Mitglieder haben sich für den Standpunkt der Gemeinde stark gemacht; und schliesslich ist der Antrag der Kommission zuhanden des Grossen Rates lediglich mit Mehrheitsbeschluss zustande gekommen. Bei dieser Sachlage erweist sich die Rüge der mangelnden Anhörung im Sinne des kantonalen Rechts bzw. der Verletzung des rechtlichen Gehörs gemäss Art. 29 Abs. 2 BV als unbegründet. Nicht einzugehen ist unter diesen Umständen auf die nicht näher dargelegte Rüge, die Gemeinde hätte bereits im internen Vorbereitungsverfahren des Staatsrates angehört werden müssen. Schliesslich legt die Beschwerdeführerin nicht dar, welche Formvorschriften hinsichtlich der Bekanntgabe des angefochtenen Grossratsbeschlusses verletzt sein sollen und inwiefern sie durch die blosse Publikation im Amtsblatt - von der sie tatsächlich Kenntnis genommen hat - einen Nachteil erlitten haben soll. 3.2 In materieller Hinsicht macht die Beschwerdeführerin geltend, im vorliegenden Fall fehlten offensichtlich die Voraussetzungen gemäss Art. 135 lit. a und lit. c GG; darüber hinaus finde auch Art. 135 lit. b GG keine Anwendung, da die Gemeinde Ausserbinn nicht an alle drei fusionswilligen Gemeinden angrenze und beim vorliegenden Zusammenschluss nicht von einer bedeutenden Fusion gesprochen werden könne. Demgegenüber hält der Staatsrat in seiner Vernehmlassung fest, der angefochtene Grossratsbeschluss stütze sich auf Art. 135 lit. b GG, dessen Voraussetzungen im Falle der Gemeinde Ausserbinn erfüllt seien. Die Bestimmung von Art. 135 lit. b GG ist im Hinblick auf deren Anwendung im vorliegenden Fall nach den üblichen Kriterien BGE 131 I 91 S. 98 auszulegen. Dabei ist vom Wortlaut der Vorschrift auszugehen und allenfalls die Entstehungsgeschichte miteinzubeziehen. In dieser Hinsicht zeigt sich vorerst, dass die Ablehnung der Fusion durch die beschwerdeführende Gemeinde Ausserbinn dem Zusammenschluss der vier Gemeinden gemäss dem vorliegenden Projekt entgegensteht und damit ein Hindernis im Sinne der genannten Bestimmung darstellt. Unbestritten ist, dass die Gemeinden Ernen, Mühlebach und Steinhaus der Fusion zugestimmt haben. Von Seiten der Beschwerdeführerin wird bestritten, dass diese drei Gemeinden zur Gemeinde Ausserbinn "angrenzend" sind. Sie macht geltend, als "angrenzend" im Sinne von Art. 135 lit. b GG könne nur verstanden werden, dass die Gemeinde Ausserbinn zu allen drei übrigen Gemeinden eine gemeinsame Grenze habe. Im vorliegenden Fall aber grenze die Gemeinde Ausserbinn lediglich an die Gemeinde Ernen an. Der Staatsrat bringt demgegenüber vor, "angrenzend" sei nicht gleichbedeutend wie "umgebend", und verweist auf die Materialien, wonach eine Zwangsfusion auch sollte angeordnet werden können, wenn die ablehnende Gemeinde am Rande der neuen Fusionsgemeinde liegt. Der Ausdruck "angrenzend" ist nicht von vornherein klar. Er bringt auf der einen Seite zum Ausdruck, dass ein Zusammenschluss nur angeordnet werden kann, wenn eine territorial zusammengehörende Gemeinde geschaffen wird. Damit wird die Konstellation verschiedener, gebietsmässig nicht zusammenhängender Gemeinden nicht unter die Bestimmung von Art. 135 lit. b GG fallen. Auf der andern Seite darf angenommen werden, dass die Bestimmung sowohl auf Fälle, in denen jede der Gemeinden mit den andern gemeinsame Grenzen hat, wie auch dort anwendbar ist, wo die Gemeinde in Bezug auf die neue Fusionsgemeinde zentral liegt und im Falle des Nichteinbezugs deren territoriale Einheitlichkeit beeinträchtigen würde. Auf der andern Seite ist es auch haltbar, die Bestimmung zur Anwendung zu bringen, wo die ablehnende Gemeinde nur zu einer der zustimmenden Gemeinden eine gemeinsame Grenze hat. Darauf deutet die Entstehungsgeschichte hin, wonach zur Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Ausdruck "umgebend" durch "angrenzend" ersetzt worden ist. Nach den Beratungen sollte über die einzelne Gemeinde hinaus der regionale Aspekt ausschlaggebend sein. Sinn und Zweck von Fusionen legen es nahe, auch in einem Tal hintereinander gelegene Gemeinden zu erfassen. Daraus kann gefolgert werden, dass auch eine Gemeinde BGE 131 I 91 S. 99 zur Fusion gezwungen werden kann, die - wie im vorliegenden Fall - nur mit einer der fusionswilligen Gemeinden eine gemeinsame Grenze aufweist. Insoweit kann dem Grossen Rat keine Willkür vorgehalten werden, die Bestimmung von Art. 135 lit. b GG auf das vorliegende Fusionsprojekt und die beschwerdeführende Gemeinde angewendet zu haben. Schliesslich bestreitet die Beschwerdeführerin das Vorliegen einer "bedeutenden Fusion" im Sinne von Art. 135 lit. b GG. Mit dem Staatsrat lässt sich indessen mit guten Gründen vertreten, dass die neu zu schaffende Fusionsgemeinde im Sinne der genannten Vorschrift "bedeutend" ist. Dieser weist insbesondere darauf hin, dass die neue Gemeinde bevölkerungsmässig zur zweitgrössten und von der Ausdehnung zur fünftgrössten des Bezirks Goms würde. Dass im Hinblick auf die Auslegung des Ausdrucks "bedeutende Fusion" auf die lokalen Verhältnisse und nicht auf andere im Kanton vorherrschende Gegebenheiten abgestellt wird, hält vor dem Willkürverbot stand. Damit ergibt sich, dass der Grosse Rat die Bestimmung von Art. 135 lit. b GG ohne Willkür auf das vorliegende, die vier Gemeinden Ausserbinn, Ernen, Mühlebach und Steinhaus umfassende Fusionsprojekt anwenden durfte. 3.3 Die Beschwerdeführerin erachtet den Grossratsbeschluss ferner als unverhältnismässig. Sie bringt insbesondere vor, dass ein Zusammenschluss der drei fusionswilligen Gemeinden für sich allein tragfähig wäre und es der zwangsweisen Beteiligung der Gemeinde Ausserbinn nicht bedürfe. In seiner Vernehmlassung weist der Staatsrat in diesem Zusammenhang auf verschiedene Aspekte geographischer und ökonomischer Natur hin. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit stellt kein verfassungsmässiges Recht, sondern bloss einen verfassungsmässigen Grundsatz dar. Als solcher kann er indessen im Zusammenhang mit der Rüge der Verletzung von Freiheitsrechten angerufen werden (vgl. BGE 126 I 112 E. 5b S. 119; BGE 125 I 161 E. 2b S. 163; BGE 124 I 107 E. 4c/aa S. 115). Die beschwerdeführende Gemeinde ist somit befugt, sich im Zusammenhang mit der Verletzung der Gemeindeautonomie auf den Verhältnismässigkeitsgrundsatz zu berufen. Dieser verlangt, dass eine Massnahme geeignet ist, das im öffentlichen Interesse angestrebte Ziel zu erreichen, und sich zudem im Hinblick auf die Zweck-Mittel-Relation erforderlich und angemessen erweist (vgl. BGE 131 I 91 S. 100 BGE 130 II 425 E. 5.2 S. 438; BGE 125 I 474 E. 3 S. 482; BGE 124 I 107 E. 4c/aa S. 115; BGE 123 I 152 E. 7 S. 169; BGE 121 I 334 E. 11 S. 349). Der Zusammenschluss von Gemeinden wird von der Kantonsverfassung ausdrücklich vorgesehen (Art. 26 Abs. 3 KV) und im Gemeindegesetz ausführlich geregelt (Art. 129-143 GG). Der Kanton fördert die Fusion von Gemeinden in allgemeiner Weise (Art. 129 GG), unterstützt entsprechende Vorhaben mit finanziellen Leistungen (Art. 130 und 131 GG) und will auf diese Weise den heutigen Herausforderungen entsprechende Strukturen auf kommunaler Stufe bereitstellen (vgl. Botschaft des Staatsrates vom 21. April 2004 zum Beschlussentwurf betreffend Zusammenschluss der Munizipalgemeinden Ausserbinn, Ernen, Mühlebach und Steinhaus [im Folgenden: Botschaft des Staatsrates], Ziff. 1). Im Lichte dieser Bestrebungen erscheint die Fusion von Gemeinden mit kleinen Einwohnerzahlen und niedrigen Einkünften als sachgerecht (vgl. zu den statistischen Grundlagen Botschaft des Staatsrates, a.a.O., Ziff. 2.3 und 4.2.1). Das gilt nicht nur für die Gemeinden Ernen (412 Einwohner), Mühlebach (76 Einwohner) und Steinhaus (44 Einwohner), sondern gleichermassen für die Gemeinde Ausserbinn, welche mit 41 Einwohnern (gemäss Botschaft des Staatsrates, a.a.O., Ziff. 4.2.1) als Kleinstgemeinde gilt und eine Rechnung mit Einnahmen aufweist, die zu 37 % aus dem ordentlichen Finanzausgleich gedeckt werden. Bei dieser Sachlage entspricht der zwangsmässige Einschluss der Gemeinde Ausserbinn in die Fusion der insgesamt vier Gemeinden den Bemühungen um Neustrukturierung auf kommunaler Stufe und darf zum Erreichen dieses Zieles auch als geeignet bezeichnet werden. Darüber hinaus kann die Zwangsfusion auch unter dem Gesichtswinkel der Verhältnismässigkeit im engeren Sinne nicht als unangemessen bezeichnet werden. Es ist der Beschwerdeführerin zwar einzuräumen, dass mit einem blossen Zusammenschluss der drei fusionswilligen Gemeinden mit insgesamt über 500 Einwohnern eine neue tragfähige Gemeinde geschaffen werden könnte. Dem stünde ein Nichteinbezug der Gemeinde Ausserbinn an sich nicht entgegen. Dies hätte indes zur Folge, dass entgegen den genannten Bestrebungen eine Kleinstgemeinde weiterhin bestehen bliebe. Heute gehört die Gemeinde Ausserbinn zu den finanzschwächsten Gemeinden im Kanton. Mehr als ein Drittel ihrer Einnahmen erhält sie aus dem ordentlichen Finanzausgleich. Dieser aber steht nunmehr in Revision, ohne dass sein Weiterbestand auf die Dauer BGE 131 I 91 S. 101 garantiert und damit eine finanzielle Sicherheit der Gemeinde auf die Länge gewährleistet werden könnte. Solche Umstände lassen den zwangsweisen Anschluss der Gemeinde Ausserbinn an die drei fusionswilligen Gemeinde auf längere Sicht als vertretbar erscheinen. Schon heute besteht in verschiedenen Sachbereichen - Forstwirtschaft, Energieversorgung, Bildungswesen, Pfarrei, Friedhofwesen, Feuerwehr - eine Zusammenarbeit zwischen der Gemeinde Ausserbinn und namentlich der Gemeinde Ernen. Der zwangsweise Zusammenschluss kann daher als Fortsetzung der bereits vorhandenen partnerschaftlichen Beziehungen verstanden werden und erscheint daher nicht als sachfremd oder gar abwegig. Die Fusion kann auch unter dem Gesichtswinkel der geographischen Verhältnisse nicht als unverhältnismässig bezeichnet werden. Zum einen erfordert das Gemeindegesetz für die Anordnung von Zwangsfusionen nicht eine geographische Verflechtung zwischen den vom Zusammenschluss betroffenen Gemeinden. Zum andern ist die Distanz zwischen den Dorfkernen von Ausserbinn und Ernen derjenigen vergleichbar, wie sie zwischen Ernen, Mühlebach und Steinhaus besteht. Unter dem Gesichtswinkel der Verhältnismässigkeit ist schliesslich von Bedeutung, dass sich die Gemeinde Ausserbinn - anders etwa als die Gemeinde Binn - anlässlich der Abstimmung vom November 2000 schon einmal für eine Fusion ausgesprochen hat und infolge des damaligen Scheiterns für eine Fortsetzung des Projektes eingetreten ist. Das zeigt, dass der Fusion nicht grundsätzlich opponiert worden ist, sondern die Ablehnung im September 2002 möglicherweise mehr auf die damit verbundenen Bedingungen und nicht erfüllten Forderungen zurückzuführen ist. Gesamthaft gesehen kann der angefochtene Fusionsbeschluss in Anbetracht der konkreten Umstände nicht als unverhältnismässig bezeichnet werden. 3.4 Im Zusammenhang mit der Rüge der Unverhältnismässigkeit der Zwangsfusion weist die Beschwerdeführerin zum einen auf die bisherige finanzielle Situation der Gemeinde Ausserbinn und der Gemeinde Ernen hin und macht zum andern eine Verletzung der Eigentumsgarantie geltend. Der Rüge der Verletzung der Eigentumsgarantie kommt hier keine selbstständige Bedeutung zu. Zum einen geht es in diesem Zusammenhang um Vermögenswerte, die der Gemeinde als Trägerin der öffentlichen Gewalt und nicht als Privatrechtssubjekt zukommen. BGE 131 I 91 S. 102 Zum andern steht mit dem angefochtenen Beschluss die eigentliche Existenz der Gemeinde Ausserbinn auf dem Spiele, welche zwingend auch die hoheitlichen Vermögensrechte umfasst. So verstanden ist nicht ersichtlich, inwiefern der Grosse Rat mit der Anordnung der Zwangsfusion die Tragweite der Eigentumsgarantie missachtet haben sollte. Das Gemeindegesetz sieht, wie dargelegt, vor, dass der Grosse Rat den zwangsweisen Zusammenschluss von Gemeinden anordnen kann. Nach Art. 140 GG entscheidet der Grosse Rat über die Fusion der beteiligten Gemeinwesen und kann namentlich vorsehen, dass das neue Gemeinwesen alle Rechte und Pflichten der früheren übernimmt. In diesem Sinne sind in Art. 4 des angefochtenen Grossratsbeschlusses die Verwaltungsrechnungen der bisherigen Gemeinden und die Übernahme von Aktiven und Passiven durch die neue Gemeinde geordnet. Diese Anordnungen können sich damit auf das Gemeindegesetz abstützen und sind insoweit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. In der Botschaft des Staatsrates zum Fusionsbeschluss wird die finanzielle Lage der Gemeinde Ausserbinn per 31. Dezember 2002 als gesund, diejenige der Gemeinde Ernen als schlecht bezeichnet (a.a.O., Ziff. 5.4). Diese Ausgangslage vermag indessen für sich allein genommen den angefochtenen Fusionsbeschluss nicht als unverhältnismässig erscheinen zu lassen. Zum einen ist mitzuberücksichtigen, dass die Finanzen der beiden weitern Gemeinden Mühlebach und Steinhaus als gesund bzw. als sehr gesund betrachtet werden. Zum andern führt der Staatsrat in der Vernehmlassung aus, dass die kumulierte Nettoschuld der vier Gemeinden per 31. Dezember 2003 rund 2,5 Millionen Franken beträgt, was einer Verschuldung pro Einwohner von rund 4'300 Franken entspricht und damit weit unter dem kantonalen Mittel von rund 6'300 Franken liegt. Darüber hinaus wird die kumulierte Nettoschuld durch die vom Kanton zugesprochene Finanzhilfe von rund 2 Millionen Franken gleichsam gedeckt (vgl. Art. 8 und 9 des angefochtenen Grossratsbeschlusses). Damit kann der Fusionsbeschluss auch unter finanziellen Gesichtspunkten nicht als unverhältnismässig bezeichnet werden. Schliesslich rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebotes im Sinne von Art. 8 Abs. 1 BV . Sie macht in dieser Hinsicht insbesondere geltend, dass sie zwangsweise in BGE 131 I 91 S. 103 die Fusion einbezogen worden sei, während die Gemeinde Binn von der Fusion ausgeschlossen blieb und damit selbstständig bleiben könne. Als betroffene Gemeinde kann sich die Beschwerdeführerin in ihrer Autonomiebeschwerde grundsätzlich auch auf dieses Verfassungsrecht berufen. Der Anspruch auf Rechtsgleichheit gebietet, Gleiches nach Massgabe der Gleichheit gleich und Ungleiches nach Massgabe der Ungleichheit ungleich zu behandeln. Das Rechtsgleichheitsgebot wird insbesondere verletzt, wenn gleiche Sachverhalte ohne sachliche Gründe ungleich behandelt werden (vgl. BGE 129 I 65 E. 3.6 S. 70; BGE 127 I 202 E. 3f/aa S. 209, mit Hinweisen). Von einer rechtsungleichen Behandlung der Beschwerdeführerin im Vergleich zur Gemeinde Binn kann im vorliegenden Zusammenhang der Zwangsfusion nicht gesprochen werden. Die Situation der beiden Gemeinden unterscheidet sich in verschiedener Hinsicht. Zum einen darf berücksichtigt werden, dass sich die Gemeinde Binn schon seit längerer Zeit gegen jegliche Fusionspläne zur Wehr setzte, während die Gemeinde Ausserbinn dem Vorhaben eines Zusammenschlusses vorerst positiv gegenüberstand und nach einem ersten Scheitern eine Weiterverfolgung des Projektes befürwortete. In geographischer Hinsicht lässt sich die Lage der das ganze hintere Binntal umfassenden Gemeinde Binn mit derjenigen von der am Talausgang gegen das Rhonetal gelegenen Gemeinde Ausserbinn nicht vergleichen. Die Beschwerdeführerin macht ferner nicht geltend, ihre Situation sei etwa hinsichtlich Bevölkerungsanzahl oder der finanziellen Lage mit derjenigen von Binn vergleichbar; insbesondere bringt sie nicht vor, dass mit dem Weiterbestehen von Binn eine Kleinstgemeinde ohne finanzielle Sicherung für die Zukunft aufrechterhalten würde. Schliesslich macht sie auch nicht geltend, dass vor dem Hintergrund der aufgezeigten Bemühungen um den Zusammenschluss von Kleinstgemeinden das Rechtsgleichheitsgebot eine andere Ordnung der kleinen Gemeinden geboten hätte. Bei dieser Sachlage bestehen aus verfassungsrechtlicher Sicht hinreichende sachliche Gründe, die Gemeinden Binn und Ausserbinn im Hinblick auf die angeordnete Zwangsfusion unterschiedlich zu behandeln.
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Sachverhalt ab Seite 68 BGE 146 IV 68 S. 68 A. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau stellte das Verfahren gegen die Bank B. wegen Geldwäscherei im Sinne von Art. 305 bis i.V.m. Art. 102 Abs. 2 StGB mit Verfügung vom 26. März 2018 infolge Verjährung ein. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau BGE 146 IV 68 S. 69 genehmigte die Einstellungsverfügung am 27. März 2018. Gegen die Einstellungsverfügung erhoben A. sowie weitere Privatkläger Beschwerde beim Obergericht des Kantons Aargau. Dieses hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 30. November 2018 gut; es hob die Einstellungsverfügung vom 26. März 2018 auf und wies die Sache zur weiteren Behandlung an die kantonale Staatsanwaltschaft zurück. B. Die Oberstaatsanwaltschaft beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, der Entscheid vom 30. November 2018 sei aufzuheben und das Verfahren gegen die Bank B. sei wegen Verjährung einzustellen. Eventualiter sei das Verfahren zur Beurteilung der Verjährung an das Obergericht zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Nach Art. 319 Abs. 1 StPO verfügt die Staatsanwaltschaft die Einstellung des Verfahrens u.a. dann, wenn kein Tatverdacht erhärtet ist, der eine Anklage rechtfertigt (lit. a), kein Straftatbestand erfüllt ist (lit. b), Rechtfertigungsgründe einen Straftatbestand unanwendbar machen (lit. c), Prozessvoraussetzungen definitiv nicht erfüllt werden können oder Prozesshindernisse aufgetreten sind (lit. d). Art. 319 Abs. 1 lit. d StPO ist zwar - wie auch Art. 319 Abs. 1 lit. b und c StPO - absolut formuliert. Die Staatsanwaltschaft darf das Strafverfahren nach ständiger Rechtsprechung dennoch nur bei klarer Straflosigkeit oder offensichtlich fehlenden Prozessvoraussetzungen einstellen ( BGE 143 IV 241 E. 2.2.1 S. 243; BGE 138 IV 186 E. 4.1 S. 190; BGE 137 IV 219 E. 7.1 S. 226; gleich LANDSHUT/BOSSHARD, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], 2. Aufl. 2014, N. 24 zu Art. 319 StPO ). Obwohl Art. 319 Abs. 1 StGB den Zweifelsfall nur für die tatsächlichen Voraussetzungen der angeklagten Tat vorsieht (vgl. lit. a), muss daher auch für die rechtliche Subsumtion eines Verhaltens gelten, dass bei Zweifeln an der rechtlichen Würdigung durch ein Gericht keine Einstellungsverfügung ergehen darf (NIKLAUS OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, 3. Aufl. 2012, N. 1397). Das Fehlen von Präjudizien im materiellen Strafrecht kann nach der Rechtsprechung ein Grund für eine Anklageerhebung und gegen eine Verfahrenseinstellung sein ( BGE 138 IV 86 E. 4.1.2 S. 91). Bei der Verjährung handelt es sich BGE 146 IV 68 S. 70 um ein dauerndes Prozesshindernis im Sinne von Art. 319 Abs. 1 lit. d StPO (vgl. BGE 142 IV 383 E. 2.1 S. 386; BGE 116 IV 80 E. 2a S. 81; Urteile 6B_479/2013 vom 30. Januar 2014 E. 2.1; 6B_238/2013 vom 22. November 2013 E. 2.3; 6B_277/2012 vom 14. August 2012 E. 2.3). Bei zweifelhafter Rechtslage hat nach der Rechtsprechung mithin nicht die Untersuchungs- oder Anklagebehörde über den Verjährungseintritt zu entscheiden, sondern die für die materielle Beurteilung zuständigen Gerichte. Eine Einstellung infolge Verjährung darf nach der Rechtsprechung daher nur ergehen, wenn die Verjährung offensichtlich ist. An dieser Rechtsprechung ist grundsätzlich festzuhalten. 2.2 Die Rechtsprechung betonte allerdings auch, dass der Grundsatz, wonach im Zweifelsfall nicht eingestellt werden darf, unter Würdigung der im Einzelfall gegebenen Umstände anzuwenden ist, und die Kantone insoweit über ein gewisses Ermessen verfügen ( BGE 138 IV 186 E. 4.1 S. 190, BGE 138 IV 86 E. 4.1.2 S. 91; Urteile 6B_384/2019 vom 21. August 2019 E. 3.1; 6B_573/2017 vom 11. Januar 2018 E. 5.2). Im Rahmen dieses Ermessens darf in Einzelfällen auch dem Grundsatz der Prozessökonomie Rechnung getragen werden. Der Beschwerdeführerin ist beizupflichten, dass es aus prozessökonomischer Sicht Sinn macht, die Frage der Verjährung vorab zu prüfen, wenn damit wie vorliegend ein bedeutender Aufwand an Zeit und Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren vermieden werden kann. Dies entspricht auch dem Sinne und Zweck von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG . Die Möglichkeit, dem Gericht die Frage der Verjährung (vor der Anklageerhebung bzw. im Sinne einer Zweiteilung der Anklageerhebung) vorab zur Beurteilung zu unterbreiten, ist in der StPO indes nicht vorgesehen. Zwar kann das Gericht nach der Anklageerhebung die Frage der Verjährung vorab prüfen (vgl. Art. 329 Abs. 1 lit. c und Art. 339 Abs. 2 lit. c StPO ; BGE 142 IV 383 E. 2.1 S. 383). Verneint es ein Prozesshindernis infolge Verjährung, muss es jedoch unverzüglich die zur Durchführung der Hauptverhandlung notwendigen Anordnungen treffen ( Art. 330 Abs. 1 StPO ) bzw. die Hauptverhandlung ohne unnötige Unterbrechungen zu Ende führen ( Art. 340 Abs. 1 lit. a StPO ). Ist die Staatsanwaltschaft der Auffassung, eine Straftat sei verjährt, kann es sich bei sehr komplexen Verfahren daher rechtfertigen, die Verjährungsfrage trotz umstrittener Rechtslage in einer Einstellungsverfügung vorwegzunehmen, wenn damit ein zeitaufwändiges und kostspieliges umfangreiches BGE 146 IV 68 S. 71 Beweisverfahren vermieden werden kann. Ein solches Vorgehen muss in Ausnahmefällen zulässig sein, wenn sich allfällige Geschädigte als Zivilkläger konstituiert haben und eine ungerechtfertigte Einstellung infolge Verjährung nötigenfalls daher mit Beschwerde beim Bundesgericht angefochten werden kann (vgl. Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Eine abschliessende Klärung der Verjährungsfrage in einer Einstellungsverfügung bzw. im Rahmen einer Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung ist jedoch auf jeden Fall nur möglich, wenn die Verjährung bejaht wird. Die Staatsanwaltschaft und die Beschwerdeinstanzen können im Rahmen einer Einstellung nur feststellen, dass Prozessvoraussetzungen definitiv nicht erfüllt werden können oder Prozesshindernisse aufgetreten sind (vgl. Art. 319 Abs. 1 lit. d StGB ), nicht hingegen, dass die Prozessvoraussetzungen erfüllt sind bzw. dass keine Prozesshindernisse vorliegen. Ist nach Auffassung der Beschwerdeinstanz Anklage zu erheben, kann sich nur das zuständige Gericht verbindlich zum Vorliegen der Prozessvoraussetzungen äussern. 2.3 2.3.1 Vorliegend machten die Beschwerdegegner im kantonalen Beschwerdeverfahren geltend, Art. 102 StGB sei eine Zurechnungsnorm. Die Verjährung der Strafbarkeit der Bank B. wegen Geldwäscherei im Sinne von Art. 102 i.V.m. Art. 305 bis Ziff. 2 StGB richte sich nach Art. 97 Abs. 1 lit. b StGB und betrage 15 Jahre. Die Beschwerdeführerin argumentiert demgegenüber in Anlehnung an NIGGLI/GFELLER, bei Art. 102 StGB handle es sich um eine Übertretung, weshalb die Verjährungsfrist lediglich drei Jahre betrage. Die dreijährige Verjährungsfrist beginne mit dem Wegfall des Organisationsdefizits zu laufen. Die Bank B. habe die Mängel in der Geschäftstätigkeit der Abteilung F. bereits per Ende 2011 erkannt und verschiedene Massnahmen getroffen, um diese Mängel zu beheben. Das Organisationsdefizit habe bereits bei Erlass der Verfügung der FINMA vom 25. März 2013 nicht mehr bestanden, in welcher die FINMA im Zusammenhang mit der durch die Abteilung F. der Bank B. betreuten Geschäftsbeziehung zur D. AG u.a. eine schwere Verletzung der bankengesetzlichen Organisations- und Gewährserfordernisse festgestellt habe. 2.3.2 Das Bundesgericht hat sich bisher nicht abschliessend zur Frage der Verjährung der Verantwortlichkeit des Unternehmens im Sinne von Art. 102 StGB geäussert. Es liess im Urteil 6B_7/2014 vom BGE 146 IV 68 S. 72 21. Juli 2014 offen, ob es sich bei Art. 102 StGB um eine Zurechnungsnorm, einen besonderen Fall der Teilnahme oder einen eigenständigen Übertretungstatbestand handelt. Für den Fall, dass Art. 102 StGB als eine besondere Form der Teilnahme und/oder als eine Zurechnungsnorm konzipiert sei, wies es jedoch darauf hin, dass sich die Verjährung der Strafbarkeit des Unternehmens im Sinne von Art. 102 StGB logischerweise nach der Verjährung der Anlasstat richtet (zit. Urteil 6B_7/2014, a.a.O., E. 3.4.1). Eine Antwort auf die Frage, ob es sich bei Art. 102 StGB um einen eigenständigen Übertretungsstraftatbestand oder eine Zurechnungsnorm handelt, kann auch BGE 142 IV 333 nicht entnommen werden (a.M. NIGGLI/GFELLER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. I, 4. Aufl. 2019, N. 19a und 20b zu Art. 102 StGB ). Hingegen entschieden sowohl das Bundesstrafgericht im Entscheid BB.2016.359 vom 14. Dezember 2016 E. 4.1 als auch das Obergericht des Kantons Solothurn im Urteil STBER.2011.32 vom 19. November 2015 E. II.1, welchem BGE 142 IV 333 zugrundelag, dass sich die Verjährung der Strafbarkeit des Unternehmens nach derjenigen für die Anlasstat richtet. Dies entspricht auch der herrschenden Lehre (vgl. etwa NIKLAUS SCHMID, Strafbarkeit des Unternehmens: die prozessuale Seite, recht 21/2003 S. 201 ff., 205 f.; ALAIN MACALUSO, La responsabilité pénale de l'entreprise: principes et commentaire des art. 100 quater et 100 quinquies CP, 2004, S. 90 f.; MACALUSO/GARBARSKI, L'art. 102 CP ne consacre pas une infraction de mauvaise organisation, AJP 2019, S. 194 ff.; GÜNTHER ARZT, Die kommende Strafbarkeit der Bank als juristischer Person, in: Banken und Bankrecht im Wandel, 2004, S. 82; MARK PIETH, Wirtschaftsstrafrecht, 2016, S. 60 f.; ders. , Plädoyer für die Reform der strafrechtlichen Unternehmenshaftung, in: Jusletter 19. Februar 2018, Rz. 12; ROBERT ROTH, L'entreprise, nouvel acteur pénal, in: La responsabilité pénale du fait d'autrui, 2002, S. 99 f.; MATTHIAS FORSTER, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Unternehmens nach Art. 102 StGB , 2006, S. 73; DUPUIS UND ANDERE, CP, Code pénal, 2. Aufl. 2017, N. 12 zu Art. 102 StGB ; YVAN JEANNERET, La responsabilité pénale de l'entreprise et le droit de la circulation routière, AJP 2004 S. 917 ff., 919). 2.3.3 Nach NIGGLI/GFELLER (a.a.O., N. 18 ff. zu Art. 102 StGB ; siehe auch NIGGLI/MAEDER, in: Wirtschaftsstrafrecht der Schweiz, 2013, S. 171 ff.) und weiteren Autoren (vgl. insb. TRECHSEL/JEAN-RICHARD, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 3. Aufl. 2018, N. 7 zu Art. 102 StGB ; FRANZ RIKLIN, Schweizerisches Strafrecht, BGE 146 IV 68 S. 73 Allgemeiner Teil I, 3. Aufl. 2007, S. 156 N. 25) handelt es sich bei Art. 102 StGB demgegenüber um einen eigenständigen Straftatbestand. Da Art. 102 StGB eine Busse als Sanktion vorsieht, gehen diese Autoren von einer Übertretung im Sinne von Art. 103 ff. StGB aus, welche gemäss Art. 109 StGB in drei Jahren verjähre. Dem steht allerdings nicht nur der Gesetzeswortlaut, sondern auch die Gesetzessystematik entgegen. Dass das in einem Unternehmen in Ausübung geschäftlicher Verrichtung im Rahmen des Unternehmenszwecks begangene Verbrechen oder Vergehen dem Unternehmen "zugerechnet" wird, ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 102 StGB . Für eine Zurechnungsnorm bzw. eine besondere Form der Teilnahme und gegen einen eigenständigen Übertretungstatbestand spricht auch, dass die Verantwortlichkeit des Unternehmens in Art. 102 StGB , d.h. im Allgemeinen Teil des StGB geregelt ist, und nicht bei den besonderen Bestimmungen im zweiten Buch des StGB, welche im Einzelnen die strafbaren Verhaltensweisen bestimmen (vgl. SCHMID, a.a.O., S. 205). Weshalb gesetzgeberisch eine Zurechnung der Anlasstat nur möglich sein soll, wenn das Gesetz für das Unternehmen die gleiche Sanktion vorsieht wie für die natürliche Person (so NIGGLI/GFELLER, a.a.O., N. 20 ff. zu Art. 102 StGB ), bzw. das Legalitätsprinzip der Schaffung einer neuen Zurechnungsnorm durch den Gesetzgeber im Allgemeinen Teil des StGB entgegenstehen soll (so wohl TRECHSEL/JEAN-RICHARD, a.a.O., N. 7 zu Art. 102 StGB ), bleibt zudem unklar. 2.3.4 NIGGLI/GFELLER qualifizieren Art. 102 StGB als Dauerdelikt, da der strafrechtliche Vorwurf im Organisationsdefizit des Unternehmens bestehe. Die Verjährung beginnt nach NIGGLI/GFELLER daher nicht mit der Vornahme der Anlasstat, sondern erst mit dem Wegfall des Organisationsdefizits zu laufen (NIGGLI/GFELLER, a.a.O., N. 47 ff. zu Art. 102 StGB ). Diese Theorie hat das Bundesgericht indes bereits im Urteil 6B_7/2014 vom 21. Juli 2014 verworfen (zit. Urteil E. 3.4.3). Der Gesetzgeber beschränkte sich in Art. 102 StGB nicht darauf, dem Unternehmen eine korrekte interne Organisation vorzuschreiben und die Missachtung dieser Pflicht mit einer Busse zu ahnden. Weitere Voraussetzung für die Anwendung von Art. 102 StGB ist vielmehr das Vorliegen einer Anlasstat (zit. Urteil E. 3.4.3; BGE 142 IV 333 E. 4 S. 336 ff.). Auch die Höhe der Sanktion richtet sich nicht nur nach der Schwere des Organisationsmangels, sondern bei der Bemessung der Busse sind gemäss Art. 102 Abs. 3 StGB insbesondere auch die Schwere der Anlasstat und der angerichtete BGE 146 IV 68 S. 74 Schaden mitzuberücksichtigen. Die Behauptung, das Unternehmen werde in Art. 102 StGB nicht für die Anlasstat, sondern lediglich für das Organisationsdefizit bestraft, trifft daher nicht zu. 2.3.5 Die Beschwerdeführerin argumentiert überdies, die kurze Verjährungsfrist sei vom Gesetzgeber gewollt, andernfalls dieser Geldstrafe (im Sinne von Art. 34 StGB ) statt Busse als Sanktion hätte vorsehen müssen (gleich auch TRECHSEL/JEAN-RICHARD, a.a.O., N. 7 zu Art. 102 StGB ). Dies vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Die Bestimmung über die Verantwortlichkeit des Unternehmens ist seit dem 1. Oktober 2003 in Kraft (vgl. aArt. 100 quarter StGB; eingefügt durch Ziff. I 1 des Bundesgesetzes vom 21. März 2003 über die Finanzierung des Terrorismus, AS 2003 3043 ff.). Damals kannte das StGB als Hauptstrafen die Freiheitsstrafe (Zuchthaus-, Gefängnis- oder Haftstrafe, vgl. aArt. 35 ff. StGB, Fassung gültig bis am 31. Dezember 2006) und die Busse (vgl. aArt. 48 und aArt. 106 StGB, Fassung gültig bis am 31. Dezember 2006). Anders als die Geldstrafe ( Art. 34 ff. StGB ) und insbesondere die im Vorentwurf zur Strafbarkeit von Unternehmen aus dem Jahre 1991 noch vorgesehenen "Massnahmen sui generis" (u.a. Geldleistung, Auflösung des Unternehmens, Tätigkeitsverbot) gehörte die Busse damals zum traditionellen Strafenkatalog des StGB, weshalb sich diese Strafe gemäss der Botschaft als Sanktion für ein Unternehmen am besten eignete (BBl 1999 II 1979, 2144 Ziff. 217.422). Der Bundesrat wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der traditionelle Schuldbegriff im Strafrecht und der daraus von der Lehre abgeleitete dogmatische Grundsatz "societas delinquere non potest" praktikable sachgerechte Lösungen für ein vom Gesetzgeber erkanntes Problem bei der Verantwortlichkeit von Unternehmen verhindern würden. Er qualifizierte den strafrechtlichen Vorwurf an das Unternehmen gegenüber dem herkömmlichen Schuldbegriff daher als "eigenständiges Aliud" und sprach sich damit bezüglich der Strafbarkeit des Unternehmens für eine zeit- und situationsgemässe Uminterpretation des traditionellen Schuldbegriffs aus. Aus diesem Grund sah er - anders als noch im Vorentwurf aus dem Jahre 1991 - keinen Anlass mehr, für Unternehmen ein "diffuses Sanktionenkonstrukt" in Form von "Massnahmen sui generis" anstelle einer eigentlichen Strafe vorzusehen (BBl 1999 II 1979, 2142 Ziff. 217.3 und 2144 Ziff. 217.422). Die Gründe, weshalb der Bundesrat im Entwurf zu aArt. 100 quarter StGB nicht mehr eine Geldsanktion "sui generis", sondern eine Busse vorsah, sind damit bekannt und deuten nicht BGE 146 IV 68 S. 75 zwingend darauf hin, dass damit ein neuer Übertretungstatbestand geschaffen werden sollte. Weiter wäre eine Geldstrafe im Sinne von Art. 34 ff. StGB als Sanktion für ein Unternehmen auch wegen der Berechnungsgrundlage in Tagessätzen kaum geeignet (vgl. NIGGLI/GFELLER, a.a.O., N. 38 zu Art. 102 StGB ). Hinzu kommt, dass das StGB die Geldstrafe am 1. Januar 2007 für den Bereich der leichteren bis mittleren Kriminalität einführte (max. 360 Tagessätze zu Fr. 3'000.-). Seit der am 1. Januar 2018 in Kraft getretenen Änderung des Sanktionenrechts ist die Geldstrafe noch als Sanktion für die leichte Kriminalität (max. 180 Tagessätze zu Fr. 3'000.-) vorgesehen. Art. 102 StGB belegt Unternehmen indes mit einer weit einschneidenderen finanziellen Sanktion im Umfang von bis zu Fr. 5 Mio. 2.3.6 Unbegründet ist auch die Kritik der Beschwerdeführerin, der Gesetzgeber habe die kurze Verjährungsfrist anlässlich der Revision der Verjährungsfristen (absichtlich) stehen lassen. Damit spricht die Beschwerdeführerin die auf den 1. Januar 2014 in Kraft getretene Änderung von Art. 97 Abs. 1 lit. c StGB und den neu eingefügten Art. 97 Abs. 1 lit. d StGB an. Seit dem 1. Januar 2014 verjähren Straftaten, für welche das Gesetz eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht, nicht mehr in sieben (vgl. aArt. 97 Abs. 1 lit. c StGB), sondern in 10 Jahren (vgl. Art. 97 Abs. 1 lit. c StGB ). Gegenstand der erwähnten Gesetzesrevision war die zu kurze Verjährungsfrist für mit einer Freiheitsstrafe von maximal drei Jahren bedrohte Vergehen. Die Unternehmensstrafbarkeit war von dieser Gesetzesrevision daher nicht betroffen (vgl. NIGGLI/GFELLER, a.a.O., N. 49a zu Art. 102 StGB ). Im Übrigen liesse sich aus der erwähnten Gesetzesrevision für die vorliegend zu beurteilende Frage von vornherein nur etwas herleiten, wenn sich aus den Materialien Anhaltspunkte ergeben würden, dass der Gesetzgeber bezüglich Art. 102 StGB von einer dreijährigen Verjährungsfrist ausging. Solches zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf. 2.4 Zusammengefasst stützte die Beschwerdeführerin die Einstellung infolge Verjährung auf eine Lehrmeinung, welche in der bisherigen Rechtsprechung und mehrheitlich auch in der übrigen Lehre kritisch aufgenommen wurde und welche sich entgegen der Gesetzessystematik und dem Wortlaut von Art. 102 Abs. 1 StGB gegen eine Zurechnungsnorm und für einen selbstständigen Übertretungstatbestand ausspricht. Die Vorinstanz folgte dieser Haltung nicht und BGE 146 IV 68 S. 76 entschied daher zu Recht, die Voraussetzungen für eine Einstellung des Verfahrens gegen die Bank B. infolge Verjährung seien nicht erfüllt. Die Vorinstanz hatte im Rahmen der Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung vom 26. März 2018 einzig zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Verfahrenseinstellung erfüllt sind. Nachdem sie dies verneinte, durfte und musste sie die Frage der Verjährung offenlassen. Die Beschwerdeführerin verkennt, dass es nicht an der Beschwerdeinstanz ist, sich im Rahmen einer Beschwerde gegen eine Einstellungsverfügung abschliessend zur Dauer der Verjährung zu äussern, da sie damit den gerichtlichen Entscheid vorwegnehmen würde. Selbst wenn die Vorinstanz die Frage der Verjährung abschliessend geprüft und verneint hätte, wäre fraglich, ob das Gericht im Falle einer gerichtlichen Beurteilung daran gebunden wäre.
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Sachverhalt ab Seite 250 BGE 141 IV 249 S. 250 A. A.a Die Staatsanwaltschaft des Kantons Nidwalden sprach X. mit Strafbefehl vom 17. April 2013 der fahrlässigen Tötung schuldig und bestrafte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 135.-. X. erhob Einsprache gegen den Strafbefehl. Das Kantonsgericht Nidwalden sprach X. am 27. September 2013 vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei. Das Obergericht des Kantons Nidwalden befand X. auf Berufung der Staatsanwaltschaft hin am 9. April 2014 der fahrlässigen Tötung für schuldig und bestrafte ihn wiederum mit einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 135.-. A.b Die Vorinstanz geht von folgendem Geschehensablauf aus: Die A. AG realisierte in der Zeit von Mai 2011 bis Juni 2012 als Bauherrin den Bau einer Seilbahn. Die Genossenkorporation B. (nachfolgend: B.) besorgte im Winter 2011/2012 für die Bauherrin unter anderem Schneeräumungsarbeiten am Stanserhorn. X. arbeitete als Sicherheitsbeauftragter für die A. AG und war während der Bauarbeiten für die ständige Beurteilung der Lawinensituation im Bereich der Forststrasse Bluematt verantwortlich. Aufgrund eines möglichen starken Anstiegs der Lawinengefahr konsultierte er am 20. Februar 2012 den Bergführer C., um mit ihm die Vor- und Nachteile einer Lawinensprengung zu diskutieren. Am 22. Februar 2012 empfahl ihm dieser, die Zufahrtsstrasse zur Bluematt zu sperren. Zudem riet er ihm, eine Lawinensprengung erst Ende Woche vorzunehmen. Am Abend des 23. Februar 2012 versandte X. eine E-Mail und teilte den Adressaten mit, dass mit der Erwärmung vom 23. Februar 2012 an der Nordseite des Stanserhorns die Lawinengefahr markant angestiegen sei. Die Strasse dürfe daher "vom Chäscherzug aufwärts bis zur Bluematt" ab sofort nicht mehr befahren werden. Die Mailadressen kopierte er aus dem Verteiler eines früheren Bausitzungsprotokolls. D., Betriebsförster und -leiter der B., war nicht auf der Empfängerliste und erhielt die E-Mail deshalb nicht. Weitere Schritte zur Signalisierung der Gefahr, wie etwa eine markierte Strassensperrung vor Ort, veranlasste X. nicht. Am 24. Februar 2012 wollte D. mit seinen zwei Kollegen E. und F. die von einer Lawine verschüttete Forststrasse räumen. Dabei löste sich um ca. 10.15 Uhr eine Gleitschneelawine, welche F. erfasste und verschüttete. Er konnte zwar geborgen werden, verstarb jedoch kurze Zeit später im Spital. X. wird vorgeworfen, als Verantwortlicher für die Lawinensicherheit im BGE 141 IV 249 S. 251 betroffenen Gebiet nicht die erforderlichen präventiven Massnahmen zur Verhinderung des Lawinenunglücks ergriffen zu haben. B. X. führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, die Ziffern 1 bis 6 des Urteils des Obergerichts seien aufzuheben und er sei vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freizusprechen. Eventualiter sei das Verfahren zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. C. Das Obergericht verzichtet auf eine Stellungnahme zur Beschwerde. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Nidwalden beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Mit Eingabe vom 8. Mai 2015 nahm X. sein Recht zur Replik wahr. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz gehe zu Unrecht davon aus, ihm sei gegenüber den Mitarbeitern der B. eine Garantenstellung zugekommen. 1.1 Gemäss Art. 117 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht. Fahrlässig handelt, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist ( Art. 12 Abs. 3 StGB ). Ein fahrlässiges Erfolgsdelikt kann auch durch pflichtwidriges Unterlassen ( Art. 11 StGB ) verübt werden. Voraussetzung ist eine Rechtspflicht zur Vornahme der unterlassenen Handlung (Garantenstellung) sowie die Möglichkeit, diese Handlung vorzunehmen. Ein sog. unechtes Unterlassungsdelikt liegt vor, wenn im Gesetz wenigstens die Herbeiführung des Erfolgs durch Tun ausdrücklich mit Strafe bedroht wird, der Beschuldigte durch sein Tun den Erfolg tatsächlich hätte abwenden können und infolge seiner Garantenstellung dazu auch verpflichtet war, so dass die Unterlassung der Erfolgsherbeiführung durch aktives Tun als gleichwertig erscheint. Für die Annahme einer Garantenstellung genügt nicht jede, sondern nur eine qualifizierte Rechtspflicht ( BGE 134 IV 255 E. 4.2.1; BGE 120 IV 98 E. 2c; je mit Hinweisen). Rechtsprechung und Lehre BGE 141 IV 249 S. 252 unterscheiden zwischen Obhutspflichten, d.h. Garantenstellungen zum Schutz eines bestimmten Rechtsgutes gegen alle ihm drohenden Gefahren, und Überwachungspflichten, d.h. Garantenstellungen zur Überwachung bestimmter Gefahrenquellen zum Schutze unbestimmt vieler Rechtsgüter (Urteil 6S.391/2002 vom 23. Dezember 2002 E. 3, nicht publ. in: BGE 129 IV 119 ; BGE 113 IV 68 E. 5b; je mit Hinweisen). Eine Garantenstellung kann sich aus Gesetz, Vertrag, einer freiwillig eingegangenen Gefahrengemeinschaft oder aus der Schaffung einer Gefahr ergeben ( Art. 11 Abs. 2 lit. a-d StGB ). 1.2 Hinsichtlich der Garantenstellung erwägt die Vorinstanz, dem Beschwerdeführer komme gegenüber der B. weder eine Garantenstellung aus Gesetz noch aus freiwillig eingegangener Gefahrengemeinschaft zu. Hingegen leitet sie eine solche aus dem im Rahmen der Bauarbeiten am Stanserhorn erstellten Notfallkonzept ab. Darin werde dem Beschwerdeführer die Verantwortung für die ständige Beurteilung der Lawinensituation im Gebiet Kälti/Bluematt übertragen. Er habe einen Lawinen- und Lawinensprengkurs absolviert und verfüge über praktische Erfahrungen in diesem Bereich. Seine Pflicht sei es gewesen, sich täglich über die Lawinensituation zu informieren und ein Journal zu führen. Die B. sei als Grossaktionärin der A. AG von Anfang an in das Neubauprojekt involviert gewesen. G., Genossenvogt und Verantwortlicher des Ressorts Baurecht, sei gleichzeitig Verwaltungsrat der A. AG und Mitglied der Seilbahnbaukommission gewesen. Sowohl er als auch der Betriebsleiter der B., D., seien im Besitz des Notfallkonzepts gewesen. D. habe sich an den darin festgehaltenen Verhaltensregeln und Einschätzungen betreffend Lawinengefahr orientiert. Die B. erscheine im Projekt-Adressverzeichnis als Verantwortliche für die Schneeräumung im Gebiet Chäszug/Kälti und als Spezialistin im Bereich Forst. Die Forststrasse habe jeweils geräumt werden müssen, damit die am Seilbahnbau mitwirkenden Arbeiter zu ihrem Einsatzort am Berg gelangen konnten. Zwischen der A. AG und den am Seilbahnbau beteiligten Unternehmen habe eine (werk-)vertragliche Beziehung bestanden. Die B. sei jeweils für "ausserhalb des Werkvertrags anfallende Arbeiten" im Rahmen ihrer Möglichkeiten beigezogen worden. Auch ohne schriftlichen Vertrag sei sie der Bauleitung unterstellt gewesen. Die Mitarbeiter der B. hätten damit eine Stellung analog jener der werkvertraglich gebundenen Unternehmen eingenommen. Die Sicherungspflicht habe sich deshalb auch gegenüber ihnen entfaltet. Der Beschwerdeführer habe diese Pflicht effektiv wahrgenommen und im Bedarfsfall die im Eigentum der B. stehende Forststrasse gesperrt. BGE 141 IV 249 S. 253 1.3 Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen in Zusammenhang mit der Garantenstellung. Er rügt eine willkürliche Beweiswürdigung und die Verletzung des Grundsatzes in dubio pro reo. Zudem macht er geltend, die Vorinstanz setze sich mit seinen Einwänden nicht auseinander und verletze damit seinen Anspruch auf rechtliches Gehör. 1.3.1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde ( Art. 105 Abs. 1 BGG ), es sei denn, dieser sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (vgl. Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG ). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist ( BGE 139 II 404 E. 10.1 mit Hinweisen; vgl. zum Willkürbegriff: BGE 138 I 305 E. 4.3 mit Hinweis). Die Willkürrüge muss in der Beschwerde explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden ( Art. 106 Abs. 2 BGG ). Auf eine rein appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt das Bundesgericht nicht ein ( BGE 140 III 264 E. 2.3 mit Hinweisen). Das rechtliche Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV verlangt, dass die Behörde die Vorbringen des von einem Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen auch tatsächlich hört, prüft und in seiner Entscheidfindung berücksichtigt. Nicht erforderlich ist, dass sie sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Es müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt ( BGE 139 IV 179 E. 2.2; BGE 138 IV 81 E. 2.2; je mit Hinweis). 1.3.2 Konkret bringt der Beschwerdeführer vor, gewisse Unternehmen hätten schriftlich bestätigt, das Notfallkonzept erhalten und ihre Mitarbeiterüber die Verhaltensregeln instruiert zu haben. Eine unterschriftliche Bestätigung der B. liege nicht vor. Zudem seien die Unternehmen, für welche das Notfallkonzept gelten sollte, mit Verschüttetengeräten und Schaufeln für ihre Mitarbeiter ausgestattet worden, was sich ebenfalls aus dem Notfallkonzept ergebe. Im Gegensatz dazu sei die B. von der A. AG nicht mit entsprechendem Material ausgerüstet worden. Diese Tatsachen würden von der Vorinstanz nicht berücksichtigt. Bereits die erste Instanz stellte fest, die Unternehmer hätten schriftlich bestätigt, das Notfallkonzept erhalten und ihre Mitarbeiter BGE 141 IV 249 S. 254 entsprechend instruiert zu haben. Der B. sei kein Notfallkonzept zugesandt worden. Deshalb habe sie auch kein solches unterzeichnet. Die Vorinstanz wiederholt diese Feststellungen zwar nicht explizit, setzt sie jedoch bei ihren weiteren Erwägungen voraus, indem sie ausführt, trotz Fehlens jedwelcher schriftlicher Vereinbarungen hätten die Mitarbeiter der B. eine Stellung analog jener der werkvertraglich gebundenen Unternehmen eingenommen, weshalb die im Notfallkonzept festgehaltene Pflicht zur Gewährleistung der Lawinensicherheit auch ihnen gegenüber Wirkung entfaltet habe. Auf das Argument der fehlenden Ausrüstung mittels Schaufeln und Lawinenverschüttetengeräten geht die Vorinstanz nicht ein. Dabei handelt es sich denn auch nicht um ein ausschlaggebendes Kriterium für die Beurteilung der Frage, ob eine Garantenpflicht bestand. Ob dem Beschwerdeführer gegenüber den Mitarbeitern der B. trotz fehlender schriftlicher Bestätigung eine Garantenstellung zukam, wird noch zu prüfen sein (vgl. E. 1.4). 1.3.3 Der Beschwerdeführer wendet ein, bei den Mitarbeitern der B. handle es sich um Spezialisten. Sie seien ortskundig und hätten die Gefahrenbeurteilung am Stanserhorn seit Jahren selbständig vorgenommen. Dieses Vorbringen überzeugt nicht. Die B. wurde im Projektadressverzeichnis als Spezialistin im Bereich Forst aufgelistet. Dass sie überdies in einem weiteren Gebiet, nämlich der Lawinensicherung spezialisiert gewesen sein soll, wird von der Vorinstanz nicht festgestellt. Zur Untermauerung seines Einwandes verweist der Beschwerdeführer auf verschiedene Aktenstellen. Daraus kann er jedoch nichts zu seinen Gunsten ableiten. In den erwähnten Einvernahmen bestätigen die Mitarbeiter der B. zwar, oft am Stanserhorn zu arbeiten. Gleichzeitig sagten sie aber auch aus, im Unfallgebiet würden sie sich zu dieser Jahreszeit normalerweise nicht aufhalten, da es zu gefährlich sei. 1.3.4 Ebenfalls im Rahmen seiner Sachverhaltsrügen bringt der Beschwerdeführer vor, um eine Garantenpflicht effektiv wahrnehmen zu können, hätte er über geplante Einsätze und Arbeiten am Berg informiert werden müssen. Dies sei nicht der Fall gewesen. Die B. habe eigene Einschätzungen der Lawinengefahr vorgenommen und dementsprechend selber über ihre Einsätze entschieden. Bezeichnenderweise habe D. ausgesagt, er habe in jenem Winter mehrmals entschieden, dass ein Einsatz zu gefährlich sei. Diese Argumentation betrifft weniger die Sachverhaltsfeststellung als vielmehr die Beurteilung der Garantenstellung an sich, weshalb darauf später (E. 1.4.2) einzugehen sein wird. BGE 141 IV 249 S. 255 1.3.5 Die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz fallen zwar eher knapp aus. Inwiefern diese willkürlich sein sollen, ist dennoch nicht ersichtlich. Die Vorinstanz legt die entscheidrelevanten Punkte dar. Es ist nicht erforderlich, sich mit jedem einzelnen Einwand des Beschwerdeführers zu befassen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht ersichtlich. Es erübrigt sich damit, bezüglich der erwähnten Punkte auf die Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft näher einzugehen. 1.4 Das Bundesgericht prüft mit voller Kognition, ob die Vorinstanz gestützt auf ihre tatsächlichen Feststellungen zu Recht vom Bestand einer Garantenpflicht ausgeht. 1.4.1 Vorab ist festzuhalten, dass sich das Unglück auf dem Grundstück der B. ereignete. Sie war mithin Eigentümerin der Gefahrenquelle. Zweifellos besteht die Möglichkeit, die Sicherung einer Gefahrenquelle auf dem eigenen Grundstück auf vertraglicher Basis (partiell) auf eine Drittperson zu übertragen (vgl. dazu DONATSCH/TAG, Verbrechenslehre, 9. Aufl. 2013, S. 315 f.). Nach der herrschenden Lehre entsteht die Garantenpflicht sodann nicht schon durch die Vereinbarung als solche, sondern erst durch die faktische Übernahme der Stellung (GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I: Die Straftat, 4. Aufl. 2011, § 14 N. 16; TRECHSEL/JEAN-RICHARD, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, Trechsel/Pieth [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 12 zu Art. 11 StGB ; KURT SEELMANN, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. I, 3. Aufl. 2013, N. 34 zu Art. 11 StGB ; je mit Hinweisen). 1.4.2 Der Beschwerdeführer wird im Notfallkonzept vom 1. Dezember 2011 als Verantwortlicher für die Lawinensicherheit im Gebiet Kälti/Bluematt aufgeführt. Das Notfallkonzept wurde den am Seilbahnbau beteiligten Unternehmen zugeschickt. Von einigen Unternehmen wurde eine schriftliche Bestätigung der Kenntnisnahme sowie der Instruktion ihrer Mitarbeiter eingefordert. Eine entsprechende Bestätigung der B. liegt nicht vor. Weshalb die A. AG von einigen Unternehmen eine schriftliche Erklärung einforderte, nicht jedoch von der B., und was damit beabsichtigt wurde, geht aus dem vorinstanzlichen Urteil nicht hervor. Dies kann offenbleiben. Fest steht, dass die Verantwortlichen der B., insbesondere D. und G., im Besitz des Notfallkonzepts waren. Gemäss den Erwägungen der Vorinstanz bestanden mit der B. zwar nicht die gleichen vertraglichen Beziehungen wie mit den werkvertraglich gebundenen BGE 141 IV 249 S. 256 Unternehmen. Die Kommunikation wurde auf einer informelleren Ebene geführt. Jedoch führt die Vorinstanz treffend aus, die B. sei von Anfang an in das Bauprojekt involviert gewesen und für unterschiedliche Arbeiten beigezogen worden. Sie habe daher eine ähnliche Stellung wie die Werkunternehmer eingenommen. Diese Umstände sprechen für den Bestand einer Garantenpflicht. Als weiteres Kriterium kann die bereits erwähnte Unterscheidung zwischen Sicherungs- und Überwachungspflichten sowie Obhuts- und Schutzpflichten herangezogen werden. Im zu beurteilenden Fall bestand die Pflicht darin, die Lawinensituation in einem bestimmen Gebiet zu beurteilen und die Lawinensicherheit zu gewährleisten. Damit standen Sicherungs- und Überwachungspflichten im Vordergrund. Diese beinhalten in der Regel die Sicherung einer Gefahrenquelle zum Schutz unbestimmt vieler Rechtsgüter. Weshalb die Mitarbeiter der B. von diesem Schutz ausgenommen sein sollen, leuchtet nicht ein. Der Beschwerdeführer wendet ein, die Vorinstanz gehe zu Unrecht von einer faktischen Übernahme der Garantenstellung aus. Die Mitarbeiter der B. hätten eine eigene Beurteilung der Lawinengefahr vorgenommen und selbständig über ihre Einsätze entschieden. Insbesondere hätten sie vorgängig jeweils keine Rücksprache mit ihm genommen. Zu beurteilen ist damit die Frage, wann von einer faktischen Übernahme der Garantenstellung gesprochen werden kann. Dem vorinstanzlichen Urteil ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer die Strasse vor dem Unglück bereits mehrmals gesperrt hatte. Dabei kann nicht entscheidend sein, ob der Beschwerdeführer eine der Eigentümerin gegenüber im zivilrechtlichen Sinne wirksame Sperrung der Strasse vornehmen konnte. Ausschlaggebend ist, ob er die Betroffenen jeweils über die Lawinengefahr informierte und in diesem Sinne die Strasse sperrte, was der Fall war. Ebenfalls zu berücksichtigen ist, dass der Beschwerdeführer geplant hatte, eine Lawinensprengung vorzunehmen. Gestützt auf die erwähnten Umstände geht die Vorinstanz zu Recht von einer faktischen Übernahme der Garantenstellung aus. Zweifellos wäre es sinnvoll gewesen, die B. hätte vorgängig Rücksprache mit dem Beschwerdeführer genommen. Dies war jedoch, wie der Beschwerdeführer selbst ausführt, nicht vorgesehen. Grundsätzlich ist es gerade die Aufgabe eines Sicherheitsverantwortlichen, die Betroffenen gegebenenfalls über allfällige Gefahren zu informieren und geeignete Sicherheitsvorkehrungen zu veranlassen. Genau dieses Unterlassen wird dem Beschwerdeführer von der BGE 141 IV 249 S. 257 Vorinstanz letztlich vorgeworfen. Dass die Mitarbeiter der B. zusätzlich eigene Abklärungen bezüglich der Lawinengefahr trafen, entbindet grundsätzlich nicht von einer solchen Pflicht. Der Beschwerdeführer macht schliesslich geltend, er habe die Lawinengefahr nicht besser beurteilen können als D. Er habe über keine praktische Erfahrung in diesem Bereich verfügt. Zudem liege seine Lawinenausbildung bereits 20 Jahre zurück. Dieses Vorbringen vermag den Beschwerdeführer nicht zu entlasten, da er sich ein Übernahmeverschulden vorwerfen lassen muss (vgl. Urteil 6S.404/1996 vom 22. August 1996 E. 1c mit Hinweisen). 1.5 Zusammenfassend verletzt die Vorinstanz kein Bundesrecht, indem sie die Garantenpflicht gegenüber den Mitarbeitern der B. bejaht.
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Erwägungen ab Seite 88 BGE 104 V 88 S. 88 Aus den Erwägungen: Nach Rz 14.04 des Anhangs zur Verordnung über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung (HV) vom 29. November 1976 hat der Versicherte Anspruch auf Beiträge an invaliditätsbedingte bauliche Änderungen in der Wohnung für das Anbringen von Haltestangen, Entfernen von Türschwellen, Versetzen von Türstöcken und die Installation von Ruflichtsignalanlagen für Schwerhörige und Taube. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass solche Beiträge grundsätzlich auch bei Neubauten gewährt werden können. Massgebend ist nicht, ob die baulichen Vorkehren an einem schon bestehenden Bau vorgenommen werden. Mit dem Begriff "Änderung" kommt vielmehr - wie die Beschwerdegegnerin zutreffend ausführt - zum Ausdruck, dass im Hinblick auf die Invalidität andere Massnahmen als im Normalfall (ohne Invalidität) getroffen werden. Daher hat die Invalidenversicherung beispielsweise auch dann Beiträge zu erbringen, wenn Haltestangen oder Ruflichtsignalanlagen in einem Neubau angebracht werden. Bei den beiden anderen in Rz 14.04 HV-Anhang genannten Änderungen (Entfernen von Türschwellen, Versetzen von Türstöcken) ist die Situation bei einem Neubau BGE 104 V 88 S. 89 insofern eine andere, als entsprechende Vorkehren von vornherein eingeplant und im Rahmen des ordentlichen Bauaufwandes ohne zusätzliche Kosten verwirklicht werden können. Den Akten, insbesondere der Aufstellung des Architekten vom 19. Februar 1975 ist zu entnehmen, dass im vorliegenden Fall keine baulichen Massnahmen getroffen werden mussten, die unter die in Rz 14.04 genannten Vorkehren subsumiert werden könnten. Schliesslich stellt sich noch die Frage, ob ein Beitrag nur bei den in Rz 14.04 ausdrücklich erwähnten Vorkehren oder allenfalls auch bei anderen, im Einzelfall zu bestimmenden baulichen Massnahmen gewährt werden kann. Nach dem deutschen und dem italienischen Verordnungstext muss angenommen werden, dass die Aufzählung abschliessend ist. Demgegenüber lässt der französische Text auf eine bloss exemplifikatorische Aufzählung schliessen ("Contributions aux aménagements de la demeure de l'assuré,... comme la pose de..."). Um Stellungnahme zu dieser Textdifferenz gebeten, teilte das Bundesamt für Sozialversicherung am 2. November 1977 mit, dass man sich bei der Ausarbeitung der HV und ihres Anhangs bewusst für eine abschliessende Aufzählung entschieden habe. Dabei habe unter anderem die Überlegung mitgespielt, es solle vermieden werden, zu sehr in den Fürsorgebereich, insbesondere in den sehr individuellen Bereich der Selbstsorge in der Wohnung einzudringen. Man sei sich bewusst gewesen, dass die Invalidenversicherung nicht alle Bedürfnisse in bezug auf Hilfsmittel befriedigen könne. Allfällige Lücken seien auf dem Wege der Fürsorge durch die Pro Infirmis zu schliessen, wenn der Versicherte verbleibende Kosten nicht selbst zu decken vermöge. Überdies wies das Bundesamt für Sozialversicherung darauf hin, dass ein deutlicher Unterschied zu Rz 13.04 des HV-Anhangs gemacht werden müsse. Hier seien zwar die gleichen baulichen Änderungen wie in Rz 14.04 erwähnt, jedoch sei die Aufzählung bewusst nur exemplifikatorisch gehalten. Es rechtfertige sich, bei Rz 13.04 weiter zu gehen und gegebenenfalls auch andere bauliche Vorkehren zu berücksichtigen, weil es sich dabei um Hilfsmittel handle, auf die ein Anspruch nur nach Massgabe der Art. 21 Abs. 1 IVG und Art. 2 Abs. 2 HV bestehe. Das Bundesamt für Sozialversicherung hält demnach dafür, dass der deutsche und italienische Text richtig sei, während bei der französischen Fassung BGE 104 V 88 S. 90 offenbar ein redaktionelles Versehen vorliege. Dieser Auffassung pflichtet das Eidg. Versicherungsgericht bei. Aus dem Vorstehenden ergibt sich somit, dass die Beschwerdegegnerin auch nach Rz 14.04 des HV-Anhangs keine Beiträge beanspruchen kann.
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Sachverhalt ab Seite 449 BGE 136 III 449 S. 449 A. X. (Beschwerdeführerin), Jahrgang 1942, und Y. (Beschwerdegegner), Jahrgang 1950, heirateten nach kurzer Bekanntschaft am 29. Oktober 2004. Die Ehe blieb kinderlos. Seit 7. März 2005 leben die Parteien getrennt. Am 28. Dezember 2007 klagte der BGE 136 III 449 S. 450 Beschwerdegegner auf Scheidung, der sich die Beschwerdeführerin nicht widersetzte. Mit Urteil vom 19. Juni 2009 schied das Bezirksgericht die Ehe und regelte die Nebenfolgen der Scheidung. Es sah insbesondere von der Verpflichtung zur Leistung von nachehelichen Unterhaltsbeiträgen und von einem Vorsorgeausgleich ab. B. Das Kantonsgericht hiess die Appellation der Beschwerdeführerin gegen die bezirksgerichtliche Regelung des nachehelichen Unterhalts und Vorsorgeausgleichs teilweise gut und verpflichtete den Beschwerdegegner zu einer angemessenen Entschädigung von Fr. 20'000.- als Vorsorgeausgleich. C.
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Mit Beschwerde an das Bundesgericht verlangt die Beschwerdeführerin einerseits die Zusprechung von nachehelichen Unterhaltsbeiträgen und andererseits die hälftige Teilung und Barauszahlung der vom Beschwerdegegner während der Ehe erworbenen Freizügigkeitsleistung. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde in Bezug auf den Vorsorgeausgleich gut und weist die Sache im Sinne der Erwägungen zur Durchführung der Teilung an das Kantonsgericht zurück. Im Übrigen tritt es auf die Beschwerde nicht ein. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Umstritten ist andererseits der Vorsorgeausgleich. Sofern bei keinem Ehegatten ein Vorsorgefall eingetreten ist, hat gemäss Art. 122 Abs. 1 ZGB jeder Ehegatte Anspruch auf die Hälfte der nach dem Freizügigkeitsgesetz für die ganze Ehedauer zu ermittelnden Austrittsleistung des anderen. Ist bei einem oder bei beiden Ehegatten hingegen der Vorsorgefall eingetreten, ist gemäss Art. 124 Abs. 1 ZGB eine angemessene Entschädigung geschuldet. In einem ersten Schritt ist deshalb auf die Frage des Eintritts eines Vorsorgefalles einzugehen. 3.2 Das Kantonsgericht stellte fest, dass der Vorsorgefall bei der Beschwerdeführerin mit der Vollendung ihres 64. Altersjahres am 1. Juli 2006 und damit während der Ehe eingetreten sei. Zu diesem Zeitpunkt sei nämlich ihre Invalidenrente in eine Altersrente (AHV) umgewandelt worden. Deshalb beurteilte es den Vorsorgeausgleich nach Art. 124 Abs. 1 ZGB . 3.3 Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 122 Abs. 1 ZGB , indem sie geltend macht, sie habe Anspruch auf mehr BGE 136 III 449 S. 451 als nur Fr. 20'000.-, nämlich auf die Hälfte der während der Ehe vom Beschwerdegegner erworbenen Freizügigkeitsleistung von Fr. 134'003.85. 3.4 3.4.1 Es ist unbestritten, dass der Beschwerdegegner über ein während der Ehedauer erworbenes Vorsorgeguthaben in der Höhe von Fr. 134'003.85 bei einer Einrichtung der zweiten Säule erworben hat und die Beschwerdeführerin seit dem 1. Juli 2006 eine AHV-Rente erhält, selber aber über keine berufliche Vorsorge verfügt. 3.4.2 Für den Ausschluss der Anwendung von Art. 122 Abs. 1 ZGB ist nach dem Gesetzeswortlaut ausreichend, dass bei einem der Ehegatten ein Vorsorgefall eingetreten ist. Es kommt jedoch nur darauf an, ob bei demjenigen Ehegatten, der eine berufliche Vorsorge hat oder jedenfalls während der Ehe hatte, ein Vorsorgefall eingetreten ist ( BGE 133 V 288 E. 4.1.2 S. 291 f.; BGE 130 III 297 E. 3.3.1 S. 300 f.). Wie das damalige eidgenössische Versicherungsgericht im Urteil B 19/03 vom 30. Januar 2004 E. 5.1 festgehalten hat, stellt der Anspruch eines Ehegatten auf eine Alters- oder Invalidenrente (wie vorliegend nach AHVG beziehungsweise IVG) keinen Vorsorgefall dar, wenn er nie gearbeitet oder nie einer Einrichtung der beruflichen Vorsorge angehört hat (letztmals bestätigt im Urteil 9C_388/2009 vom 10. Mai 2010 E. 4.1; vgl. für die zivilrechtliche Abteilung das Urteil 5C.176/2006 vom 27. Oktober 2006 E. 2.1 und 2.2, in: Recueil de jurisprudence neuchâteloise 2006 S. 77 f.). Diese Praxis wird auch in der Lehre weitgehend befürwortet (SCHWEGLER, Vorsorgeausgleich bei Scheidung aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht, ZBJV 2010, S. 81 f.; GEISER/SENTI, in: BVG und FZG, 2010, N. 10 zu Art. 22 FZG ; WALSER, Weitergehende berufliche Vorsorge, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 2135 N. 160; derselbe, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 3. Aufl. 2006, N. 6 zu Art. 124 ZGB ; GRÜTTER/FANKHAUSER, Die angemessene Entschädigung nach Art. 124 ZGB , in: Dritte Schweizer Familienrecht§Tage, 2006, S. 188 Fn. 3; BAUMANN/LAUTERBURG, in: Scheidung, FamKommentar, 2005, N. 36 vor Art. 122-124 ZGB ; RUMO-JUNGO/ PICHONNAZ, Les interactions entre prévoyance professionelle et régimes matrimoniaux, in: Aspetti patrimoniali nel diritto di famiglia, 2005, S. 20; SUTTER/FREIBURGHAUS, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, 1999, N. 3 zu Art. 124 ZGB ). 3.4.3 Damit ist das Kantonsgericht unzutreffenderweise davon ausgegangen, durch das Erreichen des Pensionsalters und der Ablösung BGE 136 III 449 S. 452 der Invaliden- durch eine Altersrente (vgl. Art. 30 IVG und Art. 33 bis AHVG ) sei bei der Beschwerdeführerin, die über keine berufliche Vorsorge verfügt, der Vorsorgefall eingetreten. Es hat deshalb in der Folge den Vorsorgeausgleich zu Unrecht nicht nach Art. 122 ZGB , sondern nach Art. 124 ZGB beurteilt. 4. 4.1 Nach Art. 123 Abs. 2 ZGB kann das Gericht die Teilung ganz oder teilweise verweigern, wenn sie aufgrund der güterrechtlichen Auseinandersetzung oder der wirtschaftlichen Verhältnisse nach der Scheidung offensichtlich unbillig wäre. 4.2 In einem zweiten Schritt ist damit zu prüfen, ob sich das Vorgehen des Kantonsgerichts auch im Ergebnis auswirkt. Das Kantonsgericht hat sich nämlich in Anwendung von Art. 124 Abs. 1 ZGB ebenfalls an der hälftigen Teilung der Freizügigkeitsleistung des Beschwerdegegners orientiert (vgl. BGE 133 III 401 E. 3.2 S. 404) und ist damit grundsätzlich von einem Anspruch der Beschwerdeführerin auf Fr. 67'001.95 ausgegangen. Jedoch hat es ihr diesen Betrag teilweise gestützt auf Art. 123 Abs. 2 ZGB (der auch im Rahmen von Art. 124 ZGB zu berücksichtigen ist: BGE 129 III 481 E. 3.3 S. 486 f.) verweigert. Es erachtete eine hälftige Teilung als ungerecht, unbillig und bei gesamtheitlicher Betrachtung des Sachverhalts als unangemessen. Für den Vorsorgeausgleich, der gerade die Folge der tatsächlich gelebten ehelichen Gemeinschaft bilde, könne nicht unbesehen die gesamte formale Dauer der Ehe berücksichtigt werden. Der Umfang des Fürsorgebedürfnisses gebiete es, die Teilung teilweise zu verweigern. Deshalb sprach es der Beschwerdeführerin nur Fr. 20'000.- zu. 4.3 Der Teilungsanspruch bezweckt einen Ausgleich für die vorsorgerechtlichen Nachteile der während der Ehe erfolgten Aufgabenteilung und dient der wirtschaftlichen Selbständigkeit jedes Ehegatten nach der Scheidung. Er ist Ausdruck der mit der Ehe verbundenen Schicksalsgemeinschaft. Widmet sich ein Ehegatte während der Ehe der Haushaltführung und der Kinderbetreuung und verzichtet er deshalb ganz oder teilweise auf eine Erwerbstätigkeit, soll er bei der Scheidung von der Einrichtung der beruflichen Vorsorge seines Partners einen Teil der von diesem während der Ehe aufgebauten Vorsorge erhalten. Die Teilung der Austrittsleistung bezweckt den Ausgleich seiner Vorsorgelücke und erlaubt ihm, sich in die eigene Vorsorgeeinrichtung wieder einzukaufen. BGE 136 III 449 S. 453 Sie zielt auch auf seine wirtschaftliche Unabhängigkeit nach der Scheidung ab ( BGE 135 III 153 E. 6.1 S. 154 f.; BGE 129 III 577 E. 4.2.1 S. 578). Diese Formulierung darf aber nicht in dem Sinn verstanden werden, dass ein Anspruch auf Vorsorgeausgleich nur besteht, wo aufgrund der Aufgabenteilung während der Ehe ein vorsorgerechtlicher Nachteil entstanden und insoweit eine Art ehebedingter Vorsorgeschaden nachgewiesen ist. Vielmehr ist der Teilungsanspruch als Folge der Schicksalsgemeinschaft nicht davon abhängig, wie sich die Ehegatten während der Ehe die Aufgaben geteilt haben. Der Ausgleich findet mit anderen Worten - wie dies auch bei der hälftigen Teilung der Errungenschaft der Fall ist - voraussetzungslos statt; die hälftige Teilung der Leistungen orientiert sich am abstrakten Kriterium der formellen Ehedauer (bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils) und nicht an der tatsächlich gelebten ehelichen Gemeinschaft ( BGE 133 III 401 E. 3.2 S. 403; BGE 132 III 401 E. 2.1 S. 402 ff.). 4.4 4.4.1 Der gesetzliche Verweigerungsgrund von Art. 123 Abs. 2 ZGB erfordert, dass - erstens - die Teilung offensichtlich unbillig ist und - zweitens - die offensichtliche Unbilligkeit ihren Grund in der güterrechtlichen Auseinandersetzung oder den wirtschaftlichen Verhältnissen nach der Scheidung hat ( BGE 133 III 497 E. 4.2 S. 499). Diese Bestimmung ist restriktiv anzuwenden, um das Prinzip der hälftigen Teilung der Vorsorgeguthaben nicht auszuhöhlen ( BGE 135 III 153 E. 6.1 S. 155). Bei der Beurteilung der offensichtlichen Unbilligkeit ist das Sachgericht auf sein Ermessen verwiesen ( BGE 129 III 577 E. 4.2.2 S. 578). Das Bundesgericht übt deshalb bei der Überprüfung solcher Entscheide eine gewisse Zurückhaltung ( BGE 127 III 136 E. 3a S. 141). 4.4.2 In diesem Sinne könnte die hälftige Teilung etwa offensichtlich unbillig sein, wenn die Frau als Verkäuferin und der Ehemann als selbständig erwerbender Anwalt oder Arzt (ohne zweite, aber mit guter dritter Säule) tätig ist (SUTTER/FREIBURGHAUS, a.a.O., N. 14 zu Art. 123 ZGB ). Als weitere Fallbeispiele sind anzuführen, dass die Ehefrau bereits arbeitstätig ist und dem Ehemann ein Studium finanziert, das ihm später ein hohes Einkommen und den Aufbau einer besseren Vorsorge ermöglichen wird (Botschaft vom 15. November 1995 über die Änderung des ZGB, BBl 1996 I 105 Ziff. 233.432), oder dass der eine Teil bereits rentenberechtigt ist und der andere, kurz vor dem Rentenalter stehende Teil voraussichtlich eine kleinere BGE 136 III 449 S. 454 Rente erhalten wird ( BGE 133 III 497 E. 4.5 S. 502 f.; vgl. auch die Fallkonstellation in BGE 135 III 153 E. 6.2.3 S. 157). Keine Verweigerungsgründe im Sinne einer offensichtlichen Unbilligkeit sind hingegen ein hohes Vermögen oder das Eingehen einer neuen Lebensgemeinschaft durch den ausgleichsberechtigten Ehegatten ( BGE 133 III 497 E. 4.5 S. 503). 4.4.3 Das Kantonsgericht legt nicht dar, inwiefern die hälftige Teilung wegen der güterrechtlichen Auseinandersetzung oder mit Blick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse nach der Scheidung offensichtlich unbillig wäre. Auf diese zweite Voraussetzung (vgl. E. 4.4.1 oben) geht es nicht ein. Es ist denn mit Blick auf die oben genannte Praxis zum gesetzlichen Verweigerungsgrund auch nicht ersichtlich, inwiefern offensichtliche Unbilligkeit im Sinne von Art. 123 Abs. 2 ZGB vorliegen könnte. Die güterrechtliche Auseinandersetzung ist in Rechtskraft erwachsen, wobei das Bezirksgericht den Parteien keine Ansprüche zugestand. Was die wirtschaftliche Lage nach der Scheidung betrifft, erhält die Beschwerdeführerin eine AHV-Rente und voraussichtlich Ergänzungsleistungen, währenddem der Beschwerdegegner diesbezüglich deutlich besser dasteht. Die hälftige Teilung ist im Ergebnis nicht offensichtlich unbillig. 4.5 4.5.1 Eine (teilweise) Verweigerung fällt ebenfalls in Betracht, wo die Entschädigung im konkreten Einzelfall und bei Vorliegen eines Tatbestandes, der dem in Art. 123 Abs. 2 ZGB umschriebenen vergleichbar oder ähnlich ist, gegen das Verbot des offenbaren Rechtsmissbrauchs verstiesse ( Art. 2 Abs. 2 ZGB ). Die Verweigerung wegen Rechtsmissbrauchs ist jedoch nur mit grosser Zurückhaltung anzuwenden. Für weitere Verweigerungsgründe bleibt kein Raum ( BGE 135 III 153 E. 6.1 S. 155; BGE 133 III 497 E. 4.7 S. 505). 4.5.2 So erachtete das Bundesgericht ehewidriges Verhalten und die Gründe, die zur Scheidung geführt haben, in der Regel als nicht ausreichend für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs ( BGE 133 III 401 E. 3.1 S. 403). Dieser liegt aber bei einer Scheinehe oder dann vor, wenn die Ehe gar nicht gelebt beziehungsweise ein gemeinsamer Haushalt gar nie aufgenommen wird ( BGE 133 III 497 E. 5.2 S. 505 f.). 4.5.3 Soweit das Kantonsgericht festhält, es könne nicht unbesehen auf die formale Dauer der Ehe abgestellt werden, da der Vorsorgeausgleich Folge der tatsächlich gelebten ehelichen Gemeinschaft sei, BGE 136 III 449 S. 455 setzt es sich in Widerspruch zur gesetzlichen Konzeption und der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach gerade und einzig auf die formelle Ehedauer (gut viereinhalb Jahre) abzustellen ist und die hälftige Teilung grundsätzlich voraussetzungslos erfolgt (vgl. E. 4.3 oben). Allein gestützt auf die Dauer der tatsächlich gelebten ehelichen Gemeinschaft (gut vier Monate) kann deshalb nicht von Rechtsmissbrauch ausgegangen werden. 4.5.4 Wenn das Kantonsgericht eine hälftige Teilung als fundamentalen Verstoss gegen das Gerechtigkeitsgefühl beurteilt, so kennt das materielle Recht diesen Verweigerungsgrund nicht. Jedoch kann (unter anderem) eine grobe Verletzung des Gerechtigkeitsgedankens zu der Annahme des offenbaren Rechtsmissbrauchs führen ( BGE 133 III 497 E. 5.1 und 5.2 S. 505 f.). Inwiefern dies vorliegend der Fall sein soll, geht aus dem angefochtenen Urteil nicht hervor. Der kantonsgerichtliche Hinweis, die Beschwerdeführerin verfüge aktenkundig über hinreichende Mittel, um ihren gewohnten bisherigen Lebensstandard ohne Einschränkungen fortzuführen, ist nicht ausreichend und auch nicht massgebend. 4.6 Liegt damit kein Verweigerungsgrund vor, hat die Beschwerdeführerin Anspruch auf hälftige Teilung des vom Beschwerdegegner während der Ehedauer erworbenen Vorsorgeguthabens in der Höhe von Fr. 134'003.85, somit auf Fr. 67'001.95. Die Sache ist zur Durchführung der Teilung des Vorsorgeguthabens an das Kantonsgericht zurückzuweisen. Dabei wird es zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen für eine Barauszahlung gegeben sind (vgl. Art. 22 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 FZG [SR 831.42]).
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Erwägungen ab Seite 148 BGE 104 V 148 S. 148 Aus den Erwägungen: 1. Nach Art. 28 Abs. 1 IVG hat der Versicherte Anspruch auf eine ganze Rente, wenn er mindestens zu zwei Dritteln, oder auf eine halbe Rente, wenn er mindestens zur Hälfte (im Fall wirtschaftlicher Härte mindestens zu einem Drittel) invalid ist. Die gesetzlichen Grundlagen der Invaliditätsschätzung sind verschieden, je nachdem ob sie Personen betrifft, die vor dem Eintritt der Invalidität erwerbstätig oder nicht erwerbstätig waren. Während sich der Invaliditätsgrad eines Erwerbstätigen nach dem in Art. 28 Abs. 2 IVG vorgesehenen Einkommensvergleich, also wesentlich nach erwerblichen Gesichtspunkten bestimmt, wird für die Bemessung der Invalidität Nichterwerbstätiger, insbesondere von Hausfrauen, darauf abgestellt, in welchem Umfang sie behindert sind, sich im bisherigen Aufgabenbereich zu betätigen ( Art. 27 Abs. 1 IVV in Verbindung mit Art. 28 Abs. 3 IVG ). Als Aufgabenbereich der Hausfrau gilt nach Art. 27 Abs. 2 IVV die übliche Tätigkeit BGE 104 V 148 S. 149 im Haushalt und allenfalls im Betrieb des Ehemannes sowie die Erziehung der Kinder. Nach dem seit 1. Januar 1977 in Kraft stehenden Art. 27bis IVV ist bei Hausfrauen, die eine Erwerbstätigkeit ausüben, die Invalidität ausschliesslich nach den Grundsätzen der Invaliditätsbemessung bei Erwerbstätigen zu bemessen, wenn sie vor Eintritt des Gesundheitsschadens ganztägig erwerbstätig waren. In den übrigen Fällen ist der Anteil der Erwerbstätigkeit und der üblichen Tätigkeit im Haushalt festzustellen und die Invalidität entsprechend der Behinderung in diesen Bereichen nach den dafür geltenden Grundsätzen zu bemessen (sogenannte gemischte Methode). 2. Nach Art. 41 IVG ist die Rente für die Zukunft entsprechend zu erhöhen, herabzusetzen oder aufzuheben, wenn sich der Grad der Invalidität eines Rentenbezügers in einer für den Anspruch erheblichen Weise ändert. Ein Revisionsgrund ist unter Umständen auch dann gegeben, wenn sich die anzuwendende Art der Bemessung der Invalidität ändert, wobei allerdings nicht ohne zwingende Notwendigkeit von den der ursprünglichen Invaliditätsschätzung zu Grunde gelegten Bemessungskriterien abgewichen werden soll (ZAK 1969 S. 743). So hat das Eidg. Versicherungsgericht wiederholt entschieden, dass die in einem bestimmten Zeitpunkt massgebende Methode der Invaliditätsschätzung die künftige Rechtsstellung der Versicherten nicht präjudiziert, sondern dass die alternativen Kriterien der Erwerbsunfähigkeit einerseits und der Unmöglichkeit der Betätigung im nichterwerblichen Aufgabenbereich anderseits ( Art. 5 Abs. 1 und 28 IVG ) im Einzelfall einander ablösen können ( BGE 98 V 262 und 265, BGE 97 V 241 ). 3. Verwaltung und Vorinstanz erblickten den Grund für die Rentenrevision nicht im Umstand einer Verbesserung des Gesundheitszustandes, sondern in der Wiederverheiratung der Beschwerdeführerin am 2. August 1974. Die Annahme, dass sich die Beschwerdeführerin zufolge ihrer Heirat auch ohne Invalidität auf die Haushaltführung beschränkt hätte, ist nicht zum vornherein von der Hand zu weisen. Indessen ist die Situation nicht mit jener zur Zeit ihrer ersten Ehe zu vergleichen. Damals war die Beschwerdeführerin an einer Erwerbstätigkeit verhindert, weil sie für Pflege und Erziehung ihrer beiden Kinder besorgt sein musste. Solche Hindernisse bestehen heute nicht mehr. Vor allem lassen aber die jetzigen finanziellen Verhältnisse den Schluss nicht zu, dass die Beschwerdeführerin BGE 104 V 148 S. 150 freiwillig darauf verzichtete, einem Verdienst nachzugehen... Es ist daher anzunehmen, dass die Beschwerdeführerin wenigstens teilweise wieder erwerbstätig wäre, wenn ihr dies möglich wäre. Auch für die hier anwendbare neurechtliche Bestimmung von Art. 27bis IVV gilt die schon unter der altrechtlichen Regelung entwickelte Praxis, dass diejenige Methode der Invaliditätsschätzung anzuwenden ist, die der Tätigkeit entspricht, welche die Versicherte zur Zeit der Rentenrevision ausüben würde, wenn sie nicht invalid wäre. Entgegen der Argumentation der Vorinstanz ist daher im vorliegenden Fall nicht massgebend, dass die Beschwerdeführerin vor Eintritt des Gesundheitsschadens nie voll erwerbstätig gewesen ist, sondern es ist davon auszugehen, dass sie unter den heutigen Umständen ohne Invalidität nebst der Haushaltführung auch noch teilweise erwerbstätig wäre. Laut Unfallanzeige vom 5. Oktober 1971 arbeitete die Beschwerdeführerin vor der Invalidierung 30-35 Stunden pro Woche und nach dem Bericht der Regionalstelle vom 13. November 1972 betrug die Arbeitszeit 4/5 einer Vollbeschäftigung. Es darf angenommen werden, dass die Beschwerdeführerin heute ohne Invalidität im gleichen Rahmen erwerbstätig wäre. Demnach ist von einer durchschnittlichen wöchentlichen Erwerbstätigkeit von 33 Stunden bei einer üblichen Arbeitszeit von 44 Stunden auszugehen, d.h. die Erwerbstätigkeit wäre mit 75% und die Haushalttätigkeit demzufolge mit 25% der ohne Invalidität ausgeübten Tätigkeit einzustufen. Nach dem Bericht der Invalidenversicherungs-Kommission vom 19. Februar 1976 ist die Beschwerdeführerin im Haushalt zu 2/3 arbeitsfähig, wogegen in Bezug auf eine erwerbliche Tätigkeit praktisch eine vollständige Arbeitsunfähigkeit angenommen werden muss. Sodann lassen auch die Angaben des Dr. W. auf Unzumutbarkeit weiterer erwerblicher Arbeitsleistung schliessen. Besteht somit in der erwerblichen Tätigkeit, die ihrerseits 75% der Gesamttätigkeit ausmacht, gänzliche Arbeitsunfähigkeit, so würde gesamthaft der Invaliditätsgrad selbst bei Annahme voller Arbeitsfähigkeit im Haushalt 2/3 übersteigen. Da aber die Arbeitsfähigkeit im Haushalt ebenfalls um 1/3 reduziert ist, beträgt der Invaliditätsgrad selbst dann noch mehr als 2/3, wenn noch eine geringe Leistungsfähigkeit in Bezug auf eine erwerbliche Tätigkeit angenommen BGE 104 V 148 S. 151 würde. Damit steht aber fest, dass sich der Invaliditätsgrad nicht in der für den Anspruch erheblichen Weise geändert hat. Die Revision wurde daher zu Unrecht vorgenommen. Demzufolge steht der Beschwerdeführerin ab 1. August 1977 weiterhin eine ganze Rente zu.
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Sachverhalt ab Seite 310 BGE 117 V 309 S. 310 A.- Renata B. era dal 1983 alle dipendenze della Ditta M., la quale affilia il suo personale per la parte obbligatoria della previdenza professionale alla Fondazione LPP della M. e per la previdenza più estesa presso la Cassa pensioni dello stesso gruppo. L'interessata, sapendosi colpita da malattia letale, si licenziò a fine novembre 1987 nell'intento di far beneficiare il figlio minorenne Luca B., studente a carico, della prestazione di libero passaggio. Il 5 dicembre successivo, prima della scadenza del termine di disdetta del rapporto lavorativo, essa morì. I due istituti di previdenza disposero di versare a Luca B. complessivamente fr. 900.-- all'anno, più precisamente fr. 75.-- mensili, a titolo di rendita d'orfano. B.- Luca B. ha adito il Tribunale delle assicurazioni del Cantone Ticino per una petizione con cui postulava il versamento dell'intero avere di vecchiaia, prevalendosi delle norme statutarie, BGE 117 V 309 S. 311 le quali prevedevano il versamento dell'avere di vecchiaia alle persone a carico. Per giudizio 6 novembre 1989 l'autorità giudiziaria cantonale ha condannato gli istituti convenuti a versare a Luca B. l'avere di vecchiaia costituito con i contributi della madre. Premesso che il Gruppo M. aveva attuato la previdenza professionale dei suoi dipendenti con il sistema dello "split", i primi giudici, riconosciuto che la madre dell'attore era ancora assicurata al momento del decesso, hanno precisato che il figlio minorenne dell'assicurata aveva diritto a una rendita per orfano, prestazione che correttamente era stata corrisposta. Sempre i giudici di prime cure, con riferimento agli art. 9.7 del regolamento della Fondazione, rispettivamente 9.5 del regolamento della Cassa pensioni, si sono chiesti se Luca B. avesse comunque avuto diritto, oltre che a una rendita, al versamento dell'avere di vecchiaia: in particolare si sono posti il quesito se l'incameramento da parte dell'istituto di previdenza dell'avere di vecchiaia non avesse costituito un arricchimento indebito, visto che, in considerazione del sistema di finanziamento, vigeva il principio dell'equivalenza e non già quello della solidarietà. Del resto, di regola, il rischio di morte o di invalidità prima del pensionamento era coperto da un'assicurazione i cui premi erano pagati facendo capo a contributi paritetici distinti da quelli formanti l'avere di vecchiaia; le prestazioni versate ai superstiti erano finanziate quindi in modo autonomo e pertanto se l'assicurato moriva prima del pensionamento l'avere di vecchiaia più non assolveva la funzione per cui era stato costituito. Ma ciò nondimeno, sempre a mente dei primi giudici, l'astrazione da ogni criterio di solidarietà non doveva indurre a false conclusioni e si traduceva in altre misure speciali, ragione per cui era concepibile che l'avere di vecchiaia non utilizzato per la previdenza del lavoratore fosse destinato alla realizzazione di scopi previdenziali. In sostanza, quindi, l'istituto poteva incamerare l'avere di affiliati defunti prima del verificarsi dell'evento assicurato senza conseguire un indebito arricchimento. Ma la prestazione litigiosa era da riconoscere per altri motivi: le norme regolamentari distinguevano tra superstiti, con diritto eventuale a pensione, e persone a carico, con diritto all'avere di vecchiaia, distinzione questa che non resisteva a critica. La discriminazione tra avere di vecchiaia, finanziato con parte di contributi del datore di lavoro, e le prestazioni per superstiti finanziate separatamente non permetteva di ammettere la soluzione in esame. Se era vero BGE 117 V 309 S. 312 che gli istituti di previdenza godevano nell'ambito della LPP di libertà operativa, detta libertà trovava limite nei principi generali del diritto, il che valeva per le prestazioni obbligatorie, ma anche per quelle extra-obbligatorie. In quest'ambito era da riconoscere una disparità di trattamento ancorata in una norma che operava una distinzione infondata tra persone a carico e superstiti, che nell'evenienza concreta conduceva a risultati particolarmente iniqui. Titolare del diritto, hanno concluso i giudici di prime cure, doveva comunque essere ritenuto solo Luca B., minorenne. C.- La previdenza del personale del Gruppo M. interpone ricorso di diritto amministrativo a questa Corte postulando l'annullamento del giudizio, da riformare nel senso della reiezione integrale della petizione. Conferma che la previdenza del personale della ditta è condotta secondo il sistema dello "split". Ammette l'esattezza dei fatti narrati nel giudizio querelato, in particolare le conclusioni cui sono arrivati i primi giudici, nel senso che le istituzioni dovevano prestare la rendita per orfano dal momento che la defunta madre era assicurata quando decedette. Precisa che controverso è solo il tema di sapere se la ricorrente debba, oltre alla rendita per orfano, corrispondere all'opponente anche un capitale di decesso, che, a suo parere, dovrebbe ammontare a fr. 29'359.90. Censura il querelato giudizio nella misura in cui, imponendole l'obbligo di versare un capitale, avrebbe disatteso l' art. 49 LPP , che le consente libertà nello stabilire le prestazioni, il finanziamento e l'organizzazione, con violazione della sua autonomia nell'ambito delle prestazioni extra-obbligatorie. Afferma che i primi giudici, se avevano ammesso che le disposizioni regolamentari avrebbero condotto al rifiuto della prestazione litigiosa, non contestando la conformità a legge delle cennate disposizioni, e se esattamente avevano argomentato che in ogni modo la ricorrente non avrebbe conseguito un arricchimento indebito, essi si sarebbero contraddetti nella misura in cui si erano prevalsi del modo di finanziamento, misconoscendo i principi dei sistemi di finanziamento delle istituzioni di previdenza, validi anche nel settore extra-obbligatorio. In sostanza, sarebbe illecito derivare al di fuori del regolamento ulteriori diritti prendendo a base il sistema di finanziamento. Del resto, nel settore obbligatorio la legge stabilisce quali siano le prestazioni da riconoscere, ma non come finanziarle. Problematica simile deriva del resto dalle disposizioni sulla soprassicurazione, quando solo parte delle prestazioni concordate sono attribuite al BGE 117 V 309 S. 313 beneficiario. Comunque, gli argomenti di cui la prima istanza si prevale varrebbero per la Fondazione LPP, non per la Cassa pensioni, con la conseguenza che, se del caso, il capitale di decesso assommerebbe a soli fr. 3'699.85. Né fondato, per la ricorrente, sarebbe l'argomento della disparità di trattamento tra superstiti e persone a carico. Anzitutto perché, come ammesso nel giudizio in lite, la ricorrente potrebbe senza violare il diritto modificare i regolamenti, inoltre perché i superstiti in ogni caso hanno diritto a una rendita. Se è vero ora che nel caso concreto la rendita per orfani è inferiore al capitale di decesso, da ciò non può essere dedotto che le disposizioni siano arbitrarie, dal momento che altre ipotesi sono possibili: in sostanza, in certi casi è l'istituzione previdenziale che registra una perdita, in altre essa registra un utile. Si tratta di fatti connaturali al sistema assicurativo sociale che non permettono di revocare in dubbio comunque la validità dei criteri. Queste conclusioni sono contrastate da Luca B., il quale chiede fr. 36'630.-- più interessi. L'Ufficio federale delle assicurazioni sociali, di contro, rinuncia a determinarsi.
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Erwägungen Diritto: 1./2.- (Competenza del Tribunale federale delle assicurazioni) 3. Ai sensi dell' art. 49 cpv. 1 LPP gli istituti di previdenza possono strutturare liberamente le prestazioni, il finanziamento di queste e l'organizzazione. Per il cpv. 2 del disposto se un istituto di previdenza concede prestazioni più estese di quelle minime, alla previdenza più estesa si applicano soltanto le disposizioni sull'amministrazione paritetica, sulla responsabilità, sul controllo, sulla vigilanza, sulla sicurezza finanziaria e sul contenzioso. Nell'ambito della previdenza obbligatoria e extra-obbligatoria la ricorrente si è data due disposizioni regolamentari. Per quanto concerne la Fondazione LPP, l'art. 9.7, secondo cui: "Se in caso di decesso di un assicurato non viene a scadenza una rendita per i superstiti o un'indennità per la vedova e se l'assicurato aveva persone a carico, viene versato - a queste persone - un capitale di decesso che corrisponde all'avere di vecchiaia finanziato con i contributi del dipendente." Per quanto riferito alla Cassa pensioni, l'art. 9.5, il quale dispone: "Se in caso di decesso di un assicurato non viene a scadenza una rendita per i superstiti o un'indennità per la vedova, viene versato un capitale BGE 117 V 309 S. 314 di decesso di fr. 5'000.-- ai suoi eredi legali, ad eccezione dell'ente pubblico. Se il defunto aveva persone a carico, invece del capitale di decesso di fr. 5'000.-- viene versato, agli stessi beneficiari, l'avere di vecchiaia finanziato con i contributi del dipendente." Queste disposizioni in sostanza ricalcano quanto stabilito all'art. 6 dell'Ordinanza 12 novembre 1986 sul mantenimento della previdenza e del libero passaggio. Le predette disposizioni regolamentari, interpretate letteralmente, non possono condurre che alla determinazione assunta dalla ricorrente. Presupposto per il versamento alle persone a carico, rispettivamente agli eredi legali, dell'avere di vecchiaia finanziato con i contributi del dipendente oppure del capitale di decesso è che non venga a scadenza una rendita, comunque una prestazione per superstiti. Solo in questo caso, non esistendo vedova o orfani al beneficio di prestazioni, viene versato l'avere di vecchiaia oppure il capitale di decesso alle persone a carico o agli eredi legali. In sostanza, se del caso, all'orfano possono spettare, a condizione che egli non percepisca una rendita, altre prestazioni - parte dell'avere di vecchiaia, rispettivamente del capitale di decesso di fr. 5'000.-- - a seconda che sia o meno persona a carico, quando si ritenga che persone a carico possono essere ipotizzate eventualmente persone al cui mantenimento l'assicurato provvedeva in virtù dell'obbligo di assistenza (secondo l'art. 328 segg. CC), oppure le persone indicate nell'ora abrogato art. 86 LAMI , oppure altre secondo l'interpretazione che potesse fornire l'istituto di previdenza, comunque non il figlio in età di percepire una rendita per orfano. Nell'evenienza concreta pertanto, in applicazione delle norme statutarie, l'attribuzione della rendita all'orfano escludeva ogni ulteriore prestazione degli istituti di previdenza. 4. Deve ancora essere esaminato se le disposizioni citate fossero conformi a legge e se le medesime non contraddicevano comunque i principi generali del diritto. a) Per l' art. 18 lett. a LPP il diritto alle prestazioni per i superstiti sussiste soltanto se il defunto, segnatamente, era assicurato quando si verificò il decesso o allorché insorse l'incapacità al lavoro la cui causa ha portato alla morte. L' art. 20 LPP dispone che i figli del defunto hanno diritto alle rendite per orfani e che lo stesso diritto spetta agli affiliati se il defunto doveva provvedere al loro sostentamento. Giusta l' art. 21 cpv. 1 LPP alla morte dell'assicurato la rendita per vedove ammonta al 60% e BGE 117 V 309 S. 315 la rendita per orfani al 20% della rendita intera d'invalidità cui avrebbe avuto diritto l'assicurato. Infine, conformemente all' art. 22 LPP il diritto alle prestazioni per superstiti sorge con la morte dell'assicurato ma, il più presto, quando cessa il diritto al pagamento completo del salario (cpv. 1). Il diritto alle prestazioni per orfani si estingue quando l'orfano muore o compie i 18 anni; esso sussiste tuttavia, ma al massimo sino al compimento del 25o anno di età, fintanto che l'orfano è a tirocinio o agli studi o è incapace di guadagnare perché invalido per almeno due terzi (cpv. 3). In concreto giusta l' art. 18 lett. a LPP , atteso che la madre dell'opponente era assicurata al momento del decesso, scadendo, conformemente all' art. 338 cpv. 2 CO , il diritto al salario dopo il momento della morte, ne derivava un diritto a prestazioni, da attuare, secondo l' art. 20 LPP , mediante il versamento di una rendita per orfani, pari, per l' art. 21 LPP , al 20% della rendita intera d'invalidità cui avrebbe avuto diritto l'assicurato, da riconoscere, conformemente all' art. 22 LPP , dalla morte dell'assicurato sino al 18o anno, eventualmente sino al 25o se l'orfano era al tirocinio o agli studi. È quanto prevedono i regolamenti degli istituti di previdenza ricorrenti. Giova ancora essere appurato se, eventualmente, la LPP consenta ai beneficiari un diritto di opzione tra rendita e indennità in altra forma. Secondo l' art. 37 cpv. 1 LPP , le prestazioni di vecchiaia per superstiti e d'invalidità sono di regola assegnate come rendite. Giusta il cpv. 2 del disposto, l'istituto di previdenza può assegnare una liquidazione in capitale in luogo di una rendita di vecchiaia o d'invalidità, di una rendita per vedove o di una rendita per orfani che fossero inferiori al 10%, rispettivamente al 6 e al 2% della rendita semplice minima di vecchiaia dell'AVS. Infine, per il cpv. 3 della norma, le disposizioni regolamentari dell'istituto possono stabilire che l'avente diritto può chiedere una liquidazione in capitale in luogo di una rendita di vecchiaia, per vedove o d'invalidità. Impregiudicato, da un punto di vista generale, quanto avvenga per le rendite vedovili, deve essere osservato aver le disposizioni citate carattere potestativo e, inoltre, in particolare, riferirsi il cpv. 3 solo alle prestazioni per le vedove e non già a quelle per gli orfani, ciò per silenzio qualificato della legge (cfr. DTF 115 V 102 consid. 6). BGE 117 V 309 S. 316 Ne deve essere dedotto che le disposizioni regolamentari non violano la LPP. Fermi questi presupposti, deve pur essere affermato, con i primi giudici, che l'applicazione delle norme regolamentari può, in certi casi, condurre a conseguenze apparentemente inique. Non c'è chi non vede che in certe ipotesi le disposizioni possano gratificare beneficiari non previsti dalla LPP - persone a carico o eredi legali - di prestazioni più importanti di quelle altrimenti riservate all'orfano. Ciò dipende, ad esempio, dall'età dell'orfano, dal fatto che egli continui o meno negli studi e infine dall'avere accumulato dall'avente causa, quando comunque si ricordi che le rendite alla vedova e agli orfani valgono ad escludere ogni ulteriore prestazione, sia agli eredi che alle persone a carico. Ad ogni modo si tratta di conseguenze che non contrastano le esigenze minime imposte dalla LPP, anche prendendo in considerazione, come accennano i primi giudici, il modo di finanziamento, ambito questo in cui gli istituti di previdenza godono di ampi poteri autonomi, conformemente all' art. 49 LPP , ivi compreso il potere di far beneficiare di prestazioni persone diverse da quelle previste dalla LPP, senza con ciò violare il principio di solidarietà. b) Resta da esaminare se ravvisabile sia altrimenti una violazione dei principi generali del diritto. In sostanza, le norme regolamentari permettono di assegnare al figlio di un assicurato morto senza lasciare una vedova: una pensione quale superstite se il figlio non ha ancora 18 anni, oppure se non avendone ancora 25 è ancora agli studi; superati questi limiti ha diritto alla quota di un capitale di decesso, se in concorrenza con altri eredi legali, oppure dell'avere di vecchiaia finanziato con i contributi dell'avente causa, se incapace di provvedere al proprio sostentamento, ad esempio perché invalido. Le norme distinguono tra i superstiti - in senso tecnico la vedova e gli orfani in età pensionabile -, gli eredi e le persone a carico, quando si ricordi che l'assegnazione di una rendita ai superstiti esclude ogni ulteriore prestazione. Secondo i primi giudici ora le disposizioni privilegerebbero in modo difforme dai principi generali del diritto, segnatamente dal principio della parità di trattamento, le persone a carico rispetto ai superstiti, nel senso che si era disatteso essere un figlio pur sempre persona a carico. Conformemente alla giurisprudenza, violano il principio dell'uguaglianza ancorato nell' art. 4 Cost. - oltre gli atti BGE 117 V 309 S. 317 legislativi che non hanno un motivo serio e oggettivo o che appaiono privi di senso e scopo - quelli che fanno delle distinzioni inammissibili, che non trovano cioè corrispondenza alcuna nelle diversità delle fattispecie che la disciplina vuole regolare e quelli che - all'opposto - omettono di fare delle distinzioni, quando la diversità delle circostanze da sottoporre a norma impone invece di distinguere e che danno luogo ad una parificazione inammissibile ( DTF 115 V 233 consid. 6, 114 Ia 2 consid. 3, 223 consid. 2b, 323 consid. 3a e 423 consid. 4a, 114 V 108 consid. 3b). Ora, giova permettere al riguardo, come già è stato detto, che un figlio è persona a carico solo in certe ipotesi. Inoltre il privilegio può derivare da circostanze particolari, segnatamente dal fatto che una rendita è prestazione ricorrente destinata a scadere, mentre un'indennità è prestazione unica determinata in modo preciso. Infine, il privilegio deriva anche da fattori oggettivi, quali l'età e l'attività del destinatario. Comunque, su questo punto, non può essere data adesione alla tesi dei giudici cantonali. Bisogna in sostanza ritenere che un'istituzione assicurativa assume determinati rischi, che deve indennizzare nelle forme usuali della tecnica assicurativa. Ciò dipende, quando si tratti di prestazioni agli orfani, se paragonate con quelle delle persone a carico, da numerosi fattori, quali quelli del numero degli orfani e della loro età, che potrebbero in certi casi comportare dal profilo finanziario un pregiudizio all'istituto e in altri, come in concreto, un vantaggio. Configurano queste varianti insite nel sistema delle assicurazioni e che, se come nella fattispecie conducono a risultati urtanti, non permettono di considerare l'intero sistema quale retto da principi difformi da quelli generali del diritto e in particolare da quello della parità di trattamento. 5. Dato quanto precede, il giudizio querelato non può essere tutelato.
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Dispositiv Per questi motivi, il Tribunale federale delle assicurazioni pronuncia: Il ricorso di diritto amministrativo è accolto, nel senso che, in annullamento del giudizio querelato, la petizione dell'assicurato viene respinta.
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Sachverhalt ab Seite 82 BGE 132 II 81 S. 82 Am 29. April 2005 ersuchten die USA (über das U.S. Department of Justice) die Schweiz um Verhaftung des russischen Staatsangehörigen und ehemaligen Ministers für Atomenergie Evgeny Adamov. Am 2. Mai 2005 wurde Evgeny Adamov in Bern verhaftet und in provisorische Auslieferungshaft versetzt. Am 3. Mai 2005 erliess das Bundesamt für Justiz (BJ) einen Auslieferungshaftbefehl. Am 17. Mai 2005 hat die Russische Föderation (über deren Generalstaatsanwaltschaft) bei den schweizerischen Behörden förmlich um Auslieferung von Evgeny Adamov ersucht. Am 3. Juni 2005 bestätigten die russischen Behörden ausdrücklich, dass die Verhaftung und Auslieferung von Evgeny Adamov zu Strafverfolgungszwecken beantragt werde. Am 7. Juni 2005 wurde der Auslieferungshaftbefehl vom BJ auf das russische Ersuchen ausgedehnt. Der Verfolgte hat (am 19. August 2005) sein Einverständnis für eine vereinfachte Auslieferung an Russland erklärt. Anlässlich seiner Befragung vom 4. Mai 2005 widersetzte sich Evgeny Adamov hingegen einer vereinfachten Auslieferung an die USA. Mit Urteil vom 9. Juni 2005 hiess das Bundesstrafgericht eine Beschwerde von Evgeny Adamov gegen den Auslieferungshaftbefehl des BJ vom 3. Mai 2005 gut, und es ordnete die Haftentlassung des Verfolgten an. Mit Urteil vom 14. Juli 2005 hob das Bundesgericht (auf Beschwerde des BJ hin) den Entscheid des Bundesstrafgerichtes vom 9. Juni 2005 auf (Verfahren 1S.18/2005). Am 10. August 2005 wies das Bundesstrafgericht die Beschwerden des Verfolgten gegen die Auslieferungshaftbefehle vom 3. Mai bzw. 7. Juni 2005 rechtskräftig ab. Am 24. bzw. 27. Juni 2005 reichten die USA ihr förmliches Auslieferungsersuchen (datiert vom 2. Juni 2005) ein. Mit Verfügung vom 25. August 2005 bewilligte das BJ die vereinfachte Auslieferung von Evgeny Adamov an Russland; der Entscheid ist in Rechtskraft erwachsen. Der Vollzug der Auslieferung wurde vom BJ bis zum rechtskräftigen Entscheid über das konkurrierende Ersuchen der USA bzw. über die Priorität der beiden Ersuchen aufgeschoben. Mit Verfügung vom 30. September 2005 entschied das BJ, dass die Auslieferung des Verfolgten "prioritär an die USA" zu erfolgen habe; die Auslieferung an die USA wurde (mit Ausnahme eines Anklagepunktes) vom BJ grundsätzlich bewilligt. BGE 132 II 81 S. 83 Gegen den Auslieferungsentscheid des BJ vom 30. September 2005 (Auslieferung an die USA) gelangte Evgeny Adamov mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 1. November 2005 an das Bundesgericht. Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides, die Abweisung des amerikanischen Ersuchens sowie seine prioritäre Auslieferung an Russland.
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Erwägungen Erwägungen: 1. Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist die Frage, ob eine Auslieferung des Verfolgten an die USA zulässig ist und, falls ja, ob dem konkurrierenden Ersuchen der USA die Priorität zukommt. Falls beides zu bejahen ist, wäre die Auslieferung an die USA zu vollziehen. Der Verfolgte beantragt, die Auslieferung an die USA sei zu verweigern und er sei prioritär nach Russland auszuliefern. 1.1 Die Frage der Zulässigkeit der Auslieferung an die USA ist primär nach Massgabe des Auslieferungsvertrages vom 14. November 1990 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika (AVUS; SR 0.353.933.6) zu prüfen. Soweit dieser Staatsvertrag die Voraussetzungen und Bedingungen der Auslieferung nicht abschliessend (bzw. restriktiver) regelt, ist das schweizerische Landesrecht anwendbar, namentlich das Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG; SR 351.1) und die dazugehörende Verordnung vom 24. Februar 1982 (IRSV [SR 351.11]; vgl. Art. 1 Abs. 1 lit. a IRSG ; BGE 128 II 355 E. 1 S. 357). 1.2 Gegen den Auslieferungsentscheid des BJ ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegeben (Art. 55 Abs. 3 i.V.m. Art. 25 Abs. 1 IRSG ). Die Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 97-114 OG sind erfüllt. Der Verfolgte ist zur Beschwerdeführung legitimiert (vgl. Art. 21 Abs. 3 IRSG ). 1.3 Zulässige Beschwerdegründe sind sowohl die Verletzung von Bundesrecht, inklusive Staatsvertragsrecht (einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens), als auch die Rüge der unrichtigen oder unvollständigen Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts; der Vorbehalt von Art. 105 Abs. 2 OG trifft hier nicht zu ( Art. 104 lit. a-b OG ; vgl. BGE 117 Ib 64 E. 2b/bb S. 72). Soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegeben (und die staatsrechtliche Beschwerde daher ausgeschlossen) ist, kann auch die BGE 132 II 81 S. 84 Verletzung verfassungsmässiger Individualrechte (bzw. der EMRK oder des UNO-Paktes II) mitgerügt werden (vgl. BGE 124 II 132 E. 2a S. 137; BGE 123 II 153 E. 2c S. 158 f.; BGE 122 II 373 E. 1b S. 375). 1.4 Das Bundesgericht ist an die Begehren der Parteien nicht gebunden ( Art. 25 Abs. 6 IRSG ). Es prüft die Auslieferungsvoraussetzungen grundsätzlich mit freier Kognition. Im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde befasst es sich jedoch nur mit Tat- und Rechtsfragen, die Streitgegenstand des Verfahrens bilden (vgl. BGE 123 II 134 E. 1d S. 136 f.; BGE 122 II 367 E. 2d S. 372, je mit Hinweisen). 2. Zunächst ist zu prüfen, ob eine Auslieferung des Verfolgten an die USA gestützt auf das massgebliche Rechtshilferecht zulässig ist. 2.1 Die Schweiz und die USA haben sich gegenseitig verpflichtet, einander Personen auszuliefern, welche von den zuständigen Behörden des ersuchenden Staates wegen einer auslieferungsfähigen Straftat verfolgt werden oder für schuldig befunden worden sind ( Art. 1 Ziff. 1 AVUS ). Auslieferungsfähig ist eine Straftat, wenn sie nach dem Recht beider Vertragsparteien mit Freiheitsentzug von mehr als einem Jahr bestraft werden kann ( Art. 2 Ziff. 1 AVUS ). Die Auslieferung wird auch bewilligt für den Versuch, für die Teilnahme oder für ein Komplott ("conspiracy"), eine solche Straftat zu begehen, wenn die zugrunde liegende strafbare Handlung ebenfalls eine Verletzung des schweizerischen Bundesrechts darstellt ( Art. 2 Ziff. 3 AVUS ). Wird die Auslieferung bewilligt, so wird sie auch für jede andere Straftat bewilligt, die nach dem Recht der USA und der Schweiz strafbar ist, unabhängig von den zeitlichen Voraussetzungen nach Art. 2 Ziff. 1 AVUS ( Art. 2 Ziff. 4 AVUS ). Das Erfordernis der beidseitigen Strafbarkeit setzt nicht voraus, dass das inkriminierte Verhalten nach dem Recht der USA und der Schweiz unter identische Strafnormen fallen müsste (vgl. BGE 129 II 462 E. 4.6 S. 466 mit Hinweisen). In formeller Hinsicht hat das Auslieferungsersuchen namentlich eine kurze Darstellung des Sachverhalts zu enthalten, einschliesslich Ort und Zeitpunkt der verfolgten Straftat ( Art. 9 Ziff. 2 lit. b AVUS ), sowie den Wortlaut der Gesetzesbestimmungen, welche Aufschluss geben über die wesentlichen Tatbestandsmerkmale und die Bezeichnung der Straftat, die Strafdrohung sowie die Fristen der Verjährung der Strafverfolgung bzw. Strafvollstreckung für das fragliche Auslieferungsdelikt ( Art. 9 Ziff. 2 lit. c AVUS ). Unter dem BGE 132 II 81 S. 85 Gesichtspunkt des AVUS reicht es grundsätzlich aus, wenn die Angaben im Rechtshilfeersuchen sowie in dessen Ergänzungen und Beilagen es den schweizerischen Behörden ermöglichen zu prüfen, ob ausreichende Anhaltspunkte für eine auslieferungsfähige Straftat vorliegen, ob Verweigerungsgründe gegeben sind bzw. in welchem Umfang dem Begehren allenfalls entsprochen werden muss. Der Rechtshilferichter muss namentlich prüfen können, ob die Voraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit erfüllt ist. Es kann hingegen nicht verlangt werden, dass die ersuchende Behörde die Tatvorwürfe bereits abschliessend mit Beweisen belegt. Der Rechtshilferichter hat weder Tat- noch Schuldfragen zu prüfen und grundsätzlich auch keine Beweiswürdigung vorzunehmen, sondern ist vielmehr an die Sachverhaltsdarstellung im Ersuchen gebunden, soweit sie nicht durch offensichtliche Fehler, Lücken oder Widersprüche sofort entkräftet wird (vgl. BGE 125 II 250 E. 5b S. 257; BGE 122 II 134 E. 7b S. 137, BGE 122 II 367 E. 2c S. 371, 422 E. 3c S. 431; BGE 120 Ib 251 E. 5c S. 255, je mit Hinweisen). 2.2 Im angefochtenen Entscheid des BJ wird der dem Verfolgten von den US-Behörden vorgeworfene Sachverhalt wie folgt zusammengefasst: "Zusammen mit einer anderen Person soll er sich u.a. in den USA zwischen Januar 1993 und Januar 2003 in seiner Funktion als hoher russischer Regierungsbeamter gemäss vorgefasster Absicht u.a. Gelder der USA und von anderen ausländischen Staaten, welche für den russischen Staat im Bereich der Nuklearenergie vorgesehen waren, angeeignet und für persönliche Zwecke verwendet haben, indem er diese Gelder in verschiedene nationale und internationale Projekte investiert haben soll. Dabei soll er als Direktor des Nuklear-Instituts 'Nikiet' und als russischer Minister für Atomenergie 15 Millionen USD, welche für 'Nikiet' bzw. den russischen Staat bestimmt gewesen seien, an verschiedene US-Firmen weitergeleitet haben, welche unter seiner Kontrolle gewesen sein sollen. Davon seien mindestens 9 Millionen USD auf persönliche Konten und Geschäftskonten des Verfolgten in den USA, in Frankreich und Monaco überwiesen worden. Diese Gelder habe der Verfolgte dann namentlich in den USA, der Ukraine und in Russland in persönliche Projekte investiert, wobei er in diesem Zusammenhang verschiedene gefälschte Geschäftsverträge etc. verwendet haben soll, um die erfolgten Geldüberweisungen zu verbergen. Zusammen mit einer anderen Person soll der Verfolgte in den USA verschiedene Massnahmen getroffen haben, um namentlich die in oben erwähnter Art und Weise erlangten Gelder vor den US-Steuerbehörden zu verbergen." BGE 132 II 81 S. 86 2.3 Im Ersuchen der USA und dessen Beilagen wird der untersuchte Sachverhalt wie folgt dargestellt: 2.3.1 Der Verfolgte sei von November 1986 bis März 1998 Direktor des russischen Forschungsinstitutes NIKIET gewesen. NIKIET habe unter anderem wissenschaftliche Forschung auf dem Gebiet der nuklearen Energietechnologie betrieben und Atomreaktoren entwickelt, darunter auch vom Typ "RBMK", der in Tschernobyl (Ukraine) Verwendung gefunden habe. Am 4. März 1998 sei der Verfolgte vom damaligen russischen Präsidenten Boris Jelzin zum russischen Minister für Atomenergie ernannt worden. In dieser Regierungsfunktion habe der Verfolgte die gesamte Verantwortung über alle Aspekte des staatlichen russischen Nuklearenergiesektors getragen. Am 28. März 2001 sei der Verfolgte aus seinem Ministeramt entlassen worden und als wissenschaftlicher Leiter zum staatlichen Forschungsinstitut NIKIET zurückgekehrt. 2.3.2 Im Dezember 1990 habe das Exekutivkomitee der internationalen Nichtregierungsorganisation "Forum of Scientists" ein Diskussionsforum unter dem Namen "Energopool Establishment" eingerichtet. Energopool habe als Plattform gedient für Diskussionen zwischen Wissenschaftlern aus Russland und aus westlichen Industrienationen über Strategien zur Entwicklung einer sicheren und umweltfreundlichen Energieproduktion. Der Verfolgte sei zum Generaldirektor von Energopool ernannt worden. Nach dem verheerenden Reaktorunfall in Tschernobyl im April 1986 hätten die USA und andere Staaten etwa ab 1992 damit begonnen, finanzielle und technische Unterstützung bereitzustellen, um die Sicherheit gewisser Kernkraftwerke zu erhöhen, welche in Russland und in verschiedenen anderen ehemaligen Teilrepubliken der früheren Sowjetunion in Betrieb standen. In den USA hätten die betreffenden Hilfsprogramme unter der Bezeichnung "International Nuclear Safety Program" gestanden. 2.3.3 NIKIET habe Energopool als Zahlstelle ("payee") bezeichnet zur Abrechnung von verschiedenen Leistungen (Expertisen, Bauplänen, Rechtsberatungen, Dienstleistungen im Hinblick auf die Ausarbeitung von Verträgen zur Renovation von Kernkraftwerken sowie Beiträgen zur Ausführung von Sicherheitstest). NIKIET wird in der Anklageschrift des United States District Court for the Western District of Pennsylvania vom 5. Mai 2005 als "sub-contractor" bezeichnet. Als Direktor von NIKIET habe der Verfolgte BGE 132 II 81 S. 87 Konferenzen mit verschiedenen Regierungsvertretern und Amtsstellen westlicher Staaten durchgeführt. Ziel dieser Meetings sei es gewesen, mit den USA und anderen Staaten Unterstützungsprojekte zur Erhöhung der Reaktorsicherheit auszuhandeln. 2.3.4 Im Juli 1996 sei das "Russian International Nuclear Safety Center" (das ursprünglich zu NIKIET gehört habe) mit dem Zweck gegründet worden, gemeinsame Reaktorforschung zusammen mit dem "United States Nuclear Safety Center" (Chicago, Illinois) zu betreiben. Am 8. Januar 1999 habe das US-Aussenministerium die NIKIET jedoch auf eine Liste von Organisationen gesetzt, die von der Unterstützung durch die USA "verbannt" würden. Diese Massnahme sei auf Weisung der US-Regierung erfolgt, als Reaktion auf die Rolle, welche NIKIET bei der Lieferung von "nuklearer Unterstützung" an den Iran gespielt habe. ("On January 8, 1999, pursuant to an Executive Order, the United States Department of State placed NIKIET on a list of entities with whom United States governmental assistance was banned, due to NIKIET's role in providing nuclear assistance to Iran".) 2.3.5 Die Justizbehörden der USA werfen dem Verfolgten und weiteren Angeschuldigten vor, diese hätten zwischen ca. Januar 1993 und ca. Januar 2003 Gelder in rechtswidriger Weise und in Bereicherungsabsicht auf Bankkonten in den USA und teilweise weiter auf Bankkonten in Drittstaaten transferiert. Die fraglichen Gelder hätten die USA, die Regierungen anderer Staaten sowie amerikanische und ausländische Unternehmen an NIKIET bezahlt im Hinblick auf Projekte zur Erhöhung der Reaktorsicherheit. Dieser Hauptanklagepunkt sei nach dem Strafrecht der USA (Title 18, United States Code, Section 2314) als Verschwörung zum Transfer "gestohlener" Gelder zu qualifizieren ("Conspiracy to Transfer Stolen Money and Securities"). Es handle sich dabei um Straftaten gegen die USA ("offenses against the United States"). 2.3.6 Im Anklagepunkt 5 wird dem Verfolgten vorgeworfen, sein Verhalten falle nach US-Strafrecht (Title 18, United States Code, Section 371) ausserdem unter den Tatbestand der betrügerischen Verschwörung gegen die USA ("Conspiracy to Defraud the United States"), indem der Verfolgte den USA diverse Einkommenssteuern ("income taxes") vorenthalten habe. 2.3.7 In den Anklagepunkten 14 und 20 wird das dem Verfolgten vorgeworfene Verhalten auch noch unter die amerikanischen BGE 132 II 81 S. 88 Geldwäschereistrafnormen (Title 18, United States Code, Section 1957 [a] und Section 1956 [h]) subsumiert. 2.4 Im angefochtenen Entscheid wird die zentrale Rechtshilfevoraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit nur sehr knapp geprüft. Die betreffende Erwägung lautet wie folgt: "Der (...) Sachverhalt kann nach schweizerischem Recht namentlich unter Art. 138 Ziff. 2 des Schweizerischen Strafgesetzbuches (...) subsumiert werden. Dies aus folgenden Gründen: Aus der Sachverhaltsdarstellung der US-Behörden ergibt sich, dass sich der Verfolgte in seiner Funktion als Regierungsbeamter gemäss vorgefasster Absicht Gelder angeeignet haben soll, die ihm anvertraut wurden, statt diese dem rechtmässigen Empfänger zuzuführen. Dabei soll er diese Gelder unter Bereicherungsabsicht für persönliche Zwecke verwendet haben, u.a. zur Investition in verschiedene private Projekte." Wie nachfolgend zu zeigen ist, kann dieser rechtlichen Qualifikation nicht gefolgt werden. 2.5 Das schweizerische Strafrecht stellt (im Achtzehnten Titel des StGB) zunächst verschiedene Delikte gegen die Amts- und Berufspflicht sowie (im Neunzehnten Titel) Bestechung bzw. Korruption unter Strafe: 2.5.1 Gemäss Art. 314 StGB wird wegen ungetreuer Amtsführung mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft, wer als Mitglied einer Behörde oder als Beamter die von ihm bei einem Rechtsgeschäft zu wahrenden öffentlichen Interessen schädigt, um sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen. Die schweizerischen Amts- und Berufsdelikte ( Art. 312-322 bis StGB ) haben nicht den Zweck, den ausländischen Fiskus vor rechtswidrigem Verhalten ausländischer Amtsträger zu schützen. Unter den Begriff des Amtsträgers bzw. des Beamten nach schweizerischem Strafrecht ( Art. 110 Ziff. 4 StGB ) fallen öffentliche Dienstfunktionsträger der Eidgenossenschaft, der schweizerischen Gebietskörperschaften (Kantone und Gemeinden) sowie der schweizerischen Zweckverbände mit öffentlichrechtlicher Zielsetzung (vgl. BGE 121 IV 216 E. 3a-c S. 220-222; ANDREAS DONATSCH/ WOLFGANG WOHLERS, Strafrecht IV, Delikte gegen die Allgemeinheit, 3. Aufl., Zürich 2004, S. 306; STEFAN HEIMGARTNER, in: Basler Kommentar StGB, Bd. II, Basel 2003, vor Art. 285 StGB N. 8; NIKLAUS OBERHOLZER, in: Basler Kommentar StGB, Bd. I, Basel 2003, N. 11 und 15 zu Art. 110 StGB ; STEFAN TRECHSEL, Kurzkommentar StGB, 2. Aufl., Zürich 1997, N. 11 zu Art. 110 StGB , vor BGE 132 II 81 S. 89 Art. 285 StGB N. 4). Die Strafnorm der ungetreuen Amtsführung ( Art. 314 StGB ) richtet sich nur gegen inländische (schweizerische) Amtsträger (vgl. DONATSCH/WOHLERS, a.a.O., S. 306/451; HEIMGARTNER, a.a.O., N. 3 und 20 zu Art. 312 StGB , N. 9 zu Art. 314 StGB ). Analoges gilt für die übrigen Amtsdelikte im engeren Sinne, etwa die Amtsurkundenfälschung ( Art. 317 StGB ). 2.5.2 Der Neunzehnte Titel des StGB ( Art. 322 ter -322 octies StGB ) stellt Bestechung (bzw. Korruption im engeren Sinne) unter Strafe. Wegen Bestechlichkeit ( Art. 322 quater StGB ) macht sich strafbar, wer als Behördemitglied oder Beamter im Zusammenhang mit seiner amtlichen Tätigkeit für eine pflichtwidrige oder in seinem Ermessen stehende Handlung oder Unterlassung für sich oder einen Dritten einen nicht gebührenden Vorteil fordert, sich versprechen lässt oder annimmt. Die Bestechlichkeitsstrafnorm bezweckt jedoch (wie die Amtsdelikte des Achtzehnten Titels StGB) de lege lata nicht, ausländische Funktionsträger nach schweizerischem Recht zu verfolgen. Art. 322 quater StGB (passive Bestechlichkeit) ist daher ausschliesslich auf inländische Amtsträger anwendbar (Randtitel Ziff. 1 vor Art. 322 ter -322 sexies StGB ; vgl. Botschaft zum neuen Korruptionsstrafrecht, BBl 1999 V 5497 ff., S. 5514; DONATSCH/WOHLERS, a.a.O., S. 533; MARK PIETH, in: Basler Kommentar StGB, Bd. II, Basel 2003, N. 3 zu Art. 322 septies StGB , vor Art. 322 ter StGB N. 18). Anders sieht es bei der aktiven Bestechung aus. Mit dem am 1. Mai 2000 in Kraft gesetzten neuen Korruptionsstrafrecht wurde (zusätzlich zum Tatbestand der Bestechung schweizerischer Amtsträger, Art. 322 ter StGB ) ein gesonderter Tatbestand der aktiven Bestechung fremder Amtsträger ( Art. 322 septies StGB ) geschaffen. 2.6 Gemäss dem amerikanischen Ersuchen werfen die Justizbehörden der USA dem Verfolgten vor, Gelder des staatlichen russischen Forschungsinstitutes NIKIET unterschlagen zu haben. Die fraglichen Gelder hätten die USA, die Regierungen anderer Staaten sowie amerikanische und ausländische Unternehmen geäufnet und an NIKIET bezahlt im Hinblick auf Projekte zur Erhöhung der Reaktorsicherheit in Russland und anderen ehemaligen Teilrepubliken der früheren Sowjetunion. Der Verfolgte soll in seiner amtlichen Funktion als Direktor von NIKIET bzw. als russischer Minister für Atomenergie dem Staatsunternehmen NIKIET gehörende Vermögenswerte, die teilweise aus amerikanischen Quellen gestammt hätten, unterschlagen und für private Zwecke verwendet haben. In den offiziellen Beilagen zum Ersuchen der USA wird BGE 132 II 81 S. 90 mehrmals ausdrücklich präzisiert, dass es sich bei NIKIET um ein staatseigenes russisches Forschungsunternehmen gehandelt habe, welches dem russischen Atomenergieministerium unterstellt gewesen sei. Alle aus den USA an NIKIET bezahlten Gelder hätten daher der Russischen Föderation gehört. ("NIKIET is a federal, state owned unitary enterprise which falls under the jurisdiction of the Atomic Energy Ministry for the Russian Federation [Minatom]. Therefore, all monies paid to NIKIET belonged to the Russian Federation.") In seiner Funktion als russischer Atomenergieminister (von März 1998 bis März 2001) habe der Verfolgte die gesamte Verantwortung über alle Aspekte des staatlichen russischen Nuklearenergiesektors getragen (vgl. ausführlich oben, E. 2.3). 2.7 Die USA verfolgen mutmassliche Delikte eines hohen ausländischen Amtsträgers. Zu prüfen ist zunächst, ob das inkriminierte Verhalten unter die Amtsdelikte des schweizerischen StGB fällt. 2.7.1 Die amerikanischen Behörden beanstanden, dass die verantwortlichen russischen Behörden und Funktionäre das ihnen aus amerikanischen Quellen zur Verfügung gestellte Geld nicht so verwendet hätten, wie es den nuklear-, umwelt- und sicherheitspolitischen Absprachen und Zielsetzungen entsprochen habe. Insbesondere seien die Beiträge aus dem "International Nuclear Safety Program" an NIKIET nicht vollumfänglich für Expertisen, Baupläne, Rechtsberatungen, Dienstleistungen im Hinblick auf die Ausarbeitung von Verträgen zur Renovation von Kernkraftwerken oder für Sicherheitstest verwendet worden. Stattdessen habe der Verfolgte als hoher russischer Amtsträger und Regierungsmitglied einen Teil des dem russischen Staat gehörenden Vermögens unrechtmässig für private Zwecke abgezweigt. Dieser Vorwurf zielt primär auf eine ungetreue Amtsführung eines ehemaligen russischen Staatsfunktionärs und Ministers zu Lasten des russischen Fiskus. 2.7.2 Für die Frage der beidseitigen Strafbarkeit nach schweizerischem Recht ist der im Ersuchen dargelegte Sachverhalt so zu subsumieren, wie wenn die Schweiz wegen des analogen Sachverhalts ein Strafverfahren eingeleitet hätte. Dies gilt namentlich auch für Amts- und Korruptionsdelikte. Bei Amtsdelikten ist zu prüfen, ob der ersuchende Staat einen inländischen oder einen ausländischen Amtsträger strafrechtlich verfolgt (vgl. BGE 129 II 462 E. 4.4 S. 465). Die USA verfolgen einen ausländischen (russischen) hohen Amtsträger. Für die beidseitige Strafbarkeit ist somit zu prüfen, ob auch nach BGE 132 II 81 S. 91 schweizerischem Recht die ungetreue Amtsführung eines ausländischen Staatsfunktionärs zum Nachteil des ausländischen Fiskus strafbar ist. Die Auslieferung eines ehemaligen russischen Ministers und Direktors eines russischen Staatsunternehmens durch die Schweiz an die USA ist nur möglich, wenn auch nach dem Recht der Schweiz die ungetreue Amtsführung ausländischer Funktionäre strafbar wäre oder wenn ein anderes beidseitig strafbares (insbesondere ein gemeinrechtliches) Delikt in Frage kommt. Art. 314 StGB stellt nur die ungetreue Amtsführung inländischer Amtsträger zum Nachteil des inländischen Fiskus unter Strafe (vgl. oben, E. 2.5.1). Die ungetreue Amtsführung ausländischer Funktionäre zum Nachteil eines ausländischen Staates ist in der Schweiz nicht selbstständig strafbar. 2.7.3 Analoges gilt für die übrigen Amts- und Berufsdelikte von Art. 312-322 bis StGB (namentlich Amtsurkundenfälschung). Im Hinblick auf das (bereits rechtskräftig bewilligte) russische Ersuchen ist die beidseitige Strafbarkeit hingegen gegeben: Die Russische Föderation verfolgt die ungetreue Amtsführung eines ehemaligen inländischen (russischen) Ministers zulasten des inländischen (russischen) Fiskus. Diese Konstellation ist auch nach schweizerischem Recht strafbar und grundsätzlich rechtshilfefähig (vgl. BGE 129 II 462 E. 4.4 S. 465; ROBERT ZIMMERMANN, La coopération judiciaire internationale en matière pénale, 2. Aufl., Bern 2004, Rz. 352). Gegenüber Drittstaaten , die von Amts- und Korruptionsdelikten allenfalls indirekt betroffen sind, gewährt die Schweiz de lege lata indessen grundsätzlich keine Rechtshilfe (vgl. PAOLO BERNASCONI, Die Bestechung ausländischer Beamter nach schweizerischem Straf- und Rechtshilferecht zwischen EG-Recht und neuen Antikorruptions-Staatsverträgen, ZStrR 109/1992 S. 383 ff., 394 ff.; PIETH, a.a.O., vor Art. 322 ter StGB N. 18). 2.8 Passive Bestechung im Sinne von Art. 322 quater StGB wird dem Verfolgten im Ersuchen nicht vorgeworfen. Insbesondere wird nicht behauptet, dass er im Zusammenhang mit seiner amtlichen Tätigkeit für eine pflichtwidrige oder in seinem Ermessen stehende Handlung oder Unterlassung für sich oder einen Dritten einen nicht gebührenden Vorteil gefordert oder angenommen hätte. Aber selbst wenn der Vorwurf auf Korruption lauten würde, wäre nach gelten dem schweizerischem Recht nur die aktive Bestechung von ausländischen Amtsträgern strafbar ( Art. 322 septies StGB ), nicht aber die passive Bestechlichkeit (Art. 322 quater , vgl. dazu oben, E. 2.5.2). BGE 132 II 81 S. 92 2.9 Entgegen der Ansicht des BJ kann der inkriminierte Sachverhalt auch nicht als gemeinrechtliches privates Vermögensdelikt (Veruntreuung, Betrug) qualifiziert werden. Laut Ersuchen habe der Verfolgte zwischen 1994 und 2002 in seiner amtlichen Funktion als Direktor des russischen Forschungsinstitutes NIKIET bzw. als russischer Minister für Nuklearenergie staatliches russisches Vermögen unterschlagen, das unter anderem aus amerikanischen öffentlichen und privaten Quellen gestammt habe. Im Ersuchen und dessen Beilagen wird ausdrücklich präzisiert, dass es sich bei NIKIET um ein Staatsunternehmen handelte und dass alle fraglichen Gelder dem russischen Staat gehörten. Es seien Finanzmittel betroffen, welche auch Amtsstellen und private Einrichtungen der USA dem russischen Staat aus umwelt- und sicherheitspolitischen Beweggründen (Erhöhung der Betriebssicherheit von Kernkraftwerken) zur Verfügung gestellt hätten. In seiner Funktion als russischer Atomenergieminister habe der Verfolgte die Gesamtverantwortung über alle Aspekte des staatlichen russischen Nuklearenergiesektors getragen (vgl. oben, E. 2.3 und 2.6). Dem Verfolgten wird nicht vorgeworfen, er habe private Darlehen veruntreut oder Gelder unterschlagen, die ihm zu privaten Anlage- oder Verwendungszwecken anvertraut worden wären ( Art. 138 StGB ). Ebenso wenig wird ihm eine arglistige Täuschung im Rahmen des privatrechtlichen Geschäftsverkehrs zur Last gelegt ( Art. 146 StGB ). Der Vorwurf geht vielmehr dahin, die für den Nuklearsicherheitsbereich zuständigen russischen Behörden hätten das ihnen vom Ausland zur Verfügung gestellte Geld nicht so verwendet, wie es den umwelt- und sicherheitspolitischen Absprachen und Zielsetzungen entsprochen hätte, und der Verfolgte habe als russischer hoher Amtsträger das dem russischen Staat gehörende Vermögen teilweise für private Zwecke unterschlagen. 2.10 Es stellt sich die Frage, ob der inkriminierte Sachverhalt nach schweizerischem Strafrecht als Geldwäscherei an deliktisch erlangtem Vermögen qualifiziert werden kann. Gemäss Art. 305 bis Ziff. 1 StGB macht sich strafbar, wer eine Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Ermittlung der Herkunft, die Auffindung oder die Einziehung von Vermögenswerten zu vereiteln, die, wie er weiss oder annehmen muss, aus einem Verbrechen herrühren. Der Geldwäschereitatbestand setzt eine nach schweizerischem Recht strafbare Vortat voraus, etwa ein gemeinrechtliches Vermögensdelikt (Betrug, Veruntreuung) oder ein nach schweizerischem Recht BGE 132 II 81 S. 93 straf bares Amts- oder Korruptionsdelikt. Es muss sich dabei um ein Verbrechen handeln. Zwar wird im Ersuchen geltend gemacht, ein Teil der angeblich deliktisch erworbenen Vermögenswerte sei wieder zurück in die USA transferiert worden. Es erscheint jedoch fraglich, ob in der vorliegenden Konstellation (wo der ersuchende Staat einen ausländischen Amtsträger wegen Schädigung des ausländischen Fiskus verfolgt, und zwar in Konkurrenz zum direkt betroffenen ausländischen Staat) die Rechtshilfevoraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit als erfüllt angesehen werden könnte. Wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt, kann die Frage offen bleiben. 2.11 Zur Verfolgung ausländischer Fiskaldelikte (Anklagepunkt 5, vgl. E. 2.3.6) bewilligt die Schweiz (selbst wenn die Vorwürfe nach schweizerischem Recht strafbar wären) grundsätzlich keine Auslieferung ( Art. 3 Ziff. 3 lit. b AVUS i.V.m. Art. 3 Abs. 3 IRSG ; vgl. auch Art. 5 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 [EAUe; SR 0.353.1] sowie Urteil des Bundesgerichts 1A.194/2005 vom 18. August 2005, E. 2.2-2.3). 2.12 Damit das internationale Auslieferungsrecht in Anspruch genommen werden kann, müsste die im ersuchenden Staat verfolgte Straftat auch im ersuchten Staat strafbar sein. Nach den allgemeinen Prinzipien des internationalen Strafrechts wäre es grundsätzlich nicht Sache der USA oder eines anderen Drittstaates, eine angebliche ungetreue Amtsführung eines ausländischen Ministers zum Nachteil des ausländischen Staates auf dem Wege der internationalen Rechtshilfe selbstständig zu verfolgen. Dies umso weniger, wenn der direkt betroffene ausländische Staat gegen eine solche Strafverfolgung durch den Drittstaat protestiert und selbst ein Rechtshilfeersuchen zur Abklärung der erhobenen Vorwürfe stellt. Eine solche Ausdehnung des innerstaatlichen Strafrechts auf dem Wege der internationalen Rechtshilfe erscheint systemwidrig. Es kann offen bleiben, ob sie bereits an der zentralen völkerrechtlichen Voraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit scheitern würde. Im vorliegenden Fall stellen sich einer Auslieferung an die USA weitere Hindernisse entgegen. Dies gilt namentlich für die Frage der Priorität der beiden konkurrierenden Ersuchen (vgl. dazu nachfolgend, E. 3) sowie für Fragen der "funktionalen" Immunität hoher Amtsträger gegenüber ausländischer Strafverfolgung. 3. Selbst wenn die Auslieferung an die USA im vorliegenden Fall unter dem Gesichtspunkt der beidseitigen Strafbarkeit möglich BGE 132 II 81 S. 94 wäre, muss zusätzlich geprüft werden, ob dem konkurrierenden US-Ersuchen gegenüber dem russischen die Priorität zukommt. Das russische Ersuchen wurde am 25. August 2005 bereits rechtskräftig bewilligt und hat, wie nachfolgend zu zeigen ist, den internationalstrafrechtlichen Vorrang. 3.1 Im angefochtenen Entscheid wird zur Frage der Priorität der Ersuchen im Wesentlichen Folgendes erwogen: Als massgebliche Rechtsquellen kämen primär die Vorschriften des Europäischen Auslieferungsübereinkommens bzw. des Auslieferungsvertrages mit den USA in Frage. Nicht mehr anwendbar sei hingegen der Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und Russland vom 17. November 1873. Russland und die USA würden dem Verfolgten - nach Ansicht des BJ - "gleichartige Straftaten" vorwerfen, nämlich "verschiedene Vermögensdelikte". Der Umstand, dass die russischen Behörden dem Verfolgten noch weitere Straftaten bzw. eine Deliktssumme zur Last legen, die "ein Mehrfaches der im US-Ersuchen erwähnten Gelder beträgt", ändere "daran nichts". Zwar sei dem russischen Ersuchen "zu entnehmen, dass der Verfolgte vornehmlich in Russland gehandelt haben dürfte", und im US-Ersuchen werde "nicht dargelegt", dass der Verfolgte (für "in den USA strafrechtlich relevante Aktivitäten") sich "persönlich in die USA hätte begeben müssen". Auch dies spreche jedoch nach Ansicht der Vorinstanz "nicht eindeutig für eines der beiden Ersuchen". Analoges gelte für den zeitlichen Eingang der konkurrierenden Gesuche. Zwar habe "die USA die Schweiz zuerst um Festnahme des Verfolgten ersucht"; hingegen habe "Russland vor den USA die Auslieferungsunterlagen deponiert". Wohl handle es sich beim Verfolgten um einen russischen Staatsangehörigen und ehemaligen Minister. Dennoch sei dem US-Ersuchen die Priorität einzuräumen, da Russland "nicht in der Lage" sei, den Verfolgten "an die USA weiterzuliefern". Zwar bestehe ebenso wenig eine Rechtsgrundlage für eine Weiterauslieferung seitens der USA an Russland; die USA seien jedoch "in der Lage und gewillt, den Verfolgten - nach Ende des gegen ihn in den USA geführten Strafverfahrens bzw. nach Vollzug einer allfälligen diesbezüglichen Freiheitsstrafe - den russischen Behörden in Form einer Ausschaffung zu übergeben". Dass die russischen Behörden förmlich zugesichert hätten, sie würden "auf Ersuchen der USA die dem Verfolgten von den US-Behörden zur Last gelegten Straftaten verfolgen", ändere daran nichts. Die US-Behörden seien "im BGE 132 II 81 S. 95 vorliegenden Fall ausdrücklich nicht gewillt, ein Ersuchen um stellvertretende Strafverfolgung an Russland zu stellen", da sie angeblich "auf diesem Gebiet schlechte Erfahrungen mit Russland gemacht hätten". 3.2 Für die Problematik konkurrierender Ersuchen Russlands und der USA an die Schweiz sind die zwischen der Schweiz und den beiden Staaten geltenden völkerrechtlichen bzw. staatsvertraglichen Rechtshilfevorschriften massgeblich. 3.2.1 Gemäss Art. 17 AVUS werden bei der Prüfung der Priorität konkurrierender Ersuchen alle erheblichen Umstände berücksichtigt, insbesondere, aber nicht ausschliesslich, die verhältnismässige Schwere und der Begehungsort der Straftaten, die Empfangsdaten der Auslieferungsersuchen, die Staatsangehörigkeit des Verfolgten sowie die Möglichkeit einer Weiterlieferung an einen anderen Staat. Das Europäische Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 (EAUe; SR 0.353.1), dem sowohl die Schweiz als auch Russland beigetreten sind, enthält eine praktisch gleichlautende Bestimmung betreffend Mehrheit von Auslieferungsersuchen: Wird wegen derselben oder wegen verschiedener Handlungen von mehreren Staaten zugleich um Auslieferung ersucht, so entscheidet der ersuchte Staat unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der verhältnismässigen Schwere der strafbaren Handlungen, des Ortes ihrer Begehung, des Zeitpunktes der Auslieferungsersuchen, der Staatsangehörigkeit des Verfolgten und der Möglichkeit einer späteren Auslieferung an einen anderen Staat ( Art. 17 EAUe ; vgl. auch Art. 40 IRSG ). 3.2.2 Der Verfolgte macht geltend, im vorliegenden Fall seien die Vorschriften des bilateralen Auslieferungsvertrages zwischen der Schweiz und Russland vom 17. November 1873 (nachfolgend: AVR; SR 0.353.977.2) anzuwenden, welcher die Frage der Priorität von Ersuchen in spezifischer Weise zu Gunsten Russlands regle. Art. 5 Absätze 2-3 AVR lauten wie folgt: "Wenn eine Auslieferung gleichzeitig durch einen der vertragsschliessenden Staaten und durch einen andern Staat verlangt wird, welchem gegenüber ebenfalls eine vertragsgemässe Pflicht zur Auslieferung besteht, so erfolgt sie zuerst gegen den Staat, dessen Begehren, mit den nötigen Beweisen begleitet, zuerst eingelangt ist. Wenn aber das reklamierte Individuum Bürger oder Untertan eines der die Auslieferung begehrenden Staates ist, so muss es in erster Linie diesem ausgeliefert werden". BGE 132 II 81 S. 96 3.2.3 Auf auslieferungsrechtliche Fragen, welche die Schweiz und Russland betreffen, ist primär das EAUe anwendbar. Nach allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen gehen jüngere Staatsverträge älteren Abkommen prinzipiell vor, soweit zwischen den Vertragsparteien nichts anderes vereinbart wurde und das jüngere Abkommen die fragliche Materie umfassend regelt (vgl. Art. 30 Abs. 3 des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge [VRK; SR 0.111]). Dies gilt auch im internationalen Auslieferungsrecht (vgl. STEFAN HEIMGARTNER, Auslieferungsrecht, Diss. Zürich 2002, S. 42). Das von Russland und der Schweiz ratifizierte EAUe ist gegenüber dem AVR das jüngere Abkommen. Art. 28 EAUe selbst regelt das Verhältnis zwischen dem EAUe und bereits bestehenden sowie künftigen zweiseitigen Abkommen wie folgt: Das EAUe hebt hinsichtlich der Gebiete, auf die es Anwendung findet, diejenigen Bestimmungen zweiseitiger Verträge, Abkommen oder Vereinbarungen auf, die das Auslieferungswesen zwischen zwei Vertragsparteien regeln ( Art. 28 Ziff. 1 EAUe ). Die Vertragsparteien können untereinander zwei- oder mehrseitige Vereinbarungen nur zur Ergänzung des EAUe oder zur Erleichterung der Anwendung der darin enthaltenen Grundsätze schliessen ( Art. 28 Ziff. 2 EAUe ). Aus dem diplomatischen Notenwechsel zwischen der Schweiz und Russland über die provisorische Weitergeltung des AVR vor Inkrafttreten des EAUe (im Verhältnis zwischen den beiden Staaten) am 9. März 2000 lassen sich diesbezüglich keine abweichenden Folgerungen ableiten. Die Parteien des EAUe haben grundsätzlich eine abschliessende Regelung des Auslieferungsrechtes getroffen (vgl. HEIMGARTNER, Auslieferungsrecht, a.a.O., S. 42). Dies spricht - jedenfalls im vorliegenden Fall - für die primäre Anwendbarkeit des EAUe im Verhältnis mit Russland. Die Frage, ob und inwieweit der AVR dennoch weiterhin anwendbar erscheint, braucht hier allerdings nicht abschliessend beurteilt zu werden. Wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt, würde sich (auch bei einer primären Anwendbarkeit des EAUe) an der Frage der Priorität der konkurrierenden Ersuchen nichts ändern. Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang auch dem Art. 17 AVUS angemessen Rechnung zu tragen. 3.3 Nach der Praxis des Bundesgerichtes wird bei der Frage des Vorrangs konkurrierender Ersuchen dem Territorialitäts- sowie dem aktiven und passiven Personalitätsprinzip ein besonderer BGE 132 II 81 S. 97 Stellenwert beigemessen (vgl. BGE 124 II 586 E. 2c-d S. 592 f.; BGE 117 Ib 210 E. 3b/bb S. 213, je mit Hinweisen; zu den internationalstrafrechtlichen Zuständigkeitskriterien s. auch BGE 126 II 212 E. 6b S. 213 f.). In einem Urteil vom 28. September 2004 (1A.166/2004) hatte das Bundesgericht (gestützt auf Art. 17 AVUS bzw. Art. 17 EAUe ) die Konkurrenz zwischen einem amerikanischen und einem mazedonischen Auslieferungsersuchen zu beurteilen. Für die Priorität der Auslieferung des verfolgten mazedonischen Staatsangehörigen an die US-Justiz gab den Ausschlag, dass die untersuchten (gemeinrechtlichen) Straftaten in den USA verübt worden waren, dass die wesentlichen Beweiserhebungen dort zu erfolgen hatten, und dass die mutmasslichen Komplizen des Verfolgten bereits in den USA verurteilt worden waren. Mit der Auslieferung an die USA konnte daher sichergestellt werden, dass die untersuchten Straftaten im Tatortstaat und damit am Deliktsschwerpunkt einer Gesamtbeurteilung unterzogen wurden. 3.4 Bei der Beurteilung, ob dem russischen oder dem amerikanischen Ersuchen die Priorität zukommt, ist dem Sinn und Zweck des internationalen Auslieferungsrechts und der besonderen Tragweite des vorliegenden Falles Rechnung zu tragen: 3.4.1 Sinn und Zweck des internationalen Auslieferungsrechts ist die Gewährung von justizieller Rechtshilfe zur Strafverfolgung bzw. Strafvollstreckung (vgl. Art. 1 EAUe , Art. 1 AVUS , Art. 1 AVR). Wie sich aus den Akten ergibt, hat die US-Justiz am 29. April 2005 die Schweiz um Verhaftung des Verfolgten ersucht. Das förmliche Auslieferungsersuchen der USA datiert vom 2. Juni 2005; die dazugehörigen Unterlagen wurden am 24. bzw. 27. Juni 2005 deponiert. Am 17. Mai 2005 hat die Russische Föderation ein konkurrierendes förmliches Auslieferungsersuchen (samt Unterlagen) eingereicht; Russland hat am 3. Juni 2005 ausdrücklich bestätigt, dass die Verhaftung und Auslieferung zu Strafverfolgungszwecken beantragt werde. Am 27. Juni 2005 hat Russland weitere Unterlagen eingereicht. Im angefochtenen Entscheid wird der dem Verfolgten von den russischen Behörden vorgeworfene Sachverhalt wie folgt zusammengefasst: "Er wird verdächtigt, namentlich in Russland zusammen mit anderen Personen ab 1998 unter Ausnützung seiner Funktion als russischer Minister für Atomenergie Vermögensdelikte zum Nachteil von verschiedenen Organisationen, welche dem russischen Ministerium für Atomenergie untergeordnet gewesen sein sollen, begangen zu haben. Er soll dabei BGE 132 II 81 S. 98 u.a. zwischen August 1998 und Dezember 1999 zusammen mit Mittätern 62 % der Aktien der Gesellschaft X. unterschlagen haben. Dadurch hätten die rechtmässigen Eigentümer die Möglichkeit verloren, den entsprechenden Gewinnanteil der Firma X. entgegen zu nehmen. Der daraus resultierende Schaden habe per Ende 1999 USD 29'013'959.- betragen. Diese Gelder hätten sich der Verfolgte und seine Mittäter rechtswidrig angeeignet und für eigene Zwecke verwendet. Weiter wird der Verfolgte in diesem Zusammenhang verdächtigt, die Firma X. zum Nachteil der staatlichen Firma Y. unrechtmässig von einer Schuld in der Höhe von USD 113'088'360.- befreit zu haben, indem dieser Betrag falsch verbucht worden sei. Zudem soll er sich zwischen 2001 und 2003 Gelder in der Höhe von ca. 17 Millionen USD angeeignet haben, welche für den russischen Staat vorgesehen gewesen seien." Soweit das Ersuchen Russlands ausschliesslich dem förmlichen Zweck gedient hätte, eine (nach US-Recht legitime) Strafverfolgung von mutmasslicher internationaler Korruption im weiteren Sinne durch die USA zu unterbinden, entspräche das konkurrierende russische Ersuchen nicht dem Sinn und Geist des EAUe. Dafür lassen sich den Rechtshilfeakten allerdings keine objektiven Anhaltspunkte entnehmen. Dies umso weniger, als die ausführlichen russischen Anklage- und Rechtshilfedokumente einige Wochen vor den formellen Gesuchsunterlagen der USA eingetroffen sind. Allerdings sind die russischen Justizbehörden im Falle einer mit dem US-Ersuchen konkurrierenden Inanspruchnahme des EAUe internationalstrafrechtlich verpflichtet, den fraglichen Sachverhalt sorgfältig und speditiv zu untersuchen und bei Anhaltspunkten für strafbare Handlungen Anklage gegen den Verfolgten und die übrigen Verdächtigen zu erheben. Die Justizbehörden der USA (als indirekt betroffener Staat) haben im Falle einer prioritären Auslieferung an Russland jedenfalls ein legitimes Interesse daran, über den weiteren Verlauf des Verfahrens und über das Resultat der Strafuntersuchung der russischen Generalstaatsanwaltschaft informiert zu werden. 3.4.2 Zu berücksichtigen ist sodann, dass es sich beim Verfolgten um ein ehemaliges russisches Regierungsmitglied handelt. Die völkerrechtliche Immunität soll namentlich verhindern, dass ein Staat die Souveränität eines anderen Staates dadurch schmälert, dass er seine Jurisdiktion auf Hoheitsakte dieses Staates und dessen Organe ausdehnt (vgl. BGE 130 III 136 E. 2.1 S. 140-143; BGE 124 III 382 E. 4a S. 388 f.; BGE 112 Ia 148 E. 3a-b S. 149 f., je mit Hinweisen; JOLANTA BGE 132 II 81 S. 99 KREN KOSTKIEWICZ, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, Bern 1998, S. 348-350; s. auch Europäisches Übereinkommen über Staatenimmunität samt Zusatzprotokoll, je vom 16. Mai 1972 [SR 0.273.1 und 0.273.11]). Eine Hauptfunktion der straf- und zwangsvollstreckungsrechtlichen Immunität von (amtierenden) Regierungsmitgliedern besteht in der Gewährleistung von politischer Stabilität. Das Strafverfolgungsprivileg soll verhindern, dass die Regierungstätigkeit durch politisch motivierte strafrechtliche Vorwürfe gegen hohe Amtsträger gelähmt wird. Der Zweck der strafrechtlichen Immunität besteht hingegen nicht darin, ehemaligen Regierungsmitgliedern nachwirkend und auf unbestimmte Dauer (bzw. auf Lebenszeit hin) eine Straffreiheit für Korruption (oder gar für private gemeinrechtliche Delikte) zu garantieren. Selbst die "persönliche" absolute Immunität höchster Staatsorgane weicht nach deren Ausscheiden aus dem Amt denn auch grundsätzlich der rein "funktionalen" Immunität für offizielle amtliche Hoheitsakte (vgl. BGE 115 Ib 496 E. 5b-d S. 499-502; BGE 113 Ib 257 E. 7 S. 274 f.; LAURENT MOREILLON [Hrsg.], Entraide internationale en matière pénale, Basel 2004, S. 81-83, N. 398-405; ZIMMERMANN, a.a.O., S. 492-498; s. auch Art. 31-32 und 39 des Wiener Übereinkommens vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen [SR 0.191.01]). Internationale Korruption soll nach dem gemeinsamen Willen der Mitgliedsstaaten des Europarates, der UNO und der OECD effizient bekämpft und verfolgt werden können (vgl. Botschaft des Bundesrates zum Strafrechts-Übereinkommen des Europarates über Korruption, BBl 2004 S. 6983 ff.; s. auch ZIMMERMANN, a.a.O., S. 28-32). Zur strafrechtlichen Verfolgung von schweren Fällen illegaler persönlicher Bereicherung mit staatlichen Geldern (inklusive Geldwäschereihandlungen) wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes denn auch grundsätzlich Rechtshilfe geleistet (vgl. BGE 131 II 169 ; BGE 129 II 268 , 462; BGE 127 II 198 ; BGE 119 Ib 56 ; BGE 116 Ib 452 ; BGE 115 Ib 496 ; BGE 113 Ib 257 [Fälle Abacha/Nigeria, Fujimori/Peru sowie Marcos/ Philippinen]; zur Kasuistik s. auch ZIMMERMANN, a.a.O., S. 409-413). Allerdings wird bei Korruptionsdelikten regelmässig dem davon direkt betroffenen Staat (Heimatstaat) Rechtshilfe geleistet, zumal dieser Staat normalerweise aus eigener Initiative strafrechtliche Ermittlungen einleitet. Nur indirekt betroffenen Drittstaaten wird zur Verfolgung ausländischer Amts- und Korruptionsdelikte nach geltendem internationalen Recht grundsätzlich nicht bzw. nur mit BGE 132 II 81 S. 100 grosser Zurückhaltung Rechtshilfe gewährt (vgl. BERNASCONI, a.a.O., S. 394 ff.; PIETH, a.a.O., vor Art. 322 ter StGB N. 18). Dies muss insbesondere in Fällen wie dem vorliegenden gelten, wo der direkt betroffene Staat selbst ein konkurrierendes Ersuchen eingereicht hat und dieses nicht zum Vornherein rechtsmissbräuchlich erhoben erscheint. Darüber hinaus insistiert hier die Russische Föderation ausdrücklich auf der völkerrechtlichen Immunität ihres ehemaligen Regierungsmitgliedes gegenüber ausländischer Strafverfolgung. 3.4.3 Zwar muss eine effiziente Verfolgung von schweren Amtsdelikten bzw. Korruption im davon primär betroffenen Land möglich sein und ist dem betroffenen Staat auch internationale Rechtshilfe nach Massgabe der völkerrechtlichen Bestimmungen zu gewähren. Insofern besteht kein unbeschränkter "Immunitätsschutz" ehemaliger hoher Staatsfunktionäre. Im hier zu beurteilenden Fall soll jedoch angebliche Korruption im weiteren Sinne (bzw. mutmassliche ungetreue Amtsführung) anstelle des betroffenen Staates durch einen Drittstaat verfolgt werden. Auch wird dem Verfolgten keine rechtshilfefähige Bestechung im strafrechtlichen Sinne vorgeworfen (vgl. oben, E. 2.8). Nach den Prinzipien des allgemeinen Völkerrechts ist zu vermeiden, dass die innerstaatliche Strafjustiz in die Belange anderer Länder eingreift. Das Rechtshilferecht unterstützt keine unbeschränkte "extraterritoriale" Anwendung des innerstaatlichen gemeinrechtlichen Strafrechts auf die Tätigkeit hoher ausländischer Amtsträger in deren Zuständigkeitsbereich. Hier ist im Übrigen letztlich nicht die Frage der Völkerrechtskonformität einer "extraterritorialen" ausländischen Strafrechtshoheit zu entscheiden (vgl. BGE 126 II 212 E. 6c/cc S. 216), sondern zu prüfen, welchem der beiden konkurrierenden Rechtshilfeersuchen die Priorität zukommt. 3.4.4 Im vorliegenden Fall drängt sich aus rechtshilferechtlicher Sicht Zurückhaltung auf, zumal die USA die Auslieferung des ehemaligen Atomenergieministers eines anderen Staates verlangen. Die USA halten ihr Auslieferungsgesuch gegen den Willen Russlands aufrecht. Sie beabsichtigen die strafrechtliche Verfolgung des Vorwurfs, der ehemalige russische Atomenergieminister habe in Russland staatliche Gelder unterschlagen. In diesem Zusammenhang werden Fragen der wirtschafts-, nuklear- und sicherheitspolitischen Souveränität Russlands tangiert; zusätzlich stellen sich Fragen zur funktionalen Immunität des verfolgten ehemaligen Kabinettsmitgliedes. Die Regierung der Russischen Föderation hat BGE 132 II 81 S. 101 sich gegen die von den Justizbehörden der USA gewünschte Auslieferung des Verfolgten denn auch auf diplomatischem Wege gewehrt und zudem selbstständig Beschwerde beim Bundesgericht gegen die Bewilligung des US-Ersuchens erhoben (separates Verfahren 1A.290/2005). Auch diese Umstände des Falles legen eine Auslieferung des ehemaligen russischen Regierungsmitgliedes an Russland nahe. 3.4.5 Die allgemeinen internationalstrafrechtlichen Kriterien der Territorialität und aktiven bzw. passiven Personalität (vgl. oben, E. 3.3) sprechen im vorliegenden Fall für den Vorrang des russischen Ersuchens. Dem Verfolgten wird sowohl im russischen als auch im amerikanischen Ersuchen im Wesentlichen vorgeworfen, er habe in seinen Funktionen als Direktor des russischen Staatsunternehmens NIKIET bzw. als russischer Atomenergieminister Gelder unterschlagen, die zwar teilweise ursprünglich aus dem Ausland stammten, die aber ausschliesslich dem russischen Staat gehört hätten. Wie sich aus den Akten ergibt, werden von der russischen Generalstaatsanwaltschaft - über den Vorwurf der ungetreuen Amtsführung hinaus - auch noch weitere mutmassliche Amtsdelikte untersucht (namentlich Amtsurkundenfälschung bzw. Falschverbuchungen und Unterschlagungen zum Nachteil staatlicher russischer Firmen und Organisationen). Im Übrigen spricht auch der zeitliche Eingang der förmlichen Ersuchen (bzw. der Stand der Verfahren in den beiden Staaten) nicht für eine vorrangige Auslieferung an die USA. 3.5 Bei gesamthafter Würdigung all dieser Entscheidungselemente kommt dem konkurrierenden Ersuchen Russlands im vorliegenden Fall die internationalstrafrechtliche Priorität zu. Mit der Auslieferung an Russland kann namentlich sichergestellt werden, dass die untersuchten Straftaten im primär betroffenen Tatortstaat bzw. am Deliktsschwerpunkt einer Gesamtbeurteilung unterzogen werden. Es steht den Justizbehörden der USA im Übrigen frei, nötigenfalls ein Ersuchen an Russland um stellvertretende Strafverfolgung zu stellen. Wie sich aus den Akten ergibt, hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 14. September 2005 ausserdem sein ausdrückliches Einverständnis dazu erklärt, dass die russischen Behörden auch die ihm von den US-Behörden zur Last gelegten Taten verfolgen; insofern liegt ein (teilweiser) Verzicht auf Einhaltung des Spezialitätsprinzips vor. Das BJ hat dies sowohl den russischen BGE 132 II 81 S. 102 als auch den US-Behörden am 16. September 2005 bereits mitgeteilt. 4. Zusammenfassend ergibt sich, dass - selbst wenn die Auslieferung an die USA zulässig erschiene - dem bereits rechtskräftig bewilligten Ersuchen Russlands im vorliegenden Fall die internationalstrafrechtliche Priorität zukommt (vgl. oben, E. 3). Es kann offen bleiben, ob das Auslieferungsersuchen der USA überdies am Rechtshilfeerfordernis der beidseitigen Strafbarkeit scheitert (vgl. oben, E. 2) und ob die völkerrechtliche "funktionale Immunität" des Verfolgten noch ein zusätzliches Auslieferungshindernis begründen würde. Wie ebenfalls dargelegt, darf der Vollzug des bewilligten russischen Ersuchens jedoch dem Sinn und Zweck des EAUe nicht zuwider laufen (vgl. E. 3.4). Das bedeutet, dass die russischen Justizbehörden internationalstrafrechtlich verpflichtet sind, den fraglichen Sachverhalt zu untersuchen und bei Anhaltspunkten für strafbare Handlungen Anklage gegen den Verfolgten bzw. gegen die Verdächtigen zu erheben. Mit Schreiben vom 16. August 2005 an das EJPD hat die russische Generalstaatsanwaltschaft förmlich zugesichert, dass sie (auf Ersuchen der USA) auch die dem Verfolgten von den US-Behörden zur Last gelegten Straftaten untersuchen und verfolgen werde. Es steht den Justizbehörden der USA frei, ein entsprechendes Ersuchen um stellvertretende Strafverfolgung zu stellen; der Verfolgte hat insofern auf die Einrede der Spezialität ausdrücklich verzichtet. Die USA haben somit ein legitimes Interesse daran, über den weiteren Verlauf des Verfahrens und über das Resultat der Strafuntersuchung der russischen Generalstaatsanwaltschaft informiert zu werden. 5. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen. Der angefochtene Entscheid des BJ vom 30. September 2005 ist aufzuheben und dahin abzuändern, dass die Auslieferung an die USA nicht bewilligt wird. Das Ersuchen Russlands wurde durch das BJ bereits am 25. August 2005 rechtskräftig bewilligt und ist vollziehbar. Ein Haftentlassungsgrund besteht nicht. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend, sind keine Gerichtskosten zu erheben ( Art. 156 Abs. 2 OG ). Dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer ist für die Verfahren vor dem BJ und dem Bundesgericht eine angemessene Parteientschädigung zuzusprechen ( Art. 159 OG ).
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Sachverhalt ab Seite 126 BGE 114 Ib 125 S. 126 Die Gemeinde Bitsch beabsichtigt, einen neuen Gemeindeschiessstand für Schiessübungen auf 300 m Distanz zu erstellen. Gemäss dem Beschluss des Staatsrates des Kantons Wallis vom 16. Februar 1977 über die Schiessvereine und die Aufsicht des Schiesswesens veröffentlichte die Gemeinde im Amtsblatt Nr. 7 vom 15. Februar 1985 die vom zuständigen eidgenössischen Schiessoffizier als geeignet bezeichnete Schusslinie. Gegen den geplanten Schiessbetrieb gingen in der Folge mehrere Einsprachen ein. Der Gemeinderat überwies diese dem kantonalen Justiz-, Polizei- und Militärdepartement mit dem Antrag, die Schusslinie zu genehmigen und die Einsprachen abzuweisen. Mit Verfügung vom 7. Oktober 1987 wies der Stellvertreter des Vorstehers des Justiz-, Polizei- und Militärdepartementes des Kantons Wallis die Einsprachen ab, soweit er auf sie eintrat, und genehmigte die Schusslinie der Munizipalgemeinde Bitsch. Die Verfügung enthält unter Hinweis auf Art. 26 der eidgenössischen Verordnung über das Schiesswesen ausser Dienst vom 29. November 1935 (SR 512.31) die Rechtsmittelbelehrung, dass sie innert 30 Tagen an das Eidgenössische Militärdepartement weitergezogen werden könne. Hievon machten Erika Oggier-Kummer und Mitbeteiligte Gebrauch. Das Eidgenössische Militärdepartement gelangte hierauf mit Schreiben vom 8. Januar 1988 an das Bundesamt für Justiz, da es seine Zuständigkeit für die Beurteilung der Beschwerden verneinte. Es handle sich - so die Ansicht des Departements - nicht um Beschwerden im Sinne von Art. 26 der Verordnung über das Schiesswesen ausser Dienst. Diese Bestimmung BGE 114 Ib 125 S. 127 beziehe sich auf "Anstände betreffend Anweisung und Benützung von Schiessplätzen"; ein solcher Streit stehe indessen hier nicht zur Diskussion. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement eröffnete hierauf mit dem Bundesgericht einen Meinungsaustausch über die Frage, wer zur Beurteilung der Beschwerden zuständig sei. Es wies darauf hin, dass die Erstellung des Schiessplatzes, der in der Landwirtschaftszone errichtet werden solle, eine Ausnahmebewilligung nach Art. 24 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG) benötige. Mit dem Hinweis auf BGE 112 Ib 39 ff. vertrat es die Auffassung, dass das Bundesgericht zuständig sei. Mit Antwort vom 10. März 1988 schloss sich der Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung dieser Auffassung an. Das Bundesgericht nimmt die Eingaben als Verwaltungsgerichtsbeschwerden entgegen und heisst diese gut, soweit es darauf eintritt.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die projektierte Gemeindeschiessanlage muss von der Gemeinde gemäss Art. 32 des Bundesgesetzes über die Militärorganisation vom 12. April 1907 für die obligatorischen Schiessübungen unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Nötigenfalls kann für deren Erstellung das eidgenössische Enteignungsrecht bewilligt werden. Wie in der angefochtenen Verfügung zutreffend dargelegt wird, untersteht die Anlage der kantonalen Bauhoheit, d.h. sie bedarf einer Baubewilligung der Gemeinde und des Kantons gemäss der kantonalen Bauverordnung vom 5. Januar 1983. Im entsprechenden Verfahren ist zu prüfen, ob die Anlage den einschlägigen Vorschriften des eidgenössischen und kantonalen Rechts entspricht. a) Wie in dem zwischen dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement und dem Bundesgericht durchgeführten Meinungsaustausch festgestellt wurde, stellen Streitfragen über die Zulässigkeit neuer Schiessanlagen keine "Anstände betreffend Anweisung und Benützung von Schiessplätzen" im Sinne von Art. 26 der Verordnung über das Schiesswesen ausser Dienst dar. Das Eidgenössische Militärdepartement ist daher zur Beurteilung der Beschwerden nicht zuständig. b) Die Zuständigkeit des Bundesrates zur Beschwerdebeurteilung wäre gegeben, wenn die Verwaltungsgerichtsbeschwerde aus BGE 114 Ib 125 S. 128 einem der in den Art. 99 bis 101 OG genannten Gründe unzulässig wäre. Dies trifft nicht zu. Entgegen der vom Bundesrat in einem nicht publizierten Entscheid vom 26. August 1987 in Sachen E. und Mitbeteiligte c. Justiz-, Polizei- und Militärdepartement des Kantons Wallis getroffenen Annahme kann nicht von einer Planverfügung im Sinne von Art. 99 lit. c OG gesprochen werden, wenden sich doch die Einsprecher, indem sie sich gegen die Genehmigung der Schusslinie richten, gegen die ihnen für das Überschiessrecht bzw. für die Beeinträchtigung des nachbarrechtlichen Abwehranspruches drohende Enteignung. Auch geht es nicht um die Erteilung einer Bau- oder Betriebsbewilligung für technische Anlagen oder für Fahrzeuge im Sinne von Art. 99 lit. e OG , da mit der Genehmigung der Schusslinie keine Baubewilligung verbunden ist. Es ergibt sich hieraus - wie im Meinungsaustausch zwischen dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement und dem Bundesgericht festgestellt wurde -, dass das Bundesgericht zur Beurteilung der Beschwerden zuständig ist. Auf die rechtzeitig eingereichten Beschwerden ist demgemäss grundsätzlich einzutreten. 3. Die Beschwerdeführer erheben als erstes den Vorwurf der formellen Rechtsverweigerung, weil das im Beschluss des Staatsrates vom 16. Februar 1977 über die Schiessvereine und die Aufsicht des Schiesswesens für die Anerkennung einer Schusslinie vorgesehene Verfahren nicht richtig durchgeführt worden sei. Sie hätten aus diesem Grunde keine volle Akteneinsicht erhalten, namentlich hätten sie auch nicht in ausreichendem Masse zur Frage der Lärmbelästigung Stellung nehmen können. Das Justiz-, Polizei- und Militärdepartement anerkennt, dass das Verfahren nicht genau gemäss dem in Art. 10 ff. des Staatsratsbeschlusses vorgesehenen Verfahren durchgeführt worden sei, ist jedoch der Meinung, die Einsprecher hätten deswegen keinen Rechtsnachteil erlitten. Dieser Auffassung kann kaum gefolgt werden, ergibt sich doch aus den Akten, dass nicht nur am 12. September 1984 - somit vor der am 15. Februar 1985 erfolgten Auflage des Schusslinienplanes - Lärmmessungen durchgeführt wurden, sondern auch noch während der Hängigkeit des Rekursverfahrens vor dem Justiz-, Polizei- und Militärdepartement am 29. August 1986. Es ging dabei um eine Lärmanalyse im Sinne einer Beweiserhebung. Diese hätte den Einsprechern zur Stellungnahme zugestellt werden müssen ( BGE 104 Ia 71 E. 3b mit Hinweisen). Doch kann die Frage offengelassen werden, ob die Beschwerden bereits aus diesem Grunde gutzuheissen sind, ergibt sich doch aus den BGE 114 Ib 125 S. 129 nachfolgenden Erwägungen, dass die angefochtene Verfügung aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht haltbar ist, gegen Bundesrecht verstösst und daher aufgehoben werden muss. 4. Wie der angefochtene Entscheid zutreffend festhält, bedarf die Errichtung einer kommunalen Schiessanlage einer Baubewilligung, die in dem in der kantonalen Bauverordnung vom 5. Januar 1983 geregelten Verfahren zu erteilen ist. In diesem Verfahren werden die für den Entscheid wesentlichen planungs- und baurechtlichen Fragen, zu denen auch die Belange des Immissionsschutzes zählen, beurteilt ( BGE 112 Ib 39 ff., insbesondere 46 ff., E. 4 betreffend die durch den Schiessbetrieb erzeugten Lärmimmissionen). Der angefochtene Entscheid geht demgegenüber davon aus, bei der Genehmigung der Schusslinie durch das kantonale Justiz-, Polizei- und Militärdepartement handle es sich um eine selbständige Sonderbewilligung im Sinne von Art. 37 der Bauverordnung. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. a) Bereits die in Art. 37 Abs. 1 der Bauverordnung aufgeführten Beispiele von Spezialbewilligungen - Konzessionen, Patente etc. - weisen darauf hin, dass sich diese Bewilligungen nicht auf Teilfragen eines Bauvorhabens, welche notwendigerweise für die Beurteilung der baurechtlichen Zulässigkeit abgeklärt werden müssen, beziehen können; andernfalls würde in unsachgemässer Weise Zusammengehörendes in Teilbereiche getrennt, die nur im Rahmen der gesamthaften Beurteilung des Vorhabens richtig geprüft werden können. Gemäss dem angefochtenen Entscheid erstreckt sich die Beurteilung der Schusslinie namentlich auf schiesspolizeiliche Fragen. Zu diesen Fragen zählt jedoch auch die Lärmbelastung, welche der Schiessbetrieb auslöst. Deren Beurteilung setzt notwendigerweise die Kenntnis des Projektes voraus, da sie entscheidend von der baulichen Gestaltung des Schiessstandes, von dessen Grösse sowie von der Anzahl der Schiesstage abhängt. b) Es trifft zu, dass der angeführte Beschluss des Staatsrates vom 16. Februar 1977 über die Schiessvereine und die Aufsicht des Schiesswesens davon ausgeht, dass die Schusslinie vom Militärdepartement in dem in Art. 10 ff. vorgesehenen Verfahren festgelegt wird. Doch stellt diese Festlegung - wie dargelegt - keine mit Beschwerde an das Eidgenössische Militärdepartement anfechtbare Verfügung dar. Sie hat sich vielmehr richtigerweise in das Baubewilligungsverfahren einzufügen, für welches sie eine Grundlage für die gesamthafte Beurteilung des Projektes bildet. Nur ein solches Vorgehen vermag den Anforderungen des nach Erlass des BGE 114 Ib 125 S. 130 genannten Staatsratsbeschlusses in Kraft getretenen Bundesrechts zu entsprechen. c) Seit Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Raumplanung am 1. Januar 1980 verlangt das Bundesrecht eine Baubewilligung für Gemeindeschiessanlagen ( Art. 22 RPG ). Werden solche Anlagen ausserhalb der Bauzone erstellt, bedürfen sie einer Ausnahmebewilligung gemäss Art. 24 RPG . Voraussetzung der Bewilligung bildet nicht nur, dass ein Standort ausserhalb der Bauzonen erforderlich ist, sondern auch, dass keine überwiegenden Interessen entgegenstehen. Ob dies zutrifft, kann nur aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung beurteilt werden, welche die schiesspolizeilichen Sicherheitsanforderungen einzubeziehen hat. Dabei ist auch zu prüfen, ob die Anlage den umweltschutzrechtlichen Belangen gemäss dem am 1. Januar 1985 in Kraft getretenen Bundesgesetz über den Umweltschutz Rechnung trägt, wie dies das Bundesgericht bereits im angeführten Fall BGE 112 Ib 39 ff. festgestellt hat. Die Abklärungen für die Beurteilung der zu erwartenden Lärmbelastung haben im einzelnen den Anforderungen der Lärmschutzverordnung vom 15. Dezember 1986 zu entsprechen (Anhang 7, Belastungsgrenzwerte für den Lärm von Schiessanlagen). d) Im vorliegenden Falle weist das Justiz-, Polizei- und Militärdepartement in seiner Vernehmlassung vom 29. April 1988 zutreffend darauf hin, dass die angefochtene Verfügung kein Entscheid einer letzten kantonalen Instanz im Sinne von Art. 34 RPG darstelle, wenn die Festlegung der Schusslinie nicht als selbständig anfechtbarer Entscheid im Sinne von Art. 26 der Verordnung über das Schiesswesen ausser Dienst betrachtet werden könne. Es ergibt sich hieraus jedoch nicht die Unzulässigkeit der Beschwerden, da die Verfügung als letztinstanzlicher kantonaler Entscheid erlassen wurde. Da dies nicht angeht, weil die schiesspolizeilichen Anforderungen in die gesamthafte planungs- und baurechtliche Beurteilung des Vorhabens einbezogen werden müssen, ist der angefochtene Entscheid vielmehr aufzuheben. e) Aus diesem Ergebnis darf nicht gefolgert werden, dass eine kantonale Regelung, welche vorsieht, dass die Behörden des Kantons einen Grundsatzentscheid über die Eignung einer Örtlichkeit als Schiessanlage zu fällen haben, unzulässig sei. Hingegen hat ein solcher Entscheid unter Vorbehalt des Baubewilligungsverfahrens, in welchem die Betroffenen ihre Rechte in umfassender Weise wahren können, zu ergehen. Über allfällige Einsprachen hat somit BGE 114 Ib 125 S. 131 im Kanton Wallis gemäss der Bauverordnung die kantonale Baukommission unter Vorbehalt der Beschwerde an den Staatsrat und an das kantonale Verwaltungsgericht zu entscheiden. Gegen den letztinstanzlichen kantonalen Rechtsmittelentscheid kann alsdann, sofern eine Bewilligung nach Art. 24 RPG erteilt wurde, die eidgenössische Verwaltungsgerichtsbeschwerde ergriffen werden. f) Da die angefochtene Verfügung aus den dargelegten Gründen aufgehoben werden muss, ist auf die in den Beschwerden erhobenen Rügen betreffend der Lärmbelastung und der mangelnden Eignung des Geländes für den Schiessstand nicht einzutreten. Die entsprechenden Rügen sind zunächst im kantonalen Baubewilligungsverfahren zu prüfen.
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Sachverhalt ab Seite 46 BGE 128 IV 46 S. 46
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Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte G. am 14. September 2001 wegen Vergehen gegen das BetmG zu sechs Monaten Gefängnis und verweigerte den bedingten Strafvollzug. Die begründete Fassung des im Dispositiv eröffneten Urteils liegt noch nicht vor. G. wendet sich ans Bundesgericht und stellt das Gesuch, der Vollzug der durch das Obergericht verhängten Gefängnisstrafe sei bis zum Entscheid über die nach Vorliegen der schriftlichen Urteilsbegründung noch zu erhebende eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde aufzuschieben. BGE 128 IV 46 S. 47 Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Das Urteil des Obergerichts ist grundsätzlich vollstreckbar. Eine Beschwerde, die dem Bundesgericht innert 30 Tagen seit Zustellung der vollständigen Ausfertigung des Entscheids einzureichen ist, hemmt den Vollzug des Urteils nur, wenn der Kassationshof oder sein Präsident es verfügt ( Art. 272 Abs. 1 und 7 BStP [SR 312.0]). Nach dem Wortlaut von Art. 272 Abs. 7 BStP ist die Zuständigkeit des Kassationshofes oder seines Präsidenten zum Entscheid über ein Gesuch um aufschiebende Wirkung erst mit der Einreichung der Nichtigkeitsbeschwerde gegeben. Gemäss dem früheren, bis zum 1. Januar 2001 geltenden Art. 272 Abs. 1 aBStP war die Beschwerde innert zehn Tagen seit der nach dem kantonalen Recht massgebenden Eröffnung des angefochtenen Entscheids anzumelden, womit der Kassationshof mit der Sache befasst war (vgl. zur Frage der aufschiebenden Wirkung im alten Recht ERHARD SCHWERI, Eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen, Bern 1993, N. 351 ff.). Im neuen Recht ist diese Anmeldung der Beschwerde nicht mehr vorgesehen. Die Nichtigkeitsbeschwerde muss vielmehr erst 30 Tage nach Zustellung der schriftlichen Urteilsbegründung erhoben werden. Das hat zur Folge, dass von der Urteilsfällung bis zum Ablauf der Beschwerdefrist unter Umständen einige Zeit verstreichen kann. Da die Beschwerdeanmeldung beim Bundesgericht entfällt, fragt sich, an wen sich der Rechtssuchende wenden muss, um in diesem Zeitraum einen Aufschub der Vollstreckung des kantonalen Urteils zu beantragen. Das Bedürfnis für eine solche Massnahme kann sich daraus ergeben, dass der Verurteilte das kantonale Urteil beim Bundesgericht anfechten und eine geringere Strafe oder die Gewährung des bedingten Strafvollzugs verlangen will (vgl. MARTIN SCHUBARTH, Nichtigkeitsbeschwerde 2001, Bern 2001, N. 233). Soweit das kantonale Recht eine Möglichkeit vorsieht, um den Aufschub der Vollstreckung des Strafurteils zu beantragen, ist davon Gebrauch zu machen. Kennt jedoch das kantonale Recht kein entsprechendes Instrument, sind die Rechtsschutzbedürfnisse wie unter dem alten Recht vom Bundesgericht abzudecken. Denn der Gesetzgeber beabsichtigte mit der jüngsten Revision offensichtlich nicht, den Rechtsschutz des Betroffenen einzuschränken. Soll mangels eines kantonalen Behelfs das Bundesgericht um Aufschub der Vollstreckung des letztinstanzlichen kantonalen Strafurteils ersucht werden, hat der Betroffene eine summarisch begründete BGE 128 IV 46 S. 48 Nichtigkeitsbeschwerde einzureichen und darin anzugeben, welche Punkte des Urteils er anfechten will. Zudem hat er ein Gesuch um aufschiebende Wirkung zu stellen, in dem er einlässlich darlegt, weshalb die Vollzugshemmung im Lichte der vorzunehmenden Interessenabwägung als notwendig und im Blick auf die Rechtsbegehren und deren Erfolgsaussichten als gerechtfertigt erscheint. Wie unter dem alten Recht sind an die Begründung eines solchen Gesuchs besonders hohe Anforderungen zu stellen (SCHWERI, a.a.O., N. 356). Anschliessend wird in der Regel der Präsident (und ausnahmsweise der Kassationshof) über das Gesuch befinden.
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Sachverhalt ab Seite 498 BGE 131 II 497 S. 498 Formé d'un ensemble de sociétés suisses et étrangères, le groupe Edipresse, de siège à Lausanne, est notamment actif dans l'édition de journaux et de périodiques; il édite plusieurs quotidiens en Suisse romande, dont "24 heures", "Le Matin" et "La Tribune de Genève"; il détient en outre des participations minoritaires importantes dans d'autres sociétés de presse romandes, dont la société Le Temps SA, à Genève, éditrice du journal éponyme. Le 22 mai 2002, Edipresse a notifié à la Commission de la concurrence (ci-après également citée: la Commission) un projet de concentration portant sur la prise de contrôle de la société Imprimerie Corbaz SA, à Montreux (ci-après: Corbaz SA); outre la gestion d'une imprimerie, cette entreprise familiale édite les quotidiens "La Presse Riviera-Chablais" et "La Presse Nord Vaudois". Après avoir procédé à un examen préalable, la Commission a décidé de soumettre le projet de concentration à la procédure d'examen prévue par la loi fédérale du 6 octobre 1995 sur les cartels et autres restrictions à la concurrence (loi sur les cartels, LCart; RS 251) et l'ordonnance du 17 juin 1996 sur le contrôle des concentrations d'entreprises (OCCE; RS 251.4). Communiquée aux entreprises participantes le 19 juin 2002, l'ouverture de la procédure a été publiée dans la Feuille officielle suisse du commerce (FOSC) du 28 juin 2002 et la Feuille fédérale du 2 juillet 2002 (FF 2002 p. 4088). Dans un rapport intermédiaire du 20 août 2002, la Commission a constaté que l'acquisition envisagée renforçait la position dominante d'Edipresse dans le canton de Vaud sur "le marché des lecteurs", mais non sur "les marchés de l'imprimerie et des annonces". BGE 131 II 497 S. 499 Après avoir pris connaissance de ses observations, la Commission a informé Edipresse, le 7 octobre 2002, qu'elle avait l'intention d'interdire son projet de concentration; elle lui signalait néanmoins que l'opération pourrait être autorisée sous certaines conditions précises qu'elle énonçait. Le groupe Edipresse a demandé et obtenu une prolongation de la procédure d'examen jusqu'au 20 décembre 2002; dans le délai imparti, il a ensuite produit en cause des documents attestant qu'il avait pris les mesures préconisées par la Commission. Dans une lettre du 16 décembre 2002, cette dernière a indiqué aux entreprises participantes que "la concentration (pouvait) être réalisée sans réserve". Par communiqué de presse du 17 décembre 2002, la Commission a annoncé qu'elle avait approuvé le rachat de Corbaz SA par Edipresse, en exposant qu'au vu des modifications apportées au projet initial, cette opération n'apparaissait, après examen, plus de nature à supprimer la concurrence efficace sur le marché des quotidiens vaudois, même si elle renforçait la position d'Edipresse. L'exposé de ces motifs a été publié dans la revue "Droit et politique de la concurrence" du mois de mai 2004 (p. 177 ss). La société Etablissements Ed. Cherix et Filanosa SA, à Nyon (ci-après: la société Cherix SA), a saisi la Commission de recours pour les questions de concurrence (ci-après: la Commission de recours) d'un recours. Elle a conclu à l'annulation de la décision approuvant le projet de concentration formé par Edipresse, à l'interdiction de ce projet, ainsi qu'à la séparation des entreprises et des actifs regroupés à la suite de la concentration. A l'appui de ses conclusions, elle déposait un avis de droit du professeur Blaise Knapp destiné à établir que l'approbation litigieuse constituait une décision sujette à recours au sens de l'art. 5 de la loi fédérale du 20 décembre 1968 sur la procédure administrative (PA; RS 172.021). Par décision du 15 juillet 2004, la Commission de recours a déclaré irrecevable le recours, au double motif de l'absence de décision attaquable au sens de l' art. 5 PA ainsi que du défaut de qualité pour recourir de la société Cherix SA contre l'approbation contestée au vu de l' art. 43 al. 4 LCart et de sa position de tiers dans la procédure en cause (entreprise concurrente). Agissant par la voie du recours de droit administratif, la société Cherix SA demande au Tribunal fédéral d'annuler la décision précitée du 15 juillet 2004, de dire et constater que l'approbation du BGE 131 II 497 S. 500 projet de concentration constitue une décision susceptible de recours et de renvoyer la cause à la Commission de recours pour qu'elle examine sa qualité pour recourir à la lumière du seul art. 48 let. a PA , à l'exception de l' art. 43 al. 4 LCart . Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
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Erwägungen Extrait des considérants: 1. Dans une procédure administrative régie par le droit fédéral, l'auteur d'un recours déclaré irrecevable pour défaut de qualité pour agir est habilité à contester ce prononcé par la voie du recours de droit administratif lorsque, comme en l'espèce (cf. art. 97 al. 1 et 98 let . e OJ en relation avec l' art. 5 PA ; ATF 124 II 499 consid. 1b p. 502), la décision de l'autorité intimée peut, sur le fond, faire l'objet d'un tel recours auprès du Tribunal fédéral (cf. ATF 128 II 156 consid. 1a p. 158; ATF 127 II 264 consid. 1a p. 268; ATF 125 II 10 consid. 2a p. 13 et les arrêts cités). Pour le surplus, déposé en temps utile et dans les formes prescrites par la loi, le présent recours est recevable. 2. Le litige porte sur la recevabilité du recours formé par la recourante devant l'instance inférieure. Il s'agit, en premier lieu, d'examiner la nature juridique de la lettre du 16 décembre 2002 par laquelle la Commission a fait savoir aux entreprises participantes que le projet de concentration présenté par Edipresse pouvait être réalisé sans réserve, plus précisément de déterminer si cet acte revêt, comme le soutient la recourante, le caractère d'une décision attaquable au sens de l' art. 5 PA ou si, comme l'a tranché la Commission de recours, il a seulement valeur de prise de position non susceptible de recours (consid. 3 et 4). En second lieu, l'examen doit se porter sur la qualité pour recourir de la société Cherix SA (consid. 5). 3. 3.1 La loi sur les cartels a pour but d'empêcher les conséquences nuisibles d'ordre économique ou social imputables aux cartels et aux autres restrictions à la concurrence et de promouvoir ainsi la concurrence dans l'intérêt d'une économie de marché fondée sur un régime libéral ( art. 1 LCart ). Elle s'applique notamment aux entreprises de droit privé (cf. art. 2 al. 1 LCart ) qui participent à BGE 131 II 497 S. 501 des concentrations d'entreprises (cf. art. 4 al. 3 LCart et art. 1 et 2 OCCE), en leur imposant l'obligation de notifier à la Commission de la concurrence de telles opérations avant leur réalisation dans certaines situations, en particulier lorsque les entreprises participantes ont réalisé un chiffre d'affaires supérieur aux valeurs seuils fixées dans la loi lors du dernier exercice précédant la concentration (cf. art. 9 al. 1 à 3 LCart; ATF 127 III 219 consid. 4a p. 224/ 225). Si un examen préalable des projets soumis à l'obligation de notifier fait apparaître des indices de création ou de renforcement d'une position dominante, la Commission procède ensuite à un examen plus approfondi (cf. art. 10 al. 1 LCart ). Lorsqu'il résulte de cet examen que la concentration crée ou renforce effectivement une position dominante capable de supprimer une concurrence efficace et qu'elle ne provoque pas une amélioration des conditions de concurrence sur un autre marché, qui l'emporte sur les inconvénients de la position dominante, la Commission de la concurrence interdit la concentration (cf. art. 10 al. 2 LCart , 1 re hypothèse) ou l'autorise moyennant des conditions ou des charges (cf. art. 10 al. 2 LCart , 2 e hypothèse). 3.2 La procédure concernant l'examen des concentrations d'entreprises est réglée aux art. 32 ss LCart de la manière suivante: dans une première phase (dite d'examen préalable), la Commission de la concurrence dispose d'un délai d'un mois à compter de la réception de la notification d'une concentration d'entreprises pour décider s'il y a lieu de procéder à un examen plus approfondi et, le cas échéant, communiquer aux entreprises participantes l'ouverture d'une telle procédure; faute de "communication" dans ce délai, pendant lequel les entreprises participantes s'abstiennent de réaliser la concentration, "la concentration peut être réalisée sans réserve" (cf. art. 32 al. 1 et 2 LCart ). Si la Commission décide de procéder à un examen plus approfondi (seconde phase), son secrétariat publie le contenu essentiel de la notification de concentration et indique le délai dans lequel des tiers peuvent communiquer leur avis sur celle-ci; au début de l'examen, elle décide également si la concentration notifiée peut être provisoirement réalisée à titre exceptionnel ou si elle reste suspendue (cf. art. 33 al. 1 et 2 LCart ). La Commission doit ensuite achever son examen et rendre une décision dans les quatre mois dès l'ouverture de la procédure d'examen. Faute de décision dans ce délai, "la concentration est réputée autorisée", à moins que la Commission constate dans une décision BGE 131 II 497 S. 502 qu'elle a été empêchée de conduire l'examen pour des causes imputables aux entreprises participantes (cf. art. 33 al. 3 LCart et 34 2 e phrase LCart). Pour le surplus, la section 4 de la loi sur les cartels prévoit un certain nombre de dispositions générales réglant la procédure et les voies de droit, dont certaines touchent également la procédure d'examen des concentrations d'entreprises. Ainsi, l' art. 39 LCart dispose que la loi fédérale sur la procédure administrative est applicable dans la mesure où la loi sur les cartels n'y déroge pas. En outre, l' art. 43 al. 4 LCart précise que seules les entreprises participantes ont qualité de parties dans la procédure d'examen des concentrations d'entreprises. Enfin, l' art. 44 LCart prévoit que les décisions de la Commission de la concurrence peuvent faire l'objet d'un recours à la Commission de recours. 4. 4.1 Selon la Commission de recours, qui fonde son opinion sur une interprétation littérale, historique, téléologique et systématique de la loi sur les cartels, les concentrations d'entreprises ne sont pas soumises à un régime d'autorisation. Certes, les entreprises participantes ont l'obligation de notifier à la Commission de la concurrence les projets de concentration. Toutefois, estime la Commission de recours, seuls les refus de concentration ou les "autorisations" assorties de charges et/ou de conditions font l'objet d'une décision sujette à recours au sens de l' art. 44 LCart (en relation avec l' art. 5 PA ), tandis que les approbations pures et simples prennent effet en dehors de tout acte attaquable après l'écoulement du délai d'opposition de quatre mois prévu à l' art. 34 LCart (en relation avec l' art. 33 al. 3 LCart ). Lorsque, comme en l'espèce, la Commission donne son accord à la concentration avant ce terme, son intervention n'a, toujours selon la Commission de recours, pas valeur de décision attaquable, mais équivaut simplement à une "prise de position". La recourante se dit "prête à admettre cette conception". Elle relève cependant qu'en l'espèce, du moment que la Commission de la concurrence constatait, au terme de la procédure d'examen, que le projet de concentration créait ou renforçait la position dominante d'Edipresse, elle n'avait le choix qu'entre l'une des deux possibilités prévues à l' art. 10 al. 2 LCart , à savoir interdire la concentration - ce qu'elle n'a pas fait - ou alors - ce qu'elle aurait dû BGE 131 II 497 S. 503 faire - l'autoriser sous réserve du respect des exigences qu'elle avait énoncées dans son rapport intermédiaire, c'est-à-dire en l'assortissant de conditions et/ou de charges fixées dans une décision attaquable. 4.2 Il n'est pas contesté que le refus total ou partiel (accord assorti de conditions ou de charges) opposé à un projet de concentration constitue une décision pouvant faire l'objet d'un recours au sens de l' art. 44 LCart en relation avec l' art. 5 PA . La doctrine est sur ce point unanime (cf. CHRISTIAN BOVET, in Commentaire romand, Droit de la concurrence, éd. par Tercier/Bovet, Bâle 2002 [ci-après cité: CR Concurrence], n. 24 ad art. 33 LCart ; dans le même ouvrage SILVIO VENTURI, n. 31 ad Remarques liminaires aux art. 9-10 LCart et BENOÎT CARRON, n. 9 ad art. 44 LCart ; MARCEL DIETRICH, Unternehmenszusammenschlüsse, Formelles Fusionskontrollrecht, Art. 9-10, 32-38 KG, in Das Kartellgesetz in der Praxis, éd. par Roger Zäch, Zurich 2000 [ci-après cité: Das Kartellgesetz in der Praxis], p. 75 ss, 109; PATRIK DUCREY/JENS DROLSHAMMER, in Kommentar zum schweizerischen Kartellgesetz, éd. par Homburger/Schmidhauser/ Hoffet/Ducrey, 2 e éd., Zurich 1997 [ci-après cité: Kommentar KG], n. 47/48 ad art. 10 LCart ; dans le même ouvrage, PATRIK DUCREY, n. 28 et 30 ad art. 33 LCart et BALZ GROSS, n. 20 ad art. 44 LCart ; PAUL RICHLI, Kartellverwaltungsverfahren, in Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, vol. V/2, Kartellrecht, éd. par von Büren/David, Bâle 2000 [ci-après cité: SIWR V/2], p. 504; FRANK SCHERRER, Das europäische und schweizerische Fusionskontrollverfahren, thèse Zurich 1996, p. 412 et 414; WALTER STOFFEL, Le droit suisse de la concurrence 1997: les premières expériences avec la nouvelle LCart, in RSDA 1997 p. 249 ss, 256; ROGER ZÄCH, Schweizerisches Kartellrecht, 2 e éd., Zurich 2005, n. 1033, 1077 et 1078 a contrario; PHILIPP ZURKINDEN, Die Regelung der Fusionskontrolle im schweizerischen Wettbewerbsrecht, in Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, éd. par Koller/Müller/Rhinow/ Zimmerli, Bâle/Genève/Munich, 1999, vol. 11 [ci-après cité: SBVR], n. 111; PIERRE MERCIER/OLIVIER MACH/HUBERT GILLIÉRON/ Simon Affolter, Grands principes du droit de la concurrence, Bâle/ Genève/Munich 1999, p. 667). En revanche, à rigueur de sa lettre, la loi sur les cartels ne fournit pas de réponse claire et définitive à la question de savoir si l'on est également en présence d'une décision attaquable lorsque la Commission de la concurrence ne s'oppose pas à un projet de BGE 131 II 497 S. 504 concentration et laisse s'écouler le délai de quatre mois prévu à l' art. 33 al. 3 LCart . L'art. 34, 2 e phrase LCart prévoit simplement qu'en l'absence de décision de la Commission dans ce délai, la concentration est "réputée autorisée". Cette fiction dispense assurément la commission de prononcer une décision formelle si elle n'entend pas s'opposer au projet. Elle ne permet cependant pas d'exclure, sans autre examen, l'existence d'une décision matérielle (tacite) susceptible de recours (cf. SCHERRER, op. cit., p. 375 ss; ZURKINDEN, in SBVR, n. 111; DIETRICH, Das Kartellgesetz in der Praxis, op. cit., p. 80). Par ailleurs, cette fiction ne dit pas non plus ce qu'il faut penser de la situation, apparemment habituelle en pratique - comme la présente espèce le confirme -, où la Commission donne son approbation avant la fin de la procédure d'examen sous une forme qui s'apparente matériellement à une décision (cf. VENTURI, in CR concurrence, n. 32 ad Remarques liminaires aux art. 9-10 LCart ). Enfin, la formulation de l'art. 23 OCCE, qui pose le principe de la publication de la "décision" de la commission après la clôture de l'examen, ajoute également à la confusion, dans la mesure où, semble-t-il, cette disposition concerne également les projets de concentration acceptés sans réserve (cf. SCHERRER, op. cit., p. 420; PIERRE TERCIER, La procédure devant la Commission de la concurrence, in RSDA numéro spécial 1996 p. 35 ss, 44; contra: ZURKINDEN, in SBVR, n. 111, note de bas de page 218 et DUCREY, Kommentar KG, n. 33 ad art. 33 LCart , qui rattachent la publication des projets de concentration acceptés sans réserve à l'art. 22 OCCE, bien que cette disposition ne se rapporte qu'aux notifications qui n'ont pas donné lieu à l'ouverture d'une procédure d'examen). 4.3 Les auteurs favorables à la solution retenue par la Commission de recours relèvent que, contrairement au projet initial du Conseil fédéral, qui prévoyait, à l'instar du droit communautaire, un régime d'autorisation, l'Assemblée fédérale a préféré le système actuellement en vigueur, moins bureaucratique et plus conforme aux besoins d'une économie de marché fondée sur un régime libéral. Ce système impose certes l'obligation de notifier à la Commission de la concurrence tout projet de concentration tombant sous le coup de l' art. 9 LCart avant sa réalisation. Cette obligation est toutefois suivie d'une simple procédure d'opposition qui ne nécessite pas de décision lorsque la Commission juge que le projet de concentration qui lui est soumis ne soulève pas d'objection; il BGE 131 II 497 S. 505 lui suffit alors de laisser s'écouler le délai d'opposition de quatre mois prévu à l' art. 33 al. 3 LCart pour que la concentration soit réputée autorisée, en l'absence de toute décision et, par voie de conséquence, de toute procédure de recours (cf. DUCREY/DROLSHAMMER, Kommentar KG, n. 56 et 57 ad art. 10 LCart ; STOFFEL, Le droit suisse de la concurrence 1997, op. cit., p. 256; VENTURI, in CR Concurrence, n. 31 et 32 ad Remarques liminaires aux art. 9-10 LCart ; RICHLI, op. cit., SIWR V/2, p. 505; Zäch, op. cit., n. 1078 et 1086). La Commission peut toutefois autoriser les entreprises participantes à réaliser la concentration avant la fin du délai de quatre mois prescrit à l' art. 33 al. 3 LCart ; en ce cas, son autorisation équivaut à une simple prise de position qui n'a pas valeur de décision attaquable (VENTURI, CR Concurrence, n. 31 ad Remarques liminaires aux art. 9-10 LCart ; STOFFEL, Le droit suisse de la concurrence 1997, op. cit., p. 256; MERCIER/MACH/GILLIÉRON/ AFFOLTER, op. cit., p. 667 ad n. 137; PAUL RICHLI, op. cit., p. 505), par analogie à ce que prévoit l'art. 16 al. 1 OCCE pour la phase d'examen préalable: selon cette disposition, les entreprises participantes sont en effet autorisées à réaliser la concentration avant la fin du délai d'un mois prescrit à l' art. 32 al. 2 LCart lorsque la Commission leur "communique" que le projet qui lui est soumis ne soulève pas d'objection (cf. DUCREY/DROLSHAMMER, in Kommentar KG, n. 56 ad art. 10 LCart ; DUCREY, in Kommentar KG, n. 26 ad art. 33 LCart ; du même auteur , in SIWR V/2, p. 303; ZÄCH, op. cit., n. 1033; également favorable à l'application par analogie de l'art. 16 al. 1 OCCE pour l'approbation des projets de concentration, sans toutefois se prononcer clairement sur le caractère de décision attaquable, ou non, d'un tel acte: JÜRG BORER, in Kommentar zum schweizerischen Kartellgesetz, Zurich 1998 [ci-après cité: Kommentar], n. 9 et 10 ad art. 33 LCart et n. 11 ss ad art. 44 LCart ). CHRISTIAN BOVET (in CR Concurrence, n. 82 ad art. 32 LCart ) critique cette conception qu'il juge formaliste et contraire au principe du parallélisme des formes: dans la mesure où l'on admet que l'ouverture de la procédure d'examen nécessite une décision, il estime que sa clôture doit se faire de la même manière. Par ailleurs, il est d'avis que la sécurité juridique s'oppose à ce que l'on doive attendre le terme de la procédure d'examen (d'une durée de quatre mois) pour déterminer a posteriori si l'ouverture d'une enquête (approfondie) au sens de l' art. 33 LCart revêt le caractère d'une décision incidente, selon que la Commission décide finalement BGE 131 II 497 S. 506 d'interdire ou d'autoriser le projet de concentration. FRANK SCHERRER (op. cit., p. 375/376) est d'avis que les modifications apportées au projet du Conseil fédéral par le Parlement et, notamment, la fiction selon laquelle la concentration est réputée autorisée après l'écoulement d'un délai de quatre mois ( art. 34 LCart ), ne changent rien au caractère de la procédure qui continue à s'apparenter à un régime d'autorisation; il parle à ce propos de "Genehmigungspflicht mit Genehmigungsfiktion"; à son sens, (op. cit., p. 411/412) une décision est nécessaire également pour autoriser un projet de concentration: à défaut, une concentration ne pourrait pas se faire avant l'écoulement du délai précité de quatre mois, ce qui ne serait pas admissible; par ailleurs, il voit dans le fait que l' art. 38 LCart permette, à certaines conditions, de révoquer ou de réviser une autorisation, la preuve que celle-ci constitue une décision, tout comme le fait que, contrairement à ce qui est prévu à l'art. 16 OCCE pour la procédure préalable, aucune disposition de la loi sur les cartels ou de son règlement n'offre à la Commission la possibilité d'autoriser la concentration par la voie d'une simple "communication" avant l'échéance du délai précité de quatre mois. D'autres auteurs adoptent une position plus nuancée. Ainsi, BALZ GROSS (in Kommentar KG, note de bas de page 27 et n. 54 ss ad art. 44 LCart ) postule qu'à certaines conditions - restrictives - les tiers (concurrents) ont le droit d'exiger une décision motivée afin de pouvoir bénéficier d'un certain contrôle juridictionnel lorsque la Commission ne s'oppose pas à une concentration. PHILIPP ZURKINDEN (in SBVR, n. 111, note de bas de page 219) relève que les procédures de concentration peuvent se terminer par l'écoulement du temps sans qu'une décision formelle ne soit alors requise, en laissant plutôt entendre que les tiers ne peuvent pas exiger une telle décision (loc. cit., n. 105); il estime néanmoins que, contrairement à l'opinion de DUCREY, la Commission peut, si elle le souhaite, approuver la concentration dans une décision formelle (loc. cit., n. 111; dans le même sens, ZURKINDEN/TRÜEB, Das neue Kartellgesetz, Handkommentar, Zurich 2004 [ci-après cité: Handkommentar], n. 5 ad art. 33 LCart ). MARCEL DIETRICH (Das Kartellgesetz in der Praxis, op. cit., p. 80) soutient l'idée que la procédure d'examen présente les caractéristiques aussi bien d'une procédure d'autorisation que d'une procédure d'opposition selon que la Commission déclare ne pas avoir d'objection à la concentration ou qu'elle l'approuve dans une décision et/ou selon qu'elle agit dans BGE 131 II 497 S. 507 le délai de quatre mois ou qu'elle laisse s'écouler ce délai sans se manifester. Enfin, BENOÎT CARRON (in CR Concurrence, n. 9 et 13 ad art. 44 LCart ) considère que les autorisations de concentration d'entreprises sont des décisions susceptibles de recours, mais que l'absence de décision dans le délai de quatre mois de l' art. 33 al. 3 LCart n'est, en revanche, pas un acte attaquable. 4.4 Une interprétation historique de la loi sur les cartels incline plutôt à penser que l'absence de réaction de la Commission de la concurrence pendant le délai d'opposition de quatre mois ne constitue pas une décision, du moins une décision sujette à recours. Les travaux préparatoires, notamment les débats au Conseil national (cf. BO 1995 CN p. 1095-1101), indiquent en effet clairement que la substitution du régime d'autorisation proposé par le Conseil fédéral par le système actuellement en vigueur (notification obligatoire suivi d'une procédure d'opposition) visait à réduire la bureaucratie à son minimum afin d'accélérer le traitement des projets de concentration notifiés à la Commission. Sont à cet égard révélatrices les déclarations du rapporteur de langue française du Conseil national ainsi que celles du Conseiller fédéral en charge du dossier qui insistent tous deux sur le fait qu'avec le système proposé, "il n'y a même pas besoin de décision" ou "d'approbation formelle ou tacite" pour qu'une concentration puisse se faire (BO 1995 CN p. 1100/1101, Couchepin et Delamuraz). Par ailleurs, dans un rapport du 11 octobre 2000 à l'attention de la Commission de gestion du Conseil national, l'Organe parlementaire de contrôle de l'administration (OPCA) a clairement exposé les critiques formulées par CHRISTIAN BOVET à l'encontre de la jurisprudence de la Commission de recours, en particulier le fait que, faute de décision formelle, l'approbation d'une concentration ne pouvait pas faire l'objet d'un recours; jugé peu problématique, ce point n'a toutefois pas suscité de proposition de réforme (cf. FF 2000 p. 3191, 3221/ 3222). D'un autre côté, il existe certainement aussi de bons arguments pour considérer que le silence de la Commission dans le délai de quatre mois prévu à l' art. 33 al. 3 LCart équivaut à une décision. D'une part, il faut admettre avec une partie de la doctrine que, matériellement, ce silence ne se distingue guère d'une décision d'approbation ou, selon la formule du professeur Knapp, "d'une décision constatant la non-réalisation de la situation juridique visée à l' art. 10 al. 2 LCart " (avis de droit, p. 12). D'autre part, dans la BGE 131 II 497 S. 508 mesure où, sous réserve de certaines exceptions (cf., en particulier, l' art. 43 al. 4 LCart ), la procédure d'examen des concentrations d'entreprises suit les règles générales de la procédure administrative (en vertu de l' art. 39 PA ), on ne devrait pas agréer trop facilement une dérogation à celles-ci; en principe, il serait souhaitable qu'une telle dérogation figure de manière expresse dans la loi sur les cartels (cf. MARCEL DIETRICH, in Kommentar KG, n. 13 ad art. 39 LCart ; le même auteur , in Das Kartellgesetz in der Praxis, op. cit., p. 77/78). Enfin, même si l'on peut admettre qu'une concentration peut se faire en l'absence de décision lorsque la Commission laisse s'écouler sans réagir le délai d'opposition de quatre mois, ni la loi, ni les travaux préparatoires n'offrent de réponse à la question de savoir ce qu'il en est lorsque la Commission donne son accord avant l'échéance dudit délai, encore moins lorsque, comme en l'espèce, cet accord intervient après que les sociétés participantes ont proposé un nouveau projet intégrant des propositions de la Commission. Comme le fait observer la recourante, on peut en effet se demander si, dans une telle situation, l'on ne se trouve pas en face d'une autorisation assortie de charges ou de conditions ou, du moins, si la Commission de la concurrence n'aurait pas dû rendre une telle décision qui, comme on l'a vu (supra consid. 4.2 in initio) est susceptible de recours (sur ce problème, cf. PATRIK DUCREY, Geklärte und ungeklärte Fragen im Verfahren vor der Wettbewerbskommission, in Journée du droit de la concurrence 2001, Zurich 2003, p. 109 ss, 123; BORER, in Kommentar, n. 9 et 10 ad art. 33 LCart ; DIETRICH, Kartellgesetz in der Praxis, op. cit., p. 109; ZÄCH, op. cit., n. 835; VENTURI, in CR Concurrence, n. 15 ad art. 10 LCart et les nombreuses références citées). En l'état, ces questions souffrent toutefois de rester indécises, car le recours doit en toute hypothèse être rejeté pour un autre motif. 5. 5.1 Contrairement à l' art. 43 al. 1 LCart , qui permet à certaines personnes physiques et morales de participer aux enquêtes concernant les restrictions à la concurrence, l' art. 43 al. 4 LCart prévoit que seules les entreprises participantes ont la qualité de parties dans les procédures d'examen des concentrations d'entreprises. Les tiers concernés par un projet de concentration n'ont le droit que de prendre position par écrit au sujet de celui-ci (cf. art. 33 al. 1 LCart et 19 OCCE). De la même manière qu'il n'a pas voulu soumettre formellement les concentrations d'entreprises à un régime BGE 131 II 497 S. 509 d'autorisation (cf. supra consid. 4.4), c'est afin de garantir en la matière une procédure simple, rapide et efficace que le législateur a décidé de priver les tiers de la qualité de parties lors de la phase d'examen des projets de concentration soumis à l'obligation de notifier, même si, comme la Cour de céans a déjà eu l'occasion de l'exposer, pareille conception est inconnue en droit communautaire (cf. ATF 124 II 499 consid. 3a p. 503 s. et les références citées, en particulier le message du Conseil fédéral du 23 novembre 1994 concernant la loi sur les cartels, in FF 1995 I 472, p. 597 et 605). L' art. 43 al. 4 LCart ne concerne, selon sa lettre, que "la procédure d'examen des concentrations d'entreprises", mais non la qualité pour recourir, qui ne fait l'objet d'aucune disposition spéciale dans la loi sur les cartels. Il est donc concevable de soutenir que, par le jeu du renvoi de l' art. 39 LCart à la loi fédérale sur la procédure administrative, l' art. 43 al. 4 LCart a seulement valeur d'exception à l' art. 6 PA (qui règle la qualité de partie en procédure fédérale), tandis que la qualité pour recourir n'est pas précisée et doit s'examiner à la lumière de l' art. 48 PA (qui règle la qualité pour recourir en procédure administrative fédérale). Or, sous réserve d'exception, la qualité pour recourir au sens de la dernière disposition précitée n'est pas subordonnée à la condition d'avoir participé à la procédure ayant conduit à la décision contestée, mais dépend seulement de l'existence d'un intérêt digne de protection à demander l'annulation ou la modification d'une telle décision (cf. ATF 110 Ib 105 consid. 1d p. 110; ALFRED KÖLZ/ISABELLE HÄNER, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, Zurich 1998, ch. 262 ss; plus spécialement en matière de concentrations d'entreprises, cf. SCHERRER, op. cit., p. 436; ZURKINDEN/TRÜEB, Handkommentar, n. 3 ad art. 44 LCart ; BOVET, in CR Concurrence, n. 17 ad art. 33 LCart ; GROSS, Kommentar KG, n. 54 ss ad art. 44 LCart ; BORER, in Kommentar, n. 14 ad art. 43 LCart et 7 ad art. 44 LCart ). On ne saurait dès lors conclure, sans autre examen, que l'exclusion des tiers de la procédure d'examen, voulue par le législateur à l' art. 43 al. 4 LCart , emporte ipso facto leur absence de qualité pour recourir contre la décision prise par la Commission à l'issue de cette procédure. Le Tribunal fédéral a jusqu'ici laissé ouverte cette question qui divise la doctrine (cf. ATF 124 II 499 précité). 5.2 Selon la doctrine majoritaire, les tiers doivent se voir reconnaître la qualité pour recourir contre les décisions de la BGE 131 II 497 S. 510 Commission aux conditions de l' art. 48 PA , conformément au renvoi de l' art. 39 LCart (RICHLI, in SIWR V/2 2000 p. 510; du même auteur , Verfahren und Rechtsschutz, in Das Kartellgesetz in der Praxis, op. cit., p. 162; BOVET, in CR Concurrence, n. 20 ad Remarques liminaires aux art. 32-38 LCart et n. 17 ad art. 33 LCart ; BORER, in Kommentar, n. 6 et 14 ad art. 43 LCart et n. 7 ad art. 44 LCart ; ZÄCH, op. cit., n. 1084; PHILIPP ZURKINDEN/RUDOLF TRÜEB, Das neue Kartellgesetz, Handkommentar, Zurich, 2004 [ci-après cité: Handkommentar], n. 3 ad art. 43 LCart et n. 4 ad art. 44 LCart ; CARRON, in CR Concurrence, n. 21 ad art. 44 LCart ; GROSS, in Kommentar KG, n. 54-55 ad art. 44 LCart ; SCHERRER, op. cit., p. 435 ss). Ces auteurs considèrent en effet qu'une exception à un droit aussi fondamental de procédure que l'accès à un contrôle juridictionnel doit être expressément prévue dans la loi (cf. RICHLI, BOVET, SCHERRER et GROSS, loc. cit.). Or, ainsi qu'on l'a vu (supra consid. 5.1), une telle disposition d'exception fait précisément défaut dans la loi sur les cartels, sauf à interpréter largement - au-delà de son seul texte - l' art. 43 al. 4 LCart . Certains des auteurs précités insistent néanmoins sur le fait que, même si la qualité pour recourir dépend du seul art. 48 PA , à l'exception de l' art. 43 al. 4 LCart , il faut tout de même tenir compte de cette dernière disposition et de la volonté du législateur d'instaurer une procédure simple et rapide, en ce sens que les tiers ne doivent être admis à contester en justice un projet de concentration qu'exceptionnellement et à des conditions plus strictes que celles qui découlent du cadre habituel de l' art. 48 PA (cf. GROSS, Kommentar KG, n. 54-57 ad art. 44 LCart ; SCHERRER, op. cit., p. 436-438; BOVET, in CR Concurrence, n. 22 ad Remarques liminaires aux art. 32-38 LCart ). La doctrine minoritaire estime au contraire que l'exclusion des tiers de la procédure d'examen entraîne également leur exclusion de la procédure de recours, car c'est la seule façon de garantir une procédure simple et rapide conformément à la volonté du législateur (cf. DUCREY, Kommentar KG, n. 13 ad art. 33 LCart ; WALTER STOFFEL, Die Beschwerde an die Rekurskommission für Wettbewerbsfragen, in RSDA numéro spécial 1996 p. 45 ss, 48; FRANCIS NORDMANN, Die schweizerische Fusionskontrolle im Lichte des europäischen Wettbewerbsrechts, thèse Zurich 1996, p. 246). 5.3 Comme on l'a vu (supra consid. 4.4), les discussions aux Chambres fédérales qui ont précédé l'adoption de la loi sur les cartels ont mis en évidence que le législateur a souhaité instaurer une BGE 131 II 497 S. 511 procédure d'examen des concentrations d'entreprises simple, rapide et efficace; son but était avant tout que, conformément aux règles d'une économie de marché fondée sur un régime libéral (cf. art. 1 LCart ), les entreprises puissent, dans toute la mesure du possible, elles-mêmes et dans les plus brefs délais décider et procéder aux concentrations qu'elles jugent profitables à leur développement, en dehors de toute bureaucratie inutile lorsque leur projet ne soulève pas d'objection de la part de la Commission de la concurrence. C'est dans cet esprit que l' art. 43 al. 4 LCart a été proposé par le Conseil fédéral (cf. FF 1995 I 472, p. 598, n. 211) et adopté sans discussions par les Chambres fédérales (cf. BO 1995 CN p. 1108 ss; BO 1995 CE p. 867 ss). Dans le message relatif à la loi sur les cartels, le Conseil fédéral précisait également que la qualité pour former un recours au sens de l' art. 44 LCart n'appartient pas seulement aux personnes touchées par la décision, mais également aux "tiers qui ont participé à une procédure selon l'art. 43 (LCart)" (FF 1995 I 472, p. 606). Lors de la récente modification de la loi sur les cartels entrée en vigueur le 1 er avril 2004 (RO 2004 p. 1385, 1390), une proposition a été faite de modifier l' art. 43 al. 4 LCart en vue de ne plus réserver aux seules entreprises participantes la qualité de parties au sens de cette disposition, mais de l'étendre aux cantons dans lesquels les entreprises participantes ont leur siège. Cette proposition a été rejetée (cf. BO 2002 CN p. 1448 ss). Toutefois, lors de la discussion au Conseil national, le rapporteur de la minorité a plaidé en faveur de la modification proposée en exposant qu'il était nécessaire que les cantons concernés puissent faire connaître leur point de vue au sujet d'un projet de concentration et que, le cas échéant, ils disposent de la possibilité de recourir ("Beschwerdemöglichkeit") contre un tel projet ou de s'y opposer ("Aber es ist eigentlich ein Mangel im Verfahrensrecht, dass nicht mindestens auch die Standortkantone ein Einspracherecht haben") (ibidem). 5.4 Selon une interprétation téléologique de la loi sur les cartels faite à la lumière des intentions du législateur - auxquelles il faut accorder une importance particulière, s'agissant d'une loi récente (cf. ATF 128 I 288 consid. 2.4 p. 292) -, il faut admettre que les tiers ne sont pas habilités à contester un projet de concentration devant la Commission de recours. Il ressort en effet aussi bien du message du Conseil fédéral concernant la loi sur les cartels (cf. FF 1995 I 472, p. 606) que des débats BGE 131 II 497 S. 512 au Parlement sur la récente révision de cette loi (cf. BO 2002 CN p. 1448) qu'il existe, dans l'esprit du législateur, un lien clair et direct entre les art. 43 al. 4 et 44 LCart , en ce sens que la possibilité pour les tiers de former un recours contre un projet de concentration apparaît subordonnée à leur qualité de parties à la procédure d'examen. Par ailleurs, s'il fallait reconnaître aux tiers la qualité pour recourir contre des projets de concentration soumis à notification, la célérité voulue par le législateur pour la procédure d'examen y afférente serait grandement compromise, puisque le recours d'un seul concurrent serait de nature à en allonger considérablement la durée, qui plus est, dans une mesure difficilement prévisible et quantifiable. A cet égard, il est relevé que le recours a effet suspensif (cf. art. 55 al. 1 PA ) et que le retrait de celui-ci ne peut, en principe, être envisagé que pour les cas manifestement dénués de chances de succès (cf. GROSS, Kommentar KG, note de bas de page 70 ad art. 44 LCart ; RICHLI, op. cit., SIWR V/2 p. 510; contra: BORER, in Kommentar, n. 14 ad art. 43 LCart ). Par ailleurs, l'on se trouverait en présence d'une procédure biaisée qui n'a pas été voulue par le législateur, en ce sens que les tiers, jusqu'ici privés de leurs droits de parties en vertu de l' art. 43 al. 4 LCart , pourraient pour la première fois faire valoir ceux-ci devant la Commission de recours. Le vrai débat aurait donc lieu en procédure de recours, avec tous les inconvénients que cela suppose. En particulier, la Commission de recours devrait, le cas échéant, mettre en oeuvre les mesures d'instruction utiles proposées par les tiers recourants, ou alors procéder à un renvoi de la cause à l'autorité inférieure pour complément d'instruction, ce qui serait de nature à allonger un peu plus encore la procédure. Un tel renvoi est d'ailleurs la règle dès que les investigations requises présentent une certaine ampleur ou des difficultés particulières (cf. STOFFEL, Die Beschwerde an die Rekurskommission für Wettbewerbsfragen, op. cit., p. 45). Par ailleurs, en cas d'admission du recours formé par un tiers et de renvoi du dossier à la Commission pour instruction complémentaire et nouvelle décision, le système aboutirait à une situation pour le moins curieuse, puisque le tiers concerné (qui a obtenu gain de cause) se verrait à nouveau privé de tout droit de partie en vertu de l' art. 43 al. 4 LCart . Au surplus, il n'est pas certain que la Commission de recours soit le lieu idéal pour un premier débat contradictoire portant sur l'établissement des faits et les problèmes de BGE 131 II 497 S. 513 fond, dans la mesure où il peut arriver qu'elle fasse preuve d'une certaine retenue pour trancher les questions d'appréciation voire pour définir certaines notions juridiques indéterminées que la Commission ou son secrétariat apparaissent mieux à même de cerner (cf. CARRON, in CR Concurrence, n. 23 ad art. 44 LCart ; RICHLI, op. cit., SIWR V/2 p. 511 ss). Enfin, à supposer que l'intention du législateur fût vraiment de permettre aux tiers de contester par la voie judiciaire un projet de concentration, il serait pour le moins étonnant qu'il n'ait, au moins pour les concurrents, pas expressément prévu cette possibilité dans la loi sur les cartels, si ce n'est lors de l'adoption de ce texte, du moins lors de sa révision en 2002. En effet, bien qu'il connût alors parfaitement la pratique restrictive - contestée par une partie de la doctrine - suivie en la matière par la Commission de recours (cf. notamment le rapport précité du 11 octobre 2000 de l'Organe parlementaire de contrôle de l'administration, p. 3218-3222), il n'a pas jugé utile de corriger la loi sur ce point, mais a simplement examiné l'opportunité d'étendre aux cantons concernés par une concentration d'entreprises - à l'exception des tiers - le droit de participer à la procédure d'examen au sens de l' art. 43 al. 4 LCart . 5.5 En conséquence, il se justifie de procéder à une interprétation extensive de l' art. 43 al. 4 LCart et d'admettre que, malgré son texte, cette disposition n'a pas seulement pour conséquence de priver les tiers de la qualité de parties durant la procédure d'examen, mais les empêche également de recourir contre les projets de concentration approuvés par la Commission. Il s'ensuit que, dans le cas particulier, pour peu que l'autorisation donnée par la Commission à la concentration litigieuse eût effectivement valeur de décision attaquable, au sens de l' art. 44 LCart (en relation avec l' art. 5 PA ), comme le soutient la recourante, celle-ci n'avait de toute façon pas la qualité pour contester un tel acte devant la Commission de recours, ainsi que l'a tranché à juste raison cette autorité. La recourante n'est cependant pas privée de tout moyen pour se défendre contre d'éventuels abus de son concurrent. En cas de restrictions illicites à la concurrence (accords ou pratiques illicites au sens des art. 5 ss LCart ), elle peut notamment - comme elle semble d'ailleurs l'avoir fait - dénoncer les faits aux autorités compétentes (cf. art. 26 ss LCart ; sur la complémentarité de ce moyen de droit, de caractère répressif, par rapport au contrôle des BGE 131 II 497 S. 514 concentrations, de caractère préventif, cf. VENTURI, in CR Concurrence, n. 23 et 42 ad Remarques liminaires aux art. 9-10 LCart ). Certes, elle ne peut pas, comme tel, prétendre un droit à l'ouverture d'une enquête administrative; toutefois, si une telle enquête est ouverte, elle peut y prendre part et exercer tous ses droits de partie (cf. art. 43 al. 1 à 3 LCart; ATF 130 II 521 ). Par ailleurs et surtout, la recourante dispose de tous les moyens du droit privé et de la procédure civile offerts par la loi sur les cartels (cf. art. 12 ss LCart ). Le choix de la procédure à suivre dépendra essentiellement des intérêts en jeu: en principe, lorsque le maintien d'une concurrence efficace dans l'intérêt public apparaît le but prioritaire recherché, la voie de la procédure administrative sera la règle, tandis que le recours au juge civil sera de mise si des intérêts privés sont en première ligne (cf. ATF 130 II 521 consid. 9 p. 529/530; ATF 130 II 149 consid. 2.4 et les nombreuses références à la doctrine).
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Sachverhalt ab Seite 309 BGE 133 III 309 S. 309 A. Der Erblasser hat im Jahr 1958 mit eigenhändigem Testament verfügt: (...) Ich setze meine Ehefrau S. als Alleinerbin ein und bestimme insbesondere, dass sie vor allem auch Alleineigentümerin meiner Liegenschaft in Z. werden soll. Nach ihrem Tode soll der Überrest meiner Hinterlassenschaft zu gleichen Teilen, also je zur Hälfte, an meine Geschwister oder deren Nachkommen und an die Erben meiner Frau gelangen. (...) Dieses Testament wurde im Jahr 1990 eröffnet und blieb unangefochten. Im Jahr 2001 verstarb die Ehefrau. Sie hinterliess kein Testament. Ihre gesetzlichen Erben sind die Beklagten. B. Mit Klage vom 17. September 2002 verlangte die Nichte des Erblassers, es sei ihr der hälftige Anteil der Nacherbschaft zuzuweisen und auszuhändigen. BGE 133 III 309 S. 310 Mit Urteil vom 9. Dezember 2004 verurteilte das Bezirksgericht Zürich die Beklagten zur Bezahlung von Fr. 77'000.- nebst Zins. Auf beidseitige Berufung verpflichtete das Obergericht des Kantons Zürich die Beklagten mit Urteil vom 9. Dezember 2005 zur Zahlung von Fr. 76'063.45 nebst Zins. C. Mit Berufung vom 30. Januar 2006 verlangt die Klägerin den Zuspruch von Fr. 121'701.50 nebst Zins. Das Bundesgericht heisst diese gut.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. (...) Das Obergericht hat in einem ersten Schritt festgestellt, dass der Erblasser mit der umfassenden Nacherbeneinsetzung auf den Überrest das Pflichtteilsrecht der Ehefrau verletzt habe, und es hat diese Pflichtteilsverletzung in einem zweiten Schritt sanktioniert, indem es vom "Brutto-Überrest" von Fr. 243'403.- vorweg eine pflichtteilsgeschützte Quote von 3/8 ausgeschieden und anschliessend den "Netto-Überrest" von 5/8 im Sinn der erblasserischen Verfügung hälftig geteilt hat. Die Pflichtteilsverletzung ist indes nicht abstrakt, sondern konkret zu berechnen. Es ist mithin zu prüfen, ob der Erblasser mit seinen testamentarischen Anordnungen Pflichtteilsansprüche der Beklagten verletzt hat, indem diese dem Wert nach nicht erhalten haben, worauf sie aufgrund vererbter Pflichtteilsrechte Anspruch hätten (vgl. Art. 522 Abs. 1 ZGB ). Dies wäre der Fall, wenn sie aufgrund der erblasserischen Anordnungen vom Überrest wertmässig weniger als ihren Pflichtteil erhalten würden, so etwa, wenn der Erblasser die Nacherben seines Stammes auf 7/8 und diejenigen des Stammes der Ehefrau auf 1/8 des Überrestes eingesetzt hätte. Vorliegend haben die Beklagten mit 4/8 des Überrestes aber mehr erhalten, als ihnen aufgrund ihrer Pflichtteilsansprüche konkret zustünde. Zwar muss sich der Vorerbe im Umfang seines Pflichtteils keine Belastung mit einer Nacherbschaft gefallen lassen, sondern kann er den Pflichtteil als freies Erbe beanspruchen ( BGE 75 II 190 E. 5 S. 195; BGE 108 II 288 E. 2 S. 291). Weiter trifft es zu, dass das Pflichtteilsrecht vererblich ist ( BGE 75 II 190 E. 2 S. 192 f.) und es auch von den gesetzlichen Erben des Vorerben gegenüber den Nacherben geltend gemacht werden kann ( BGE 108 II 288 E. 2 S. 291). Schliesslich verhält es sich so, dass die Vorerbin mit der Herabsetzungsklage gemäss Art. 522 Abs. 1 ZGB erfolgreich die Herabsetzung der testamentarischen Verfügung hätte verlangen können. BGE 133 III 309 S. 311 Es darf aber nicht übergangen werden, dass die Vorerbin keine Herabsetzungsklage angehoben hat, wie sie dies während eines Jahres grundsätzlich hätte tun können ( Art. 533 Abs. 1 ZGB ). Sie hat es mit anderen Worten unterlassen, einen Zustand zu schaffen, den sie kraft ihres Herabsetzungsanspruches hätte herbeiführen können. Wohl unterliegt die Einrede der Beklagten gemäss Art. 533 Abs. 3 ZGB keiner Verjährung; dies kann jedoch nicht zur Folge haben, dass sie im Ergebnis behandelt werden, wie wenn die Vorerbin erfolgreich die Herabsetzungsklage angehoben hätte, zumal der Grund für den Herabsetzungsanspruch der Vorerbin - ihr wurde aufgrund der umfassenden Belastung des Nachlasses mit einer Nacherbschaft die Möglichkeit genommen, im Rahmen des Pflichtteils frei über die Nachlasswerte zu verfügen - für die Beklagten als Nacherben nicht gegeben ist. Aus diesen Gründen ist, wie eingangs erwähnt, die Frage der Pflichtteilsverletzung konkret zu betrachten und dabei festzustellen, dass die Pflichtteilsrechte der Beklagten nicht verletzt sind. Die Klägerin hat folglich gemäss testamentarischer Anordnung Anspruch auf die Hälfte des Überrestes von Fr. 243'403.-.
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Sachverhalt ab Seite 42 BGE 147 III 41 S. 42 A. wurde von der B. GmbH mit Zahlungsbefehl vom 19. Juni 2018, Betreibung Nr. x des Betreibungsamtes Küsnacht-Zollikon-Zumikon, für die Forderung von Fr. 1'041.35 nebst Zins zu 5 % seit dem 31. März 2018 betrieben. Die Betriebene erhob bei Zustellung des Zahlungsbefehls (am 21. Juni 2018) Rechtsvorschlag. Am 21. September 2018 stellte die B. GmbH das Gesuch um Rechtsöffnung, auf welches das Bezirksgericht Meilen mit Verfügung vom 27. Dezember 2018 nicht eintrat. Am 24. Januar 2019 gelangte A. an das Betreibungsamt und ersuchte um Nichtbekanntgabe der Betreibung Nr. x an Dritte gemäss Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG . Das Betreibungsamt wies das Gesuch mit Verfügung vom 29. Januar 2019 ab. Als Begründung wurde angeführt, dass die Voraussetzung zur Nichtbekanntgabe fehle, weil ein Rechtsöffnungsverfahren eingeleitet worden sei; der Ausgang des Rechtsöffnungsverfahrens sei nicht massgebend. Gegen diese Verfügung erhob A. betreibungsrechtliche Beschwerde, welche das Bezirksgeicht Meilen, als untere kantonale Aufsichtsbehörde über die Betreibungsämter, mit Urteil vom 6. Mai 2019 abwies. Das Obergericht des Kantons Zürich, als obere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, wies ihre Beschwerde mit Urteil vom 6. August 2019 ebenfalls ab. Mit Eingabe vom 23. August 2019 (Postaufgabe) erhob A. Beschwerde in Zivilsachen. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils. In der Sache verlangt sie (wie im kantonalen Verfahren), es sei das Betreibungsamt anzuweisen, Dritten von der Betreibung Nr. x der B. GmbH (Betreibungsgläubigerin) keine Kenntnis zu geben. Eventualiter sei die Sache zur neuen Behandlung an das Betreibungsamt zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. (Zusammenfassung)
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Anlass zur Beschwerde geben das Einsichtsrecht in das Betreibungsregister und die Schranken der Kenntnisgabe einer Betreibung. Gestützt auf Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG hat der betriebene Schuldner die Möglichkeit, auf Antrag zu verhindern, dass ein Eintrag im Betreibungsregisterauszug sichtbar ist. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Auffassung der Aufsichtsbehörde, BGE 147 III 41 S. 43 wonach der abschlägige Rechtsöffnungsentscheid keinen Einfluss darauf haben soll, ob von der betreffenden Betreibung Kenntnis gegeben wird. Wenn die Rechtsöffnung nicht erteilt oder auf das Gesuch - wie in ihrem Fall - nicht eingetreten werde, könne von einer ungerechtfertigten Betreibung ausgegangen werden, welche eine Bekanntgabe nicht rechtfertige. Dies habe die Vorinstanz übergangen und stelle eine Rechtsverletzung dar. 3.1 Gemäss Art. 8a Abs. 3 SchKG geben die Betreibungsämter Dritten unter bestimmten Voraussetzungen (lit. a-d) von einer Betreibung keine Kenntnis. Das ist u.a. der Fall, wenn der Schuldner nach Ablauf einer Frist von drei Monaten seit der Zustellung des Zahlungsbefehls ein entsprechendes Gesuch gestellt hat, sofern der Gläubiger nach Ablauf einer vom Betreibungsamt angesetzten Frist von 20 Tagen den Nachweis nicht erbringt, dass rechtzeitig ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlages (Art. 79-84) eingeleitet wurde; wird dieser Nachweis nachträglich erbracht oder wird die Betreibung fortgesetzt, wird sie Dritten wieder zur Kenntnis gebracht (lit. d; eingefügt durch Ziff. I des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2016, in Kraft seit 1. Januar 2019; AS 2018 4583). 3.2 Ausser Frage steht, dass die Beschwerdeführerin das Gesuch um Nichtbekanntgabe der Betreibung nach Ablauf einer Frist von drei Monaten seit der Zustellung des Zahlungsbefehls gestellt hat. Streitpunkt ist, ob die betreffende Betreibung im Betreibungsregister ersichtlich sein darf, wenn der Schuldner Rechtsvorschlag erhoben und der Gläubiger ein Rechtsöffnungsverfahren bereits eingeleitet hat, welches ohne Erfolg bleibt, und der Schuldner in der Folge ein Begehren um Nichtbekanntgabe der Betreibung stellt. 3.2.1 Das Bundesgericht hat sich im Urteil 5A_319/2020 vom 7. Mai 2020 E. 2 erstmals näher mit dem Verfahren um Nichtbekanntgabe einer Betreibung gemäss Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG befasst. Dabei hat es festgehalten, dass das Betreibungsamt einzig prüfen kann, ob (objektiv) ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlages eingeleitet wurde, jedoch nicht, ob das Rechtsöffnungsverfahren zu Recht oder zu Unrecht eingeleitet wurde bzw. wie es mutmasslich ausgehen werde. Die Frage, ob über eine Betreibung Auskunft zu geben ist, wenn der Gläubiger im Rechtsöffnungsverfahren unterlegen ist, wurde unter Hinweis auf die Literatur offengelassen. 3.2.2 Die im Urteil zitierten Meinungen gehen auseinander. Zum einen wird die Auffassung vertreten, die Abweisung der BGE 147 III 41 S. 44 Rechtsöffnung ändere nichts daran, dass die Betreibung weiterhin in der Betreibungsauskunft erscheine (RODRIGUEZ/GUBLER, Die Abwehr von Betreibungsregistereinträgen ab dem 1. Januar 2019, ZBJV 2019 S. 25; RÜETSCHI, Das neue Verfahren zur "Löschung" ungerechtfertigter Betreibungen, Plädoyer 2018 6 S. 46/47). Zum anderen wird ein negativer Rechtsöffnungsentscheid als hinreichendes Indiz für eine ungerechtfertigte Betreibung betrachtet, so dass der Schuldner ein Gesuch um Nichtbekanntgabe stellen könne (TEREKHOV, Neuerungen im Betreibungsregisterrecht [...], ZZZ 2019 S. 234), zumindest nach Ablauf von drei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft des Rechtsöffnungsentscheides (BERNAUER, Der neue Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG , AJP 2019 S. 702). 3.3 Zu klären ist, welche Tragweite das von der Betreibungsgläubigerin eingeleitete , erfolglose Rechtsöffnungsverfahren auf das Gesuch um Nichtbekanntgabe nach Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG der Beschwerdeführerin (Betriebene) hat. 3.3.1 Der Wortlaut einer Bestimmung bildet Ausgangspunkt der Gesetzesauslegung. Ist er klar, d.h. eindeutig und unmissverständlich, darf vom Wortlaut nur abgewichen werden, wenn ein triftiger Grund für die Annahme besteht, der Wortlaut ziele am "wahren Sinn", d.h. am Rechtssinn der Regelung vorbei. Anlass für eine solche Annahme können die Entstehungsgeschichte der Bestimmung, ihr Zweck oder der Zusammenhang mit anderen Vorschriften geben, so namentlich, wenn die grammatikalische Auslegung zu einem Ergebnis führt, das der Gesetzgeber nicht gewollt haben kann ( BGE 146 V 28 E. 4.2; BGE 145 III 133 E. 6; BGE 133 III 257 E. 2.4). 3.3.2 Der Wortlaut von Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG knüpft die Nichtbekanntgabe einer Betreibung an den Umstand, dass rechtzeitig ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlages ( Art. 79-84 SchKG ) eingeleitet wurde ( une procédure ... a été engagée, di aver avviato ... la procedura ). Nach dem klaren Gesetzestext reicht der Nachweis, dass ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlages nach Art. 79-84 SchKG (worunter das Rechtsöffnungsverfahren fällt) eingeleitet wurde, um die Betreibung für Dritte sichtbar zu machen. Davon, dass der Gläubiger im betreffenden Verfahren obsiegen muss oder der Ausgang des Verfahrens eine Rolle spielt, ist in keiner Weise die Rede. 3.3.3 Zur Umsetzung der Parlamentarischen Initiative Abate vom 11. Dezember 2011 "Löschung ungerechtfertigter Zahlungsbefehle" BGE 147 III 41 S. 45 wollte die zuständige Kommission mit der Einführung eines Gesuchs um Nichtbekanntgabe einer Betreibung einen raschen, einfachen und kostengünstigen Rechtsbehelf schaffen, der unabhängig vom Entscheid über den materiellen Bestand der Forderung Mitteilungen an Dritte unterbinden kann. Als Anknüpfungspunkt zur Nichtkenntnisgabe der Betreibung wurde deshalb ein formales, quantitatives Element bestimmt: Seit der Einleitung der Betreibung und in den sechs Monaten davor durfte lediglich eine Betreibung eines anderen Gläubigers eingegangen sein (Parlamentarische Initiative 09.530, Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 19. Februar 2015, BBl 2015 3209 Ziff. 4, S. 3217). Der Bundesrat erachtete den Lösungsansatz der Kommission als sinnvoll, aber aufwändig und wies darauf hin, dass auch gerechtfertigte Betreibungen nicht mehr sichtbar seien. Er schlug eine Lösung vor, wonach Betreibungen, gegen welche der Betriebene Rechtsvorschlag erhoben hat, auf dessen Antrag nicht mehr im Auszug erscheinen, wenn der Betreibende eine bestimmte Frist seit der Zustellung des Zahlungsbefehls unbenutzt verstreichen lassen hat (Parlamentarische Initiative 09.530, Stellungnahme des Bundesrates vom 1. Juli 2015, BBl 2015 5785 Ziff. 2.3, S. 5791). 3.3.4 Das Parlament bestätigte, dass das Untätigbleiben des Gläubigers nach Zustellung des Zahlungsbefehls die Nichtbekanntgabe der Betreibung rechtfertigen soll. Der ungerechtfertigt betriebene Schuldner soll verhindern können, dass seine Kreditwürdigkeit geschädigt wird, wenn der Betreiber "keine Anstalten" macht, die Betreibung fortzuführen (Votum Flach für die Kommission, AB 2016 N 2021). Die Frist von drei Monaten nach Zustellung des Zahlungsbefehls beruht dabei auf der Vorstellung und der Erwartung an den Gläubiger, dass dieser sich nach Erhebung eines Rechtsvorschlages rasch zwecks Fortsetzung des Verfahrens an den Richter wendet, weil er von der Begründetheit seiner Forderung ausgeht (Voten Cramer für die Kommission, Caroni, AB 2016 S 760 f.). Ausgangspunkt ist dabei der Umstand, dass eine Betreibung ohne Nachweis des Bestandes einer Forderung eingeleitet werden kann, was zu "grundlosen" oder "ungerechtfertigten" Betreibungen mit Rechtsvorschlag im Register führen kann. Ein blosses Tätigwerden des Gläubigers soll indes ausreichen, um die Nichtbekanntgabe der Betreibung zu begrenzen bzw. deren Bekanntgabe zu rechtfertigen. Die massgebende Ernsthaftigkeit der jeweiligen Betreibung wird lediglich daran gemessen, ob der Gläubiger ein Verfahren zur BGE 147 III 41 S. 46 Beseitigung des Rechtsvorschlages einleitet und/oder die Betreibung fortsetzt (vgl. BRÖNNIMANN, Verstärkter Schutz vor ungerechtfertigten Betreibungen und ihre Auswirkungen, in: Festschrift für Jolanta Kren Kostkiewicz, 2018, S. 413). Insoweit ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz festgehalten hat, dass nach der Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck der Norm diejenigen Betreibungen nicht mitzuteilen sind, in welchen der Gläubiger nach Zustellung des Zahlungsbefehls und Erhebung des Rechtsvorschlages untätig geblieben ist. Das grund- oder aussichtslose Einreichen von Rechtsöffnungsbegehren durch die Gläubiger und ein Gleichsetzen mit den Betreibungsbegehren war indes kein Thema. Wenn nach der Auffassung der Vorinstanz der Gesetzgeber zum Schutz der Aussagekraft des Betreibungsregisterauszugs keine Ausdehnung der Nichtbekanntgabe auf abgeschlossene, erfolglose Rechtsöffnungsverfahren bzw. keine Verknüpfung mit der Neueinleitung eines Rechtsöffnungsverfahrens (mit Obsiegen) beabsichtigt hat, lässt sich nicht von einem Ergebnis sprechen, das der Gesetzgeber nicht gewollt haben kann. 3.4 Die Beschwerdeführerin argumentiert im Zusammenhang mit den anderen "gerichtlichen Entscheidungen" und verlangt, dass erfolglose Rechtsöffnungsurteile als Urteile zu behandeln seien, welche eine Bekanntgabe der Betreibung verhindern. 3.4.1 Gemäss Art. 8a Abs. 3 lit. a SchKG geben die Betreibungsämter von der Betreibung keine Kenntnis, wenn u.a. "die Betreibung aufgrund eines gerichtlichen Entscheides" aufgehoben worden ist. Diese gerichtlichen Entscheide können durch Gesuch um Aufhebung der Betreibung nach Art. 85 SchKG , Klage um Aufhebung der Betreibung nach Art. 85a SchKG , oder mittels allgemeiner negativer Feststellungsklage (nach Art. 88 ZPO ) erwirkt werden ( BGE 141 III 68 E. 2.6.1; KREN KOSTKIEWICZ, BGE 141 III 5 Jahre ZPO aus der Sicht des SchKG, in: PraxiZ Bd. 5, 2016, S. 45). Auch die Abweisung einer Anerkennungsklage ( Art. 79 SchKG ) oder die Gutheissung einer Aberkennungsklage ( Art. 83 Abs. 2 SchKG ) sollen dazu gehören (so Urteil 4A_440/2014 vom 27. November 2014 E. 2; GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. I, 1999, N. 44 zu Art. 8a SchKG ). Die Entscheide über die Verweigerung der Rechtsöffnung fallen hingegen nicht unter die Entscheide im Sinne von lit. a von Art. 8a Abs. 3 SchKG , welche der Kenntnisgabe entgegenstehen, weil diese Entscheide weder den Fortgang der Betreibung hindern noch eine Wirkung auf den BGE 147 III 41 S. 47 Bestand der Forderung haben (DALLÈVES, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 11 zu Art. 8a SchKG ; MUSTER, Les renseignements [article 8a LP], BlSchK 2014 S. 171/172; MÖCKLI, in: SchKG, 2. Aufl. 2014, N. 27 zu Art. 8a SchKG ; in diesem Sinn BGE 125 III 334 E. 3 S. 377; WEINGART, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG), 4. Aufl. 2017, N. 41 zu Art. 8a SchKG ; STOFFEL/CHABLOZ, Voies d'exécution, 3. Aufl. 2016, § 2 Rz. 28; a.M. PETER, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 23 zu Art. 8a SchKG ). Entsprechend werden praxisgemäss Betreibungen, für welche einzig das provisorische oder definitive Rechtsöffnungsbegehren abgewiesen wurde, im Betreibungsregisterauszug aufgeführt (vgl. Weisung der Dienststelle Oberaufsicht für Schuldbetreibung und Konkurs Nr. 4, Betreibungsauszug 2016, Ziff. 8). 3.4.2 Wie die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat, deutet nichts darauf hin, dass mit der Einführung des Rechtsbehelfs gemäss Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG die Reihe der "betreibungsaufhebenden" Gerichtsentscheidungen um die Rechtsöffnungsentscheide erweitert worden wäre (RODRIGUEZ/GUBLER, a.a.O., S. 25). Was die Beschwerdeführerin verlangt, führt indes dazu, für die Bekanntgabe auf den Rechtsöffnungsentscheid abzustellen; auf das Gleiche läuft hinaus, einen erfolglosen Rechtsöffnungsentscheid (Nichteintreten, Abweisung) dann als massgeblich zu erachten, wenn das Verfahren nicht durch ein weiteres Rechtsöffnungsverfahren erneuert wird, worauf die Vorinstanz hingewiesen hat. Alternative Vorschläge (vgl. Bundesamt für Justiz, Bericht über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens, Januar 2014, S. 5 Ziff. 42), welche die Bekanntgabe auf den Rechtsöffnungsentscheid bzw. das Bestehen eines Vollstreckungstitels abstellen wollten, wurden nicht weiter verfolgt. Die massgebende - und genügende - Ernsthaftigkeit der jeweiligen Betreibung wird wie erwähnt (oben E. 3.3.4) lediglich daran gemessen, ob der Gläubiger ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlages einleitet. Eine trotz des abschlägigen Rechtsöffnungsbegehrens sichtbare Betreibung muss deren Ernsthaftigkeit nicht in Frage stellen. 3.4.3 Im Übrigen hat sich der Gesetzgeber mit den betreibungsaufhebenden Gerichtsentscheiden (lit. a) befasst, indem er die Anhebung der Klage nach Art. 85a SchKG erheblich erleichtert hat, weil das Verfahren nunmehr gerade ungeachtet eines allfälligen Rechtsvorschlages möglich ist. Diese Klage soll nicht mehr nur die BGE 147 III 41 S. 48 ungerechtfertigte Vollstreckung verhindern, sondern als Mittel der Registerbereinigung dienen ( Art. 85a Abs. 1 SchKG , geändert durch Ziff. I des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2016, in Kraft seit 1. Januar 2019; AS 2018 4583; Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates, a.a.O., Ziff. 2.1, S. 3213, Ziff. 4, S. 3220). Wenn die Vorinstanz im Rechtsöffnungsverfahren, das der Gläubiger bereits eingeleitet hat und das ohne Erfolg bleibt, mit Blick auf den Wortlaut von Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG ein Hindernis gesehen hat, um der Beschwerdeführerin die Nichtbekanntgabe der Betreibung zu gewähren, führt dies nicht zu einem sinnwidrigen oder stossenden Ergebnis, welches der Gesetzgeber nicht gewollt haben kann (oben E. 3.3.1). 3.5 Nach dem Dargelegten stellt keine Rechtsverletzung dar, wenn die Vorinstanz wegen des von der Betreibungsgläubigerin am 21. September 2018 eingeleiteten (durch Nichteintretensentscheid vom 27. Dezember 2018 erledigten) Rechtsöffnungsverfahrens die Abweisung des Gesuchs der Beschwerdeführerin vom 24. Januar 2019 um Nichtbekanntgabe der Betreibung nach Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG bestätigt hat. Nicht zu erörtern ist die Frage, ob der Betriebene nach Ablauf der Jahresfrist von Art. 88 Abs. 2 SchKG , welche die Gültigkeit des Zahlungsbefehls begrenzt und nach deren Ablauf der Gläubiger nicht mehr tätig werden kann (sondern ohnehin eine neue Betreibung anheben müsste), ein Gesuch um Nichtbekanntgabe der Betreibung stellen kann, damit diese nicht weiter - bis zu fünf Jahren ( Art. 8a Abs. 4 SchKG ) - im Register erscheine (befürwortend RODRIGUEZ/GUBLER, a.a.O., S. 24 f.; BERNAUER, a.a.O., S. 699; ablehnend BRÖNNIMANN, a.a.O., S. 415). 4. Was die Beschwerdeführerin im Weiteren (eventualiter) vorbringt, vermag am Ergebnis nichts zu ändern. Sie macht geltend, dass gemäss Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG zwingend der Gläubiger den Nachweis erbringen müsse, dass ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlag eingeleitet wurde; dieser Nachweis sei vorliegend nicht erbracht worden, weil das Betreibungsamt der Betreibungsgläubigerin gar keine entsprechende Frist angesetzt habe. Die Beschwerdeführerin verkennt den Sinn der Mitwirkung des Gläubigers. Weil der Gesetzgeber zur Nichtbekanntgabe der Betreibung auf die Einleitung eines Verfahrens zur Beseitigung des Rechtsvorschlages abstellt, bestand die Schwierigkeit, dass das Betreibungsamt keine entsprechende Kenntnis vom Gericht erhält, welches der BGE 147 III 41 S. 49 Gläubiger mit einem Verfahren nach Art. 79-84 SchKG angerufen hat. Diese Schwierigkeit wird dadurch behoben, dass das Betreibungsamt den Gläubiger zur Stellungnahme auffordert (RÜETSCHI, a.a.O., S. 44). Zutreffend hat die Vorinstanz festgehalten, dass das Betreibungsamt nur aus diesem Grund auf die Mitteilung des Gläubigers angewiesen ist. Beruft sich indes - wie hier - die Beschwerdeführerin selber darauf, dass die Betreibungsgläubigerin rechtzeitig ein entsprechendes Verfahren eingeleitet hat, erübrigt sich die betreffende Stellungnahme. Wenn die Vorinstanz zum Ergebnis gelangt ist, das Gesuch um Nichtbekanntgabe der Betreibung sei ohne weiteres abzuweisen, ist dies rechtskonform. Schliesslich legt die Beschwerdeführerin nicht dar, inwiefern die Weisung Nr. 5 (vom 18. Oktober 2018) des Bundesamtes für Justiz, Dienst Oberaufsicht SchKG, gesetzwidrig sein soll.
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Sachverhalt ab Seite 298 BGE 138 I 297 S. 298 La société X., dont le siège est à A. dans le canton de Neuchâtel, est membre de la Fédération X. (ci-après: la Fédération), dont le siège est à Zurich. Cette dernière est propriétaire de deux immeubles à B. et à C. dans le canton de Neuchâtel qu'elle loue principalement à la société X. sans y exercer elle-même une activité. Dans sa déclaration d'impôt à l'intention du canton de Neuchâtel pour la période fiscale 2004, la Fédération a déclaré un bénéfice global de 56'094'915 fr. et un capital de 1'591'209'221 fr. réparti entre les cantons de Zurich et de Neuchâtel. Il ressort des comptes qu'elle a obtenu un rendement de participations de 75'327'127 fr. Dans la décision de taxation du 4 mars 2008, le Service cantonal des contributions du canton de Neuchâtel a imposé le capital tel que déclaré et un rendement immobilier. Par décision sur réclamation du 10 juillet 2008, il a ramené le bénéfice imposable immobilier dans le canton de Neuchâtel à 2'470'100 fr. et fixé l'impôt cantonal à 247'000 fr. et l'impôt communal également à 247'000 fr. Par arrêt du 3 mai 2011, le Tribunal cantonal du canton de Neuchâtel a rejeté le recours déposé par la Fédération contre l'arrêt rendu le 9 septembre 2009 par le Tribunal fiscal de La Chaux-de-Fonds qui confirmait la décision sur réclamation du 10 juillet 2008. Il a jugé en substance que les deux immeubles de la Fédération constituaient des immeubles de placement, qu'aucune réduction pour participations ne pouvait être accordée en relation avec le revenu immobilier dans le canton de Neuchâtel et qu'il n'existait aucune perte de répartition à mettre à charge du canton de Neuchâtel. Agissant par la voie du recours en matière de droit public, la Fédération demande au Tribunal fédéral, sous suite de frais et dépens, d'annuler l'arrêt rendu le 3 mai 2011 par le Tribunal cantonal du canton de Neuchâtel et de renvoyer la cause pour nouvelle décision au sens des considérants. Elle se plaint de la violation de l'interdiction de la double imposition intercantonale et du principe de l'imposition selon la capacité contributive. Le Tribunal fédéral a admis le recours. (résumé)
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. 2.1 En vertu de l'art. 28 al. 1 de la loi fédérale du 14 décembre 1990 sur l'harmonisation des impôts directs des cantons et des communes BGE 138 I 297 S. 299 (LHID; RS 642.14), lorsqu'une société de capitaux ou une société coopérative possède 10 % au moins du capital-actions ou du capital social d'une autre société ou participe pour 10 % au moins au bénéfice et aux réserves d'une autre société ou possède une participation représentant une valeur vénale d'au moins un million de francs, l'impôt sur le bénéfice est réduit proportionnellement au rapport entre le rendement net des participations et le bénéfice net total. Le rendement net des participations correspond au revenu de ces participations diminué des frais de financement y relatifs et d'une contribution de 5 % destinée à la couverture des frais d'administration, sous réserve de la preuve de frais d'administration effectifs inférieurs ou supérieurs à ce taux. Sont réputés frais de financement les intérêts passifs ainsi que d'autres frais économiquement assimilables à des intérêts passifs. 2.2 Le canton de Neuchâtel a adopté un régime de réduction pour participations en faveur des sociétés de capitaux et des sociétés coopératives qui résultent des art. 95 et 96 de sa loi du 21 mars 2000 sur les contributions directes (LCdir; RSN 631.0). Le canton de Zurich en a fait de même, comme cela ressort du § 72 de sa loi du 8 juin 1997 sur les impôts (LS 631.1). Le contenu de ces dispositions correspond à celui de l' art. 28 al. 1 LHID ainsi qu'à celui des art. 69 ss de la loi fédérale du 14 décembre 1995 sur l'impôt fédéral direct (LIFD; RS 642.11), ce qui rend le régime de réduction pour participations applicable dans tous les cantons ainsi qu'en matière d'impôt fédéral direct (X. OBERSON, Droit fiscal suisse, 3 e éd. 2007, p. 230; A. WIDMER, La réduction pour participations ["privilège holding"], 2002, p. 24; M. GRETER, Der Beteiligungsabzug im harmonisierten Gewinnsteuerrecht, 2000, p. 63). 2.3 Cet allégement a pour but d'éviter la multiple imposition économique qu'entraînerait, à son défaut, l'interposition d'une ou de plusieurs sociétés, du fait que le rendement qui découle d'une participation est déjà imposé au titre de bénéfice auprès de la société-fille et le sera également, lors de sa distribution, chez les actionnaires de la société-mère. Il consiste en une réduction de l'impôt sur le bénéfice net, qui doit être préalablement calculé sur l'ensemble des revenus de la société comme s'il s'agissait d'une imposition ordinaire. Selon la méthode choisie par le législateur fédéral, la réduction proportionnelle du montant de l'impôt s'effectue une fois établi l'impôt sur le bénéfice net (arrêt A.692/1987 du 28 avril 1989 consid. 2a, in Archives 58 p. 220 rendu sous l'empire de l'AIFD; OBERSON, op. cit., BGE 138 I 297 S. 300 p. 230; W. MAUTE, Der Beteiligungsabzug im interkantonalen Verhältnis, RF 46/1991 p. 489; WIDMER, op. cit., p. 20). Ce mécanisme d'allègement constitue un système d'exemption indirecte (sur la question voir: WIDMER, op. cit., p. 19 s.), parce que la réduction est opérée directement sur la cote d'impôt calculée sur le bénéfice net tel qu'il résulte de l' art. 24 LHID au taux légal ordinaire sans qu'il y ait lieu au demeurant de distinguer dans ce montant la part de l'impôt qui grève les revenus de participations de celle qui grève les revenus immobiliers. Lorsque la réduction atteint ou dépasse 100 % - ce qui peut se produire lorsque le revenu provenant des autres activités de l'entreprise est nul ou négatif - l'impôt sur le bénéfice est ramené à zéro. La part de réduction excédentaire est perdue; elle ne peut donner lieu à report (cf. GRETER, op. cit., p. 131) en l'absence de base légale à cet effet, comme il en existe une pour le report de pertes (cf. art. 25 al. 2 LHID ). 2.4 Pour la période fiscale 2004, la recourante a bénéficié, dans le canton de Zurich, d'une réduction pour participations de 134,285 % (rendement de participations de 75'327'127 fr./bénéfice global de 56'094'915 fr.) ramenant l'impôt sur le bénéfice net attribué au canton du siège, soit Zurich, à zéro. Cet aspect de l'imposition de la recourante n'est pas remis en cause par les parties. 2.5 Pour la même période fiscale 2004, considérant les immeubles situés sur son territoire comme immeubles de placement, ce qui n'est plus contesté par la recourante devant le Tribunal fédéral, le canton de Neuchâtel a imposé un rendement immobilier de 2'470'000 fr., ce qui conduit à un impôt cantonal sur le bénéfice de 247'000 fr. et à un impôt communal de 247'000 fr., soit au total à 494'000 fr. 3. Invoquant l' art. 127 al. 2 et 3 Cst. , la recourante se plaint d'imposition discriminatoire de la part du canton de Neuchâtel ainsi que de la violation du principe de l'imposition selon la capacité économique. 3.1 Le principe de l'interdiction de la double imposition de l' art. 127 al. 3, 1 re phrase Cst. s'oppose à ce qu'un contribuable soit concrètement soumis, par deux ou plusieurs cantons, sur le même objet, pendant la même période, à des impôts analogues (double imposition effective) ou à ce qu'un canton excède les limites de sa souveraineté fiscale et, violant des règles de conflit jurisprudentielles, prétende prélever un impôt dont la perception est de la seule compétence d'un autre canton (double imposition virtuelle). BGE 138 I 297 S. 301 En outre, le Tribunal fédéral a déduit de l' art. 127 al. 3, 1 re phrase Cst. ( art. 46 al. 2 aCst. ), le principe de l'interdiction du traitement fiscal discriminatoire. Selon ce principe, un canton ne peut pas imposer plus lourdement un contribuable du fait qu'il est assujetti aux impôts dans un autre canton ( ATF 137 I 145 consid. 2.2 p. 147). En d'autres termes, il est interdit à un canton d'imposer sans raison objective un contribuable qui a des domiciles fiscaux hors canton différemment ou plus lourdement qu'un contribuable qui a son domicile fiscal exclusivement dans ce canton (P. LOCHER, Einführung in das interkantonale Steuerrecht, 3 e éd., 2009, p. 16 s.; D. DE VRIES REILINGH, Le droit fiscal intercantonal et le droit fiscal international de la Suisse, 2011, p. 35 n° 85 et p. 36 n° 87). Il y a en particulier imposition discriminatoire, lorsqu'un contribuable qui est assujetti à l'impôt dans plusieurs cantons est imposé sur un revenu ou un bénéfice net supérieur à son revenu ou son bénéfice net global ( ATF 107 Ia 41 consid. 1a p. 42; ATF 104 Ia 256 consid. 4 p. 260; ATF 100 Ia 244 consid. 4a p. 251 et les références citées), ce qui serait en outre contraire au principe de l'imposition selon la capacité ancré à l' art. 127 al. 2 Cst. , selon lequel les contribuables doivent supporter une charge fiscale qui correspond à leur capacité économique ( ATF 137 I 145 ). 3.2 En l'espèce, si le siège de la recourante se situait dans le canton de Neuchâtel, où se trouvent également les immeubles de placement de la recourante, le bénéfice net imposable s'élèverait à 58'564'915 fr. (bénéfice net "attribué au canton de Zurich" + revenus immobiliers "attribués au canton de Neuchâtel") et la réduction pour participations à plus de 126 % (rendement de participations de 75'327'127 fr./bénéfice net imposable de 58'564'915 fr.), ce qui aurait pour effet, dans ce cas de figure, de ramener l'impôt cantonal du canton de Neuchâtel sur le bénéfice net à zéro. Il s'ensuit que le prélèvement par le canton de Neuchâtel d'un impôt sur le rendement immobilier conduit à ce que la recourante est imposée plus lourdement du simple fait qu'elle est assujettie à l'impôt dans le canton de Zurich et dans le canton de Neuchâtel. Elle paie 494'000 fr. d'impôts en plus que si elle n'était assujettie à l'impôt cantonal sur le bénéfice net que dans le seul canton de Neuchâtel. La recourante est par conséquent soumise à une imposition discriminatoire, contraire à l' art. 127 al. 3 Cst. Il n'est dans ces conditions pas nécessaire d'examiner la cause sous l'angle de l'imposition selon la capacité contributive. 3.3 L'instance précédente, les administrations fiscales des cantons de Neuchâtel et de Zurich ainsi que l'Administration fédérale des BGE 138 I 297 S. 302 contributions considèrent toutefois que l'imposition décidée par le canton de Neuchâtel ne viole pas l'interdiction de la double imposition intercantonale, ce qu'il convient d'examiner ci-dessous. 4. Dans une première objection, les administrations fiscales soutiennent en substance que les immeubles de placement constituent un domicile fiscal spécial qui confère un droit exclusif d'imposition en faveur du canton de situation et que la recourante ne souffre en l'espèce d'aucune perte de répartition. 4.1 En matière de double imposition intercantonale, le bénéfice imposable des entreprises intercantonales est réparti par quote-part entre les établissements stables, y compris le siège, en fonction de l'importance qu'ils jouent dans son acquisition, selon la méthode directe ou indirecte (parmi d'autres auteurs, HÖHN/MÄUSLI, Interkantonales Steuerrecht, 4 e éd., 2000, p. 404 ss; D. DE VRIES REILINGH, La double imposition intercantonale, 2005, p. 180 ss, 189 ss et les références citées). En revanche, lorsqu'une entreprise intercantonale possède un immeuble de placement dans un canton où elle n'a ni siège ni établissement stable, le canton de situation de l'immeuble se voit attribuer le droit exclusif d'imposer les revenus provenant de cet immeuble au titre de for fiscal spécial. Cette règle de répartition objective vaut tant pour le revenu ordinaire que pour le gain d'aliénation de l'immeuble ainsi qu'en matière d'impôt sur le capital ( ATF 132 I 220 consid. 3.1 p. 223 s. et les références citées). Ces deux règles constituent des règles de conflit dites qualitatives en ce qu'elles déterminent quels éléments de revenus ou de fortune chaque canton peut imposer. A cet égard, la règle du droit exclusif d'imposition du canton de situation d'un immeuble de placement a été confirmée en maintes reprises par le Tribunal fédéral encore récemment ( ATF 137 I 145 consid. 4.2 p. 150 s.). Cette règle ne doit pas être confondue avec les règles de conflit quantitatives qui définissent sur le plan intercantonal la mesure dans laquelle chaque canton peut imposer un élément de revenu ou de fortune (cf. à ce sujet, JEAN-BLAISE PASCHOUD, L'imposition des immeubles de placement en droit intercantonal, RF 39/1984 p. 532 ss et 583 ss, 536). C'est en relation avec ce dernier aspect quantitatif que la jurisprudence du Tribunal fédéral a évolué. 4.2 Dans sa jurisprudence récente en relation avec l'imposition des immeubles dans les rapports intercantonaux, le Tribunal fédéral a en effet clairement réévalué l'importance de l'interdiction de BGE 138 I 297 S. 303 l'imposition discriminatoire et du principe de l'imposition selon la capacité contributive ( ATF 137 I 145 consid. 4.2 p. 150 s. et la doctrine citée): tout en affirmant le principe de l'imposition exclusive par le canton de situation de l'immeuble de placement, il a rappelé le principe fondamental selon lequel les cantons ne sauraient imposer les contribuables sur un revenu plus important que sur celui réalisé, ce qui contraignait le canton du lieu de situation de l'immeuble à prendre en compte la situation des contribuables (entreprise ou personne privée) et leur capacité contributive. Afin d'éviter "les pertes de répartition", ce canton doit déduire du gain immobilier les pertes d'exploitation que l'entreprise a subies dans le canton de siège ou dans d'autres cantons où se trouvent des immeubles d'exploitation ( ATF 131 I 249 consid. 6.3 p. 261 s.). Cette obligation de déduction a été étendue aussi bien aux immeubles privés ( ATF 131 I 285 consid. 4.1 p. 290) qu'aux immeubles de placement d'une entreprise ( ATF 132 I 220 consid. 5 p. 227). 4.3 Il est vrai en l'espèce que la recourante ne subit pas de pertes de répartition. Il n'y a toutefois aucune raison de limiter l'interdiction de l'imposition discriminatoire en matière de double imposition intercantonale déduite de l' art. 127 al. 3 Cst. à la seule hypothèse des pertes de répartition. La définition de l'interdiction de l'imposition discriminatoire qui résulte de la jurisprudence est plus large (cf. consid. 3.1 ci-dessus) que celle exemplative résultant de son application aux pertes de répartition sanctionnant l'imposition d'un revenu ou d'un bénéfice net supérieur au revenu ou au bénéfice net global du contribuable ayant des domiciles fiscaux dans plusieurs cantons (cf. consid. 3.2 ci-dessus). Il a par ailleurs été démontré que la recourante subit bien une imposition discriminatoire (cf. consid. 3.2 ci-dessus) qui peut être éliminée en contraignant le canton de situation de l'immeuble, le canton de Neuchâtel, à placer la recourante dans la position qui serait la sienne si elle était soumise à la souveraineté fiscale de ce seul canton et absorber le surplus de réduction pour participations inutilisé. Cette solution est aussi celle admise par la doctrine qui a examiné la question (PETER MÄUSLI, Stärkere Gewichtung des Schlechterstellungsverbotes in der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts, in Entwicklungen im Steuerrecht, Michael Beusch/ISIS [éd.], 2009, p. 438 ss; TEUSCHER/LOBSIGER, Steuerausscheidung bei Unternehmen, in Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht, vol. III/1: Interkantonales Steuerrecht, Zweifel/Beusch/Mäusli [éd.], 2011, p. 318 n° 18). BGE 138 I 297 S. 304 L'attribution du droit exclusif d'imposition du canton de situation de l'immeuble de placement tel qu'exigée de longue date par la jurisprudence en raison du rattachement particulièrement fort de l'immeuble au sol n'est pas remise en cause, seule la mesure dans laquelle ce canton peut imposer le revenu immobilier est corrigée. Dans le cas présent, force est d'admettre que le rapport entre rendement de participations et bénéfice net total conduit à réduire cette mesure à zéro. Tel ne sera pas toujours le cas. L'objection des administrations fiscales doit donc être rejetée. 5. Les administrations fiscales soutiennent aussi que cette solution viole l' art. 28 al. 1 LHID . Selon elles, les revenus provenant des immeubles sis sur le territoire du canton de Neuchâtel ne sont pas des rendements de participations soumis à imposition multiple, de sorte que, dans le canton de Neuchâtel, leur imposition échappe à une éventuelle réduction pour participations, conformément à la lettre de l' art. 28 LHID dont le respect, selon ces derniers, doit l'emporter, au titre de l' art. 190 Cst. , sur les droits fondamentaux tirés de l' art. 127 al. 2 et 3 Cst. 5.1 En matière intercantonale, les sociétés de capitaux et les coopératives peuvent en principe se prévaloir de l' art. 28 al. 1 LHID dans tous les cantons auxquels une quote-part du bénéfice global a été attribuée en raison de l'existence d'un domicile fiscal (accessoire) secondaire (siège ou établissement stable). Selon la doctrine, elles ne peuvent en revanche se prévaloir de l' art. 28 al. 1 LHID dans un canton où elles ne disposent que d'un for fiscal (accessoire) spécial parce que les rendements immobiliers exclusivement imposables dans le canton de situation de l'immeuble ne constituent par définition pas un rendement de participations (parmi d'autres auteurs, HÖHN/MÄUSLI, op. cit., p. 404 ss; DE VRIES REILINGH, La double imposition intercantonale, op. cit., p. 180 ss, 189 ss et les références citées). Cette conclusion est en principe correcte. En effet, en pareille hypothèse, il n'est pas possible de calculer dans le canton du for spécial d'imposition le rapport entre le rendement de participations, qui fait défaut par définition (de ce que l'on entend par revenus de l'immeuble de placement, qui ne constitue pas un rendement de participations), et la part du bénéfice net attribué à ce for. Par conséquent, il est exclu d'invoquer l'application directe de la réduction pour participations des art. 28 al. 1 LHID ainsi que 95 et 96 LCdir. C'est uniquement dans ce sens que l'objection des autorités intimées, qui mettent en exergue l'absence de rendement de participations dans le canton de Neuchâtel, est justifiée. BGE 138 I 297 S. 305 En l'espèce toutefois, l'imposition ramenée à zéro de la recourante dans le canton de Neuchâtel se fonde uniquement sur le mécanisme constitutionnel de l' art. 127 al. 3 Cst. prohibant l'imposition discriminatoire (cf. 3 ci-dessus), en aucune manière en revanche sur les art. 95 et 96 LCdir (respectivement 28 LHID), dont les conditions d'application ne sont pas réunies dans le canton de Neuchâtel. Il n'est par conséquent pas nécessaire d'examiner les développements des autorités intimées à propos de l' art. 190 Cst.
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Sachverhalt ab Seite 24 BGE 93 III 23 S. 24 A.- Im Konkurs über die Kredit- und Verwaltungsbank Zug erliess die Schweiz. Treuhandgesellschaft als Konkursverwalterin am 25. November 1966 die folgende - im Schweiz. Handelsamtsblatt vom 26. November 1966 veröffentlichte - Verfügung: "Die ausserordentliche Konkursverwaltung hat mit einer Firmengruppe in Deutschland, welche zu den noch verbleibenden Hauptschuldnern der Konkursmasse gehören, im Jahre 1960 eine langfristige Abzahlungsvereinbarung getroffen. Die Zahlungsraten gingen in den ersten Jahren regelmässig ein, blieben jedoch in letzter Zeit BGE 93 III 23 S. 25 infolge der angespannten finanziellen Lage der Schuldnerfirmen aus. Gemäss Vereinbarung wäre die Konkursverwaltung der Kredit- und Verwaltungsbank Zug berechtigt, die gesamte Restforderung geltend zu machen, was zum Konkurs der Schuldnerfirmen in Deutschland führen würde. Von dritter Seite erhielt die Schweiz. Treuhandgesellschaft als ausserordentliche Konkursverwaltung ein Angebot, wonach die Forderung gegen Bezahlung eines Betrages von DM 85 000.-- erworben werden soll. Sie hat dieses Angebot angenommen in der Überzeugung, dass damit den Gläubigern der Kredit- und Verwaltungsbank Zug gedient wäre. Die Annahme dieses Angebotes gilt jedoch unter dem Vorbehalt, dass bis Montag, den 5. Dezember 1966, kein Gläubiger gegen Hinterlegung der Summe von DM 85 000.-- bzw. des Gegenwertes in Schweizerfranken gemäss Art. 260 SchKG die Abtretung der Gläubigerrechte verlangt. Die Unterlagen können bis zu diesem Termin bei der Schweiz. Treuhandgesellschaft, Talstrasse 80, Zürich, eingesehen werden." Die in dieser Verfügung erwähnte Forderung beläuft sich auf rund DM 450 000.--. Sie richtet sich gegen die Firmen Karl Heinz Urgatz und Kicker-Tischfussballspiele GmbH in Nieder bardenberg bei Aachen als Solidarschuldner. B.- Gegen die Verfügung vom 25. November 1966 führte der Konkursgläubiger Max Kaufmann am 5. Dezember 1966 Beschwerde mit dem Antrag, sie aufzuheben. Das Kantonsgericht des Kantons Zug, das die Beschwerde als einzige kantonale Instanz im Sinne von Art. 36 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 8. November 1934 über die Banken und Sparkassen (BankG) zu beurteilen hatte, hat mit Entscheid vom 22. Februar 1967 die angefochtene Verfügung aufgehoben und die Konkursverwaltung angewiesen, "die Restforderung der Konkursmasse gegen Kicker/Urgatz einzuziehen, nötigenfalls auf dem Betreibungswege". Das Kantonsgericht ist der Auffassung, der freihändige Verkauf der in Frage stehenden - unbestrittenen - Forderung verstosse gegen Art. 243 Abs. 1 SchKG . C.- Die Konkursverwalterin hat den Entscheid des Kantonsgerichtes an das Bundesgericht weitergezogen mit dem Antrag, er sei aufzuheben und ihre Verfügung vom 25. November 1966 sei "als rechtens zu bestätigen".
1,151
473
Erwägungen Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: 1. Im Konkurs über eine Bank übt nach Art. 36 Abs. 2 BGE 93 III 23 S. 26 BankG die Konkursverwaltung "sämtliche Rechte auch der Gläubigerversammlung aus". Sie ist also insbesondere berechtigt, im Sinne von Art. 253 Abs. 2 SchKG "alles Weitere für die Durchführung des Konkurses" anzuordnen und im Sinne von Art. 256 Abs. 1 SchKG den freihändigen Verkauf von Vermögensgegenständen der Masse zu beschliessen. Im übrigen sind im Konkurs über eine Bank die allgemeinen Regeln des Konkursverfahrens anwendbar. Das gilt auch für die Verwertung der Aktiven, da das Bundesgericht von der ihm durch Art. 36 Abs. 3 BankG eingeräumten Befugnis, hierüber (sowie über den Schuldenruf und die Kollokation der Gläubiger) vom SchKG abweichende Vorschriften aufzustellen, bisher nicht Gebrauch gemacht hat. Die Gläubiger können die ihnen nach dem allgemeinen Konkursrecht zustehenden Rechte auch im Bankenkonkurs voll ausüben ( BGE 86 III 119 Erw. 3). 2. Gemäss Art. 243 Abs. 1 SchKG werden unbestrittene fällige Guthaben der Masse von der Konkursverwaltung eingezogen, nötigenfalls auf dem Betreibungswege. Darnach hat die Konkursverwaltung fällige Guthaben, die der Drittschuldner auf eine Zahlungsaufforderung hin weder bezahlt noch ausdrücklich bestreitet, in Betreibung zu setzen und, wenn kein Rechtsvorschlag erfolgt, die Betreibung weiterzuführen (JAEGER N. 1 zu Art. 243 SchKG ; BLUMENSTEIN, Handbuch, S. 762; zur Frage, ob der Konkursverwaltung auch die Stellung von Rechtsöffnungsbegehren obliegt, vgl. ausser den eben genannten Autoren BGE 86 III 128 /129 mit Hinweis auf A. ZIEGLER, BlSchK 4 S. 71, sowie FRITZSCHE, Schuldbetreibung, Konkurs und Sanierung, II S. 136). Solche Guthaben durch Versteigerung oder Freihandverkauf zu verwerten, ist grundsätzlich nicht zulässig ( BGE 50 III 68 Erw. 3). Der Verwertung unterliegt erst ein allfälliger Verlustschein ( BGE 26 II 485 = Sep. ausg. 3 S. 143; vgl. BGE 50 III 69 Erw. 5). Diese Regelung beruht auf der Erwägung, dass die Einziehung von Guthaben der Masse durch die Konkursverwaltung, falls ohne grosse Kosten und Umtriebe möglich, den Interessen der Gesamtheit der Konkursgläubiger in der Regel am besten dient und dass das SchKG für die Eintreibung von unbestrittenen fälligen Guthaben ein Verfahren zur Verfügung stellt, das sich normalerweise mit verhältnismässig wenig Kosten und Umtrieben durchführen lässt. Dementsprechend können die erwähnten Grundsätze nicht uneingeschränkt gelten, wenn die Eintreibung, BGE 93 III 23 S. 27 obwohl das Guthaben unbestritten und fällig ist, ausnahmsweise besondern Schwierigkeiten begegnet, insbesondere wenn sie nicht in der Schweiz nach Massgabe des SchKG erfolgen kann, sondern wenn es dazu eines Zwangsvollstreckungsverfahrens im Ausland bedarf. In solchen Fällen muss es zulässig sein, ein dem Bestand nach anerkanntes und fälliges Guthaben wie ein bestrittenes Guthaben zu behandeln. In BGE 50 III 68 /69 Erw. 4 werden denn auch die sogenannten dubiosen Forderungen, wozu neben den ihrem Bestande nach zweifelhaften auch die schwierig einzubringenden Forderungen gehören, zu den bestrittenen Forderungen gerechnet. Auf der gleichen Auffassung beruht ferner Art. 37 der bundesgerichtlichen Verordnung vom 11. April 1935 betreffend das Nachlassverfahren von Banken und Sparkassen (VNB), wo die schwer einbringlichen Ansprüche hinsichtlich des Verzichts auf die Geltendmachung für Rechnung der Masse den bestrittenen Ansprüchen gleichgestellt werden. Im vorliegenden Falle können die Drittschuldner nicht in der Schweiz betrieben werden. Vielmehr müsste ein Zwangsvollstreckungsverfahren in Deutschland nach den dort geltenden Vorschriften durchgeführt werden. Damit wären ohne Zweifel bedeutende Kosten und Umtriebe verbunden, und der Erfolg eines solchen Vorgehens wäre überdies nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz "höchst ungewiss", da die Schuldnerfirmen überschuldet sind. Die Konkursverwaltung hat deshalb Art. 243 Abs. 1 SchKG nicht verletzt, indem sie davon absah, die fragliche Forderung auf dem Wege der Zwangsvollstreckung einzuziehen. 3. Streitige Ansprüche der Masse dürfen nach Art. 79 Abs. 2 KV, der gemäss Art. 96 lit. b KV auch für das summarische Verfahren gilt (vgl. z.B. BGE 58 III 112 , BGE 64 III 37 , BGE 79 III 12 Erw. 3), erst versteigert werden, nachdem die Mehrheit der Gläubiger auf ihre Geltendmachung verzichtet hat und die für die Stellung von Abtretungsbegehren nach Art. 260 SchKG angesetzte Frist unbenützt verstrichen ist. BGE 58 III 112 und, BGE 78 III 169 stellen in dieser Hinsicht den Freihandverkauf der Versteigerung gleich. Vorkehren, die gegen Art. 79 KV verstossen, sind nichtig ( BGE 58 III 112 , BGE 79 III 12 Erw. 3). Die normalerweise der Mehrheit der Gläubiger zustehende Befugnis, auf die Geltendmachung eines Anspruchs für Rechnung der Masse zu verzichten, wird im Konkurs einer Bank BGE 93 III 23 S. 28 gemäss Art. 36 Abs. 2 BankG von der Konkursverwaltung ausgeübt. Im übrigen gelten im Bankenkonkurs für die Behandlung streitiger Ansprüche die allgemeinen Regeln (vgl. Erw. 1 hievor). Darnach hätte die Konkursverwaltung im vorliegenden Falle nach dem Verzicht auf die Geltendmachung des Guthabens für Rechnung der Masse zunächst den Konkursgläubigern durch Ansetzung einer Frist freie Gelegenheit zur Stellung von Abtretungsbegehren im Sinne von Art. 260 SchKG bieten sollen und erst nach unbenütztem Ablauf dieser Frist zur Verwertung des Guthabens auf dem Wege der Versteigerung oder des Freihandverkaufes schreiten dürfen. Zwischen der Versteigerung und dem Freihandverkauf bestehen jedoch Unterschiede, die bei der Anwendung von Art. 79 Abs. 2 KV berücksichtigt zu werden verdienen. Das Ergebnis einer Versteigerung ist stets ungewiss. Die Versteigerung streitiger Rechtsansprüche zeitigt erfahrungsgemäss in den allermeisten Fällen nur einen geringen Erlös. Sie darf daher in keinem Falle angeordnet werden, ohne dass die Konkursgläubiger vorher Gelegenheit erhalten haben, die Abtretung nach Art. 260 SchKG zu verlangen. Bei Freihandverkäufen können die Verhältnisse ähnlich liegen (vgl. den Fall BGE 58 III 108 ff., wo nur sehr bescheidene Angebote vorlagen). Es ist aber auch möglich, dass die Konkursverwaltung Kaufsangebote erhält, die anzunehmen sich im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger jedenfalls dann aufdrängt, wenn kein Gläubiger seinerseits ein noch besseres Angebot macht. Gegenüber dem Interesse der Gläubigergesamtheit an der Wahrnehmung einer solchen Verwertungsgelegenheit muss das Interesse der einzelnen Gläubiger an einer Abtretung im Sinne von Art. 260 SchKG zurücktreten, m.a.W. den Gläubigern ist in einem solchen Falle nicht oder jedenfalls nicht bedingungslos zu erlauben, Abtretungsbegehren zu stellen. Durfte die Konkursverwaltung annehmen, die Annahme des ihr zugegangenen Angebotes liege im Interesse der Masse, so war sie folglich nicht gehalten, den Konkursgläubigern freie Gelegenheit zur Stellung von Abtretungsbegehren zu bieten. 4. Um der Masse das finanzielle Ergebnis, das von der Annahme des eingegangenen Kaufsangebotes zu erwarten war, auf alle Fälle zu sichern, der Vorschrift von Art. 79 Abs. 2 KV aber doch in einem gewissen Masse Rechnung zu tragen, hat die Konkursverwaltung das Angebot unter der Bedingung angenommen, BGE 93 III 23 S. 29 dass innert einer von ihr angesetzten Frist kein Gläubiger gegen Hinterlegung der ihr angebotenen Kaufpreissumme die Abtretung nach Art. 260 SchKG verlangen sollte. Sie lehnte sich dabei an die Rechtsprechung an, wonach die Abtretung eines streitigen Anspruchs von der Einzahlung des Betrages abhängig gemacht werden darf, welcher der Masse nach dem bisherigen Ergebnis eines von ihr geführten Prozesses bzw. auf Grund eines unter Vorbehalt der Abtretung nach Art. 260 SchKG geschlossenen Vergleiches zukommen würde ( BGE 52 III 67 /68, BGE 67 III 102 , BGE 78 III 138 und 170, BGE 86 III 129 /130). Dieses Vorgehen kann nicht gutgeheissen werden. Wenn für den freihändigen Erwerb eines Masserechtsanspruches ein Angebot vorliegt, dessen Ausnützung mit Rücksicht auf die Interessen der Gläubigergesamtheit nicht durch eine unbeschränkte Anwendung von Art. 79 Abs. 2 KV gefährdet werden darf (vgl. Erw. 3 hievor), sind nämlich die Interessen der einzelnen Gläubiger überhaupt nicht nach dieser Bestimmung, sondern auf andere Weise zu wahren. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes darf die Konkursverwaltung im ordentlichen Verfahren den Gläubigern einen Freihandverkauf von Vermögensstücken der Masse nicht zur Genehmigung unterbreiten, ohne ihnen Gelegenheit zu geben, höhere Angebote zu machen ( BGE 82 III 61 ff., bes. 63; vgl. auch BGE 50 III 67 Erw. 1, BGE 88 III 39 Erw. 6; im Falle BGE 86 III 102 ff., wo diese Gelegenheit anscheinend nicht allen Gläubigern ausdrücklich geboten wurde, lagen besondere Verhältnisse vor). Für das summarische Verfahren wurde in BGE 63 III 87 entschieden, die Konkursverwaltung dürfe einen Freihandverkauf nicht abschliessen, ohne allen Gläubigern Gelegenheit zu geben, Angebote zu stellen. In BGE 76 III 102 ff. wurde dann aber dem Ermessen der Konkursverwaltung anheimgestellt, ob sie vor dem Abschluss eines Freihandverkaufs sämtlichen Gläubigern diese Gelegenheit einräumen wolle. b) Im Konkurs einer Bank kann sich die Konkursverwaltung wie im summarischen Konkursverfahren (Art. 231 Abs. 3 Sch KG) unter Vorbehalt des Art. 256 Abs. 2 SchKG und der Art. 75-79 KV von sich aus für einen Freihandverkauf entscheiden ( Art. 36 Abs. 2 BankG in Verbindung mit Art. 256 Abs. 1 SchKG ). Ob im Bankenkonkurs die Fristansetzung zur Stellung höherer Angebote wie im ordentlichen Konkursverfahren obligatorisch sei oder wie im summarischen Konkursverfahren im BGE 93 III 23 S. 30 Ermessen der Konkursverwaltung liege, braucht im vorliegenden Fall nicht allgemein entschieden zu werden. Vielmehr genügt die Feststellung, dass den Gläubigern im Bankenkonkurs auf jeden Fall dann eine solche Frist zu setzen ist, wenn wie hier eine schwer einbringliche hohe Forderung der Masse freihändig verkauft werden soll, ohne dass die Gläubiger Gelegenheit erhalten, bedingungslos (ohne Gegenleistung) die Abtretung nach Art. 260 SchKG zu verlangen. Die Fristsetzung zur Stellung höherer Angebote dient den Interessen der einzelnen Gläubiger besser als die von der Konkursverwaltung im vorliegenden Fall erlassene Fristsetzung zur Stellung von Abtretungsbegehren im Sinne von Art. 260 SchKG gegen Hinterlegung der vom Drittinteressenten als Kaufpreis angebotenen Summe, da der Gläubiger, der das höchste Angebot macht, die Masseforderung ohne die Verpflichtung, einen allfälligen Überschuss des Prozessergebnisses über die Kosten, die eigene Forderung und den hinterlegten Betrag an die Masse abzuliefern (vgl. Art. 260 Abs. 2 SchKG ), abgetreten erhält. Auf der andern Seite rechtfertigt es sich, dass die Masse auf einen solchen (wenig wahrscheinlichen) Überschuss verzichtet, wenn im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger eine Masseforderung freihändig verkauft wird, ohne dass den einzelnen Gläubigern bedingungslos die Stellung von Abtretungsbegehren nach Art. 260 SchKG erlaubt wird. Die Konkursverwaltung hat daher im vorliegenden Falle ihren Entschluss, die fragliche Forderung zu DM 85 000.-- freihändig zu verkaufen, den Gläubigern unter Angabe des Nennwertes der Forderung durch eine neue Ausschreibung mitzuteilen und den Gläubigern rechtzeitig eine angemessene (mindestens zehn volle Tage umfassende) Frist zur Stellung höherer Angebote und zur Sicherstellung des angebotenen Betrages zu setzen. 5. Während im ordentlichen Konkursverfahren Entscheide der Gläubigermehrheit über die Art der Verwertung nur wegen Gesetzwidrigkeit angefochten werden können ( BGE 86 III 103 mit Hinweisen, BGE 87 III 113 ) und fraglich ist, wieweit im summarischen Verfahren derartige Entscheide der Konkursverwaltung der Beschwerde unterliegen ( BGE 76 III 106 Erw. 3), sind im Bankenkonkurs die Entscheide der Konkursverwaltung allgemein auch wegen Unangemessenheit weiterziehbar ( Art. 36 Abs. 2 BankG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 SchKG ; BGE 85 III 156 ; REIMANN, Kommentar zum BankG, 3. Aufl. 1963, N. 4 zu Art. 36 BankG ). Überdies können im Konkurs einer Bank BGE 93 III 23 S. 31 die Entscheide des Konkursgerichtes als Beschwerdeinstanz in Abweichung von Art. 19 SchKG auch wegen Unangemessenheit an das Bundesgericht weitergezogen werden (Art. 53 Abs. 2 der Vollziehungsverordnung vom 30. August 1961 zum BankG; BGE 85 III 155 /156). Diese Regelung bedeutet, wie REIMANN (a.a.O. N. 5) ausführt, einen gewissen Ausgleich für die Abschaffung der Gläubigerversammlung. Ob die Interessen der Gläubigergesamtheit der Konkursverwaltung bei der gegebenen Sachlage geboten, das ihr unterbreitete Kaufsangebot unter Vorbehalt des Rechts der Konkursgläubiger zur Stellung höherer Angebote anzunehmen, ist eine Frage der Angemessenheit (vgl. BGE 87 III 115 ). Das Kantonsgericht hat diese Frage nicht geprüft, weil es die angefochtene Verfügung als gesetzwidrig betrachtete. Seine tatsächlichen Feststellungen erlauben jedoch der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer, die Frage zu beurteilen. Da festgestellt ist, dass die Geltendmachung der gesamten Restforderung aus der Abzahlungsvereinbarung vom Jahre 1960 zum Konkurs der Schuldnerfirmen führen würde und dass "höchst ungewiss ist, welcher Teilbetrag der Forderung wegen der Überschuldung der Schuldnerfirmen überhaupt eingebracht werden kann", lässt sich nicht als unangemessen bezeichnen, dass die Konkursverwaltung das ihr gemachte Angebot nach einer sorgfältigen Prüfung unter Vorbehalt der Rechte der einzelnen Konkursgläubiger annahm.
5,804
2,433
Dispositiv Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer: Der Rekurs wird im Sinne der Erwägungen teilweise gutgeheissen und der angefochtene Entscheid aufgehoben.
74
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2,024
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Sachverhalt ab Seite 159 BGE 128 V 159 S. 159 A.- Am 29. Januar 1999 stellte die Firma Knoll AG das Gesuch um Aufnahme des von ihr vertriebenen, von der Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel (IKS, seit 1. Januar 2002: Schweizerisches Heilmittelinstitut) als Anorexikum unter dem Index Therapeuticus (IT) 01.11 registrierten REDUCTIL mit dem Wirkstoff Sibutramin für die Indikation "Adipositas mit BMI >= 30" in die Spezialitätenliste (SL) zum Preis von Fr. 138.-/186.30 für 30caps.10mg/15mg. Mit Verfügung vom 28. Juli 1999 lehnte das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) das Begehren u.a. wegen fehlender Zweckmässigkeit des Präparates ab. B.- Die von der Knoll AG hiegegen erhobene Beschwerde wies die Eidgenössische Rekurskommission für die Spezialitätenliste mit Entscheid vom 28. September 2000 ab, dies im Wesentlichen mit der gleichen Begründung, mit welcher sie am gleichen Tag das auf zwei Jahre befristete und u.a. mit der Auflage "Erstellung einer Evaluation, die beweist, dass der erzielte Gewichtsverlust von Dauer ist" aufgenommene XENICAL der Roche Pharma (Schweiz) AG von der Spezialitätenliste gestrichen hatte. C.- Die Knoll AG lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und zur Hauptsache die Aufhebung des Entscheides der Rekurskommission sowie die Aufnahme von REDUCTIL in die Spezialitätenliste, eventuell mit der gleichen Limitation wie für XENICAL beantragen. BGE 128 V 159 S. 160 Das BSV schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. (...)
369
256
Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. a) Nach Art. 25 KVG übernimmt die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen (Abs. 1). Diese Leistungen umfassen u.a. die ärztlich oder unter den vom Bundesrat bestimmten Voraussetzungen von Chiropraktoren oder Chiropraktorinnen verordneten Arzneimittel (Abs. 2 lit. b). Die Leistungen nach Art. 25 KVG müssen laut Art. 32 Abs. 1 KVG wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein (Satz 1). Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein (Satz 2). Gemäss Art. 33 KVG kann der Bundesrat die von Ärzten und Ärztinnen oder von Chiropraktoren und Chiropraktorinnen erbrachten Leistungen bezeichnen, deren Kosten von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen übernommen werden (Abs. 1). Er bezeichnet u.a. die nicht von Ärzten und Ärztinnen oder von Chiropraktoren und Chiropraktorinnen erbrachten Leistungen nach Artikel 25 Absatz 2 (Abs. 2). Er bestimmt, in welchem Umfang die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten einer neuen oder umstrittenen Leistung übernimmt, deren Wirksamkeit, Zweckmässigkeit oder Wirtschaftlichkeit sich noch in Abklärung befindet (Abs. 3). Der Bundesrat setzt Kommissionen ein, die ihn bei der Bezeichnung der Leistungen beraten (Abs. 4 Satz 1; vgl. Art. 37a ff. KVV ). Die Kompetenzen gemäss Art. 33 Abs. 1-3 KVG hat die Exekutive gestützt auf Art. 33 Abs. 5 KVG auf das Departement übertragen (vgl. Art. 33 KVV sowie Art. 1 ff. KLV ; ferner Art. 48 Abs. 1 RVOG und BGE 124 V 261 Erw. 6b zur Subdelegationskompetenz des Bundesrates). b) Gemäss Art. 52 Abs. 1 lit. b KVG (in Verbindung mit Art. 34 und Art. 37e Abs. 1 KVV ) erstellt das Bundesamt nach Anhören der Eidgenössischen Arzneimittelkommission (EAK) eine Liste der pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel mit Preisen (Spezialitätenliste; Satz 1). Diese hat auch die mit den Originalpräparaten austauschbaren preisgünstigeren Generika zu enthalten (Satz 2). BGE 128 V 159 S. 161 aa) Der Bundesrat hat in den Art. 64 ff. KVV , das Eidgenössische Departement des Innern in den Art. 30 ff. KLV gestützt auf Art. 96 KVG (vgl. BGE 126 III 39 oben) resp. Art. 65 Abs. 3 und Art. 75 KVV (formelle und materielle) Ausführungsbestimmungen im Zusammenhang mit der Spezialitätenliste erlassen. Zu erwähnen sind insbesondere die Aufnahmebedingungen gemäss Art. 65 Abs. 1 und 2 KVV sowie Art. 30 Abs. 1 KLV . Danach muss das in Frage stehende Arzneimittel wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Sodann darf eine pharmazeutische Spezialität in die Liste nur aufgenommen werden, wenn die Registrierung oder ein Attest der zuständigen schweizerischen Prüfstelle resp. seit 1. Januar 2002 die Zulassung des Schweizerischen Heilmittelinstituts vorliegt. Die Zweckmässigkeit des Arzneimittels in Bezug auf seine Wirkung und Zusammensetzung im Besonderen werden laut Art. 33 Abs. 1 KLV u.a. nach unerwünschten Wirkungen sowie nach der Gefahr missbräuchlicher Verwendung beurteilt. In der bis 31. Dezember 2000 gültig gewesenen Fassung sahen die erwähnten Vorschriften der KLV als weitere Aufnahmekriterien vor, dass das Arzneimittel nachgewiesen einem medizinischen Bedürfnis entspricht und zuverlässig ist. Im Weitern kann die Aufnahme in die Liste unter der Bedingung einer Limitierung erfolgen. Die Limitierung kann sich insbesondere auf die Menge oder die medizinischen Indikationen beziehen ( Art. 73 KVV ). bb) Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit eines Arzneimittels waren schon unter dem früheren Recht Voraussetzungen für die Aufnahme in die Spezialitätenliste. Diese Begriffe haben inhaltlich keine wesentliche Änderung erfahren, was auch der gesetzgeberischen Absicht entspricht, an der im Bereich der Spezialitätenliste geltenden Ordnung grundsätzlich nichts zu ändern ( BGE 127 V 278 Erw. 2a mit Hinweis auf die Materialien; vgl. zum Ganzen GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 204 ff.). Neu ist im Wesentlichen einzig, dass die Spezialitätenliste in Bezug auf die Vergütung der Kosten der darin aufgeführten Arzneimittel durch die Krankenversicherer im Unterschied zu früher verpflichtenden und nicht bloss empfehlenden Charakter hat (vgl. Art. 12 Abs. 6 Satz 2 KUVG , Art. 22 Abs. 3 Vo III und Art. 3 Abs. 1 Vo VIII sowie BGE 127 V 87 Erw. 3c/cc). cc) Die Eidgenössische Arzneimittelkommission (EAK) als zuständige Kommission im Sinne von Art. 52 Abs. 1 KVG ist nach Zusammensetzung und Arbeitsweise eine verwaltungsunabhängige, BGE 128 V 159 S. 162 der Funktion nach aber eine verwaltungsinterne beratende Fachkommission des Bundesrates bzw. des Bundesamtes ( BGE 119 V 464 Erw. 4a mit Hinweisen). Ihre Meinungsäusserungen und Empfehlungen, denen nicht die Qualität von Sachverständigengutachten im Sinne von Art. 12 lit. e VwVG und Art. 57 ff. BZP eignet ( BGE 108 V 130 ), sind für das BSV zwar nicht verbindlich (RKUV 2000 Nr. KV 120 S. 164 f. Erw. 3c/aa). Wenn und soweit indessen die Streitpunkte medizinische und pharmazeutische Fragen betreffen, deren Beantwortung besondere Fachkenntnis und Erfahrung verlangt, was vorliegend in Bezug auf die in erster Linie umstrittene Wirksamkeit und Zweckmässigkeit von REDUCTIL unter allfälligen Limitierungen zutrifft, ist bei der gerichtlichen Überprüfung der darauf beruhenden Entscheide praxisgemäss eine gewisse Zurückhaltung am Platze. Dies gilt, solange nicht ernsthafte Gründe ein Abweichen von der Expertenmeinung rechtfertigen ( BGE 118 V 57 Erw. 5b mit Hinweis). Umgekehrt ergibt sich aus der Stellung und der Funktion der EAK, dass das Bundesamt nachvollziehbar zu begründen hat, wenn es im Einzelfall der klaren Meinungsäusserung des Fachgremiums nicht folgt. c) Im konkreten Fall haben sich die Experten der EAK resp. des schulmedizinischen Ausschusses dieses Fachgremiums zusammengefasst in folgendem Sinne zum Gesuch um Aufnahme von REDUCTIL in die Spezialitätenliste geäussert: Bei REDUCTIL mit dem Wirkstoff Sibutramin handle es sich um eine zentral angreifende Substanz. Der Wirkmechanismus bestehe darin, dass der Hunger durch Impulse vom Hirn unterdrückt werde mit der Folge, dass die Person weniger esse, was auf die Dauer zu einer Reduktion der Nahrungszufuhr und damit zur gewünschten Gewichtsabnahme führe. Die gleiche Wirkung habe XENICAL, dessen Substanz Orlistat im oberen Dünndarm ansetze und die Fettresorption hemme. Trotz unterschiedlichem Wirkmechanismus seien REDUCTIL und XENICAL in ihrer Wirkung vergleichbar, indem bei beiden Präparaten eine Änderung des Essverhaltens im Sinne einer Reduzierung der Nahrungszufuhr eintrete, woraus sich der angestrebte Gewichtsverlust ergebe. Die dem Gesuch beigelegten Studien hätten im Übrigen eine vergleichbare Wirksamkeit gezeigt. Auf die Stellungnahme der EAK aus dem Jahre 1975, die zur Bemerkung "Anorexika. Keine Zugelassen" in der Spezialitätenliste geführt habe, könne zurückgekommen werden. Diese Eintragung habe sich auf die Gruppe der Phenfluramine bezogen, wozu REDUCTIL nicht gehöre. Sibutramin wirke als Serotonin-Stoffwechselhemmer und BGE 128 V 159 S. 163 führe keinesfalls zu Suchtproblemen. REDUCTIL sei eindeutig kein Amphetamin. Zu bedenken sei allerdings, dass die Abgabe von Appetitzüglern sprunghaft zugenommen habe. Im Ergebnis befürworten die Experten grundsätzlich die Aufnahme von REDUCTIL in die Spezialitätenliste mit denselben Limitationen wie XENICAL, insbesondere befristet auf zwei Jahre mit der Auflage "Erstellung einer Evaluation, die beweist, dass der erzielte Gewichtsverlust von Dauer ist" (vgl. RKUV 2000 Nr. KV 120 S. 158 unten), sofern der Auslandspreisvergleich stimmt (Protokolle der Sitzungen vom 19. November und 15. Dezember 1999). Anlässlich der Sitzung vom 27. Juni 2001 beantragten die Experten der EAK aufgrund der in diesem Verfahren von der Knoll AG nachgereichten Unterlagen, REDUCTIL auf Diabetes zu limitieren und einen weniger hohen BMI als 35 zu verlangen. 5. a) aa) Die Rekurskommission hat zur streitigen Nichtaufnahme von REDUCTIL unter bestimmten Limitationen in die Spezialitätenliste erwogen, das medizinische Bedürfnis nach Medikamenten zur wirksamen Bekämpfung der Adipositas sei aufgrund der mit dieser Erkrankung verbundenen metabolischen und statisch bedingten Komplikationen und zahlreichen negativen Folgen (Hypertonie, Angina pectoris, zerebrovaskuläre Insulte, Diabetes Typ 2, Gicht, Gallensteine und verschiedene Krebsarten) unbestrittenermassen klar gegeben. Die Aufnahme von gewichtsreduzierenden Präparaten in die Spezialitätenliste setze indessen deren Wirksamkeit in dem Sinne voraus, dass die Gewichtsabnahme von Dauer ist, mithin einigermassen stabil bleibt, und ein Ausmass erreicht, welches das Risiko der entsprechenden Folgeerkrankungen auch tatsächlich zu senken vermag. Mit anderen Worten könne es nicht auf den mit der medikamentösen Therapie erzielten unmittelbaren "Gewichtserfolg" ankommen. Vielmehr müsse sich die Behandlung langfristig vorteilhaft auf klinisch relevante Endpunkte (Herzkrankheiten, Diabetes, Tod) auswirken, damit ein Adipositas-Präparat als wirksam beurteilt werden könne. Eine solche Langzeitwirkung sei in Bezug auf REDUCTIL ebenso wenig wie für XENICAL datenmässig belegt resp. durch klinische Studien nachgewiesen, insbesondere nicht für Patienten mit einem BMI >= 35. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Experten der EAK die Aufnahme von REDUCTIL in die Spezialitätenliste befristet auf zwei Jahre vorschlugen mit der Auflage zur Erstellung einer Evaluation, die beweist, dass der erzielte Gewichtsverlust von Dauer ist. Die aufgelegten Studien zeigten denn auch, dass bei einer einjährigen BGE 128 V 159 S. 164 Behandlungsdauer mit REDUCTIL nach drei bzw. sechs Monaten keine nennenswerte Gewichtsabnahme mehr zu verzeichnen gewesen sei, der erreichte Zustand aber relativ stabil blieb. Wie es sich mit der Wirkung dieses Präparates im zweiten Behandlungsjahr oder nach dessen Absetzen verhalte, werde nicht dokumentiert. Bei dieser Sachlage, so die Rekurskommission, erstaune, dass die EAK die Evaluation der Dauerhaftigkeit des mit REDUCTIL erzielten Gewichtsverlustes nicht vor dessen Aufnahme in die Spezialitätenliste durchgeführt haben wolle, beschlage deren Ergebnis doch ganz zentral die Frage der eigentlichen Wirksamkeit des Präparates gemäss Art. 32 Abs. 1 KVG und Art. 65 Abs. 2 KVV . Angesichts dessen, dass das Risiko (kostenrelevanter) adipositasbedingter Folgeerkrankungen nur wirksam, mithin dauerhaft reduziert werde, wenn die erlangte Gewichtsreduktion auch dauerhaft und damit stabil bleibe, bedürfe diese Frage unbedingt der klinischen Überprüfung. Eine auf zwei Jahre befristete Aufnahme eines Präparates in die Spezialitätenliste unter der Bedingung, dass eine noch durchzuführende klinische Studie den Nachweis ihrer tatsächlichen Wirksamkeit erbringe, ergäbe sich weder aus Gesetz noch Verordnung. Insbesondere könne hiefür nicht Art. 73 KVV dienstbar gemacht werden. Vielmehr sei den einschlägigen Bestimmungen zweifelsfrei zu entnehmen, dass ein Arzneimittel nur aufgenommen werden darf, wenn von den drei Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit kumulativ alle drei gegeben seien. bb) In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird (...) in materieller Hinsicht vorgebracht, die vorinstanzliche Argumentation lasse den für die klinische Prüfung von Medikamenten, die für den Langzeiteinsatz bestimmt seien, massgeblichen wissenschaftlichen Standard, an den sich auch die Schweiz halte, ausser Acht. Dieser "State of the Art" ergebe sich aus zwei EU-Richtlinien, von denen diejenige, übertitelt mit "Note for Guidance on Clinical Investigation of Drugs used in Weight Control", spezifisch die klinische Prüfung von Medikamenten für die Gewichtskontrolle betreffe. Sinngemäss sei danach zu unterscheiden zwischen den positiven medizinischen Auswirkungen, die mit der Gewichtsabnahme bereits kurzfristig verbunden seien, nämlich Reduktion von kardiovaskulären Risiken und Bluthochdruck, Verbesserung der Lipid-Profile und bessere Kontrolle des Blutzuckers, sowie dem erst auf längere Dauer beobachtbaren Einfluss auf Morbidität und Mortalität. Während für BGE 128 V 159 S. 165 den Nachweis der positiven kurzfristigen Wirkungen Studien über einen Zeitraum von wenigstens einem Jahr notwendig und hinreichend seien, ergebe sich schon von der Natur der Sache her in Bezug auf die Endpunkte Morbidität und Mortalität die Notwendigkeit umfangreicherer und auf längere Dauer angelegter statistischer Untersuchungen. Nach der Registrierung (durch die IKS resp. ab 1. Januar 2002 das Schweizerische Heilmittelinstitut) sei unter dem Gesichtspunkt der Wirksamkeit für die Aufnahme von "Adipositas-Medikamenten" in die Spezialitätenliste grundsätzlich der auf wissenschaftlichen Methoden beruhende Nachweis hinreichend, dass die Gewichtsabnahme die erwähnten positiven Effekte auf den Bluthochdruck, das Lipid-Profil sowie die kardiovaskulären Risiken habe. Dieser Nachweis sei für REDUCTIL erbracht. Dagegen sei nicht Aufnahmebedingung, dass der positive Einfluss auf die Endpunkte Morbidität und insbesondere Mortalität noch nicht "schwarz auf weiss" bewiesen, sondern aufgrund der bisherigen Untersuchungen lediglich mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei. Im Übrigen stehe die im Aufnahmegesuch vom 29. Januar 1999 beantragte medizinische Indikation "BMI >= 30" im Einklang mit der einschlägigen EU-Richtlinie und entspreche der Registrierung durch die IKS. Die Festlegung eines Body Mass Index von mindestens 35 sei sachlich nicht gerechtfertigt, da die Grösse des BMI nachgewiesenermassen für die Wirksamkeit des Präparates nicht von Bedeutung sei. c) aa) Wirksamkeit einer Leistung im Sinne von Art. 32 Abs. 1 KVG ist gegeben, wenn die betreffende Behandlung geeignet ist, das angestrebte diagnostische oder therapeutische Ziel zu erreichen (EUGSTER, a.a.O., Rz 184 ff., insbesondere Rz 185; vgl. auch BGE 123 V 63 Erw. 2c/bb). Ob ein Arzneimittel im Besonderen wirksam ist, hängt somit entscheidend davon ab, welcher medizinische Erfolg damit erzielt werden soll. Vorliegend ergibt sich aus den Limitierungen für XENICAL, welche gemäss EAK bei einer allfälligen Aufnahme in die Spezialitätenliste im Wesentlichen auch für REDUCTIL zu gelten hätten, dass die Wirksamkeit zu bejahen ist, wenn der Gewichtsverlust nach sechs Monaten mindestens 10% des Körpergewichts zu Beginn der Therapie beträgt und nach Absetzen der Medikation spätestens nach zwei Jahren von Dauer ist (Erw. 3c). Diese Umschreibung des mit der Einnahme von REDUCTIL angestrebten therapeutischen Ziels, bei welcher unzweifelhaft schon Überlegungen der Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit eine Rolle gespielt haben - welche Aufnahmebedingungen allgemein BGE 128 V 159 S. 166 u.a. an der indizierten Heilwirkung des in Frage stehenden Arzneimittels gemessen werden (vgl. Art. 33 Abs. 1 und Art. 34 Abs. 1 KLV ) - steht ausser Frage. Insbesondere wird nicht geltend gemacht, das Bundesamt gehe mit dem Erfordernis einer langfristig stabil bleibenden Gewichtsreduktion, dies als Folge der Änderung des Essverhaltens, von einem realitätsfremden oder sogar gesetzwidrigen Begriff der Wirksamkeit aus. Insofern gehen die Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zum Standard in der Europäischen Union betreffend die Zulassung von der Gewichtskontrolle dienenden Medikamenten an der Sache vorbei, und es ist darauf nicht weiter einzugehen. Dass in Bezug auf REDUCTIL der Nachweis der Dauerhaftigkeit des Gewichtsverlustes nach einer Behandlungsdauer von zwei Jahren resp. nach Absetzen des Medikamentes nicht erbracht ist, steht ausser Diskussion. bb) Es bleibt die von der Rekurskommission grundsätzlich verneinte, von der Beschwerdeführerin im Eventualstandpunkt sinngemäss in Bezug auf REDUCTIL bejahte Frage zu prüfen, ob die Aufnahme von Arzneimitteln in die Spezialitätenliste, deren Wirksamkeit noch nicht hinreichend nachgewiesen ist, zulässig ist. aaa) Art. 52 Abs. 1 KVG hält in seinem Ingress fest, dass das Bundesamt beim Erstellen der Spezialitätenliste die Grundsätze nach Art. 32 Abs. 1 KVG und dem hier nicht unmittelbar interessierenden Art. 43 Abs. 6 KVG zu berücksichtigen hat. Will ein Arzneimittel in die Spezialitätenliste aufgenommen werden, hat es also, wie in Art. 65 Abs. 2 KVV nochmals ausdrücklich erwähnt, u.a. wirksam zu sein, wobei die Wirksamkeit nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein muss ( Art. 32 Abs. 1 Satz 2 KVG ). Ausnahmen von diesem Erfordernis sieht Art. 52 KVG nicht vor. Insbesondere fehlt ein Bezug auf Art. 33 Abs. 3 KVG oder zumindest der Hinweis, dass die dort getroffene Regelung, wonach der Bundesrat den Umfang der Vergütungspflicht bei neuen oder umstrittenen Leistungen bestimmt, deren Wirksamkeit, Zweckmässigkeit oder Wirtschaftlichkeit sich noch in Abklärung befindet (Erw. 3a), sinngemäss auch im SL-Bereich gelten soll. Umgekehrt ist in Art. 33 KVG nur vom Bundesrat und nicht von der vom Gesetz für zuständig erklärten Behörde die Rede, was ebenfalls gegen die Annahme spricht, unter den Begriff der Leistungen im Sinne dieser Bestimmung fielen auch die Arzneimittel der Spezialitätenliste. bbb) Den Gesetzesmaterialien lässt sich weder in diesem noch in jenem Sinne etwas zur Zulässigkeit der Aufnahme von Arzneimitteln in die Spezialitätenliste entnehmen, deren Wirksamkeit sich noch in BGE 128 V 159 S. 167 Abklärung befindet, mithin nicht hinreichend (nach wissenschaftlichen Methoden [ Art. 32 Abs. 1 Satz 2 KVG ]) nachgewiesen ist. Immerhin wollte der Gesetzgeber, wie in Erw. 3b/bb hievor dargelegt, abgesehen vom nunmehr im Unterschied zu früher verpflichtenden Charakter der Liste, in diesem Leistungsbereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung grundsätzlich nichts ändern. Im Zusammenhang mit der Entstehungsgeschichte von Bedeutung und hier im Besonderen zu beachten ist, dass schon unter dem alten Recht die Aufnahme in die Spezialitätenliste die Wirksamkeit des Arzneimittels verlangte. Seine Heilwirkung musste nachgewiesen sein. Bei Originalpräparaten war der klinische Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit erforderlich (vgl. Art. 4 Abs. 1 und 2 Vo 10, welche wörtlich mit Art. 32 Abs. 1 und 2 KLV in der bis 31. Dezember 2000 gültig gewesenen Fassung übereinstimmen). Demgegenüber war für den Pflichtleistungscharakter der von einem Arzt vorgenommenen diagnostischen oder therapeutischen Massnahme resp. einer auf ärztliche Anordnung durch medizinische Hilfspersonen durchgeführten Heilanwendung deren wissenschaftliche Anerkennung entscheidend (vgl. BGE 123 V 58 Erw. 2b/aa mit Hinweisen). Das Eidgenössische Versicherungsgericht hatte unter der Herrschaft des alten Rechts, soweit ersichtlich, lediglich einmal Gelegenheit, sich zur Zulässigkeit der Aufnahme von Arzneimitteln in die Spezialitätenliste zu äussern, deren Wirksamkeit noch nicht hinreichend nachgewiesen ist. Im Urteil P. AG vom 12. März 1982, auszugsweise wiedergegeben in RSKV 1982 Nr. 508 S. 220 ff., hatte es zu entscheiden, ob ein Präparat, welches mangels eines hinreichenden Wirkungsnachweises vom Bundesamt nicht in die Liste aufgenommen worden war, "unter der Auflage der Einreichung weiterer therapeutischer-klinischer Nachweise seiner Wirksamkeit innert einer angemessenen Frist von z.B. fünf Jahren" zuzulassen sei. Das Eidgenössische Versicherungsgericht entsprach diesem Antrag der Gesuch stellenden Firma nicht, "da sowohl nach dem Wortlaut der anwendbaren Bestimmungen wie auch nach dem Sinn des Prüfungsverfahrens sowie der SL die therapeutische Wirksamkeit eines Heilmittels vorgängig der Aufnahme nachgewiesen sein muss. Andernfalls wäre die Möglichkeit nicht auszuschliessen, dass unwirksame Medikamente in die SL aufgenommen würden und von den Krankenkassen zu bezahlen wären" (RSKV 1982 Nr. 508 S. 225 f. Erw. 4). ccc) Gesetzeswortlaut und -systematik sowie die Materialien unter Berücksichtigung der früheren Rechtslage sprechen gegen die BGE 128 V 159 S. 168 Zulässigkeit der Aufnahme von Arzneimitteln in die Spezialitätenliste, deren Wirksamkeit nach Massgabe der diagnostischen und therapeutischen Zielsetzung nicht rechtsgenüglich nachgewiesen ist. Für eine (vorläufige) Aufnahme unter der Auflage, innerhalb eines bestimmten Zeitraumes eine Evaluation zu erstellen, welche die Wirksamkeit, hier von REDUCTIL, belegt, fehlt es an einer genügenden gesetzlichen Grundlage. Art. 73 KVV kann, wie die Rekurskommission richtig erkannt hat, nicht angerufen werden, und zwar schon deshalb nicht, weil Limitierungen im Sinne dieser Bestimmung andere Zwecke verfolgen (vgl. RKUV 2001 Nr. KV 158 S. 158 Erw. 2d; ferner BGE 118 V 279 Erw. 2b).
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Sachverhalt ab Seite 217 BGE 124 I 216 S. 217 Am 19. Januar 1996 stellte das Strassenverkehrs- und Schiffahrtsamt des Kantons Bern Franziska Fritschi für die Motorfahrzeugsteuer 1996 Fr. 712.20 in Rechnung. Die dagegen erhobene Einsprache wies das Strassenverkehrs- und Schiffahrtsamt am 27. März 1996 ab. Hiergegen gelangte Franziska Fritschi erfolglos an die Polizei- und Militärdirektion sowie an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern. Gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 21. April 1997 hat Franziska Fritschi am 21. Mai 1997 beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Sie macht geltend, die streitige Motorfahrzeugsteuerveranlagung beruhe auf einer ungenügenden gesetzlichen Grundlage und verletze damit Art. 4 BV sowie Art. 69 Abs. 4 lit. b und Art. 132 Abs. 1 der bernischen Kantonsverfassung vom 6. Juni 1993 (KV/BE). Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und hebt den angefochtenen Entscheid auf. BGE 124 I 216 S. 218
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die umstrittene Motorfahrzeugsteuerveranlagung bzw. der entsprechende Beschwerdeentscheid stützt sich auf das Dekret vom 10. Mai 1972 über die Besteuerung der Strassenfahrzeuge (im folgenden: Fahrzeugsteuerdekret; DBS), welches sich seinerseits auf das Gesetz vom 4. März 1973 über den Strassenverkehr und die Besteuerung der Strassenfahrzeuge (SBS) stützt. Gemäss Art. 9 SBS ist für Strassenfahrzeuge mit Standort im Kanton Bern, die auf öffentlichen Strassen verkehren, eine Steuer zu entrichten, wobei sich diese nach der Zahl der Tage der Zulassung zum Verkehr und dem Gesamtgewicht des Fahrzeuges bemisst. Der Grosse Rat bestimmt durch Dekret die Besteuerungsgrundlagen und regelt Abstufung, Bezug und Verwendung der Steuern (Art. 11 SBS). Gemäss Art. 5 des Fahrzeugsteuerdekrets (in der Fassung vom 28. Juni 1995) beträgt die Normalsteuer Fr. 360.-- für die ersten 1'000 Kilogramm; für je weitere 1'000 Kilogramm ermässigt sich die Steuer um 14% des Steuersatzes der vorangehenden Tonne; vor der Dekretsänderung vom 28. Juni 1995 betrug die Normalsteuer Fr. 324.-- für die ersten 1'000 Kilogramm. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Motorfahrzeugsteuerveranlagung für das Jahr 1996 entbehre einer genügenden gesetzlichen Grundlage, denn seit dem Inkrafttreten der neuen bernischen Verfassung vom 6. Juni 1993 am 1. Januar 1995 hätte die Änderung eines Steuertarifs nur nach Massgabe von Art. 69 Abs. 4 lit. b sowie Art. 132 Abs. 1 KV/BE und damit in Form eines referendumsfähigen Gesetzes erfolgen dürfen; die Änderung des Fahrzeugsteuerdekrets vom 28. Juni 1995 verletze somit die neue bernische Kantonsverfassung. 3. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kommt dem Erfordernis der gesetzlichen Grundlage im Abgaberecht die Bedeutung eines verfassungsmässigen Rechts zu, dessen Verletzung selbständig, unmittelbar gestützt auf Art. 4 BV , mit staatsrechtlicher Beschwerde geltend gemacht werden kann. Öffentliche Abgaben bedürfen grundsätzlich einer Grundlage in einem formellen Gesetz, d.h. normalerweise in einem dem Referendum unterstehenden Erlass ( BGE 120 Ia 265 E. 2a S. 266, mit Hinweisen). Indessen können auch allein vom Parlament beschlossene Erlasse die Funktion des formellen Gesetzes erfüllen, wenn die betreffende kantonale Verfassungsordnung dies so vorsieht, sind doch die Kantone von Bundesrechts wegen nicht gehalten, ihre Gesetze dem Referendum zu BGE 124 I 216 S. 219 unterstellen ( BGE 118 Ia 245 E. 3b S. 248, 320 E. 3a S. 324). Aus diesem Grunde kann für die vorliegend interessierende Frage, ob nach dem 1. Januar 1995 eine Erhöhung der Motorfahrzeugsteuer in der Form einer Dekretsänderung zulässig war, aus dem bundesrechtlichen Legalitätsprinzip im Abgaberecht nichts abgeleitet werden. b) Die Beschwerdeführerin kann sich indessen auch auf das durch sämtliche Kantonsverfassungen garantierte Prinzip der Gewaltentrennung berufen, welches das Bundesgericht seit jeher als Individualrecht der Bürger anerkannt hat. Sein Inhalt ergibt sich jeweils aus dem kantonalen Recht, wobei das Bundesgericht die Auslegung der einschlägigen Verfassungsbestimmungen frei, jene des Gesetzesrechts dagegen lediglich auf Willkür hin prüft ( BGE 121 I 22 E. 3a S. 25, mit Hinweisen). 4. a) Gemäss Art. 69 Abs. 1 KV/BE können Befugnisse des Volkes an den Grossen Rat und an den Regierungsrat übertragen werden, falls die Delegation auf ein bestimmtes Gebiet beschränkt ist und das Gesetz den Rahmen der Delegation festlegt. Art. 69 Abs. 4 KV/BE bestimmt, dass alle grundlegenden und wichtigen Rechtssätze des kantonalen Rechts in der Form des Gesetzes zu erlassen sind. Dazu gehören unter anderem Bestimmungen über den Gegenstand von Abgaben, die Grundsätze ihrer Bemessung und den Kreis der Abgabepflichtigen mit Ausnahme von Gebühren in geringer Höhe (lit. b). b) Die Kantonsverfassung versteht gemäss Art. 69 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 62 Abs. 1 lit. a unter Gesetzen im formellen Sinne Erlasse des Grossen Rates, welche Rechtssätze verankern und dem fakultativen Referendum unterstehen (WALTER KÄLIN/URS BOLZ, Handbuch des bernischen Verfassungsrechts, Bern 1995, S. 129). Im Gegensatz dazu sind Dekrete Erlasse des Grossen Rates, welche dieser gestützt auf eine gesetzliche Ermächtigung verabschieden kann, um Gesetzesbestimmungen "näher auszuführen" ( Art. 74 Abs. 1 KV/BE ). Im Bereich des Dekrets ist die Mitwirkung des Volkes ausgeschlossen. Es handelt sich bei dieser Erlassform um auf Delegation beruhende (unselbständige) parlamentarische Verordnungen. Dekretsbefugnisse, die sich direkt aus der Verfassung ergeben, kennt die Kantonsverfassung nicht mehr. Dekrete sind für die Regelung von Angelegenheiten reserviert, welche zwar nicht die Wichtigkeit von Gesetzesbestimmungen erreichen, aber doch zuviel Gewicht besitzen, um der Exekutive überlassen zu werden; sie sind insbesondere für Verordnungsrecht mit erhöhtem Legitimationsbedarf geeignet (WALTER KÄLIN/URS BOLZ, a.a.O., S. 132). BGE 124 I 216 S. 220 c) Das Gesetz vom 4. März 1973 über den Strassenverkehr und die Besteuerung der Strassenfahrzeuge regelt zwar, für welche Strassenfahrzeuge die Steuer zu entrichten ist und dass sich diese nach der Zahl der Tage der Zulassung zum Verkehr und dem Gesamtgewicht des Fahrzeuges richtet (vgl. E. 2); es delegiert jedoch in Art. 11 die Befugnis zur Bestimmung der Besteuerungsgrundlagen an den Grossen Rat, welcher in Art. 1 Abs. 2 des Fahrzeugsteuerdekrets den Kreis der Abgabepflichtigen präzisiert (die Fahrzeughalter) und in Art. 5 ff. den Steuertarif festlegt. Indem das Gesetz die Bemessung der Motorfahrzeugsteuer dem Grossen Rat als Dekretsgeber überlässt, nimmt es eine nach Art. 69 Abs. 4 KV/BE nicht mehr zulässige Delegation vor; der auf dieser Delegation beruhende Art. 5 des Fahrzeugsteuerdekrets ist somit heute formell verfassungswidrig. 5. Gemäss Art. 132 Abs. 1 KV/BE bleiben Erlasse, die von einer nicht mehr zuständigen Behörde oder in einem nicht mehr zulässigen Verfahren geschaffen worden sind, vorläufig in Kraft, denn der Verfassungsgeber erachtete es als weder sinnvoll noch machbar, alle diese recht zahlreichen Bestimmungen innert kurzer Frist zu ändern. Dabei betrifft diese Regelung namentlich Dekretsbestimmungen, die gestützt auf Art. 69 Abs. 4 oder Art. 95 Abs. 2 KV/BE neu auf Gesetzesstufe zu erlassen sind, sowie Dekrete, die sich unmittelbar auf die alte Verfassung abstützten (WALTER KÄLIN/URS BOLZ, a.a.O., S. 574). Damit durfte der Kanton Bern auch nach dem Inkrafttreten der neuen Kantonsverfassung die Motorfahrzeugsteuer noch nach Art. 5 des Fahrzeugsteuerdekrets (in der Fassung vor der Änderung vom 28. Juni 1995) erheben. 6. a) Die strittige Motorfahrzeugsteuerveranlagung stützt sich indessen auf Art. 5 DBS in seiner Form vom 28. Juni 1995 und damit auf eine Dekretsänderung, welche der Grosse Rat nach dem Inkrafttreten der neuen Kantonsverfassung beschlossen hat, indem er die Normalsteuer per 1. Januar 1996 für die ersten 1'000 Kilogramm von Fr. 324.-- auf Fr. 360.-- heraufsetzte. Die Beschwerdeführerin betrachtet diese Dekretsänderung als mit Art. 132 Abs. 1 KV/BE unvereinbar, wonach sich die Änderung von Erlassen, die von einer nicht mehr zuständigen Behörde oder in einem nicht mehr zulässigen Verfahren geschaffen worden sind, nach der neuen Verfassung richtet. Das Verwaltungsgericht liess die Frage, ob das Fahrzeugsteuerdekret auf einer den Anforderungen der neuen Kantonsverfassung BGE 124 I 216 S. 221 genügenden gesetzlichen Ermächtigung beruhe, offen. Es erwog, ein allfälliger delegationsrechtlicher Mangel könne durch eine Dekretsänderung nicht behoben werden; nur die Aufnahme der heute auf Dekretsstufe geregelten Bemessungskriterien in ein formelles Gesetz könnte eine formelle Verfassungswidrigkeit in diesem Punkt beheben. Trotzdem ist das Verwaltungsgericht der Auffassung, dass im vorliegenden Fall die umstrittene Änderung des Fahrzeugsteuerdekrets nicht gegen Art. 132 Abs. 1 KV/BE verstosse: Es argumentiert, die staatliche Tätigkeit und ihre Finanzierung könnten in der Übergangszeit empfindlich beeinträchtigt werden, wenn unmittelbar mit dem Inkrafttreten der neuen Kantonsverfassung die Revision von belastenden Dekretsbestimmungen wie den interessierenden generell und unbesehen des jeweiligen Revisionsgegenstands untersagt werden sollte; dies habe aber der Verfassungsgeber mit Art. 132 Abs. 1 KV/BE gerade vermeiden wollen. Das Verwaltungsgericht weist ferner darauf hin, dass ein Gesetzgebungsprojekt über die Besteuerung von Strassenfahrzeugen hängig sei. b) Diese Argumentation überzeugt nicht: Für Abwägungen zwischen den staatlichen Finanzbedürfnissen und der Gewichtigkeit eines delegationsrechtlichen Mangels lässt die Übergangsregelung von Art. 132 Abs. 1 KV/BE grundsätzlich keinen Raum. Der bernische Verfassungsgeber hat zwischen dem Ziel, die neue Zuständigkeitsordnung durchzusetzen, und der Notwendigkeit, Rechtslücken und damit verbundene Beeinträchtigungen der Staatstätigkeit zu vermeiden, selber bereits eine Abwägung getroffen, indem er formell verfassungswidrig gewordenen Erlassen zwar einstweilen noch Gültigkeit zuerkennt, aber die zuständigen Rechtsetzungsorgane, wenn die betreffenden Bestimmungen geändert werden sollen, zur Legiferierung in der neu vorgeschriebenen Form verpflichtet. c) Auf die Frage, wie weit die Pflicht zur Anpassung bei blossen Teilrevisionen eines formell mangelhaften Erlasses reicht - ob jeweils der ganze Erlass oder nur gerade die von der Revision erfassten Bestimmungen mit der neuen Ordnung in Einklang zu bringen sind -, braucht hier nicht weiter eingegangen zu werden. Die Pflicht zur Anpassung gilt jedenfalls für die unmittelbar geänderten Bestimmungen, was bedeutet, dass die vorliegend in Frage stehende Erhöhung der Motorfahrzeugsteuer die Schaffung entsprechender Grundlagen auf Gesetzesstufe voraussetzt. Dass mittlerweile ein solches Gesetz vom Parlament verabschiedet worden ist, rechtfertigt keine Abweichung von der Regel des Art. 132 Abs. 1 KV/BE ; BGE 124 I 216 S. 222 ebensowenig der Umstand, dass die Auswirkungen der Steuererhöhung für die Beschwerdeführerin mässig sind bzw. zum Teil nur eine Anpassung an die Teuerung darstellen. d) Das Verwaltungsgericht hätte daher die streitige Steuererhöhung, weil sie in Verletzung von Art. 69 Abs. 4 KV/BE und Art. 132 Abs. 1 Satz 2 KV/BE beschlossen wurde, als unwirksam betrachten müssen; der angefochtene gegenteilige Entscheid verletzt den in genannten Verfassungsvorschriften zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Gewaltentrennung. Nachdem die Revision von Art. 5 DBS vom 28. Juni 1995 als ungültig zu betrachten ist, wird die Beschwerdeführerin für das Jahr 1996 nach dem niedrigeren bisherigen Tarif zu besteuern sein.
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Sachverhalt ab Seite 87 BGE 87 I 87 S. 87 A.- Le 19 décembre 1955, le Département militaire fédéral autorisa la commune de Lausanne à exproprier, en vertu de la loi fédérale du 20 juin 1930, les immeubles nécessaires à l'installation d'un stand de tir à VernandDessus. La procédure s'ouvrit le 20 mars 1956 et la commune de Lausanne prit possession des fonds expropriés BGE 87 I 87 S. 88 le 20 février 1957. Le stand, qui compte 70 cibles à 300 mètres et 14 cibles à 50 mètres, fut mis en service en avril 1959. Du 1er juillet 1959 au 30 juin 1960, il fut occupé pendant 90 jours entiers et 115 demi-journées. Les cibles ne furent toutefois que partiellement utilisées. B.- Louis Gross est proprietaire du Château de Vernand. Ce bâtiment, éloigné du stand de quelques centaines de mètres seulement, est une maison de maître ancienne, entourée d'un jardin et de terrains d'une superficie de 6000 m2 environ. Il est situé en pleine campagne, à proximité immédiate de deux exploitations agricoles. Du jardin, la vue s'étend sur le Plateau jusqu'au pied du Jura. Le château, qui abrita une pension, est actuellement loué 5400 fr. par an. Quoique habitable, il aurait besoin d'être remis en état. Allégant que sa propriété valait 240 000 fr. et qu'elle était dépréciée de moitié en raison de l'aménagement du stand, Gross réclama une indemnité de 120 000 fr. dans la procédure d'expropriation. Le 30 novembre 1959, la Commission d'estimation du Ier arrondissement lui alloua 15 000 fr., avec intérêt à 5% dès la prise de possession. Elle fonda ses calculs sur une perte de loyer de 50 fr. par mois. C.- Gross a recouru au Tribunal fédéral contre cette décision. En cours d'instance, il a réduit sa prétention à 104 000 fr. La commune de Lausanne s'est jointe au recours, en contestant devoir quelque indemnité à Gross. Subsidiairement, elle a demandé que l'intérêt soit fixé à 4% dès l'ouverture du stand. Les experts commis par la délégation du Tribunal fédéral ont arrêté la dévaluation de la propriété du recourant principal à 30 000 fr., tout en estimant à 200 000 fr. la valeur du château.
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Erwägungen Considérant en droit: 2. L'art. 684 CC protège les voisins d'un immeuble contre les excès de son propriétaire. La commune de BGE 87 I 87 S. 89 Lausanne soutient qu'en l'espèce, la notion d'excès au sens de cette disposition doit être interprétée en fonction du caractère d'intérêt public que revêt le stand de Vernand. La Commission d'estimation semble s'être placée au même point de vue, en relevant que l'intérêt privé cède le pas à l'intérêt public. Cependant, ce n'est pas de cette conception que s'est inspiré le législateur. L'art. 19 litt. a LEx. attribue à tous les expropriés, y compris donc les titulaires de droits de voisinage, une indemnité égale à la pleine valeur vénale des droits expropriés. Or cette valeur est indépendante de la nature de l'entreprise de l'expropriante. Autrement dit, pour déterminer si la commune de Lausanne a excédé ses droits, il n'y a pas lieu de tenir compte du but qu'elle a visé en installant un stand, ni de la rentabilité des dépenses qu'elle a engagées à cette fin (OFTINGER, Lärmbekämpfung als Aufgabe des Rechts, 1956, p. 61 et 66). La manière d'interpréter l'art. 684 CC étant ainsi précisée, il n'est pas douteux que l'atteinte portée aux droits de Gross est excessive dans l'acception légale. Le stand de Vernand n'est pas ouvert quelques dimanches par année comme celui d'un village, mais il sert de place d'exercices aux tireurs d'une ville importante et à la troupe qui y est cantonnée. Le bruit qui s'en dégage persiste une grande partie de la journée, durant plusieurs mois par an. Particulièrement violent, même si le stand n'est qu'à demi occupé, il met à l'épreuve les nerfs des habitants d'alentour. Il est en effet plus difficile de s'habituer au crépitement saccadé des balles qu'à un bruit continu, par exemple au grondement d'un torrent. Or, sise à quelques centaines de mètres du stand, la propriété du recourant principal est directement exposée au bruit des tirs. Ainsi que le constate justement la Commission d'estimation, dès qu'il atteint un certain degré, l'emploi du stand empêche les habitants du Château de Vernand de séjourner dans leur jardin et les oblige à fermer les fenêtres de la maison s'ils entendent y rester. C'est dire que le recourant principal est bien victime d'un excès. BGE 87 I 87 S. 90 3. Il s'agit dès lors de déterminer les conséquences de cet excès, c'est-à-dire la dépréciation que subit la propriété du recourant principal par suite de l'installation du stand. Les experts ont fixé cette dévaluation à 30 000 fr. Selon une jurisprudence constante, le Tribunal fédéral ne s'écarte pas de leur appréciation, à moins qu'elle ne repose sur une erreur de droit ou ne soit viciée par une contradiction, une lacune ou une erreur de fait manifestes (arrêts non publiés du 19 mai 1949 dans la cause Hefefabriken AG, consid. 1, du 3 juin 1953 dans la cause Hasliberg, consid. 5 a et du 9 juillet 1958 dans la cause Wettstein, consid. 4). Il y a lieu de s'en tenir à cette jurisprudence qui, si elle n'est fondée sur aucune disposition légale, est dictée cependant par des nécessités pratiques. En effet, conformément aux art. 80 al. 1 et 82 al. 2 LEx., les experts, que le Tribunal fédéral est tenu de s'adjoindre dans les affaires d'expropriation, sont appelés à se prononcer sur des questions exigeant des connaissances particulières. Ainsi, en l'espèce, ils devaient avoir une vaste expérience du marché immobilier et de la valeur des propriétés de plaisance sises à proximité d'un centre urbain déterminé. Comme les membres du Tribunal fédéral ne possèdent pas eux-mêmes ces connaissances techniques - raison pour laquelle la loi les oblige à s'adjoindre des experts -, force leur est de s'en remettre en principe à l'avis de ces derniers sur les problèmes qui nécessitent ces connaissances spéciales. Cette règle doit toutefois subir des exceptions dans les cas précités. Il pourrait en aller de même dans d'autres hypothèses, par exemple si les experts émettaient une opinion manifestement insoutenable, ou s'il s'avérait après leur désignation qu'ils ne possédaient pas les connaissances spéciales nécessaires. 4. (Dans ce considérant, le Tribunal fédéral expose les raisons pour lesquelles il estime ne pas devoir s'écarter in casu de l'avis des experts.) 5. Il reste à se prononcer sur le taux et le point de départ de l'intérêt afférent à l'indemnité accordée. Alors que la Commission d'estimation a fixé un taux de BGE 87 I 87 S. 91 5% dès la prise de possession, la commune de Lausanne n'entend payer que 4% à compter de la mise en activité du stand. L'art. 76 al. 2 LEx. par le de taux usuel, sans autre précision. Jadis, le Tribunal fédéral a admis celui de 5%, en invoquant l'art. 83 CO ancien, auquel correspond l'art. 73 al. 1 actuel (RO 20 p. 367; HESS, note 14 ad art. 76 LEx.). Toutefois, la jurisprudence se fonde régulièrement aujourd'hui sur 4% (arrêt Hefefabriken AG du 19 mai 1949 consid. 9 et nombre de projets d'arrêts). C'est à juste titre. Le litige en cause ne relevant pas du droit privé, il ne s'impose nullement d'appliquer les règles du code des obligations. Mieux vaut adopter, conformément à la tendance récente, un taux qui soit véritablement usuel (cf. RO 78 I 90 ; 85 I 185 ). Or 4% paraît plus proche de la réalité que 5%, surtout si l'on tient compte qu'il ne s'agit pas d'un intérêt moratoire. Il convient donc de s'en tenir au chiffre proposé par la commune de Lausanne, son recours joint étant bien fondé sur ce point. La question de savoir ce qu'il faut entendre par "taux usuel" au sens de l'art. 88 al. 1 LEx. demeure réservée. En revanche, il ne se justifie pas de déroger à l'art. 76 al. 2 LEx., qui fait courir l'intérêt depuis la prise de possession. Avant cette époque déjà, les acheteurs éventuels du Château de Vernand se seraient sans doute prévalus de l'installation future du stand pour tenter d'obtenir une réduction de prix. Autrement dit, c'est au plus tard à la prise de possession, soit le 20 février 1957, que la propriété du recourant principal a été dévaluée.
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Sachverhalt ab Seite 630 BGE 94 I 628 S. 630 Gekürzter Tatbestand: A.- Das Bundesgesetz (BG) vom 24. Juni 1902 betreffend die elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen (ElG; BS 4 S. 766) verpflichtet den Bundesrat in Art. 3, Vorschriften aufzustellen "zu tunlichster Vermeidung derjenigen Gefahren und Schädigungen, welche aus dem Bestande der Starkstromanlagen überhaupt und aus deren Zusammentreffen mit Schwachstromanlagen entstehen". Gestützt auf Art. 3 ElG hat der Bundesrat am 7. Juli 1933 eine Verordnung über die Erstellung, den Betrieb und den Unterhalt von elektrischen Starkstromanlagen (StV) erlassen (BS 4 S. 798). Diese enthält in Art. 4 folgende allgemeine Sicherheitsvorschriften für Starkstromanlagen: "Starkstromanlagen sind so zu erstellen und zu unterhalten, dass in allen Betriebsfällen eine Gefährdung von Personen und unter den vorauszusehenden Betriebsverhältnissen auch von Sachen vermieden ist ..." In Art. 21 ElG wird die Kontrolle über die Ausführung der in Art. 3 ElG erwähnten Vorschriften, also namentlich der Starkstromverordnung, geregelt. Abgesehen von hier belanglosen Ausnahmen wird die Kontrolle der "Starkstromanlagen mit Inbegriff der elektrischen Maschinen einem vom Bundesrat zu bezeichnenden Inspektorate für Starkstromanlagen" übertragen. Art. 26 ElG enthält eine abweichende Regelung für die BGE 94 I 628 S. 631 Kontrolle von Hausinstallationen. Diese sind vom Lieferanten zu kontrollieren, der "elektrische Kraft an Hausinstallationen abgibt". Der Stromlieferant hat sich beim Starkstrominspektorat über die Ausübung dieser Kontrolle auszuweisen; dieses "kann" sie einer "Nachprüfung" unterziehen. Am 29. Dezember 1947 hat der Bundesrat in Ausführung von Art. 21 Ziff. 3 ElG einen Beschluss über die Bezeichnung des Starkstrominspektorates gefasst (BS 4 S. 911), dessen Art. 2 lautet: "Die nähere Umschreibung der Rechte und Pflichten des Inspektorates in seiner Eigenschaft als eidgenössischer Amtsstelle erfolgt durch einen zwischen dem Post- und Eisenbahndepartement und dem Schweizerischen Elektrotechnischen Verein abzuschliessenden Vertrag." Dieser Vertrag ist am 22./23. Dezember 1947, also einige Tage vor dem soeben erwähnten Bundesratsbeschluss (BRB), abgeschlossen worden. Er wiederholt in Art. 4 u.a. die Aufgaben, die bereits Art. 21 und 26 ElG dem Starkstrominspektorat überbinden. Die StV enthält in den Art. 118 ff., die durch BRB vom 24. Oktober 1949 (AS 1949 S. 1513) und vom 24. Juni 1960 (AS 1960 S. 863) erheblich verändert wurden, eingehende Vorschriften über die Hausinstallationen. Als solche sind laut Art. 118 nicht nur "alle Niederspannungs-Starkstromanlagen in Haupt- und Nebengebäuden aller Art und dazugehörenden Räumen" (Abs. 1 lit. a) und gewisse "Niederspannungs-Einzelanlagen mit Stromerzeugung auf eigenem Grund und Boden" (lit. b) zu betrachten, sondern auch "ortsveränderliche und provisorische Anlagen, die an Anlagen gemäss lit. a und b angeschlossen werden" (lit. c). Ihnen "gleichzustellen" sind ferner "an Niederspannungsnetze angeschlossene Stromverbrauchsanlagen im Freien" (Abs. 2). Art. 121 StV umschreibt die Anforderungen, denen die Materialien und Apparate für Hausinstallationen genügen müssen. Art. 121bis StV enthält in den Absätzen 4 und 5 folgende Vorschriften über die Prüfungspflicht: "Aus dem Ausland eingeführte Installationsmaterialien und elektrische Apparate unterliegen der Prüfungspflicht wie das Material schweizerischen Ursprungs. Zur Kontrolle der Übereinstimmung der Installationsmaterialien und elektrischen Apparate mit den in Art. 121 Abs. 2 genannten BGE 94 I 628 S. 632 Vorschriften lässt das Starkstrominspektorat Nachprüfungen durchführen." Nach Art. 121ter Abs. 1 StV sind die nach Art. 121bis als zulässig anerkannten Installationsmaterialien und elektrischen Apparate durch ein Sicherheitszeichen zu kennzeichnen. Art. 121quarter StV weist den Schweizerischen Elektrotechnischen Verein (SEV) an, über die Durchführung der Prüfungen und der Nachprüfungen sowie über die Erteilung des Sicherheitszeichens ein Reglement aufzustellen, das der Genehmigung durch das Post- und Eisenbahndepartement (jetzt: Eidg. Verkehrs- und Energiewirschaftsdepartement) bedarf. Der SEV hat am 1. April/26. November 1953 das "Reglement für die Prüfung der Elektrischen Installationsmaterialien und Apparate sowie die Erteilung des Sicherheitszeichens (Sicherheitszeichen-Reglement)" erlassen, das am 1. Juli 1954 in Kraft getreten ist. Laut Art. 2 dieses Reglementes werden elektrisches Installationsmaterial und elektrische Apparate als "Material" bezeichnet und gemäss dem - am 12. Juni 1961 geänderten - Art. 4 Abs. 2 wird das Recht, Material in den Verkehr zu bringen, vom Eidg. Starkstrominspektorat in Form einer Bewilligung erteilt. Art. 26 des Reglementes lautet: "Alles Material, das auf Grund von Prüfungen der Materialprüfanstalt und der Bewilligung des Eidg. Starkstrominspektorates gemäss Art. 4 in Verkehr gebracht werden darf, muss mit dem in Art. 27 bzw. 28 festgelegten Sicherheitszeichen versehen sein." Art. 38 bestimmt: "Das eidg. Starkstrominspektorat hat alle zur Befolgung des Sicherheitszeichen-Reglementes notwendigen Massnahmen zu treffen; es hat insbesondere bei missbräuchlicher Verwendung der Bewilligung, des Sicherheitszeichens oder der Prüfergebnisse einzuschreiten." Schliesslich ist noch das vom Starkstrominspektorat am 4. Mai 1956 erlassene Reglement über die Hausinstallationskontrolle zu erwähnen. Nach dessen Art. 8 Abs. 6 hat die "kontrollpflichtige Unternehmung" dem Starkstrominspektorat zu melden, "wenn sich bei den Kontrollen oder bei anderer Gelegenheit ergeben hat, dass prüf- und kennzeichnungspflichtige Installationsmaterialien oder Apparate das vorgeschriebene Prüfzeichen nicht tragen". Nach Art. 14 Abs. 1 dieses Reglementes (in der am 31. Mai 1960 revidierten Fassung) wird "den Elektrizitätswerken empfohlen, in den in Betracht kommenden BGE 94 I 628 S. 633 Geschäften ihres Versorgungsgebietes durch Stichproben oder auf andere Weise Erhebungen im Sinne von Art. 8 und 9 dieses Reglementes zu machen. Die dabei festgestellten Verletzungen der Prüf- und Kennzeichnungspflicht sind dem Eidg. Starkstrominspektorat zu melden. Dieses wird dann die gebotenen Massnahmen ergreifen". Nach Absatz 2 wird das Eidg. Starkstrominspektorat "in Verbindung mit den Elektrizitätswerken die Geschäfte, welche elektrische Installationsmaterialien in Verkehr bringen, über die Prüf- und Kennzeichnungspflicht aufklären". B.- Die Perles Elektrowerkzeuge und Motoren AG in Pieterlen bei Biel stellt Elektrowerkzeuge her, die nur mit dem Sicherheitszeichen des Starkstrominspektorates versehen in Verkehr gebracht werden dürfen. Die Firma erklärt, sie halte sich an die Sicherheitsvorschriften; die Folge davon sei, dass ihre Werkzeuge grösser, schwerer und teurer seien als die Konkurrenzprodukte anderer Firmen, die ohne Sicherheitszeichen in der Schweiz verkauft werden, namentlich solche, die aus dem Ausland eingeführt werden. Die Perles AG ist beim Starkstrominspektorat vorstellig geworden, um zu erreichen, dass auch die Konkurrenzprodukte lückenlos geprüft und andere als mit dem Sicherheitszeichen versehene Werkzeuge nicht mehr in Verkehr gebracht werden. Dieses Begehren wurde seit dem Beginn des Jahres 1965 wiederholt. Seit dem 17. Mai 1965 sandte die Perles AG Durchschriften ihrer Eingaben an das Eidg. Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement (in der Folge abgekürzt: Departement). Am 23. Juli 1965 führte die Perles AG beim Departementsvorsteher Beschwerde. Sie verlangte, dass das Starkstrominspektorat zu vorbehaltloser Anwendung der Art. 3 und 21 ElG sowie der Art. 121, 121bis, 121ter und 121quater StV verhalten werde. Das Departement hat in einem Schreiben vom 22. Dezember 1967 zu dieser Beschwerde Stellung genommen: Das Starkstrominspektorat habe bis zum 11. November 1965 an die Hersteller, Importeure und Wiederverkäufer unzulässiger Elektrowerkzeuge 257 Verkaufsverbote erlassen. Verschiedene Verbände seien darauf beim Departement vorstellig geworden. Dieses habe sämtliche Begehren um Einräumung von Nachfristen für den Vertrieb ungeprüfter Werkzeuge abgelehnt. In der Folge habe es mehr als 30 Beschwerden gegen die Verkaufsverbote BGE 94 I 628 S. 634 des Starkstrominspektorates zu behandeln gehabt. Die Begehren um die Erteilung vorübergehender Ausnahmebewilligungen seien abgewiesen worden. Der Pressedienst des Departementes habe im Dezember 1965 und im Juli 1966 durch Pressemitteilungen Händler und Konsumenten aufgefordert, im Interesse der Sicherheit nur mit dem SEV-Prüfzeichen versehene Werkzeuge anzubieten und zu kaufen. Auch das Starkstrominspektorat sei in der Folge an die Presse gelangt. Das Starkstrominspektorat habe Stichproben durch eigenes Personal durchgeführt und durch grössere Elektrizitätswerke Marktkontrollen anstellen lassen. Das Departement habe in einem Kreisschreiben um die Mithilfe der Kantone ersucht. Die Zollverwaltung habe ein analoges Gesuch mangels gesetzlicher Grundlage abgelehnt. Das Starkstrominspektorat werde angewiesen, weitere Kontroll- und Aufklärungsaktionen durchzuführen. C.- Am 25. Februar 1966 machte die Perles AG beim Eidg. Finanz- und Zolldepartement ein Begehren um Schadenersatz gemäss dem BG vom 14. März 1958 über die Verantwortlichkeit des Bundes und seiner Behördemitglieder und Beamten (Verantwortlichkeitsgesetz, AS 1958 S. 1413) anhängig. Die Perles AG rügte das anfänglich passive, später zögernde Verhalten der angerufenen Instanzen, die viel zu spät gegen ungeprüfte elektrische Apparate und Werkzeuge (namentlich Bohr- und Schleifmaschinen) eingeschritten seien. Die Perles AG verwies darauf, dass im Jahr 1965 für total Fr. 17 658 000.-- Elektrowerkzeuge in die Schweiz eingeführt wurden. Sie machte geltend, dass mindestens ein Drittel dieses Umsatzes ihr zugefallen wäre, wenn das Starkstrominspektorat seine Pflicht erfüllt hätte. Es sei ihr infolgedessen ein Gewinn von Fr. 4 727 700.-- entgangen. Das Eidg. Finanz- und Zolldepartement hat den Anspruch der Perles AG am 6. Juni 1966 bestritten. D.- Mit Klageschrift vom 21. November 1966 gegen die Eidgenossenschaft und den SEV verlangt die Perles AG: "Die Beklagten seien solidarisch schuldig und zu verurteilen, der Klägerin einen Betrag von Fr. 5 000 000.--, eventuell von richterlich zu bestimmender Höhe, nebst Zins zu 5 % seit wann rechtens zu bezahlen. Eventuell: 1. Der Zweitbeklagte sei schuldig und zu verurteilen, der Klägerin BGE 94 I 628 S. 635 einen Betrag von Fr. 5 000 000.-- nebst Zins zu 5 % seit wann rechtens zu bezahlen. 2. Die Erstbeklagte sei schuldig und zu verurteilen, der Klägerin den ungedeckten Betrag zu bezahlen, soweit der Zweitbeklagte den ihm zur Zahlung auferlegten Betrag nicht zu leisten vermag." Der Begründung ist zu entnehmen: a) Zum Verfahren: Der eingeklagte Anspruch ergebe sich aus Art. 10 VG . Der Bund hafte direkt, weil das Starkstrominspektorat ausdrücklich als eidgenössisches Amt erklärt und als Organ des Eidg. Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartementes eingesetzt sei. Zudem sei auch das Departement seiner Aufsichtspflicht über den SEV und das Starkstrominspektorat erst nachgekommen, als die Klägerin Beschwerde geführt habe. b) Zur Sache: Wie wichtig die Kontrollen seien, ergebe sich daraus, dass von 1953 bis 1962 im Jahresdurchschnitt (Transportanstalten nicht eingerechnet) 16 Personen getötet und 231 verletzt worden seien. Allein 1961/62 seien 9 Personen durch Unfälle an transportablen Motoren getötet worden. Nach Anpassung an die Vorschriften seien die Werkzeuge der Klägerin schwerer verkäuflich gewesen, weil die Konkurrenzprodukte wegen Fehlens der Sicherheitsvorrichtungen eine handlichere Form aufwiesen und billiger verkauft werden konnten. Damals sei der Markt überflutet worden durch Importprodukte, die ohne Prüfung in Verkehr gesetzt wurden. In Einzelfällen seien die Werkzeuge der Klägerin bei der Prüfung beanstandet und deren Verkauf verboten worden. Das habe die Lage der Klägerin noch mehr erschwert gegenüber den Fabrikanten und Importeuren, die sich über die Prüfvorschriften hinwegsetzen konnten, ohne behelligt zu werden. Im April 1964 habe sie an der Basler Mustermesse zwei Bohrmaschinen ausgestellt gehabt, wie die Konkurrenz sie zu verkaufen pflege. Auf Aufforderung des Starkstrominspektorates habe sie sie zur Prüfung eingereicht. In der Folge seien die Maschinen verboten worden. Unter grossem Aufwand seien die beiden Maschinen durch neue Typen ersetzt worden, die aber schlechter verkäuflich gewesen seien als ihre Vorgänger. Die gewissenhafte Befolgung der Vorschriften habe die Klägerin ganz allgemein dazu genötigt, unwirtschaftlich zu fabrizieren. An einer Besprechung vom 28. Januar 1965 habe das Starkstrominspektorat in Aussicht gestellt, die Hersteller und Importeure nicht geprüfter Maschinen schriftlich auf die Rechtslage BGE 94 I 628 S. 636 aufmerksam zu machen und sie darauf hinzuweisen, dass die nicht geprüften und bewilligten Elektrowerkzeuge nicht mehr in Verkehr gebracht werden dürfen. Die versprochene Aufklärung der interessierten Kreise werde das Inspektorat - entsprechend den Vorschlägen der Klägerin - in verschiedenen Fachzeitschriften veröffentlichen. Diese versprochenen Veröffentlichungen seien aber nie erschienen. Mit Eingabe vom 23. Juli 1965 habe sich die Klägerin an das Departement gewendet. Trotz mehrerer Besprechungen auf dem Generalsekretariat des Departementes sei das Starkstrominspektorat passiv geblieben. Erst im Sommer 1965 sei das Inspektorat an die Importeure gelangt mit der Aufforderung, die Prüfung der in den Verkehr zu bringenden Werkzeuge zu veranlassen. Schlimm habe sich das Fehlen einer Marktkontrolle ausgewirkt. Erst zu Ende Oktober 1965 seien Verkaufsverbote ergangen; bis zum 11. November 1965 seien dann 282 (recte 257) Verbote erlassen worden. Weil das Inspektorat deren Befolgung nicht überprüft habe, hätten sich sogar grosse Geschäfte über die Verbote hinweggesetzt. Schliesslich erklärt die Klägerin, dass der Betrag von Fr. 4 727 700.-- den bis Ende Februar 1966 eingetretenen Schaden darstelle. Infolge der ab Ende 1965 ergriffenen Massnahmen habe sich die Lage gebessert, doch sei damit der gesetzmässige Zustand nicht erreicht, weshalb der Schadenersatzanspruch auf 5 Millionen Franken beziffert werde. E.- Die Schweiz. Eidgenossenschaft, vertreten durch die Eidg. Finanzverwaltung, beantragt mit Antwort vom 15. März 1967, die Klage sei abzuweisen. Sie macht geltend, dass der SEV primär, der Bund subsidiär für den von der Klägerin behaupteten Schaden einzustehen hätte, dass aber die Forderung gegen beide Beklagten unbegründet sei. F.- Mit Antwort vom 15. März 1967 beantragt auch der SEV die Abweisung der Klage. Er bestreitet, dass das Starkstrominspektorat seine Obliegenheiten verletzt habe. G.- In der Replik vom 28./30. Juni 1967 hält die Klägerin an ihrem Klagebegehren fest, ebenso an den tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen. H.- In den Duplikschriften vom 6. Dezember 1967 halten die Eidg. Finanzverwaltung und der SEV an ihrer Ablehnung des Klagebegehrens fest. I.- Am 24. Februar 1967 hat die Perles AG beim Eidg. BGE 94 I 628 S. 637 Finanz- und Zolldepartement eine Forderung geltend gemacht für den Schaden, der ihr aus den in der ersten Klage angegebenen Gründen seit dem 26. Februar 1966 bis zum 24. Februar 1967 entstanden sei. Am 24. November 1967 hat sie beim Bundesgericht eine weitere Klage gegen die Schweizerische Eidgenossenschaft und den SEV angehoben, wobei die Rechtsbegehren - analog denen der Hauptklage - auf Bezahlung von mindestens Fr. 300'000.-- gehen. K. - Mit Antwort vom 15. Februar 1968 beantragen die Schweiz. Eidgenossenschaft und der SEV die Abweisung der zweiten Klage. Das Bundesgericht weist beide Klagen ab.
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2,588
Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Mit den Klagen vom 21. November 1966 und vom 24. November 1967 werden gestützt auf Art. 3 und 19 VG der Bund und der SEV haftbar gemacht für den Schaden, den die Klägerin dadurch erlitten habe, dass das Starkstrominspektorat und das Eidg. Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement ihre Kontrollpflichten nicht erfüllt hätten. Gegenüber dem Bund ist nach Art. 10 Abs. 1 VG die Zuständigkeit des Bundesgerichtes im Sinne von Art. 110 ff. OG gegeben. Für die Klagen nach Art. 19 VG fehlt eine Vorschrift. Es ist aber nicht zweifelhaft, dass die gleiche Instanz, die über streitige Ansprüche gegen den Bund oder des Bundes aus dem Verantwortlichkeitsgesetz zu entscheiden hat, auch für solche Ansprüche gegenüber den vom Bund mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen und für deren Regressansprüche gegen ihre Organe und Beamten zuständig sein muss. Das ergibt sich zwingend schon aus dem Sachzusammenhang. Wo - was die Regel sein dürfte - die Haftung sowohl der Organisation als auch des Bundes geltend gemacht wird, drängt sich die Verbindung der beiden Klagen und ihre Beurteilung in einem gemeinsamen Entscheid auf: Wären nämlich verschiedene Gerichte zuständig, so würde nicht nur dieser prozessökonomische Vorteil entfallen, sondern es bestünde die Möglichkeit einander widersprechender Urteile über dieselbe Rechtsfrage, was verhindert werden muss. Die Lücke im Verantwortlichkeitsgesetz ist deshalb dahin auszufüllen, dass Art. 10 sinngemäss auch auf die Haftung der mit besondern Aufgaben des Bundes betrauten Organisationen und auf deren Rückgriff gegen ihre Angestellten BGE 94 I 628 S. 638 gemäss Art. 19 anzuwenden ist, dass also auch solche Klagen vom Bundesgericht als einziger Instanz zu beurteilen sind (in diesem Sinne auch KAUFMANN, Haftung des Staates für rechtswidriges Verhalten seiner Organe, Publikation mit gleichem Titel des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg 1967, S. 566/7). 2. Die Forderungen, welche die Klägerin in den beiden Prozessen gegen die Eidgenossenschaft und den SEV eingeklagt hat, beruhen teils auf demselben Tatbestand, teils auf gleichartigen Tatbeständen. Es werden in beiden Klageschriften die gleichen Rechtssätze angerufen und die gleichen Schlussfolgerungen gezogen. Unter diesen Umständen rechtfertigt es sich nach Art. 24 BZP in Verbindung mit Art. 40 OG , die beiden Klagen vor dem Bundesgericht als einziger Instanz in einem Verfahren zusammenzufassen und sie durch einen einzigen Entscheid zu beurteilen. 3. Durch den BRB über die Bezeichnung des Starkstrominspektorates vom 29. Dezember 1947 und den gestützt daraufzwischen dem Departement und dem SEV abgeschlossenen Vertrag (vom 22./23. Dezember 1947) ist die Kontrolle über die Starkstromanlagen dem Starkstrominspektorat des SEV übertragen worden. Das ist ein Musterfall der Betrauung einer ausserhalb der Bundesverwaltung stehenden Organisation mit einer öffentlichen Aufgabe. Hieran vermag der Umstand nichts zu ändern, dass in Art. 2 des Bundesratsbeschlusses vom 29. Dezember 1947 das Starkstrominspektorat als eidgenössische Amtsstelle bezeichnet wird. Das Starkstrominspektorat ist denn auch schon vor dem Inkrafttreten des Elektrizitätsgesetzes durch den SEV ins Leben gerufen worden. Nach dem Erlass des Gesetzes übertrug der Bundesrat durch Beschluss vom 23. Januar 1903 "bis auf weiteres" diesem Inspektorat die amtlichen durch das Gesetz umschriebenen Befugnisse (E. FEHR, das Schweiz. Elektrizitätsrecht, in Führer durch die schweizerische Wasser- und Elektrizitätswirtschaft, Bd. II, S. 128). Folgerichtig sieht das Bundesgesetz über die Änderung der Organisation der Bundesverwaltung in Art. 35/VII Abs. 2 vor, dass der Bundesrat mit der Führung des Starkstrominspektorates eine ausserhalb der Bundesverwaltung stehende geeignete Organisation betrauen kann. Soweit sich die Klage auf Fehler des Starkstrominspektorates gründet, ist daher gemäss Art. 19 VG der SEV verantwortlich und haftet der Bund nur für den ungedeckten Schaden. BGE 94 I 628 S. 639 Dem entspricht das Eventualbegehren der Klagen; darauf ist deshalb einzutreten. Die Klägerin macht aber auch Fehler des Departementes geltend. Dafür haftet der Bund, nicht aber der SEV. Eine solidarische Haftung der beiden kommt nicht in Frage, da hiefür eine gesetzliche Grundlage fehlt. Doch ist in dem Begehren auf ihre solidarische Verurteilung auch dasjenige auf Verurteilung des Bundes - und zwar direkt für den ganzen Schaden, nicht nur für den Ausfall - enthalten. In diesem eingeschränkten Sinne ist auch auf das Hauptbegehren einzutreten. 4. Ist die Klägerin durch Personal, für das der Bund nach Art. 1 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 VG einzustehen hat, in Ausübung amtlicher Tätigkeit geschädigt worden, so hat der Bund der Klägerin den Schaden zu ersetzen, wenn er ihr widerrechtlich zugefügt wurde. Entsprechendes gilt für den Schaden, den die Angestellten des SEV der Klägerin in Ausübung der vom Bunde übertragenen Aufgabe widerrechtlich zugefügt haben (vgl. Art. 1 Abs. 1 lit. f VG ); denn ausschlaggebend ist, dass dem Schädiger eine öffentliche Aufgabe der Eidgenossenschaft übertragen ist. Ob er überhaupt in einem Dienstverhältnis zum Bunde steht, sei es öffentlichrechtlicher oder privatrechtlicher Natur, ist belanglos (vgl. BGE 88 II 444 Erw. 2). Belanglos ist ferner, ob der Schaden durch Tun oder Unterlassen verursacht wurde. Desgleichen ist nicht massgeblich, ob die als Schädiger in Betracht fallenden Personen ein Verschulden treffe. Die blosse Rechtswidrigkeit der Schädigung genügt (vgl. Art. 3 Abs. 1 VG ; KAUFMANN, a.a.O., S. 558). a) Die Befugnisse und Pflichten des Starkstrominspektorates werden im Vertrag vom 22./23. Dezember 1947 und namentlich in dem vom SEV gestützt darauf erlassenen Sicherheitszeichen-Reglement vom 1. April/26. November 1953 (SZR) geordnet. An dieses Reglement ist auch der Verein selbst und insbesondere sein Organ, das Starkstrominspektorat, gebunden ( BGE 74 I 17 , BGE 76 IV 52 ). aa) Nach Art. 4 und 26 SZR darf nur geprüftes und mit dem Sicherheitszeichen versehenes Material in den Verkehr gebracht werden; das Recht hiezu wird gemäss Art. 4 Abs. 2 vom Starkstrominspektorat in Form einer Bewilligung erteilt. Zu diesem Material gehören auch die hier in Frage stehenden Apparate und Handwerkzeuge. Diese Vorschriften können nur wirksam BGE 94 I 628 S. 640 sein, wenn dafür gesorgt ist, dass alles darunter fallende Material der Prüfung unterworfen wird, und wenn kontrolliert wird, dass keine ungeprüften und nicht mit dem Sicherheitszeichen versehenen Apparate in den Verkehr gebracht werden. Weiteres Erfordernis wäre sodann eine Aufklärung der Händler über die geltenden, aber offenbar weitgehend unbekannten Vorschriften gewesen. Diese Aufklärung hat das Starkstrominspektorat in Art. 14 des Reglementes über die Hausinstallationskontrolle selbst vorgeschrieben. Die Kontrollen sind Aufgabe des Starkstrominspektorates, das nach Art. 38 SZR alle zur Befolgung des Reglementes notwendigen Massnahmen zu treffen hat. Insbesondere trifft diese Pflicht nicht die Materialprüfungsanstalt, der nur die Durchführung der Materialprüfung obliegt. bb) Dass das Starkstrominspektorat diese Pflicht vernachlässigt hat, geht aus der Tatsache hervor - die ihm nicht unbekannt sein konnte -, dass sich hunderte von ungeprüften Maschinen und Werkzeugen im Verkehr befanden; denn seine Liste der geprüften und mit einem Sicherheitszeichen versehenen Materialien umfasste nur einige Dutzende von Haushaltmaschinen und Handwerkzeugen. Nach seiner eigenen Angabe stellte dieser Anteil 40% des gesamten auf dem Markt angebotenen Materials dar. Erst auf Beschwerde der Klägerin hin ist das Inspektorat tätig geworden und hat innert 2 Monaten diesen Anteil auf 60% erhöht und gleichzeitig einige hundert Verkaufsverbote erlassen. Auch der Aufklärungspflicht hat das Starkstrominspektorat nicht genügt. Dies fällt umso mehr ins Gewicht, als das Starkstrominspektorat der Klägerin die Aufklärung der Händler und Käufer ausdrücklich versprochen, dieses Versprechen aber nicht gehalten hat. Es steht also fest, dass das Starkstrominspektorat seine Kontrollpflicht verletzt hat. cc) Was der SEV dagegen vorbringt, dringt nicht durch: Der SEV macht zunächst geltend, das Starkstrominspektorat habe keine Marktkontrolle vorzunehmen, da es bei den Hausinstallationen nur die Oberaufsicht ausübe und die Elektrizitätswerke die eigentliche Aufsicht durchzuführen hätten. In Art. 4 des Vertrages vom 22./26. Dezember 1947 wird unter lit. b, e und n als zu den Aufgaben des Starkstrominspektorates gehörend bezeichnet: - laut lit. b die "Kontrolle gemäss Art. 21, Alinea 3, des ElG über die Ausführung der in Art. 3 des ElG erwähnten Vorschriften", BGE 94 I 628 S. 641 - laut lit. e die "Nachprüfung der Kontrolle der Hausinstallationen ( Art. 26 ElG )", - laut lit. n "alle aus den Verordnungen sich ergebenden weiteren Verpflichtungen". Im Bereich des Art. 21 Ziff. 3 ElG und speziell für die dort erwähnten "elektrischen Maschinen" ist das Starkstrominspektorat das primäre und zentrale Kontrollorgan. Für die Hausinstallationen ( Art. 26 ElG ) ist es nur sekundäres Kontrollorgan; die primäre Kontrolle obliegt den Lieferwerken (in gleichem Sinne: RUCK, Schweiz. Elektrizitätsrecht, S. 128). Weder das Elektrizitätsgesetz noch die Vollzugserlasse definieren den Begriff der Maschine. Gleichwohl ist nicht zu bezweifeln, dass es sich bei den Werkzeugen, welche die Klägerin herstellt, und auch bei den von ihr beanstandeten Konkurrenzprodukten um Maschinen im Sinne des Art. 21 Ziff. 3 ElG handelt, nämlich um Instrumente, die durch Verwendung elektrischen Stroms Arbeit leisten. Die Erzeugnisse der Klägerin sind denn auch in den Bewilligungen und Korrespondenzen des Starkstrominspektorates als Bohrmaschinen und Schleifmaschinen bezeichnet. Wollte man aber mit dem SEV annehmen, die erwähnten Maschinen seien, weil sie an Hausinstallationen angeschlossen werden können (Art. 118 lit. c StV), den Hausinstallationen "gleichzustellen", so käme man zu keinem andern Ergebnis. Für das Installationsmaterial und für die an Hausinstallationen anzuschliessenden "Apparate" bestehen laut Art. 121bis StV dieselben Sicherheitsvorschriften wie für die elektrischen Maschinen. Wohl hätte das Starkstrominspektorat dann lediglich eine sekundäre Kontrollpflicht gemäss Art. 26 ElG und Art. 4 lit. e des Vertrages und damit eine blosse "Oberaufsicht" gemäss Art. 123 Abs. 5 StV. Das vom SEV gestützt auf Art. 121quater Abs. 1 StV erlassene Sicherheitszeichen-Reglement macht die Befugnis, "Material" in Verkehr zu bringen, ganz allgemein von der Bewilligung des Starkstrominspektorates abhängig (Art. 4 Abs. 2), und nach Art. 38 hat das Starkstrominspektorat "alle zur Befolgung des Sicherheitszeichen-Reglements notwendigen Massnahmen zu treffen". Das aber schliesst wiederum die Pflicht ein, dafür zu sorgen, dass ungeprüftes Material nach Ablauf der Toleranzfristen (1. Juli 1965) aus dem Verkehr verschwindet. Der SEV macht weiter geltend, er habe eine Aufklärung unterlassen, weil sie Zweifel an der Verbindlichkeit der Vorschriften BGE 94 I 628 S. 642 hätte erwecken können. Indessen ist nicht verständlich, weshalb das Starkstrominspektorat die Öffentlichkeit nicht zum mindesten darauf hingewiesen hat, dass ab dem 1. Juli 1965 auch im Detailhandel nur noch mit dem Sicherheitszeichen versehene Werkzeuge abgegeben werden dürfen; denn mit dieser Unterlassung verstiess das Inspektorat - jedenfalls was die Instruktion der Verkäufer betrifft - gegen Art. 14 Abs. 2 des von ihm selbst erlassenen Reglementes über die Hausinstallationskontrollen. Die wenigen Zeilen in den "Mitteilungen aus den Technischen Prüfanstalten des SEV" vom 1. Mai 1965 erfüllten die Aufgabe nicht; die sämtliche Detailverkäufer betreffende Änderung der Rechtslage ab 1. Juli 1965 wurde überhaupt nicht erwähnt. Der SEV versucht schliesslich, die Untätigkeit des Starkstrominspektorates mit finanziellen Gründen zu entschuldigen. Der SEV war frei, den Vertrag mit dem Bund abzuschliessen oder nicht. Der durch den Vertrag übernommenen Aufgabe konnte er sich aber nicht aus angeblichen finanziellen Gründen entziehen. Der Vorwurf, das Starkstrominspektorat habe widerrechtlich gehandelt, ist daher berechtigt. b) Nicht stichhaltig ist der gleiche Vorwurf gegenüber dem Departement; denn nach den Akten hat dieses vom Versagen des Starkstrominspektorates erstmals durch das Schreiben der Klägerin vom 17. Mai 1965 mit Briefkopien und dann namentlich durch die Beschwerde vom 23. Juli 1965 Kenntnis erhalten. Es hat diese als Anzeige behandelt und ist eingeschritten. Es hat selbst für Aufklärung über die bestehenden Vorschriften gesorgt. Endlich hat das Departement das Starkstrominspektorat veranlasst, die Prüfung von hunderten von Maschinen und Werkzeugen nachzuholen und für die nicht bewilligten Verkaufsverbote zu erlassen. Eine rechtswidrige Schädigung der Klägerin durch den Bund ist ausgeschlossen, da das Departement die ihm übertragene Oberaufsicht (vgl. RUCK, Schweiz. Elektrizitätsrecht, S. 162/3) nicht verletzt hat. 5. Mit Bezug auf den SEV stellt sich die weitere Frage, ob die Klägerin aus der Verletzung seiner Pflichten einen Schadenersatzanspruch herleiten kann, d.h. ob die verletzten Vorschriften zu ihrem Schutze erlassen worden sind. Nach der vom Bundesgericht in ständiger Praxis angewandten und auch von der Lehre anerkannten objektiven Theorie ist ein Verhalten nur dann widerrechtlich im Sinne der Begründung eines BGE 94 I 628 S. 643 Schadenersatzanspruches, wenn es gegen Gebote und Verbote der Rechtsordnung verstösst, die dem Schutze des verletzten Rechtsgutes dienen ( BGE 30 II 571 /2, BGE 41 II 685 , BGE 82 II 28 , BGE 88 II 280 /1, BGE 90 II 279 ; KAUFMANN, a.a.O., S. 570). Sind die verletzten Rechtssätze nicht zum Schutze des Geschädigten erlassen worden, so fehlt es am adäquaten Kausalzusammenhang zwischen der widerrechtlichen Handlung und dem Schaden (VON TUHR/SIEGWART, Allgemeiner Teil des OR, 2. Aufl., Bd. I, S. 355/6; OFTINGER, Schweizerisches Haftpflichtrecht, 2. Aufl., Bd. I S. 49/5o und 113/4; VON BÜREN, Schweizerisches OR, Allgemeiner Teil, S. 51; BGE 30 II 572 , BGE 75 II 212 /3, BGE 79 II 438 ). Diese Grundsätze gelten im Schadenersatzrecht allgemein und daher ebenfalls nach Art. 3 und 19 VG (vgl. BGE 91 I 452 E. 3). Die Vorschriften über die Kontrolle der elektrischen Maschinen und Werkzeuge sind ausschliesslich zum Schutze von Personen und Sachen gegen die vom elektrischen Strom ausgehenden Gefahren erlassen worden (vgl. insbesondere Art. 3 ElG und Art. 4 StV; in diesem Sinn auch NESS, Die öffentliche Stellung der Installateure elektrischer Anlagen auf Grund der Elektrizitätsgesetzgebung des Bundes, S. 73 Anm. 3). Sie haben nichts mit dem Wettbewerb zu tun. Wenn sie sich auch darauf auswirken, so ist das lediglich eine Reflexwirkung. Nun hat die Klägerin bei ihren Begehren an das Inspektorat die mögliche Nebenwirkung - nämlich die Verbesserung ihrer eigenen Position im wirtschaftlichen Wettbewerb - nicht nur zur Hauptsache, sondern zum alleinigen Ziel ihrer Vorstösse gemacht. Schon im Brief vom 29. Januar 1965, mit dem sie dem Starkstrominspektorat das Verhandlungsergebnis vom Vortage bestätigte, machte sie keine öffentlichen Interessen geltend, sondern lediglich den Umstand, ihr "Marktanteil" sei durch die Konkurrenz "wesentlich beeinträchtigt", weil die Konkurrenz den Vorschriften nicht entsprechende Werkzeuge "billiger und handlicher in den Verkehr" bringe. "Diese Situation" - nicht etwa die für Verkäufer und Verbraucher bestehende Gefahr - wurde als "untragbar" bezeichnet. Im Schreiben vom 17. Mai 1965 ist wiederum nur von der "unhaltbaren Situation" im Wettbewerb mit der Konkurrenz die Rede. Auch im Brief vom 1. Juni 1965 erwähnt die Klägerin als Grund zum Einschreiten ausschliesslich ihre "täglichen Umsatzeinbussen". Am 2. November 1965 beklagte sich die Klägerin BGE 94 I 628 S. 644 darüber, dass vorgesehen sei, das ganze Sortiment der Firma Black & Decker noch bis zum Jahresende durchzuprüfen; derart habe für sie "jede Aktion und Strafanzeige keinen Sinn mehr" und sie könne sich daher "alle weitere Mühe und Kosten ersparen". Damit hat sie wiederum bestätigt, dass es ihr nicht um die Beseitigung von Gefahrenquellen ging. Wenn die Klägerin wegen des Versagens des Starkstrominspektorates im Konkurrenzkampf benachteiligt und geschädigt wurde, wie sie behauptet, so wurde sie nicht in einem durch die erwähnten Vorschriften geschützten Rechtsgut verletzt. Auch im vorliegenden Fall muss sich aber die Rechtswidrigkeit auf das geschützte Rechtsgut beziehen. Adäquate Ursache des von der Klägerin angeblich erlittenen Schadens ist somit nicht das Versagen des Starkstrominspektorates, sondern allenfalls unlauterer Wettbewerb ihrer Konkurrenten. Ob der Klägerin gegen ihre Konkurrenten Ansprüche aus Art. 2 Abs. 1 lit. d UWG zustehen, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen. 6. ...
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Erwägungen ab Seite 33 BGE 133 V 33 S. 33 Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Streitig ist, ob der Beschwerdeführer über eine den Regelungen des Schweizerischen Verbandes der Leiter medizinisch-analytischer Laboratorien BGE 133 V 33 S. 34 (Foederatio Analyticorum Medicinalium Helveticorum; nachfolgend: FAMH) gleichwertige Weiterbildung im Sinne von Art. 42 Abs. 3 Satz 2 KLV verfügt. Das Eidgenössische Departement des Innern hat dies verneint, da weder mit Bezug auf eine monodisziplinäre FAMH-Weiterbildung in einem der vom Gesuchsteller gewünschten Bereiche (Hämatologie, klinische Chemie, klinische Immunologie und medizinische Mikrobiologie) noch mit einer pluridisziplinären FAMH-Weiterbildung die zeitlichen und inhaltlichen Voraussetzungen erfüllt seien. 2.2 Der Beschwerdeführer rügt eine unrichtige Auslegung des Begriffs der gleichwertigen Aus- und Weiterbildung im Sinne von BGE 133 V 33 S. 35 Art. 54 Abs. 3 KVV in Verbindung mit Art. 42 Abs. 3 KLV und Art. 9 FZA . Zudem gelte nach Art. 2 FZA ein Diskriminierungsverbot für Staatsangehörige einer Vertragspartei. Der private FAMH- Weiterbildungstitel sei zwar in Anhang III des Freizügigkeitsabkommens nicht formell geregelt, doch müsse das Landesrecht in dessen Sinn und Geist ausgelegt werden. Gerügt wird weiter, dass eine gleichwertige und nicht eine identische Aus- und Weiterbildung von Leitern medizinisch-analytischer Laboratorien vorausgesetzt werde. Dabei sei die Prüfung der Gleichwertigkeit nach materiellen und inhaltlichen Kriterien und nicht nach einem zahlenmässigen System durchzuführen. Seit 1992 führe er den Titel eines Laborarztes mit Gültigkeit für ganz Deutschland und alle EU-Länder. Zudem sei er von 1993 bis 2001 Mitinhaber einer Gemeinschaftspraxis für Labormedizin in Nürnberg gewesen und habe somit während mehr als acht Jahren ein Labor im Sinne von Art. 54 Abs. 3 KVV geführt. Ausserdem habe die Vorinstanz das rechtliche Gehör verletzt, indem sie nicht geprüft habe, ob seine Aus- und Weiterbildung trotz formaler Unterschiede und unter Mitberücksichtigung seiner praktischen Erfahrung inhaltlich der FAMH-Qualifikation gleichwertig sei. (...) 9. (...) 9.4 Bei diesen Gegebenheiten erscheint die Frage berechtigt, ob nicht ein Teil der effektiv ausgeübten Tätigkeit als Laborleiter angerechnet oder zumindest mitberücksichtigt werden kann. Nach den Übergangsbestimmungen des Reglements-FAMH wird innerhalb bestimmter Grenzen eine praktische Tätigkeit als Weiterbildung angerechnet. Dabei wird unter praktischer Erfahrung eine hauptamtliche Tätigkeit verstanden, welche dem Inhalt des Lernzielkatalogs entspricht (vgl. Ziff. 8.1 Abs. 1). Es betrifft dies insbesondere den monodisziplinären Titel "Spezialist für medizinisch- genetische Analytik FAMH" (Ziff. 8.1 Abs. 2) und den monodisziplinären Titel "Spezialist für hämatologische Analytik FAMH" gemäss Ziff. 8.2 Abs. 2 sowie den pluridisziplinären Titel (inkl. medizinisch-genetische Analytik; Ziff. 8.3). Ohne dass das Reglement-FAMH eine abschliessende Übergangsordnung enthält, können in diesen Fällen unter bestimmten Voraussetzungen jeweils zwei Jahre praktischer Haupttätigkeit als ein Jahr Weiterbildung angerechnet werden. Dies zeigt, dass nach dem System der Regelungen der FAMH in Bezug auf den Ausbildungsstand und die BGE 133 V 33 S. 36 Fachkenntnisse eine Weiterbildungszeit durch eine Zeit praktischer Tätigkeit kompensiert werden kann. In diesem Rahmen wird somit Gleichwertigkeit angenommen. Auch Art. 11 Abs. 3 lit. a der Verordnung vom 17. Oktober 2001 über die Weiterbildung und die Anerkennung der Diplome und Weiterbildungstitel der medizinischen Berufe (SR 811.113) sieht die Anrechenbarkeit einer selbstständigen Praxistätigkeit an die geforderte Weiterbildung vor. Die Übergangsbestimmungen kommen Personen zugute, die während ihrer Weiterbildung oder Praxistätigkeit in zeitlicher Hinsicht noch nicht den zur Diskussion stehenden Vorschriften unterstanden. Eine in die Schweiz einwandernde Person befindet sich in einer vergleichbaren Situation, indem sie während ihrer Weiterbildung oder Praxistätigkeit in räumlicher Hinsicht noch nicht den zur Diskussion stehenden Vorschriften unterstand. Die Richtlinien der FAMH sind so auszulegen, dass sie sich für Laborleiter aus dem EU-Raum nicht ungünstiger auswirken als auf Personen mit einer in der Schweiz abgeschlossenen Aus- und Weiterbildung. Daher kann die praktische Tätigkeit bei der Prüfung der Gleichwertigkeit nicht gänzlich ausser Acht gelassen werden. Vielmehr ist sie angemessen zu berücksichtigen. Im Zusammenhang mit der Gleichwertigkeit ausländischer Aus- oder Weiterbildung in durch keine Richtlinie geregelten Sachverhalten hat der EuGH übrigens erwogen, die mit einem Antrag auf Zulassung zu einem Beruf befasste Behörde, dessen Aufnahme nach nationalem Rechtvom Besitz eines Diploms oder einer beruflichen Qualifikation oder von Zeiten praktischer Erfahrung abhänge, habe sämtliche Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Befähigungsnachweise sowie die einschlägige Erfahrung der betroffenen Person in der Weise zu berücksichtigen, dass sie die durch diese Nachweise und diese Erfahrung belegten Fachkenntnisse mit den nach nationalem Recht vorgeschriebenen Kenntnissen und Fähigkeiten vergleiche. Führe diese vergleichende Prüfung der Diplome und der entsprechenden Berufserfahrung zu der Feststellung, dass die durch das im Ausland ausgestellte Diplom bescheinigten Kenntnisse und Fähigkeiten einander nur teilweise entsprechen, so könne die zuständige Behörde vom Betroffenen den Nachweis verlangen, dass er die nicht belegten Kenntnisse und Fähigkeiten tatsächlich erworben habe (Urteile des EuGH vom 14. September 2000 in der Rechtssache C-238/98, Hocsman , Slg. 2000, I-6623; vom 7. Mai 1991 in der Rechtssache C-340/89, Vlassopoulou , Slg. 1991, I-2357 und BGE 133 V 33 S. 37 vom 22. Januar 2002 in der Rechtssache C-31/00, Conseil national de l'ordre des architectes/Nicolas Dreessen , Slg. 2002, I-663; vgl. auch JACQUES PERTEK, L'Europe des professionnels de la santé, in: Nihoul/Simon [Hrsg.], L'Europe et les soins de santé, Brüssel 2005, S. 231 ff.). Aufgrund der Akten ist allerdings nicht ersichtlich, ob die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Laborleiter in Deutschland von ihrem Inhalt her als dem Lernzielkatalog der FAMH entsprechend bewertet werden kann. 9.5 (Rückweisung zu ergänzender Sachverhaltsabklärung und neuem Entscheid)
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Sachverhalt ab Seite 55 BGE 92 I 55 S. 55 A.- Dame X, épouse du recourant, a travaillé dès mars 1959 comme auxiliaire au service d'une administration publique. Au début, son engagement était temporaire et elle était payée à l'heure. Son occupation augmenta progressivement et, dès 1962, dame X. était occupée à plein temps. Au 1er janvier 1963, elle a été nommée fonctionnaire avec traitement mensuel. Le temps d'occupation et le gain de dame X. se sont développés comme il suit au cours des années 1958 à 1963: BGE 92 I 55 S. 56 1958 705 heures fr. 1727.-- 1959 997 " " 2641.-- 1960 1638 " " 4796.-- 1961 1835 " " 6164.70* 1962 plein temps (env. 2100) " 8352.30 1963 plein temps (fonctionnaire) " 8684.-- * y compris l'indemnité de vacances versée en 1962. B.- Pour la 11e période (1961-62) de l'impôt de défense nationale, la Commission d'impôt du district taxa le recourant sur la base du revenu moyen de la période de calcul (1959-1960). En revanche, l'Administration cantonale des impôts établit une taxation intermédiaire à partir du 1er janvier 1962, en prenant pour base de calcul le revenu de l'année 1962. Elle motivait cette taxation comme il suit: "Modification durable du revenu de votre épouse ensuite du passage, le 1er janvier 1962, d'une activité accessoire à celui d'une activité régulière principale." Le contribuable adressa une réclamation, mais au lieu de prendre une décision sur la réclamation, conformément à l'art. 105 AIN, l'Administration cantonale envoya le dossier à la Commission cantonale de recours. Celle-ci entra en matière sur la réclamation comme s'il s'agissait d'un recours; elle annula la taxation et renvoya la cause à l'autorité de première instance pour nouvelle taxation, estimant que c'était dès le 1er janvier 1963 qu'une taxation intermédiaire se justifiait. "La situation de l'intéressée, dit-elle, toujours rétribuée à l'heure avec certaines améliorations, n'est devenue stable, voire définitive que dès le 1er janvier 1963, date de sa nomination comme employée, dans le cadre des fonctions publiques cantonales, à la suite d'une extension de ses responsabilités. Bien qu'une circonstance de cette nature n'ait pas une valeur absolument définitive en soi, elle se révèle cependant ici déterminante." C.- X. a déposé un recours de droit administratif contre cette décision. Il demande que la Cour de céans annule celle-ci et principalement qu'elle dise qu'il n'y a pas lieu à taxation intermédiaire, subsidiairement qu'elle renvoie la cause à la Commission cantonale de recours pour nouvelle décision. L'Administration cantonale des impôts a recouru de son côté en concluant à l'annulation de la décision de la Commission cantonale de recours et au rétablissement de la taxation fixée BGE 92 I 55 S. 57 par elle-même. Ce recours a été laissé en suspens jusqu'à la solution de la présente cause. La Commission cantonale de recours et l'Administration fédérale des contributions concluent au rejet du recours.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. Le recourant reproche à juste titre à l'autorité de taxation de ne s'être pas prononcée sur sa réclamation. Cette autorité aurait en effet dû observer la procédure prévue à l'art. 105 AIN, quand bien même dame X. travaillait à son service. On peut toutefois se dispenser d'examiner si cette informalité doit entraîner l'annulation de la décision attaquée, car le recours doit de toute façon être admis pour la raison de fond indiquée ci-après. 2. Lorsque le revenu s'est modifié de façon durable au cours de la période de calcul, l'art. 42 AIN prescrit que, dans certains cas qu'il précise, la taxation du contribuable se fera non pas d'après le revenu annuel moyen de la période de calcul (art. 41 al. 1 et 2 AIN), mais conformément à la règle exceptionnelle de l'art. 41 al. 4, appliquée par analogie. La modification durable du revenu qui est ainsi visée peut, selon le texte clair de la loi, consister soit dans une augmentation, soit dans une diminution. Il s'agit là d'un tempérament apporté au principe que le revenu de la période de calcul est assimilé au revenu de la période fiscale. Ce tempérament doit permettre, dans certains cas où l'application du principe conduit à des résultats particulièrement peu satisfaisants, de mieux adapter la taxation à la capacité contributive, soit en plus, soit en moins (RO 79 I 357). Pour que le mode spécial de taxation de l'art. 41 al. 4 AIN soit applicable en vertu de l'art. 42, deux conditions sont donc nécessaires cumulativement; il faut que le revenu se soit modifié de façon durable et, en outre, que cette modification soit due à l'un ou à l'autre de ces cas particuliers prévus: début ou cessation d'une activité à but lucratif, changement de profession, dévolution pour cause de mort, divorce ou séparation prononcée par le juge. Les seuls cas qui peuvent entrer en considération en la présente espèce sont le début d'une activité à but lucratif et le changement de profession. 3. Les deux juridictions inférieures estiment que X. doit être imposé en vertu de l'art. 42 AIN, en raison du "début d'une activité à but lucratif" de son épouse. L'Administration BGE 92 I 55 S. 58 cantonale fixe ce début au 1er janvier 1962, lorsque dame X. a commencé à travailler à plein temps, tandis que la Commission cantonale de recours le voit au 1er janvier 1963, date de la nomination de l'employée en qualité de fonctionnaire. Toutes deux estiment que c'est à partir du moment où l'occupation a été définitive que l'on peut parler d'une activité à but lucratif. C'est donner à cette notion de "début", une interprétation qu'elle n'a ni dans la langue courante, ni dans la jurisprudence. Exercer une activité à but lucratif, c'est retirer un revenu d'une occupation. Or, dame X., qui est restée sans occupation hors de chez elle au début de son mariage, a recommencé à travailler pour des tiers en 1958. Au cours de ladite année, elle a gagné fr. 1727.-- que la Recette du district lui a versés pour 705 heures de travail, soit à peu près un tiers d'une occupation normale (qui est de 2100 heures environ). Selon la jurisprudence (RO 81 I 233), on se trouve en présence d'une activité à but lucratif, dès que la prestation financière versée par l'employeur ne consiste pas simplement en argent de poche, mais revêt le caractère d'une rétribution pour le travail fourni. Le début de l'activité à but lucratif de dame X. se situe donc bien en 1958. Ce n'est pas ici le lieu d'examiner si cette modification du revenu du recourant avait en 1958 un caractère durable, deuxième condition nécessaire pour l'application de l'art. 42 AIN. Il suffit de constater que ni le 1er janvier 1962, ni le 1er janvier 1963, ne coïncidaient avec le "début de l'activité lucrative" de dame X. 4. Il reste à examiner si la modification de revenu causée par le passage de dame X. au travail à plein temps (1.1.62) ou par sa nomination en qualité de fonctionnaire (1.1.63) peut être considérée comme due à un "changement de profession". Le Tribunal fédéral a examiné déjà ce qu'il faut entendre par cette expression, dans le cadre de l'art. 42 AIN (RO 79 I 354 ; 81 I 233 ). Il ne se justifie pas de donner au terme profession (Beruf, professione) son sens le plus large et d'admettre comme changement de profession toute modification de l'emploi occupé par le contribuable, c'est-à-dire déjà la simple augmentation ou diminution de traitement ou même le changement de place. Mais il ne faut pas non plus limiter le sens de l'expression "changement de profession" au cas où le contribuable, abandonnant l'état qui était d'abord le sien, en a pris un autre, par exemple au cas où un cultivateur devient gendarme, où un BGE 92 I 55 S. 59 cheminot devient représentant de commerce. On admettra donc qu'il y a changement de profession lorsque le genre ou le mode d'activité qu'exerce le contribuable se sera profondément modifié, soit que le contribuable ait embrassé un autre état, soit qu'à l'intérieur d'un même état sa condition ait fondamentalement changé. Le Tribunal fédéral a admis que tel était le cas, notamment lorsque, sans avoir pris un autre état, un travailleur passe d'une condition dépendante à une condition indépendante (RO 79 I 354) ou lorsque, d'exploitant individuel, il devient membre du conseil d'administration et directeur de l'entreprise transformée en société anonyme (RO 79 I 69). Il a en revanche refusé de voir un changement de profession dans le fait qu'un apprenti était devenu employé (RO 81 I 233). En l'espèce, la question se pose de savoir si l'épouse du recourant a changé de profession le 1er janvier 1963, lorsqu'elle a été nommée fonctionnaire au lieu d'être employée auxiliaire. On relèvera qu'elle n'a pas changé d'état à ce moment; au contraire, elle a continué à exercer exactement la même activité qu'auparavant. C'est son statut par rapport à son employeur qui a été modifié, dans ce sens que son engagement a été plus stable et qu'elle a été retribuée au mois au lieu de l'être à l'heure. Il ne s'agit pas là d'un changement fondamental dans le mode d'activité de dame X. Compte tenu de la jurisprudence exposée plus haut, on doit admettre que ces deux facteurs ne suffisent pas pour que l'on puisse admettre qu'il y a eu changement de profession. A plus forte raison, ne doit-on pas considérer que la modification intervenue le 1er janvier 1962 par le passage de l'occupation partielle au travail à plein temps, a été due à un changement de profession. 5. On doit dès lors considérer que, si le revenu du recourant s'est modifié de façon durable pendant la période de calcul, ce n'est pas en raison du début d'une activité lucrative ni en raison d'un changement de profession de son époux. Il suit de Ià que l'art. 42 AIN n'est pas applicable en l'espèce, et que la taxation pour la 11e période de l'impôt de défense nationale doit se faire sur le revenu de la période de calcul, et non selon la règle de l'art. 41 al. 4 AIN.
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Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Admet le recours et annule la décision attaquée.
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Sachverhalt ab Seite 266 BGE 138 III 265 S. 266 A. Mit Betreibungsbegehren vom 13. Mai 2011 ersuchte die Z. AG das Betreibungsamt A., gegen X. die Betreibung für die Forderungssumme von Fr. 3'876.- nebst Zinsen einzuleiten. Die Betreibungsgläubigerin fügte im Betreibungsbegehren an, dass der Schuldner im November 2011 seine Wohnadresse in B. aufgegeben habe und seither unauffindbar sei, weshalb die Publikation des Zahlungsbefehls gewünscht werde. In der Folge machte das Betreibungsamt den Zahlungsbefehl Nr. 1 durch Publikation im Amtsblatt Basel-Landschaft (...) und im Schweizerischen Handelsamtsblatt (...) bekannt. B. Am 24. Juni 2011 gelangte X. an die Aufsichtsbehörde Schuldbetreibung und Konkurs Basel-Landschaft. Er verlangte die Aufhebung des Zahlungsbefehls Nr. 1, eine Genugtuung von Fr. 1'000.- sowie die Veröffentlichung einer Meldung über die irrtümliche öffentliche Bekanntmachung des Zahlungsbefehls. Das Betreibungsamt teilte in der Vernehmlassung zur Beschwerde mit, dass die Gläubigerin die Betreibung inzwischen zurückgezogen habe und im Übrigen die öffentliche Bekanntmachung des Zahlungsbefehls rechtens gewesen sei. Mit Entscheid vom 23. August 2011 trat die kantonale Aufsichtsbehörde auf die Beschwerde nicht ein. C. Mit Eingabe vom 4. November 2011 (Postaufgabe) hat X. Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Der Beschwerdeführer beantragt (wie im kantonalen Verfahren), der Zahlungsbefehl Nr. 1 sei aufzuheben, eventualiter sei die Unzulässigkeit der Publikation festzustellen; weiter beantragt er die Zusprechung von Fr. 1'000.- als Genugtuung und die Veröffentlichung eines Korrekturvermerks. (...) Das Bundesgericht weist die Beschwerde in Zivilsachen ab. (Auszug)
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt die Anfechtung der öffentlichen Bekanntmachung des Zahlungsbefehls in einer Betreibung, welche die Gläubigerin während des kantonalen Verfahrens zurückgezogen hat. 3.1 Gegen die öffentliche Bekanntmachung eines Zahlungsbefehls, ohne dass die Voraussetzungen nach Art. 66 Abs. 4 SchKG erfüllt sind, kann der Betriebene Beschwerde nach Art. 17 SchKG führen. Zu Recht hat die Aufsichtsbehörde die Anfechtbarkeit innert zehn Tagen nach Kenntnisnahme der öffentlichen Bekanntmachung angenommen (vgl. BGE 64 III 40 E. 1 S. 42; 136 III 571 E. 6.1 S. 573). BGE 138 III 265 S. 267 3.2 Nach der Rechtsprechung kann der Betriebene mit Beschwerde nach Art. 17 SchKG die Aufhebung der öffentlichen Bekanntmachung des Zahlungsbefehls wegen Verletzung von Art. 66 Abs. 4 SchKG verlangen, selbst wenn er rechtzeitig Rechtsvorschlag erhoben hat, da mit der Ediktalzustellung der Betreibungsort in Frage stehen kann ( BGE 34 I 590 E. 4 S. 593) oder Gebühren verbunden sowie moralische Interessen beeinträchtigt sein können ( BGE 36 I 782 E. 1 S. 784; BGE 128 III 465 E. 1 S. 466). Hingegen ist die betreibungsrechtliche Beschwerde unzulässig, wenn damit bezweckt wird, lediglich die Rechtswidrigkeit der öffentlichen Bekanntmachung eines Zahlungsbefehls festzustellen (GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. I, 1999, N. 58 zu Art. 66 SchKG ). Im Allgemeinen muss mit der Beschwerde nach Art. 17 SchKG eine verfahrensrechtliche Korrektur bewirkt werden können, und darf es nie bloss darum gehen, eine Grundlage für die Geltendmachung von Schadenersatz- oder Genugtuungsansprüchen zu schaffen ( BGE 99 III 58 E. 2 S. 60; BGE 118 III 1 E. 2b S. 3; BGE 120 III 107 E. 2 S. 108). 3.3 Streitpunkt ist, ob die Voraussetzungen zur Anfechtung der öffentlichen Bekanntmachung des Zahlungsbefehls mit Beschwerde nach Art. 17 SchKG gegeben sind. 3.3.1 Es steht fest, dass die Gläubigerin am 28. Juni 2011 - während des kantonalen Beschwerdeverfahrens - unter Hinweis darauf, dass der Beschwerdeführer allen seinen Verpflichtungen nachgekommen sei, gegenüber dem Betreibungsamt den Rückzug der Betreibung erklärt hat. Der Rückzug der Betreibung erfasst deren Grundlage: das Betreibungsbegehren ( BGE 69 III 4 S. 5; GILLIÉRON, a.a.O., N. 120 zu Art. 67 SchKG ). Mit dessen Rückzug durch die Gläubigerin ist die Betreibung aufgehoben (vgl. BGE 32 I 717 S. 721 oben). Anders als in den Fällen, in welchen eine Betreibung besteht und die Rechtsprechung (E. 3.2) die Anfechtung der öffentlichen Bekanntmachung des Zahlungsbefehls erlaubt, liegt hier eine aufgehobene Betreibung vor, wobei der Abschluss noch während des kantonalen Verfahrens erfolgte. Der Abschluss des Betreibungsverfahrens schliesst jedoch die Beachtung und die Berichtigung von Verfahrensfehlern grundsätzlich aus, zumal hier keine Amtshandlungen zum Schluss des Verfahrens (wie z.B. die Behandlung des Rückzugs im Betreibungsregister) zur Rede steht (vgl. BGE 99 III 58 E. 2 S. 60; LORANDI, Betreibungsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeit, 2000, N. 13 und 14 zu Art. 17 SchKG , mit Hinweisen). Insoweit ist nicht BGE 138 III 265 S. 268 ersichtlich, dass der beantragte kantonale Beschwerdeentscheid (mit dem Rechtsbegehren um Aufhebung der Ediktalzustellung) im konkreten Vollstreckungsverfahren eine praktische Wirkung entfalten soll. 3.3.2 Der Beschwerdeführer wirft die Frage der Gebühren für die angeblich zu Unrecht erfolgte öffentliche Bekanntmachung des Zahlungsbefehls auf. Es trifft zu, dass nach der Rechtsprechung (E. 3.2) die Anfechtung der Publikation mit Blick auf die allfälligen Gebühren zulasten des Betriebenen möglich ist. Diese Frage stellt sich vorliegend jedoch nicht. Die Kosten für die öffentliche Bekanntmachung ( Art. 11 und 13 Abs. 1 GebV SchKG [SR 281.35]) sind vom Betreibungsgläubiger vorzuschiessen ( Art. 68 Abs. 1 SchKG ). Dass dies geschehen ist, bestreitet der Beschwerdeführer nicht. Zieht jedoch - wie hier - die Gläubigerin die Betreibung zurück, tritt die Überwälzung der Kosten vorgenommener Betreibungshandlungen nicht ein, und sie hat den von ihr geleisteten Vorschuss selber zu tragen (FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 1984, § 15 Rz. 11 S. 184). Entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers steht hier keine Entscheidung des Betreibungsamtes über die Gebühren der Publikation aus. Daran ändert nichts, wenn er vorbringt, er habe der Gläubigerin (auch) die Gebühr für die öffentliche Bekanntmachung zurückerstattet, bevor diese die Betreibung zurückgezogen habe, und "diese Kosten von der Gläubigerin noch nicht zurückerstattet worden seien". Abgesehen davon, dass die erwähnte Zahlung als tatsächliches Vorbringen im angefochtenen Entscheid keine Stütze findet ( Art. 105 Abs. 1 BGG ), wäre dies nicht entscheiderheblich: Zahlungen des Schuldners an den Gläubiger stellen keine Akte der Betreibungsorgane dar, über welche die Aufsichtsbehörden zu urteilen haben (vgl. BGE 73 III 69 S. 1 S. 70). 3.3.3 Nach dem Gesagten sind mit der umstrittenen öffentlichen Bekanntmachung des Zahlungsbefehls keine weiteren amtlichen Kosten verbunden. Es können demnach einzig moralische Interessen des Beschwerdeführers beeinträchtigt sein. Dies genügt nicht zur Anfechtung der Publikation (vgl. BGE 34 I 590 E. 4 S. 593: Betreibungsort; BGE 128 III 465 E. 1 S. 466: Gebühren und moralische Interessen). Andernfalls läuft - wie hier - die betreibungsrechtliche Beschwerde darauf hinaus, lediglich die allfällige Rechtswidrigkeit der öffentlichen Bekanntmachung des Zahlungsbefehls festzustellen. Dies ist unzulässig, weil keine verfahrensrechtliche Korrekur erwirkt werden kann, zumal der Beschwerdeführer die Feststellung der BGE 138 III 265 S. 269 angeblich rechtswidrigen öffentlichen Bekanntmachung des Zahlungsbefehls gerade verlangt, damit ihm eine Genugtuung zugesprochen werde. Die mit BGE 128 III 465 ff. bestätigte Rechtsprechung hat (wie in E. 3.2 erwähnt) nichts an der Abgrenzung zwischen der Beschwerde ( Art. 17 SchKG ) und der Haftung ( Art. 5 SchKG ) geändert. 3.3.4 Seit der Gesetzesrevision von 1997 hält Art. 5 Abs. 4 SchKG ausdrücklich fest, dass im Fall, in welchem ein Zwangsvollstreckungsorgan in Erfüllung seiner Aufgaben widerrechtlich einen Schaden verursacht, ein Anspruch auf Genugtuung bestehen kann, wenn die Schwere der Verletzung dies rechtfertigt (Abs. 4). Die öffentliche Bekanntmachung einer Betreibungsurkunde, ohne dass die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, kann Anspruch auf Genugtuung geben (DALLÈVES, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 7 zu Art. 5 SchKG ). Ob die Voraussetzungen nach Art. 5 SchKG erfüllt sind, wird jedoch nicht von der Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen ( Art. 17 SchKG ), sondern vom Gericht nach Art. 5 SchKG entschieden. Auch die ("im Sinne einer Gegendarstellung nach Art. 28 ff. ZGB ") anbegehrte Publikation eines "Korrekturvermerks" fällt - wie allgemein die Publikation des Urteils über eine rechtswidrige öffentliche Bekanntmachung des Zahlungsbefehls - nicht in die Zuständigkeit der Aufsichtsbehörden ( BGE 29 I 565 E. 5 S. 571; 36 I 782 E. 3 S. 785/786; GILLIÉRON, a.a.O., N. 58 zu Art. 66 SchKG ). 3.4 Nach dem Dargelegten vermag der Beschwerdeführer keine Rechtsverletzung darzutun, wenn die Aufsichtsbehörde auf seine Beschwerde nicht eingetreten ist. Daran ändert nichts, dass die Aufsichtsbehörde dem Betreibungsamt (gestützt auf die Aufsichtsbefugnis nach Art. 13 SchKG ) Anweisungen zum Vorgehen in zukünftigen Fällen gegeben hat und in diesem Zusammenhang das konkrete Vorgehen des Betreibungsamtes als "unzulässig" bezeichnet hat. Schliesslich bringt der Beschwerdeführer vergeblich vor, die Aufsichtsbehörde hätte sein Begehren, wenn sie es schon als Klage auf Schadenersatz bzw. Genugtuung betrachte, an die zuständige Instanz weiterleiten müssen. In der Beschwerdeschrift wird nicht dargelegt, inwiefern die bundesrechtlichen Vorgaben für das Verfahren vor den kantonalen Aufsichtsbehörden ( Art. 20 Abs. 2 SchKG ) oder kantonale Verfahrensvorschriften ( Art. 20 Abs. 3 SchKG ) verletzt seien, wenn die Aufsichtsbehörde angenommen hat, dass die Eingabe des Beschwerdeführers keine Überweisungspflicht ausgelöst habe.
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Sachverhalt ab Seite 344 BGE 99 Ib 343 S. 344 A.- Der Schweizerische Landesverband für Leibesübungen ersuchte das Eidg. Amt für geistiges Eigentum am 16. April 1973 um offene Hinterlegung eines Modells, das aus einer graphischen Zeichnung besteht und vom Verband als "Sport für alle - Figur" ausgegeben wurde. Das Amt antwortete am 24. April, die hinterlegte Zeichnung könne nicht als Vorlage für die gewerbliche Herstellung eines bestimmten Gegenstandes im Sinne des MMG betrachtet werden; sie sei vielmehr als Motiv auf irgendeinem Gegenstand gedacht, dessen Gestaltung noch offen sei. Das Gesuch müsse daher gemäss Art. 14 Abs. 2 MMV zurückgewiesen werden, wenn es nicht innert 30 Tagen zurückgezogen oder geändert werde. Am 16. Mai 1973 stellte der Verband ein neues Gesuch. Er verlangte die verschlossene Hinterlegung eines Musters, das in einem versiegelten Umschlag beigelegt und als "Symbolfigur Sport für alle" bezeichnet wurde. Das Amt wies das Gesuch mit Verfügung vom 26. Juni 1973 zurück, weil die hinterlegte Symbolfigur den Schutz des MMG nicht geniessen könne. B.- Gegen diese Verfügung führt der Verband Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, sie aufzuheben und das Amt anzuweisen, das mit Gesuch vom 16. Mai hinterlegte Muster, das ein Vorbild für die Herstellung von Symbolfiguren "Sport für alle" enthalte, im Register einzutragen. Das Eidg. Amt für geistiges Eigentum beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
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254
Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die grundsätzliche Frage, ob das Amt überhaupt befugt sei, einem verschlossen hinterlegten Gegenstand den Musterschutz zu verweigern, weil der Gegenstand kein gewerbliches Muster im Sinne des Gesetzes sei, wird in der Beschwerde nicht aufgeworfen, in der Beschwerdeantwort aber einlässlich erörtert. Sie ist vom Bundesgericht von Amtes wegen zu prüfen. Das Amt führt zu dieser Frage insbesondere aus, gemäss Art. 17 Abs. 2 MMG habe es offen hinterlegte Gegenstände, die als Muster oder Modelle im Sinne des Gesetzes ausser Betracht fielen, zurückzuweisen. Dazu sei es auch verpflichtet, wenn eine Hinterlegung unter versiegeltem Umschlag spätestens nach Ablauf der ersten Schutzdauer von fünf Jahren in eine offene umgewandelt werde ( Art. 9 Abs. 1, Art. 17 Abs. 3 MMG ) und das angebliche Muster oder Modell sich dann als unzulässig BGE 99 Ib 343 S. 345 erweise. Dies könne das Amt in der Regel erst bei Öffnung der versiegelten Hinterlegung feststellen. Davon gehe auch das Gesetz aus, das aber einem Hinterleger sicher nicht während fünf Jahren ein Scheinrecht für einen Gegenstand einräumen wolle, der seiner Natur nach vom Gesetz überhaupt nicht erfasst werde. Darauf liefe aber das zweite Gesuch des Beschwerdeführers hinaus, wenn er auf Weigerung des Amtes hin die offene Hinterlegung in eine verschlossene umwandeln dürfte, um der Rückweisung des ersten Gesuches zu entgehen. Ein solches Vorgehen sei missbräuchlich und verdiene wegen seiner Folgen keinen Rechtsschutz. Der Beschwerdeführer wolle das von ihm beanspruchte Scheinrecht in Lizenz benützen lassen; eine Pflicht des Amtes, dies während fünf Jahren zu dulden, würde sich aber zum Nachteil der Lizenznehmer auswirken, könne folglich vom Gesetzgeber nicht gewollt sein. Nach dem Gegenstand des zweiten Gesuches und dem Begleitschreiben des Beschwerdeführers vom 16. Mai 1973 habe das Amt annehmen müssen, dass die verschlossen hinterlegte Figur mit der vordem offen eingereichten Zeichnung identisch sei, was der Beschwerdeführer übrigens zugebe. Art. 17 MMG regle Fälle wie den vorliegenden, wo das Amt vom unzulässigen Inhalt einer versiegelten Hinterlegung ausnahmsweise schon zur Zeit des Gesuches Kenntnis erhalten habe, freilich nicht, weise insofern also eine Lücke auf. Von einer echten Lücke des Gesetzes kann indes nicht die Rede sein. Die Möglichkeit, ein Muster oder Modell verschlossen zu hinterlegen, sah das MMG schon in der Fassung von 1888 vor. Nach der Entstehungsgeschichte dachte man dabei vor allem an Textilmuster, an deren Geheimhaltung Fabrikanten und Modeschöpfer interessiert sind, um ihre vorzeitige Bekanntmachung zu verhindern und sie vor Nachahmung zu schützen. Von der versiegelten Hinterlegung sollten aber auch andere Interessenten Gebrauch machen können (vgl. Botschaft des Bundesrates in BBl 1888 I S. 653 ff. insbes. S. 658/9); sie wird im Gesetz denn auch bloss der Grösse und dem Gewicht, nicht aber der Sache nach beschränkt ( Art. 7 Abs. 2 und Art. 9 MMG ). Indem der Gesetzgeber die verschlossene Hinterlegung frei zuliess, fand er sich mit der Gefahr ab, dass diese Art der Hinterlegung unter Umständen missbraucht wird und der Hinterleger auch Scheinrechte mit Schutzwirkung erlangen kann. Eine Folge davon ist, dass das Gesetz die Befugnis des BGE 99 Ib 343 S. 346 Amtes, unzulässige Muster oder Modelle gemäss Art. 17 Abs. 2 und 3 zurückzuweisen, auf solche Gegenstände beschränkt, die offen eingereicht werden oder erst bei Öffnung einer versiegelten Hinterlegung auf ihre Zulässigkeit geprüft werden können. Wenn das Amt einem verdeckten Rechtsmissbrauch nicht begegnen kann, heisst das jedoch nicht, dass es auch einen offenbaren hinnehmen müsse. Ein solcher liegt vor, wenn ein Gesuchsteller einen zunächst offen eingereichten, aber vom Amt als unzulässig zurückgewiesenen Gegenstand nachträglich verschlossen hinterlegen will. Der Gesuchsteller könnte den Zweck der Rückweisung nach Belieben vereiteln, wenn das Amt sich diesfalls mit der verschlossenen Hinterlegung abfinden müsste; es hält ein solches Vorgehen mit Recht für missbräuchlich im Sinne von Art. 2 Abs. 2 ZGB . Im vorliegenden Fall kann sich somit bloss fragen, ob die vom Beschwerderdeführer verschlossen hinterlegte "Symbolfigur Sport für alle" mit der zuvor offen eingereichten "Sport für alle - Figur" übereinstimmte. Dies musste das Amt nach den Unterlagen ernsthaft vermuten. Die Vermutung wird bestätigt durch die vom Beschwerdeführer unterbreiteten Belege, insbesondere durch den Vergleich zwischen der als "Sportli" bezeichneten neuen Symbolfigur und der zuerst eingereichten Figur. Der Beschwerdeführer versucht die vom Amt unverkennbar vorausgesetzte Übereinstimmung denn auch nicht zu widerlegen. 2. Nach Art. 2 MMG ist unter einem Muster oder Modell im Sinne des Gesetzes eine äussere Formgebung zu verstehen, die bei der gewerblichen Herstellung eines Gegenstandes als Vorbild dienen soll. Das Bundesgericht führte dazu im Entscheid 95 II 472, auf den der Beschwerdeführer sich beruft, insbesondere aus, die Formgebung müsse ein Mindestmass an geistigem Aufwand erkennen lassen und dem Gegenstand gegeben werden, um den Geschmack, den Sinn für das Schöne anzusprechen. Ob die vom Beschwerdeführer hinterlegte Symbolfigur diesen Anforderungen entspricht, kann offen bleiben, wenn anzunehmen ist, dass sie nicht als Vorbild für die gewerbliche Herstellung eines Gegenstandes dient und dienen kann. Die hinterlegte Symbolfigur ist eine Zeichnung. Der Beschwerdeführer will nach eigenen Angaben Handels- und Gewerbebetrieben die Lizenz erteilen, die Figur "für die Herstellung verschiedenartigster Gegenstände" (z.B. Schlüsselanhänger, BGE 99 Ib 343 S. 347 Schreibtischfiguren, Puppen und Münzen) oder als "Aufdruck auf Leibchen usw." zu benützen. Er möchte die Figur zudem, wie aus den Akten erhellt, in Abwandlungen zur Illustration von Texten verwenden lassen, die sich mit Sport befassen. Damit gibt er zu, dass das Muster entgegen dem Beschwerdeantrag nicht als Vorbild für die Herstellung von Symbolfiguren "Sport für alle" gedacht ist. Aus seinen Ausführungen ergibt sich vielmehr, dass die gewerblich herzustellenden Gegenstände entweder in ihrer vom Muster völlig unabhängigen Eigengestalt lediglich mit der hinterlegten Figur zu versehen sind oder im flächigen Muster überhaupt kein Vorbild finden. Beides widerspricht der gesetzlichen Umschreibung des Musters in Art. 2 MMG ; es verträgt sich zudem weder mit Art. 15 Abs. 2 Ziff. 1 und 19 MMG noch mit Art. 6 MMV . Von der hinterlegten Figur lässt sich auch nicht sagen, dass die Form erst an dem nach dem Muster geschaffenen Gegenstand zur Geltung komme, wie der Beschwerdeführer unter Berufung auf TROLLER (Immaterialgüterrecht Bd. I 2. Aufl. S. 516) anzunehmen scheint. Dass das Muster oder Modell eine geistige, "nicht an eine einmalige Materialisation" gebundene Sache ist, wie der Beschwerdeführer unter Hinweis auf TROLLER (a.a.O. S. 517) einwendet, hilft ihm nicht. TROLLER sieht das Geistige in der zum Wesensmerkmal erhobenen Zweckbestimmung: Das Muster oder Modell soll bei der Herstellung eines Gegenstandes als Vorbild dienen, darf seine wesentlichen Züge aber nicht der physischen Bearbeitung des Materials, in dem es geformt wurde, verdanken. Er verkennt deswegen jedoch nicht, dass das Muster oder Modell "zur sinnlich wahrnehmbaren Existenz gebracht werden", "als fertige Form erkennbar sein" muss. Damit stimmt überein, dass er an anderer Stelle (a.a.O. S. 516), die vom Beschwerdeführer unvollständig zitiert wird, die äussere Formgebung im Sinne von Art. 2 MMG nicht bloss abstrakt als "visuell wahrnehmbare Form" auffasst, sondern zugleich konkret als "durch die Verwendung von mindestens zwei Linien oder Flächen entstandenes graphisches Gebilde im weitesten Sinne" oder als "dreidimensionale Form, Raumform" versteht. Auch nach der deutschen Lehre gehört die Körperlichkeit zum Wesen des Musters, gleichviel ob es plastisch oder flächig ist (FURLER, Geschmacksmustergesetz, 3. Aufl. S. 82). BGE 99 Ib 343 S. 348 Aus der französischen Fassung des Art. 2 MMG kann der Beschwerdeführer nichts zu seinen Gunsten ableiten. Der dort verwendete Ausdruck "dessin" hat, gleich wie im Titel des Gesetzes, den Sinn von "Muster", nicht die viel engere Bedeutung von "Zeichnung". Sonst würde der sachliche Geltungsbereich des Gesetzes erheblich eingeschränkt, was seinem Sinn und Zweck widerspräche. Freilich kann ein Muster auch in Form einer Zeichnung hinterlegt werden ( Art. 15 Abs. 2 Ziff. 1 MMG und Art. 3 Abs. 1 MMV ). Aber auch diesfalls muss das Muster den gesetzlichen Erfordernissen genügen; es muss aus der Zeichnung also insbesondere hervorgehen, welchem Gegenstand sie bei der Herstellung als Vorbild dienen soll. Das ist bei der umstrittenen Symbolfigur des Beschwerdeführers nicht der Fall. Sie wurde geschaffen, um für eine Sparte der vom Beschwerdeführer entfalteten Vereinstätigkeit zu werben. Die ideellen Ziele, die mit ihrer Hinterlegung verfolgt werden, decken sich mit dem Zweck der Werbung. Als äussere Formgebung ist die Figur weder geeignet noch dazu bestimmt, Vorbild eines Gegenstandes zu sein, der gewerblich hergestellt wird.
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Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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Sachverhalt ab Seite 295 BGE 141 III 294 S. 295 A. Le 17 août 2007, C.X., née le 14 février 1944 et domiciliée à P. (VD), a signé, en Italie, sur le papier à en-tête de l'hôtel où elle séjournait, une reconnaissance de dette manuscrite, dont la teneur est la suivante: "RECONNAISSANCE DE DETTE Madame C.X. domiciliée à P., reconnaît devoir par la présente à Monsieur Z. domicilié à R. la somme de CHF 1'850'000 (un million huit cent cinquante mille francs suisses), montant payable d'ici au 30 septembre 2007 au plus tard. Ce montant est dû en raison de l'aide et de l'assistance qu'il m'a apportées au cours de ces cinq dernières années". En 2009, Z. a ouvert une action contre C.X. devant la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois, concluant au paiement de 1'850'000 fr. avec intérêts à 5 % l'an dès le 19 novembre 2008. C.X. est décédée le 4 septembre 2009. Pour mettre fin au litige pendant devant la Cour civile, Z. et les héritiers de C.X., soit ses frères A.X. et B.X., ont passé une convention extrajudiciaire le 19 mai 2010, convenant d'un montant transactionnel de 300'000 fr. à verser par la succession à Z., sans reconnaissance d'une quelconque obligation de part et d'autre, les parties se BGE 141 III 294 S. 296 donnant quittance pour solde de tous comptes et de toutes prétentions. Z. a, par la suite, contesté la validité de cette transaction. B. Le 12 décembre 2011, Z. a ouvert une action en paiement contre l'hoirie de feue C.X. devant la Chambre patrimoniale du canton de Vaud, concluant à ce qu'elle soit condamnée à lui payer les sommes de 1'550'000 fr. avec intérêts à 5 % l'an dès le 19 novembre 2008 et de 8'450 fr. avec intérêts à 5 % l'an dès le 27 août 2009. Le juge délégué de la Chambre patrimoniale a admis, le 6 février 2012, que les héritiers, soit A.X. et B.X., tous deux domiciliés en Suède, sont défendeurs à la procédure. Le 6 septembre 2012, les défendeurs ont formé une "requête incidente" tendant à faire prononcer l'irrecevabilité de l'action pour cause d'incompétence ratione loci. Invité à se prononcer sur cette exception, le demandeur a répondu, dans la partie "en droit" de sa détermination du 16 novembre 2012, que la reconnaissance de dette se fonde sur une convention orale, qui est un contrat de mandat, le montant étant dû en raison de l'aide et de l'assistance apportées à la défunte au cours des cinq dernières années, comme le texte de la reconnaissance de dette le précise, et que l'aide a été apportée par lui, domicilié en Suisse, à la défunte à son domicile de P., de sorte que la Chambre patrimoniale est compétente localement sur la base du lieu de l'exécution de ce contrat ( art. 31 CPC ). Par jugement incident du 13 juin 2013, la Chambre patrimoniale a déclaré recevable la demande de Z., admettant la compétence des juridictions suisses sur la base de l'art. 5 par. 1 let. b, 2 e tiret, de la Convention de Lugano révisée du 30 octobre 2007 (Convention de Lugano, CL; RS 0.275.12). Statuant par arrêt du 24 octobre 2014, la Cour d'appel civile du Tribunal cantonal vaudois a rejeté l'appel des défendeurs et confirmé le jugement de première instance. C. Les défendeurs exercent un recours en matière civile au Tribunal fédéral contre cet arrêt. Ils concluent à l'admission de leur recours et à la réforme de l'arrêt attaqué en ce sens que la demande est déclarée irrecevable. Subsidiairement, ils concluent à l'annulation de l'arrêt et au renvoi de la cause à la cour cantonale pour nouvelle décision dans le sens des considérants. Ils invoquent la violation de l' art. 55 BGE 141 III 294 S. 297 al. 1 CPC dans l'établissement des faits et l'absence d'allégation des faits déterminants, ce qui, selon eux, aurait dû conduire la cour cantonale à déclarer la demande irrecevable. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours. (résumé)
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Erwägungen Extrait des considérants: 4. La cause est de nature internationale, puisque les défendeurs sont domiciliés en Suède ( art. 1 al. 1 LDIP [RS 291] et art. 2 CPC ). En effet, selon la jurisprudence, une cause est de nature internationale lorsqu'elle a une connexité suffisante avec l'étranger, ce qui est toujours le cas lorsque l'une des parties possède son domicile ou son siège à l'étranger, peu importe que ce soit le demandeur ou le défendeur, et indépendamment de la nature de la cause (arrêt 4A_443/2014 du 2 février 2015 consid. 3.1; à propos de l'aLFors, cf. ATF 131 III 76 consid. 2.3; en matière d'arbitrage international, cf. l' art. 176 al. 1 LDIP ). Il n'est plus contesté que la Convention de Lugano révisée du 30 octobre 2007, entrée en vigueur pour la Suisse le 1 er janvier 2011 et pour la Suède le 1 er janvier 2010, est applicable en l'espèce. Et seul le for contractuel demeure litigieux. C'est la loi du for (lex fori) qui détermine si le juge doit établir d'office les faits pertinents pour l'appréciation de sa compétence ou s'il peut ou doit demander aux parties de lui fournir les preuves requises, les art. 25 et 26 CL ne contenant que quelques précisions quant à l'examen (d'office) de sa compétence par le juge ( ATF 139 III 278 consid. 4.2 et les références). 5. Avant d'examiner quelles sont les exigences d'allégation qui pèsent sur le demandeur, il s'impose de rappeler les principes jurisprudentiels développés sous le nom de "théorie de la double pertinence". 5.1 Les faits déterminants pour l'examen de la compétence sont soit des faits "simples", soit des faits "doublement pertinents" (arrêt 4A_28/2014 du 10 décembre 2014 consid. 4.2). Les faits sont simples ( einfachrelevante Tatsachen ) lorsqu'ils ne sont déterminants que pour la compétence. Ils doivent être prouvés au stade de l'examen de la compétence, lorsque la partie défenderesse soulève l'exception de déclinatoire en contestant les allégués du demandeur (arrêts 4A_28/2014 déjà cité, consid. 4.2.1; 4A_113/2014 du 15 juillet 2014 consid. 2.3, non publié in ATF 140 III 418 ; BGE 141 III 294 S. 298 ATF 137 III 32 consid. 2.3 p. 34 s.; ATF 134 III 27 consid. 6.2.1 p. 34 s.; ATF 133 III 295 consid. 6.2 p. 298 s.; ATF 122 III 249 consid. 3b/bb p. 252). Les faits sont doublement pertinents ou de double pertinence ( doppelrelevante Tatsachen ) lorsque les faits déterminants pour la compétence du tribunal sont également ceux qui sont déterminants pour le bien-fondé de l'action. C'est à ces faits que s'applique la théorie de la double pertinence. 5.2 Selon cette théorie, le juge saisi examine sa compétence sur la base des allégués, moyens et conclusions de la demande (der eingeklagte Anspruch und dessen Begründung), sans tenir compte des objections de la partie défenderesse ( ATF 136 III 486 consid. 4 p. 487; arrêt 4A_630/2011 du 7 mars 2012 consid. 2.2, non publié in ATF 138 III 166 ). L'administration des preuves sur les faits doublement pertinents est renvoyée à la phase du procès au cours de laquelle est examiné le bien-fondé de la prétention au fond. Tel est notamment le cas lorsque la compétence dépend de la nature de la prétention alléguée, par exemple lorsque le for a pour condition l'existence d'un acte illicite ou d'un contrat (arrêts 4A_28/2014 déjà cité, consid. 4.2.2; 4A_113/2014 déjà cité, consid. 2.3; ATF 137 III 32 consid. 2.3 p. 34; ATF 133 III 295 consid. 6.2 p. 298 s.; ATF 122 III 249 consid. 3b/bb p. 252). Autrement dit, au stade de l'examen et de la décision sur la compétence, phase qui a lieu d'entrée de cause (cf. art. 60 CPC ), les faits doublement pertinents n'ont pas à être prouvés; ils sont censés établis sur la base des allégués, moyens et conclusions du demandeur. Ainsi, le tribunal doit décider, en fonction des écritures du demandeur, si, par exemple, un acte illicite a été commis. - Si tel n'est pas le cas, les conditions permettant de fonder la compétence du tribunal saisi ne sont pas remplies et la demande doit être déclarée irrecevable. - Si tel est le cas, le tribunal saisi admet sa compétence. L'administration des moyens de preuve sur les faits doublement pertinents, soit sur l'acte illicite, aura lieu ultérieurement dans la phase du procès au fond, soit au cours des débats principaux. - S'il se révèle alors que le fait doublement pertinent n'est pas prouvé, par exemple qu'il n'y a pas eu d'acte illicite, le tribunal rejette la demande, par un jugement revêtu de l'autorité de la chose jugée. BGE 141 III 294 S. 299 - S'il se révèle que le fait doublement pertinent est prouvé, par exemple que l'acte illicite a eu lieu, le tribunal examine alors les autres conditions de la prétention au fond. En revanche, la localisation de l'acte illicite allégué, soit la question de savoir s'il a eu lieu en Suisse, est un fait simple, qui doit être prouvé au stade de l'examen de la compétence (cf. consid. 5.1. ci-dessus). En effet, la constatation portant sur le lieu où l'acte illicite a été commis est sans pertinence pour le bien-fondé de la prétention au fond (arrêt 4C.329/2005 du 5 mai 2006 consid. 2.2, non publié in ATF 132 III 579 ). Dans l'arrêt 4A_28/2014 du 10 décembre 2014, le Tribunal fédéral n'a pas entendu modifier ces principes qui sous-tendent la jurisprudence publiée, un changement de jurisprudence étant d'ailleurs soumis à des exigences strictes dont la réalisation n'y a pas été discutée (cf. ATF 136 III 6 consid. 3; ATF 140 II 334 consid. 6; arrêts 4A_546/2013 du 13 mars 2014 consid. 3; 5A_39/2014 du 12 mai 2014 consid. 3.2, non publié in ATF 140 III 167 ). Il y a lieu de corriger l'erreur (cf. ATF 134 III 354 consid. 1.4 et 1.5) qui s'est glissée dans cet arrêt lorsqu'il y est dit que le "renvoi de l'administration des preuves au fond ne signifie évidemment pas qu'un rejet pour défaut de compétence ne puisse plus être prononcé" et "que le juge statuera sur la compétence..." (cf. ANDREAS BUCHER, Vers l'implosion de la théorie des faits doublement pertinents, SJ 2015 II p. 67 ss). Certes, après l'administration des preuves sur les faits doublement pertinents, le tribunal peut se rendre compte que, contrairement à ce qu'il avait décidé d'entrée de cause dans sa décision admettant sa compétence, celle-ci n'est en réalité pas donnée. Toutefois, il ne peut et ne doit pas alors rendre un nouveau jugement sur sa compétence, puisqu'il ne saurait revenir sur la décision qu'il a prise d'entrée de cause à ce sujet; lorsque, par exemple, l'existence d'un acte illicite n'est pas établie, il doit rejeter la demande par un jugement au fond, lequel est revêtu de l'autorité de la chose jugée. Comme le relève BUCHER (op. cit., p. 72), "le défaut de la théorie... consiste en effet à autoriser le juge à constater sa compétence sans en vérifier toutes les conditions, et à renvoyer l'examen des faits doublement pertinents à la procédure au fond, sans tenir compte de l'incidence des mêmes faits sur l'application des règles de compétence". Cette théorie est néanmoins justifiée dans son résultat, dès lors que le demandeur qui choisit d'introduire son action à un for spécial n'a pas un intérêt à pouvoir, en cas d'échec, la porter ensuite au for ordinaire ou à un autre for BGE 141 III 294 S. 300 spécial (cf. en particulier ALEXANDER R. MARKUS, Internationales Zivilprozessrecht, 2014, ch. 597 p. 157). L'application de la théorie de la double pertinence n'est pas régie par la Convention de Lugano, mais par la loi du for ( ATF 134 III 27 consid. 6.2 et la référence). L'arrêt de la Cour de justice de l'Union européenne du 28 janvier 2015 dans l'affaire C-375/13 Harald Kolassa contre Barclays Bank plc (cité par BUCHER, op. cit., p. 76) ne dit pas autre chose. Selon cet arrêt (point 65), "il n'y a pas lieu de procéder à une administration détaillée de la preuve en ce qui concerne les éléments de fait litigieux qui sont pertinents à la fois pour la question de la compétence et pour l'existence du droit invoqué; il est toutefois loisible à la juridiction saisie d'examiner sa compétence internationale à la lumière de toutes les informations dont elle dispose, y compris, le cas échéant, les contestations émises par le défendeur". En d'autres termes, le juge national peut se baser sur les seuls allégués du demandeur, mais la Cour de justice n'interdit pas non plus au juge national de prendre en compte toutes les circonstances. En l'état, il n'y a pas lieu d'examiner plus avant les critiques de BUCHER à cet égard (op. cit., p. 75 et 76). 5.3 Il est fait exception à l'application de la théorie de la double pertinence en cas d'abus de droit de la part du demandeur, par exemple lorsque la demande est présentée sous une forme destinée à en déguiser la nature véritable ou lorsque les allégués sont manifestement faux. Dans ces situations d'abus, la partie adverse doit être protégée contre la tentative du demandeur de l'attraire au for de son choix ( ATF 137 III 32 consid. 2.3; ATF 136 III 486 consid. 4 p. 488 et les références; arrêts 4A_28/2014 déjà cité, consid. 4.2.2; 4A_31/2011 du 11 mars 2011 consid. 2; 4A_630/2011 déjà cité, consid. 2.2). La théorie de la double pertinence n'entre par ailleurs pas en ligne de compte lorsque la compétence d'un tribunal arbitral est contestée, car il est exclu de contraindre une partie à souffrir qu'un tel tribunal se prononce sur des droits et obligations litigieux s'ils ne sont pas couverts par une convention d'arbitrage valable. Ladite théorie n'est pas non plus applicable lorsque la question de l'immunité de juridiction est invoquée par un Etat (arrêt 4A_28/2014 consid. 4.2.2; ATF 131 III 153 consid. 5.1 p. 158; ATF 124 III 382 consid. 3b p. 387). 6. Il y a lieu d'examiner désormais quelles sont les exigences auxquelles le demandeur doit satisfaire dans la présentation de ses allégués et de ses moyens sur les faits doublement pertinents afin que, BGE 141 III 294 S. 301 dans sa décision rendue d'entrée de cause sur la compétence, le tribunal puisse admettre qu'il est compétent ratione loci. 6.1 En vertu de l' art. 60 CPC , le tribunal examine d'office si les conditions de recevabilité - dont fait partie la compétence à raison du lieu ( art. 59 al. 2 let. b CPC ) - sont remplies. On ne peut pas déduire de l'obligation imposée au tribunal par cette disposition qu'il doive rechercher lui-même les faits justifiant la recevabilité de la demande. L'examen d'office ne dispense pas les parties de collaborer à l'établissement des faits, en alléguant ceux qui sont pertinents et en indiquant les moyens de preuve propres à les établir (cf. ATF 139 III 278 consid. 4.3 p. 281 s.). Lorsque le demandeur choisit d'introduire son action à un for spécial, dont les conditions sont des faits doublement pertinents, le tribunal doit examiner d'office sa compétence d'entrée de cause, mais il le fait sur la base des seuls allégués et moyens du demandeur, sans tenir compte des contestations du défendeur et sans procéder à aucune administration de preuves. Il s'ensuit qu'il faut et qu'il suffit que le demandeur allègue correctement les faits doublement pertinents, c'est-à-dire de telle façon que leur contenu permette au tribunal d'apprécier sa compétence. Le tribunal doit en effet examiner si ces faits allégués (censés établis) sont concluants (schlüssig), c'est-à-dire s'ils permettent juridiquement d'en déduire le for invoqué par le demandeur ( ATF 137 III 32 consid. 2.2; MARKUS, op. cit., ch. 598 p. 157; URS H. HOFFMANN-NOWOTNY, Doppelrelevante Tatsachen in Zivilprozess und Schiedsverfahren, 2010, ch.100 ss). 6.2 Comme le relèvent les défendeurs recourants, il est vrai que le demandeur s'est contenté d'alléguer l'existence d'une reconnaissance de dette et de la produire, sans préciser la cause de sa créance. Il n'a pas formellement allégué ni dans la partie "en fait" de sa demande, ni dans la partie "en fait" de sa détermination du 16 novembre 2012, ni dans des allégués aux débats principaux du 23 mai 2013, les faits relatifs à la cause de l'obligation et au lieu d'exécution de l'obligation. Toutefois, dès lors que ces éléments ressortent de la partie "en droit" de sa détermination du 16 novembre 2012, c'est-à-dire de ses moyens au sens de la jurisprudence (cf. consid. 5.2 in initio ci-dessus), le tribunal pouvait en tenir compte en vertu de son devoir d'examen d'office. En conséquence, dès lors que la débitrice défunte était domiciliée à P. - ce qui n'est pas contesté - et qu'il ressort des allégués et des BGE 141 III 294 S. 302 moyens du demandeur que les soins ont été prodigués à celle-ci à son domicile, la Chambre patrimoniale pouvait considérer que ces derniers faits étaient censés établis et, partant, admettre sa compétence. Il en découle que les griefs des recourants de violation de la maxime des débats ( art. 55 al. 1 CPC ), de violation de l'obligation incombant au demandeur de motiver ses allégués et de violation de la maxime éventuelle sont infondés.
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Sachverhalt ab Seite 335 BGE 102 Ib 335 S. 335 De nationalité française et domiciliée à Mulhouse, dame Froehly veuve Bischoff a été autorisée, le 2 décembre 1967, à acquérir les parcelles nos 1208 et 811 de la commune d'Icogne, de 2000 m2 environ pour le prix de BGE 102 Ib 335 S. 336 240'000 francs; l'autorisation était assortie des charges suivantes, d'une durée de dix ans: restriction du droit d'aliéner, interdiction de louer, obligation de construire dans les trois ans un unique chalet familial de vacances à l'exclusion de toute autre construction; ces charges ont fait l'objet d'une mention au registre foncier. Dame Bischoff-Froehly n'a pas fait construire le chalet familial visé par la charge précitée, mais des projets de construire un bâtiment locatif d'une certaine importance ont été étudiés, à tout le moins dès 1969. Souhaitant vendre son terrain en vue de la construction du bâtiment projeté en dernier lieu (comptant quatorze appartements, selon les indications de l'Administration communale d'Icogne), dame Bischoff-Froehly a requis le 23 février 1976 la radiation de la restriction au droit d'aliéner, exposant que son âge (elle est née en 1890) et son état de santé ne lui permettaient plus de résider en altitude, ce qu'attestait une déclaration médicale. Le Service juridique du registre foncier du canton du Valais a rejeté la demande le 26 mars 1976. Saisi d'un recours de dame Bischoff-Froehly, le Conseil d'Etat l'a admis le 21 juillet 1976 et a révoqué les trois charges contenues dans la décision du 2 décembre 1967. Agissant par la voie du recours de droit administratif, la Division fédérale de la justice a conclu à l'annulation de la décision du Conseil d'Etat et au rejet de la requête de l'intimée. Le Tribunal fédéral a admis le recours.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. Les conditions auxquelles les charges imposées aux bénéficiaires d'une autorisation d'acquérir peuvent être révoquées sont fixées à l'art. 17 al. 4 de l'ordonnance du Conseil fédéral du 21 décembre 1973 "sur l'acquisition d'immeubles par des personnes domiciliées à l'étranger" (en abrégé: OAIE), disposition qui n'a pas été modifiée par l'ordonnance du Conseil fédéral du 11 février 1976 (OCF 1976). En vertu de ce texte, une charge peut être révoquée lorsque, en raison d'une modification des circonstances, son exécution apparaît impossible pour l'acquéreur ou se trouve être d'une rigueur extrême. BGE 102 Ib 335 S. 337 a) En ce qui concerne la charge consistant en l'obligation de construire un chalet familial dans les trois ans, le Conseil d'Etat a estimé que l'âge et l'état de santé de dame Bischoff-Froehly en rendaient l'exécution impossible et qu'il y avait lieu de la révoquer. Mais la charge en question a un double aspect: un aspect positif, à savoir l'obligation de construire dans le délai de trois ans, et un aspect négatif, c'est-à-dire l'interdiction d'ériger sur la parcelle toute autre construction qu'un unique chalet familial de vacances. Sous ce dernier aspect, la charge garde toute sa raison d'être; le grand âge et l'état de santé de l'intimée ne rendent nullement "impossible à exécuter" la charge négative de ne pas construire sur ce terrain autre chose qu'un chalet familial de vacances, et l'intimée n'indique pas d'autre raison qui pourrait faire conclure à un cas de rigueur extrême permettant de justifier la révocation. Le recours doit donc être admis et la décision annulée sur ce point. b) Quant aux deux autres charges, le Conseil d'Etat a jugé avec raison que leur révocation ne pouvait pas être ordonnée sur la seule base de l' art. 17 al. 4 OAIE . En effet, les interdictions de vendre et de louer pendant dix ans ne sont pas impossibles à exécuter et ne se trouvent pas être non plus d'une rigueur extrême. Leur révocation ne saurait se justifier par les seuls intérêts économiques de l'intimée, désireuse de vendre son terrain dans de bonnes conditions, ni par l'intérêt de la commune d'Icogne à voir prochainement se construire sur son territoire un nouvel immeuble résidentiel. Or, en dehors de ces intérêts non pertinents pour la solution du présent cas, l'intimée n'avance rien qui puisse faire apparaître le maintien des charges comme insupportable. Tout en partageant cette manière de voir, le Conseil d'Etat a estimé pouvoir révoquer l'interdiction d'aliéner en se référant à la modification apportée à l' art. 17 al. 2 OAIE par l'OCF 1976, qui réduit à cinq ans la durée minimale de l'interdiction d'aliéner, alors que cette durée avait été fixée à dix ans par le texte primitif de 1973. Il s'agit d'examiner si, en procédant ainsi, le Conseil d'Etat a violé le droit fédéral, comme le soutient la recourante. 2. a) La disposition transitoire de l'OCF du 11 février 1976, entrée en vigueur le 1er avril 1976, prévoit (ch. III al. 2) que la modification s'applique également aux demandes d'autorisation et aux recours en suspens BGE 102 Ib 335 S. 338 lors de son entrée en vigueur. Sont donc visées par là uniquement les procédures d'autorisation d'acquérir - et les recours y relatifs - qui étaient pendantes au 1er avril 1976; la modification en cause ne saurait donc s'appliquer aux procédures d'autorisation qui étaient terminées à la date ci-dessus. Or, en l'espèce, la procédure d'autorisation d'acquérir les parcelles 1208 et 811 par dame Bischoff-Froehly, procédure au cours de laquelle les charges en cause ont été imposées et mentionnées au registre foncier, s'est terminée à fin 1967 déjà. Les nouvelles dispositions de l'OCF 1976 ne s'y appliquent donc pas. En revanche, la décision sur demande de révocation, qui est soumise aux dispositions obligatoires au moment où elle est rendue (cf. ANDRE GRISEL, L'application du droit public dans le temps, ZBl 1974 p. 255), pouvait se fonder sur les dispositions en vigueur au jour où le Conseil d'Etat a statué sur le recours. Mais l' art. 17 al. 4 OAIE , qui règle la question de la révocation des charges, n'a pas été modifié par l'OCF 1976; après comme avant le 1er avril 1976, une telle révocation ne peut être ordonnée que si les conditions prévues par cette disposition sont remplies; Or le cas d'une interdiction de revendre qui aurait déjà duré plus de cinq ans n'y est nullement prévu. b) L'intimée invoque le principe de la lex mitior, qui devrait s'appliquer du moment que les droits acquis des tiers ne sont pas touchés; et de citer l'arrêt rendu par la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral dans l'affaire Buholzer ( ATF 97 I 924 ). Mais le principe de la lex mitior, qui est une exception au principe de la non-rétroactivité des lois, est soumis aux conditions auxquelles la doctrine et la jurisprudence subordonnent l'admissibilité de la rétroactivité des dispositions légales, notamment à la condition que cette rétroactivité soit expressément prévue par la loi ou qu'en tout cas elle découle clairement de son sens (cf. ATF 102 Ia 72 ). Si le principe de la lex mitior est admis principalement en droit pénal, c'est qu'il a été expressément voulu et manifesté par le législateur à l' art. 2 al. 2 CP . Et c'est sur le principe découlant de cette disposition que se fonde l'arrêt Buholzer précité, relatif à l'exécution de mesures prononcées par le juge pénal. BGE 102 Ib 335 S. 339 En l'espèce, on ne se trouve nullement dans une situation semblable. La disposition transitoire de l'OCF 1976 déclare le nouveau texte applicable aux seules procédures d'autorisation - et aux recours y relatifs - qui sont en suspens au moment de son entrée en vigueur. Les autorités cantonales peuvent donc, dès le 1er avril 1976, fixer à cinq ans au minimum (au lieu de dix ans précédemment) l'interdiction de revendre un immeuble pour lequel la requête d'autorisation a été déposée - ou la décision de première instance rendue - avant cette date. Mais la durée des interdictions de revendre fixée, dans une procédure terminée avant le 1er avril 1976, à dix ans conformément aux normes en vigueur à l'époque ne pourrait être ramenée à cinq ans que si une disposition claire le prévoyait, car il s'agirait alors d'un véritable cas de rétroactivité. Ainsi, par exemple, le législateur fédéral a-t-il dû, lors de la revision du Code pénal du 18 mars 1971 qui a notamment supprimé la privation des droits civiques comme peine accessoire, prévoir une disposition transitoire expresse (III ch. 3 al. 3) pour faire cesser les effets de privations des droits civiques prononcées dans des jugements antérieurs. En effet, le principe de la lex mitior n'y aurait pas suffi, lequel ne s'applique, selon l' art. 2 al. 2 CP , qu'aux procédures pendantes - ou non encore ouvertes - au moment de l'entrée en vigueur de la disposition plus favorable, et non pas aux procédures qui étaient terminées à ce moment-là. En l'espèce, où la procédure d'autorisation était terminée en 1967 déjà, la réduction de dix à cinq ans de la durée minimale de l'interdiction de revendre n'aurait donc pu s'appliquer que si l'OCF 1976 l'avait prévu clairement, ce qui n'est pas le cas. Le Conseil d'Etat a donc violé le droit fédéral en se fondant sur la lex mitior de 1976 pour révoquer les charges imposées lors de l'autorisation du 2 décembre 1967. c) Il n'en reste pas moins que ladite réduction de dix à cinq ans est un facteur qui pourrait permettre d'apprécier avec moins de rigueur les demandes de révocation de charges dont la durée avait été fixée à dix ans, notamment dans les cas où la procédure d'autorisation aurait été terminée peu de temps avant l'entrée en vigueur de l'OCF 1976. Mais, en l'espèce, on ne saurait tenir compte de ce facteur: non seulement l'intimée n'indique aucun motif valable qui permettrait de BGE 102 Ib 335 S. 340 justifier la révocation de l'interdiction de revendre (la contre-indication médicale de résider en altitude ne constitue nullement un tel motif, du moment que le chalet projeté n'a pas été construit), mais encore elle a manifesté, par son comportement, que le but indiqué par elle en vue d'obtenir l'autorisation du 2 décembre 1967 n'avait nullement le caractère sérieux et durable requis pour une telle autorisation. Il ne saurait être question, dans ces conditions, de la libérer des charges destinées à assurer l'application correcte du droit fédéral en la matière.
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1,969
it
Sachverhalt ab Seite 463 BGE 95 I 462 S. 463 A.- Con nota del 13 giugno 1969 l'Ambasciata d'Italia a Berna ha chiesto l'estradizione del cittadino italiano Angelo Della Savia, nato l'11 luglio 1949 a San Vito al Tagliamento, e arrestato il 7 maggio 1969 a Losanna su segnalazione dell'Interpol BGE 95 I 462 S. 464 di Roma, quale sospetto autore di attentati dinamitardi commessi in parecchie città d'Italia. La domanda di estradizione si fonda sull'ordine di cattura emesso il 3 maggio 1969 dal Sostituto procuratore della Repubblica di Milano, il quale rimproverava a Della Savia (e ad altri imputati) i reati di associazione per delinquere, di fabbricazione e detenzione di congegni esplosivi, e di strage. Secondo l'ordine di cattura, Della Savia, in concorso con altre persone cui s'era associato per fini delittuosi, avrebbe fabbricato e detenuto gli ordigni esplosivi dei quali si sarebbe valso, insieme con gli altri, per perpetrare tre attentati dinamitardi. Il primo di questi sarebbe stato compiuto il 3 dicembre 1968 a Genova, sul davanzale degli uffici comunali, provocando il ferimento d'una persona; gli altri due il 25 aprile 1969 a Milano, nel reparto della Fiat alla Fiera campionaria e nell'Ufficio cambi della Banca nazionale delle comunicazioni alla Stazione centrale: quest'ultimo attentato non ha provocato per puro caso alcun ferimento di persona, ma quello commesso alla Fiera si è risolto con numerosi feriti. B.- Interrogato il 30 giugno 1969 da un ispettore della pubblica sicurezza vodese nel carcere di Bois-Mermet a Losanna, Angelo Della Savia ha contestato la sua partecipazione ai due citati attentati di Milano, riconoscendosi unicamente autore dell'esplosione di Genova (e di un'altra non meglio precisata esplosione, non contemplata nell'ordine di cattura e nemmeno nella domanda d'estradizione, avvenuta a Milano), nonchè di furto di esplosivi in concorso con certo Braschi. Della Savia ha affermato d'aver agito, pur non essendo membro di alcuna associazione politica riconosciuta, in segno di protesta contro l'azione della polizia italiana che avrebbe, con le sue brutalità, causato la morte di due contadini siciliani. Egli ha quindi rivendicato il carattere politico dei suoi atti, opponendosi all'estradizione. Tale opposizione è stata ribadita dal patrono di Della Savia mediante esposto del 14 luglio 1969 al Dipartimento federale di giustizia e polizia. Il patrono rileva che la predominanza del carattere politico degli attentati dinamitardi è innegabile, Della Savia avendoli compiuti quale membro di un movimento politico anarchico. In data 6 agosto 1969 egli ha prodotto alcuni atti a sostegno di queste affermazioni. C.- Il 14 ottobre 1969 il Dipartimento federale di giustizia BGE 95 I 462 S. 465 e polizia ha trasmesso al Tribunale federale l'incarto per il giudizio sull'opposizione. La memoria del 26 settembre 1969 del Ministero pubblico della Confederazione, che l'accompagna, conclude nel senso che l'opposizione sia accolta limitatamente al reato d'associazione per delinquere, e che l'estradizione venga accordata per gli altri capi d'imputazione.
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Erwägungen Considerando in diritto: 1. L'estradizione reciproca dei delinquenti tra la Svizzera e l'Italia è retta dalla Convenzione europea di estradizione, conclusa a Parigi il 13 dicembre 1957 e ratificata da entrambi gli Stati. Questa (v. art. 28) ha abrogato e sostituito il trattato bilaterale sull'estradizione conchiuso tra la Svizzera e l'Italia il 22 luglio 1868. Nelle grandi linee, la Convenzione concorda con l'ordinamento assunto nella legge federale del 22 gennaio 1892 sull'estradizione agli Stati stranieri. Alcune sue disposizioni sono state tuttavia precisate da dichiarazioni o riserve espresse dalla Svizzera nell'art. 2 del decreto federale che approva sei convenzioni del Consiglio d'Europa, del 27 settembre 1966. Valendosi della facoltà prevista dall'art. 2 § 3 e 4 della Convenzione, la Svizzera ha inoltre allestito e notificato al Consiglio d'Europa un elenco dei reati per i quali il diritto svizzero autorizza l'estradizione, restringendo così la portata della clausola generale contenuta all'art. 2 § 1 della Convenzione. La legge federale del 22 gennaio 1892 è pertanto in principio inapplicabile, riservate talune eccezioni, segnatamente ove trattisi di colmare una lacuna della Convenzione e semprecchè la sua applicazione non porti ad una soluzione contraria a quest'ultima (RU 87 I 137, consid. 1; 199, consid. 1 ; 91, I 130 , consid. 2). 2. ... 3. Secondo il principio della doppia incriminazione, consacrato nell'art. 2 § 1 della Convenzione, perchè si dia luogo all'estradizione occorre innanzitutto che i fatti addebitati al perseguito o ricercato siano punibili secondo le leggi tanto della Parte richiedente quanto della Parte richiesta. Inoltre, giusta la riserva espressa dalla Svizzera all'art. 2 § 1 della Convenzione, per dar luogo all'estradizione occorre che il reato per il quale essa è domandata sia contemplato nel citato elenco. Nella fattispecie, sono addebitati ad Angelo Della Savia i BGE 95 I 462 S. 466 reati di fabbricazione e detenzione di congegni esplosivi, di strage, e di associazione per delinquere. a) Il reato di fabbricazione e detenzione di esplosivi è contemplato e punito dagli art. 1 e 2 della legge italiana n. 895 del 2 ottobre 1967. Esso corrisponde al reato di "fabbricazione, occultamento e trasporto di materie esplosive o gas velenosi" previsto dall'art. 226 del codice penale svizzero (CPS). Il requisito della doppia incriminazione posto dall'art. 2 § 1 della Convenzione è quindi adempiuto a questo riguardo. Esso è realizzato anche per il reato di strage, contemplato dall'art. 422 del codice penale italiano (CPI), e i cui elementi costitutivi corrispondono a quelli previsti dall'art. 224 CPS, che punisce 1,"uso delittuoso di materie esplosive o gas velenosi". Entrambi i reati, che rientrano nella nozione di "uso indebito di materie esplosive", sono d'altra parte contemplati nel citato elenco (capo VI, num. 27; cfr. SCHULTZ, Das schweizerische Auslieferungsrecht, p. 161). Per essi l'estradizione è quindi, di per sè, possibile. b) L'altro reato addebitato a Della Savia, e cioè l'associazione per delinquere, è previsto dall'art. 416 CPI, ed è realizzato già quando tre o più persone si associano allo scopo di commettere più delitti. Esso non è contemplato dal diritto svizzero, il quale prevede soltanto, in casi particolari, l'associazione ad una banda quale elemento aggravante del furto (art. 137 num. 2 CPS) e della rapina (art. 139 num. 2 CPS). Tale reato non figura del resto nemmeno nel citato elenco (mentre esso era esplicitamente contemplato dall'art. 2, ultimo capoverso, dell'abrogato trattato del 1868, sotto il cui imperio la Svizzera, prescindendo dal requisito della doppia incriminazione, accordava di massima l'estradizione a questo riguardo: v. RU 5, 228; 17, 454 consid. 1; sentenza inedita dell'8 giugno 1966 nella causa Nesti). Ne consegue che, in virtù della Convenzione, l'estradizione non può essere accordata per il reato di associazione a delinquere. 4. Giusta l'art. 2 § 1 della Convenzione non basta tuttavia che il reato per il quale è chiesta l'estradizione sia punibile in entrambi gli Stati interessati, ma occorre ancora che, ove si tratti di estradare un prevenuto, sia comminata nella legislazione di entrambe le Parti una pena privativa di libertà il cui massimo raggiunga almeno l'anno (v. GRÜTZNER, Aktuelle BGE 95 I 462 S. 467 Probleme der Auslieferung, in Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft, vol. 81 - anno 1969 - p. 129). Secondo l'art. 2 § 2 della Convenzione, tuttavia, quando la domanda d'estradizione concerne più fatti distinti puniti ciascuno dalle leggi di entrambe le Parti, ma di cui taluni non adempiono le condizioni sulla misura della pena, la Parte richiesta ha la facoltà di accordare l'estradizione (cosiddetta accessoria) anche per questi ultimi. La Svizzera, nel citato decreto del 27 settembre 1966, ha espresso una dichiarazione su questo paragrafo allo scopo di consentire l'estradizione accessoria anche per i reati non compresi nell'elenco, ma perseguibili giusta il diritto materiale svizzero (MARKEES, Die Schweiz und das europäische Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957, Revue pénale suisse, vol. 83 - anno 1967 - p. 118 e segg.; v. inoltre SCHULTZ, Aktuelle Probleme der Auslieferung, in Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft, vol. 81 - anno 1969 - p. 215). Il problema dell'estradizione accessoria e dell'autorità federale competente a concederla non si pone però in concreto, il requisito della misura della pena privativa di libertà essendo adempiuto per tutti i reati addebitati a Della Savia e per i quali è di massima possibile la estradizione (v. art. 422 CPI, art. 1 e 2 Legge italiana n. 895 del 2 ottobre 1967, art. 226 cpv. 1 e 2 e art. 224 cpv. 1 CPS). 5. Della Savia contesta d'essere l'autore delle due esplosioni avvenute alla Fiera campionaria e alla Stazione centrale di Milano. Questo motivo d'opposizione non è però proponibile. Per costante giurisprudenza, il tema della colpevolezza infatti sfugge alla cognizione del Tribunale federale, giudice dell'estradizione, il quale è vincolato dalle risultanze dell'atto di cattura, fin tanto almeno ch'esso non contenga errori manifesti (RU 87 I 137 consid. 2 in fine ; 88 I 40 e seg. ; 92 I 113 consid. 1 e 387 consid. 2). Certo, tale giurisprudenza è criticata nella dottrina, specie per il caso in cui l'opponente invochi un alibi (SCHULTZ, op.cit., p. 234, in particolare nota 68; v. inoltre le risoluzioni del colloquio preparatorio al X Congresso internazionale di Roma, contenute nella Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft, vol. 81 - anno 1969 - p. 243, num. III, 4 a così come nella Revue internationale de droit pénal, anno 1968, p. 831). Tuttavia, anche per i fautori della sua modificazione, occorre che il prevenuto sia in grado di dimostrare immediatamente e direttamente l'impossibilità ch'egli sia BGE 95 I 462 S. 468 l'autore materiale dell'atto (SCHULTZ, op.cit.). Ora, questo non si avvera in concreto, perchè l'alibi dell'opponente risulterebbe dalla deposizione di una coimputata che il Tribunale federale non può in questa sede vagliare. Ne consegue che un eventuale riesame della giurisprudenza stabilita su questo punto si rivela in casu superfluo. 6. Anche se i requisiti posti dall'art. 2 § 1 della Convenzione sono tutti adempiuti, l'estradizione non viene tuttavia accordata quando i fatti delittuosi per i quali essa è domandata siano considerati dalla Parte richiesta come un reato politico o come un fatto connesso a un simile reato (art. 3 § 1 della Convenzione). Giusta il § 2 di quest'ultimo articolo, l'estradizione viene altresì rifiutata quando la Parte richiesta ha motivi seri per credere che la domanda sia stata presentata allo scopo di perseguire o punire un individuo per considerazioni di razza, di religione, di nazionalità o di opinioni politiche, o che la condizione di questo individuo arrischi di essere aggravata per l'uno o per l'altro di questi motivi. Ispirata da considerazioni umanitarie tratte dalla nozione del diritto d'asilo e dalle convenzioni internazionali sui rifugiati (v. GRÜTZNER, op.cit., p. 131 e seg.; lo stesso in Die Grundrechte, vol. II, p. 601; v. inoltre OEHLER, Revue internationale de droit pénal, anno 1968, p. 408; LINKE, ibidem, p. 453; SCHULTZ, ibidem, p. 807; cfr. infine la sentenza del Bundesverfassungsgericht tedesco pubblicata in Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, vol. 9, p. 174 e segg., in particolare p. 180 e 181), l'applicazione di codesta clausola, che costituisce una importante innovazione rispetto all'ordinamento previsto dalla nostra legge sull'estradizione del 1892, comporta un giudizio estremamente delicato sugli affari interni della Parte richiedente, in particolare sul suo regime politico e le sue istituzioni, la sua concezione delle libertà fondamentali della persona, il rispetto di cui, concretamente, tali libertà godono, l'indipendenza e l'obiettività del suo apparato giudiziario. Comunque, l'applicazione di questo secondo paragrafo dell'articolo 3 della Convenzione - che del resto l'opponente a ragione non invoca - appare di primo acchito esclusa. Nessun elemento permette infatti non che di ritenere, di dubitare che la domanda d'estradizione sia pretestuosa, o che la situazione del perseguito arrischi in Italia di essere aggravata a motivo BGE 95 I 462 S. 469 delle opinioni politiche da lui professate o di altre considerazioni menzionate nel citato disposto. 7. La Convenzione non dà alcuna definizione del reato politico di cui è discorso nell'art. 3 § 1. Poichè tuttavia essa non innova rispetto all'ordinamento scaturiente dall'art. 10 cpv. 1 e 2 della legge federale sull'estradizione del 1892 (v. Messaggio del Consiglio federale all'Assemblea federale concernente l'approvazione di sei convenzioni del Consiglio d'Europa, del 10 marzo 1966, FF, ed. italiana, anno 1966, vol. I, p. 434), possono fare stato al riguardo i criteri che giurisprudenza e dottrina hanno elaborato a proposito della nozione di reato politico contemplato nel diritto federale. D'altra parte, giusta quanto emerge dall'art. 3 § 1 della Convenzione, il quesito relativo al carattere politico del reato va in concreto risolto partendo dal punto di vista svizzero ed in applicazione del diritto svizzero, senza tener conto della legislazione o della giurisprudenza dello Stato richiedente (RU 34 I 544 e riferimenti ; 90 I 299 e riferimenti). La Convenzione esclude l'estradizione non solo per il reato politico puro e semplice, ma anche per il cosiddetto delitto connesso, cioè per quel reato di diritto comune compiuto non per sè stesso, ma per preparare o assicurare l'esito di un delitto politico. Se ne deve quindi dedurre che la nozione di reato politico previsto dal citato art. 3 § 1 abbraccia tanto i reati politici assoluti, volti contro l'organizzazione sociale e politica dello Stato, quanto i reati politici relativi, vale a dire le infrazioni di diritto comune che acquistano un carattere politico predominante per le circostanze in cui sono state commesse, segnatamente per il loro movente ed il loro scopo (RU 27 I 84 ; 32 I 539 ; 59 I 145 ; 77 I 62 ; 78 I 50 ; 90 I 299 ). Nella fattispecie, Angelo della Savia rivendica appunto, per i fatti delittuosi addebitatigli, i quali di per sè attengono al diritto comune, il carattere politico predominante. Ora, è vero che, secondo la giurisprudenza del Tribunale federale, il movente anarchico d'una infrazione non esclude a priori la natura politica del reato (RU 17, 456 ; 27 I 85 ). Tuttavia, affinchè la predominanza del carattere politico possa essere riconosciuta, occorre che il delitto si situi nell'ambito della lotta contro o per il potere, oppure tenda a sottrarre alcuno a un potere che escluda ogni forma di opposizione. Tra l'atto ed il BGE 95 I 462 S. 470 fine politico deve sussistere un rapporto chiaro, stretto e diretto, non soltanto una relazione indiretta e lontana. Occorre inoltre che la lesione cagionata stia in una certa proporzione con lo scopo perseguito, e che gli interessi in campo appaiano sufficientemente importanti se non per giustificare, per lo meno per far apparire scusabile il reato. Nell'apprezzare il peso e la portata di codesti interessi, il Tribunale federale tiene conto anche della valutazione soggettiva che può aver ispirato l'agente, e dei mezzi dei quali egli si è servito per propugnarli, indipendentemente dalle prospettive reali d'un esito favorevole (RU 90 I 299 e segg.). Alla luce di questi principi giurisprudenziali - dai quali non v,è motivo di scostarsi - la prevalenza del carattere politico dei reati addebitati a Della Savia dev'essere negata. a) Al momento in cui furono commessi i reati, la lotta politica non aveva travalicato, in Italia, le forme democratiche per assumere caratteri di agitazione rivoluzionaria. Anche se, localmente, si erano verificate manifestazioni che sporadicamente avevano comportato prove di forza fra dimostranti e polizia, codesti disordini non si erano generalizzati a tutto il Paese. D'altronde, gli attentati alla bomba, che sono rimproverati a Della Savia, non stanno neppure in relazione diretta, nè di tempo, nè di luogo, con le accennate agitazioni locali. b) Tra i fatti delittuosi ed il fine politico, che, secondo l'opponente, essi perseguivano, non sussiste d'altra parte alcuna ragionevole proporzione. L'opponente afferma di aver compiuto l'attentato di Genova davanti ad una sede della polizia, per "protestare" contro i metodi impiegati dalle forze dell'ordine nel reprimere manifestazioni di contadini siciliani. Tale giustificazione non può essere ritenuta: non solo fa difetto, tra i pretesi abusi polizieschi e la reazione di protesta, un qualsiasi rapporto diretto di tempo e di luogo, ma le vie ed i metodi scelti dagli autori dell'esplosione per esprimere il loro dissenso si risolvono in gratuite manifestazioni di violenza che - per la loro gravità e la loro pericolosità - ripugnano ad ogni coscienza civile, e confinano con gli atti di indiscriminato e gratuito terrorismo. Tale motivazione traspare d'altronde dall'ammissione fatta dall'opponente per cui egli avrebbe compiuto altro atto analogo senza alcun motivo preciso di provocare un'esplosione, semplicemente per "confermare" l'azione precedente. BGE 95 I 462 S. 471 c) Quanto alle esplosioni verificatesi alla Fiera e alla Stazione di Milano - che l'opponente contesta di avere commesso - la carenza di una qualsiasi comprensibile motivazione politica è ammessa persino dal movimento anarchico, cui partecipa l'opponente, il quale ne denuncia l'estrema pericolosità per la vita e l'integrità di terzi innocenti. Ammettere l'opposizione in simili circostanze, significherebbe far beneficiare del diritto d'asilo chi ne è indegno. L'estradizione di Angelo Della Savia all'Italia viene quindi concessa per i reati indicati nell'ordine di cattura, ad eccezione del reato di associazione a delinquere, per il quale essa è rifiutata.
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Sachverhalt ab Seite 77 BGE 92 IV 77 S. 77 A.- Der 1905 geborene P. Kümpel ist in der Zeit von 1924 bis 1960 wegen Verbrechen und Vergehen - meistens wegen Betruges, mehrmals wegen gewerbsmässigen Betruges - dreissigmal zu Freiheitsstrafen verurteilt worden. Nachdem er bis 1941 rund 20 Gefängnisstrafen verbüsst hatte, wurde die ihm 1943 vom Kriminalgericht des Kantons Luzern u.a. wegen gewerbsmässigen Betruges auferlegte Strafe von zwei Jahren Zuchthaus in Verwahrung umgewandelt, die bis zum 12. August 1946 dauerte. Am 12. Mai 1947 verurteilte ihn das Krimi nalgericht des Kantons Schwyz wegen gewerbsmässigen Betruges zu zwei Jahren Zuchthaus, worauf er am 27. April 1948 in die Verwahrung zurückversetzt wurde. Seine Entlassung erfolgte am 4. August 1951. Am 16. Juli 1959 ordnete das Ober gericht des Kantons Thurgau, das Kümpel wegen Unzucht vor einem Kind und wiederholter widernatürlicher Unzucht zu einem Jahr Gefängnis verurteilte, erneut die Verwahrung an. Am 24. Mai 1960 verfällte ihn das Obergericht des Kantons Solothurn wegen gewerbsmässigen Betruges in eine Zusatzstrafe von einem Jahr Zuchthaus. Am 18. September 1962 wurde er mit einer Probezeit von drei Jahren aus der Verwahrung bedingt entlassen, und gleichzeitig wurde die über ihn verhängte Vormundschaft aufgehoben. BGE 92 IV 77 S. 78 In der Zeit vom Dezember 1963 bis Januar 1965 machte sich Kümpel bei einem Liegenschaftshandel des Wuchers und des Betruges schuldig, beging er einen Diebstahl im Betrage von Fr. 400.-- und verkaufte er in grossem Umfange Spirituosen ohne behördliche Bewilligung. B.- Das Kantonsgericht Schaffhausen verurteilte Kümpel am 25. Juni 1965 wegen Wuchers, Betruges, Diebstahls sowie fortgesetzter und wiederholter Widerhandlung gegen das kantonale Wirtschaftsgesetz zu einem Jahr Zuchthaus und Franken 500.-- Busse sowie zu zehn Jahren Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit und ordnete anstelle des Strafvollzuges die Verwahrung des Verurteilten nach Art. 42 StGB auf unbestimmte Zeit an. Das Obergericht des Kantons Schaffhausen, an das Kümpel Berufung einlegte, bestätigte durch Urteil vom 25. März 1966 den erstinstanzlichen Schuldspruch, setzte dagegen die Strafe auf ein Jahr Gefängnis und Fr. 200.-- Busse herab und nahm von einer Verwahrung Abstand. C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen führt gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, es sei aufzuheben und die Sache zur Anordnung der Verwahrung und zur Einstellung des Verurteilten in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit an die Vorinstanz zurückzuweisen. D.- Kümpel beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
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423
Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der in Art. 42 StGB vorausgesetzte Hang zu Verbrechen oder Vergehen ist beim Beschwerdegegner auf Grund der grossen Zahl der wegen Verbrechen und Vergehen verbüssten Freiheitsstrafen offenkundig. Von einer wesentlichen Verminderung dieses Hanges, die nach der Auffassung der Vorinstanz seit dem Jahre 1951 eingetreten sein soll, kann nicht die Rede sein. Der Beschwerdegegner hat die Unzuchtsdelikte, deretwegen er am 16. Juli 1959 zu einer in Verwahrung umgewandelten Zuchthausstrafe verurteilt wurde, im Zeitraum von 1952 bis 1957 begangen, und in den Jahren 1958 und 1959 machte er sich wiederum des gewerbsmässigen Betruges schuldig, weshalb ihn das Obergericht des Kantons Solothurn am 24. Mai 1960 in eine Zusatzstrafe von einem Jahr Zuchthaus verfällte. Er konnte sich also nach der am 4. August 1951 erfolgten Entlassung BGE 92 IV 77 S. 79 aus der Verwahrungsanstalt ebenso wie vor 1951 nur kurze Zeit halten. Desgleichen ist er nach dem 18. September 1962, als er mit einer Probezeit von drei Jahren aus der Verwahrung bedingt entlassen wurde, verhältnismässig rasch rückfällig geworden. Die Zeit von knapp einem Jahr und drei Monaten, die bis zur Wiederaufnahme der deliktischen Tätigkeit verfloss, lässt weder eine ins Gewicht fallende Besserung erkennen, noch kann daraus oder aus andern Umständen abgeleitet werden, die neuen Straftaten seien nicht die Folge seiner verbrecherischen Neigung. Dieser Zusammenhang wird insbesondere nicht dadurch widerlegt, dass der Beschwerdegegner nach seiner Entlassung aus der Verwahrung von den Fürsorgebehörden nicht oder nicht mehr genügend betreut worden ist. Auch das im vorliegenden Verfahren eingeholte Gutachten der Heil- und Pflegeanstalt Breitenau vom 7. April 1965 bezeichnet den Beschwerdegegner immer noch als haltlos-willensschwachen Psychopathen mit ausgesprochener Tendenz zu Vermögensdelikten. 3. Nach Art. 42 StGB ist der Richter, wenn wie hier die gesetzlichen Voraussetzungen der Verwahrung erfüllt sind, nicht notwendig verpflichtet, diese Massnahme anzuordnen, sondern er kann sie verhängen. Seinem Ermessen sind jedoch Grenzen gesetzt. Nach ständiger Rechtsprechung darf er von der Verwahrung nur absehen, wenn er der Überzeugung ist, dass schon der Vollzug der Strafe den Verurteilten dauernd vor neuen Rückfällen bewahre ( BGE 84 IV 147 Erw. 2 und dort angeführte Urteile). Das Obergericht ist nicht dieser Überzeugung, angesichts der Wirkungslosigkeit der bisherigen Strafen, die der Beschwerdegegner in grosser Zahl verbüsste, mit Recht nicht. Es geht aber unter Hinweis auf GERMANN (Bemerkungen in der Textausgabe zu Art. 42 StGB ) davon aus, dass der schwere Eingriff der Verwahrung erst gerechtfertigt sei, wenn Strafen und andere Massnahmen versagen oder voraussichtlich nicht wirksam sind, und es hält dafür, dass im vorliegenden Falle eine geeignete vormundschaftliche Versorgung genüge, um die Gesellschaft vor dem heute 61-jährigen, gesundheitlich geschädigten Beschwerdegegner zu sichern, weshalb es anordnete, dieser sei nach der Erstehung der Gefängnisstrafe der Verwaltungsbehörde zuzuführen, damit diese die erforderlichen Massnahmen treffe. BGE 92 IV 77 S. 80 Diese Anordnung verstösst gegen das Strafgesetz. Nach diesem ist in bundesrechtlichen Strafsachen die Strafe auszufällen oder die Massnahme anzuordnen, die das StGB für den betreffenden Fall vorsieht. Der Richter, der das Gesetz anzuwenden hat, kann die ihm obliegende Aufgabe nicht einer andern Behörde übertragen, damit diese den vom StGB mit seiner Massnahme verfolgten Zweck mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu verwirklichen versuche, und dies auf die Gefahr hin, dass die andere Behörde nichts oder zu wenig vorkehrt und die gesetzliche Vorschrift unerfüllt bleibt. Der Richter ist daher nicht befugt, von der strafrechtlichen Massnahme, die neben oder anstelle der Strafe zu verhängen ist, deswegen abzusehen, weil er eine andere, im Gesetz nicht vorgesehene Massnahme, z.B. eine vormundschaftliche oder administrative, für geeigneter oder zweckmässiger hält. Etwas anderes wollte offenbar auch GERMANN in seinen Bemerkungen zur Textausgabe nicht sagen. Wenn dort von "andern Massnahmen" die Rede ist, so können darunter nur Massnahmen des StGB verstanden werden. Das ergibt sich auch aus der an der erwähnten Stelle angeführten Abhandlung des gleichen Autors (ZStR 1946, 169 ff.), wo nirgends erklärt wird, dass die Verwahrung nach Art. 42 StGB erst dann anzuordnen sei, wenn auch vom StGB nicht vorgesehene, insbesondere vormundschaftliche oder administrative Massnahmen versagen oder keine bessernde Wirkung versprechen. Desgleichen ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichts, auf die GERMANN ebenfalls verweist, nie in Erwägung gezogen worden, dass der Schutz der Öffentlichkeit vor unverbesserlichen Gewohnheitsverbrechern auch durch vormundschaftliche oder administrative Massnahmen sichergestellt werden könne. Es ist im Gegenteil angenommen worden, dass an die Stelle der Verwahrung nach Art. 42 StGB nur Massnahmen des StGB treten können, so die Verwahrung oder Versorgung vermindert Zurechnungsfähiger in einer Heil- und Pflegeanstalt nach Art. 14 oder 15 StGB oder die Einweisung in eine Trinkerheilanstalt nach Art. 44 StGB ( BGE 86 IV 204 , BGE 88 IV 10 ). Wo dagegen eine andere Massnahme des StGB ausser Betracht fällt, muss zur Sicherung der Gesellschaft gegen Rechtsbrecher, die durch Strafen nicht zu bessern sind, die Verwahrung nach Art. 42 StGB angeordnet werden. Dementsprechend ist auch entschieden worden, dass selbst dann, wenn eine frühere Verwahrung BGE 92 IV 77 S. 81 noch andauert, der Richter nicht auf ihre Neuanordnung verzichten kann ( BGE 83 IV 6 ). Ebenso darf er gegenüber einem aus der Verwahrung bedingt Entlassenen, der rückfällig geworden ist, nicht deshalb von der erneuten Anordnung der Massnahme Umgang nehmen, weil dieser gemäss Art. 42 Ziff. 6 StGB mit der Rückversetzung in die früher verhängte Verwahrung zu rechnen hat (nicht veröffentlichte Urteile des Kassationshofes vom 19. Mai 1961 i.S. Jaggi und vom 30. Dezember 1964 i.S. Huber). Der richterlichen Anordnung der Verwahrung steht auch nicht entgegen, dass der Beschwerdegegner gesundheitlich geschädigt ist. Seinem Gesundheitszustand kann bei der Wahl der Anstalt, in der die Verwahrung vollzogen wird, Rechnung getragen werden. In Frage kommt auch eine offene Anstalt oder eine Heil- und Pflegeanstalt. Hierüber hat nicht der Richter, sondern die Vollzugsbehörde zu befinden. 4. Die Verwahrung des Beschwerdegegners, die demnach vom Obergericht nach Art. 42 StGB anzuordnen ist, hat gemäss Art. 52 Ziff. 1 Abs. 3 StGB zur Folge, dass er auch in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit auf zehn Jahre einzustellen ist.
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Sachverhalt ab Seite 902 BGE 97 I 902 S. 902 A.- Le Conseil d'Etat du canton de Genève a approuvé le 19 mai 1970 un projet de loi - no 3511 - concernant l'ouverture de crédits pour des travaux complémentaires d'infrastructure et d'équipement de l'aéroport intercontinental de Genève-Cointrin. Ce projet prévoyait (art. 1er) un crédit total de 48 450 000 fr., sous déduction du montant des subventions qui BGE 97 I 902 S. 903 seraient allouées par la Confédération. Selon l'art. 2, le crédit était soumis aux dispositions de la loi générale sur le financement des travaux d'utilité publique, du 11 janvier 1964. Dans l'exposé des motifs présenté au Grand Conseil à l'appui du projet, le crédit total de 48 450 000 fr. était décomposé en un certain nombre de postes, dont deux intéressent le présent litige. Sous chiffre 2.2 et sous rubrique "aménagement derrière le grand hangar en corrélation avec la construction du centre d'entretien Swissair", figurait un crédit de 600 000 fr. Il était indiqué à ce sujet que Swissair - Société anonyme suisse pour la navigation aérienne - devait disposer d'un centre pour l'entretien de tous ses véhicules et du matériel indispensable aux opérations d'escale, que ce centre serait étudié, financé et construit par Swissair, tout en devenant propriété de l'Etat aux termes d'une convention, et que le crédit sollicité concernait les travaux destinés à accroître et renforcer les aires de manoeuvre et les accès dans cette zone de l'aéroport, à relier le centre d'entretien à la plate-forme des aéronefs, à installer un "parking" et à poser des canalisations. Sous chiffre 5, et sous la rubrique "Centre d'aviation générale", il était prévu un crédit de 5 200 000 fr. On indiquait à ce sujet que le "centre" à créer serait en quelque sorte une "station-service" pour les aéronefs ne dépassant pas une trentaine de tonnes, qu'il comprendrait des halles et ateliers, des hangars pour avions et un "centre administratif, police, douane, Flo (service de renseignements aéronautiques)" et que les ateliers et halles seraient construits et gérés par plusieurs concessionnaires, les bâtiments demeurant propriété de l'Etat, selon une convention passée avec lesdits concessionnaires. Le crédit sollicité devait couvrir le coût des travaux et des équipements d'infrastructure, bâtiments non compris. Le Conseil d'Etat précisait dans un autre passage de l'exposé des motifs que les ateliers et les locaux d'accueil seraient construits par les deux principales entreprises concessionnées, qui feraient l'avance des frais, les bâtiments demeurant propriété de l'Etat de Genève, que l'Etat construisait un hangar pour avions légers au moyen de crédits budgétaires et construirait les locaux destinés aux services généraux du centre. Un représentant de l'administration a déclaré devant la commission du Grand Conseil chargée d'examiner le projet de loi qu'en ce qui concerne le centre d'aviation générale, il était prévu d'édifier un premier bâtiment BGE 97 I 902 S. 904 technique, financé par la société Genair SA, la construction du hangar étant commandée par voie budgétaire par l'aéroport. Le Grand Conseil adopta la loi le 6 novembre 1970, en réduisant cependant le crédit total à 48 400 000 fr. Le référendum fut demandé et la loi acceptée par le peuple le 7 février 1971. B.- Le 16 décembre 1970, Jean Brocher, citoyen actif genevois, s'est adressé au Conseil d'Etat pour lui demander de pouvoir consulter les arrêtés par lesquels celui-ci avait délégué ses pouvoirs à certains de ses membres pour signer, avec Swissair SA et Genair SA, ainsi que d'autres sociétés, les conventions auxquelles il était fait allusion dans l'exposé des motifs accompagnant le projet de loi no 351 l'ainsi que les arrêtés du Conseil d'Etat approuvant et ratifiant la signature de ces conventions. Le Conseil d'Etat répondit par un refus, le 29 décembre 1970. Il relevait en substance que, de pratique constante, le gouvernement et l'administration se considéraient comme liés par le secret de fonction en ce qui concerne le contenu de ces accords de droit privé. C.- Auparavant déjà, soit le 23 décembre 1970, Jean Brocher avait déposé un recours de droit public dirigé contre les arrêtés par lesquels le Conseil d'Etat a délégué ses pouvoirs à certains de ses membres en les autorisant à signer a) avec Swissair SA des conventions relatives à l'établissement et à la construction sur le terrain de l'aéroport de Cointrin d'un "Centre d'entretien Swissair" et b) avec Genair SA et Pilatus SA des conventions relatives à l'établissement et à la construction d'un "Centre d'aviation générale" sur le même aéroport. Il concluait à l'annulation desdits arrêtés, en tant qu'ils ne réservent pas les compétences du Grand Conseil pour l'approbation des dépenses qu'entraînent les travaux visés par les conventions précitées et pour le vote d'une loi ou d'une décision ouvrant un crédit correspondant à ces dépenses. D.- Le Conseil d'Etat a conclu à l'irrecevabilité des conclusions du recours, subsidiairement à leur rejet. A la demande du juge délégué, il a produit des extraits des conventions en cause. Il ressort de ces pièces que l'Etat ne débourse effectivement aucune somme pour la construction des deux "centres" sur les terrains de l'aérodrome. Les frais de construction sont avancés par les sociétés contractantes et ils leur seront remboursés par compensation avec les loyers qui seront dus par elles lorsque les BGE 97 I 902 S. 905 ouvrages auront été achevés. A l'échéance des conventions, ces frais seront amortis. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
2,083
1,008
Erwägungen Considérant en droit: 1. 6. ... (Questions de procédure). 7. En vertu de la constitution genevoise, le Conseil d'Etat constitue le pouvoir exécutif et est chargé de l'administration générale du canton (art. 101). Le Grand Conseil exerce le pouvoir législatif; il vote les impôts, décrète les dépenses, les emprunts et les aliénations du domaine public, reçoit et arrête les comptes de l'Etat et reçoit le compte rendu de l'administration (art. 70, 80, 82). Le budget est établi par une loi, la loi annuelle sur les dépenses et les recettes (ou loi budgétaire), qui est de la compétence exclusive du Grand Conseil. En effet, alors que d'une façon générale le référendum peut être demandé contre toutes les lois votées par le Grand Conseil (art. 53), la loi budgétaire comme telle ne peut en faire l'objet (art. 54 al. 1). Seules des dispositions spéciales de cette loi sont soumises au référendum, soit celles qui établissent un nouvel impôt ou l'augmentation d'un impôt déjà existant, ou celles qui établissent une émission de rescriptions ou un emprunt sous une autre forme (art. 54 al. 2). Le Grand Conseil peut soustraire une loi au référendum lorsqu'elle revêt un caractère d'urgence exceptionnelle (art. 55). Il n'a pas cette faculté dans deux cas. Le premier est celui où la loi entraîne pour le canton et pour le même objet une dépense unique de plus de 125 000 fr. ou une dépense annuelle de plus de 30 000 fr., une telle loi devant, si le référendum est demandé, être soumise au peuple avec sa couverture financière; toutefois, la clause d'urgence peut être prévue lorsqu'il s'agit de contracter un emprunt (art. 56 et 57). Le second cas dans lequel la loi ne peut être soustraite au référendum facultatif est celui où il s'agit d'établir un impôt nouveau ou d'augmenter un impôt déjà existant (art. 95). Ainsi, lorsque les dépenses sont comprises dans le budget annuel, il appartient au Grand Conseil de les voter, sans que sa décision puisse faire l'objet d'un référendum. En revanche, toutes les "dépenses" hors budget uniques de plus de 125 000 fr. et toutes les "dépenses" hors budget annuelles de plus de 30 000 fr. sont nécessairement soumises au référendum facultatif, BGE 97 I 902 S. 906 concurremment avec leur couverture financière. Les dispositions précitées doivent être rapprochées encore des art. 96 et 97 Cst. gen. Selon l'art. 96 al. 2, tout projet de loi présenté par le Conseil d'Etat qui comporte une dépense hors budget ou une dépense budgétaire nouvelle doit prévoir une recette correspondante si cette dépense excède 30 000 fr.; selon l'art. 97 al. 1, le Grand Conseil, de son côté, ne peut voter une dépense extraordinaire ou hors budget qu'avec sa couverture financière, si cette dépense excède 30 000 fr. Dans les deux cas, l'emprunt ne peut être considéré comme une recette ou couverture financière (art. 96 al. 3, 97 al. 2). 8. Soutenant que les conventions conclues avec Swissair SA et Genair SA entraînaient des "dépenses" qui, en vertu de l'art. 56 Cst. gen., étaient soumises "obligatoirement au référendum facultatif", le recourant reproche au Conseil d'Etat d'avoir violé cette disposition constitutionnelle. En réalité, l'art. 56 Cst. gen., concernant le "référendum financier", n'est qu'un cas d'application du principe général du référendum législatif posé par l'art. 53 Cst. gen. Les art. 56 et 57 ont pour effet, en premier lieu, d'exclure la clause d'urgence pour les lois entraînant des dépenses d'un certain montant, et en second lieu de prescrire qu'en cas de référendum, ces lois doivent être soumises au peuple concurremment avec leur couverture financière. Il s'agit donc de savoir si les conventions conclues par le Conseil d'Etat auraient dû faire l'objet d'une loi, votée par le Grand Conseil, parce qu'elles entraînent une dépense extraordinaire, cette loi étant nécessairement soumise au référendum facultatif. d) Le recourant soutient que, même si l'on admet les explications du Conseil d'Etat, l'opération se résume à un emprunt contracté par l'Etat auprès des sociétés concessionnaires pour la construction des bâtiments devenant sa propriété, emprunt remboursable par compensation avec les loyers à encaisser. L'Etat aurait donc dû inscrire dans ses comptes d'une part les dépenses effectives, d'autre part les recettes prévues. Il n'y a pas lieu d'examiner si, du point de vue comptable, il s'impose de procéder comme le recourant le préconise. Il faut en revanche rechercher, du point de vue juridique, si le Conseil d'Etat était tenu, en vertu de la constitution, d'agir ainsi et de procéder de la même façon que s'il versait réellement les frais BGE 97 I 902 S. 907 de construction et encaissait réellement les loyers. Pour cela, il faut déterminer le sens du terme "dépenses" qui figure à l'art. 56 comme à l'art. 80 Cst. gen. La jurisprudence et la doctrine admettent d'une façon générale que toute sortie d'argent ou toute utilisation des moyens financiers de l'Etat ne doit pas nécessairement être considérée comme une dépense pour l'application du référendum financier; sont seules considérées comme dépenses les opérations qui grèvent le budget annuel au-delà de l'administration courante et sont de nature à exercer directement ou indirectement une influence sur la charge fiscale (RO 25 I 471/72 et 478/79 ; 51 I 222 , 89 I 41 ss., 93 I 319; cf. RO 93 I 626, 95 I 218, 537, 96 I 708). Il n'y a dépense ouvrant la voie du référendum financier que lorsque l'Etat dispose de certaines sommes provenant de son patrimoine sans que cette sortie de fonds se traduise par l'acquisition d'une contre-valeur réalisable. Seule l'utilisation d'une partie du patrimoine financier sans contrepartie réalisable (notamment par affectation au patrimoine administratif) entraîne, en diminuant le patrimoine financier, une charge directe ou indirecte pour le contribuable et justifie ainsi, conformément au but du référendum financier, le recours à la votation populaire. Cette jurisprudence a reçu l'approbation de la doctrine (GIACOMETTI, Das Staatsrecht der schweizerischen Kantone, p. 528-532; cf. aussi ESCHER, Das Finanzreferendum in den schweizerischen Kantonen, thèse Zurich 1943, p. 27 ss.; SCHAERR, Das Finanzrecht des Kantons Zürich, thèse Zurich 1933, p. 53 ss.; BLUMENSTEIN, dans Revue mensuelle pour le droit administratif et le notariat du canton de Berne, 1943, p. 2/3; LAUR, Das Finanzreferendum im Kanton Zürich, thèse Zurich 1966, p. 52; NEF, Das Finanzreferendum im Kanton Aargau, p. 78; JÉQUIER, dans RDAF, 1969, p. 212 ss.). Chaque constitution cantonale doit cependant être interprétée pour elle-même (cf. RO 95 I 529). La constitution genevoise ne définit pas expressément le terme de dépenses. L'examen des dispositions d'ordre financier qu'elle contient permet toutefois de constater que si le constituant a entendu renforcer les droits du peuple à l'égard des lois entraînant des dépenses, il l'a fait avant tout pour le cas où les dépenses de l'Etat ont pour contrepartie un accroissement de la charge fiscale des contribuables. Les citoyens sont mis en mesure de se prononcer sur les charges financières susceptibles d'entraîner un tel accroissement. Ainsi, BGE 97 I 902 S. 908 le référendum ne peut pas être exercé contre la loi budgétaire, à moins qu'elle n'entraîne un nouvel impôt, ou une augmentation des impôts existants, ou un emprunt (art. 54 Cst. gen.); les dépassements des crédits prévus au budget doivent être soumis au Grand Conseil, mais le référendum ne peut s'exercer à leur égard (cf. M. BATTELLI, L'évolution du droit budgétaire genevois, dans Festschrift für Hans Huber, p. 64). L'art. 56 prévoit que les lois entraînant des dépenses supérieures à certains montants doivent être, en cas de référendum, soumises au peuple concurremment avec leur couverture financière. L'art. 95 empêche le Grand Conseil de soustraire au référendum les lois établissant un impôt nouveau ou l'augmentation d'un impôt existant. L'art. 97 prévoit que les dépenses extraordinaires ou hors budget ne peuvent être votées par le Grand Conseil qu'avec leur couverture financière. Toutes ces dispositions montrent que l'exercice du référendum en matière financière est étroitement lié à l'accroissement de l'endettement de l'Etat et de la charge fiscale. Les électeurs ne se prononcent pas sur les dépenses ordinaires, qui ne sont pas susceptibles d'entraîner une augmentation des impôts. Cette particularité de la constitution genevoise, qui restreint la notion de dépense et partant la portée du référendum financier, a déjà été relevée par le Tribunal fédéral (arrêt Cottier, du 29 avril 1932, non publié). Elle est signalée par la doctrine (GIACOMETTI, op.cit., p. 529, n. 17; ESCHER, op.cit., p. 11 et 21). Il faut en tenir compte pour la solution du présent litige. Aux termes des conventions conclues avec Swissair SA et Genair SA et sur le vu des explications complémentaires du Conseil d'Etat, relatives à la partie non produite des textes conventionnels, il apparaît non seulement que le canton de Genève ne débourse effectivement aucune somme pour la construction des deux "centres", mais encore que la dette qu'il contracte théoriquement envers ses cocontractantes ne grève pas et ne peut pas grever effectivement ses comptes. Elle est en effet nécessairement et toujours compensée par la créance de loyers qu'il acquiert contre elles. Les deux opérations financières (octroi d'avances et conclusion d'un bail à loyer) sont si étroitement liées entre elles qu'il est exclu que les conventions conduisent au versement effectif d'une somme d'argent par l'Etat aux concessionnaires. Il est vrai qu'en contrepartie des avances consenties, l'Etat renonce à encaisser effectivement les BGE 97 I 902 S. 909 loyers dus pour les installations nouvelles; mais on ne saurait assimiler à une dépense cette renonciation à une recette qui n'aurait pas existé si les constructions n'avaient pas été effectuées. Le terrain nu n'aurait rien rapporté non plus, puisqu'il est inclus dans l'aéroport. Du point de vue financier, l'opération n'a aucune influence réelle sur l'équilibre des comptes de l'Etat, du moins jusqu'à l'échéance des conventions, époque à laquelle les avances des concessionnaires seront entièrement amorties et à partir de laquelle l'Etat percevra un loyer. Elle ne peut avoir pour effet direct ou indirect d'augmenter la charge fiscale. Economiquement, la situation se présente de la même façon que si l'Etat avait accordé aux sociétés un droit de superficie, à l'échéance duquel les bätiments construits lui auraient fait retour. On doit admettre en conséquence que l'Etat de Genève n'engage aucune dépense, au sens de la constitution cantonale, pour la construction des deux centres. Partant, sous réserve des règles concernant l'emprunt, qui seront encore examinées (cf. consid. 9 ci-dessous), la conclusion des conventions n'avait pas à prendre la forme d'une loi. e) Il faut relever cependant que les opérations précitées ne constituent pas un placement ou un simple mouvement dans le patrimoine financier de l'Etat, comme celui-ci le soutient. Certes, les terrains de l'aéroport de Cointrin n'appartiennent pas au domaine public au sens du droit cantonal. Ils n'en sont pas moins destinés à assurer le fonctionnement d'un service public et font partie du patrimoine administratif de l'Etat, voire des biens affectés à l'usage commun. L'aéroport de Genève est en effet un "aérodrome ouvert à la navigation publique" au sens de l'art. 37 de la loi fédérale sur la navigation aérienne, du 21 décembre 1948, et un "aéroport" au sens de l'art. 45 du règlement d'exécution de cette loi, du 5 juin 1950 (RO 81 I 42). Au reste, l'Etat de Genève a bénéficié de subventions fédérales pour l'agrandissement de son aéroport et il résulte des conventions en cause qu'il compte en recevoir aussi pour les bâtiments qui en font l'objet. On ne concevrait pas que le canton de Genève demande des subventions fédérales pour des bâtiments appartenant à son patrimoine financier. 9. Le recourant reproche au Conseil d'Etat d'avoir, en concluant des conventions selon lesquelles des tiers lui accordent des "avances", contracté, pour payer des dépenses qui lui BGE 97 I 902 S. 910 incombent, un emprunt interdit par la constitution. Selon les art. 96 al. 3 et 97 al. 2 Cst. cant., un projet de loi présenté au Grand Conseil et une loi votée par le Grand Conseil doivent comporter la couverture financière, qui ne peut être un emprunt. En réalité, une violation des obligations que les art. 96 et 97 Cst. gen. imposent aux autorités constituées ne porterait pas, comme telle, atteinte au droit de vote du recourant, car elle n'aurait pas elle-même pour effet de soustraire la loi au référendum facultatif. Le recourant aurait pu en revanche invoquer l'art. 80 Cst. gen., qui dispose que le Grand Conseil décrète les emprunts, sa décision sur ce point étant sujette au référendum facultatif en vertu de l'art. 53 Cst. gen., sauf application de la clause d'urgence. Il ne l'a pas fait. De toute manière, ce moyen, recevable, eût été mal fondé. D'une part, comme le relève le Conseil d'Etat, il ne semble pas que n'importe quelle avance de trésorerie puisse être considérée comme un "emprunt", de la compétence du Grand Conseil. Lors des travaux préparatoires de la loi constitutionnelle du 9 mars 1927 sur le référendum financier - remplacée par une nouvelle loi du 21 février 1931, correspondant aux art. 56 et 57 actuels - tant le rapporteur de la commission du Grand Conseil que le représentant du Conseil d'Etat avaient précisé que, par "emprunt", il fallait entendre ceux qui font l'objet d'une émission publique (Mémorial du Grand Conseil, 1927, I, p. 264/65). D'autre part, si les frais de construction avancés à l'Etat ne constituent pas une "dépense" au sens de la constitution, il faut admettre aussi et pour les mêmes raisons que ces avances ne constituent pas un "emprunt" au sens de cette même constitution; lorsque le constituant a prévu des garanties spéciales à l'égard d'emprunts contractés par l'Etat, il a évidemment entendu viser des opérations conduisant à un endettement réel.
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Sachverhalt ab Seite 158 BGE 110 V 158 S. 158 A.- Der am 6. Juli 1972 geborene Versicherte leidet an motorischen Störungen bei Neurofibromatosis Recklinghausen mit Status nach Exstirpation eines Opticus-Neurinoms rechts und Makrozephalie. Die Invalidenversicherung kam mit Verfügung vom 18. Februar 1975 für die Behandlung des Geburtsgebrechens Ziff. 384 GgV (Medulloblastome, Ependynome, Gliome, Plexuspapillome und Chordome) auf und leistete am 21. Juni 1979 Kostengutsprache für psychomotorische Therapie ab 5. März 1979 "bis einstweilen Ende Schuljahr 1979/80". Ein Begehren um Verlängerung dieser Verfügung wurde von der Ausgleichskasse des Kantons Zürich mit der Begründung abgewiesen, dass eine Kostengutsprache für psychomotorische Therapie nur bis zum 8. Altersjahr und nur dann erfolgen könne, wenn die psychomotorischen Störungen auf angeborene zerebrale Störungen im Sinne von Ziff. 390 GgV zurückzuführen seien (Verfügung vom 30. Mai 1980). B.- Der Vater des Versicherten liess durch die Schulverwaltung X. Beschwerde erheben mit dem Begehren, die Invalidenversicherung habe weiterhin für die ärztlich verordnete psychomotorische Therapie aufzukommen. BGE 110 V 158 S. 159 Die AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich holte eine gutachtliche Stellungnahme bei Prof. Dr. Corboz, Direktor der Psychiatrischen Poliklinik für Kinder und Jugendliche, Zürich, ein, welcher zur Auffassung gelangte, dass psychomotorische Therapie auch bei andern Geburtsgebrechen als bei Ziff. 390 GgV übernommen werden sollte, und zwar ohne obere Altersgrenze, in der Regel jedoch nicht länger als während 1 1/2 Jahren. Die Rekurskommission folgte dieser Meinung und verpflichtete die Ausgleichskasse zur Bezahlung der wegen Geburtsgebrechen Ziff. 481 GgV (Neurofibromatose) erforderlichen psychomotorischen Therapie bis September 1980 (Entscheid vom 26. Juni 1981). C.- Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und es sei die Kassenverfügung vom 30. Mai 1980 wiederherzustellen; eventuell sei die Sache an die Verwaltung zurückzuweisen, damit sie abkläre, ob die psychomotorische Therapie als pädagogisch-therapeutische Massnahme zugesprochen werden könne. Der Vater des Versicherten hat sich zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht vernehmen lassen. D.- Das Eidg. Versicherungsgericht hat zur Frage der psychomotorischen Therapie als medizinische Massnahme im Sinne von Art. 13 IVG bei den Professoren Dr. W. Isler und Dr. A. Weber, Kinderspital Zürich, ein Gutachten eingeholt, welches am 17. Oktober bzw. 6. Dezember 1983 erstattet worden ist. In einem zweiten Schriftenwechsel wurde den Parteien Gelegenheit gegeben, sich hiezu zu äussern.
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Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. a) Nach Art. 13 IVG haben minderjährige Versicherte Anspruch auf die zur Behandlung von Geburtsgebrechen notwendigen medizinischen Massnahmen (Abs. 1). Der Bundesrat bezeichnet die Gebrechen, für welche diese Massnahmen gewährt werden; er kann die Leistung ausschliessen, wenn das Gebrechen von geringfügiger Bedeutung ist (Abs. 2). Als Geburtsgebrechen im Sinne von Art. 13 IVG gelten Gebrechen, die bei vollendeter Geburt bestehen und in der Liste gemäss Art. 2 GgV enthalten sind oder gemäss Art. 3 Abs. 2 GgV vom Eidgenössischen Departement des Innern neu als solche bezeichnet werden ( Art. 1 Abs. 1 GgV ). Als medizinische Massnahmen, die BGE 110 V 158 S. 160 für die Behandlung eines Geburtsgebrechens notwendig sind, gelten sämtliche Vorkehren, die nach bewährter Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft angezeigt sind und den therapeutischen Erfolg in einfacher und zweckmässiger Weise anstreben ( Art. 1 Abs. 3 GgV ). b) Psychomotorische Therapie wird nach der Verwaltungspraxis gestützt auf Art. 13 IVG als medizinische Massnahme gewährt bei angeborenen zerebralen Lähmungen gemäss Ziff. 390 GgV sowie bei kongenitalen Hirnstörungen im Sinne eines psychoorganischen Syndroms (POS; Ziff. 404 GgV) mit schweren psychomotorischen Störungen als Ergänzung anderer medizinischer Massnahmen (Rz. 191.1 des ab 1. September 1981 gültigen Nachtrags 3 zum Kreisschreiben des BSV über die medizinischen Eingliederungsmassnahmen). Nach Rz. 275 des Nachtrags 3 wird ambulante psychomotorische Therapie bei angeborenen zerebralen Lähmungen Minderjähriger vergütet a) als Fortsetzung einer während mindestens eines Jahres durch eine entsprechend ausgebildete Therapeutin durchgeführten Bewegungstherapie nach Bobath. Das Kind darf bei Therapiebeginn nicht jünger als 4 und nicht älter als 8 Jahre sein; b) bei leichten zerebralen Lähmungen mit schweren psychomotorischen Störungen zur Förderung der allgemeinen Beweglichkeit; c) anstelle einer aus medizinischen Gründen nicht durchführbaren Bobath-Behandlung bei zerebralen Bewegungsstörungen mit ausgeprägt verlangsamter Reaktion sowie Perzeptionsstörungen besonders im Sinne einer gestörten Raumorientierung. Bei Anwendung von Rz. 275 lit. a und b wird die psychomotorische Therapie während höchstens zwei Jahren bewilligt (Rz. 276 des Nachtrags 3). Gemäss Rz. 295 des Kreisschreibens über die medizinischen Eingliederungsmassnahmen, gültig ab 1. Januar 1979, schliesst das Bestehen einer Oligophrenie die Anerkennung von Ziff. 404 GgV aus; ebensowenig sind psychoorganische Syndrome als Folge anderer Geburtsgebrechen (Epilepsie, Hydrocephalus und dgl.) unter Ziff. 404 GgV einzuordnen. Rz. 295.1 des ab 1. Mai 1982 gültigen Nachtrags 4 zum Kreisschreiben bestimmt, dass Psychosyndrome, für die psychomotorische Therapie als Alleintherapie geltend gemacht wird, nicht unter Ziff. 404 GgV fallen. Rz. 296.1 des Nachtrags 4 schliesslich hält fest, dass bei kongenitalen Hirnstörungen im Sinne von Ziff. 404 GgV mit schweren psychomotorischen Störungen die psychomotorische Behandlung übernommen werden BGE 110 V 158 S. 161 kann, wenn sie Teil eines umfassenden Behandlungsplanes ist. 2. Mit Beweisbeschluss vom 12. Januar 1983 hat das Eidg. Versicherungsgericht den Gutachtern folgende Fragen unterbreitet: "a) Kommt die psychomotorische Therapie als medizinische Massnahme im Sinne von Art. 13 IVG nur bei den Geburtsgebrechen gemäss Art. 2 Ziff. 390 und 404 der Verordnung über Geburtsgebrechen (GgV) in Frage (entsprechend Rz. 275 des Nachtrags 3 zum Kreisschreiben des Bundesamtes für Sozialversicherung über die medizinischen Eingliederungsmassnahmen) oder auch bei weiteren Geburtsgebrechen, insbesondere solchen gemäss Art. 2 Ziff. 381, 384, 386-389 und 481? b) Sind aus medizinischer Sicht zeitliche Begrenzungen für diese Therapie vorzusehen und, wenn ja, welche (vgl. Rz. 275 lit. a und 276 des Nachtrags 3)? c) Sind aus medizinischer Sicht noch weitere Voraussetzungen bezüglich Art, Dauer und Intensität dieser Therapie vorzusehen (vgl. Rz. 277 des Nachtrags 3 sowie Rz. 334 des Kreisschreibens)? d) Zusatzbemerkungen?" a) Prof. Weber, welcher den psychiatrischen Teil des Gutachtens verfasste, stellt im wesentlichen fest, psychomotorische Störungen träten als Begleiterscheinungen bei psychischen Krankheiten im Kindesalter insbesondere bei psychoorganischen Störungen (wozu auch das infantile POS gehöre), bei psychotischen Störungen (wozu in erster Linie der Autismus infantum gehöre) und bei primären Störungen der Entwicklung (wozu die geistige Behinderung zu rechnen sei) auf. Beim infantilen POS (Ziff. 404 GgV) sei im Zusammenhang mit Rz. 295 des Kreisschreibens über die medizinischen Eingliederungsmassnahmen zu beachten, dass bei gleichzeitigem Bestehen einer Epilepsie in den allermeisten Fällen das POS und die Epilepsie eine gemeinsame Ursache hätten, nämlich die angeborene oder im frühen Kindesalter erworbene Hirnschädigung. Das POS sei daher nicht als Folgezustand der Epilepsie zu betrachten; vielmehr handle es sich um gleichgeordnete Symptome mit gemeinsamer Ursache. Sekundäre Hirnschädigungen als Folge einer Epilepsie kämen zwar vor, seien aber selten. Zu den frühkindlichen primären Psychosen (Ziff. 401 GgV) gehöre in erster Linie der Autismus infantum, welcher u.a. gekennzeichnet sei durch schwere Entwicklungsstörungen, schwere motorische Störungen und schwere Kontaktstörungen. In solchen Fällen sei vielfach jeder verbale Kontakt verunmöglicht, weshalb versucht werden müsse, auf averbalem Weg den Kontakt zum Kind zu finden. Einer der möglichen averbalen Zugänge verlaufe über die Motorik BGE 110 V 158 S. 162 und eine der möglichen Formen motorischen Zugangs sei die psychomotorische Therapie. In Beantwortung der Expertenfragen, soweit sie den psychiatrischen Bereich betreffen, hält Prof. Weber zusammenfassend fest, die psychomotorische Therapie sei als Ergänzung anderer medizinischer Massnahmen gestützt auf Art. 13 IVG zu gewähren bei den Geburtsgebrechen Ziff. 401 und 404 GgV. Die Therapiedauer sei in der Regel auf zwei Jahre zu begrenzen. Kinder mit schweren psychomotorischen oder gar psychotischen Störungen bedürften häufig jedoch einer längerdauernden Behandlung, oft über drei bis vier Jahre. Es sei daher vorzusehen, dass die Therapiedauer von in der Regel zwei Jahren aufgrund eines spezialärztlichen Zeugnisses verlängert werden könne. b) Im neurologischen Teil des Gutachtens führt Prof. Isler zu Ziff. 390 GgV (angeborene zerebrale Lähmungen, Athetosen und Dyskinesien) aus, die psychomotorische Therapie vermöge zerebrale Bewegungsstörungen nicht zu beheben; ihr Ziel sei die Beseitigung der psychisch beeinflussten Bewegungsstörungen. Befriedigende Ergebnisse durch psychomotorische Therapie seien nur bei leichten bis höchstens mittelschweren Bewegungsstörungen zu erwarten. Angeborene Hirnschädigungen, die nicht direkt auf Läsionen motorischer Hirnstrukturen beruhten, aber mit psychomotorischen Störungen einhergingen, seien nicht unter Ziff. 390, sondern unter Ziff. 404 GgV zu subsumieren. Die Geburtsgebrechen Ziff. 381 (Missbildungen des Zentralnervensystems), 386 (Hydrocephalus cong.) und 387 bis 389 GgV (Epilepsie) könnten mit zerebralen Lähmungen einhergehen; die Indikation zu einer psychomotorischen Therapie unterliege den gleichen Kriterien wie bei Ziff. 390 GgV. Hirntumoren (Ziff. 384 GgV) könnten zu zerebralen Lähmungen führen, welche in zahlreichen Fällen erfolgreich behandelt werden könnten. Psychomotorische Therapie könne dabei angezeigt sein als Fortsetzung einer fachgerecht durchgeführten Physiotherapie, wobei die gleichen Kriterien erfüllt sein müssten, wie sie für Ziff. 390 GgV Geltung hätten. Die Neurofibromatose (Ziff. 481 GgV) verursache nur in seltenen Fällen eine zerebrale Lähmung. Wenn sie zu einer Schädigung von Sinnesorganen führe und dadurch psychomotorische Störungen verursache, sei der Fall unter Ziff. 404 GgV zu beurteilen. In Beantwortung der Expertenfragen gelangt Prof. Isler zum Schluss, dass die psychomotorische Therapie als medizinische Massnahme im Sinne von Art. 13 IVG bei den Geburtsgebrechen BGE 110 V 158 S. 163 Ziff. 390 und 384 GgV in Betracht falle; eine namentliche Erwähnung der Ziff. 381 und 386 bis 389 GgV erübrige sich, weil in diesen Fällen die Indikation zur psychomotorischen Therapie mit Ziff. 390 GgV zu begründen sei. Die Therapiedauer sei auf höchstens zwei Jahre zu beschränken. c) Für das Eidg. Versicherungsgericht besteht kein Anlass, von diesen Schlussfolgerungen abzugehen, mit welchen sich auch das BSV einverstanden erklärt. Psychomotorische Therapie als medizinische Massnahme im Sinne von Art. 13 IVG ist somit nicht nur bei den Geburtsgebrechen Ziff. 390 und 404 GgV, sondern auch bei frühkindlichen primären Psychosen (Ziff. 401 GgV) zu gewähren. Sie fällt ferner in Betracht bei (nicht angeborenen) zerebralen Lähmungen als Folge von Hirntumoren (Ziff. 384 GgV) oder von Neurofibromatosen (Ziff. 481 GgV), wobei die im Rahmen von Ziff. 390 GgV geltenden Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Führt eine Neurofibromatose zu einer Schädigung von Sinnesorganen und dadurch zu psychomotorischen Störungen, so ist der Fall nach Ziff. 404 GgV zu beurteilen. Keinen selbständigen Anspruch begründen die Geburtsgebrechen Ziff. 381 (Missbildungen des Zentralnervensystems und seiner Häute), 386 (Hydrocephalus cong.) und 387 bis 389 GgV (Epilepsie); soweit sie mit zerebralen Lähmungen einhergehen, richtet sich der Anspruch nach Ziff. 390 GgV. Ausser bei Ziff. 401 und 404 GgV, wo in spezialärztlich begründeten Fällen eine längere Behandlungsdauer angezeigt sein kann, ist der Anspruch auf psychomotorische Therapie auf höchstens zwei Jahre zu begrenzen. 3. In einem besonderen Gutachten zum vorliegenden Fall vom 13. Dezember 1983 führt Prof. Isler aus, der Versicherte leide an einer vererbten Neurofibromatosis Recklinghausen (Ziff. 481 GgV) mit einem Gliom des rechtsseitigen Nervus opticus (Ziff. 384 und 424 GgV) als bisher einziger Tumormanifestation. Die neurologische Untersuchung habe leichte zerebrale Bewegungsstörungen in Form einer Rumpfataxie, einer diskreten Extremitätenataxie und von spastischen Bewegungsabläufen bei normalem Reflexbild gezeigt (Ziff. 390 GgV). Es bestehe eine ausgeprägte "Débilité motrice", welche in direktem Zusammenhang mit der Neurofibromatose stehe. Die Makrozephalie stehe ebenfalls in Zusammenhang mit der Neurofibromatose, habe aber keine klinische Bedeutung. Nach dem Grundsatzgutachten vom 6. Dezember 1983 ist der Anspruch auf psychomotorische Therapie unter Ziff. 404 GgV zu BGE 110 V 158 S. 164 beurteilen, wenn - wie im vorliegenden Fall - eine Neurofibromatose zu einer Schädigung von Sinnesorganen und dadurch zu psychomotorischen Störungen geführt hat. Im Spezialgutachten vom 13. Dezember 1983 wird indessen auch ein Geburtsgebrechen gemäss Ziff. 390 GgV angegeben und der Fall unter Rz. 275 lit. b des Nachtrags 3 zum genannten Kreisschreiben subsumiert mit der Feststellung, dass psychomotorische Therapie für die Dauer von zwei Jahren zu gewähren sei. Für das Eidg. Versicherungsgericht besteht auch in diesem Punkt kein Anlass, von der gutachtlichen Beurteilung abzugehen. Entgegen dem vorinstanzlichen Entscheid, mit welchem Leistungen für eine Behandlungsdauer von 1 1/2 Jahren bis September 1980 zugesprochen wurden, besteht daher Anspruch auf psychomotorische Therapie zu Lasten der Invalidenversicherung bis Ende März 1981.
2,671
1,910
Dispositiv Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. In Aufhebung des Entscheides der AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich vom 26. Juni 1981 und der Kassenverfügung vom 30. Mai 1980 wird die Ausgleichskasse des Kantons Zürich verpflichtet, die Kosten der psychomotorischen Therapie für die Zeit bis Ende März 1981 zu übernehmen.
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Abänderung eines Dispositivs betreffend sieben Solidarschuldverhältnisse mit jeweils unterschiedlicher personeller Zusammensetzung (E. 9.4). Sachverhalt ab Seite 71 BGE 141 V 71 S. 71 A. A.a Die am 1. Mai 2003 errichtete Stiftung N. (ab 21. Oktober 2005: BVG-Sammelstiftung der N. nachfolgend: Stiftung) wurde 2003 im Handelsregister des Kantons Zug eingetragen und bezweckte die BGE 141 V 71 S. 72 Durchführung jeglicher Form der beruflichen Vorsorge. A. schloss am 13. Mai 2003 mit der Stiftung ein Expertenmandat der beruflichen Vorsorge ab, das rückwirkend per 1. Mai 2003 galt. A.b Am 14. Juli bzw. 2. August 2006 verfügte das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) als Aufsichtsbehörde die Suspendierung aller acht amtierenden Stiftungsräte und bestimmte O. und P. als interimistische Stiftungsräte. P. erstattete am 17. August 2006 beim Untersuchungsrichteramt Zug Strafanzeige gegen B. (seit der Gründung Stiftungsratspräsident) und E. (Stiftungsrat seit 15. April 2004) sowie allenfalls weitere Personen wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung und Veruntreuung von Vermögenswerten. Mit Verfügung vom 1. September 2006 ordnete das BSV die Aufhebung der Stiftung sowie die Amtsenthebung der suspendierten Stiftungsräte an und setzte die interimistischen Stiftungsräte als Liquidatoren ein. Auf Gesuch der Stiftung hin richtete der Sicherheitsfonds BVG (nachfolgend: Sicherheitsfonds) zur Sicherstellung gesetzlicher Leistungen einen Vorschuss von Fr. 33'000'000.- aus (Verfügung vom 26. Dezember 2006). In der Folge trat der Sicherheitsfonds in die Ansprüche gegenüber 13 (natürlichen und juristischen) Personen ein - darunter A. - und liess sich von der Stiftung sämtliche Ansprüche, die dieser gegenüber denselben 13 Personen allenfalls noch zustanden, abtreten (Erklärung vom 13. Dezember 2010 und Abtretungsvereinbarung vom 14./16. Dezember 2010). Am 15. August 2007 reichte die Stiftung in Liquidation beim Eidgenössischen Finanzdepartement gegen die Schweizerische Eidgenossenschaft ein Schadenersatzbegehren in der Höhe von Fr. 33'000'000.- zuzüglich Zins seit 28. Dezember 2006 und unter Vorbehalt der Nachklage für weiteren Schaden ein. B. B.a Am 17. Dezember 2010 erhob der Sicherheitsfonds beim Verwaltungsgericht des Kantons Zug Klage gegen folgende 13 Personen: B. (Stiftungsratspräsident, Beklagter 1), C. (Stiftungsrat, Beklagter 2), D. (Stiftungsrätin, Beklagte 3), E. (Stiftungsrat, Beklagter 4), F. (Stiftungsrat, Beklagter 5), G. (Stiftungsrat, Beklagter 6), H. (Stiftungsrat, Beklagter 7), I. (Stiftungsrat, Beklagter 8), J. AG (Kontrollstelle, Beklagte 9), A. (BVG-Experte, Beklagter 10), K. GmbH (Buchhaltung, Beklagte 11), L. AG (Finanzdienstleisterin, Beklagte 12) und M. (alleiniger Verwaltungsrat der L. AG, Beklagter 13); mit folgenden Anträgen: BGE 141 V 71 S. 73 1. Die Beklagten 1-12 seien unter solidarischer Haftung je einzeln bis zur nachfolgend aufgeführten Höhe zu verpflichten, der Klägerin den Gesamtbetrag von CHF 30'000'000.- nebst Zins zu 5 % seit 01.06.2006 zu bezahlen; 2. Die Beklagten 1-4 seien unter solidarischer Haftung gemäss Ziff. 1 hievor je einzeln zu verpflichten, der Klägerin CHF 30'000'000.- nebst Zins zu 5 % seit 01.06.2006 zu bezahlen. 3. Die Beklagten 5-8 seien unter solidarischer Haftung gemäss Ziff. 1 hievor je einzeln zu verpflichten, der Klägerin CHF 6'401'254.- nebst Zins zu 5 % seit 01.06.2006 zu bezahlen. 4. Die Beklagte 9 sei unter solidarischer Haftung gemäss Ziff. 1 hievor zu verpflichten, der Klägerin CHF 9'571'254.- nebst Zins zu 5 % seit 01.06.2006 zu bezahlen. 5. Der Beklagte 10 sei unter solidarischer Haftung gemäss Ziff. 1 hievor zu verpflichten, der Klägerin CHF 9'571'254.- nebst Zins zu 5 % seit 01.06.2006 zu bezahlen. 6. Die Beklagte 11 sei unter solidarischer Haftung gemäss Ziff. 1 hievor zu verpflichten, der Klägerin CHF 9'571'254.- nebst Zins zu 5 % seit 01.06.2006 zu bezahlen. 7. Die Beklagte 12 sei unter solidarischer Haftung gemäss Ziff. 1 hievor zu verpflichten, der Klägerin CHF 20'399'230.- nebst Zins zu 5 % seit 01.06.2006 zu bezahlen. 8. Der Beklagte 13 sei unter solidarischer Haftung gemäss Ziff. 1 hievor zu verpflichten, der Klägerin CHF 30'000'000.- nebst Zins zu 5 % seit 01.06.2006 zu bezahlen. 9. (Kostenfolgen) Dabei wies der Sicherheitsfonds darauf hin, dass mit der Klage lediglich ein Teilschaden geltend gemacht werde. Die Nachklage über den restlichen Schaden bleibe ausdrücklich vorbehalten. Im Prozessverlauf passte er sodann seine Klageanträge insoweit an, als er in Ziffer 1 (und betreffend die Kostenfolgen) neu die Beklagten 1-13 aufführte. B.b Das Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Sozialversicherungsrechtliche Kammer, hiess die Klage mit Entscheid vom 21. Januar 2014 gut und verpflichtete die Beklagten zu folgenden Zahlungen: a) Die Beklagten 1-13 haben der Klägerin unter solidarischer Haftung je einzeln bis zur nachfolgend aufgeführten Höhe in den Buchstaben b) bis h) den Gesamtbetrag von CHF 30'000'000.- nebst Zins zu 5 % seit 1. Juni 2006 zu bezahlen. b) Die Beklagten 1, 2, 3 und 4 haben, unter solidarischer Haftung gemäss Buchstabe a) hievor, der Klägerin je einzeln CHF 30'000'000.- nebst Zins zu 5 % seit 1. Juni 2006 zu bezahlen. BGE 141 V 71 S. 74 c) Der Beklagte 5 hat, unter solidarischer Haftung gemäss Buchstabe a) hievor, der Klägerin CHF 4'600'000.- nebst Zins zu 5 % seit 1. Juni 2006 zu bezahlen. d) Der Beklagte 6 hat, unter solidarischer Haftung gemäss Buchstabe a) hievor, der Klägerin CHF 3'600'000.- nebst Zins zu 5 % seit 1. Juni 2006 zu bezahlen. e) Der Beklagte 7 hat, unter solidarischer Haftung gemäss Buchstabe a) hievor, der Klägerin CHF 6'401'254.- nebst Zins zu 5 % seit 1. Juni 2006 zu bezahlen. f) Der Beklagte 8 hat, unter solidarischer Haftung gemäss Buchstabe a) hievor, der Klägerin CHF 3'900'000.- nebst Zins zu 5 % seit 1. Juni 2006 zu bezahlen. g) Die Beklagten 9, 10 und 11 haben, unter solidarischer Haftung gemäss Buchstabe a) hievor, der Klägerin je einzeln CHF 9'130'000.- nebst Zins zu 5 % seit 1. Juni 2006 zu bezahlen. h) Die Beklagten 12 und 13 haben, unter solidarischer Haftung gemäss Buchstabe a) hievor, der Klägerin je einzeln CHF 19'034'230.39 nebst Zins zu 5 % seit 1. Juni 2006 zu bezahlen. C. Hiegegen reicht A. Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ein und beantragt in der Hauptsache, (Ziff. 1) lit. a und g des Entscheids des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 21. Januar 2014 seien in Bezug auf ihn aufzuheben und es sei auf die Klage vom 17. Dezember 2010 gegen ihn nicht einzutreten; eventualiter sei die Klage vom 17. Dezember 2010 gegen ihn vollumfänglich abzuweisen. Andernfalls sei die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht verlangt A., der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen. D. Mit Verfügung vom 26. Mai 2014 hat die Instruktionsrichterin der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt. Auf die Durchführung eines Schriftenwechsels wurde verzichtet. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.1 3.1.1 Nach Art. 52 BVG in der bis Ende Dezember 2004 gültigen Fassung sind alle mit der Verwaltung, Geschäftsführung oder Kontrolle der Vorsorgeeinrichtung betrauten Personen für den Schaden verantwortlich, den sie ihr absichtlich oder fahrlässig zufügen. BGE 141 V 71 S. 75 Diese Bestimmung findet sich auch heute noch im Gesetz, nur wurde sie per 1. Januar 2005 bzw. 1. Januar 2012 durch verschiedene - hier nicht relevante - Absätze erweitert (heute also Art. 52 Abs. 1 BVG und nachfolgend nurmehr diese Norm zitierend). 3.1.2 Art. 52 Abs. 1 BVG , dessen Anwendungsbereich sich auch auf die weitergehende Vorsorge erstreckt ( Art. 49 Abs. 2 Ziff. 8 BVG ; Art. 89 bis Abs. 6 Ziff. 6 ZGB [in der bis 31. Dezember 2012 geltenden Fassung]), kommt unabhängig von der Rechtsform der Vorsorgeeinrichtung zum Tragen. Er räumt der geschädigten Vorsorgeeinrichtung einen direkten Anspruch gegenüber dem näher umschriebenen Kreis der haftpflichtigen Personen ein. Darunter fällt auch der Experte für berufliche Vorsorge, der zu den mit der Kontrolle betrauten Personen gehört (SVR 2010 BVG Nr. 5 S. 17, 9C_421/2009 E. 3.1 mit Hinweisen auf die Lehre). Neben der Zugehörigkeit zum Kreis der in Art. 52 BVG erwähnten Personen setzt die vermögensrechtliche Verantwortlichkeit als weitere kumulative Erfordernisse den Eintritt eines Schadens, die Missachtung einer einschlägigen berufsvorsorgerechtlichen Vorschrift, ein Verschulden sowie einen Kausalzusammenhang zwischen Schaden und haftungsbegründendem Verhalten voraus ( BGE 128 V 124 E. 4a S. 127 f.; SVR 2010 BVG Nr. 5 S. 17, 9C_421/2009 E. 5.2). Es genügt jedes Verschulden, also auch leichte Fahrlässigkeit ( BGE 128 V 124 E. 4e S. 132). 3.2 3.2.1 Gemäss Art. 56a Abs. 1 BVG , ebenfalls in der bis Ende 2004 gültig gewesenen Fassung, hat der Sicherheitsfonds gegenüber Personen, die für die Zahlungsunfähigkeit der Vorsorgeeinrichtung oder des Versichertenkollektivs ein Verschulden trifft, ein Rückgriffsrecht im Umfang der sichergestellten Leistungen. Nach dieser Regelung subrogiert der Sicherheitsfonds nicht in die Ansprüche, die der Vorsorgeeinrichtung nach Art. 52 BVG zustehen, sondern hat einen eigenen Anspruch, der sich im Unterschied zur Haftung nach Art. 52 BVG nicht nur gegen Organe der Stiftung richtet, sondern auch gegen andere Personen, die an der Zahlungsunfähigkeit der Stiftung ein Verschulden trifft. Dass Art. 56a BVG nicht von Haftung im engeren Sinn (für ungedeckte Schäden), sondern von Rückgriffsrecht spricht, hängt nicht mit der fehlenden Verantwortlichkeit dieses Personenkreises für die eingetretene Zahlungsunfähigkeit der Vorsorgeeinrichtung und den daraus dem Sicherheitsfonds entstandenen Reflexschaden zusammen. Vielmehr ist BGE 141 V 71 S. 76 diese Terminologie Ausdruck des gesetzlichen Aufgabenbereichs des Sicherheitsfonds, der zunächst im Schadensfall die Leistungen, welche die zahlungsunfähige Vorsorgeeinrichtung nicht mehr erbringen kann, im Aussenverhältnis der Stiftung (gegenüber den Versicherten) sicherstellen muss und alsdann als Haftender für den Schaden, der ihm durch die Sicherstellung entstanden ist, die Verantwortlichen direkt regressweise belangen kann (Innenverhältnis der Stiftung), ohne dass vorgängig ein separater verwaltungs- oder zivilrechtlicher Prozess zwecks Feststellung der Haftung der Verantwortlichen angestrengt werden müsste. Damit ist Art. 56a BVG für die vom Sicherheitsfonds belangten, nicht schon von Art. 52 BVG erfassten Verantwortlichen als massgebliche Haftungsnorm zu verstehen. Obwohl im Wortlaut nicht erwähnt, setzt die Haftung nach Art. 56a BVG nebst dem Verschulden auch das Vorhandensein der anderen üblichen Haftungselemente (Schaden, Widerrechtlichkeit bzw. Pflichtwidrigkeit, natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden) voraus ( BGE 135 V 373 E. 2.2 und 2.3 S. 375 f.; Urteil 9C_754/2011 vom 5. März 2012 E. 1.2 mit Hinweis auf BGE 130 V 277 E. 2.1 S. 280 und SVR 2008 BVG Nr. 33 S. 135, 9C_92/2007 E. 1.3). 3.2.2 Im Rahmen der 1. BVG-Revision erfuhr Art. 56a Abs. 1 BVG - auf Antrag der nationalrätlichen Kommission - eine Änderung. Seit 1. Januar 2005 sieht er vor, dass der Sicherheitsfonds gegenüber Personen, die für die Zahlungsunfähigkeit der Vorsorgeeinrichtung oder des Versichertenkollektivs ein Verschulden trifft, im Zeitpunkt der Sicherstellung im Umfang der sichergestellten Leistungen in die Ansprüche der Vorsorgeeinrichtung eintreten kann. Mit dieser Anpassung wurde eine schnellere Geltendmachung von Ansprüchen durch den Sicherheitsfonds und die Erweiterung von dessen Handlungsspielraum bezweckt. Die Umschreibung des (persönlichen und sachlichen) Geltungsbereichs war zu keinem Zeitpunkt Thema (Protokoll der Sitzung der nationalrätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit vom 21./22. Februar 2002 S. 44; Protokoll der Sitzung der ständerätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit vom 4./5. November 2002 S. 22). Diesbezüglich kann somit weiterhin auf die zur früheren Regelung ergangene Rechtsprechung (vgl. E. 3.2.1) abgestellt werden. 3.2.3 Zur Neureglung von Art. 56a BVG auf das Jahr 2005 wurde kein Übergangsrecht erlassen. Nach den allgemeinen Grundsätzen BGE 141 V 71 S. 77 kommt eine neue Bestimmung nur auf Sachverhalte zur Anwendung, die sich nach dem Inkrafttreten verwirklicht haben. Bezogen auf die Sicherstellungsleistungen des Sicherheitsfonds heisst dies, dass die neue Bestimmung erst für Fälle zur Anwendung kommt, in denen die Sicherstellung nach dem 1. Januar 2005 erfolgte. In concreto hat der Sicherheitsfonds Ende Dezember 2006 Insolvenzleistungen für die Destinatäre der Stiftung in der Höhe von Fr. 33'000'000.- erbracht. Damit ist die neue, bis Ende 2011 gültige Fassung von Art. 56a Abs. 1 BVG anzuwenden. 3.3 Art. 52 Abs. 1 und Art. 56a Abs. 1 BVG haben wohl zwei verschiedene "Schadensarten" zum Inhalt, einerseits den Schaden, der bei der Stiftung eingetreten ist ( Art. 52 BVG ), anderseits denjenigen, der beim Beschwerdegegner selber angefallen ist ( Art. 56a BVG ). Dessen ungeachtet ist insofern grundsätzlich ein Schaden gegeben, als bei beiden Anspruchsnormen der gleiche Sachverhalt zu Grunde liegt, aus dem in Wechselwirkung der zitierten Gesetzesbestimmungen - Sicherstellung des bei der Vorsorgeeinrichtung entstandenen Schadens durch den Beschwerdegegner - eine kongruente Geldforderung resultiert (Urteil 9C_322/2012 vom 29. November 2012 E. 2.1.1). Davon zu unterscheiden ist die Frage, unter welchem Rechtstitel gegen wen vorgegangen bzw. wer für welchen Schadensbetrag belangt werden kann. Ersterer Punkt wird nachfolgend angegangen. Auf den zweiten Punkt wird weiter hinten zurückgekommen (vgl. E. 9 hinten). 4. Die Vorinstanz hat für das Bundesgericht verbindlich und richtig festgestellt (nicht publ. E. 2), dass die Stiftung alle ihre Ansprüche, die sie gegen die Beklagten 1-13 zu haben glaubt, somit auch den aus Art. 52 BVG fliessenden Verantwortlichkeitsanspruch, formell korrekt an den Beschwerdegegner abgetreten hat. Mit Erklärung vom 13. Dezember 2010 trat dieser zudem gestützt auf Art. 56a Abs. 1 BVG in die Verantwortlichkeitsansprüche der Stiftung gegenüber den Beklagten 1-13 ein. In Anbetracht der Funktion des Beschwerdeführers als BVG-Experte resp. Kontrollperson steht hier Art. 52 Abs. 1 BVG als Anspruchsgrundlage im Vordergrund (vgl. E. 3.1.2 vorne). Der Beschwerdeführer wird aber auch gestützt auf Art. 56a BVG ins Recht gefasst. Nachdem es dabei um ein und denselben Schaden geht (vgl. E. 3.3 vorne), sind mit der Erfüllung der Haftungsvoraussetzungen von Art. 52 Abs. 1 BVG (Schaden, BGE 141 V 71 S. 78 Sorgfaltspflichtverletzung, Verschulden, adäquater Kausalzusammenhang) selbstredend auch diejenigen von Art. 56a Abs. 1 BVG erfüllt (vgl. E. 3.2.1 Abs. 2 vorne). Dabei wird nicht über den gesetzlich obliegenden Aufgabenbereich hinausgegangen (vgl. E. 6 hinten). 5. 5.1 Was den Schaden betrifft, so hat die Vorinstanz dessen Begriff nicht verkannt. Wohl hat sie weder den hypothetischen noch tatsächlichen Vermögensstand berechnet (vgl. dazu Urteile 9C_997/2009 vom 31. Mai 2010 E. 8.1; 9C_238/2009 vom 11. September 2009 E. 3.1). Vielmehr ist sie direkt von der Summe der - unrechtmässigen (vgl. E. 5.2.3 nachfolgend) - Mittelabflüsse als Schaden ausgegangen. Dies ist jedoch lediglich eine "umgekehrte" Berechnungsweise, die am Ergebnis nichts ändert. Denn bei der Subtraktion des tatsächlichen Stiftungsvermögens vom hypothetischen Stiftungsvermögen (einbezahlte Gelder zuzüglich Verzinsung minus rechtmässige Abflüsse) resultieren hier die (gleichen) unrechtmässigen Geldabflüsse einfach als Differenz. Der Schaden bleibt demnach auch bei der vorinstanzlichen Berechnungsweise ein (einziger) Schaden, bestehend aus mehreren Schadenspositionen, und mutiert nicht zu einer Mehrzahl von (voneinander unabhängigen) Einzelschäden. Soweit der Beschwerdeführer unter Hinweis auf BGE 139 V 176 E. 11 S. 192 f. geltend macht, dass verschiedene Gründe hinter einer Verminderung des Stiftungsvermögens stehen können, so berührt dieser Umstand vor allem die Frage nach dem Kausalzusammenhang (vgl. dazu E. 8 hinten). Abgesehen davon steht in concreto ein Schaden zur Diskussion, der allein rechtsgrundloses Handeln zum Gegenstand hat (vgl. E. 5.2.3 nachfolgend). 5.2 5.2.1 Das kantonale Gericht hat erwogen, die Abflüsse der Stiftung seien bis zur Höhe von Fr. 30'553'230.39 ausreichend substanziiert. Der Beschwerdeführer bemängelt, die "ausreichende Substanziierung" des Beschwerdegegners ergebe sich nicht aus den Rechtsschriften, sondern sei aus den Prozessakten zusammengesucht. 5.2.2 Im Klageverfahren nach Art. 73 Abs. 1 BVG unterscheiden sich Inhalt und Tragweite der Mitwirkungspflicht der Parteien nicht nach dem Streitgegenstand. Ob es um Beiträge, Leistungen oder Schadenersatz geht, die Behauptungs- und Bestreitungspflicht bleibt sich grundsätzlich gleich ( BGE 139 V 176 E. 5.2 S. 185; BGE 138 V 86 E. 5.2.3 S. 97). Mithin gilt für den Schadenersatzprozess wie für BGE 141 V 71 S. 79 den Beitragsprozess, dass die Forderung soweit zu substanziieren ist, dass sie überprüft werden kann. Darüber hinaus ist der eingeklagte Forderungsbetrag zeitlich und masslich zu spezifizieren, also gestützt auf eine Forderungsübersicht zu behaupten, wie er sich zusammensetzt. In diesem Zusammenhang verbietet es sich, dass das Berufsvorsorgegericht selber in den Akten nach denjenigen Positionen, die für die Beitragshöhe von Belang sind, forschen und eruieren muss, wie der Forderungsbetrag ermittelt wird (Urteil 9C_314/2008 vom 25. August 2008 E. 3.2). Die Vorinstanz hat - in für das Bundesgericht verbindlicher Weise (nicht publ. E. 2.1) - festgestellt, dass sämtliche direkten Mittelabflüsse aus der Stiftung ausführlich aufgelistet sind. Ausserdem vermochte sie den Forderungsbetrag in der Höhe von Fr. 30'553'230.39 anhand der Akten leicht nachzuvollziehen. Es ist daher nicht ersichtlich, welcher weitergehenden Erläuterungen es seitens des Beschwerdegegners bedurft hätte. 5.2.3 Nach Darlegung der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer die Abflüsse nicht substanziiert bestritten; ebenso wenig hat er eingewendet, die Abflüsse seien rechtmässig gewesen. Der Beschwerdeführer widerspricht diesen Feststellungen, die für das Bundesgericht verbindlich sind (nicht publ. E. 2.1), an und für sich nicht. Entsprechend erübrigt sich die Frage nach dem Beweis der einzelnen Positionen resp. nach demjenigen ihrer Unrechtmässigkeit. Dasselbe gilt für die Frage nach dem Beweiswert des Berichts des Wirtschaftsprüfers Z. zuhanden der Untersuchungsbehörde, zumal die Beweis(wert)frage davon abhängt, ob die beklagte Partei die Schadenersatzforderung überhaupt substanziiert bestreitet (Urteil 9C_314/2008 vom 25. August 2008 E. 3.2). Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, er habe seine Bestreitungen nicht zusätzlich substanziieren können, da er weder an den Mittelabflüssen beteiligt gewesen sei noch sonst über Hintergrundkenntnisse verfügt habe, lässt er ausser Acht, dass sich in der Klage aufschlussreiche Anmerkungen zu den einzelnen Positionen finden. Der Beschwerdeführer hat jedoch nicht einmal ansatzweise erkennen lassen, weshalb - im Umfang oder im Bestand - er die Forderungsbeträge nicht gelten lassen will. 5.3 Die Vorinstanz hat nicht die Augen davor verschlossen, dass allenfalls Mittel, die im Strafverfahren beschlagnahmt worden sind, dereinst an die Stiftung zurückfliessen. Sie hielt es jedoch für BGE 141 V 71 S. 80 unwahrscheinlich, dass sich der Schadensbetrag wesentlich verringern wird, da u.a. weder ein bestimmter Betrag der beschlagnahmten Vermögenswerte genannt noch dargetan werde, dass es diesbezüglich keine konkurrierenden Ansprüche gibt. Der Einwand des Beschwerdeführers, er habe zwar Einsicht in das 185-seitige Strafurteil vom 15. Oktober 2013 gehabt, aber keine "Scans" oder Fotografien machen dürfen, weshalb er die vom kantonalen Gericht verlangten Details nicht habe vorbringen können, kann nicht gehört werden. Ob, wie viel und zu wessen Gunsten die im Strafverfahren beschlagnahmten Werte gehen, ist Teil eines jeden strafgerichtlichen Dispositivs. Für den Beschwerdeführer wäre es daher ein Leichtes gewesen, seine Behauptungen zu substanziieren, ohne dass es dafür des stundenlangen Studiums des ganzen Strafurteils bedurft hätte. Dass sich der eingeklagte Schaden infolge Freigabe der beschlagnahmten Gelder noch reduzieren könnte, ist auch deshalb unwahrscheinlich, weil hier lediglich über einen Teilschaden befunden wird (vgl. Sachverhalt lit. B.a Abs. 2). Der Fehlbetrag im Zeitpunkt der Aufhebung der Stiftung lag über 33 Mio. Fr. (vgl. Sachverhalt lit. A.b Abs. 2) und hat sich seit dem Liquidationsbeschluss um mindestens weitere 2,6 Mio. Fr. erhöht, wie die Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich (nicht publ. E. 2.1) festgestellt hat. Grundsätzlich ebenfalls als Schaden zu berücksichtigen wäre zudem der (ebenfalls eingeklagte) entgangene Gewinn bzw. die entgangene Rendite. Der Vorinstanz lässt sich demnach so oder anders kein Vorwurf machen, dass sie auf die Edition des Strafurteils vom 15. Oktober 2013 verzichtet hat. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs oder des Untersuchungsgrundsatzes oder aber von Art. 42 f. OR ist in diesem Zusammenhang zu verneinen. 6. Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, er hätte unter dem Aspekt der Anlageorganisation die (angebliche) Bankgarantie prüfen müssen. Es ist unbestritten, dass diese die Vorsorgegelder und die Verzinsung absichern sollte. 6.1 6.1.1 Hinsichtlich der gesetzlichen Obliegenheiten des BVG-Experten sieht Art. 53 Abs. 2 BVG in der hier massgebenden, bis Ende 2011 gültigen Fassung Folgendes vor: Die Vorsorgeeinrichtung hat durch einen anerkannten Experten für berufliche Vorsorge periodisch überprüfen zu lassen, ob die Vorsorgeeinrichtung jederzeit Sicherheit dafür bietet, dass sie ihre Verpflichtungen erfüllen kann BGE 141 V 71 S. 81 (lit. a) und ob die reglementarischen versicherungstechnischen Bestimmungen über die Leistungen und die Finanzierung den gesetzlichen Vorschriften entsprechen (lit. b). Der Experte muss unabhängig sein. Er darf gegenüber Personen, die für die Geschäftsführung oder Verwaltung der Vorsorgeeinrichtung verantwortlich sind, nicht weisungsgebunden sein (Art. 40 der Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters- Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [BVV 2; SR 831.441.1] in der ebenfalls bis Ende 2011 gültigen Fassung). Er muss bei der Ausübung seines Mandates die Weisungen der Aufsichtsbehörde befolgen. Er muss die Aufsichtsbehörde unverzüglich orientieren, wenn die Lage der Vorsorgeeinrichtung ein rasches Einschreiten erfordert oder wenn sein Mandat abläuft ( Art. 41 BVV 2 ). Liegt eine Unterdeckung vor, erstellt der Experte jährlich einen versicherungstechnischen Bericht ( Art. 41a Abs. 1 BVV 2 , in Kraft seit 1. Januar 2005). Die Vorinstanz hat diese Hauptaufgaben des BVG-Experten unter Bezugnahme auf die Lehre sowie die - im hier fraglichen Zeitraum geltenden - Grundsätze und Richtlinien der Standesorganisation der Pensionskassen-Experten (kurz: GR 2000) näher umschrieben. Darauf kann vollumfänglich verwiesen werden. 6.1.2 Obwohl die Begriffe "periodisch" und "jederzeit" in einem gewissen Spannungsverhältnis stehen, lässt sich nicht sagen, aArt. 53 Abs. 2 lit. a BVG beinhalte lediglich ein punktuelles und spezifisches Tätigwerden. Anhand einer periodischen Überprüfung lässt sich nicht ausreichend garantieren, dass die Vorsorgeeinrichtung wirklich jederzeit Gewähr bietet, ihre Verpflichtungen zu erfüllen. Im Rahmen der BVG-Strukturreform, die am 1. Januar 2012 in Kraft getreten ist, wurde zwar der Zusatz "jederzeit" gestrichen (vgl. Art. 52e Abs. 1 lit. a BVG ). Hauptgrund, weshalb der Gesetzgeber auf den Begriff der Jederzeitigkeit verzichtet hat, ist jedoch nicht die begriffliche Widersprüchlichkeit. Anlass dazu hat vor allem Art. 65c Abs. 1 BVG gegeben, der in Abweichung vom allgemeinen Grundsatz, dass die Vorsorgeeinrichtungen jederzeit Sicherheit dafür bieten müssen, die übernommenen Verpflichtungen erfüllen zu können ( Art. 65 Abs. 1 BVG ), eine temporäre Unterdeckung zulässt (Botschaft vom 15. Juni 2007 zur Änderung des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [Strukturreform], BBl 2007 5669, 5701 Ziff. 2.1). Sinn und Zweck von aArt. 53 Abs. 2 lit. a BVG ist somit (auch), die finanzielle Sicherheit der Stiftung fortdauernd zu verfolgen. BGE 141 V 71 S. 82 6.1.3 Gemäss Art. 3 Abs. 2 des Mandatsvertrags vom 13. Mai 2003 war der Beschwerdeführer wohl nicht verpflichtet, von sich aus ein versicherungstechnisches Gutachten zu erstellen. Diese Arbeit übernahm er "auf Anfrage" hin. Dessen ungeachtet sind er und die Stiftung ein Dauerverhältnis eingegangen, das die laufende Überwachung ihrer finanziellen Sicherheit im vorgenannten (gesetzlichen) Sinne (vgl. E. 6.1.2 vorne) zum Inhalt hatte. Insoweit bildet der besagte Mandatsvertrag einziger und alleiniger Auftrag, ohne dass ein spezifizierter Einsatzauftrag erforderlich gewesen wäre. Dies ergibt sich zum einen im Zusammenhang mit dem Zweckartikel 1, in welchem das Mandat zur Ausübung der Expertentätigkeit in der beruflichen Vorsorge übergeben wird, und mit Artikel 5, in welchem festgehalten wird, dass die Stiftung dem Experten laufend alle Informationen und Dokumente, die zur Ausübung des Expertenmandats notwendig sind, übermittelt. Zum andern handelt Art. 3 Abs. 2 unmissverständlich von "zusätzliche(n) Arbeiten". Lagen somit Anhaltspunkte vor, dass die Stiftung ihre Verpflichtungen unter Umständen nicht hätte erfüllen können, durfte der Experte nicht untätig bleiben. 6.1.4 In den ersten 15 Jahren nach Einführung des BVG konzentrierte sich der Experte weitgehend auf die Beurteilung der Verpflichtungen der Vorsorgeeinrichtung und damit auf die Passivseite der Bilanz. Die Kapitalanlagen und -erträge wurden als gegeben und gleichsam garantiert betrachtet. Zentrale Aufgabe des Experten waren die Berechnung der Deckungskapitalien und Rückstellungen und darauf gestützt die Erstellung der (statischen) versicherungstechnischen Bilanz. Die Veränderungen auf den Anlagemärkten anfangs 2000 (Platzen der sog. Dotcom-Blase) haben jedoch gezeigt, dass die dem Experten vom Gesetzgeber übertragene Prüfungsfunktion zwingend eine gesamtheitliche und dynamische Betrachtung von Aktiv- und Passivseite der Bilanz verlangt (THEODOR KELLER, Kosten und Nutzen des Pensionsversicherungsexperten, Die Rolle des Experten im Wandel der Zeit, Schweizer Personalvorsorge [SPV] 9/2010 S. 34 f.). Im Urteil SVR 2010 BVG Nr. 5 S. 17, 9C_421/2009 hat das Bundesgericht wohl festgehalten, dass die Bewertung der Aktiven nicht in erster Linie Sache des BVG-Experten ist (E. 7.5). Damit hat es jedoch nicht gesagt, dass er sich gar nicht um die Aktivseite zu kümmern braucht. Auch die GR 2000 sprechen dafür, dass der BVG-Experte die Anlagen und die Anlagestrategie einer Vorsorgeeinrichtung BGE 141 V 71 S. 83 zu beachten hat. So muss er nach deren Art. 14 auf die Beziehung zwischen den Kapitalanlagen und den entsprechenden Verpflichtungen achten. Er berücksichtigt dabei die Struktur der Kapitalanlagen und die Fristigkeiten aus den Vorsorgeverpflichtungen. Insbesondere hat er das Vorhandensein und die Höhe einer Wertschwankungsreserve zur Absicherung der von der Vorsorgeeinrichtung gewählten Anlagestrategie in seine Überprüfung gemäss Art. 53 Abs. 2 lit. a BVG einzubeziehen. Der Beschwerdeführer hat denn auch vor Vorinstanz selber eingeräumt, dass es zu seinen Pflichten gehörte, das Anlagekonzept zu prüfen. Die Aufgaben des BVG-Experten unterscheiden sich demnach von denjenigen der Kontrollstelle ( Art. 53 Abs. 1 BVG ; Art. 35 ff. BVV 2 ; SVR 2010 BVG Nr. 5 S. 17, 9C_421/2009, E. 5.3 i.f.). 6.1.5 Beim BSV, der damaligen Aufsichtsbehörde, hatte sich in den hier fraglichen Jahren die Praxis gefestigt, dass mindestens alle 3 Jahre entweder ein Expertengutachten oder eine Expertenbestätigung einzureichen war. Diese Periodizität gelte aber nicht im Falle von Unterdeckungen im Sinne von Art. 44 BVV 2 (Schreiben des BSV betreffend die Berichterstattung 2004 vom 19. Januar 2005 S. 3 Ziff. 3). Diesfalls gilt von Gesetzes wegen eine jährliche Überprüfungspflicht (vgl. E. 6.1.1 vorne). Mit diesem Informationsschreiben schloss das BSV jedoch klarerweise weder einen höheren Rhythmus noch eine frühere Überprüfung im Sinne von aArt. 53 Abs. 2 lit. a BVG aus. Es stellt lediglich eine Mindestvorgabe - gegenüber der Aufsichtsbehörde - dar (vgl. Art. 62 Abs. 1 lit. c BVG ). So wurde auch in Art. 12 Abs. 3 GR 2000 empfohlen, eine häufigere Überprüfung zu erstellen, wenn besondere Entwicklungen im Versichertenbestand oder in der Wirtschaft dies wegen Abweichungen zu den früher getroffenen Annahmen notwendig machen oder aber wenn praktische Gründe dafür sprechen. Mit anderen Worten ist die Kontrolle des BVG-Experten nach aArt. 53 Abs. 2 lit. a BVG nicht nur eine "Offizialtätigkeit" auf "Bestellung" der Aufsichtsbehörde. Vielmehr kann sie - bei begründetem Anlass - auch selbstbestimmt (sua sponte) geboten sein. Eine solche Notwendigkeit hatte der Beschwerdeführer im Auge zu behalten und die Stiftung entsprechend darauf aufmerksam zu machen (vgl. E. 6.1.3 vorne). 6.2 6.2.1 Dass der BVG-Experte im Gründungsstadium einer Stiftung im Sinne von aArt. 53 Abs. 2 lit. b BVG kontrolliert, ob die reglementarischen versicherungstechnischen Bestimmungen über BGE 141 V 71 S. 84 Leistung und Finanzierung den gesetzlichen Vorschriften entsprechen, liegt auf der Hand. Demgegenüber ist mangels erster Anschlüsse nicht zwingend, dass bei der Gründung einer Pensionskasse auch eine umfassende Überprüfung der finanziellen Sicherheit mittels einer versicherungstechnischen Bilanz erforderlich ist. Dies heisst jedoch nicht, dass den BVG-Experten in der Gründungsphase überhaupt keine Überprüfungspflicht im Sinne von lit. a der zitierten Gesetzesbestimmung trifft (vgl. Art. 6 lit. a der Verordnung vom 29. Juni 1983 über die Beaufsichtigung und die Registrierung der Vorsorgeeinrichtungen [aBVV 1; SR 831.435.1] in der hier massgebenden, bis Ende 2011 gültigen Fassung). 6.2.2 Der Beschwerdeführer bestreitet die vorinstanzliche Feststellung, er habe darum gewusst, dass die Stiftung die Vorsorgegelder und zumindest die Mindestverzinsung sämtlicher Altersguthaben mittels der Bankgarantie absichern wollte (vgl. dazu auch E. 6.2.3.1 nachfolgend), nicht. "Das Konzept der Anlage der Altersguthaben bei zugelassenen Banken mit Garantien betreffend Substanzerhalt und Zins" war ihm jedoch nicht klar, weshalb er mit Schreiben vom 21. September 2003 die Stiftung um Dokumentation mit den konkreten Verträgen gebeten hatte. Auf Weiterungen verzichtete er jedoch. Nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (nicht publ. E. 2.1) hatte der Beschwerdeführer weder je abgeklärt, ob es die Bankgarantie überhaupt gab, noch von wem die Garantie abgegeben wurde, worauf sie sich bezog und wie sie ausgestaltet war. Dazu bestand aber insoweit Anlass, als die Deckung der Risiken resp. ihre Überprüfung einen Teilaspekt der finanziellen Sicherheit gemäss aArt. 53 Abs. 2 lit. a BVG darstellen. Dazu gehört bei einer halbautonomen (Sammel-)Stiftung, wie in concreto, primär die Frage nach Art und Umfang der Rückversicherung für die Risiken Tod und Invalidität. Aber auch die Bankgarantie diente der Risikodeckung, nämlich - vordergründig - des Anlage- oder Volatilitätsrisikos und - hintergründig - der Deckung des Risikos Alter. Mit einer garantierten, das heisst risikolosen Mindestverzinsung konnte die Stiftung die Gefahr ausschliessen, auf Grund von Marktschwankungen dereinst nicht in der Lage zu sein, die versprochenen Altersleistungen zu erbringen. Entsprechend oblag dem Beschwerdeführer, vor der Registrierung nicht nur abzuklären, ob die Stiftung die in den Reglementen versprochenen Leistungen tatsächlich auch bei der Rückversicherung abgesichert hatte, welche Überprüfungspflicht unbestritten ist. Er hätte auch prüfen müssen, ob tatsächlich eine Bankgarantie abgegeben wurde. BGE 141 V 71 S. 85 6.2.3 Es bestand aber auch nach der Registrierung vom 24. November 2003 Handlungsbedarf: 6.2.3.1 Die Finanzmärkte waren eingangs des 21. Jahrhunderts im Tief (vgl. E. 6.1.4 vorne). In seinem Schreiben vom 21. September 2003 (vgl. E. 6.2.2 vorne) hatte der Beschwerdeführer angefügt: "Im Sinne der Sicherstellung der Verpflichtungen der Vorsorgeeinrichtung empfehle ich Ihnen zudem in die Dokumente und Werbeunterlagen keine Garantien aufzunehmen resp. zu erwähnen". Dessen ungeachtet garantierte die Stiftung - sowohl auf dem BVG-Anteil als auch auf dem Überobligatorium - einen um 0,5 % höheren Zins als gesetzlich ( Art. 12 lit. c und d BVV 2 ) vorgeschrieben (im Jahr 2004 2,75 % statt 2,25 %, im Jahr 2005 3,0 % statt 2,5 %). Diese konstante Höherverzinsung, die - für das Bundesgericht verbindlich festgestellt (nicht publ. E. 2.1) - spätestens nach Ablauf des ersten Geschäftsjahrs Ende 2004 nicht mehr dem vom Beschwerdeführer geprüften Vorsorgerelement entsprach, erhellt nicht nur aus dem Werbeprospekt, sondern auch aus dem Anhang zur (provisorischen) Jahresrechnung 2004 vom 12. Mai 2005 (Ziff. 7.3.1), die dem Beschwerdeführer gemäss Akten im Juni 2005 vorlag; nach nicht offensichtlich unrichtiger Feststellung der Vorinstanz (nicht publ. E. 2.1) zudem spätestens aus dem Juni-Reporting der Stiftung zuhanden der Aufsichtsbehörde, das der Beschwerdeführer anfangs Juli erhalten hatte. Ferner konnte, da die Stiftung erst im Aufbau war und - mit Hilfe ihrer Verzinsungspolitik - auf Neuakquisitionen setzen musste, nicht von Stetigkeit im Versichertenbestand ausgegangen werden. Die Verpflichtungen (und damit die Verzinsungslast) wuchsen kontinuierlich an. Der Schluss der Vorinstanz, dem Beschwerdeführer habe spätestens im Juli 2005 bewusst sein müssen, dass die Stiftung die Altersguthaben der Versicherten zum Voraus höher verzinste als zum BVG-Mindestzinssatz, erweist sich jedenfalls nicht als unhaltbar (nicht publ. E. 2.1.1). Dass die entsprechenden Gutschriften erst nachträglich, anlässlich des "Geldflusses" erfolgt sind, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Entscheidend ist der fehlende Nachweis, dass der Stiftungsrat je rückwirkend eine Höherverzinsung beschlossen hat. Die "Aufnahme (der Höherverzinsung) in den Rechen- und Berichtswerk der Stiftung" stellt keinen solchen formellen Beschluss dar. Ausserdem lässt sich dem kantonalen Gericht nicht vorwerfen, mit seinem Beweisschluss gegen die Dispositionsmaxime verstossen zu haben. BGE 141 V 71 S. 86 Tatsächliche Feststellungen dürfen auch aus den Akten gewonnen werden, ohne dass damit eine Ausdehnung des Streitgegenstands einhergeht. 6.2.3.2 Mitte Juni 2005 berechnete der Beschwerdeführer - "auf Anfrage" der Stiftung und da die Jahresrechnung 2004 noch nicht definitiv testiert worden war - einen provisorischen Deckungsgrad per Ende 2004 von rund 101 %. Eine Intervention bei der Stiftung unterblieb. In Anbetracht der konkreten Gegebenheiten (vgl. E. 6.2.3.1 vorne) und des knappen Deckungsgrades kann der Beschwerdeführer sein Versäumnis nicht damit rechtfertigen, die "offiziellen" drei Jahre (vgl. E. 6.1.5 vorne) seien noch nicht abgelaufen gewesen; insbesondere reicht der Deckungsgrad als Momentaufnahme nicht aus, um die finanzielle Lage einer Vorsorgeeinrichtung zu beurteilen. Infolge der durch die Höherverzinsung "überholten" Rechtslage (vgl. E. 6.2.3.1) drängte sich eine umfassende Überprüfung der finanziellen Sicherheit geradezu auf (vgl. E. 6.1.5 vorne), was spätestens dannzumal (auch) zur Überprüfung - zumindest des Bestandes - der Bankgarantie, die der Absicherung der Vorsorgegelder und der Verzinsung diente, geführt hätte. Wie das kantonale Gericht für das Bundesgericht verbindlich festgestellt hat (nicht publ. E. 2.1), war und ist üblich, dass der Experte auch bei einer nicht geprüften Jahresrechnung einen provisorischen Entwurf für eine versicherungstechnische Bilanz erstellt. "Provisorisch" heisst demnach nicht, dass der Experte automatisch von der Überprüfungspflicht gemäss aArt. 53 Abs. 2 lit. a BVG entbunden ist. Der Beschwerdeführer lässt ausser Acht, dass die Bankgarantie - in der Bilanz der Stiftung - weder einen Aktiv- noch Passivposten darstellt. Vielmehr ist sie als "Sicherungsgeschäft" wesentliches Element des ausschliesslich vom BVG-Experten zu überprüfenden Anlagekonzepts (vgl. E. 6.1.4 Abs. 2 vorne). Der Registrierungsakt vom 24. November 2003 ändert daran nichts. Auch wenn "alle Unterlagen, d.h. auch die Bestätigung der V. AG" (in Wirklichkeit ein Kontoauszug und nicht eine Garantie) unmittelbar an das BSV gingen, wechselte die Überprüfungspflicht im Sinne von Art. 53 Abs. 2 lit. a BVG nicht auf dieses. Aufgabe der Aufsichtsbehörde war und blieb die Rechtmässigkeitskontrolle ( Art. 62 Abs. 1 BVG in der bis Ende 2011 gültigen Fassung). Davon zu unterscheiden ist die sich - im Schadenersatzverfahren gegen die Schweizerische Eidgenossenschaft (vgl. Sachverhalt lit. A.b Abs. 2) - allenfalls stellende Frage, ob die Registrierungsverfügung zu Recht ergangen ist. BGE 141 V 71 S. 87 6.2.4 Ob neben dem Bestand der Bankgarantie auch die Bonität des Garantiegebers zu überprüfen gewesen wäre, braucht angesichts des völlig passiven Verhaltens des Beschwerdeführers nicht beantwortet zu werden. 7. Vor dem Hintergrund des in E. 6 Gesagten stellt die Passivität des Beschwerdeführers ein grobfahrlässiges und schuldhaftes Verhalten dar. Allein sein Verhalten in der Gründungsphase der Stiftung (vgl. E. 6.2.1 und 6.2.2 vorne) ist als besonders gravierend anzusehen. Die entsprechende Unterlassung - der Beschwerdeführer hat keine Anstalten unternommen, die Garantie als elementares Instrument der Leistungs- und Risikoabsicherung zu überprüfen, obwohl er selber in einem Schreiben vom Stiftungsrat verlangt hatte, ihm den Garantievertrag zu unterbreiten - führte dazu, dass nach aussen der falsche Eindruck entstand, die Stiftung sei jederzeit in der Lage, ihren gegenüber den Versicherten eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen, worauf bei einem Neuanschluss besonders geachtet wird. Dazu kommt, dass die Aufsichtsübernahme durch das BSV den Beschwerdeführer nicht davon entband, das von ihm offenbar erkannte Problem - Anlagekonzept mit fester Zinszusage - weiter zu verfolgen. Seine anhaltende Passivität in Bezug auf die Bankgarantie wiegt nicht minder schwer, schuf sie doch Raum für einen fortgesetzten Abfluss der Stiftungsmittel. Weiterungen bezüglich allfällig anderer Pflichtverletzungen bedarf es nicht. 8. 8.1 Zwischen der pflichtwidrigen Handlung und dem eingetretenen Erfolg muss ein natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang bestehen. Die natürliche Kausalität ist gegeben, wenn ein Handeln Ursache im Sinn einer condicio sine qua non für den Eintritt eines Erfolgs ist. Dies ist eine Tatfrage. Rechtsfrage ist demgegenüber, ob zwischen der Ursache und dem Erfolgseintritt ein adäquater Kausalzusammenhang besteht ( BGE 132 III 715 E. 2.2 S. 718 mit Hinweisen). Im Fall einer Unterlassung bestimmt sich der Kausalzusammenhang danach, ob der Erfolg auch bei Vornahme der unterlassenen Handlung eingetreten wäre. Es geht um einen hypothetischen Kausalverlauf, für den nach den Erfahrungen des Lebens und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge eine überwiegende Wahrscheinlichkeit sprechen muss ( BGE 124 III 155 E. 3d S. 165 f.). Grundsätzlich unterscheidet die Rechtsprechung auch bei Unterlassungen zwischen natürlichem BGE 141 V 71 S. 88 und adäquatem Kausalzusammenhang. Während bei Handlungen die wertenden Gesichtspunkte erst bei der Beurteilung der Adäquanz zum Tragen kommen, spielen diese Gesichtspunkte bei Unterlassungen in der Regel schon bei der Feststellung des hypothetischen Kausalverlaufs eine Rolle. Es ist daher bei Unterlassungen in der Regel nicht sinnvoll, den festgestellten oder angenommenen hypothetischen Geschehensablauf auch noch auf seine Adäquanz zu prüfen. Die Feststellungen des Sachrichters im Zusammenhang mit Unterlassungen sind daher entsprechend der allgemeinen Regel über die Verbindlichkeit der Feststellungen zum natürlichen Kausalzusammenhang für das Bundesgericht bindend (nicht publ. E. 1.1). Nur wenn die hypothetische Kausalität ausschliesslich gestützt auf die allgemeine Lebenserfahrung - und nicht gestützt auf Beweismittel - festgestellt wird, unterliegt sie der freien Überprüfung durch das Bundesgericht ( BGE 132 III 305 E. 3.5 S. 311, BGE 132 III 715 E. 2.3 S. 718 f.; BGE 115 II 440 E. 5a S. 447 f.; je mit Hinweisen; im Strafrecht: Urteil 6B_779/2009 vom 12. April 2010 E. 3.3.2). 8.2 Die Vorinstanz hat sich zur Begründung des (hypothetischen und gleichzeitig adäquaten) Kausalzusammenhangs ausschliesslich auf die allgemeine Lebenserfahrung gestützt. Indes kann - auch bei einer freien Prüfung - nicht der beschwerdeführerischen Sicht der Dinge gefolgt werden. Der Beschwerdeführer wendet u.a. ein, der Schaden sei nicht die kausale Folge davon gewesen, dass das propagierte Geschäftsmodell nicht tragfähig gewesen sei, sondern dass dieses infolge des kriminellen Verhaltens der Beklagten 1, 4 und 13 nicht umgesetzt werden wollte und sollte. Die Beklagten 1, 4 und 13 hätten ohnehin nicht auf ihn gehört. Dem ist in Übereinstimmung mit der Vorinstanz entgegenzuhalten, dass ein "renitentes" Verhalten seitens des Stiftungsrates, insbesondere der Beklagten 1 und 4, entweder ein Grund für eine Intervention beim BSV oder eine Mandatsniederlegung gewesen wäre, die ebenfalls dem BSV zu melden gewesen wäre (vgl. E. 6.1.1 vorne). Hätte der Beschwerdeführer auf der Vorlage des Garantievertrags beharrt, hätte sich herausgestellt, dass die Stiftung mangels eines solchen nicht einmal in der Lage gewesen wäre, den garantieren Mindestzinssatz auf dem gesamten Alterskapital zu gewährleisten. Die operative Tätigkeit hätte nicht aufgenommen werden können und es wäre nicht zu Neuanschlüssen gekommen. Infolgedessen wären der Stiftung keine Mittel zugeflossen, die unrechtmässig hätten verwendet werden können. Soweit der Beschwerdeführer meint, BGE 141 V 71 S. 89 eine Mitteilung von seiner Seite hätte dem BSV nicht Anlass für irgendwelche Massnahmen gegeben, so übersieht er, dass dieses - da offensichtlich die vitalen Interessen der Stiftung auf dem Spiel standen - sehr wohl unverzüglich eingeschritten wäre (vgl. SZS 2012 S. 374, 9C_823/2011 E. 2.2). Aus dem Umstand, dass das BSV von der Bankgarantie gewusst habe, deren Einforderung aber nicht durchgesetzt habe, kann nicht darauf geschlossen werden, die Aufsichtsbehörde habe die Bankgarantie für die Sicherheit nicht als erforderlich angesehen. Einerseits war und blieb ihre Überprüfung im Aufgabenbereich des Beschwerdeführers (vgl. E. 6.2.3.2 Abs. 2 vorne). Anderseits besteht ein erheblicher und relevanter Unterschied zwischen einem konkludenten "Davon-Ausgehen", dass es einen Garantievertrag gibt, und dem (nachträglich) tatsächlichen Wissen, dass es einen solchen gar nicht gibt. Es ist daher überwiegend wahrscheinlich, dass letztere Mitteilung die untrügliche Wirkung gehabt hätte, dass das BSV prompt eingegriffen hätte. Dabei hätte es den Blick sofort auf die Vermögensanlage gerichtet, wobei die verschiedenen Missstände rasch ans Tageslicht gekommen wären. Schliesslich hilft auch nicht weiter, dass die Stiftungsmittel nicht unrechtmässig angelegt, sondern veruntreut worden sind, mithin die Passivseite der Bilanz von diesen Schäden nicht betroffen gewesen ist. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers haben die Aufgaben, die ihm gemäss aArt. 53 Abs. 2 lit. a und b BVG obliegen, nicht ausschliesslich die Passivseite im Fokus. Sie dienen auch dem Schutz vor Aktivenverlust (vgl. E. 6.1.4 vorne). Schliesslich verfängt auch der Einwand des Beschwerdeführers, die Stiftung sei im Juli 2005 bereits zahlungsunfähig gewesen, nicht. Einerseits ging das kantonale Gericht aus rein prozessualen Gründen von einer Anrechenbarkeit erst ab 1. Juli 2005 aus. Daran ist (auch) das Bundesgericht gebunden (vgl. Art. 107 Abs. 1 BGG ). Anderseits definiert sich die Zahlungsunfähigkeit einer Vorsorgeeinrichtung, die zu Vorschussleistungen des Sicherheitsfonds führt ( Art. 56 Abs. 1 lit. b BVG ), nach Art. 25 der Verordnung vom 22. Juni 1998 über den Sicherheitsfonds BVG (SFV; SR 831.432.1). Der Beschwerdeführer äussert sich nicht zu den darin stipulierten Voraussetzungen. 8.3 Eine Haftungsbeschränkung wegen mitwirkenden Drittverschuldens zieht das Bundesgericht bloss als eher theoretische Möglichkeit in Betracht, die, wenn überhaupt, nur bei einer ausgesprochen exzeptionellen Sachlage von praktischer Bedeutung sein kann; so etwa, wenn das Verschulden des in Anspruch genommenen BGE 141 V 71 S. 90 Haftpflichtigen als so leicht erscheint und in einem derartigen Missverhältnis zum Verschulden des Dritten steht, dass es offensichtlich ungerecht wäre, wenn jener den ganzen Schaden tragen müsste (z.B. BGE 140 V 405 E. 6.1 S. 417; Urteil 9C_328/2012 vom 11. Dezember 2012 E. 2.3). Von einer solchen Konstellation kann hier nicht gesprochen werden. Die Vorinstanz hat für das Bundesgericht verbindlich festgestellt (nicht publ. E. 2.1), dass die Stiftungsräte den Beschwerdeführer nicht aktiv davon abgehalten haben, seine Aufgabe zu erfüllen; Entsprechendes habe dieser denn auch nicht behauptet. Soweit der Beschwerdeführer die Bestreitung im vorliegenden Verfahren nachholt, handelt es sich um ein neues und damit unzulässiges Vorbringen (vgl. Urteil 4A_229/2010 vom 7. Oktober 2010 E. 5.1.3, nicht publ. in: BGE 136 III 518 ), zu dem nicht erst der angefochtene Entscheid Anlass gegeben hat (vgl. Art. 99 Abs. 1 BGG ). Auf den Beizug der Zuger Strafakten (vgl. Sachverhalt lit. A.b Abs. 2) durfte deshalb auch im vorliegenden Punkt verzichtet werden. Zudem erweist sich die Sorgfaltspflichtverletzung, die der Beschwerdeführer begangen hat und ausschliesslich in seinem Verantwortungsbereich anzusiedeln ist, als derart grundlegend (vgl. E. 6.2 und 8.2 vorne), dass sie selbst bei - ebenfalls (vgl. E. 7 vorne) - grobem pflichtwidrigem Verhalten weiterer Protagonisten nicht komplett in den Hintergrund gedrängt resp. zur absoluten Bedeutungslosigkeit degradiert wird. 9. Zusammenfassend sind sämtliche Haftungsvoraussetzungen von Art. 52 Abs. 1 BVG und damit gleichzeitig auch von Art. 56a BVG erfüllt (vgl. E. 4 vorne). Es ist sowohl ein Schaden (E. 5) als auch eine Sorgfaltspflichtverletzung (E. 6) sowie ein Verschulden (E. 7) und ein adäquater Kausalzusammenhang (E. 8) gegeben. Zu prüfen bleibt, für welchen Schadensbetrag der Beschwerdeführer vom Sicherheitsfonds belangt werden kann. 9.1 Die Personen, für welche die Haftungsvoraussetzungen von adäquater Verursachung, Pflichtwidrigkeit und Verschulden gegeben sind, haften untereinander solidarisch. Haben sie den Schaden gemeinsam verursacht und gemeinsam verschuldet, besteht echte Solidarität mit der Folge, dass jede einzelne Person für den ganzen Schaden einzustehen hat. Haben sie unabhängig voneinander gehandelt, haftet jeder Einzelne nur in dem Umfang, in dem er den Schaden verursacht hat (unechte Solidarität). Mit anderen Worten ist Solidarität nur im Ausmass des von der einzelnen Person zu BGE 141 V 71 S. 91 Verantwortenden gegeben. Diese allgemeine Regel gilt auch bezüglich Art. 56a BVG ( BGE 139 V 176 E. 8.5 S. 190 f. mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung; vgl. auch ISABELLE VETTER-SCHREIBER, BVG, FZG: Kommentar, 3. Aufl. 2013, N. 3 zu Art. 56a BVG ), welche Bestimmung im vorliegend zu erörternden Punkt vor allem interessiert, da sie - was den haftpflichtigen Personenkreis betrifft - über die Organhaftung hinausgeht (nicht publ. E. 2.2.1). 9.2 Die mit Art. 759 Abs. 1 OR eingeführte differenzierte Solidarität bedeutet, dass der Umfang der Ersatzpflicht eines solidarisch Haftenden im Aussenverhältnis individuell bestimmt wird. Der Haftpflichtige kann demnach den Geschädigten gegenüber geltend machen, dass ihn kein oder nur ein geringes Verschulden treffe oder für ihn allenfalls ein anderer Herabsetzungsgrund nach Art. 43 Abs. 1 und Art. 44 OR gelte (Urteil 6B_54/2008 vom 9. Mai 2008 E. 10.4 m.H. auf BGE 132 III 564 E. 7 S. 577 f.; GERICKE/WALLER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 4. Aufl. 2012, N. 4 zu Art. 759 OR ). Es kann (weiterhin) offenbleiben (vgl. BGE 128 V 124 E. 4g S. 133 hinsichtlich Art. 52 BVG ), ob die im Aktienrecht beheimatete differenzierte Solidarität auch in Bezug auf die berufsvorsorgerechtliche Schadenersatzpflicht gelten soll (vgl. dazu immerhin RITA TRIGO TRINDADE, Fondations de prévoyance et responsabilité: développements récents, in: Institutions de prévoyance: devoirs et responsabilité civile, Trigo Trindade/Anderson [Hrsg.], 2006, S. 161 f.). Herabsetzungsgründe nach Art. 43 Abs. 1 OR und nach dem hier in Frage kommenden Art. 44 Abs. 2 OR sind nicht gegeben. Die Pflichtverletzungen des Beschwerdeführers sind als grobfahrlässig anzusehen (vgl. E. 7 vorne). Angesichts der - wenn auch nur "provisorischen" - Bilanzpositionen lässt sich nicht sagen, dass der angerichtete Schaden ausserhalb jeder vernünftiger Proportion liegt. Ein (anderweitiger) mildernder Umstand ist nicht ersichtlich. Soweit die Stiftung ein Selbstverschulden trifft, indem ihr die Handlungen der beklagten Stiftungsräte anzurechnen sind, so besteht wegen der solidarischen Haftung kein Raum für die Anwendung von Art. 44 Abs. 1 OR . Vielmehr berührt der Aspekt des Selbstverschuldens die Frage nach der definitiven Schadenstragung im Innenverhältnis, welche hier nicht Prozessthema bildet. 9.3 Die Vorinstanz beziffert den Schaden, für den der Beschwerdeführer in zeitlicher Hinsicht (ab 1. Juli 2005) verantwortlich zeichnet, auf Fr. 9'130'000.-. Diese Summe ist rechnerisch unbestritten. BGE 141 V 71 S. 92 9.4 Soweit das kantonale Dispositiv verschiedene Haftungsbeträge und gleichzeitig eine Solidarschuld stipuliert, ist es nach dem Gesagten (E. 9.1 hievor) nicht zu beanstanden (vgl. dazu auch ANTON K. SCHNYDER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 4. Aufl. 2007, N. 4 zu Art. 144 OR ; ALAIN GAUTSCHI, Solidarschuld und Ausgleich, 2009, S. 7 Rz. 12 i.f.; je mit Hinweis). Die im Dispositiv (Ziff. 1) lit. a, b, g und h jeweils zugleich verwendeten Formulierungen "unter solidarischer Haftung" und "je einzeln" sind dagegen, wie der Beschwerdeführer zutreffend einwirft, missverständlich: Dispositiv-Ziff. 1 lit. a, die sich auf den (eingeklagten) "Gesamtschaden" von Fr. 30'000'000.- bezieht, kann in Verbindung mit lit. b, g und h durchaus so verstanden werden, dass die Beklagten 1-4, 9-11 sowie 12 und 13 je die ihnen (gleich hohe) anrechenbare Summe zu bezahlen haben, sofern die (eingeklagte) Maximalhaftungssumme von Fr. 30'000'000.- noch nicht erreicht ist. Dies, weil die Formulierung "je einzeln" eine kumulative Zahlungsverpflichtung impliziert. Eine solche steht aber in unüberbrückbarem Widerspruch zu den festgelegten Solidarschuldverhältnissen, da "unter solidarischer Haftung" bedeutet, dass die Leistung eines einzigen Schuldners die übrigen Solidarschuldner - zumindest im Aussenverhältnis - befreit ( Art. 147 Abs. 1 OR ). Hinzu kommt, dass infolge der Haftungszeiträume, die für die Beklagten individuell festgelegt sind, nicht ein Schuldverhältnis, sondern insgesamt sieben Solidarschuldverhältnisse mit jeweils unterschiedlicher personeller Zusammensetzung bestehen. Diese verschiedenen Solidarschuldverhältnisse sind vor allem dann von Bedeutung, wenn es um die (Teil-)Leistung einer beklagten (natürlichen oder juristischen) Person geht. Da deren Leistung für die übrigen Solidarschuldner befreiend ist, muss der zahlende Schuldner resp. die zahlende Schuldnerin nach Art. 86 Abs. 1 OR erklären können, welche Schuld er resp. sie tilgen will oder an welche Schuld die Zahlung angerechnet werden soll. Das vorinstanzliche Dispositiv verunmöglicht eine solche Erklärung und ist daher auch aus diesem Grund - sowie in Anbetracht des ebenfalls heute ergangenen BGE 141 V 119 - abzuändern.
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Sachverhalt ab Seite 310 BGE 146 II 309 S. 310 A. A., citoyenne suisse née en 1992, est titulaire d'un "diplôme d'études universitaires générales droit, économie, gestion - mention droit" de l'Université Jean Moulin Lyon 3, délivré le 21 février 2014. Elle a également obtenu, auprès de cette même Université, un "diplôme d'université de droit anglais" (20 octobre 2014) et un "diplôme d'université de droit allemand" (20 octobre 2014). En janvier 2018, l'Université de Lausanne lui a décerné un "Master of Law - Maîtrise universitaire en droit" avec mention "droit international et comparé". Sur le plan professionnel, A. a effectué des stages de courte durée (du 23 septembre au 20 novembre 2015 et du 4 janvier au 19 février 2016) au sein de deux études d'avocats lausannois, ainsi qu'un stage de trois mois à 40 % (du 1 er août au 31 octobre 2017) auprès du Centre neuchâtelois de psychiatrie. Par la suite, l'intéressée a travaillé pendant environ six mois et demi (de mi-février à fin août 2018) en qualité d'assistante juridique pour un avocat genevois. B. Le 16 juillet 2018, A. a requis auprès du Tribunal cantonal du canton de Vaud son inscription au registre vaudois des avocats stagiaires (ci-après: le registre des avocats stagiaires). Par décision du 3 septembre 2018, après avoir consulté l'Université de Lausanne au sujet de l'équivalence des titres académiques obtenus par l'intéressée, la Cour administrative du Tribunal cantonal (ci-après: la Cour administrative) a rejeté la requête, relevant que, faute de disposer d'un bachelor en droit suisse, A. ne pouvait pas être inscrite au registre des avocats stagiaires. Saisie d'un recours contre la décision de la Cour administrative, la Cour de droit administratif et public du Tribunal cantonal du canton BGE 146 II 309 S. 311 de Vaud (ci-après: le Tribunal cantonal) l'a rejeté par arrêt du 20 février 2019. Les juges cantonaux ont retenu, en substance, que les diplômes obtenus par A. ne pouvaient être considérés comme équivalents à un bachelor en droit suisse et que l'expérience professionnelle dont se prévalait l'intéressée ne permettait pas de retenir qu'elle avait acquis des connaissances suffisantes en droit suisse, de sorte que le refus de l'inscrire au registre des avocats stagiaires ne constituait pas une entrave à la libre circulation des personnes garantie par l'ALCP. L'autorité précédente a également écarté toute violation de la Constitution, de la LLCA et de la LPAv/VD. C. Agissant à la fois par la voie du recours en matière de droit public et celle du recours constitutionnel subsidiaire, A. demande au Tribunal fédéral, sous suite de frais et dépens, de réformer l'arrêt du 20 février 2019 en ce sens que son diplôme français est reconnu "équivalent à une licence ou un bachelor universitaire en droit suisse permettant l'accès au stage" et que sa requête d'inscription au registre des avocats stagiaires est donc admise. Subsidiairement, elle requiert le renvoi de la cause au Tribunal cantonal "pour nouvelle instruction et nouveau jugement dans le sens des considérants". Le Tribunal cantonal renonce à se déterminer et se réfère aux considérants de son arrêt.
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Erwägungen Extrait des considérants: 4. La recourante invoque une violation du principe de la primauté du droit fédéral ( art. 49 al. 1 Cst. ). Elle relève que, aux termes de l'art. 7 de la loi fédérale du 23 juin 2000 sur la libre circulation des avocats (LLCA; RS 935.61), les cantons peuvent notamment délivrer un brevet d'avocat aux personnes ayant effectué des études de droit sanctionnées "par une licence ou un master délivrés par une université suisse" ( art. 7 al. 1 let. a LLCA ). L'intéressée soutient que l'art. 21 al. 1 de la loi vaudoise du 9 juin 2015 sur la profession d'avocat (LPAv/VD; RSV 177.11), tel qu'interprété par le Tribunal cantonal, exigerait que la personne requérant son inscription au registre des avocats stagiaires soit titulaire d'un bachelor en droit suisse. De l'avis de la recourante, cette disposition, qui irait "plus loin que le droit fédéral", serait contraire à la LLCA et, partant, violerait l' art. 49 al. 1 Cst. 4.1 Le principe de la primauté du droit fédéral, inscrit à l' art. 49 al. 1 Cst. , fait obstacle à l'adoption ou à l'application de règles cantonales qui éludent des prescriptions de droit fédéral ou qui en contredisent BGE 146 II 309 S. 312 le sens ou l'esprit, notamment par leur but ou par les moyens qu'elles mettent en oeuvre, ou qui empiètent sur des matières que le législateur fédéral a réglementées de façon exhaustive (cf. ATF 142 II 369 consid. 5.2 p. 382; arrêt 2C_1034/2017 du 16 mai 2019 consid. 4.1). 4.2 L' art. 7 LLCA a la teneur suivante: " Art. 7 LLCA - Conditions de formation 1. Pour être inscrit au registre, l'avocat doit être titulaire d'un brevet d'avocat. Les cantons ne peuvent délivrer un tel brevet que si le titulaire a effectué: a. des études de droit sanctionnées soit par une licence ou un master délivrés par une université suisse, soit par un diplôme équivalent délivré par une université de l'un des Etats qui ont conclu avec la Suisse un accord de reconnaissance mutuelle des diplômes; b. un stage d'une durée d'un an au moins effectué en Suisse et sanctionné par un examen portant sur les connaissances juridiques théoriques et pratiques. 2. [...] 3. Le bachelor en droit est une condition suffisante pour l'admission au stage." L'art. 21 LPAv/VD prévoit ce qui suit: "Art. 21 LPAv/VD - Conditions d'admission 1. Peut requérir son inscription au registre cantonal des avocats stagiaires tout titulaire d'une licence ou d'un bachelor universitaire en droit suisse délivré par une université suisse ou tout titulaire d'un diplôme équivalent, délivré par une université de l'un des Etats qui ont conclu avec la Suisse un accord de reconnaissance mutuelle de diplômes. 2. [...] 3. Après consultation de l'Université de Lausanne, le Tribunal cantonal détermine les titres requis pour l'inscription au registre des avocats stagiaires." Il sied d'examiner si cette disposition de droit cantonal, telle qu'interprétée par l'autorité précédente, sort du cadre fixé par le droit fédéral à l' art. 7 LLCA . 4.3 S'agissant des conditions pour être inscrit au registre des avocats stagiaires, l' art. 7 al. 3 LLCA se limite à indiquer que le bachelor en droit est une condition "suffisante" pour l'admission au stage. Cette formulation signifie qu'une personne qui dispose d'un bachelor en droit suisse mais pas (encore) du master a le droit d'être admise au stage d'avocat. Une loi cantonale qui imposerait des exigences de formation supplémentaires (par exemple un master ou un doctorat) BGE 146 II 309 S. 313 pour l'admission au stage serait ainsi contraire à l' art. 7 al. 3 LLCA et violerait l' art. 49 al. 1 Cst. En revanche, le texte de l' art. 7 al. 3 LLCA ne permet pas de déterminer si cette condition suffisante est aussi une condition nécessaire , en particulier dans le cas d'un candidat au stage qui - comme la recourante -, sans disposer d'un bachelor en droit suisse, est toutefois titulaire d'un master en droit suisse, soit d'un titre universitaire hiérarchiquement plus élevé. Il sied donc d'interpréter cette norme, à l'aune des méthodes usuelles d'interprétation. 4.4 La loi s'interprète en premier lieu selon sa lettre (interprétation littérale). Si le texte n'est pas absolument clair, si plusieurs interprétations de celui-ci sont possibles, le juge doit rechercher la véritable portée de la norme au regard notamment de la volonté du législateur telle qu'elle ressort, entre autres, des travaux préparatoires (interprétation historique), du but de la règle, de son esprit, ainsi que des valeurs sur lesquelles elle repose, singulièrement de l'intérêt protégé (interprétation téléologique) ou encore de sa relation avec d'autres dispositions légales (interprétation systématique; ATF 141 III 53 consid. 5.4.1 p. 59). Lorsqu'il est appelé à interpréter une loi, le Tribunal fédéral adopte une position pragmatique en suivant ces différentes interprétations, sans les soumettre à un ordre de priorité ( ATF 140 II 202 consid. 5.1 p. 204; ATF 139 IV 270 consid. 2.2 p. 273). 4.4.1 Tel qu'il a été constaté ci-dessus (consid. 4.3), le texte de l' art. 7 al. 3 LLCA n'est pas clair, de sorte que l'interprétation littérale ne permet pas de dégager le véritable sens de la norme en question. 4.4.2 Il en va de même de l'interprétation systématique, l' art. 7 al. 3 LLCA étant la seule disposition de la LLCA à traiter des conditions d'accès au stage d'avocat. 4.4.3 Sur le plan historique, l' art. 7 LLCA a été modifié le 23 juin 2006 (RO 2006 4399) et sa nouvelle version est entrée en vigueur le 1 er janvier 2007 (RO 2006 4401). Le but de cette modification était d'adapter la norme en question à la restructuration de l'enseignement supérieur effectuée dans le cadre de la "réforme de Bologne" (cf. le Message du Conseil fédéral du 26 octobre 2005 concernant la modification de la loi fédérale sur la libre circulation des avocats; FF 2005 6207; ci-après: le Message), qui a conduit les universités suisses à remplacer le système de la licence par un système à "deux échelons", soit le bachelor et le master (Message, p. 6211). L'ancien art. 7 LLCA , qui se référait (encore) au système de la licence, a donc dû être adapté. BGE 146 II 309 S. 314 Dans ce contexte, le Parlement fédéral a décidé d'adopter l' art. 7 al. 3 LLCA , dont le but était d'imposer aux cantons "d'admettre, dans leur réglementation sur la formation des avocats, les titulaires d'un bachelor en droit", afin de "permettre, selon les cas, une plus grande flexibilité dans l'aménagement des études d'avocat" (Message, p. 6213 s.). Le Conseil fédéral a examiné la question de savoir si les cantons étaient libres de délivrer un brevet d'avocat (et donc, implicitement, d'admettre au stage d'avocat) aux personnes ayant obtenu leur bachelor à l'étranger et leur master en Suisse. Dans ce cadre, il a retenu ce qui suit (Message, p. 6217): "L'art. 7, al. 1, let. a, LLCA, sera modifié et exigera que l'avocat qui souhaite s'inscrire au registre ait effectué des études de droit sanctionnées par une licence ou un master délivrés par une université suisse. La possibilité d'exiger que le bachelor obtenu avant le master ait également été délivré par une université suisse a été examinée. Toutefois, la LLCA est conçue pour ne poser que des exigences minimales et suffisantes pour l'inscription au registre, et n'entend pas réglementer en détail la formation des avocats. Dans la mesure où un canton délivre des brevets à des titulaires de masters obtenus dans une université suisse, mais sur la base d'un bachelor obtenu à l'étranger, les titulaires de ces brevets d'avocats cantonaux pourront être inscrits au registre. De même, le détenteur d'un master en droit obtenu sur la base par exemple d'un bachelor en économie pourrait, du point de vue du droit fédéral, être inscrit au registre: la question des exigences préalables à l'obtention d'un master en droit n'est pas réglée par la LLCA, qui se borne à exiger des études en droit." Cette approche, qui semble admettre qu'un master en droit suisse (non précédé d'un bachelor en cette matière) pourrait suffire pour obtenir un brevet d'avocat et donc, a fortiori , pour être inscrit (au préalable) au registre des avocats stagiaires, est fondée sur une prémisse consistant à considérer que la titularité d'un master en droit suisse permet de garantir que la personne concernée a acquis (au moins) les mêmes connaissances et compétences que les titulaires d'un bachelor en droit suisse. Or, tel n'est pas le cas. En effet, malgré le fait que le master soit un titre hiérarchiquement supérieur au bachelor, ces deux voies d'études poursuivent des objectifs différents. Le bachelor en droit a pour but de transmettre aux étudiants les connaissances juridiques de base dans les domaines essentiels du droit (cf. p. ex. art. 1 bis al. 2 du règlement du 14 mai 2019 du Baccalauréat universitaire en Droit - Bachelor of Law de l'Université de Lausanne: "Le Baccalauréat universitaire en Droit transmet de solides bases de connaissances en droit positif suisse. Au terme de cette formation, les étudiants seront capables de: [...] expliquer les règles et BGE 146 II 309 S. 315 principes applicables dans les principaux domaines du droit positif[...]"; § 12 de la Rahmenverordnung über den Bachelor- und Masterstudiengang sowie die Nebenfachstudienprogramme an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich du 20 août 2012: "Der Bachelorstudiengang vermittelt den Studierenden Grundlagenwissen und die Fähigkeit zu methodischwissenschaftlichem Denken"). Le master en droit, en revanche, permet d'approfondir ses connaissances juridiques, en offrant à l'étudiant la possibilité de choisir parmi plusieurs branches d'études le domaine dans lequel (ou les domaines dans lesquels) il veut se spécialiser (cf. p. ex. art. 2 al. 2 du règlement du 14 mai 2019 de la Maîtrise universitaire en Droit - Master of Law de l'Université de Lausanne: "En plus des compétences acquises au niveau du Baccalauréat universitaire en Droit, les étudiants de la Maîtrise universitaire en Droit seront, au terme de leur formation, capables de [...] disposer de connaissances approfondies d'un domaine du droit et/ou des enseignements en lien avec l'orientation choisie pour le Master[...]"; § 18 de la Rahmenverordnung über den Bachelor- und Masterstudiengang sowie die Nebenfachstudienprogramme an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich du 20 août 2012: "Der Masterstudiengang vermittelt den Studierenden vertiefte rechtswissenschaftliche Bildung und die Fähigkeit zum selbstständigen wissenschaftlichen und praktischen Arbeiten"). Au vu de la grande liberté de choix octroyée aux étudiants de master et du niveau de spécialisation des matières enseignées, force est de constater que l'obtention d'un tel diplôme ne permet pas de garantir que la personne concernée ait acquis (au moins) les mêmes connaissances de base en droit suisse que les titulaires d'un bachelor. Le cas de la recourante le démontre d'ailleurs parfaitement. Le master en droit dont elle est titulaire, décerné par l'Université de Lausanne, certifie qu'elle a obtenu des crédits dans les enseignements suivants: droit de l'arbitrage, protection internationale des droits de l'homme, droit américain, droit de la concurrence suisse et européen, protection internationale des droits de l'homme (chapitres choisis), analyse économique du droit, droit de l'environnement, procédure pénale, planification successorale internationale, droit médical (pour un total de 69 crédits). L'intéressée a en outre obtenu des crédits pour les "séminaires de maîtrise" qu'elle a rédigés en matière de protection internationale des droits de l'homme (chapitres choisis), de procédure civile et de procédure et juridiction administratives (pour BGE 146 II 309 S. 316 un total de 6 crédits), ainsi que 15 crédits pour son mémoire de maîtrise, intitulé "La liberté de presse face à la présomption d'innocence" (cf. art. 105 al. 2 LTF ). Tel qu'il a déjà été relevé (cf. consid. 3.1 non publié), l'intéressée n'a donc notamment obtenu aucun crédit en procédure civile (à l'exception de deux crédits relatifs à un "séminaire de maîtrise"), droit civil, droit des obligations, droit des poursuites, droit pénal général, droit constitutionnel et droit international privé suisses. Bien que titulaire d'un master en droit décerné par l'Université de Lausanne, la recourante ne dispose donc d'aucun titre académique attestant d'une connaissance de base des branches fondamentales du droit suisse. En résumé, l'interprétation historique permet donc uniquement de constater que le législateur est parti de la fausse prémisse que la titularité d'un master en droit garantirait une connaissance suffisante des bases du droit suisse. Il ne ressort toutefois ni du Message, ni des travaux préparatoires (BO 2006 CE 261 ss; BO 2006 CN 885 ss), que le législateur aurait voulu permettre aux cantons de délivrer un brevet d'avocat (et donc d'inscrire au préalable au registre des avocats stagiaires) aux candidats ne disposant pas des connaissances et compétences minimales en droit suisse nécessaires à l'exercice de la profession. 4.4.4 Sur le plan téléologique, en revanche, s'agissant notamment de l'intérêt protégé par l' art. 7 al. 3 LLCA , il faut relever ce qui suit. L'exigence que les candidats au stage d'avocat disposent d'une connaissance suffisante des bases du droit suisse, que la titularité d'un master en droit suisse ne permet pas - à elle seule - de garantir, répond à un intérêt public important. En effet, bien que les avocats stagiaires exercent sous la direction et la responsabilité de leur maître de stage, ils peuvent, dans les limites de la loi, conseiller, assister et représenter les parties devant les juridictions civile, pénale et administrative (cf. notamment art. 28 al. 1 LPAv/VD). Dans le canton de Vaud, la loi prévoit du reste expressément que le maître de stage "veille à ce que l'avocat stagiaire puisse exercer des tâches impliquant la rédaction de mémoires et d'actes de procédures, la réception de clients, la gestion de dossiers, les démarches en justice, l'assistance ou la représentation des parties en audience, la plaidoirie" (art. 30 al. 3 LPAv/VD). Il est ainsi tant dans l'intérêt des justiciables que dans celui d'une bonne administration de la justice que les avocats stagiaires disposent d'une formation suffisante de base en droit suisse (en ce sens, cf. également l'arrêt 2C_831/2015 du 25 mai 2016 BGE 146 II 309 S. 317 consid. 4.2.2, qui exige que les candidats au stage d'avocat aient "un minimum de connaissances" du droit suisse). A cela s'ajoute que, bien que le Code de procédure pénale suisse du 5 octobre 2007 (CPP; RS 312.0) ne permette pas de désigner comme défenseur d'office un avocat stagiaire (cf. art. 127 al. 5 CPP cum art. 133 CPP ), cette loi n'interdit toutefois pas que l'avocat stagiaire puisse assurer tout ou partie de la défense d'un prévenu, en "se substituant à" ou "en excusant" l'avocat en charge et sous la responsabilité de celui-ci (arrêts 6B_659/2017 du 6 mars 2018 consid. 2.1 et 6B_856/2014 du 10 juillet 2015 consid. 2.1). 4.4.5 Il découle de ce qui précède, sur la base notamment d'une interprétation téléologique de l' art. 7 al. 3 LLCA , que cette norme doit être interprétée en ce sens qu'un bachelor en droit suisse est nécessaire pour l'inscription au stage d'avocat, indépendamment du fait que le candidat au stage possède un master en droit suisse. Cette approche est en effet la seule qui permette de garantir que les avocats stagiaires disposent des connaissances de base nécessaires à exercer leur activité. Cette solution n'est pas celle préconisée par la doctrine (cf. MEIER/ REISER, in Commentaire romand, Loi sur les avocats, Valticos/Reiser/Chappuis [éd.], 2010, n° 32 ad art. 7 LLCA p. 50;BOHNET/MARTENET, Droit de la profession d'avocat, 2009, n. 528 p. 230), laquelle s'est toutefois principalement fondée sur le Message et est donc partie de la même prémisse que celle adoptée par le Conseil fédéral, consistant à considérer que la titularité d'un master en droit suisse permet de garantir que la personne concernée a acquis (au moins) les mêmes connaissances et compétences que les titulaires d'un bachelor en droit suisse. Or, comme il a été exposé ci-dessus (consid. 4.4.3), tel n'est pas le cas. Quant aux auteurs qui n'ont pas fondé leur opinion sur le Message (cf. STAEHELIN/OETIKER, in Kommentar zum Anwaltsgesetz, Fellmann/Zindel [éd.], 2 e éd. 2011, n° 4a ad art. 7 LLCA p. 59), ils ont motivé leur solution en relevant qu'il ne revenait pas à l'autorité compétente en matière d'accès à la profession d'avocat de remettre en discussion la décision d'une Université qui aurait - par hypothèse - décerné un master en droit à une personne qui n'est pas titulaire d'un bachelor en droit. Cette approche, qui reviendrait à imposer aux autorités compétentes l'obligation d'ouvrir l'accès au stage d'avocat à des candidats ne disposant pas des connaissances de base nécessaires à exercer leur activité, en enlevant auxdites autorités toute marge de manoeuvre à ce sujet, ne saurait toutefois être BGE 146 II 309 S. 318 approuvée, au vu des intérêts publics en jeu exposés ci-dessus (consid. 4.4.4). 4.4.6 Il sied encore de préciser que, bien que la lettre de l' art. 7 al. 3 LLCA ne le prévoie pas expressément, le bachelor en droit nécessaire pour l'inscription au registre des avocats stagiaires ne doit pas obligatoirement avoir été obtenu auprès d'une université suisse. En effet, du moment que la LLCA permet aux cantons de délivrer un brevet d'avocat aux personnes ayant effectué "des études de droit sanctionnées soit par une licence ou un master délivrés par une université suisse, soit par un diplôme équivalent délivré par une université de l'un des Etats qui ont conclu avec la Suisse un accord de reconnaissance mutuelle des diplômes" ( art. 7 al. 1 LLCA ), elle permet a fortiori aux cantons d'admettre au stage d'avocat une personne titulaire d'un diplôme équivalent à un bachelor en droit suisse délivré par une université de l'un des Etats qui ont conclu avec la Suisse un accord de reconnaissance mutuelle des diplômes. Conformément à ce qui a été exposé ci-dessus (consid. 4.4.4), dans le but d'assurer que les avocats stagiaires soient aptes à exercer correctement leur activité, le diplôme "équivalent" en question doit toutefois garantir que la personne concernée dispose des connaissances suffisantes de base en droit suisse nécessaires à cette fin. 4.5 En conclusion, l'art. 21 LPAv/VD impose aux candidats au stage d'avocat les mêmes conditions que celles prévues par l' art. 7 al. 3 LLCA , tel qu'interprété ci-dessus (consid. 4.4), soit la titularité d'un bachelor en droit suisse ou d'un titre équivalent. Dans ces circonstances, le refus d'inscrire la recourante au registre des avocats stagiaires au motif qu'elle n'est pas titulaire d'un bachelor en droit suisse (ou d'un diplôme équivalent) et ne possède pas les connaissances de base en droit suisse nécessaires à l'engagement dans la voie de cette profession n'est pas contraire à la LLCA et, partant, ne viole pas l' art. 49 al. 1 Cst. 4.6 Cette conclusion est du reste conforme à la jurisprudence du Tribunal fédéral. En effet, dans un cas similaire - bien que non identique - rendu sous l'empire de l'art. 17 de l'ancienne loi vaudoise du 24 septembre 2002 sur la profession d'avocat (aLPAv/VD; aRSV 177.11), dont la teneur, s'agissant des exigences relatives aux titres académiques nécessaires pour requérir son inscription au registre des avocats stagiaires, était la même que celle de l'art. 21 al. 1 LPAv/VD, le Tribunal fédéral a déjà eu l'occasion de s'exprimer sur la conformité BGE 146 II 309 S. 319 desdites exigences avec la LLCA. Après avoir procédé à une interprétation de l' art. 7 LLCA , la Cour de céans a en particulier relevé que, "en posant comme condition d'accès au stage [d'avocat] la possession d'un bachelor en droit délivré par une université suisse ou d'un diplôme équivalent, délivré par une université de l'un des Etats qui ont conclu avec la Suisse un accord de reconnaissance mutuelle de diplômes", la législation vaudoise (cf. art. 17 aLPAv/VD et art. 21 al. 1 LPAv/VD) respectait le droit fédéral (arrêt 2C_831/ 2015 du 25 mai 2016 consid. 4.2.2 in fine). 4.7 Finalement, cette solution permet d'éviter la situation paradoxale dans laquelle un candidat pourrait se trouver s'il était admis au stage d'avocat sans être titulaire d'un bachelor en droit suisse (ou d'un diplôme équivalent au sens évoqué ci-dessus), tout en se voyant contraint à obtenir ce titre par la suite s'il veut accéder aux examens d'avocat lorsque, comme c'est le cas dans le canton de Vaud, le droit cantonal prévoit cette condition (cf. art. 32 al. 1 let. a LPAv/VD). 4.8 Il découle de ce qui précède que le grief de violation du principe de la primauté du droit fédéral ( art. 49 al. 1 Cst. ) doit être écarté.
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Sachverhalt ab Seite 173 BGE 136 V 172 S. 173 A. La société X. SA à N. est au bénéfice d'une autorisation d'exploiter une organisation de soins à domicile depuis le 22 octobre 2001, délivrée par le Département de la santé et de l'action sociale du canton de Vaud. La société a adressé à Visana Assurances SA (ci-après: Visana) des factures pour des soins prodigués du 31 octobre 2005 au 31 décembre 2006 à quatre résidents de X. (J., P., L. et H.), qui étaient assurés auprès de Visana pour l'assurance obligatoire des soins en cas de maladie. Celle-ci a contesté devoir s'acquitter de l'entier des prestations facturées pour la période en question, notamment parce que ni la préparation des médicaments, ni l'aide et l'accompagnement lors des déplacements des intéressés à l'extérieur de la chambre ne faisaient partie des soins de base dont la prise en charge par l'assurance-maladie obligatoire était prévue par la loi. B. Faute d'avoir trouvé un accord avec Visana, la société X. SA a saisi le Tribunal arbitral des assurances du canton de Vaud (ci-après: Tribunal arbitral) d'une demande tendant à ce que la caisse-maladie soit condamnée à lui verser le solde encore dû sur la facturation relative à la période du 31 octobre 2005 au 31 décembre 2006, avec un intérêt à 5 % courant quinze jours après que chaque facture partiellement impayée a été établie. Par jugement du 13 novembre 2008, le Tribunal arbitral a débouté la société de ses conclusions. C. X. SA interjette un "recours de droit public" et un "recours de droit constitutionnel subsidiaire" contre ce jugement dont elle demande l'annulation. Sous suite de frais et dépens, elle conclut au renvoi de la cause au Tribunal arbitral pour qu'il lui alloue ses conclusions de première instance. Visana conclut au rejet du recours en renvoyant au jugement entrepris, tandis que l'Office fédéral de la santé publique a renoncé à se déterminer. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours en matière de droit public et a déclaré le recours constitutionnel subsidiaire irrecevable.
766
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. 2.1 Selon l' art. 24 LAMal , l'assurance obligatoire des soins prend en charge les coûts des prestations définies aux art. 25 à 31 en BGE 136 V 172 S. 174 tenant compte des conditions des art. 32 à 34. Ces prestations comprennent notamment les examens, traitements et soins dispensés sous forme ambulatoire au domicile du patient, en milieu hospitalier ou semi-hospitalier ou dans un établissement médico-social par des personnes fournissant des prestations sur prescription ou sur mandat médical (art. 25 al. 2 let. a ch. 3 LAMal dans sa version en vigueur jusqu'au 31 décembre 2008). Selon l' art. 33 al. 2 LAMal , le Conseil fédéral désigne en détail les prestations prévues à l' art. 25 al. 2 LAMal , qui ne sont pas fournies par un médecin ou un chiropraticien. Le Département fédéral de l'intérieur (DFI), auquel le Conseil fédéral a délégué à son tour la compétence mentionnée ( art. 33 al. 5 LAMal en relation avec l' art. 33 let. b OAMal [RS 832.102]), a défini le domaine des prestations de soins à domicile, ambulatoires ou dispensées dans un établissement médico-social à l'art. 7 de l'ordonnance du 29 septembre 1995 sur les prestations dans l'assurance obligatoire des soins en cas de maladie (OPAS; RS 832.112.31). Conformément à l'al. 1 let. b de cette disposition, l'assurance prend en charge les examens, les traitements et les soins (prestations) effectués selon l'évaluation des soins requis (art. 7 al. 2 et art. 8a) sur prescription médicale ou sur mandat médical par des organisations de soins et d'aide à domicile ( art. 51 OAMal ). Selon l' art. 7 al. 2 OPAS , les prestations au sens de l'al. 1 comprennent l'évaluation et les conseils (let. a), les examens et les traitements (let. b) et les soins de base (let. c). Les prestations selon la let. a comprennent notamment "les conseils au patient ainsi que, le cas échéant, aux intervenants non professionnels pour les soins, en particulier quant à la manière de gérer les symptômes de la maladie, pour l'administration des médicaments ou pour l'utilisation d'appareils médicaux; contrôles nécessaires" (ch. 2). Font partie des prestations selon la let. b notamment "l'administration de médicaments, en particulier par injection ou perfusion" (ch. 7). Les soins de base selon la let. c comprennent les "soins de base généraux pour les patients dépendants, tels que: bander les jambes du patient, lui mettre des bas de compression, refaire son lit, l'installer, lui faire faire des exercices, le mobiliser, prévenir les escarres, prévenir et soigner les lésions de la peau consécutives à un traitement; aider aux soins d'hygiène corporelle et de la bouche; aider le patient à s'habiller et à se dévêtir, ainsi qu'à s'alimenter" (ch. 1). 2.2 Pour évaluer l'obligation de prise en charge des soins au sens de l' art. 7 OPAS par l'assurance-maladie obligatoire quant à son BGE 136 V 172 S. 175 principe et à son étendue, des indications détaillées concernant les prestations prescrites et exécutées dans le cas particulier sont nécessaires ( art. 42 al. 3 LAMal ). Est également exigé une prescription ou un mandat médical clair relatif aux prescriptions nécessaires, qui sont déterminées sur la base de l'évaluation des soins requis et de la planification commune ( art. 8 al. 1 OPAS ). L'évaluation des soins requis comprend l'appréciation de l'état général du patient, l'évaluation de son environnement ainsi que celle des soins et de l'aide dont il a besoin ( art. 8 al. 2 OPAS ). Elle se fonde sur des critères uniformes. Les résultats sont inscrits sur un formulaire uniforme établi par les partenaires tarifaires, lequel indiquera notamment le temps nécessaire prévu ( art. 8 al. 3 OPAS ). L'assureur-maladie peut exiger que lui soient communiquées les données de l'évaluation des soins requis ( art. 8 al. 5 OPAS ). Pour les prestations effectuées par les infirmiers ou les organisations d'aide et de soins à domicile, les partenaires tarifaires conviennent ou l'autorité compétente fixe des tarifs échelonnés selon la nature et la difficulté des prestations ( art. 9 al. 3 OPAS ). 3. Est litigieux en l'espèce le point de savoir si, d'une part, l'acte effectué par une infirmière consistant à préparer "en masse" une fois par semaine les médicaments pour les quatre patients concernés (programmation hebdomadaire et répartition des pilules dans le semainier de médicaments) et, d'autre part, l'acte d'accompagner ces personnes à l'extérieur de leur chambre à coucher jusqu'à la salle à manger de leur résidence constituent des prestations à prendre en charge par l'assurance-maladie obligatoire dans le cadre des prestations prévues à l' art. 7 al. 2 OPAS . 4. 4.1 En ce qui concerne le premier acte en cause, le Tribunal arbitral a considéré que la préparation des médicaments, qui ne se faisait en l'occurrence pas en présence du patient mais dans le local prévu à cet effet, ne constituait pas un acte médical et n'était pas intrinsèquement lié à l'administration du remède selon l'art. 7 al. 2 let. b ch. 7 OPAS. La préparation et l'administration des médicaments étaient deux actes distincts comme cela ressortait du texte allemand de la disposition d'exécution ("Verabreichung von Medikamenten, insbesondere durch Injektion oder Infusion"). L'administration (ou "Verabreichung") des médicaments, qui comprenait pour l'essentiel autre chose que l'achat, le contrôle, la préparation ou la distribution des remèdes, représentait l'exécution de mesures médicales BGE 136 V 172 S. 176 appliquées directement et par acte individuel au patient. Remplir les semainiers de médicaments constituait un acte qui pouvait aisément être effectué par un personnel non qualifié, voire par les patients eux-mêmes lorsqu'ils n'étaient pas dépendants, et ne relevait dès lors pas d'un acte médical au sens de l'art. 7 al. 2 let. b ch. 7 OPAS. Il ne s'agissait pas davantage de conseils donnés au patient au sens de l'art. 7 al. 2 let. a ch. 2 OPAS, puisque l'élément consistant en une conversation ou en une autre forme d'échange ou de communication faisait défaut. 4.2 Faisant valoir que la liste de soins prévue à l' art. 7 OPAS n'est pas exhaustive, la recourante soutient au contraire que la préparation des médicaments est un geste préalable et indispensable à la prise des remèdes par les patients et qui fait dès lors partie des prestations à la charge de l'assurance-maladie obligatoire. Elle fait valoir en substance que l'administration des médicaments est un acte complexe qui ne peut être ramené à la seule opération retenue par les premiers juges. Elle leur reproche aussi de ne pas avoir pas pris en compte la "pratique raisonnable" d'autres assureurs-maladie qui se référeraient au "Manuel d'application de la méthode RAI-domicile pour les services à domicile en Suisse" (édité par Q-Sys AG, Systeme zur Qualitäts- und Kostensteuerung im Gesundheitswesen). 4.3 4.3.1 L'énumération, à l' art. 7 al. 2 OPAS , des catégories de prestations que l'assurance obligatoire des soins prend en charge (évaluations et conseils, examens et traitements, soins de base) est exhaustive ( ATF 131 V 178 consid. 2.2.3 p. 185; décision du Conseil fédéral du 9 mars 1998 consid. 3, in RAMA 1998 p. 184). Il en va de même du catalogue des examens et traitements de l'art. 7 al. 2 let. b ch. 1-14 OPAS (arrêt K 141/06 du 10 mai 2007 consid. 3.2.2, dans lequel est citée par inadvertance la let. d [inexistante] au lieu de la let. b et ne sont pas mentionnés les ch. 13 et 14 entrés en vigueur le 1 er janvier 2007). Le fait qu'à l'intérieur de ce catalogue certaines prestations sont décrites à titre exemplatif (ainsi au ch. 4 "mesures thérapeutiques pour la respiration [telles que l'administration d'oxygène ..."] ou au ch. 7 "administration de médicaments, en particulier par injection ou perfusion") implique que d'autres actes peuvent être exécutés à la charge de l'assurance obligatoire des soins, pour autant qu'ils correspondent à une forme de la prestation définie dans le catalogue pour laquelle des exemples ont été mentionnés. En revanche, il n'est pas possible de créer une nouvelle prestation qui entrerait BGE 136 V 172 S. 177 (sous un chiffre séparé) dans la catégorie des examens et traitements au sens de l' art. 7 al. 2 let. b OPAS . C'est précisément ce que tente de faire la recourante en soutenant que "la préparation et l'administration de médicaments consistent ainsi à a. commander les médicaments (...), b. contrôler les médicaments (...), c. préparer hebdomadairement l'administration des médicaments au moyen d'un semainier (pour l'ensemble des patients), (...), d. préparer l'administration journalière des médicaments (individuellement) (...) et e. administrer les médicaments à chaque patient. (...)". Au regard de cette énumération de différentes activités séparées, il apparaît déjà que "l'administration de médicaments" (selon la lettre de l'art. 7 al. 2 let. b ch. 7 OPAS) constitue un acte parmi tous ceux qui sont nécessaires pour qu'une personne dispose des médicaments prescrits et les prenne effectivement lorsqu'elle n'est plus en mesure de se les procurer elle-même et de les prendre. Aussi nécessaire et indispensable que soit cet enchaînement d'actes dans un cas particulier pour que l'assuré dispose et prenne les médicaments prescrits, il ne correspond toutefois pas à "l'administration de médicaments" au sens de l'ordonnance, qui vise seulement la dernière étape du déroulement décrit par la recourante, comme il ressort de ce qui suit. 4.3.2 Selon la jurisprudence, par traitements au sens de l' art. 7 al. 2 let. b OPAS , il faut entendre des mesures de soins avec un but diagnostique ou thérapeutique ( ATF 131 V 178 consid. 2.2.2 p. 185). Au titre d'examens et de traitements, cette disposition énumère des actes techniques spécifiques d'ordre médical qui sont appliqués directement au patient concerné et impliquent donc une intervention sur celui-ci. Il en résulte, d'un point de vue systématique, que le ch. 7 de l'énumération a pour objet une action déterminée et exécutée individuellement sur le patient, comme l'a retenu à juste titre l'autorité de première instance. Compte tenu de la lettre du ch. 7 ("administration de médicaments, en particulier par injection ou perfusion", "Verabreichung von Medikamenten, insbesondere durch Injektion oder Infusion", "somministrazione di medicamenti, in particolare per iniezione o perfusione"), il ne peut s'agir que de l'acte consistant à faire prendre ses médicaments au patient, les exemples mentionnés mettant en évidence que cet acte peut être exécuté de différentes manières. L'administration de médicaments consiste donc à faire prendre à l'assuré les produits prescrits, que ce soit par exemple en BGE 136 V 172 S. 178 l'aidant à ingérer les remèdes, en les lui appliquant sous forme de crème ou pommade, ou encore par injection ou perfusion. Au regard de cette définition, l'acte ici en cause, soit la préparation des médicaments par une infirmière-cheffe dans un local prévu pour cela, ne correspond pas à l'administration de médicaments, mais constitue une action distincte qui n'entre pas dans le catalogue des ch. 1-14 de l' art. 7 al. 2 let. b OPAS . Quoi qu'en dise la recourante, le fait que la préparation d'un médicament constitue, dans certains cas, un préalable à son administration ne permet pas d'assimiler les deux actes. A défaut de concorder avec l'une des prestations du catalogue exhaustif prévu par le DFI pour les examens et traitements au sens de la disposition mentionnée, le premier acte n'a pas à être pris en charge par l'assurance des soins obligatoire. 4.3.3 Quant à l'argumentation de la recourante, selon laquelle les premiers juges auraient dû prendre en compte l'instrument "RAI-Home care" qui refléterait "la pratique raisonnable d'autres assureurs", elle n'est pas pertinente. Le "Manuel d'application de la méthode RAI-domicile pour les services à domicile en Suisse" constitue des recommandations dans le domaine des soins à domicile établies par des particuliers qui n'ont aucun caractère normatif et ne lient pas le juge. Celui-ci peut, mais n'est aucunement tenu de s'en inspirer (cf. ATF 124 V 351 consid. 2e p. 354). Au demeurant, le "catalogue des prestations soins" (annexe F du Manuel) comprend deux postes différents pour "préparer les médicaments" (code 601) et pour "administrer les médicaments" (codes 603 ss), ce qui montre que pour la pratique également ces deux actes ne sont pas équivalents. En instance fédérale, la recourante ne prétend plus, par ailleurs, que la préparation des médicaments correspondrait à une mesure d'évaluation et de conseils de l' art. 7 al. 2 let. a OPAS , de sorte qu'il n'y a pas lieu d'examiner ce point plus avant, en renvoyant, si besoin est, aux considérants y relatifs du jugement entrepris. 5. 5.1 En rapport ensuite avec l'accompagnement des assurés à l'extérieur de leur chambre à coucher jusqu'à la salle à manger, le Tribunal arbitral a retenu que cet acte n'entrait pas dans la catégorie des soins de base au sens de l' art. 7 al. 2 let . c OPAS. Il constituait en effet une mesure de confort, un entraînement physique servant à maintenir la santé ou un acte touchant aux relations sociales, ce qui ne correspondait pas à la définition prévue par l'ordonnance, qui BGE 136 V 172 S. 179 supposait que la mesure ait un caractère de soin. L'accompagnement s'apparentait en l'occurrence plutôt à une promenade qu'à un exercice physique sous forme de mobilisation au sens technique du terme; en tout état de cause, la mobilisation d'un patient pour lui permettre d'accomplir un acte ordinaire de la vie n'était pas considérée comme un élément distinct et séparé de l'acte ordinaire de la vie et ne constituait donc pas une prestation à la charge de l'assurance obligatoire des soins. 5.2 La recourante critique cette interprétation, par trop restrictive à ses yeux, de l' art. 7 al. 2 let . c OPAS, en faisant valoir que l'aide à s'alimenter au sens de cette disposition suppose que si le patient doit se déplacer et a besoin d'aide pour ce faire, cette assistance doit ouvrir le droit à une indemnisation. Selon elle, l'aide à s'alimenter ne peut être limitée à l'assistance apportée à une personne incapable de porter les aliments ou les boissons à sa bouche et à veiller à ce qu'elle se nourrisse et se désaltère effectivement. Cette aide inclurait l'assistance consistant à obliger l'intéressé à se rendre à la salle à manger pour y prendre son repas, ce qui aurait également pour effet de lui faire faire de l'exercice physique et de le mobiliser. La recourante tire un parallèle entre l'aide à s'alimenter et celle nécessaire pour se rendre aux toilettes, laquelle comprendrait l'acte d'accompagnement jusqu'aux lieux d'aisance. 5.3 5.3.1 Les soins de base au sens de l' art. 7 al. 2 let . c ch. 1 OPAS, qui ne font pas l'objet d'une liste exhaustive ( ATF 131 V 178 consid. 2.2.3 p. 185; décision du Conseil fédéral du 9 mars 1998 consid. 3, in RAMA 1998 p. 184), constituent des mesures de soins qui visent à compenser les conséquences de l'incapacité d'effectuer soi-même certains actes élémentaires de la vie quotidienne en raison d'une maladie ou de dépendance ("patients dépendants"; voir aussi BÉATRICE DESPLAND, Soins de longue durée, soins de dépendance. Contribution aux débats relatifs à la révision de la LAMal, Rapport IDS [Institut de droit de la santé, Neuchâtel] n° 8, 2004, p. 6). Ces mesures ne sont pas de nature médicale (arrêt du Tribunal fédéral des assurances P 19/03 du 20 décembre 2004 consid. 4.2.2, in SVR 2005 EL n° 2 p. 5; Message du 16 février 2005, relatif à la loi fédérale sur le nouveau régime des soins, FF 2004 1911 ch. 1.1.3.2.1), même si leur énumération comporte certaines prestations de cet ordre (notamment prévenir les escarres ou prévenir et soigner les lésions de la peau consécutives à un traitement; cf. GUY LONGCHAMP, Conditions et BGE 136 V 172 S. 180 étendue du droit aux prestations de l'assurance-maladie sociale, 2004, p. 167). Ne font pas partie des soins de base des actes qui touchent principalement à l'accompagnement, à l'aspect pédagogique, au développement des capacités personnelles et aux relations sociales (décision du Conseil fédéral du 28 janvier 1998 consid. 8.2, in RAMA 1998 p. 172). 5.3.2 Portant sur une assistance à la personne (Personenhilfe), les soins de base doivent être distingués de l'aide matérielle (Sachhilfe) ou aide à domicile (cf. ATF 131 V 178 consid. 2.2.3 in fine p. 187). Celle-ci inclut les activités liées à l'économie et la tenue du ménage - tels les achats, la préparation de la nourriture, y compris le service de repas (décision du Conseil fédéral du 9 mars 1998 consid. II, in RAMA 1998 p. 183 s.), laver le linge et d'autres actes semblables -, qui n'entrent pas dans le catalogue des prestations remboursées par l'assurance obligatoire des soins (arrêt P 19/03 cité consid. 4.2; Message du 6 novembre 1991 concernant la révision de l'assurance-maladie, FF 1992 I 77; GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in Soziale Sicherheit, SBVR vol. XIV, 2007, p. 505 n. 329; LONGCHAMP, op. cit., p. 485; voir aussi BRIGITTE PFIFFNER RAUBER, Das Recht auf Krankheitsbehandlung und Pflege, 2003, p. 243). 5.3.3 En ce qui concerne tout d'abord l'aide à l'alimentation, on ne saurait considérer que l'accompagnement d'un assuré à l'extérieur de sa chambre pour se rendre à la salle à manger puisse être assimilé à cet acte. En tant que soins de base, l'acte consistant à aider le patient à s'alimenter ("Hilfe beim Essen", "aiuto a nutrirlo" [il paziente]) visela situation dans laquelle la personne ne peut pas elle-même se nourrir, parce qu'elle n'est pas en mesure, par exemple, de couper ses aliments ou de les porter à sa bouche. En revanche, l'assistance dont elle a besoin pour que les aliments lui soient servis et lui parviennent - préparation et cuisson des aliments, mais aussi présentation et service des plats - ne fait pas partie des soins de base au sens de la règle en cause, mais relève de l'aide à domicile (consid. 5.3.2 supra) même si cette assistance lui est tout aussi nécessaire que l'aide pour se nourrir. Comme le service des repas (à savoir le fait d'apporter les aliments vers la personne concernée), que ce soit au chevet d'une personne alitée, à la table dans une chambre ou dans une salle à manger commune, ne fait pas partie des soins de base relatifs à l'alimentation, l'aide nécessitée par l'intéressé pour se rendre à l'extérieur de sa chambre "vers son repas" ne peut pas non plus être considérée comme de tels soins (cf. en ce qui concerne l'acte "manger" en BGE 136 V 172 S. 181 relation avec l'allocation pour impotent dans l'assurance-invalidité, arrêt du Tribunal fédéral des assurances H 128/03 du 4 février 2004 consid. 3). La dimension sociale qu'implique la possibilité de manger en compagnie d'autres personnes pour les intéressés qui vivent dans une résidence commune - aussi positive et utile qu'elle soit - n'est pas du ressort de l'assurance-maladie obligatoire (consid. 5.3.1 supra ; cf. HARDY LANDOLT, Das soziale Pflegesicherungssystem, 2002, p. 85). 5.3.4 Sous l'angle ensuite des exercices physiques ou de mobilisation, l'action en cause ne peut pas non plus être assimilée à de tels actes au sens de l' art. 7 al. 2 let . c ch. 1 OPAS, comme l'ont retenu à juste titre les premiers juges. L'accompagnement des assurés, tel que constaté par le Tribunal arbitral, ne vise pas à leur faire faire des exercices ou à les mobiliser ("Bewegungsübungen, Mobilisieren", "esercizi di mobilizzazione"), soit à un entraînement musculaire ou physique selon un programme de (ré)éducation physique, mais bien à se déplacer vers la salle à manger pour se rendre à table ou la quitter. Cette action, rendue nécessaire par le système d'aide à domicile "en résidence commune" mise en place par la recourante, relève de l'acte ordinaire de la vie "se déplacer" (tel qu'il a été défini, par exemple, en relation avec l'allocation pour impotent dans l'assurance-invalidité), lequel n'est pas visé en tant que tel par l'énumération prévue par la disposition en cause. Inclure l'aide au déplacement dans les soins de base au sens de l' art. 7 al. 2 let . c ch. 1 OPAS, en complétant la liste des exemples, reviendrait par ailleurs à étendre la notion de tels soins en dépassant le cadre voulu par l'auteur de l'ordonnance, qui a défini ces soins de manière limitative comme les mesures nécessaires à l'hygiène corporelle et à l'alimentation du malade (annexe 1b du Commentaire [septembre 1995] du DFI des dispositions concernant les prestations de soins et d'aide à domicile pour la procédure de consultation), ce qui n'inclut pas l'accompagnement du patient dans ses déplacements. 5.3.5 Pour les raisons mentionnées précédemment (consid. 4.3.3 supra), la référence que fait la recourante au "Manuel RAI-domicile Suisse" ne lui est d'aucun secours. Il en va de même, enfin, de son argumentation tirée du concours de prestations de l'assurance-invalidité (allocation pour impotent), le présent litige ayant pour seul objet la prise en charge éventuelle des prestations en cause par l'assurance-maladie obligatoire.
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Mangels vergleichbarer Sachverhalte innerhalb des Schutzbereichs einer Konventionsgarantie ist Art. 14 i.V.m. Art. 8 EMRK nicht anwendbar und liegt keine verpönte Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vor (E. 4). Sachverhalt ab Seite 379 BGE 146 V 378 S. 379 A. A. ist als selbständige Rechtsanwältin der Ausgleichskasse des Kantons Zürich (fortan: Ausgleichskasse) angeschlossen. Im Februar 2018 wurde sie Mutter einer Tochter und meldete sich im Juni 2018 zum Bezug einer Mutterschaftsentschädigung sowie einer Betriebszulage von Fr. 67.- pro Tag an. Die Ausgleichskasse richtete erstere in Höhe des Maximalbetrags von Fr. 19'208.- (Fr. 196.- x 98) abzüglich AHV/IV/EO-Beiträgen aus. Mit Verfügung vom 20. Juli 2018 verneinte sie einen Anspruch auf Betriebszulagen. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 12. September 2018 fest. B. Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 23. September 2019 ab. C. A. führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Anträgen, es sei der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 23. September 2019 aufzuheben und die zuständige Behörde anzuweisen, ihrem Antrag auf Ausrichtung einer Betriebszulage im Rahmen der Mutterschaftsentschädigung stattzugeben. Eventualiter sei festzustellen, dass deren Nichtausrichtung Art. 8 Abs. 3 BV verletze. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Strittig ist, ob das kantonale Gericht einen Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine Betriebszulage bei Mutterschaft zu Recht verneint hat. Es handelt sich um eine frei überprüfbare Rechtsfrage. (...) 3. 3.1 Dem Wortlaut von Art. 8 Abs. 1 i.V.m. Art. 16e Abs. 2 EOG (SR 834.1) lässt sich kein Anspruch auf Betriebszulagen zur Mutterschaftsentschädigung entnehmen, wie sowohl das kantonale Gericht zutreffend erwogen hat als auch die Beschwerdeführerin anerkennt. Unbestritten entsprach es dem Willen des Gesetzgebers, im Rahmen der Mutterschaftsentschädigung keinen solchen zu eröffnen (Erwägung 4.3 des angefochtenen Entscheids mit Verweis auf den ausdrücklichen Verzicht im Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates vom 3. Oktober 2002 [BBl 2002 7522, 7547], was in den Räten diskussionslos übernommen wurde [AB 2001 N 1614 ff., 2002 N 1925 ff. und 2003 N 1337 ff. sowie AB 2003 S 529 ff. und 834 ff.]). BGE 146 V 378 S. 380 3.2 Von diesem klar dokumentierten gesetzgeberischen Willen abzuweichen, würde den Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung, wie sie die Beschwerdeführerin verlangt (nicht publ. E. 2.2.1), sprengen (vgl. BGE 140 I 305 E. 6.2 S. 311 und E. 7.4 S. 314; BGE 141 II 338 E. 3.1 S. 340). 4. 4.1 Die Beschwerdeführerin rügt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Schutzbereich des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 i.V.m. Art. 14 EMRK ; nicht publ. E. 2.2.2). Im Vordergrund steht dabei, ob und inwieweit - als eine von mehreren Anwendungsvoraussetzungen von Art. 14 EMRK - mit Blick auf die Ausübung der geltend gemachten Rechtsposition überhaupt vergleichbare Verhältnisse vorliegen, die eine unterschiedliche Behandlung erfahren (Urteile des EGMR Di Trizio gegen Schweiz vom 2. Februar 2016 [7186/09], § 80; Markin gegen Russland vom 22. März 2012 [30078/06], § 125;MEYER-LADEWIG/LEHNER, in: EMRK, Handkommentar, 4. Aufl. 2017, N. 6 und 9 zu Art. 14 EMRK ). 4.2 4.2.1 Das EOG regelt zwar sowohl den Entschädigungsanspruch für Dienstleistende ( Art. 1a ff. EOG ) als auch denjenigen bei Mutterschaft ( Art. 16b ff. EOG ). Die Regelung im selben Gesetz führt für sich allein indes nicht zur Annahme vergleichbarer Sachverhalte und darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die jeweiligen Ansprüche an grundsätzlich verschiedenen versicherten Lebenssachverhalten anknüpfen (Dienst - primär Militärdienst - im Sinne des EOG einerseits und Mutterschaft anderseits), von denen nur die Mutterschaft dem Schutzbereich von Art. 8 EMRK unterfällt. Die fundamentale Verschiedenheit kommt bereits in den separaten Kompetenznormen der Bundesverfassung zum Ausdruck (Art. 59 Abs. 4 bzw. Art. 116 Abs. 3 BV ), die dem Gesetzgeber überdies unterschiedliche Vorgaben machen. So wird dieser gemäss Verfassung nur bei Militär- und Ersatzdienst zum Erlass von Vorschriften über den "angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls" ("juste compensation pour la perte de revenu" / "adeguata compensazione della perdita di guadagno") angehalten, während er im Falle der Mutterschaft eine "Mutterschaftsversicherung" ("assurance-maternité" / "assicurazione per la maternità") einzurichten hat, deren genaue Ausgestaltung nicht näher präzisiert wird. Soweit in der Lehre die Vergleichbarkeit der beiden Sachverhalte ohne nähere Begründung bereits aufgrund der Regelung im BGE 146 V 378 S. 381 selben Erlass vorausgesetzt wird, kann ihr nicht gefolgt werden (EDGAR IMHOF, Schweizerische Leistungen bei Mutterschaft und FZA/Europarecht, in: Das europäische Koordinationsrecht der sozialen Sicherheit und die Schweiz, 2006, Rz. 164; STÉPHANIE PERRENOUD, La protection de la maternité, 2015, S. 1173; ANNEKATRIN WORTHA, Schutz und Förderung der Familie, 2016, Rz. 619; bloss die Frage nach der Vereinbarkeit mit dem Gebot der Gleichbehandlung der Geschlechter aufwerfend SABINE STEIGER-SACKMANN, in: Recht der Sozialen Sicherheit, 2017, Rz. 32.65 i.f.; OLIVIER SUBILIA, La nouvelle loi sur les allocations pour perte de gain et maternité, AJP 2005 S. 1469 ff., S. 1474). 4.2.2 Ein "einheitlicher Zweck" der Erwerbsersatzregelungen bei Dienst und bei Mutterschaft lässt sich auch nicht den Materialien zur Parlamentarischen Initiative "Revision Erwerbsersatzgesetz. Ausweitung der Erwerbsersatzansprüche auf erwerbstätige Mütter" entnehmen, die der Einführung der Mutterschaftsversicherung zugrunde lag. Aus ihnen erhellt vielmehr, dass die Regelung der Mutterschaftsentschädigung primär aus zwei Gründen im Rahmen des bestehenden EOG erfolgte: Einerseits mit Blick darauf, dass die EO zum Zeitpunkt der Einführung Überschüsse erwirtschaftete und sich die notwendige Zusatzfinanzierung deshalb in Grenzen (Lohnpromille statt Lohnprozente) hielt; anderseits aufgrund des Wunsches, die Versicherung effizient und mit geringem Administrationsaufwand über bereits bestehende Strukturen vornehmen zu können (vgl. etwa Votum des Initianten Triponez, AB 2001 N 1615). 4.3 Ausschlaggebend ist letztlich die Anknüpfung der schweizerischen Mutterschaftsversicherung an die biologische Mutterschaft (Niederkunft mit anschliessender Erholungs- und Stillzeit), statt an die soziale Elternschaft und die damit verbundene Betreuungsaufgabe. Sie unterscheidet sich damit etwa von einer Elternzeit (zit. BGE 140 I 305 E. 8.1 S. 314 und E. 10 S. 317 ff. mit Hinweisen; vgl. auch STÉPHANIE PERRENOUD, Durées du travail et discrimination, AJP 2017 S. 657 ff., S. 661; zur unterschiedlichen Zielsetzung von Mutterschafts- und Elternurlaub weiter zit. Urteil des EGMR Markin gegen Russland , a.a.O., § 132). Angesichts der Versicherung eines "Risikos", das sich nur geschlechtsspezifisch bei Frauen verwirklichen kann, fällt eine Geschlechterdiskriminierung grundsätzlich ausser Betracht (vgl. implizit zit. Urteil des EGMR Markin gegen Russland , a.a.O.; ausserdem [allerdings bezugnehmend auf Art. 8 Abs. 3 BV ] BGE 144 V 184 E. 5.2 S. 193). Dies bedeutet einerseits, dass BGE 146 V 378 S. 382 Männer rechtlich durch eine solche Regelung keine Diskriminierung erfahren, obwohl sie vom Genuss der Versicherungsleistungen ausgeschlossen bleiben, da sich bei ihnen kein vergleichbarer Sachverhalt verwirklichen kann (vgl. zit. BGE 140 I 305 E. 10 S. 317 ff.; ausserdem STÉPHANIE PERRENOUD, Le congé de maternité, AJP 2014 S. 1652 ff., 1658 i.f. und Nachweise in Fn. 53). Anderseits bedeutet es aber auch, dass die begünstigten Frauen mit Blick auf eine allenfalls von anderen Sozialversicherungen abweichende Ausgestaltung der Entschädigung keine rechtliche Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts geltend machen können. 4.4 Sind keine vergleichbaren Sachverhalte gegeben, gelangt Art. 14 i.V.m. Art. 8 EMRK von vornherein nicht zur Anwendung und kann - aus rechtlicher Sicht - in der geringeren Absicherung selbständig erwerbender Mütter für ihren Erwerbsausfall zufolge Mutterschaft im Vergleich zu den selbständig erwerbenden Dienst leistenden Männern und Frauen keine verpönte Diskriminierung aufgrund des Geschlechts liegen. Gleichzeitig kann keine Rede davon sein, die Vorinstanz habe die prozessualen Rechte (Verfahrens- und Rechtsweggarantie, vgl. nicht publ. E. 2.2.2) der Beschwerdeführerin beschnitten, indem sie auf eine extensive grundrechtliche Überprüfung der Art. 16b ff. EOG verzichtet hat. Angesichts des Ergebnisses besteht auch keine Veranlassung zur Überprüfung der getroffenen Regelung auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 8 Abs. 3 BV : Ein Anspruch auf Prüfung der Verfassungsmässigkeit von Bundesgesetzen besteht nicht. Ob dazu Veranlassung besteht, hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalles ab ( BGE 140 I 353 E. 4.1 S. 358 f.; SVR 2020 AHV Nr. 9 S. 25, 9C_659/2019 E. 4.2; vgl. ausserdem HANGARTNER/LOOSER, in: Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 3. Aufl. 2014, N. 11 zu Art. 190 BV und GIOVANNI BIAGGINI, Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 2. Aufl. 2017, N.13 zu Art. 190 BV ). Auf das dahingehende Eventualbegehren der Beschwerdeführerin ist mit Verweis auf das Anwendungsgebot von Bundesgesetzen ( Art. 190 BV ) nicht weiter einzugehen. 4.5 Anzufügen bleibt, dass die Beschlussfassung über Regelungen kollektiver Absicherung, ebenso wie deren Ausgestaltung, Sache des Gesetzgebers ist (so bereits Urteil 2P.296/1992 vom 11. Februar 1994 E. 4b, in: ZBl 1995 S. 375 ff., mit Verweis auf BGE 116 Ib 270 E. 7a S. 282 f.; ausserdem zit. BGE 144 V 184 E. 5.2 i.f. S. 194 f.). Es ist nicht Sache des Bundesgerichts, sich zur politischen Opportunität BGE 146 V 378 S. 383 einer unterschiedlichen Ausgestaltung der Ersatzordnungen zu äussern, und es existiert kein genereller Grundsatz, demzufolge der Staat seine Bürgerinnen und Bürger vor sämtlichen Unwägbarkeiten des Lebens gleichermassen abzusichern hätte (zit. BGE 144 V 184 , a.a.O.). Hinzuweisen ist immerhin darauf, dass das Parlament im Dezember 2019 zwei am 24. bzw. 26. September 2019 eingereichte Motionen mit den gleichlautenden Titeln "Betriebszulage bei Mutterschaftsentschädigung von Selbständigerwerbenden" angenommen hat. Damit wird der Bundesrat beauftragt, die gesetzlichen Grundlagen dafür zu schaffen, dass Selbständigerwerbende im Falle einer Mutterschaft Anspruch auf Betriebszulagen analog Art. 8 EOG erhalten (Motion Nr. 19.4110 von Nationalrätin Marti; Motion Nr. 19.4270 von Ständerätin Maury Pasquier, übernommen von Ständerätin Baume-Schneider).
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Sachverhalt ab Seite 51 BGE 128 III 50 S. 51 A.- Le 13 juillet 1978, X., société anonyme de droit français dont le siège est à Paris (France), a conclu avec F., entreprise de droit yougoslave dont le siège est à Pristina (République fédérale de Yougoslavie), un contrat intitulé "Amortisseurs". L'art. 13 let. b de ce contrat prévoit que tout différend entre les parties relatif à l'interprétation ou à l'exécution du contrat sera tranché par la voie de l'arbitrage conformément aux règles de la Chambre de Commerce Internationale de Paris, le tribunal arbitral devant siéger à Genève et appliquer le droit suisse. Par lettre recommandée du 4 décembre 1992, X. a manifesté la volonté de ne pas renouveler le contrat à son échéance; il en est résulté un litige entre les parties. BGE 128 III 50 S. 52 B.- Le 12 avril 1997, l'entreprise yougoslave a mis en oeuvre la procédure arbitrale, concluant à ce que sa partie adverse lui paie le montant de 9'289'678.02 FRF avec intérêts. La procédure d'arbitrage n'a toutefois pas commencé, parce que X., qui refusait de se soumettre à l'arbitrage et n'avait pas signé l'acte de mission, n'a pas effectué l'avance de frais qui lui était demandée. Le 25 juin 1999, l'entreprise yougoslave a cédé sa créance contre X. à O., une société de droit yougoslave ayant son siège à Belgrade (République fédérale de Yougoslavie). O. a manifesté la volonté de reprendre la procédure arbitrale et elle a effectué l'avance des frais qui incombait à X. X. a fait valoir, notamment, que O. n'avait pas qualité pour intervenir dans la procédure d'arbitrage. Statuant sur les objections préalables de X. par une sentence partielle du 18 avril 2001, le Tribunal arbitral, siégeant à Genève, a considéré en particulier que la créance litigieuse avait été valablement cédée à O. et il a ordonné en conséquence la poursuite de la procédure arbitrale entre O. et X. C.- X. a formé un recours de droit public. Soutenant que le Tribunal arbitral s'est déclaré à tort compétent, elle invite le Tribunal fédéral à annuler la sentence attaquée et à dire que le Tribunal arbitral n'est pas compétent pour trancher le litige entre O. et X. L'intimée conclut à l'irrecevabilité, voire au rejet, du recours ainsi qu'à la confirmation de la sentence attaquée. Dans ses observations, le président du Tribunal arbitral relève que celui-ci n'a pas été saisi d'une exception d'incompétence. Le Tribunal fédéral a admis le recours et annulé la sentence attaquée.
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Erwägungen Extrait des considérants: 1. a) Selon l' art. 85 let . c OJ, le recours de droit public au Tribunal fédéral est ouvert contre une sentence arbitrale aux conditions des art. 190 ss LDIP (RS 291). Il convient donc d'examiner en premier lieu si les conditions prévues par ces dispositions sont réunies. La clause compromissoire, insérée dans le contrat conclu le 13 juillet 1978, fixe le siège du Tribunal arbitral en Suisse (à Genève) et l'une des parties au moins (en l'occurrence les deux) n'avait, au moment de la conclusion de cette convention d'arbitrage, ni son domicile ni sa résidence habituelle en Suisse; les art. 190 ss LDIP BGE 128 III 50 S. 53 sont donc applicables ( art. 176 al. 1 LDIP ), étant observé que les parties n'en ont pas exclu l'application par écrit en choisissant d'appliquer exclusivement les règles de la procédure cantonale en matière d'arbitrage ( art. 176 al. 2 LDIP ). Le recours au Tribunal fédéral prévu par l' art. 191 al. 1 LDIP est ouvert, puisque les parties n'ont pas choisi, en lieu et place, le recours à l'autorité cantonale ( art. 191 al. 2 LDIP ) et qu'elles ne l'ont pas non plus exclu conventionnellement (cf. art. 192 al. 1 LDIP ). Le recours ne peut être formé que pour l'un des motifs énumérés de manière exhaustive à l' art. 190 al. 2 LDIP ( ATF 127 III 279 consid. 1a p. 282; ATF 119 II 380 consid. 3c p. 383). Le recours est immédiatement ouvert contre une sentence incidente lorsque le Tribunal arbitral s'est déclaré à tort compétent ou incompétent (art. 190 al. 3 en relation avec l' art. 190 al. 2 let. b LDIP ; ATF 127 III 279 consid. 1b). La voie du recours de droit public étant ouverte en l'espèce, il faut encore examiner si les règles de procédure ont été respectées. b) Pour le recours en matière d'arbitrage international, la procédure devant le Tribunal fédéral est régie par les dispositions de la loi fédérale d'organisation judiciaire (OJ) relatives au recours de droit public (art. 191 al. 1, 2ème phrase, LDIP). La recourante est personnellement touchée par la décision attaquée, qui l'oblige à continuer de procéder devant le Tribunal arbitral, de sorte qu'elle a un intérêt personnel, actuel et juridiquement protégé à ce que cette décision n'ait pas été rendue en violation des garanties découlant de l' art. 190 al. 2 LDIP ; en conséquence, elle a qualité pour recourir ( art. 88 OJ ). Interjeté en temps utile ( art. 89 al. 1 OJ ), dans la forme prévue par la loi ( art. 90 al. 1 OJ ), le recours est en principe recevable. Hormis certaines exceptions, il n'a qu'un caractère cassatoire ( ATF 127 II 1 consid. 2c; ATF 127 III 279 consid. 1b; ATF 126 III 534 consid. 1c; ATF 124 I 327 consid. 4). Lorsque le litige porte sur la compétence d'un tribunal arbitral, il a été admis, par exception, que le Tribunal fédéral pouvait lui-même constater la compétence ou l'incompétence ( ATF 127 III 279 consid. 1b; ATF 117 II 94 consid. 4). c) Dès lors que les règles de procédure sont celles du recours de droit public, la partie recourante doit invoquer ses griefs conformément aux exigences de l' art. 90 al. 1 let. b OJ ( ATF 127 III 279 consid. 1c; ATF 117 II 604 consid. 3 p. 606). Saisi d'un recours de droit public, le Tribunal fédéral n'examine que les griefs admissibles qui ont été invoqués et suffisamment motivés dans l'acte de recours BGE 128 III 50 S. 54 (cf. ATF 127 I 38 consid. 3c; ATF 127 III 279 consid. 1c; ATF 126 III 524 consid. 1c, 534 consid. 1b). La recourante devait donc indiquer quelles hypothèses de l' art. 190 al. 2 LDIP étaient à ses yeux réalisées et, en partant de la sentence attaquée, montrer de façon circonstanciée en quoi consisterait la violation du principe invoqué ( ATF 127 III 279 consid. 1c); ce n'est qu'à ces conditions qu'il sera possible d'entrer en matière. 2. a) La recourante soutient que le Tribunal arbitral s'est déclaré à tort compétent pour connaître des conclusions prises contre elle. Elle invoque ainsi le motif de recours prévu par l' art. 190 al. 2 let. b LDIP . Saisi d'un tel grief, le Tribunal fédéral examine librement les questions de droit, y compris les questions préalables, qui déterminent la compétence ou l'incompétence du tribunal arbitral ( ATF 119 II 380 consid. 3c p. 383; ATF 118 II 193 consid. 5a; ATF 117 II 94 consid. 5a). En particulier, il peut examiner librement la question préalable de la validité d'un acte de cession dont dépend le transfert d'une clause compromissoire (HEINI, in IPRG Kommentar, n. 24b ad art. 190 LDIP ). Cependant, le Tribunal fédéral revoit l'état de fait à la base de la sentence attaquée - même s'il s'agit de la question de la compétence - uniquement lorsque l'un des griefs mentionnés à l' art. 190 al. 2 LDIP est soulevé à l'encontre dudit état de fait ou lorsque des faits ou des moyens de preuve nouveaux (cf. art. 95 OJ ) sont exceptionnellement pris en considération dans le cadre de la procédure de recours de droit public ( ATF 119 II 380 consid. 3c p. 383 et les références). b) aa) Lorsqu'ils examinent s'ils sont compétents pour trancher le différend qui leur est soumis, les arbitres doivent résoudre, entre autres questions, celle de la portée subjective de la convention d'arbitrage. Il leur appartient, notamment, de déterminer quelles sont les parties liées par la convention ( ATF 117 II 94 consid. 5b p. 98 et les auteurs cités). A cet égard, il n'est pas douteux qu'une convention d'arbitrage peut obliger même des personnes qui ne l'ont pas signée. Appelé à dire si le litige dont il est saisi est de son ressort ou de celui de la juridiction ordinaire, le tribunal arbitral doit, dès lors, décider si telle personne assignée devant lui est liée ou non par la convention d'arbitrage. Sous l'angle de la compétence, l'existence, la validité et la portée de la convention d'arbitrage constituent donc des problèmes indissociables ( ATF 120 II 155 consid. 3b/bb p. 163 s. et les auteurs cités). BGE 128 III 50 S. 55 bb) Sur le plan des principes, il sied de faire clairement la distinction entre la notion de légitimation active ou passive (appelée aussi qualité pour agir ou pour défendre; Aktiv- oder Passivlegitimation), d'une part, et celle de capacité d'être partie (Parteifähigkeit), d'autre part. La légitimation active ou passive dans un procès civil relève du fondement matériel de l'action; elle appartient au sujet (actif ou passif) du droit invoqué en justice et son absence entraîne, non pas l'irrecevabilité de la demande, mais son rejet ( ATF 108 II 216 consid. 1). En revanche, la capacité d'être partie, entendue ici dans son acception la plus large, consiste dans la faculté de participer à un procès en qualité de partie (VOGEL/SPÜHLER, Grundriss des Zivilprozessrechts, 7e éd., p. 135, n. 1 ad § 25); elle constitue une condition de recevabilité de la demande et son défaut équivaut à une fin de non-recevoir. Savoir si le demandeur ou le défendeur est partie à la convention d'arbitrage, autrement dit s'il dispose de la capacité d'être partie, est ainsi une question de recevabilité qui détermine la compétence du tribunal arbitral et qui ne doit, théoriquement, pas être confondue avec le moyen de fond pris du défaut de légitimation active ou passive (LALIVE/POUDRET/REYMOND, Le droit de l'arbitrage interne et international en Suisse, p. 65, n. 2 ad art. 8 du Concordat sur l'arbitrage [CA], qui se réfèrent en particulier à l' ATF 102 Ia 574 consid. 5 p. 578). Cependant, en matière d'arbitrage, il n'est pas toujours aisé de faire le départ entre les notions de légitimation et de capacité d'être partie. Dans ce domaine, en effet, contrairement à celui de la procédure ordinaire où la compétence des autorités judiciaires est fixée par un acte de caractère général et abstrait (loi, ordonnance, règlement), la compétence des arbitres repose sur la seule convention des parties. Or, cette dernière, lorsqu'elle est insérée dans un contrat, partagera, suivant les circonstances, le destin de ce contrat. Le fait qu'en raison de sa fonction la clause compromissoire soit séparable du contrat principal (principe de l'autonomie de la clause arbitrale; cf. à ce sujet: ATF 119 II 380 consid. 4a; ATF 116 Ia 56 consid. 3b p. 59 et les références) n'implique pas pour autant qu'elle en soit nécessairement indépendante. Ainsi, le droit suisse, à l'instar du droit allemand (cf. BERGER, Internationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, Berlin/New York 1992, p. 120 s., note 659 et les références; pour d'autres références, cf. WENGER, Commentaire bâlois, Internationales Privatrecht, n. 67 ad art. 178 LDIP ) et du droit français (voir les arrêts de la Cour de cassation des 5 janvier et 19 octobre 1999 reproduits in Revue de l'arbitrage 2000 p. 85 ss), admet, en cas de BGE 128 III 50 S. 56 cession de créance ( ATF 103 II 75 ; arrêt 4P.126/1992 du 13 octobre 1992, reproduit in Bulletin de l'Association suisse de l'arbitrage [ASA] 1993 p. 68 ss) ou de reprise d'une relation contractuelle (arrêts 4P.124/2001 du 7 août 2001, consid. 2c, et 4P.289/1995 du 9 juillet 1996, consid. 2a), que la clause compromissoire, en tant que clause accessoire de nature procédurale, est transférée au cessionnaire ou au reprenant, sauf convention contraire (arrêts cités, ibid.; WENGER, ibid.; LALIVE/POUDRET/REYMOND, op. cit., n. 4 i. f. et 21 ad art. 178 LDIP ; RÜEDE/HADENFELDT, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, 2e éd., p. 82 et Supplément, p. 25 i. f.; MARTIN LUKAS MÜLLER, Die Zuständigkeit des Schiedsgerichts, thèse Saint-Gall 1996, p. 97 s.). En ce qui concerne la cession de créance, un tel effet est rattaché à l' art. 170 CO , que l'on considère la clause compromissoire comme un droit de préférence (voir les auteurs cités in ATF 103 II 75 consid. 3 p. 78 s.; cf. également: SPIRIG, Commentaire zurichois, n. 24 ad art. 170 CO avec d'autres références; ENGEL, Traité des obligations en droit suisse, 2e éd., p. 880) ou comme un droit accessoire (GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/REY, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, vol. II, 7e éd., n. 3589), question qui ne joue aucun rôle en l'espèce et qui peut dès lors rester indécise. La cession d'une créance (ou d'une relation contractuelle) assortie d'une clause compromissoire revêt donc une double nature: elle entraîne non seulement le transfert matériel du droit cédé, question qui relève du fond, mais également la transmission de la convention d'arbitrage, question qui ressortit à la procédure. En d'autres termes, la même circonstance - à savoir la cession valable de la créance litigieuse - sortit deux effets distincts, puisqu'elle détermine à la fois la légitimation active ou passive du cessionnaire ainsi que sa capacité d'être partie à une procédure arbitrale mise en oeuvre en exécution de la clause compromissoire. C'est en cela que les notions de légitimation et de capacité d'être partie se recouvrent en quelque sorte dans l'hypothèse de la cession de créance, si bien qu'il devient plus délicat d'en délimiter les contours. Selon la théorie des faits de double pertinence (sur cette notion, cf. ATF 122 III 249 consid. 3b/bb et les références), il suffit, suivant les circonstances, pour admettre la compétence d'un tribunal, que les faits allégués avec une certaine vraisemblance à l'appui d'une action - en l'espèce, la cession valable de la créance litigieuse - constituent à la fois la condition de cette compétence et le fondement nécessaire de la prétention soumise à l'examen du tribunal. Toutefois, outre qu'elle revêt un caractère exceptionnel, cette théorie BGE 128 III 50 S. 57 ne saurait entrer en ligne de compte lorsque la compétence d'un tribunal arbitral est contestée, car il est exclu de contraindre une partie à souffrir qu'un tel tribunal se prononce sur des droits et obligations litigieux, s'ils ne sont pas couverts par une convention d'arbitrage valable ( ATF 121 III 495 consid. 6d p. 503). cc) Dans le cas particulier, à supposer que la cession de la créance en cause n'ait pas été opérée valablement, non seulement l'intimée n'aurait pas acquis le droit litigieux et ne posséderait donc pas la légitimation active, mais, qui plus est, le Tribunal arbitral serait incompétent pour trancher le différend, dès lors que la convention d'arbitrage ne serait pas opposable à la recourante, faute d'un transfert valable de la clause compromissoire liée à ladite créance. Par conséquent, le Tribunal arbitral devait régler en premier lieu le problème de sa propre compétence et, dans cette perspective, examiner à titre préjudiciel la question de la validité de la cession de créance. C'est du reste ce qu'il a fait, à tout le moins de manière implicite et concluante, bien qu'il s'en défende, en ordonnant "la poursuite de la procédure arbitrale entre O. et X.". Ce faisant, il a estimé que les parties étaient liées par une convention d'arbitrage, laquelle établissait sa compétence pour mener la procédure et examiner les conclusions que l'intimée entendait prendre contre la recourante. Il a ainsi rendu une décision incidente relative à la compétence, qui était susceptible d'un recours de droit public fondé sur l' art. 190 al. 2 let. b et al. 3 LDIP . c) Le Tribunal arbitral, par la voix de son président, fait cependant valoir, dans ses observations, qu'il n'a pas été saisi d'une exception d'incompétence. aa) Aux termes de l' art. 186 al. 2 LDIP , l'exception d'incompétence doit être soulevée préalablement à toute défense au fond. Il s'agit là d'un cas d'application du principe de la bonne foi, ancré à l' art. 2 al. 1 CC , qui régit l'ensemble des domaines du droit, y compris la procédure civile ( ATF 107 Ia 206 consid. 3a p. 211 et les références) et l'arbitrage ( ATF 126 III 249 consid. 3c p. 253 s.; ATF 119 II 386 consid. 1a p. 388; ATF 116 II 639 consid. 4c p. 644; ATF 113 Ia 67 consid. 2a). Enoncée différemment, la règle posée à l' art. 186 al. 2 LDIP , à l'instar de celle, plus générale, fixée à l'art. 6 de la même loi, implique que le tribunal arbitral devant lequel le défendeur procède au fond sans faire de réserve est compétent de ce seul fait. Dès lors, celui qui entre en matière sans réserve sur le fond (la terminologie allemande utilise l'expression de "vorbehaltlose Einlassung") dans une procédure arbitrale contradictoire portant sur une BGE 128 III 50 S. 58 cause arbitrable reconnaît, par cet acte concluant, la compétence du tribunal arbitral et perd définitivement le droit d'exciper de l'incompétence dudit tribunal ( ATF 120 II 155 consid. 3b/bb p. 162 et p. 164 i. f.; cf. LALIVE/POUDRET/REYMOND, op. cit., n. 3 ad art. 8 CA , p. 66 in medio; MÜLLER, op. cit., p. 176 ss). Toutefois, le défendeur peut se déterminer à titre éventuel sur le fond, pour le cas où l'exception d'incompétence ne serait pas admise, sans que pareil comportement vaille acceptation tacite de la compétence du tribunal arbitral (WENGER, Schiedsvereinbarung und schiedsgerichtliche Zuständigkeit, in Schiedsgerichtsbarkeit, Europa Institut Zurich, 1997 [ci-après: Schiedsvereinbarung], p. 223 ss, 241 ch. 3, let. a; plus généralement, cf. DUTOIT, Commentaire de la loi fédérale du 18 décembre 1987, 2e éd., n. 2 ad art. 6 LDIP ). C'est le lieu de rappeler que le droit constitutionnel (pour la Suisse, cf. art. 30 al. 1 Cst. ) et le droit conventionnel (cf. art. 6 par. 1 CEDH [RS 0.101]) garantissent à toute personne, physique ou morale, le droit à ce que sa cause soit entendue par un tribunal établi par la loi. En concluant une convention d'arbitrage, les parties renoncent à cette garantie (cf. MÜLLER, op. cit., p. 18 s.; FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, 2e éd., p. 196, note 266 et n. 64 i. f. ad art. 6), ce qui est d'ailleurs admissible sous certaines réserves (sur cette problématique, cf. JACOT-GUILLARMOD, L'arbitrage privé face à l'art. 6 § 1 de la Convention européenne des Droits de l'Homme, in Mélanges en l'honneur de Gérard J. Wiarda, 1988, p. 281 ss). S'agissant de déroger à une garantie de rang constitutionnel, on se gardera d'admettre trop facilement qu'une convention d'arbitrage a été conclue, si ce point est contesté (cf. ATF 116 Ia 56 consid. 3b p. 58; MÜLLER, op. cit., p. 61 s.). Il importe, bien plutôt, de s'assurer qu'il existe une convention d'arbitrage susceptible d'être opposée aux parties à la procédure arbitrale, car ce n'est qu'à cette condition que l'on peut exiger de celles-ci qu'elles assument les conséquences de leur choix (notamment la limitation des possibilités de recours). Au demeurant, il ressort de la systématique des dispositions légales relatives à l'arbitrage international (art. 176 à 194 LDIP) que le législateur fédéral, en plaçant en tête de celles-ci les règles touchant l'arbitrabilité ( art. 177 LDIP ) ainsi que la convention d'arbitrage ( art. 178 LDIP ), et beaucoup plus loin celle qui concerne l'exception d'incompétence ( art. 186 al. 2 LDIP ), a démontré qu'il attachait plus de poids à l'exigence fondamentale de l'existence d'une convention d'arbitrage opposable aux parties qu'à la règle posée à l' art. 186 al. 2 LDIP aux fins d'assurer le déroulement correct et loyal de la procédure arbitrale. BGE 128 III 50 S. 59 Les arbitres ne sauraient faire abstraction de ces considérations lorsqu'ils examinent si leur compétence est contestée. Sans doute le simple fait d'émettre de vagues réserves, toutes générales, ne suffit-il pas, en principe, pour retenir que tel est bien le cas (LALIVE/POUDRET/REYMOND, op. cit., n. 10 ad art. 186 LDIP ). En revanche, la conclusion inverse ne s'impose pas nécessairement au seul motif que la partie assignée n'a pas utilisé la formule sacramentelle "exception d'incompétence". Aussi, pour savoir si leur compétence est remise en cause par le défendeur, les arbitres doivent-ils interpréter les termes employés par celui-ci et, lorsque la procédure arbitrale est régie par le droit suisse, appliquer l' art. 18 CO par analogie, à l'instar du juge appelé à interpréter les déclarations d'une partie en justice (cf. GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3e éd., p. 262, ch. VI; JÄGGI/GAUCH, Commentaire zurichois, n. 323 ad art. 18 CO ; KRAMER, Commentaire bernois, n. 114 ad art. 1er CO et n. 65 ad art. 18 CO ). Il leur incombe de déterminer le sens qui peut être attribué, objectivement et selon les règles de la bonne foi, aux déclarations (écrites ou orales) de la partie assignée, sans s'arrêter uniquement aux expressions dont elle s'est servie, mais en tenant compte de l'ensemble des circonstances dans lesquelles ces déclarations ont été faites. bb) aaa) En l'espèce, la recourante a d'emblée conclu à l'impossibilité de l'arbitrage en se fondant sur un règlement du Conseil de l'Union Européenne qui concrétisait les sanctions prises à l'époque par l'Organisation des Nations Unies à l'encontre de la République fédérale de Yougoslavie, en interdisant de faire droit à une demande présentée par une personne morale ayant son siège dans ce pays. Par la suite, elle a soutenu, de surcroît, que le contrat dont l'intimée entendait déduire des droits à son encontre n'avait pas été valablement cédé à la soi-disant créancière, s'agissant d'un acte simulé qui aurait en outre été signé par une personne n'ayant plus le pouvoir de représenter la cédante. Il ressort clairement des moyens soulevés par elle que la recourante, loin de procéder au fond sans faire de réserve, a manifesté, au contraire, la ferme volonté de refuser l'arbitrage. Plus précisément, elle s'est opposée à ce que les arbitres se prononcent, par une sentence finale, sur le bien-fondé de la prétention élevée par l'intimée, leur reconnaissant pour seule compétence celle de constater leur incompétence en la matière. Au reste, la recourante n'aurait pu leur contester cette compétence-là. Il appartient, en effet, au tribunal arbitral, conformément au principe de la "compétence de la compétence" ancré à l' art. 186 al. 1 LDIP , de statuer sur sa propre compétence BGE 128 III 50 S. 60 ( ATF 121 III 155 consid. 3b/bb p. 163 s.; ATF 120 II 495 consid. 6c) et, pour ce faire, de trancher les questions préjudicielles dont dépend cette compétence, comme celle de savoir si la créance litigieuse, incluant la clause compromissoire, a été valablement cédée à la partie demanderesse. bbb) Le Tribunal arbitral constate que la recourante a soulevé des "exceptions préjudicielles", dont l'une se rapportait au "défaut de qualité de O. pour intervenir dans la procédure d'arbitrage" (c'est le Tribunal fédéral qui souligne). Déterminer ce qui a été invoqué dans la procédure d'arbitrage est une question de fait (cf. ATF 125 III 305 consid. 3e) sur laquelle il n'y a pas lieu de revenir. En revanche, la portée juridique de l'exception soulevée est une question de droit que le Tribunal fédéral revoit librement. Selon la définition qu'en donne le dictionnaire, l'"intervention" est l'acte par lequel un tiers, qui n'était pas originairement partie dans une contestation judiciaire, s'y présente pour y prendre part et faire valoir ses droits ou soutenir ceux d'une partie principale (Le Grand Robert de la langue française, vol. 5, p. 696). Dans le même sens, LALIVE/POUDRET/REYMOND (op. cit., n. 1.2 ad art. 28 CA , p. 152) relèvent que l' art. 28 CA , relatif à l'intervention (et à l'appel en cause) est également applicable à la substitution volontaire de parties, notamment en cas de cession de créance. L'expression employée ("intervenir dans la procédure d'arbitrage"), interprétée selon le principe de la confiance - à savoir d'après le sens que les arbitres pouvaient et devaient lui donner objectivement et de bonne foi, à la lumière de toutes les circonstances du cas concret -, fait clairement apparaître que la recourante contestait à l'intimée le droit de participer à la procédure arbitrale, c'est-à-dire le droit de procéder par la voie arbitrale. Aussi bien, sur le vu des termes utilisés par la recourante, rien ne permet de retenir que celle-ci, même si elle n'a pas utilisé les mots "exception d'incompétence", se serait bornée à dénier à l'intimée la légitimation active et aurait invité le Tribunal arbitral à constater le défaut de légitimation. Un doute subsisterait-il sur ce point qu'il faudrait d'ailleurs trancher en faveur de l'interprétation la plus large, pour les motifs sus-indiqués, et admettre l'existence d'une contestation globale portant à la fois sur la légitimation au fond et la capacité d'être partie à la procédure arbitrale. Ainsi, contrairement à l'avis de son président, le Tribunal arbitral était bien saisi d'une exception d'incompétence ratione personae. Il ne ressort pas des constatations de fait des arbitres que la recourante aurait tardé à soulever cette exception. Fondée sur l'absence de validité BGE 128 III 50 S. 61 de la cession de créance incluant la clause compromissoire, l'exception d'incompétence ne pouvait être soulevée qu'une fois la cession de créance opérée. Comme cette cession est intervenue pendente lite, la recourante ne saurait se voir reprocher de ne pas avoir soulevé ladite exception d'entrée de cause. ccc) Si la recourante a effectivement contesté la compétence du Tribunal arbitral, en alléguant que la créance litigieuse, incorporant la convention d'arbitrage, n'a pas été valablement cédée à l'intimée, il est vrai que, pour ce faire, elle n'a pas tiré argument de l'incessibilité de cette créance, mais d'autres circonstances (acte simulé et défaut de pouvoir de représentation de la personne ayant agi au nom de la cédante). Dans ces conditions, le Tribunal arbitral devait-il limiter son examen aux seuls arguments avancés par la recourante ou lui appartenait-il de s'assurer, sans s'en tenir uniquement aux moyens soulevés à cet égard, qu'il existait une convention d'arbitrage opposable aux deux parties? En faveur de la première solution, on pourrait relever que lorsque l'exception d'incompétence est motivée, elle doit l'être de manière complète, le défendeur ne pouvant pas garder des arguments en réserve (cf. WENGER, Schiedsvereinbarung, ibid., qui parle de "partielle Einlassung"). Il paraît, en effet, douteux que l'on puisse imposer aux arbitres le devoir d'examiner la question de leur compétence sous tous ses aspects - ils peuvent être multiples - et de rechercher d'office si des circonstances n'ayant aucun rapport avec celles qui ont été invoquées à l'appui de l'exception d'incompétence ne les obligeraient pas à décliner leur compétence. Les tenants de la seconde solution pourraient, à l'inverse, souligner qu'un tribunal arbitral, contrairement au Tribunal fédéral statuant sur un recours de droit public au sens des art. 85 let . c OJ et 190 LDIP, n'est pas une cour de cassation, qui n'examine que les griefs expressément articulés par le recourant, et qu'il n'est, en principe, pas lié par l'argumentation juridique des parties ( ATF 120 II 172 consid. 3a p. 175). Une solution moyenne consisterait à ne pas contraindre les arbitres à examiner tous les motifs d'incompétence possibles et imaginables, mais à les obliger néanmoins à prendre en considération d'office un motif d'incompétence, même non invoqué, qu'ils auraient découvert en examinant les éléments de fait fournis par les parties. En l'espèce, il n'est pas nécessaire de trancher définitivement cette question. Force est, en effet, de constater que le Tribunal arbitral a examiné spontanément le problème de la cessibilité de la créance litigieuse (cf. consid. 3b ci-dessous). L'intimée affirme à tort le BGE 128 III 50 S. 62 contraire, dans sa réponse au recours. Elle prétend, en outre, que le Tribunal arbitral n'était pas autorisé à soulever cette question d'office, mais ne motive pas cet argument d'une manière conforme aux exigences rappelées plus haut ( art. 90 al. 1 let. b OJ ; cf. consid. 1c). A cet égard, son objection selon laquelle la recourante pouvait parfaitement renoncer à se prévaloir de la clause d'incessibilité insérée dans le contrat d'amortisseurs ne pourrait être retenue, à supposer qu'elle soit juridiquement pertinente, que si les constatations de fait du Tribunal arbitral révélaient l'existence d'une telle renonciation, consciente, de la part de la recourante, ce qui n'est pas du tout le cas. Cela étant, il reste à examiner si c'est à bon droit que le Tribunal arbitral est arrivé à la conclusion que rien ne s'opposait à la cession de la créance incluant la clause compromissoire. 3. a) Savoir si une convention d'arbitrage a été valablement transférée se détermine d'après le droit défini à l' art. 178 al. 2 LDIP , c'est-à-dire au regard du droit le plus favorable à la validité même de la convention ( ATF 117 II 94 consid. 5b p. 98 et les auteurs cités). Selon cette disposition, la convention d'arbitrage est valable si elle répond aux conditions que pose soit le droit choisi par les parties, soit le droit régissant l'objet du litige et notamment le droit applicable au contrat principal, soit encore le droit suisse. A l'art. 13 let. b du contrat d'amortisseurs, la société yougoslave et l'entreprise française n'ont pas choisi, pour la clause compromissoire, un droit différent de celui qui s'applique au contrat principal. Celui-ci est le droit suisse, conformément à la volonté des parties. Le troisième terme de l'alternative susmentionnée renvoie également au droit suisse. Il s'ensuit que le transfert de la clause compromissoire doit s'apprécier, quant à sa validité, à la lumière du droit suisse. Quoi qu'il en soit, le Tribunal arbitral indique que le droit yougoslave et le droit suisse ne diffèrent matériellement pas, prima facie, pour la solution de la question ici décisive. b) En vertu de l' art. 164 al. 1 CO , le créancier peut céder son droit à un tiers sans le consentement du débiteur, à moins que la cession n'en soit interdite par la loi, la convention ou la nature de l'affaire. L'art. 436 al. 2 du Code des obligations yougoslave prévoit également la possibilité d'exclure par convention une cession de créance sans l'accord du débiteur. Après avoir cité ces dispositions et rappelé les hypothèses dans lesquelles elles excluent la cession de créance, le Tribunal arbitral a ajouté, de façon péremptoire: "ce qui n'est manifestement pas le cas en l'espèce". BGE 128 III 50 S. 63 Cette conclusion est incompréhensible. Le Tribunal arbitral a expliqué qu'il se prononçait "sur la base du dossier". Il s'est référé expressément au contrat d'amortisseurs, dont il a reproduit certains passages. Même s'il n'a pas reproduit intégralement le texte dudit contrat - qui est à la base du litige -, on doit en déduire que le contenu de ce document compte au nombre des faits admis par les arbitres et sur lesquels ils se sont fondés. Or, l' art. 9 let . c du contrat prévoit que l'entreprise yougoslave "ne pourra en aucun cas céder à titre gratuit ou onéreux les droits que lui confère le présent contrat, qui lui est strictement personnel". Une telle clause est claire et ne contient ni condition, ni réserve. Elle vaut pour toutes les créances nées du contrat et il faut admettre qu'elle s'applique également, comme la clause compromissoire elle-même, à des prétentions nées de l'extinction du contrat (cf. ATF 117 II 94 consid. 5c/aa p. 99; ATF 116 Ia 56 consid. 3b p. 59). Le cas est ainsi identique à celui déjà tranché dans l'arrêt publié aux ATF 117 II 94 ss, si ce n'est que, dans ce précédent, la cession de créance n'était pas absolument interdite, comme dans la présente espèce, mais soumise à l'autorisation écrite préalable de l'autre partie. La cession d'une créance issue du contrat ayant été exclue conventionnellement en l'occurrence, l'intimée n'est pas cessionnaire de la créance qu'elle invoque et elle ne peut donc pas soutenir que la cession a entraîné le transfert de la clause compromissoire. On peut également inférer du caractère incessible des droits et obligations découlant du contrat que la clause compromissoire était, elle aussi, incessible ( ATF 117 II 94 consid. 5c/bb). Au demeurant, même s'il ne s'agissait pas là d'une conséquence nécessaire de l'interdiction conventionnelle de la cession de créance (sur cette question, cf. TSCHANZ, note à l'arrêt précité, in Revue de l'arbitrage 1991 p. 717 ss, let. D), aucun élément ne viendrait étayer ici la thèse voulant que la convention d'arbitrage ait pu être transférée à l'intimée, nonobstant cette interdiction. L'intimée ne peut donc pas se prévaloir d'une clause compromissoire liant des tiers et qui ne lui a pas été transférée. En l'absence de toute convention d'arbitrage entre la recourante et l'intimée, le Tribunal arbitral n'est pas compétent pour connaître des conclusions que la seconde voudrait prendre contre la première, dès lors que celle-ci refuse de se soumettre à la procédure d'arbitrage. L'incompétence doit ainsi être constatée, sans qu'il soit nécessaire d'examiner les autres arguments soulevés par la recourante.
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Sachverhalt ab Seite 232 BGE 80 I 231 S. 232 A.- Le 22 juin 1951, l'Assemblée fédérale a adopté une loi sur l'assurance-chômage (LFAC), qui confie certaines tâches aux cantons et leur impose notamment l'obligation d'accorder des subventions aux caisses d'assurances-chômage - qui peuvent être publiques, paritaires ou syndicales - et de faire certains versements à un fonds fédéral de compensation. Le 22 février 1952, le Conseil d'Etat neuchâtelois a présenté au Grand Conseil un projet de loi sur l'assurance-chômage, destiné à introduire dans le canton la loi fédérale précitée. Ce projet prévoyait que les dépenses à la charge de l'Etat, en particulier les subventions aux caisses et les versements au fonds fédéral de compensation, seraient supportées par un "fonds cantonal d'assurance contre le chômage". A ce sujet, les art. 16 et 17 disposaient ce qui suit: "Art. 16. - Ce fonds est alimenté: a) par les contributions des employeurs, b) par le produit net des patentes de vente des boissons fermentées..." "Art. 17. - Les contributions annuelles des employeurs sont de 15 fr. par employé occupé dans l'entreprise et assuré contre le chômage. Toutefois, lorsqu'un employé travaille pour le compte de plusieurs employeurs, chacun de ceux-ci doit payer une contribution annuelle de 7 fr. 50 pour cet employé." "Les employeurs qui versent à une caisse paritaire reconnue des prestations annuelles au moins égales à celles fixées à l'alinéa précédent, sont exonérés de toute contribution au fonds cantonal d'assurance contre le chômage pour ceux de leurs employés assurés qui sont membres de cette caisse paritaire." "Lorsque la contribution annuelle de l'employeur à la caisse paritaire est inférieure à 15 fr. par assuré, une contribution égale à la différence doit être versée au fonds cantonal d'assurance contre le chômage." BGE 80 I 231 S. 233 Cette loi a été adoptée par le Grand Conseil le 8 juillet 1952, les art. 16 et 17 étant devenus les art. 15 et 16. Elle a fait l'objet d'un referendum qui a abouti. Soumise au peuple le 5 octobre 1952, elle a été rejetée. Le 4 novembre 1952, le Conseil d'Etat a présenté un nouveau projet de loi au Grand Conseil. Comme le referendum avait été dirigé exclusivement contre les al. 2 et 3 de l'art. 16, ce second projet les a supprimés. Pour le surplus, il était identique à la loi repoussée. Adopté par le Grand Conseil, qui a réduit la contribution des employeurs au fonds cantonal, il a pris la date du 24 mars 1953 et a été promulgué le 12 mai 1953. Il dispose ce qui suit en son art. 16: "Les contributions annuelles des employeurs sont de 7 fr. 20 par employé assuré contre le chômage. Toutefois, lorsqu'un employé travaille pour le compte de plusieurs employeurs, chacun de ceux-ci doit payer une contribution annuelle de 3 fr. 60 pour cet employé." La suppression des al. 2 et 3 de l'art. 16 signifie que les employeurs doivent verser la même contribution au Fonds cantonal d'assurance, qu'ils soient ou non membres d'une caisse paritaire d'assurance-chômage. B.- La caisse paritaire d'assurance-chômage de la fabrique d'horlogerie de Fontainemelon SA ainsi qu'un certain nombre d'autres caisses paritaires et d'employeurs du canton de Neuchâtel interjettent un recours de droit public contre cette loi. Se fondant sur les art. 4, 31 Cst. et 5 Cst. neuch., ils requièrent le Tribunal fédéral d'annuler l'art. 16 dans la mesure où il astreint "les employeurs affiliés à une caisse paritaire à payer au Fonds cantonal d'assurance une contribution égale à celle des employeurs non affiliés à une caisse paritaire". Ils soutiennent que cette disposition consacre une inégalité de traitement. Le Grand Conseil conclut au rejet du recours.
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Erwägungen Considérant en droit: 2. Les recourants fondent leur pourvoi notamment sur l'art. 31 Cst. Mais, sur ce point, ils ne le motivent que BGE 80 I 231 S. 234 par le grief d'inégalité de traitement. Le moyen tiré d'une violation de la liberté du commerce et de l'industrie se confond donc avec celui tiré de l'art. 4 Cst. Les recourants citent également l'art. 5 Cst. neuch., qui a le même sens que l'art. 4 Cst. Le moyen pris d'une violation de l'art. 5 Cst. neuch. n'a donc pas de portée propre. En définitive donc, le présent recours ne doit être examiné que sur le terrain de l'art. 4 Cst. 3. Les recourants se plaignent exclusivement d'une inégalité de traitement. Toute disposition légale créant une inégalité de traitement n'est pas nécessairement contraire à l'art. 4 Cst. Pour qu'il en soit ainsi, il faut ou bien que la règle critiquée fasse entre divers cas des distinctions juridiques qu'aucun fait important ne justifie ou bien qu'elle soumette à un régime identique des situations de fait présentant entre elles des différences sérieuses et de nature à rendre nécessaire un traitement différentiel (RO 63 I 291, 51 I 77 s., 48 I 4, 41 I 64, 38 I 372 s.). En l'espèce, les employeurs affiliés à une caisse paritaire ne sont pas dans la même situation de fait que les autres employeurs. Les premiers versent en effet à leur caisse une cotisation à laquelle les seconds ne sont pas tenus. Il s'agit dès lors de rechercher si cette différence est telle qu'en l'ignorant et en imposant à tous les employeurs sans distinction une contribution uniforme, la disposition attaquée viole l'art. 4 Cst. Cette question doit être résolue négativement. Tout d'abord. les "cotisations" aux caisses paritaires ne visent pas exactement le même but que les contributions au fonds cantonal. Sans doute doivent-elles les unes et les autres permettre la lutte contre le chômage par le moyen des caisses d'assurance. Mais le fonds cantonal, en appuyant également toutes les caisses, tend à créer la sécurité sociale dans l'ensemble de la population et à prévenir ou atténuer les fluctuations économiques et politiques que provoquerait le chômage, où que ce soit dans le canton. Quant aux caisses paritaires, elles poursuivent des fins plus particulières BGE 80 I 231 S. 235 et cherchent à développer les institutions paritaires et à procurer la sécurité au sein de l'entreprise ou de la profession. On ne saurait donc dire que les employeurs affiliés à une caisse paritaire contribuent directement à la tâche propre du fonds cantonal en payant une "cotisation" à leur caisse. En outre, à cette différence de but semble correspondre une différence dans les avantages que procurent le fonds cantonal d'une part, les caisses paritaires de l'autre. En effet, le fonds cantonal présente un intérêt que n'offrent pas les caisses paritaires. Ainsi, par l'ampleur de ses ressources, il peut seul fournir, en cas de chômage généralisé, les moyens d'une lutte efficace à laquelle tous les employeurs sont également intéressés, même s'ils sont affiliés à une caisse paritaire. En revanche, les caisses paritaires ont des avantages que le fonds cantonal ne possède pas. Permettant d'abaisser le montant des cotisations des ouvriers et tendant à créer la sécurité au sein d'une ou de plusieurs entreprises de la même branche économique, elles garantissent de ce fait, et comme toute institution qui assure des prestations sociales, une plus grande stabilité dans la composition du personnel. Or cette stabilité, que le fonds cantonal est impuissant à fournir, est d'un grand intérêt pour l'employeur. D'autre part, on ne saurait perdre de vue que, en vertu des art. 43 et 44 LFAC et 8 ss. de la loi attaquée, le fonds cantonal alloue une subvention identique à toutes les caisses reconnues, qu'elles soient publiques, syndicales ou paritaires. De ce point de vue, les prestations qu'il verse ne sont donc pas diminuées du fait des "cotisations" des employeurs à leurs caisses paritaires. Enfin, il convient de relever encore qu'un même patron peut avoir des ouvriers affiliés à une caisse paritaire et des ouvriers membres d'une caisse syndicale ou publique. Si cet employeur ne versait qu'une cotisation à sa caisse paritaire, il ne contribuerait en rien à la prévention du chômage en ce qui concerne ses ouvriers appartenant à une caisse non paritaire. BGE 80 I 231 S. 236 Ces diverses circonstances pouvaient raisonnablement conduire le législateur à considérer que la différence de fait existant entre les diverses catégories d'employeurs n'était pas de nature à justifier un traitement différentiel. Sans doute aurait-il été plus équitable de prévoir une contribution réduite à l'égard des employeurs affiliés à une caisse paritaire, comme en ont décidé par exemple les cantons de Zurich et Thurgovie et comme le faisait du reste l'art. 66 du projet de LFAC et l'art. 17 de la première loi neuchâteloise, repoussée en votation populaire. Mais il faut convenir que le montant de la contribution au fonds cantonal est peu élevé. Cette modicité autorisait le Grand Conseil à adopter une solution qui, pour être moins nuancée et moins conforme à une répartition équitable des charges, est en revanche manifestement plus simple et a été adoptée d'ailleurs par d'autres cantons (Bâle-Ville, Bâle-Campagne, Schaffhouse, Glaris, Nidwald, ces deux derniers cantons n'ayant toutefois pas de caisse paritaire sur leur territoire). Ainsi, la disposition attaquée ne viole pas l'art. 4 Cst. Elle ne saurait donc être annulée.
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Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral rejette le recours.
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Sachverhalt ab Seite 43 BGE 105 III 43 S. 43 Die Einwohnergemeinde Zollikofen betrieb Milan Lusser am 11./22. Mai 1978 für Gemeindesteuern aus den Jahren 1971 und 1972 im Betrage von Fr. 2'451.25. L. erhob Rechtsvorschlag, worauf die Finanzverwaltung Zollikofen unter Vorlegung eines Auszuges aus dem Steuerregister, einer Rechtskraftbescheinigung der Veranlagungsbehörde Bern-Mittelland und einer Beglaubigung der Unterschriften durch den Regierungsstatthalter BGE 105 III 43 S. 44 von Bern um definitive Rechtsöffnung ersuchte. Dem Begehren wurde entsprochen. Der Appellationshof des Kantons Bern bestätigte diesen Rechtsöffnungsentscheid. L. erhebt staatsrechtliche Beschwerde, welche das Bundesgericht gutheisst.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der Beschwerdeführer hatte vor beiden kantonalen Instanzen gerügt, dass der Gemeinde Zollikofen Rechtsöffnung erteilt worden sei für eine Steuerschuld, für die er nie rechtskräftig veranlagt worden sei, denn die Veranlagungsverfügung sei ihm nie rechtsgültig eröffnet worden. Diese Rüge hätten die kantonalen Behörden nicht geprüft und ihm aus diesem Grund das rechtliche Gehör verweigert. Der Appellationshof des Kantons Bern führt im angefochtenen Entscheid aus, die befreienden Einwände gegen einen definitiven Rechtsöffnungstitel seien in Art. 81 Abs. 1 SchKG abschliessend aufgezählt. Da kein solcher Befreiungsgrund gegeben sei, müsse die Beschwerde abgewiesen werden. Der Beschwerdeführer stützte sich im kantonalen Verfahren indessen nicht auf Art. 81 Abs. 1 SchKG , sondern er machte geltend, es fehle ein definitiver Rechtsöffnungstitel im Sinne von Art. 80 Abs. 2 SchKG , so dass die definitive Rechtsöffnung aus diesem Grunde verweigert werden müsse. a) Gemäss Art. 80 Abs. 2 SchKG sind, innerhalb des Kantonsgebiets, die über öffentlich-rechtliche Verpflichtungen (Steuern usw.) ergangenen Beschlüsse und Entscheide der Verwaltungsorgane den vollstreckbaren gerichtlichen Urteilen gleichgestellt, sofern der Kanton dies vorsieht. Das Bundesgericht hat wiederholt erkannt, dass Verwaltungsverfügungen über öffentlich-rechtliche Verpflichtungen kantonalen Rechts nur dann als Rechtsöffnungstitel im Sinne von Art. 80 Abs. 2 SchKG anerkannt werden dürfen, wenn sie, wie gerichtliche Urteile, das zur Vollstreckbarkeit gehörende Erfordernis der formellen Rechtskraft nach den dafür geltenden allgemeinen Grundsätzen aufweisen. Der Rechtsöffnungsrichter hat von Amtes wegen zu untersuchen, ob die Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit erfüllt sind ( BGE 61 I 359 ; so auch Art. 5 des von allen Kantonen unterzeichneten Konkordats über die Gewährung gegenseitiger Rechtshilfe zur Vollstreckung BGE 105 III 43 S. 45 öffentlichrechtlicher Ansprüche - SR 281.22). Insbesondere fordert die Rechtsprechung, dass die zu vollstreckende Verfügung dem Betroffenen in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise eröffnet worden ist ( BGE 63 I 295 E. 2 ; 61 I 5 ff.; BGE 60 I 358 E. 4 mit Hinweisen; so auch Art 6 des Konkordats). Die Eröffnung eines Verwaltungsaktes ist eine empfangsbedürftige einseitige Rechtshandlung. Der Beweis für den Empfang der Verfügung obliegt der Verwaltung ( BGE 99 Ib 359 ff. mit Hinweisen). Diese Beweislastverteilung folgt aus der allgemeinen Regel, wonach grundsätzlich derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen hat, der aus ihr Rechte ableitet ( Art. 8 ZGB ). Art. 169 StG stellt die Verfügungen und Entscheide einschliesslich der rechtskräftig gewordenen Steuerregister, durch die eine Steuerforderung endgültig festgestellt worden ist, den vollstreckbaren gerichtlichen Urteilen gleich. Die kantonalen Behörden machen geltend, die Veranlagungsverfügung sei dem Beschwerdeführer am 15. Dezember 1977 mit einfachem Brief zugestellt worden. Sie legen zum Beweis eine Bescheinigung der Veranlagungsbehörde ein, wonach dem Steuerpflichtigen die Veranlagung an diesem Datum eröffnet und dagegen innert Frist keine Einsprache eingegangen sei. Die Veranlagungsbehörde kann indessen nur bestätigen, dass der einfache Brief an diesem Datum der Post übergeben worden sei. Die Postaufgabe beweist nicht zwingend, dass der Steuerpflichtige den Brief auch empfangen hat. Ein Fehler bei der Postzustellung liegt nicht derart ausserhalb jeder Wahrscheinlichkeit, dass mit dieser Möglichkeit nicht gerechnet werden müsste ( BGE 102 Ia 311 ; BGE 61 I 7 ). Daraus folgt, dass mit der Bescheinigung des Versandes allein die rechtmässige Eröffnung der Veranlagungsverfügung nicht bewiesen werden kann. b) Im vorliegenden Fall ist die Rechtskraftbescheinigung freilich im Anschluss an den Steuerregisterauszug ausgefertigt worden und sie trägt die beglaubigte Unterschrift des Vorstehers der Veranlagungsbehörde. Dieser Umstand vermag indessen einen Mangel bei der Eröffnung der Veranlagungsverfügung nicht zu heilen. Selbst eine Bescheinigung des Steuerregisterführers oder ein Eintrag der Rechtskraftbescheinigung im Steuerregister würde für den Nachweis nicht genügen, dass die mit einfachem Brief versandte Einschätzung dem Rechtsöffnungsschuldner formrichtig BGE 105 III 43 S. 46 eröffnet worden ist (I. BLUMENSTEIN Komm. zum bern. StG 1948 N. 1a zu Art. 169 StG ; REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, N. 13 zu § 78). Gemäss Art. 169 StG werden zwar die Steuerregister den vollstreckbaren Urteilen gleichgestellt, aber nur unter der Voraussetzung, dass sie rechtskräftig geworden sind. Nach Art. 152 Abs. 2 StG wird der Eintrag nach dem unbenützten Ablauf der Einsprachefrist rechtskräftig (FLÜCKIGER, Bernisches Steuerrecht, 1956, N. 2 zu Art. 152 StG ). Die Einsprachefrist beginnt mit der gehörigen Zustellung der Veranlagungsverfügung zu laufen ( Art. 135 Abs. 1 StG ). Im vorliegenden Verfahren ist streitig, ob die Verfügung eröffnet worden, das heisst, ob das Register rechtskräftig geworden ist. Solange diese Frage nicht entschieden ist, darf die Rechtsöffnung nicht erteilt werden. Bei dieser Sachlage kann dahingestellt bleiben, Ob und unter welchen Voraussetzungen Steuerregister als Rechtsöffnungstitel zulässig sind und dem bundesrechtlichen Erfordernis des Art. 80 Abs. 2 SchKG genügen, wonach ausschliesslich Beschlüsse und Entscheide als definitive Rechtsöffnungstitel zugelassen werden (vgl. BGE 51 I 109 ). 3. Es ist nicht zu verkennen, dass die dargelegte Regelung der Beweislast in Einzelfällen zu Missbräuchen führen könnte. Diese Gefahr besteht insbesondere dann, wenn die Veranlagungsverfügung kurz vor dem Ablauf der Verjährungsfrist zugestellt wird. In solchen Fällen empfiehlt es sich, die Veranlagungsverfügung eingeschrieben Oder gegen Empfangsbestätigung zu versenden. Der Nachweis der Zustellung kann freilich auch aufgrund von weiteren Indizien oder gestützt auf die gesamten Umstände erbracht werden. So kann sich aus der Zahlung der Forderung oder aus der mit den Steuerbehörden gewechselten Korrespondenz oder aus dem Verhalten des Steuerpflichtigen ergeben, dass und wann die Verfügung eröffnet worden ist (REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, a.a.O., N. 13 zu § 78 StG ). In der Regel darf angenommen werden, dass sich der Steuerpflichtige gegen wiederholte unberechtigte Mahnungen und Steuerrechnungen zur Wehr setzt und nicht zuwartet bis er betrieben wird. In einem so späten Zeitpunkt wäre der Einwand, er habe die Veranlagungsverfügung nie empfangen, wenig glaubhaft. Was den vorliegenden Fall betrifft, hat der Beschwerdeführer der Veranlagungsbehörde Bern-Mittelland erst am 20. April 1978 BGE 105 III 43 S. 47 geschrieben, er erhalte in der letzten Zeit Steuerrechnungen und Mahnungen, für die er keine Veranlagungsverfügung empfangen habe. Zudem dürfte sich aus der Korrespondenz ergeben, das der Beschwerdeführer die Verjährung angestrebt hat. Er wusste als Jurist wohl auch, dass die Behörde für die Zustellung der Veranlagungsverfügung beweispflichtig ist. Im weiteren konnte die Veranlagungsbehörde immerhin den Versand des Briefes bescheinigen. Diese Bescheinigung begründet zwar keine Vermutung für den Empfang des Briefes (REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, a.a.O., N. 13 zu § 78 StG ); sie gibt indessen einen Hinweis dafür und darf neben andern Indizien angemessen berücksichtigt werden. Es ist aus diesen Gründen nicht ausgeschlossen, dass den Behörden vorliegend der Nachweis der Zustellung aufgrund der Korrespondenz und der gesamten Umstände gelingt. Die kantonalen Akten stehen dem Bundesgericht nicht vollständig zur Verfügung; insbesondere fehlen die vom Beschwerdeführer im Schreiben vom 20. April 1978 erwähnten verschiedenen Mahnungen und Steuerrechnungen. Da der rechtserhebliche Sachverhalt für eine möglicherweise substituierbare Begründung des angefochtenen Entscheids nicht abgeklärt werden kann, muss die Beschwerde ohne nähere Prüfung der Frage, ob die Eröffnung der Veranlagungsverfügung nachgewiesen sei, gutgeheissen werden ( BGE 103 Ia 36 E. 3a).
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Sachverhalt ab Seite 19 BGE 83 II 18 S. 19 A.- Der Möbelschreiner Fredy Gresser kaufte mit Vertrag vom 28. Dezember 1951 von M. Baumgartner, der Holzbearbeitungsmaschinen herstellt, eine Furnierpresse zum Preise von Fr. 9800.--. Über die vom Verkäufer zu leistende Garantie sah der Kaufvertrag in Ziff. 8 vor: "Garantie erstreckt sich auf die Dauer von 6 Monaten vom Versandtage ab in der Art, dass für alle während dieser Frist sich zeigenden Mängel gehaftet wird, insofern sie vom Käufer sofort nach Entdeckung angezeigt werden und nachweislich von schlechtem Material, fehlerhafter Bauart oder mangelhafter Ausführung herrühren. Sind diese Mängel reparierbar, so kann der Käufer nur deren unentgeltliche Beseitigung durch Ersetzung der schadhaften Teile oder durch sonstige Reparatur verlangen.... Sind die Mängel nicht reparierbar, so kann der Käufer nur die unentgeltliche Lieferung einer dem Vertrag entsprechenden Ersatzmaschine beanspruchen." Vor dem Vertragsschluss hatte der Käufer die Maschine beim Verkäufer besichtigt; eine Vorführung im Betrieb fand indessen nicht statt. Die Presse wurde am 12./13. Februar 1952 geliefert und bezahlt und am 26. Februar 1952 vom Käufer in Betrieb genommen. Dabei zeigten sich verschiedene Mängel, die vom Verkäufer auf Begehren des Käufers hin behoben wurden. In der Folge traten jedoch erneute Schwierigkeiten auf. Die mit der Maschine ausgeführten Furnierarbeiten fielen häufig fehlerhaft aus und waren unbrauchbar. Gresser liess deshalb im Herbst 1952 die Presse durch einen Fachmann des Maschinenbaus begutachten. Dieser kam zum Schluss, dass die Maschine schwere, nicht behebbare konstruktive Fehler aufweise und deshalb für den vorgesehenen Gebrauch ungeeignet sei. Von diesem Gutachten gab Gresser dem Verkäufer unter Erhebung einer schriftlichen Mängelrüge am 11. Dezember 1952 Kenntnis und verlangte die Lieferung einer vollwertigen Ersatzmaschine. Der Verkäufer lehnte dieses BGE 83 II 18 S. 20 Ansinnen jedoch ab mit der Begründung, die vertraglich vereinbarte Garantiefrist von 6 Monaten sei abgelaufen. Mit Schreiben vom 21. Februar 1953 erklärte daraufhin Gresser dem Baumgartner, er betrachte den Kaufvertrag vom 28. Dezember 1951 wegen absichtlicher Täuschung und wesentlichen Irrtums als unverbindlich. B.- Mit Klage vom 24. Februar/20. April 1953 belangte Gresser den Baumgartner auf Rückerstattung des Kaufpreises von Fr. 9800.-- nebst 5% Zins seit 13. Februar 1952. Zur Begründung dieses Begehrens machte er geltend, der Kaufvertrag über die Presse sei wegen absichtlicher Täuschung und wegen Grundlagenirrtums für ihn unverbindlich; überdies habe er wegen Mängeln der Kaufsache Anspruch auf Wandelung des Geschäftes. Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage. Er bestritt das Vorliegen der behaupteten Willensmängel und wandte ein, die Anfechtung des Vertrags wegen solchen wie auch die Berufung auf Mängel der Kaufsache wären übrigens verspätet erfolgt. C.- Das Bezirksgericht Zürich kam auf Grund eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens zum Schluss, dass die vom Beklagten gelieferte Furnierpresse wegen ihr anhaftender Konstruktionsmängel für den vorausgesetzten Gebrauch untauglich sei. Mit Rücksicht hierauf erklärte das Gericht die Berufung des Klägers auf Grundlagenirrtum als begründet, da die Brauchbarkeit der Maschine eine notwendige Grundlage des Kaufvertrages gebildet habe. Im weiteren nahm das Gericht auch Unverbindlichkeit des Vertrages wegen absichtlicher Täuschung des Klägers durch den Beklagten an. Ob dem Kläger auch noch kaufrechtliche Gewährrleistungsansprüche zu Gebote ständen, liess das Gericht dagegen offen. Demgemäss schützte das Bezirksgericht mit Urteil vom 22. Dezember 1955 die Klage, jedoch mit dem Zusatz, dass der Beklagte den Kaufpreis nur Zug um Zug gegen die unbeschwerte Herausgabe der Furnierpresse durch den Kläger zurückzuerstatten habe. BGE 83 II 18 S. 21 D.- ... E.- Das Obergericht Zürich wies mit Urteil vom 17. Mai 1956 die Klage ab, im wesentlichen mit der folgenden Begründung: Eine absichtliche Täuschung des Klägers durch den Beklagten sei nicht nachgewiesen. Die Vorschriften über den Irrtum beim Vertragsschluss seien im Anwendungsbereich der kaufrechtlichen Bestimmungen über die Gewährleistung nicht anwendbar. Ansprüche aus Gewährrleistung aber könne der Kläger mangels rechtzeitiger Prüfung und Mängelrüge nicht geltend machen. F.- Mit der vorliegenden Berufung hält der Kläger an seinem Klagebegehren fest. Der Beklagte beantragt Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Entscheides, eventuell Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu neuer Beurteilung.
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Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Vorinstanz hat dem Kläger die Befugnis zur Anrufung der Irrtumsvorschriften abgesprochen, weil für deren Anwendung neben den Bestimmungen über die Gewährrleistung für Mängel der Kaufsache kein Raum sei. Diese Auffassung geht fehl. Gemäss ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts stehen dem Käufer die beiden Rechtsbehelfe wahlweise zu Gebote, soweit ihre besonderen Voraussetzungen gegeben sind. Diese Rechtsprechung hat das Bundesgericht nach einlässlicher Prüfung insbesondere auch der in der Literatur dagegen vorgebrachten Einwendungen kürzlich erneut bestätigt ( BGE 82 II 420 ff. Erw. 6). Es besteht daher auch im vorliegenden Fall kein Anlass, davon abzugehen. 2. Der Beklagte glaubt die Unverbindlichkeit des Kaufvertrages wegen Irrtums sei im vorliegenden Fall zu verneinen, weil die in Ziff. 8 der Lieferungsbedingungen vereinbarte Beschränkung der Garantiefrist auf 6 Monate zugleich eine vertragliche Abkürzung der Verwirkungsfrist des Art. 31 OR darstelle; diese Frist habe der Kläger BGE 83 II 18 S. 22 unbenützt verstreichen lassen. Diese Ansicht ist jedoch irrtümlich. Die zeitliche Einschränkung der Gewährspflicht des Verkäufers durch Ziff. 8 der Lieferungsbedingungen stellt eine Nebenbestimmung des Kaufvertrages dar. Als solche steht und fällt sie mit dem Vertrag. Ist dieser wegen Irrtums für den Kläger unverbindlich, so fällt auch die darin enthaltene Sonderbestimmung über die Garantieleistung dahin. Dasselbe gilt für den in der Berufungsantwort weiter eingenommenen Standpunkt, ein Grundlagenirrtum könne nicht bestehen, solange der Beklagte verpflichtet sei, die Mängel zu reparieren oder eine Ersatzmaschine zu liefern und solange er gemäss Vertrag zu nichts anderem verpflichtet werden könne, wie das hier gemäss Ziff. 8 der Lieferungsbedingungen der Fall sei. Der Kläger hätte nur behauptet, sich über die Tauglichkeit der Maschine geirrt zu haben, nicht aber auch darüber, dass er bei Untauglichkeit der Maschine darauf beschränkt sei, die Beseitigung der Mängel oder Lieferung einer Ersatzmaschine zu verlangen. Die Unbrauchbarkeit der Maschine sei also vertraglich geregelt; darüber habe sich der Kläger nicht geirrt. - Auch hier übersieht der Beklagte, dass der Vertrag mit allen darin enthaltenen Vereinbarungen dahinfällt, wenn er wegen Willensmangels unverbindlich, d.h. nicht gültig zustande gekommen ist. 3. Im weiteren ist zu prüfen, ob ein Grundlagenirrtum auf Seiten des Klägers vorlag. a) Der Beklagte bestreitet einen solchen Irrtum. Er macht geltend, wenn er im Laufe der Kaufsunterhandlungen dem Kläger erklärt habe, die Presse sei für dessen Zwecke ideal und preislich wie wirtschaftlich sehr günstig, so habe es sich dabei entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht um eine Zusicherung, sondern lediglich um eine reklamehafte Anpreisung gehandelt. Allein der Irrtum des Klägers betraf nicht diese "Zusicherung", sondern bezog sich auf die Brauchbarkeit der Presse überhaupt, d.h. ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauch. Diese muss BGE 83 II 18 S. 23 der vom Beklagten gelieferten Presse aber abgesprochen werden. Das Obergericht hat unter Hinweis auf die Ausführungen des von der ersten Instanz zugezogenen Sachverständigen festgestellt, dass die Presse ungenügend sei und ein richtiges Arbeiten nicht gestatte, weshalb ihre Abnahme dem Kläger an sich nicht zugemutet werden könnte. Nach den erwähnten Ausführungen des Sachverständigen weist die Presse verschiedene im einzelnen beschriebene Konstruktionsmängel auf, die zur Folge haben, dass mit ihr nur mühsam und kümmerlich und auch nicht gefahrlos gearbeitet werden kann und dass das Arbeitsergebnis fortwährend gefährdet wird. Infolge der konstruktiven Mängel muss sodann auch mit einer übermässigen Abnützung der einzelnen Teile der Presse gerechnet werden, die zu einer raschen Verschlechterung ihrer Tauglichkeit und zu vorzeitiger Unbrauchbarkeit führen. Die Brauchbarkeit der Presse bildete aber eine notwendige Grundlage des Vertrages, die vom Kläger nach Treu und Glauben im Geschäftsleben als gegeben vorausgesetzt werden durfte und bei objektiver Betrachtung vom Standpunkt des loyalen Geschäftsverkehrs aus als unerlässlich erscheint. Der Irrtum des Klägers bildet daher einen Grundlagenirrtum im Sinne des Art. 24 Ziff. 4 OR , der geeignet war, die Unverbindlichkeit des Vertrags zu bewirken (vgl. hiezu BGE 82 II 424 Erw. 7 und dort erwähnte Entscheide) ... 4. Die Geltendmachung der Unverbindlichkeit des Vertrages durch den Kläger erfolgte innert der Frist des Art. 31 OR , d.h. innerhalb eines Jahres seit Entdeckung der Mängel der Maschine, welche den Tatbestand des Grundlagenirrtums begründet haben. Der Kläger hat die Anfechtungserklärung erstmals in rechtsgenüglicher Form im Schreiben seines Anwalts vom 21. Februar 1953 abgegeben. Da der Kläger die Maschine, wie nicht streitig ist, am 26. Februar 1952 in Betrieb nahm, steht fest, dass die Anfechtungserklärung vor Ablauf eines Jahres seit der Entdeckung des Irrtums erfolgte; denn diese war natürlich erst nach der Inbetriebnahme der Maschine möglich. In BGE 83 II 18 S. 24 welchem Zeitpunkt zwischen dieser und der Anfechtungserklärung der Kläger seinen Irrtum entdeckte, kann unter diesen Umständen dahingestellt bleiben. Dass der Kläger den Vertrag in Kenntnis der Mängel je genehmigt hätte, muss aus den vom Bezirksgericht dargelegten Gründen verneint werden. Nicht bestritten ist schliesslich, dass die Rückforderung innerhalb eines Jahres seit der Entdeckung des Irrtums erfolgte ( Art. 67 OR ). Damit sind alle Voraussetzungen für die Unverbindlichkeit des streitigen Kaufvertrages nach Art. 24 OR erfüllt... 7. Die Klageforderung ist somit aus dem Gesichtspunkte der Unverbindlichkeit des Vertrages wegen Grundlagenirrtums zu schützen. Es erübrigt sich daher zu prüfen, ob der Vertrag auch wegen absichtlicher Täuschung des Klägers durch den Beklagten als unverbindlich anzusehen wäre, sowie ob nach Kaufsrecht auch die Voraussetzungen für eine Wandelung des Kaufes gegeben wären. Zu entscheiden bleibt dagegen noch, ob die Klageforderung so wie eingeklagt gutzuheissen ist (Bezahlung von Fr. 9800.-- nebst Zins) oder nur mit dem vom Bezirksgericht beigefügten Zusatz, dass die Rückerstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen unbeschwerte Herausgabe der Furnierpresse durch den Kläger zu erfolgen habe. Das Bezirksgericht hat diesen Zusatz, der die Zahlungspflicht des Beklagten an die Bedingung der Herausgabe der Presse durch den Kläger knüpft, in seinem Urteil nicht begründet. Es ging offensichtlich von der an sich richtigen Überlegung aus, dass wegen der Unverbindlichkeit des Kaufvertrages nicht nur die Zahlung, sondern auch die Übereignung des Kaufgegenstandes rechtlich grundlos erfolgt sei und dass deshalb in beiden Richtungen Rückleistungen zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes erfolgen müssten. Mit der Berufung verlangt der Kläger, wie schon mit seiner Anschlussappellation beim Obergericht, die Streichung dieses Zusatzes. Er macht geltend, die unbeschwerte Herausgabe Zug und Zug mit der Rückzahlung sei gemäss BGE 83 II 18 S. 25 Formulierung der Streitfrage nicht Gegenstand des Prozesses. Diese Begründung ist unbehelflich; denn wenn die materielle Rechtslage das gebietet, so darf ein Rechtsbegehren auf unbedingte Leistung auch bloss beschränkt zugesprochen werden, sei es nur teilweise, sei es unter einer Modalität, wie z.B. unter einer Bedingung. Im weiteren wendet der Kläger ein, der genannte Zusatz wirke sich rechtlich in unzulässiger Weise zu seinem Nachteil aus. Wenn nämlich der Vertrag unverbindlich sei, so sei der Beklagte Eigentümer der Maschine geblieben. Ausser der Forderung auf Rückzahlung des Kaufpreises habe jedoch der Kläger noch weitere Forderungen zu stellen, für die ihm ein Retentionsrecht zustehe. So habe er u.a. Ersatz für Miete zur Unterbringung der Maschine seit der Aufgabe seines Betriebes zu fordern und ferner weitere Forderungen geltend zu machen, welche nicht in diesem Verfahren zu behandeln seien. Nun liesse sich allerdings die Auffassung vertreten, dass infolge der Unverbindlichkeit des Vertrages die beidseitigen Leistungen ohne Rechtsgrund erfolgten, was zur Folge habe, dass Forderungen aus ungerechtfertigter Bereicherung, allenfalls Vindikationsansprüche entstehen, die selbständiger Art und von einander unabhängig seien, weil die dem zweiseitig verpflichtenden Vertrag eigentümliche Verknüpfung der beidseitigen Leistungen infolge der Unverbindlichkeit des Vertrages nie entstanden und somit auch nach geltend gemachter Unverbindlichkeit nicht vorhanden sei. Damit würde jedoch der Tatsache nicht genügend Rechnung getragen, dass die grundlosen Leistungen wegen eines vermeintlich gültigen, zweiseitig verpflichtenden Vertrages gemacht wurden; daher ist die ursprüngliche Verknüpfung und Abhängigkeit der Leistungen auch in der Phase der Wiederherstellung des früheren Zustands, also bei der Rückerstattung, zu beachten. Das führt zur Verpflichtung zu Rückerstattung der Leistungen "Zug um Zug" (so auch VON TUHR/SIEGWART OR 1 S. 297 bei N. 38). BGE 83 II 18 S. 26
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Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts Zürich, I. Zivilkammer, vom 17. Mai 1956 wird aufgehoben und der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Fr. 9800.-- samt 5% Zins seit 13. Februar 1952 zu bezahlen, Zug um Zug gegen unbeschwerte Herausgabe der Furnierpresse durch den Kläger.
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Erwägungen ab Seite 33 BGE 139 III 33 S. 33 Aus den Erwägungen: 2. Zur einzig angefochtenen Verlegung der Kosten der vorsorglichen Beweisführung erwog die Vorinstanz, diese seien gestützt auf Art. 107 Abs. 1 lit. f ZPO (SR 272) den Parteien zu je einem Drittel, das heisst zu je Fr. 7'124.05 aufzuerlegen, da sowohl die Gesuchstellerin als auch die Gesuchsgegnerinnen 1 und 2 im Rahmen der vorsorglichen Beweisführung Gutachterfragen gestellt hatten. Das Handelsgericht hielt klärend fest, falls ein Hauptprozess stattfinde, könne das Gericht, welches die Hauptsache entscheide, die Prozesskosten der vorliegenden Beweisführung abweichend verteilen. 3. Die Gesuchsgegnerin 1 (Beschwerdeführerin) wirft der Vorinstanz vor, Art. 107 Abs. 1 lit. f ZPO willkürlich angewandt zu haben, BGE 139 III 33 S. 34 indem sie ihr einen Drittel der Expertisekosten auferlegte, bloss weil sich die Beschwerdeführerin mit dem Gutachten einverstanden erklärt und Zusatzfragen gestellt hat. Der Gutachter halte ausdrücklich fest, dass die Beschwerdeführerin keine Regeln der Baukunde verletzt habe und dass sie nicht für die Mängel in den Nasszellen verantwortlich gemacht werden könne. Aufgrund dieser klaren Ausgangslage sei nicht anzunehmen, dass die Gesuchstellerin (Beschwerdegegnerin 1) gegen die Beschwerdeführerin eine Klage einleiten werde, zumal die Vorinstanz dem Gesuch um Anordnung der vorsorglichen Beweisführung mit der Begründung, es sei für die Beschwerdegegnerin 1 darum gegangen, die Chancen eines Prozesses über die Forderung bezüglich der schadhaften Stellen in den Nasszellen abzuschätzen, entsprochen habe. Unter diesen Umständen werde der Kostenentscheid, soweit er die Beschwerdeführerin belaste, nicht mehr in einem Hauptprozess in der Sache korrigiert werden können, sei doch nicht anzunehmen, dass ein solcher gegen die Beschwerdeführerin eingeleitet werde. Der Kostenentscheid laufe daher darauf hinaus, dass die Beschwerdeführerin für ein Gutachten mitbezahlen müsse, welches lediglich das bestätige, was sie von Anfang an geltend gemacht habe, nämlich dass sie für die aufgetretenen Schäden nicht verantwortlich sei. Die Vorinstanz erkläre denn auch nicht, wie die Beschwerdeführerin die ihr auferlegten Kosten je wieder erhältlich machen könne. 4. Prozesskosten werden grundsätzlich entsprechend dem Erfolg der Parteien im Prozess verlegt, d.h. die unterliegende Partei wird kostenpflichtig ( Art. 106 Abs. 1 ZPO ). Bei der vorsorglichen Beweisführung gibt es indessen im Normalfall keine unterliegende Seite (JOHANN ZÜRCHER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kommentar, Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N. 20 zu Art. 158 ZPO ). Nach Lehre und Rechtsprechung zu den bisherigen kantonalen Regelungen hat bei vorsorglicher Beweisführung vor Einleitung des Hauptprozesses der Gesuchsteller - unter Vorbehalt einer anderen Verteilung im Hauptprozess - die Gerichts- und Beweiskosten der vorsorglichen Beweisführung zu tragen, was auch der Regel von Art. 367 Abs. 2 OR entspricht. Nur wenn die vorsorgliche Beweisführung auf Antrag des Gesuchsgegners auf weitere Tatsachen und/oder Beweismittel ausgedehnt wird, hat er für die daraus entstandenen Prozesskosten aufzukommen (WALTER FELLMANN, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 2010, N. 37 f. zu Art. 158 ZPO mit Hinweisen). BGE 139 III 33 S. 35 Blosse Zusatz- oder Erläuterungsfragen, die Bestandteil der vom Gesuchsteller verlangten Beweisführung bilden, lösen keine Kostenpflicht des Gesuchsgegners aus (vgl. LEUCH/MARBACH/KELLERHALS/STERCHI, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 5. Aufl. 2000, N. 2b zu Art. 226 ZPO /BE). 4.1 Dem Gesuch um vorsorgliche Beweisführung wurde entsprochen. Keine Partei hat dessen Abweisung verlangt. Die Vorinstanz hat denn auch bei der Verteilung der Gerichtskosten nicht auf Obsiegen und Unterliegen abgestellt, sondern die Beschwerdegegnerin 1 mit der Begründung, sie habe das Verfahren eingeleitet, dafür kostenpflichtig erklärt. In Bezug auf die Kosten der Beweisführung, d.h. die Kosten des Gutachtens ( Art. 95 Abs. 2 lit. c ZPO ), entschied die Vorinstanz jedoch nicht analog, sondern erklärte die Gesuchsgegnerinnen gestützt auf Art. 107 Abs. 1 lit. f ZPO für kostenpflichtig, weil sie Zusatzfragen gestellt hatten. 4.2 Nach Art. 107 Abs. 1 ZPO kann das Gericht von den Verteilungsgrundsätzen gemäss Art. 106 ZPO - entsprechend dem Erfolg der Parteien im Prozess - abweichen und die Prozesskosten nach Ermessen verteilen, um besonderen Umständen Rechnung zu tragen. Das Gesetz räumt dem Gericht den Spielraum ein, auf Billigkeitserwägungen zurückzugreifen, wenn im Einzelfall die Belastung der unterlegenen Partei mit Prozesskosten als ungerecht erscheint (RÜEGG, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2010, N. 1 zu Art. 107 ZPO ). Dazu wurden in Art. 107 Abs. 1 lit. a-f ZPO typisierte Fallgruppen geschaffen. So nennt Art. 107 Abs. 1 lit. f ZPO andere besondere Umstände und bildet damit einen Auffangtatbestand. Als Beispiele werden sodann in der Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO), BBl 2006 7298 Ziff. 5.8.2 zu Art 105 E-ZPO ein sehr ungleiches finanzielles Kräfteverhältnis zwischen den Parteien (vgl. die Anfechtung eines Generalversammlungsbeschlusses einer AG durch einen Aktionär, wie sie in aArt. 706a Abs. 3 OR geregelt war) aufgeführt sowie das Verhalten der obsiegenden Partei, das entweder zur Klageerhebung Anlass bot (aArt. 756 Abs. 2 OR für die Verantwortlichkeitsklage eines Aktionärs) oder zusätzlichen ungerechtfertigten Verfahrensaufwand verursachte (Beispiel: Obsiegen mit einer Verrechnungseinrede, wenn das Gericht zahlreiche unbegründete Verrechnungsforderungen beurteilen muss, bevor die Klage abgewiesen werden kann). In all diesen Fällen rechtfertigen besondere Umstände eine Abweichung von der üblichen Kostenverteilung nach Obsiegen und Unterliegen mit BGE 139 III 33 S. 36 den gestellten Rechtsbegehren. Daraus lässt sich der Grundsatz ableiten, dass die Anwendung des Auffangtatbestandes einerseits bei erheblicher wirtschaftlicher Disparität der Parteien greifen kann und andererseits gestützt auf die angeführte Bestimmung eine Kostenauflage gegenüber der nicht unterlegenen Partei begründet ist, wenn und soweit diese durch ihr Verhalten ungerechtfertigten Aufwand zu verantworten hat. 4.3 Die Vorinstanz erblickt besondere Umstände im Sinne von Art. 107 Abs. 2 (recte: Abs. 1) lit. f ZPO darin, dass die Beschwerdeführerin und die Gesuchsgegnerin 2 (Beschwerdegegnerin 2) dem Gutachter Ergänzungsfragen stellen liessen. Selbst wenn diese Fragen einen Mehraufwand des Gutachters zur Folge gehabt haben sollten, würde dies indessen für sich genommen nicht rechtfertigen, die Partei, die diese Fragen eingereicht hat, mit den für deren Beantwortung anfallenden Kosten zu belasten. Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin 1 darf die Ergänzungsfragen stellende Partei, auch wenn sie mit der Anordnung der vorsorglichen Beweisabnahmen einverstanden war, nicht so behandelt werden, wie wenn sie selbst ein Gesuch um vorsorgliche Beweisführung gestellt hätte. Es ist nämlich Sache des Gerichts, dafür zu sorgen, dass der durch das Gesuch definierte Prozessgegenstand gewahrt bleibt und nicht durch Ergänzungsfragen erweitert wird. Die (mutmassliche) Gegenpartei des (künftigen) Prozesses ist zwar im Verfahren der vorsorglichen Beweisführung anzuhören (Art. 158 Abs. 2 i.V.m. Art. 248 lit. d und Art. 253 ZPO ; BBl 2006 7315 Ziff. 5.10.1 zu Art. 155 E-ZPO). Stellt sie bei der Wahrnehmung ihres Gehörsanspruchs jedoch Fragen, die den durch die das Gesuch stellende Partei abgesteckten Rahmen sprengen, hat das Gericht diese als unzulässig zu erklären und dem Gutachter nicht zu unterbreiten (ZÜRCHER, a.a.O., N. 19 zu Art. 158 ZPO ; HANS SCHMID, in: ZPO, Schweizerische Zivilprozessordnung, Oberhammer [Hrsg.], 2010, N. 5 zu Art. 158 ZPO in Verbindung mit N. 5 zu Art. 172-174 ZPO und N. 5 f. zu Art. 187 ZPO ). Der endgültige Entscheid über die Formulierung der Fragen obliegt stets dem Gericht (SCHMID, a.a.O., N. 4 zu Art. 185 ZPO ). 4.4 An diese Regel hat sich die Vorinstanz denn auch gehalten und die von den Parteien gestellten Fragen überprüft, teilweise umformuliert und über deren Zulassung entschieden, bevor sie sie dem Experten unterbreitete, dies in der Erkenntnis, dass der Umfang der vorsorglichen Beweisführung durch den Gesuchsteller bestimmt BGE 139 III 33 S. 37 wird. Daraus ist zu schliessen, dass die Ergänzungsfragen das von der Beschwerdegegnerin 1 bestimmte Beweisthema betrafen, dazu beitrugen, die Aussagekraft des Gutachtens zu erhöhen und damit dem erklärten Interesse der Beschwerdegegnerin 1 dienten, im Hinblick auf eine Klage die Verantwortlichkeit für die Schäden zu klären. Dass die Beschwerdeführerin den Sachverständigen zu Tatsachen hätte befragen lassen wollen, deren Beantwortung lediglich in ihrem eigenen Interesse lag, geht aus dem angefochtenen Entscheid nicht hervor, und die zusätzlich angebotenen Beweismittel (Edition) wurden nicht abgenommen, so dass hiefür auch keine Kosten anfielen. Welche Art. 107 Abs. 1 lit. f ZPO zugrunde liegenden Billigkeitserwägungen geboten hätten, die Beschwerdeführerin zu einem Drittel an den Kosten des von der Beschwerdegegnerin 1 veranlassten Gutachtens zu beteiligen, legt die Vorinstanz nicht dar und ist nicht ersichtlich. 4.5 Eine tragbare Begründung lässt sich auch aus der im angefochtenen Entscheid erwähnten Möglichkeit nicht ableiten, wonach für den Fall, dass ein Hauptprozess stattfinde, "das Gericht, welches die Hauptsache entscheidet, die Prozesskosten der vorliegenden Beweisführung abweichend verteilen" kann. Wie die Beschwerdeführerin zutreffend anführt, liegt es im Belieben der Beschwerdegegnerin 1, ob und gegen wen sie einen ordentlichen Prozess anstrengen will. Entschliesst sie sich dazu und obsiegt sie im Hauptprozess, kann sie die Kosten der vorsorglichen Beweisführung auf die dort unterliegende Partei abwälzen. Die Möglichkeit, den vorsorglichen Kostenentscheid umzustossen, bleibt demgegenüber verschlossen, wenn es gegenüber einer für das Beweisverfahren ins Recht gefassten Partei aufgrund des Beweisergebnisses nicht zu einem Hauptprozess kommt. Diese bliebe ungeachtet der Frage ihrer Verantwortlichkeit für die behaupteten Mängel mit den ihr auferlegten Kosten der vorsorglichen Beweisführung belastet, obwohl sie diese nicht verlangt hat. Von ihr zu verlangen, im Rahmen einer negativen Feststellungsklage selbst einen Hauptprozess anzustrengen, liefe, soweit dies überhaupt denkbar wäre, dem Zweck der zu beurteilenden vorsorglichen Beweisführung, unnötige Prozesse zu verhindern, diametral zuwider. 4.6 Damit erweist sich der Entscheid der Vorinstanz, wegen des blossen Stellens von Ergänzungsfragen, die den von der Beschwerdegegnerin 1 bestimmten Themenkreis nicht überschritten, der Beschwerdeführerin einen Teil der Kosten des Gutachtens aufzuerlegen, sowohl BGE 139 III 33 S. 38 in der Begründung als auch im Ergebnis als stossend. Er läuft dem Regelungsgedanken von Art. 107 Abs. 1 lit. f ZPO , der Billigkeit zum Durchbruch zu verhelfen, stracks zuwider. Willkür ist mithin rechtsgenüglich dargetan. 5.
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Aus den dargelegten Gründen ist die Beschwerde gutzuheissen und Dispositiv Ziff. 4 des angefochtenen Entscheides aufzuheben, soweit damit die Beschwerdeführerin mit Kosten der Beweisführung belastet wurde. Da die Beschwerdegegnerin 2 kein Rechtsmittel ergriffen hat, bleibt es für sie bei der Kostenverlegung gemäss dem angefochtenen Entscheid. Dispositiv Ziff. 4 ist wie folgt neu zu fassen: "Die Kosten der Beweisführung in Höhe von Fr. 21'372.10 werden der Gesuchstellerin zu zwei Dritteln und der Gesuchsgegnerin 2 zu einem Drittel auferlegt, unter Verrechnung mit den geleisteten Vorschüssen und Rückzahlung allfälliger Überschüsse." Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdegegnerin 1, die sich mit dem angefochtenen Entscheid identifiziert hat, als unterliegende Partei für das bundesgerichtliche Verfahren kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und 68 Abs. 2 BGG). Die Beschwerdegegnerin 2 dagegen hat sich am Verfahren vor Bundesgericht nicht beteiligt, weshalb sie weder Kosten zu tragen noch eine Entschädigung zugute hat.
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Sachverhalt ab Seite 9 BGE 130 V 9 S. 9 A. Die 1949 geborene L. arbeitete seit 1. April 1990 bei der Firma B. AG und wurde auf diesen Zeitpunkt für die obligatorische und BGE 130 V 9 S. 10 die überobligatorische berufliche Vorsorge in die Pensionskasse für Gewerbe, Handel und Industrie (PKG; nachfolgend: Pensionskasse) aufgenommen, nachdem sie am 5. April 1990 im Anmeldeformular angegeben hatte, dass sie voll arbeitsfähig sei und gegenwärtig weder eine Gesundheitsstörung noch ein Gebrechen bestehe. Im Mai 1995 musste sich L. wegen eines Morbus Crohn im Spital S. einem operativen Eingriff unterziehen, und vom 16. bis 25. Januar 1996 war sie wegen des gleichen Leidens wiederum im Spital S. hospitalisiert. Mit Zeugnis vom 13. März 1996 teilte ihr Hausarzt, Dr. med. X., der Providentia Schweizerische Lebensversicherungs-Gesellschaft, dem Rückversicherer der Pensionskasse, mit, L. leide seit 1980 an Morbus Crohn; die Krankheit habe bis April 1995 medikamentös behandelt werden können. Zu jenem Zeitpunkt sei eine erhebliche Verschlechterung eingetreten, weshalb im Mai 1995 eine Operation habe vorgenommen werden müssen. Seit 14. April 1995 sei die Versicherte voll arbeitsunfähig. Am 26. April 1996 schrieb die Providentia der Pensionskasse, den zur Prüfung des Versicherungsanspruchs beigezogenen Unterlagen sei zu entnehmen, dass die Versicherte bei der Unterzeichnung des Anmeldeformulars am 5. April 1990 eine Anzeigepflichtverletzung begangen habe, indem sie eine erhebliche Gefahrstatsache verschwiegen habe. Dementsprechend werde die Versicherung insoweit angepasst, als nur noch Leistungen im Rahmen des BVG-Obligatoriums erbracht würden. Mit Schreiben vom 1. Mai 1996 eröffnete die Pensionskasse L., dass sie ihr infolge Anzeigepflichtverletzung lediglich die Minimalleistungen gemäss obligatorischer beruflicher Vorsorge gewähre. Am 15. Mai 1996 erstellte sie einen neuen Vorsorgeausweis. Mit Verfügung vom 25. Mai 1998 sprach die IV-Stelle Aargau L. rückwirkend ab 1. April 1996 bei einem Invaliditätsgrad von 50% eine halbe Invalidenrente zu, worauf die Pensionskasse der Versicherten mit Brief vom 3. November 1998 mitteilte, dass sie ab 1. April 1997 aus der obligatorischen beruflichen Vorsorge aufgrund einer Erwerbsunfähigkeit von 50% Anspruch auf eine Invalidenrente in der Höhe von Fr. 2'751.- im Jahr habe. B. Am 19. August 1999 liess L. beim Verwaltungsgericht des Kantons Luzern Klage einreichen mit dem Antrag, die Pensionskasse sei zu verpflichten, ihr ab 1. April 1997 unter Anrechnung BGE 130 V 9 S. 11 der bereits erbrachten Leistungen eine Invalidenrente entsprechend einer 50%igen Erwerbsunfähigkeit in der Höhe von Fr. 5'500.- im Jahr, die auch den Anspruch aus der überobligatorischen beruflichen Vorsorge umfasst, zuzüglich Zins zu 5% auf den bis zum Gerichtsentscheid verfallenen Betreffnissen, zu bezahlen. Mit Entscheid vom 11. Januar 2002 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. C. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt L. das vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren erneuern; eventuell sei die Sache zur Durchführung eines Beweisverfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Pensionskasse schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) auf eine Stellungnahme verzichtet. D. Das BSV führt ebenfalls Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die Pensionskasse zu verpflichten, der Versicherten auch aus der überobligatorischen beruflichen Vorsorge Invalidenleistungen auszurichten. Eventuell seien die Leistungen zu kürzen. Während die Pensionskasse auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verweist L. auf die Ausführungen in ihrer eigenen Verwaltungsgerichtsbeschwerde. E. Am 28. Oktober 2003 führte das Eidgenössische Versicherungsgericht eine parteiöffentliche Beratung durch.
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603
Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. (Verfahrensvereinigung; vgl. BGE 128 V 126 Erw. 1 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 128 V 194 Erw. 1) 2. Streitig und zu prüfen ist die Frage, ob die Beschwerdeführerin 1 Anspruch auf Invalidenleistungen aus der überobligatorischen beruflichen Vorsorge hat. 2.1 Nach der Rechtsprechung beurteilen sich die Verletzung der Anzeigepflicht und deren Folgen im Bereich der weitergehenden beruflichen Vorsorge nach den statutarischen und den reglementarischen Bestimmungen der Vorsorgeeinrichtung, bei Fehlen entsprechender Normen analogieweise gemäss Art. 4 ff. VVG . Danach kann die Vorsorgeeinrichtung innert vier Wochen ( Art. 6 VVG ) seit Kenntnis der Anzeigepflichtverletzung vom BGE 130 V 9 S. 12 Vorsorgevertrag zurücktreten, wobei es sich um eine Verwirkungsfrist handelt, deren Lauf weder gehemmt noch unterbrochen werden kann. Sie beginnt erst, wenn der Versicherer zuverlässige Kunde von Tatsachen erhält, aus denen sich der sichere Schluss auf Verletzung der Anzeigepflicht ziehen lässt. Blosse Vermutungen, die zu grösserer oder geringerer Wahrscheinlichkeit drängen, dass die Anzeigepflicht verletzt ist, genügen nicht ( BGE 119 V 286 ff. Erw. 4 und 5). In den Urteilen R. vom 17. Dezember 2001 (B 69/00) und H. vom 26. November 2001 (B 41/00) hat das Eidgenössische Versicherungsgericht festgehalten, dass der Rücktritt der Vorsorgeeinrichtung vom Vorsorgevertrag bei einer Anzeigepflichtverletzung auf den Zeitpunkt zurückwirkt, in welchem die Aufnahme in die überobligatorische berufliche Vorsorge erfolgte. Die Zulässigkeit des Vertragsrücktritts beurteilt sich nach der Rechtslage, die in jenem Zeitpunkt Geltung hatte. 2.2 Während die Vorinstanz die Klage, ausgehend davon, dass die Versicherte die Anzeigepflicht verletzt habe und die Pensionskasse rechtzeitig vom Vorsorgevertrag zurückgetreten sei, gestützt auf die zitierte Rechtsprechung abgewiesen hat, berufen sich das BSV und die Versicherte auf das auf den 1. Januar 1995 in Kraft getretene Bundesgesetz über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (FZG), insbesondere dessen Art. 14, und die damit verbundenen Änderungen des OR (Art. 331a-c). Nach dieser neuen Ordnung sei ein Rücktritt vom Vorsorgevertrag aufgrund einer Verletzung der Anzeigepflicht durch die versicherte Person in analoger Anwendung von Art. 4 ff. VVG nicht mehr zulässig. Als die Versicherte am 14. April 1995 an Morbus Crohn erkrankt sei, sei die maximal zulässige Vorbehaltsdauer seit ihrem Eintritt in die Pensionskasse abgelaufen gewesen. Es stehe ihr deshalb ein vorbehaltloser Anspruch auf die Invalidenleistungen aus der überobligatorischen beruflichen Vorsorge zu. 3. Die von den Beschwerde führenden Parteien aufgeworfene Rechtsfrage ist im vorliegenden Fall - anders als in den vorstehend erwähnten Urteilen H. vom 26. November 2001 (B 41/00) und R. vom 17. Dezember 2001 (B 69/00) - zu beantworten. Dem Urteil H. lag insofern ein anderer Sachverhalt zugrunde, als zwischen der Aufnahme in die Vorsorgeeinrichtung am 1. Juni 1994 und der Rückenoperation vom 14. November 1995 bloss rund 11⁄2 BGE 130 V 9 S. 13 Jahre vergangen waren. Die vom BSV behauptete Rechtswirkung, dass nach dem Inkrafttreten des FZG am 1. Januar 1995 ein Rücktritt vom Vorsorgevertrag nicht mehr zulässig sei, weil ein gesundheitlicher Vorbehalt gemäss Art. 331c OR spätestens nach fünf Jahren dahinfalle, musste nicht erörtert werden, da die fünfjährige Frist bei weitem nicht abgelaufen war. Im Urteil R. wiederum stellte sich die Frage nicht, weil in jenem Fall das bei Abgabe der Rücktrittserklärung gültige Reglement der Vorsorgeeinrichtung Leistungseinschränkungen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zuliess, womit die rückwirkende Auflösung der Vertrages untersagt war. Im hier zu beurteilenden Fall hingegen lagen zwischen der Aufnahme in die Pensionskasse am 1. April 1990 und der Verschlimmerung des Krankheitsbildes mit voller Arbeitsunfähigkeit ab 14. April 1995 und anschliessender Hospitalisation im Mai 1995 mehr als fünf Jahre, weshalb eine Auseinandersetzung mit dem von den Beschwerde führenden Parteien vertretenen Standpunkt unumgänglich ist. 4. 4.1 Von den neuen Bestimmungen über den Vorbehalt aus gesundheitlichen Gründen, die mit dem auf den 1. Januar 1995 in Kraft gesetzten FZG in die Ordnung der weitergehenden beruflichen Vorsorge Eingang gefunden haben, steht der ins OR eingefügte Art. 331c im Vordergrund. Unter den Marginalien "D. Personalvorsorge / IV. Gesundheitliche Vorbehalte" lautet er: "Vorsor-geeinrichtungen dürfen für die Risiken Tod und Invalidität einen Vorbehalt aus gesundheitlichen Gründen machen. Dieser darf höchstens fünf Jahre betragen". Die Bestimmung ist dispositives Recht (Art. 361 f. OR), sodass in den Vorsorgeverträgen abweichende Abmachungen getroffen werden können. Neben dieser zentralen Regelung finden sich weitere Bestimmungen eher technischer Natur. So umschreibt Art. 331a OR Beginn und Ende des Versicherungsschutzes, während Art. 14 FZG bestimmt, dass vom Versicherten eingebrachte Austrittsleistungen nicht mit einem neuen Vorbehalt belastet werden dürfen (Abs. 1) und dass die bei der früheren Vorsorgeeinrichtung abgelaufene Zeit auf die neue Vorbehaltsdauer anzurechnen ist (Abs. 2). 4.2 Art. 331c OR ermächtigt einerseits die Vorsorgeeinrichtung, im Bereich der weitergehenden Vorsorge einen Vorbehalt aus gesundheitlichen Gründen anzubringen, was voraussetzt, dass sie die BGE 130 V 9 S. 14 aufnahmewillige Person über deren Gesundheitszustand, soweit in Bezug auf das Versicherungsrisiko von Bedeutung, befragen kann und dass sie das versicherte Risiko mittels eines Vorbehalts auf das gewöhnliche Mass reduzieren kann. Zum andern soll die mit dem Vorbehalt verbundene Einschränkung des Vorsorgeschutzes spätestens nach fünf Jahren dahinfallen. 4.3 Im Sozialversicherungsrecht kannte namentlich das bis Ende 1995 gültig gewesene Bundesgesetz über die Kranken- und Unfallversicherung (KUVG) einen Vorbehalt aus gesundheitlichen Gründen. Art. 5 Abs. 3 KUVG bestimmte, dass die Kassen Krankheiten, die bei der Aufnahme bestehen, durch einen Vorbehalt von der Versicherung ausschliessen konnten; das Gleiche galt für Krankheiten, die vorher bestanden haben, sofern sie erfahrungsgemäss zu Rückfällen führen können. Der Versicherungsvorbehalt fiel nach spätestens fünf Jahren dahin. Hatte die Kasse bei der Aufnahme eines Mitgliedes keinen Versicherungsvorbehalt angebracht, so durfte sie nach der Rechtsprechung einen solchen später nicht mehr verfügen, es sei denn, der Gesuchsteller hatte in schuldhafter Weise eine bestehende oder eine vorher bestandene, zu Rückfällen neigende Krankheit nicht angezeigt. Unter diesen Voraussetzungen konnte sie innerhalb Jahresfrist, seitdem sie vom schuldhaften Verhalten des Gesuchstellers Kenntnis hatte oder hätte haben müssen, spätestens aber nach fünf Jahren, einen rückwirkenden Versicherungsvorbehalt anbringen ( BGE 110 V 309 Erw. 1 mit Hinweisen). Mit dem Anbringen eines rückwirkenden Vorbehalts sollte im Falle einer nachträglich entdeckten Anzeigepflichtverletzung die gesetzliche Ordnung in der Weise wiederhergestellt werden, wie sie vom Versicherten hätte hingenommen werden müssen, wenn er bei der Aufnahme wahrheitsgemässe und vollständige Angaben über seinen Gesundheitszustand gemacht hätte ( BGE 110 V 311 Erw. 1c, BGE 102 V 196 Erw. 2). Im neuen Krankenversicherungsgesetz (KVG) besteht die Möglichkeit, einen Versicherungsvorbehalt anzubringen, nur noch in der freiwilligen Taggeldversicherung, wobei der Versicherungsvorbehalt spätestens nach fünf Jahren dahinfällt ( Art. 69 Abs. 1 und 2 KVG ). 4.4 Zwischen dem früheren Krankenversicherungsrecht ( Art. 5 Abs. 3 KUVG ) und dem Vorbehalt in der freiwilligen Taggeldversicherung gemäss Art. 69 KVG einerseits sowie dem Vorbehalt, den Vorsorgeeinrichtungen gemäss Art. 331c OR aus BGE 130 V 9 S. 15 gesundheitlichen Gründen im überobligatorischen Bereich für die Risiken Tod und Invalidität anbringen dürfen, andererseits besteht hinsichtlich der Möglichkeit, einen solchen rückwirkend anzubringen, ein grundsätzlicher Unterschied. Der Vorbehalt in der Krankenversicherung schliesst den Versicherungsschutz zeitlich begrenzt lediglich für eine bestimmte, genau umschriebene Krankheit aus (vgl. zum Begrifflichen BGE 127 III 238 Erw. 2c), während die Versicherungsdeckung für alle anderen Krankheiten, die im Verlaufe der Versicherungsdauer auftreten können, ungeschmälert besteht. Ein solcher Vorbehalt kann auch rückwirkend angebracht werden. Demgegenüber kann ein Vorbehalt für die Risiken Tod und (vollständige) Invalidität in der weitergehenden beruflichen Vorsorge nicht rückwirkend erfolgen, nachdem sich das entsprechende Risiko bereits verwirklicht hat. Es verbietet sich daher, die zu Art. 5 Abs. 3 KUVG ergangene Rechtsprechung zum rückwirkenden Vorbehalt im Rahmen von Art. 331c OR analog anzuwenden. Ein rückwirkender Vorbehalt in den von Art. 331c OR erfassten Fällen Tod und Invalidität käme einem vollständigen Leistungsausschluss bei Eintritt des Risikos gleich. Anders würde es sich nur bei Teilinvalidität oder Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit nach vorübergehender Invalidität verhalten, doch in den vom Gesetz anvisierten Fällen (Tod, [volle] Invalidität) wäre das Instrument des rückwirkenden Vorbehalts fehl am Platz. Daraus folgt, dass Art. 331c OR nur für Vorbehalte gilt, die von der Vorsorgeeinrichtung beim Eintritt des Versicherten formell angebracht werden. Aus der Botschaft des Bundesrates zu einem Bundesgesetz über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 26. Februar 1992 ergibt sich keine abweichende Regelungsabsicht (BBl 1992 III 585; vgl. ferner JÜRG BRÜHWILER, Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, 2. Aufl., Bern 1996, N 3 zu Art. 331c OR ). Ebenso wenig war diese Frage Gegenstand der parlamentarischen Beratungen (Amtl. Bull. 1992 N 2440 und 1993 S 566, 572). 5. 5.1 Fällt jedoch ein rückwirkender Vorbehalt als geeignete Vorkehr bei Vorliegen einer Anzeigepflichtverletzung ausser Betracht, bietet sich aus Sicht der Vorsorgeeinrichtung einzig der Rücktritt vom Vorsorgevertrag als Korrektiv an. Eine andere sachgerechte Lösung ist nicht ersichtlich. Die vom BSV in seinem Eventualantrag postulierte Kürzung der Leistungen findet im Gesetz keine BGE 130 V 9 S. 16 Stütze. Im Übrigen hätte sie eine Besserstellung des Versicherten, der seine Anzeigepflicht verletzt, im Vergleich zum Versicherten, der diese erfüllt und deshalb nur unter Vorbehalt in die Vorsorgeeinrichtung aufgenommen wird, zur Folge. Während der Versicherte, der die Anzeigepflicht missachtet hat, eine gekürzte Leistung erhalten würde, ginge der Versicherte, der die Gesundheitsdeklaration korrekt ausgefüllt hat, leer aus, sofern das eingetretene Risiko in zeitlicher und sachlicher Hinsicht unter den Vorbehalt fällt, was Sinn und Zweck der obligationenrechtlichen Bestimmung zuwider laufen würde. 5.2 Die in den Verwaltungsgerichtsbeschwerden erhobenen Einwendungen vermögen an diesem Ergebnis nichts zu ändern. 5.2.1 Der Umstand, dass mit der relativ zwingenden Vorschrift des Art. 331a Abs. 1 OR ( Art. 362 OR ) Beginn und Ende des Vorsorgeschutzes neu auch im überobligatorischen Bereich gesetzlich geregelt und mit der für den obligatorischen Bereich massgebenden Bestimmung des Art. 10 BVG in Einklang gebracht wurden, stellt wohl eine Beschränkung der Vertragsfreiheit dar. Diese ist indessen von untergeordneter Bedeutung, da der Vorsorgeschutz im weitergehenden Bereich schon vor Inkrafttreten des FZG hinsichtlich des Beginns und des Endes in aller Regel der obligatorischen Vorsorge folgte. Inwiefern Art. 331a Abs. 1 OR einem Rücktritt vom Vorsorgevertrag wegen Anzeigepflichtverletzung entgegenstehen soll, vermag nicht einzuleuchten, zumal Art. 331c OR es der Vorsorgeeinrichtung ermöglicht, ein erhöhtes gesundheitliches Risiko für eine bestimmte Zeit vom Vorsorgeschutz auszuschliessen. Lässt sich dies bei einer Anzeigepflichtverletzung, wie dargelegt, nicht mit einem rückwirkenden Vorbehalt erreichen, muss für die Vorsorgeeinrichtung der Rücktritt vom Vertrag zulässig sein. 5.2.2 Auch aus Artikel 14 FZG lässt sich nicht ableiten, dass der Rücktritt vom Vorsorgevertrag ausgeschlossen sei. Nach Abs. 1 dieser Bestimmung darf der Vorsorgeschutz, der mit den eingebrachten Austrittsleistungen erworben wird, nicht durch einen neuen gesundheitlichen Vorbehalt geschmälert werden. Damit wird die bei einem Stellenwechsel vom Versicherten eingebrachte Austrittsleistung der früheren Vorsorgeeinrichtung vor einem Vorbehalt geschützt; das Recht der neuen Vorsorgeeinrichtung, den überobligatorischen Vorsorgeschutz, der bei ihr mittels Beiträgen des neuen Arbeitgebers und des Versicherten aufgebaut wird, durch BGE 130 V 9 S. 17 Rücktritt vom Vorsorgevertrag rückwirkend aufzulösen, wird hingegen nicht in Frage gestellt. Art. 14 Abs. 2 FZG schliesslich betrifft die Anrechnung der bei der früheren Vorsorgeeinrichtung abgelaufenen Dauer eines Vorbehalts auf die neue Vorbehaltsdauer nach dem Übertritt in die neue Vorsorgeeinrichtung und ist für die vorliegend interessierende Frage unerheblich. 6. Das Reglement der Pensionskasse enthält keine Regelung zur Anzeigepflichtverletzung und zu deren Folgen, weshalb die Art. 4 ff. VVG analog anwendbar sind. Die Vorinstanz hat erkannt, dass die Versicherte die Anzeigepflicht verletzt habe. Betreffend Wahrung der vierwöchigen Verwirkungsfrist stellte sie fest, dass Dr. med. X. das Zeugnis vom 13. März 1996 direkt dem ärztlichen Dienst der Providentia eingereicht habe. Bei dieser sei das Zeugnis mit dem Eingangsstempel des 9. April 1996 versehen worden. Mit Schreiben vom 1. Mai 1996 habe die Pensionskasse, nachdem sie zwischenzeitlich von der Providentia auf die Anzeigepflichtverletzung aufmerksam gemacht worden war, rechtzeitig und formgerecht den Rücktritt vom Vorsorgevertrag erklärt. Die Versicherte lässt hiegegen einwenden, die Vorinstanz hätte die Frage, ob die Providentia das Arztzeugnis vom 13. März 1996 tatsächlich erst am 9. April 1996 oder allenfalls zu einem Zeitpunkt vor dem 3. April 1996 und damit mehr als vier Wochen vor dem 1. Mai 1996 erhalten habe, näher abklären müssen; der Rücktritt vom Vertrag wäre diesfalls verspätet erfolgt, weil sich die Pensionskasse das Wissen des Rückversicherers Providentia anrechnen lassen müsse. In der Tat sei es unwahrscheinlich, dass das Arztzeugnis erst am 9. April 1996 bei der Providentia eingetroffen sei. Der auf dem Zeugnis angebrachte Eingangsstempel vermöge den Beweis dafür jedenfalls nicht zu erbringen. Diesen Ausführungen ist insoweit beizupflichten, als die Frage, ob die Pensionskasse die Verwirkungsfrist gewahrt hat, näher geprüft werden muss. Da sich die Pensionskasse das Wissen des Rückversicherers anrechnen lassen muss (SZS 2003 S. 138), ist für den Beginn der vierwöchigen Verwirkungsfrist der Zeitpunkt massgebend, in welchem die Providentia vom Arztzeugnis vom 13. März 1996 im Sinne der Rechtsprechung (Erw. 2.1 hievor) Kenntnis erhielt. Dieses Datum lässt sich anhand der Akten nicht feststellen. Namentlich kann aus dem von der Providentia auf dem Zeugnis BGE 130 V 9 S. 18 angebrachten Stempel (9. avr. 1996) nicht geschlossen werden, dass das ärztliche Attest erst an diesem Tag beim service médical des Rückversicherers eingegangen ist, da es sich dabei auch um einen Datumstempel handeln kann, der betriebsinterne Abläufe betrifft, und andere Beweismittel (z. B. Zustellkuvert) fehlen. Das kantonale Gericht, an welches die Sache zurückzuweisen ist, wird ergänzende Abklärungen zum Zeitpunkt treffen, in welchem die Providentia Kenntnis vom ärztlichen Zeugnis vom 13. März 1996 hatte, und hernach über die Klage neu entscheiden. 7. (Gerichtskosten und Parteientschädigung)
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Sachverhalt ab Seite 347 BGE 146 III 346 S. 347 A. Par contrat de bail du 11 novembre 1994, A. (ci-après: la bailleresse ou la coopérative) a cédé à C. et B. (locataires) l'usage d'un appartement de cinq pièces situé au 2 e étage d'un immeuble à Genève. Le bail, conclu pour une durée d'une année, du 1 er décembre 1994 au 30 novembre 1995, est renouvelable tacitement d'année en année. Le montant du loyer annuel a été fixé en dernier lieu à 21'600 fr., charges non comprises, dès le 1 er janvier 2014, soit 1'800 fr. par mois. L'immeuble, construit en 1919, a été soumis au régime des habitations à loyers modérés (HLM) jusqu'au 31 décembre 2016. Selon l'art. 39 des statuts de la coopérative, "le loyer doit tenir compte des revenus des habitants et le conseil d'administration est compétent pour déterminer les barèmes qui doivent s'inspirer de ceux usuellement pratiqués à Genève, notamment dans le secteur subventionné étatique (...)". BGE 146 III 346 S. 348 Par courrier du 20 novembre 1995, le locataire (C.) a informé la bailleresse qu'il quittait l'appartement au 31 décembre 1995, mais que la locataire (B.) continuait à habiter le logement avec leurs deux filles. Le 19 septembre 2016 (en prévision de la sortie de l'immeuble du contrôle HLM arrêtée au 31 décembre 2016), les locataires ont sollicité une baisse de loyer de 40 % dès le 1 er janvier 2017. Le 3 octobre 2016, la bailleresse a refusé de donner suite à cette requête, au motif que les locataires ne pouvaient pas solliciter de manière mécanique une baisse de loyer de 40 % à la sortie du contrôle de l'Etat. B. B.a Le 27 octobre 2016, la locataire a ouvert action contre la bailleresse et le locataire. La conciliation ayant échoué, elle a déposé une demande devant le Tribunal des baux et loyers de Genève, concluant, préalablement à ce qu'il soit ordonné à la bailleresse de fournir toutes les pièces permettant d'opérer un calcul de rendement, et, principalement, à ce que le loyer soit fixé à 12'960 fr. par an, charges non comprises, dès le 1 er janvier 2017 et à ce que le trop-perçu soit restitué. La bailleresse a conclu à l'irrecevabilité de la demande et, subsidiairement, à ce que la demanderesse soit déboutée de toutes ses conclusions. Par ordonnance du 7 novembre 2017, le Tribunal des baux et loyers a invité la bailleresse à produire toutes les pièces nécessaires au calcul du rendement net de l'immeuble concerné. Par courrier du 5 décembre 2017 adressé au tribunal, la bailleresse a indiqué que la production d'un calcul de rendement ne se justifiait pas. Elle n'a jamais remis les pièces requises. B.b Par jugement du 14 mai 2018, le Tribunal des baux et loyers a débouté la demanderesse de toutes ses conclusions. Le 19 juin 2018, la demanderesse a fait appel de ce jugement, assignant le colocataire (C.) aux côtés de la bailleresse. Par courrier du 9 juillet 2018, le colocataire (C.) a informé la Cour de justice, devant laquelle la demanderesse avait fait appel, qu'il avait définitivement quitté la Suisse pour vivre au Portugal. Par arrêt du 28 février 2019, la Chambre des baux et loyers de la Cour de justice du canton de Genève a admis l'appel formé par la BGE 146 III 346 S. 349 locataire et réformé l'arrêt attaqué en ce sens qu'elle a fixé le loyer annuel de l'appartement occupé par la locataire à 18'330 fr., charges non comprises, dès le 1 er janvier 2017 et condamné la bailleresse à verser à sa partie adverse le trop-perçu de loyer en découlant avec intérêts à 5 % l'an dès l'entrée en force de l'arrêt cantonal. C. La défenderesse exerce un recours en matière civile contre cet arrêt cantonal. Elle conclut à sa réforme en ce sens que la demanderesse soit déboutée de toutes ses conclusions et, subsidiairement, à son annulation et au renvoi de la cause à l'autorité cantonale. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours en matière civile dans la mesure de sa recevabilité. (résumé)
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. Dans un premier moyen tiré de la violation de l' art. 70 al. 1 CPC , la recourante défenderesse soutient que la demanderesse ne pouvait engager seule les colocataires, qu'elle aurait dû ouvrir action conjointement avec l'autre colocataire, que sa qualité pour agir faisait dès lors défaut et que la cour cantonale aurait dû rejeter la demande. 2.1 Puisque les consorts matériels nécessaires sont titulaires ou obligés ensemble d'un seul droit, ils doivent en principe ouvrir action ensemble ou être mis en cause ensemble ("conjointement"; art. 70 al. 1 CPC ; cf. FABIENNE HOHL, Procédure civile, 2 e éd. 2016, p. 154 n. 898). C'est le cas lorsque plusieurs colocataires, titulaires d'un bail, contestent le congé notifié par le bailleur: il y a bail commun, soit un rapport juridique uniforme, qui n'existe que comme un tout et pour toutes les parties au contrat et les colocataires qui entendent ouvrir action en annulation de la résiliation doivent le faire ensemble. L'action, formatrice, ne saurait en effet conduire à un jugement qui n'aurait force qu'entre certains intéressés, par exemple le bailleur et l'un des colocataires (arrêt 4A_689/2016 du 28 août 2017 consid. 4.1). Toutefois, le principe de l'action conjointe (ou commune) souffre des tempéraments qui ont été introduits par la Cour de céans (cf. infra consid. 2.2), étant précisé qu'il n'y a pas lieu d'examiner le cas du contrat de bail portant sur un logement de famille, qui n'entre ici pas en ligne de compte (le colocataire vivant au Portugal et n'étant par ailleurs pas marié à la colocataire; cf. ATF 139 III 7 consid. 2.3.1 p. 11). BGE 146 III 346 S. 350 2.2 La question de savoir si, pour requérir l'annulation du congé (cf. art. 271 s. CO), les colocataires doivent agir en commun, ou si une exception peut être admise, a longtemps été l'objet d'une controverse doctrinale (sur le constat, cf. arrêt 4C.37/2001 du 30 mai 2001 consid. 2b/bb qui laisse la question ouverte). Le Tribunal fédéral a tranché la question en 2010 en introduisant un tempérament à l'action conjointe, afin de tenir compte du "besoin de protection sociale particulièrement aigu lorsqu'un local d'habitation est en jeu" ( ATF 140 III 598 consid. 3.2 p. 601; arrêts 4A_570/2018 du 31 juillet 2019 consid. 3.1, non publié in ATF 145 III 281 ; 4A_625/2017 du 12 mars 2018 consid. 3.1; 4A_689/2016 du 28 août 2017 consid. 4; parlant d'un "droit social individuel" des locataires, cf. BOHNET/HÄNNI, Note in RSPC 2017 p. 499 et l'auteur cité). Concrètement, l'objectif est d'éviter que l'un des colocataires ne perde son logement parce que l'autre ne souhaite pas agir en justice (LACHAT/LACHAT, Procédure civile en matière de baux et loyers, 2019, p. 90). Le demandeur peut dès lors agir seul, mais, comme l'action (formatrice) implique que le bail soit en définitive maintenu ou résilié envers toutes les parties, il doit assigner aux côtés du bailleur le ou les colocataires qui n'entendent pas s'opposer au congé, sous peine de se voir dénier la qualité pour agir ( ATF 145 III 281 consid. 3.1 et 3.4.2 p. 285; ATF 140 III 598 consid. 3.3 p. 601; arrêt 4A_347/2017 du 21 décembre 2017 consid. 3.1). Autrement dit, il n'est pas nécessaire que les consorts matériels nécessaires soient tous demandeurs ou défendeurs; il suffit qu'ils soient tous parties au procès, répartis d'un côté et de l'autre de la barre ( ATF 140 III 598 consid. 3.2 p. 601; cf. HOHL, op. cit., n. 901 p. 154). Cette jurisprudence s'applique non seulement aux baux d'habitation, mais également aux baux de locaux commerciaux (arrêt 4A_689/2016 déjà cité consid. 4.1 in fine). Elle s'étend à la demande de constatation de la nullité ou de l'inefficacité d'une résiliation (arrêts 4A_347/2017 déjà cité consid. 3.1; 4A_689/2016 déjà cité consid. 4.1). 2.3 Le Tribunal fédéral n'a jamais été appelé à trancher la question de l'éventuel tempérament à apporter à l'action conjointe portant sur la diminution du loyer. La nature de cette action (formatrice) et ses conséquences sur le plan procédural (nécessité d'une action conjointe des colocataires) n'est pas discutée. La recourante est par contre d'avis que, si un tempérament BGE 146 III 346 S. 351 à l'action conjointe en annulation du congé a été prévu par la jurisprudence, il est exclu de l'admettre en cas de demande de baisse de loyer. 2.3.1 Un courant de doctrine, majoritaire, est d'avis que le tempérament introduit par le Tribunal fédéral pour l'action conjointe en annulation du congé doit (ou devrait) également l'être pour celle visant la fixation du loyer (demande de baisse de loyer, contestation de la hausse de loyer) d'un bail d'habitation ou d'un local commercial (MAJA BLUMER, in Gebrauchsüberlassungsverträge, SPR vol. VII/3, 2012, n. 460 p. 140; FRANÇOIS BOHNET, Le logement de famille, le congé et la consorité des époux colocataires, Newsletter Bail.ch septembre 2019 ch. III; JULIEN BROQUET, Note in Droit du bail 2015 n. 12 p. 43; PATRICIA DIETSCHY-MARTENET, Les colocataires de baux d'habitations ou de locaux commerciaux, in Séminaire sur le droit du bail 2016, n. 69 p. 213; la même, in Bail à loyer et procédure civile, 2018, n. 139 p. 57 et les auteurs cités; la même , La qualité pour contester le congé d'un seul colocataire: quelques précisions, Newsletter bail.ch octobre 2017, ch. III; LAURA JACQUEMOUD-ROSSARI, Jouissance et titularité du bail [...], CdB 1999 p. 104 s.; NICOLAS JEANDIN, in Commentaire romand, Code de procédure civile, 2 e éd. 2019, n os 7b, 10 et 10a ad art. 70 CPC ; THOMAS KOLLER, Zum Jahresbeschluss 2014 ein weiser Entscheid des Bundesgerichts im Mietrecht, Jusletter 12 janvier 2015, n. 7; le même , RSJB 2016 p. 46 ss; DAVID LACHAT, Le bail à loyer, 2019, n. 3.3.6 p. 103; CORDULA LÖTSCHER, Die Prozessstandschaft im schweizerischen Zivilprozess, 2016, n. 544 p. 226 s.; RICHARD PÜNTENER, in Mietrecht für die Praxis, 9 e éd. 2016, p. 115 note 110, qui expose la solution consacrée à l' ATF 140 III 598 ; ROGER WEBER, in Basler Kommentar, Obligationenrecht, 7 e éd. 2019, n os 2 et 2a avant les art. 253-273c CO ). Certains d'entre eux signalent explicitement que, même si le caractère dogmatique de la solution retenue dans l' ATF 140 III 598 peut être discuté, il n'y a pas lieu de la remettre en cause puisqu'elle permet de répondre aux besoins de la pratique, tout en garantissant la participation de toutes les personnes concernées à la procédure (BOHNET, op. cit., ch. III; LÖTSCHER, op. cit., n. 544 p. 226 s.). Un autre courant, minoritaire, soutient que, lorsqu'il y a consorité matérielle nécessaire, la loi n'autorise aucune exception (ou aucun tempérament) à l'action - ou à la défense - conjointe (cf. BISANG/ KOUMBARAKIS, Das schweizerische Mietrecht, 4 e éd. 2018, n. 36 p. 1149; MARCO GIAVARINI, Commentaire in Mietrecht Aktuell BGE 146 III 346 S. 352 [MRA], 2015 p. 147 ss; ZINON KOUMBARAKIS, in MRA 2018 p. 75; cf. DENIS PIOTET, in La représentation de l'hoirie dans le procès successoral, Steinauer et al. [éd.], Journée de droit successoral 2019, p. 154 ss, qui traite toutefois essentiellement des actions successorales). On observera d'emblée que ces auteurs ne s'opposent pas spécifiquement à l'extension du tempérament (reconnu pour l'action en annulation du congé) aux litiges portant sur la fixation du loyer, mais qu'ils remettent en cause la solution consacrée dans l' ATF 140 III 598 , qui a été confirmée à plusieurs reprises par la Cour de céans (cf. arrêts 4A_570/ 2018 du 31 juillet 2019 consid. 3.1, non publié in ATF 145 III 281 ; 4A_625/2017 du 12 mars 2018 consid. 3.1; 4A_347/ 2017 du 21 décembre 2017 consid. 3.1; 4A_689/2016 du 28 août 2017 consid. 4). Il n'y a pas lieu de s'arrêter sur les critiques soulevées dans cette perspective, puisque la recourante ne revient pas sur le tempérament introduit dans cet arrêt de principe, mais qu'elle s'oppose exclusivement à son extension aux litiges ayant pour objet les demandes de baisse de loyer. Dans une publication récente, un auteur concède que le besoin de protection sociale des locataires justifie de poser un tempérament à l'action conjointe en annulation du congé, mais il est par contre d'avis qu'il n'existe aucune nécessité d'en faire de même pour les litiges portant sur la fixation du loyer. Il reconnaît certes l'existence d'un besoin de protection sociale des locataires également dans ce domaine, mais estime que les conséquences d'un rejet de l'action visant la fixation du loyer (pour défaut d'action conjointe des colocataires) ont une portée moindre que celles résultant de la résiliation du bail. Il ajoute que les locataires ont en règle générale tous un intérêt à agir conjointement avec le demandeur pour obtenir une baisse de loyer (ou éviter une augmentation) (MANFRED STRIK, Das Verfahrensrecht bei der Wohn- und Geschäftsraummiete nach der Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2018, n. 40 p. 18). 2.3.2 L'opinion du courant doctrinal majoritaire emporte la conviction pour les raisons qui suivent. 2.3.2.1 La distinction opérée par la recourante (qui trouve écho dans l'opinion d'un seul auteur) se heurte à la volonté du législateur de renforcer la position du locataire par l'adoption de règles visant à lutter contre les loyers et les congés abusifs, ces deux domaines répondant au même besoin de protection sociale. Au Titre huitième du Code des obligations, le législateur a en effet consacré une série de dispositions spéciales aux locaux d'habitation BGE 146 III 346 S. 353 (essentiels au logement des personnes) et aux locaux commerciaux (servant de cadre aux activités économiques) en raison de leur affectation particulière (cf. TERCIER/BIERI/CARRON, Les contrats spéciaux, 5 e éd. 2016, p. 285 n. 2117; STRIK, op. cit., n. 38 p. 17). La protection de ces locaux s'articule clairement autour de deux grands axes: la protection contre les loyers abusifs ou les autres prétentions abusives (Chapitre 2) et la protection contre les congés abusifs (Chapitre 3) (DAVID LACHAT, in Commentaire romand, Code des obligations, 2012, n° 1 ad Intro. art. 269-270e CO et n° 1 ad art. 271 CO ; TERCIER/BIERI/CARRON, op. cit., p. 285 n. 2117). La mention de ces deux axes figure déjà dans le mandat constitutionnel à l'origine de la réglementation, à l'art. 34 septies al. 2 aCst. (aujourd'hui: art. 109 Cst. ) (Arrêté fédéral concernant l'initiative populaire "pour la protection des locataires", FF 1986 I 854 Art. 2; Message du 27 mars 1985 concernant l'initiative "pour la protection des locataires", FF 1985 I 1369 p. 1374 ch. 111). Dans ce contexte, le Conseil fédéral a indiqué, devant le Parlement, vouloir renforcer la protection des locataires dans ces deux domaines "en étroite relation" (Message précité, p. 1378 ch. 141.2). Les règles du Titre huitième du Code des obligations qui permettent de renforcer la protection des locataires forment aujourd'hui un ensemble homogène (cf. TERCIER/BIERI/CARRON, op. cit., p. 285 n. 2116; CHRISTIAN CALAMO, Die missbräuchliche Kündigung der Miete von Wohnräumen, 1993, p. 99). Il s'agit donc, dans la même logique de protection, de reprendre les considérations déjà faites à l' ATF 140 III 598 (pour l'annulation du congé) et de les étendre à la protection contre les loyers abusifs, afin d'atténuer les difficultés générées par la colocation également dans ce domaine et d'assurer le respect des règles spéciales de protection contre les loyers et les congés abusifs (cf. DIETSCHY-MARTENET, Les colocataires, op. cit., n. 69 p. 213; LACHAT, op. cit., n. 3.3.6 p. 103). Reconnaître un tempérament à l'action conjointe permet de réaliser cet objectif général dans les deux domaines précités, sans mettre en péril l'unité substantielle du litige (un jugement unique s'impose), puisque le colocataire récalcitrant est assigné de l'autre côté de la barre. 2.3.2.2 S'agissant de la fixation du loyer, STRIK ne nie pas le besoin de protection des locataires, mais il estime que l'exigence (stricte) de l'action conjointe ne leur est pas préjudiciable et, partant, qu'il n'existe aucune nécessité d'apporter un tempérament dans ce domaine. BGE 146 III 346 S. 354 Les arguments de l'auteur ne convainquent pas. S'il est évident qu'un colocataire a intérêt à obtenir une baisse de loyer et qu'on voit mal qu'il s'y oppose, cela ne veut encore pas dire qu'il sera toujours prêt à faire les démarches pour former, conjointement avec les autres colocataires, une action en justice et en assumer les frais. On peut notamment envisager qu'un colocataire (demandeur) ait l'intention de requérir une réduction de loyer fondée sur la baisse du taux hypothécaire et qu'un autre soit réticent à la solliciter. Le risque que l'un des colocataires ne fasse aucune démarche pour obtenir une baisse de loyer est d'autant plus grand lorsque, comme c'est le cas en l'espèce, ce colocataire ne vit plus depuis longtemps dans l'appartement objet du bail et, a fortiori , s'il est difficile de le retrouver ou a quitté le territoire suisse. Cela étant, le risque que le consort réticent mette en danger les intérêts de son partenaire est réel, ce qui justifie l'introduction d'un tempérament à l'action conjointe (cf. MARIE-FRANÇOISE SCHAAD, La consorité en procédure civile, 1993, p. 389). A cela s'ajoute que, comme pour l'annulation du congé ( art. 273 al. 1 CO ), un délai de péremption doit être observé pour la contestation de la hausse de loyer ( art. 270b CO ) et pour la demande de baisse de loyer ( art. 270a al. 2 CO ), ce qui soumet le colocataire demandeur à une contrainte de temps, qui, selon les circonstances, pourra faire obstacle à l'action conjointe et, partant, justifie qu'il puisse agir seul pour préserver ses droits (cf. STRIK, op. cit., n. 40 p. 17, qui signale lui-même cette contrainte). 2.4 Il résulte des considérations qui précèdent qu'on ne saurait suivre la recourante lorsqu'elle reproche à l'autorité cantonale d'avoir admis un tempérament à l'action conjointe et ainsi violé l' art. 70 al. 1 CPC . L'argument qu'elle soulève pour asseoir sa thèse est similaire à celui évoqué par STRIK: la recourante se limite à affirmer que "l'on conçoit (...) difficilement qu'un colocataire puisse s'opposer à une baisse de son loyer", pour en inférer d'emblée qu'"ainsi l'accord de tous doit non seulement être nécessaire, mais [qu']ils doivent agir ensemble au vu de la consorité nécessaire qu'ils forment". Comme on vient de le voir, cet argument ne permet toutefois pas d'écarter le risque que le consort réticent mette en danger les intérêts de son partenaire. Enfin, on ne saurait suivre la recourante lorsqu'elle affirme que le nom de C. a "simplement été mentionné dans la demande de conciliation et dans les différents actes qui ont suivi". Selon les constatations cantonales, qui lient le Tribunal fédéral ( art. 105 al. 1 LTF ), BGE 146 III 346 S. 355 la demanderesse a assigné le colocataire aux côtés de la bailleresse, tant dans sa demande de conciliation du 27 octobre 2016 que dans sa demande au fond du 24 mai 2017. Le moyen est dès lors infondé. 3. Dans un deuxième grief tiré de la violation des art. 269, 269a et 270a CO , la recourante considère que la cour cantonale aurait dû refuser d'appliquer la méthode absolue. Elle rappelle que le Tribunal fédéral s'est interrogé sur l'opportunité d'appliquer celle-ci lorsque l'immeuble sort du contrôle étatique (cf. ATF 142 III 568 ) et, sans autre explication, en infère qu'il "faut considérer que la méthode absolue ne peut être appliquée en l'espèce pour justifier une baisse de loyer et que par conséquent la méthode relative doit être appliquée". 3.1 Par arrêt du 25 septembre 2014, la I re Cour de droit public du Tribunal fédéral a, pour la première fois, tranché la question de savoir si l' art. 269 CO s'applique aux locaux d'habitations en faveur desquels des mesures d'encouragement ont été prises par les pouvoirs publics et pendant la période où le loyer est soumis à un contrôle d'une autorité (ci-après: les loyers contrôlés). Elle a confirmé l'application de cette disposition légale et, partant, retenu que les autorités administratives ne peuvent pas autoriser des loyers procurant au bailleur un rendement excessif des fonds propres investis dans l'immeuble ou résultant d'un prix d'achat manifestement exagéré (arrêt 1C_500/ 2013 consid. 2.3, in SJ 2015 I p. 205). Après avoir évoqué ce précédent et relevé que les loyers contrôlés sont susceptibles de recours auprès d'une autorité judiciaire par les deux parties au contrat de bail, la I re Cour de droit civil du Tribunal fédéral s'est demandée si la méthode absolue s'impose réellement après le passage d'un régime à l'autre ou si l'habituelle méthode relative n'est pas suffisamment appropriée; celle-ci permet en effet au juge civil de tenir compte de toutes les évolutions intervenues depuis la dernière fixation du loyer par l'autorité administrative, y compris l'éventuelle perte de certaines prestations publiques par le bailleur. Les juges fédéraux ont finalement laissé la question ouverte ( ATF 142 III 568 consid. 1.4 p. 574 s.). 3.2 Il s'agit maintenant de trancher cette question. 3.2.1 Dans la perspective du bailleur, il convient d'emblée de rappeler que, si (pendant la période de contrôle) l'autorité administrative ne peut autoriser un loyer dont le rendement est excessif, cela ne signifie pas encore que ce loyer soit suffisant. Une fois l'immeuble sorti BGE 146 III 346 S. 356 du contrôle étatique, il s'impose dès lors de permettre au bailleur de procéder au calcul de rendement (devant le juge civil) pour qu'il puisse, le cas échéant, fixer un loyer supérieur, en respectant le cadre fixé par l' art. 269 CO (cf. PATRICIA DIETSCHY-MARTENET, Méthode applicable en cas de sortie d'un contrôle étatique du loyer, Newsletter Bail.ch octobre 2016 ch. III; KOLLER/STRIK, commentaire in RSJB 2018 p. 246; LACHAT, Le bail à loyer, op. cit., p. 696 et note 130). 3.2.2 Dans la perspective du locataire, la Cour de céans a eu l'occasion de relever, dans un obiter dictum , qu'il était vraisemblable qu'un calcul de rendement aboutisse généralement à la fixation d'un loyer supérieur à celui soumis au contrôle administratif (sur le constat, cf. arrêt 4C.291/2001 du 9 juillet 2002 consid. 2b/gg). Depuis 2002, ce constat a toutefois été remis en question et la doctrine spécialisée a fait état de nombreux cas dans lesquels le calcul de rendement entrepris à la sortie du contrôle étatique a conduit - de manière paradoxale - à un loyer inférieur à celui fixé précédemment durant la période de contrôle (pour Genève: DAVID LACHAT, Commentaire de l'arrêt 4A_559/2015 du 22 août 2016, destiné à la publication, CdB 4/16 p. 124 note 113; cf. aussi LACHAT, Le bail à loyer, op. cit., p. 699 note 151). On ne saurait dès lors exclure purement et simplement ce cas de figure favorable au locataire et, partant, lui refuser une méthode de calcul (fondée sur le rendement) dont le bailleur peut, lui, bénéficier. Il n'importe que l'on ne sache pas, sur la base des constatations cantonales, si l'autorité administrative a déjà pu (ou non) contrôler le rendement net de l'appartement et, si oui, en fonction de quels critères. D'une part, il demeure que l'application de la méthode absolue répond ici à un besoin concret du locataire puisque, selon le calcul entrepris par le juge civil (magistrats cantonaux), le rendement est effectivement excessif. D'autre part et de manière plus générale, le contrôle par le juge civil reste quoi qu'il en soit utile puisque la sortie du contrôle étatique (concrétisée le 31 décembre 2016) a eu lieu avant que le Conseil d'Etat ne prenne les mesures d'adaptation nécessaires suite au prononcé de l'arrêt 1C_500/2013 (arrêté du 21 février 2018 fixant les rendements admissibles pour les nouveaux immeubles contrôlés; cf. arrêt ATA/59/2019 de la Chambre administrative de la Cour de justice du 22 janvier 2019 consid. 7); or, selon la doctrine spécialisée, le critère du rendement excessif était alors, en pratique, difficilement transposable aux loyers des logements contrôlés par l'Etat (sur le constat, à Genève, cf. BELLANGER/DÉFAGO GAUDIN, Les BGE 146 III 346 S. 357 loyers contrôlés par l'Etat peuvent-ils être abusifs ?, SJ 2015 I p. 214 ss; DAVID LACHAT, Commentaire de l'arrêt 1C_500/2013, CdB 4/16 p. 123 s.). Cela étant, on ne saurait raisonnablement refuser au locataire de faire procéder au contrôle de son loyer (en fonction du rendement net), une fois que l'immeuble est sorti du contrôle cantonal des loyers et que le juge civil peut appliquer, sans aucune restriction, l' art. 269 CO prévu initialement pour les "loyers libres" (cf. arrêt 1C_500/2013 déjà cité consid. 3.2.2 qui signale que le locataire, comme le bailleur, peuvent encore, à la sortie du contrôle de l'Etat, invoquer la méthode absolue de fixation du loyer pour en vérifier la compatibilité avec l' art. 269 CO ). 3.2.3 Cet avis est partagé par la très large majorité des auteurs qui se sont exprimés sur cette question (DIETSCHY-MARTENET, op. cit., ch. III; la même , Note sur l'arrêt 4A_559/2015, DB 2016 p. 43; KOLLER/STRIK, op. cit., p. 245 s.; SARAH BRUTSCHIN, Mietrecht für die Praxis, 9 e éd. 2016, n. 21.7.6.2 p. 596; DAVID LACHAT, in Commentaire romand, Code des obligations, 2 e éd. 2012, n° 5 ad Intro. art. 269-270e CO ; parlant des "parties", cf. FRANÇOIS BOHNET, in Droit du bail à loyer et à ferme, Commentaire pratique, Bohnet/Carron/ Montini [éd.], 2 e éd. 2017, n° 15 ad Intro. art. 269-270e CO ; mettant en évidence l'opinion de DIETSCHY-MARTENET: DANIEL KINZER, La surveillance et le contrôle des loyers dans le temps, in Imprescriptibilité, contrôle et responsabilité, 2018, p. 111 s. et note 107, qui n'exclut pas que les loyers contrôlés servent de référence au moins lorsqu'il a été tenu compte de l' art. 269 CO lors d'adaptations de loyers proches de la sortie; apparemment d'un autre avis: HULLIGER/HEINRICH, in Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 3 e éd. 2016, n o 2 ad art. 270a CO qui, bien que citant explicitement l'arrêt 4C.291/ 2001 consid. 2b/gg, ne mentionnent pas que, selon cet arrêt, le locataire a la possibilité d'invoquer la méthode absolue après la sortie de l'immeuble du contrôle étatique). En conclusion, il convient d'admettre que tant le bailleur que le locataire peuvent, malgré le changement de régime rappelé plus haut (cf. supra consid. 3.1) se prévaloir, devant le juge civil, de la méthode absolue (calcul du rendement net). 3.3 En l'occurrence, il n'est pas contesté que l'immeuble, construit en 1919, appartenait à la catégorie des habitations à loyers modérés (HLM) jusqu'au 31 décembre 2016 et que cette catégorie est soumise au contrôle de l'Etat. L'immeuble étant sorti de ce contrôle, c'est BGE 146 III 346 S. 358 donc à bon droit que les juges cantonaux ont autorisé le locataire à procéder au calcul de rendement de son appartement. Le grief soulevé à cet égard est infondé.
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Sachverhalt ab Seite 226 BGE 104 II 225 S. 226 A.- In der Ausgabe vom 29. April 1969 der in Arbon erscheinenden Tageszeitung "Der Oberthurgauer" wurde unter dem rot gedruckten Titel "Heisser Bilderhandel am Bodensee" und dem schwarzen Untertitel "Ein in X. wohnhafter deutscher Kunsthändler scheint Riesengewinne zu machen - Bringt die Staatsanwaltschaft in Frauenfeld Licht in dieses Geschäft?" ein Artikel veröffentlicht, der vom Journalisten W. verfasst war. Beim Kunsthändler, mit dessen Tätigkeit sich der Inhalt des Artikels befasste, handelte es sich um K., den Eigentümer einer dortigen Bildergalerie. K. fühlte sich durch verschiedene in diesem Artikel enthaltene Äusserungen in seiner Ehre verletzt. Am 26. Juni 1969 erhob er beim Friedensrichteramt Arbon gegen den Verfasser W., gegen Rechtsanwalt Dr. B. wegen dessen angeblicher Beteiligung an der Entstehung des Artikels sowie gegen H. als Chefredaktor der Zeitung eine Straf- und Zivilklage. Mit Eingabe vom 1. September 1969 reichte er Weisung und Klageschrift beim Bezirksgericht Arbon ein. Das Rechtsbegehren hatte folgenden Wortlaut: "I. Es seien die Beklagten der Ehrverletzung (d.h. der Verleumdung und/oder üblen Nachrede und/oder Beschimpfung) gegenüber dem Kläger durch das Mittel der Druckerpresse, bzw. der Gehilfenschaft dazu schuldig zu befinden und sie seien angemessen zu bestrafen. II. Es sei gerichtlich festzustellen, a) dass die in der Publikation des Artikels "Heisser Bilderhandel am Bodensee" im "Oberthurgauer" vom 29.4.1969 sowie eventuell in weiteren zu bezeichnenden Presseerzeugnissen verbreiteten Behauptungen und/oder Verdächtigungen und/oder Eindrucksvermittlungen ... nicht der Wahrheit entsprechen. b) dass die Beklagten den Kläger mit der publizierten Verbreitung dieser Behauptungen und Verdächtigungen rechtswidrig in seinen persönlichen Verhältnissen verletzt haben. BGE 104 II 225 S. 227 III. Es seien die Beklagten wegen dieser ehrverletzenden Äusserungen unter solidarischer Haftbarkeit gerichtlich zu verpflichten, dem Kläger Fr. 200'000.- nebst 5% Zins seit 1.5.1969, eventuell einen Gesamtbetrag oder Einzelbeträge nach richterlichem Ermessen als schuldig anzuerkennen und zu bezahlen. IV. Das Gerichtsurteil sei im "Oberthurgauer" sowie allenfalls in weiteren, zu bezeichnenden Presseerzeugnissen auf Kosten der Beklagten in vorzuschreibender Schriftgrösse zu publizieren." Im weiteren Verlauf des Verfahrens wurde der in Ziffer III geforderte Betrag auf Fr. 20'000.- reduziert. Das Bezirksgericht Arbon beschränkte das Verfahren, das sich aus verschiedenen Gründen in die Länge zog, auf die von den Beklagten erhobene Einrede der Verjährung. Mit Urteil vom 15. Februar/17. Mai 1974 erklärte es die Ehrverletzungsklage (Begehren I) zufolge Eintrittes der Verjährung als gegenstandslos und wies die Begehren II und III ab. Es nahm an, nicht nur die Strafklage sei verjährt, sondern gemäss Art. 60 OR auch die Zivilklage. Über das Klagebegehren IV sei nicht zu befinden, nachdem ein Urteilsspruch in der Strafsache nicht möglich sei. B.-
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Auf Berufung des Klägers hin hob das Obergericht des Kantons Thurgau das bezirksgerichtliche Urteil mit Entscheid vom 19. September 1974 auf und wies die Streitsache zur weiteren Behandlung im Sinne der Erwägungen an die erste Instanz zurück. Es ging davon aus, die absolute strafrechtliche Verjährung sei am 29. April 1973 eingetreten und eine Bestrafung der Beklagten wegen Ehrverletzung sei damit ausgeschlossen, welchem Umstand richtigerweise durch Einstellung des Strafverfahrens Rechnung zu tragen sei. Auch zivilrechtlich wäre gegenüber allen drei Beklagten die Verjährung eingetreten, sofern diese sich nach Art. 60 Abs. 1 OR richten würde. Hingegen bleibe zu prüfen, ob die Verjährung auch gemäss Art. 60 Abs. 2 OR eingetreten sei, da die strafrechtliche Verjährungsfrist im vorliegenden Fall zwei Jahre betrage und damit länger sei als die Einjahresfrist des Zivilrechts. Bei der Prüfung dieser Frage sei von der Annahme auszugehen, dass eine strafbare Handlung vorliege, wobei es Sache der ersten Instanz sein werde abzuklären, ob diese Voraussetzung wirklich gegeben sei. Da der Kläger den Beklagten B. am 29. April 1970 und am 3. Mai 1971 betrieben habe, sei jedenfalls diesem gegenüber die zweijährige Verjährung auch insoweit unterbrochen worden, als es im Prozess zu keinen verjährungsunterbrechenden Handlungen BGE 104 II 225 S. 228 gekommen sei. Was die beiden andern Beklagten anbetreffe, stelle sich die Frage, ob die Verjährungsunterbrechung gegenüber dem Beklagten B. auch ihnen gegenüber wirke. Dies hänge gemäss Art. 136 Abs. 1 OR davon ab, ob zwischen ihnen und B. Solidarschuldnerschaft bestehe. Auch über diese Frage werde die erste Instanz auf Grund der Rückweisung zu entscheiden haben. Was das Feststellungsbegehren anbetreffe, so habe dieses keine selbständige Bedeutung. C.- Nach der Wiederaufnahme des Verfahrens auf Grund der obergerichtlichen Rückweisung ordnete das Bezirksgericht Arbon die Trennung der Klagen gegenüber den drei Beklagten an. Auf die Klage gegen den Beklagten B. trat es in der Folge wegen örtlicher Unzuständigkeit nicht ein, und im Verfahren gegen den Beklagten W. erliess es einen Beweisbeschluss. Im (abgetrennten) Prozess gegen den Beklagten H. fällte es am 14. Januar 1977 ein neues Urteil, mit welchem es das Strafverfahren einstellte und die Zivilklage abwies. Es verneinte das Bestehen eines Solidarschuldverhältnisses zwischen dem Beklagten H. und dem Beklagten B. und gelangte so zum Schluss, dass die Unterbrechung der Verjährung gegenüber dem letztern nicht auch gegenüber dem erstern gewirkt habe; die Klage gegenüber dem Beklagten H. sei deshalb verjährt. D.- Der Kläger erhob gegen dieses Urteil erneut Berufung an das Obergericht des Kantons Thurgau. Im Laufe des Verfahrens vor der zweiten Instanz verstarb der Kläger, worauf die Witwe und die beiden unmündigen Kinder des Klägers als dessen Erben den Eintritt in den Prozess erklärten. Mit Entscheid vom 27. April 1978 erklärte das Obergericht die Berufung als unbegründet und wies die Klage in Übereinstimmung mit der ersten Instanz ab. E.- Gegen diesen Entscheid haben die Erben des Klägers Berufung an das Bundesgericht eingereicht. Sie stellen den Antrag, die Streitsache sei in Aufhebung des angefochtenen Urteils zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut und weist die Sache zu näherer Prüfung der Klagebegehren II und IV an das Obergericht zurück. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Was die Frage der Verjährung des mit der Klage geltend gemachten vermögensrechtlichen Anspruchs anbetrifft, ist BGE 104 II 225 S. 229 nicht mehr streitig, dass dieser Anspruch verjährt wäre, wenn für ihn die einjährige Verjährungsfrist des Art. 60 Abs. 1 OR gelten würde. Unbestritten ist ebenfalls, dass die längere strafrechtliche Verjährungsfrist von zwei Jahren (vgl. Art. 178 Abs. 1 StGB ), die nach Art. 60 Abs. 2 OR zur Anwendung gelangt, sofern die Klage aus einer strafbaren Handlung abgeleitet wird, gegenüber dem Beklagten selber nicht rechtzeitig unterbrochen wurde. Eine verjährungsunterbrechende Handlung erfolgte rechtzeitig lediglich gegenüber Rechtsanwalt B., gegen den die gleichen Ansprüche eingeklagt worden waren wie gegen den Beklagten. Der Eintritt der Verjährung im Verhältnis zum Beklagten hängt somit davon ab, ob die Verjährungsunterbrechung gegenüber Rechtsanwalt B. auch gegenüber dem Beklagten wirkte und ob sich dieser mit der Veröffentlichung des eingeklagten Artikels einer strafbaren Handlung schuldig machte. Diese letzte Frage, von der die Anwendbarkeit des Art. 60 Abs. 2 OR abhängt, ist von der Vorinstanz nicht geprüft worden. Wenn das Bundesgericht entgegen dem angefochtenen Urteil zur Auffassung gelangen sollte, der Eintritt der Verjährung im Sinne des Art. 60 Abs. 2 OR sei gegenüber dem Beklagten dadurch ausgeschlossen worden, dass die Verjährungsunterbrechung gegenüber Rechtsanwalt B. auch ihm gegenüber Wirkung entfaltet habe, muss die Sache somit an die Vorinstanz zurückgewiesen werden zur näheren Abklärung der Frage der Strafbarkeit des Beklagten wegen Ehrverletzung. 4. Nach Art. 136 Abs. 1 OR wirkt die Unterbrechung der Verjährung gegen einen Solidarschuldner auch gegen die übrigen Mitschuldner. In der Berufung wird gerügt, dass die Vorinstanz diese Vorschrift im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung brachte, indem sie das Bestehen eines Solidarschuldverhältnisses zwischen dem Beklagten und Rechtsanwalt B. verneinte. Es wird geltend gemacht, die solidarische Haftung dieser beiden Personen ergebe sich aus Art. 50 Abs. 1 OR , dessen Voraussetzungen hier entgegen dem angefochtenen Urteil erfüllt seien. Selbst wenn diese Bestimmung jedoch auf das Verhältnis des Beklagten zu Rechtsanwalt B. nicht zutreffen sollte, so wäre Art. 136 Abs. 1 OR in entsprechender Änderung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung auch auf einen Fall von unechter Solidarität bzw. Anspruchskonkurrenz anzuwenden. a) Art. 50 Abs. 1 OR bestimmt: "Haben mehrere den Schaden gemeinsam verschuldet, sei es als Anstifter, Urheber oder Gehilfen, so haften sie dem Geschädigten solidarisch." Die BGE 104 II 225 S. 230 Vorinstanz hat diese Bestimmung als unanwendbar betrachtet, weil sie auf Grund der nach kantonalem Prozessrecht zulässigen Parteivorbringen annahm, es fehle an einer ausreichenden klägerischen Behauptung über ein gemeinsames Zusammenwirken des Beklagten mit Rechtsanwalt B. Daran ist das Bundesgericht, wie denn auch in der Berufungsschrift eingeräumt wird, gebunden. In tatsächlicher Hinsicht ist deshalb davon auszugehen, dass der Beklagte bei der Entgegennahme und der Veröffentlichung des eingeklagten Artikels von einer Beteiligung von Rechtsanwalt B. an der Entstehung des Artikels nichts wusste. Die Klägerschaft vertritt die Auffassung, dass Art. 50 Abs. 1 OR richtigerweise auch in einem solchen Fall gelte. Es könne nicht darauf ankommen, dass die an der Schadensverursachung beteiligten Personen nach einem gemeinsamen Plan oder jedenfalls mit Wissen um den Tatbeitrag des andern gehandelt hätten. Vielmehr müsse genügen, dass jeder schuldhaft eine Ursache zum Schadenseintritt gesetzt habe. Nach dieser Auffassung wäre das Vorliegen eines gemeinsamen Verschuldens im Sinne eines absichtlichen oder fahrlässigen Zusammenwirkens der Schadensverursacher nicht Voraussetzung für die Anwendung von Art. 50 Abs. 1 OR . Lehre und Rechtsprechung legen dieser Bestimmung aber keinen derart weiten Sinn zu. Ausgehend vom deutschen Text des Gesetzes, wo von gemeinsamem Verschulden der mehreren Schädiger gesprochen wird (in der französischen und italienischen Fassung ist nur von gemeinsamer Verursachung die Rede), wird Art. 50 Abs. 1 OR nur dort als anwendbar betrachtet, wo mehrere Personen bei der Schadensverursachung schuldhaft zusammengewirkt haben ( BGE 100 II 337 E. 2e, 93 II 322 E. 2e, BGE 71 II 110 ff., BGE 64 II 24 f., BGE 57 II 419 ff.; von TUHR/SIEGWART, Allgemeiner Teil des Schweiz. OR, Bd. I, S. 395; OSER/SCHÖNENBERGER, und BECKER, je N. 2 ff. zu Art. 50 OR ; OFTINGER, Schweiz. Haftpflichtrecht, Bd. I, 4. Aufl., S. 334/335; GUHL/MERZ/KUMMER, Das Schweiz. OR, 6. Aufl., S. 195). Ein schuldhaftes Zusammenwirken bei der Schadensverursachung setzt jedoch entgegen der Auffassung der Klägerschaft voraus, dass jeder Schädiger vom Tatbeitrag des andern Kenntnis hat oder bei der erforderlichen Aufmerksamkeit Kenntnis haben könnte. Wer ohne Wissen eines andern Verursachers am schädigenden Ereignis beteiligt ist, wirkt nicht mit diesem schuldhaft bei der Schadensverursachung zusammen. Wenn Art. 50 BGE 104 II 225 S. 231 Abs. 1 OR nicht darauf abstellt, ob jemand als Anstifter, Urheber oder Gehilfe an der Schadensverursachung beteiligt ist, so nur deshalb, weil es für die solidarische Haftung nicht auf die Form der Teilnahme an der Begehung der unerlaubten Handlung ankommen soll (VON TUHR/SIEGWART, a.a.O. S. 395; OSER/SCHÖNENBERGER, N. 4 zu Art. 50 OR ). Es kann daraus jedoch nicht abgeleitet werden, wie dies die Kläger tun, dass es keine Rolle spiele, ob der eine der Beteiligten vom Tatbeitrag des andern Kenntnis gehabt habe oder bei der nötigen Aufmerksamkeit hätte haben können. Sonst würde es an der Voraussetzung eines gemeinsamen Verschuldens fehlen. Die Vorinstanz hat daher Art. 50 Abs. 1 OR nicht verletzt, wenn sie das Vorhandensein von Solidarschuldnerschaft im Sinne dieser Bestimmung verneinte. b) Die Klägerschaft möchte den Beklagten jedoch selbst dann als Solidarschuldner von Rechtsanwalt B. behandelt wissen, wenn Art. 50 Abs. 1 OR auf das Verhältnis zwischen diesen beiden Personen nicht zutreffen sollte. Dies hätte zur Folge, dass die gegen Rechtsanwalt B. erwirkte Verjährungsunterbrechung die Verjährung entsprechend der Regel des Art. 136 Abs. 1 OR auch gegenüber dem Beklagten unterbrochen hätte, ohne dass ein gemeinsames Verschulden im Sinne von Art. 50 Abs. 1 OR vorhanden gewesen sein müsste. Zur Begründung dieser Auffassung wird auf die Kritik hingewiesen, die in der neueren Lehre an der Unterscheidung zwischen echter und unechter Solidarität geübt worden ist, und geltend gemacht, es rechtfertige sich, Art. 136 Abs. 1 OR auch in einem Fall von unechter Solidarität oder Anspruchskonkurrenz wie hier zur Anwendung zu bringen. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung hat bisher in Übereinstimmung mit einem Teil der Lehre daran festgehalten, dass von der Solidarhaftung bei Schadensverursachung durch gemeinsames Verschulden gemäss Art. 50 OR der Fall unterschieden werden müsse, wo mehrere Personen durch verschiedene, von einander unabhängige unerlaubte Handlungen oder sonstwie aus verschiedenen Rechtsgründen für den gleichen Schaden haftbar seien. In diesem zweiten Fall, der gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt ist, auf den jedoch Art. 51 OR bei der Ordnung des Rückgriffsrechts Bezug nimmt, wird angenommen, dass dem Geschädigten konkurrierende Ansprüche gegenüber den verschiedenen BGE 104 II 225 S. 232 Schadensverursachern zustehen. Solche Anspruchskonkurrenz wird als unechte Solidarität bezeichnet. Der Unterschied zur echten Solidarität wird darin erblickt, dass bei dieser alle Schuldner aus dem gleichen Rechtsgrund für das Gleiche haften, währenddem sich die Haftung bei der unechten Solidarität aus verschiedenen Rechtsgründen herleitet. Die wichtigste (und möglicherweise sogar einzige praktische) Auswirkung der Unterscheidung zwischen echter und unechter Solidarität besteht in der ausschliesslichen Anwendung der Verjährungsunterbrechungsregel des Art. 136 Abs. 1 OR auf den Fall der echten Solidarität ( BGE 93 II 322 E. 2e, 333 E. 3a, BGE 89 II 122 f. E. 5, BGE 69 II 167 f.; VON TUHR/SIEGWART, a.a.O., Bd. I, S. 395; VON TUHR/ESCHER, Allgemeiner Teil des Schweiz. OR, Bd. II, S. 319 ff.; GUHL/MERZ/KUMMER, a.a.O., S. 55, 195 f.; OFTINGER, a.a.O., S. 337 ff., je mit Zitaten). Diese Unterscheidung ist besonders in der neueren Lehre auf Ablehnung gestossen. Es wird beanstandet, dass für die unterschiedliche Behandlung der Fälle von echter und jener von unechter Solidarität ein zuverlässiges und sachlich begründetes Kriterium fehle und dass die praktischen Auswirkungen dieser Unterscheidung nur sehr gering seien (vgl. vor allem OFTINGER, a.a.O., S. 338 ff.; VON BÜREN, Schweiz. OR, Allgemeiner Teil, S. 104 f.; GAUCH/ SCHLUEP/JÄGGI, Schweiz. OR, Allgemeiner Teil, Nachdruck 1978 des gemeinsamen Skriptums, Bd. II, S. 239). Im vorliegenden Fall hängt die Verjährung der klägerischen Forderung gegenüber dem Beklagten in der Tat davon ab, ob an der Unterscheidung zwischen echter und unechter Solidarität festgehalten wird. Diese Frage kann aber nicht losgelöst vom geltenden Recht entschieden werden, wie dies in der zitierten Literatur zum Teil geschieht. Auszugehen ist vom Wortlaut von Art. 136 Abs. 1 OR , wo von der Unterbrechung der Verjährung gegenüber einem Solidarschuldner die Rede ist. Was unter Solidarschuldnerschaft zu verstehen ist, regelt das Gesetz in den Art. 143 ff. OR ausdrücklich. Nach der Legaldefinition in Art. 143 OR entsteht Solidarität unter mehreren Schuldnern entweder mit deren Erklärung, dass jeder einzelne dem Gläubiger gegenüber für die Erfüllung der ganzen Schuld haften wolle, oder - in Ermangelung einer solchen Willenserklärung - "nur in den vom Gesetz bestimmten Fällen" (Abs. 2). In Art. 41 ff. OR , wo die Entstehung der Obligationen durch unerlaubte Handlungen geregelt wird, sieht einzig Art. 50 OR BGE 104 II 225 S. 233 für den Fall der Schadensverursachung durch gemeinsames Verschulden solidarische Haftung vor. Für die Anspruchskonkurrenz bei Haftung aus verschiedenen Rechtsgründen fehlt eine entsprechende Regelung. Das Gesetz schreibt somit nicht vor, dass in einem solchen Fall Solidarität mit allen ihren Konsequenzen gelten soll. Für die Übertragung der Regel des Art. 136 Abs. 1 OR auf Fälle dieser Art fehlt es daher an einer klaren gesetzlichen Grundlage. Dazu kommt, dass Art. 136 Abs. 1 OR ausgesprochenen Ausnahmecharakter hat und, wie verschiedene Autoren mit Recht hervorheben, als innerlich wenig begründet und unbillig erscheint (VON TUHR/ESCHER, a.a.O., S. 320; GUHL/MERZ/KUMMER, a.a.O., S. 59). Die Bestimmung sollte deshalb nicht ausdehnend ausgelegt, sondern auf die vom Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Fälle der Solidarität beschränkt werden. Haften mehrere Personen aus verschiedenen Rechtsgründen, so ist das Verhältnis zwischen ihnen in der Regel auch weniger eng als bei der Haftung aus gemeinsamem Verschulden im Sinne von Art. 50 OR . Dies gilt jedenfalls hier, wo davon auszugehen ist, dass der Beklagte von der behaupteten Beteiligung von Rechtsanwalt B. an der Entstehung des eingeklagten Artikels keinerlei Kenntnis hatte. Es ist deshalb nicht gerechtfertigt, Art. 136 Abs. 1 OR im vorliegenden Fall zur Anwendung zu bringen, weshalb in Übereinstimmung mit der Vorinstanz anzunehmen ist, die eingeklagte Forderung sei gegenüber dem Beklagten verjährt. 5. Das Klagebegehren II ist auf Feststellung gerichtet, dass eine Reihe der publizierten Äusserungen nicht der Wahrheit entsprechen und eine Persönlichkeitsverletzung darstellen. Die Vorinstanz hat in ihrem ersten Urteil vom 19. September 1974 ausgeführt, dieses Begehren habe keine selbständige Bedeutung und Art. 28 ZGB gewähre gar keinen Feststellungsanspruch. Im angefochtenen Urteil wird in Ergänzung dazu festgehalten, die Klägerschaft hätte von Anfang an die Möglichkeit gehabt, neben den vermögensrechtlichen Ansprüchen eine Beseitigungs- oder Unterlassungsklage zu erheben. Nachdem sie davon abgesehen habe, bleibe für ein selbständiges Feststellungsbegehren kein Raum. Auch würde es angesichts der inzwischen verstrichenen Zeit an einem schutzwürdigen Interesse an der verlangten Feststellung fehlen. Die Klägerschaft macht geltend, diese Auffassung sei mit dem Bundesrecht nicht vereinbar. BGE 104 II 225 S. 234 a) Abgesehen davon, dass Art. 28 ZGB dem Verletzten auch ohne ausdrückliche Erwähnung einen selbständigen Anspruch auf Feststellung gewährt ( BGE 101 II 189 , BGE 95 II 499 E. 9), übersieht die Vorinstanz, dass die gerichtliche Feststellung eine bestimmte Äusserung sei unwahr und verletze das Persönlichkeitsrecht des Klägers, nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung als Mittel zur Beseitigung einer Störung in den persönlichen Verhältnissen dienen kann ( BGE 101 II 187 f. E. 4b, BGE 95 II 496 ). In einem solchen Fall ist ein besonderes Feststellungsinteresse nicht erforderlich, sondern es genügt das Interesse des Klägers an der Beseitigung der Kränkung, die ihm durch die angeblich rechtswidrige Äusserung zugefügt wurde ( BGE 95 II 496 ff.; JÄGGI, ZSR 79/1960, Bd. II, S. 190 a ff.; KUMMER, ZBJV 103/1967, S. 107 und 110; MERZ, SJZ 67/1971, S. 89/90). Dieses Interesse ist grundsätzlich zu bejahen, wenn der Beklagte bestreitet, widerrechtlich gehandelt zu haben (JÄGGI, a.a.O. S. 192 a), oder wenn es sich um Persönlichkeitsverletzungen durch die Druckerpresse handelt, weil bei diesen der Fortbestand des Presseerzeugnisses die Gefahr schafft, dass Dritte später aufs neue von den verletzenden Äusserungen Kenntnis erhalten können ( BGE 101 II 188 , BGE 95 II 497 /498). Beide Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Klägerschaft hat daher auf Grund des Bundesrechts ein schützenswertes Interesse an der Beseitigung der ihr durch die eingeklagten Äusserungen zugefügten Kränkung, sofern sich diese Äusserungen als unwahr und somit ehrverletzend erweisen sollten. Das Beseitigungsinteresse mag durch den Zeitablauf geringer geworden sein. Weggefallen ist es jedoch nicht. Die mit dem Klagebegehren II verlangte Feststellung bildet ein taugliches Mittel, um die immer noch andauernde Kränkung zu beseitigen. Die Vorinstanz hätte das Rechtsschutzinteresse der Klägerschaft deshalb nicht wegen der langen Zeit, die seit der Veröffentlichung des Artikels verflossen ist, verneinen dürfen. b) Hingegen stellt sich die im angefochtenen Urteil aufgeworfene, aber offen gelassene Frage, ob die Erben des Klägers, die nach dessen Tod im Laufe des vorinstanzlichen Verfahrens in den Prozess eintraten, überhaupt berechtigt sind, die Klage in diesem Punkt weiterzuverfolgen. Im Unterschied zu den vermögensrechtlichen Ansprüchen, die sich aus einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts ergeben haben, sind die Abwehransprüche des Art. 28 Abs. 1 ZGB höchstpersönlicher BGE 104 II 225 S. 235 Natur und daher unvererblich. Die Erben des ursprünglichen Klägers können den in die Form eines Feststellungsbegehrens gekleideten Beseitigungsanspruch somit nur dann weiterverfolgen wenn ihnen dies zur Wahrung der Rechte des verstorbenen K. zugebilligt werden muss oder wenn sie damit ein eigenes Recht, dass sich inhaltlich mit jenem des Verstorbenen deckt, wahrnehmen. Nach einer in Deutschland herrschend gewordenen Auffassung findet das Persönlichkeitsrecht in bestimmten Bereichen über den Tod seines Trägers hinaus Rechtsschutz. Es wird in diesem Zusammenhang von postmortalem Persönlichkeitsschutz gesprochen (vgl. dazu aus neuerer Zeit; BRITA LEHMANN, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, Zur Frage des Fortbestehens des allgemeinen Persönlichkeitsrechts über den Tod des Rechtsträgers hinaus, Bonner Diss. 1973; PETER SCHWERDTNER, Das Persönlichkeitsrecht in der deutschen Zivilrechtsordnung, 1977, S. 101 ff., je mit Literaturhinweisen). Vor allem im sogenannten Mephisto-Urteil vom 20. März 1968 hat der deutsche Bundesgerichtshof entschieden, dass es auch nach dem Tod einer Person zulässig sei, in ihrem Namen gegen eine Verfälschung ihres Lebensbildes in einem zeitkritischen Roman Klage zu erheben (BGHZ 50, S. 133 ff.). Die schweizerische Rechtslehre steht hingegen einer Ausdehnung des Persönlichkeitsschutzes über den Tod des Rechtsträgers hinaus fast einhellig ablehnend gegenüber (EGGER, N. 48/49 zu Art. 28 und N. 15 zu Art. 31 ZGB ; GROSSEN, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. II, S. 304, Ziff. IV; KARL SPECKER, Die Persönlichkeitsrechte, Zürcher Diss. 1910, S. 141 ff.; EUGEN BUCHER, Personenrecht, Vorlesungsskriptum 1977, S. 150; RAINER SCHUMACHER, Die Presseäusserung als Verletzung der persönlichen Verhältnisse, Freiburger Diss. 1960, S. 236 f.; FRANZ RIKLIN, Der Schutz der Persönlichkeit gegenüber Eingriffen durch Radio und Fernsehen nach schweiz. Privatrecht, Freiburger Diss. 1968, S. 303, insbesondere Anm. 8. - Der zuletzt genannte Autor selber vertritt indessen eine von der herrschenden Meinung abweichende These, vgl. a.a.O., S. 299 ff. Kritisch äussert sich auch JÄGGI, a.a.O., S. 168 a f., Anm. 52). Nach Art. 31 Abs. 1 ZGB endet die Persönlichkeit mit dem Tode. Obwohl einzuräumen ist, dass gewisse persönliche Güter wie z.B. das Ansehen einer Person auch nach deren Tod verletzt werden können, versagt unsere Rechtsordnung dem Verstorbenen BGE 104 II 225 S. 236 jede Rechtsfähigkeit und damit zwangsläufig auch die Klagelegitimation. Es ist daher auf Grund des geltenden Rechts ausgeschlossen, dass jemand als Vertreter eines Verstorbenen in dessen Namen eine Klage gemäss Art. 28 Abs. 1 ZGB anhebt oder weiterführt. Hingegen ist es zulässig, dass nahe Angehörige für den Schutz der den Tod überdauernden Persönlichkeitsgüter sorgen, indem sie sich hiefür auf ihr eigenes Persönlichkeitsrecht stützen, das mindestens in einem gewissen Umfang auch die Wahrung des Ansehens naher Verwandter oder sogar Freunde mitumfassen kann ( BGE 101 II 191 und die dort angeführten Zitate). Im vorliegenden Fall kann kein Zweifel daran bestehen, dass den in den Prozess eingetretenen Erben des ursprünglichen Klägers, - es handelt sich dabei um dessen Witwe und dessen beiden Kinder, mithin um seine nächsten Angehörigen -, ein eigener Beseitigungsanspruch, der nicht weniger weit reicht als der mit der Klage geltend gemachte, zuerkannt werden muss. Nur auf diese Weise ist es ihnen möglich, das Ansehen ihres Ehemanns und Vaters zu verteidigen und so ihre innere Verbundenheit mit dem Verstorbenen zu wahren. Man kann sich einzig fragen, ob es ihnen gestattet sein soll, ihren eigenen Beseitigungsanspruch auf die Weise geltend zu machen, dass sie die vom Verstorbenen angehobene Klage weiterverfolgen. Der ursprünglich eingeklagte Beseitigungsanspruch ist im Unterschied zu jenem vermögensrechtlicher Natur nicht durch Erbfolge auf sie übergegangen, weshalb es sich, streng rechtlich betrachtet, heute nicht mehr um die gleiche Klage handelt. Die Rechtsverfolgung würde jedoch übermässig erschwert, wenn man den Angehörigen zumuten wollte, einen neuen Prozess einzuleiten, um ihren sich inhaltlich mit jenem des Verstorbenen deckenden Beseitigungsanspruch geltend zu machen, obwohl sie als Erben den bisherigen Prozess weiterführen können, soweit es dabei um vermögensrechtliche Interessen geht. Die Verwirklichung des materiellen Rechts gebietet es in einem solche Fall, dass den Angehörigen die Fortsetzung des hängigen Prozesses auch insoweit gestattet werden muss, als sich ihr eigener Abwehranspruch inhaltlich wie hier mit jenem des verstorbenen Klägers deckt. Auf Grund dieser Überlegungen ist die Sache zur materiellen Behandlung des Feststellungsbegehrens an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Sachverhalt ab Seite 231 BGE 139 V 230 S. 231 A. H., geboren 1950, war seit 1. November 1972 bei der Pensionskasse des Bundes (heute: PUBLICA), Bern, berufsvorsorgeversichert. Im September 2010 meldete er sich bei der PUBLICA zur Teilpensionierung im Umfang von 33 1/3 % auf den 1. Januar 2011 an. Zwischen H. und der PUBLICA entstand ein Streit über die Höhe der Kürzung der Altersrente zufolge freiwilliger vorzeitiger Pensionierung. Mit Leistungsbescheid vom 23. Dezember 2010 teilte die PUBLICA H. mit, die monatliche Altersrente betrage (ohne Überbrückungsrente) Fr. 1'272.90. B. Die hiegegen erhobene Klage des H., mit welcher er die Zusprechung einer jährlichen Altersrente ab 1. Januar 2011 in Höhe von Fr. 16'432.15 (d.h. monatlich Fr. 1'369.35) beantragen liess, wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 5. Juli 2012 ab. C. H. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides (wiederum) die Zusprechung einer jährlichen Altersrente in Höhe von Fr. 16'432.15 ab 1. Januar 2011 nebst Zins beantragen. BGE 139 V 230 S. 232 Die PUBLICA schliesst auf Abweisung der Beschwerde und beantragt ("vorsorglich") den Ausstand aller Gerichtsschreiberinnen und Gerichtsschreiber, die am 1. Juli 2008 das 55. Altersjahr vollendet hatten. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. 5.1 Der Wortlaut von Art. 25 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 2006 über die Pensionskasse des Bundes (PUBLICA-Gesetz; SR 172.222.1) lässt entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers nicht darauf schliessen, dass die bei vorzeitiger Pensionierung vor dem vollendeten 62. Altersjahr vorzunehmende Kürzung der (statischen) Besitzstandsgarantie von 95 % der nach bisherigem Recht im Alter 62 erreichbaren Altersrente unterliegt. Der Übergangsgeneration wird (nur) garantiert, im Alter 62 mindestens 95 % der bisher in jenem Zeitpunkt erreichbar gewesenen Altersrente zu erhalten. Nach dem insoweit klaren Gesetzeswortlaut ist somit bei Rücktritten zwischen dem 60. und dem 62. Altersjahr der gemäss Satz 1 von Art. 25 PUBLICA-Gesetz berechnete Anspruch im Alter 62 - in einem zweiten Schritt - versicherungsmathematisch zu kürzen und kann für diesen begrenzten Zeitraum auch weniger als 95 % der bisherigen Leistungen im Alter 62 betragen (vgl. BBl 2005 5879 zu Art. 26 E-PUBLICA-Gesetz: "Somit kann zum Beispiel eine versicherte Person, die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes im 56. Altersjahr steht, mit 62 Jahren 95 Prozent der Rente erreichen, die sie im bisherigen System im Alter 62 erreicht hätte"). 5.2 Über die Modalitäten der Kürzung ist damit allerdings noch nichts gesagt. Namentlich lässt sich aus dem vom Gesetzgeber verwendeten Terminus "versicherungsmathematisch" - entgegen den vorinstanzlichen Erwägungen - nicht ableiten, die Kürzung sei nicht mehr nach dem bis 30. Juni 2008 gültig gewesenen Art. 33 Abs. 4 der Verordnung vom 25. April 2001 über die Versicherung im Kernplan der Pensionskasse des Bundes (PKBV 1; AS 2001 2327, [in Kraft gestanden bis Ende Juni 2008] ) vorzunehmen. Gemäss dieser Norm war die Altersrente bei Pensionierung vor dem vollendeten 62. Altersjahr um 0,2 % pro Monat vor Alter 62 zu kürzen. Nicht stichhaltig ist vorab das Argument, eine (lineare) Kürzung von 0,2 % BGE 139 V 230 S. 233 pro Monat vor Alter 62 (gemäss Art. 33 Abs. 4 PKBV 1 ) lasse sich mit dem Begriff der "versicherungsmathematischen Kürzung" nicht vereinbaren. "Versicherungsmathematisch" meint einzig, dass die Bewertung von Risiken mittels mathematischer Modelle erfolgt (z.B. KLAUS D. SCHMIDT, Versicherungsmathematik, 2006, S. 2), was eine Kürzung nach Art. 33 Abs. 4 PKBV 1 keineswegs ausschliesst. 5.3 Der bundesrätlichen Botschaft (BBl 2005 5879) sind keine eindeutigen Präzisierungen zu entnehmen, wie die "versicherungsmathematische" Kürzung zu erfolgen hat. Immerhin stehen die tabellarisch festgehaltenen Leistungsziele (BBl 2005 5900, Kurvendiagramm), welche einen parallelen Verlauf der Leistungen der Übergangsgeneration und jener der bisherigen Rentenbezüger zeigen, einer Kürzung nach der bisherigen ("linearen") Regelung von Art. 33 Abs. 4 PKBV 1 jedenfalls nicht entgegen. Insbesondere aber hielt der Bundesrat fest, "die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes 55-, aber noch nicht 65-jährigen Versicherten [sollten] noch von den geltenden günstigeren Modalitäten des vorzeitigen Altersrücktritts einschliesslich der Überbrückungsrente Gebrauch machen können" (BBl 2005 5879). Diese Intention spricht klar für die Anwendbarkeit des alten Rechts. Wohl war die bisherige Regelung der vorzeitigen Pensionierung nicht kostendeckend, weshalb es bei der Totalrevision des Bundesgesetzes über die Pensionskasse des Bundes auch um eine Art Sanierung ging (AB 2006 N 811, Votum Merz). Indes erhellt aus dem Protokoll der staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 26./27. Januar 2006, dass die Übergangsregelung nicht "zu knausrig ausgestalte(t)" werden sollte, um einerseits einen sogenannten Torschlusseffekt, der am Ende teurer zu stehen komme, und anderseits einen Aderlass beim Bund zu verhindern. Ins Gewicht fällt überdies, dass sich die der Übergangsgeneration nach Art. 25 PUBLICA-Gesetz garantierte Altersrente grundsätzlich ausgehend vom versicherten Verdienst am 1. Januar 2008 berechnet (Urteil 9C_869/2009 vom 28. Januar 2010 E. 2.3) und - folgerichtig - auch die Berechnung der Rente nach den bis 30. Juni 2008 gültig gewesenen Bestimmungen zu erfolgen hat (Urteil 9C_869/2009 E. 2.5). Im Urteil 9C_769/2009 vom 9. April 2010 (E. 4.2) erwog das Bundesgericht, ausgehend davon, dass die Übergangsgeneration der 55-, aber noch nicht 65-jährigen Versicherten "noch von den geltenden günstigen Modalitäten des vorzeitigen Altersrücktritts einschliesslich der Überbrückungsrenten Gebrauch machen können" sollte, stelle sich die Frage, ob sich die statische Besitzstandsgarantie im BGE 139 V 230 S. 234 Falle der vorzeitigen freiwilligen Pensionierung vor dem Alter 62 nicht auch für die versicherungsmathematische Kürzung nach dem bisherigen Recht, d.h. nach dem Leistungsprimat richte. In der Tat sind nach dem Gesagten keine gewichtigen Gründe ersichtlich, welche für das wenig praktikable Ergebnis sprechen, wonach sich der versicherte Verdienst und die Berechnung der Altersrente nach bisherigem Recht, die Kürzungsregel hingegen nach neuem Recht zu richten hätte. Vielmehr sind in Anlehnung an die bisherige Rechtsprechung und in Fortsetzung derselben nicht nur der versicherte Verdienst und die der Übergangsgeneration garantierte Altersrente nach altem Recht zu bestimmen, sondern es sind auch auf die Kürzungsmodalitäten die bis 30. Juni 2008 gültig gewesenen Normen anzuwenden. Bei dieser Ausgangslage ist irrelevant, ob das gleichzeitig mit dem PUBLICA-Gesetz in Kraft getretene Vorsorgereglement des Vorsorgewerks ETH-Bereich für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ETH-Bereichs vom 3. Dezember 2007 (VR-ETH 1; SR 172.220.142.1) eine Kürzungsmöglichkeit enthält, weil es auf die Übergangsgeneration von vornherein nicht zur Anwendung gelangt.
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Sachverhalt ab Seite 298 BGE 134 II 297 S. 298 A. Die Corvatsch Power GmbH, welche bis anhin bereits mit dem Sammeldienst für den Hauskehricht im Gebiet des Abfallbewirtschaftungsverbands Oberengadin-Bergell (exklusive St. Moritz und Bergell) betraut war, erhielt am 16. Februar 2006 aufgrund einer neuen Submission auch den Zuschlag für die Zeitspanne vom 1. Juni 2006 bis 31. Mai 2011. Hiergegen beschwerte sich ein Mitbewerber beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, worauf der Abfallbewirtschaftungsverband - im Sinne einer Übergangslösung - die Corvatsch Power GmbH mit der Weiterführung des Sammeldienstes ab dem 1. Juni 2006 bis zum Abschluss des Rechtsmittelverfahrens beauftragte. B. Nachdem das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden die Beschwerde des Mitbewerbers am 8. Mai 2006 abgewiesen hatte, stellte der Abfallbewirtschaftungsverband der Corvatsch Power GmbH den Vertrag für die künftige Besorgung des Sammeldienstes zur Unterzeichnung zu. Die Corvatsch Power GmbH beanstandete jedoch, die (bereits in der Ausschreibung angegebene) jährliche Abfallmenge von rund 4'366 Tonnen, nach welcher sich ihre Entschädigung richten sollte, sei zu hoch; der tatsächliche Durchschnitt der vergangenen Jahre liege bei 4'181 Tonnen. Sie verlangte deshalb einen Ausgleich des sich aus der fraglichen Differenz ergebenden Ertragsausfalls. Nachdem eine Besprechung zu keinem Ergebnis geführt hatte, lehnte der Verband die beantragte Vertragsanpassung mit Schreiben vom 25. Juli 2006 definitiv ab; gleichzeitig stellte er fest, dass die (mündlich) vereinbarte Verlängerung des bisherigen Vertrags infolge des Scheiterns der Verhandlungen über den Abschluss eines neuen Vertrags am 31. Juli 2006 ende. Am 27. Juli 2006 teilte der Verband den beteiligten Gemeinden und den Bewerbern mit, dass ab 1. August 2006 das im Submissionsverfahren zweitplatzierte Unternehmen den Sammeldienst übernehmen werde. Tags darauf sandte die Corvatsch Power GmbH dem Verband den unterzeichneten Vertrag zurück und erklärte, sie verzichte auf die bisher geforderte Anpassung der jährlichen Abfallmenge. Der Verband erklärte die Vertragsunterzeichnung jedoch für verspätet und hielt an der Beauftragung des zweitplatzierten Mitbewerbers fest (Schreiben vom 31. Juli 2006). C. Am 25. August 2006 beschwerte sich die Corvatsch Power GmbH beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden und verlangte, dass der Abfallbewirtschaftungsverband Oberengadin-Bergell zum Abschluss des ihr am 26. Mai 2006 unterbreiteten Vertrags BGE 134 II 297 S. 299 verpflichtet werde, wobei - für den Fall einer Unterschreitung der in der Ausschreibung angegebenen Abfallmengen - eine Anpassung des Tonnenpreises vorzusehen sei. Das Verwaltungsgericht erklärte sich für unzuständig, über das Zustandekommen des Vertrags zu urteilen, und verwies die Corvatsch Power GmbH insoweit an die Zivilgerichte. Weil es die vorläufige Beauftragung eines Drittunternehmers mit der Abfallentsorgung als rechtmässig beurteilte, wies es die Beschwerde im Übrigen ab (Urteil vom 7. November 2006). Diesen Entscheid schützte das Bundesgericht auf staatsrechtliche Beschwerde hin (Urteil 2P.329/2006 vom 15. Juni 2007). D. In der Folge gelangte die Corvatsch Power GmbH an das Bezirksgericht Maloja, dem sie zur Hauptsache die gleichen Anträge unterbreitete wie dem Verwaltungsgericht; zusätzlich verlangte sie noch Schadenersatz in der Höhe von 100'000 bzw. 500'000 Franken. Das Bezirksgericht wies die Klage am 13. November 2007 ab, soweit es darauf eintrat: Es erachtete sowohl den abzuschliessenden Vertrag als auch die gestellte Schadenersatzforderung als öffentlichrechtlicher Natur und hielt sich deshalb für sachlich unzuständig. In einer Eventualbegründung erklärte es die Klage zudem für unbegründet, weil einerseits keine Kontrahierungspflicht bestehe und andererseits kein Konsens vorliege. E.
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Diesen Entscheid focht die Corvatsch Power GmbH beim Kantonsgericht von Graubünden an, wobei sie grundsätzlich die gleichen Anträge wie im erstinstanzlichen Verfahren stellte, aber ihre Schadenersatzforderung auf 13'463.65 Franken reduzierte. Im Unterschied zum Bezirksgericht qualifizierte das Kantonsgericht den abzuschliessenden Vertrag als privatrechtlicher Natur und, aufgrund übereinstimmender Willenserklärungen, als zustande gekommen. Es hiess mit Urteil vom 11. März 2008 die Berufung teilweise gut, hob das Urteil des Bezirksgerichts auf (Ziff. 1) und verpflichtete den Abfallbewirtschaftungsverband Oberengadin-Bergell - obschon es in den Erwägungen vom Zustandekommen des Vertrags ausgegangen war - zum Vertragsschluss mit der Corvatsch Power GmbH (Ziff. 2a); dieser sprach sie gleichzeitig Schadenersatz in der Höhe von 10'800 Franken zu (Ziff. 2b). F. Am 13. Juni 2008 hat der Abfallbewirtschaftungsverband Oberengadin-Bergell beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht, die vom Bundesgericht teilweise gutgeheissen wird. BGE 134 II 297 S. 300 Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der Beschwerdeführer hat - der Rechtsmittelbelehrung im kantonalen Urteil entsprechend - beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Für die Behandlung dieses Rechtsmittels sind grundsätzlich die beiden Zivilabteilungen zuständig (vgl. Art. 31 f. des Reglements vom 20. November 2006 für das Bundesgericht [SR 173.110.131]). Gemäss Art. 36 des Reglements ist für die Zuteilung eines Geschäfts die Rechtsfrage massgebend, auf der das Schwergewicht der Entscheidung liegt (Abs. 1), wobei im Einzelfall von der reglementarisch vorgesehenen Geschäftsverteilung abgewichen werden kann, wenn dies die Natur des Geschäfts oder dessen Konnexität mit anderen Verfahren nahelegt. In Anwendung dieser Grundsätze hat die II. öffentlich-rechtliche Abteilung das vorliegende Verfahren übernommen, obschon sie ansonsten ausschliesslich Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiäre Verfassungsbeschwerden aus den ihr zugewiesenen Sachgebieten beurteilt (vgl. Art. 30 des Reglements). Ausschlaggebend hiefür ist, dass die sich vorliegend stellenden Rechtsfragen in engem Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren stehen, welches dem umstrittenen Vertragsschluss vorangegangen ist und das seinerseits bereits Gegenstand eines von der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung behandelten Rechtsmittelverfahrens bildete (vgl. Sachverhalt lit. C). 2. Der Beschwerdeführer macht vorab geltend, das Kantonsgericht habe das Zustandekommen des Vertrags zu Unrecht gestützt auf Bundeszivilrecht beurteilt bzw. fälschlicherweise nicht das kantonale öffentliche Recht angewandt. Daraus schliesst er, die Vorinstanz sei zur Beurteilung der Streitsache gar nicht zuständig gewesen. 2.1 Über das Mittel der öffentlichen Beschaffung soll einerseits das Gemeinwesen die benötigten Sachen und Dienstleistungen wirtschaftlich günstig einkaufen können und andererseits die Gleichbehandlung der Anbieter sowie die Transparenz des Auswahlverfahrens sichergestellt werden. Die Verfügung, in welche die Submission mündet, bestimmt verbindlich, mit welchem Bewerber die Vergabebehörde einen Vertrag schliessen soll, "vergibt" aber den Gegenstand des Vergabeverfahrens nicht unmittelbar an den ausgewählten Anbieter. Mit diesem hat das Gemeinwesen nach dem Zuschlag einen Vertrag abzuschliessen über die Erbringung der benötigten Dienstleistung bzw. die Lieferung der nachgesuchten Waren. Anders als im vorangehenden Vergabeverfahren, in dem die BGE 134 II 297 S. 301 zuständige Behörde hoheitlich handelt, treten sich der Anbieter und das Gemeinwesen dabei in der Regel auf dem Boden des Privatrechts gegenüber und schliessen einen privatrechtlichen Vertrag ab (sog. Zweistufentheorie; vgl. GALLI/MOSER/LANG/CLERC, Praxis des öffentlichen Beschaffungsrechts, 2. Aufl. 2007, Rz. 701; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2006, Rz. 287 f.). 2.2 Je nach Inhalt kann die vom Zuschlagsempfänger zu erbringende Leistung aber auch Gegenstand einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung bilden. Es ist im konkreten Fall zu prüfen, ob ein vom Gemeinwesen geschlossener Vertrag verwaltungsrechtlicher oder privatrechtlicher Natur ist, was sich vorab nach dem Gegenstand der durch ihn begründeten Rechte und Pflichten beurteilt: Ein verwaltungsrechtlicher Vertrag hat direkt die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe zum Inhalt oder betrifft einen im öffentlichen Recht geregelten Gegenstand, zum Beispiel eine Erschliessung, Enteignung oder Subvention ( BGE 128 III 250 E. 2b S. 253 f.; vgl. auch RENÉ RHINOW, Verfügung, Verwaltungsvertrag und privatrechtlicher Vertrag, in: Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1985, S. 303; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, a.a.O., Rz. 1058). Demgegenüber liegt eine privatrechtliche Vereinbarung vor, wenn sich der Staat durch Kauf, Werkvertrag oder Auftrag bloss die Hilfsmittel beschafft, derer er zur Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben bedarf. Allerdings kann die Zuordnung eines Vertrags zum einen oder anderen Rechtsbereich im konkreten Einzelfall mit Schwierigkeiten verbunden sein, so dass gegebenenfalls beide Betrachtungsweisen zulässig erscheinen. 3. Nach dem Gesagten ist zunächst die Rechtsnatur des Gegenstand der Ausschreibung bildenden Vertrags zu bestimmen. 3.1 Die Entsorgung von Siedlungsabfällen ist Sache der Kantone (vgl. Art. 31b des Bundesgesetzes vom 7. Oktober 1983 über den Umweltschutz [USG; SR 814.01]), welche diese Aufgabe jedoch delegieren können ( Art. 43 USG ; vgl. auch BGE 123 II 359 E. 5a S. 367). Dementsprechend hat der Kanton Graubünden die Entsorgung der Siedlungsabfälle den Gemeinden übertragen, welche gemäss Art. 35 Abs. 2 des Bündner Einführungsgesetzes vom 2. Dezember 2001 zum Bundesgesetz über den Umweltschutz (KUSG; BR 820.10) insbesondere zuständig sind für den Bau und Betrieb der notwendigen Abfallanlagen (lit. b), die Sammlung der Siedlungsabfälle und deren Transport zu den Abfallanlagen (lit. a) sowie die Einrichtung von Sammelstellen für kleinere Mengen von Sonderabfällen aus BGE 134 II 297 S. 302 Haushalt und Kleingewerbe (lit. c). Der Kanton hat den Gemeinden dabei ausdrücklich gestattet, diese Aufgaben öffentlich-rechtlichen Körperschaften oder geeigneten privaten Unternehmen weiter zu übertragen (Art. 35 Abs. 3 KUSG). So haben sich die Gemeinden des Oberengadins zu einem Gemeindeverband - dem Beschwerdeführer - zusammengeschlossen, der nun seinerseits einen Teil jener Aufgaben, welche der kantonale Gesetzgeber im Bereich der Abfallentsorgung den Gemeinden und diese ihm überbunden haben, auf ein privates Transportunternehmen übertragen will. 3.2 Im angefochtenen Entscheid hat das Kantonsgericht erwogen, der Beschwerdeführer gedenke bloss einen Teil seiner Verpflichtung zur Abfallentsorgung einem privaten Unternehmer zu überbinden, betreffe der streitige Vertrag doch nur den Sammel- und Transportdienst in einem Teil der Verbandsgemeinden. Dem privaten Vertragspartner werde so nicht die öffentliche Aufgabe als solche übertragen, zumal die Verantwortlichkeit für Abfuhr, Verwertung und Entsorgung von Hauskehricht beim Beschwerdeführer verbleibe. Vertragsgegenstand bilde bloss "die Sammel- und Transportdienstleistung als reine Hilfstätigkeit", so dass es um den Abschluss eines privatrechtlichen und nicht eines verwaltungsrechtlichen Vertrags gehe. 3.3 Dem lässt sich entgegenhalten, dass der Abtransport des Hauskehrichts schon für sich allein als eigentliche öffentliche Aufgabe betrachtet werden kann und - entgegen den Ausführungen der Vorinstanz - nicht bloss eine untergeordnete Hilfstätigkeit zur Abfallentsorgung als Ganzes darzustellen braucht; es verhält sich diesbezüglich anders, als wenn etwa die blosse Beschaffung der für die Kehrichtabfuhr benötigten Fahrzeuge in Frage stünde. Dem Beschwerdeführer ist deshalb insoweit Recht zu geben, als die streitbetroffene Dienstleistung durchaus Gegenstand eines öffentlich-rechtlichen Vertrags bilden könnte (wie das offenbar im Kanton Zürich der Fall ist). Allerdings ist diese rechtliche Einordnung mit Blick darauf, dass einerseits die Abgrenzung zwischen der Übertragung einer eigentlichen öffentlichen Aufgabe und einer blossen Hilfstätigkeit fliessend ist und anderseits auch die von der öffentlichen Hand abgeschlossenen Verträge im Zweifelsfall privatrechtlicher Natur sind, in einem Fall wie dem vorliegenden nicht zwingend; der zuständige Gesetzgeber hat es in der Hand, die Rechtsnatur solcher Verträge festzulegen (vgl. HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, a.a.O., Rz. 1057). Hier hat sich der Kanton Graubünden darauf beschränkt, in Art. 35 Abs. 3 KUSG BGE 134 II 297 S. 303 klarzustellen, dass die Gemeinden auch im Bereich der Abfallentsorgung auf private Dienstleister zurückgreifen können. Eine rechtliche Zuordnung derartiger Vereinbarungen mit privaten Unternehmern hat er in den einschlägigen Bestimmungen nicht vorgenommen. Aus dem vorliegenden Vertragsentwurf, der verschiedentlich auf Artikel des Obligationenrechts verweist und zudem eine Gerichtsstandsklausel enthält, ist aber ersichtlich, dass die Parteien selber ursprünglich von einem privatrechtlichen Vertrag ausgegangen sind und nicht eine verwaltungsrechtliche Vereinbarung schliessen wollten. Zudem haben auch das Verwaltungsgericht als oberste kantonale Instanz im Bereich des öffentlichen Rechts und die Vorinstanz als oberstes kantonales Zivilgericht den Vertrag übereinstimmend als privatrechtlich qualifiziert. Diese Einschätzung ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden, zumal die streitbetroffene Vereinbarung die Einzelheiten der zu erbringenden Dienstleistung detailliert regelt und der Beschwerdegegnerin relativ wenig Gestaltungsspielraum lässt, womit die vorgenommene Einordnung als (blosse) Hilfeleistung bei der Aufgabenerfüllung durch den Beschwerdeführer zulässig erscheint. 3.4 Aus dem Gesagten erhellt, dass der streitbetroffene Vertrag ohne Verletzung von Bundesrecht im Sinne von Art. 95 lit. a BGG als privatrechtlich betrachtet werden kann, und die Vorinstanz deshalb zur Beurteilung der vorliegenden Streitigkeit berufen war; die Beschwerde ist insoweit unbegründet. 4. Der Beschwerdeführer bestreitet weiter, dass zwischen ihm und der Beschwerdegegnerin ein Vertrag zustande gekommen ist bzw. dass er zum Abschluss eines solchen verpflichtet werden kann. 4.1 Der Zuschlag begründet noch keine Kontrahierungspflicht des Submittenten ( BGE 129 I 410
2,146
1,595
E. 3.4 S. 416). Deshalb kann sich, ungeachtet der Formulierung des Dispositivs des angefochtenen Entscheids (vgl. Sachverhalt lit. E), in materieller Hinsicht von vornherein nur fragen, ob der streitbetroffene Vertrag mit der Beschwerdegegnerin - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - zustande gekommen ist. Diese Rechtsfrage wurde durch das Verwaltungsgericht, welches vor dem Kantonsgericht mit der vorliegenden Streitigkeit befasst war, noch nicht verbindlich beantwortet, weil es aufgrund der zivilrechtlichen Natur des Verfahrensgegenstands in seinem Urteil vom 7. November 2006 insoweit auf das Rechtsmittel der Beschwerdegegnerin nicht eingetreten ist. Dass es im Zusammenhang BGE 134 II 297 S. 304 mit seinem Entscheid, die vorläufige Beauftragung des im Vergabeverfahren zweitplatzierten Unternehmens sei rechtskonform gewesen, einen Vertragsschluss zwischen dem Beschwerdeführer und der Beschwerdegegnerin klar verneinte, ändert nichts. Da das Zustandekommen des Vertrags für den betreffenden Entscheid eine blosse Vorfrage bildete, liegt insoweit keine res iudicata vor. 4.2 Zwar müssen im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung bereits alle wesentlichen Elemente des künftigen Vertrags feststehen (vgl. GALLI/MOSER/LANG/CLERC, a.a.O., Rz. 702). Entgegen der Auffassung des Kantonsgerichts stellen die von den verschiedenen Bewerbern im Submissionsverfahren eingereichten Angebote aber technisch noch keine Offerten zum Vertragsschluss dar. Vielmehr beginnen die Vertragsverhandlungen zwischen Vergabebehörde und Zuschlagsempfänger erst nach Abschluss des Vergabeverfahrens, können sich die Vertragspartner doch - selbst wenn bezüglich der Essentialia des Vertrags keine Abweichungen von Ausschreibungsunterlagen und ausgewähltem Angebot mehr zulässig sind (vgl. GALLI/MOSER/LANG/CLERC, a.a.O., Rz. 702) - über blosse Nebenpunkte noch frei verständigen. Mithin haben auf den Zuschlag, wie bei einem vom Submissionsverfahren unabhängigen Vertragsschluss, Offerte und Akzept zu folgen. 4.3 Vorliegend hat der Beschwerdeführer der Beschwerdegegnerin am 26. Mai 2006, in der Form eines schriftlichen Vertragsentwurfs, eine solche Offerte unterbreitet. Obschon diese sowohl den Ausschreibungsunterlagen als auch dem von der Beschwerdegegnerin eingereichten Angebot entsprach, hat Letztere den Vertrag nicht unterzeichnet, sondern bezüglich ihrer Entschädigung eine Vertragsänderung verlangt. In der Folge wurde sie vergeblich darauf aufmerksam gemacht, dass es der Vergabebehörde untersagt ist, nach dem Zuschlag noch über wesentliche Vertragselemente zu verhandeln (vgl. oben). Die Beschwerdegegnerin beharrte auf einer zusätzlichen Entschädigung für den Fall, dass die Menge des tatsächlich abgeführten Abfalls geringer sei als die in den Ausschreibungsunterlagen erwähnten 4'366 Tonnen. Zwar unterzeichnete sie den ihr zugestellten Vertrag schliesslich am 28. Juli 2006 doch noch; entgegen der Auffassung der Vorinstanz erfolgte dieses Akzept jedoch nicht mehr rechtzeitig: 4.3.1 Eine unbefristete Offerte bindet den Antragsteller grundsätzlich bis zu jenem Zeitpunkt, in dem er den Eingang der Antwort bei deren ordnungsgemässer Absendung erwarten darf (vgl. Art. 5 OR ), BGE 134 II 297 S. 305 wobei dem Empfänger eine angemessene Überlegungsfrist zusteht, deren Dauer sich im konkreten Fall nach der Art des Geschäfts richtet (vgl. BGE 98 II 109 E. 2b S. 111). Vorliegend darf von einer relativ kurzen Bedenkfrist für die Beschwerdegegnerin ausgegangen werden, zumal alle Essentialia der Vereinbarung bereits durch die öffentliche Ausschreibung und das daraufhin eingereichte Angebot bestimmt waren. Es erscheint jedenfalls ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer insgesamt mehr als zwei Monate an seine Offerte gebunden gewesen wäre. Er brachte denn auch im Schreiben vom 25. Juli 2006 klar zum Ausdruck, dass er selber sich spätestens in diesem Moment nicht mehr gebunden sah. Die Beschwerdegegnerin konnte den Vertrag deshalb durch ihre Vertragsunterzeichnung bzw. Annahmeerklärung vom 28. Juli 2006 nicht mehr zum Abschluss bringen. 4.3.2 Hinzu kommt, dass die Beschwerdegegnerin zuvor mit Schreiben vom 12. Juli 2008 einen höheren Tonnenpreis (für den Fall eines Unterschreitens der Abfallmenge gemäss Ausschreibungsunterlagen) und mithin eine Anpassung bezüglich eines der Essentialia des Vertrags verlangt hatte. Dabei führte sie zur Begründung aus, ansonsten "laufe sie unberechtigterweise in den Verlust". Entgegen den Erwägungen der Vorinstanz lässt sich dieses Schreiben nur im Sinne einer Ablehnung der Offerte des Beschwerdeführers verstehen, zumal die Beschwerdegegnerin darin klar zum Ausdruck bringt, kein (vermeintliches) Verlustgeschäft abschliessen zu wollen. Diese Ablehnung - unter gleichzeitiger Unterbreitung einer angepassten, eigenen Vertragsofferte - liess die Bindungswirkung der Offerte des Beschwerdeführers dahinfallen, sollte zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch eine solche bestanden haben. Mit Schreiben vom 25. Juli 2006 lehnte der Beschwerdeführer in der Folge seinerseits die Offerte der Beschwerdegegnerin ab. Dass Letztere gar nie ernsthaft zur Annahme der Vertragsofferte des Beschwerdeführers bereit war, zeigt im Übrigen auch ihr späteres Verhalten: So berief sich die Beschwerdegegnerin einerseits zwar auf das Zustandekommen des Vertrags, verlangte aber andererseits sowohl im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht als auch später vor den Zivilgerichten stets weiterhin eine höhere Entschädigung mittels Anpassung des Tonnenpreises. Ferner hatte sie sich überhaupt erst dann zur (verspäteten) Vertragsunterzeichnung entschlossen, als sich das definitive Scheitern des Geschäfts abzeichnete, weil der Beschwerdeführer die mündlich vereinbarte Auftragsverlängerung gekündigt und zudem ab August 2006 BGE 134 II 297 S. 306 (vorübergehend) eine Konkurrentin der Beschwerdegegnerin mit der Kehrichtabfuhr beauftragt hatte (vgl. Sachverhalt lit. B). 4.4 Nach dem Gesagten steht fest, dass zwischen den Parteien kein Vertrag zustande gekommen ist; dies bedeutet jedoch nicht, dass der Beschwerdeführer im Entscheid frei wäre, wen er künftig mit der Kehrichtabfuhr in den Verbandsgemeinden betrauen möchte. Solange der Zuschlag an die Beschwerdegegnerin noch Bestand hat, darf er mit keinem anderen Unternehmen über den Gegenstand des Vergabeverfahrens einen Vertrag schliessen ( BGE 134 II 192 E. 1.4 S. 196). Bei der veranlassten Beauftragung der Konkurrentin der Beschwerdegegnerin kann es sich zum Vornherein nur um eine provisorische Übergangslösung handeln, bis der Rechtsstreit zwischen den Parteien beendet ist. Will der Beschwerdeführer anschliessend den Auftrag nicht mehr der Beschwerdegegnerin, sondern einem Dritten erteilen, hat er seinen Zuschlagsentscheid förmlich zu widerrufen (und allenfalls das ganze Vergebungsverfahren zu wiederholen), um den Weg für eine Neuvergabe der Kehrichtabfuhr zu öffnen (vgl. hierzu STEFAN SCHERLER, Abbruch und Wiederholung von Vergabeverfahren, in: Aktuelles Vergaberecht 2008, Zufferey/Stöckli [Hrsg.], 2008, S. 285 ff.). 5. Schliesslich hat das Kantonsgericht der Beschwerdegegnerin Schadenersatz im Umfang von 10'800 Franken zugesprochen, weil der Beschwerdeführer dieser den mündlich erteilten Auftrag, die Kehrichtabfuhr einstweilig bis zum Abschluss des neuen Vertrags weiter zu besorgen, zur Unzeit entzogen habe. Den Schaden sah sie in den Lohnzahlungen für Angestellte, deren Arbeitsverhältnisse die Beschwerdegegnerin nicht kurzfristig kündigen konnte. 5.1 Der Beschwerdeführer bringt diesbezüglich vor, angesichts des eingetretenen Vertrauensverlustes habe er durchaus sachliche Gründe gehabt, den Vertrag mit der Beschwerdegegnerin unverzüglich zu kündigen. Um einer möglichen Unterbrechung der Kehrichtabfuhr zuvorzukommen, sei er gezwungen gewesen, den Auftrag sofort auf einen Dritten zu übertragen. Er bestreitet mithin, dass eine Kündigung zur Unzeit im Sinne von Art. 404 Abs. 2 OR und eine entsprechende Schadenersatzpflicht gegeben ist. 5.2 Die Argumentation des Beschwerdeführers vermag nicht zu überzeugen: Während der letzten fünf Jahre hatte die Beschwerdegegnerin die Kehrichtabfuhr auf dem Gebiet der Verbandsgemeinden zu seiner vollen Zufriedenheit besorgt und kurz zuvor im BGE 134 II 297 S. 307 Vergabeverfahren erneut den Zuschlag erhalten. Bei diesen Gegebenheiten hatte sie sich offensichtlich darauf eingerichtet, den Auftrag für weitere fünf Jahre zu erfüllen, und konnte die für die provisorische Weiterführung der Kehrichtabfuhr getroffenen Dispositionen nicht ohne weiteres innert einiger weniger Tage rückgängig machen. Dessen ungeachtet hat ihr der Beschwerdeführer den Entzug des Auftrags per Ende Juli erst am 26. dieses Monats mitgeteilt, wobei sich die kurzfristige Kündigung gar erst aus dem tags darauf verschickten Schreiben (mit der korrigierten Jahreszahl 2006 anstatt 2007) unmissverständlich ergab. Auch wenn sich die an den Zuschlag anschliessenden Vertragsverhandlungen schwierig gestalteten und sich der Beschwerdeführer unter Druck gesetzt fühlen mochte, ist nicht einzusehen, inwiefern das Vertrauensverhältnis zwischen den Vertragspartnern damals derart schwerwiegend gestört war, dass Anlass für eine nahezu fristlose Kündigung bestand. Zwar weigerte sich die Beschwerdegegnerin hartnäckig, einzusehen, dass ihren Forderungen bezüglich eines allfälligen Unterschreitens der Abfallmenge bereits aus rechtlichen Gründen nicht entsprochen werden konnte. Ihr diesbezügliches Verhalten vermochte aber für sich allein ihre Vertrauenswürdigkeit hinsichtlich der Besorgung der Kehrichtabfuhr kaum in Frage zu stellen. Weil der Beschwerdeführer zudem nicht dartut, dass er Anlass hatte, eine Schlechterfüllung des Auftrags zu befürchten, wenn er eine Kündigung mit einer den Umständen angemessenen Frist ausgesprochen hätte, ist kein sachlicher Grund für eine derart überstürzte Kündigung ersichtlich. Im Übrigen konnte eine mangelhafte Ausführung des Auftrags bereits deshalb nicht ernsthaft befürchtet werden, weil die Beschwerdegegnerin in diesem Zeitpunkt noch auf ein - notfalls auf dem Rechtsweg erzwungenes - Zustandekommen des Vertrags hoffte. 5.3 Da die Höhe des zugesprochenen Schadenersatzes vor Bundesgericht nicht beanstandet wurde, kann insoweit auf die (überzeugenden) Erwägungen des angefochtenen Entscheids verwiesen werden.
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CH_BGE_004_BGE-134-II-297_2008-11-05
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BGE_134_II_297
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Sachverhalt ab Seite 511 BGE 118 Ia 510 S. 511 Die Karl Steiner AG beabsichtigt, auf dem Grundstück Kat.-Nr. 7588 der Sihl Papierfabrik in Zürich-Wiedikon einen Neubau mit einer Bruttogeschossfläche von 97000 m2 für Industrie und Gewerbe sowie mit einer Unterniveaugarage für 800 Personenwagen zu erstellen (sog. Überbauung Utopark). Die Parzelle, auf der heute die Fabrikations- und Bürogebäulichkeiten der Sihl Papierfabrik stehen, liegt nach der Bauordnung der Stadt Zürich vom 12. Juni 1963 (BauO) in der Industriezone J II. Am 23. Oktober 1991 wies der Gemeinderat bei bei Festsetzung der neuen Bau- und Zonenordnung der Stadt Zürich das Baugrundstück der sechsgeschossigen Wohnzone mit Dienstleistungsfunktion (W6D) zu, wobei er einen Wohnanteil von 40% festsetzte. In der Volksabstimmung vom 17. Mai 1992 wurde die neue Bau- und Zonenordnung von den Stimmbürgern angenommen. Die Karl Steiner AG und die Sihl Papierfabrik haben gegen die Zuweisung der Parzelle zur W6D je einen Rekurs bei der Baurekurskommission I des Kantons Zürich erhoben. Über diese Rechtsmittel ist zur Zeit noch nicht entschieden.
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Die Bausektion II des Stadtrats von Zürich wies am 1. Juli 1988 - nach zwei positiven Vorentscheiden über die zulässige Nutzung und die zulässige Baumassenziffer - das Gesuch für die Überbauung Utopark ab. Gegen die Verweigerung der Baubewilligung erhoben die Karl Steiner AG und die Sihl Papierfabrik einen Rekurs bei der Baurekurskommission I. In der Folge entspann sich ein Zuständigkeitskonflikt zwischen der Baurekurskommission I und dem Regierungsrat. Am 25. September 1991 behandelte der Regierungsrat die Rekurse und hiess sie im Sinne der Erwägungen und im überprüften Umfang gut. Zugleich hob er den Beschluss der Bausektion II des Stadtrats vom 1. Juli 1988 insoweit auf, als er die Verweigerung der Baubewilligung betrifft. Die Stadt Zürich focht den Entscheid des Regierungsrats vom 25. September 1991 beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich an, das ihr Rechtsmittel am 3. April 1992 abwies. Die Stadt Zürich hat gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 3. April 1992 eine staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Gemeindeautonomie eingereicht. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Bejahung der Autonomie der Zürcher Gemeinden bei der Anwendung von § 234 des Gesetzes über die Raumplanung und das BGE 118 Ia 510 S. 512 öffentliche Baurecht vom 7. September 1975 [PBG]. Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts; vgl. BGE 118 Ia 220 .) 4. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin ist es willkürlich, das Grundstück der Sihl Papierfabrik für die geplante Überbauung Utopark als baureif im Sinne von § 234 PBG zu betrachten. Sie rügt weiter, dass der angefochtene Entscheid in diesem Zusammenhang der Eigentumsgarantie ( Art. 22ter BV ) eine zu weit gehende Tragweite beimesse. a) Nach § 233 Abs. 1 PBG dürfen Bauten nur auf Grundstücken erstellt werden, die baureif sind oder deren Baureife auf die Fertigstellung oder, wo die Verhältnisse es erfordern, bereits auf den Baubeginn hin gesichert ist. Baureif ist ein Grundstück nach der seit dem 1. Februar 1992 geltenden Fassung von § 234 PBG dann, wenn es erschlossen ist und wenn durch die bauliche Massnahme keine noch fehlende planungsrechtliche Festlegung nachteilig beeinflusst wird. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass die planungsrechtliche Baureife einem Bauvorhaben nicht nur bei der erstmaligen Festsetzung eines Plans, sondern auch im Zusammenhang mit späteren Änderungen entgegengehalten werden kann ( BGE 116 Ia 453 E. 4a mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Zürcher Verwaltungsgerichts). Als planungsrechtliche Festlegung gilt jede hinlänglich klar umrissene Erklärung über den Inhalt eines Raumplans, jedoch nicht eine kaum näher konkretisierte Planabsicht (vgl. BGE 116 Ia 453 E. 4a; BGE 110 Ia 165 E. 6a). b) Die Bauparzelle der Sihl Papierfabrik liegt nach der Bauordnung der Stadt Zürich aus dem Jahre 1963 in der Industriezone J II. Es ist unbestritten, dass die geplante Überbauung Utopark den Vorschriften dieser Zone entspricht. Am 17. Mai 1992 nahmen die Stimmbürger der Stadt Zürich eine neue Bau- und Zonenordnung an. Sie weist das Baugrundstück der sechsgeschossigen Wohnzone mit Dienstleistungsfunktion (W6D) mit einem Wohnanteil von 40% zu. Diese Festsetzung ist von den Beschwerdegegnerinnen angefochten worden und somit nicht rechtskräftig. Da die Überbauung Utopark überhaupt keine Wohnungen vorsieht, erfüllt sie unbestrittenermassen die Anforderungen der neuen Bau- und Zonenordnung nicht. Im Zeitpunkt des Entscheids der Bausektion II über das Baugesuch am 1. Juli 1988 stand jedoch die künftige Zuweisung des Bauareals in die Zone W6D mit der neuen Bau- und Zonenordnung noch nicht fest. Es bestand keine hinreichend konkretisierte Planabsicht, die dem Bauprojekt gemäss § 234 PBG hätte entgegengehalten werden BGE 118 Ia 510 S. 513 können. Hingegen war im Zeitpunkt des Urteils des Verwaltungsgerichts am 3. April 1992 die neue Bau- und Zonenordnung vom Gemeinderat der Stadt Zürich verabschiedet. Sie enthält, mit der Zuteilung des Baugrundstücks zur Zone W6D eine Festsetzung, welche dessen Baureife gemäss § 234 PBG aufhebt. Unter diesen Umständen kommt der Frage entscheidende Bedeutung zu, ob künftige planungsrechtliche Festlegungen, die erst im Laufe eines Rechtsmittelverfahrens konkrete Gestalt annehmen, gemäss § 234 PBG eine Vorwirkung beanspruchen können. Wird auf den Zeitpunkt des Entscheids der Bausektion II (1. Juli 1988) abgestellt, ist die Baureife des Utoparkareals nach § 234 PBG zu bejahen. Erscheint demgegenüber der Zeitpunkt des verwaltungsgerichtlichen Urteils (3. April 1992) als massgebend, so fehlt dem Grundstück die Baureife. c) Das Verwaltungsgericht hält es nur für zulässig, den Wegfall der planungsrechtlichen Baureife nach § 234 PBG während des Rechtsmittelverfahrens zu berücksichtigen, wenn die Abwägung der auf dem Spiele stehenden Interessen zugunsten des Gemeinwesens ausfalle. Änderungen planungsrechtlicher Festlegungen könnten jedenfalls bei der Beurteilung eines Baugesuchs dann nicht mehr in Betracht fallen, wenn sie während der Dauer des Rechtsmittelverfahrens eigens zu dem Zweck unternommen würden, dem Gesuch nachträglich die Rechtsgrundlage zu entziehen (vgl. des Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 11. Juni 1985 in ZBl 87/1986 140 f.). Die Beschwerdeführerin beanstandet diese Praxis des Verwaltungsgerichts nicht. Sie ist jedoch der Auffassung, dass der angefochtene Entscheid in willkürlicher Weise annehme, im vorliegenden Fall gingen die privaten Interessen der Beschwerdegegnerinnen ihrem Interesse auf Durchsetzung der neuen Bau- und Zonenordnung vor. Zudem werde der Eigentumsgarantie ein zu grosses Gewicht eingeräumt. d) Die Bestimmung von § 234 PBG bezweckt gleich wie die in Art. 27 RPG vorgesehene Planungszone die Sicherung der Entscheidungsfreiheit der Planungsbehörden, indem sie Vorhaben einstweilen untersagt, welche beabsichtigte neue planerische Festlegungen negativ beeinflussen. Künftigen Planfestsetzungen wird auf diese Weise eine sog. negative Vorwirkung zuerkannt, indem Bauten nur noch bewilligt werden, wenn sie die vorgesehene planerische Neuordnung nicht beeinträchtigen. Diese Regelung dient der Verwirklichung des verfassungsrechtlichen Auftrags der Raumplanung ( Art. 22quater BV ) und kann sich daher auf ein bedeutendes öffentliches BGE 118 Ia 510 S. 514 Interesse stützen. Die Plansicherungsmassnahmen bewirken jedoch zugleich Eigentumsbeschränkungen, die nur bei Wahrung der Verhältnismässigkeit zulässig sind ( BGE 103 Ia 482 E. 8b; BGE 100 Ia 151 f. E. 2b; BGE 93 I 340 E. 4; vgl. auch BGE BGE 109 Ib 22 E. 4a). Im Blick darauf wird die zeitliche Dauer der negativen Vorwirkung in § 235 PBG auf drei Jahre beschränkt. Sie findet zudem nur Anwendung, wenn der Inhalt der künftigen planerischen Festsetzung hinreichend konkretisiert ist. Bei der Beurteilung der intertemporalrechtlichen Anwendung von § 234 PBG muss die erwähnte Bedeutung der zeitlichen und sachlichen Beschränkung der negativen Vorwirkung beachtet werden. Im vorliegenden Fall kam die Verneinung der Baureife im Zeitpunkt des erstinstanzlichen Entscheids am 1. Juli 1988 nicht in Frage, weil über die Festsetzungen der künftigen Bau- und Zonenordnung noch keine Klarheit bestand. Die Berücksichtigung der nachträglich eingetretenen fehlenden planungsrechtlichen Baureife hätte für den Bauwilligen zur Folge, dass er hinterher Vorschriften unterworfen würde, die bei Einreichung des Baugesuchs und noch im Zeitpunkt des erstinstanzlichen Entscheids nicht einmal im Entwurf vorlagen. Auch wenn der Grundeigentümer keinen Anspruch darauf hat, dass seine baulichen Nutzungsmöglichkeiten dauernd bestehenbleiben (vgl. BGE 114 Ia 33 E. 6; 107 Ia 36 E. 3a), muss er doch bei der Ausarbeitung eines Bauprojekts auf geltende und auf voraussehbare künftige planungsrechtliche Vorschriften abstellen können. Das Verwaltungsgericht hat daher der Eigentumsgarantie keine zu weit gehende Tragweite gegeben, noch ist es in Willkür verfallen, wenn es in der vorliegenden Situation den privaten Interessen der Beschwerdegegnerinnen von vornherein ein erhebliches Gewicht beimass, das nur aufgewogen werden könnte, soweit besondere öffentliche Anliegen in Frage stünden. e) Der angefochtene Entscheid durfte das Vorliegen solcher qualifizierter öffentlicher Interessen ohne Willkür verneinen. Wieso an einer Wohnnutzung auf dem von überaus stark befahrenen Strassenabschnitten, Bahn- und Tramlinien umgebenen Utoparkareal ein besonderes öffentliches Interesse bestehen sollte, vermag die Beschwerdeführerin nicht darzulegen. Sie behauptet lediglich, bei einer zweckmässigen architektonischen Anordnung der Wohnungen könnten auf dem Baugrundstück die Grenzwerte der Lärmschutzverordnung eingehalten werden. Selbst wenn man zusätzlich die gute verkehrsmässige Erschliessung und das von der Stadt Zürich angeführte Ziel der Sicherstellung der Nutzungsvielfalt mitberücksichtigt, BGE 118 Ia 510 S. 515 erscheint die Festsetzung eines 40%igen Wohnanteils für das Utoparkareal keineswegs als zwingend. Die tatsächlichen Verhältnisse haben sich seit dem 12. Juni 1985 kaum wesentlich geändert, als der Stadtrat von Zürich der Bauherrin mitteilte, er erachte das Utoparkareal nach eingehenden Abklärungen und unter Berücksichtigung der topographischen Lage nicht als geeignet für Wohnzwecke. Die seitherige Festsetzung eines Wohnanteils für das Baugrundstück entspringt offensichtlich allein dem inzwischen erfolgten Wandel der politischen Vorstellungen über die künftige räumliche Entwicklung der Stadt Zürich. Das angeführte öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Nutzungsdurchmischung und der Bereitstellung von zusätzlichem Wohnraum ist allgemeiner Natur und nicht einzig auf das Utoparkareal bezogen. Es wird durch die Verwirklichung der geplanten Überbauung auch nicht ernsthaft in Frage gestellt. Das Verwaltungsgericht konnte bei dieser Sachlage ohne Willkür ein vorrangiges öffentliches Interesse an der Beachtung der Vorwirkung der neuen Bau- und Zonenordnung verneinen. Eine Verletzung der Gemeindeautonomie der Beschwerdeführerin liegt daher nicht vor.
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Sachverhalt ab Seite 73 BGE 84 IV 73 S. 73 A.- Die Nuxo-Werk A.-G., deren verantwortlicher Leiter Kläsi ist, stellt unter anderem das Speisefett "Nussa" her. Am 28. Februar 1956 erstattete das Kantonale BGE 84 IV 73 S. 74 Laboratorium St. Gallen auf Grund eines Reklameprospektes der genannten Firma gegen Kläsi Strafanzeige wegen Übertretung der eidgenössischen Verordnung vom 26. Mai 1936 über den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen (LMV). Es warf ihm vor, einerseits das Publikum über die Zusammensetzung des Nussa-Fettes irregeführt ( Art. 13, 15 und 18 LMV ) und anderseits dieses Produkt entgegen der Vorschrift des Art. 104 Abs. 2 der Verordnung als Brotaufstrich angepriesen zu haben. B.- Das Kantonsgericht des Kantons St. Gallen verurteilte Kläsi am 8. Januar 1958 wegen Widerhandlung gegen Art. 13 Abs. 1 und 2 sowie Art. 104 Abs. 2 LMV zu einer bedingt löschbaren Busse von Fr. 500.--. C.- Kläsi ficht mit der Nichtigkeitsbeschwerde das Urteil des Kantonsgerichtes insoweit an, als es ihn wegen Übertretung von Art. 104 Abs. 2 LMV bestrafte. Er macht geltend, das Speisefett "Nussa" sei keine Margarine und falle daher nicht unter diese Bestimmung. Auch bestreitet er die Gesetzmässigkeit von Art. 104 Abs. 2 LMV . D.- Die Schweizerische Bundesanwaltschaft beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: I.- Für Margarine und andere streichfähige Speisefette sind Qualitätsbezeichungen, wie Tafel-, Dessert-, Delikatess- usw., ebenso Bezeichnungen, die, wie "Streichmargarine", "zum Brotaufstrich" usw., auf die Verwendungsmöglichkeit von Margarine an Stelle von Butter zum Brotaufstrich hinweisen, verboten ( Art. 104 Abs. 2 LMV ). Der Umstand, dass die beispielsweise angeführten Bezeichungen "Streichmargarine" und "zum Brotaufstrich" teils an sich, jedenfalls aber nach dem Wortlaut des Nachsatzes bloss auf Margarine Bezug nehmen, besagt keineswegs, dass andere Butterersatzfette vom Verbot BGE 84 IV 73 S. 75 dieser Bezeichnungen ausgenommen seien. Dagegen spräche schon der Eingang der genannten Bestimmung, der ausdrücklich neben der Margarine "andere streichfähige Speisefette" erwähnt und damit zugleich zum Ausdruck bringt, dass die Margarine selber zu diesen Fetten zählt. Zudem wären keine sachlichen Gründe ersichtlich, unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen Gesundheit und des Schutzes des Publikums gegen Täuschungen im Verkehr Margarine und andere Butterersatzfette zwar mit Bezug auf die Qualitätsbezeichnungen "Tafel-, Dessert-, Delikatess- usw." gleich, hinsichtlich der Bezeichnung "als Brotaufstrich" aber unterschiedlich zu behandeln. Daran ändert auch nichts, dass Art. 104 Abs. 2 LMV unter dem Titel "Margarine" eingeordnet ist. Massgebend ist in erster Linie die Gesetzesbestimmung selber, nicht der Titel. Dieser gibt nur eine allgemeine Bezeichnung der Tatbestände, die er umfasst ( BGE 74 IV 208 ). Das von der Nuxo-Werk A.-G. hergestellte Nussa-Fett unterscheidet sich zwar nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz von der Margarine, stellt aber unbestrittenermassen ein anderes streichfähiges Speisefett dar. Der Einwand des Beschwerdeführers, Art. 104 Abs. 2 LMV sei auf das Fett "Nussa" nicht anwendbar und verbiete daher nicht, dieses Produkt als Brotaufstrich anzupreisen, trifft somit nicht zu. II.- Kläsi macht geltend, Art. 104 Abs. 2 LMV entbehre in dem Masse der gesetzlichen Grundlage, als er die Bezeichnung "zum Brotaufstrich" für das Nussa-Fett verbiete. 1. Die Rüge unterliegt der Prüfung durch den Richter. Dieser ist zwar an die von der Bundesversammlung erlassenen Gesetze und allgemein verbindlichen Bundesbeschlüsse gebunden ( Art. 113 Abs. 3 BV ) und hat daher bei Verordnungen, die der Bundesrat auf Grund einer von den eidgenössischen Räten in einem Gesetz erteilten Delegation erlässt, über die Verfassungsmässigkeit der Delegation nicht zu befinden. Dagegen hat er zu überprüfen, ob BGE 84 IV 73 S. 76 der bundesrätliche Erlass sich im Rahmen der Ermächtigung hält ( BGE 81 I 371 , BGE 82 I 27 ). Diese Befugnis beschlägt in erster Linie die Frage, ob die Verordnungsvorschriften den von der Delegationsnorm verfolgten Zweck objektiv überhaupt erreichen können ( BGE 61 I 369 ; BGE 64 I 222 , 369; BGE 68 II 95 ). Dagegen hat sich der Richter nicht darüber auszusprechen, ob der eingeschlagene Weg auch der zur Erreichung des Zweckes geeignetste sei, noch ist zu prüfen, von welchen Überlegungen und Beweggründen sich der Bundesrat bei Erlass der Verordnung leiten liess. Etwas anderes wollte weder in BGE 75 IV 79 noch in BGE 76 IV 290 gesagt werden, wenn darin ausgeführt wurde, der Richter habe zu untersuchen, ob der Bundesrat mit den von ihm erlassenen Vorschriften den in der Delegationsnorm genannten Zweck habe verfolgen wollen. Dieser Hinweis hatte lediglich den Sinn, deutlich zu machen, dass es für die Entscheidung der Frage nach der Gesetzmässigkeit einer Verordnungsvorschrift belanglos sei, in welchem Masse sich diese zur Erreichung des gesetzten Zieles eigne. Das erhellt ohne weiteres aus den übrigen Erwägungen der beiden genannten Urteile, in denen der Kassationshof unter Anführung der bisherigen Rechtsprechung lediglich prüfte, ob die angefochtenen Bestimmungen objektiv geeignet waren, überhaupt dem gesetzlichen Zweck zu dienen. Wo die Delegationsnorm nicht bloss den Zweck umschreibt, sondern den Erlass von Verordnungsvorschriften an bestimmte Voraussetzungen knüpft und die Mittel zur Erreichung des gesetzten Zieles nennt, steht dem Richter das freie Überprüfungsrecht auch hinsichtlich dieser gesetzlichen Erfordernisse zu. Dabei versteht sich von selbst, dass der Bundesrat allgemein in der Auslegung des ihm zustehenden Verordnungsrechtes über ein gewisses Ermessen verfügen muss. 2. Im vorliegenden Fall kommt als gesetzliche Grundlage des Art. 104 Abs. 2 LMV ausschliesslich Art. 54 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 8. Dezember 1905 betreffend BGE 84 IV 73 S. 77 den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen (LMG) in Frage. Diese Bestimmung beauftragt den Bundesrat, die nötigen Vorschriften zum Schutze der Gesundheit und zur Verhütung von Täuschung im Verkehr mit Waren und Gegenständen, welche den Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes unterliegen, zu erlassen. Wie schon in BGE 39 I 412 ausgeführt wurde, wollten damit dem Bundesrat sehr weitgehende Verordnungskompetenzen eingeräumt werden. Tatsächlich nennt denn auch die erwähnte Delegationsnorm lediglich den Zweck der zu ergreifenden Massnahmen, ohne diese selbst von bestimmten Voraussetzungen abhängig zu machen oder sie nach Art und Umfang zu umschreiben. Zur Überprüfung der Gesetzmässigkeit von Art. 104 Abs. 2 LMV genügt es daher zu untersuchen, ob der Bundesrat mit Erlass dieser Bestimmung sich eines Mittels bediente, das objektiv geeignet ist, den durch die Delegationsnorm verfolgten Zweck zu erreichen, mit andern Worten, ob das Verbot, für Margarine und andere streichfähige Fette die Bezeichnung "zum Brotaufstrich" zu verwenden, überhaupt zum Schutz der öffentlichen Gesundheit oder zur Verhütung von Täuschung im Verkehr dienen kann. Das wäre zweifellos der Fall, wenn durch eine derartige Bezeichnung von Margarine oder Butterersatzfetten die öffentliche Gesundheit gefährdet, bzw. die Gefahr einer Täuschung im Verkehr geschaffen oder erhöht würde. Davon kann jedoch, zumindest was das Speisefett "Nussa" anbelangt, nicht die Rede sein. a) Ausser Zweifel steht, dass die Hersteller von Margarine und andern streichfähigen Fetten mit der Bezeichnung "zum Brotaufstrich" den Absatz ihrer Produkte fördern wollen. Indessen kann eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Gesundheit nicht in der Bezeichnung selber, sondern nur in allfälligen Mängeln der genannten Lebensmittel liegen. Dass das Fett "Nussa" Mängel habe, die es als gesundheitsschädlich erscheinen liessen, ist weder behauptet noch aktenmässig belegt. Fragen kann sich daher BGE 84 IV 73 S. 78 bloss, ob die öffentliche Gesundheit durch die Anpreisung von Butterersatzfetten als Brotaufstrich nicht mittelbar gefährdet werde, indem durch den vermehrten Absatz von Margarine und andern streichfähigen Speisefetten der Konsum von Butter als eines möglicherweise höherwertigen Produktes vermindert werde. Das wäre wohl zu bejahen, wenn die Butter nicht durch andere Lebensmittel von gleichem Nährwert ersetzt werden könnte. Davon kann jedoch unter den heutigen Marktverhältnissen nicht die Rede sein. Vorausgesetzt, dass die Butterersatzfette weniger nahrhaft sind als die Butter selber, hat das Publikum die Möglichkeit, sich eine Menge anderer Lebensmittel zu verschaffen, die geeignet sind, jenen Mangel auszugleichen. Die Bezeichnung von Margarine und andern streichfähigen Fetten als Brotaufstrich schafft somit keine Gefahr für die öffentliche Gesundheit. Ansonst müsste folgerichtig jede Reklame für Butterersatzfette untersagt werden. b) Die Bezeichnung "zum Brotaufstrich" gibt als solche auch zu keiner Täuschung im Verkehr Anlass. Da die Butter dasjenige Lebensmittel ist, das in unserem Lande in erster Linie als Brotaufstrich Verwendung findet und daher allgemein als solches bekannt ist, ist nicht anzunehmen, das Publikum werde alle streichfähigen Lebensmittel für Butter halten. Vielmehr unterscheidet jede Hausfrau ohne weiteres zwischen Butter und andern Brotaufstrichen, beispielsweise den Produkten "Cenovis", "Pain Bell" usw. Nicht anders verhält es sich mit den streichfähigen Speisefetten, soweit diese hinsichtlich Farbe und Konsistenz von der Butter abweichen. Bei Lebensmitteln dieser Art genügt somit die Bezeichnung "zum Brotaufstrich" für sich allein noch nicht, um eine Täuschung im Verkehr herbeizuführen. Sie kann höchstens die durch eine allfällige Butterähnlichkeit eines streichfähigen Speisefettes begründete Gefahr der Täuschung des Publikums erhöhen. In dem am 12. Oktober 1927 i.S. Gesundheitswesen der Stadt Zürich gegen Kläsi gefällten Urteil hat sich das Bundesgericht BGE 84 IV 73 S. 79 bereits mit der Frage der Butterähnlichkeit des Nussa-Fettes befasst und sie verneint mit der Begründung, "dass die Nussa, die die Vorinstanz den drei Hausfrauen zur Begutachtung vorgelegt hat, blassgelblich gewesen ist gleich wie die eingeklagte Nussa, so zwar, dass sie bei der Aufmerksamkeit, die einer Hausfrau bei ihren Einkäufen zugemutet werden darf, der Farbe nach, dann aber auch ihrem Festigkeitszustande nach von der Butter unterschieden werden konnte... Bei dem Fett, das der Kassationsbeklagte in den Handel gebracht hat, kann daher von einer Täuschung bewirkenden Butterähnlichkeit nicht gesprochen werden". Da nach der verbindlichen Annahme des Kantonsgerichtes die heutige Zusammensetzung des Speisefettes "Nussa" dieselbe ist wie 1927 und die damalige Würdigung des Bundesgerichtes weiterhin Bestand hat, vermag die Bezeichnung "zum Brotaufstrich" jedenfalls hinsichtlich des vom Beschwerdeführer produzierten Speisefettes keine Täuschung im Verkehr zu bewirken. 3. Das Verbot des Art. 104 Abs. 2 LMV , Margarine und andere streichfähige Speisefette als Brotaufstrich anzupreisen, ist daher zumindest insoweit, als es sich auf das Fett "Nussa" bezieht, weder zum Schutz der öffentlichen Gesundheit noch zur Verhütung von Täuschung im Verkehr geeignet. Wird es aber durch keinen der in Art. 54 Abs. 1 LMG umschriebenen Zwecke gedeckt, so entbehrt es der gesetzlichen Grundlage. Kläsi wurde daher zu Unrecht wegen Übertretung von Art. 104 Abs. 2 LMV bestraft.
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Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichtes des Kantons St. Gallen vom 8. Januar 1958 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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Sachverhalt ab Seite 64 BGE 118 II 63 S. 64 Die S. AG führte für Paul G. Baumeisterarbeiten aus. In der Schlussabrechnung beanspruchte sie dafür einen Werklohn von Fr. 291'632.50. Paul G. bezahlte insgesamt Fr. 241'000.--. Die Klage der S. AG auf Bezahlung des Restbetrages schützte das Kantonsgericht des Kantons Schwyz in zweiter Instanz im Umfang von Fr. 9'101.60. In ihrer Berufung ans Bundesgericht macht die Klägerin unter anderem geltend, das Kantonsgericht habe dem Beklagten einen zu hohen Skontoabzug zugestanden.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Das Kantonsgericht gesteht dem Beklagten auf dem gesamten, für ausgewiesen erachteten Rechnungsbetrag von Fr. 267'837.90 den vertraglich vorgesehenen Skonto von 7% auf Akkordarbeiten bzw. 2% auf Regiearbeiten zu. Es hält einen Skontoabzug insbesondere auch auf dem Rechnungsbetrag für gerechtfertigt, den es der Klägerin über die vom Beklagten bereits geleisteten Zahlungen hinaus noch zuspricht. Im angefochtenen Urteil wird dazu ausgeführt, der Beklagte habe begründeten Anlass gehabt, an der Korrektheit der Schlussabrechnung zu zweifeln; es sei ihm deshalb nicht zuzumuten gewesen, innert der Skontofrist zu zahlen; vielmehr müsse ihm zugebilligt werden, die richterliche Überprüfung abzuwarten, ohne den vertraglich zugesicherten Skontoabzug riskieren zu müssen. Die Klägerin anerkennt vor Bundesgericht die Berechtigung des Skontoabzugs auf den vom Beklagten geleisteten Zahlungen von insgesamt Fr. 241'000.--. Dagegen macht sie geltend, der auf dem Restbetrag zugestandene Skontoabzug werde durch den Vertrag der Parteien nicht gedeckt. a) Der Zweck des Skontos besteht darin, den Besteller zur pünktlichen Zahlung zu veranlassen und dadurch die Liquidität des Unternehmers zu erhöhen (GAUCH, Der Werkvertrag, 3. Aufl. 1985, S. 240 Rz. 847). Dem entspricht, dass der vereinbarte prozentuale Preisnachlass beim Skonto - im Gegensatz zum einfachen Rabatt - die BGE 118 II 63 S. 65 prompte Bezahlung voraussetzt. Da die Ausdrücke "Skonto" und "Rabatt" bisweilen in untechnischer Weise verwendet werden, ist der Sinn der getroffenen Vereinbarung gegebenenfalls durch Auslegung zu ermitteln (GAUCH, a.a.O., S. 241 Rz. 849). b) Im vorliegenden Fall stellt der Beklagte nicht in Abrede, dass die Parteien im Werkvertrag vom 14. Oktober 1977 einen eigentlichen Skonto und nicht einen einfachen Rabatt vereinbart hatten. Er macht allerdings geltend, indem die Klägerin in ihrer Schlussabrechnung den Frankenbetrag des Skontos bereits von ihrer Werklohnforderung abgezogen habe, habe sie zu erkennen gegeben, dass sie den Skontoabzug unabhängig vom Zeitpunkt der Zahlung zulasse. Davon kann indessen keine Rede sein, ist doch die Position Skonto in der Schlussabrechnung mit dem ausdrücklichen Hinweis "innert 30 Tagen" versehen. Steht somit fest, dass eine eigentliche Skontovereinbarung und nicht die Gewährung eines einfachen Rabattes vorliegt, so kommt nach dem Gesagten ein Preisnachlass nur für die vom Beklagten tatsächlich geleisteten Zahlungen in Frage. Auf dem Restbetrag, den der Beklagte der Klägerin darüber hinaus noch schuldet, kann entgegen der Ansicht der Vorinstanz kein Skonto mehr abgezogen werden. Daran ändert nichts, dass der Beklagte begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der Schlussabrechnung hatte und dass er deren Genehmigung zu Recht abgelehnt hat. Der Gefahr eines Skontoverlusts hätte der Beklagte mit einer zusätzlichen Akontozahlung vorbeugen können. Dass ihm, wie das Kantonsgericht annimmt, zuzubilligen sei, die Zahlung bis zur gerichtlichen Überprüfung der Schlussabrechnung zurückzuhalten, ohne den Anspruch auf den Skontoabzug zu verlieren, kann nicht zutreffen. Diese Auffassung ist mit dem Wesen des Skontos nicht zu vereinbaren, läuft sie dessen Zweck doch stracks zuwider. Sie findet auch in den Ausführungen von Reber (Rechtshandbuch für Bauunternehmer, Bauherr, Architekt und Bauingenieur, 4. Aufl. 1983, S. 92) und in der von diesem angeführten kantonalen Gerichtspraxis (SJZ 69/1973, S. 381 Nr. 175; SJZ 68/1972, S. 377 Nr. 239; PKG 1971, S. 49 ff. Nr. 12), auf welche die Vorinstanz verweist, keine Stütze; dort wird lediglich die Frage behandelt, ob der Anspruch auf den Skontoabzug auch hinsichtlich bereits geleisteter Teilzahlungen dahinfalle, wenn der Besteller den Schlussbetrag nicht fristgerecht begleiche.
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BGE_118_II_63
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Sachverhalt ab Seite 530 BGE 127 III 529 S. 530 A.- Die kinderlosen Eheleute A.R. und B.R. schlossen am 15. März 1956 einen mit "Ehevertrag" überschriebenen Vertrag ab, welcher von der Vormundschaftsbehörde genehmigt wurde. Auf eine Eintragung des Vertrags im Güterrechtsregister und auf die Publikation wurde ausdrücklich verzichtet. Sie wählten den ehelichen Güterstand der Gütergemeinschaft gemäss aArt. 215 ZGB (Ziff. 1) und trafen Regelungen auf ihr Ableben hin (Ziff. 2). Sie vereinbarten im Wesentlichen die Zuweisung des beweglichen Vermögens des einen Ehegatten an den Überlebenden (Ziff. 2 lit. a) sowie eine entsprechende Zuweisung der Liegenschaften, diese jedoch mit der Einschränkung, dass der überlebende Ehegatte die jeweils vom anderen stammende(n) Liegenschaft(en) nicht veräussern dürfe; letztere sollten vielmehr nach dem Tode beider Ehegatten je an deren Erben fallen (Ziff. 2 lit. b). Der Ehemann verstarb 1964, worauf sich die Ehefrau 1988 im Grundbuch als Alleineigentümerin der von ihrem Ehemann stammenden Liegenschaften eintragen liess; sie selbst verstarb 1994. B.- In der Folge erhoben die Erben des Ehemannes beim Kantonsgericht Glarus Klage auf Herausgabe und grundbuchliche Eintragung als Eigentümer der vom Ehemann stammenden Liegenschaften. Die Beklagten beriefen sich auf Ungültigkeit der vertraglichen Vereinbarung, denn was mit den Liegenschaften nach dem Tode beider Ehegatten zu geschehen habe, sei erbrechtlicher Natur und hätte daher der qualifizierten öffentlichen Beurkundung von Art. 512 Abs. 2 ZGB (Zeugen) bedurft. Mit Urteil vom 2. März 1999 hiess das Kantonsgericht die Klage gut und erliess entsprechende Anordnungen gegenüber dem Grundbuchamt. Auf Berufung der Beklagten bestätigte das Obergericht des Kantons Glarus das erstinstanzliche Urteil mit Entscheid vom 27. Oktober 2000. C.- Die Beklagten haben gegen das obergerichtliche Urteil Berufung eingereicht und beantragen im Wesentlichen, dieses sei aufzuheben. BGE 127 III 529 S. 531
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. a) Gerügt wird in der Berufung einzig, die Rechtsauffassung der Vorinstanz sei unzutreffend, wonach die Eheleute A.R. und B.R. im Wissen um die Ungültigkeit der erbrechtlichen Vereinbarung die je eigenen Liegenschaften nicht zum Gesamtgut erhoben hätten; eine Ergänzung des Vertrages gestützt auf den hypothetischen Parteiwillen dergestalt, dass bezüglich der Liegenschaften kein Gesamtgut begründet worden wäre, hätte nicht vorgenommen werden dürfen. Dabei machen die Beklagten gestützt auf zwei Literaturstellen im Berner Kommentar (KRAMER, N. 260 zu Art. 18 OR , und MERZ, N. 163/164 zu Art. 2 ZGB ) geltend, die von der Vorinstanz vorgenommene Ergänzung des Ehevertrages (Herausnahme der fraglichen Liegenschaften aus dem Gesamtgut) hätte angesichts der Formbedürftigkeit des Ehevertrages eines klaren Anhaltspunktes im formgerecht vereinbarten Teil des Ehevertrages bedurft, was nicht der Fall sei. Es liege demnach eine schlichte Teilnichtigkeit vor und keine sogenannte modifizierte, wie die Vorinstanz angenommen habe. b) Der hypothetische Wille als solcher wird von den Beklagten nicht infrage gestellt, keinesfalls aber genügend ( Art. 55 Abs. 1 lit. b und c OG ; zu den Begründungsanforderungen: BGE 116 II 745 E. 3 S. 748/749 und zur Kognition des Bundesgerichts hinsichtlich der Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens: BGE 120 II 35 E. 4b S. 41). c) In der Literatur ist umstritten, ob die richterliche Ergänzung eines gültigen formbedürftigen Vertrages, um zulässig zu sein, ihre Grundlage in entsprechenden Anhaltspunkten der vorhandenen, formgerechten Parteivereinbarungen haben müsse (für die Notwendigkeit solcher Anhaltspunkte: MERZ, Berner Kommentar, N. 163/164 zu Art. 2 ZGB , und besonders KRAMER, Berner Kommentar, N. 260 zu Art. 18 OR ; ferner WIEGAND, Basler Kommentar, N. 88 zu Art. 18 OR ; vgl. auch WEIMAR, Berner Kommentar, Einleitung zum 14. Titel "Die Verfügungen von Todes wegen", N. 72 und besonders N. 78-82; gegenteilig: JÄGGI/GAUCH, Zürcher Kommentar, N. 546 zu Art. 18 OR ; DESCHENAUX, Schweizerisches Privatrecht, Bd. II, S. 173 und besonders GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/REY, Schweiz. Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 7. Aufl., Zürich 1998, N. 1278/1279; vgl. auch RASELLI, Erklärter oder wirklicher Wille des Erblassers?, in: AJP 1999 S. 1265 ff., und DRUEY, Grundriss des Erbrechts, 4. Aufl., Bern 1997, § 12 N. 16, BGE 127 III 529 S. 532 S. 148, sowie BREITSCHMID, Erbrecht, in: Die Rechtsentwicklung an der Schwelle zum 21. Jahrhundert [Hrsg. Gauch/Schmid, Zürich 2001], S. 129/130). Dabei wird von diesen Autoren nicht speziell auf Teilnichtigkeit ( Art. 20 Abs. 2 OR ) Bezug genommen, obwohl die erwähnte Streitfrage in diesem Zusammenhang einen besonderen Anwendungsfall hat, worauf die Beklagten an sich zu Recht hinweisen. Die ersterwähnte Meinung wird wohl eine "modifizierte" Teilnichtigkeit (vgl. zu dieser allgemein namentlich GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/REY, a.a.O., N. 703-705) bei formbedürftigen Verträgen im Falle fehlender Anhaltspunkte im Sinne des Gesagten ausschliessen und nur eine "einfache" Teilnichtigkeit zulassen. Während sich GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/REY (a.a.O., N. 1278/1279) vor allem darauf berufen, dass sich die gesetzlichen Formvorschriften auf die Regelung des Vertragsinhaltes durch die Vertragsparteien bezögen und nicht auf die vertragsergänzende Tätigkeit des Richters, weist KRAMER (a.a.O., N. 260 zu Art. 18 OR ) auf den Formzweck (etwa Übereilungsschutz oder Gewährleistung der Transparenz der Vertragsbedingungen für die Öffentlichkeit) hin. Die Meinung von GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/REY erscheint als die überzeugendere. Auch ist nicht einzusehen, warum es dem Richter gerade bei der Beurteilung formbedürftiger Verträge, im Unterschied zu allen anderen Verträgen, verwehrt sein sollte, "konstruktiv" bzw. "modifizierend" einzugreifen, wenn dies als notwendig und sinnvoll erscheint, zumal auch die blosse Auslegung formbedürftiger Verträge nach den gleichen Grundsätzen zu erfolgen hat wie diejenige formfreier ( BGE 122 III 361 E. 4 S. 366; RASELLI, a.a.O., S. 1264). Im Übrigen zeigt gerade der vorliegende Fall, dass die aus dem Formzweck abgeleiteten Argumente von KRAMER nicht stichhaltig sind: Es geht bei der vorliegenden richterlichen Vertragsergänzung nicht etwa um (hypothetische) zusätzliche vertragliche Verpflichtungen der Parteien, sondern gegenteils um die Herausnahme bestimmter Grundstücke aus den gegenseitigen vertraglichen Verpflichtungen (Einschränkungen des Vertrages), weshalb die Frage des Übereilungsschutzes a priori nicht aktuell ist; ebenso spielt vorliegend die Transparenz der Vertragsbedingungen für die Öffentlichkeit überhaupt keine Rolle, da die Vertragsparteien im vorliegenden Fall ausdrücklich auf jede Kundbarmachung ihres Vertrages gegenüber Dritten verzichtet haben. Die Massgeblichkeit des hypothetischen Willens der Eheleute A.R. und B.R. (Herausnahme der Liegenschaften des Ehemannes aus dem Gesamtgut) gemäss vorinstanzlichem Urteil ist mithin BGE 127 III 529 S. 533 unter dem geltend gemachten Gesichtspunkt der Form nicht zu beanstanden. Das muss bei Verfügungen von Todes wegen jedenfalls für Erbverträge gelten, die auch bezüglich Auslegung den Verträgen unter Lebenden und nicht den Testamenten gleichgestellt werden (vgl. BGE 99 II 382 E. 4a S. 385 ff. und hiezu auch RIEMER, in: recht 3/94 S. 125). Ob dagegen auch bei Testamenten nötigenfalls auf die Andeutungsregel verzichtet und "konstruktiv" bzw. "modifizierend" eingegriffen werden darf, ist vorliegend nicht zu entscheiden. d) Unter diesen Umständen ist die Berufung abzuweisen und das vorinstanzliche Urteil zu bestätigen.
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Im Vergaberecht ist der Sachverhalt massgebend, wie er sich im Zeitpunkt des Vergabeentscheids präsentiert und nicht derjenige bei der Beurteilung einer allfälligen Beschwerde (E. 2.5 und 2.6). Sachverhalt ab Seite 178 BGE 143 I 177 S. 178 A. Am 12. Juni 2015 schrieb der Verband B. die Leistungen für die Sammlung und den Transport von Siedlungsabfall (Haus- und Gewerbekehricht, ohne Kehricht aus Unterflurcontainern) im Entsorgungsgebiet des Verbandes für den Zeitraum ab 1. Januar 2017 in einem offenen Verfahren aus. Die Leistungen wurden in acht Lose aufgeteilt, gegliedert nach Einsatzräumen. In den Allgemeinen Bestimmungen zur Ausschreibung wurden als Eignungskriterien - nebst der Vollständigkeit des eingereichten Angebots, des Nachweises der ordnungsgemässen Bezahlung öffentlicher Abgaben, des Nachweises der organisatorischen, wirtschaftlichen und technischen Leistungsfähigkeit etc. - insbesondere der Nachweis der Zulassungsbewilligung (Transportlizenz) gemäss Art. 3 des Bundesgesetzes vom 20. März 2009 über die Zulassung als Strassentransportunternehmen (STUG; SR 744.10) verlangt. Als Zuschlagskriterien wurden in der Reihenfolge ihrer Bedeutung der Angebotspreis und die Referenzen definiert. Gemäss dem Beurteilungsraster wurden der Angebotspreis mit 70 % und die Referenzen mit 30 % gewichtet. B. Innert der Frist bis 18. September 2015, 12.00 Uhr, gingen beim Verband für das Los X. insgesamt vier Offerten ein. Darunter befanden sich die Offerten der A. AG vom 17. September 2015 mit einem Angebotspreis von Fr. 119.- pro Tonne Kehricht und der C. AG vom 18. September 2015 mit einem Preis von Fr. 117.80 pro Tonne Kehricht. Die Offertöffnung erfolgte am 21. September 2015 um 09.15 Uhr. Am 23. September 2015 wurde die A. AG vom Verband aufgefordert, fehlende Unterlagen zu den verwendeten Fahrzeugen nachzureichen. Am selben Tag wurde auch die C. AG aufgefordert, eine Kopie der fehlenden Zulassungsbewilligung (Transportlizenz) nachzuliefern. Für den Fall, dass die angesetzte Frist bis BGE 143 I 177 S. 179 am 30. September 2015 ungenutzt verstreichen sollte, müsse der Ausschluss vom Submissionsverfahren in Kauf genommen werden. Die A. AG reichte die fehlenden Unterlagen am 28. September 2015 ein. Die C. AG teilte dem Verband mit, dass der Schweizerische Nutzfahrzeugverband (ASTAG) die Anmeldungen für die Vorbereitungskurse und den Prüfungstermin zur Erlangung der Zulassungsbewilligung am 31. August 2015 bestätigt habe. Mit Verfügung vom 27. Oktober 2015 erteilte der Verband B. der C. AG den Zuschlag für das Los X. Diesen Entscheid teilte der Verband B. mit Schreiben vom 27. Oktober 2015 auch der A. AG mit und begründete ihn mit: "Beste Erfüllung der Zuschlagskriterien". C. Gegen die Zuschlagsverfügung vom 27. Oktober 2015 - wie auch gegen eine andere Zuschlagsverfügung betreffend das Los Y., welche Gegenstand eines separaten Verfahrens bildete - erhob die A. AG beim Verwaltungsgericht Thurgau Beschwerde und beantragte, die angefochtene Vergabe betreffend die Lose X. und Y. seien aufzuheben und die Zuschläge an sie zu erteilen. Eventualiter seien die angefochtenen Zuschlagsverfügungen betreffend die Lose X. und Y. aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Am 4. November 2015 erteilte der verfahrensleitende Präsident des Verwaltungsgerichts der Beschwerde aufschiebende Wirkung und untersagte dem Verband B. einstweilen, den Vertrag abzuschliessen. Gleichzeitig erfolgte eine Aufteilung des Beschwerdeverfahrens hinsichtlich der Lose X. und Y. Mit Urteil vom 9. März 2016 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab. D.
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Die A. AG erhob am 2. Mai 2016 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, eventuell subsidiäre Verfassungsbeschwerde. Sie beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und der Zuschlag ihr zu erteilen. Eventualiter sei der Entscheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Neuentscheidung im Sinne der bundesgerichtlichen Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Am 4. Mai 2016 wurde der Beschwerde antragsgemäss superprovisorisch die aufschiebende Wirkung zuerkannt. In ihren Stellungnahmen zum Gesuch um aufschiebende Wirkung, jeweils datierend vom 11. Mai 2016, teilten der Verband B. sowie die C. AG dem Bundesgericht mit, dass sie bereits am 22. April 2016 den Vertrag abgeschlossen hätten. In der Folge wies der Abteilungspräsident mit Verfügung vom 1. Juni 2016 das Gesuch um aufschiebende Wirkung ab. BGE 143 I 177 S. 180 Mit Eingabe vom 24. Mai 2016 ergänzte die A. AG ihre Rechtsbegehren dahin, dass subeventualiter der Entscheid aufzuheben und festzustellen sei, dass der Zuschlagsentscheid rechtswidrig sei. Das Verwaltungsgericht sowie die C. AG beantragen jeweils, die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist, und die subsidiäre Verfassungsbeschwerde sei abzuweisen. Der Verband B. stellt den Antrag, auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sei nicht einzutreten und die Verfassungsbeschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Die A. AG nimmt zum Vernehmlassungsergebnis abschliessend Stellung und hält an ihren Rechtsbegehren fest. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die Beschwerdeführerin rügt, der Entscheid der Vorinstanz beruhe auf einem offensichtlich falsch festgestellten Sachverhalt, verstosse gegen das Rechtsgleichheitsgebot ( Art. 8 BV ) und sei willkürlich i.S.v. Art. 9 BV . 2.1 Die Vorinstanz begründete ihren Entscheid folgendermassen: Zwar sei die in den Ausschreibungsunterlagen als Eignungskriterium geforderte Zulassungsbewilligung (Transportlizenz) im Zeitpunkt der Offerteinreichung bzw. Zuschlagserteilung seitens der Zuschlagsempfängerin noch nicht vorgelegen. Unter den gegebenen Umständen erweise sich der Mangel jedoch als geringfügig. Die Zuschlagsempfängerin verfüge über langjährige Erfahrung und habe die Aufträge der Beschaffungsstelle jahrelang tadellos erfüllt. Zum Zeitpunkt der Offerteingabe sei die Transportlizenz zwar noch nicht vorgelegen, aber bereits beantragt gewesen. Die Beschaffungsstelle habe in guten Treuen davon ausgehen dürfen, dass die Transportlizenz im Dezember 2015 und somit vor Vertragsbeginn am 1. Januar 2017 vorliegen werde. Der Mangel sei als geringfügig einzustufen und eine Aufhebung der Zuschlagsverfügung wäre deshalb unverhältnismässig. Im Weiteren wäre eine direkte Zuschlagserteilung an die Beschwerdeführerin ohnehin nicht möglich, weil diese ebenfalls unvollständige Offertunterlagen eingereicht habe. Es würde sich deshalb bei einer Gutheissung der Beschwerde ein Abbruch des Verfahrens und eine Rückweisung an die Vergabestelle aufdrängen. Ein neues Vergabeverfahren stelle jedoch einen prozessualen Leerlauf dar, da die Zuschlagsempfängerin mittlerweile im Besitz einer Transportlizenz sei und somit das fragliche Eignungskriterium erfülle. BGE 143 I 177 S. 181 Auch unter diesem Blickwinkel erweise sich eine Aufhebung der Zuschlagsverfügung als unverhältnismässig. 2.2 Die Beschwerdeführerin führt aus, dass die Vergabestelle an die ausgeschriebenen Eignungskriterien gebunden sei. Die Vorinstanz wende kantonales Recht willkürlich an, wenn sie gewisse Eignungskriterien für einzelne Anbieter nicht als verbindlich erachte. Massgebender Zeitpunkt, um die Vergleichbarkeit der Angebote zu gewährleisten, sei die Offerteinreichung. Die Zuschlagsempfängerin habe zu diesem Zeitpunkt unbestritten über keine Transportlizenz verfügt und habe eine solche erst im vorinstanzlichen Beschwerdeverfahren eingereicht. Das Fehlen der Transportlizenz als gefordertes Eignungskriterium im Zeitpunkt des Erlasses der Zuschlagsverfügung hätte in willkürfreier Anwendung des Gleichbehandlungsgebots gemäss den Bestimmungen der Ausschreibung und gestützt auf § 36 Abs. 1 Ziff. 1 der Verordnung des Regierungsrates vom 23. März 2004 zum Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (RB 720. 21; nachfolgend: VöB/TG) bzw. wegen fehlender gesetzlicher Grundvoraussetzungen zum Ausschluss der Zuschlagsempfängerin führen müssen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz stelle eine fehlende gesetzliche Grundvoraussetzung bzw. ein fehlendes Eignungskriterium keineswegs einen geringfügigen Mangel dar, welcher einen Ausschluss als unverhältnismässig erscheinen liesse. 2.3 Grundanforderungen sind Vorbedingungen, welche alle Bieter erfüllen müssen, um losgelöst von der Natur und Ausgestaltung an einem öffentlichen Vergabeverfahren teilnehmen zu können. Eine Transportlizenz ist jedoch nicht für jedes Vergabeverfahren notwendig, sondern eine Bedingung, die mit Blick auf den konkret zur Vergabe stehenden Auftrag formuliert worden ist und von Gesetzes wegen für die Tätigkeit als Strassentransportunternehmen vorgesehen ( Art. 3 Abs. 1 STUG ). Es handelt sich um ein Eignungskriterium und soll sicherstellen, dass nur jene Bieter im Verfahren eine Chance haben, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den konkreten Auftrag gehörig erfüllen können (vgl. zum Ganzen MARTIN BEYELER, Der Geltungsanspruch des Vergaberechts, 2012, Rz. 1478 f.; CHRISTOPH JÄGER, Ausschluss vom Verfahren - Gründe und der Rechtsschutz / I.-III., Aktuelles Vergaberecht 2014, S. 325 ff., 343 Rz. 48). 2.3.1 Eignungskriterien sind grundsätzlich als Ausschlusskriterien zu definieren, d.h. dass bei Nichterfüllen auch nur eines Eignungskriteriums ein Ausschluss die Folge sein muss BGE 143 I 177 S. 182 ( BGE 141 II 353 E. 7.1 S. 353; BGE 139 II 489 E. 2.2.4 S. 494), ausser wenn die Mängel geringfügig sind und der Ausschluss unverhältnismässig wäre (Urteile 2C_346/2013 vom 20. Januar 2014 E. 3.3; 2C_665/2015 vom 26. Januar 2016 E. 1.3.3). Kann allerdings kein Anbieter die von der Vergabebehörde definierten Eignungskriterien erfüllen, ist dies ein Zeichen, dass die Anforderungen den Realitäten des Marktes nicht entsprechen; die Vergabebehörde kann alsdann unter Wahrung der Gleichbehandlung der Anbieter entweder das Verfahren abbrechen oder auf strikte Respektierung der unangemessenen Anforderung verzichten ( BGE 141 II 353 E. 7.3 und 7.4.2 S. 370 ff.). Auch § 36 Abs. 1 VöB /TG sieht ein gewisses Ermessen bei einem Ausschluss vor, da ein solcher nur "in der Regel" zu erfolgen hat, falls ein Ausschlussgrund vorliegt. Ein Ausschlussgrund muss eine gewisse Schwere aufweisen. Dies ist dann der Fall, wenn die Gleichbehandlung zwischen der fehlerhaften Offerte und den übrigen Angeboten sich nicht mehr gewährleisten liesse. Ein Ausschluss wäre hingegen unverhältnismässig oder überspitzt formalistisch, wenn die Abweichung von den Vorgaben der Ausschreibung untergeordneten Charakter hat und mit Blick auf das Preis-Leistungs-Verhältnis nur unbedeutend ist. So kann die Vergabestelle willkürfrei eine nachträgliche Einreichung von Detailnachweisen zulassen (Urteile 2C_346/2013 vom 20. Januar 2014 E. 3.3; 2C_665/2015 vom 26. Januar 2016 E. 1.3.3 mit weiteren Hinweisen). Ein Ausschluss wegen nicht fristgerechter Einreichung von Eignungsnachweisen ist hingegen nicht zu beanstanden (GALLI/MOSER/LANG/STEINER, Praxis des öffentlichen Beschaffungsrechts, 3. Aufl. 2013, S. 201). Von entscheidender Bedeutung ist folglich, ob die Vorinstanz willkürfrei davon ausgehen durfte, dass kein schwerer Mangel vorliegt und sie die Zuschlagsempfängerin im Verfahren belassen durfte. 2.3.2 Die Zulassungsbewilligung ist eine notwendige Voraussetzung, um ein Strassentransportunternehmen im Personen- oder Güterverkehr betreiben zu können ( Art. 3 Abs. 1 STUG ). Eine fehlende Transportlizenz ist keine blosse Bagatelle. Das unterstreicht auch die Strafandrohung für Personen, die ohne eine solche Bewilligung als Strassentransportunternehmen tätig werden. Sie sind mit einer Busse bis zu Fr. 100'000.- zu bestrafen ( Art. 11 STUG ). Zwar gilt es zu berücksichtigen, dass die Zuschlagsempfängerin die Transportlizenz bereits vor der Offerteingabe beantragt hatte und die notwendigen Prüfungen für die Transportbewilligung sobald als möglich nachholte. Ebenfalls führte sie für die Vergabestelle bereits BGE 143 I 177 S. 183 während Jahren zu deren vollen Zufriedenheit Gütertransporte durch. Dies ist aber nicht nur zugunsten der Zuschlagsempfängerin zu werten, da sie offensichtlich während langer Zeit zwingende rechtliche Vorgaben schlicht ignorierte. Entscheidend ist, dass sie im Zeitpunkt der Offerteinreichung eine zentrale technische Eignung nicht besass, um den Auftrag rechtlich einwandfrei erfüllen zu können. Es ist somit nicht von einem geringfügigen Mangel auszugehen, bei welchem ein Ausschluss unverhältnismässig oder überspitzt formalistisch wäre. Vielmehr hat die Vorinstanz § 36 Abs. 1 Ziff. 1 VöB /TG offensichtlich falsch angewendet, wenn sie die fehlende Transportlizenz nicht als schweren Mangel betrachtete. Die Berücksichtigung von Angeboten mit schweren Mängeln ist überdies nicht nur willkürlich, sondern verstösst auch gegen das Gleichbehandlungsgebot (ALEXIS LEUTHOLD, Offertverhandlungen in öffentlichen Vergabeverfahren, 2009, S. 75; GALLI/MOSER/LANG/STEINER, a.a.O., S. 275). 2.3.3 Die unvollständigen Offertunterlagen der Beschwerdeführerin, bei welchen einige Spezifikationen betreffend der verwendeten Fahrzeuge nachgereicht werden mussten, können hingegen nicht als schwerer Mangel gelten. Detailnachweise wie hier einige Spezifikationen betreffend der verwendeten Fahrzeuge dürfen, wie soeben erwähnt, nachträglich eingereicht werden. Davon gingen implizit sowohl die Vergabebehörde - andernfalls sie keine Nachfrist zur Einreichung der fehlenden Angaben hätte ansetzen dürfen, sondern die Beschwerdeführerin vom Vergabeverfahren hätte ausschliessen müssen - als auch die Vorinstanz aus, deren Erwägungen nichts Gegenteiliges zu entnehmen ist. Eine direkte Zuschlagserteilung an die Beschwerdeführerin bei Gutheissung der Beschwerde durch die Vorinstanz wäre deshalb entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts möglich gewesen, weil ein Ausschluss der Beschwerdeführerin aus dem Verfahren nicht gerechtfertigt gewesen wäre. Es hätte kein neues Verfahren durchgeführt werden müssen, welches in der Folge ohnehin zugunsten der Zuschlagsempfängerin ausgegangen wäre und damit einen prozessualen Leerlauf dargestellt hätte. Auch unter diesem Gesichtspunkt erweist sich ein Ausschluss der Zuschlagsempfängerin nicht als unverhältnismässig. 2.4 Ob die Vorinstanz den Sachverhalt, wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht, in verschiedener Hinsicht willkürlich festgestellt hat, kann unter diesen Umständen offenbleiben. Es ist unerheblich, ob es der Zuschlagsempfängerin möglich war, ohne die Transportlizenz die Aufträge zugunsten der Vergabestelle tadellos BGE 143 I 177 S. 184 auszuführen oder ob darin eine mangelhafte Leistung zu erblicken ist, welche eine schlechte Referenz zur Folge hätte haben müssen. Ebenso keine Rolle spielt beim vorliegenden Ergebnis, ob die Zuschlagsempfängerin im Zeitpunkt der Offerteinreichung tatsächlich bereits sämtliche Voraussetzungen für die Transportlizenz erfüllt hatte und die Vorinstanz davon ausgehen durfte, dass die Transportlizenz im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorhanden sein werde. Immerhin sei erwähnt, dass der Verkehrsleiter der Zuschlagsempfängerin eine fehlende Prüfung erst nach dem Zuschlagsentscheid am 21. November 2015 abgelegt hat, so dass zu diesem Zeitpunkt offensichtlich noch nicht alle notwendigen Voraussetzungen für die Transportlizenz erfüllt waren, auch wenn diese, datierend vom 8. Dezember 2015, schliesslich vor dem Vertragsschluss und dem Beginn der vereinbarten Tätigkeit am 1. Januar 2017 vorlag. 2.5 Das Bestehen der Transportlizenz im Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils führt im Weiteren nicht dazu, dass dieses Eignungskriterium durch das Verwaltungsgericht als erfüllt zu betrachten gewesen wäre. 2.5.1 Das System des Beschaffungsrechts ist so ausgelegt, dass der für das Submissionsverfahren entscheidende Moment der Zeitpunkt des Vergabeentscheids ist. Vor diesem müssen die Vergabekriterien definitiv festgelegt werden. Nachträgliche Änderungen der Angebote durch die Vergabebehörde oder den Anbieter sind aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes prinzipiell nicht statthaft (GALLI/ MOSER/LANG/STEINER, a.a.O., S. 300; für das vorliegende Verfahren § 34 Abs. 3 VöB /TG). Bei der Frage, ob ein bestimmter Anbieter geeignet ist, dürfen (für diesen positive) Tatsachen, die sich nach Ablauf des Eingabetermins für die Angebote ereignet haben, grundsätzlich nicht berücksichtigt werden, denn diese hätte eine Diskriminierung der Mitanbieter zur Folge (GALLI/MOSER/LANG/STEINER, a.a.O., S. 302). Stellte man hingegen darauf ab, wie sich der Sachverhalt im Zeitpunkt des Entscheids über eine allfällige Beschwerde gegen den Vergabeentscheid präsentiert, würde dieses System umgangen: Ein Bieter, welcher Beschwerde ergreift, könnte sein Angebot nach Ablauf des Eingabetermins in Kenntnis sämtlicher Details aller Angebote, die mit dem Vergabeentscheid eröffnet worden sind, nachträglich bis zum Entscheid über seine Beschwerde ändern und ergänzen. Eine solche Verfahrensgestaltung würde die Grundsätze des Submissionsverfahrens, wie sie auch im Kanton Thurgau festgelegt sind, aushebeln und ist nicht angebracht. BGE 143 I 177 S. 185 2.5.2 Dieser Erkenntnis steht der Devolutiveffekt einer Beschwerde, wonach die Behandlung der Sache, die Gegenstand der mit Beschwerde angefochtenen Verfügung bildet, mit Einreichung der Beschwerde auf die Beschwerdeinstanz übergeht (vgl. Art. 54 VwVG [SR 172.021]), nicht entgegen. Aufgrund des Devolutiveffekts verliert die Vorinstanz die Befugnis, sich mit der Sache zu befassen, d.h. insbesondere darüber materiell zu entscheiden oder den rechtserheblichen Sachverhalt abzuklären (vgl. HANSJÖRG SEILER, in: Praxiskommentar VwVG, Waldmann/Weissenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2016, N. 3 ff. zu Art. 54 VwVG ). Im Bereich des Beschaffungsrechts ist der Sachverhalt massgebend, wie er sich im Zeitpunkt des Vergabeentscheides präsentiert. Änderungen des Angebots nach dem Eingabetermin sind nur bei untergeordneten Mängeln möglich (vgl. E. 2.3.1). Welche Instanz den rechtserheblichen Sachverhalt ermittelt, ist dabei unerheblich. 2.5.3 Ebenfalls nicht betroffen ist die Unzulässigkeit kantonalrechtlicher Novenverbote, wenn bloss eine kantonale Gerichtsinstanz besteht. Es geht nicht darum, dass der Sachverhalt im gerichtlichen Verfahren zu ermitteln ist und deshalb dem Gericht auch neue Tatsachen und Beweismittel unterbreitet werden können (vgl. dazu BGE 135 II 369 E. 3.3), sondern um die davon klar zu unterscheidende Frage, welcher Sachverhalt massgeblich ist. Gemäss den Grundsätzen des Vergaberechts ist der Sachverhalt im Moment der Erteilung des Zuschlags ausschlaggebend und nicht derjenige bei der Beurteilung einer allfälligen Beschwerde gegen den Vergabeentscheid. Ein Eignungskriterium, welches erst im Zeitpunkt des Beschwerdeentscheides und somit verspätet erfüllt ist, muss deshalb unberücksichtigt bleiben. 2.6 Nach dem Ausgeführten ist die subsidiäre Verfassungsbeschwerde in dem Sinne gutzuheissen, als festzustellen ist, dass die Vorinstanz das kantonale Submissionsrecht in qualifiziert bundesrechtswidriger Weise gehandhabt hat. Sie ist willkürlich davon ausgegangen, dass die Offerte der Zuschlagsempfängerin nicht an einem schweren Mangel leidet und nicht vom Verfahren ausgeschlossen werden musste. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben. (...)
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Sachverhalt ab Seite 353 BGE 137 IV 352 S. 353 A. Das Strafgericht des Seebezirks des Kantons Freiburg sprach X. am 18. Dezember 2008 im Anklagepunkt II schuldig der qualifizierten Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über die Betäubungsmittel, begangen von 2003 bis 15. Februar 2005 in Biel und verschiedenen anderen Orten. In den Anklagepunkten III, IV und VI sprach es ihn vom Vorwurf des Hanfanbaus zur Betäubungsmittelgewinnung bzw. des Betäubungsmittelhandels frei. Es bestrafte X. mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Anrechnung der erstandenen Untersuchungshaft. Die Strafe wurde als Zusatzstrafe zum Urteil des Strafgerichts des Seebezirks vom 24. August 2005 ausgesprochen (29 Monate Freiheitsstrafe wegen Betäubungsmittelhandels). Der Vollzug der Zusatzstrafe wurde bei einer Probezeit von vier Jahren aufgeschoben. Von einer Ersatzforderung sah das Strafgericht ab. Die Verfahrenskosten auferlegte es je zur Hälfte X. und dem Staat Freiburg. B. B.a Der Strafappellationshof des Kantonsgerichts Freiburg bestätigte am 24. Januar 2011 das Urteil des Strafgerichts des Seebezirks in BGE 137 IV 352 S. 354
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Abweisung der gegen die Strafzumessung und den Entscheid betreffend die Ersatzforderung erhobenen Berufung der kantonalen Staatsanwaltschaft (Ziff. 1 Dispositiv). B.b Gleichzeitig behandelte der Strafappellationshof das ihm mit Urteil der Strafkammer des Kantonsgerichts Freiburg vom 14. Januar 2011 übermittelte Entschädigungsgesuch von X. auf Zusprechung der Hälfte der Anwaltskosten im Verfahren vor erster Instanz in der Höhe von Fr. 9'552.50, auf Ersatz des Ertragsverlusts in der Höhe von Fr. 179'389.85 wegen der am 19. September 2007 erfolgten Vernichtung der Hanfernte auf dem Grundstück A. in Murten sowie auf Ersatz des dadurch entstandenen Schadens am Elektrozubehör von Fr. 2'400.40. Der Strafappellationshof wies das Gesuch vollumfänglich ab (Ziff. IV Dispositiv). C. X. führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, Ziff. IV des Urteils des Strafappellationshofs des Kantonsgerichts Freiburg sei aufzuheben und ihm seien Fr. 9'552.50 als Entschädigung für Anwaltskosten sowie Fr. 179'389.85 für Ertragsverlust infolge Vernichtung der Hanfernte 2007 zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen und diese anzuweisen, ihn für Anwaltskosten und Ertragsverlust infolge Erntevernichtung angemessen zu entschädigen. X. ersucht ausserdem um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. D. Der Strafappellationshof des Kantonsgerichts Freiburg und die Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg haben auf eine Stellungnahme zur Beschwerde verzichtet. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.2 Vorab ist das anwendbare Verfahrensrecht zu bestimmen. Am 1. Januar 2011 ist die Schweizerische Strafprozessordnung (StPO; SR 312.0) in Kraft getreten. Deren Übergangsbestimmungen basieren auf dem Grundsatz, die bisherigen Verfahrensordnungen von Bund und Kantonen möglichst rasch durch die StPO zu ersetzen (Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1350 Ziff. 2.12.2.1). Art. 448 StPO legt dementsprechend fest, dass Verfahren, die bei Inkrafttreten der Schweizerischen Strafprozessordnung hängig sind, nach neuem Recht fortgeführt werden, es sei denn, die nachfolgenden Bestimmungen sähen etwas anderes vor. Eine Bestimmung, die im letztgenannten Sinne vom Grundsatz BGE 137 IV 352 S. 355 abweicht, ist Art. 453 Abs. 1 StPO . Danach werden Rechtsmittel gegen einen Entscheid, der vor Inkrafttreten der StPO gefällt worden ist, nach bisherigem Recht und von den bisher zuständigen Behörden beurteilt. Vorliegend hatte die Vorinstanz nicht über einen erstinstanzlichen Entscheid zu befinden, sondern das Entschädigungsgesuch des Beschwerdeführers als einzige Instanz zu beurteilen. Diese Konstellation fällt nicht unter Art. 453 Abs. 1 StPO . Nach dem Grundsatz von Art. 448 StPO ist deshalb - wovon die Vorinstanz zu Recht ausgeht - die Schweizerische Strafprozessordnung anwendbar, zumal diese auch die Entschädigungsansprüche abdeckt, welche unter Art. 242 aStPO/FR geltend gemacht werden konnten. 2. Der Beschwerdeführer hält die Verweigerung der Entschädigung der geltend gemachten hälftigen Anwaltskosten für bundesrechtswidrig. 2.1 Gemäss Art. 429 Abs. 1 StPO hat die beschuldigte Person, die ganz oder teilweise freigesprochen wird, unter anderem Anspruch auf Entschädigung für die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer Verfahrensrechte (lit. a). Nach Art. 430 Abs. 1 StPO kann die Strafbehörde eine Entschädigung oder Genugtuung herabsetzen oder verweigern, wenn die beschuldigte Person rechtswidrig oder schuldhaft die Einleitung des Verfahrens bewirkt oder dessen Durchführung erschwert hat (lit. a). 2.2 Im Verfahren vor erster Instanz war über vier Anklagepunkte zu entscheiden. In einem Punkt wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, in den übrigen Punkten wurde er freigesprochen. Ausgehend hievon auferlegte die erste Instanz dem Staat Freiburg und dem Beschwerdeführer die Verfahrenskosten je zur Hälfte. 2.3 Die Vorinstanz verweigert die geltend gemachte Entschädigung für Anwaltskosten betreffend die ergangenen Freisprüche im erstinstanzlichen Verfahren mit der Begründung, den Beschwerdeführer treffe ein Verschulden im Sinne von Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO insofern, als er mit Hanf mit einem THC-Gehalt deutlich über dem neuralgischen Wert gehandelt habe. 2.4 2.4.1 Diese Begründung, welche insbesondere im Zusammenhang mit dem Freispruch betreffend den Vorwurf des Hanfanbaus auf dem Grundstück A. in Murten (Anklagepunkt VI) ergeht, überzeugt nicht. Zwar ergaben die auf dem Hanffeld und in der Scheune des Beschwerdeführers im Jahre 2007 beschlagnahmten Zweige und BGE 137 IV 352 S. 356 Hanfblüten bei ihrer Analyse unbestrittenermassen einen THC-Wert, der zwischen 2 und 2,7 % liegt. Gestützt auf diesen Wert alleine kann vom blossen Hanfanbau jedoch nach richtiger Ansicht in der Beschwerde nicht auf einen Verstoss gegen das Betäubungsmittelgesetz geschlossen werden. Denn der Anbau von Betäubungsmittelhanf für andere Zwecke als die Betäubungsmittelgewinnung, wie beispielsweise für die Ölgewinnung, war nach dem damals geltenden Betäubungsmittelgesetz nicht verboten (aArt. 8 Abs. 1 lit. d BetmG; siehe hierzu auch BGE 130 IV 83 E. 1.1 S. 86; BGE 126 IV 198 E. 2 S. 201 f.; Urteil 6S.580/2006 vom 6. Juli 2007 E. 4.2 ). Die erste Instanz stellte in dieser Hinsicht verbindlich fest, dass der vom Beschwerdeführer auf dem Grundstück A. angebaute Hanf - auch bei einem den neuralgischen Punkt überschreitenden THC-Wert - nicht für Betäubungsmittelzwecke bestimmt war, sondern in den Jahren 2003 bis 2006 unter Aufsicht und Tolerierung der Behörden zu ätherischem Öl destilliert wurde. Die Destillation der Hanfernte 2007 unter polizeilicher Aufsicht war für den 19. oder 20. September 2007 vorgesehen, also ein bzw. zwei Tage nach der angeordneten Hanfvernichtung. Der Beschwerdeführer wurde in Bezug auf den Vorwurf des Hanfanbaus auf dem Grundstück A. freigesprochen, weil der Hanf nicht zur Betäubungsmittelgewinnung angebaut und verwendet wurde. Vor diesem Hintergrund, namentlich in Anbetracht des ausgewiesenen legalen Hanfanbaus bzw. der legalen Hanfverarbeitung unter behördlicher Aufsicht, geht es nicht an, dem Beschwerdeführer einzig gestützt auf den festgestellten THC-Gehalt von mehr als 0,3 % ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten im Sinne von Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO anzulasten, welches die Einleitung eines Strafverfahrens aus objektiv gerechtfertigten Gründen bewirkt haben soll. Ein solches Verhalten seitens des Beschwerdeführers ist unter den gegebenen Umständen nicht ersichtlich. Dass er sich in anderm Zusammenhang wegen Hanfhandels strafbar machte, ändert hieran nichts bzw. kann zur Begründung eines im Sinne von Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO vorwerfbaren Verhaltens in Bezug auf den in Frage stehenden Tatvorwurf nicht herangezogen werden. Die Verweigerung der Entschädigung für Anwaltskosten verstösst mithin gegen Bundesrecht. Das gilt auch für die beiden weiteren zur Diskussion stehenden Freisprüche. Diese erfolgten mangels Beweisen. Dem Beschwerdeführer konnten die ihm vorgeworfenen Handlungen - Verkauf und Vertrieb von Hanfblüten mittels Lieferanten von 2004 bis 23. Mai 2007 BGE 137 IV 352 S. 357 einerseits (Anklagepunkt III) und regelmässige Lieferungen einer insgesamt unbekannten Menge Marihuana an den Laden "B. GmbH" von August 2005 bis 23. Februar 2007 andererseits (Anklagepunkt IV) - nicht zugeordnet und damit nicht nachgewiesen werden. Die erste Instanz schloss in ihren Erwägungen bezüglich beider Anklagepunkte eine Dritttäterschaft nicht aus bzw. hielt eine solche gar für "ziemlich wahrscheinlich". Inwiefern dem Beschwerdeführer unter diesen Umständen ein Verschulden im Sinne von Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO zur Last gelegt werden könnte, aufgrund dessen ein Strafverfahren zu Recht eingeleitet wurde, ist nicht erkennbar. Insbesondere lässt sich aus seiner blossen (stillen) Teilhaberschaft an "B. GmbH" keine Verpflichtung bzw. Verantwortung ableiten, welche eine zivilrechtlichen Grundsätzen angenäherte Haftung für ein fehlerhaftes Verhalten begründen könnte. 2.4.2 Abgesehen davon vermag der angefochtene Entscheid betreffend die Verweigerung der Entschädigung für Anwaltskosten auch aus einem weiteren Grund nicht zu überzeugen. Auszugehen ist davon, dass eine Kostenauflage nach Art. 426 Abs. 1 und 2 StPO in der Regel einen Anspruch auf Entschädigung ausschliesst. Die Entschädigungsfrage ist nach der Kostenfrage zu beantworten. Insoweit präjudiziert der Kostenentscheid die Entschädigungsfrage. Es gilt folglich der Grundsatz, dass bei Auferlegung der Kosten keine Entschädigung oder Genugtuung auszurichten ist, während bei Übernahme der Kosten durch die Staatskasse die beschuldigte Person Anspruch auf Entschädigung hat (vgl. DONATSCH/HANSJAKOB/LIEBER, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], 2010, N. 2 und 7 zu Art. 430 StPO , mit Verweis auf die Botschaft; so schon unter altem Recht: NIKLAUS SCHMID, Strafprozessrecht, 4. Aufl., 2004, S. 464 Rz. 1209). Vorliegend auferlegte die erste Instanz dem Staat Freiburg die Verfahrenskosten zur Hälfte und zwar wegen der ergangenen Freisprüche des Beschwerdeführers. Entsprechend wäre in Anwendung des erwähnten strafprozessualen Grundsatzes eine hälftige Entschädigung für die Anwaltskosten sachgerecht gewesen. Ohne diesen Grundsatz auch nur im Ansatz zu berücksichtigen bzw. ohne die Entschädigungsfrage im Hinblick auf den rechtskräftigen erstinstanzlichen Kostenentscheid zu beurteilen, lehnt die Vorinstanz vorliegend eine Entschädigung für Anwaltskosten ab. Gründe, welche allenfalls ein ausnahmsweises Abweichen vom Grundsatz des Anspruchs auf eine Parteientschädigung bei Kostenauflage an den Staat sachlich rechtfertigen könnten, führt die Vorinstanz nicht an und BGE 137 IV 352 S. 358 sind hier im Übrigen auch nicht ersichtlich. Die Beschwerde erweist sich daher auch unter diesem Gesichtswinkel als begründet. 2.4.3 Das angefochtene Urteil betreffend die Verweigerung der Entschädigung der geltend gemachten Anwaltskosten ist folglich aufzuheben und die Sache insoweit an die Vorinstanz zur neuen Entscheidung zurückzuweisen.
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Sachverhalt ab Seite 145 BGE 146 IV 145 S. 145 A. A. überholte am 22. November 2016 auf einer Hauptstrasse zwei Fahrzeuge. Dabei stiess er mit einem entgegenkommenden Motorradfahrer zusammen. Dieser verstarb gleichentags im Spital. B. Mit Strafbefehl vom 11. August 2017 auferlegte die Staatsanwaltschaft Innerschwyz (im Folgenden: Staatsanwaltschaft) A. wegen fahrlässiger Tötung und grober Verletzung von Verkehrsregeln eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je Fr. 90.-, bedingt bei einer Probezeit von zwei Jahren, und eine Verbindungsbusse von Fr. 4'050.-. Für den Fall der schuldhaften Nichtbezahlung der Busse sprach die Staatsanwaltschaft eine Ersatzfreiheitsstrafe von 45 Tagen aus. Dagegen erhob A. am 25. August 2017 Einsprache. BGE 146 IV 145 S. 146 Am 21. Dezember 2017 überwies die Staatsanwaltschaft den Strafbefehl der Einzelrichterin des Bezirksgerichts Schwyz als Anklage. Am 25. Mai 2018 verurteilte die Einzelrichterin A. wegen fahrlässiger Tötung und grober Verletzung von Verkehrsregeln zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je Fr. 100.-, bedingt bei einer Probezeit von zwei Jahren, und zu einer Verbindungsbusse von Fr. 4'500.-. Die Ersatzfreiheitsstrafe für den Fall der schuldhaften Nichtbezahlung der Busse setzte sie auf 45 Tage fest. C. Hiergegen erhob A. Berufung.
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Mit Beschluss vom 28. Januar 2019 hob das Kantonsgericht Schwyz (Strafkammer) das Urteil der Einzelrichterin von Amtes wegen auf und wies die Sache im Sinne der Erwägungen zur Weiterbehandlung an die Staatsanwaltschaft zurück (Dispositiv Ziffer 1). Es befand, die Staatsanwaltschaft habe im Strafbefehl die dafür gesetzlich vorgesehene Höchststrafe überschritten. Der Strafbefehl sei nichtig und damit auch das Urteil der Einzelrichterin. Die Staatsanwaltschaft werde, soweit erforderlich, das Vorverfahren neu durchzuführen und danach die Untersuchung mit einer ordentlichen Anklage bei der zuständigen Strafkammer des Bezirksgerichts abzuschliessen haben. D.
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Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Schwyz führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, Ziffer 1 des Dispositivs des Beschlusses des Kantonsgerichts aufzuheben und die Sache zur Durchführung des Berufungsverfahrens an dieses zurückzuweisen. (...) (Auszug) Aus den Erwägungen: Erwägungen 2. 2.1 Hat die beschuldigte Person im Vorverfahren den Sachverhalt eingestanden oder ist dieser anderweitig ausreichend geklärt, so erlässt die Staatsanwaltschaft gemäss Art. 352 StPO einen Strafbefehl, wenn sie, unter Einrechnung einer allfälligen zu widerrufenden bedingten Strafe oder bedingten Entlassung, eine der folgenden Strafen für ausreichend hält: a) eine Busse; b) eine Geldstrafe von höchstens 180 Tagessätzen; c) ... ; d) eine Freiheitsstrafe von höchstens 6 Monaten (Abs. 1). Jede dieser Strafen kann mit einer Massnahme nach den Artikeln 66 und 67e-73 StGB verbunden werden (Abs. 2). BGE 146 IV 145 S. 147 Strafen nach Absatz 1 Buchstaben b-d können miteinander verbunden werden, sofern die insgesamt ausgesprochene Strafe einer Freiheitsstrafe von höchstens 6 Monaten entspricht. Eine Verbindung mit Busse ist immer möglich (Abs. 3). Die Vorinstanz hält dafür, in einem Strafbefehl könne zusätzlich zu einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen nur eine wegen einer Übertretung ausgesprochene Busse verhängt werden, nicht jedoch - wie hier - eine Verbindungsbusse nach Art. 42 Abs. 4 StGB . Die Beschwerdeführerin wendet ein, diese Auffassung widerspreche dem klaren Wortlaut sowie Sinn und Zweck von Art. 352 Abs. 3 StPO . 2.2 Das Strafgesetzbuch regelt im ersten Teil der allgemeinen Bestimmungen (Art. 1-102) die Verbrechen und Vergehen, im zweiten Teil (Art. 103-109) die Übertretungen. Gemäss Art. 103 StGB sind Übertretungen Taten, die mit Busse bedroht sind. Dem Beschwerdegegner wird keine Übertretung zur Last gelegt. Für fahrlässige Tötung ( Art. 117 StGB ) und grobe Verletzung von Verkehrsregeln ( Art. 90 Abs. 2 SVG ) droht das Gesetz Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe an. Es handelt sich somit um Vergehen ( Art. 10 Abs. 3 StGB ). Nach Art. 42 Abs. 1 StGB schiebt das Gericht den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten. Gemäss Art. 42 Abs. 4 StGB kann eine bedingte Strafe mit einer Busse nach Art. 106 StGB verbunden werden (Verbindungsbusse). Mit der Verbindungsbusse soll im Bereich der Massendelinquenz die Möglichkeit geschaffen werden, eine spürbare Sanktion zu verhängen. Die Bestimmung dient in erster Linie dazu, die Schnittstellenproblematik zwischen der gemäss Art. 105 Abs. 1 StGB stets unbedingten Busse für Übertretungen und der bedingten Geldstrafe für Vergehen zu entschärfen. Auf Massendelikte, die im untersten Bereich bloss mit Bussen geahndet werden, soll auch mit einer unbedingten Sanktion reagiert werden können, wenn sie die Schwelle zum Vergehen überschreiten. Insoweit, also im Bereich der leichteren Kriminalität, verhilft Art. 42 Abs. 4 StGB zu einer rechtsgleichen Sanktionierung. Die Verbindungsbusse trägt ferner dazu bei, das unter spezial- und generalpräventiven Gesichtspunkten eher geringe Drohpotential der BGE 146 IV 145 S. 148 bedingten Geldstrafe zu erhöhen. Dem Verurteilten soll ein Denkzettel verabreicht werden können, um ihm den Ernst der Lage vor Augen zu führen und zugleich zu zeigen, was bei Nichtbewährung droht ( BGE 134 IV 1 E. 4.5. S. 8, BGE 134 IV 60 E. 7.3.1 S. 74 f. mit Hinweisen). Die bedingte Strafe und die Verbindungsbusse müssen in ihrer Summe schuldangemessen sein. Die Verbindungsbusse darf also zu keiner Straferhöhung führen ( BGE 134 IV 1 E. 4.5.2 S. 8, BGE 134 IV 53 E. 5.2 S. 55 f.). Der Verbindungsbusse darf gegenüber der bedingten Strafe nur untergeordnete Bedeutung zukommen. Die Obergrenze beträgt grundsätzlich einen Fünftel ( BGE 135 IV 188 E. 3.3 f. S. 189 ff.; BGE 134 IV 1 E. 4.5.2 S. 8 und E. 6.2 f. S. 16). 2.3 Gemäss Art. 352 Abs. 3 StPO ist die Grenze von 6 Monaten bei einer Verbindung mit Busse unbeachtlich. Das bringt der französischsprachige Gesetzeswortlaut deutlicher zum Ausdruck ("Les peines prévues à l'al. 1, let. b à d, peuvent être ordonnées conjointement si la totalité de la peine prononcée n'excède pas une peine privative de liberté de six mois. Une amende peut être infligée en sus."). Art. 352 Abs. 3 Satz 2 StPO unterscheidet nicht zwischen einer Verbindungsbusse bei Verbrechen und Vergehen und einer Busse bei Übertretungen. Im Gegenteil ist nach dieser Bestimmung eine Verbindung mit Busse immer möglich ("Il cumulo con la multa è sempre possibile"). Die Auffassung der Vorinstanz widerspricht somit dem klaren Gesetzeswortlaut. 2.4 Das Schrifttum hält einhellig dafür, dass Art. 352 Abs. 3 Satz 2 StPO auch die Verbindungsbusse nach Art. 42 Abs. 4 StGB erfasst, diese also auch zusätzlich ausgesprochen werden kann, wenn die Grenze von 6 Monaten nach Art. 352 Abs. 3 Satz 1 StPO bereits ausgeschöpft ist (FRANZ RIKLIN, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 8 zu Art. 352 StPO ; CHRISTIAN SCHWARZENEGGER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Donatsch und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 10 zu Art. 352 StPO ; SCHMID/JOSITSCH, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 3. Aufl. 2018, N. 12 f. zu Art. 352 StPO ; MARC THOMMEN, Kurzer Prozess - fairer Prozess?, 2013, S. 52; JEANNERET/KUHN, Précis de procédure pénale, 2. Aufl. 2018, S. 540 N. 17009 Fn. 15; YVAN JEANNERET, Les procédures spéciales dans le Code de procédure pénale suisse, in: La procédure pénale fédérale, Renate Pfister-Liechti [Hrsg.], 2010, S. 147; MICHAEL DAPHINOFF, Das Strafbefehlsverfahren in der Schweizerischen Strafprozessordnung, BGE 146 IV 145 S. 149 2012, S. 50 f.; ANASTASIA FALKNER, in: Kommentierte Textausgabe zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Goldschmid und andere [Hrsg.], 2008, S. 345 f.). 2.5 Nach der Rechtsprechung darf vom klaren, d.h. eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut einer Gesetzesbestimmung nur ausnahmsweise abgewichen werden, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Sinn und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit anderen Vorschriften ergeben ( BGE 143 IV 122 E. 3.2.3 S. 125; BGE 140 IV 108 E. 6.4 S. 111 f.; je mit Hinweisen). 2.6 Im bundesrätlichen Entwurf zur Schweizerischen Strafprozessordnung war Absatz 3 von Art. 352 (im Entwurf: Art. 355) nicht enthalten (BBl 2006 1498 f.). Absatz 3 wurde im Nationalrat auf Antrag der Kommission diskussionslos in das Gesetz aufgenommen (Sitzung vom 20. Juni 2007; AB 2007 N 1024). Im Ständerat wurde dazu ausgeführt, bei Absatz 3 habe der Nationalrat eine materielle Änderung beschlossen. Gemäss Fassung des Nationalrates könnten Strafen nach Absatz 1 Buchstaben b bis d miteinander kombiniert werden. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass die insgesamt ausgesprochene Strafe die sechs Monate Freiheitsstrafe nicht überschreite, dies unter Berücksichtigung einer zu widerrufenden bedingten Strafe. Diese Schranke gelte nicht, wenn zu einer Strafe nach Absatz 1 Buchstaben a bis d (gemeint: b bis d) eine Busse ausgesprochen werde. Auf Empfehlung des Bundesrates habe sich die ständerätliche Kommission dem Nationalrat angeschlossen (Votum Ständerat Wicki). In der Folge nahm der Ständerat Absatz 3 diskussionslos an (Sitzung vom 20. September 2007; AB 2007 S 726). Die Gesetzesmaterialien stützen somit die Auffassung der Vorinstanz nicht. Daraus ergibt sich nicht, dass zwischen einer Verbindungs- und einer Übertretungsbusse zu unterscheiden wäre und der Gesetzgeber seinen Willen in Absatz 3 unzureichend zum Ausdruck gebracht hätte. Die Verbindungsbusse wurde mit Bundesgesetz vom 24. März 2006, in Kraft seit dem 1. Januar 2007, in das Strafgesetzbuch aufgenommen (AS 2006 3539). Dass es sie gibt, war den Räten bei den parlamentarischen Beratungen im Jahr 2007 somit bekannt. Dies spricht dafür, dass der Gesetzgeber mit dem Begriff "Busse" in Art. 352 Abs. 3 Satz 2 StPO auch die Verbindungsbusse erfassen wollte. BGE 146 IV 145 S. 150 Dies bekräftigt Folgendes: Die Strafprozessordnung trat am 1. Januar 2011 in Kraft (AS 2010 1881, 2020). Mit Botschaft vom 4. April 2012 zur Änderung des Strafgesetzbuchs und des Militärstrafgesetzes schlug der Bundesrat die Streichung von Art. 352 Abs. 3 Satz 2 StPO vor; dies, weil er die Verbindungsbusse in Art. 42 Abs. 4 StGB abschaffen und nur noch die Verbindungsgeldstrafe beibehalten wollte (BBl 2012 4754 und 4768). Das Parlament schaffte in der Folge die Verbindungsgeldstrafe ab und behielt die Verbindungsbusse bei. Art. 352 Abs. 3 Satz 2 StPO beliess es unverändert. Dies zeigt, dass diese letztere Bestimmung auf die Verbindungsbusse zugeschnitten ist. Mit der erwähnten Botschaft vom 4. April 2012 wollte der Bundesrat die Strafbefehlskompetenz der Staatsanwaltschaft zudem dahin einschränken, dass diese zwar weiterhin eine bedingte Freiheitsstrafe von höchstens 6 Monaten hätte aussprechen können, eine unbedingte Freiheitsstrafe jedoch nur noch von höchstens 3 Monaten. Der Bundesrat trug damit der zunehmenden Kritik der Lehre am (zu) weiten Anwendungsbereich des Strafbefehlsverfahrens Rechnung (BBl 2012 4754 und 4768). Das Parlament lehnte auch diese Änderung ab. Es teilte die in der Lehre vorgebrachte Kritik somit nicht. Dies spricht zusätzlich gegen eine einschränkende Auslegung von Art. 352 Abs. 3 Satz 2 StPO , erst recht entgegen dem klaren Wortlaut. 2.7 Für die unterschiedliche Behandlung der Busse in Art. 352 Abs. 3 StPO gibt es einen Grund. Art. 352 Abs. 1 lit. b StPO lässt eine Geldstrafe von höchstens 180 Tagessätzen zu. Insoweit besteht gemäss Art. 36 Abs. 1 Satz 2 StGB ein Umwandlungssatz. Danach entspricht ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe. Ein derartiger Umwandlungssatz war auch bei aArt. 352 Abs. 1 lit. c StPO gegeben, der mit Wirkung ab 1. Januar 2018 aufgehoben wurde. Nach aArt. 352 Abs. 1 lit. c StPO konnte mit einem Strafbefehl auf gemeinnützige Arbeit von höchstens 720 Stunden erkannt werden. Gemäss aArt. 39 Abs. 2 StGB entsprachen vier Stunden gemeinnütziger Arbeit einem Tag Freiheitsstrafe. Bei einer Busse gibt es keinen derartigen Umwandlungssatz (TRECHSEL/BERTOSSA, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, Trechsel/Pieth [Hrsg.], 3. Aufl. 2018, N. 2 zu Art. 106 StGB ; STRATENWERTH/WOHLERS, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Handkommentar, 3. Aufl. 2013, N. 3 zu Art. 106 StGB ; anders noch der bis Ende 2006 in Kraft stehende aArt. 49 Abs. 3 StGB, wonach 30 Franken Busse einem Tag Haft entsprachen). Eine BGE 146 IV 145 S. 151 Gesamtsumme, wie sie Art. 352 Abs. 3 Satz 1 StPO vorsieht, kann insoweit deshalb nicht gebildet werden (SCHWARZENEGGER, a.a.O., N. 9 f. zu Art. 352 StPO ). Zwar hätte der Gesetzgeber in Art. 352 Abs. 3 StPO bei der Busse auf die Ersatzfreiheitsstrafe, die gemäss Art. 106 Abs. 2 StGB für den Fall der schuldhaften Nichtbezahlung auszusprechen ist, abstellen können. Hätte er dies gewollt, hätte er Art. 352 Abs. 3 StPO jedoch anders formuliert, etwa wie folgt: "Strafen nach Absatz 1 können miteinander verbunden werden, sofern die insgesamt ausgesprochene Strafe einer Freiheitsstrafe von höchstens 6 Monaten entspricht. Bei der Busse ist insoweit die gemäss Art. 106 Abs. 2 StGB ausgesprochene Ersatzfreiheitsstrafe massgeblich." 2.8 Der Zusammenhang mit anderen Bestimmungen spricht gegen die von der Vorinstanz vertretene Auffassung. Gemäss Art. 352 Abs. 2 StPO kann auch eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen oder eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten mit einer Massnahme nach den Art. 66 und 67e-73 StGB verbunden werden. Hieraus kann sich gegebenenfalls eine erhebliche Zusatzbelastung für den Bestraften ergeben. So verhält es sich etwa bei einem Entzug des Führerausweises für die Dauer von 5 Jahren ( Art. 67e StGB ) oder einer Ersatzforderung ( Art. 71 StGB ), die vom Betroffenen häufig als zusätzliche Strafe empfunden werden. Der Gesetzgeber erachtete die Grenze von 180 Tagessätzen Geldstrafe oder 6 Monaten Freiheitsstrafe also nicht als maximale Sanktion, die den Beschuldigten in einem Strafbefehl treffen kann. Damit ist es folgerichtig, wenn er eine entsprechende Zusatzbelastung auch in Art. 352 Abs. 3 Satz 2 zugelassen hat. Weshalb diese nicht auch die Verbindungsbusse erfassen soll, ist umso weniger einzusehen, als das Gesetz nur eine Art Busse kennt, nämlich jene gemäss Art. 106 StGB . Auch die Verbindungsbusse stellt, wie Art. 42 Abs. 4 StGB ausdrücklich sagt, eine solche Busse dar. 2.9 Die Vorinstanz verweist auf die (oben E. 2.2) dargelegte bundesgerichtliche Rechtsprechung. Diese ist hier, wie die Beschwerdeführerin zutreffend vorbringt, nicht einschlägig. Aus der Rechtsprechung ergibt sich nicht, dass die Staatsanwaltschaft in einem Strafbefehl zusätzlich zu einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen keine Verbindungsbusse verhängen kann. Die Aussprechung einer Verbindungsbusse ist vielmehr möglich, sofern diese und die bedingte Strafe in ihrer Summe schuldangemessen sind. 2.10 Triftige Gründe dafür, ausnahmsweise vom klaren Wortlaut von Art. 352 Abs. 3 Satz 2 StPO abzuweichen, bestehen demnach nicht. Der angefochtene Beschluss verletzt daher Bundesrecht. BGE 146 IV 145 S. 152 Schlechthin unhaltbar ist es, wenn die Vorinstanz die Nichtigkeit des Strafbefehls vom 11. August 2017 annimmt. Eine fehlerhafte Verfügung ist nichtig, wenn der ihr anhaftende Mangel besonders schwer und offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist und die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet wird ( BGE 145 IV 197 E. 1.3.2 S. 201 mit Hinweisen). Von einem offensichtlichen oder leicht erkennbaren schweren Mangel des Strafbefehls vom 11. August 2017 kann keine Rede sein, nachdem dieser dem klaren Gesetzeswortlaut und der einhelligen Lehre entspricht. 2.11 Die Beschwerde ist demnach gutzuheissen. Ziffer 1 des Dispositivs des angefochtenen Beschlusses ist aufzuheben und die Sache zur Fortsetzung des Berufungsverfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Federation
CH_BGE_006_BGE-146-IV-145_2020-01-10
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BGE_146_IV_145
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Sachverhalt ab Seite 249 BGE 138 V 248 S. 249 A. Der 1949 geborene W. war als Betriebsleiter in der Firma F. tätig und dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch gegen Unfallfolgen versichert, als er am 26. August 2008 einen Unfall erlitt. Er wurde als Lenker eines Rennfahrrades von einem aus einer Querstrasse einmündenden, nicht vortrittsberechtigten Personenwagen angefahren und zu Boden geworfen. W. wurde zunächst im Spital N. ambulant behandelt. Dort wurden eine Rippenkontusion links und eine Kontusion am linken Sternoclaviculargelenk diagnostiziert (Spitalberichte vom 27. und 29. August 2008). Der in der Folge aufgesuchte Hausarzt stellte folgende Diagnosen: "Kontusion/Subluxation des Sternoclavikulargelenks, reaktiv ziehende Schmerzen im Bereich der Halsmuskulatur lateral links und im Verlauf auch zunehmend störender Tinnitus links". Zudem habe eine zahnärztliche Untersuchung zwei Zahnfrakturen ergeben. Der Hausarzt bestätigte bis 7. September 2008 eine volle und danach eine hälftige Arbeitsunfähigkeit (hausärztlicher Bericht vom 30. September 2008). Die SUVA gewährte Heilbehandlung und richtete Taggeld aus. Per 28. Februar 2009 trat W. infolge vorzeitiger Pensionierung aus der Firma F. aus. Mit Verfügung vom 29. September 2009 schloss die SUVA den Fall auf den 31. Oktober 2009 folgenlos ab. Sie begründete dies damit, der noch geklagte Tinnitus sei organisch nicht objektiv nachgewiesen und stehe nicht in einem adäquaten Kausalzusammenhang zum Unfall vom 26. August 2008. Damit bestehe kein Anspruch auf weitere Leistungen. Die Adäquanz prüfte der Versicherer nach der sog. Schleudertrauma-Praxis. Die vom Krankenpflegeversicherer des W. hiegegen vorsorglich eingereichte Einsprache wurde wieder zurückgezogen. Die Einsprache des Versicherten wies die SUVA mit Entscheid vom 21. Juli 2010 ab. B. W. führte Beschwerde mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung von Verfügung und Einspracheentscheid der SUVA sei diese zu verpflichten, die gesetzlichen Leistungen über den 31. Oktober 2009 hinaus zu erbringen. In der Begründung machte er geltend, es liege ein typisches Beschwerdebild bei Schleudertrauma vor; die adäquate Unfallkausalität sei in Anwendung der Schleudertrauma-Praxis und der daraus folgenden Adäquanzkriterien zu bejahen. Sodann begründe der durch einen Unfall verursachte Tinnitus auch selbstständig und ohne Anwendung der Schleudertrauma-Praxis einen Leistungsanspruch. Das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn wies die Beschwerde mit Entscheid vom 10. Mai 2011 ab. Der Tinnitus sei organisch BGE 138 V 248 S. 250 nicht als Unfallfolge ausgewiesen. Es liege sodann keine Verletzung vor, welche die Anwendung der Schleudertrauma-Praxis bei der Beurteilung des adäquaten Kausalzusammenhangs rechtfertigen könnte. Dieser sei daher nach der sog. Psycho-Praxis zu prüfen und zu verneinen. C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt W. die Aufhebung des kantonalen Entscheids beantragen und sein vorinstanzliches Leistungsbegehren erneuern. Mit nachträglicher Eingabe vom 7. Juli 2011 lässt W. ein von der Eidg. Invalidenversicherung eingeholtes medizinisches Gutachten vom 31. Mai 2011 einreichen. Die SUVA schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung. D. (...) E. Das Bundesgericht hat am 3. Mai 2012 eine publikumsöffentliche Beratung durchgeführt. Es weist die Beschwerde ab. (Auszug)
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Streitig und zu prüfen ist, ob aus dem Unfall vom 26. August 2008 über den 31. Oktober 2009 hinaus Anspruch auf Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung besteht. Als gegebenenfalls leistungsbegründendes Leiden steht dabei der diagnostizierte Tinnitus zur Diskussion. Umstritten ist, ob der Tinnitus in einem genügenden kausalen Zusammenhang zum Unfall vom 26. August 2008 steht. 4. Das kantonale Gericht hat im angefochtenen Entscheid die Rechtsprechung zum für einen Leistungsanspruch gemäss UVG erforderlichen natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod) im Allgemeinen ( BGE 129 V 177 E. 3.1 und 3.2 S. 181) sowie bei organisch objektiv ausgewiesenen Unfallfolgen und bei natürlich unfallkausalen, aber organisch nicht objektiv ausgewiesenen Beschwerden im Besonderen zutreffend dargelegt. Hervorzuheben ist, dass die Adäquanz als rechtliche Eingrenzung der sich aus dem natürlichen Kausalzusammenhang ergebenden Haftung des Unfallversicherers im Bereich organisch objektiv ausgewiesener BGE 138 V 248 S. 251 Unfallfolgen praktisch keine Rolle spielt, da sich hier die adäquate weitgehend mit der natürlichen Kausalität deckt ( BGE 134 V 109 E. 2 S. 111 f.; BGE 127 V 102 E. 5b/bb S. 103). Sind die geklagten Beschwerden natürlich unfallkausal, aber nicht organisch objektiv ausgewiesen, so ist die Adäquanz besonders zu prüfen. Dabei ist vom augenfälligen Geschehensablauf auszugehen, und es sind gegebenenfalls weitere unfallbezogene Kriterien einzubeziehen ( BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 111 f.). Hat die versicherte Person beim Unfall eine Verletzung erlitten, welche die Anwendung der Schleudertrauma-Rechtsprechung rechtfertigt, so sind hiebei die durch BGE 134 V 109 E. 10 S. 126 ff. präzisierten Kriterien massgebend. Ist diese Rechtsprechung nicht anwendbar, so sind grundsätzlich die Adäquanzkriterien, welche für psychische Fehlentwicklungen nach einem Unfall entwickelt wurden ( BGE 115 V 133 E. 6c/aa S. 140; sog. Psycho-Praxis), anzuwenden ( BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 111 f.; vgl. zum Ganzen auch: Urteil 8C_216/2009 vom 28. Oktober 2009 E. 2, nicht publ. in: BGE 135 V 465 , aber in: SVR 2010 UV Nr. 6 S. 25; SVR 2011 UV Nr. 10 S. 35, 8C_584/2010 E. 2). Es finden sich sodann Urteile, in welchen besondere Grundsätze zur Kausalitätsbeurteilung bei Tinnitus festgehalten wurden. Darauf wird nachfolgend näher eingegangen. 5. Umstritten und als Erstes zu prüfen ist, ob der über den 31. Oktober 2009 hinaus bestandene Tinnitus organisch objektiv ausgewiesen ist, mit der Folge, dass auf eine besondere Adäquanzprüfung verzichtet werden kann. 5.1 Die Rechtsprechung umschreibt den Begriff der organisch objektiv ausgewiesenen Unfallfolge - als Differenzierungsmerkmal für das Erfordernis einer Adäquanzprüfung - wie folgt: Objektivierbar sind Untersuchungsergebnisse, die reproduzierbar und von der Person des Untersuchenden und den Angaben des Patienten unabhängig sind. Von organisch objektiv ausgewiesenen Unfallfolgen kann somit erst dann gesprochen werden, wenn die erhobenen Befunde mit apparativen/bildgebenden Abklärungen bestätigt wurden und die hiebei angewendeten Untersuchungsmethoden wissenschaftlich anerkannt sind (erwähntes Urteil 8C_216/2009 E. 2; vgl. auch erwähntes Urteil 8C_584/2010 E. 2). 5.2 Der vorliegend diagnostizierte Tinnitus wie auch eine ihm zugrunde liegende organische Schädigung konnten nicht mit apparativen/bildgebenden Abklärungen bestätigt werden. Das ist insoweit BGE 138 V 248 S. 252 nicht umstritten. Es fragt sich, ob der Tinnitus dennoch als organisch objektiv ausgewiesene Unfallfolge betrachtet werden kann. Der Beschwerdeführer bejaht dies unter Berufung auf die Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts (seit 1. Januar 2007: I. und II. sozialrechtliche Abteilungen des Bundesgerichts) U 116/03 vom 6. Oktober 2003 und des Bundesgerichts 8C_1048/2009 vom 16. April 2010. Danach sei der bei ihm gegebene Tinnitus als organisch objektiv ausgewiesene Unfallfolge zu betrachten, womit der adäquate Kausalzusammenhang ohne Weiteres zusammen mit dem natürlichen Kausalzusammenhang zu bejahen sei. 5.3 Im Urteil U 116/03 E. 2.1 (in: RKUV 2004 S. 246) wurde erkannt, ein Tinnitus könne bis auf seltene Ausnahmen nicht objektivierbar erfasst werden. Das hindere die Medizin indessen nicht, diesen nach von der Rechtsprechung anerkannten Kriterien zu bestimmen, wobei eine optimale Beurteilung durch wiederholtes Befragen sowie ausführliche Untersuchungen mit den anerkannten und üblichen audiologischen Methoden zum Ziel führe. Beim Tinnitus handle es sich um ein körperliches Leiden, dessen eigentliche Ursache in einem kleineren oder grösseren Innenohrschaden zu suchen sei. Bei organischen Unfallfolgen decke sich die adäquate, d.h. rechtserhebliche Kausalität weitgehend mit der natürlichen Kausalität. Demnach sei im zu beurteilenden Fall - bei gegebenem natürlichem - auch der adäquate Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem diagnostizierten schweren Tinnitus zu bejahen. Im Urteil 8C_1048/2009 vom 16. April 2010 E. 6 hielt das Bundesgericht an den erwähnten Grundsätzen zur Organizität des Tinnitus und dessen Verursachung durch einen Innenohrschaden fest. Im Urteil 8C_451/2009 vom 18. August 2010 E. 5.3 erwog es sodann, die Objektivierung eines Tinnitus könne zwar Probleme bereiten. Es erscheine aber möglich, mittels medizinischer Untersuchungsmassnahmen die Plausibilität eines Tinnitus zu verifizieren, den Grad seiner Intensität zu bestimmen und andere Ursachen als den Unfall auszuschliessen. 5.4 Die Vorinstanz hat hiezu erkannt, das Bundesgericht habe das im Urteil U 116/03 Gesagte im Urteil 8C_390/2010 vom 20. Juli 2010 relativiert resp. präzisiert. Sie verweist dabei auf folgende Ausführungen in E. 2.4 dieses Urteils: "Soweit die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf das Urteil U 116/03 (...) geltend macht, ihr Tinnitus sei als objektivierbare organische BGE 138 V 248 S. 253 Gesundheitsschädigung zu sehen, ist (...) festzuhalten, dass im angerufenen Urteil ein schwerer Tinnitus im Grenzbereich zu den sehr schweren Fällen zur Diskussion stand, was hier nicht zutrifft. (...). Unter diesen Umständen aber ist im Tinnitus der Beschwerdeführerin - unabhängig davon, ob an dem nicht als Grundsatzentscheid ergangenen Urteil U 116/03 festgehalten wird - keine organisch ausgewiesene natürlich kausale Unfallfolge zu erblicken mit der Konsequenz, dass der Adäquanzfrage praktisch keine selbstständige Bedeutung mehr zukäme." Das kantonale Gericht ist sodann zum Ergebnis gelangt, im vorliegenden Fall bringe der Tinnitus gemäss den medizinischen Berichten zwar durchaus gewisse Beeinträchtigungen mit sich. Von einem schweren Tinnitus sei aber nicht auszugehen. Demnach rechtfertige es sich nicht, den hier diagnostizierten Tinnitus als organisch ausgewiesene natürlich kausale Unfallfolge zu betrachten. Dies habe zur Folge, dass die Adäquanz gesondert zu prüfen sei. 5.5 Der Beschwerdeführer macht geltend, er leide entgegen der vorinstanzlichen Beurteilung an einem schweren bis sehr schweren Tinnitus und mithin an einer organischen Unfallfolge im Sinne der erwähnten Rechtsprechung. 5.6 Die ärztlichen Berichte äussern sich unterschiedlich zum Schweregrad des Tinnitus. Ein Teil der Aussagen spricht für eine eher leichte Ausprägung. Andere Berichte gehen von einem hohen Schweregrad aus. Es lässt sich nicht verlässlich auf die eine oder die andere Auffassung abstellen. Dies bedürfte mithin ergänzender medizinischer Abklärung. Das macht aber nur dann Sinn, wenn abhängig vom Schweregrad des Tinnitus tatsächlich auf eine objektivierbare organische Unfallfolge geschlossen werden kann. Diese Frage wurde bislang nicht im Rahmen eines Grundsatzentscheides behandelt und bedarf näherer Betrachtung. 5.7 5.7.1 In der medizinischen Lehre wird als Tinnitus ein regelmässiges, mehr oder weniger dauernd vorhandenes, in einem Ohr oder beiden Ohren lokalisiertes diffus im Kopf empfundenes Geräusch definiert. Die Patienten verwenden Bezeichnungen wie Pfeifen, Rauschen, Sausen, Läuten, Brummen usw. (MUMENTHALER/MATTLE, Neurologie, 11. Aufl. 2002, S. 700). Gemäss einer anderen Umschreibung werden als Tinnitus Auris oder kurz Tinnitus akustische Wahrnehmungen bezeichnet, welche keinen externen akustischen Quellen zugeordnet werden können (MATÉFI/ROSENTHAL, Tinnitus aus versicherungsmedizinischer Sicht, SUVA Medizinische Mitteilungen, Heft BGE 138 V 248 S. 254 79 2008 S. 66 ff., 67; vgl. auch M. KOMPIS UND ANDERE, Tinnitus, Therapeutische Umschau 1/2004 S. 15 ff.). Tinnitus wird auch als subjektiver Höreindruck, der nicht auf der Stimulation durch einen äusseren Schallreiz beruht, aber als solcher empfunden wird, erklärt (WOLFGANG HAUSOTTER, Neurologische und psychosomatische Aspekte bei der Begutachtung des Tinnitus [nachfolgend: Aspekte],Der medizinische Sachverständige 1/2004 S. 5 ff.; vgl. auch: derselbe , Begutachtung somatoformer und funktioneller Störungen [nachfolgend: Begutachtung], 2. Aufl. 2004, S. 174; BERNARD MONTAIN, Des bruits dans les oreilles: Les Acouphènes, 1997, S. 11). Ein weiterer Wortlaut geht dahin, dass Tinnitus eine auditorische Empfindung ist, die ohne äussere akustische oder elektrische Reizung entsteht und die keinen subjektiven Informationsgehalt hat (RUDOLF PROBST, in: Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Probst/Grevers/Iro [Hrsg.], 3. Aufl. 2008, S. 233). 5.7.2 Tinnitus lässt sich unter verschiedenen Gesichtspunkten einteilen. Hier von Interesse ist vorab die Unterscheidung, welcher ein Teil der medizinischen Lehre das Begriffspaar "objektiver" und "subjektiver" Tinnitus zuordnet (vgl. etwa: MATTLE/MUMENTHALER, Kurzlehrbuch Neurologie, 3. Aufl. 2011, S. 294; FRANK ROSANOWSKI, Tinnitus, 5. Aufl. 2010, S. 60; MUMENTHALER/MATTLE, a.a.O., S. 700; MATÉFI/ROSENTHAL, a.a.O., S. 67; HAUSOTTER, Aspekte, a.a.O., S. 5; derselbe , Begutachtung, a.a.O., S. 174; MONTAIN, a.a.O., S. 11 f.; kritisch zu diesem Begriffspaar: PROBST, a.a.O., S. 233). Danach bezeichnet der sog. objektive Tinnitus ein Ohrgeräusch, welches aufgrund pathologisch-anatomischer Veränderungen entsteht und grundsätzlich auch für Aussenstehende - allenfalls mit technischen Hilfsmitteln - hörbar wird. Meist handelt es sich um gefässreiche Missbildungen, Tumore oder um muskulär bedingte Schallgeräusche. Der subjektive, resp. besser "nicht objektive" Tinnitus wird einzig durch den Betroffenen gehört und stellt die weitaus häufigste Form dar (MATÉFI/ROSENTHAL, a.a.O., S. 67; vgl. auch MATTLE/MUMENTHALER, a.a.O., S. 294; ROSANOWSKI, a.a.O., S. 51, MUMENTHALER/MATTLE, a.a.O., S. 700; HAUSOTTER, Begutachtung, a.a.O., S. 174 und 176 f.; PROBST, a.a.O., S. 233). Der objektive Tinnitus wird auch als "Körpergeräusch" bezeichnet (Tinnitus: Kann man die Ohrgeräusche messen?, Interview mit GERHARD GOEBEL, dezibel 5/2009 S. 14 f., 15; BERNHARD KELLERHALS, Grundprobleme der Tinnitus-Hilfe aus medizinischer Sicht, S. 2 http://www.laermorama.ch/laermorama/modul_ohrenschuetzen/tinnitus_w.html [besucht am 7. Dezember BGE 138 V 248 S. 255 2011]). Es finden sich sodann statt der Bezeichnungen objektiver und subjektiver Tinnitus auch die - inhaltlich gleich umschriebenen - Begriffspaare objektivierbarer und nicht objektivierbarer Tinnitus (KOMPIS UND ANDERE, a.a.O., S. 16; vgl. auch PROBST, a.a.O., S. 233) resp. acouphènes manifestes und acouphènes non objectivables (MONTAIN, a.a.O., S. 33 und 37). Die genannten Definitionen unterscheiden sich bei genauer Betrachtung lediglich in begrifflicher, nicht aber in inhaltlicher Hinsicht. Zur einfacheren Nachvollziehbarkeit wird daher im Folgenden das Begriffspaar objektiver/subjektiver Tinnitus verwendet. Für die vorliegende Beurteilung ist der subjektive Tinnitus von Interesse. 5.8 Die Rechtsprechung gemäss Urteil U 116/03 (und den darauf gestützten Folgeentscheiden) beruht auf der Annahme, beim Tinnitus handle es sich um ein körperliches Leiden, dessen eigentliche Ursache in einem kleineren oder grösseren Innenohrschaden zu suchen sei (E. 5.3 hievor). Daraus wird abgeleitet, dass bei gegebenem natürlichem Kausalzusammenhang zum Unfall der adäquate Kausalzusammenhang ohne besondere Prüfung bejaht werden kann. 5.8.1 Im Urteil U 116/03 wurde hiebei auf das Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts U 71/02 vom 27. März 2003 E. 6.1 Bezug genommen. Dieses wiederum verweist bei der betreffenden Aussage zu Organizität und Ursache des Tinnitus auf den bereits erwähnten (E. 5.7.2 hievor) Aufsatz von BERNHARD KELLERHALS, Grundprobleme der Tinnitus-Hilfe aus medizinischer Sicht (gemäss Urteil U 71/02 E. 6.1 im Internet unter www.tinnitus-liga.ch abgerufen; aktuell u.a. zu finden unter der in E. 5.7.2 hievor erwähnten URL). Bei genauer Betrachtung ergibt sich aus dem Aufsatz KELLERHALS aber, dass nach dessen Auffassung in erster Linie Hypothesen darüber bestehen, wie ein Tinnitus verursacht wird. Der Autor hält denn auch ausdrücklich fest, wie Tinnitus im Einzelfall entstehe, sei letztlich noch nicht bekannt (S. 1 des Aufsatzes). Die Annahme, ein Innenohrschaden könne verlässlich als eigentliche Ursache des Tinnitus betrachtet werden, wird somit durch diesen Aufsatz ebenso wenig gestützt wie der Schluss, Tinnitus sei ein körperliches Leiden. 5.8.2 Gemäss der überwiegenden medizinischen Lehre handelt es sich beim Tinnitus denn auch nicht um ein eigenständiges Krankheitsbild, sondern primär um ein Symptom (MATÉFI/ROSENTHAL, a.a.O., S. 68, 69, 71 und 72; vgl. auch KELLERHALS, a.a.O., S. 4; KOMPIS UND ANDERE, a.a.O., S. 15; PROBST, a.a.O., S. 233; V. GOYMANN, BGE 138 V 248 S. 256 Halswirbelsäule und Tinnitus, Schleudertrauma-Info 1/2003 S. 1 ff.; demgegenüber spricht ROSANOWSKI, a.a.O., S. 40, von einer eigenständigen Hörstörung). Dieses ist wiederum gekennzeichnet durch eine Vielzahl möglicher Ursachen (u.a. ROSANOWSKI, a.a.O., S. 57; MATÉFI/ROSENTHAL, a.a.O., S. 68 f.; GOYMANN, a.a.O., S. 9 ff.; PROBST, a.a.O., S. 234; ZENNER, Die Entstehung von Ohrgeräuschen, Hypothesen und Modelle [1. Teil], dezibel 3/98 S. 10 ff., 11; derselbe , Die Entstehung von Ohrgeräuschen, Hypothesen und Modelle [Schluss], dezibel 4/98 S. 9 ff.; MONTAIN, a.a.O., S. 26 und 37 ff.). Dabei wird nebst der Entstehung durch physische Krankheiten und Verletzungen auch der Einfluss psychischer Faktoren diskutiert (HAUSOTTER, Aspekte, a.a.O., S. 6; derselbe , Begutachtung, S. 173 und 177 ff.; VOLKER FAUST, Tinnitus [Ohrgeräusche], S. 3 http://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychiatrie/tinnitus.html [besucht am 19. Dezember 2011]; vgl. auch ROSANOWSKI, a.a.O., S. 52, 57 und 217; MONTAIN, a.a.O., S. 43 und 44). Bei einem Teil der Ohrgeräusche kann keine eigentliche namentlich zu benennende Diagnose gestellt werden; man spricht dann gemeinhin vom idiopathischen Tinnitus (MATÉFI/ROSENTHAL, a.a.O., S. 69; vgl. auch ROSANOWSKI, a.a.O., S. 54; HAUSOTTER, Begutachtung, a.a.O., S. 173; MONTAIN, a.a.O., S. 43). Zu beachten ist sodann, dass verschiedene Fragen bezüglich der Entstehungsmechanismen von Tinnitus von der medizinischen Wissenschaft bislang nicht verlässlich beantwortet werden konnten (vgl. MATTLE/MUMENTHALER, a.a.O., S. 294; ROSANOWSKI, a.a.O., S. 52, 56 und 217; MATÉFI/ROSENTHAL, a.a.O., S. 71; KELLERHALS, a.a.O., S. 1 ff.; HAUSOTTER, Begutachtung, a.a.O., S. 177 f.; derselbe , Aspekte, a.a.O., S. 6 f.; MONTAIN, a.a.O., S. 19 f.). 5.8.3 Unter Berücksichtigung der dargelegten medizinischen Lehrmeinungen kann an der Annahme, Tinnitus sei ein körperliches Leiden oder zumindest (zwingend) auf eine körperliche Ursache zurückzuführen, nicht festgehalten werden. 5.9 Zu prüfen bleibt, ob - wie vom Beschwerdeführer unter Hinweis auf die dargelegte Rechtsprechung geltend gemacht (E. 5.2 hievor) - der Schweregrad eines Tinnitus Rückschlüsse auf eine organische Unfallfolge zulässt. 5.9.1 In der medizinischen Lehre besteht, soweit ersichtlich, Einigkeit darüber, dass ein Tinnitus - das gilt jedenfalls für den hier betrachteten subjektiven Tinnitus - nicht objektiv gemessen werden kann (vgl. PROBST, a.a.O., S. 233; KELLERHALS, a.a.O., S. 2; KOMPIS UND ANDERE, a.a.O., S. 15; MATÉFI/ROSENTHAL, a.a.O., S. 69, 71 und 72; ZENNER, BGE 138 V 248 S. 257 [1. Teil], a.a.O., S. 12; HAUSOTTER, Begutachtung, a.a.O., S. 175 f.). Alle Untersuchungen zielen nur auf eine "Vergleichbarkeit" oder "Verdeckbarkeit" ab. Dabei sind die Kooperation des Patienten und seine volle Subjektivität im Mittelpunkt (MATÉFI/ROSENTHAL, a.a.O., S. 69 und 72; vgl. auch ROSANOWSKI, a.a.O., S. 95 ff. und 131 ff.; GOEBEL, a.a.O., S. 14 f.; HAUSOTTER, Begutachtung, a.a.O., S. 175 f.; E. 5.7.2 hievor). Standardisierte Fragebögen (z.B. der Tinnitusfragebogen nach Goebel und Hiller) geben Hinweise auf den Grad des Tinnitus (vgl. ROSANOWSKI, a.a.O., S. 133-135; KOMPIS UND ANDERE, a.a.O., S. 17; GOEBEL, a.a.O., S. 15). Der Untersuchende ist aber darauf angewiesen, dass die Angaben des Betroffenen wahrheitsgemäss erfolgen. Es kommt immer wieder vor, dass Betroffene "übertreiben" oder "untertreiben" (GOEBEL, a.a.O., S. 14). Die Einstufung eines Tinnitus innerhalb gebräuchlicher Raster mit drei (MATÉFI/ROSENTHAL, a.a.O., S. 72; SUVA-Tabelle 13 "Integritätsschaden bei Tinnitus") bis vier (HAUSOTTER, Begutachtung, a.a.O., S. 175; derselbe , Aspekte, a.a.O., S. 5 f.; KOMPIS UND ANDERE, a.a.O., S. 16) Schweregraden erfolgt denn auch nicht aufgrund audiometrischer oder anderer Messungen, sondern nach der subjektiv empfundenen Beeinträchtigung. Dementsprechend geben die Schweregrade des Tinnitus den subjektiven Leidensdruck wieder und müssen nicht mit irgendwelchen Tinnitusparametern wie der subjektiven Lautheit oder mit audiologischen Messungen korrelieren (vgl. HAUSOTTER, Begutachtung, a.a.O., S. 175; derselbe , Aspekte, a.a.O., S. 6; MATÉFI/ROSENTHAL, a.a.O., S. 72 f.). 5.9.2 Der Schweregrad eines (subjektiven) Tinnitus wird demzufolge nicht mittels objektiver Messungen, sondern ausschliesslich aufgrund der Angaben der betroffenen Person und deren subjektiv empfundenen Beeinträchtigung festgelegt. Das zeigt nicht nur, dass keine Untersuchungsergebnisse gewonnen werden können, welche der allgemeinen Umschreibung der Objektivierbarkeit (E. 5.1 hievor) genügen. Vielmehr erhellt auch, dass der nur so bestimmbare Schweregrad keine verlässlichen Rückschlüsse auf eine organische Unfallfolge als Ursache des Tinnitus bieten kann. 5.10 Zusammenfassend ergibt sich, dass keine medizinisch gesicherte Grundlage besteht, um einen Tinnitus als körperliches Leiden zu betrachten oder ihn (zwingend) einer organischen Ursache zuzuordnen. Auch lässt sich nicht vom Schweregrad eines Tinnitus auf eine organische Unfallfolge als Ursache schliessen. Das schliesst zwar nicht aus, dass ein Tinnitus in einer organischen Unfallfolge begründet sein kann. Es besteht aber keine Rechtfertigung, bei einem BGE 138 V 248 S. 258 Tinnitus, welcher im Einzelfall nicht nachgewiesenermassen auf eine solche Unfallfolge zurückzuführen ist, auf das Erfordernis einer besonderen Adäquanzprüfung zu verzichten. Anders zu verfahren, würde kausalrechtlich einer sachlich und rechtlich nicht begründbaren Bevorteilung des Tinnitus gegenüber anderen organisch nicht objektiv ausgewiesenen Beschwerdebildern entsprechen. In diesem Sinne ist die Rechtsprechung zu bereinigen. Damit soll nicht etwa in Frage gestellt werden, dass ein Tinnitus die betroffene Person ausserordentlich stark belasten kann (vgl. KOMPIS UND ANDERE, S. 15; PROBST, a.a.O., S. 233; HAUSOTTER, Aspekte, a.a.O., S. 6; derselbe , Begutachtung, a.a.O., S. 174; GOYMANN, a.a.O., S. 11; MONTAIN, a.a.O., S. 44). Dies gilt aber auch für andere organisch nicht objektiv ausgewiesene Beschwerdebilder und entbindet mit Blick auf die hier streitige Leistungspflicht des Unfallversicherers nicht von der dargelegten kausalrechtlichen Differenzierung.
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Sachverhalt ab Seite 136 BGE 117 V 136 S. 136 A.- La fondation T. (ci-après: la fondation), constituée le 10 décembre 1985, a pour but la construction et l'exploitation d'un établissement pour personnes âgées. En date du 20 décembre 1985, le ministre de l'éducation et des affaires sociales de la République et canton du Jura annonça le projet à l'Office fédéral des assurances sociales (ci-après: l'OFAS), en lui remettant divers documents à l'appui. Par la suite, le projet fut remanié à la demande de l'autorité fédérale et à nouveau soumis à cette dernière le 25 novembre 1987, avec le préavis favorable du Gouvernement jurassien. Selon une planification de l'avancement des travaux et des besoins financiers communiquée à l'OFAS le 9 décembre 1987, il était prévu que les travaux de construction débuteraient en juin 1988 et qu'ils seraient achevés en avril 1989. Par décision du 14 avril 1988, l'OFAS fixa le montant provisoire (Fr. 885'000.--) et les conditions de la subvention allouée à la fondation pour la réalisation de son projet de construction. Parmi ces conditions figurait celle-ci: BGE 117 V 136 S. 137 "531 La subvention est octroyée à la condition que les travaux de construction soient entrepris avant le 1er juillet 1990." Le permis de construire fut délivré à la fondation par l'autorité cantonale compétente le 20 décembre 1989. En date du 29 mars 1990, l'OFAS adressa "aux instances cantonales chargées de l'envoi des demandes de subvention pour la construction de l'AVS" une circulaire rappelant qu'aux termes de la loi, la mise en chantier des projets annoncés à temps devait impérativement commencer le 30 juin 1990 au plus tard, faute de quoi il ne serait plus possible d'allouer une subvention fédérale. Ce document explicitait ce qu'il fallait entendre (ou ne pas entendre) par "début des travaux" selon les exigences du droit fédéral. La circulaire mentionnait également qu'une fois commencés, les travaux de construction devaient être menés sans interruption. Elle fut communiquée le 30 mars 1990 au président de la fondation par le ministre de l'éducation et des affaires sociales. B.- Le 27 août 1990, l'OFAS invita le département de l'éducation et des affaires sociales à lui remettre un procès-verbal du déroulement du projet de construction. Le 31 août 1990, un fonctionnaire de l'OFAS se rendit sur le chantier et dressa procès-verbal de ses constatations dans les termes suivants: "- les travaux de terrassement ont été effectués (à temps, semble-t-il, selon les voisins). - l'aire de chantier est clairement délimitée par des filets palissades de couleur rouge, en matière plastique. - aucune activité de construction. - aucun personnel sur place. - aucun matériau de construction sur place. - aucune machine de chantier (grue, bétonnière ou autre)." Après un échange de lettres entre l'OFAS et le ministre jurassien en charge de ce dossier et une entrevue à Berne le 14 septembre 1990, l'OFAS rendit une décision le 18 octobre 1990, par laquelle il constatait qu'en raison du non-respect des conditions fixées dans la décision du 14 avril 1988, la construction du home pour personnes âgées T. ne pouvait être subventionnée par l'AVS. C.- La fondation interjette recours de droit administratif contre la décision de l'OFAS du 18 octobre 1990 dont elle demande l'annulation. Dans sa réponse, l'office intimé conclut au rejet du recours. Les moyens des parties seront évoqués ci-dessous pour autant que de besoin. BGE 117 V 136 S. 138
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Erwägungen Considérant en droit: 1. a) Aux termes de l' art. 155 al. 1 LAVS , l'assurance peut allouer des subventions pour la construction, l'agrandissement et la rénovation d'établissements et d'autres installations pour personnes âgées, pour autant que le projet ait été annoncé jusqu'à l'entrée en vigueur de la présente disposition, conformément aux directives de l'Office fédéral des assurances sociales, et que les travaux débutent au plus tard deux ans et demi après l'entrée en vigueur, fixée au 1er janvier 1986. b) Selon l'art. 1er de l'arrêté fédéral concernant la prolongation du délai pour l'octroi de subventions de construction pour l'assurance-vieillesse et survivants du 18 mars 1988 (ci-après: l'arrêté fédéral), en dérogation à l' art. 155 LAVS , l'assurance peut allouer des subventions pour la construction, l'agrandissement et la rénovation d'établissements et d'autres installations pour personnes âgées pour autant que le projet ait été annoncé avant le 1er janvier 1986 et que les travaux débutent au plus tard le 30 juin 1990. 2. (Recevabilité du recours de droit administratif) 3. (Pouvoir d'examen) 4. La décision attaquée a pour effet de révoquer une promesse de subvention figurant dans une décision entrée en force (comp. ATF 99 Ib 459 ). a) En lui-même, le motif de la révocation ressort clairement du texte légal: le droit à la subvention est soumis à la condition que les travaux débutent au plus tard le 30 juin 1990. La décision du 14 avril 1988, par laquelle la subvention était promise, le mentionnait expressément sous ch. 531. Il s'agissait d'une condition potestative (il appartenait à la fondation, bénéficiaire de la subvention, de commencer les travaux de construction à temps) et résolutoire (la promesse de subvention perdait sa validité si la condition n'était pas remplie à l'échéance), dont la licéité n'est pas douteuse (GRISEL, Traité de droit administratif, 1984, p. 407 s.; GYGI, Verwaltungsrecht, 1986, p. 288 ss; IMBODEN/RHINOW/KRÄHENMANN, Verwaltungsrechtsprechung, No 39 B II). b) D'après la jurisprudence, il découle du caractère impératif du droit public qu'un acte administratif qui ne concorde pas avec le droit positif puisse être modifié. Cependant, la sécurité du droit peut imposer qu'un acte qui a constaté ou créé une situation juridique ne puisse pas être mis en cause. En l'absence de règles sur la révocation prévues dans la loi, l'autorité doit mettre en balance d'une part l'intérêt BGE 117 V 136 S. 139 à une application correcte du droit objectif, d'autre part les exigences de la sécurité du droit. Celles-ci l'emportent en principe lorsque la décision en cause a créé un droit subjectif au profit de l'administré, lorsque celui-ci a déjà fait usage d'une autorisation obtenue, ou encore lorsque la décision est le fruit d'une procédure au cours de laquelle les divers intérêts en présence ont fait l'objet d'un examen approfondi. Cette règle n'est cependant pas absolue et la révocation peut intervenir même dans une des trois hypothèses précitées lorsqu'elle est commandée par un intérêt public particulièrement important. Dans certains cas une indemnité est due. Au contraire, les exigences de la sécurité du droit peuvent être prioritaires même lorsque aucune de ces trois hypothèses n'est réalisée ( ATF 115 Ib 155 consid. 3a avec la jurisprudence et la doctrine citées). On relèvera qu'il n'y a pas lieu d'appliquer en l'espèce les principes développés par la jurisprudence du Tribunal fédéral des assurances en matière de révision et de reconsidération des décisions administratives dans le domaine des assurances sociales (cf. ATF 115 V 312 consid. 4). En effet, ainsi qu'on l'a vu au considérant précédent, la révocation de la promesse de subvention faite par l'intimé à la recourante est la conséquence de l'accomplissement prétendu d'une condition potestative et résolutoire expressément prévue dans la décision révoquée. Elle n'est donc pas due à la découverte de nouveaux faits ou de nouveaux moyens de preuve postérieurement à l'entrée en force de la décision du 14 avril 1988, ce qui serait un motif de révision, pas plus qu'elle n'est le résultat d'un réexamen de ladite décision ayant fait apparaître que celle-ci était, lors de son prononcé, sans nul doute erronée et que sa correction revêtait une importance notable, ce qui justifierait une reconsidération de la décision en cause (sur ces différentes notions, v. notamment: IMBODEN/RHINOW/KRÄHENMANN, op.cit., No 41 B VIII et IX et No 43 B I; A. GRISEL, L'apport du Tribunal fédéral des assurances au développement du droit public, in: Mélanges Alexandre Berenstein, p. 444 ss; LUGON, Révocation, reconsidération, révision, ZBl 90/1989 p. 425 ss). c) Le 1er avril 1991 est entrée en vigueur la loi fédérale sur les aides financières et les indemnités, dite loi sur les subventions (ci-après: LSu), du 5 octobre 1990, laquelle constitue, en quelque sorte, la "partie générale" du droit fédéral des subventionnements publics (cf. le message du Conseil fédéral à l'appui d'un projet de loi sur les aides financières et les indemnités, du 15 décembre 1986 BGE 117 V 136 S. 140 [FF 1987 I 375, spéc. ch. 114]). Il ne fait guère de doute que les subventions pour la construction allouées par l'AVS tombent également sous le coup de cette nouvelle réglementation, bien que l' art. 155 LAVS ne soit pas mentionné dans l'appendice au message précité (op.cit., p. 433 en bas), ce qui s'explique sans doute par le fait qu'il s'agit d'une disposition transitoire. Selon l' art. 42 al. 1 LSu , le chapitre 3 de ladite loi s'applique également aux décisions arrêtées sous l'empire de l'ancien droit, pour autant qu'elles déploient leurs effets au-delà de l'entrée en vigueur et que la nouvelle loi n'est pas plus défavorable aux allocataires. Or, la situation qui se présente ici est quelque peu paradoxale: Si le recours de droit administratif formé contre la décision de révocation du 18 octobre 1990 est jugé bien fondé et que ladite décision soit en conséquence annulée, celle du 14 avril 1988 déploiera de nouveau ses effets et cela au-delà du 1er avril 1991 puisque, à ce jour, la fondation n'a pas encore reçu la subvention promise. En revanche, la décision attaquée, rendue avant l'entrée en vigueur du nouveau droit, n'est, en principe, pas touchée par celui-ci puisqu'il s'agit simplement d'une révocation de la décision précédente, comme si celle-ci n'avait jamais existé. Dès lors, il faut examiner la validité de la décision entreprise à la lumière des principes généraux précités (consid. 4b ci-dessus), c'est-à-dire "en l'absence de règles sur la révocation prévues dans la loi". Toutefois, à titre subsidiaire, il conviendra de se référer au nouveau droit et plus particulièrement à l' art. 30 LSu qui règle la révocation de décisions ouvrant le droit à une aide ou à une indemnité. Il n'est en effet nullement interdit au juge de s'inspirer du nouveau droit, lorsqu'il doit interpréter l'ancienne règle applicable au cas d'espèce ( ATF 110 V 215 consid. 3; RCC 1988 p. 53 consid. 4a et 279 consid. 1 in fine). 5. a) Ni la loi ( art. 155 al. 1 LAVS et art. 1er de l'arrêté fédéral du 18 mars 1988), ni les dispositions d'exécution figurant aux art. 215 ss RAVS ne définissent ce qu'il faut entendre par "début des travaux". Cela n'est pas précisé non plus dans le bref commentaire du nouvel art. 155 LAVS dont le Conseil fédéral a proposé l'adoption dans son message du 28 septembre 1981 relatif aux premières mesures pour une nouvelle répartition des tâches entre la Confédération et les cantons (FF 1981 III 705 ss, 775 spéc. ch. 4.07.23) et dont le texte définitif ne diffère que sur des points de détail du projet (RO 1985 II 2002). Quant au message du BGE 117 V 136 S. 141 Conseil fédéral concernant la prolongation du délai pour l'octroi de subventions de construction par l'AVS du 1er mars 1988 (FF 1988 I 754 ss), il se réfère à plusieurs reprises à la notion de "mise en chantier" sans toutefois en préciser le contenu (cf. aussi l' art. 26 LSu ). En revanche, l'office intimé a édicté à ce sujet des directives qui font l'objet d'une circulaire adressée le 29 mars 1990 aux autorités cantonales compétentes et dont la recourante ne conteste pas avoir eu connaissance en temps utile. Au demeurant, elle déclare dans son mémoire de recours qu'elle admet la conformité à la loi des chiffres 1 et 2 de la circulaire, lesquels définissent d'une part les travaux qui doivent avoir été entrepris avant le 30 juin 1990 pour que l'on puisse considérer la construction comme commencée (ch. 1) et, d'autre part, les faits qui ne satisfont pas à cette exigence (ch. 2). Par contre, la recourante met en doute la légalité du chiffre 3 de la circulaire, d'après lequel "les travaux de construction doivent être menés sans interruption dès la mise en chantier". b) La notion de "début des travaux" est fréquemment utilisée dans la législation en matière de construction, notamment dans les cas - comparables à celui qui se présente ici - de révocation ou de péremption du permis de construire pour le motif que les travaux faisant l'objet de l'autorisation n'ont pas été entrepris avant la survenance d'un certain terme (SCHÜRMANN, Bau- und Planungsrecht, 2e éd., 1984, p. 70, n. 6). Cette notion n'étant toutefois pas définie par le droit fédéral (DFJP/OFAT, Etude relative à la loi fédérale sur l'aménagement du territoire, 1981, n. 20 ad art. 22), elle a donné lieu à une abondante casuistique en fonction des dispositions cantonales applicables (BOVAY, Le permis de construire en droit vaudois, thèse Lausanne 1986, p. 197 ss; DILGER, Raumplanungsrecht der Schweiz, 1982, p. 260 ss, n. 104 ss; LEUTENEGGER, Das formelle Baurecht der Schweiz, thèse Zurich 1974, p. 283 ss; MATILE/BONNARD/BOVAY/PFEIFFER/SULLIGER/WEILL/WYSS, Droit vaudois de la construction, 1987, n. 1.2 ad art. 118 LATC; STRAUB, Das intertemporale Recht bei der Baubewilligung, thèse Zurich 1976, p. 137 ss; ZAUGG, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Bern vom 9. Juni 1985, n. 4 ad art. 42; v. aussi: PVG 1977 p. 31 ss; ZBl 69/1968 p. 279 ss). Pour sa part, l'office intimé invoque - en sus des normes techniques mentionnées dans la circulaire du 29 mars 1990 et produites en procédure fédérale sous la forme d'un extrait du "Code des frais de construction 1989: CRB" - un avis de droit de l'Office de la justice du 21 mai 1987 qui BGE 117 V 136 S. 142 explicite notamment ce qu'il faut entendre par "commencement des travaux", à la lumière de la doctrine du droit de la construction et de l'aménagement du territoire. c) D'une manière générale, on considère comme début des travaux tous les actes qui nécessitent, en principe, une autorisation de l'autorité compétente en matière de police des constructions et pour lesquels le maître de l'ouvrage engage des dépenses d'une certaine importance, qu'il n'aurait aucune raison de consentir sans la perspective de construire (cf. p.ex.: ATF 90 I 15 consid. 6). Ce qui est déterminant, c'est la mesure dans laquelle le maître de l'ouvrage a déjà fait usage du permis de construire ( ATF 103 Ib 209 consid. 5a in fine). Dès lors, sans entrer dans le détail de normes techniques dont le caractère adéquat, en tant que normes de référence, n'est pas contesté, on peut admettre que les indications qui figurent sous chiffres 1 et 2 de la circulaire de l'OFAS du 29 mars 1990 pour définir ce qu'il faut entendre par commencement des travaux, sont conformes à une interprétation correcte de la loi. En indiquant, sous chiffre 3 de la circulaire en question, que "les travaux de construction doivent être menés sans interruption dès la mise en chantier", l'office intimé ne définit plus, à proprement parler, la notion de début des travaux, mais pose une règle supplémentaire qui s'inspire manifestement, elle aussi, des principes applicables à la révocation ou à la péremption des permis de construire (cf. p.ex., dans le canton du Jura, l'art. 41 du décret concernant la procédure d'octroi du permis de construire, du 6 décembre 1978 [RSJU 701.51]; DILGER, op.cit., p. 261, n. 106; LEUTENEGGER, op.cit., p. 286; ZAUGG, op.cit., n. 4d ad art. 42; v. aussi: RDAF 1983 p. 383). La recourante est d'avis que la teneur de cette directive n'est pas conforme à l'arrêté fédéral du 18 mars 1988, dans la mesure où celui-ci avait précisément pour but de prolonger le délai de mise en chantier des constructions subventionnables "en élargissant le cercle des projets pouvant bénéficier de la subvention aux constructions qui rencontreraient des difficultés lors de leur réalisation, et donc des retards". Rien de tel, pourtant, ne ressort du texte de l'arrêté, ni de l'exposé des motifs qui ont conduit le Conseil fédéral à proposer aux Chambres fédérales de prolonger de deux ans le délai initialement fixé au 30 juin 1988 par l' art. 155 al. 1 LAVS . Cette prolongation a certes eu pour effet de BGE 117 V 136 S. 143 permettre le subventionnement de projets qui n'avaient pu être entrepris avant le 30 juin 1988, pour divers motifs, y compris une préparation insuffisante, mais il n'a jamais été question de changer la nature - péremptoire - du délai fixé pour la mise en chantier. En réalité, l'exigence fixée aux bénéficiaires des subventions par l'OFAS a pour but d'éviter des manoeuvres contraires à la bonne foi de la part d'allocataires qui, tout en satisfaisant formellement à la condition de commencer les travaux à temps, interrompraient ceux-ci peu après ou ne les achèveraient pas dans les délais usuels et prétendraient néanmoins toucher la subvention promise. Une telle situation tomberait aujourd'hui sous le coup de l' art. 28 LSu . Dès lors, dans le contexte du cas d'espèce, c'est moins la légalité de cette directive qui est en cause que l'interprétation qu'en donne l'office intimé pour justifier le refus de la subvention promise à la recourante. 6. En l'espèce, pour savoir quel était l'état d'avancement des travaux le 30 juin 1990, on doit se reporter d'une part aux constatations faites le 31 août 1990 par un fonctionnaire de l'OFAS et consignées dans un procès-verbal et, d'autre part, à un rapport de l'architecte Z., du 9 novembre 1990. La recourante ne conteste pas l'exactitude du constat de l'office intimé. Elle l'estime toutefois incomplet, dans la mesure où il ne tient pas compte de l'ensemble des travaux effectués par le maître de l'ouvrage, selon le rapport de l'architecte, lequel est aussi l'un des fondateurs de la recourante. D'après ce rapport, à l'expiration du délai légal, seuls les travaux de terrassement étaient exécutés. En revanche, les travaux dits de gros-oeuvre I n'ont été adjugés que le 12 juillet 1990 et, compte tenu des vacances de l'entreprise du 16 juillet au 6 août 1990, les travaux n'ont effectivement repris que le 6 août, d'abord par les drainages qui ont duré jusqu'au 25 août, puis par l'installation de la grue et du chantier. Dès lors, il convient d'examiner d'une part si, lors de la survenance de la date fatidique, les travaux étaient suffisamment avancés pour que l'on puisse effectivement les considérer comme une "mise en chantier" de la construction subventionnée et, d'autre part, si l'interruption des travaux survenue entre le 29 juin et le 6 août 1990 - selon les allégués de la recourante - était de nature à provoquer l'accomplissement de la condition résolutoire, emportant la perte du droit à la subvention fédérale. a) Il est constant - du moins le contraire n'a-t-il été ni allégué ni démontré - que le 30 juin 1990 les travaux de terrassement BGE 117 V 136 S. 144 avaient été exécutés. Cela suffit, en principe, au regard des critères développés par la pratique (consid. 5b ci-dessus) et des directives de l'OFAS, pour admettre qu'à cette date les travaux avaient débuté au sens de l'art. 1er de l'arrêté fédéral du 18 mars 1988. b) Selon le rapport de l'architecte, dont la véracité n'a pas été contestée par l'intimé, les travaux ont été interrompus entre le 29 juin et le 6 août 1990. Il est vrai que, d'après une note de l'Office fédéral de la protection civile du 23 novembre 1990, le chantier était inoccupé lors d'une visite sur place le 17 août et qu'il en était apparemment de même lorsqu'un fonctionnaire de l'OFAS s'est rendu sur les lieux le 31 août suivant. Cependant, même en admettant que le chantier n'a véritablement repris son cours qu'au début du mois de septembre 1990 - soit après une interruption de deux mois environ - cela ne saurait constituer un motif suffisant pour révoquer la promesse de subvention. En effet, ainsi qu'on l'a vu (consid. 5c ci-dessus), l'exigence d'une poursuite des travaux sans discontinuer, fixée par l'OFAS dans ses directives du 29 mars 1990, doit être comprise comme une protection contre des manoeuvres déloyales de la part de l'allocataire qui chercherait à toucher la subvention fédérale sans respecter ses propres obligations. Or, s'il est incontestable que dans le cas d'espèce la recourante a beaucoup tardé avant de commencer les travaux et si elle a attendu le 12 juillet 1990 pour adjuger les travaux de gros-oeuvre, on ne saurait pour autant considérer qu'elle a été de mauvaise foi ou qu'elle a tenté d'éluder la loi. Cela d'autant moins que le retard semble dû, au moins en partie, à une intervention du service cantonal de la protection civile qui, après avoir constaté que les travaux avaient commencé au mois de juin, les a fait interrompre provisoirement afin d'obtenir l'accord définitif de l'office fédéral compétent. Il faut en effet préciser que la construction comprend, en plus du home pour personnes âgées, un abri public pour 817 personnes. Dès lors, si l'on met en balance l'intérêt de la recourante à obtenir la subvention promise et l'intérêt public consistant dans la stricte observance des directives de l'OFAS (v. consid. 4b ci-dessus), le premier l'emporte sur le second. Selon le rapport de l'architecte, la fondation a déjà engagé des dépenses pour plus d'un demi-million de francs alors que le coût total du projet est devisé à fr. 5'586'205.-- dont fr. 3'697'153.-- pour le home. Le refus de la subvention fédérale - 25% du coût total - aurait vraisemblablement pour effet d'empêcher la réalisation du BGE 117 V 136 S. 145 projet dont le caractère d'utilité publique n'est pas contesté. Or, même en admettant que la recourante n'a pas entièrement respecté ses obligations et qu'en particulier le retard pris par le chantier après l'exécution des terrassements au mois de juin 1990 lui est imputable, la sanction consistant dans la révocation pure et simple de la promesse de subvention est manifestement disproportionnée. c) Par ailleurs, si par hypothèse l'on appliquait au cas d'espèce les dispositions de la LSu (consid. 4c ci-dessus), la conclusion ne serait pas différente. C'est ainsi que l'art. 28 de cette nouvelle loi prévoit non seulement une mise en demeure de l'allocataire - dont on ne trouve pas l'équivalent dans la procédure suivie en l'espèce par l'intimé - mais nuance les sanctions possibles en cas d'inexécution ou d'exécution imparfaite: l'aide peut ne pas être versée ou seulement réduite. Si la restitution de sommes déjà versées peut être exigée, on peut y renoncer en tout ou en partie en cas de rigueurs excessives. Quant à la révocation de décisions ouvrant le droit à une aide ou à une indemnité, l' art. 30 al. 2 LSu prévoit que l'autorité compétente y renonce: a. si l'allocataire a pris, au vu de la décision, des mesures qui ne sauraient être annulées sans entraîner des pertes financières difficilement supportables; b. s'il apparaît qu'il lui était difficile de déceler la violation du droit; c. si la présentation inexacte ou incomplète des faits n'est pas imputable à l'allocataire. Ces règles qui s'inspirent de la pratique en matière de protection de la bonne foi des administrés (FF 1987 I 418, spéc. ch. 235.5) permettraient également, en l'espèce, de renoncer à la révocation de la promesse de subvention. d) Vu ce qui précède, le recours de droit administratif se révèle bien fondé. La décision attaquée viole le droit fédéral et doit être annulée.
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Sachverhalt ab Seite 83 BGE 130 I 82 S. 83 A. Am 4. November 2002 beschloss der Kantonsrat des Kantons Zürich eine Änderung des Gesetzes vom 14. Juni 1981 über die öffentliche Sozialhilfe (Sozialhilfegesetz; SHG/ZH). Die Änderung hat - soweit im Folgenden interessierend - folgenden Wortlaut: Asylfürsorge a) Zuständigkeit § 5 a. Die Hilfe für Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene und Schutzbedürftige ohne Aufenthaltsbewilligung (nachfolgend Asylsuchende) richtet sich nach besonderen Vorschriften. Der Regierungsrat erlässt eine Asylfürsorgeverordnung. Darin regelt er für Asylsuchende namentlich die Zuständigkeit und das Verfahren, die Platzierung, die Unterbringung und Betreuung, die Gesundheitsversorgung, die Ausbildung und Beschäftigung, die Festsetzung, Ausrichtung, BGE 130 I 82 S. 84 Abrechnung und Rückerstattung von Leistungen des Kantons und Dritter im Asylbereich, den Zugang zum Arbeitsmarkt sowie die Rückkehr. Insbesondere kann vorgesehen werden, dass neu zugewiesene Asylsuchende vom Kanton zunächst in einem Durchgangszentrum untergebracht und erst danach einer Gemeinde zugeteilt werden. b) Bemessung und Ausgestaltung der Hilfe § 5 b. Höhe und Art der Fürsorgeleistungen für Asylsuchende richten sich nach den kantonalen Bestimmungen. Sie werden vom Status und vom Verhalten einer Person im Asylverfahren bestimmt. Die zuständigen Stellen können Fürsorgeleistungen bis auf ein Minimum kürzen, wenn die begünstigte Person ihrer Mitwirkungspflicht gegenüber den für das Asylverfahren und die Fürsorge zuständigen Behörden nicht oder ungenügend nachkommt. Art und Dauer der Unterbringung und der Betreuung sowie der Zugang zum Arbeitsmarkt hängen vom Verfahrensstand beziehungsweise asylrechtlichen Status der Person ab. B. Mit gemeinsamer Eingabe vom 19. Februar 2003 führen die Sozialdemokratische Partei des Kantons Zürich (SP Kanton Zürich), A. (Beschwerdeführer 2) und B. (Beschwerdeführer 3) staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht. Sie beantragen im Hauptantrag, § 5b Abs. 1 Satz 2 und § 5b Abs. 2 des Sozialhilfegesetzes aufzuheben, weil diese Vorschriften gegen den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts verstiessen. Der Kantonsrat des Kantons Zürich, vertreten durch seine Geschäftsleitung, sowie die Direktion für Soziales und Sicherheit des Kantons Zürich (für den Regierungsrat) beantragen, die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Nach Art. 84 Abs. 1 lit. a OG kann gegen kantonale Erlasse wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte staatsrechtliche Beschwerde geführt werden. 1.2 Beschwerden gegen Erlasse sind gemäss Art. 89 Abs. 1 OG innert 30 Tagen seit der nach kantonalem Recht massgebenden Eröffnung beim Bundesgericht einzureichen. Als Eröffnung gilt die Publikation des Erlasses und der Feststellung, dass derselbe zustande gekommen ist und damit in Kraft treten kann BGE 130 I 82 S. 85 ( BGE 127 I 187 E. 1a S. 189, BGE 127 I 291 E. 1b S. 293; BGE 119 Ia 321 E. 3a S. 325; BGE 114 Ia 221 E. 1a S. 222; BGE 108 Ia 140 E. 1 S. 142). Mit der Publikation des Erlasstextes allein beginnt die Beschwerdefrist somit noch nicht zu laufen. Es muss vielmehr zugleich auch klargestellt sein, dass der Erlass - z.B. infolge einer nicht benützten Referendumsfrist oder seiner Annahme in der Volksabstimmung - definitiv verabschiedet und damit auf einen gleichzeitig bestimmten oder noch zu bestimmenden Termin in Kraft treten kann ( BGE 121 I 187 E. 1a S. 189). Der Text der Änderung des Sozialhilfegesetzes ist im Amtsblatt des Kantons Zürich vom 15. November 2002 als Referendumsvorlage publiziert worden. Die für den Beginn des Fristenlaufs massgebende Publikation mit der Feststellung, die Referendumsfrist sei unbenützt abgelaufen, ist am 18. Februar 2003 erfolgt. Die Eingabe vom 19. Februar 2003 erweist sich somit als rechtzeitig. 1.3 Zur staatsrechtlichen Beschwerde ist legitimiert, wer durch den Erlass unmittelbar oder virtuell (d.h. mit einer minimalen Wahrscheinlichkeit früher oder später einmal) in seiner rechtlich geschützten Stellung betroffen wird ( Art. 88 OG ; BGE 125 I 71 E. 1b/ aa S. 75, BGE 125 I 173 E. 1b S. 174, je mit Hinweisen). Als juristische Personen konstituierte Verbände können mit staatsrechtlicher Beschwerde die Interessen einer Mehrheit oder einer Grosszahl ihrer Mitglieder vertreten, soweit deren Wahrung zu den statutarischen Aufgaben gehört und die einzelnen Mitglieder ihrerseits beschwerdebefugt wären ( BGE 125 I 71 E. 1b/aa S. 75). Zur Wahrnehmung öffentlicher Interessen ist jedoch eine Vereinigung - auch eine politische Partei - ebenso wenig wie eine Einzelperson legitimiert ( BGE 123 I 41 E. 5c/ff S. 45). 1.4 Die SP Kanton Zürich macht nicht geltend, dass eine Mehrzahl oder zumindest eine grosse Zahl ihrer Mitglieder zum Kreis der Personen gehört, die als Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene oder Schutzbedürftige ohne Aufenthaltsbewilligung (vgl. § 5a Abs. 1 SHG/ZH) fürsorgerische Hilfe beanspruchen oder mit einer minimalen Wahrscheinlichkeit zu einem späteren Zeitpunkt benötigen könnten. Solches ist auch nicht anzunehmen. Der Umstand, dass auch Asylsuchende im Sinne von § 5a Abs. 1 SHG/ZH der SP des Kantons Zürich beitreten können, ändert daran nichts. Mithin fehlt der SP Kanton Zürich die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde. Auf diese ist insoweit nicht einzutreten. 1.5 Die privaten Beschwerdeführer 2 und 3 stammen aus Kenia bzw. Palästina, sind im Herbst 2002 in die Schweiz eingereist und BGE 130 I 82 S. 86 haben Asylgesuche gestellt. Sie sind beide dem Kanton Zürich und von diesem der Gemeinde Winterthur zugewiesen worden. Soweit bekannt sind ihre Asylverfahren hängig. Sie gehören damit nach § 5a Abs. 1 SHG/ZH zu den von der Gesetzesnovelle mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit betroffenen Personen und sind zur staatsrechtlichen Beschwerde befugt. Auf die formgerecht erhobene Eingabe ist insoweit einzutreten. 2. Die Beschwerdeführer rügen, die Änderung des Sozialhilfegesetzes verstosse gegen den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts ( Art. 49 Abs. 1 BV ). 2.1 Das Bundesgericht überprüft die Verfassungsmässigkeit eines allgemeinverbindlichen Erlasses im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle zwar mit freier Kognition, auferlegt sich aber mit Rücksicht auf die verfassungsmässige Kompetenzordnung im föderalistischen Bundesstaat allgemein eine gewisse Zurückhaltung ( BGE 129 I 12 E. 3.2 S. 15; BGE 125 I 71 E. 1c S. 76). Nach der Praxis ist dabei massgebend, ob der angefochtenen Norm nach den anerkannten Auslegungsregeln ein Sinn beigemessen werden kann, der sich mit den angerufenen verfassungsmässigen oder staatsvertraglichen Rechten vereinbaren lässt. Das Bundesgericht hebt demnach eine kantonale Norm nur auf, sofern sie sich jeglicher verfassungs- und völkerrechtskonformen Auslegung entzieht, nicht jedoch, wenn sie einer solchen in vertretbarer Weise zugänglich bleibt. Für die Beurteilung dieser Frage sind die Tragweite des Grundrechtseingriffs sowie die Möglichkeit von Bedeutung, bei einer späteren konkreten Normenkontrolle - d.h. im Anwendungsfall - einen hinreichenden verfassungsrechtlichen Schutz zu erhalten. Es ist deshalb zu beachten, unter welchen Umständen die betreffende Bestimmung zur Anwendung gelangen wird. Der Verfassungsrichter hat die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung nicht nur abstrakt zu untersuchen, sondern auch die Wahrscheinlichkeit verfassungstreuer Anwendung miteinzubeziehen. Dabei dürfen die Erklärungen der kantonalen Behörden über die künftige Anwendung der Vorschrift mitberücksichtigt werden ( BGE 129 I 12 E. 3.2 S. 15; BGE 125 I 369 E. 2 S. 374). 2.2 Der Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts kann auch unter der Herrschaft der neuen Bundesverfassung als Individualrecht angerufen werden ( BGE 127 I 60 E. 4a S. 68 mit Hinweisen). Auf ihn können sich Ausländer ebenfalls berufen. Der BGE 130 I 82 S. 87 Vorrang des Bundesrechts schliesst in Sachgebieten, die das Bundesrecht abschliessend geregelt hat, eine Rechtsetzung durch die Kantone grundsätzlich aus. In Sachgebieten, die das Bundesrecht nicht abschliessend ordnet, dürfen die Kantone nur solche Vorschriften erlassen, die nicht gegen den Sinn und Geist des Bundesrechts verstossen und dessen Zweck nicht beeinträchtigen oder vereiteln ( BGE 127 I 60 E. 4a S. 68; BGE 126 I 76 E. 1 S. 78). Selbst wenn das Bundesrecht aber ein gewisses Gebiet an sich abschliessend regelt, kann kantonales Recht auf demselben Gebiet unter Umständen weiter bestehen, namentlich wenn es nachweislich andere Ziele als die bundesrechtliche Regelung verfolgt ( BGE 128 I 295 E. 3b S. 299; ANDREAS AUER/GIORGIO MALINVERNI/MICHEL HOTTELIER, Droit constitutionnel suisse, Bd. I, Bern 2000, N. 1031, S. 364). In diesem Sinne hat das Bundesgericht beispielsweise entschieden, eine kantonale Regelung verstosse nicht gegen den Vorrang des Bundesrechts, soweit sie dessen Wirkung verstärke ( BGE 91 I 17 ). Aus jüngeren Entscheiden ergibt sich sodann, dass einem Kanton selbst bei abschliessender bundesrechtlicher Regelung Handlungsspielräume verbleiben können (Urteil 1P.574/1993 vom 5. November 1994, publ. in: ZBl 96/1995 S. 457, E. 6). Nur wenn die Bundesgesetzgebung für einen bestimmten Bereich sowohl umfassenden als auch ausschliesslichen Charakter hat, entfallen die kantonalen Kompetenzen zu ergänzender Rechtsetzung somit vollständig, und zwar selbst zum Erlass von Vorschriften, die im Einklang mit der Bundesregelung stehen ( BGE 128 I 295 E. 3b S. 299). 3. Die Beschwerdeführer sehen die Verletzung des Grundsatzes der derogatorischen Kraft des Bundesrechts darin, dass das Bundesrecht den Kantonen keinen Raum belasse, um Einschränkungen von Fürsorgeleistungen an Asylsuchende vorzusehen. Das Bundesrecht enthalte hierzu in Art. 83 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG; SR 142.31) eine abschliessende Regelung. Das ergebe sich nicht nur aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, sondern auch aus der Systematik des Gesetzes und den Materialien. Insbesondere habe der Bundesrat in der Botschaft zum Asylgesetz zur betreffenden Bestimmung ausgeführt, mit dieser sollten im Sinne einer Ausnahme vom Grundsatz der Massgeblichkeit des kantonalen Rechts für die Ausrichtung von Fürsorgeleistungen einheitliche Einschränkungen festgelegt werden. Art. 83 AsylG lasse die Berechtigung zum Bezug von Sozialhilfeleistungen nicht vom Verhalten des Asylsuchenden im Asylverfahren abhängen. § 5b des BGE 130 I 82 S. 88 Sozialhilfegesetzes missachte den Vorrang dieser Regelung, wenn er missliebiges Verhalten des Ansprechers im Asylverfahren, insbesondere die Verletzung der Mitwirkungspflicht, als weiteren Grund zur Kürzung der Fürsorgeleistungen vorsehe. 3.1 Art. 83 AsylG mit dem Marginale "Einschränkungen der Fürsorgeleistungen" lautet wie folgt: Die zuständigen Stellen können Fürsorgeleistungen ganz oder teilweise ablehnen, kürzen oder entziehen, wenn die begünstigte Person: a. sie durch unwahre oder unvollständige Angaben erwirkt oder zu erwirken versucht hat; b. sich weigert, der zuständigen Stelle über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse Auskunft zu erteilen, oder sie nicht ermächtigt, Auskünfte einzuholen; c. wesentliche Änderungen ihrer Verhältnisse nicht meldet; d. es offensichtlich unterlässt, ihre Lage zu verbessern, namentlich wenn sie eine ihr zugewiesene zumutbare Arbeit oder Unterkunft nicht annimmt; e. ohne Absprache mit der zuständigen Stelle ein Arbeits- oder Mietverhältnis auflöst oder dessen Auflösung verschuldet und damit ihre Lage verschlechtert; f. die Fürsorgeleistungen missbräuchlich verwendet; g. sich trotz der Androhung des Entzuges von Fürsorgeleistungen nicht an die Anordnung der zuständigen Stelle hält. 3.2 Das Gesetz ist in erster Linie nach seinem Wortlaut auszulegen. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Auslegungen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente; dabei kommt es namentlich auf den Zweck der Regelung, die dem Text zu Grunde liegenden Wertungen sowie auf den Sinnzusammenhang an, in dem die Norm steht. Die Gesetzesmaterialien sind zwar nicht unmittelbar entscheidend, dienen aber als Hilfsmittel, den Sinn der Norm zu erkennen ( BGE 129 II 114 E. 3.1 S. 118, BGE 129 II 353 E. 3.3 S. 356; BGE 128 II 56 E. 4 S. 62). 3.3 Aus dem Wortlaut von Art. 83 AsylG ergibt sich nicht eindeutig, ob die Regelung abschliessend ist oder den Kantonen die Möglichkeit zu ergänzender Rechtsetzung offen lässt. Immerhin ist sie detailliert und recht umfassend; sie nennt zahlreiche verpönte Verhaltensweisen, die zur Kürzung von Fürsorgeleistungen führen können, sowohl im Zusammenhang mit deren Bemessung als auch mit BGE 130 I 82 S. 89 deren Verwendung, der allfälligen Anpassung und der Respektierung gewisser Rahmenbedingungen. Im Weiteren enthält die Vorschrift keinen Zusatz ("insbesondere", "namentlich"), wie er oft verwendet wird, um deutlich zu machen, dass eine Aufzählung nur eine Auswahl möglicher Anwendungsfälle umfasst. Andererseits fehlt auch der Zusatz "nur", der mitunter Verwendung findet, um eine Liste von Tatbestandsvarianten als abschliessend zu kennzeichnen. Zudem räumt der Einleitungssatz von Art. 83 AsylG den "zuständigen Stellen" und damit auch den Kantonen mit der Möglichkeit zu teilweiser oder gar vollständiger Verweigerung von Fürsorgeleistungen einen denkbar weiten Anwendungsspielraum ein, der weiterer Konkretisierung durch kantonale Vorschriften oder Richtlinien zugänglich ist. Daraus ergibt sich, dass die Vorschrift zumindest hinsichtlich der Opportunität von Kürzungen und deren Art und Ausmass nicht abschliessenden Charakter hat und es den Kantonen unbenommen bleibt, jedenfalls insoweit ergänzend zu legiferieren. Wohl deutet somit der Wortlaut eher auf eine abschliessende Aufzählung von Kürzungstatbeständen hin. Gewissheit aber besteht insoweit nicht. 3.4 Die Einschränkung von Fürsorgeleistungen an Asylsuchende betrifft sowohl Bereiche mit Bundeskompetenz als auch solche mit kantonaler Zuständigkeit. Gemäss Art. 121 Abs. 1 BV ist die Gesetzgebung über die Gewährung von Asyl Sache des Bundes. Demgegenüber obliegt es den Kantonen, die Unterstützung der bedürftigen Personen zu regeln; der Bund hat bloss über Ausnahmen vom Wohnsitzkantonprinzip und Zuständigkeitsfragen zu legiferieren (vgl. Art. 115 BV ). Das Asylgesetz enthält ein 5. Kapitel über die Fürsorge ( Art. 80 ff. AsylG ), zu dem auch die interessierende Vorschrift gehört. Näheres regelt die Asylverordnung 2 vom 11. August 1999 über Finanzierungsfragen (AsylV 2; SR 142.312) im 2. Titel betreffend die Fürsorge. Art. 80 AsylG verweist die Fürsorge für Personen, die sich gestützt auf das Asylgesetz in der Schweiz aufhalten, grundsätzlich in die kantonale Kompetenz (Abs. 1; vgl. auch Art. 3 AsylV 2 ), doch gewährleistet der Bund die Fürsorge, solange sich diese Personen in einer Empfangsstelle oder in einem Erstintegrationszentrum für Flüchtlingsgruppen aufhalten (Abs. 2). Der Anspruch von Asylsuchenden auf Fürsorgeleistungen ist wiederum im Bundesrecht festgehalten ( Art. 81 AsylG ); für die Ausrichtung gilt aber kantonales Recht ( Art. 82 Abs. 1 AsylG und Art. 3 AsylV 2 ). Über allfällige Kürzungen befinden nach Art. 83 AsylG - wie BGE 130 I 82 S. 90 erwähnt - in ihrem Zuständigkeitsbereich auch die Kantone, wobei das Bundesrecht in den lit. a-g dieser Vorschrift einen detaillierten Katalog von Kürzungstatbeständen enthält. Der Bund vergütet den Kantonen in Form von Pauschalen auch einen grossen Teil der Fürsorgeleistungen an Personen, deren Aufenthalt durch das Asylgesetz geregelt ist (vgl. das 6. Kapitel des Asylgesetzes [Art. 88 ff.] sowie den 3. Titel [Art. 20 ff.] der Asylverordnung 2). Diese Regelung ist auf die Ausländergesetzgebung abgestimmt (vgl. insb. Art. 14c ANAG [SR 142.20] betreffend die Fürsorge für vorläufig Aufgenommene). Die Stellung von Art. 83 AsylG im Normengefüge lässt erkennen, dass die Vorschrift im Kontext mit eng verzahnten und sich zum Teil sogar überschneidenden Kompetenzen des Bundes und der Kantone steht (vgl. dazu auch den - durch das Asylgesetz 1998 allerdings zum Teil überholten - BGE 122 II 193 ). Im Wesentlichen gilt für die Festsetzung und die Ausrichtung von Fürsorgeleistungen an asylsuchende, schutzbedürftige und vorläufig aufgenommene Personen (d.h. Asylsuchende im Sinne von § 5a Abs. 1 SHG/ZH) kantonales Recht ( Art. 80 Abs. 1 und Art. 82 Abs. 1 AsylG , Art. 14c Abs. 4 ANAG ). Die bundesrechtliche Regelung dazu ist entsprechend kurz und besteht hauptsächlich aus Verweisungen. Dies lässt eher vermuten, der Bund habe die Einschränkungen der Sozialhilfe nicht abschliessend regeln wollen. Allerdings enthalten die Art. 80 ff. AsylG auch einige wenige Zusatzbestimmungen, mit denen Ausnahmen oder Details zur grundsätzlich den Kantonen zugewiesenen Fürsorge geregelt werden (Art. 80 Abs. 2 betreffend die Fürsorge durch den Bund in Empfangsstellen und Erstintegrationszentren, Art. 81 betreffend die Subsidiarität der Fürsorgeleistungen, Art. 82 Abs. 2 betreffend den Vorrang von Sachleistungen, Art. 82 Abs. 3 betreffend die besondere Lage und die Integration von Personen mit Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung, Art. 84 betreffend Kinderzulagen). Das lässt eine gewisse Unsicherheit über die Tragweite von Art. 83 AsylG bestehen. Diese Unsicherheit wird entgegen der Meinung der kantonalen Behörden auch durch Art. 3 Abs. 2 AsylV 2 , der für die Einschränkung von Fürsorgeleistungen auf das kantonale Recht verweist, nicht beseitigt; Satz 2 dieser Vorschrift behält Art. 83 AsylG ausdrücklich vor, wie die Beschwerdeführer zu Recht vorbringen. Andererseits können die Beschwerdeführer aus ihrer weiteren Argumentation in diesem Zusammenhang nichts für sich ableiten. Die BGE 130 I 82 S. 91 Hinweise auf die im Asylgesetz (Art. 32 Abs. 2 lit. a-c) vorgesehene Sanktion des Nichteintretens auf das Asylgesuch im Falle der Verletzung der Mitwirkungspflichten, auf den Schlussbericht der Arbeitsgruppe "Finanzierung Asylwesen" vom 9. März 2000, auf die Botschaft vom 4. September 2002 zur Änderung des Asylgesetzes (BBl 2002 S. 6845 ff.) und auf die Botschaft vom 2. Juli 2003 zum Entlastungsprogramm 2003 für den Bundeshaushalt (BBl 2003 S. 5615 ff.) helfen ihnen unter dem Gesichtswinkel der Systematik nicht weiter. Dass auf Asylgesuche bei Verletzung elementarer Mitwirkungspflichten nicht eingetreten wird, schliesst nicht aus, dass die Kantone für die Sozialhilfe analoge Folgen beschliessen. Diesbezüglich stellt der erwähnte Schlussbericht (S. 6 ff.) denn auch eine Regelungslücke fest. Wenn darin vorgeschlagen wird, der Bund solle diese im Sinne weiterer Einschränkungen der Sozialhilfe füllen, lässt sich daraus weder ableiten, die heutige Regelung sei abschliessend, noch es sei den Kantonen untersagt, ergänzend zu legiferieren, bevor der Bundesgesetzgeber tätig geworden ist. Die Änderung des Asylgesetzes zielt vor allem darauf ab, durch ein neues Finanzierungssystem (mit u.a. neu berechneten Globalpauschalen) Anreize für einen effizienteren Vollzug durch die Kantone zu schaffen, denen es aber überlassen bleiben soll, die der jeweiligen Situation am besten angepassten Mittel und Umsetzungsformen zu wählen (BBl 2002 S. 6861 und 6864), wozu sie selbstverständlich auch die erforderlichen Rechtsgrundlagen schaffen können. Zudem wird ausdrücklich klargestellt, dass Massnahmen wie die Minimalisierung der Sozialhilfe nach abgelaufener Ausreisefrist kein neues Bundesrecht erforderten, da verschiedene kantonale Erlasse bereits entsprechende Bestimmungen enthielten und die Ausrichtung der Sozialhilfeleistungen grundsätzlich in der Zuständigkeit der Kantone liege (BBl 2002 S. 6869; vgl. auch E. 4.2 hiernach). Art. 83 AsylG soll deshalb nur durch eine Rückerstattungspflicht für unrechtmässig bezogene Sozialhilfeleistungen ergänzt werden (BBl 2002 S. 6892 und 6944). Im Rahmen des Entlastungsprogrammes 2003 wurde lediglich die Kürzung der Bundespauschalen an die Sozialhilfeleistungen der Kantone für Personen, auf deren Asylgesuch nicht eingetreten wurde, vorgezogen (BBl 2003 S. 5689 ff. und 5754). Alle diese Zusammenhänge erlauben somit keineswegs den Schluss, Art. 83 AsylG habe abschliessenden Charakter. 3.5 Aus der Entstehungsgeschichte ergibt sich zunächst, dass Einschränkungen der Fürsorgeleistungen nicht neu sind und auf BGE 130 I 82 S. 92 Bun desebene auch nicht erst mit Art. 83 AsylG eingeführt wurden. Bereits in einem Kreisschreiben vom 12. Dezember 1991 wies das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement die Kantone gestützt auf Art. 20a Abs. 2 des alten Asylgesetzes vom 5. Oktober 1979 (aAsylG) an, die Ablehnung oder den Entzug von Fürsorgeleistungen bei verpöntem Verhalten der Asylbewerber zu prüfen, wobei die angeführten Kürzungstatbestände schon weitgehend dem Katalog von Art. 83 AsylG entsprachen. Dabei stützte sich das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement auf Art. 38 aAsylG betreffend die (damals noch in der Kompetenz des Bundes liegende) Fürsorge für anerkannte Flüchtlinge sowie auf den Umstand, dass die kantonalen Gesetzgeber in der Regel für diesen Problemkreis nichts vorgesehen hatten (Kreisschreiben S. 1 u. Ziff. 4 S. 3 f.). Da der Ausschluss von Fürsorgeleistungen als einschneidende Massnahme betrachtet wurde, fügte der Bundesrat die Kürzungstatbestände mit der Teilrevision vom 24. November 1993 in die alte Asylverordnung 2 (vom 22. Mai 1991) ein (neuer Art. 10b; vgl. Erläuterungen zum Vernehmlassungsverfahren S. 7). Art. 10b aAsylV 2 entsprach weitgehend dem heutigen Art. 83 AsylG . In der Botschaft vom 4. Dezember 1995 zum neuen Asylgesetz (BBl 1996 II 1 ff.) führte der Bundesrat aus, es würden "einheitliche Einschränkungen der Fürsorgeleistungen" entsprechend dem bisherigen Recht statuiert (BBl 1996 II 90, zu Art. 79 des Entwurfes). Diese Formulierung kann - wie es die Beschwerdeführer tun - als Ausdruck eines Bestrebens verstanden werden, die Einschränkungen von Fürsorgeleistungen zu vereinheitlichen und abschliessend auf Bundesebene zu regeln (die vorgeschlagene Regelung wurde in der Folge vom Parlament diskussionslos beschlossen). Dem steht jedoch entgegen, dass eine Vereinheitlichung auf halbem Weg stecken bliebe und deshalb keinen rechten Sinn ergäbe, wenn nur die Kürzungstatbestände genannt werden, es aber weiterhin den Kantonen obliegt, ob und in welchem Umfang sie davon Gebrauch machen wollen. Es ist auch nicht einsichtig, weshalb der Bund gerade die Kürzung der Fürsorgeleistungen abschliessend hätte regeln wollen, die noch wichtigeren Fragen um Ausrichtung und Bemessung der Fürsorge für Asylsuchende aber weiterhin zur Hauptsache den Kantonen überliesse ( Art. 82 AsylG ; BBl 1996 II 23 und 89 f.), und weshalb der Bundesrat in Art. 3 Abs. 2 der gleichzeitig mit dem Asylgesetz in Kraft gesetzten (neuen) Asylverordnung 2 im Wissen um eine abschliessende Regelung im Bundesgesetz trotzdem auch für "die Einschränkung von Fürsorgeleistungen" BGE 130 I 82 S. 93 grund sätzlich das kantonale Recht als anwendbar erklärt hätte. Als überzeugender erscheinen deshalb die Erklärungen des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements in seiner Vernehmlassung, wonach der Bund den Kantonen bloss ein Instrument zur Missbrauchsbekämpfung im Fürsorgebereich zur Verfügung stellen und ihnen ersparen wollte, die kantonalen Sozialhilfegesetze an dieses im Asylbereich relativ neue Erfordernis anzupassen, zumal sich daraus unliebsame Verzögerungen ergeben hätten. So betrachtet hat Art. 83 AsylG den Charakter einer gesetzlichen Basis, von der die Kantone Gebrauch machen können, wenn sie ihnen dient, sich jedoch nicht darauf berufen müssen, wenn sie entweder weniger streng oder aber strenger gegen Missbräuche vorgehen wollen und entsprechend legiferieren. 3.6 Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement hat in seiner Vernehmlassung daran erinnert, dass die politische Lage, die anfangs der Neunzigerjahre wegen der massiven Zunahme der Asylgesuche, der damit verbundenen Mehrausgaben, der Verwicklung vieler Asylsuchender in Betäubungsmitteldelikte und der vermehrten Missbräuche im Vollzugs- und Sozialhilfebereich entstanden war, dringend Massnahmen auf Bundesebene erforderte. Die damals eingeleitete Totalrevision des Asylgesetzes sei deshalb im Zeichen der Missbrauchsbekämpfung gestanden. Im Weiteren sei es darum gegangen, das Asylverfahren zu beschleunigen und die Kosten zu senken. Zur Bekämpfung der Missbräuche sei der Gesetzgeber in drei Richtungen tätig geworden. Erstens seien zusätzliche Nichteintretenstatbestände eingeführt worden. Zweitens sei der Vollzug durch die Neugestaltung der Vorbereitungs- und der Ausschaffungshaft verbessert worden. Drittens seien im Sozialhilfebereich Sanktionsmöglichkeiten eingeführt worden. In diesem Zusammenhang stehe Art. 83 AsylG , mit dem man den Kantonen eine direkt anwendbare Basis habe zur Verfügung stehen wollen, um Missbräuchen möglichst rasch entgegentreten zu können. Die Bestimmung sei im Sinne einer Hilfestellung für diejenigen Kantone beschlossen worden, deren Sozialhilfegesetzgebung in diesem Bereich ungenügend gewesen sei. Diese Ausführungen werden durch die Botschaft vom 4. Dezember 1995 zur Änderung des Asylgesetzes bestätigt (BBl 1996 II 1 ff., S. 18 f., 29 f., 44 ff., 56 ff., 87 ff., insb. 89 f., 95 f.). Auch wenn darin noch weitere Ziele genannt werden, gehören die genannten Absichten nach der - soweit hier interessierend - diskussionslosen BGE 130 I 82 S. 94 Verabschiedung durch das Parlament und der Annahme in der Volksabstimmung somit zu den Zwecken, die der Erlass verfolgt. Daraus ergibt sich, dass die detaillierte Regelung der Kürzungstatbestände in Art. 83 AsylG nicht mit dem Ziel erfolgte, eine Vereinheitlichung auf einem Gebiet mit Rechtszersplitterung herbeizuführen, wie die Erläuterungen zu Art. 79 des Entwurfs nahe legen könnten (BBl 1996 II 90), sondern bezweckt, den Kantonen ein Instrument zur Verfügung zu stellen, damit sie möglichst rasch gegen Missbräuche vorgehen können. Ihre Gesetzgebungskompetenz sollte demnach nicht im Interesse einer einheitlichen Bundeslösung zurückgedrängt werden. Vielmehr ging es um eine reine Hilfestellung, durch die nur soweit in ihre Kompetenzen auf dem Gebiet der Fürsorge eingegriffen werden sollte, als es für den Zweck unumgänglich war. Tatsächlich wurde die kantonale Zuständigkeit im Bereich der Sozialhilfe für Asylsuchende durch die Totalrevision denn allgemein auch nicht beschnitten, sondern im Gegenteil erweitert (BBl 1996 II 87 ff.). Die Interpretation von Art. 83 AsylG nach seinem Sinn und Zweck ergibt somit, dass das Bundesrecht die kantonale Regelungskompetenz nicht ausschliessen will, soweit es um andere Aspekte der Einschränkung von Fürsorgeleistungen als die bundesrechtlich geordneten geht. 3.7 Nach dem Dargelegten ist vor allem die Auslegung der Vorschrift unter dem Gesichtswinkel ihres Zwecks aussagekräftig. Auf sie ist deshalb abzustellen. Der Katalog der Kürzungstatbestände ist daher nicht in dem Sinne als abschliessend zu verstehen, dass es den Kantonen verwehrt wäre, auf dem Gebiet der Einschränkung von Fürsorgeleistungen an Asylsuchende ergänzend gesetzgeberisch tätig zu werden. Soweit die Doktrin die gegenteilige Meinung vertritt (vgl. KATHRIN AMSTUTZ, Verfassungsrechtliche Mindestanforderungen an die Sozialhilfe im Asylwesen, in: Asyl 2/03 S. 28 ff., 31 mit Fn. 23; dieselbe , Das Grundrecht auf Existenzsicherung, Diss. Bern 2002, S. 322), stützt sie sich bloss auf einzelne Auslegungselemente und vermag deshalb nicht zu überzeugen. Allerdings dürfen die Bemühungen der Kantone der Zwecksetzung von Art. 83 AsylG nicht zuwiderlaufen (vgl. E. 2.2 hiervor). Es steht ihnen jedoch grundsätzlich frei, zusätzliche Vorschriften im Dienste der Missbrauchsbekämpfung zu erlassen. 4. Es bleibt zu prüfen, ob die umstrittenen Vorschriften mit dem Sinn und Geist des Bundesrechts und mit seiner Zwecksetzung vereinbar sind. BGE 130 I 82 S. 95 4.1 Die Absätze 1 (Satz 2) und 2 von § 5b SHG/ZH erlauben namentlich, Höhe und Art der Fürsorgeleistungen an Asylsuchende von deren Verhalten im Asylverfahren abhängig zu machen und die Leistungen bis auf ein Minimum zu kürzen, wenn die begünstigte Person ihrer Mitwirkungspflicht gegenüber den für das Asylverfahren und die Fürsorge zuständigen Behörden nicht oder ungenügend nachkommt. Der Regierungsrat hat dazu in seiner Weisung zur Änderung des Sozialhilfegesetzes (Amtsblatt des Kantons Zürich [ABl./ZH] 2001, Bd. II, S. 1789 ff.) ausgeführt, Art und Bemessung der Fürsorgeleistungen sollten sich nach dem Anwesenheitsstatus und dem Verhalten der betreffenden Person richten, wozu auch ihre Mitwirkung im Asylverfahren zähle. Als besonderer Kürzungsgrund werde die Verletzung der Mitwirkungspflicht im Asyl- oder Fürsorgeverfahren erwähnt. Dabei gehe es insbesondere auch darum, unkorrektes Verhalten gegenüber der Fremdenpolizei zu sanktionieren. Im Übrigen gälten die Kürzungsgründe von Art. 83 AsylG . In jedem Fall sei aber die Garantie des absoluten Existenzminimums gemäss Art. 12 BV , d.h. der Anspruch auf die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässliche Hilfe, zu beachten (ABl./ZH 2001 S. 1791 f.). 4.2 Die Kürzungsmöglichkeit bei Verletzung der Mitwirkungspflicht im Verfahren vor den Fürsorgebehörden ergibt sich im Wesentlichen bereits aus Art. 83 AsylG (lit. a und b). Weiter geht jedoch die den Behörden eingeräumte Befugnis, auch auf unkorrektes Verhalten im Asylverfahren mit einer Kürzung der Fürsorgeleistungen zu reagieren. Aus den Erklärungen und Begleitumständen geht zweifelsfrei hervor, dass es sich dabei um Massnahmen im Interesse der Missbrauchsbekämpfung handelt. Sie verfolgen somit den gleichen Zweck wie Art. 83 AsylG (vgl. E. 3.5 hiervor) und ergänzen diese Vorschrift. Die Arbeitsgruppe "Finanzierung Asylwesen", die im Auftrag des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements die individuellen und institutionellen Anreize im Asylbereich untersucht hat, ist in ihrem Schlussbericht vom 9. März 2000 (S. 6 f. und 10 f.) zum Ergebnis gelangt, derartige Massnahmen seien im Interesse einer kohärenten Asylpolitik sinnvoll. Der Bundesrat hat sich im Rahmen der jüngsten dem Parlament zugeleiteten Vorlagen über Massnahmen im Asylbereich (Änderung des Asylgesetzes gemäss Botschaft vom 4. September 2002, Entlastungsprogramm 2003) im gleichen Sinn geäussert. In der Botschaft zur Änderung des Asylgesetzes hat er festgehalten, BGE 130 I 82 S. 96 Massnahmen wie die Minimalisierung der Sozialhilfe nach abgelaufener Ausreisefrist seien möglich und von den Kantonen vorzusehen, was zum Teil bereits geschehen sei (BBl 2002 S. 6869; sinngemäss gleich Botschaft vom 8. März 2002 zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer, BBl 2002 S. 3709 ff., 3819). Im Zusammenhang mit dem Entlastungsprogramm hat er vorgeschlagen, Personen, auf deren Asylgesuch (zum Beispiel wegen missbräuchlichen Verhaltens) nicht eingetreten worden sei, - unter Wahrung des verfassungsmässigen Rechts auf Hilfe in Notlagen - vom System der Sozialhilfe auszuschliessen (BBl 2003 S. 5689 f. u. 5754). Damit wird deutlich, dass die umstrittenen Vorschriften dem Sinn und Geist des Bundesrechts nicht widersprechen. Sie wirken vielmehr in die gleiche Richtung wie dieses und verstärken das bundesrechtliche Instrumentarium. Sie lassen sich auch verfassungskonform anwenden, zumal der Anspruch auf Nothilfe ( Art. 12 BV ) ausdrücklich vorbehalten bleibt (§ 5b Abs. 2 SHG/ZH) und nach den Erklärungen der Behörden in jedem Fall respektiert werden soll (ABl./ZH 2001 S. 1791 f.). Zur Überprüfung im Einzelfall steht zudem der Beschwerdeweg offen. Aus dem Ausgeführten ergibt sich, dass die umstrittenen Vorschriften nicht gegen den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts verstossen (vgl. E. 2.2 hiervor). Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
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Sachverhalt ab Seite 233 BGE 83 I 233 S. 233 A.- Die AG für Verwaltungsgeschäfte ist Eigentümerin der Liegenschaft Birsigstrasse 4 in Basel. Im Vorderhaus befindet sich das Restaurant "Baselbieterstübli", das von F. Führer betrieben wird. Eine Zweizimmerwohnung im Hinterhaus ist seit Jahren an Ernst von Ballmoos vermietet. Dieser Mietvertrag wurde von BGE 83 I 233 S. 234 der Eigentümerin auf den 30. Juni 1957 gekündigt mit der Begründung, Führer benötige die Wohnung für die Unterbringung von Angestellten seiner Wirtschaft. Ballmoos focht die Zulässigkeit der Kündigung bei der Schlichtungsstelle für Mietstreitigkeiten des Kantons Basel-Stadt an. Diese bestätigte die Kündigung, schob jedoch den Auszugstermin auf den 1. Oktober 1947 hinaus. Eine hiegegen erhobene Willkürbeschwerde wies der Regierungsrat am 28. Mai 1957 ab. In der Begründung dieses Entscheids wird unter Hinweis auf Art. 31 der Verordnung des Bundesrates über die Mietzinskontrolle und die Beschränkung des Kündigungsrechts vom 28. Dezember 1956 (VMK) u.a. ausgeführt: Nach der ständigen Praxis im Kanton Basel-Stadt gelte eine Kündigung dann als gerechtfertigt, wenn sie erfolge, um einen begründeten Mehrbedarf an Räumlichkeiten des Hauptmieters zu befriedigen. Der Eigentümer habe ein Interesse daran, die Wünsche des Hauptmieters vor diejenigen der übrigen Mieter zu stellen. Unter Hauptmieter sei der Mieter zu verstehen, der den wirtschaftlich wichtigsten Gebäudeteil gemietet habe und demgemäss den grössten Teil der eingehenden Mietzinse aufbringe. Der Vermieter habe ein grosses Interesse an der Zufriedenstellung des Hauptmieters, da er auf ihn angewiesen sei und nicht riskieren wolle, ihn wegen Raumnot zu verlieren. Der Mehrbedarf des Hauptmieters müsse allerdings sachlich begründet und dürfe nicht spekulativ sein. Diese Vorausetzung liege aber im vorliegenden Fall vor..... B.- Gegen den Entscheid des Regierungsrates führt Ballmoos rechtzeitig staatsrechtliche Beschwerde. Er macht eine Verletzung von Art. 4 BV geltend und bringt zur Begründung dieser Rüge u.a. vor: Der Regierungsrat habe das ihm zustehende Ermessen wenn nicht missbraucht, so doch weitgehend überschritten. Die Auffassung, dass der Mehrraumbedarf des Hauptmieters beim Vermieter reflektorisch einen Kündigungsanspruch gegenüber einem anderen Mieter erzeuge, sei "nicht unbedenklich". BGE 83 I 233 S. 235 Im vorliegenden Fall wirke sie sogar stossend, da der Hauptmieter gar kein Mieter, sondern ein Pächter sei, der nach den baselstädtischen Vorschriften keinen Mieterschutz geniesse. Es lasse sich sachlich nicht begründen und widerspreche dem sozialen Grundgedanken des Mietnotrechts, dass der Mieter, der grössere Mietzinse erbringt, vor dem Mieter, der ein kleineres Mietobjekt bewohnt, bevorzugt werde. C.- Der Regierungsrat beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die AG für Verwaltungsgeschäfte stellt dem Sinne nach den gleichen Antrag. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: Die kantonalen Behörden betrachten auf Grund der nach Art. 31 Abs. 1 VMK vorzunehmenden Interessenabwägung das Interesse der Vermieterin an der Kündigung des Mietvertrages als schutzwürdiger als das entgegenstehende Interesse des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses. Bei dieser Interessenabwägung muss dem Ermessen der kantonalen Behörden ein weiter Spielraum gelassen werden. Das Bundesgericht könnte nur bei einem offenbaren Ermessensmissbrauch einschreiten ( BGE 73 I 186 ). Ein solcher liegt aber nicht vor und wird mit der im wesentlichen rein appellatorischen Kritik des Beschwerdeführers, als ob dem Bundesgericht eine freie Überprüfung zustehen würde, jedenfalls nicht dargetan. Wie das Bundesgericht schon wiederholt entschieden hat, darf bei der Interessenabwägung auch das Interesse des Vermieters, die gekündigten Räume einem anderen Mieter zur Verfügung zu stellen, berücksichtigt werden (nicht veröffentl. Urteile vom 10. Juli 1947 i.S. Mecanis AG c. Immobiliengesellschaft Gerbergasse 25 AG Erw. 5, vom 3. Mai 1950 i.S. Voegtle c. Peter Erw. 3 und 4; BIRCHMEIER, Mietnotrechtserlasse S. 16/17). Dieses Interesse ist besonders gross, wenn es sich dabei um den Hauptmieter BGE 83 I 233 S. 236 handelt und dieser in den gemieteten Räumen eine Wirtschaft betreibt, sodass ausser seiner finanziellen Leistungsfähigkeit auch seine persönlichen Eigenschaften und sein Ruf von wesentlicher Bedeutung für den Vermieter sind. Es kann dem Vermieter billigerweise nicht zugemutet werden, aus Rücksicht auf einen minderwichtigen Mieter das Risiko auf sich zu nehmen, einen solchen in jeder Hinsicht befriedigenden Hauptmieter zu verlieren und keinen gleichwertigen Nachfolger zu finden. Dass der Regierungsrat das Interesse der Vermieterin, den Wirt Führer als Mieter zu behalten, bei der Interessenabwägung berücksichtigt hat, ist daher entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers keineswegs willkürlich. Ebensowenig ist die Auffassung zu beanstanden, dass dieses Interesse den Vorzug verdiene, wenn die Vermieterin Gefahr laufe, den Hauptmieter zu verlieren. Als zweifelhaft erscheint freilich, ob diese Gefahr wirklich besteht, wenn die Vermieterin dem Hauptmieter die bisher vom Beschwerdeführer bewohnten Räume nicht zur Verfügung stellt. Der Beschwerdeführer hat indessen die Annahme des Regierungsrates, dass dies der Fall sei, nicht bestritten, geschweige denn als willkürlich angefochten, sodass sich das Bundesgericht mit dieser Frage nicht zu befassen hat. Was der Beschwerdeführer aber in diesem Zusammenhang weiter geltend macht, ist nicht geeignet, den angefochtenen Entscheid als willkürlich erscheinen zu lassen. So ist es unerheblich, ob der Wirt Führer nicht Mieter, sondern Pächter im Hause der Vermieterin sei und als solcher nach den baselstädtischen Vorschriften keinen Mieterschutz beanspruchen könne, denn dadurch würde sich nichts an der Interessenlage der Vermieterin ändern. Übrigens erklärt der Regierungsrat in seiner Vernehmlassung, dass nach der Praxis im Kanton Basel-Stadt Pächter und Mieter in Bezug auf die Kündigungsbeschränkung gleichgestellt sind, wenn sich, wie hier, die Pacht auf ein Gebäude bezieht (z.B. Wirtschaft, Metzgerei, Bäckerei), obgleich in den einschlägigen Verordnungen BGE 83 I 233 S. 237 nur die Rede vom Mietvertrag ist (vgl. Verordnung betr. Massnahmen gegen die Wohnungsnot vom 29. Dezember 1942 §§ 1 ff. und Verordnung betr. Vollzug der Mietzinskontrolle usw. vom 26. Januar 1954/15. Januar 1957 § 4). Die beanstandete Praxis widerspricht auch nicht dem sozialen Grundgedanken des Mietnotrechts, wie der Beschwerdeführer behauptet. Nach Art. 31 Abs. 1 VMK ist die Interessenabwägung nicht bloss unter dem Gesichtspunkte vorzunehmen, ob es sich um einen kleinen oder grossen Mieter handle, sondern unter Berücksichtigung der gesamten Umstände. Dazu gehört aber auch das Interesse des Vermieters, einen zahlungsfähigen und die persönlichen Voraussetzungen erfüllenden Mieter des Hauptteils des Gebäudes, insbesondere einer Wirtschaft, nicht zu verlieren. Der Beschwerdeführer hat übrigens die Behauptung, dass er sich keine teurere Wohnung leisten könne, zwar vor der Schlichtungsstelle erhoben, in der Beschwerde an den Regierungsrat aber nicht mehr geltend gemacht. Da sich die staatsrechtliche Beschwerde ausschliesslich gegen den Entscheid des Regierungsrats richtet, kann jene Behauptung nicht berücksichtigt werden, denn dem Regierungsrat kann nicht Willkür vorgeworfen werden mit Bezug auf ein Argument, das vor ihm nicht mehr geltend gemacht worden ist ( BGE 77 I 9 Erw. 3 und dort genannte frühere Entscheide).
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Sachverhalt ab Seite 300 BGE 142 IV 299 S. 300 A. Am 26. November 2013 erliess die Staatsanwaltschaft Luzern gegen X. einen Strafbefehl wegen Veruntreuung sowie Nichtabgabe der entzogenen Kontrollschilder und des Fahrzeugausweises trotz behördlicher Aufforderung. Sie bestrafte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu Fr. 30.- und einer Busse von Fr. 900.-. X. nahm den Strafbefehl am 29. November 2013 in Empfang. Am 6. Dezember 2013 liess er durch seinen Verteidiger bei der Staatsanwaltschaft per Telefax Einsprache gegen den Strafbefehl erheben. BGE 142 IV 299 S. 301 B. Am 10. März 2014 stellte die Staatsanwaltschaft Luzern die Ungültigkeit der Einsprache infolge fehlender Schriftlichkeit sowie die Rechtskraft des Strafbefehls fest. Die von X. dagegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Luzern mit Beschluss vom 6. Juni 2014 ab. Da die Staatsanwaltschaft nicht befugt war, über die Gültigkeit der Einsprache zu befinden, hiess das Bundesgericht die von X. gegen den Beschluss des Kantonsgerichts Luzern vom 6. Juni 2014 geführte Beschwerde am 16. Dezember 2014 gut, hob den Beschluss auf und wies die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurück (Verfahren 6B_756/2014). Mit Beschluss vom 28. Juli 2015 erklärte das Kriminalgericht Luzern die Einsprache für ungültig. Dagegen führte X. Beschwerde beim Kantonsgericht Luzern. Dieses wies seine Beschwerde am 18. September 2015 ab. C. X. führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, der Beschluss des Kantonsgerichts Luzern vom 18. September 2015 sei aufzuheben und auf die Einsprache vom 6. Dezember 2013 gegen den Strafbefehl vom 26. November 2013 einzutreten. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Nach Art. 354 Abs. 1 StPO kann die beschuldigte Person bei der Staatsanwaltschaft gegen einen Strafbefehl innert 10 Tagen schriftlich Einsprache erheben. Wo das Gesetz Schriftlichkeit explizit vorsieht, ist die Eingabe gemäss Art. 110 Abs. 1 Satz 2 StPO zu unterzeichnen und zu datieren (HAFNER/FISCHER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 7 zu Art. 110 StPO ; vgl. NIKLAUS SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013, N. 1 f. zu Art. 110 StPO ; YASMINA BENDANI, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, N. 3 und N. 6 ff. zu Art. 110 StPO ). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts muss die Unterschrift eigenhändig auf dem Schriftdokument angebracht werden, weshalb bei Eingaben, die der Schriftform bedürfen, die Einreichung per Telefax zur Fristwahrung nicht genügt ( BGE 121 II 252 E. 3 f.; Urteile 6B_51/2015 vom 28. Oktober 2015 E. 2.2; 2C_531/2015 vom 18. Juni 2015 E. 2.1; 1B_160/2013 vom 17. Mai 2013 E. 2.1; je mit Hinweisen). In der BGE 142 IV 299 S. 302 Lehre wird vereinzelt Kritik an dieser Rechtsprechung geübt (vgl. LAURENT MERZ, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 35 zu Art. 42 BGG ). Sendungen per E-Mail, Fax oder SMS (jedenfalls ohne elektronische Signatur im Sinne von Art. 110 Abs. 2 StPO ) ziehen diverse Unsicherheiten - insbesondere betreffend die Identifizierung des Absenders, die Verifizierung der Unterschrift und die Feststellung des Zeitpunktes des Empfangs - nach sich, die bei eingeschriebener Post, elektronischer Eingabe nach Art. 110 Abs. 2 StPO oder mündlicher Erklärung zu Protokoll wegfallen (Urteil 1B_304/2013 vom 27. September 2013 E. 2.4). Aufgrund dessen sowie der expliziten Erwähnung des Schriftlichkeitserfordernisses in Art. 354 Abs. 1 StPO , sprechen gute Gründe dafür, die geltende Rechtsprechung auch auf die Einsprache gegen den Strafbefehl anzuwenden (bejahend CHRISTIAN SCHWARZENEGGER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 6 zu Art. 354 StPO ; a.M. SCHMID, a.a.O., N. 2 zu Art. 354 StPO ; derselbe, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 2. Aufl. 2013, N. 650; dieser vertritt die Auffassung, dass bei der Einsprache gegen einen Strafbefehl auch Fax oder E-Mail das Schriftlichkeitserfordernis erfüllen). Die Faxeingabe vom 6. Dezember 2013 genügt damit dem gesetzlichen Formerfordernis nicht. 1.2 Der Beschwerdeführer beanstandet die Rechtsmittelbelehrung und macht geltend, dem Strafbefehl sei lediglich zu entnehmen, dass die Einsprache schriftlich zu erheben sei. Dass die Schriftlichkeit nicht gewahrt sei, sofern die Einsprache per Telefax erfolge, werde nicht erwähnt. Da er sich im Zeitpunkt der Zustellung des Strafbefehls in Deutschland in Haft befunden habe, hätte er zudem explizit auf Art. 91 Abs. 2 StPO respektive die Möglichkeit, die Einsprache der Anstaltsleitung zu übergeben, hingewiesen werden müssen. 1.2.1 Eine Rechtsmittelbelehrung hat grundsätzlich das Rechtsmittel, die Rechtsmittelinstanz sowie die Rechtsmittelfrist zu bezeichnen (DANIELA BRÜSCHWEILER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 14 zu Art. 81 StPO mit Hinweis; vgl. Urteile 9C_755/2013 vom 11. Juli 2014 E. 1; 1A.178/2005 vom 20. September 2005 E. 2.2). Bezogen auf die Einsprache gegen den Strafbefehl ist Art. 353 Abs. 1 lit. i StPO einschlägig. Die Bestimmung sieht vor, dass der Strafbefehl einen Hinweis auf die Möglichkeit der Einsprache und die Folgen einer unterbliebenen Einsprache enthalten muss. BGE 142 IV 299 S. 303 1.2.2 Im Strafbefehl vom 26. November 2013 wird in Punkt 2 der Erläuterungen darauf hingewiesen, dass bei der Staatsanwaltschaft innert 10 Tagen Einsprache gegen den Strafbefehl erhoben werden kann. Punkt 4 erwähnt das Schriftlichkeitserfordernis. Schliesslich wird auf die Folgen der unterbliebenen Einsprache hingewiesen. Der Strafbefehl vom 26. November 2013 gibt die strafprozessualen Bestimmungen betreffend die Einsprache korrekt wieder. Inwiefern diese Hinweise die gesetzlichen Erfordernisse nicht erfüllen oder unvollständig sein sollen, ist nicht ersichtlich. Nach der gängigen Rechtsprechung kann von einem anwaltlichen Vertreter verlangt werden, dass dieser über Kenntnisse verfügt, die es ihm ermöglichen, die massgebenden Gesetzesbestimmungen ausfindig zu machen und gegebenenfalls auszulegen. Dass Rechtsordnungen anderer Staaten die Anforderungen an die Schriftlichkeit anders auslegen und den Telefax genügen lassen, ändert daran nichts. Wer wie im vorliegenden Fall als Rechtsanwalt in der Schweiz auftritt, ist gehalten, die schweizerische Rechtsordnung inklusive der gängigen Rechtsprechung zu kennen. Somit waren weitergehende Erläuterungen zum Schriftlichkeitserfordernis nicht erforderlich. Gleiches gilt hinsichtlich der Rüge des Beschwerdeführers, der Strafbefehl enthalte keinen Hinweis auf Art. 91 Abs. 2 StPO . Sein Vertreter hätte die entsprechende Bestimmung ohne weiteres ausfindig machen können (vgl. BGE 138 I 49 E. 8.3.2; BGE 135 III 374 E. 1.2.2.1 f., welche allerdings eine falsche Rechtsmittelbelehrung betrafen; je mit Hinweisen). 1.3 Weiter ist der Beschwerdeführer der Ansicht, die Staatsanwaltschaft sei verpflichtet gewesen, ihn darauf aufmerksam zu machen, dass es eine postalische Eingabe brauche. Eine persönliche Übergabe der Einspracheschrift bei der schweizerischen Botschaft in Berlin hätte nach entsprechendem Hinweis der Staatsanwaltschaft noch rechtzeitig, d.h. vor Ablauf der Einsprachefrist am 9. Dezember 2013, vorgenommen werden können. Andernfalls hätte ihm gestützt auf Art. 385 Abs. 2 StPO eine kurze Nachfrist eingeräumt werden müssen. Das Verhalten der Staatsanwaltschaft verstosse gegen den Grundsatz von Treu und Glauben respektive gegen das Verbot des überspitzten Formalismus. 1.3.1 Diesbezüglich erwägt die Vorinstanz, bei professionellen Rechtsvertretern sei davon auszugehen, dass sie die formellen Verfahrensregeln kennen. Ob eine Hinweispflicht seitens der Behörde nur bei rechtsunkundigen, nicht anwaltlich vertretenen Prozessparteien oder BGE 142 IV 299 S. 304 auch bei anwaltlich vertretenen Parteien bestehe, sei unklar. Die ständige Praxis des Bundesgerichts zu falschen Rechtsmittelbelehrungen lasse allerdings erkennen, dass bei anwaltlich vertretenen Parteien das Gebot von Treu und Glauben und der Grundsatz des Vertrauensschutzes weniger weit reiche als bei Rechtsunkundigen. Die Differenzierung sei aufgrund der erhöhten Sachkenntnisse eines Rechtsanwalts sachlich gerechtfertigt. Deshalb könne den Strafbehörden keine aus dem Verbot des überspitzten Formalismus sowie dem Grundsatz von Treu und Glauben fliessende Pflicht auferlegt werden, eine Partei, die durch einen professionellen Rechtsanwalt vertreten werde, auf Formfehler hinzuweisen. Dies gelte auch, wenn in Deutschland eine Einsprache per Telefax gültig sei. Die Vornahme fristgerechter und rechtswahrender Prozesshandlungen sei eine zentrale Pflicht professioneller Rechtsvertreter, die auch von ausländischen Verteidigern erwartet werden könne. Da der Verteidiger des Beschwerdeführers wissen müsse, dass er in einer für ihn fremden Rechtsordnung prozessiere, habe er als professioneller Rechtsvertreter nicht unbesehen davon ausgehen dürfen, dass in der Schweiz dieselben Verfahrensregeln gelten wie in Deutschland. Vielmehr hätte er die einschlägigen Gesetzesbestimmungen sowie die diesbezügliche Rechtsprechung und Literatur heranziehen müssen. Schliesslich wäre der Mangel ohnehin nicht innert Frist behebbar gewesen. Der Beschwerdeführer habe den Fax am Freitag, 6. Dezember 2013, um 18.26 Uhr versandt. Es sei davon auszugehen, dass die Staatsanwaltschaft am Montag, 9. Dezember 2013, Kenntnis davon erhalten habe. Da dies der letzte Tag der Frist gewesen sei, hätte sie den Beschwerdeführer auf dem ordentlichen Schriftweg nicht mehr rechtzeitig informieren können. Der Beschwerdeführer habe somit die Folgen der prozessualen Nachlässigkeit seines Anwalts selber zu tragen. 1.3.2 Art. 29 Abs. 1 BV verbietet überspitzten Formalismus als besondere Form der Rechtsverweigerung. Eine solche liegt vor, wenn für ein Verfahren rigorose Formvorschriften aufgestellt werden, ohne dass die Strenge sachlich gerechtfertigt wäre, wenn die Behörde formelle Vorschriften mit übertriebener Schärfe handhabt oder an Rechtsschriften überspannte Anforderungen stellt und den Rechtssuchenden den Rechtsweg in unzulässiger Weise versperrt. Wohl sind im Rechtsgang prozessuale Formen unerlässlich, um die ordnungsgemässe und rechtsgleiche Abwicklung des Verfahrens sowie die Durchsetzung des materiellen Rechts zu gewährleisten. Nicht jede prozessuale Formstrenge steht demnach mit Art. 29 Abs. 1 BV BGE 142 IV 299 S. 305 im Widerspruch. Überspitzter Formalismus ist nur gegeben, wenn die strikte Anwendung der Formvorschriften durch keine schutzwürdigen Interessen gerechtfertigt ist, zum blossen Selbstzweck wird und die Verwirklichung des materiellen Rechts in unhaltbarer Weise erschwert oder verhindert. Im Strafprozessrecht ergibt sich das Verbot des überspitzten Formalismus aus Art. 3 Abs. 2 lit. a und b StPO , wonach die Strafbehörden namentlich den Grundsatz von Treu und Glauben sowie das Verbot des Rechtsmissbrauchs zu beachten haben ( BGE 142 I 10 E. 2.4.2 mit Hinweisen). 1.3.3 Aus dem Verbot des überspitzten Formalismus und der daraus entwickelten Rechtsprechung kann der Beschwerdeführer indessen nichts zu seinen Gunsten ableiten. Allein die strikte Anwendung der Formvorschriften stellt keinen überspitzten Formalismus dar (Urteil 6B_51/2015 vom 28. Oktober 2015 E. 2.1 mit Hinweis). Dass es sich bei der Einsprache gegen einen Strafbefehl nicht um ein Rechtsmittel im formellen Sinn, sondern um einen Rechtsbehelf handelt, ändert daran nichts. Wenn das Gesetz Schriftlichkeit vorschreibt, sind Eingaben zu datieren und zu unterzeichnen. Diesem Erfordernis wird ein Telefax, welcher nicht die Originalunterschrift, sondern lediglich eine Kopie derer enthält, nicht gerecht ( BGE 112 Ia 173 E. 1; Urteil 6B_51/2015 vom 28. Oktober 2015 E. 2.2; je mit Hinweisen). Die bereits in E. 1.1 erwähnten Unsicherheiten bei Eingaben mittels E-Mail, Fax oder SMS stellen einen sachlichen Grund für das Formerfordernis dar, weshalb dessen strikte Anwendung nicht gegen das Verbot des überspitzten Formalismus verstösst. 1.3.4 Bezüglich der Hinweispflicht respektive der Pflicht der Behörde, bei Vorliegen eines sofort erkennbaren Formfehlers eine Nachfrist anzusetzen, äusserte sich das Bundesgericht in einem kürzlich ergangenen Entscheid ( BGE 142 I 10 ). Dieser betraf den Fall einer nicht gültig unterzeichneten Berufungserklärung. Gemäss dem Entscheid ist die Behörde verpflichtet, die Partei auf den Mangel aufmerksam zu machen und dessen Verbesserung zu verlangen, wenn bei einer Rechtsmittelerklärung ein sofort erkennbarer Formfehler, wie das Fehlen einer gültigen Unterschrift, festgestellt wird. Gegebenenfalls ist eine kurze, über die gesetzliche Rechtsmittelfrist hinausgehende Nachfrist für die gültige Unterzeichnung anzusetzen. Ein Anspruch auf eine Nachfrist besteht allerdings nur bei unfreiwilligen Unterlassungen ( BGE 142 I 10 E. 2.4.3 ff. mit Hinweisen). Von fachkundigen Personen, insbesondere Rechtsanwälten, kann erwartet werden, dass sie Rechtsmittel formgerecht einreichen. Ihnen gegenüber wird eine Nachfristansetzung regelmässig nur bei BGE 142 IV 299 S. 306 Versehen oder unverschuldetem Hindernis in Frage kommen (ZIEGLER/KELLER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 3 zu Art. 385 StPO ). Ausgenommen von der Nachfristansetzung sind Fälle des offensichtlichen Rechtsmissbrauchs. Auf einen solchen Missbrauch läuft es etwa hinaus, wenn ein Anwalt eine bewusst mangelhafte Rechtsschrift einreicht, um sich damit eine Nachfrist für die Begründung zu erwirken ( BGE 142 I 10 E. 2.4.7 mit Hinweisen). 1.3.5 Vorliegend kann weder von einem Versehen noch von einem unverschuldeten Hindernis gesprochen werden. Vielmehr hat sich der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers nicht über die geltenden gesetzlichen Regelungen und die gängige Rechtsprechung informiert. Anders als im Fall BGE 142 I 10 , wo die Eingabe formgerecht eingereicht wurde, fälschlicherweise jedoch die Kanzleimitarbeiterin anstatt des bevollmächtigten Anwalts unterzeichnet hatte, liegt vorliegend kein Mangel vor, welcher sich wie das versehentliche Fehlen der Unterschrift noch hätte beheben lassen. Die Faxeingabe als solche genügt den Anforderungen an die Schriftlichkeit nicht, sodass der Beschwerdeführer die Einsprache, die von Gesetzes wegen schriftlich erfolgen muss, nicht einfach verbessern konnte, sondern in anderer Form hätte einreichen müssen (vgl. dazu HAFNER/FISCHER, a.a.O., N. 11 zu Art. 110 StPO mit Hinweisen; SCHWARZENEGGER, a.a.O., N. 6 zu Art. 354 StPO , geht davon aus, die Staatsanwaltschaft müsse den Rechtssuchenden auf den Formmangel hinweisen. Er differenziert nicht zwischen anwaltlich vertretenen Personen und Laien. Weiter verweist er auf einen Entscheid des Bundesstrafgerichts [Urteil BB.2013.27 vom 13. August 2013 E. 3.3], worin die Frage der Differenzierung allerdings explizit offengelassen wird; a.M. MERZ, a.a.O., N. 35 zu Art. 42 BGG , wonach insbesondere bei ausländischen Anwälten eine Hinweispflicht bestehen soll). Ob der Beschwerdeführer die Einsprache tatsächlich noch am gleichen Tag innerhalb der Bürozeiten der schweizerischen Botschaft in Berlin hätte übergeben können, ist unerheblich. Aufgrund der klaren Rechtslage und der Verpflichtung des sorgfältig handelnden Anwalts, sich über die geltenden Formvorschriften zu informieren, kann aus dem Vertrauensgrundsatz respektive Verbot des überspitzten Formalismus vorliegend keine Pflicht der Staatsanwaltschaft abgeleitet werden, den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers darauf hinzuweisen, dass er mit seiner Einsprache per Telefax das Schriftlichkeitserfordernis nicht erfüllt. (...)
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Sachverhalt ab Seite 351 BGE 97 II 350 S. 351 A.- Am 11. Mai 1961 schlossen die Firma Gebr. Klaiber Söhne als Unternehmerin und die Tannerberg AG als Bestellerin einen Werkvertrag über den Bau von vier Mehrfamilienhäusern und eines Garagetraktes. Die Baufirma verpflichtete sich unter anderem, das Haus A samt Garagen bis Ende November 1961 im Rohbau zu erstellen und mit den Arbeiten am Haus B im Dezember 1961/Januar 1962 zu beginnen. Falls sie diese Fristen nicht einhielt, sollte sie "gemäss den allgemeinen Bedingungen für Hochbauarbeiten" für jeden Tag Verspätung eine Konventionalstrafe von Fr. 100.-- bezahlen. Das Haus A war erst Ende März 1962 im Rohbau fertig. Alsdann begann die Firma Klaiber mit dem Bau des Hauses B, das sie im August 1962 im Rohbau beendete. Am 28. Februar 1963 sandte sie der Tannerberg AG die Schlussabrechnung über die beiden Häuser und am 20. Mai 1964 eine Aufstellung über die Gesamtkosten aller Bauten. Diese Kosten beliefen sich auf Fr. 645'451.90, sodass nach Abzug der sieben Teilzahlungen von Fr. 615'000.--, welche die Gesellschaft vom 9. Oktober 1961 bis 26. September 1963 geleistet hatte, sich zugunsten der Firma Klaiber ein Saldo von Fr. 30'451.90 ergab, der später auf Fr. 26'841.40 herabgesetzt wurde. In ihrer Antwort vom 10. Juni 1964 machte die Tannerberg AG geltend, die Saldoforderung sei noch nicht fällig, da sie als "Garantierückhalt" für die Häuser A und B diene; sie beabsichtige übrigens, die Schuld mit der ihr zustehenden Konventionalstrafe von Fr. 36'500.-- zu verrechnen. B.- Im September 1966 klagte die Firma Klaiber gegen die Tannerberg AG auf Bezahlung von Fr. 26'841.40 nebst Zins. Die Beklagte erhob Anspruch auf eine Konventionalstrafe von Fr. 60'000.--, die sie zur Verrechnung stellte. Das Kantonsgericht Schaffhausen hiess die Klage am 4. Februar 1969 im Teilbetrag von Fr. 10'841.40 nebst Zins gut. Es hielt dafür, die Verrechnungseinrede der Beklagten sei teilweise begründet, da die Klägerin ihr für 160 Tage Verspätung die vereinbarte Konventionalstrafe schulde. BGE 97 II 350 S. 352 Die Klägerin appellierte an das Obergericht des Kantons Schaffhausen und beantragte, die Klage im vollen Umfange zu schützen. Das Obergericht verwarf in seinem Urteil vom 22. Januar 1971 die Verrechnungseinrede der Beklagten und verurteilte sie zur Zahlung des noch ausstehenden Rechnungssaldos von Fr. 13'041.40 nebst Zins. In der Begründung führt es dazu insbesondere aus, die Beklagte habe die Erfüllung vorbehaltslos angenommen, könne sich folglich gemäss Art. 160 Abs. 2 OR nicht auf die Abrede über die Konventionalstrafe berufen. C.- Die Beklagte hat die Berufung erklärt. Sie beantragt dem Bundesgericht, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und im Sinne des Kantonsgerichtes zu entscheiden. Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt das angefochtene Urteil.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. a) Ist die Konventionalstrafe, wie hier, für Nichteinhaltung der Erfüllungszeit versprochen worden, so kann sie gemäss Art. 160 Abs. 2 OR nebst der Erfüllung des Vertrages gefordert werden, solange der Gläubiger nicht ausdrücklich Verzicht leistet oder die Erfüllung vorbehaltlos annimmt. Im Gegensatz zu Art. 179 Abs. 2 aoR begründet die vorbehaltlose Annahme daher nach dem geltenden Recht nicht bloss eine widerlegbare Vermutung für den Verzicht des Gläubigers, sondern bewirkt den Untergang der Forderung (OSER/SCHÖNENBERGER, N. 3 und BECKER, N. 31 zu Art. 160 OR ; VON TUHR/SIEGWART, OR II S. 727; GAUTSCHI, N. 6 g zu Art. 364 OR ). Das geltende schweizerische Recht stimmt in diesem Punkte mit dem deutschen (§ 341 Abs. 3 BGB) überein, das bei der Revision des Art. 179 Abs. 2 aoR offenbar als Vorbild gedient hat. b) Es ist unbestritten, dass die Beklagte sich erstmals in ihrem Schreiben an die Klägerin vom 10. Juni 1964 auf die vereinbarte Konventionalstrafe berufen und erklärt hat, sie beabsichtige, die Restforderung der Klägerin mit ihren Ansprüchen zu verrechnen. Diese Erklärung enthielt an sich einen Vorbehalt im Sinne des Art. 160 Abs. 2 OR . Es fragt sich indes, ob der Vorbehalt rechtzeitig, d.h. vor oder spätestens bei Erfüllung des Werkvertrages gemacht worden sei. Die Beklagte behauptet dies mit der Begründung, die Klägerin habe erst nach BGE 97 II 350 S. 353 Ablauf der vertraglich vorgesehenen Garantiefrist erfüllen können; Art. 26 der SIA-Bedingungen spreche denn auch nur von einer vorläufigen Abnahme des Werkes, wenn dieses nach Vollendung sämtlicher Arbeiten keine erheblichen Mängel aufweise. Die endgültige Abnahme erfolge gemäss Art. 28 dieser Bedingungen nach Ablauf der Garantiefrist, die hier erst am 28. Februar 1965, zwei Jahre nach der Schlussrechnung der Klägerin, zu Ende gegangen sei. Die von der Beklagten angerufenen SIA-Bedingungen sind der Ausgabe 1962 entnommen, die bei Abschluss des Werkvertrages im Mai 1961 indes noch nicht vorgelegen haben kann. Mit dem im Vertrag enthaltenen Verweis auf die allgemeinen SIA-Bedingungen kann nur die Ausgabe 1948 gemeint sein, die sich freilich in den hier streitigen Punkten mit der Ausgabe 1962 im wesentlichen deckt. Art. 27 dieser Bedingungen (Ausgabe 1948) bestimmt, dass die Bauleitung und der Unternehmer nach Abschluss sämtlicher Arbeiten die vollendeten Bauteile gemeinsam prüfen (Abs. 1). Ergeben sich dabei keine Mängel, so finden die Ablieferung des Werkes und die vorläufige Abnahme durch den Bauherrn statt (Abs. 2). Zeigen sich dagegen Mängel, so hat der Bauherr dem Unternehmer eine angemessene Frist zu ihrer Behebung anzusetzen; nach Ablauf dieser Frist erfolgt eine nochmalige gemeinsame Prüfung und, wenn keine Mängel mehr erkennbar sind, die Ablieferung und die vorläufige Abnahme (Abs. 3). Besteht keine der Parteien auf einer gemeinsamen Prüfung und der Aufnahme eines Protokolls, so gilt das Werk mit der Einreichung der letzten Rechnung für die hauptsächlichsten Arbeiten als abgeliefert und vorläufig abgenommen (Abs. 6). Art. 28 sieht eine zweijährige Garantiefrist vor, die mit dem Tage der Ablieferung und der vorläufigen Abnahme beginnt. Art. 29 sodann bestimmt, dass nach Ablauf der Frist die endgültige Abnahme oder Genehmigung des Werkes stattfindet und dass nachher der Unternehmer während fünf Jahren nur noch für geheime Mängel haftet, die einen Schaden von mindestens Fr. 500.-- ausmachen, erst nach Ablauf der Garantiefrist zutage treten und vom Unternehmer verschuldet sind. c) Die Ablieferung im Sinne von Art. 372 OR ist in der Übergabe des vollendeten, dem Vertrag in allen Teilen entsprechenden Werkes zu erblicken ( BGE 94 II 164 Erw. 2 c und dort angeführte Urteile). Danach wurden hier das Haus A BGE 97 II 350 S. 354 Ende März oder im April 1962, das Haus B im August oder September 1962 abgeliefert, da das erstere Ende März und das letztere im August im Rohbau fertig und von der Beklagten zum weiteren Ausbau übernommen worden waren. Dass die Beklagte bei der Ablieferung Mängel geltend gemacht habe, ist weder dem angefochtenen Urteil noch den Akten zu entnehmen. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob sich der Zeitpunkt der Ablieferung bis zur Behebung gerügter Mängel verschoben hätte. Die in Art. 27 Abs. 5 der SIA-Bedingungen vorgesehene gemeinsame Prüfung der Häuser ist offenbar unterblieben; jedenfalls ist den Akten nicht zu entnehmen, dass sie stattgefunden habe. In solchen Fällen gilt das Werk gemäss Art. 27 Abs. 6 an dem Tag, an dem die letzte Rechnung für die hauptsächlichsten Arbeiten dem Bauherrn zugestellt wird, als abgeliefert und vorläufig abgenommen. Diese Rechnung wurde hier, was unbestritten ist, am 28. Februar 1963 der Beklagten zugestellt. Man kann sich freilich fragen, ob Art. 27 Abs. 6 der SIA-Bedingungen überhaupt beachtlich ist, da es sich bei der Ablieferung um einen Rechtsbegriff handelt, der auf bestimmte tatbeständliche Vorgänge zugeschnitten ist und z.B. den Einzug des Bestellers in ein unvollendetes Haus nicht erfasst ( BGE 94 II 164 ). Anders verhält es sich, wenn der Besteller, wie die Beklagte es hier getan hat, einen Rohbau als mängelfrei übernimmt und mit dem Innenausbau beginnt; diesfalls muss die Benützung des übernommenen Werkes bei gleichzeitigem Unterlassen einer Mängelrüge als Abnahme ausgelegt werden (vgl. SOERGEL/SIEBERT, N. 2 zu § 341 BGB). Das gleiche ergäbe sich aus dem heute geltenden Art. 26 Abs. 5 der SIA-Bedingungen (Ausgabe 1962). Nach dieser Bestimmung gilt mangels gemeinsamer Prüfung oder Ausfertigung eines Protokolls die "Ingebrauchnahme" des Werkes grundsätzlich als dessen vorläufige Abnahme. Die aufgeworfene Frage braucht indes nicht weiter erörtert zu werden, da der im Schreiben der Beklagten vom 10. Juni 1964 enthaltene Vorbehalt hinsichtlich der Konventionalstrafe auf jeden Fall verspätet war. d) Die Beklagte beruft sich auf Art. 27 der SIA-Bedingungen (Ausgabe 1948), wo von vorläufiger Abnahme die Rede ist, und auf Art. 29, der von der Genehmigung des Werkes bzw. dessen endgültiger Abnahme nach Ablauf der Garantiefrist handelt. Sie übersieht indes, dass diese Frist nichts anderes als die vertraglich auf zwei Jahre verkürzte Verjährungsfrist des BGE 97 II 350 S. 355 Art. 371 Abs. 2 OR ist, die sowohl nach dem Gesetz als auch nach Art. 28 Abs. 4 der SIA-Bedingungen (Ausgabe 1948) mit der Ablieferung und der (vorläufigen) Abnahme des Werkes beginnt. Das Wort "vorläufig" im Text der Bedingungen weist bloss darauf hin, dass der Unternehmer unter den in Art. 29 umschriebenen Voraussetzungen nachher noch für geheime Mängel haftet. Bei der gehörigen Erfüllung des Werkvertrages fallen die Ablieferung, die Annahme und die Abnahme des Werkes jedoch zeitlich zusammen. Schweigt der Besteller bei der Ablieferung, wie die Beklagte es getan hat, so wird die Abnahme des Werkes - unter dem hier nicht zutreffenden Vorbehalt der spätern Rüge versteckter Mängel - unwiderleglich vermutet ( Art. 370 OR ; GAUTSCHI, N. 13 b zu Art. 367 und N. 4 a zu Art. 371 OR ); ihr Anspruch auf die Konventionalstrafe ist somit untergegangen.
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Sachverhalt ab Seite 285 BGE 132 II 284 S. 285 Am 20. April 2000 reichte die MCI WorldCom AG bei der Eidgenössischen Kommunikationskommission ein Gesuch ein, mit dem sie die Festlegung der Bedingungen für bestimmte Interkonnektionsleistungen im Verhältnis zur Swisscom AG beantragte. Mit Verfügung vom 6. November 2003 gab die Kommunikationskommission diesem Interkonnektionsgesuch statt. Insbesondere verpflichtete sie die Swisscom AG, mit Wirkung ab dem 1. Januar 2000 einzeln definierte Interkonnektionsleistungen zu genau festgelegten Preisen für die Jahre 2000 bis 2003 anzubieten bzw. abzurechnen. Darüber hinaus traf sie ergänzende Anordnungen im Rahmen der Bedingungen der Interkonnektion.
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Dagegen führten sowohl die Swisscom AG als auch die MCI WorldCom AG Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Dieses vereinigte die beiden Beschwerdeverfahren und hiess am 1. Oktober 2004 beide Verwaltungsgerichtsbeschwerden gut, hob die Verfügung der Kommunikationskommission vom 6. November 2003 auf und wies die Sache an diese zurück zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen (Verfahren 2A.587/2003 und 2A.588/ 2003). In der Folge traf die Kommunikationskommission am 10. Juni 2005 eine erneute Verfügung zu den Bedingungen und namentlich den Preisen der Interkonnektion zwischen der - inzwischen anstelle der Swisscom AG in das Verfahren eingetretenen - Swisscom Fixnet AG und der MCI WorldCom AG. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht vom 13. Juli 2005 stellt die Swisscom Fixnet AG im Wesentlichen die folgenden Anträge: "I. Hauptanträge
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1. Ziff. 2 des Dispositivs der Verfügung sei aufzuheben und die Preise für die Interkonnektionsdienste der Beschwerdeführerin seien für die Jahre 2000-2003 gemäss dem dieser Beschwerde beigefügten Anhang 1 festzulegen. 2. Die Ziffern 4.2 und 4.5 des Dispositivs der Verfügung seien aufzuheben und die preisunabhängigen Interkonnektionsbedingungen seien, soweit in diesem Verfahren darüber entschieden werden kann, wie folgt festzulegen: BGE 132 II 284 S. 286 (Ziff. 3.2.3 Vertragsentwurf 4.1) 'Sollte die zuständige Behörde in einem ordentlichen Verfahren auf Begehren eines Dritten in einem rechtskräftigen Endentscheid die Preise bezüglich einer oder mehrerer von diesem Vertrag betroffenen Dienstleistungen neu festsetzen, so werden die entsprechenden Dienstleistungen reziprok zu den neuen Preisen ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft des Endentscheides erbracht.' (Ziff. 10.2 der Geschäftsbedingungen) 'Werden verbindliche Termine nicht eingehalten, so ist in jedem Fall eine angemessene Nachfrist zur nachträglichen Erfüllung anzusetzen. Dabei haften die Parteien für Schaden, sofern sie nicht beweisen, dass sie kein Verschulden trifft. Sie haften für jedes Verschulden und höchstens für den entstandenen Schaden, wobei die Haftung auf maximal CHF 50'000 je Schadenfall beschränkt wird. Ausgeschlossen ist in jedem Fall die Haftung für entgangenen Gewinn.' 3. Ansonsten sei das Interkonnektionsgesuch der Beschwerdegegnerin abzuweisen. (...)" Die MCI WorldCom AG änderte in der Folge ihre Firma in MCI Communications Switzerland AG. Unter diesem Namen schliesst sie auf Abweisung der Beschwerde. Die Kommunikationskommission beantragt die teilweise Gutheissung der Beschwerde und die Aufhebung der Dispositivziffer 3 (richtig: 2) ihrer Verfügung; im Übrigen stellt sie Antrag auf Abweisung der Beschwerde. Mit ergänzender Stellungnahme schliesst sich die MCI Communications Switzerland AG dem Antrag der Kommunikationskommission an. Mit Wirkung ab dem 1. März 2006 änderte die MCI Communications Switzerland AG ihre Firma erneut; sie heisst nunmehr Verizon Switzerland AG. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde hinsichtlich der von der Kommunikationskommission festgelegten Preise teilweise gut, weist sie im Übrigen jedoch ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 6. 6.1 Die Beschwerdeführerin behauptet, die Kommunikationskommission sei im Interkonnektionsverfahren einzig für vertragliche Hauptleistungspflichten wie die eigentliche Gewährung des Netzzuganges sowie die Festlegung des Interkonnektionspreises zuständig. Sie habe jedoch gestützt auf Art. 11 des Fernmeldegesetzes vom BGE 132 II 284 S. 287 30. April 1997 (FMG; SR 784.10) keine Kompetenz, auch Nebenleistungspflichten und Nebenpflichten anzuordnen, zu denen administrative, technische und rechtliche Fragen untergeordneter Bedeutung gehörten. Komme über vorbehaltene Nebenpunkte keine Einigung zustande, habe gemäss Art. 2 Abs. 1 OR der Richter über diese nach der Natur des Geschäfts zu entscheiden, wobei nach Art. 11 Abs. 4 zweiter Satz FMG solche Streitigkeiten unter die Zivilgerichtsbarkeit fielen. Konkret ficht die Swisscom Fixnet AG ausdrücklich an, dass die Vorinstanz nicht angeordnet hat, Preisanpassungen bei Behördenentscheiden auf Begehren eines Dritten würden erst ab Rechtskraft der Verfügung gelten (Dispositivziffer 4.2); die Beschwerdeführerin stösst sich überdies daran, dass die Kommunikationskommission den Haftungsausschluss für entgangenen Gewinn nicht in die Interkonnektionsbedingungen aufgenommen hat (Dispositivziffer 4.5). 6.2 Zunächst erscheint der Standpunkt der Beschwerdeführerin widersprüchlich. Einerseits spricht sie der Vorinstanz die Zuständigkeit für die Regelung so genannter Nebenpunkte im Interkonnektionsverfahren ab; andererseits ficht sie diese Regelung nicht gesamthaft, sondern nur teilweise an und verlangt sogar die Aufnahme ergänzender Anordnungen in die Interkonnektionsverfügung, für die nach ihrer Ansicht doch gar nicht die Interkonnektionsbehörde, sondern der Zivilrichter zuständig sein soll. Diese Auffassung der Beschwerdeführerin geht jedoch ohnehin fehl. Art. 11 Abs. 3 FMG ist (bewusst) sehr offen formuliert. Die Kommunikationskommission ist zuständig, die Bedingungen für die Interkonnektion zu verfügen. Eine Einschränkung auf die Hauptpunkte besteht nicht. Zu den fraglichen Bedingungen zählen vielmehr sämtliche Punkte, die in einem sachlichen Zusammenhang zur Interkonnektion stehen. Dass dazu neben technischen Regelungen auch Bestimmungen zur Abwicklung des Vertragsverhältnisses (etwa zur Gewährleistung oder Haftung) gehören, ist in diesem Sinne sachlich begründet. Art. 11 Abs. 3 FMG geht insofern Art. 2 OR vor, bzw. die Regeln des allgemeinen Vertragsrechts greifen im Bereich der behördlich verfügten Interkonnektionsbedingungen nicht bzw. lediglich subsidiär. Damit wird das in Art. 11 Abs. 3 FMG vorgesehene Verhandlungsprimat nicht desavouiert und auch nicht eine behördliche ex-ante-Regulierung eingeführt, wie die Beschwerdeführerin behauptet. Vielmehr bleibt es dabei, dass die Interkonnektionspartner zunächst dreimonatige Verhandlungen - auch zu den Nebenpunkten der Interkonnektion - BGE 132 II 284 S. 288 zu führen haben, bevor die Kommunikationskommission ex post und lediglich auf Gesuch hin tätig werden kann. Für die Nebenbestimmungen ist auch nicht der Zivilrichter zuständig. Seine Kompetenz für die Beurteilung von Streitigkeiten aus Interkonnektionsvereinbarungen und -entscheiden erstreckt sich lediglich auf die Frage der Auslegung und Durchsetzung gültig vereinbarter Bestimmungen bzw. rechtskräftiger Entscheide (vgl. BBl 1996 III 1427; PETER R. FISCHER/OLIVER SIDLER, B. Fernmelderecht, in: Koller/ Müller/Rhinow/Zimmerli [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Bd. V, Rolf H. Weber [Hrsg.], Informations- und Kommunikationsrecht, Teil 1, 2. Aufl., Basel/Genf/München 2003, S. 165, Rz. 179). Eine parallele Zuständigkeit der Interkonnektionsbehörde für die Hauptpunkte und der Zivilgerichte für die Nebenpunkte erschiene im Übrigen ohnehin nicht sinnvoll und höchst unpraktikabel und würde die Interkonnektion übermässig erschweren. Die Zuständigkeit der Kommunikationskommission für die hier strittigen Nebenpunkte der Interkonnektion erweist sich damit als gegeben. Dabei verfügt die Regulierungsbehörde über ein erhebliches Ermessen, sind doch der Rechtsordnung - noch weniger als bei der Preisgestaltung, wo das Gesetz immerhin die Kostenorientierung vorschreibt und die Verordnung dies teilweise konkretisiert - praktisch keine Vorgaben für die Nebenpunkte der Interkonnektion zu entnehmen, ausser dass sich ihre Festlegung (in Anwendung von Art. 11 Abs. 3 FMG ) an den Grundsätzen der Markt- und Branchenüblichkeit auszurichten hat. Gesetz- und Verordnungsgeber haben hier der Kommunikationskommission einen grossen Entscheidungsspielraum eingeräumt, den das Bundesgericht entsprechend zu respektieren hat. 6.3 Angesichts dieses Spielraumes ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz für die Beurteilung der Markt- und Branchenüblichkeit der Nebenbestimmungen nicht lediglich auf die Häufigkeit bzw. Beständigkeit einer bestimmten Regelung, sondern auch auf deren sachliche Rechtfertigung und Praktikabilität abstellt. Darüber hinaus erscheint es zulässig, eine gewisse Vertragsgerechtigkeit anzustreben, sofern damit der Ausgleich der Marktbeherrschung bzw. eine Regelung bezweckt wird, wie sie unter Vertragspartnern mit gleicher oder zumindest ähnlicher Verhandlungsmacht zu erwarten ist. Ein solcher Ausgleich entspricht dem Gesetzeszweck von Art. 11 Abs. 1 FMG . Die Kommunikationskommission hat sich an diese Grundsätze gehalten, weshalb ihre Würdigung der Markt- und BGE 132 II 284 S. 289 Branchenüblichkeit bei den Nebenbedingungen der Interkonnektion grundsätzlich vor dem Bundesrecht standhält. 6.4 Die Beschwerdeführerin wendet sich dagegen, dass Preisanpassungen, die von der Regulierungsbehörde auf Begehren eines Dritten verfügt werden, rückwirkend auf den Beginn der Interkonnektionsbedingungen und nicht erst ab Rechtskraft der fraglichen Verfügung gelten sollen. Eine solche Rückwirkungsklausel entspricht indessen durchaus dem Gesetz und liegt im öffentlichen Interesse. Aufgrund des Gebots der Nichtdiskriminierung gemäss Art. 11 Abs. 1 FMG ist die marktbeherrschende Anbieterin verpflichtet, allen Konkurrentinnen dieselben Interkonnektionsbedingungen zu gewähren. Kleinere Interkonnektionspartner sind nicht ohne weiteres in der Lage, selbst ein aufwendiges Interkonnektionsverfahren zu führen, und darauf angewiesen, sich zeitgerecht dem Ergebnis der Interkonnektionsstreitigkeiten grösserer Konkurrenten anschliessen zu können. Gleichzeitig verringert eine Rückwirkungsklausel den Anreiz, Interkonnektionsverfahren aus finanziellen bzw. wettbewerbspolitischen Gründen zu verzögern. Wird die Rückwirkungsklausel im Sinne der Nichtdiskriminierung allen Interkonnektionspartnern einer marktbeherrschenden Anbieterin gewährt, wird damit für eine möglichst zeitige Umsetzung des Prinzips des funktionierenden Wettbewerbs unter vergleichbaren Bedingungen für alle Marktteilnehmer gesorgt. Dies entspricht der Zwecksetzung der Rechtsordnung, was auch die damit verbundene (indirekte) Drittwirkung des Interkonnektionsentscheides auf andere Interkonnektionsverhältnisse rechtfertigt. Erneut ist nicht ersichtlich, weshalb dadurch das Verhandlungsprimat nach Art. 11 Abs. 3 FMG in Frage gestellt sein bzw. inwiefern dadurch eine ex-ante-Regulierung eingeführt werden sollte, bringt die strittige Rückwirkungsklausel doch keine (prozessualen) Abweichungen von den entsprechenden Verfahrensbestimmungen mit sich. 6.5 Was sodann den von der Vorinstanz verfügten Verzicht auf einen Haftungsausschluss für entgangenen Gewinn betrifft, so verweist die Beschwerdeführerin auf die Häufigkeit bzw. Verbreitung von entsprechenden Klauseln in der Telekommunikationsbranche. Die Kommunikationskommission hat dies im angefochtenen Entscheid freilich durchaus berücksichtigt. Der Verzicht auf den Haftungsausschluss beruht jedoch auf einem anderen Grund: In der Regel hat vor allem die marktbeherrschende Anbieterin ein Interesse an einer Haftungsausschlussklausel, da sie versucht sein könnte, BGE 132 II 284 S. 290 wesentliche Interkonnektionsbedingungen nicht strikt zu beachten, insbesondere entsprechende Termine nur verzögert einzuhalten, um möglichst lange (in ungerechtfertigter Weise) vom bestehenden Wettbewerbsvorteil zu profitieren. Das Risiko einer Haftung aus entgangenem Gewinn wirkt einem allfälligen solchen Verhalten entgegen, weshalb der Verzicht auf die von der Beschwerdeführerin verlangte Haftungsausschlussklausel mit dem Zweck von Art. 11 Abs. 1 FMG in Einklang steht, den ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil der marktbeherrschenden Anbieterin effizient und zeitgerecht zu beseitigen. 6.6 Die von der Beschwerdeführerin angefochtenen Nebenbedingungen der Interkonnektion sind demnach mit dem Bundesrecht vereinbar.
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Sachverhalt ab Seite 59 BGE 118 II 58 S. 59 A.- Le 1er août 1985, le bureau d'architecture R. S.A. a engagé dame P. comme dessinatrice. Le 6 février 1990, dame P. a informé son employeur qu'elle était enceinte et qu'elle n'envisageait pas de reprendre son emploi après l'accouchement. Au terme de l'entretien, les parties ont convenu que le contrat de travail serait résilié pour le 31 juillet 1990. Le 23 février 1990, R. S.A. a confirmé cet arrangement par écrit. Par lettre du 27 juillet 1990, dame P. a fait savoir à son employeur qu'elle ne considérait plus l'accord du 6 février 1990 comme valable et qu'elle n'arrêterait pas de travailler le 31 juillet 1990. L'employée faisait valoir que, contrairement à ce qu'elle croyait lors de la résiliation, la convention collective de travail, dont elle a eu connaissance en juin 1990, accordait à la travailleuse, dès la deuxième année d'emploi, un congé maternité payé de dix semaines, dont en principe huit après l'accouchement. Dans une seconde lettre du 31 juillet 1990, dame P. a donné son congé pour le 31 octobre 1990, précisant qu'elle prenait immédiatement les jours de vacances auxquels elle avait droit. L'employeur a refusé de revenir sur l'accord de février 1990. Le 6 août 1990, la travailleuse a adressé à R. S.A. un certificat médical attestant son incapacité de travail totale dès cette date jusqu'à l'accouchement. L'enfant de dame P. est né le 17 septembre 1990. B.- Le 31 août 1990, dame P. a assigné R. S.A. en paiement de 14'000 francs, représentant son salaire pour trois mois après déduction des retenues légales, ainsi qu'une part de la gratification. Par jugement du 9 octobre 1990, le Tribunal des prud'hommes de X. a condamné la défenderesse à payer à la demanderesse 12'000 francs, sous déduction des cotisations légales et conventionnelles. Statuant le 7 mai 1991, la Chambre des recours du Tribunal cantonal du canton de Vaud a rejeté le recours formé contre ce jugement par la défenderesse. C.- R. S.A. interjette un recours en réforme au Tribunal fédéral. Elle reprend ses conclusions en libération. La demanderesse propose le rejet du recours. Le Tribunal fédéral admet le recours, annule l'arrêt attaqué et rejette la demande. BGE 118 II 58 S. 60
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. Selon les faits établis souverainement par l'autorité cantonale ( art. 63 al. 2 OJ ), les parties ont, par accord du 6 février 1990, résilié le contrat pour le 31 juillet 1990. Il convient d'examiner si cette convention est valable. a) Aux termes de l' art. 336c al. 1 let . c CO, l'employeur ne peut pas, après le temps d'essai, résilier le contrat pendant la grossesse et au cours des seize semaines qui suivent l'accouchement. Si, en vertu de l' art. 362 al. 1 CO , il ne peut être dérogé à l' art. 336c al. 1 CO au détriment de la travailleuse, celle-ci demeure évidemment libre de donner son congé durant la période susmentionnée. Par ailleurs, le caractère relativement impératif de l' art. 336c CO interdit certes aux parties de convenir d'avance que l'employeur pourra résilier le contrat unilatéralement durant la grossesse de la travailleuse, mais il ne limite pas leur faculté de rompre en tout temps le contrat d'un commun accord, pour autant qu'elles ne cherchent pas par ce biais à détourner une disposition impérative de la loi ( ATF 115 V 443 consid. 4b, ATF 110 II 170 consid. 3a; à propos de l'ancien art. 336b CO protégeant le travailleur contre une résiliation ne respectant pas le délai minimal de congé d'un mois, voir arrêt du 18 mai 1982 en la cause Trans-Route S.à r.l. contre Grasset, publié in SJ 1983, p. 95 et ATF 102 Ia 417 /418; HOFMANN, Verzicht und Vergleich im Arbeitsrecht, thèse Zurich 1985, p. 195). En l'espèce, l' art. 336c CO n'empêchait donc pas les parties de résilier conventionnellement le contrat de travail pour un terme tombant pendant la grossesse de l'employée. Dans ces conditions, on ne voit pas pourquoi la défenderesse aurait dû avertir son employée de l'interdiction faite à l'employeur de donner unilatéralement son congé à une travailleuse enceinte, d'autant plus que l'initiative du congé émanait de la demanderesse. Au demeurant, il n'existe pas d'obligation générale de l'employeur de rendre le travailleur attentif à ses droits, notamment en matière de protection contre le licenciement ( ATF 115 V 447 consid. 6d). Contrairement à ce que les juges précédents ont admis, il ne saurait ainsi être reproché à la défenderesse d'avoir omis d'informer sa collaboratrice à ce sujet. b) La question se pose en outre de savoir si l'accord du 6 février 1990 ne se heurte pas à la disposition impérative de l' art. 341 al. 1 CO , qui empêche le travailleur de renoncer, pendant la durée du contrat et durant le mois qui suit la fin de celui-ci, aux créances résultant de dispositions impératives de la loi ou d'une convention collective. Au préalable, BGE 118 II 58 S. 61 il y a lieu de préciser que seules les dispositions légales peuvent entrer en considération en l'espèce, les rapports contractuels des parties n'étant pas soumis à la convention collective de travail des bureaux d'architectes et d'ingénieurs vaudois. En effet, selon les constatations de fait du Tribunal des prud'hommes implicitement reprises par la cour cantonale, la demanderesse n'est pas syndiquée et n'a pas effectué de déclaration d'adhésion individuelle à la convention collective; enfin, la volonté de la défenderesse de soumettre tous ses employés à la convention collective n'a pas été démontrée. Selon la jurisprudence, l' art. 341 al. 1 CO prohibe la renonciation unilatérale du travailleur, mais ne fait pas obstacle à la validité d'un arrangement comportant des concessions réciproques, pour autant qu'il s'agisse nettement d'un cas de transaction ( ATF 110 II 171 consid. 3b, ATF 106 II 223 ). En l'occurrence, si l'acte juridique par lequel les parties ont décidé de mettre un terme aux rapports de travail à telle date précise est bilatéral, il ne s'agit cependant pas d'une transaction, faute de concessions réciproques. L'application de l' art. 341 al. 1 CO n'est donc pas d'emblée exclue en l'espèce. Il reste à déterminer si la demanderesse a, par l'acte du 6 février 1990, renoncé à une créance résultant d'une disposition impérative de la loi, comme la cour cantonale l'a admis. Si une travailleuse est empêchée de travailler en raison de sa grossesse, l'employeur doit lui verser le salaire pour une durée limitée, qui pourra être fixée par accord, contrat-type de travail ou convention collective, mais correspondra au moins aux délais calculés selon l' art. 324a al. 2 CO ; l'employeur a les mêmes obligations en cas d'accouchement ( art. 324a al. 1 et 3 CO , impératif en vertu de l' art. 362 CO ). Selon le système légal, la grossesse ne donne ainsi pas droit, en tant que telle, à percevoir un salaire sans fournir de prestation de travail; ce n'est que si la travailleuse enceinte est empêchée de travailler à cause de son état qu'elle pourra prétendre aux prestations de l' art. 324a CO . En l'espèce, le contrat de travail a été résilié pour le 31 juillet 1990, soit environ un mois et demi avant la période prévue pour l'accouchement. A cette date, la demanderesse était en mesure de travailler, le certificat médical qu'elle a produit attestant son incapacité de travail à partir du 6 août 1990 seulement. En convenant avec son employeur de quitter son emploi à fin juillet 1990, la demanderesse n'a renoncé à aucune prestation découlant d'une disposition impérative de la loi. Force est dès lors de reconnaître que la convention résiliant le contrat pour fin juillet 1990 ne viole pas l' art. 341 al. 1 BGE 118 II 58 S. 62 CO . On peut observer au passage que le jugement bâlois auquel l'arrêt attaqué se réfère arrive précisément à la même conclusion dans un cas similaire (JAR 1984, p. 183). c) Il résulte également de ce qui précède que, contrairement à l'hypothèse envisagée dans l'arrêt du 17 mars 1983 en la cause R. contre dame P. (cité dans AUBERT, Quatre cents arrêts sur le contrat de travail, No 180), l'accord sur la résiliation n'était en l'occurrence pas incomplet puisque les parties n'avaient pas à régler les conséquences financières liées à la maternité. 3. Il y a lieu enfin de se demander si l'accord du 6 février 1990 n'est pas entaché d'une erreur essentielle, qui justifierait l'invalidation contenue dans la lettre de la demanderesse du 27 juillet 1990 ( art. 23 et 31 al. 1 CO ). En effet, les dispositions sur les vices du consentement sont applicables à la convention par laquelle les parties mettent un terme au contrat de travail (BRUNNER/BÜHLER/WAEBER, Commentaire du contrat de travail, n. 14 ad art. 335 CO ). a) Savoir si et dans quelle mesure une partie se trouvait dans l'erreur lors de la conclusion d'un accord est une question de fait à trancher par l'autorité cantonale ( ATF 113 II 27 , ATF 108 II 412 consid. 1b, ATF 105 II 22 ). En l'espèce, l'arrêt attaqué ne contient aucune constatation à ce sujet. Dans un souci d'économie de procédure, le Tribunal fédéral peut toutefois se prononcer d'ores et déjà sur le caractère essentiel ou non de l'erreur invoquée, dont l'examen relève du droit. b) La demanderesse prétend avoir ignoré, lors de l'entretien du 6 février 1990, son droit à un congé maternité payé; elle sous-entend que, dûment informée, elle n'aurait pas convenu avec la défenderesse de quitter son emploi environ un mois et demi avant la date prévue pour l'accouchement, mais aurait reporté la fin des rapports de travail huit semaines après la naissance de son enfant. L'éventuelle erreur de la demanderesse est intervenue au stade de la formation de la volonté; il s'agit, le cas échéant, d'une erreur sur les motifs (GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 5e éd., n. 769 ss; GUGGENHEIM, Le droit suisse des contrats - La conclusion des contrats, p. 141). Une telle erreur n'est essentielle que si elle porte sur des faits que la loyauté commerciale permettait à la victime de considérer comme des éléments nécessaires du contrat ("Grundlagenirrtum"; art. 24 al. 1 ch. 4 CO ); en d'autres termes, l'erreur doit porter sur un fait subjectivement essentiel, qu'il est en plus objectivement justifié de considérer, selon le principe de la bonne foi en affaires, comme un élément essentiel du contrat ( ATF 114 II 139 consid. 2). BGE 118 II 58 S. 63 L'erreur peut consister, comme dans le cas particulier, en la méconnaissance d'une situation juridique ( ATF 113 II 27 consid. 1); l'erreur de droit ne sera toutefois pas essentielle si elle n'affecte que les effets juridiques du contrat conclu (Heiz, Grundlagenirrtum, thèse Zurich 1985, p. 63; KOLLY, Der Grundlagenirrtum nach Art. 24 OR : Rechtsprechung des Bundesgerichts, thèse Fribourg 1978, p. 59/60). Le Tribunal fédéral a ainsi nié le caractère essentiel de l'erreur commise par des coopérateurs qui s'étaient engagés comme débiteurs solidaires d'un crédit accordé à la société en croyant faussement être ainsi libérés de l'obligation d'effectuer des versements supplémentaires envers la coopérative ( ATF 79 II 272 ss). En revanche, la jurisprudence a admis l'erreur de droit essentielle dans le cas d'un superficiaire qui s'était trompé sur le nombre de maisons pouvant être édifiées sur une parcelle; l'erreur portait en effet sur la valeur économique de l'objet du contrat ( ATF 96 II 101 ss). En l'espèce, l'erreur invoquée touche aux incidences pécuniaires d'une résiliation intervenant à telle date plutôt qu'à telle autre. Conformément aux principes rappelés ci-dessus, il s'agit d'une erreur sur les effets accessoires de l'acte, soit d'une simple erreur sur les motifs qui ne permet pas à la demanderesse de se soustraire à la convention passée en février 1990 ( art. 24 al. 2 CO ).
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Sachverhalt ab Seite 322 BGE 132 III 321 S. 322 Am 20. September 1990 prallte A. mit seinem Personenwagen auf der B.-strasse in C. in das Heck des von X. (geb. 30. Juli 1952, Klägerin) gelenkten Fahrzeuges, das diese wegen einer Fahrzeugkolonne hatte abbremsen müssen. Die von der Klägerin wegen auftretenden Nackenbeschwerden gleichentags aufgesuchten Ärzte der chirurgischen Abteilung des Kantonsspitals Zug diagnostizierten eine "Commotio cerebri" und ein "HWS-Schleudertrauma". Die Klägerin klagte am 25. Februar 2002 beim Kantonsgericht Zug gegen die Y. Versicherungs-Gesellschaft (Beklagte), die Haftpflichtversicherung von A. Am 28. Juni 2005 verurteilte das Obergericht des Kantons Zug die Beklagte in zweiter Instanz, der Klägerin Fr. 665'814.- zuzüglich Zinsen zu bezahlen. Weiter verpflichtete es die Beklagte, der Klägerin ab 1. Juli 2005 bis 31. Juli 2016 eine monatliche, indexierte Rente von Fr. 1'665.- zu bezahlen. Die Klägerin beantragt mit eidgenössischer Berufung, die Beklagte zu verpflichten, ihr den Betrag von Fr. 774'144.- zuzüglich Zinsen zu bezahlen. Zudem sei die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1. Juli 2005 bis 31. Juli 2016 eine monatliche, indexierte Rente von Fr. 2'059.- zu bezahlen. Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung. Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Die Vorinstanz ging davon aus, dass der Unfall eine vollständige Erwerbsunfähigkeit und eine 50%-ige Einschränkung der Klägerin bei der Haushaltstätigkeit zur Folge gehabt hat. Dies und die grundsätzliche Haftbarkeit der Beklagten für den von der Klägerin BGE 132 III 321 S. 323 daraus erlittenen Schaden ist im vorliegenden Verfahren nicht mehr umstritten. 2. Uneinig sind sich die Parteien zunächst darüber, ob sich die Klägerin die von ihrer Pensionskasse, der D., ausgerichteten BVG-Invalidenrenten im Rahmen der Schadensberechnung an ihren bisherigen und an ihren zukünftigen Erwerbsausfallschaden anrechnen lassen muss. 2.1 Die Vorinstanz erwog dazu, eine Versicherungsleistung sei dann nicht an andere Leistungen anzurechnen, wenn es sich um eine Summenversicherung mit Anspruchskumulation handle; anrechenbar sei sie hingegen, wenn eine Schadenversicherung mit Anspruchskonkurrenz vorliege, die Versicherungsleistungen mithin koordiniert würden, um eine Überentschädigung zu vermeiden. Sie kam aufgrund einer Vertragsauslegung zum Schluss, dass die fragliche BVG-Versicherung als schadensausgleichende qualifiziert werden müsse. Demzufolge seien die bis zum Urteilstag der Berufungsinstanz erbrachten Leistungen von insgesamt Fr. 65'347.- an den bisherigen Erwerbsschaden der Klägerin anzurechnen. Ferner habe sich die Klägerin die jährliche BVG-Rente von Fr. 4'728.- vom hypothetischen künftigen Durchschnittseinkommen, das für die Bestimmung der Rente für den künftigen Erwerbsschaden massgeblich sei, abziehen zu lassen. 2.2 Die Klägerin macht gegen die Anrechnung der BVG-Leistungen zunächst geltend, es handle sich bei diesen nicht um kongruente Leistungen zu den von ihr geforderten Schadenersatzleistungen; deren Berechnung erfolge mathematisch, abstrakt und knüpfe in keiner Art und Weise an den tatsächlich eingetretenen Erwerbsschaden an. 2.2.1 Die Körperverletzung gibt der Klägerin Anspruch auf Ersatz der Kosten sowie auf Entschädigung für die Nachteile gänzlicher oder teilweiser Arbeitsunfähigkeit, unter Berücksichtigung der Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens ( Art. 46 Abs. 1 OR i.V.m. Art. 62 Abs. 1 SVG ). Zu ersetzen ist der erlittene Schaden. Das im Haftpflichtrecht als allgemeines Prinzip anerkannte Bereicherungsverbot schliesst es aus, dem Geschädigten eine Entschädigung zuzugestehen, die den durch das schädigende Ereignis erlittenen Schaden übersteigt ( BGE 131 III 12 E. 7.1, BGE 129 III 360 E. 6.1; BGE 129 III 135 E. 2.2 S. 143 oben). Dieser Schaden entspricht der ungewollten Verminderung des Reinvermögens. Er kann in einer Verminderung BGE 132 III 321 S. 324 der Aktiven, einer Vermehrung der Passiven oder in entgangenem Gewinn bestehen und entspricht der Differenz zwischen dem gegenwärtigen Vermögensstand und dem Stand, den das Vermögen ohne das schädigende Ereignis hätte bzw. den Einkünften, die nach dem schädigenden Ereignis tatsächlich erzielt worden sind und denjenigen, die ohne dieses Ereignis zugeflossen wären ( BGE 131 III 360 E. 5.1 und 6.1; BGE 129 III 18 E. 2.4, BGE 129 III 331 E. 2.1; BGE 127 III 403 E. 4a). Eine Überentschädigung über diese Vermögensverminderung hinaus soll vermieden werden. Eine solche liegt vor, wenn derselben Person verschiedene schadenausgleichende Leistungen während derselben Zeitspanne für das gleiche Schadenereignis ausgerichtet werden und die Summe der Leistungen den Schaden übertrifft. Anzurechnen sind daher Leistungen Dritter, die ereignisbezogen, sachlich, zeitlich und personell kongruent sind und für welche daher auch Subrogations- oder Regressansprüche in Frage kommen (vgl. BGE 131 III 12 E. 7.1; BGE 126 III 41 E. 2 mit Hinweisen). Das Überentschädigungsverbot gilt namentlich auch im Verhältnis zwischen Sozialversicherung und Haftpflicht (ALEXANDRA RUMO-JUNGO, Zusammenspiel zwischen Haftpflicht und beruflicher Vorsorge, ZBJV 138/2002 S. 434; PETER BECK, Regress der Vorsorgeeinrichtung auf haftpflichtige Dritte, SVZ 60/1992 S. 176 ff.). 2.2.2 Die Klägerin geht fehl, soweit sie daraus, dass die BVG-Invalidenrenten nicht nach dem tatsächlich eingetretenen Erwerbsschaden bemessen würden, ableiten will, es handle sich bei den entsprechenden Rentenzahlungen nicht um kongruente Leistungen. Entscheidend ist nicht dieses Kriterium, sondern ob die Leistungen zur Deckung des Schadens bestimmt sind, den der Geschädigte durch das schadenbegründende Ereignis (Unfall) bzw. die dadurch eingetretene Invalidität und den dadurch verursachten Erwerbsausfall während einer bestimmten Zeitperiode erlitten hat (vgl. BGE 131 III 12 E. 7.2-7.4). Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts bei Invalidenrenten einer BVG-Vorsorgeeinrichtung, wie sie hier erbracht wurden bzw. werden, ohne weiteres zu bejahen ( BGE 115 II 24 E. 2b mit Hinweisen; vgl. dazu BECK, a.a.O., SVZ 60/1992 S. 178 ff.). 2.3 Die Klägerin hält im Weiteren dafür, die BVG-Leistungen seien vorliegend nicht anrechenbar, weil für diese keine Regressansprüche der Pensionskasse gegen den Haftpflichtigen in Frage kämen. BGE 132 III 321 S. 325 2.3.1 Was die Möglichkeit eines Regresses der Pensionskasse der Geschädigten angeht, hat der Gesetzgeber im Rahmen der 1. BVG-Revision (in Kraft seit 1. Januar 2005) Art. 34b ins BVG (SR 831.40) eingefügt. Dieser sieht vor, dass die Vorsorgeeinrichtung gegenüber einem Dritten, der für den Versicherungsfall haftet, im Zeitpunkt des Ereignisses bis auf die Höhe der gesetzlichen Leistungen in die Ansprüche der versicherten Person, ihrer Hinterlassenen und weiterer Begünstigter nach Art. 20a BVG eintritt. Früher war eine Subrogation der BVG-Vorsorgeeinrichtungen in die Ansprüche des Geschädigten gegen den Haftpflichtigen im Gesetz nicht explizit vorgesehen (vgl. HANS-ULRICH STAUFFER, Berufliche Vorsorge, Zürich 2005, Rz. 889; JEAN-MICHEL DUC/LORENZ FIVIAN, Der Rückgriff auf den haftpflichtigen Dritten im Bereich der beruflichen Vorsorge, AJP 2005 S. 1074). Wie die Klägerin zutreffend vorbringt, ist die neue Vorschrift von Art. 34b BVG indessen nach allgemeinen übergangsrechtlichen Prinzipien auf Fälle, die auf ein schädigendes Ereignis vor dem 1. Januar 2005 zurückgehen, nicht anwendbar (PETER BECK, Die Regressbestimmungen der 1. BVG-Revision, Haftung und Versicherung [HAVE] 4/2004 S. 335; derselbe , die Regressbestimmungen des ATSG, in: Schaffhauser/Kieser [Hrsg.], Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts, Schriftenreihe des Instituts für Rechtswissenschaft und Rechtspraxis HSG, St. Gallen 2003, S. 149 f.; vgl. auch BGE 131 III 360 E. 7.1; BGE 129 V 396 E. 1.1). Vorliegend ist somit zu prüfen, wie es sich mit der Möglichkeit des Regresses der Pensionskasse nach altem Recht verhält. 2.3.2 Beim Erlass der ursprünglichen Fassung des BVG hatte der Gesetzgeber im Hinblick auf die Koordination von Haftpflichtansprüchen mit Leistungen von Personalvorsorgeeinrichtungen lediglich bestimmt, dass der Bundesrat Vorschriften zur Verhinderung ungerechtfertigter Vorteile des Versicherten oder seiner Hinterlassenen beim Zusammentreffen mehrerer Leistungen erlässt (Art. 34 Abs. 2 Satz 1 aBVG; im Zusammenhang mit der Einführung des ATSG [SR 830.1] per 1. Januar 2003 unverändert in Art. 34a Abs. 1 BVG übernommen). Gestützt darauf hat der Bundesrat Art. 26 der Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2; SR 831.441.1) erlassen, der inzwischen mit Verordnung vom 18. August 2004, in Kraft seit 1. Januar 2005 aufgehoben wurde. Danach konnte die Vorsorgeeinrichtung in ihrem Reglement bestimmen, dass der Anwärter auf eine BGE 132 III 321 S. 326 Hinterlassenen- oder Invalidenleistung ihr seine Forderungen gegen haftpflichtige Dritte bis zur Höhe ihrer Leistungspflicht abtreten muss. 2.3.2.1 Die Klägerin macht unter Berufung auf die Lehrmeinung von STEFAN HOFER geltend, die Leistungen der Vorsorgeeinrichtung seien ihr nicht anzurechnen, da deren Reglement keine entsprechende Abtretungsverpflichtung enthalte (STEFAN HOFER, Pensionskassenregress, in: Personen-Schaden-Forum 2002, Verein Haftung und Versicherung [HAVE, Hrsg.], Zürich 2002, S. 93 ff.; derselbe , Haftpflichtanspruch und Pensionskassenregress, SZS 2001 S. 125 ff.; in gleichem Sinn auch PETER STEIN, Vorteilsanrechnung, insbesondere bei Versicherungsleistungen, SVZ 54/1986 S. 275). Ohne Forderungsabtretung könne die Vorsorgeeinrichtung nicht regressieren. Art. 34 Abs. 2 aBVG enthalte entgegen anderer Lehrmeinung kein allgemeines Überentschädigungsverbot. Der Gesetzgeber habe ungerechtfertigte Vorteile zwar schon damals vermeiden wollen, die konkrete Ausgestaltung der entsprechenden Koordinationsvorschriften in Art. 34 Abs. 2 aBVG aber dem Bundesrat überlassen. Wenn der Bundesrat nun die Kann-Vorschrift des Art. 26 aBVV 2 gewählt habe, so habe er dem früher allseits anerkannten paternalen Gedanken im Bereiche der beruflichen Vorsorge wenigstens noch in einem kleinen Teilbereich Rechnung getragen und es der Pensionskasse überlassen, ob sie dem invalid gewordenen Arbeitnehmer die ihm zugeflossene Invalidenrente aus der obligatorischen BVG-Versicherung zum freien Gebrauch überlassen oder durch einen Regress auf den haftpflichtigen Dritten bzw. seine Versicherung praktisch wieder wegnehmen wolle. 2.3.2.2 Damit wendet sich die Klägerin gegen die in BGE 115 II 24 begründete Rechtsprechung. Danach sind die Pensionskassen des privaten und des kantonalen öffentlichen Rechts der Rückgriffsordnung von Art. 51 Abs. 2 OR unterstellt, in deren Rahmen sie auch dann auf den haftpflichtigen Dritten Regress nehmen können, wenn der Geschädigte ihnen seine Ansprüche gegen jenen nicht abgetreten hat. Die Pensionskassen sind dabei als aus Vertrag haftende Personen im Sinne von Art. 51 Abs. 2 OR zu betrachten, was zur Folge hat, dass sie in der Regel über keinen "integralen Regress" verfügen; sie können nur gegenüber aus Verschulden Haftenden voll Regress nehmen, während ein Rückgriff gegen Kausalhaftpflichtige, die bloss aufgrund einer Gesetzesvorschrift, ohne Verschulden haften, ausgeschlossen ist ( BGE 115 II 24 E. 2b/c und 3; vgl. auch BGE 116 II 649 ). BGE 132 III 321 S. 327 Überdies kann in Anwendung der Ordnung von Art. 50 f. OR ein Rückgriff lediglich für bereits erbrachte Leistungen erfolgen, während zukünftige Leistungen nur gestützt auf eine Abtretung regressberechtigt sind (vgl. zum Ganzen: DUC/FIVIAN, a.a.O., S. 1075 f.; STEFAN FUHRER, Der Regress der Sozialversicherer auf den haftpflichtigen Dritten, SVZ 60/1992 S. 89, 91; GUY CHAPPUIS/PETER BECK, Regress der Vorsorgeeinrichtung auf haftpflichtige Dritte, HAVE 1/2004 S. 75 f.; PETER BECK, Ungenügende Koordination der Pensionskassenleistungen, in: Personen-Schaden-Forum 2002, Verein Haftung und Versicherung [HAVE, Hrsg.], Zürich 2002, S. 89 f.; vgl. auch OFTINGER/STARK, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Allgemeiner Teil, Bd. I, Zürich 1995, § 10 Rz. 75; SCHNYDER, Basler Kommentar, N. 15 zu Art. 50 OR ; a.M. HOFER, a.a.O., Personen-Schaden-Forum 2002 S. 94 f.). Das Bundesgericht hielt in seinem auf die damalige herrschende Lehre gestützten Urteil (vgl. die Hinweise in E. 2b des zitierten Urteils sowie bei RUMO-JUNGO, a.a.O., ZBJV 138/2002 S. 437 Fn. 21) weiter fest, dass von der in Art. 51 Abs. 2 OR vorgesehenen Regressordnung nicht abgewichen werden könne, weshalb (gar) jede Abtretung der Ansprüche des Geschädigten an einen Haftpflichtigen unwirksam sei. An diesen Grundsätzen vermöge die Vorschrift von Art. 26 aBVV 2 nichts zu ändern, zumal diese einzig auf Art. 34 Abs. 2 aBVG beruhe, der den Bundesrat ermächtige, Vorschriften zu erlassen, die verhindern sollen, dass beim Zusammentreffen mehrerer Leistungen dem Versicherten oder seinen Hinterbliebenen ungerechtfertigte Vorteile erwüchsen. Die Anwendung von Art. 51 Abs. 2 OR und die Unwirksamkeit von Abtretungen in bestimmten Konstellationen vermöchten dem Versicherten aber schon an sich keine ungerechtfertigten Vorteile zuzuweisen ( BGE 115 II 24 E. 2b). 2.3.2.3 Diese Rechtsprechung ist in der Lehre auf Kritik gestossen, die sich im Wesentlichen wie folgt zusammenfassen lässt: Zum einen wird die strenge Handhabung der Stufenordnung von Art. 51 Abs. 2 OR in diesem Zusammenhang kritisiert und unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der Norm und deren Wortlaut ("in der Regel") postuliert, dass Art. 51 Abs. 2 OR als Anleitung zu einer quotenmässigen Verteilung des Schadens auf die verschiedenen Schadensverursacher zu verstehen sei, was einen Rückgriff auf Kausalhaftpflichtige nach Massgabe der von diesen zu vertretenden Umständen nicht ausschliessen würde (RUMO-JUNGO, BGE 132 III 321 S. 328 a.a.O., ZBJV 138/2002 S. 438 ff. mit zahlreichen Hinweisen; diesel be, Haftpflicht und Sozialversicherung, Freiburg 1998, Rz. 1071 ff.). Da sich nach den vorinstanzlichen Feststellungen vorliegend die Frage nach dem Regressrecht der Vorsorgeeinrichtung gegenüber einem aus Verschulden haftpflichtigen Schädiger bzw. ihrem Versicherer und nicht gegenüber einem bloss aus Gesetzesvorschrift Haftenden stellt, ist diese Kritik hier nicht von entscheiderheblicher Bedeutung und ist nicht weiter darauf einzugehen (vgl. dazu immerhin BGE 116 II 645 E. 3b S. 649 und den Kommentar von STARK, Zwei neue Entscheidungen des Bundesgerichts zur Regressordnung von Art. 51 Abs. 2 OR , ZBJV 128/1992 S. 221 ff.). Zum anderen betrifft die Kritik die Anwendung der Regressordnung in Art. 51 Abs. 2 OR auf die Versicherungen überhaupt bzw. namentlich die Einordnung der Schadensversicherer (inklusive Vorsorgeeinrichtungen) in die Stufe der aus Vertrag Haftenden im Sinne dieser Bestimmung (RUMO-JUNGO, a.a.O., ZBJV 138/2002 S. 442 ff. mit zahlreichen Hinweisen; dieselbe , Haftpflicht und Sozialversicherung, a.a.O., Rz. 1078 ff.). Insbesondere wird insoweit argumentiert, dass die Versicherung in einem (privatrechtlichen) Versicherungsvertrag die Deckung des Schadens für den Fall der Verwirklichung des versicherten Risikos verspreche, die Schadensdeckung mithin gerade in Erfüllung des Vertrages erfolge. Sie stelle die (primäre vertragliche) Leistung und nicht (sekundären) Schadenersatz aus der Nicht- oder Schlechterfüllung des Vertrages dar. Würden die Versicherungen mit den aus Vertrag Haftenden gleichgesetzt, trügen letztlich immer die aus Verschulden Haftenden den Schaden und profitierten die kausal Haftenden vom Vorliegen einer Versicherung, für die der Geschädigte Prämien entrichtet habe, was stossend sei und der heutigen Bedeutung der Kausalhaftungen nicht entspreche. Bei Pensionskassen, deren Leistungen nicht auf privatrechtlichem Vertrag, sondern auf Gesetzespflicht beruhe, gehe es erst recht nicht an, eine Haftung aus Vertrag zu konstruieren. Insoweit hätte sich - wenn schon - eher eine Gleichstellung mit den Kausalhaftpflichtigen aufgedrängt (gleicher Meinung auch: ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Der steinige Weg des Pensionskassenregresses, in: Schaffhauser/Stauffer [Hrsg.], Berufliche Vorsorge 2002, Schriftenreihe des Instituts für Rechtswissenschaft und Rechtspraxis HSG, St. Gallen 2002, S. 207 f.; HOFER, a.a.O., Personen-Schaden-Forum 2002 S. 94; derselbe , a.a.O., SZS 2001 S. 127 f.; vgl. auch BECK, a.a.O., SVZ 60/1992 S. 184 f.; ROLAND SCHAER, "Hard cases make bad law" oder BGE 132 III 321 S. 329 OR 51/2 und die regressierende Personalvorsorgeeinrichtung, recht 9/1991 S. 18; OFTINGER/STARK, a.a.O., § 11 Rz. 65 ff.). 2.3.2.4 Der von der Klägerin angerufene Autor, HOFER (a.a.O., Personen-Schaden-Forum 2002 S. 95 ff.; a.a.O., SZS 2001 S. 128 ff.) verneint unter Anschluss an diese Kritik die Massgeblichkeit der Rückgriffsordnung von Art. 51 Abs. 2 OR für den Pensionskassenregress. Er will einen Rückgriff der Pensionskasse auf den haftpflichtigen Dritten bzw. auf dessen Versicherer nur zulassen, soweit der Geschädigte der Pensionskasse seine Rechte gegenüber dem haftpflichtigen Dritten abgetreten hat bzw. dazu aufgrund einer Bestimmung im Pensionskassenreglement im Sinne von Art. 26 aBVV 2 verpflichtet ist. Diese Norm enthalte eine abschliessende sozialversicherungsrechtliche Regelung des Regresses der Pensionskassen gegen haftpflichtige Dritte. Wenn die Personalvorsorgeeinrichtung auf die Abtretung der Haftpflichtansprüche verzichte, solle dieser Verzicht dem geschädigten Versicherten, dem Unfallopfer, zugute kommen. Art. 34 Abs. 2 aBVG, wie das Sozialversicherungsrecht überhaupt, enthalte kein allgemeines Überentschädigungsverbot. Diese Bestimmung sage lediglich, dass der Bundesrat Vorschriften erlasse zur Verhinderung ungerechtfertigter Vorteile des Versicherten oder seiner Hinterbliebenen beim Zusammentreffen mehrerer Leistungen. Diesen Auftrag habe der Bundesrat durch den Erlass der Bestimmungen von Art. 24 ff. aBVV 2 erfüllt. Dem kann nicht gefolgt werden. Ziel des BVG wie auch des Haftpflichtrechts ist es, dem Geschädigten bzw. dem Versicherten die Fortsetzung seiner bisherigen Lebenshaltung zu ermöglichen ( Art. 1 Abs. 2 BVG ; BGE 116 V 189 E. 3b; BGE 112 II 87 E. 2b S. 92). Eine Bereicherung soll für ihn dagegen aus dem Schadenereignis nicht resultieren (vgl. dazu BGE 116 V 189 E. 3b und d). Entsprechend ist denn auch Art. 34 Abs. 2 aBVG zu verstehen, was sich überdies eindeutig aus dessen Entstehungsgeschichte ergibt. So war im Vorentwurf zum BVG vom 21. Juni 1974 die Subrogation der Vorsorgeeinrichtungen in sämtliche Haftpflichtansprüche der versicherten Person vorgesehen. Diese Regelung fand zwar keinen Eingang in den Entwurf zum BVG (BBl 1 BGE 976 I 288 ff.; vgl. dazu Vetter-SchreiBER, a.a.O., S. 205). Der Bundesrat führte dazu in der Botschaft zum BVG vom 19. Dezember 1975 (BBl 1 BGE 976 I 149 ff.) aber aus, es wäre befremdend, wenn ein Invalidenrentner in die Lage versetzt würde, seine Lebenshaltung auf einem höheren Niveau fortzuführen, als wenn er noch seine frühere Arbeit fortgesetzt hätte. Auch sei es BGE 132 III 321 S. 330 nicht erwünscht, dass das Ableben eines Versicherten sich zu einem wirtschaftlichen Vorteil für seine Familie auswirke. Der zweite Absatz von Art. 35 E-BVG, der in Art. 34 Abs. 2 Satz 1 aBVG Eingang fand, verpflichte daher den Bundesrat, Vorschriften über die Leistungskumulation und die Überversicherung zu erlassen. Diese Bestimmung trete zur Entlastung des Gesetzes an Stelle verschiedener Vorschriften des Vorentwurfs und stelle den Grundsatz auf, dass ein Zusammentreffen von Leistungen dem Versicherten oder seinen Hinterlassenen keinen ungerechtfertigten Vorteil verschaffen dürfe. Die zu erlassende Verordnung werde insbesondere auch Vorschriften über die Kumulation von Versicherungsleistungen mit Leistungen eines für den Tod oder die Invalidität des Versicherten haftpflichtigen Dritten enthalten. Dieses Problem sei eng mit dem der Subrogation verflochten. Die Vorsorgeeinrichtung solle in diesem Falle von Gesetzes wegen in die Rechte des Anspruchsberechtigten gegenüber dem haftpflichtigen Dritten eintreten, und zwar in dem Umfange, in dem sie ihre eigenen Leistungen aufgrund von Art. 35 Abs. 2 E-BVG hätte kürzen können (BBl 1976 I S. 246 f.). Aufgrund dieser Ausführungen übernahm das Parlament Art. 35 Abs. 2 E-BVG ohne Diskussion in den ersten Satz von Art. 34 Abs. 2 aBVG. Nach dieser Entstehungsgeschichte der Bestimmung kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber eine Bereicherung des Geschädigten durch Kumulation von Invalidenleistungen der Vorsorgeeinrichtung mit Haftpflichtansprüchen gegenüber Dritten zulassen wollte. Weshalb die im Vorentwurf enthaltene und in der Botschaft befürwortete Subrogation in der Folge nicht in die Verordnung aufgenommen wurde, sondern in Art. 26 aBVV 2 bloss die Möglichkeit vorgesehen wurde, dass die Vorsorgeeinrichtung in ihrem Reglement bestimmen kann, der Anwärter auf eine Hinterlassenen- oder Invalidenleistung müsse ihr seine Forderung gegen haftpflichtige Dritte bis zur Höhe ihrer Leistungspflicht abtreten, ist nicht klar (STAUFFER, a.a.O., Rz. 888). Angesichts des eindeutigen gesetzgeberischen Willens, eine Kumulation von Invalidenleistungen der Vorsorgeeinrichtung mit Haftpflichtansprüchen gegenüber Dritten nicht zuzulassen, kann jedenfalls in Art. 26 aBVV 2 keine abschliessende Regelung des Regresses der Pensionskassen gegen haftpflichtige Dritte gesehen werden (vgl. dazu auch VETTER-SCHREIBER, a.a.O., S. 205 f., welche die Gesetzmässigkeit von Art. 26 aBVV 2 anzweifelt; STAUFFER, a.a.O., Rz. 888). Mit der überwiegenden Lehre und Rechtsprechung ist demnach davon auszugehen, dass den Pensionskassen auch nach der vor dem BGE 132 III 321 S. 331 1. Januar 2005 geltenden Regelung ein Rückgriffsanspruch auf den haftpflichtigen Dritten zusteht, unabhängig davon ob eine Abtretung der Ansprüche des Geschädigten erfolgt ist. Dabei kann im vorliegenden Fall offen bleiben, ob der Regress in Weiterführung der Rechtsprechung gemäss BGE 115 II 24 der Rückgriffsordnung von Art. 51 Abs. 2 OR zu unterstellen ist, ob Art. 51 Abs. 2 OR angesichts der vorstehend (E. 2.3.2.3) dargestellten Kritik in der Lehre bloss analog anzuwenden ist (so gehandhabt in BGE 126 III 523 für den Regress des Arbeitgebers gegen den Schädiger des Arbeitnehmers, nachdem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Lohn weiterbezahlt hatte) oder ob eine richterliche Regel als Grundlage des Regresses Platz greifen soll (vgl. dazu RUMO-JUNGO, a.a.O., ZBJV 138/2002 S. 444; VETTER-SCHREIBER, a.a.O., S. 208; OFTINGER/STARK, a.a.O., § 11 Rz. 74 ff.; vgl. auch SCHAER, a.a.O., S. 18; BECK, a.a.O., Personen-Schaden-Forum 2002 S. 90; derselbe , a.a.O., SVZ 60/1992 S. 184 f.). Denn die Probleme, die sich aus der direkten Anwendung der Regressordnung von Art. 51 OR ergeben (vgl. vorstehende E. 2.3.2.2/3), stellen sich vorliegend nicht. So wirkt sich hier die in der Lehre hauptsächlich beanstandete Folge der direkten Unterstellung des Pensionskassenregresses unter Art. 51 Abs. 2 OR gemäss aktueller Praxis, dass die Pensionskasse grundsätzlich nur gegenüber aus Verschulden Haftpflichtigen unbeschränkt Rückgriff nehmen kann, ihr mithin kein integraler Regress zugestanden wird, nicht aus: Die Beklagte hat für einen haftpflichtigen Dritten einzustehen, der nicht bloss nach Gesetzesvorschrift (kausal), sondern aus Verschulden haftet. Die Voraussetzung für eine Anrechnung der BVG-Invalidenrente auf den erlittenen Erwerbsausfallschaden, dass Regressansprüche der Pensionskasse in Frage kommen (vgl. E. 2.2.1 vorne), ist damit erfüllt. Regressansprüche kommen in diesem Sinne insbesondere auch für die erst künftig zu erbringenden Invalidenleistungen der Vorsorgeeinrichtung zur Deckung des künftigen Erwerbsschadens in Frage. Daran ändert nichts, dass der Regressanspruch der Pensionskasse erst sukzessive entsteht, wenn sie ihre Leistungen erbracht hat (vgl. dazu oben E. 2.3.2.2). Die Vorinstanz ist somit auch insoweit richtig vorgegangen, als sie die der Klägerin von der Pensionskasse bis zum 30. Juli 2016 zuerkannten monatlichen Invalidenrenten bei der Berechnung der von der Beklagten vom 1. Juli 2005 bis zum 30. Juli 2016 zu entrichtenden monatlichen Rente in Abzug gebracht hat. Die Berufung erweist sich insoweit als unbegründet. BGE 132 III 321 S. 332 3. Weiter ist die Klägerin der Ansicht, die Vorinstanz habe bei der Berechnung des künftigen Haushaltschadens zu Unrecht keine Reallohnerhöhung berücksichtigt. 3.1 Der Schaden aus eingeschränkter oder entfallener Arbeitsfähigkeit zur Führung des Haushalts ( Art. 46 Abs. 1 OR ) wird nach der Rechtsprechung nicht bloss ersetzt, wenn konkret Kosten für Haushalthilfen erwachsen, die wegen des Ausfalls der Haushalt führenden Person beigezogen werden; auszugleichen ist vielmehr der wirtschaftliche Wertverlust, der durch die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit im Haushalt entstanden ist, und zwar unabhängig davon, ob dieser Wertverlust zur Anstellung einer Ersatzkraft, zu vermehrtem Aufwand der Teilinvaliden, zu zusätzlicher Beanspruchung der Angehörigen oder zur Hinnahme von Qualitätsverlusten führt. Der "normativ", gleichsam von Gesetzes wegen ohne Nachweis der daraus konkret entstandenen Vermögenseinbusse zu ersetzende Schaden ist am Aufwand zu messen, den eine entgeltlich eingesetzte Ersatzkraft verursachen würde ( BGE 131 III 360 E. 8.1 S. 369; BGE 127 III 403 E. 4b, je mit Hinweisen). Den für die Erledigung des Haushalts erforderlichen Aufwand kann das Sachgericht entweder ausschliesslich gestützt auf statistische Daten festlegen oder konkret ermitteln; stützt es sich auf statistische Daten, kann der Aufwand im Berufungsverfahren als Rechtsfrage überprüft werden, wobei sich das Bundesgericht eine gewisse Zurückhaltung auferlegt ( BGE 129 III 135 E. 4.2.1 S. 152). Diese Überprüfungsmöglichkeit besteht auch soweit - wie im vorliegenden Fall - abstrakt, gestützt auf die allgemeine Lebenserfahrung ( Art. 42 Abs. 2 OR ) zu beurteilen ist, wie weit bei der Berechnung des künftigen Haushaltschadens eine Reallohnerhöhung zu berücksichtigen ist. 3.2 Bei der Bestimmung des künftigen Haushaltschadens ging die Vorinstanz von einem Haushaltschaden der Klägerin von Fr. 19'627.- für das Jahr 2005 aus, was von der Klägerin nicht beanstandet wird. Bei der entsprechenden Berechnung folgte sie dem erstinstanzlich entscheidenden Kantonsgericht, das hinsichtlich der aufzuwendenden Stundenzahl und des zu veranschlagenden Stundenansatzes einer entgeltlichen Ersatzkraft für die Hausarbeit, welche die Klägerin nicht mehr erbringen kann, auf die im Rahmen der schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) des Bundesamtes für Statistik ermittelten Werte bzw. auf die darauf BGE 132 III 321 S. 333 basierenden Tabellen von VOLKER PRIBNOW/ROLF WIDMER/ALFONSO SOUSA-POZA/THOMAS GEISER (Die Bestimmung des Haushaltsschadens auf der Basis der SAKE - Von der einsamen Palme zum Palmenhain, HAVE 1/2002 S. 24 ff.) als Ausdruck der allgemeinen Lebenserfahrung abgestellt hatte (vgl. dazu BGE 131 III 360 E. 8.2.1; BGE 129 III 135 E. 4.2.2.1). 3.3 Das Kantonsgericht hatte zur Frage, ob bei der Berechnung des zukünftigen Haushaltschadens der Klägerin eine Reallohnerhöhung zu berücksichtigen ist, erwogen, es sei eine zukünftige Reallohnentwicklung von 1 % im Jahresdurchschnitt einzuberechnen. Denn der Haushaltschaden sei am Aufwand zu messen, den eine entgeltlich eingesetzte Ersatzkraft verursachen würde, bei der eine Reallohnentwicklung ebenfalls berücksichtigt werden müsste. Es trug der Reallohnentwicklung dadurch Rechnung, dass es den für das Jahr 2003 ermittelten Wert der Haushaltarbeit, den die Klägerin aufgrund des Invaliditätsgrades von 50 % nicht mehr verrichten kann, statt mit einem Kapitalisierungszinsfuss von 3.5 % mit einem um 1 % reduzierten Zinsfuss von 2.5 % kapitalisierte (vgl. dazu MARC SCHAETZLE/STEPHAN WEBER, Kapitalisieren - Handbuch zur Anwendung der Barwerttafeln [Leonardo II], Zürich 2001, Beispiel 2b S. 72 f.). Das Kantonsgericht kam damit per 31. Juli 2003, dem Datum seines Urteils, auf einen Barwert des künftigen Haushaltschadens von Fr. 386'737.-. Die Vorinstanz erwog demgegenüber, SCHAETZLE/WEBER (Kapitalisieren, a.a.O., Rz. 3.459) postulierten, beim künftigen Erwerbsausfall mittel- und längerfristig von einer generellen Reallohnentwicklung von 1 % im Jahresdurchschnitt auszugehen, wobei sie eine generelle Einkommensentwicklung von 1 % (nur) bis Alter 50 vorschlügen. Dies bedeute, dass für die heute 53-jährige Klägerin eine Reallohnerhöhung nicht mehr berücksichtigt werden könne. Der im Jahre 2005 entstandene bzw. entstehende Schaden, der bei einer Arbeitsunfähigkeit von 50 % Fr. 19'627.- betrage, sei entsprechend nach der Aktivitätstafel 10 von STAUFFER/SCHAETZLE mit einem Kapitalisierungszinsfuss von 3.5 % zu kapitalisieren, was einen künftigen Haushaltschaden von Fr. 334'640.- ergebe. 3.4 Die Klägerin macht dagegen geltend, die Annahme, dass die generelle Reallohnerhöhung nur jüngeren Arbeitnehmern zugute komme, widerspreche sämtlichen ökonomischen Erfahrungen, ergebe sich doch diese generelle Reallohnerhöhung aus dem BGE 132 III 321 S. 334 gesamthaften technischen Fortschritt, der sich wiederum auf die reale Zunahme des Bruttosozialproduktes auswirke und alle Arbeitnehmer in der gleichen Art und Weise profitieren lasse. Soweit ältere Arbeitnehmer gesamthaft reale Einkommenseinbussen hinnehmen müssten, sei das nicht eine Frage des generellen Reallohnanstiegs als vielmehr der individuellen Reallohnentwicklung, vor allem infolge von Frühpensionierungen. Es gehe im Rahmen einer Normhypothese nicht an, ältere Arbeitnehmer nur wegen ihres Alters nicht an einer generellen, grundsätzlich alle Arbeitnehmer gleich treffenden wirtschaftlichen Entwicklung infolge des allgemeinen technischen Fortschritts teilhaben zu lassen, ergebe sich doch aus keinem ökonomischen Erfahrungssatz oder einer Statistik ein derartiger, dem Üblichen entsprechender Verlauf. So werde auch im Nominallohnindex des Bundesamtes für Statistik keine Altersabstufung vorgenommen. Mit der entsprechenden "Alters-Guillotine" habe die Vorinstanz ein offensichtlich sachfremdes Element in einen Schätzungsparameter einbezogen. Sie habe insoweit Art. 42 Abs. 2 OR verletzt, indem sie nicht den üblichen Lauf der Dinge berücksichtigt habe. 3.5 Die Beklagte macht dazu zunächst mit Hinweis auf die Ausführungen von MASSIMO PERGOLIS/CORNELIA DÜRR BRUNNER (Ungereimtheiten beim Haushaltschaden, HAVE 3/2005 S. 202 ff.) geltend, es sei überhaupt unwahrscheinlich, dass die Reallöhne für Ersatzkräfte im Haushalt in Zukunft ansteigen würden. - Die Lohnaussichten für Haushalthilfen seien in der Mittel- und Langfristperspektive keineswegs so positiv, wie sie von den Autoren PRIBNOW/ WIDMER/SOUSA-POZA/GEISER (a.a.O., S. 37) und von SCHAETZLE/WEBER dargestellt worden seien. Werde daran festgehalten, den Haushaltschaden als normativen Schaden zu qualifizieren, sei eine Reallohnerhöhung überdies aus einem dogmatischen Grund undenkbar. Solle die Entschädigung für den Haushaltschaden anhand des Lohnes einer gleichwertigen Ersatzkraft bemessen werden, so werde diese fiktive Ersatzkraft mit der verletzten haushaltführenden Person älter und weniger leistungsfähig. Es sei unwahrscheinlich, dass Arbeitgeber von Haushalthilfen ab Alter 50 diesen noch Reallohnerhöhungen gewähren würden. Die Ausführungen von SCHAETZLE/WEBER (Kapitalisieren, a.a.O., Rz. 4.19) bezögen sich eindeutig auf die Lohnentwicklung der allgemeinen Wirtschaft und nicht der Hauswirtschaft. Auch in der allgemeinen Wirtschaft sei jedoch seit etwa 2001 zu beobachten, dass die Löhne ab Alter 50 "stehen blieben". BGE 132 III 321 S. 335 Weiter vertritt die Beklagte in ihrer Berufungsantwort in umfangreichen Ausführungen den Standpunkt, die "SAKE-Methode" bzw. die "HAVE-Methode", d.h. das Abstellen auf die entsprechenden statistischen Werte, bilde entgegen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung schon an sich keine taugliche Grundlage für die Berechnung des Haushaltschadens; es führe kein Weg an einer Schadensermittlung aufgrund von Beweismassnahmen im konkreten Fall vorbei. Die Bemessung des Haushaltschadens nach der HAVE-Methodik führe mit grosser Wahrscheinlichkeit zu einer systematischen Überschätzung des effektiv erlittenen Haushaltschadens, weshalb die in BGE 131 III 360 (E. 8.3) angetönte Möglichkeit einer Praxisänderung weiter geprüft werden müsse. Teil dieses systematischen Fehlers sei die von der Klägerin verlangte Reallohnerhöhung. 3.6 Sofern die Beklagte mit ihrer allgemeinen Kritik an der von der Vorinstanz angewandten abstrakten Methode der Schadensberechnung auf der Basis der im Rahmen der SAKE erhobenen Werte eine Abänderung der durch die Vorinstanz vorgenommenen Schadensberechnung für das Jahr 2005 als Basis für die Ermittlung des künftigen Schadens anstrebt, kann darauf nicht eingetreten werden. Denn die Beklagte legt nicht dar, in welchen Punkten sie die Schadensberechnung der Vorinstanz konkret beanstandet und inwiefern davon abzuweichen sei (Art. 55 Abs. 1 lit. b und c in Verbindung mit Art. 59 Abs. 3 OG ). Die Beklagte zeigt auch nicht auf - und es ist, wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt, nicht ersichtlich - inwiefern ihre Kritik für die Beurteilung der von der Klägerin aufgeworfenen Frage, ob bei der Berechnung des künftigen Haushaltschadens eine Reallohnsteigerung zu berücksichtigen sei, von Bedeutung sein soll. Dass die Höhe des Haushaltschadens, soweit sie von künftigen Reallohnerhöhungen abhängt, anders als abstrakt aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung zu ermitteln ist, macht die Beklagte selber nicht geltend. Dennoch ist zur erhobenen Kritik zu bemerken, dass das Bundesgericht seine in BGE 129 III 135 E. 4.2.2.1 begründete Rechtsprechung, wonach die SAKE eine repräsentative Grundlage für die Ermittlung des Zeitaufwandes im Haushalt darstelle, in zwei neueren Entscheiden vorbehaltlos bestätigt hat ( BGE 131 III 360 E. 8.2.1; Urteil 4C.222/2004 vom 14. September 2004, E. 5.1; zustimmend: MARC SCHAETZLE, Lehren aus einer komplexen Schadensberechnung, HAVE 1/2005 S. 46; VOLKER PRIBNOW, Nettolohn, Lohnentwicklung BGE 132 III 321 S. 336 und Haushaltschaden vor dem Bundesgericht, HAVE 1/2003 S. 51; kritisch: PERGOLIS/DÜRR BRUNNER, a.a.O., S. 202 ff.; GUY CHAPPUIS, Le préjudice ménager: Encore et toujours ou les errances du dommage normatif, HAVE 4/2004 S. 282 f.; MARCEL SÜSSKIND, Nachweis des Personenschadens, in: HAVE Personen-Schaden-Forum 2005, Verein Haftung und Versicherung [Hrsg.], Zürich 2005, S. 156 f.). Namentlich hat das Bundesgericht in E. 8.3 von BGE 131 III 360 keinen allgemeinen Methodenwechsel erwogen, wie die Beklagte vorbringt, sondern bloss auf die Ausführungen der damaligen Vorinstanz Bezug genommen, in denen die auf BGE 108 II 434 E. 3d zurückgehende Rechtsprechung betreffend des für Entlöhnung der Arbeit einer Hausfrau gegenüber derjenigen einer angestellten Hilfskraft zu gewährenden Qualitätszuschlags in Frage gestellt worden war; im konkreten Fall musste aber nicht geprüft werden, ob insoweit eine Praxisänderung in Frage komme (so auch in E. 5.4 des Urteils vom 14. September 2004). Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage nach dem Qualitätszuschlag nicht, da die kantonalen Gerichte den Stundenansatz ohnehin nicht mit einem solchen, sondern nach dem so genannten Spezialistenansatz ermittelt haben (vgl. dazu PRIBNOW/WIDMER/SOUSA-POZA/GEISER, a.a.O., S. 34 f. und die Kritik bei PERGOLIS/DÜRR BRUNNER, a.a.O., S. 206 f.). 3.7 3.7.1 Das Bundesgericht hat sich in neuerer Zeit zweimal dafür ausgesprochen, dass bei der Berechnung des Haushaltschadens grundsätzlich eine Reallohnerhöhung zu berücksichtigen sei, ohne sich allerdings über den Umfang derselben oder eine altersmässige Begrenzung explizit zu äussern. Im Urteil 4C.276/2001 vom 26. März 2002, E. 7 (Pra 91/2002 Nr. 212 S. 1127 ff.) verwarf es den Einwand, es sei notorisch, dass die für Hausarbeit bezahlten Löhne keine Reallohnsteigerung erführen; so werde sich der Bedarf an bezahlter Haushalthilfe angesichts des veränderten Rollenverständnisses der Frauen in der Schweiz, die sich vermehrt einer Berufstätigkeit ausserhalb des Hauses zuwendeten, in den nächsten Jahren eher erhöhen, was nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage zu einer Reallohnsteigerung führen dürfte, die bei der Festlegung des Stundenansatzes berücksichtigt werden könne (grundsätzlich zustimmend zur Berücksichtigung einer Reallohnerhöhung, aber hinsichtlich der Höhe des entsprechend ermittelten Stundenansatzes kritisch: MARC SCHAETZLE, Betreuungsschaden, marktgerechte Entlöhnung und BGE 132 III 321 S. 337 nominallohnindexierte, lebenslängliche Rente, HAVE 4/2002 S. 279; überhaupt kritisch dagegen PERGOLIS/DÜRR BRUNNER, a.a.O., S. 208). In BGE 131 III 360 E. 8.3 S. 374 bestätigte das Bundesgericht, dass der kantonale Richter befugt ist, den für die Berechnung des Haushaltschadens massgeblichen Stundenansatz etwas zu erhöhen, um zukünftigen Lohnerhöhungen Rechnung zu tragen (zustimmend zur Berücksichtigung einer Reallohnerhöhung, nicht aber zum gewährten Umfang: VOLKER PRIBNOW/MARKUS ZIMMERMANN, Einkommensnachweis, Omnikongruenz und Haushaltsschaden, HAVE 2/2005 S. 146; kritisch: PERGOLIS/DÜRR BRUNNER, a.a.O., S. 203, 206 und 210). Hinsichtlich der Frage, ob eine Reallohnerhöhung nur bis zu einem bestimmten Alter, insbesondere bis zum 50. Altersjahr, zu berücksichtigen sei, lässt sich aus dem Urteil vom 26. März 2002 nichts entnehmen. Denn das Bundesgericht folgte darin der Annahme der Vorinstanz, dass die damalige Klägerin nach dem 31. August 2017 - d.h. im Alter von 47 Jahren - in einem Heim Aufnahme finden werde, das auch die gesamte Hausarbeit für sie übernehmen werde, so dass von dann an kein zusätzlicher unfallbedingter Ausfall der Fähigkeit der Klägerin zur Hausarbeit zu ersetzen sei (E. 5 und 7 des zitierten Urteils). Die in BGE 131 III 360 erfolgte Bestätigung des Grundsatzes, dass bei der Berechnung des Haushaltschadens eine Reallohnerhöhung berücksichtigt werden dürfe, ist für die vorliegend zu entscheidende Frage insoweit beachtlich, als die damalige Klägerin im Urteilszeitpunkt der letzten kantonalen Instanz bereits 50-jährig war; immerhin hat das Bundesgericht insoweit keine expliziten Erwägungen angestellt. Es konnte sich im Übrigen darauf beschränken, den von der Vorinstanz angewandten Stundenansatz von Fr. 30.- als im Ermessen des Gerichts liegend zu bezeichnen, weshalb davon nicht abzuweichen sei. Zu einzelnen Berechnungsfaktoren dieses Stundenansatzes hat es sich nicht geäussert. 3.7.2 Die Vorinstanz hat den Haushaltschaden abstrakt, nach dem Aufwand berechnet, den eine entgeltlich eingesetzte Ersatzkraft der Klägerin für die Erledigung des Haushalts verursachen würde. Für die Bestimmung des zukünftigen Haushaltschadens ist somit massgeblich, inwieweit zu erwarten ist, dass dieser Aufwand aufgrund der Reallohnentwicklung einer gleichaltrigen und damit gleich leistungsfähigen Ersatzkraft in Zukunft zunehmen wird. 3.7.2.1 Die Frage, ob generell, d.h. ohne nach Altersstufen oder Berufen zu differenzieren, angenommen werden darf, dass die BGE 132 III 321 S. 338 Löhne von Arbeitnehmern im Durchschnitt real ansteigen werden, wird in der Lehre kontrovers diskutiert und ist von der Rechtsprechung bislang nicht beantwortet worden. SCHAETZLE/WEBER postulieren aufgrund der AHV-Statistik 1995 und aufgrund einer Zusammenstellung von Prognosen aus den 90-er Jahren über die künftige Reallohnentwicklung, von einer jährlichen, grundsätzlich allen Arbeitnehmern gleichmässig zukommenden Reallohnerhöhung von 1 % pro Jahr auszugehen (SCHAETZLE/WEBER, Kapitalisieren, a.a.O., Rz. 3.458, 4.19, 4.41 f.; dieselben , Barwerttafeln - Neue Rechnungsgrundlagen für den Personenschaden, in: Tercier [Hrsg.], Kapitalisierung - Neue Wege, Freiburg 1998, S. 105 ff.; dieselben , Von Einkommensstatistiken zum Kapitalisierungszinsfuss, AJP 1997 S. 1112 f.). Ob dieser These zu folgen sei und eine statistisch ausgewiesene erwartbare Einkommensentwicklung allgemein als Normhypothese der Schadensberechnung zugrunde zu legen ist, hat das Bundesgericht in BGE 129 III 135 (E. 2.2 S. 141 f. und E. 2.3.2.1 S. 145 f.) im Zusammenhang mit der Berechnung des Schadens aus Erwerbsausfall des Geschädigten ausdrücklich offen gelassen (vgl. PRIBNOW, a.a.O., HAVE 1/2003 S. 51; vgl. dazu auch BGE 125 III 312 E. 5c); das kantonale Gericht hatte den künftigen Erwerbsausfall damals entsprechend dem Gebot, soweit wie möglich die konkreten Umstände des zu beurteilenden Falles zu berücksichtigen ( BGE 131 III 360 E. 5.1; BGE 116 II 295 E. 3a/aa), aufgrund von konkreten Umständen ermittelt und eine künftige Reallohnerhöhung ausgeschlossen, womit es eine im Berufungsverfahren grundsätzlich nicht überprüfbare Tatsachenfeststellung ( Art. 63 Abs. 2 OG ) getroffen hatte. Immerhin merkte das Bundesgericht dabei an, es sei allgemein zu beobachten, dass für Personen ab einem bestimmten Alter keine grossen Lohnveränderungen mehr zu erwarten seien, namentlich die tieferen Löhne ihr Maximum vor dem 50. Altersjahr erreichten ( BGE 129 III 135 E. 2.3.2.1 S. 146 mit Hinweis auf SCHAETZLE/WEBER, Kapitalisieren, a.a.O., Rz. 2.59, 4.39 und 4.40; kritisch dazu DAVID DORN/THOMAS GEISER/CHRISTOPH SENTI/ALFONSO SOUSA-POZA, Die Berechnung des Erwerbsschadens mit Hilfe von Daten der Lohnstrukturerhebung, in: Verein Haftung und Versicherung [Hrsg.], HAVE Personen-Schaden-Forum 2005, Zürich 2005, S. 55). Für die These von SCHAETZLE/WEBER, wonach in Zukunft allgemein von einer Reallohnsteigerung von 1 % im Jahr auszugehen sei, sprechen sich DORN/GEISER/SENTI/SOUSA-POZA aus (DORN/GEISER/SENTI/ SOUSA-POZA, a.a.O., S. 46 f., 50). Sie führen die allgemeine BGE 132 III 321 S. 339 Lohnsteigerung namentlich auf den Produktivitätsanstieg der einzelnen Arbeitnehmer aufgrund des technischen Fortschritts und aufgrund kapitalintensiverer Produktion zurück. Gegen die Berücksichtigung einer allgemeinen realen Lohnerhöhung sprechen sich hingegen SÜSSKIND (a.a.O., S. 150), LUKAS WYSS (Neue Tendenzen in der Berechnung von Invaliditäts- und Versorgerschäden, in: Tercier [Hrsg.], Kapitalisierung - Neue Wege, Freiburg 1998, S. 197) sowie PERGOLIS/DÜRR BRUNNER (a.a.O., S. 208) aus. Diese Autoren halten im Wesentlichen dafür, die AHV-Einkommensstatistik sei für die Zukunft nicht aussagekräftig, da nicht davon auszugehen sei, dass sich die Verhältnisse auf den Arbeitsmärkten in der Zukunft ungefähr wie diejenigen in der Vergangenheit entwickeln würden; dies begründen sie insbesondere mit der Globalisierung, der Personenfreizügigkeit mit der Europäischen Union sowie länger greifenden Restrukturierungsprozessen im Wirtschaftsleben und deren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Es müsse daher weiterhin aufgrund der konkreten Umstände (Beruf, Wirtschaftszweig, Geschlecht, Alter, Qualifikation etc.) im Einzelfall differenziert werden. 3.7.2.2 Im vorliegenden Fall ist allerdings nicht die vom Bundesgericht bisher offen gelassene Frage zu beantworten, ob bei der Ermittlung des künftigen Schadens aus Erwerbsausfall allgemein und abstrakt eine Reallohnerhöhung von 1 % berücksichtigt werden darf. Zu beachten ist, dass bei entsprechenden Berechnungen des Erwerbsausfallschadens regelmässig konkrete Umstände des Einzelfalls, insbesondere die berufliche Situation des Geschädigten berücksichtigt werden können, aufgrund derer sich auf dessen künftige hypothetische Lohnentwicklung schliessen lässt. Die künftige Entwicklung des Lohnniveaus von Ersatzkräften als Berechnungsfaktor des Haushaltschadens, wie sie hier umstritten ist, lässt sich dagegen weitgehend nur abstrakt ermitteln (vgl. dazu BGE 127 III 403 E. 4b; BGE 129 III 135 E. 4.2.1 S. 152; Urteil vom 14. September 2004, a.a.O., E. 5.4). Insoweit muss die Ermittlung des künftigen Schadens aufgrund von Hypothesen und Schätzungen nach der allgemeinen Lebenserfahrung ( Art. 42 Abs. 2 OR ) vorgenommen werden, die soweit als möglich durch statistische Untersuchungen abzustützen sind (vgl. BGE 108 II 434 E. 3a S. 437; HANS PETER WALTER, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Haushaltschaden, in: Atilay Ileri [Hrsg.], Die Ermittlung des Haushaltschadens nach Hirnverletzung, Zürich 1995, S. 29). Die den Schätzungen innewohnenden Ungewissheiten legen dabei nahe, nach einfachen und klaren BGE 132 III 321 S. 340 Kriterien zu suchen, im Interesse einer rechtsgleichen Anwendung des Haftpflichtrechts und überschaubarer Berechnungen (WALTER, a.a.O., S. 38 f.; SCHAETZLE/WEBER, Kapitalisieren, a.a.O., Rz. 3.459; dieselben , Einkommensstatistiken, a.a.O., AJP 1997 S. 1115; vgl. dazu auch BGE 125 III 312 E. 5b). Insoweit - und auch angesichts der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Frage der Berücksichtigung von Reallohnerhöhungen für Ersatzkräfte im Haushalt (vgl. E. 3.7.1 oben) - ist der Vorinstanz beizupflichten, wenn sie mit der Erstinstanz gestützt auf die Ausführungen von SCHAETZLE/WEBER grundsätzlich annahm, es sei künftig von einer allgemeinen Reallohnsteigerung von 1 % im Jahresdurchschnitt auszugehen, die bei der abstrakten Berechnung des künftigen Haushaltschadens zu berücksichtigen sei (SCHAETZLE/ WEBER, Kapitalisieren, a.a.O., Rz. 3.458, 3.520; im gleichen Sinne auch MARC SCHAETZLE, Lehren, a.a.O., HAVE 1/2005 S. 47; derselbe , Der Schaden und seine Berechnung, in: Geiser/Münch [Hrsg.], Schaden - Haftung - Versicherung, Basel/Genf/München 1999, Rz. 9.66; PRIBNOW/ZIMMERMANN, a.a.O., S. 146). Die entsprechende Annahme lässt sich vergangenheitsbezogen auf statistische Grundlagen und zukunftsbezogen auf eine Reihe von Szenarien und Prognosen von Konjunktur- und Wirtschaftsexperten (vgl. SCHAETZLE/ WEBER, Kapitalisieren, a.a.O., Rz. 4.19 f. und die dort erwähnte Übersicht bei denselben , Barwerttafeln - Neue Rechnungsgrundlagen, a.a.O., S. 105 ff.) stützen und erscheint als fundierter begründet als die Meinung, Reallohnsteigerungen seien in Zukunft überhaupt unwahrscheinlich. Die Behauptung der Beklagten, die Löhne in der Hauswirtschaft würden künftig eine grundsätzlich andere Entwicklung erfahren als diejenigen in der allgemeinen Wirtschaft, ist im Übrigen nicht erhärtet. 3.7.2.3 Wie die Vorinstanz zutreffend in Erwägung gezogen hat, haben SCHAETZLE/WEBER angesichts des Umstandes, dass die Einkommen ab dem 50. Altersjahr statistisch konstant blieben oder gar rückläufig seien, zwar vorgeschlagen, nur bis zum Alter von 50 Jahren von einer jährlichen generellen Einkommensentwicklung von 1 % auszugehen (SCHAETZLE/WEBER, Kapitalisieren, a.a.O., Rz. 3.459, 3.462; dieselben , Einkommensstatistiken, a.a.O., AJP 1997 S. 1112 f.). Die Vorinstanz hat dabei aber die weiteren Ausführungen der genannten Autoren unberücksichtigt gelassen, wonach die Annahme eines konstanten Einkommens ab Alter 50 nur bei einer Durchschnittsbetrachtung zutreffe, bei der auch die BGE 132 III 321 S. 341 Invalidisierungswahrscheinlichkeit einberechnet sei. Die invaliditätsbedingten Lohnreduktionen sowie Einkommensminderungen wegen vorzeitiger Pensionierung würden teilweise von der AHV-Einkommensstatistik erfasst und lieferten die Erklärung für den Einkommensrückgang bei älteren Arbeitnehmern. Die Invalidisierungswahrscheinlichkeit dürfe daher nicht bei der Kapitalisierung über die Anwendung der Aktivitätstafeln, in denen das Invaliditätsrisiko erfasst sei, doppelt berücksichtigt werden. Werde der Erwerbsschaden weiterhin mit Aktivitätstafeln kapitalisiert, so sei davon auszugehen, dass auch ältere, nicht-invalide Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen längerfristig bis zur Pensionierung mit Reallohnsteigerungen rechnen könnten (zum Ganzen SCHAETZLE/WEBER, Kapitalisieren, a.a.O., Rz. 3.465 und 4.41 f., mit Hinweis auf NICOLAS ESCHMANN, Evolution des revenus du travail, in: Tercier [Hrsg.], Kapitalisierung - Neue Wege, Freiburg 1998, S. 240; vgl. auch SCHAETZLE/WEBER, Einkommensstatistiken, a.a.O., AJP 1997 S. 1114). Indem die Vorinstanz den Haushaltschaden in zutreffender Anwendung der neusten Rechtsprechung ( BGE 129 III 135 E. 4.2.2.3 S. 159 f.) mit den Aktivitätstafeln kapitalisierte und ungeachtet der weiteren Ausführungen von SCHAETZLE/WEBER eine Reallohnsteigerung ab Alter 50 nicht berücksichtigte, hat sie die Invalidisierungswahrscheinlichkeit doppelt berücksichtigt, was nicht haltbar ist und eine unrichtige Ausübung ihres Ermessens bei der Schadensermittlung bedeutet. Vielmehr hätte sie bei der Berechnung des Haushaltschadens der Klägerin bis zum mutmasslichen Pensionsalter von 64 Jahren ( Art. 21 Abs. 1 lit. b AHVG ) eine Reallohnsteigerung von 1 % jährlich berücksichtigen müssen, entsprechend dem statistisch bzw. prognostisch fundierten Erfahrungssatz, dass auch ältere, nicht invalide Arbeitnehmer längerfristig bis zur Pensionierung mit solchen Reallohnsteigerungen rechnen können. Ab dem Zeitpunkt der ordentlichen Pensionierung ist demgegenüber nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, dass die Arbeitskraft der geschädigten Person, für deren Verlust Ersatz zu leisten ist, auch im Validenfall allmählich nachlassen würde und entweder Hilfen für bestimmte Arbeiten beigezogen oder diese nicht mehr erledigt, also Qualitätseinbussen in Kauf genommen würden. Auch eine Ersatzkraft mit entsprechend nachlassender Leistungskraft, nach deren Entlöhnungsaufwand der zu ersetzende Schaden zu bemessen ist (E. 3 vorne), kann nicht mehr mit Reallohnerhöhungen rechnen. Eine entsprechend positive Lohnentwicklung BGE 132 III 321 S. 342 lässt sich für die Arbeitnehmer nach dem ordentlichen Pensionierungsalter denn auch statistisch in keiner Weise belegen. Die Vorinstanz hat demnach kein Bundesrecht verletzt, indem sie bei der Berechnung des künftigen Haushaltschadens für die Zeit ab der ordentlichen Pensionierung keine Reallohnerhöhung mehr berücksichtigte. Das Urteil der Vorinstanz ist daher soweit aufzuheben, als sie bei der Berechnung des künftigen Haushaltschadens die zu erwartende Reallohnentwicklung von Ersatzkräften in der Hauswirtschaft bis ins Jahr, in dem die Klägerin das Pensionsalter erreicht, unberücksichtigt liess. Die Berechnung ist insoweit neu vorzunehmen. Der Reallohnsteigerung kann dabei dadurch Rechnung getragen werden, dass der Kapitalisierungszinsfuss um 1 % auf 2.5 % reduziert wird, wie es die Erstinstanz getan hat (SCHAETZLE/WEBER, Kapitalisieren, a.a.O., Rz. 2.119, 4.25).
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Sachverhalt ab Seite 122 BGE 137 II 122 S. 122 A. D.X., geboren 1987, war ab dem 9. September 2006 an der Islamischen Universität in Medina, Saudi-Arabien, für ein zweijähriges Studium immatrikuliert. Am 10. Oktober 2006 verstarb er in Rabigh, Saudi-Arabien, an den Folgen eines Verkehrsunfalls. Mit Entscheid des Amtsgerichts von Mekka, Saudi-Arabien, wurde der BGE 137 II 122 S. 123 Unfallverursacher verpflichtet, den Eltern des Verstorbenen für den Verlust ihres Sohns 100'000.- Saudi-Rial als sogenanntes Blutgeld auszurichten. Am 8. Oktober 2008 stellten die Eltern des Verstorbenen (A. und B.X.) und dessen Bruder (C.X.) bei der Opferhilfestelle des Kantons Zürich ein Gesuch um Entschädigungen und Genugtuungen. In ihrer Verfügung vom 16. Dezember 2008 führte die Kantonale Opferhilfestelle aus, D.X. habe seinen Wohnsitz von der Schweiz nach Saudi-Arabien verlegt gehabt, was die Ausrichtung von Entschädigungen und Genugtuungen ausschliesse. Das Gesuch werde abgelehnt. Eine gegen diese Verfügung gerichtete Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 17. August 2010 ab. B. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht vom 20. September 2010 beantragen A., B. und C.X., das Urteil des Sozialversicherungsgerichts sei aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Kantonale Opferhilfestelle zurückzuweisen. (...)
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Sache zur neuen Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Dem Opfer werden gemäss Art. 2 Abs. 2 lit. c aOHG (AS 1992 2465) der Ehegatte, die eingetragene Partnerin oder der eingetragene Partner, die Kinder und Eltern sowie andere Personen, die ihm in ähnlicher Weise nahestehen, bei der Geltendmachung von Entschädigung und Genugtuung (Art. 11-17 aOHG) gleichgestellt, soweit diesen Personen Zivilansprüche gegenüber dem Täter zustehen. D.X. verfügte gemäss den Feststellungen der Vorinstanz im Todeszeitpunkt über die schweizerische Staatsangehörigkeit. Umstritten ist, ob er zu jenem Zeitpunkt auch (noch) seinen Wohnsitz in der Schweiz hatte. Dies ist gemäss Art. 11 Abs. 3 aOHG Voraussetzung für Entschädigung und Genugtuung, sofern sowohl der strafrechtliche Begehungs- als auch der Erfolgsort im Ausland liegen (vgl. BGE 124 II 507 E. 2b S. 508 f. mit Hinweisen). BGE 137 II 122 S. 124 3.2 Das Sozialversicherungsgericht führt aus, beim vorliegenden internationalen Sachverhalt richte sich der Wohnsitzbegriff nach Art. 20 IPRG (SR 291). In Anwendung dieser Bestimmung sei davon auszugehen, dass D.X. seinen Wohnsitz nach Saudi-Arabien verlegt habe. Zur Begründung legt das Sozialversicherungsgericht dar, D.X. sei für ein Studium von einer Dauer von zwei Jahren an der Islamischen Universität in Medina immatrikuliert gewesen, weshalb davon auszugehen sei, dass er die Absicht gehabt habe, für mindestens zwei Jahre in Medina zu bleiben. Von einer regelmässigen Rückkehr zu seinen Eltern könne aufgrund der Distanz keine Rede sein. Gemäss einem von der Universität verfassten Leitfaden könnten Studenten zudem höchstens einmal pro Studienjahr in ihr Heimatland ausreisen. Unter diesen Umständen sei davon auszugehen, dass nur noch eine stark gelockerte Beziehung zum bisherigen schweizerischen Wohnort bestand und dass sich der Verstorbene nicht lediglich zu Ausbildungszwecken in Saudi-Arabien aufhielt. Zu diesem Schluss käme man übrigens auch, wenn man nicht Art. 20 IPRG , sondern Art. 23 ff. ZGB anwenden würde. Denn mit der Verlegung des Lebensmittelpunkts seien auch die Voraussetzungen von Art. 23 Abs. 1 ZGB in Bezug auf Saudi-Arabien erfüllt und die Vermutung von Art. 26 ZGB widerlegt. 3.3 Die Beschwerdeführer bringen vor, es seien die grosse Distanz und die Vorschriften der Universität gewesen, mithin äussere Umstände, die D.X. gezwungen hätten, nicht regelmässig zu den Eltern zurückzukehren. Er habe aber täglich nach Hause telefoniert. Unzutreffend sei, dass er sich nicht lediglich zu Ausbildungszwecken in Saudi-Arabien aufgehalten habe. Er habe dieses Land zuvor gar noch nie besucht; sämtliche persönlichen und beruflichen Kontakte seien in der Schweiz gewesen, wo er auch aufgewachsen sei und wo er später hätte die Rekrutenschule absolvieren wollen. Seine persönlichen Gegenstände seien in seinem vollständig eingerichteten Zimmer geblieben, sein Motorrad sei weiterhin eingelöst gewesen. Bei erster Gelegenheit wäre er in den Semesterferien für vier Monate in die Schweiz zurückgekehrt. Zudem hätte er nach Beendigung des Studiums sofort wieder ausreisen müssen. Die Vorinstanz habe diese wesentlichen Umstände ausser Acht gelassen, obwohl sie in der Beschwerde vorgebracht worden seien. Dadurch habe sie einerseits den Anspruch der Beschwerdeführer auf rechtliches Gehör ( Art. 29 Abs. 2 BV ) und die Pflicht zur Feststellung des Sachverhalts von Amtes wegen (Art. 16 Abs. 2 aOHG) BGE 137 II 122 S. 125 verletzt, andererseits den Sachverhalt unrichtig festgestellt ( Art. 97 Abs. 1 BGG ). Indem die Vorinstanz einzig aufgrund der fehlenden Möglichkeit, regelmässig in die Schweiz zurückzukehren, davon ausgegangen sei, der Lebensmittelpunkt des Opfers habe sich nach Saudi-Arabien verlagert, habe sie Art. 20 Abs. 1 lit. a IPRG verletzt. Zudem habe sie nicht berücksichtigt, dass nach der Rechtsprechung zu Art. 26 ZGB der bisherige Wohnsitz bei den Eltern während eines Aufenthalts zu Studienzwecken so lange beibehalten werde, als nicht eine starke Lockerung zu jenem Wohnsitz stattfinde. Art. 26 ZGB sei entgegen der Ansicht des Sozialversicherungsgerichts sehr wohl auch im internationalen Verhältnis relevant. 3.4 Die Feststellung des Sachverhalts kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann ( Art. 97 Abs. 1 BGG ). Zu den Rechtsverletzungen im Sinne von Art. 95 BGG gehört auch die Verletzung des rechtlichen Gehörs. Wer vor Bundesgericht im Zusammenhang mit einer Sachverhaltsrüge eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend macht, muss daher darlegen, dass und inwiefern die Gehörsverletzung für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann, wobei die Glaubhaftmachung eines anderen Entscheids in der Sache bei korrekter Vorgehensweise genügt (Urteil 9C_1001/2009 vom 15. April 2010 E. 3.2 mit Hinweisen, in: SVR 2011 AHV Nr. 2 S. 4). Die Frage nach der erforderlichen Bedeutung für den Ausgang des Verfahrens ist vor dem Hintergrund des anwendbaren Rechts zu beantworten. Das Sozialversicherungsgericht hat in dieser Hinsicht auf den Wohnsitzbegriff des IPRG abgestellt, was insofern relevant ist, als in internationalen Verhältnissen Art. 26 ZGB nicht gilt ( Art. 20 Abs. 2 Satz 3 IPRG ). 3.5 Ist eine Person im Ausland Opfer einer Straftat geworden, kann sie eine Entschädigung oder eine Genugtuung nur verlangen, wenn sie das Schweizer Bürgerrecht und "Wohnsitz in der Schweiz" hat (Art. 11 Abs. 3 aOHG [SR 312.5]). Der Wohnsitz in der Schweiz bildet auch im revidierten Opferhilfegesetz Anspruchsvoraussetzung ( Art. 17 Abs. 1 OHG ), wobei davon auszugehen ist, dass der Begriff mit der Gesetzesrevision keine Änderung erfahren hat. Das öffentliche Recht bestimmt den Wohnsitzbegriff in seinem Bereich autonom (DANIEL STAEHELIN, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 4. Aufl. 2010, N. 3 zu Art. 23 ZGB ). Es kann ihn eigenständig BGE 137 II 122 S. 126 definieren wie Art. 3 DBG (SR 642.11) oder auch Art. 4 des Bundesgesetzes vom 24. Juni 1977 über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger (ZUG; SR 851.1), wenn auch weitgehend in Anlehnung an den zivilrechtlichen Wohnsitzbegriff (PETER LOCHER, Kommentar zum DBG, 2001, N. 4 zu Art. 3 DBG ). Es kann aber auch auf das Zivilrecht verweisen wie Art. 13 Abs. 1 ATSG (SR 830.1), wonach sich der Wohnsitz einer Person nach den Artikeln 23-26 des ZGB bestimmt. Demgegenüber findet sich im OHG hinsichtlich des Wohnsitzbegriffs weder eine eigenständige Definition noch ein ausdrücklicher Verweis auf das ZGB. Laut der Botschaft vom 9. November 2005 zur Totalrevision des Bundesgesetzes über die Hilfe an Opfer von Straftaten ist ein Wohnsitz im Sinne von Art. 23 ff. ZGB erforderlich (BBl 2005 7214 Ziff. 2.2.3). Die Anlehnung des Wohnsitzbegriffs des OHG an den zivilrechtlichen Begriff ist im Sinne der Einheitlichkeit und Rechtssicherheit die vorzugswürdige Lösung, zumal kein Grund besteht, davon abweichende Wohnsitzdefinitionen aus anderen öffentlich-rechtlichen Erlassen zu übernehmen. Im Übrigen hat das Bundesgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung den Wohnsitz gemäss Art. 11 Abs. 3 aOHG angewendet, ohne einen vom Zivilrecht abweichenden Begriffsinhalt auch nur in Erwägung zu ziehen ( BGE 128 II 107 E. 2 S. 109 mit Hinweisen; BGE 122 II 315 E. 2a S. 318; vgl. auch VPB 58/1994 Nr. 65 E. 2). Eine Anlehnung an den Wohnsitzbegriff gemäss Art. 20 IPRG drängt sich nicht auf, zumal dem Wohnsitzbegriff von Art. 11 Abs. 3 aOHG nicht die Rolle eines im internationalen Verhältnis relevanten Anknüpfungspunkts zukommt. 3.6 Die Anlehnung des Wohnsitzbegriffs gemäss Art. 11 Abs. 3 aOHG an jenen des Zivilrechts bedeutet, dass sich die Frage des Wohnsitzes grundsätzlich nach den Art. 23-26 ZGB richtet. Nach Art. 23 Abs. 1 ZGB befindet sich der Wohnsitz einer Person an dem Ort, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält. Für die Begründung des Wohnsitzes müssen somit zwei Merkmale erfüllt sein: ein objektives äusseres, der Aufenthalt, sowie ein subjektives inneres, die Absicht dauernden Verbleibens. Nach der Rechtsprechung kommt es nicht auf den inneren Willen, sondern darauf an, welche Absicht objektiv erkennbar ist ( BGE 136 II 405 E. 4.3 S. 409 f.; BGE 133 V 309 E. 3.1 S. 312 f.; je mit Hinweisen). Der einmal erworbene Wohnsitz bleibt bestehen, solange nicht anderswo ein neuer begründet wird ( Art. 24 Abs. 1 ZGB ). Der Aufenthalt an einem Ort zum Zweck des Besuchs einer Lehranstalt und die BGE 137 II 122 S. 127 Unterbringung einer Person in einer Erziehungs-, Versorgungs-, Heil- oder Strafanstalt begründen nach Art. 26 ZGB keinen Wohnsitz. Obwohl der Wortlaut nicht ohne Weiteres darauf schliessen lässt, wird in Art. 26 ZGB lediglich eine widerlegbare Vermutung angestellt, wonach der Aufenthalt am Studienort oder in einer Anstalt nicht bedeutet, dass auch der Lebensmittelpunkt an den fraglichen Ort verlegt worden ist; Art. 26 ZGB umschreibt somit im Ergebnis negativ, was Art. 23 Abs. 1 ZGB zum Wohnsitz in grundsätzlicher Hinsicht positiv festhält. Die Vermutung kann umgestossen werden, wenn eine Person freiwillig in eine Anstalt eintritt und sich dort mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält. Unter dieser Voraussetzung kann die Begründung eines Wohnsitzes am Anstaltsort bejaht werden ( BGE 134 V 236 E. 2.1 S. 239 f.; BGE 133 V 309 E. 3.1 S. 312 f.; je mit Hinweisen). In Anlehnung daran soll im Rahmen der Revision des Vormundschaftsrechts der heutige Art. 26 ZGB aufgehoben und inhaltlich als Ergänzung in Art. 23 Abs. 1 ZGB aufgenommen und präzisiert werden. Gemäss dem neuen zweiten Halbsatz zu Art. 23 Abs. 1 ZGB begründet der Aufenthalt in einer Anstalt "für sich allein" keinen Wohnsitz. Damit wird einerseits verdeutlicht, dass die betroffene Person in gewissen Fällen an diesem Ort trotzdem ihren Lebensmittelpunkt und damit Wohnsitz haben kann, gleichzeitig aber auch bestätigt, dass ein Aufenthalt zu Sonderzwecken in der Regel keine Verschiebung des Mittelpunkts der Lebensbeziehungen bedeutet (vgl. Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht], BBl 2006 7096 Ziff. 2.4.1 und BGE 135 III 49 E. 6.2 S. 56 f. mit Hinweisen). 3.7 Allein aus der Unmöglichkeit einer regelmässigen Rückkehr zu schliessen, D.X. habe nur noch eine stark gelockerte Beziehung zur Schweiz gehabt und sich nicht lediglich zu Ausbildungszwecken in Saudi-Arabien aufgehalten, verletzt Art. 23 Abs. 1 i.V.m. Art. 26 ZGB . Die Bestimmung des Mittelpunkts der Lebensbeziehungen und die damit einhergehende Widerlegung der Vermutung von Art. 26 ZGB erfordern eine Berücksichtigung aller konkreten Umstände des Einzelfalls ( BGE 136 II 405 E. 4.3 S. 410 mit Hinweisen). Die tatsächlichen Vorbringen der Beschwerdeführer (siehe E. 3.3 hiervor) sind dabei bedeutsam: Sie könnten die Vermutung stützen, dass der Aufenthalt in Saudi-Arabien zu Studienzwecken nicht zu einer Verlagerung des Mittelpunkts der Lebensbeziehungen führte. Die Beschwerdeführer haben diese Umstände bereits im Verfahren vor dem Sozialversicherungsgericht geltend gemacht. Indem das BGE 137 II 122 S. 128 Sozialversicherungsgericht sie unberücksichtigt liess, verletzte es den Anspruch der Beschwerdeführer auf rechtliches Gehör ( Art. 29 Abs. 2 BV ) und hat den Sachverhalt unvollständig und damit unrichtig im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG festgestellt.
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Diskriminierungstatbestände, bei denen spezifische bundesrechtliche Anforderungen an die Erhebung des Sachverhalts gelten; Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts im Berufungsverfahren (E. 3). Glaubhaftmachen einer Lohndiskriminierung nach Art. 6 GlG ; ist eine solche Diskriminierung glaubhaft gemacht, obliegt es der Arbeitgeberin, Umstände nachzuweisen, aus denen sich ergibt, dass die Lohndifferenz auf sachlichen Gründen ohne geschlechterdiskriminierende Wirkung beruht (E. 4). Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz den Nachweis zu Unrecht als geleistet betrachtet (E. 5). Sachverhalt ab Seite 369 BGE 125 III 368 S. 369 S. war vom 1. Oktober 1987 bis zum 31. August 1998 bei der X. Tagblatt AG angestellt, wo sie als Redaktorin in der Lokalredaktion A. des «Y. Tagblatt» tätig war. Ihre Arbeit bestand darin, täglich eine Seite mit regionalen Nachrichten über den Ort A. und Umgebung zu füllen. Abgesehen vom Zeitraum zwischen dem 1. Juli 1989 und dem 30. Mai 1990, in welchem sie zu 90% arbeitete, betrug ihr Arbeitspensum 60%. Darin eingeschlossen waren Sonntags-, Abend- und Nachtdienst. Nach Ablauf des Einführungsmonats bezog S. einen Grundlohn von Fr. 2'100.-- im Monat, was 50% eines VollzeitBasislohns von Fr. 4'200.-- entsprach, sowie eine pauschale Abgeltung von monatlich Fr. 840.-- für die in der Redaktion übliche Mehrarbeitszeit. In den folgenden Jahren wurde ihr Gehalt erhöht. Ab 1. Januar 1997 betrug es Fr. 3'979.-- brutto im Monat, entsprechend Fr. 6'632.-- für eine Vollzeitstelle. Im Jahre 1990 stellte die X. Tagblatt AG T. als Lokalredaktor mit einem Pensum von 100% an, wobei sie ihm einen Anfangslohn von Fr. 6'700.-- brutto im Monat ausrichtete. In der Folge stieg sein monatliches Bruttogehalt auf Fr. 7'675.--. Nachdem S. von der X. Tagblatt AG wiederholt erfolglos die lohnmässige Gleichstellung mit T. verlangt hatte, gelangte sie am 1. Oktober 1996 an die zuständige Schlichtungsstelle gemäss Gleichstellungsgesetz. Die Schlichtungsverhandlung vom 6. November 1996 erbrachte keine Einigung, worauf die Schlichtungsstelle am 12. November 1996 den Leitschein ausstellte. Am 10. Februar 1997 reichte S. Klage gegen die X. Tagblatt AG ein, mit den Begehren, die Beklagte sei zu verpflichten, einerseits rückwirkend für die Dauer von fünf Jahren von der Einreichung des BGE 125 III 368 S. 370 Schlichtungsbegehrens an die Lohndifferenz zwischen dem Gehalt von T. und ihrem Gehalt nachzuzahlen, zuzüglich Zins zu 5% seit 1. April 1993, und anderseits ab dem 1. Oktober 1996 bei der Berechnung des Lohnes der Klägerin vom gleichen Grundlohn wie bei T. auszugehen. Das Bezirksgericht Z. wies die Klage mit Urteil vom 28. August 1997 ab. Gegen diesen Entscheid legte die Klägerin Berufung an das Kantonsgericht Z. ein. Da das Arbeitsverhältnis inzwischen beendet worden war, änderte sie während des kantonsgerichtlichen Verfahrens ihre Begehren dahin, dass die Beklagte zu verpflichten sei, ihr rückwirkend für die Dauer von fünf Jahren von der Einreichung des Schlichtungsbegehrens an bis zum 31. August 1998 die Lohndifferenz zwischen dem Gehalt von T. und ihrem Gehalt nachzuzahlen, zuzüglich Zins zu 5% seit 1. April 1993. Am 17. März 1999 wies das Kantonsgericht die Berufung ab.
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Das Bundesgericht heisst die von der Klägerin eingelegte Berufung teilweise gut, hebt das angefochtene Urteil auf und weist die Streitsache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Das Bundesgesetz vom 24. März 1995 über die Gleichstellung von Frau und Mann (Gleichstellungsgesetz, GlG, SR 151) ist am 1. Juli 1996 in Kraft getreten. Es sieht in Art. 17 vor, dass Ansprüche auf Zahlung des geschuldeten Lohnes ( Art. 5 Abs. 1 lit. d GlG ) nach neuem Recht beurteilt werden, wenn die zivilrechtliche Klage nach seinem Inkrafttreten erhoben worden ist. Die vorliegende Streitsache ist am 1. Oktober 1996 bei der zuständigen Schlichtungsstelle anhängig gemacht worden. Das Gleichstellungsgesetz findet daher Anwendung. Beide Vorinstanzen gehen zutreffend davon aus, dass dies auch insoweit gilt, als Lohnansprüche für die Zeit vor dem 1. Juli 1996 geltend gemacht werden. Der Anspruch auf Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern ist nicht nur in Art. 3 GlG , sondern bereits in Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV verankert. Diese Verfassungsbestimmung ist auf privatrechtliche Arbeitsverhältnisse direkt als zwingende Norm des Bundesprivatrechts anwendbar, deren Verletzung im Berufungsverfahren gerügt werden kann ( BGE 113 Ia 107 E. 1a und b, S. 110 f.; vgl. auch BGE 124 II 409 E. 1a S. 411, mit Hinweisen). Das Gleichstellungsgesetz konkretisiert das Lohngleichheitsgebot. Es hat insbesondere BGE 125 III 368 S. 371 zum Ziel, die Durchsetzung des Anspruchs auf Lohngleichheit zu erleichtern (CLAUDIA KAUFMANN, in: BIGLER-EGGENBERGER/KAUFMANN (Hrsg.), Kommentar zum Gleichstellungsgesetz, Basel 1997, N. 11 ff. vor Art. 1 und N. 12 zu Art. 1). Diesem Zweck dienen namentlich die bundesrechtlichen Beweisvorschriften von Art. 6 und 12 GlG (in Verbindung mit Art. 343 OR ). Auslegung und Anwendung dieser Bestimmungen ist wiederum eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage (vgl. BGE 124 II 409 E. 3a S. 421). 3. Nach Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV und Art. 3 GlG haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit und dürfen aufgrund ihres Geschlechts weder direkt noch indirekt benachteiligt werden ( BGE 125 I 71 E. 2 S. 78 ff.; BGE 124 II 409 E. 7 - 9 S. 424 ff., 529 E. 4 S. 530 f.; BGE 113 Ia 107 E. 4a S. 116 f.). Dieses Verbot gilt gleichermassen für öffentlichrechtliche wie für privatrechtliche Arbeitsverhältnisse (vgl. BGE 124 II 409 E. 1e/dd S. 419). Eine geschlechtsbezogene Lohn-Diskriminierung kann sich dabei sowohl aus einer generellen Einstufung bestimmter Funktionen im Rahmen eines Lohn- oder Tarifsystems wie auch aus der konkreten Entlöhnung einer bestimmten Person im Vergleich zu jener von Personen des anderen Geschlechts ergeben ( BGE 125 I 71 E. 2b S. 79; BGE 124 II 529 E. 3b S. 531). Sie kann in beiden Fällen insbesondere darauf zurückzuführen sein, dass Arbeitsleistungen nach direkt oder indirekt diskriminierenden Kriterien bewertet werden (vgl. BGE 124 II 409 E. 8 S. 425 f., 436 E. 8 S. 442 ff.; BGE 117 Ia 270 E. 2b S. 273) oder dass neutrale, sachlich als solche zulässige Bewertungskriterien tatsächlich inkonsequent zu Lasten eines Geschlechts angewandt werden, sei es dass ein zur Begründung einer ungleichen Bewertung herangezogenes Kriterium tatsächlich gar nicht vorhanden ist (vgl. BGE 124 II 409 E. 11 S. 432) oder für die Ausübung einer konkreten Tätigkeit keine Rolle spielt (vgl. BGE 117 Ia 270 E. 4a S. 276, wo im Hinblick darauf als fraglich bezeichnet wird, dass ein Vorsprung in der Ausbildung generell einen höheren Lohn rechtfertigt) oder die Bewertung von Arbeitsleistungen nur in einzelnen Fällen beeinflusst hat (vgl. BGE 118 Ia 33 E. 3b S. 40). In Bezug auf solche Diskriminierungstatbestände trifft das Gericht eine unmittelbar aus Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV fliessende minimale Prüfungspflicht. Daraus leitet die Rechtsprechung für Gleichstellungsangelegenheiten spezifische bundesrechtliche Anforderungen an die Erhebung des Sachverhalts ab ( BGE 124 II 529 E. 6a S. 537; BGE 118 Ia 35 E. 2d und e S. 38 f.; vgl. auch BGE 117 Ia 262 E. 4 S. 268 ff.). BGE 125 III 368 S. 372 Im Berufungsverfahren prüft das Bundesgericht als Rechtsfrage frei, ob die Kriterien, nach denen eine Arbeitgeberin die Arbeits- leistungen bewertet und die Löhne festsetzt, ein Geschlecht direkt oder indirekt diskriminieren. In seine Prüfungsbefugnis fällt ausserdem auch die Frage, ob die Vorinstanz die spezifischen bundesrechtlichen Anforderungen an die Erhebung des Sachverhalts sowie die bundesrechtlichen Beweisregeln, insbesondere jene von Art. 6 und 12 GlG (in Verbindung mit Art. 343 OR ), beachtet hat. An die Feststellungen, welche die letzte kantonale Instanz tatsächlich in Würdigung der Beweise getroffen hat, ist das Bundesgericht hingegen - unter Vorbehalt offensichtlicher Versehen - gebunden ( Art. 63 Abs. 2 OG ). 4. Nach Art. 6 GlG wird eine Lohndiskriminierung vermutet, wenn sie von der betroffenen Person glaubhaft gemacht wird. Für eine Glaubhaftmachung braucht nicht die volle Überzeugung des Gerichts herbeigeführt zu werden, sondern es genügt, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine Diskriminierung in der Entlöhnung spricht, auch wenn das Gericht noch mit der Möglichkeit rechnet, dass sie tatsächlich nicht vorhanden sein könnte (vgl. BGE 120 II 393 E. 4b S. 398 mit Hinweisen). Das Kantonsgericht hat zwar im angefochtenen Urteil offen gelassen, ob die Klägerin die Lohndiskriminierung im Sinne von Art. 6 GlG glaubhaft gemacht habe. Aus seinen Feststellungen ergibt sich indes, dass die bundesrechtlichen Anforderungen an eine Glaubhaftmachung erfüllt sind. Dem angefochtenen Urteil ist zu entnehmen, dass die Redaktion des «Y. Tagblatt» in verschiedene Lokalredaktionen unterteilt ist und sowohl die Klägerin als auch T. bei der Lokalredaktion A. tätig waren. Dort verrichteten sie die gleiche Arbeit. Alle Lokalredaktoren hatten die Aufgabe, täglich eine Zeitungsseite mit lokaler bzw. regionaler Berichterstattung zu füllen. T. und die Klägerin arbeiteten abwechslungsweise auf der Redaktion, ohne dass jemand von ihnen Vorgesetzter des anderen gewesen wäre. Die jeweils auf der Redaktion tätige Person war Ansprechpartner für Dritte und betreute die Korrespondenten. Die Klägerin bezog ab 1. Juni 1990 ein Monatseinkommen von Fr. 2'550.- brutto für ein Pensum von 50%, entsprechend Fr. 5'116.- für eine Anstellung zu 100%, sowie eine Pauschalentschädigung von Fr. 295.- für jeden geleisteten Wochenendienst. T. begann im Jahre 1990 mit einem Lohn von Fr. 6'700.- im Monat. Per 31. August 1998 betrug der auf 100% umgerechnete Bruttolohn der Klägerin Fr. 6'645.- im Monat, während T. zu diesem Zeitpunkt ein monatliches BGE 125 III 368 S. 373 Bruttoeinkommen von Fr. 7'675.- aus der gleichen Tätigkeit erzielte. Mit der Feststellung, dass der männliche Arbeitskollege der Klägerin für die gleiche Arbeit während Jahren zwischen Fr. 1'000.- und Fr. 1'500.- pro Monat mehr Lohn erhielt als die Klägerin - was einem Unterschied von zwischen 15% und gut 25% entspricht -, ist eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts glaubhaft gemacht. Nach der bundesrechtlichen Beweisvorschrift von Art. 6 GlG liegt es daher an der Beklagten, Umstände nachzuweisen, aus denen sich ergibt, dass die festgestellte Lohndifferenz auf sachlichen Gründen ohne geschlechterdiskriminierende Wirkung beruht (vgl. STEIGER-SACKMANN, in: BIGLER EGGENBERGER/KAUFMANN (Hrsg.), Kommentar zum Gleichstellungsgesetz, Basel 1997, N. 59-61 zu Art. 6 GlG ). Das Kantonsgericht vertritt im angefochtenen Urteil den Standpunkt, die Beklagte habe solche Umstände nachgewiesen. Diese Auffassung wird in der Berufung als bundesrechtswidrig beanstandet. Die Klägerin rügt einerseits in verschiedener Hinsicht Verletzungen des bundesrechtlich vorgeschriebenen Untersuchungsgrundsatzes ( Art. 12 GlG in Verbindung mit Art. 343 OR ). Anderseits hat die Vorinstanz nach Ansicht der Klägerin den Lohngleichheitsanspruch verletzt, indem sie Umstände, die unter objektiven Gesichtspunkten für die Arbeitsbewertung irrelevant sind, berücksichtigt und umgekehrt objektiv bedeutsame Umstände ausser Acht gelassen hat. 5. Nicht diskriminierend sind nach der Rechtsprechung in der Regel Lohnunterschiede, die auf objektiven Gründen beruhen. Dazu gehören zunächst Gründe, die den Wert der Arbeit selbst beeinflussen können, wie Ausbildung, Dienstalter, Qualifikation, Erfahrung, konkreter Aufgabenbereich, Leistung oder Risiken ( BGE 124 II 409 E. 9c S. 428, 436 E. 7a S. 441 je mit Hinweisen). Darüber hinaus können Lohnunterschiede aber auch aus Gründen gerechtfertigt sein, die nicht unmittelbar die Tätigkeit der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers berühren, sondern sich - wie etwa familiäre Belastungen und das Alter - aus sozialen Rücksichten ergeben (vgl. BGE 118 Ia 35 E. 2c S. 37 f.; BGE 117 Ia 270 E. 4a S. 276). Schliesslich kommt als Rechtfertigungsgrund für Lohnunterschiede die konjunkturelle Lage in Betracht, soweit ihre Berücksichtigung einem wirklichen unternehmerischen Bedürfnis entspricht (vgl. BGE 125 I 71 E. 4d/aa S. 84 f.; BGE 118 Ia 35 E. 2c S. 38; BGE 113 Ia 107 E. 4a S. 116 f.; siehe zum Ganzen auch ANDREAS C. ALBRECHT, Der Begriff der gleichwertigen Arbeit im Sinne des Lohngleichheitssatzes «Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit», Diss. Basel BGE 125 III 368 S. 374 1998, S. 46 ff., sowie den Überblick über die gleichstellungsrechtliche Rechtsprechung des EuGH bei OLIVIER STEINER, Das Verbot der indirekten Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Erwerbsleben, Diss. Basel 1999, S. 281 ff.). Allerdings kann auch mit derartigen, formal geschlechtsneutralen Kriterien unter Umständen eine indirekte Diskriminierung verbunden sein, wie beispielsweise dann, wenn dem Dienstalter zu grosses Gewicht für die Entlöhnung beigemessen wird, ohne Rücksicht auf nach wie vor typischerweise von Frauen zu verzeichnende Karriereunterbrüche aufgrund familiärer Pflichten ( BGE 124 II 409 E. 9d S. 428 mit Hinweisen; vgl. auch STEINER, a.a.O., S. 286 ff.). In der Regel vermögen objektive Gründe im umschriebenen Sinne jedoch eine unterschiedliche Entlöhnung zu rechtfertigen, wenn sie für die konkrete Arbeitsleistung und Lohngestaltung auch wirklich wesentlich sind und entsprechend konsequent die Löhne derselben Arbeitgeberin beeinflussen. a) Die Vorinstanz ist der Beklagten nicht gefolgt, soweit diese zur Rechtfertigung der Lohndifferenz geltend gemacht hatte, der Kollege der Klägerin habe mehr journalistische Erfahrung mitgebracht und sei in der Region stärker verwurzelt gewesen als die Klägerin. Dabei ist die Vorinstanz zutreffend davon ausgegangen, dass die Kriterien der journalistischen Berufserfahrung und der Verwurzelung in der Region für die Qualität der Arbeit in der Lokalredaktion einer Regionalzeitung bestimmend sind und daher grundsätzlich einen Lohnunterschied zwischen Personen unterschiedlichen Geschlechts zu rechtfertigen vermöchten. Sie hat aber auch bundesrechtskonform geprüft, ob die behaupteten Unterschiede tatsächlich bestehen. Nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil hatte die Klägerin vor ihrer Anstellung bei der Beklagten gelegentlich Leserbriefe oder Berichte über Vereinsanlässe geschrieben sowie das «Echo von A.» mitgestaltet. Im Zeitpunkt der Anstellung ihres Kollegen hatte sie drei Jahre Berufserfahrung bei der Beklagten erwerben können. Ihr Kollege hatte demgegenüber vor seiner Anstellung während rund acht Jahren als Korrespondent für die von der Beklagten vertriebene Zeitung und für zwei andere Zeitungen gearbeitet und dabei über Kulturelles sowie politische Angelegenheiten und Vereinsanlässe berichtet. In Bezug auf die regionale Verwurzelung ist dem angefochtenen Urteil zu entnehmen, dass der Kollege der Klägerin in der Region aufgewachsen ist, der Stadtmusik A. angehört hat und zwanzig Jahre lang als Primarlehrer in Y. tätig gewesen ist. Die Klägerin ihrerseits wohnte seit 1976 in A. und war BGE 125 III 368 S. 375 dort Kirchenpflegerin, zehn Jahre lang Sonntagsschullehrerin und sechs Jahre Religionslehrerin; während zwölf Jahren war sie als Erwachsenenbildnerin tätig; ausserdem war sie Mitglied des evangelischen Kirchenchors und des katholischen Frauenturnvereins; ihre vier Kinder sind Bürger von A. Gestützt auf diese Feststellungen hat die Vorinstanz sowohl die beidseitige Berufserfahrung als auch die beidseitige Verwurzelung in der Region als gleich bewertet, was bundesrechtlich nicht zu beanstanden ist. Die Beklagte macht denn in ihrer Berufungsantwort auch nicht geltend, dass aus den im angefochtenen Urteil festgestellten Umständen entgegen der Auffassung des Kantonsgerichts objektive Gründe hätten abgeleitet werden müssen, die unter dem Gesichtswinkel der Berufserfahrung und der Verwurzelung in der Region eine unterschiedliche Entlöhnung der Klägerin und ihres männlichen Kollegen zu rechtfertigen vermocht hätten. b) Die Vorinstanz hat aufgrund besserer Leistungen einen höheren Lohn des T. als «in gewissem Umfang» gerechtfertigt angesehen. Es liegt auf der Hand, dass die Leistung den Wert der Arbeit beeinflusst. Eine bessere Arbeitsleistung in quantitativer oder qualitativer Hinsicht vermag deshalb auch bei gleichem oder vergleichbarem Pflichtenheft einen Lohnunterschied zu rechtfertigen, wenn sie tatsächlich belegt ist. In dieser Hinsicht hat die Vorinstanz festgestellt, dass T. über eine höhere technische Begabung verfügte, die sich bei der Umstellung auf das Computersystem im Jahre 1991 positiv ausgewirkt habe, während die Klägerin über die ganze Dauer ihres Arbeitsverhältnisses Zeit dafür verwendet habe, sich in das neue System einzuarbeiten; ausserdem habe die Klägerin nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil für ihre Arbeit wesentlich mehr Zeit benötigt als ihr Kollege. Aus diesen Feststellungen geht nicht hervor, wie sich die höhere technische Begabung des Kollegen der Klägerin auf die Qualität oder Quantität seiner Arbeitsleistung auswirkte. Die allgemeine Feststellung, dass sich die höhere Leistungsfähigkeit - irgendwie - auf die Arbeit ausgewirkt habe, reicht dafür nicht aus. Eine höhere individuelle Speditivität oder Leistungsfähigkeit bleibt unter dem Gesichtspunkt besserer Arbeitsleistung solange bedeutungslos, als sie sich nicht in zusätzlichen oder besseren Arbeitsergebnissen niederschlägt. Zwar sind an den Nachweis besserer Arbeitsresultate bei erwiesener höherer Leistungsfähigkeit keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Dass aber vorliegend die Arbeitsergebnisse des T. quantitativ oder qualitativ diejenigen der Klägerin übertroffen hätten, BGE 125 III 368 S. 376 lässt sich den vorinstanzlichen Feststellungen nicht entnehmen. Die Vorinstanz hält im Gegenteil fest, die Klägerin habe ihre fehlende technische Begabung durch einen unbezahlten Mehraufwand an Zeit kompensiert. Im angefochtenen Urteil findet sich zwar die Bemerkung, gewisse Arbeiten hätten auf einen bestimmten Zeitpunkt hin erledigt sein müssen, weshalb die geringere Speditivität der Klägerin nicht immer durch unbezahlte Überstunden habe ausgeglichen werden können. Um welche Arbeiten es sich dabei konkret gehandelt hat, lässt sich den vorinstanzlichen Feststellungen jedoch nicht entnehmen. Die Behauptung der Klägerin, dass sie die geforderte Zeitungsseite immer rechtzeitig abgeliefert habe, wird von der Vorinstanz nicht verworfen und die Beklagte widerspricht ihr nicht. Zudem führt die Vorinstanz aus, die Klägerin habe sich durch eine hohe Einsatzbereitschaft ausgezeichnet und sei beispielsweise im Dezember 1994 bereit gewesen, ihren Kollegen für vier Wochen zu vertreten. Welche Auswirkungen diese hohe Arbeitsbereitschaft auf die Arbeitsergebnisse hatte, geht aus dem angefochtenen Urteil wiederum nicht hervor. Aus den Feststellungen der Vorinstanz wird nicht deutlich, wie sich die unterschiedlichen Stärken der Klägerin einerseits und ihres männlichen Kollegen anderseits in qualitativer und quantitativer Hinsicht auf die Arbeitsleistung ausgewirkt haben. Es lässt sich daher nicht beurteilen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Differenz zwischen dem Lohn der Klägerin und jenem des T. durch dessen angeblich bessere Arbeitsleistung gerechtfertigt ist. Insofern bedürfen die tatsächlichen Feststellungen der Ergänzung, weshalb die Streitsache gestützt auf Art. 64 OG an die Vorinstanz zurückzuweisen ist. c) Einen für die Entlöhnung wesentlichen Unterschied erblickt die Vorinstanz weiter in der besonderen Arbeitsmarktlage bei der Anstellung des Kollegen der Klägerin. Sie hat dabei insbesondere berücksichtigt, dass T. wegen seiner Verankerung in der Region und seiner früheren Korrespondententätigkeit der Wunschkandidat der Beklagten gewesen sei und dass er zur Bedingung gestellt habe, dass sein Lohn nicht weniger betrage als sein damaliges Primarlehrergehalt. Dieses lag nach den Feststellungen der Vorinstanz im Zeitpunkt der Anstellung im Jahre 1990 geringfügig höher als der Anfangslohn von monatlich Fr. 6'700.- brutto bei der Beklagten. Da für den Posten des Lokalredaktors nur eine Person mit dem spezifischen Anforderungsprofil des T. in Frage gekommen sei, hat die Vorinstanz als glaubwürdig angesehen, dass er der am besten qualifizierte Bewerber gewesen sei. BGE 125 III 368 S. 377 aa) Die konjunkturelle Lage vermag nach der Rechtsprechung jedenfalls zeitweise eine unterschiedliche Entlöhnung zu rechtfertigen, wenn diese nicht an das Geschlecht der betroffenen Beschäftigten gebunden ist ( BGE 125 I 71 E. 4d/aa S. 84 f., mit Hinweisen). Nicht gefolgt ist das Bundesgericht damit der Lehrmeinung, wonach eine Rechtfertigung von Lohnunterschieden zwischen Mann und Frau durch die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt generell abzulehnen sei (vgl. dazu STEINER, a.a.O., S. 295 f.). Das Bundesgericht hat es beispielsweise als zulässig angesehen, dass ein Kanton sein Lohnsystem für die Krankenpflege auf einen grösseren Markt ausrichtet und die dort bezahlten Gehälter mitberücksichtigt, sofern er dabei nicht einen typischen Frauenberuf in sachlich ungerechtfertigter Weise und in Abweichung von der Arbeitsplatzbewertung deutlich unterbezahlt ( BGE 125 I 71 E. 4d/aa S. 85). Auch in der neueren Literatur werden - unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) - marktbedingte Lohnunterschiede grundsätzlich als zulässig erachtet (ALBRECHT, a.a.O., S. 156), wenn auch nur unter restriktiven Voraussetzungen: Solche Lohnunterschiede müssen insbesondere die Verhältnismässigkeit wahren. Sie müssen daher zunächst einem Ziel dienen, das einem wirklichen unternehmerischen Bedürfnis entspricht, und zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich sein (STEINER, a.a.O., S. 275 f.). Sodann dürfen sie die nachgewiesenen Konjunkturschwankungen nicht übersteigen und müssen in zeitlicher Hinsicht auf das Notwendige beschränkt bleiben (ALBRECHT, a.a.O., S. 157); das Unternehmen hat sie innert angemessener Frist im Rahmen der periodischen Überprüfung der Lohnstruktur zu beseitigen (STEPHAN HEGNER, Salaire égal pour un travail de valeur égale, Zürich 1981, S. 26). Die Arbeitsmarktlage kann somit Lohnunterschiede stets nur begrenzt und vor allem nur vorübergehend rechtfertigen. Das relative Gewicht, das der konjunkturellen Lage unter den lohnbestimmenden Faktoren zusteht, darf ohnehin nicht überschätzt werden. Der Wert einer Arbeit hängt in erster Linie von den objektiven Anforderungen (Anforderungswert) und von der individuellen Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Arbeitskraft (Leistungswert) ab. Die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt sind im Vergleich zu diesen Faktoren von untergeordneter Bedeutung. Die Unternehmen sind den Regeln von Angebot und Nachfrage denn auch nicht vollständig ausgeliefert. Ihr finanzieller Spielraum erlaubt regelmässig ein diskriminierungsfreies Lohnsystem (vgl. STEINER, a.a.O., S. 295). BGE 125 III 368 S. 378 Bei einer Neuanstellung ist zwar denkbar, dass wegen spezifischer Bedürfnisse des Unternehmens eine spezialisierte und besonders wertvolle Arbeitskraft aufgrund der momentanen Marktlage höher entlöhnt werden muss als früher angestellte Personen des andern Geschlechts. Wenn diese Personen jedoch nicht nur gleichwertige, sondern auch gleichartige oder - wie hier - gleiche Arbeit verrichten, ist ein durch die Marktlage zu rechtfertigendes unternehmerisches Bedürfnis nach einer unterschiedlichen Entlöhnung kaum und jedenfalls nicht für längere Zeit denkbar. Denn in einer solchen Situation wird aufgrund der Marktlage für das Unternehmen gerade auch die Arbeit seiner früher eingestellten Mitarbeiter besonders wertvoll. Der Arbeitsmarkt ist wenig transparent. Er zerfällt in geografisch, branchenmässig und berufsspezifisch aufgesplittete Teilmärkte, die von den allgemeinen Konjunkturschwankungen in unterschiedlichem Ausmass beeinflusst werden (vgl. HEGNER, a.a.O., S. 25 f.). Soll die konjunkturelle Lage zur Rechtfertigung einer Lohnentscheidung, die zu unterschiedlichen Löhnen für Männer und Frauen geführt hat, dienen, so ist unerlässlich, dass der relevante Arbeitsmarkt definiert wird. Weiter ist abzuklären, welche Faktoren diesen Markt wie stark beeinflusst haben. Soweit das Vorhandensein und das Gewicht der massgebenden Faktoren nicht notorisch sind, müssen sie durch Wirtschaftsdaten und Statistiken belegt sein. In Betracht fallen nur Faktoren, die wirklich vorhanden waren und den konkreten Lohnentscheid tatsächlich beeinflusst haben. Zu bezeichnen und zu belegen ist im Übrigen auch das konkrete unternehmerische Bedürfnis nach einer marktbedingten vorübergehenden Abweichung von der Lohngleichheit. Nur unter diesen Voraussetzungen ist es möglich, im Blick auf das Lohngleichheitsgebot zu prüfen, ob und wieweit die konjunkturelle Lage einen Lohnunterschied zwischen einer männlichen und einer weiblichen Arbeitskraft zu rechtfertigen vermag. bb) Die Vorinstanz sieht einen konjunkturellen Grund für die höhere Entlöhnung des T. darin, dass dieser im Zeitpunkt seiner Anstellung der Wunschkandidat der Beklagten gewesen sei und dass er nur zu einem seinem bisherigen Primarlehrergehalt entsprechenden Lohn habe angestellt werden können. Individuelle Anforderungen oder besondere Motive der Arbeitgeberin definieren indessen bloss das Profil der für eine bestimmte Stelle in Betracht kommenden Person und bilden insofern den Ausgangspunkt für die Umschreibung des in Frage kommenden Arbeitsmarkts. Sie können BGE 125 III 368 S. 379 dagegen nicht selbst als Bedingungen des Arbeitsmarkts bezeichnet werden. Die Vorinstanz äussert sich im angefochtenen Urteil jedoch weder dazu, welcher Arbeitsmarkt vorliegend konkret massgebend sein soll, noch trifft sie Feststellungen zu den Marktbedingungen, unter denen die Beklagte im Jahre 1990 einen neuen Arbeitnehmer oder eine neue Arbeitnehmerin für ihre Lokalredaktion in A. suchen musste. Zwar dürfte die Vorinstanz davon ausgegangen sein, dass die Beklagte im geografisch begrenzten Tätigkeitsbereich der Lokalredaktion A. im Jahre 1990 eine Person gesucht hat, welche die erwünschte regionale Verwurzelung und eine gewisse Berufserfahrung aufwies. Das angefochtene Urteil enthält jedoch keine Feststellungen über die Merkmale dieses Arbeitsmarkts. Unabgeklärt bleibt insbesondere, inwiefern sich die Marktlage im Jahre 1987, als die Klägerin angestellt wurde, von jener im Jahre 1990 unterschieden haben soll. Es fehlen daher die tatbeständlichen Grundlagen für die Beurteilung, ob und wieweit rein konjunkturelle Gründe die Differenz zwischen dem Lohn der Klägerin und jenem ihres Kollegen zu rechtfertigen vermögen. Bei näherem Hinsehen ergibt sich denn auch, dass die Vorinstanz im Ergebnis gar nicht auf die objektiven Gegebenheiten des Arbeitsmarkts im Zeitpunkt der Anstellung von T. abgestellt hat. Als entscheidend hat sie vielmehr dessen starke individuelle Verhandlungsposition angesehen. Sie ist davon ausgegangen, dass T. als «Wunschkandidat» in den Lohnverhandlungen bei seiner Anstellung mit dem Hinweis auf sein bisheriges Primarlehrergehalt einen Ausnahmelohn habe durchsetzen können. cc) Damit ist ein Gesichtspunkt angesprochen, der zwar nur im weiteren Sinne zur konjunkturellen Lage gehört, unter Umständen aber ähnlich wie diese zur Rechtfertigung einer unterschiedlichen Entlöhung von männlichen und weiblichen Arbeitskräften herangezogen werden kann. Eine solche Rechtfertigung ergibt sich allerdings nicht bereits daraus, dass der Lohn eines einzelnen oder einiger weniger Angestellter als Ausnahmelohn oder, wie sich die Beklagte ausdrückt, als «Ausreisser» erscheint. Das Lohngleichheitsgebot steht auch einer bloss «ausnahmsweisen» Lohndiskriminierung zwischen Angestellten verschiedenen Geschlechts entgegen. Im Hinblick auf Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV und Art. 3 GlG schuldet die Arbeitgeberin eine sachliche Begründung dafür, weshalb ihr die Arbeit einer bestimmten Person mehr wert ist als jene anderer Personen, die dem andern Geschlecht angehören. Der Ausnahmecharakter des Lohnes eines bestimmten Angestellten vermag eine solche Begründung nicht zu ersetzen. Eine lohnmässige Ungleichbehandlung BGE 125 III 368 S. 380 von Personen verschiedenen Geschlechts, für die eine arbeitsbezogene Erklärung fehlt, verstösst auch dann gegen das Lohngleichheitsgebot, wenn es sich um eine «Ausnahme» handelt. Sind konkrete Lohnunterschiede für gleichwertige Arbeit glaubhaft gemacht, so bedarf daher auch ein angeblicher Ausnahmelohn der sachlichen Rechtfertigung. In besonderen Situationen kann zwar ein unternehmerisches Bedürfnis danach bestehen, eine bestimmte Position mit einer genau dafür ausgesuchten Person zu besetzen, die jedoch die Stelle nur anzunehmen bereit ist, wenn sie den von ihr geforderten Lohn erhält, weil sie auf entsprechende Konkurrenzangebote oder auf ein entsprechendes Gehalt am bisherigen Arbeitsplatz verweisen kann (vgl. ALBRECHT, a.a.O., S. 158). Wenn ein Unternehmen einem neuen Arbeitnehmer aufgrund einer derartigen Situation einen Lohn bezahlt, der höher liegt als derjenige, den früher eingestellte Arbeitskräfte des anderen Geschlechts beziehen, so kann dies eine Abweichung von der Lohngleichheit aber wiederum nur in engen Grenzen und für eine beschränkte Dauer rechtfertigen. Das Prinzip des gleichen Lohnes für gleichwertige Arbeit darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass die Arbeit von Frauen bloss deshalb andauernd und in erheblichem Ausmass schlechter entlöhnt wird als jene von Männern, weil Frauen in Lohnverhandlungen eher bereit oder gezwungen sind, niedrigere Löhne zu akzeptieren (vgl. STEINER, a.a.O., S. 296). Eine derartige Perpetuierung vorhandener geschlechtsspezifischer Marktwertunterschiede wäre mit dem Lohngleichheitsgebot nicht zu vereinbaren (vgl. ALBRECHT, a.a.O., S. 158). Auch Lohnunterschiede, die auf eine besonders starke Verhandlungsposition eines Arbeitnehmers bei seiner Anstellung zurückzuführen sind, lassen sich im Hinblick auf Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV und Art. 3 GlG nur rechtfertigen, soweit und solange die Verhältnismässigkeit gewahrt ist, das heisst, soweit die unterschiedliche Entlöhnung einem Ziel dient, das einem wirklichen unternehmerischen Bedürfnis entspricht, sowie zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich ist und soweit sie auch in zeitlicher Hinsicht auf das Notwendige beschränkt bleibt. dd) Im vorliegenden Fall fehlt es indessen bereits an hinreichenden Belegen dafür, dass der Kollege der Klägerin in der Tat einen Ausnahmelohn bezog. Die Vorinstanz hat die Lohndaten von männlichen Angestellten anderer Lokalredaktionen zum Vergleich herangezogen. Gestützt darauf hält sie im angefochtenen Urteil fest, die Klägerin habe bei ihrer eigenen Einstellung im Jahre 1987 im Vergleich zu fünf männlichen Kollegen teils mehr, teils weniger verdient; BGE 125 III 368 S. 381 Ende August 1998 habe von den elf männlichen Kollegen lediglich T. mehr verdient als die Klägerin, während sechs Kollegen bei vergleichbarer - und teils eher höherer - Ausbildung und Berufserfahrung ein gleich hohes Gehalt bezogen hätten. Dieser Vergleich beruht auf einer unvollständigen Grundlage. Insbesondere fehlen im angefochtenen Urteil jegliche Feststellungen zur Verwurzelung der anderen Lokalredaktoren in ihrer jeweiligen Region. Umgekehrt wird im Vergleich mit diesen Redaktoren auf die Ausbildung abgestellt, obschon die Vorinstanz dieses Kriterium in den Vergleich der Arbeitsleistung der Klägerin mit jener von T. nicht einbezogen hat. Auch fehlt jeder Beleg dafür, dass die Beklagte generell dem Lebensalter ihrer Angestellten für die Entlöhnung keine Bedeutung zumisst; die Vorinstanz bezeichnet dies zwar als «nachvollziehbar», sie unterlässt jedoch die erforderliche beweismässige Abklärung. Eine solche hätte sich umso mehr aufgedrängt, als die Verwurzelung in einer bestimmten Gegend mit zunehmendem Lebensalter wachsen dürfte. Jedenfalls ist aufgrund der im kantonalen Verfahren rudimentär erhobenen Lohndaten der angebliche Ausnahmecharakter des Lohnes von T. nicht belegt. ee) Lohnunterschiede aufgrund unterschiedlicher Verhandlungsmacht sind - wie solche aufgrund von Konjunkturschwankungen - im Rahmen der periodischen Bereinigung der Lohnstruktur zu beseitigen, sobald dies möglich und zumutbar ist. Dabei gilt es mitzuberücksichtigen, dass im Hinblick auf das Betriebsklima und die Motivation der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eine möglichst rasche Wiederherstellung der Lohngleichheit auch im wohlverstandenen Interesse des Unternehmens selbst liegt. Dieses muss daran interessiert sein zu verhindern, dass ungerechtfertigte Lohndifferenzen das Betriebsklima vergiften, Leistungsabfälle verursachen und Personalwechsel mit Leistungseinbussen während der Kündigungs- und Einarbeitungszeiten auslösen. Eine auf Dauer angelegte lohnmässige Ungleichbehandlung zwischen Arbeitskräften verschiedenen Geschlechts kann daher keinem wirklichen unternehmerischen Bedürfnis entsprechen. Auch in dieser Hinsicht sind im vorliegenden Fall weitere Abklärungen nötig. Die Vorinstanz wird im Einzelnen zu prüfen haben, ob die Beklagte ihrer Pflicht hinreichend nachgekommen ist, die Lohndifferenz zwischen der Klägerin und T. - soweit sie auf dessen starke Verhandlungsposition bei der Anstellung und nicht auf Unterschieden in der Arbeitsleistung beruht - innert angemessener Frist abzubauen.
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Sachverhalt ab Seite 25 BGE 138 III 25 S. 25 A. Das Betreibungsamt Appenzeller Hinterland stellte Z. in der von der X. AG angehobenen Betreibung Nr. ... am 24. Juni 2011 den Zahlungsbefehl für die Forderung von Fr. 50'000.- nebst Zins zu 5 % seit 1. Januar 2011 zu. Gleichentags liess das Betreibungsamt der X. AG eine Gebührenrechnung im Betrag von Fr. 117.- zukommen. BGE 138 III 25 S. 26 B. Gegen die Gebührenrechnung wandte sich die X. AG an das Obergericht Appenzell Ausserrhoden als Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs. Im Wesentlichen stellte sie das Begehren, die Gebühr für die Zustellung des Zahlungsbefehls auf Fr. 95.- herabzusetzen. Mit Entscheid vom 30. August 2011 wurde die Beschwerde abgewiesen. C. Mit Eingabe vom 26. September 2011 (Postaufgabe) gelangt die X. AG an das Bundesgericht. Die Beschwerdeführerin beantragt im Wesentlichen die Aufhebung des obergerichtlichen Entscheides und die Neufestsetzung der Gebührenrechnung auf Fr. 95.-. (...) Das Bundesgericht heisst die Beschwerde in Zivilsachen teilweise gut. (Auszug)
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die kantonale Aufsichtsbehörde hat festgestellt, dass der Zahlungsbefehl nicht durch die Post habe zugestellt werden können, da der Betriebene eine Umleitungsadresse hinterlegt habe. Die Post habe den Zahlungsbefehl retourniert, worauf das Betreibungsamt dem Betriebenen eine schriftliche Abholungseinladung zugesandt habe. In der Folge habe dieser den Zahlungsbefehl auf dem Betreibungsamt abgeholt und umgehend Rechtsvorschlag erhoben. 2.1 Gemäss Art. 72 Abs. 1 SchKG geschieht die Zustellung des Zahlungsbefehls durch den Betreibungsbeamten, einen Angestellten des Amtes oder durch die Post (vgl. sodann Art. 64 Abs. 2, Art. 66 Abs. 3 und 4 SchKG ). Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin besteht kein Anspruch des Betriebenen auf Erhalt einer vorgängigen Abholungseinladung für einen Zahlungsbefehl, auch wenn sich diese Praxis immer mehr durchzusetzen scheint (Urteil 5A_231/2011 vom 20. April 2011 E. 2). Der Betriebene darf hingegen aufgefordert werden, den für ihn bestimmten Zahlungsbefehl auf dem Betreibungsamt abzuholen. Dabei handelt es sich lediglich um eine Mitteilung, dass die entsprechende Betreibungsurkunde für ihn bereit liege. Eine Pflicht des Betriebenen zur Entgegennahme auf dem Betreibungsamt besteht nicht ( BGE 136 III 155 E. 3.1 S. 156). Der Versuch des Betreibungsamtes, den Zahlungsbefehl vorab postalisch zuzustellen, ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden. 2.2 Gemäss Art. 16 Abs. 1 der Gebührenverordnung vom 23. September 1996 zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und BGE 138 III 25 S. 27 Konkurs (GebV SchKG; SR 281.35) erhebt das Betreibungsamt eine betragsmässig abgestufte Gebühr für den Erlass, die doppelte Ausfertigung, die Eintragung und die Zustellung des Zahlungsbefehls. In der Rechnung vom 24. Juni 2011 wurde für den Zahlungsbefehl Fr. 90.- eingesetzt, was bei einer Betreibungssumme von Fr. 50'000.- dem Gebührenrahmen entspricht. Diese Position wird von der Beschwerdeführerin daher zu Recht nicht in Frage gestellt. Hingegen ist sie der Ansicht, dass in diesem Betrag auch alle Zustellkosten enthalten sind, sofern der Betriebene der Abholungseinladung Folge leistet. Mit dieser Sichtweise blendet sie die in Art. 13 Abs. 1 GebV SchKG enthaltene Regelung aus. Demnach hat das Betreibungsamt alle Auslagen, die sich unter anderem durch die Zustellung des Zahlungsbefehls ergeben, in Rechnung zu stellen. Dieser Auslagenersatz wird insoweit begrenzt, als dass bei einer Amtshandlung überhaupt Auslagen entstehen können. Dies ist beispielsweise bei der Zustellung des Zahlungsbefehls auf dem Amt nicht der Fall, da keine Leistungen an Dritte zu entgelten sind ( BGE 136 III 155 E. 3.3.3 S. 158). Wird hingegen per Post die Zustellung oder ein entsprechender Versuch hierzu veranlasst, so stellen die dadurch angefallenen Kosten entschädigungspflichtige Auslagen im Sinne von Art. 13 Abs. 1 GebV SchKG dar. 2.2.1 Im vorliegenden Fall sind daher die Auslagen für den erfolglosen Versuch der Zustellung des Zahlungsbefehls durch die Post in Rechnung zu stellen. Das Betreibungsamt kann Fr. 5.- als Ersatz für Auslagen der Posttaxen für die eingeschriebene Sendung gemäss Art. 13 Abs. 1 GebV SchKG verlangen (BOESCH, in: Kommentar SchKG, Gebührenverordnung, 2008, N. 16 zu Art. 16 GebV SchKG ). Der Auslagenersatz kann Fr. 8.- betragen, wenn die neue postalische Dienstleistung "Betreibungsurkunde" in Anspruch genommen wurde (vgl. Information Nr. 8 des Bundesamtes für Justiz, Dienststelle Oberaufsicht für Schuldbetreibung und Konkurs, vom 11. März 2011 an die kantonalen Aufsichtsbehörden). Gemäss vorinstanzlicher Feststellung hat das Betreibungsamt eine "Posttaxe Fr. 8.-" in Rechnung gestellt. Da dieser Punkt von der Beschwerdeführerin nicht in Frage gestellt wird, ist darauf nicht weiter einzugehen. 2.2.2 Nach den Angaben des Betreibungsamtes in der Vernehmlassung (vom 11./22. Juli 2011) an die Aufsichtsbehörde hat die Post die Sendung retourniert und die Umleitungsadresse des Schuldners in Wattwil vermerkt. Gemäss den (unter www.post.ch veröffentlichten) Konditionen der Post für Betreibungsurkunden (BU) BGE 138 III 25 S. 28 erfolgt eine Nachsendung ausserhalb des Betreibungskreises nur auf ausdrücklichen Wunsch des Betreibungsamtes. In der Tat obliegt der Entscheid dem Amt, ob es die Rechtshilfe eines anderen Betreibungsamtes mittels Post ersetzen will (vgl. BGE 73 III 118 E. 1 S. 121). Nach einer postalischen Rückleitung des Zahlungsbefehls muss das Betreibungsamt jedoch erneut tätig werden und fällt die Gebühr von Fr. 7.- für den Zustellversuch nach Art. 16 Abs. 3 GebV SchKG an (BOESCH, a.a.O.). Vorliegend hat das Betreibungsamt keine Gebühr für den Zustellversuch erhoben. Die Aufsichtsbehörde hat allerdings entschieden, dass die Gebühr vom Betreibungsamt hätte verlangt werden können. Darauf geht die Beschwerdeführerin nicht näher ein, so dass die Kostenrechnung in diesem Umfang Bestand hat. 2.2.3 Alsdann hat das Betreibungsamt keine weitere postalische Zustellung (an die Adresse in Wattwil) vorgenommen, sondern dem Schuldner eine Abholungseinladung zugesandt und hierfür Fr. 14.- in Rechnung gestellt. Nach der Aufsichtsbehörde beinhaltet der Betrag den "Aufwand für das Schreiben von Fr. 8.-, das Porto von Fr. 1.- sowie die Protokollierung von Fr. 5.-". Bei der Abholungseinladung des Betreibungsamtes handelt es sich um eine zur gesetzlichen Durchführung der Zwangsvollstreckung nicht vorgeschriebene Amtshandlung, weshalb die Gebührenpflicht vom Bundesgericht bereits als fraglich bezeichnet worden ist ( BGE 136 III 155 E. 3.3.4 S. 159; vgl. BGE 37 I 580 E. 3 S. 585). Zu Recht schliesst die Lehre die Kostenüberwälzung von gesetzlich nicht vorgesehenen Vorkehren grundsätzlich aus (EMMEL, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 20 zu Art. 68 SchKG ). Im Gegensatz zu anderen Anzeigen (vgl. Art. 120, 139 SchKG ) ist im Gesetz nicht vorgesehen, dass das Betreibungsamt den Schuldner über das Vorliegen eines ausgefertigten, zustellbereiten Zahlungsbefehls benachrichtigt. Weiter ist zu bedenken, dass das Betreibungsamt mit einer Fristansetzung zur Abholung entscheidet, während einer bestimmten Zeit keine der Vorkehren nach Art. 72 Abs. 1 SchKG zu treffen, um den Zahlungsbefehl zuzustellen; dies kann die Rechtsstellung des betreibenden Gläubigers beeinträchtigen (Urteil 5A_268/2007 vom 16. August 2007 E. 3, in: BlSchK 2008 S. 131). Allein der Umstand, dass sich in der Praxis die Zustellung einer Abholungseinladung einzubürgern scheint, rechtfertigt indessen noch nicht, die betreffenden Auslagen nach Art. 13 Abs. 1 GebV SchKG zu behandeln oder weitere Gebühren für Schriftstücke zu erheben (vgl. Art. 9 GebV SchKG ). Insoweit BGE 138 III 25 S. 29 besteht keine gesetzliche Grundlage, für eine Abholung des Zahlungsbefehls auf dem Betreibungsamt zusätzliche Kosten zu überwälzen. 2.3 Für die Rücksendung des Zahlungsbefehlsdoppels an die Gläubigerin wurde schliesslich zu Recht die Posttaxe von Fr. 5.- verlangt ( BGE 130 III 387 E. 4 S. 391). Dies führt zum Ergebnis, dass die Gebührenrechnung des Betreibungsamtes Nr. ... vom 24. Juni 2011 um den Betrag von Fr. 7.- herabzusetzen ist und statt Fr. 117.- nunmehr Fr. 110.- beträgt. Hingegen fällt der bereits im kantonalen Verfahren gestellte Antrag, die in anderen Fällen erhobenen Gebühren "einzuziehen und einem Hilfswerk zu überweisen", ausser Betracht. Ein sachlicher Zusammenhang mit der vorliegenden Verfügung ist nicht erkennbar.
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Sachverhalt ab Seite 346 BGE 130 III 345 S. 346 A. A. (der Beklagte) ist Architekt und ein in der Gegend anerkannter Liegenschaftenschätzer. Er verfasste im Jahre 1994 im Auftrag der Eigentümer einen Schätzungsbericht über die Liegenschaft D. in C. Darin finden sich keine Hinweise auf Mängel der Liegenschaft. In der Absicht, das Haus zu verkaufen, liessen die Eigentümer den Schätzungsbericht samt der Verkaufsdokumentation den Kaufsinteressenten E. und S. B. (den Klägern) zukommen. Diese erwarben die Liegenschaft am 21. November 1996. B. Kurz nach dem am 1. März 1997 erfolgten Besitzantritt wurden die Kläger gewahr, dass sich beim Vordach Probleme stellen könnten, weshalb sie das Haus begutachten liessen. Die beigezogenen Holzbaufachleute stellten in ihrer Expertise vom 27. August 1997 Mängel betreffend Dachkonstruktion, Vordach, Statik und Feuchtigkeit im Keller fest. Am 29. August 1997 erhoben die Käufer deswegen Mängelrüge mit Kopie an den Beklagten, und sie verlangten vorsorgliche Beweissicherung beim zuständigen Gericht. Die im Rahmen dieses Verfahrens beauftragten Fachleute BGE 130 III 345 S. 347 konstatierten im Wesentlichen dieselben Mängel wie die privaten Gutachter, unter anderen die nicht fachgerechte Ausführung der Holzbauarbeiten im Dachgeschoss und im Keller sowie der Isolation der Kellerdecke. Die Kosten für die Sanierung dieser und weiterer, hier nicht interessierender Mängel wurden auf insgesamt Fr. 63'900.- veranschlagt. Die Kläger liessen den Beklagten wissen, dass sie ihn - neben den Verkäufern und dem Architekten, der das Haus umgebaut hatte - für die Schäden haftbar machen würden. Der Beklagte lehnte seine Haftung ab. C. Mit Klage vom 5. Mai 1999 beantragten die Kläger dem Bezirksgericht Werdenberg, den Beklagten zu verpflichten, ihnen Fr. 68'228.65 nebst gestaffeltem Zins zu bezahlen. Sie beriefen sich darauf, dass der Schätzbericht des Beklagten bei ihnen Vertrauen auf die Mängelfreiheit der Liegenschaft geschaffen habe, welches ihren Kaufentschluss mitbestimmt habe. In diesem Vertrauen seien sie jedoch enttäuscht worden. Das Bezirksgericht kam zum Ergebnis, der Schätzungsbericht des Beklagten sei mangelhaft, weil die bei dessen Abfassung erkennbaren Mängel betreffend Holzbauarbeiten im Dachgeschoss und im Keller sowie Isolation der Kellerdecke darin nicht erwähnt seien. Das Bezirksgericht bejahte insoweit eine Vertrauenshaftung des Beklagten und schützte die Klage im Umfang von Fr. 30'960.50 nebst Zins. Das hierauf mit der Sache befasste Kantonsgericht St. Gallen wies mit Entscheid vom 2. Juni 2003 sowohl die Berufung des Beklagten als auch die Anschlussberufung der Kläger ab. D. Der Beklagte beantragt dem Bundesgericht mit eidgenössischer Berufung die Aufhebung des Urteils des Kantonsgerichts und die Abweisung der Klage, eventuell die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu angemessener Berücksichtigung des Mitverschuldens der Kläger und entsprechender Reduktion der Forderung. Die Kläger schliessen auf Abweisung der Berufung.
646
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Die kantonalen Gerichte kamen übereinstimmend und zutreffend zum Ergebnis, eine ausservertragliche Haftung scheitere am Erfordernis der Widerrechtlichkeit, da den Beklagten keine Rechtspflicht zum Schutze des Vermögens eines Dritten treffe. Auch eine Haftung des Beklagten aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter lehnten die Vorinstanzen zu Recht ab. Eine solche Haftung BGE 130 III 345 S. 348 ist in der bisherigen Praxis nie grundsätzlich bejaht worden. Die Frage braucht auch vorliegend nicht entschieden zu werden. Denn sie wäre nur denkbar, wenn der Verkäufer im Einverständnis mit den Käufern den Schätzungsauftrag in eigenem Namen erteilt und dem Beklagten diese gemeinsame Interessenlage offen gelegt hätte. Dies trifft im vorliegenden Fall aber nicht zu. Damit aber sind die Interessen der Vertragsparteien gegenläufig: Der Verkäufer ist an einem möglichst hohen, die Käufer an einem möglichst tiefen Verkehrswert interessiert. In einem solchen Fall scheidet die Annahme eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auch nach Auffassung der in der neueren Rechtslehre vertretenen Befürworter dieser Rechtsfigur aus (vgl. HANS PETER WALTER, Vertrauenshaftung im Umfeld des Vertrages, in: ZBJV 132/1996 S. 291 f.; anders die Praxis in Deutschland: Urteil des Bundesgerichtshofes [BGH] vom 10. November 1994 - III ZR 50/94 [Köln], publ. in: Neue Juristische Wochenschrift 1995 S. 392; im Ergebnis zustimmend DIETER MEDICUS, Anmerkung, Juristenzeitung 1995 S. 308 f.; wie hier CLAUS-WILHELM CANARIS, Schutzwirkungen zugunsten Dritter bei "Gegenläufigkeit" der Interessen: zugleich eine Besprechung der Entscheidung des BGH vom 10. November 1994 - III ZR 50/94, publ. in: Juristenzeitung 1995 S. 441 ff.). Auch eine Haftung des Beklagten als Gehilfe oder Mittäter aus culpa in contrahendo scheidet aus. Eine absichtliche Täuschung ( Art. 28 OR ) der Kläger durch den Beklagten ist nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht auszumachen. Ob Fahrlässigkeit für die culpa in contrahendo genügt (bejahend WALTER, a.a.O., ZBJV 132/1996 S. 292; CANARIS, a.a.O., S. 445), kann offen bleiben, weil die erforderliche Sachnähe des Gutachtens zu den Verhandlungen des Kaufvertrages fehlte. Das Gutachten wurde nicht im Hinblick auf diese Vertragsverhandlungen erstellt, sondern zwei Jahre nach der Ablieferung dazu verwendet. Auf diese zeitliche Distanz erscheint eine culpa in contrahendo ausgeschlossen (vgl. WALTER, a.a.O., ZBJV 132/1996 S. 293). Zudem ginge diese auf das negative Interesse, wogegen die Kläger inhaltlich einen Erfüllungsschaden geltend machen ( BGE 105 II 75 E. 3 S. 81). Die kantonalen Gerichte schützten die Klage indessen auf Grund der in jüngster Zeit vom Bundesgericht als eigenständige Haftungsgrundlage anerkannten Rechtsfigur der Vertrauenshaftung. BGE 130 III 345 S. 349 2. 2.1 Die Haftung aus erwecktem Vertrauen, welche als Oberbegriff jene aus culpa in contrahendo und die weiteren interessenmässig gleich gelagerten Tatbestandsgruppen umfasst (BAUMANN, Zürcher Kommentar, N. 108 und 123 zu Art. 2 ZGB ; KRAMER, Berner Kommentar, Allgemeine Einleitung in das schweizerische OR, N. 151), ist zwischen Vertrag und Delikt angesiedelt. Es handelt sich dabei um die Haftung eines vertragsfremden Dritten, bei welcher das von diesem erweckte Vertrauen die Rechtsgrundlage eines Schadenersatzanspruchs bildet, wenn es anschliessend enttäuscht wird. Schutzwürdiges Vertrauen setzt ein Verhalten des Schädigers voraus, das geeignet ist, hinreichend konkrete und bestimmte Erwartungen des Geschädigten zu wecken ( BGE 124 III 297 E. 6a S. 304; BGE 121 III 350 E. 6c S. 355; BGE 120 II 331 E. 5a S. 336; Urteile des Bundesgerichts 4C.299/1998 vom 7. Januar 1999, E. 4a, publ. in: SJ 2000 I S. 537 f.; 4C.280/1999 vom 28. Januar 2000, E. 3a, publ. in: SJ 2000 I S. 554 f.; KRAMER, a.a.O., N. 150; BUCHER, Basler Kommentar, 3. Aufl., N. 69a ff. zu Art. 1 OR ). Trifft der Geschädigte sich als nachteilig erweisende Dispositionen, hat der Schädiger für den Schaden einzustehen, sofern und soweit die nicht verwirklichte Erwartung dafür adäquat kausal war. 2.2 Die Haftung aus erwecktem und enttäuschtem Vertrauen setzt voraus, dass die Beteiligten in eine so genannte "rechtliche Sonderverbindung" zueinander getreten sind, welche erst rechtfertigt, die aus Treu und Glauben ( Art. 2 ZGB ) hergeleiteten Schutz- und Aufklärungspflichten greifen zu lassen ( BGE 120 II 331 E. 5a S. 336). Eine derartige Sonderverbindung entsteht aus bewusstem oder normativ zurechenbarem Verhalten der in Anspruch genommenen Person. Ein zufälliges und ungewolltes Zusammenprallen, wie es im Regelfall einer auf Fahrlässigkeit gründenden Deliktshaftung eigen ist ( BGE 128 III 324 E. 2.2 S. 327; Urteil des BGE 130 III 345 S. 350 Bundesgerichts 4C.280/1999 vom 28. Januar 2000, E. 3a, publ. in: SJ 2000 I S. 554 f.; KRAMER, a.a.O., N. 141; HANS PETER WALTER, Die Vertrauenshaftung: Unkraut oder Blume im Garten des Rechts?, in: ZSR 120/2001 I S. 97), schafft dagegen keine derartige Sonderverbindung. Die Eigenhaftung eines Erfüllungsgehilfen kommt damit nur in Betracht, wenn er selbst in engen persönlichen Beziehungen zum Kunden seines Auftraggebers stand oder wenn er diesem aufgrund seines gesamten Verhaltens gleichsam persönliche Gewähr für das Gelingen des übernommenen Geschäfts bot (Urteil des Bundesgerichts 4C.280/1999 vom 28. Januar 2000, E. 3a, mit Hinweis auf WIEGAND/BERGER, Zur rechtssystematischen Einordnung von Art. 11 BEHG , in: ZBJV 135/1999 S. 713 f. und 743). Ein unmittelbarer Kontakt zwischen Ansprecher und Schädiger ist demnach nicht unabdingbar. Es genügt, dass die in Anspruch genommene Person explizit oder normativ zurechenbar kundgetan hat, für die Richtigkeit bestimmter Äusserungen einzustehen und der Ansprecher im berechtigten Vertrauen darauf Anordnungen getroffen hat, die ihm zum Schaden gereichten. Eine derartige Konstellation lag BGE 120 II 331 E. 5a S. 337 zugrunde, wo hervorgehoben wurde, dass sich die Haftung aus Konzernvertrauen, wenn sich dieses aus bestimmten Aussagen der Muttergesellschaft ergibt, mit der Haftung aus falschem Rat und mangelhafter Auskunft berührt. Daraus folgt, dass unter denselben Voraussetzungen auch ein Experte, dessen Auftrag im Wesentlichen stets darin besteht, bestimmte Fragen aus seinem Fachbereich zu beantworten, bereits bei einer mittelbaren Beziehung gegenüber einem vertragsfremden Dritten aus erwecktem Vertrauen haftbar werden kann. Die Analogie zur culpa in contrahendo-Haftung lässt sich herstellen durch Anknüpfung an den intendierten Vertrag zwischen dem Dritten und dem Auftraggeber des Experten, auf den die Expertise Einfluss zu nehmen bestimmt ist. Der Experte, der ein Schriftstück erarbeitet, welches dann von seinem Auftraggeber an den Dritten weitergegeben wird, tritt jedenfalls dann in mittelbare Beziehung zum Empfänger, wenn die Weitergabe mit seinem - wirklichen oder vertrauenstheoretisch zurechenbaren - Einverständnis erfolgt (CLAUS-WILHELM CANARIS, Die Reichweite der Expertenhaftung gegenüber Dritten, in: Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht 163/1999 S. 224 ff.). Dabei spielt keine Rolle, ob der Experte den Dritten kennt oder zumindest weiss, um wen es sich handelt oder nicht, denn das Haftungsrisiko richtet sich nach den davon unabhängigen Kriterien des Inhalts der Expertise und deren Verwendungszweck (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4C.202/2002 vom 30. Oktober 2002, E. 4.1; CANARIS, a.a.O., S. 235; ihm folgend ALAIN HIRSCH, La responsabilité de l'expert envers les tiers, in: Chappuis/Winiger, La responsabilité fondée sur la confiance, Journée de la responsabilité civile 2000, Zürich 2001, S. 83; REGULA FEHLMANN, Vertrauenshaftung - Vertrauen als alleinige Haftungsgrundlage, Diss. St. Gallen 2002, S. 147 mit Hinweisen). Ob der Gutachter mit der Begebung seiner Expertise an den ihn BGE 130 III 345 S. 351 belangen den Dritten rechnen musste, entscheidet sich nach den konkreten Umständen, dem gesellschaftlichen und beruflichen Kontext und der sozialen Rolle der Betroffenen (RAINER GONZENBACH, Culpa in contrahendo im schweizerischen Vertragsrecht, Diss. Bern 1987, S. 37; ERNST A. KRAMER, Diskussionsbeitrag zum Thema "Vertrauenshaftung" in: Chappuis/Winiger, a.a.O., S. 190). Diese bestimmen auch über die Intensität der Sonderverbindung, nach welcher sich wiederum der Umfang der Haftung richtet (EUGEN BUCHER, Was man aus einem Fall von "Putativ-Vertrauenshaftung" lernen kann, in: recht 19/2001 S. 79; WALTER, a.a.O., ZSR 120/2001 I S. 97). So hat das Bundesgericht im Urteil 4C.280/1999 vom 28. Januar 2000, E. 3a (publ. in: SJ 2000 I S. 554 f.) eine Sonderverbindung zwischen einem vom bauenden Grundeigentümer zur Baugrundabklärung und Begleitung der Aushubarbeiten beauftragten Geologen und den Eigentümern der durch die Bauarbeiten beschädigten Nachbarliegenschaft verneint. Zur Begründung führte es aus, weder sei festgestellt, dass eine persönliche Beziehung zwischen den Parteien stattgefunden habe noch dass der Beklagte den Klägern zugesichert habe, die Bautätigkeit werde ihr Eigentum nicht tangieren. Dispositionen der Kläger gestützt auf eine vom Beklagten geschaffene Vertrauensposition seien ebenfalls nicht auszumachen. Der Kontakt zwischen den Parteien sei ausschliesslich durch die als Folge von Bauarbeiten auf dem klägerischen Grundstück verursachten Schäden bedingt. Demgegenüber gelangte die Vorinstanz in Würdigung der Umstände im vorliegenden Fall zum Ergebnis, für den Beklagten sei die Weitergabe seines Schätzungsberichts an potenzielle Käufer voraussehbar gewesen. Ob sie dabei Bundesrecht verletzte, ist nachstehend zu prüfen. 3. 3.1 Der Beklagte macht mit der Berufung geltend, die Vorinstanz habe in keiner Weise begründet, worin die besondere Intensität der mittelbaren Beziehung zwischen den Parteien bestanden haben soll. Eine solche liege auch nicht vor, denn die Kläger hätten es unterlassen, den Beklagten vor Vertragsschluss zu kontaktieren und anzufragen, wie umfassend er seinerzeit die Liegenschaft untersucht habe und ob sie sich mit Bezug auf die Mängelfreiheit auf das zwei Jahre zuvor erstellte Gutachten verlassen könnten. Sie hätten daher die alleinige Verantwortung für ihre Vertrauensseligkeit zu tragen. BGE 130 III 345 S. 352 3.2 Im vorliegenden Fall bestand zwischen dem Eigentümer der Liegenschaft D. in C. und dem Beklagten ein Auftragsverhältnis gemäss Art. 394 ff. OR . Der Beklagte verpflichtete sich gegenüber dem Liegenschafteneigentümer, ein Schätzungsgutachten über die genannte Liegenschaft zu erstellen. Wie die Kläger selbst angaben, diente das Gutachten dem damaligen Liegenschafteneigentümer dazu, bei der Bank eine Erhöhung des Hypothekarkredits zu erlangen. Die Kläger erhielten erst zwei Jahre später Kenntnis vom besagten Gutachten, als es ihnen im Rahmen einer Verkaufsdokumentation vorgelegt wurde. Der Beklagte konnte zwar nicht völlig ausschliessen, dass das von ihm erstellte Gutachten von irgendwelchen Personen in irgendeinem Zusammenhang zu einem späteren Zeitpunkt einmal eingesehen werden könnte. Allein die Möglichkeit einer zufälligen Kenntnisnahme vom Gutachten genügt aber nicht zur Begründung der Vertrauenshaftung. Dem angefochtenen Urteil ist nicht zu entnehmen, dass zwischen den Parteien zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens ein direkter Kontakt bestand oder dass der Beklagte von den Klägern und deren späteren Kaufsabsichten wusste. Auch liegen keine Anhaltspunkte vor, die darauf hindeuten, dass der Beklagte von den Klägern hätte wissen müssen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass zwischen den Parteien zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens keine Verbindung bestand, die ein legitimes Vertrauen der Kläger in die Richtigkeit des vom Beklagten erstellten Gutachtens hätte begründen können. Ebenso wenig war für den Beklagten voraussehbar, dass der Liegenschafteneigentümer das Gutachten, welches dieser im Hinblick auf ein Gesuch um die Erhöhung des Hypothekarkredits bestellt hatte, zwei Jahre später in einem anderen Zusammenhang, dem Verkauf der Liegenschaft, nochmals verwenden würde. Eine Vertrauensbasis hätte das Gutachten höchstens gegenüber der Bank darstellen können, wenn diese gestützt auf im Gutachten enthaltene falsche Angaben nachteilige Dispositionen getroffen hätte. Das Gutachten zirkulierte aber im zeitlichen Abstand von zwei Jahren innerhalb eines Personenkreises, der mit dem ursprünglichen Zweck des bestellten Gutachtens nichts mehr zu tun hatte. Diese Personen, von denen der Beklagte nichts wusste und nichts wissen musste, waren nicht berechtigt, sich auf die Richtigkeit der Angaben im Gutachten zu verlassen. Die Haftung des Beklagten für das bei den Klägern erweckte Vertrauen dennoch zu bejahen, würde dazu BGE 130 III 345 S. 353 führen, dass die Vertrauenshaftung zu einer Haftung gegenüber jeder zufällig mit dem Gutachten in Berührung kommenden Person und mithin zu einer Haftung gegenüber jedermann (erga omnes) ausufern würde. Die Haftung des Beklagten ist deshalb zu verneinen.
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Sachverhalt ab Seite 476 BGE 148 II 475 S. 476 A. Am 30. Oktober 2012 eröffnete das Sekretariat der Wettbewerbskommission (nachfolgend: Sekretariat) im Einverständnis mit einem Mitglied des Präsidiums der Wettbewerbskommission gegen die A. AG und mehrere weitere Unternehmen eine Untersuchung im Sinne von Art. 27 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz, KG; SR 251) wegen Verdachts auf Wettbewerbsverstösse. Die amtliche Publikation der Untersuchungseröffnung erfolgte am 13. November 2012 (vgl. BBl 2012 8999). Bereits am 1. November 2012 reichte die A. AG einen Marker für eine Selbstanzeige ein. Am 22. April 2013 BGE 148 II 475 S. 477 wurde die Untersuchung auf weitere Unternehmen ausgedehnt. Mit Schreiben vom 23. April 2013 teilte das Sekretariat der A. AG mit, dass deren Selbstanzeige zuerst eingegangen sei und es die Voraussetzungen für den vollständigen Erlass einer allfälligen Sanktion als gegeben erachte. Im Rahmen der Untersuchungen stellte die Wettbewerbskommission (nachfolgend: WEKO) zwei Sachverhaltskomplexe fest, die sie einer rechtlichen Würdigung unterzog: Die A. AG habe sich von 2004 bis Mai 2010 mit weiteren Unternehmen an regelmässigen Zuteilungssitzungen zusammengefunden. Dabei habe Konsens bestanden, die in Nord- und Südbünden vom Kanton Graubünden und von dessen Gemeinden vergebenen Strassenbauprojekte untereinander aufzuteilen. Die Zuteilung sei anhand von Anteilsquoten erfolgt. Die designierte Zuschlagsempfängerin sollte dabei die niedrigste, die übrigen anbietenden Unternehmen höhere Angebotssummen einreichen. Diesen Sachverhalt würdigte die WEKO als unzulässige Preis- und Geschäftspartnerabrede gemäss Art. 5 Abs. 3 lit. a und lit. c KG . Ausserdem habe sich die A. AG im Zeitraum von 2006 bis 2012 zusammen mit drei weiteren Unternehmen an regelmässigen "Club Quattro"-Sitzungen über ihre Interessenlage mit Blick auf die im Churer Rheintal vergebenen Hochbauprojekte ausgetauscht und diese Informationen bei der Erstellung der Offerten berücksichtigt. Diesen Sachverhalt würdigte die WEKO als unzulässige Wettbewerbsabrede im Sinne von Art. 5 Abs. 1 KG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 KG . B.
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In der Folge erliess die WEKO der A. AG die Sanktion vollständig und verfügte am 19. August 2019 mit Dispositiv-Ziffern 1, 2 und 5, was folgt: "1. Der [...] A. AG [...] wird untersagt, 1.1. Konkurrenten und Konkurrentinnen im Zusammenhang mit der Erbringung von Strassenbauleistungen um Schutz, Stützofferten oder den Verzicht einer Offerteingabe anzufragen oder derartiges anzubieten; 1.2 sich in Zusammenhang mit der Erbringung von Strassenbauleistungen mit Konkurrenten und Konkurrentinnen vor Ablauf der Offerteingabefrist - oder, sofern nicht vorhanden, vor rechtskräftiger Auftragserteilung - über Offertpreise, Preiselemente sowie die Zu- und Aufteilung von Kunden und Kundinnen und Gebieten auszutauschen. Davon BGE 148 II 475 S. 478 ausgenommen ist der Austausch unabdingbarer Informationen im Zusammenhang mit: a) der Bildung und Durchführung von Arbeitsgemeinschaften (ARGE); sowie b) der Mitwirkung an der Auftragserfüllung als Subunternehmer. 2. Der [...] A. AG [...] wird untersagt, Konkurrenten und Konkurrentinnen im Zusammenhang mit der Erbringung von Hochbauleistungen um Informationen über die Interessenlage der Konkurrenten und Konkurrentinnen an noch nicht vergebenen Hochbauprojekten anzufragen sowie Konkurrenten und Konkurrentinnen Auskünfte über die eigene Interessenlage an noch nicht vergebenen Hochbauprojekten anzubieten oder zu geben. Davon ausgenommen ist der Austausch unabdingbarer Informationen im Zusammenhang mit: a) der Bildung und Durchführung von Arbeitsgemeinschaften (ARGE); sowie b) der Mitwirkung an der Auftragserfüllung als Subunternehmer. [...] 5. Die Verfahrenskosten betragen CHF 843 049 und werden folgendermassen auferlegt: [...] 5.7 Die A. AG trägt CHF 77 279. [...]". Gegen die Verfügung vom 19. August 2019 erhob die A. AG am 3. Oktober 2019 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Sie beantragte, es seien die Dispositiv-Ziffern 1 und 2 in Bezug auf die A. AG aufzuheben und es seien die in der Dispositiv-Ziffer 5.7 der A. AG auferlegten Verfahrenskosten auf maximal Fr. 67'196.20 zu reduzieren. Eventualiter seien die Dispositiv-Ziffern 1 und 2 in Bezug auf die A. AG in sachlicher, persönlicher, räumlicher und in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt anzuordnen. Die Beschwerdeführerin begründete die Anträge im Wesentlichen damit, die Massnahmen seien unzulässig, unverhältnismässig und würden gegen das Bestimmtheitsgebot sowie den Gleichbehandlungsgrundsatz verstossen. Zudem sei die Kostenzuteilung auf das vorliegende Verfahren unverhältnismässig und der Abzug der vom Staat zu tragenden Kosten zu gering. Mit Urteil vom 9. August 2021 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ab. BGE 148 II 475 S. 479 C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 1. Oktober 2021 gelangt die A. AG an das Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des Urteils vom 9. August 2021 und der Dispositiv-Ziffern 1 und 2 der Verfügung vom 19. August 2019 in Bezug auf die A. AG. Eventualiter sei die Dispositiv-Ziffer 1 der Verfügung vom 19. August 2019 in Bezug auf die A. AG ausschliesslich für den relevanten Markt für die Erbringung von Strassenbauleistungen gegenüber dem Kanton Graubünden und den Graubündner Gemeinden (ohne Misox) im Gebiet Nordbünden sowie Südbünden (Bergell, Engadin, Region Bernina und Münstertal) sowie zeitlich beschränkt auf fünf Jahre seit Rechtskraft der Verfügung anzuordnen. Ebenfalls eventualiter sei die Dispositiv-Ziffer 2 der Verfügung vom 19. August 2019 in Bezug auf die A. AG ausschliesslich für den relevanten Markt für die Erbringung von Hochbauleistungen gegenüber öffentlichen und privaten Bauherren im Gebiet des Wirtschaftsraums zwischen Reichenau und Landquart auf einer Strecke von 25 km entlang des Rheins (Teil des Churer Rheintals) sowie zeitlich beschränkt auf fünf Jahre seit Rechtskraft der Verfügung anzuordnen. Subeventualiter sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die WEKO zurückzuweisen. Während die Vorinstanz auf eine Vernehmlassung verzichtet, beantragt die WEKO, die Beschwerde sei abzuweisen und die Dispositiv-Ziffern 1 und 2 der Verfügung vom 19. August 2019 seien in Bezug auf die Beschwerdeführerin zu bestätigen. Die Beschwerdeführerin repliziert mit Eingabe vom 25. November 2021. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Das Kartellgesetz bezweckt gemäss Art. 1 KG , volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen von Kartellen und anderen Wettbewerbsbeschränkungen zu verhindern und damit den Wettbewerb im Interesse einer freiheitlichen marktwirtschaftlichen Ordnung zu fördern. 3.1 Die Umsetzung dieses Zwecks erfolgt durch Regelungen zu Abreden (vgl. Art. 5 KG ), zu Verhaltensweisen marktbeherrschender Unternehmen (vgl. Art. 7 KG ) sowie zu Unternehmenszusammenschlüssen (vgl. Art. 9 f. KG) und hauptsächlich in der Form des Verwaltungsrechts sowie im Zuge eines Verwaltungsverfahrens (vgl. BGE 148 II 182 E. 3.1). Das Kartellrecht als Verwaltungsrecht BGE 148 II 475 S. 480 auferlegt seinen Adressaten zahlreiche Pflichten. Zur Sicherstellung der Erfüllung dieser Pflichten hat der Gesetzgeber präventive und repressive Verwaltungsmassnahmen sowie Verwaltungssanktionen (vgl. Art. 30 Abs. 1 KG , Art. 49a Abs. 1 KG , Art. 50 KG ), aber auch Strafsanktionen (vgl. Art. 54 f. KG) vorgesehen. 3.2 Im zweiten Abschnitt des vierten Kapitels zur Untersuchung von Wettbewerbsbeschränkungen im Rahmen des verwaltungsrechtlichen Verfahrens bestimmt Art. 30 Abs. 1 KG (Entscheid), dass die Wettbewerbskommission auf Antrag des Sekretariats mit Verfügung über die zu treffenden Massnahmen oder die Genehmigung einer einvernehmlichen Regelung entscheidet. 3.2.1 Die Bestimmung von Art. 30 KG geht auf die Totalrevision des Kartellgesetzes aus dem Jahre 1994 zurück (vgl. AS 1996 546 ff., S. 554; Botschaft vom 23. November 1994 zu einem Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen, BBl 1995 I 468 ff., 604 f.; vgl. auch IZUMI/KRIMMER, in: KG, Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen, Kommentar, Zäch/Arnet/Baldi/Kiener/Schaller/Schraner/Spühler [Hrsg.], 2018, N. 2 zu Art. 30 KG ; DUCREY/CARRON, in: Commentaire romand, Droit de la concurrence, Martenet/Bovet/Tercier [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 1 f. zu Art. 30 KG ). Sie blieb seither im Wortlaut unverändert. Sie war insbesondere nicht von der Revision des Kartellgesetzes im Jahr 2003 betroffen, die am 1. April 2004 in Kraft trat (vgl. AS 2004 1385 ff., S. 1390). Diese Gesetzesrevision führte in Art. 49a Abs. 1 KG die Möglichkeit direkter Sanktionen bei den besonders schädlichen kartellrechtlichen Verstössen ein, um die Präventivwirkung des Kartellgesetzes zu erhöhen (vgl. Botschaft vom 7. November 2001 über die Änderung des Kartellgesetzes [nachfolgend: Botschaft 2001], BBl 2002 2022 ff., 2023; vgl. auch TAGMANN/ZIRLICK, in: Basler Kommentar, Kartellgesetz, Amstutz/Reinert [Hrsg.], 2. Aufl. 2021, N. 1 ff. zu Art. 49a KG ; ROTH/BOVET, in: Commentaire romand, Droit de la concurrence, Martenet/Bovet/Tercier [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 1 ff. zu Art. 49a KG ). 3.2.2 Vor der Gesetzesrevision im Jahr 2003 konnten die Wettbewerbsbehörden Unternehmen nur verpflichten, kartellrechtswidrige Verhaltensweisen zu unterlassen. Erst im Wiederholungsfall - mithin bei der Verletzung einer Verfügung der WEKO - waren gestützt auf Art. 50 KG (indirekte) Sanktionen zulässig. Diese Regelung gilt heute für alle in Art. 49a Abs. 1 KG nicht genannten Verstösse BGE 148 II 475 S. 481 gegen das Kartellgesetz fort sowie für jene Fälle des Art. 49a Abs. 1 KG , bei denen die Wettbewerbsbehörden in der Sache bereits entschieden haben (vgl. BGE 135 II 60 E. 2.1; Urteil 2C_43/2020 vom 21. Dezember 2021 E. 4.3, nicht publ. in: BGE 148 II 25 ). Im Zuge der Revision wurde neben der Einführung direkter Sanktionen auch Art. 50 KG entsprechend angepasst (vgl. AS 2004 1385 ff., S. 1387 f.; vgl. auch AS 1996 546 ff., S. 559; MOREILLON, in: Commentaire romand, Droit de la concurrence, Martenet/Bovet/Tercier [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 1 zu Art. 50 KG ). 4. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 30 Abs. 1 KG und Art. 5 Abs. 1 BV , da die angeordneten Massnahmen unzulässig seien und die Vorinstanz diese in Verletzung des Legalitätsprinzips bestätigt habe. 4.1 Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass die Anordnung von Massnahmen im Sinne von Art. 30 Abs. 1 KG nur in gewissen Situationen zulässig sei. Der Zweck von Art. 30 Abs. 1 KG - nämlich die Durchsetzung des Kartellrechts und die Verhinderung eines wiederholt kartellrechtswidrigen Verhaltens mittels indirekter Sanktionen - erlaube die Anordnung von Massnahmen nur dann, wenn keine direkte Sanktion möglich sei oder das kartellrechtswidrige Verhalten noch andauere. Demnach sei die Anordnung von Massnahmen bei direkt sanktionierbaren Tatbeständen gemäss Art. 49a Abs. 1 KG lediglich zulässig, um zum Verfügungszeitpunkt andauernde Verstösse zu beseitigen. Bei der Wiederholung von beendetem Verhalten könne und müsse die WEKO dagegen ein neues Verfahren eröffnen und das entsprechende Verhalten direkt sanktionieren. Vorliegend seien diese Voraussetzungen nicht gegeben, da das kartellrechtswidrige Verhalten nicht mehr andauere und der von der Dispositiv-Ziffer 1 der Verfügung vom 19. August 2019 erfasste Tatbestand direkt sanktionierbar sei. Die angeordneten Massnahmen seien mangels gesetzlicher Grundlage deshalb unzulässig. 4.2 Die Vorinstanz erwog, für die zu treffenden Massnahmen im Sinne von Art. 30 Abs. 1 KG bestehe ein weiter Ermessensspielraum, was mit der inhaltlich offenen Formulierung der Bestimmung angezeigt werde. Die Bestimmung schränke weder den Inhalt möglicher Massnahmen ein noch werde die Möglichkeit der Anordnung einer Massnahme auf bestimmte Fallkonstellationen beschränkt. Nach Auffassung der Vorinstanz kann es im Hinblick auf das öffentliche Interesse am Schutz des wirksamen Wettbewerbs sachgerecht sein, eine BGE 148 II 475 S. 482 Verwaltungssanktion nach Art. 49a Abs. 1 KG mit einer Massnahme nach Art. 30 Abs. 1 KG zu verbinden. Massnahmen in Form von Unterlassungsanordnungen könnten, so die Vorinstanz weiter, auch mit dem Zweck angeordnet werden, einer drohenden erneuten Kartellrechtsverletzung vorzubeugen. Die Vorinstanz hielt zusammenfassend fest, eine Massnahme gestützt auf Art. 30 Abs. 1 KG sei zulässig, wenn ein Wettbewerbsverstoss nicht sanktionierbar sei oder wenn er sanktionierbar sei, aber eine Wiederholungsgefahr bestehe. Eine Massnahme könne - wie vorliegend - auch angeordnet werden, wenn sie an die Stelle einer Sanktion trete und zukunftsgerichtet einen erneuten Verstoss gegen Wettbewerbsrecht verhindern sollte, solange sie erforderlich, verhältnismässig und klar bestimmt sei. 4.3 Im Folgenden ist zu prüfen, ob die Anwendung von Art. 30 Abs. 1 KG , demgemäss die Wettbewerbskommission auf Antrag des Sekretariats mit Verfügung über die zu treffenden Massnahmen entscheidet, inhaltliche Einschränkungen kennt oder durch die Möglichkeit, eine direkte Sanktion im Sinne von Art. 49a Abs. 1 KG auszusprechen, beschränkt wird. 4.3.1 Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, d.h. nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zu Grunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen. Insbesondere bei jüngeren Gesetzen sind auch die Gesetzesmaterialien zu beachten, wenn sie auf die streitige Frage eine klare Antwort geben und dem Gericht damit weiterhelfen (vgl. BGE 146 II 201 E. 4.1; BGE 144 III 100 E. 5.2; BGE 141 III 155 E. 4.2). 4.3.2 Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen geltend, die Kompetenz der WEKO, Massnahmen nach Art. 30 Abs. 1 KG anzuordnen, sei ein "Überbleibsel" aus der Zeit der indirekten Sanktionen vor dem Inkrafttreten des revidierten Kartellgesetzes am 1. April 2004 (vgl. E. 3.2 hiervor). Zunächst ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 30 Abs. 1 KG lediglich die Kompetenz der WEKO, BGE 148 II 475 S. 483 auf Antrag des Sekretariats mit Verfügung über die zu treffenden Massnahmen zu entscheiden. Eine inhaltliche Einschränkung der möglichen Massnahmen oder eine Beschränkung auf gewisse Konstellationen oder Tatbestände kann der Bestimmung nicht entnommen werden. Auch aus den Materialien lässt sich zur Anwendung von Art. 30 Abs. 1 KG - namentlich zum Verhältnis zu den (später eingeführten) direkten Sanktionen gemäss Art. 49a Abs. 1 KG - nichts entnehmen (vgl. Botschaft 2001, a.a.O., S. 2022 ff.). Insbesondere wurde Art. 30 Abs. 1 KG im Rahmen der Revision des Kartellgesetzes im Jahr 2003 im Gegensatz zu Art. 50 KG nicht angepasst (vgl. E. 3.2.1 und 3.2.2 i.f. hiervor; vgl. auch AS 2004 1385 ff., S. 1387 f.). Eine Absicht des Gesetzgebers, die Anordnung von Massnahmen inhaltlich einzuschränken oder auf gewisse Konstellationen zu beschränken, ist weder vor noch nach der Einführung der Möglichkeit, direkte Sanktionen auszusprechen, zu erkennen. 4.3.3 Auch aus der systematischen Stellung von Art. 30 Abs. 1 KG ist eine Einschränkung nicht ersichtlich: In systematischer Hinsicht regelt Art. 30 Abs. 1 KG mit dem Antrag des Sekretariats und dem anschliessenden Entscheid der WEKO lediglich den Abschluss der Untersuchung von Wettbewerbsbeschränkungen (2. Abschnitt) im Zuge des verwaltungsrechtlichen Verfahrens (4. Kapitel). Im Weiteren bringt die Beschwerdeführerin zwar zutreffend vor, dass das Kartellgesetz bis zur Revision im Jahre 2003 lediglich die Möglichkeit von indirekten Sanktionen gekannt habe (vgl. E. 3.2.1 f. hiervor). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ergeben sich in systematischer Hinsicht jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Massnahme unzulässig wäre, wenn sie (neuerdings) neben einer direkten Sanktion ausgesprochen wird, zumindest solange sie zukunftsgerichtet angeordnet wird (vgl. auch Art. 30 Abs. 3 KG ). Namentlich beschränkt sich die Anwendung von Art. 30 Abs. 1 KG nicht auf die Fälle, in denen eine Wettbewerbsbeschränkung im Zeitpunkt der Verfügung noch besteht und beseitigt werden muss. 4.3.4 Gerade mit Blick auf das öffentliche Interesse am Schutz des wirksamen Wettbewerbs kann es angezeigt sein, eine (direkte) Sanktion nach Art. 49a Abs. 1 KG mit einer Massnahme gestützt auf Art. 30 Abs. 1 KG zu verbinden. Dies gilt insbesondere, wenn - wie vorliegend (vgl. E. 5.3 hiernach) - eine Wiederholungsgefahr besteht. Diesfalls vermag eine ausdrückliche Unterlassungsanordnung als Massnahme im Sinne von Art. 30 Abs. 1 KG die Präventivwirkung des Kartellgesetzes zu erhöhen, was im Einklang mit dem Sinn und BGE 148 II 475 S. 484 Zweck des Kartellgesetzes steht (vgl. Art. 1 KG ; vgl. auch E. 3.2.1 i.f. hiervor). Eine solche Anordnung lässt sich im Hinblick auf den Einzelfall ausgestalten und konkreter fassen als der Gesetzestext. Damit ist es möglich, die (künftigen) Verhaltens- und Unterlassungspflichten mit Bezug auf den konkreten Sachverhalt der festgestellten Wettbewerbsbeeinträchtigung zu präzisieren, sodass die Wettbewerberin ihr Verhalten danach richten kann (vgl. auch MOREILLON, a.a.O., N. 7 zu Art. 50 KG ). Ausserdem besteht bei Eintritt des Wiederholungsfalls die Möglichkeit, die Verletzung der angeordneten Massnahmen gestützt auf Art. 50 KG zu sanktionieren, da ein Verstoss gegen eine rechtskräftige Verfügung der Wettbewerbsbehörden vorliegt. Dies vereinfacht das (neuerliche) Sanktionsverfahren, da die verletzte Verfügung an sich in diesem Verfahren im Grundsatz nicht mehr zu überprüfen ist (vgl. TAGMANN/ZIRLICK, a.a.O., N. 20 zu Art. 50 KG ; TSCHUDIN, in: KG, Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen, Kommentar, Zäch/Arnet/Baldi/Kiener/Schaller/Schraner/Spühler [Hrsg.], 2018, N. 6 zu Art. 50 KG ; MOREILLON, a.a.O., N. 2 zu Art. 50 KG ). 4.4 Art. 30 Abs. 1 KG lässt nach dem Gesagten auch Massnahmen zu, die präventiv und zukunftsgerichtet ausgesprochen werden, jedenfalls solange diese darauf abzielen, die Wiederholung der festgestellten Wettbewerbsbeschränkung zu verhindern. Diesfalls stehen die Massnahmen mit dem Zweck des Kartellgesetzes gemäss Art. 1 KG im Einklang, wonach volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen von Kartellen und anderen Wettbewerbsbeschränkungen verhindert werden sollen. Die Erhöhung der Präventivwirkung des Kartellgesetzes war denn auch die Absicht des Gesetzgebers bei der Einführung der Möglichkeit, direkte Sanktionen auszusprechen (vgl. E. 3.2.1 i.f. hiervor; Botschaft 2001, a.a.O., S. 2023 ff.). Folglich ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin die Anordnung von Massnahmen grundsätzlich auch bei eingestellten und direkt sanktionierbaren Tatbeständen zulässig, zumindest wenn eine Wiederholungsgefahr besteht. 5. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 30 Abs. 1 KG und Art. 5 Abs. 2 BV , da die angeordneten Massnahmen unverhältnismässig seien und die Vorinstanz diese in Verletzung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes bestätigt habe. Gemäss Art. 5 Abs. 2 BV muss staatliches Handeln verhältnismässig sein, d.h. sich im Hinblick auf das im öffentlichen Interesse angestrebte Ziel geeignet, erforderlich und zumutbar erweisen (vgl. BGE 146 I 157 E. 5.4). BGE 148 II 475 S. 485 Beim in Art. 5 Abs. 2 BV verankerten Verhältnismässigkeitsgrundsatz handelt es sich nicht um ein verfassungsmässiges Recht, sondern um einen Verfassungsgrundsatz. Dieser Grundsatz kann im Rahmen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten direkt und unabhängig von einem Grundrecht angerufen werden (vgl. BGE 141 I 1 E. 5.3.2; BGE 139 II 7 E. 7.3). 5.1 Die Beschwerdeführerin tut dar, es liege keine ausreichende Gefahr für ein wiederholt kartellrechtswidriges Verhalten vor. Die monierten Verstösse - so auch die vorliegend beurteilten Verhaltensweisen - lägen mehr als zehn Jahre in der Vergangenheit. Die Massnahmen seien daher nicht erforderlich (vgl. E. 5.3 hiernach). Ausserdem seien die angeordneten Massnahmen in sachlicher, persönlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht unverhältnismässig: In sachlicher Hinsicht verbiete die WEKO der Beschwerdeführerin unter anderem kartellrechtlich zulässiges Verhalten. Die WEKO ordne auch Massnahmen an, die keinen hinreichenden Bezug zum vorliegenden Verfahren hätten (vgl. E. 5.4 hiernach). Überdies beträfen die Massnahmen in persönlicher Hinsicht Bauherrschaften in Strassen- und Hochbauprojekten im Allgemeinen, obwohl die Verstösse nur bei Projekten festgestellt worden seien, die von den Gemeinden des Kantons Graubünden und dem Kanton Graubünden vergeben worden seien. In räumlicher Hinsicht träfen die angeordneten Massnahmen die Beschwerdeführerin in der ganzen Schweiz. Eine allfällige Wiederholungsgefahr könne jedoch höchstens für diejenigen Gebiete angenommen werden, in denen die unzulässigen Wettbewerbsbeschränkungen stattgefunden hätten (vgl. E. 5.5 hiernach). Ferner seien die angeordneten Massnahmen zeitlich unbeschränkt. Es lasse sich nicht rechtfertigen, der Beschwerdeführerin kartellrechtliche Verfehlungen zeitlich unbegrenzt entgegenzuhalten, zumal auch die Wiederholungsgefahr im Verlaufe der Zeit abnehme (vgl. E. 5.6 hiernach). Nach Auffassung der Beschwerdeführerin seien die Massnahmen unverhältnismässig und daher unzulässig. Eventualiter seien sie in sachlicher, persönlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht einzuschränken. 5.2 Nach Auffassung der Vorinstanz sind die durch die WEKO angeordneten Massnahmen in sachlicher, persönlicher, räumlicher sowie in zeitlicher Hinsicht genügend eingeschränkt und mit Blick auf das im öffentlichen Interesse angestrebte Ziel erforderlich. Die Massnahmen seien für die Beschwerdeführerin sodann zumutbar. Das öffentliche Interesse am reibungslosen Funktionieren des BGE 148 II 475 S. 486 Wettbewerbs und der Verhinderung erneuter Verstösse gegen kartellrechtliche Pflichten sei gewichtig. Demgegenüber sei das Interesse der Beschwerdeführerin, dass die Massnahmen nicht erlassen würden, eher geringfügig. Die Kartellrechtspflichten, die kraft Gesetzes gälten, würden durch die Massnahmen individuell konkretisiert. Verhalte sich die Beschwerdeführerin in Zukunft kartellrechtskonform, so die Vorinstanz, habe sie nichts zu befürchten. Der Eingriff wiege nicht schwer und sei durch das übergeordnete Interesse am Schutz des wirksamen Wettbewerbs gerechtfertigt. 5.3 Mit Blick auf die umstrittene Wiederholungsgefahr bestreitet die Beschwerdeführerin die vorinstanzliche Feststellung nicht, wonach sie bereits mehrmals an unzulässigen Wettbewerbsabreden beteiligt gewesen sei. Die Vorinstanz berücksichtigt, dass die Beschwerdeführerin mit Verfügung der WEKO vom 16. Dezember 2011 bereits wegen Submissionsabsprachen im Kanton Aargau sanktioniert worden ist. Ebenfalls sei die Beschwerdeführerin Adressatin der Verfügung vom 8. Juli 2016 im Kartellsanktionsverfahren in Sachen Bauleistungen See-Gaster. Auch ihre mittlerweile aufgelöste Tochtergesellschaft B. SA habe sich gemäss Urteil des BVGer B-420/2008 vom 1. Juni 2010 kartellrechtswidrig verhalten. Zudem zähle die Beschwerdeführerin mit den beiden Verfügungen der WEKO vom 2. Oktober 2017 selbst weitere Verfahren im Kanton Graubünden auf, in die sie involviert sei und die ebenfalls Submissionsabsprachen beträfen. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, die monierten Verstösse lägen mehr als zehn Jahre in der Vergangenheit, ist, soweit im Zeitpunkt der vorliegend massgebenden Verfügung vom 19. August 2019 überhaupt zutreffend, nicht ausschlaggebend. In Anbetracht der Vielzahl von kartellrechtlichen Verfahren, in die die Beschwerdeführerin involviert gewesen ist, darf ohne Weiteres ein gewisses Risiko angenommen werden, dass sie sich in Zukunft wieder kartellrechtswidrig verhält. Die Vorinstanz geht demnach zu Recht von einer Wiederholungsgefahr aus. Damit scheidet eine Unterlassungsanordnung als Massnahme im Sinne von Art. 30 Abs. 1 KG - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - nicht von vornherein aus. 5.4 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin bestätigt die Vorinstanz in gesetzeswidriger Weise das angeordnete Verbot von kartellrechtlich zulässigem unilateralem Verhalten (vgl. E. 5.4.1 und 5.4.2 hiernach), das angeordnete Verbot von kartellrechtlich BGE 148 II 475 S. 487 zulässigem Informationsaustausch (vgl. E. 5.4.3 hiernach) sowie von Massnahmen, die keinen Bezug zu den vorliegenden Kartellrechtsverstössen hätten (vgl. E. 5.4.4 hiernach). Die angeordneten Massnahmen gingen in sachlicher Hinsicht über das erforderliche Mass hinaus. 5.4.1 Die Beschwerdeführerin kritisiert, die WEKO verbiete ihr in der Dispositiv-Ziffer 1.1, um Schutz, Stützofferten oder um Verzicht einer Offerteingabe anzufragen oder derartiges anzubieten. Damit pönalisiere die WEKO auch kartellrechtlich zulässiges unilaterales Verhalten. Dieser Vorwurf stösst ins Leere: Dass das Anfragen und Anbieten von Schutz, Stützofferten und Eingabeverzichten nach Auffassung der Beschwerdeführerin bei einseitigem, unilateralem Verhalten nicht zwingend kartellrechtswidrig sein muss, ist nicht massgebend. Die Unzulässigkeit einer Wettbewerbsabrede nach Art. 5 Abs. 1 KG setzt das Bestehen einer Abrede voraus: Als Wettbewerbsabreden gelten rechtlich erzwingbare oder nicht erzwingbare Vereinbarungen sowie aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen gleicher oder verschiedener Marktstufen, die eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken (vgl. Art. 4 Abs. 1 KG ). Dass die Dispositiv-Ziffer 1.1 nicht ausdrücklich erläutert, das Anfragen und Anbieten von Schutz, Stützofferten und Eingabeverzichten müsse im Zusammenhang mit einer Wettbewerbsabrede im Sinne von Art. 4 Abs. 1 KG stehen, ist nicht zu beanstanden. Es ergibt sich bereits aus Art. 2 Abs. 1 KG zum Geltungsbereich des Kartellgesetzes, dass das Gesetz für die Beschwerdeführerin unter anderem (nur) gilt, wenn sie eine Wettbewerbsabrede trifft. Die Anordnung kann damit nur in diesem Kontext gelesen und verstanden werden, womit auch kein Verbot zulässigen (unilateralen) Verhaltens vorliegt. Im Übrigen ist das Dispositiv eines Entscheids jeweils im Lichte seiner Begründung zu lesen (vgl. auch Urteil 4C.361/2005 vom 22. Februar 2006 E. 3.7; TAGMANN/ZIRLICK, a.a.O., N. 8b zu Art. 50 KG ). 5.4.2 Die Beschwerdeführerin beanstandet weiter, die WEKO verbiete in der Dispositiv-Ziffer 2 den Austausch von Informationen über die Interessenlage. Damit pönalisiere die WEKO ebenso kartellrechtlich zulässiges unilaterales Verhalten. Auch diese Rüge geht fehl: Eine Abrede kann sich zunächst durch eine Vereinbarung im Sinne einer übereinstimmenden Willensäusserung ergeben (vgl. BGE 144 II 246 E. 6.4.1). Darüber hinaus gelten aber nicht nur Vereinbarungen als Wettbewerbsabreden, sondern BGE 148 II 475 S. 488 auch abgestimmte Verhaltensweisen. Die abgestimmte Verhaltensweise grenzt sich durch den fehlenden Bindungswillen ab und bleibt dabei im Vorfeld einer Vereinbarung (vgl. BGE 147 II 72 E. 3.3 und 3.4.1). Unter bestimmten Voraussetzungen kann daher auch bereits das Anbieten von Informationen über die Interessenlage, wie es die WEKO in ihrer Unterlassungsanordnung mit Dispositiv-Ziffer 2 verbietet, eine Wettbewerbsabrede darstellen. Auch ein einseitiges Informationsverhalten eines Unternehmens kann dazu führen, dass Wettbewerberinnen gestützt auf die erhaltenen Informationen ihr Marktverhalten anpassen (vgl. BGE 147 II 72 E. 3.4.2 und 3.4.4). Damit erfasst die Anordnung in der Dispositiv-Ziffer 2 ein potenziell kartellrechtswidriges Verhalten. Auch bei dieser Anordnung handelt es sich um eine Massnahme im Geltungsbereich des Kartellgesetzes, womit das Verbot der Verhaltensweise (offenkundig) im Kontext einer bezweckten oder bewirkten Wettbewerbsbeschränkung stehen muss (vgl. Art. 2 Abs. 1 KG i.V.m. Art. 4 Abs. 1 KG ). Es liegt kein Verbot zulässigen (unilateralen) Verhaltens vor. 5.4.3 Die Beschwerdeführerin kritisiert sodann, die WEKO verbiete in der Dispositiv-Ziffer 1.2 den Austausch über Offertpreise, Preiselemente sowie den Austausch über die Zu- und Aufteilung von Kunden, Kundinnen und Gebieten. Damit pönalisiere die WEKO auch den kartellrechtlich zulässigen Informationsaustausch. Der Beschwerdeführerin ist nicht zu folgen: Auch diesbezüglich gilt, dass der Informationsaustausch im Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 1 KG und Art. 4 Abs. 1 KG zu lesen ist. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist nicht der Informationsaustausch an sich verboten, sondern nur, wenn damit eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt oder bewirkt wird (vgl. Art. 4 Abs. 1 KG ). Die WEKO verbietet den Informationsaustausch überdies nicht gesamthaft, sondern schränkt das Verbot massgeblich ein. Das Verbot betrifft unter anderem nur den Austausch im Zusammenhang mit der Erbringung von Strassenbauleistungen und gilt lediglich vor Ablauf der Frist zur Offerteingabe. Weiter wird die Massnahme sachlich auf den Informationsaustausch über Offertpreise, Preiselemente sowie über die Zu- und Aufteilung von Kunden, Kundinnen und Gebieten eingeschränkt. Ausserdem sind Ausnahmen definiert. Der Informationsaustausch wird folglich weder als solcher noch gesamthaft verboten und das Verbot betrifft lediglich den kartellrechtswidrigen Informationsaustausch. BGE 148 II 475 S. 489 5.4.4 Die Beschwerdeführerin beanstandet ferner, die WEKO verbiete in der Dispositiv-Ziffer 1.2 den Austausch über die Zu- und Aufteilung von Gebieten. Damit ergreife die WEKO eine Massnahme, die keinen Bezug zu den vorliegend festgestellten Kartellrechtsverstössen habe. Die Rüge ist unbegründet: Die WEKO verbietet neben dem Austausch über die Zu- und Aufteilung von Kunden und Kundinnen auch den Austausch über die Zu- und Aufteilung von Gebieten. Es ist unter den Verfahrensbeteiligten dabei unbestritten, dass der Beschwerdeführerin im vorliegenden Verfahren keine Aufteilung von Märkten nach Gebieten vorgeworfen wird. Die Unzulässigkeit einer Abrede über die Aufteilung von Märkten nach Gebieten bildet jedoch einen gesetzlichen Abredetypus, der in Art. 5 Abs. 3 lit. c KG geregelt wird. Die Anordnung, dass auch die Aufteilung nach Gebieten untersagt wird, wiederholt nur, was bereits kraft Gesetzes gilt. Sie konkretisiert in Bezug auf die Ausschreibung von Strassenbauleistungen die aufgrund des Kartellgesetzes geltende Rechtslage. Der Beschwerdeführerin wird damit eine Verhaltenspflicht auferlegt, welche sich auf Art. 5 KG stützen lässt, weshalb die Massnahme - auch im Lichte der bereits festgestellten Kartellrechtsverstösse (vgl. E. 5.3 hiervor) - nicht zu beanstanden ist. 5.4.5 Nach dem Dargelegten sind die angeordneten Massnahmen in sachlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. 5.5 Die Beschwerdeführerin bringt weiter vor, die angeordneten Massnahmen seien in räumlicher und persönlicher Hinsicht überschiessend. Die festgestellten Kartellrechtsverstösse bezögen sich nur auf den Kanton Graubünden und seien - wenn überhaupt - räumlich darauf einzuschränken. Überdies seien nur von Bündner Gemeinden (ohne Misox) und vom Kanton Graubünden vergebene Strassenbauprojekte Abredeobjekte des Strassenbaukartells gewesen. Die Anordnung der WEKO gehe in persönlicher Hinsicht aber über solche Bündner Bauherrschaften hinaus. Zu den Strassenbauleistungen, die beispielsweise der Bund, Private oder andere Kantone und Gemeinden nachfragten, fehle ein hinreichender Bezug. Der räumliche und persönliche Anwendungsbereich der Anordnungen sei unverhältnismässig. 5.5.1 Wie die Vorinstanz feststellt, ist die Beschwerdeführerin gesamtschweizerisch tätig. Die Wiederholungsgefahr besteht damit für die gesamte Schweiz, zumal die Beschwerdeführerin auch in BGE 148 II 475 S. 490 Kartellrechtsverfahren ausserhalb des Kantons Graubünden involviert war (vgl. E. 5.3 hiervor). Eine räumliche Begrenzung der Massnahmen, wie eventualiter beantragt (vgl. Bst. C hiervor), musste die Vorinstanz unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes nicht vornehmen. 5.5.2 Gleiches gilt mit Blick auf die von den Anordnungen erfassten Bauherrschaften. Die Bauherrschaften, mit denen die Beschwerdeführerin zusammenarbeitet, sind nicht bloss die Bündner Gemeinden (ohne Misox), der Kanton Graubünden oder die öffentlichen und privaten Bauherren im Gebiet des Wirtschaftsraums zwischen Reichenau und Landquart auf einer Strecke von 25 km entlang des Rheins. Sie sind in der ganzen Schweiz zu finden. Das Risiko, dass die Beschwerdeführerin erneut gegen das Kartellgesetz verstösst, beschränkt sich somit nicht auf die im Eventualantrag aufgezählten Bauherrschaften. Die vorinstanzlich bestätigten Anordnungen der WEKO halten folglich auch in persönlicher Hinsicht dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz stand. 5.6 Die Beschwerdeführerin macht im Weiteren geltend, eine zeitliche Beschränkung der Massnahmen sei unabdingbar. Sowohl die Erforderlichkeit als auch die Wiederholungsgefahr nehme mit dem Lauf der Zeit ab. Eine festgestellte Verfehlung könne der fehlbaren Person nicht zeitlich unbegrenzt vorgehalten werden. Dies müsse insbesondere bei Verstössen gelten, die ohnehin von Gesetzes wegen verboten seien. Die Vorinstanz erwog in diesem Zusammenhang, die Massnahmen ergingen aufgrund der in der Vergangenheit festgestellten Verstösse gegen das Kartellgesetz und verböten gleiche Verstösse für die Zukunft. Die Unterlassungsanordnung würde bloss kartellrechtliche Pflichten konkretisieren, die sich aus dem Kartellgesetz ergäben, wo sie ebenfalls unbefristet gälten. Eine Befristung sei deshalb nicht erforderlich. Die vorinstanzliche Auffassung ist zu bestätigen. Wie im Rahmen des kritisierten sachlichen Anwendungsbereichs der Unterlassungsanordnung ausgeführt (vgl. E. 5.4 hiervor), betreffen die Massnahmen lediglich kartellrechtswidriges Verhalten, das von Gesetzes wegen verboten ist. Insofern zielt der Vorwurf der Beschwerdeführerin ins Leere, wonach eine festgestellte Verfehlung der fehlbaren Person nicht zeitlich unbegrenzt vorgehalten werden könne. Die Unterlassungsanordnung hält der Beschwerdeführerin keine vergangene Verfehlung entgegen, sondern konkretisiert BGE 148 II 475 S. 491 zukunftsgerichtet das gesetzlich vorgesehene, kartellrechtswidrige Verhalten (vgl. E. 4.3.3 f. hiervor). Sie ist unter dem Blickwinkel der Verhältnismässigkeit auch diesbezüglich nicht zu beanstanden. 5.7 Nach dem Dargelegten ist im Lichte des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz die Unterlasungsanordnung bestätigt hat. Es besteht eine ausreichende Wiederholungsgefahr und die Massnahmen erweisen sich in sachlicher, räumlicher, persönlicher sowie in zeitlicher Hinsicht als verhältnismässig.
7,467
5,519
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CH_BGE
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1,975
de
Sachverhalt ab Seite 100 BGE 101 Ib 99 S. 100 Die Firma E.G. Portland, Zürich, führte im April und Mai 1973 aus Italien über Chiasso Portlandzement ein. Sie erhob Anspruch auf Anwendung des Präferenzzollansatzes von 80 Rp. je 100 kg gemäss Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und den Europäischen Gemeinschaften (EG). Da sie die dafür erforderlichen Warenverkehrsbescheinigungen noch nicht beibringen konnte, liess sie durch die Güterverwaltung SBB in Chiasso die provisorische Verzollung zum Normalansatz von Fr. 1.-- je 100 kg beantragen. Das Zollamt nahm eine definitive Abfertigung zu diesem Ansatz vor, machte aber in einem jeder Zollquittung beigehefteten Zettel darauf aufmerksam, dass die Vorzugsbehandlung gewährt werde, sofern innerhalb 60 Tagen die Warenverkehrsbescheinigung vorgelegt werde. Die Frist wurde von der Oberzolldirektion für alle solchen Fälle bis zum 31. Juli 1973 erstreckt. Die E.G. Portland liess mit einer der Post in Zürich am 31. Juli 1973 übergebenen Sendung die Warenverkehrsbescheinigungen an die Güterverwaltung SBB in Chiasso abgehen. Diese übergab die Papiere am 3. August 1973 dem Zollamt. BGE 101 Ib 99 S. 101 Die Zollkreisdirektion Lugano lehnte das Gesuch der E.G. Portland um Rückerstattung der Differenz zwischen dem normalen und dem Vorzugszoll ab, weil sie fand, die Frist für die Einreichung der Bescheinigungen sei nicht eingehalten worden. Auf Beschwerde der Firma hin bestätigte die Oberzolldirektion diese Verfügung. Die Zollrekurskommission, an welche die Gesellschaft die Sache weiterzog, wies die Beschwerde ebenfalls ab. Die E.G. Portland erhebt gegen diesen Entscheid Verwaltungsgerichtsbeschwerde, in welcher sie am Begehren um Rückerstattung festhält. Die Oberzolldirektion und die Zollrekurskommission beantragen die Abweisung der Beschwerde.
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Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist zulässig, da sie sich gegen eine Verfügung einer eidgenössischen Rekurskommission richtet ( Art. 97 Abs. 1 und Art. 98 lit. e OG ) und keiner der Fälle vorliegt, in denen dieses Rechtsmittel nach Art. 99-102 OG ausgeschlossen ist. Dem Eintreten steht insbesondere Art. 100 lit. h OG nicht entgegen, wonach die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Verfügungen über die Zollveranlagung unzulässig ist, soweit diese von der Tarifierung oder der Gewichtsbemessung abhängt. Diese Bestimmung beruht auf der Überlegung, dass die Tarifierung und die Gewichtsbemessung in Zollsachen sich für die Überprüfung durch das Bundesgericht nicht eignen. Die Vorschrift ist, wie sich aus ihrem Text ("soweit") deutlich ergibt, in dem Sinne einschränkend auszulegen, dass sie die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur ausschliesst, wenn die angefochtene Verfügung der Zollbehörde die Tarifierung oder die Gewichtsbemessung zum Gegenstand hat. Um eine solche Verfügung handelt es sich hier nicht. Zwar wird im angefochtenen Entscheid das Begehren der Beschwerdeführerin um Rückerstattung der Differenz zwischen dem nach dem Normalansatz erhobenen Zoll und dem bei Anwendung des niedrigeren Ansatzes gemäss Abkommen mit den EG sich ergebenden Betrag abgelehnt, aber lediglich deshalb, weil nach der Auffassung der Zollrekurskommission die Frist für die Vorlegung der Warenverkehrsbescheinigungen nicht eingehalten worden ist. Es ist nicht bestritten, dass dem Rückerstattungsbegehren zu entsprechen BGE 101 Ib 99 S. 102 wäre, wenn anzunehmen wäre, dass die Frist gewahrt worden ist. Der Streit geht darum, ob die Beschwerdeführerin innert der Frist gehandelt habe. Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist einzutreten. 2. Die von der Oberzolldirektion für die nachträgliche Vorlegung der Warenverkehrsbescheinigungen gesetzte Frist ist am 31. Juli 1973 abgelaufen. Spätestens an diesem Tage hätten die von der Beschwerdeführerin beigebrachten Bescheinigungen dem für die Zollabfertigung zuständigen Zollamt in Chiasso oder zu dessen Handen der schweizerischen Post übergeben werden sollen. Sie sind zwar am 31. Juli 1973 der Post in Zürich übergeben worden, aber zuhanden der Güterverwaltung SBB in Chiasso, an welche die Sendung adressiert war; diese Stelle hat die Papiere erst am 3. August 1973, also nach Ablauf der Frist, dem Zollamt ausgehändigt. Die Beschwerdeführerin hält dafür, sie habe die Frist gleichwohl eingehalten, indem sie rechtzeitig an eine unzuständige Behörde gelangt sei, nämlich an die SBB, welche gemäss Art. 1 Abs. 2 lit. c VwVG eine Behörde seien; in einem solchen Fall gelte die Frist nach Art. 21 Abs. 2 VwVG als gewahrt. Demgegenüber machen die Oberzolldirektion und die Zollrekurskommission geltend, nach Art. 3 lit. e VwVG finde dieses Gesetz auf das Verfahren der Zollabfertigung keine Anwendung; überdies sei Art. 21 Abs. 2 VwVG im vorliegenden Fall auch deshalb nicht anwendbar, weil die SBB hier nicht als Behörde im Sinne des Art. 1 VwVG gehandelt hätten, sondern als kommerzielle Unternehmung auf Grund eines dem Zivilrecht unterstehenden Vertrages, durch dessen Abschluss sie, gleich wie jeder andere Warenführer oder Spediteur, die Aufgaben eines Zollmeldepflichtigen übernommen hätten. a) In der Tat bestimmt Art. 3 lit. e VwVG , dass dieses Gesetz auf das Verfahren der Zollabfertigung keine Anwendung findet. Den Vorinstanzen ist auch zuzugeben, dass man es hier mit einem solchen Verfahren zu tun hat. Es handelt sich um eine Phase eines Verfahrens, das eine vorschriftsgemässe Veranlagung des Zolls zum Ziele hat. Die Zollveranlagung findet stets im Rahmen einer Zollabfertigung statt. Für das Verfahren der Zollabfertigung sind die besonderen Vorschriften des Zollrechts massgebend. Die Zollgesetzgebung enthält keine Bestimmung darüber, wie es zu halten ist, wenn im erstinstanzlichen Zollabfertigungsverfahren der Zollpflichtige BGE 101 Ib 99 S. 103 innert einer von ihm zu wahrenden Frist nicht an die zuständige, sondern an eine unzuständige Stelle gelangt. Dagegen finden sich im Zollgesetz einschlägige Vorschriften für das Beschwerdeverfahren. Art. 109 ZG bestimmt in Abs. 2, dass die Frist für die erste Beschwerde gegen die Zollabfertigung 60 Tage beträgt, und in Abs. 3, dass im übrigen das Beschwerdeverfahren sich nach den Art. 44 ff. VwVG und den Art. 97 ff. OG richtet. Es ist klar und wird durch diese Verweisung bestätigt, dass Art. 107 Abs. 1 OG , wonach die Frist für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht auch dann als gewahrt gilt, wenn der Beschwerdeführer fristgerecht an eine unzuständige Behörde gelangt, in Zollsachen ebenfalls Anwendung findet. Keinem Zweifel unterliegt ferner, dass Art. 21 Abs. 2 VwVG , der für die im Anwendungsbereich dieses Gesetzes einzuhaltenden Fristen den gleichen Grundsatz ausspricht, insbesondere auch das Beschwerdeverfahren gemäss Art. 44 ff. VwVG betrifft. Indem Art. 109 Abs. 3 ZG auf die Art. 44 ff. VwVG verweist, erklärt er also für das Beschwerdeverfahren vor den Zollkreisdirektionen, der Oberzolldirektion, der Zollrekurskommission und dem Eidg. Finanz- und Zolldepartement auch Art. 21 Abs. 2 VwVG als anwendbar. Die Zollrekurskommission bestreitet dies nicht, nimmt aber an, aus Art. 3 lit. e VwVG und Art. 109 Abs. 3 ZG ergebe sich, dass der in Art. 21 Abs. 2 VwVG ausgesprochene Grundsatz für das erstinstanzliche Verfahren der Zollabfertigung nicht gelte. Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden. Art. 21 Abs. 2 VwVG ist nicht eine vereinzelte Bestimmung; das OG enthält in Art. 32 Abs. 3, Art. 96 Abs. 1 und Art. 107 Abs. 1 ähnliche Vorschriften. In allen diesen Bestimmungen kommt der gleiche Grundsatz zum Ausdruck. Er muss jedenfalls in allen Verfahren, in denen eidgenössische Behörden Verwaltungsrecht des Bundes anwenden, massgebend sein, soweit seiner Geltung nicht besondere Vorschriften oder die besondere Natur eines bestimmten Verfahrens entgegenstehen. Wie gesagt, ist er nach dem Wortlaut und Sinn der gesetzlichen Ordnung auch für das Beschwerdeverfahren in den Zollsachen anerkannt, zu denen die Streitigkeiten, welche die Zollabfertigung betreffen, ebenfalls gehören. In Anbetracht dieser Ordnung kann die Annahme der Vorinstanzen, dass der Grundsatz nur gerade für das erstinstanzliche Zollabfertigungsverfahren BGE 101 Ib 99 S. 104 nicht gelte, nicht einfach daraus abgeleitet werden, dass eine entsprechende ausdrückliche Vorschrift für dieses Verfahren fehlt und Art. 3 lit. e VwVG dieses Gesetz auf das Zollabfertigungsverfahren nicht anwendbar erklärt. Art. 3 lit. e VwVG schliesst nicht aus, dass im Verfahren der Zollabfertigung auch allgemeine Grundsätze, die in der Zollgesetzgebung nicht besonders erwähnt sind, angewandt werden. Jene Auffassung der Vorinstanzen liesse sich nur rechtfertigen, wenn ein zureichender sachlicher Grund dafür bestände. Ein solcher Grund wird jedoch nicht genannt und ist auch nicht ersichtlich. Es muss daher angenommen werden, dass der in Frage stehende allgemeine Grundsatz auch für das erstinstanzliche Verfahren der Zollabfertigung gilt. b) Nach Art. 1 BG vom 23. Juni 1944 über die Schweizerischen Bundesbahnen sind diese eine innerhalb der Schranken der Bundesgesetzgebung selbständige eidgenössische Verwaltung, d.h. ein autonomer eidgenössischer Betrieb im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. c VwVG und Art. 98 lit. d OG . Solche Betriebe gelten, wie Art. 1 Abs. 2 lit. c VwVG ausdrücklich bestimmt, als Behörden im Sinne dieses Gesetzes. Die SBB können also gegebenenfalls eine "unzuständige Behörde" im Sinne des in Art. 21 Abs. 2 VwVG (und anderen Bestimmungen des Bundesrechts) zum Ausdruck gebrachten Grundsatzes sein. So verhält es sich hier: Die Beschwerdeführerin hat sich in einer Angelegenheit an die SBB gewandt, in der diese für Amtshandlungen nicht kompetent waren. Die SBB sind also eine in dieser Sache nicht zuständige Behörde. Daran ändert es nichts, dass ihre Beziehungen zur Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall zivilrechtlicher Natur waren. Eine staatliche Stelle, die als Behörde gilt, behält diese Eigenschaft auch dann, wenn sie zivilrechtliche Verträge abschliesst und die darin übernommenen Verpflichtungen erfüllt. Die in Art. 1 Abs. 2 lit. a-d VwVG genannten Amtsstellen sind, wie diese Bestimmungen bestätigen, unter allen Umständen als Behörden zu betrachten, im Unterschied zu "anderen Instanzen oder Organisationen ausserhalb der Bundesverwaltung", denen die nachfolgende lit. e diese Eigenschaft nur zuerkennt, "soweit sie in Erfüllung ihnen übertragener öffentlichrechtlicher Aufgaben des Bundes verfügen". Für die Anwendung des Grundsatzes, der in Art. 21 Abs. 2 VwVG und BGE 101 Ib 99 S. 105 anderen bundesrechtlichen Bestimmungen zum Ausdruck kommt, ist es belanglos, aus welchem Grunde die angegangene Amtsstelle unzuständig ist. Es genügt, dass sie eine unzuständige Behörde ist, was hier für die SBB nach dem Gesagten zutrifft. c) Diese Feststellungen führen zum Schluss, dass die Beschwerdeführerin die für die nachträgliche Einreichung der Warenverkehrsbescheinigungen gesetzte Frist gewahrt hat; denn sie hat sich rechtzeitig an eine Stelle gewandt, die eine unzuständige Behörde im Sinne des anwendbaren allgemeinen Grundsatzes ist. Die zuständige Zollbehörde hätte daher auf das von der Beschwerdeführerin gestellte Gesuch um Rückerstattung eines Zollbetrages eintreten sollen.
2,024
1,644
Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird insofern gutgeheissen, als der angefochtene Entscheid aufgehoben und die Sache zur materiellen Beurteilung an die Zollkreisdirektion Lugano zurückgewiesen wird.
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Sachverhalt ab Seite 565 BGE 138 III 565 S. 565 A. M. (Mutter) und V. (Vater) sind die Eltern von T. (26. Dezember 2005) und S. (4. Mai 2007). Während der Ehe wurden die Kinder zur Hauptsache vom Vater betreut. Die Mutter verliess zusammen mit den beiden Kindern die eheliche Wohnung und reichte später beim Einzelgericht im summarischen Verfahren des Bezirksgerichts Uster ein Begehren um Erlass von Eheschutzmassnahmen und Anordnung vorsorglicher Massnahmen ein. Die angerufene Instanz stellte die beiden Kinder für die Dauer des Getrenntlebens unter die Obhut des Vaters. B. Die Mutter gelangte gegen diesen Entscheid mit Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich mit dem Begehren um Zuteilung der Obhut über die Kinder. Des Weiteren ersuchte sie darum, der Berufung aufschiebende Wirkung zu erteilen, soweit ihr diese nicht von BGE 138 III 565 S. 566 Gesetzes wegen zukomme. Dieses Gesuch wies der Präsident des Obergerichts mit Verfügung vom 26. März 2012 ab. C. Die Mutter (Beschwerdeführerin) hat beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Sie beantragt, die Verfügung vom 26. März 2012 aufzuheben und das Obergericht anzuweisen, ihrer Berufung gegen das erstinstanzliche Massnahmenurteil aufschiebende Wirkung zu gewähren. V. (Beschwerdegegner) schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. (Zusammenfassung)
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 4.3 Die Beschwerdeführerin macht des Weiteren geltend, die Vorinstanz habe entgegen dem Wortlaut von Art. 315 Abs. 5 ZPO (SR 272) nicht abgeklärt, ob ihr bzw. dem Kind ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil drohe, wenn die Kinder der Obhut des Beschwerdegegners anvertraut werden. Sie habe in der Berufungsschrift ausführlich erklärt, dass das Wohl der Kinder beim Beschwerdegegner gefährdet sei. Die Auslegung der Bestimmung durch die Vorinstanz sei willkürlich; überdies sei das Ermessen willkürlich ausgeübt worden. 4.3.1 Gemäss Art. 315 Abs. 4 lit. b ZPO hat die Berufung gegen vorsorgliche Massnahmen keine aufschiebende Wirkung. Indes kann die Vollstreckung vorsorglicher Massnahmen ausnahmsweise aufgeschoben werden, wenn der betroffenen Partei ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht ( Art. 315 Abs. 5 ZPO ). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung hat die Rechtsmittelinstanz der Berufung gegen den erstinstanzlichen Entscheid nur in Ausnahmefällen aufschiebende Wirkung zu gewähren. Sie verfügt jedoch über einen grossen Ermessensspielraum, der es ihr erlaubt, den Umständen des konkreten Falles Rechnung zu tragen ( BGE 137 III 475 E. 4.1 S. 478). 4.3.2 Davon ausgehend, dass bei Fragen der Obhut kurzfristige oder häufige Veränderungen das Wohl des Kindes zu beeinträchtigen vermögen, hat sich das mit einem Gesuch um Aufschub der Vollstreckung eines die Obhut regelnden vorsorglichen Massnahmenentscheids befasste Gericht ( Art. 315 Abs. 5 ZPO ) von folgenden Grundsätzen leiten zu lassen: Verbleibt das Kind gestützt auf das erstinstanzliche Urteil bei jenem Elternteil, der sich unmittelbar vor dem Eintritt der Umstände, die BGE 138 III 565 S. 567 Anlass zum Massnahmeverfahren gegeben haben, hauptsächlich um das Kind gekümmert hat, ist der Berufung des anderen Elternteils die aufschiebende Wirkung in der Regel zu verweigern. Vorbehalten bleiben wichtige Gründe, namentlich wenn die Vollstreckung des erstinstanzlichen Entscheids das Kindeswohl unmittelbar gefährdet, was vom Gesuchsteller darzutun ist, und der Entscheid als solcher offensichtlich unhaltbar erscheint. Anders verhält es sich, wenn der erstinstanzliche Massnahmerichter in Abweichung der bisherigen hauptsächlichen Betreuung des Kindes durch einen Elternteil die Obhut dem andern zuweist. Bei dieser Ausgangslage gebietet im Zweifel das Wohl des Kindes, den bisherigen Zustand aufrechtzuerhalten bzw. wiederherzustellen und das Kind vorerst bei der bisherigen Hauptbezugsperson zu belassen. Daher ist dem Gesuch um aufschiebende Wirkung der Berufung desjenigen Elternteils, der bisher Hauptbezugsperson war, in der Regel stattzugeben. Hingegen soll der Vollzug des erstinstanzlichen Urteils nicht aufgeschoben werden, wenn die Berufung von vornherein als unzulässig oder in der Sache selbst als offensichtlich unbegründet erscheint (vgl. dazu Urteil 5A_194/2012 vom 8. Mai 2012 E. 5.1.3); demgegenüber würde nicht genügen, die aufschiebende Wirkung mit der Begründung zu verweigern, der angefochtene Entscheid erscheine nicht unhaltbar. 4.3.3 Wie sich aus den Feststellungen des angefochtenen Entscheids ergibt, hat sich der Beschwerdegegner vor der Trennung zur Hauptsache um die Betreuung der Kinder gekümmert, während die Beschwerdeführerin einer ausserhäuslichen Tätigkeit nachgegangen ist. Die Beschwerdeführerin hat am 19. September 2011 die eheliche Wohnung zusammen mit den Kindern verlassen und im Oktober 2011 ein Massnahmeverfahren eingeleitet. Mithin hat der erstinstanzliche Massnahmerichter die Obhut der vor der Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes in der Ehe geübten Rollenteilung entsprechend dem Beschwerdegegner zugewiesen. Gründe, weshalb der erstinstanzliche Entscheid offensichtlich unhaltbar erscheinen musste, hat die Beschwerdeführerin nicht darzutun vermocht; blosse und zudem erstmals vor der Berufungsinstanz vorgetragene und nicht weiter dokumentierte Behauptungen hinsichtlich der Gefährdung des Kindeswohls genügen nicht, um von den soeben aufgezeigten Grundsätzen abzuweichen. Daher erweist sich die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung im vorliegenden Fall jedenfalls im Ergebnis nicht als willkürlich; eine Verletzung von Art. 9 BV liegt nicht vor.
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Sachverhalt ab Seite 28 BGE 147 IV 27 S. 28 A. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen führt eine Strafuntersuchung gegen A. wegen des Verdachts mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern. Am 14. Februar 2018 meldete der Hausarzt des Beschuldigten bei der Staatsanwaltschaft den dringenden Tatverdacht eines sexuellen Kindesmissbrauchs. Der Beschuldigte habe gegenüber seinem Hausarzt eingestanden, sich "in den letzten 2-3 Jahren mehrfach an seiner jüngsten Enkelin (9-jährig) vergangen" zu haben. Der Arzt habe es als seine Pflicht angesehen, dies zur Anzeige zu bringen. B. Nach einem zur Strafanzeige gebrachten Vorfall vom 31. Januar 2018 begab sich der Beschuldigte (gleichentags) bis zum 5. Februar 2018 in ärztliche Behandlung im Psychiatriezentrum Breitenau. Am 28. Juni 2019 erkundigte sich die Staatsanwaltschaft beim kantonalen Departement des Innern über von der Verteidigung (am Vortag) aufgeworfene Fragen der ärztlichen Schweigepflicht. In einer E-Mail vom 1. Juli 2019 erklärte der Stellvertretende Departementssekretär gegenüber der Staatsanwaltschaft, es handle sich hier um einen "Paradefall" der Anwendung von Artikel 15 Abs. 2 lit. c des kantonalen Gesundheitsgesetzes. Danach sei ärztliches Personal gegenüber den Strafverfolgungsbehörden "von der Schweigepflicht befreit" in Bezug auf Wahrnehmungen, die auf ein verübtes oder drohendes Verbrechen oder Vergehen gegen die sexuelle Integrität schliessen liessen. C. Am 27. Juni bzw. 26. Juli 2019 erfolgten staatsanwaltliche Befragungen der Stationsleiterin, welche während der ärztlichen Behandlung des Beschuldigten im genannten Psychiatriezentrum (zwischen dem 31. Januar und 5. Februar 2018) zuständig gewesen war. D. Aufgrund einer entsprechenden Editionsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 9. August 2019 übermittelte das Psychiatriezentrum die Verlaufseinträge der ärztlichen Gespräche mit dem Beschuldigten während dessen stationärer psychiatrischer Behandlung vom 31. Januar bis 5. Februar 2018. Am 6. September 2019 stellte der Beschuldigte diesbezüglich ein Siegelungsbegehren. Die Staatsanwaltschaft beantragte am 10. September 2019 beim kantonalen Zwangsmassnahmengericht die Entsiegelung der Unterlagen. BGE 147 IV 27 S. 29 E. Mit Verfügung vom 9. Oktober 2019 bewilligte das Kantonsgericht Schaffhausen, Zwangsmassnahmengericht, Einzelrichterin (ZMG), die Entsiegelung, indem es die fraglichen Verlaufseinträge des Psychiatriezentrums Breitenau zur Durchsuchung und weiteren Verwendung an die Staatsanwaltschaft freigab. F. Gegen den Entsiegelungsentscheid des ZMG gelangte der Beschuldigte mit Beschwerde vom 13. November 2019 an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Abweisung des Entsiegelungsgesuches. (...) Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut und weist die Sache zurück an die Vorinstanz zur Neubeurteilung. (Auszug)
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459
Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Aufzeichnungen und Gegenstände, die nach Angaben der Inhaberin oder des Inhabers wegen eines Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechts oder aus anderen Gründen nicht durchsucht oder beschlagnahmt werden dürfen, sind zu versiegeln und dürfen von den Strafbehörden weder eingesehen noch verwendet werden ( Art. 248 Abs. 1 StPO ). Nicht beschlagnahmt werden dürfen (ungeachtet des Ortes, wo sie sich befinden, und des Zeitpunktes, in welchem sie geschaffen worden sind) Gegenstände und Unterlagen aus dem Verkehr der beschuldigten Person mit Personen, die nach den Art. 170-173 StPO das Zeugnis verweigern können und im gleichen Sachzusammenhang nicht selber beschuldigt sind ( Art. 264 Abs. 1 lit. c StPO ). Macht eine berechtigte Person geltend, eine Beschlagnahme (oder Edition) von Gegenständen und Vermögenswerten sei wegen eines Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechts oder aus anderen Gründen nicht zulässig, so gehen die Strafbehörden nach den Vorschriften über die Siegelung vor (Art. 264 Abs. 3 und Art. 265 Abs. 2 lit. a-b StPO ). 3.2 Ärzte sowie ihre Hilfspersonen, die ein Geheimnis offenbaren, das ihnen infolge ihres Berufes anvertraut worden ist oder das sie in dessen Ausübung wahrgenommen haben, werden, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft ( Art. 321 Ziff. 1 StGB ). Der Täter ist nicht strafbar, wenn er das Geheimnis auf Grund einer Einwilligung des Berechtigten oder einer auf Gesuch des Täters (Berufsgeheimnisträgers) erteilten schriftlichen Bewilligung der vorgesetzten Behörde oder Aufsichtsbehörde offenbart hat BGE 147 IV 27 S. 30 ( Art. 321 Ziff. 2 StGB ). Vorbehalten bleiben die eidgenössischen und kantonalen Bestimmungen über die "Zeugnispflicht" und über die Auskunftspflicht gegenüber einer Behörde ( Art. 321 Ziff. 3 StGB ). 3.3 Ärztinnen und Ärzte sowie ihre Hilfspersonen können das Zeugnis über Geheimnisse verweigern, die ihnen aufgrund ihres Berufes anvertraut worden sind oder die sie in dessen Ausübung wahrgenommen haben ( Art. 171 Abs. 1 StPO ). Gemäss Art. 171 Abs. 2 StPO haben sie nur auszusagen, wenn sie einer Anzeigepflicht unterliegen (lit. a) oder (nach Art. 321 Ziff. 2 StGB ) von der Geheimnisherrin, dem Geheimnisherrn oder schriftlich von der zuständigen Stelle von der Geheimnispflicht entbunden worden sind (lit. b). Die Strafbehörde beachtet das Berufsgeheimnis auch bei Entbindung von der Geheimnispflicht, wenn die Geheimnisträgerin oder der Geheimnisträger glaubhaft macht, dass das Geheimhaltungsinteresse der Geheimnisherrin oder des Geheimnisherrn das Interesse an der Wahrheitsfindung überwiegt ( Art. 171 Abs. 3 StPO ). Die Kantone bestimmen, welche Medizinalpersonen verpflichtet sind, aussergewöhnliche Todesfälle den Strafbehörden zu melden ( Art. 253 Abs. 4 StPO ). 3.4 Das Gesundheitsgesetz des Kantons Schaffhausen vom 21. Mai 2012 (GesG/SH; SHR 810.100) regelt (unter dem Titel II. "Gesundheitsberufe") in Artikel 15 GesG/SH (Randtitel: "Berufsgeheimnis") Folgendes: 1 Personen, die einen Gesundheitsberuf ausüben, und ihre Hilfspersonen sind über alles, was ihnen infolge ihres Berufes anvertraut worden ist oder das sie in dessen Ausübung wahrgenommen haben, zur Verschwiegenheit verpflichtet. 2 Personen, die zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, sind von der Schweigepflicht befreit: a) mit Einwilligung der oder des Berechtigten, b) mit schriftlicher Bewilligung des zuständigen Departements, c) in Bezug auf Wahrnehmungen, die auf ein verübtes oder drohendes Verbrechen oder Vergehen gegen die öffentliche Gesundheit, gegen Leib und Leben oder gegen die sexuelle Integrität schliessen lassen, gegenüber den Strafverfolgungsbehörden, d) soweit sie aufgrund einer gesetzlichen Bestimmung zu einer Anzeige oder Meldung verpflichtet sind, e) in Bezug auf Angaben, die der Durchsetzung von Forderungen aus dem Behandlungsverhältnis dienen, gegenüber einer zur Eintreibung der Forderungen beauftragten Stelle und gegenüber den gesetzlich vorgesehenen Instanzen. BGE 147 IV 27 S. 31 Unter dem Randtitel "Anzeigepflicht" bestimmt Artikel 16 GesG/SH, was folgt: 1 Personen, die in einem bewilligungspflichtigen Bereich tätig sind, haben aussergewöhnliche Vorkommnisse in ihrem Bereich im Gesundheitswesen umgehend dem zuständigen Departement zu melden. 2 Die Meldung aussergewöhnlicher Todesfälle wird auf dem Verordnungsweg geregelt. 3 Vorbehalten bleiben weitere Anzeigen oder Meldungen aufgrund der Spezialgesetzgebung. In der regierungsrätlichen Verordnung vom 26. Februar 2013 zum Schaffhauser Gesundheitsgesetz (GesV/SH; SHR 810.102) wird Folgendes ergänzend geregelt: Das kantonale Departement des Innern nimmt alle Aufsichts- und Vollzugsaufgaben des Kantons gemäss dem GesG/SH wahr, soweit im Rahmen der GesV/SH oder anderer Erlasse keine abweichenden Regelungen bestehen (§ 1 Abs. 1 GesV/ SH). Es ordnet die erforderlichen Massnahmen an bei Organisationen und Personen, die im Gesundheitswesen tätig sind, kontrolliert im Rahmen seiner Zuständigkeit Räumlichkeiten und Einrichtungen und ist berechtigt, Unterlagen und Aufzeichnungen einzusehen, Kopien zu erstellen und Proben zu ziehen (§ 1 Abs. 4 GesV/SH). Die in Art. 321 Ziff. 1 StGB genannten Personen unterliegen der Schweigepflicht (§ 38 Abs. 2 GesV/SH). Die Entbindung von der Schweigepflicht verpflichtet die entbundene Person nicht, ein Geheimnis zu offenbaren (§ 38 Abs. 3 GesV/SH). Über die Entbindung von der Schweigepflicht entscheidet das Departement des Innern aufgrund eines schriftlichen Gesuches der zu entbindenden Person (§ 38 Abs. 4 GesV/SH). 3.5 Art. 98 BGG gelangt bei strafprozessualen Zwangsmassnahmen nicht zur Anwendung ( BGE 143 IV 330 E. 2.1 S. 334 mit Hinweisen). Soweit jedoch reine Sachverhaltsfragen und damit Fragen der Beweiswürdigung zu beurteilen sind, greift das Bundesgericht nur ein, wenn die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 105 Abs. 2 BGG ; BGE 143 IV 316 E. 3.3 S. 319, BGE 143 IV 330 E. 2.1 S. 334; je mit Hinweis). 4. Im vorliegenden Fall ist die Entsiegelung des von einer ärztlichen Klinik edierten Patientendossiers (betreffend eine mehrtägige stationäre psychiatrische Behandlung des Beschwerdeführers) streitig. Fest steht, dass der Beschwerdeführer als Geheimnisherr das ärztliche Personal der Klinik nicht vom Berufsgeheimnis entbunden BGE 147 IV 27 S. 32 hat. Streitig ist, ob eine gültige schriftliche Entbindung vom Berufsgeheimnis durch das zuständige kantonale Departement (gemäss Art. 171 Abs. 2 lit. b [zweiter Satzteil] StPO) vorliegt. 4.1 Die vom Beschwerdeführer zunächst erhobene Rüge, das Patientendossier sei unter Verletzung der Strafnormen von Art. 321 StGB zu den Untersuchungsakten genommen worden, erweist sich als unbegründet. Bei der prozessualen Erhebung der betreffenden Unterlagen wurde kein Berufsgeheimnis verletzt. Unbestrittenermassen hat die Untersuchungsbehörde das vom Psychiatriezentrum edierte Patientendossier auf Begehren des Beschwerdeführers unverzüglich gesiegelt. Auch die Organe der Vorinstanz haben keine Straftat begangen, indem sie als zuständiges ZMG über die von der Staatsanwaltschaft beantragte Entsiegelung der Unterlagen (unter dem Gesichtspunkt des Arztgeheimnisses) entschieden haben (vgl. Art. 14 StGB i.V.m. Art. 248 StPO ). Zu prüfen ist weiter, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, indem sie die Entsiegelung (materiell) bewilligte: 4.2 Zwar räumt die Vorinstanz in ihren Erwägungen ein, dass es vorliegend an einer "formellen Entbindung" auf Gesuch des betroffenen ärztlichen Personals hin fehlt. Eine E-Mail, welche der Stellvertretende Sekretär des kantonalen Departements des Innern am 1. Juli 2019 an die Staatsanwaltschaft sandte, sei jedoch einer solchen Entbindung "gleichzustellen". 4.3 Wie sich aus den Akten ergibt, hat das zuständige Departement keinen förmlichen Entscheid über die Entbindung vom Arztgeheimnis (gemäss Art. 171 Abs. 2 lit. b StPO i.V.m. Art. 321 Ziff. 2 StGB ) gefällt. In der betreffenden informellen E-Mail vom 1. Juli 2019 an die Staatsanwaltschaft vertritt der Stellvertretende Departementssekretär vielmehr - ausdrücklich - die Ansicht, ein Entbindungsgesuch der fraglichen Ärztinnen und Ärzte (und ein entsprechender förmlicher Entbindungsentscheid des Departementes) sei gar "nicht erforderlich", da das betroffene ärztliche Personal schon von Gesetzes wegen (nämlich aufgrund von Art. 15 Abs. 2 lit. c GesG/SH) "von der Schweigepflicht befreit" gewesen sei. 4.4 Entgegen der Ansicht der Entsiegelungsrichterin kann die fragliche E-Mail den gesetzlich vorgeschriebenen schriftlichen Entbindungsentscheid der zuständigen Behörde nicht ersetzen. Weder entspricht die E-Mail vom 1. Juli 2019 den gesetzlichen Formanforderungen an eine Verwaltungsverfügung (oder an einen BGE 147 IV 27 S. 33 strafprozessualen Zwischenentscheid, vgl. Art. 80 Abs. 2 und Art. 110 Abs. 1-2 StPO ), noch enthält sie eine gültige Unterschrift (vgl. Art. 86 StPO ). Hinzu kommt, dass es auch an dem gesetzlich vorgeschriebenen Entbindungsgesuch der betroffenen Ärztinnen und Ärzten als Geheimnisträger/innen fehlt ( Art. 321 Ziff. 2 StGB ; § 38 Abs. 4 GesV/SH). Die E-Mail vom 1. Juli 2019 ist keine hoheitliche Antwort auf ein Entbindungsgesuch des ärztlichen Personals, sondern eine informelle Antwort auf ein Rechtsauskunftsgesuch der Staatsanwaltschaft. Darüber hinaus wurde vor der Mitteilung des Stellvertretenden Departementssekretärs weder dem ärztlichen Personal (als Geheimnisträger) noch dem Beschuldigten (als Geheimnisherr) das rechtliche Gehör gewährt; ebenso wenig enthielt die E-Mail eine Rechtsmittelbelehrung. Sie dennoch als gültigen Entbindungsentscheid im Sinne von Art. 171 Abs. 2 lit. b StPO i.V.m. Art. 321 Ziff. 2 StGB einzustufen, hält vor dem Bundesrecht nicht stand. 4.5 Es fragt sich schliesslich noch, ob die Auffassung des Stellvertretenden Departementssekretärs und der Staatsanwaltschaft zutrifft, wonach das schaffhausische Verwaltungsrecht (GesG/SH) hier eine Ausnahme (bzw. eine gesetzliche Entbindung) vom Arztgeheimnis begründe: 4.6 Das strafbewehrte Arztgeheimnis ( Art. 321 StGB ) stellt ein wichtiges Rechtsinstitut des Bundesrechts dar. Es fliesst aus dem verfassungsmässigen Anspruch auf Privatsphäre ( Art. 13 BV , Art. 8 EMRK ) und dient dem Schutz des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient. Das Berufsgeheimnis nach Art. 171 Abs. 1 StPO begründet eine Zeugnisverweigerungs pflicht . Ausnahmen vom Arztgeheimnis bedürfen daher einer klaren bundesgesetzlichen Regelung ( BGE 141 IV 77 E. 4.4 S. 82; BGE 117 Ia 341 E. 6a S. 348; je mit Hinweisen). Die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Strafprozessrechts ist Sache des Bundes ( Art. 123 Abs. 1 BV ). Kantonale Verwaltungsnormen dürfen die bundesrechtlichen Vorschriften über den Schutz der Berufsgeheimnisse und über die strafprozessualen Editions- und Zeugnispflichten nicht unterlaufen (vgl. Art. 49 Abs. 1 BV ; Urteil des Bundesgerichtes 1B_96/2013 vom 20. August 2013 E. 5.1). 4.7 Im Bundesrecht und kantonalen Recht finden sich gesetzliche Bestimmungen, welche Ärzte und medizinisches Personal dazu verpflichten, den zuständigen Behörden spezifische Meldungen zu erstatten. Die gesetzlichen Meldepflichten über bestimmte Krankheits- und Behandlungfälle (oder spezifische andere Beobachtungen) dienen BGE 147 IV 27 S. 34 primär der Prävention und Erkennung von ansteckenden Krankheiten oder von gewissen schweren Straftaten (vgl. insb. Art. 12-14, Art. 26 Abs. 2 und Art. 38 Abs. 1 des Epidemiengesetzes [EpG; SR 818.101]; Art. 3 ff. der Verordnung vom 13. Januar 1999 über die Meldung übertragbarer Krankheiten des Menschen [AS 19991092]; Art. 120 Abs. 2 i.V.m Art. 119 Abs. 5 StGB ). Nach Art. 253 Abs. 4 StPO bestimmen die Kantone, welche Medizinalpersonen verpflichtet sind, aussergewöhnliche Todesfälle den Strafbehörden zu melden. Der fragliche Personenkreis ist kantonalrechtlich uneinheitlich geregelt (vgl. ZOLLINGER/KIPFER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 74-76 zu Art. 253 StPO ). 4.8 Falls das gesetzlich zu Meldungen verpflichtete ärztliche und medizinische Personal eine entsprechende Anzeige versäumt, läuft es Gefahr, sich wegen Verstosses gegen einschlägige Meldevorschriften bzw. gegebenenfalls wegen Begünstigung ( Art. 305 StGB ) strafbar zu machen (vgl. ZOLLINGER/KIPFER, a.a.O., N. 79 zu Art. 253 StPO ). Die Ausnahmeregelung von Art. 171 Abs. 2 lit. a StPO soll sicherstellen, dass den oben genannten gesetzlichen Meldevorschrifen auch im Strafverfahren Nachachtung verschafft wird und sich die betroffenen Ärzte und Medizinalpersonen für Meldefälle (und mangels Entbindung vom Berufsgeheimnis) auf eine ausdrückliche gesetzliche Ausnahme vom Arztgeheimnis berufen können. Gemäss der Botschaft zur StPO besteht die Ausnahme vom Arztgeheimnis nach Art. 171 Abs. 2 lit. a StPO nur bei "Personen mit einer Anzeigepflicht" und bezüglich Patienteninformationen "im Bereich dieser Anzeigepflicht". Dies gilt "etwa für Ärztinnen und Ärzte, soweit sie aussergewöhnliche Todesfälle zu melden haben". Darüber hinaus besteht eine Ausnahme vom Arztgeheimnis (nach Art. 171 Abs. 2 lit. b StPO ) lediglich im Falle einer Entbindung durch die betroffenen Patienten (Geheimnisherrin oder Geheimnisherr) oder durch die Aufsichtsbehörde. Und selbst bei einer solchen Entbindung gilt für eine allfällige Preisgabe des Arztgeheimnisses zusätzlich noch der Vorbehalt von Art. 171 Abs. 3 StPO (Urteil 1B_96/2013 vom 20. August 2013 E. 5.3 mit Hinweisen; Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1085 ff., 1202-1204). 4.9 Aus Art. 321 Ziff. 3 StGB lässt sich keine Kompetenz der Kantone ableiten, die strafprozessuale Zeugnispflicht abweichend von Art. 171 Abs. 1-2 StPO zu regeln oder das Arztgeheimnis (bei schwer wiegenden Straffällen) gar vollständig abzuschaffen (Art. 49 Abs. 1 BGE 147 IV 27 S. 35 i.V.m. Art. 123 Abs. 1 BV ; Urteil 1B_96/2013 vom 20. August 2013 E. 5.6). Art. 321 Ziff. 3 StGB ist gegenüber Art. 171 StPO der ältere und (betreffend strafprozessuale Zeugnis- und Editionspflichten) weniger spezifische Erlass. Art. 321 Ziff. 3 StGB wurde formuliert und in Kraft gesetzt, als noch die (dort erwähnten) kantonalen Strafprozessgesetze galten, denen die verfassungsrechtliche Praxis und Rechtslage eine grosse Gestaltungsfreiheit zugestand. Diese wurde seither durch Art. 123 BV und Art. 171 StPO beschnitten. Massgebliche kantonale Bestimmungen "über die Zeugnispflicht" existieren seit Inkrafttreten der StPO nicht mehr. 4.10 Das Schaffhauser Verwaltungsrecht regelt in Art. 16 GesG/SH die ärztliche Meldung von "aussergewöhnlichen Vorkommnissen" (Abs. 1) bzw. "aussergewöhnlichen Todesfällen" (Abs. 2). Es verweist für "weitere Anzeigen oder Meldungen" auf die Spezialgesetzgebung des Bundes und des Kantons (Abs. 3; vgl. näher oben, E. 3.4). Dabei handelt es sich um gesetzliche Anzeigepflichten (im Sinne von Art. 171 Abs. 2 lit. a und Art. 253 Abs. 4 StPO bzw. Art. 321 Ziff. 3 StGB ). Im vorliegenden Fall geht es nicht um die Meldung einer mutmasslichen Straftat (oder anderer aussergewöhnlicher Vorkommnisse) durch das medizinische Personal der betroffenen psychiatrischen Klinik. Als die Staatsanwaltschaft das streitige Patientendossier des Psychiatriezentrums edieren liess und siegelte, hatte sie (nach eigener Darlegung) bereits konkrete Anhaltspunkte für den Verdacht der untersuchten Sexualdelikte. Von der Durchsuchung des Patientendossiers über die stationäre Behandlung (und allfälligen Zeugenbefragungen des medizinischen Personals) verspricht sich die Staatsanwaltschaft vielmehr weitere Aufschlüsse über die (bereits zuvor bekannt gewordenen) untersuchten Straftaten. Nach der oben dargelegten Praxis des Bundesgerichtes dürfen kantonale Verwaltungsnormen die bundesgesetzlichen Bestimmungen über die Entbindung von den Berufsgeheimnissen nicht unterlaufen (vgl. zit. Urteil 1B_96/2013 E. 5.4-5.5, welches das baselstädtische Gesundheitsgesetz betraf). Der Vorinstanz und dem Beschwerdeführer ist darin zuzustimmen, dass auch Art. 15 Abs. 2 lit. c GesG/SH nicht (per se) als gesetzliche Grundlage für eine pauschale ärztliche Auskunfts- und Editionspflicht - ohne gültige Entbindung vom Arztgeheimnis auf ärztlichen Antrag hin - interpretiert werden kann. Eine solche Rechtsanwendung würde das Arztgeheimnis aushöhlen und wäre mit den bundesrechtlichen Bestimmungen zum Schutz der Berufsgeheimnisse nicht vereinbar ( Art. 13, Art. 49 Abs. 1 und BGE 147 IV 27 S. 36 Art. 123 Abs. 1 BV ; Art. 171 Abs. 2 lit. b StPO i.V.m. Art. 321 Ziff. 2 StGB ). Auch der schaffhausische Gesetzgeber scheint sich im Übrigen bewusst gewesen zu sein, dass er keine abweichenden strafprozessualen Normen zu erlassen hatte: Gemäss Art. 1 Abs. 1 regelt das GesG/SH "das öffentliche Gesundheitswesen sowie die Tätigkeit privater Leistungsanbieter im Gesundheitswesen auf dem Gebiet des Kantons Schaffhausen in Ergänzung zur speziellen Gesetzgebung über die Spitäler sowie die Altersbetreuung und Pflege". Gemäss Art. 13 Abs. 1 lit. f GesG/SH hat das verantwortliche ärztliche Personal das Berufsgeheimnis "nach Massgabe der einschlägigen Vorschriften" zu wahren. Auch die GesV/SH verweist auf die Anwendbarkeit von Art. 321 StGB (§ 38 Abs. 2 GesV/SH) bzw. auf die massgeblichen Regeln zur Entbindung von der Schweigepflicht (vgl. § 38 Abs. 3-4 GesV/SH). Das in der StPO abschliessend geregelte förmliche Entbindungsverfahren zum Schutz der Berufsgeheimnisse wird vom kantonalen Verwaltungsrecht folglich nicht tangiert. 4.11 Mangels einer gesetzeskonformen Entbindung vom Arztgeheimnis verletzt der angefochtene Entsiegelungsentscheid Bundesrecht. Er ist aufzuheben, und das Verfahren ist an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Das ZMG hat die Staatsanwaltschaft unverzüglich anzufragen, ob sie ihr Entsiegelungsgesuch zurückzieht. Falls sie am Gesuch festhält, hat das ZMG der Staatsanwaltschaft unter Beachtung des Beschleunigungsgebots ( Art. 5 Abs. 1 StPO ) eine Frist anzusetzen, um einen (allfälligen) rechtsgültigen Entscheid der zuständigen kantonalen Behörde betreffend Entbindung vom Arztgeheimnis ( Art. 171 Abs. 2 lit. b StPO i.V.m. Art. 321 Ziff. 2 StGB ) nachzureichen.
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Sachverhalt ab Seite 2 BGE 141 II 1 S. 2 A. (geb. 1972) stammt aus Deutschland. Er kam am 29. Januar 2006 in die Schweiz und verfügte hier gestützt auf ein unbefristetes Arbeitsverhältnis als Handwerksmeister über eine bis zum 31. August 2011 gültige Aufenthaltsbewilligung B (EU/EFTA-B). Sein Dienstverhältnis wurde am 9. Mai 2008 aufgelöst, nachdem es am Arbeitsplatz zu einer tätlichen Auseinandersetzung gekommen war. A. bezog von Juli 2008 bis Juni 2010 Arbeitslosengelder. Am 20. Juni 2011 ersuchte A. das Migrationsamt des Kantons Solothurn darum, seine Aufenthaltsbewilligung zu verlängern, was dieses am 4. Juli 2011 um ein Jahr, d.h. bis zum 31. August 2012 tat. Das Migrationsamt wies A. darauf hin, dass sein freizügigkeitsrechtlicher Aufenthaltsanspruch erlösche, falls er nach einem Jahr immer noch arbeitslos sein sollte (Art. 6 Abs. 1 Anhang I des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit [FZA; SR 0.142.112.681]). Am 26. September 2012 informierte das Sozialamt das Migrationsamt, dass A. nach wie vor vollumfänglich unterstützt werden müsse. Er habe insgesamt Sozialhilfeleistungen in der Höhe Fr. 41'680.60 bezogen. Das Migrationsamt des Kantons Solothurn lehnte es hierauf am 8. März 2013 androhungsgemäss ab, die Aufenthaltsbewilligung von A. ein weiteres Mal zu verlängern, und forderte ihn auf, das Land zu verlassen. BGE 141 II 1 S. 3 Das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn wies am 20. Januar 2014 die von A. hiergegen eingereichte Beschwerde ab. Zwar habe dieser während der Verlängerung seines Aufenthalts mehrere Praktika absolviert, doch sei er im entscheidenden Zeitpunkt der Verlängerung immer noch arbeitslos gewesen, weshalb nicht weiter geprüft werden müsse, ob seine Praktika als Erwerbstätigkeit gelten könnten. Sein Verlängerungsanspruch sei so oder anders erloschen, da er im Entscheidzeitpunkt keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Sein ursprüngliches Dienstverhältnis sei nicht wegen dauernder Arbeitsunfähigkeit aufgelöst worden, weshalb auch kein Verbleiberechtsanspruch bestehe. Das Bundesgericht weist die Beschwerde von A. ab, soweit es darauf eintritt. (Zusammenfassung)
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371
Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 2.1.1 Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei ist und mit einem Arbeitgeber des Aufnahmestaates ein Arbeitsverhältnis mit einer Dauer von mindestens einem Jahr eingeht, erhält eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Gültigkeitsdauer von fünf Jahren, gerechnet ab dem Zeitpunkt der Erteilung der Erlaubnis (EU/EFTA-B-Bewilligung). Diese wird automatisch um mindestens fünf Jahre verlängert. Bei der ersten Verlängerung kann die Gültigkeitsdauer beschränkt werden, wenn der Inhaber seit mehr als zwölf aufeinanderfolgenden Monaten unfreiwillig arbeitslos ist; die Dauer der Bewilligungsverlängerung darf ein Jahr nicht unterschreiten (vgl. Art. 6 Abs. 1 Anhang I FZA ). Einem Arbeitnehmer, der mit einem Arbeitgeber des Aufnahmestaates ein Arbeitsverhältnis mit einer Dauer von mehr als drei Monaten und weniger als einem Jahr eingegangen ist, wird eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Gültigkeitsdauer erteilt, die der Dauer des Arbeitsvertrags entspricht ( Art. 6 Abs. 2 Anhang I FZA ; EU/EFTA-L-Bewilligung). 2.1.2 Nach Art. 6 Abs. 6 Anhang I FZA darf einer arbeitnehmenden Person eine gültige Aufenthaltsbewilligung nicht allein deshalb entzogen werden, da sie keine Beschäftigung mehr hat, weil sie infolge von Krankheit oder Unfall vorübergehend arbeitsunfähig oder unfreiwillig arbeitslos geworden ist, falls das zuständige Arbeitsamt dies ordnungsgemäss bestätigt. Der Unterbruch der Erwerbstätigkeit BGE 141 II 1 S. 4 infolge von Krankheit oder Unfall, die von der zuständigen Behörde bestätigte Zeit unfreiwilliger Arbeitslosigkeit und der unfreiwillige Erwerbsunterbruch von unselbständig Erwerbstätigen gelten als Beschäftigungszeiten (vgl. Art. 4 Abs. 2 Anhang I FZA i.V.m. Art. 2 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2 der Verordnung [EWG] Nr. 1251/70 derKommission vom 29. Juni 1970 über das Recht der Arbeitnehmer, nach Beendigung einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates zu verbleiben [ABl. 1970 L 142 vom 30. Juni 1970 S. 24 ff.]). 2.2 2.2.1 Das Bundesgericht hat in Auslegung dieser Grundlagen entschieden, dass eine arbeitnehmende Person ihren freizügigkeitsrechtlichen Status als unselbständig erwerbstätige Person verlieren kann, (1) wenn sie freiwillig arbeitslos geworden ist, (2) aufgrund ihres Verhaltens feststeht, dass keinerlei ernsthafte Aussichten (mehr) darauf bestehen, dass sie in absehbarer Zeit eine andere Arbeit finden wird ( Dahinfallen des Arbeitnehmerstatus ; vgl. das Urteil des EuGH vom 26. Mai 1993 C-171/91 Tsiotras , Slg. 1993 I-2925 Randnr. 14) oder (3) ihr Verhalten gesamthaft als rechtsmissbräuchlich bezeichnet werden muss, da sie ihre Bewilligung (etwa) gestützt auf eine fiktive bzw. zeitlich kurze Erwerbstätigkeit einzig zum Zweck erworben hat, von günstigeren Sozialleistungen als im Heimat- oder einem anderen Vertragsstaat zu profitieren (Urteile des Bundesgerichts 2C_412/2014 vom 27. Mai 2014 E. 3.2 und 2C_390/2013 vom 10. April 2014 E. 3.2 u. 4.3; zu diesem Entscheid: VÉRONIQUE BOILLET, La notion de travailleur au sens de l'ALCP et la révocation des autorisations de séjour avec activité lucrative, in: Actualité du droit des étrangers, Dang/Petry [Hrsg.], Bd. I, 2014, S. 11 ff.; BENEDIKT PIRKER, Zum Verlust der Arbeitnehmereigenschaft im Freizügigkeitsabkommen, AJP 9/2014 S. 1217 ff.; RAHEL DIETHELM, Widerruf der Aufenthaltsbewilligung langzeitarbeitsloser EU/EFTA-Bürger, Digitaler Rechtsprechungs-Kommentar [dRSK], 10. Juni 2014 Rz. 13 ff.; BGE 131 II 339 E. 3.4 S. 347 mit Hinweisen). Die zuständige Behörde kann in diesen Situationen Kurzaufenthalts-, Aufenthaltsbewilligungen EU/EFTA und Grenzgängerbewilligungen EU/EFTA widerrufen oder nicht verlängern, wenn die Voraussetzungen für deren Erteilung nicht oder nicht mehr erfüllt sind ( Art. 23 der Verordnung vom 22. Mai 2002 über die Einführung des freien Personenverkehrs [VEP; SR 142.203] ). Da es dabei nicht darum geht, bestehende Freizügigkeitsrechte zu BGE 141 II 1 S. 5 beschränken, sondern die (deklaratorische) bewilligungsrechtliche an die (rechtsbegründende) anspruchsrechtliche (vgl. BGE 136 II 329 E. 2; BGE 134 IV 57 E. 4) anzupassen, kommt Art. 5 Anhang I FZA (Erfordernis des Schutzes der öffentlichen Ordnung) nicht zur Anwendung; besteht kein freizügigkeitsrechtlicher Anspruch, kann dieser auch nicht unter Beachtung der Vorgaben von Art. 5 Anhang I FZA beschränkt werden. 2.2.2 Der Arbeitnehmerstatus dauert zur Stellensuche über die Beendigung des Arbeitsvertrags hinaus (Urteil 2A.513/2002 vom 27. Februar 2003 E. 4.1 mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung des EuGH; zur unionsrechtlichen "finanziellen Solidarität" gestützt auf die Unionsbürgerschaft [Art. 18 i.V.m. 21 AEUV]: MONIKA PUSTUL, Freizügigkeit der Unionsbürger und das Recht auf Sozialleistungen in der EU und unter dem Freizügigkeitsabkommen Schweiz-EU, 2014, S. 74 f.; SONJA BUCKEL, "Welcome to Europe" - Die Grenzen des europäischen Migrationsrechts, Bielefeld 2013, S. 81 ff.). Nach Beendigung eines Dienstverhältnisses mit einer Dauer von weniger als einem Jahr haben die Staatsangehörigen der Vertragsparteien das Recht, im Land zu verbleiben, um sich eine andere Beschäftigung zu suchen und sich während eines angemessenen Zeitraums von bis zu sechs Monaten dort aufzuhalten, sofern dies erforderlich ist, um von den ihrer beruflichen Befähigung entsprechenden Stellenangeboten Kenntnis zu nehmen und gegebenenfalls die erforderlichen Massnahmen für eine Einstellung zu treffen (vgl. das Urteil des EuGH vom 26. Februar 1991 C-292/89 Antonissen , Slg. 1991 I-745 Randnr. 21; BOILLET, a.a.O., S. 12). Art. 18 VEP sieht vor, dass Freizügigkeitsberechtigte zur Stellensuche bis zu einem Aufenthalt von drei Monaten keiner Bewilligung bedürfen; für eine länger dauernde Stellensuche wird ihnen pro Kalenderjahr eine Kurzaufenthaltsbewilligung von drei Monaten erteilt; diese kann bis zu einem Jahr verlängert werden, sofern Suchbemühungen nachgewiesen sind und eine begründete Aussicht darauf besteht, dass eine Beschäftigung gefunden werden dürfte. Während der Dauer ihres Aufenthalts können Stellensuchende, welche die Arbeitnehmereigenschaft verloren haben, von der Sozialhilfe ausgeschlossen werden ( Art. 2 Abs. 1 Anhang I FZA ); allfällige Leistungen der Arbeitslosenversicherung gelten indessen als eigene Mittel des Stellensuchenden und nicht als Sozialhilfebeiträge. 2.2.3 Die Auslegung des freizügigkeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs und des damit verbundenen Status erfolgt in Übereinstimmung BGE 141 II 1 S. 6 mit der unionsrechtlichen Rechtsprechung, wie sie vor der Unterzeichnung des Freizügigkeitsabkommens (21. Juni 1999) bestand. Neuere Entscheide des EuGH berücksichtigt das Bundesgericht im Interesse einer parallelen Rechtslage, soweit keine triftigen Gründe hiergegen sprechen (vgl. BGE 139 II 393 E. 4.1 mit Hinweisen). Der unselbständig erwerbstätige Vertragsausländer muss demgemäss (1) während einer bestimmten Zeit (2) Leistungen für eine andere Person nach deren Weisungen erbringen und (3) als Gegenleistung hierfür eine Vergütung erhalten ( BGE 131 II 339 E. 3 u. 4; Urteil 2A.513/2002 vom 27. Februar 2003 E. 4.1; BOILLET, a.a.O., S. 14 ff.; PIRKER, a.a.O., S. 1217 ff.; EPINEY/BLASER, in: Code annoté de droit des migrations, Amarelle/Nguyen [Hrsg.], Bd. III: Accord sur la libre circulation des personnes [ALCP], 2014, N. 22 ff. zu Art. 4 FZA ). 2.2.4 Grundsätzlich kommt es dabei weder auf den zeitlichen Umfang der Aktivität noch auf die Höhe des Lohnes oder die Produktivität der betroffenen Person an (vgl. Urteile des EuGH vom 3. Juni 1986 C-139/85 Kempf , Slg. 1986 1741 Randnr. 14; vom 26. Februar 1992 C-3/90 Bernini , Slg. 1992 I-1071 Randnr. 16; vgl. BETTINA KAHIL-WOLFF, Le système de la sécurité sociale vu sous l'angle européen, ZSR 133/2014 II S. 115 ff., 139 ff.). Erforderlich ist jedoch quantitativ wie qualitativ eine echte und tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit (Urteil des EuGH vom 31. Mai 1989 C-244/87 Bettray , Slg. 1989 1621 Randnr. 13). Die Beurteilung, ob eine solche besteht, muss sich auf objektive Kriterien stützen und - in einer Gesamtbewertung (Urteil des EuGH vom 4. Februar 2010 C-14/09 Genc , Slg. 2010 I-931 Randnr. 26) - allen Umständen Rechnung tragen, welche die Art der Tätigkeit und des fraglichen Arbeitsverhältnisses betreffen. Es ist dabei auch zu berücksichtigen, ob die erbrachten Leistungen auf dem allgemeinen Beschäftigungsmarkt als üblich gelten können (vgl. Urteile des EuGH Bettray , Randnr. 17; vom 7. September 2004 C-456/02 Trojani , Slg. 2004 I-7573 Randnr. 24 [Person, die in einem Wohnheim gegen Naturalleistungen arbeitet]; MARCEL DIETRICH, Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der Europäischen Union unter Berücksichtigung des schweizerischen Ausländerrechts, 1995, S. 271 ff.). 2.2.5 Im Urteil 2C_390/2013 vom 10. April 2014 hat das Bundesgericht entschieden, dass arbeitslosenversicherungsrechtliche Beschäftigungsmassnahmen nicht geeignet sind, die Arbeitnehmereigenschaft der betroffenen Person zu begründen bzw. fortdauern zu BGE 141 II 1 S. 7 lassen (E. 4.2): Diese unterschieden sich von einer klassischen Arbeitstätigkeit auf dem ordentlichen Beschäftigungsmarkt insofern, als kein Arbeitsvertrag bestehe, die Tätigkeit dem Betroffenen vielmehr unter Androhung von Leistungseinstellungen zugewiesen werde (Art. 30 Abs. 1 lit. d, Art. 59 Abs. 1 und 1 bis und Art. 64a Abs. 1 AVIG [SR 837.0]) und die betroffene Person keinen arbeitsrechtlichen Lohn erhalte, sondern lediglich das versicherungsrechtliche Taggeld (vgl. Art. 59c und 59c bis AVIG ; BGE 133 V 536 E. 4.1 S. 540; kritisch hierzu: BOILLET, a.a.O., S. 16 ff.). 3. 3.1 Dem Beschwerdeführer war gestützt auf seinen überjährigen Arbeitsvertrag eine EU/EFTA-B-Bewilligung erteilt worden, welche bis zum 31. August 2011 gültig war. Da er zu diesem Zeitpunkt ununterbrochen länger als 12 Monate keiner Arbeit mehr nachging, durfte seine weitere Anwesenheitsberechtigung am 4. Juli 2011 auf ein Jahr (bis 31. August 2012) beschränkt und an die Folge geknüpft werden, dass der Aufenthaltsanspruch untergehe, sollte er nach Ablauf der Frist - allfällige Verbleiberechte bzw. einen erwerbslosen Aufenthalt bei Erfüllen der entsprechenden Voraussetzungen vorbehalten - nach wie vor ohne Arbeit sein ( Art. 6 Abs. 1 Anhang 1 FZA ) bzw. sich inzwischen nicht wieder in den Arbeitsmarkt integriert haben (vgl. DIETRICH, a.a.O., S. 293 f.). 3.2 3.2.1 Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht nicht weiter geprüft, ob der Beschwerdeführer - wie von ihm behauptet - innert dieser Frist wieder einer reellen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist oder nicht; seine Begründung, es sei nicht massgebend, ob der Betroffene das ganze Jahr über arbeitslos gewesen sei, sondern einzig, ob er zum Zeitpunkt des erneuten Verlängerungsentscheids über eine Stelle verfügt habe, überzeugt nicht. Sie übersieht, dass je nach Situation auch eine vorübergehende bzw. zeitlich beschränkte Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit geeignet sein kann, den freizügigkeitsrechtlichen Status als unselbständig erwerbstätige Person mit den damit verbundenen Rechten fortbestehen oder allenfalls wieder aufleben zu lassen (vgl. die Urteile 2C_390/2013 vom 10. April 2014 E. 4.4 und 2C_967/2010 vom 17. Juni 2011 E. 4.2 e contrario; PIRKER, a.a.O., S. 1221 ff.). Es ist systemwidrig und unverhältnismässig, eine während der Verlängerung für mehrere Monate gefundene echte und tatsächliche wirtschaftliche Aktivität bei der Beurteilung der BGE 141 II 1 S. 8 Bewilligung des weiteren Aufenthalts (gegebenenfalls im Rahmen einer EU/EFTA-L-Bewilligung; dazu oben E. 2.1.1) nicht zu berücksichtigen, nur weil die betroffene Person (unter Umständen etwa saisonbedingt) am Stichtag keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Die von der Vorinstanz vertretene schematisierende Lösung führt ohne sachlichen Grund zu einer Ungleichbehandlung je nach Antritt bzw. Beendigung eines allenfalls zeitlich beschränkten Arbeitsverhältnisses (Antritt oder Beendigung kurz vor Stichdatum), dies, obwohl dessen Dauer und Umfang bei der Umschreibung der freizügigkeitsrechtlichen Arbeitnehmereigenschaft gerade keine Rolle spielt. Erforderlich ist sowohl nach der Rechtsprechung des EuGH wie des Bundesgerichts eine Gesamtsicht , welche der Praxis zum Recht auf Stellensuche von bereits in den hiesigen Arbeitsmarkt integrierten freizügigkeitsberechtigten unselbständig erwerbstätigen Personen, aber auch dem Grundsatz einer nicht übermässigen Belastung des Sozialsystems angemessen Rechnung trägt (vgl. auch Art. 2 Abs. 1 Anhang I FZA ; DIETHELM, a.a.O., Rz. 17; EPINEY/BLASER, a.a.O., N. 25 zu Art. 7 FZA ). 3.2.2 Die Vorinstanz begründet ihren Standpunkt mit den Weisungen des Bundesamts für Migration (BFM) vom 1. Mai 2011 zum Freizügigkeitsabkommen: Zwar hält das Bundesamt dort fest, dass die betroffene Person weggewiesen werden kann, wenn sie nach einem Jahr immer noch arbeitslos ist; weist sie jedoch eine dauerhafte Erwerbstätigkeit nach, hat sie Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA oder - wenn keine dauerhafte Erwerbstätigkeit vorliegt - (immerhin) auf eine (weitere) Kurzaufenthaltsbewilligung EU/EFTA für die Dauer der Erwerbstätigkeit (Ziff. 12.2.2). Damit kann die Arbeitnehmereigenschaft selbst nach Ansicht des Bundesamtes wieder "aufleben" und allenfalls gestützt auf die Arbeitnehmereigenschaft ein Anwesenheitsanspruch über die ursprüngliche Bewilligungsverlängerung von einem Jahr hinaus bestehen ( Art. 6 Abs. 1 Anhang I FZA ). Auch nach den Weisungen des BFM darf somit nicht darauf verzichtet werden, zu prüfen, ob der Beschwerdeführer gestützt auf seine Aktivitäten weiterhin über einen freizügigkeitsrechtlichen Bewilligungsanspruch verfügt bzw. einen solchen erneut erworben hat. Im Übrigen wäre - selbst wenn die Passage in den Weisungen so verstanden werden müsste, wie die Vorinstanz dies tut - die entsprechende Auffassung für das Bundesgericht nicht verbindlich; entscheidend ist das Freizügigkeitsabkommen und dessen gesetzliche Umsetzung, nicht eine von der Verwaltungsbehörde gewählte, mit übergeordnetem Recht allenfalls in Widerspruch stehende BGE 141 II 1 S. 9 Auslegung (zur Rechtsnatur von Weisungen: BGE 138 V 50 E. 4.1 S. 54; BGE 133 II 305 E. 8.1 S. 315; BGE 129 V 200 E. 3.2 S. 204 f. mit Hinweisen). 3.3 3.3.1 Der Beschwerdeführer stand vom 1. Juni 2006 bis zum 9. Mai 2008 in einem zeitlich unbeschränkten Dienstverhältnis. Dieses wurde wegen seines Verhaltens aufgelöst, worauf er von Juli 2008 bis Juni 2010 Taggelder der Arbeitslosenversicherung bezog. Von Juni 2008 bis August 2009 wurde er zudem unregelmässig ergänzend von der Sozialhilfebehörde unterstützt. Seit Juni 2010 muss diese vollumfänglich für ihn aufkommen (Fr. 41'680.60 bis zum 26. September 2012). Sein Dienstverhältnis wurde ursprünglich (allenfalls) von ihm verschuldet durch den Arbeitgeber einseitig aufgelöst; in der Folge war der Beschwerdeführer indessen unfreiwillig arbeitslos gemeldet, weshalb er in den Genuss entsprechender Versicherungsleistungen kam. Mit seiner Aussteuerung im Juni 2010 mochte zweifelhaft sein, ob er in absehbarer Zeit auf dem hiesigen Beschäftigungsmarkt mit einer weiteren Beschäftigung rechnen konnte. Seine Bewilligung wurde in Anwendung von Art. 6 Anhang I FZA am 4. Juli 2011 dennoch zu Recht verlängert, womit ihm aufgrund der Inländergleichbehandlung ( Art. 9 Abs. 1 und 2 Anhang I FZA ) während des entsprechenden Jahres - soweit erforderlich - weitere Sozial(hilfe)leistungen gemäss dem kantonalen Recht geschuldet waren. 3.3.2 Bis zum 31. August 2012 absolvierte der Beschwerdeführer in der Folge zwei Praktika: Vom 1. September 2011 bis zum 31. November 2011 wurde ihm von der Sozialhilfebehörde ermöglicht, sich in Deutschland bei der B. weiterzubilden. Dabei handelte es sich um eine Aktivität im Rahmen der Tätigkeit eines gemeinnützigen Vereins. Die Vergütung für das entsprechende Praktikum bestand einzig darin, dass ihm eine Unterkunft zur Verfügung gestellt wurde. Die bei Eignung für eine allfällige Anstellung erforderliche Weiterbildung während des Volontariats ging zu seinen Lasten, wobei er weiterhin schweizerische Sozialhilfeleistungen bezog. Das entsprechende, zeitlich beschränkte Praktikum hat den Arbeitnehmerstatus des Betroffenen unter diesen Umständen nicht wieder aufleben oder fortbestehen lassen, da es sich dabei nicht um eine Arbeitstätigkeit im Sinn des FZA gehandelt hat. Das von ihm - in Deutschland und nicht in der Schweiz - absolvierte Volontariat erfolgte im Wesentlichen im Sinne einer Weiterbildungs-/Beschäftigungsmassnahme in BGE 141 II 1 S. 10 seinem Interesse. Gleiches gilt für das vom 15. März 2012 bis 31. Juli 2012 absolvierte Praktikum im "Zentrum C." in V.: Durch dieses wurde ihm - so der Praktikumsbeschrieb - die Möglichkeit gegeben, "den Alltag und den Aufbau einer Gemeinschaft zu leben" und an Volontärstreffen teilzunehmen. Die bei dieser Zielsetzung von ihm erbrachten Küchen- und Hauswirtschaftsarbeiten sind weder quantitativ noch qualitativ einer echten und tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit gleichzustellen. 3.4 Der Beschwerdeführer kann sich bei gesamthafter Betrachtung somit nicht (mehr) auf den freizügigkeitsrechtlichen Status als unselbständig erwerbstätiger Arbeitnehmer berufen; er hat diesen verloren (vgl. DIETRICH, a.a.O., S. 314 ff.), da er auch im Rahmen der nach Art. 6 Abs. 1 Anhang I FZA gebotenen Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung - selbst zeitlich beschränkt - nicht mehr unselbständig im Sinne der Rechtsprechung des EuGH erwerbstätig war. Ihm wurde hinreichend Gelegenheit gegeben, sich im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Anhang I FZA in der Schweiz um weitere Stellen zu bewerben (vgl. Urteil 2C_967/2010 vom 17. Juni 2011 E. 4.3); seine Bemühungen blieben indessen ohne Erfolg. Zwar befindet er sich seit nunmehr sieben Jahren im Land, doch ist er seit rund fünf Jahren nicht mehr im Arbeitsprozess. Auch wenn der Beschwerdeführer einwendet, arbeiten zu wollen, sich entsprechend bemüht zu haben und sich nicht missbräuchlich zu verhalten, ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang doch, dass derzeit keine ernsthaften Aussichten (mehr) darauf bestehen, dass er in absehbarer Zeit auf dem hiesigen Arbeitsmarkt wieder eine Stelle finden könnte. Er macht denn auch nicht geltend, sich um eine solche weiter zu bemühen, sondern konzentriert sich nunmehr darauf, wegen einer allfälligen Arbeitsunfähigkeit invalidenversicherungsrechtliche Leistungen zu erwirken. Im Resultat hat die Vorinstanz das Fortbestehen eines freizügigkeitsrechtlichen Anwesenheitsanspruchs als erwerbstätige Person zu Recht verneint. Da der Beschwerdeführer über keine eigenen Mittel verfügt, kann er sich nicht auf einen freizügigkeitsrechtlichen Anspruch ohne Erwerbstätigkeit berufen (vgl. Art. 24 Abs. 1 lit. a Anhang I FZA ["ausreichende finanzielle Mittel"]). 4. Der Beschwerdeführer macht geltend, falls Art. 6 bzw. Art. 2 Anhang I FZA nicht zur Anwendung kommen sollten, liege bei ihm ein Verbleiberechtsanspruch nach Art. 4 Anhang I FZA vor (dauernde Arbeitsunfähigkeit). Die Bestimmung habe insofern eine BGE 141 II 1 S. 11 "Vorwirkung", als er sich gestützt darauf weiter im Land müsse aufhalten können, bis (auch) über die invalidenversicherungsrechtliche Lage entschieden sei. 4.1 EU-/EFTA-Angehörige, die nach zweijährigem ständigem Aufenthalt in der Schweiz dauernd arbeitsunfähig werden bzw. "infolge dauernder Arbeitsunfähigkeit eine Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis" aufgeben, verfügen als Wanderarbeitnehmende, welche von der Personenfreizügigkeit Gebrauch gemacht haben, über ein autonomes Verbleiberecht (vgl. DIETRICH, a.a.O., S. 295 ff. ). Die Karenzfrist von zwei Jahren entfällt, falls die Arbeitsunfähigkeit auf einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit zurückgeht und ein Anspruch auf eine Rente eines schweizerischen Versicherungsträgers besteht ( Art. 4 Anhang I FZA i.V.m. Art. 2 Abs. 1 lit. b der Verordnung [EWG] Nr. 1251/70; vgl. GROSSEN/DÄPP, § 4 Sonderregelungen für Staatsangehörige der EU- und EFTA-Mitgliedstaaten, in: Ausländerrecht, Uebersax/Rudin/Hugi Yar/Geiser [Hrsg.], 2. Aufl. 2009, N. 4.44 ff.; THOMAS HUGI YAR, Von Trennungen, Härtefällen und Delikten - Ausländerrechtliches rund um die Ehe- und Familiengemeinschaft, Jahrbuch für Migrationsrecht 2012/2013 S. 31 ff., dort S. 57 ff.; ZÜND/ARQUINT HILL, § 8 Beendigung der Anwesenheit, Entfernung und Fernhaltung, in: Ausländerrecht, a.a.O., N. 8.37; MARC SPESCHA, in: Migrationsrecht, Spescha/Thür/Zünd/Bolzli [Hrsg.], 3. Aufl. 2012, N. 4 zu Art. 4 Anhang I FZA ). Wer sich auf ein Verbleiberecht berufen kann, behält seine als Arbeitnehmer erworbenen Rechte und hat insbesondere auch Anspruch auf Sozialhilfe (vgl. Art. 22 VEP ). Nach Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1251/70 gelten die vom zuständigen Arbeitsamt ordnungsgemäss bestätigten Zeiten unfreiwilliger Arbeitslosigkeit und die Abwesenheit infolge Krankheit oder Unfall als anrechenbare Beschäftigungsperioden. 4.2 4.2.1 Im Urteil 2C_587/2013 vom 30. Oktober 2013 hat das Bundesgericht festgehalten, dass die Migrationsbehörde grundsätzlich nicht über den weiteren Aufenthaltsstatus entscheiden darf, solange die IV-Abklärungen in Bezug auf die dauernde Arbeitsunfähigkeit noch im Gang sind. In Zweifelsfällen ist die Verfügung der zuständigen IV-Stelle abzuwarten; regelmässig kann nur gestützt auf deren Entscheid abschliessend beurteilt werden, ob eine Arbeitsunfähigkeit im Sinne von Art. 2 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EWG) BGE 141 II 1 S. 12 Nr. 1251/70 vorliegt. Sie darf den Aufenthaltsstatus nur dann früher regeln, wenn die IV-rechtliche Ausgangslage als Vorfrage zum Bewilligungsentscheid klar und eindeutig erscheint. Das Bundesgericht hat diese Auffassung im Entscheid 2C_1102/2013 vom 8. Juli 2014 bestätigt. In beiden Urteilen kam es zum Schluss, dass es sich zumindest im konkret zu beurteilenden Fall gestützt auf die Gesamtumstände nicht gerechtfertigt habe, den Aufenthalt nicht bis zum IV-Entscheid weiter zu gestatten. 4.2.2 Der Beschwerdeführer darf gemäss eines Arztzeugnisses vom 19. Oktober 2009 bei der Arbeit nicht mehr als 20 Kilogramm heben. Er war in der Folge vom 3. bis 8. September 2012 und vom 21. bis 30. September 2012 krankgeschrieben. Weitere Arbeitsunfähigkeiten sind nicht attestiert. Im IV-Verfahren ist durch die Ärztin bisher eine Anpassungsproblematik bei psychosozialer Belastungssituation mit Trennung, Arbeitslosigkeit und aktuell fehlender Aufenthaltsbewilligung mit reaktiv zunehmend körperlichen Beschwerden (Rückenschmerzen) ohne relevantes organisches Korrelat festgestellt worden. Durch stufenweise Integrationsmassnahmen könne eine 100%-ige Arbeitsfähigkeit in einer Disponenten- oder Verweistätigkeit erreicht werden. Die entsprechenden Integrationsmassnahmen wurden von der IV-Stelle nicht in die Wege geleitet, da beim Versicherten eine besondere Situation bestehe, welche Anlass gebe, vor Beginn von beruflichen Integrationsmassnahmen mittels psychiatrischer Abklärung den medizinischen Leistungsanspruch zu ermitteln (Quantifizierung einer allfällig krankheitsbedingten Leistungseinschränkung). 4.2.3 Der Beschwerdeführer hat sich selber bis zum negativen Bewilligungsentscheid immer als arbeitsfähig bezeichnet und sich nach Erschöpfung der Taggelder über Volontariate um Arbeit bemüht. Er beruft sich in erster Linie auf seinen Status als Arbeitnehmer, womit die behauptete dauernde Arbeitsunfähigkeit im Widerspruch steht. Er verweist vor Bundesgericht auf seine Rückenprobleme, die noch während der Anstellung im unbefristeten Arbeitsverhältnis begonnen haben sollen, von ihm aber danach nicht als Grund für eine dauernde Arbeitslosigkeit geltend gemacht wurden. Während zweier Jahre bezog er Arbeitslosenentschädigungen, was voraussetzte, dass er vermittelbar war; auch danach machte er bei seinen Volontariaten nicht geltend, arbeitsunfähig zu sein. Der Umstand, dass er, nachdem er seine Arbeitnehmereigenschaft verloren hatte, psychisch belastet war, BGE 141 II 1 S. 13 da sein weiterer Aufenthalt gefährdet erschien, erlaubt nicht die Berufung auf eine auf dem entsprechenden Status beruhende dauernde Arbeitsunfähigkeit. Art. 2 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EWG) Nr. 1251/70 verlangt für das Verbleiberecht, dass der Arbeitnehmer eine Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis deswegen aufgegeben hat; nur in diesem Fall rechtfertigt es sich, seine Rechte als Wanderarbeitnehmer über das Dahinfallen des Arbeitnehmerstatus nach einem minimalen Aufenthalt von zwei Jahren hinaus fortbestehen zu lassen. Dies war hier nicht der Fall: Der Beschwerdeführer hat seine Beschäftigung im Lohn- und Gehaltsverhältnis nicht "infolge dauernder Arbeitsunfähigkeit" aufgegeben, wie Art. 2 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EWG) Nr. 1251/70 dies voraussetzt (Anknüpfung an die Arbeitnehmereigenschaft); ihm wurde vielmehr wegen seines Verhaltens gekündigt. In der Folge bezog er Arbeitslosenleistungen, womit er als vermittelbar galt. Er verlor nach seiner Aussteuerung die Arbeitnehmereigenschaft, weshalb seine erst am 4. April 2013 bei der IV-Stelle geltend gemachte dauernde Arbeitsunfähigkeit kein Verbleiberecht begründet; zu dieser Zeit war der erstinstanzliche Wegweisungsentscheid bereits ergangen. Er kann sich somit - auch unter Berücksichtigung von Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1251/70 - nicht auf ein Verbleiberecht im Sinne von Art. 4 Anhang I FZA berufen. Sämtliche berufliche Eingliederungsmassnahmen sind gescheitert, womit der Beschwerdeführer bei vorher verlorenem Arbeitnehmerstatus nicht im Hinblick auf weitere solche Massnahmen seitens der Invalidenversicherung einen Anspruch auf Bewilligungsverlängerung hat. Soweit zusätzliche versicherungsrechtliche Abklärungen in der Schweiz erforderlich sind, können diese im Rahmen des freien Aufenthalts grenzüberschreitend wahrgenommen werden.
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Sachverhalt ab Seite 146 BGE 147 II 144 S. 146 A. Am 13. November 2018 eröffnete das Sekretariat der Wettbewerbskommission (WEKO) im Einvernehmen mit dem Präsidenten gegen mehrere Unternehmen, darunter die A. AG und ihre konzernmässig verbundenen Gesellschaften, eine Untersuchung gemäss Art. 27 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz, KG; SR 251) . Die WEKO hegte den Verdacht, dass die Untersuchungsadressaten unzulässige Wettbewerbsabreden getroffen hätten, um mobile Bezahllösungen internationaler Anbieter wie Apple Pay und Samsung Pay zu boykottieren ("Verfahren 22-0492: Boykott Apple Pay"). B. Mit Verfügung vom 27. November 2018 luden die Wettbewerbsbehörden B. in seiner Rolle als ehemaliger CEO der C. AG für den 5. Dezember 2018 zu einer Zeugeneinvernahme vor. Einer allfälligen Beschwerde gegen die Vorladung wurde die aufschiebende Wirkung entzogen. Gegen diese Anordnung gelangte die A. AG mit Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht. Mit Urteil vom 6. März 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat; in der Urteilsbegründung hielt es jedoch fest, dass die Zeugenbefragung mit Blick auf den nemo-tenetur-Grundsatz nur zulässig sei, solange sie sich auf Angaben rein tatsächlicher Art beschränke, welche sich für die A. AG im Hinblick auf eine allfällige Sanktionierung nicht direkt belastend auswirken könnten. C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 15. Mai 2020 gelangt das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) an das Bundesgericht und beantragt die Aufhebung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. März 2020, soweit damit die Einvernahme von B. für die Zeit vor dem 27. September 2016 eingeschränkt worden sei; es sei den Wettbewerbsbehörden die uneingeschränkte Einvernahme B.s als Zeuge und ohne Einräumung aussergesetzlicher Zeugnisverweigerungsrechte zu gestatten. Eventualiter sei festzustellen, dass das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. März 2020 die Zeugeneinvernahme von B. in der Untersuchung 22-0492 (Boykott Apple Pay) in keiner Weise verbindlich einschränke. Die A. AG beantragt Nichteintreten; eventualiter sei die Beschwerde abzuweisen. Das Bundesverwaltungsgericht verzichtet auf inhaltliche Stellungnahme. Im Rahmen des zweiten Schriftenwechsels halten die Verfahrensbeteiligten an ihren Anträgen fest. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. BGE 147 II 144 S. 147
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. 4.1 Die A. AG kann im vorliegenden Verfahren innerhalb des Streitgegenstands sämtliche rechtlichen Argumente vortragen, die geeignet sind, zu einer Abweisung der Beschwerde zu führen (vgl. Urteil 2C_1071/2018 vom 12. November 2019 E. 4). Dazu gehört - entgegen der Auffassung des WBF - auch der Einwand, eine Zeugenbefragung B.s sei per se unzulässig, weil ehemalige Organe einer juristischen Person immer als Parteivertreter bzw. Auskunftspersonen zu befragen seien, soweit sie Auskünfte zu Begebenheiten geben müssten, die sich während der Zeit ihrer Organstellung zugetragen hätten. Würde die A. AG damit durchdringen, könnte eine Befragung B.s in Zeugenstellung aufgrund des insoweit hier nicht angefochtenen Urteils der Vorinstanz zwar nicht mehr aufgehoben werden; allerdings könnte B. sich in einer solchen Befragung - a maiore ad minus - zumindest auf das Aussageverweigerungsrecht berufen, das die Vorinstanz ihm zugestanden hat. Zu klären ist mithin nachfolgend zunächst die Frage, ob die Vorinstanz zu Recht davon ausging, ehemalige Organe eines untersuchungsbetroffenen Unternehmens seien in einem Kartellsanktionsverfahren grundsätzlich als Zeugen zu befragen. 4.2 Im kartellrechtlichen Sanktionsverfahren nach Art. 49a KG ist verfahrensrechtlich grundsätzlich auf die Bestimmungen des VwVG (SR 172.021) abzustellen ( Art. 39 KG ). Ergänzt und stellenweise modifiziert werden diese Bestimmungen durch Vorschriften des KG (vgl. Botschaft vom 23. November 1994 zu einem Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen, BBl 1995 I 614). 4.3 Art. 42 Abs. 1 KG sieht - über das VwVG hinausgehend (vgl. Art. 12 lit. b VwVG ) - vor, dass die Wettbewerbsbehörden die "von einer Untersuchung Betroffenen" zur Beweisaussage verpflichten können, wobei mit Blick auf den "nemo-tenetur-Grundsatz" ( Art. 6 Ziff. 1 EMRK ; vgl. dazu E. 5.2.1 hiernach) im Kartellsanktionsverfahren regelmässig nur das vorgelagerte "einfache Parteiverhör" ( Art. 42 Abs. 1 KG i.V.m. Art. 64 Abs. 1 Halbsatz 2 BZP [SR 273]) stattfindet (vgl. BICKEL/WYSSLING, in: KG, Kommentar zum Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen, Roger Zäch und andere [Hrsg.], 2018, N. 161 zu Art. 42 KG ). Dritte sind nach Art. 42 Abs. 1 KG demgegenüber als Zeugen zu befragen (vgl. auch Art. 12 lit. c VwVG ). Die in Art. 42 Abs. 1 KG getroffene BGE 147 II 144 S. 148 Unterscheidung zwischen den "von der Untersuchung Betroffenen" und "Dritten" ist praktisch von grosser Bedeutung: Während Dritte als Zeugen im Rahmen ihrer Einvernahme grundsätzlich zur wahrheitsgemässen Aussage verpflichtet sind ( Art. 15 VwVG , Art. 307 StGB ), können die "von der Untersuchung Betroffenen" im Rahmen des "einfachen Parteiverhörs" aufgrund von Art. 6 Ziff. 1 EMRK die Aussage verweigern (vgl. BICKEL/WYSSLING, a.a.O., N. 35 zu Art. 42 KG ). 4.4 Zu klären ist, was unter dem Begriff der "von der Untersuchung Betroffenen" zu verstehen ist. Aufschlussreich ist insoweit der Blick in die französische und die italienische Sprachfassung von Art. 42 Abs. 1 KG : Der Gesetzgeber benützt hier die Wendungen der "parties à l'enquête" bzw. der "parti all'inchiesta". Daraus geht deutlich hervor, dass der Begriff der "von der Untersuchung Betroffenen" einzig die Verfahrensparteien umschliesst (vgl. auch SIMON BANGERTER, in: Basler Kommentar, Kartellgesetz, Amstutz/Reinert [Hrsg.], 2010, N. 13 zu Art. 42 KG ; BOVET/SABRY, in: Commentaire romand, Droit de la concurrence, Martenet/Bovet/Tercier [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 19 zu Art. 42 KG ; BICKEL/WYSSLING, a.a.O., N. 25 zu Art. 42 KG ). Diese Sichtweise konvergiert überdies mit Art. 64 BZP , auf den Art. 42 Abs. 1 KG Bezug nimmt: Systematisch im Gesetzesabschnitt zum "Parteiverhör" verortet, sind in diesem Artikel die spezifischen Voraussetzungen der Beweisaussage geregelt, die nach der Konzeption des BZP nur gegenüber einer Partei angeordnet werden kann. 4.5 Ob eine Person als Zeugin zu befragen ist, oder aber ein Parteiverhör bzw. eine Beweisaussage anzuordnen ist, bestimmt sich damit (vgl. E. 4.4 hiervor) danach, ob die betreffende Person als Verfahrenspartei einzustufen ist. Diese Frage ist mangels anderslautender Bestimmung im KG nach Art. 6 VwVG zu beantworten: Als Parteien gelten demnach jene Personen, deren Rechte oder Pflichten die Verfügung berühren soll, und andere Personen, Organisationen oder Behörden, denen ein Rechtsmittel gegen die Verfügung zusteht (vgl. in diesem Zusammenhang Art. 48 VwVG ). Eine Sanktionsverfügung nach Art. 49a KG berührt in erster Linie die Rechte und Pflichten jener Unternehmen (vgl. zum Unternehmensbegriff Art. 2 Abs. 1 bis KG ), die von der allfällig auszusprechenden Sanktion betroffen wären. Parteien sein können aber auch Dritte, die in einem besonders engen, spezifischen Verhältnis zum Verfügungsgegenstand stehen und deren Situation durch den Ausgang des BGE 147 II 144 S. 149 Verfahrens in relevanter Weise beeinflusst werden kann ( BGE 139 II 328 E. 4.1 S. 335). Dabei kann es sich je nach Einzelfall beispielsweise um Lieferanten, Abnehmer oder Konkurrenten von Untersuchungsadressaten handeln (WYSSLING/BICKEL, a.a.O., N. 3 zu Art. 43 KG ; vgl. zum Ganzen BGE 139 II 328 E. 4.2-4.6 S. 335 ff.; BGE 124 II 499 E. 3a S. 502 f.). 4.6 Personen, die in einem untersuchungsbetroffenen Unternehmen eine Organfunktion bekleiden, verfügen im Kartellsanktionsverfahren nicht aus eigenem Recht über die Parteistellung. Wie die Vorinstanz allerdings zutreffend erwogen hat, handeln juristische Personen im Kartellverwaltungsverfahren durch ihre aktuellen formellen und faktischen Organe ( Art. 55 ZGB ; BGE 141 III 80 E. 1.3 S. 81 ff.; Urteil 4A_93/2015 vom 22. September 2015 E. 1.2.1, nicht publ. in: BGE 141 III 426 ; vgl. auch BANGERTER, a.a.O., N. 19 zu Art. 42 KG ); die entsprechenden natürlichen Personen sind daher grundsätzlich als Partei und nicht als Dritte zu behandeln. Anderen Angehörigen juristischer Personen fehlt es hingegen an der Parteistellung; sie sind deshalb entgegen der Auffassung der A. AG als Zeugen zu befragen (vgl. E. 4.5 hiervor). 4.7 Strittig ist, wie es sich mit ehemaligen Organen eines untersuchungsbetroffenen Unternehmens verhält. 4.7.1 Die Vorinstanz erwog diesbezüglich, nur die Aussagen aktueller Organe bzw. aktuell vertretungsberechtigter natürlicher Personen könnten der juristischen Person als Verfahrenspartei zugerechnet werden. Ehemalige Organe seien daher als Zeugen und nicht als Verfahrensparteien zu befragen. Das Abstellen auf die aktuellen Verhältnisse entspreche überdies dem im Verwaltungsverfahren herrschenden Untersuchungsgrundsatz ( Art. 12 VwVG ), aus welchem sich die Regel ergebe, dass selbst dem Bundesverwaltungsgericht neue tatsächliche Vorbringen und Beweismittel noch unbeschränkt unterbreitet werden könnten. 4.7.2 Die Rechtsauffassung der Vorinstanz ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die unterschiedliche Behandlung von Parteien und Dritten im Rahmen des Beweisverfahrens soll - ungeachtet der Frage allfälliger Aussageverweigerungsrechte (vgl. dazu E. 5 hiernach) - insbesondere verhindern, dass die befragte Person zur Zeugin in eigener Sache wird. Hat eine Person ihre Organstellung in einem Unternehmen verloren, verfügt sie entgegen den Andeutungen in der Beschwerdeantwort betreffend die allfällige Sanktionierung des BGE 147 II 144 S. 150 Unternehmens nicht mehr über ein unmittelbares Interesse am Verfahrensausgang; dies gilt auch dann, wenn sie Aussagen zu Begebenheiten machen muss, die sich im Zeitraum ihrer Organstellung zugetragen haben und aus denen ihr im Verhältnis zu ihrer ehemaligen Arbeitgeberin gegebenenfalls zivilrechtliche Nachteile entstehen können. Die betreffende Person ist daher ungeachtet ihrer früheren Organstellung nicht als Partei zu befragen, sondern als Zeugin (siehe für das Zivilprozessrecht Art. 169 ZPO und Urteil 5A_127/ 2013 vom 1. Juli 2013 E. 3.1; ferner Art. 63 Abs. 2 BZP ; im Strafprozessrecht gilt eine differenzierte Regelung: Weil die Strafbarkeit des Unternehmens nach Art. 102 StGB voraussetzt, dass im Unternehmen eine Straftat begangen worden ist [vgl. BGE 142 IV 333 E. 4.1 S. 336 ff.], werden Vertreter dieses Unternehmens im Allgemeinen als Auskunftspersonen einvernommen [ Art. 178 lit. g StPO ]). Eine Befragung als "Auskunftsperson" fällt schon deshalb ausser Betracht, weil dies in der insofern einschlägigen Spezialbestimmung von Art. 42 Abs. 1 KG nicht vorgesehen ist. Mit dem von der Vorinstanz angerufenen Novenrecht hat all dies allerdings nichts zu tun: Zwar trifft zu, dass sich die Zulässigkeit einer erst noch ausstehenden Zeugenbefragung danach beurteilt, ob die einzuvernehmende Person zum Zeitpunkt des anzunehmenden Befragungszeitpunkts voraussichtlich Organstellung haben wird; ebenfalls zutreffend ist, dass zur Beurteilung dieser Frage im bundesverwaltungsgerichtlichen Verfahren Noven berücksichtigt werden können (vgl. Art. 12 und Art. 32 Abs. 2 VwVG ). Dies gilt jedoch auch dann, wenn die Einvernahme bereits stattgefunden hat, ihre Rechtmässigkeit vom Gericht mit anderen Worten ex post zu beurteilen ist; ein allfälliges Wiederaufleben der Organfunktion während des Beschwerdeverfahrens führt in diesem Sinne nicht zur Unzulässigkeit der Zeugeneinvernahme. Das Novenrecht verhält sich zur hier interessierenden Frage mit anderen Worten indifferent und kann nicht als Argument dafür herangezogen werden, dass ehemalige Organe als Zeugen zu befragen seien. 4.8 Nachdem die Vorinstanz verbindlich festgestellt hat, dass B. seit dem 17. September 2016 weder eine formelle noch eine faktische Organstellung bei der A. AG innehatte, hat die WEKO ihn nach den vorstehenden Ausführungen grundsätzlich zu Recht als Zeugen vorgeladen. Dass er nach Darstellung in der Beschwerdeantwort auch heute noch als Berater für die A. AG tätig ist, ändert daran nichts. BGE 147 II 144 S. 151 5. Mit der Feststellung, dass die WEKO B. zu Recht als Zeugen vorgeladen hat (vgl. E. 4.8 hiervor), ist noch nicht beantwortet, ob ihm in dieser (erst noch durchzuführenden) Zeugeneinvernahme ein von der A. AG abgeleitetes Aussageverweigerungsrecht zusteht. 5.1 Die Vorinstanz bejahte diese Frage. Sie argumentierte, das aus dem nemo-tenetur-Grundsatz ( Art. 6 Ziff. 1 EMRK , Art. 32 Abs. 2 BV ) fliessende Aussageverweigerungsrecht der A. AG werde ausgehöhlt, wenn die WEKO B. als ehemaliges Organ uneingeschränkt zu Vorgängen befragen dürfte, die sich während der Zeit seiner Organstellung (1. Januar 2015 bis 27. September 2016) zugetragen hätten. Eine Aussage B.s zu Fragen, welche zu einer impliziten Schuldanerkennung der A. AG führen könnten, komme deshalb nicht in Betracht. Bei der Zeugenbefragung dürften vielmehr nur Fragen in Bezug auf Angaben rein tatsächlicher Art gestellt werden, welche sich für die A. AG im Hinblick auf eine allfällige Sanktionierung nicht belastend auswirken könnten. 5.2 Mit der Differenzierung zwischen Fragen, die zu einer impliziten Schuldanerkennung der A. AG führen können, und solchen, die nur auf Angaben rein tatsächlicher Art abzielen, knüpft die Vorinstanz an die Rechtsprechung an, die die Gerichte der Europäischen Union in Bezug auf die Geltung des nemo-tenetur-Grundsatzes gegenüber Unternehmen im europäischen Kartellrecht im Allgemeinen verfolgen (vgl. Urteile des EuGH vom 25. Januar 2007 C-407/ 04 P Dalmine gegen Kommission, Slg. 2007 I-902 Randnr. 34; vom 18. Oktober 1989 C-374/87 Orkem gegen Kommission , Slg. 1989 S. 3283 ff.; vgl. auch Urteil des EuG vom 20. Februar 2001 T-112/98 Mannesmannröhren-Werke gegen Kommission , Slg. 2001 II-732, Randnr. 68 ff.). Unabhängig von der vorliegend umstrittenen praktischen Durchführbarkeit dieser Unterscheidung setzt die Anknüpfung der Vorinstanz voraus, dass der Anwendungsbereich des nemo-tenetur-Grundsatzes ( Art. 6 Ziff. 1 EMRK ) in Bezug auf die Befragung von Personen mit ehemaliger Organfunktion überhaupt eröffnet ist. 5.2.1 Festzustellen ist diesbezüglich im Ausgangspunkt, dass das für sich genommen dem Verwaltungsrecht zuzuordnende kartellrechtliche Sanktionsverfahren ( Art. 49a KG ) vom Bundesgericht im Lichte der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entwickelten "Engel-Kriterien" in konstanter Rechtsprechung als strafrechtsähnlich bezeichnet wird; damit gelangen in diesem Verfahren unter anderem die Schutzgarantien von Art. 6 Ziff. 1 EMRK BGE 147 II 144 S. 152 zur Anwendung ( BGE 144 II 246 E. 6.4.3 S. 254; BGE 139 I 72 E. 2.2.2 S. 78 ff.). Berufen können sich untersuchungsbetroffene Unternehmen insbesondere auf das Aussageverweigerungsrecht und das Verbot des Selbstbelastungszwangs (nemo-tenetur-Grundsatz; BGE 140 II 384 E. 3.3.4 S. 392 f.). 5.2.2 Der bundesgerichtlichen Rechtsprechung lassen sich darüber hinausgehend Andeutungen entnehmen, dass der Schutz juristischer Personen durch den nemo-tenetur-Grundsatz im Kartellsanktionsverfahren eine teilweise andere Stossrichtung verfolgt, als im Bereich der natürlichen Personen (vgl. BGE 140 II 384 E. 3.3.4 S. 392 f.). Für die Zwecke des vorliegenden Verfahrens ist dieser Gedanke zu vertiefen: Von einem Strafverfahren betroffene natürliche Personen würden durch eine (strafbewehrte) Pflicht zur wahrheitsgemässen Aussage in das Dilemma geraten, sich entweder selbst einer Unrechtstat zu bezichtigen oder aber Zwangsmitteln ausgesetzt zu werden. Dies ist bei juristischen Personen nicht der Fall: Solange den für das Unternehmen handelnden Organen nicht auch persönlich eine (strafrechtliche oder strafrechtsähnliche) Sanktionierung droht, können sie nicht in die beschriebene Zwangslage geraten (vgl. FLORIAN HENN, Strafrechtliche Verfahrensgarantien im europäischen Kartellrecht, Berlin 2018, S. 179). Für das Kartellsanktionsverfahren, in dem natürliche Personen nach Art. 49a KG grundsätzlich nicht sanktioniert werden können, bedeutet dies, dass der nemo-tenetur-Grundsatz nicht den mit der Menschenwürde verknüpften Schutz der Willensfreiheit der handelnden Organe, sondern einzig und allein die Gewährleistung eines effektiven Verteidigungsrechts der Untersuchungsbetroffenen bezweckt. 5.2.3 Zutreffen mag, dass das je nach Anspruchsberechtigten divergierende telos des nemo-tenetur-Grundsatzes (vgl. E. 5.2.2 hiervor) die Geltung dieses Grundsatzes für juristische Personen nicht a priori ausschliesst oder einschränkt (vgl. CAROLE BECK, Enforcementverfahren der FINMA und Dissonanz zum nemo tenetur-Grundsatz, 2019, Rz. 700; CHRISTOPH DANNECKER, Der nemo tenetur-Grundsatz - prozessuale Fundierung und Geltung für juristische Personen, Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft [ZStW] 127/2015 S. 371 ff., S. 379; FELLMANN/VETTERLI, "Nemo tenetur" light bei strafähnlichen Verwaltungssanktionen?, forumpoenale 1/2015 S. 43 ff., S. 45; ROMAN HUBER, Interne Untersuchungen und Anwaltsgeheimnis, Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht [GesKR] 2019 S. 65 ff., BGE 147 II 144 S. 153 S. 72; SIMON ROTH, Zum Zweiten: Die Geltung von nemo tenetur im Verwaltungsverfahren, Jusletter 24. November 2014 Rz. 45 ff.; MICHAEL TSCHUDIN, Mitwirkungspflicht an der eigenen Sanktionierung, AJP 2016 S. 323 ff., S. 326 ff.); für die Umreissung des Schutzbereichs ist er jedoch von entscheidender Bedeutung: Führt man sich den Schutzzweck des nemo-tenetur-Grundsatzes für Unternehmen vor Augen (vgl. E. 5.2.2 hiervor), ist nämlich kein Grund dafür ersichtlich, ehemalige Organe untersuchungsbetroffener Unternehmen in den Genuss eines Aussageverweigerungsrechts kommen zu lassen. Zwar trifft zu, dass sie aufgrund ihrer ehemaligen Organstellung unter Umständen ein besonderes Näheverhältnis zum untersuchungsbetroffenen Unternehmen aufweisen und möglicherweise gerade aufgrund dieses Näheverhältnisses belastende Aussagen machen können. Der nemo-tenetur-Grundsatz bezweckt jedoch nicht den Schutz vor belastenden Aussagen, ansonsten man jeder Person ein Aussageverweigerungsrecht zugestehen müsste, die aufgrund eines wie auch immer gearteten Näheverhältnisses potenziell belastende Aussagen zum inkriminierten Verhalten machen könnte; dies führte klarerweise zu weit und ist vom EGMR so auch nie postuliert worden. Im Vordergrund steht vielmehr die Sicherstellung der Möglichkeit einer wirksamen Verteidigung für das untersuchungsbetroffene Unternehmen. Inwiefern diese Möglichkeit zu einer wirksamen Verteidigung dadurch beschnitten würde, dass ehemalige Organe aufgrund ihrer Pflicht zu wahrheitsgemässer Aussage belastende Aussagen treffen könnten, ist nicht ersichtlich: Die Aussagen der ehemaligen Organe können der Untersuchungsbetroffenen nicht zugerechnet werden; insofern sind die im Kartellsanktionsverfahren handelnden Organe bzw. ihre Rechtsvertreter frei darin, deren Aussagen in Frage zu stellen und sie gegebenenfalls zu widerlegen, ohne hierdurch widersprüchlich zu handeln (vgl. die entsprechende Zweckbegründung des nemo-tenetur-Grundsatzes bei NADINE QUECK, Die Geltung des nemo-tenetur-Grundsatzes zugunsten von Unternehmen, Berlin 2004, S. 218). Entgegen anderslautender Lehrmeinungen (vgl. u.a. THOMI/WOHLMANN, Der Täter als Zeuge im Kartellverfahren, Jusletter 13. Juni 2016 Rz. 14 ff.; DAVID MAMANE, Nemo Tenetur in kartellrechtlichen Sanktionsverfahren - Anmerkungen aus Sicht der Praxis, in: 8. Tagung zum Wettbewerbsrecht, Grundlegende Fragen, Hochreutener/Stoffel/Amstutz [Hrsg.], 2017, S. 71 ff., S. 82; ASTRID WASER, Verfahrensrechte der Parteien - neueste BGE 147 II 144 S. 154 Entwicklungen, in: Wettbewerbsrecht: Entwicklung, Verfahrensrecht, Öffnung des schweizerischen Marktes, Hochreutener/Stoffel/Amstutz [Hrsg.], 2014, S. 82 und 91) berührt die (uneingeschränkte) Einvernahme ehemaliger Gesellschaftsorgane den nemo-tenetur-Grundsatz im Kartellsanktionsverfahren deshalb grundsätzlich nicht. Ein Zeugnisverweigerungsrecht kann sich aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK in einer Konstellation wie der vorliegenden nicht ergeben (vgl. BANGERTER, a.a.O., N. 19 und 29 zu Art. 42 KG ; BICKEL/WYSSLING, a.a.O., N. 51 ff. zu Art. 42 KG ), es sei denn, dem Zeugen drohte im Zusammenhang mit dem Verhalten seiner ehemaligen Arbeitgeberin persönlich eine Strafverfolgung ( Art. 16 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 42 Abs. 1 lit. a BZP ). Über ein solches - in der Person B.s begründetes - Zeugnisverweigerungsrecht ist vorliegend allerdings nicht zu befinden. 5.3 Wie das WBF im Übrigen zutreffend vorbringt, hätte es dem Gesetzgeber offengestanden, zum Schutz des Näheverhältnisses zwischen ehemaligen Organen und der untersuchungsbetroffenen Gesellschaft ein spezifisches Zeugnisverweigerungsrecht zu schaffen; ein derart begründetes Zeugnisverweigerungsrecht ist in den geltenden Verfahrensgesetzen jedoch nicht vorgesehen und kann sich auch nicht auf Art. 6 Ziff. 1 EMRK abstützen (vgl. für das deutsche Strafrecht QUECK, a.a.O., S. 269 ff.).
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Sachverhalt ab Seite 151 BGE 96 I 151 S. 151 A.- La loi fribourgeoise du 19 mai 1894 sur les communes et les paroisses (LCP) prévoit en son art. 151 que le Conseil communal établit les canaux et égouts nécessaires et qu'il peut en faire supporter les frais aux propriétaires intéressés. D'autre part, la loi du 2 mai 1922/7 mai 1926 sur les impôts communaux et paroissiaux (a. LICP), en vigueur jusqu'à fin 1963, autorisait les communes à percevoir, à côté des impôts ordinaires prévus au titre I, des impôts extraordinaires et des contributions traités au titre II, notamment: a) une contribution immobilière atteignant les immeubles à un taux proportionnel et sans défalcation de dettes (art. 12), et pouvant "avoir le caractère d'une taxe destinée à couvrir spécialement et exclusivement certaines dépenses, telles que dépenses de voirie, d'entretien des routes, de canaux, d'éclairage" (art. 12 al. 2); b) une contribution extraordinaire temporaire pour couvrir les frais d'exécution de travaux, tels que construction de route, endiguement, assainissement, installation d'eau, cette contribution pouvant atteindre les personnes domiciliées ou propriétaires dans la commune, à proportion des avantages que chacun retire des travaux exécutés (art. 18). BGE 96 I 151 S. 152 B.- Le Conseil communal de Villars-sur-Glâne a établi un règlement des égouts qui a été approuvé par l'assemblée communale le 27 mai 1953 et qui est resté en vigueur jusqu'à fin 1968, moment où il a été remplacé par un nouveau règlement de canalisations. Le règlement des égouts contenait un art. 7, ainsi rédigé: "Une contribution est due à la Commune pour la construction d'immeubles dont les égouts sont introduits dans le collecteur public. Cette contribution est fixée par le Conseil communal. Elle est actuellement de 15‰(15 pour mille) de la taxe cadastrale". C.- Le 4 juillet 1969, la commune de Villars-sur-Glâne a notifié aux propriétaires de plusieurs immeubles, construits entre 1963 et 1966 à la Cité Moncor, des bordereaux pour "droits de raccordements aux égouts". Les propriétaires ont recouru auprès de la Commission cantonale de recours en matière d'impôt (en abrégé: la Commission), qui a admis les recours et annulé les bordereaux attaqués, estimant que le règlement communal sur lequel ils se fondaient était nul, faute d'avoir été approuvé par le Conseil d'Etat. E.- Contre ces décisions, la commune de Villars-sur-Glâne a déposé en temps utile quatre recours de droit public de contenu identique. Elle fait valoir notamment que les décisions attaquées violent l'autonomie communale lorsqu'elles admettent que le règlement communal de 1953 devait être soumis à la ratification du Conseil d'Etat. Le Tribunal fédéral a admis les recours et annulé les désisions attaquées.
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Erwägungen Extrait des motifs: 3. La Commission dénie à la commune toute autonomie dans la matière en cause. Elle s'appuie pour le faire sur les arrêts Commune de Hundwil (RO 65 I 131) et Ville de Neuchâtel (RO 83 I 123). Cette ancienne jurisprudence considérait le problème de l'autonomie communale comme un problème de compétence et n'admettait une lésion de l'autonomie que si l'autorité cantonale, excédant ses pouvoirs et empiétant sur ceux de la commune, intervenait dans un domaine exclusivement réservé à celle-ci. Or cette jurisprudence a subi une profonde modification au cours de ces dernières années (cf. RO 93 I 432 consid. 3 c, 94 I 544 consid. 2 et 95 I 37). Désormais, BGE 96 I 151 S. 153 pour qu'une commune soit reconnue autonome dans un domaine donné, il suffit qu'une certaine indépendance lui soit laissée dans l'accomplissement de tâches d'intérêt public. L'autonomie est alors lésée non seulement lorsque l'autorité cantonale s'est arrogé une compétence exclusivement réservée à la commune, mais également lorsque cette autorité, tout en restant dans les limites de ses attributions, applique le droit de façon arbitraire ou abuse d'une manière insoutenable de son pouvoir d'appréciation. Le champ et la portée de l'autonomie communale sont déterminés par le droit cantonal, que le Tribunal fédéral examine en principe librement s'il s'agit de dispositions constitutionnelles, et sous l'angle restreint de l'arbitraire s'il s'agit de dispositions légales (RO 93 I 431 et 434 consid. 3 a et d; 94 I 545 consid. 3). 4. La constitution fribourgeoise, modifiée en 1894, ne règle pas elle-même l'organisation politique et administrative des communes, mais confie cette tâche au législateur; elle se contente de poser le principe que les communes sont sous la haute surveillance de l'Etat et qu'elles ont, sous ce contrôle, la libre administration de leurs biens. C'est donc dans la Iégislation qu'il faut rechercher si la commune recourante jouit de l'autonomie dans le domaine litigieux. Le droit pour les communes d'établir les canaux et égouts nécessaires, ainsi que la possibilité d'en faire supporter les frais aux propriétaires intéressés, sont prévus par l'art. 151 LCP. La décision attaquée reconnaît elle-même que cette disposition laisse à la commune un très large pouvoir d'appréciation. Si l'on considère les dispositions de la loi sur les impôts communaux de 1926, force est de constater que, en ce domaine aussi, les communes fribourgeoises jouissent d'une certaine liberté dans l'accomplissement de leur tâche. Ainsi, l'art. 12 leur reconnaît la faculté de lever des impôts sur les immeubles, à un taux proportionnel et sans défalcation de dettes, qui peuvent avoir le caractère d'impôts liés à une destination spéciale (impôts d'affectation - Zwecksteuern - art. 12 al. 2 a. LICP). D'autre part, l'art. 18 a. LICP les autorise à lever des contributions extraordinaires temporaires pour couvrir les frais d'exécution de certains travaux, contributions proportionnées aux avantages que les propriétaires en retirent. Que la décision d'une commune à cet égard soit soumise, ou non, à l'approbation du Conseil d'Etat, n'y change rien. Même si l'on admettait, BGE 96 I 151 S. 154 avec la Commission, que cette approbation était nécessaire et que l'autorité étatique n'était pas limitée au contrôle de la légalité, mais pouvait se prononcer aussi sur l'opportunité de la décision communale, il n'en resterait pas moins qu'une marge suffisamment importante d'appréciation serait laissée à la commune. Cela suffit pour admettre son autonomie selon la jurisprudence citée (RO 93 I 160; 94 I 546 consid. 3 c).
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Sachverhalt ab Seite 62 BGE 147 II 61 S. 62 A. M e A. a fondé la société B. SA, dont il est l'actionnaire unique et l'administrateur-président. La société a en l'occurrence pour but de fournir des prestations juridiques en Suisse et à l'étranger - principalement dans les domaines de la construction et de l'immobilier - dispensées par des avocats inscrits dans le registre des avocats d'un canton suisse. Après avoir constaté l'existence de la société précitée en date du 27 mars 2018, la Commission du Barreau de l'Etat de Fribourg (ci-après: la Commission du Barreau) a fait savoir à M e A., par courrier du 20 juillet 2018, que les statuts de la société B. SA devaient être précisés comme suit, afin de garantir l'indépendance de la profession d'avocat: "si la société n'offre pas à l'acquéreur de reprendreses actions à leur valeur réelle, l'acquéreur dans la mesure où il neremplit pas les conditions de l'art. 7.3 [soit s'il n'est pas lui-même unavocat inscrit dans un registre d'avocat d'un canton suisse] aura l'obligation dans un délai d'un an, de transférer ses actions à un tiers remplissant les conditions de l'art. 7.3 et pouvant par conséquent être actionnaire de la société". Selon la Commission du Barreau, un tel ajout devait permettre de garantir qu'en cas d'acquisition particulière, notamment par succession ou en vertu du régime matrimonial, les actions ne se retrouvent pas durablement en d'autres mains que celes d'avocats inscrits dans un registre cantonal et que seuls des BGE 147 II 61 S. 63 avocats remplissant une telle condition puissent de cette manière avoir qualité d'actionnaires de la société. B. Par décision du 28 janvier 2019, la Commission du Barreau a constaté que la société B. SA (recte: M e A.; cf. art. 105 al. 2 LTF ) contrevenait aux exigences d'indépendance imposées par le droit fédéral aux études d'avocats. Dans la même décision, elle a en outre imparti à cette société (recte: à M e A.; cf. art. 105 al. 2 LTF ) un délai de deux mois, afin qu'elle complète ses statuts de la manière décrite dans son courrier du 20 juillet 2018. M e A. et la société B. SA ont interjeté recours contre la décision du 28 janvier 2019 précitée auprès de la I e Cour administrative du Tribunal cantonal de l'Etat de Fribourg (ci-après: le Tribunal cantonal) en demandant son annulation. Le Tribunal cantonal a rejeté le recours par arrêt du 18 mars 2020. C. En date du 14 mai 2020, M e A. (ci-après: le recourant 1) et la société B. SA (ci-après: la recourante 2), agissant en commun, déposent un recours en matière de droit public au Tribunal fédéral contre l'arrêt du Tribunal cantonal du 18 mars 2020. Ils demandent que l'effet suspensif soit octroyé à leur recours et concluent sur le fond à la réforme de l'arrêt attaqué en ce sens que celui-ci aurait dû annuler la décision de la Commission du Barreau du 28 janvier 2019. Le Tribunal cantonal n'a pas formulé d'observations sur le recours, renvoyant aux considérants de son arrêt. La Commission du Barreau a fait de même, s'en remettant pour le reste à justice s'agissant de la requête d'effet suspensif déposée par les recourants. Par ordonnance du 10 juin 2020, le Président de la Cour de céans a déclaré la requête d'effet suspensif sans objet.
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Extrait des considérants: Erwägungen 3. Ainsi que cela a été dit, le litige a pour origine le constat de la Commission du Barreau, confirmé par le Tribunal cantonal, selon lequel le recourant 1, avocat de profession, contreviendrait à l'exigence d'indépendance structurelle imposée par l' art. 8 al. 1 let . d de la loi du 23 juin 2000 sur la libre circulation des avocats (LLCA; RS 935.61). Les autorités précédentes exigent de l'intéressé qu'il complète les statuts de sa société anonyme d'avocats par une disposition obligeant l'acquéreur d'actions par succession, partage successoral, liquidation de régime matrimonial ou exécution forcée de BGE 147 II 61 S. 64 transférer ses titres à un avocat inscrit au barreau dans un délai d'une année, s'il n'est pas lui-même avocat inscrit au barreau en Suisse et si la société ne lui offre pas de reprendre lesdites actions à leur valeur réelle. Elles lui ont ordonné de procéder dans les deux mois à une telle révision statutaire, qu'elles estiment nécessaire en application de l' art. 8 al. 1 let . d LLCA. 3.1 L' art. 8 al. 1 LLCA prévoit, entre autres conditions, à sa let. d, que pour être inscrit au registre, un avocat doit être en mesure de pratiquer en toute indépendance (1 ère phrase) et qu'il ne peut être employé que par des personnes elles-mêmes inscrites dans un registre cantonal (2 e phrase). L'indépendance structurelle ou institutionnelle exigée par cette règle garantit que l'avocat puisse se consacrer entièrement à la défense des intérêts de ses clients, sans être influencé par des circonstances étrangères à la cause. Elle est un principe essentiel de la profession d'avocat et doit être garantie tant à l'égard du juge et des parties que du client ( ATF 145 II 229 consid. 6.1 p. 237 et références citées). L' art. 8 al. 1 let . d LLCA envisage en priorité le cas où l'avocat salarié est employé par une étude organisée sous la forme traditionnelle d'une entreprise individuelle ou d'une société de personnes, dont respectivement l'exploitant et les associés sont eux-mêmes inscrits au registre des avocats. Constatant que le législateur avait renoncé à réglementer la forme juridique des études d'avocats, la jurisprudence a toutefois admis que la question de l'indépendance structurelle requise pour une inscription au registre ne devait pas dépendre, sur le principe et de manière abstraite, de la forme juridique adoptée par l'étude d'avocats du candidat à l'inscription, mais de l'organisation mise en place dans le cas concret ( ATF 144 II 147 consid. 5.2 p. 156; ATF 138 II 440 consid. 17 p. 457). S'agissant spécifiquement de l'organisation d'une étude d'avocats sous forme de société anonyme, le Tribunal fédéral a rendu trois arrêts ces dix dernières années. Dans l' ATF 138 II 440 , il a admis que des avocats inscrits au registre pouvaient s'associer pour la pratique du barreau en constituant une personne morale dont ils devenaient les employés, à la condition toutefois que leur indépendance soit garantie de la même manière que s'ils étaient engagés par des avocats inscrits (consid. 17 à 23). Cette jurisprudence s'est vue confirmée dans son principe dans les ATF 140 II 102 et ATF 144 II 147 (cf. consid. 4.2.2 p. 106 s., respectivement consid. 5.2 p. 156 s.). A ces occasions, le Tribunal fédéral a précisé que la société d'avocats ne pouvait pas prendre la BGE 147 II 61 S. 65 forme d'une personne morale de droit étranger détenue par des avocats étrangers non inscrits au barreau en Suisse ( ATF 140 II 102 consid. 5.2 p. 109 s.) et qu'au contraire, son actionnariat, comme son conseil d'administration, devaient se composer exclusivement d'avocats inscrits dans un registre cantonal des avocats ( ATF 144 II 147 consid. 5.3 p. 157 ss). 3.2 Notons que le 19 mars 2019, le Parlement a décidé, sur proposition du Conseil fédéral, de classer une motion parlementaire, adoptée le 14 mars 2013, qui demandait l'élaboration d'une loi régissant, notamment, la question de l'admissibilité des sociétés anonymes d'avocats, ainsi que, le cas échéant, les grandes lignes de leur organisation concrète. Les autorités précitées ont estimé que le Tribunal fédéral avait suffisamment clarifié la situation juridique relative à l'exercice de la profession d'avocat sous forme de sociétés de capitaux par le biais de ses derniers arrêts, de sorte que la nécessité de réglementer l'organisation des études d'avocats n'était plus évidente (cf. BO 2019 CE 181 et Rapport du Conseil fédéral du 11 avril 2018 sur le classement de la motion Vogler 12.3372 "Elaboration d'une loi réglant tous les aspects de la profession d'avocat", FF 2018 2343 ss). 3.3 Il ressort en l'occurrence de l'arrêt attaqué que la société d'avocats du recourant 1, dont celui-ci est l'unique actionnaire et l'administrateur-président, est, pour l'heure, organisée de la manière suivante. La société a son siège à Bulle et pour but social de fournir des prestations juridiques en Suisse et à l'étranger, dispensées par des avocats inscrits dans le registre des avocats d'un canton suisse. Son capital-actions est composé d'actions nominatives liées uniquement. Selon ses statuts, aucune action ne peut être transférée sans l'accord préalable du Conseil d'administration, lequel doit refuser de délivrer un tel accord si l'acquéreur n'est pas un avocat inscrit au barreau en Suisse (ch. 7.2 et 7.3 des statuts de la recourante 2). Tant que l'approbation nécessaire au transfert d'actions n'est pas donnée, la propriété des actions et tous les droits en découlant restent à l'aliénateur (ch. 7.4). Les statuts précisent encore qu'en cas d'acquisition d'actions par voie de succession, de partage successoral, de liquidation du régime matrimonial ou de procédure d'exécution forcée, la société ne peut refuser son approbation sans indication de motifs que si elle offre à l'acquéreur de reprendre ses titres à leur valeur réelle. Dans une telle hypothèse, il est prévu que l'acquéreur ne disposera des droits sociaux liés à ses actions que pour autant que le Conseil d'administration donne son accord au transfert (ch. 7.5). Relevons que BGE 147 II 61 S. 66 cette dernière règle reprend en réalité la réglementation des art. 685b al. 4 et 685c al. 2 du Code des obligations (CO; RS 220), qui régissent les restrictions à la transmissibilité des actions nominatives liées en cas d'acquisitions particulières ex lege . 3.4 En l'occurrence, le Tribunal cantonal a considéré, à l'instar de la Commission du Barreau, que les statuts de la société d'avocats du recourant 1, tels qu'ils se présentaient actuellement, n'empêchaient pas totalement certaines personnes de devenir - puis de rester - actionnaires de la société, quand bien même elles ne seraient pas inscrites dans un registre cantonal des avocats. Les juges précédents évoquent à cet égard, dans la motivation de leur arrêt, au moins deux hypothèses imaginées par la Commission du barreau: premièrement, celle où l'acquéreur d'actions par succession, partage successoral, liquidation du régime matrimonial ou exécution forcée refuserait l'offre de rachat de la société et, faute d'agrément, garderait la possibilité d'exercer l'ensemble des droits de l'actionnaire, excepté le droit de vote, et, secondement, celle où la société ne présenterait aucune proposition de rachat des actions à l'intéressé, de sorte que l'agrément serait réputé donné et que ce dernier deviendrait actionnaire à part entière, même s'il n'était pas inscrit au registre cantonal des avocats. Le Tribunal cantonal a considéré que ce nouvel actionnaire - même s'il devait, dans l'une des hypothèses, être empêché d'exercer ses droits sociaux - pourrait influencer indûment le fonctionnement de la société, ne serait-ce que financièrement, et, partant, mettre en péril l'indépendance des avocats que celle-ci emploie. Partant d'un tel postulat, il a confirmé le constat de la Commission du Barreau selon lequel le recourant 1 contrevenait aux exigences d'indépendance imposées par l' art. 8 al. 1 let . d LLCA tant et aussi longtemps qu'il ne compléterait pas les statuts de sa société par la disposition suivante: "Si la société n'offre pas à l'acquéreur de reprendre ses actions à leur valeur réelle, l'acquéreur, dans la mesure où il ne remplit pas les conditions de l'art. 7.3 [soit être avocat inscrit au registre] aura l'obligation, dans un délai d'un an, de transférer ses actions à un tiers remplissant les conditions de l'art. 7.3 et pouvant par conséquent être actionnaire de la société". 3.5 La Cour de céans relève d'emblée que l'arrêt attaqué, tel qu'il vient d'être présenté, souffre d'une légère incohérence. D'un côté, il envisage au moins deux situations dans lesquelles des personnes non inscrites au barreau pourraient devenir et demeurer actionnaires BGE 147 II 61 S. 67 de la société du recourant 1 et mettre ainsi en péril l'indépendance des avocats que cette société emploierait. De l'autre, il préconise l'adjonction d'une disposition statutaire qui n'est appelée à en régler qu'une seule. En effet, le complément imposé par le Tribunal cantonal, qui instaure une obligation de vente pour tout actionnaire non avocat ayant acquis des titres par succession, liquidation du régime matrimonial ou exécution forcée, ne s'applique, à suivre son texte, qu'à l'hypothèse où la société ne proposerait aucun rachat d'actions. Elle ne couvre pas le cas de la personne qui acquerrait des actions de la même manière, mais qui refuserait purement et simplement une proposition de rachat de la part de la société, bien que les juges cantonaux estiment que ce nouvel actionnaire pourrait également exercer une influence indue sur les avocats employés par celle-ci. Cela étant, cette légère imprécision n'empêche pas le Tribunal fédéral de statuer en la cause, dans la mesure où elle n'a pas d'influence sur l'issue du litige. On peut du reste rappeler que l' art. 659 al. 2 CO prévoit qu'une société anonyme ne peut acquérir ses propres actions, afin de restreindre leur transmissibilité, que si la valeur nominale totale de ces titres ne dépasse pas vingt pour cent de son capitalactions. En pratique, il sera donc plutôt rare qu'une société d'avocats puisse proposer un rachat de ses propres actions à des personnes qui les auraient obtenues sur la base d'un régime légal particulier, à tout le moins si elle était auparavant détenue et dirigée par un actionnaire unique, tel que le recourant 1 (cf. sur cette problématique, entre autres, WALTER FELLMANN, Rechtsformen der Zusammenarbeit von Rechtsanwälten, Revue de l'avocat 2003 p. 339 ss, spéc. 350). 4. Dans son mémoire, le recourant 1 affirme que l'arrêt attaqué violerait non seulement l' art. 8 al. 1 let . d LLCA, mais également les art. 685b s. CO, ainsi que sa liberté économique garantie à l'art. 27 de la Constitution fédérale (RS 101). D'après lui, la mesure que les autorités cantonales attendent - soit une modification des statuts de sa société d'avocats, afin de prévoir une obligation de vente de la part des actionnaires dans certaines situations - constituerait une atteinte à sa liberté économique, qui non seulement serait contraire au principe de la proportionnalité, mais qui ne reposerait sur aucune base légale non plus. Elle contreviendrait aussi au droit privé fédéral qui règle de manière exhaustive la question des restrictions statutaires à la transmissibilité des actions nominatives. BGE 147 II 61 S. 68 4.1 La LLCA prévoit un système de surveillance étatique s'exerçant uniquement sur les personnes physiques inscrites au registre cantonal des avocats ( art. 14 LLCA ), qui seules peuvent, dans le cadre d'un monopole, représenter et assister des parties en justice (cf. art. 2 al. 1 LLCA ). Par conséquent, une société anonyme exploitant une étude d'avocats ne peut pas se faire inscrire en tant que telle dans un registre cantonal des avocats (cf. art. 5 al. 2 let. a et 8 al. 1 LLCA; ATF 138 II 440 consid. 14 p. 453). D'ailleurs, s'il est aujourd'hui établi que le législateur fédéral n'a pas souhaité interdire aux avocats d'exercer leur profession comme employés d'une société anonyme sous certaines conditions, force est de rappeler qu'il n'a pas voulu réglementer, ni même simplement mentionner cette forme d'organisation commerciale dans la LLCA (cf. supra consid. 3.2 et ATF 138 II 440 consid. 8 et 12 p. 448 s. et 452). Il s'ensuit qu'il appartient à chaque avocat qui souhaite être inscrit dans un registre cantonal de démontrer qu'il remplit les différentes conditions prévues à l' art. 8 LLCA et de faire personnellement en sorte de les respecter sur la durée, s'il n'entend pas se faire radier dudit registre en application de l' art. 9 LLCA . 4.2 Les considérations qui précèdent valent tout particulièrement pour la condition de l'indépendance structurelle contenue à l' art. 8 al. 2 let . d LLCA. Si l'avocat inscrit au registre n'exerce pas son activité à titre indépendant, mais comme employé d'une société d'avocats, il lui appartient de démontrer, lors de son inscription, que la société en question remplit les conditions imposées par la jurisprudence, c'est-à-dire qu'elle est entièrement détenue et dirigée par des avocats inscrits dans un barreau cantonal (cf. supra consid. 3.1), et de veiller ensuite à ce que ces conditions continuent d'être respectées dans le temps. Pour sa part, l'autorité de surveillance doit refuser d'inscrire au registre l'employé d'une société d'avocats qui ne satisfait pas à une telle exigence, respectivement procéder à sa radiation si l'actionnariat de la société ne devait plus se composer exclusivement d'avocats inscrits au registre en raison d'un changement de circonstances (cf. ATF 138 II 440 consid. 1 p. 422 et consid. 22 p. 462). Cette dernière éventualité était d'ailleurs envisagée dans l'avant-projet de loi fédérale sur la profession d'avocat du 15 février 2012 élaboré par la Fédération suisse des avocats en lien avec la motion parlementaire visant une refonte de la LLCA évoquée ci-avant, mais finalement classée par les Chambres fédérales en 2019 (cf. supra BGE 147 II 61 S. 69 consid. 3.2). Dans cet avant-projet de loi, il était en effet expressément prévu que l'autorité cantonale de surveillance radie du registre l'avocat qui travaillerait au sein d'une société d'avocats ne remplissant plus les conditions d'organisation imposées à cet exercice collectif de la profession (cf. art. 24 al. 1 let . d du Projet de loi fédérale sur la profession d'avocat préparé par la Fédération suisse des avocats [FSA], version du 15 février 2012, consultable in JÉRÔME GURTNER, La réglementation des sociétés d'avocats en Suisse: entre protectionnisme et libéralisme - Etudes de droit comparé, 2016, p. 219 ss des annexes). A l'aune des règles et principes susmentionnés, l'autorité de surveilance ne peut en revanche pas ordonner directement à une société d'avocats et/ou à ses éventuels actionnaires non avocats de procéder eux-mêmes à certains aménagements au sein de l'entreprise et de l'actionnariat, afin d'assurer l'indépendance structurelle des avocats actifs dans la société et, partant, l'inscription au registre de ces derniers. En fonction des circonstances, on peut tout au plus demander, comme en l'espèce, à l'avocat dont la radiation est envisagée de régulariser au plus vite sa situation en intervenant lui-même sur l'organisation de son étude pour autant, bien sûr, qu'une telle mesure entre dans sa sphère d'influence (cf., sur ce dernier point, MEIER/ REISER, in Commentaire romand, Loi sur les avocats, Valticos/Reiser/ Chappuis [éd.], 2010, n° 7 ad art. 9 LLCA ; dans ce sens, mais s'agissant d'une inscription initiale au registre, ATF 145 II 229 consid. 9 p. 247). 4.3 Il ressort en l'occurrence de l'arrêt attaqué que le recourant 1 exerce la profession d'avocat en tant qu'employé d'une société anonyme dont il est l'unique actionnaire et le seul administrateur. Sous cet angle, il est indéniable que l'intéressé exerce à l'heure actuelle sa profession de manière indépendante, en conformité avec les exigences posées jusqu'à aujourd'hui par la jurisprudence fédérale. La révision statutaire litigieuse que lui imposent les autorités précédentes vise uniquement à éviter que des personnes non inscrites au registre des avocats puissent, dans un futur hypothétique, demeurer actionnaires de sa société après avoir acquis des actions par succession, liquidation du régime matrimonial ou exécution forcée, en les obligeant à revendre leurs titres dans l'année à des avocats au bareau. Relevons que, de cette manière, le Tribunal cantonal entend pallier une menace qui plane en réalité sur tout avocat employé par une BGE 147 II 61 S. 70 société d'avocats, puisqu'elle est inhérente aux règles sur la société anonyme. D'après l' art. 685b al. 4 et 7 CO , en lien avec l' art. 685c al. 2 CO , il n'est en effet pas possible d'empêcher par voie statutaire que des tiers non avocats acquièrent des actions d'une société anonyme ex lege et en restent propriétaires, même si la société propose de racheter ces titres à leur valeur réelle (cf., sur ce problème, notamment MATHIEU CHÂTELAIN, L'indépendance de l'avocat et les modes d'exercice de la profession, 2017, n. 1437; FISCHER/DU PASQUIER, La responsabilité civile de l'avocat dans une étude constituée en personne morale, RSDA 2008 p. 548 ss, spéc. 550 s.; RETO VONZUN, Die Anwalts-Kapitalgesellschaft, Zulässigkeit und Erfordernisse, RDS 120/2001 I p. 447 ss, spéc. 464; aussi BRUNNER/HENN/KRIESI, Anwaltsrecht, 2015, p. 62). Il n'en demeure pas moins que l'introduction d'une disposition statutaire contraignant d'éventuels actionnaires non avocats à transférer leurs titres à une personne inscrite au barreau constitue une mesure qui - à supposer qu'elle soit admissible sur le plan du droit civil malgré le caractère exhaustif des règles sur la transmissibilité des actions nominatives contenues aux art. 685a ss CO (cf. art. 685b al. 7 CO ; aussi BENOÎT CHAPPUIS, La profession d'avocat, tome I, Le cadre légal et les principes essentiels, 2 e éd. 2016, p. 110 s., relevant le risque pour les autorités de surveillance du barreau de préconiser des dispositions statutaires nulles au sens du droit des sociétés) - porte atteinte non seulement à l'autonomie organisationnelle de la société anonyme, mais aussi à la liberté de ses éventuels actionnaires non avocats, dont le comportement se voit fixé par avance. De tels actionnaires perdraient en particulier la faculté de conserver leurs actions et, le cas échéant, de changer le but de la société ou de la liquider, tout en se voyant obligés, selon les circonstances, de céder leurs titres à un prix bien inférieur à leur valeur réelle. La mesure litigieuse, qui s'adresse ainsi dans les faits directement au tiers actionnaire non avocat, comme le reconnaît le Tribunal cantonal lui-même dans son arrêt, sort de la sphère de compétence de la Commission du Barreau et ne trouve aucun fondement légal dans la LLCA, qui institue une surveillance sur les seules personnes physiques inscrites au barreau, ainsi qu'on l'a vu (cf. supra consid. 4.1 et 4.2). 4.4 En pratique, les avocats actionnaires d'une étude organisée sous la forme d'une société anonyme peuvent prévenir le risque que des actions soient transmises de par la loi à des tiers non inscrits au registre des avocats - et qu'elles demeurent en leurs mains - en concluant BGE 147 II 61 S. 71 différents types de conventions entre eux (p. ex. contrat de société simple ou convention d'actionnaires). Ils ont notamment la faculté de prévoir une propriété commune des actions ou, alors, un droit d'emption, respectivement une obligation de rachat réciproque (cf. sur ces questions, notamment, CHÂTELAIN, op. cit., n. 1428 ss; BOHNET/ MARTENET, Droit de la profession d'avocat, 2009, n. 2428; SIMONE GIANINI, Strutture societarie e professione d'avvocato, in Vertrauen - Vertrag - Verantwortung, Daniel Dédeyan et al. [éd.], Festschrift für Hans Caspar von der Crone, 2007, p. 469 ss, spéc. 483; VONZUN, op. cit., p. 464). S'agissant d'une société d'avocats détenue par un seul actionnaire, comme en l'espèce, de telles solutions contractuelles sont, par essence, impossibles. Le risque d'une atteinte à l'indépendance structurelle de l'avocat est toutefois moins important. Par exemple, si l'actionnaire unique d'une société d'avocats est le seul employé de celle-ci à être inscrit au registre, son décès ne pose aucun problème sous cet angle. De fait, la société, désormais détenue par ses héritiers, n'emploiera plus aucun avocat inscrit au barreau. A vrai dire, un problème d'indépendance structurelle de l'avocat risque de survenir dans deux hypothèses seulement: si l'actionnaire unique d'une société d'avocats qui emploie plusieurs avocats décède et que les héritiers souhaitent poursuivre l'exploitation de l'étude avec les anciens employés, tout en demeurant actionnaires, ou si l'actionnaire unique perd une partie seulement de ses actions au profit d'une personne non inscrite au barreau à la suite d'une liquidation du régime matrimonial ou d'une exécution forcée. Dans ces situations, la loi définit néanmoins clairement et exhaustivement la mesure à prendre: l'autorité de surveillance, en principe informée du changement d'actionnariat par les avocats actifs dans la société (cf. art. 12 let. a et j LLCA; ATF 130 II 87 consid. 7 p. 108; aussi MICHEL VALTICOS, in Commentaire romand, Loi sur les avocats, Valticos/Reiser/Chappuis [éd.], 2010, n os 299 s. ad art. 12 LLCA ; GIANINI, op. cit., p. 483, et les arrêts cantonaux cités), doit les radier du registre, s'ils ne choisissent pas de changer de structure au plus vite (cf. art. 9 LLCA et supra consid. 4.2). On relèvera à cet égard qu'en fixant un délai nominal d'un an à l'actionnaire non avocat pour se défaire de ses actions, la mesure préconisée par le Tribunal cantonal part de la fausse prémisse que des avocats pourraient rester inscrits au registre durant une année, tout en demeurant employés par une société dont l'actionnariat ne serait pas constitué exclusivement d'avocats inscrits au BGE 147 II 61 S. 72 barreau. Dans un tel cas, la radiation des avocats concernés s'impose à bref délai, comme il vient d'être dit, dans la mesure où ils exercent leur activité dans une structure qui ne répond plus aux exigences imposées par l' art. 8 al. 2 let . d LLCA. 4.5 Il s'ensuit que le Tribunal cantonal a mal appliqué le droit fédéral en confirmant la décision de la Commission du Barreau qui ordonne au recourant 1 de modifier les statuts de sa société pour y introduire une clause contraignant l'acquéreur d'actions non avocat à transférer ses titres à des personnes inscrites au barreau dans un délai d'une année, si la société ne lui offre pas de les reprendre à leur valeur réelle.
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Sachverhalt ab Seite 548 BGE 127 III 548 S. 548 A.- Le 4 janvier 1996, les époux F. ont conclu avec X. S.A. un contrat de bail portant sur un appartement de quatre pièces, sis au premier étage de l'immeuble dont celle-ci est propriétaire à Neuchâtel. Le loyer mensuel se montait à 1400 fr. plus 140 fr. d'acompte de charges. Le bail débutait le 1er avril 1996 pour se terminer, sauf reconduction tacite, le 1er avril 1997. Les conjoints F. ne se sont pas présentés au constat des lieux, le 28 mars 1996, et n'ont pas payé de loyer. Après leur avoir rappelé leurs engagements, la bailleresse les a menacés de résiliation le 26 avril 1996, à défaut du versement de l'arriéré dans un délai de 30 jours ( art. 64 al. 2 OJ ). Par lettre recommandée du 30 mai 1996, elle a résilié le bail, avec effet au 31 juillet 1996, en application de l' art. 257d CO . La bailleresse a reloué l'appartement dès le 1er avril BGE 127 III 548 S. 549 1997. Les loyers dus pour les mois d'avril à juillet 1996 ont donné lieu à des poursuites et saisies. Par demande du 16 avril 1998 déposée devant le Tribunal civil du district de Neuchâtel, la bailleresse a ouvert action contre les époux F. et leur a réclamé paiement d'une indemnité correspondant aux loyers du 1er août 1996 au 31 mars 1997, soit un montant de 12'320 fr., avec intérêts moratoires de 5% à l'échéance moyenne, auquel s'ajoutent des frais de publicité de 529 fr. 20. Par jugement du 7 décembre 1999, le tribunal de district a condamné les défendeurs à verser à la demanderesse 413 fr. 95, plus intérêts, à titre de frais d'annonces publicitaires et rejeté la demande pour le surplus. Il a considéré que la demanderesse ne pouvait fonder la résiliation du contrat de bail sur l' art. 257d CO et que seules les dispositions générales sur la demeure du débiteur dans les contrats bilatéraux ( art. 107 ss CO ) devaient s'appliquer, au motif que les locataires défendeurs n'avaient jamais emménagé dans l'appartement loué. Il a par ailleurs retenu que la demanderesse, qui avait opté pour la résiliation du bail, ne pouvait réclamer aux défendeurs que des dommages-intérêts négatifs et que ceux-ci ne couvraient en l'espèce qu'une partie des frais d'annonces publicitaires allégués, à l'exclusion de toute indemnité correspondant au loyer pour la période où l'appartement était resté inoccupé. B.- Statuant sur recours de la demanderesse, la Cour de cassation civile du Tribunal cantonal neuchâtelois l'a rejeté par arrêt du 26 juillet 2000. En substance, l'autorité cantonale a admis que la résiliation du contrat de bail n'est pas de nature juridique différente selon qu'elle a pour base la disposition spéciale de l' art. 257d CO ou les dispositions générales des art. 107 ss CO ; la question de savoir si la résiliation du 30 mai 1996 est survenue avant ou après "la réception de la chose" par les locataires, a poursuivi la Cour de cassation civile, n'a ainsi aucune incidence sur la querelle. En se référant au Message du Conseil fédéral, du 27 mars 1985, sur la révision du droit du bail (cf. FF 1985 I 1409), l'autorité cantonale a jugé que le bailleur qui résilie le contrat dans les circonstances susrappelées ne peut que solliciter l'octroi de dommages-intérêts négatifs. Enfin, elle a estimé ne pas pouvoir se rallier à l'opinion des auteurs qui sont d'avis que les dommages-intérêts négatifs comprennent une indemnité pour la non-occupation des locaux. C.- La demanderesse exerce un recours en réforme au Tribunal fédéral. Elle requiert que les défendeurs soient condamnés solidairement à lui payer la somme de 12'320 fr. en capital. BGE 127 III 548 S. 550 Le Tribunal fédéral a admis partiellement le recours, annulé l'arrêt attaqué et renvoyé la cause à l'autorité cantonale pour nouvelle décision dans le sens des considérants.
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. La demanderesse reproche à la cour cantonale d'avoir mal apprécié la portée des avis doctrinaux qu'elle a cités dans son arrêt, dès l'instant où presque tous ces auteurs sont favorables à une indemnisation complète du bailleur ayant résilié de manière anticipée le contrat en raison du non-paiement du loyer par le locataire, que ce soit sous la forme de l'allocation de dommages-intérêts positifs ou de dommages-intérêts certes négatifs mais comprenant une indemnisation pour les loyers perdus à la suite de la rupture prématurée du bail. Constatant que les magistrats cantonaux ont fondé l'essentiel de leur point de vue sur le Message du Conseil fédéral précité, la recourante relève que ce message renvoie notamment à l'avis de GAUCH, in System der Beendigung von Dauerverträgen, p. 223, lequel a écrit que, lorsque le contrat est résilié par le créancier ex nunc et non pas ex tunc, ce n'est pas la situation patrimoniale du lésé s'il n'avait pas contracté qui est déterminante pour fixer l'indemnité qui lui est due, mais bien plutôt l'état de ce patrimoine si le contrat prématurément résilié n'avait pas été passé pour la période postérieure à la résiliation. La demanderesse fait ainsi valoir qu'il est certain qu'elle n'aurait pas conclu un bail seulement pour quatre mois (avril à juillet 1996). Comme elle aurait parfaitement pu trouver un autre locataire, les pertes locatives qu'elle a subies postérieurement à la résiliation du bail doivent être indemnisées par les preneurs, qui sont responsables de la rupture du contrat. 3. Il résulte de l'état de fait déterminant ( art. 63 al. 2 OJ ) que les défendeurs, après avoir passé un contrat de bail avec la demanderesse le 4 janvier 1996, ne se sont pas présentés au constat des lieux du 28 mars 1996, n'ont pas emménagé dans l'appartement qu'ils avaient loué à partir du 1er avril 1996 et n'ont pas versé de loyer. Par courrier du 26 avril 1996, la bailleresse les a alors mis en demeure d'exécuter leurs obligations contractuelles, soit de verser l'arriéré de loyer dans un délai de trente jours. Le droit du bail contient une disposition spéciale relative à la demeure du locataire. L' art. 257d al. 1 CO prévoit ainsi que, lorsque, après la réception de la chose, le locataire a du retard pour s'acquitter BGE 127 III 548 S. 551 d'un terme ou de frais accessoires échus, le bailleur, s'agissant de baux d'habitations ou de locaux commerciaux, peut lui fixer par écrit un délai de paiement d'au moins trente jours, avec l'avis comminatoire qu'à défaut de paiement dans ce délai il résiliera le bail. Il convient tout d'abord d'examiner si cette disposition est applicable en l'occurrence, bien que les défendeurs ne soient jamais entrés en jouissance des locaux loués. Selon la version allemande du premier alinéa de la norme en cause, in initio, la demeure du locataire en retard pour s'acquitter d'un terme ou de frais accessoires échus intervient "nach der Übernahme der Sache". La version française de l' art. 257d al. 1 CO parle de "réception de la chose", alors que la version italienne indique "dopo la consegna della cosa". C'est la teneur italienne de la disposition qui doit être préférée, où il est question non pas de la réception (Übernahme), mais bien de la remise (consegna) de la chose (cf. PETER HIGI, Commentaire zurichois, n. 19 ss ad art. 257d CO , qui rattache la norme à la période débutant "nach der Übergabe der Mietsache"). Or, dès le 1er avril 1996, la demanderesse a bel et bien remis la chose louée aux défendeurs, puisqu'elle l'a tenue à leur disposition. Il n'importe que les locataires n'en aient pas usé. L'appartement de quatre pièces ayant ainsi été livré par la bailleresse aux intimés, l' art. 257d CO doit trouver application. 4. Il est établi que les défendeurs n'ont pas versé le montant que leur réclamait la demanderesse par lettre du 26 avril 1996 dans le délai de trente jours qu'elle leur avait imparti conformément à l' art. 257d al. 1 CO . A la fin de ce terme, les locataires étaient en demeure de payer le loyer et les frais accessoires convenus. Partant, ils doivent subir les conséquences juridiques entraînées par l' art. 257d al. 2 CO , qui dispose que, faute de paiement dans le délai fixé, le bailleur, lorsqu'il s'agit de baux d'habitations et de locaux commerciaux, peut résilier le contrat pour la fin d'un mois, moyennant un délai de congé minimum de trente jours. L' art. 257d al. 2 CO ne confère pas au bailleur la faculté de résoudre le bail avec effet rétroactif (ex tunc). En effet, le bail, par lequel la cession de l'usage d'une chose est octroyée au locataire pour un espace de temps, déterminé ou déterminable, constitue un contrat de durée (cf. HIGI, op. cit., n. 5 et n. 11 ad Vorbemerkungen ad art. 253-274g CO ). Or, lorsqu'il a été instauré entre les parties un rapport contractuel de durée, le droit de se départir rétroactivement du contrat est supprimé et seul est maintenu le droit de le résilier ex nunc (cf. ATF 123 III 124 consid. 3b et les références). BGE 127 III 548 S. 552 Dans le cas présent, la recourante a ainsi agi en parfaite conformité avec le droit fédéral, et singulièrement avec l' art. 257d al. 2 CO , en résiliant le bail pour le 31 juillet 1996, par pli recommandé du 30 mai 1996. 5. Il est unanimement admis que le locataire qui, comme c'est le cas en l'espèce, a donné lieu, par sa faute, à la rupture prématurée du bail a l'obligation d'indemniser le bailleur pour le dommage qu'il lui a causé (SVIT-Kommentar, Mietrecht II, n. 45 ad art. 257d CO ; DAVID LACHAT, Le bail à loyer, ch. 5.15 et la note de bas de page 68, p. 214; HIGI, op. cit., n. 62 et n. 63 ad art. 257d CO ; ENGEL, Contrats de droit suisse, 2e éd., p. 165; TERCIER, Les contrats spéciaux, 2e éd., n. 1843, p. 277). Du moment que le contrat de bail a été résilié avec effet ex nunc, à savoir sans effet rétroactif, on ne saurait suivre la cour cantonale lorsqu'elle affirme que la demanderesse ne pouvait que requérir l'indemnisation de son intérêt négatif, lequel correspond au dommage qu'elle n'aurait pas éprouvé si le contrat n'avait pas été passé ( ATF 90 II 285 consid. 3; ENGEL, Traité des obligations en droit suisse, 2e éd., p. 734). De fait, ce calcul ne tiendrait pas compte de la circonstance que la demanderesse, avant de résilier de manière prématurée le bail en vertu de l' art. 257d CO , a gardé la chose louée à disposition des défendeurs pendant un temps donné, sans chercher d'autres locataires pour le logement remis à bail. L'indemnité à laquelle la recourante peut prétendre dans un tel cas équivaut aux loyers fixés contractuellement qu'elle n'a pas perçus du fait de la rupture anticipée du bail, cela pendant la période qui s'est écoulée entre, d'une part, la fin prématurée du bail, et, d'autre part, le terme pour lequel la chose pouvait être objectivement relouée, la date de l'échéance contractuelle ordinaire du bail primitivement conclu en constituant la limite maximale. Comme il s'agit d'une créance en réparation d'un dommage, il incombe à la demanderesse d'établir que, malgré de réels efforts, elle n'a pas été à même de relouer le logement aussitôt après la résiliation du bail, soit in casu dès le 1er août 1996. En d'autres termes, la recourante supporte le fardeau de la preuve de la durée pendant laquelle l'objet remis à bail ne pouvait pas être reloué. 6. L'application des principes juridiques susmentionnés aux données de l'espèce conduit au résultat suivant. La demanderesse, en application de l' art. 257d al. 2 CO , a résilié de manière prématurée le bail le 30 mai 1996 pour le 31 juillet 1996. Depuis lors, la recourante devait s'efforcer de relouer l'appartement. BGE 127 III 548 S. 553 Il a été retenu en fait ( art. 63 al. 2 OJ ) que le loyer de ce logement se montait à 1400 fr. sans les charges pour un appartement de quatre pièces en ville de Neuchâtel. Sur la base des constatations opérées par la cour cantonale, le Tribunal fédéral n'est pas en mesure de juger in concreto si la recourante, en employant tous les moyens dont elle disposait, pouvait relouer ce logement avant l'échéance contractuelle ordinaire du 1er avril 1997. Conformément à l' art. 64 al. 1 OJ , il y a ainsi lieu d'admettre partiellement le recours, d'annuler l'arrêt attaqué et de retourner la cause à l'autorité cantonale pour qu'elle détermine objectivement le moment où l'appartement en cause pouvait être reloué et qu'elle calcule à nouveau sur cette base le dommage de la demanderesse.
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Sachverhalt ab Seite 150 BGE 129 V 150 S. 150 A.- T. travaillait depuis 1985 en qualité de préparatrice au service de la Société coopérative Migros. A ce titre, elle était affiliée à la Caisse de pensions Migros. Le 30 juillet 1996, à l'occasion d'un entretien de service, T. a fait part de son désir de travailler à temps partiel. L'employeur a donné une suite favorable à sa demande et l'employée a commencé à travailler à 50 pour cent à partir du 1er février 1997. Présentant une tumeur mammaire, T. a subi une tumorectomie le 29 juillet 1997, suivie d'une chimiothérapie (rapport du docteur A. du 22 septembre 1998). Elle a été reconnue totalement invalide par l'assurance-invalidité, qui lui a accordé par décision du 30 septembre 1999, à partir du 1er juillet 1998, une rente entière d'invalidité (1'316 fr. par mois jusqu'au 31 décembre 1998 et 1'329 fr. dès le 1er janvier 1999), ainsi qu'une rente complémentaire pour son mari (395 fr. jusqu'au 31 décembre 1998 et 399 fr. dès le 1er janvier 1999). Le 14 avril 2000, la caisse de pensions a informé T. qu'elle lui verserait à partir du 1er août 1999 une rente d'invalidité, réduite BGE 129 V 150 S. 151 pour cause de surindemnisation, de 17 fr. par mois. Le décompte de surindemnisation de la caisse s'établissait comme suit: Salaire annuel de 1999 20'942 fr. Salaire mensuel 1'745 fr. Rentes de l'assurance-invalidité 1'728 fr. Différence compensée par la caisse de pensions 17 fr. Rente d'invalidité de la caisse de pensions 1'040 fr. Surassurance 1'023 fr. Montant de la prestation mensuelle 17 fr. B.- Par écriture du 24 avril 2001, T. a assigné la caisse de pensions en paiement, dès le 1er août 1999, d'une rente d'invalidité non réduite de 1'040 fr. par mois. La défenderesse a conclu au rejet de la demande. Statuant le 23 août 2002, le Tribunal des assurances du canton de Vaud a rejeté la demande. C.- T. interjette un recours de droit administratif dans lequel elle conclut principalement, avec suite de frais et dépens, à l'annulation du jugement cantonal et au versement par la caisse de pensions d'une rente mensuelle de 1'040 fr., les arrérages devant être versés avec intérêts à 5 pour cent dès leur échéance mensuelle. Subsidiairement, elle conclut au renvoi de la cause à l'autorité cantonale pour nouveau jugement. La caisse de pensions conclut au rejet du recours, avec suite de frais et dépens. Quant à l'Office fédéral des assurances sociales (OFAS), il propose de l'admettre et de renvoyer la cause au tribunal des assurances pour instruction complémentaire.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. Est litigieuse, la réduction, pour cause de surindemnisation, de la rente d'invalidité accordée à la recourante. Selon l'art. 23 du règlement de la caisse de pensions, les rentes d'invalidité (y compris les rentes d'enfant d'invalide) sont réduites de sorte que, cumulées avec les revenus que la personne assurée et/ou ses proches reçoivent d'assurances publiques ou de tiers n'excèdent pas 100 pour cent "du revenu global brut, augmenté d'éventuelles allocations pour enfants de la personne assurée" (al. 1). Est notamment considérée comme assurance sociale publique l'assurance-invalidité fédérale (al. 2). La recourante soutient que c'est en raison de son état de santé qu'elle a dû réduire son activité à 50 pour cent dès le mois de février 1997. Il faut, dès lors, considérer qu'elle aurait poursuivi une BGE 129 V 150 S. 152 activité à plein temps si elle n'avait pas été entravée dans sa capacité de travail par ses problèmes de santé. C'est donc sur la base d'un salaire correspondant à une activité à plein temps qu'aurait dû être calculée la surindemnisation, soit à tout le moins un montant de 40'876 fr., correspondant au salaire réalisé en 1996. Les premiers juges ont considéré, sur la base du témoignage du docteur A., médecin traitant de la recourante, que l'assurée présentait en juillet 1996 un état d'anxiété généralisée et des troubles dysthymiques réactionnels, qui étaient la conséquence d'un stress professionnel lié à une surcharge de travail. Ce médecin a certes déclaré qu'il avait conseillé à la patiente, pour des raisons de santé, de demander une réduction de son horaire de travail. Toutefois, comme le praticien avait indiqué que les problèmes rencontrés par la patiente dans l'exercice de son activité lucrative n'étaient pas suffisamment importants pour justifier une incapacité de travail, on devait admettre qu'au moment où l'intéressée était devenue incapable de travailler, elle exerçait déjà une activité lucrative à temps partiel; elle percevait une rétribution correspondant à l'ampleur de son activité. C'est donc à juste titre, selon les premiers juges toujours, que la caisse de pensions a retenu, au titre de gain annuel dont on pouvait présumer que l'intéressée avait été privée, le montant de 1'745 fr. Une fois retranchée la rente de l'assurance-invalidité, assortie de la rente complémentaire en faveur de l'époux, par 1'728 fr. au total, c'est bien un montant mensuel de 17 fr. qui devait encore être alloué à l'assurée par la caisse de pensions. 2. 2.1 L'office de l'assurance-invalidité a fixé le début de l'incapacité de travail au mois de juillet 1997, à une époque où l'assurée travaillait à 50 pour cent. Il a fixé en conséquence le début du droit à la rente au 1er juillet 1998 ( art. 29 al. 1 let. b LAI dans sa version en vigueur jusqu'au 31 décembre 2002). Pour l'évaluation de l'invalidité, l'office a visiblement appliqué la méthode générale de comparaison des revenus ( art. 28 al. 2 LAI ). Il a admis que l'assurée présentait une incapacité de gain totale à partir du 1er juillet 1998 (décision du 30 septembre 1999). On se référera ci-après aux dispositions - déterminantes en l'espèce - de la LAI et du RAI en vigueur ou dans leur teneur jusqu'au 31 décembre 2002, soit avant les modifications apportée par la LPGA, entrée en vigueur le 1er janvier 2003 (cf. ATF 127 V 467 consid. 1). Tant lors de l'examen initial du droit à la rente qu'à l'occasion d'une révision de celle-ci ( art. 41 LAI ), il faut examiner sous l'angle BGE 129 V 150 S. 153 des art. 4 et 5 LAI quelle méthode d'évaluation de l'invalidité il convient d'appliquer ( art. 28 al. 2 et 3 LAI , en corrélation avec les art. 27 s. RAI). Le choix de l'une des trois méthodes (méthode générale de comparaison des revenus, méthode mixte, méthode spécifique) dépendra du statut du bénéficiaire potentiel de la rente: assuré exerçant une activité lucrative à temps complet, assuré exerçant une activité lucrative à temps partiel, assuré non actif. On décidera que l'assuré appartient à l'une ou l'autre de ces trois catégories en fonction de ce qu'il aurait fait - les circonstances étant par ailleurs restées les mêmes - si l'atteinte à la santé n'était pas survenue. En pratique, on tiendra compte de l'évolution de la situation jusqu'au prononcé de la décision administrative litigieuse, en admettant la reprise hypothétique d'une activité lucrative partielle ou complète, si cette éventualité présente un degré de vraisemblance prépondérante ( ATF 125 V 150 consid. 2c, ATF 117 V 194 consid. 3b et les références). Quand bien même l'assurée travaillait à 50 pour cent depuis le mois de février 1997, l'office n'a pas fait application de la méthode mixte d'évaluation de l'invalidité, applicable aux assurés exerçant une activité lucrative à temps partiel ( art. 27bis RAI ). Il s'est apparemment fondé, en partie tout au moins, sur un rapport établi à son intention par le docteur A. le 9 mars 1999. A la question lui demandant si la réduction de l'horaire de travail intervenue en janvier 1997 était nécessitée par l'état de santé de l'assurée, ce médecin a en effet répondu que cette réduction était nécessaire vu l'état de santé de l'assurée: il existait à ce moment-là déjà une anxiété généralisée et accessoirement des troubles dysthymiques réactionnels (conflit conjugal latent). Le médecin a préconisé un examen médical complémentaire en faisant remarquer que la patiente était suivie par la doctoresse B., oncologue, et par le docteur C., psychiatre. Il a enfin précisé, dans ce même rapport toujours, que l'incapacité de travail était "actuellement" d'ordre psychiatrique. Sur la base de ces éléments, il y a donc lieu de constater que l'office de l'assurance-invalidité, en appliquant la méthode générale de comparaison des revenus, a considéré que la recourante, si elle n'avait pas été atteinte dans sa santé, exercerait une activité lucrative à plein temps. Sur ce point, il existe donc une divergence d'appréciation entre l'assurance-invalidité et la caisse de pensions. 2.2 Si l'on admettait, avec les premiers juges et la caisse intimée, que c'est pour des raisons personnelles, étrangères à l'invalidité, que la recourante a réduit son temps de travail, on devrait alors considérer que l'office de l'assurance-invalidité aurait dû appliquer la BGE 129 V 150 S. 154 méthode mixte d'évaluation de l'invalidité. Dans cette hypothèse, il eût alors convenu, pour le calcul de la surindemnisation dans la prévoyance professionnelle, d'imputer la part de rente de l'assurance-invalidité censée indemniser la perte de la capacité ménagère et ne prendre en considération que la part de rente supposée compenser l'incapacité de gain de l'assurée. Dans la prévoyance professionnelle, en effet, la rente d'invalidité a pour but, exclusivement, de compenser l'incapacité de gain de l'ayant droit. Par conséquent, si une rente de l'assurance-invalidité sert également à indemniser une invalidité en raison de l'incapacité d'accomplir des travaux habituels, on ne doit prendre en considération, dans le calcul de la surindemnisation, que la part de cette rente qui est destinée à indemniser l'incapacité de gain. Il faut, en d'autres termes, procéder à une imputation des prestations de l'assurance-invalidité selon le principe de la concordance des droits ( ATF 124 V 281 consid. 2a et les références de doctrine citées); il n'est pas déterminant, à cet égard, que le règlement de la caisse de pensions ne prévoie pas une telle imputation (arrêt du 18 juillet 2002 en la cause J. [B 10/99]). Le principe de la concordance des droits doit également trouver sa concrétisation dans le cadre du règlement en l'absence de disposition idoine (arrêt B. du 25 septembre 2002 [B 31/01]) dès lors qu'il a une portée générale dans l'assurance sociale (voir p. ex. ERICH PETER, Die Koordination von Invalidenrenten im Sozialversicherungsrecht, unter besonderer Berücksichtigung der intersystemischen Probleme in der Invalidenversicherung, der Unfallversicherung und der obligatorischen beruflichen Vorsorge, thèse Fribourg 1996, p. 230 s.; ROLAND SCHAER, Grundzüge des Zusammenwirkens von Schadenausgleichsystemen, Bâle 1984, ch. 452). Appliqués au cas particulier, en partant d'une répartition par moitié de l'activité professionnelle et des tâches habituelles, et d'une invalidité totale dans l'exercice d'une activité lucrative, la moitié seulement de la rente d'invalidité devrait être prise en compte dans le calcul de la surindemnisation. 2.3 On admet généralement qu'il y a surindemnisation lorsque les prestations des assurances sociales, auxquelles s'ajoute le revenu de l'activité lucrative résiduelle de l'ayant droit, dépassent le revenu de l'activité réalisé avant la survenance du cas d'assurance ou le revenu hypothétique que pourrait ou aurait pu obtenir l'assuré (VIRET, La surindemnisation dans la prévoyance professionnelle, in: RSA 1999 p. 19). Ainsi, dans la prévoyance professionnelle obligatoire, on entend par "gain annuel dont on peut présumer que BGE 129 V 150 S. 155 l'intéressé est privé", au sens de l' art. 24 al. 1 OPP 2 , le salaire hypothétique que l'assuré réaliserait sans invalidité, au moment où doit s'effectuer le calcul de surindemnisation ( ATF 123 V 197 consid. 5a, 209 consid. 5b et les références). C'est dire que le statut de l'affilié dans l'assurance-invalidité a des incidences sur le calcul de la surindemnisation en matière de prévoyance professionnelle. Ou bien le revenu réalisable sans invalidité correspond à une activité à plein temps, ou bien la part de la rente de l'assurance-invalidité qui représente l'indemnisation de la perte de la capacité ménagère (ou, plus généralement, la perte de la capacité d'accomplir les travaux habituels) n'est pas prise en compte dans le calcul de la surindemnisation. Il peut d'ailleurs arriver qu'un changement de statut de l'intéressé dans l'assurance-invalidité ait aussi des incidences sur le calcul de la surindemnisation. Par exemple, s'il existe des éléments concrets permettant d'admettre qu'un assuré travaillant jusqu'alors à temps partiel aurait repris, en l'absence d'invalidité, une activité à plein temps, la limite de surindemnisation dans la prévoyance professionnelle doit être adaptée en conséquence (voir ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Überentschädigung, ungerechtfertigte Vorteile, in: SCHAFFHAUSER/STAUFFER [éd.], Neue Entwicklungen in der beruflichen Vorsorge, St. Gall 2000, p. 146). 2.4 Les impératifs d'une coordination qui soit conforme au principe de la concordance des droits impliquent que la question du statut d'un assuré (personne réputée active, partiellement active ou encore non active) soit en principe appréciée de la même manière dans l'assurance-invalidité et dans la prévoyance professionnelle. Indépendamment de ce principe de concordance, une appréciation uniforme trouve une justification dans le fait que la prévoyance professionnelle, qui représente le deuxième pilier de la prévoyance en général, a pour but de compléter les besoins des bénéficiaires des assurances AVS/AI fédérales. Dans le domaine de la coordination des rentes de l'AVS/AI avec celles de la prévoyance professionnelle obligatoire, le salaire assuré dans le cadre de l'assurance obligatoire des salariés est un salaire coordonné, compris entre un montant minimum et un montant maximum, de telle sorte que les prestations additionnées des premier et deuxième piliers ne devraient jamais conduire à une surindemnisation (cf. VIRET, loc. cit., p. 21). Il s'agit donc, en particulier, d'éviter une surindemnisation qui aurait pour seule origine une divergence d'appréciation quant au statut de l'assuré entre les organes de l'assurance-invalidité et l'institution de prévoyance. BGE 129 V 150 S. 156 2.5 D'après la jurisprudence, si une institution de prévoyance reprend - explicitement ou par renvoi - la définition de l'invalidité de la LAI, elle est en principe liée, lors de la survenance du fait assuré, par l'estimation de l'invalidité des organes de cette assurance, sauf si cette estimation apparaît d'emblée insoutenable. Cette force contraignante vaut aussi en ce qui concerne la naissance du droit à la rente et, par conséquent, également pour la détermination du moment à partir duquel la capacité de travail de l'assuré s'est détériorée de manière sensible et durable ( ATF 123 V 271 consid. 2a et les références citées). Cependant, dans un arrêt K. du 29 novembre 2002 (ATF ATF 129 V 73 ), le Tribunal fédéral des assurances a jugé que l'office de l'assurance-invalidité est tenu de notifier une décision de rente aux institutions de prévoyance entrant en considération. Lorsqu'il n'est pas intégré à la procédure, l'assureur LPP - qui dispose d'un droit de recours propre dans les procédures régies par la LAI - n'est pas lié par l'évaluation de l'invalidité (principe, taux et début du droit) à laquelle ont procédé les organes de l'assurance-invalidité. Il convient d'appliquer les mêmes principes en ce qui concerne le statut de la personne invalide. La priorité accordée aux décisions de l'assurance-invalidité en ce domaine et leur éventuelle force contraignante pour les institutions de prévoyance (en l'absence d'un recours contre une décision dûment communiquée) se justifie par le fait que l'office de l'assurance-invalidité est l'organe normalement compétent pour trancher la question du statut de l'assuré préalablement à la fixation du degré d'invalidité. En revanche, le statut de l'assuré ne joue pas de rôle pour l'évaluation de l'invalidité par l'institution de prévoyance puisque, comme on l'a vu, la prévoyance professionnelle, à la différence de l'assurance-invalidité, n'assure pas, le cas échéant, l'atteinte à la capacité d'accomplir les travaux habituels. C'est pourquoi d'ailleurs, en cas d'application de la méthode mixte, la force contraignante, pour les institutions de prévoyance, du degré d'invalidité fixé par l'office de l'assurance-invalidité se limite à l'invalidité dans l'activité lucrative ( ATF 120 V 106 ). La question du statut de l'assuré a tout au plus une incidence dans le calcul d'une éventuelle surindemnisation. On doit admettre que cette priorité des décisions de l'assurance-invalidité, en ce qui concerne le statut de l'assuré, vaut non seulement pour la prévoyance professionnelle obligatoire, mais également pour la prévoyance plus étendue. En effet, il n'existe aucune raison qui justifierait à cet égard une distinction. De ce point de vue, la BGE 129 V 150 S. 157 situation est différente en ce qui concerne le taux de l'invalidité et le début de l'incapacité de travail: lorsque l'institution de prévoyance adopte une définition qui ne concorde pas avec celle de l'assurance-invalidité, il est normal que l'institution ne soit pas liée par une estimation qui repose sur d'autres critères. En revanche, la question du statut de l'assuré est indépendante de la notion d'invalidité définie par le règlement de prévoyance. 3. Dans le cas particulier, il y a lieu de constater que la décision de l'assurance-invalidité (rendue bien avant le prononcé de l'arrêt K. précité [ ATF 129 V 73 ]) n'a de toute évidence pas été communiquée à la caisse de pensions intimée. Il s'ensuit que la question du statut de l'assurée doit être examinée librement dans le cadre du présent litige. Comme le relève l'OFAS, les pièces versées au dossier ne permettent pas de répondre à la question, litigieuse, de savoir si c'est pour des motifs de santé que la recourante a dû réduire son activité, autrement dit si elle exercerait ou non une activité professionnelle à plein temps dans l'hypothèse où elle n'eût pas été atteinte dans sa santé. Entendu en procédure cantonale (procès-verbal d'audience du 1er juillet 2002), le docteur A. a indiqué qu'il avait proposé à sa patiente de diminuer son activité lucrative, tout en précisant que les problèmes de santé rencontrés par l'intéressée n'étaient pas suffisamment "importants" pour justifier une incapacité de travail. Mais il a par ailleurs déclaré que si la recourante n'avait pas obtenu une réduction de son horaire de travail, il aurait dû "mettre (la) patiente à l'incapacité de travail". D'autre part, à lire le rapport du docteur A. du 9 mars 1999, déjà mentionné, il semble que l'incapacité de travail ait une origine exclusivement psychiatrique. On ignore, par ailleurs si l'office de l'assurance-invalidité a demandé, comme le suggérait le docteur A., un rapport à l'oncologue et au psychiatre qui traitaient l'assurée. On notera, à cet égard, que le dossier de l'assurance-invalidité dont on dispose est très fragmentaire, ce dossier n'ayant pas été produit dans son entier. En conséquence, il convient de renvoyer la cause aux premiers juges pour qu'ils complètent l'instruction et qu'ils procèdent à un nouveau calcul de surindemnisation, compte tenu du résultat de cette instruction et des considérants qui précèdent. Ou bien ils admettent que l'assurée aurait exercé une activité à mi-temps indépendamment de la survenance de l'invalidité et il conviendra, dans le calcul de la surindemnisation, d'imputer la rente servie par l'assurance-invalidité BGE 129 V 150 S. 158 selon le principe de la concordance des droits. Ou bien ils considèrent que l'assurée aurait continué à travailler à plein temps si elle n'était pas devenue invalide et il conviendra de prendre en compte un salaire correspondant à une activité à plein temps au titre de "revenu global brut" au sens de l'art. 23 du règlement. Pour le surplus, il est prématuré, au stade actuel de la procédure, de se prononcer sur la prise en compte - contestée par la recourante - de la rente complémentaire pour époux aux regard des dispositions réglementaires de la caisse, car cette prise en compte dépendra de la solution à laquelle parviendront les premiers juges au terme de l'instruction prescrite plus haut: s'ils reconnaissent à l'assurée le statut d'une personne entièrement active, la limite de surindemnisation ne sera de toute façon pas atteinte, même compte tenu de la rente complémentaire (voir aussi dans ce contexte, s'agissant de la prise en compte de la rente complémentaire pour conjoint dans la prévoyance professionnelle obligatoire, ATF 126 V 468 ). 4. (Frais et dépens)
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Sachverhalt ab Seite 317 BGE 142 V 316 S. 317 A. A., née B., est assurée auprès de Assura-Basis SA pour l'assurance-maladie obligatoire. Par l'intermédiaire du docteur C., spécialiste en médecine générale, qu'elle avait consulté en raison d'une dysphorie de genre, l'assurée a demandé à sa caisse-maladie de prendre en charge les coûts d'une hormonothérapie suivie depuis mars 2008, d'une opération de réassignation sexuelle prévue à l'étranger et des frais pour l'épilation post-opératoire (lettre du 2 décembre 2008). Le 12 décembre 2008, elle a subi une opération de changement de sexe effectuée par le docteur D., spécialiste en chirurgie plastique, à U. (Thaïlande). Après un échange de correspondance incluant divers rapports médicaux, Assura-Basis SA a refusé la prise en charge sollicitée par décision du 18 juin 2009, confirmée sur opposition le 6 octobre suivant. En bref, elle a considéré que le traitement subi par A. aurait pu être fourni en Suisse et que la personne ayant pratiqué l'épilation électrique définitive à V., E., ne faisait pas partie des fournisseurs de prestations autorisés à pratiquer à la charge de l'assurance obligatoire des soins. B. Saisi du recours formé par l'assurée contre la décision sur opposition du 6 octobre 2009, le Tribunal cantonal du canton de Vaud, Cour des assurances sociales, a notamment recueilli l'avis du docteur BGE 142 V 316 S. 318 C., entendu le docteur D. et mandaté F. et le Professeur G. à W. (Belgique) pour une expertise (rapport du 20 juin 2012, complément du 27 janvier 2014 et rapport du 20 juin 2015). Statuant le 9 décembre 2015, la juridiction cantonale a partiellement admis le recours et réformé la décision sur opposition en ce sens que Assura-Basis SA doit prendre en charge l'intervention de réassignation sexuelle subie par A. en Thaïlande le 12 décembre 2008, à concurrence de 26'042 fr. 40; elle a confirmé la décision pour le surplus. C. Agissant par la voie du recours en matière de droit public et du recours constitutionnel subsidiaire, l'assurée demande en substance au Tribunal fédéral de réformer le jugement cantonal en ce sens que Assura-Basis SA soit astreinte à prendre en charge les coûts de l'épilation par électrolyse à hauteur de 43'029 fr. Le Tribunal fédéral a déclaré irrecevable le recours constitutionnel subsidiaire et a rejeté le recours de droit public.
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Erwägungen Extrait des considérants: 3. Seul est litigieux en instance fédérale le droit de la recourante à la prise en charge par l'intimée des coûts du traitement épilatoire par électrolyse dispensé par E. A cet égard, le jugement entrepris expose de manière complète les dispositions légales ( art. 35 et 38 LAMal ) et réglementaire ( art. 46 OAMal [RS 832.102]) sur l'admission des fournisseurs de prestations à pratiquer à la charge de l'assurance obligatoire des soins; il suffit d'y renvoyer. 4. 4.1 La juridiction cantonale a retenu que les frais du traitement épilatoire prodigué par E., esthéticienne titulaire d'une autorisation de pratiquer, ne devaient pas être remboursés par l'intimée. Elle s'est fondée sur deux arrêts du Tribunal fédéral rendus dans le contexte d'une dysphorie de genre, selon lesquels l'assurance-maladie obligatoire n'avait pas à prendre en charge une épilation (électrique) pratiquée par une esthéticienne, dans la mesure où cette dernière ne faisait pas partie du personnel médical autorisé à exercer une activité à la charge des caisses-maladie ( ATF 120 V 463 consid. 6c p. 471 s.; arrêt K 98/04 du 29 novembre 2004 consid. 4.1). Elle a par ailleurs précisé que le catalogue des fournisseurs de prestations admis à pratiquer à la charge de l'assurance obligatoire des soins avait un caractère exhaustif et que le Conseil fédéral disposait d'une très importante marge d'appréciation pour déterminer les conditions d'admission des BGE 142 V 316 S. 319 personnes prodiguant des soins sur prescription médicale et des organisations qui les emploient ( ATF 133 V 218 consid. 6.3.1 p. 221 et les références). 4.2 La recourante reproche tout d'abord à la juridiction cantonale d'avoir fait une interprétation erronée de l' art. 46 OAMal et ainsi violé l' art. 25 LAMal , selon lequel l'assurance obligatoire des soins prend en charge les coûts des prestations qui servent à diagnostiquer ou à traiter une maladie et ses séquelles. Elle invoque avoir consulté le docteur H., médecin généraliste et homéopathe, pour un traitement d'épilation au laser. Pour des raisons médicales, le médecin n'avait toutefois pas été en mesure d'effectuer le traitement, parce que la pilosité de la recourante (en dehors des jambes et de l'abdomen) était blanche ou très peu pigmentée, ce qui était une contre-indication au traitement par laser (courriers du docteur H. au conseil de la recourante des 1 er décembre 2009 et 12 janvier 2010). Le praticien lui avait alors recommandé E. pour une épilation définitive par électrolyse et une prescription médicale en ce sens avait été établie par le docteur C. (courrier à la caisse-maladie du 27 décembre 2009). Selon la recourante, dès lors que la prénommée n'était pas une esthéticienne mais une "professionnelle au bénéfice d'une formation spécialisée dispensée en milieu hospitalier pour pratiquer l'épilation définitive par électrolyse" et que le traitement en cause répondait aux critères d'efficacité et du caractère approprié et économique, elle devait être considérée comme une personne fournissant une prestation sur prescription médicale au sens de l'art. 25 al. 2 let. a ch. 3 LAMal. La recourante se prévaut ensuite d'une violation des principes de l'égalité de traitement ( art. 8 al. 1 Cst. ), de l'interdiction de la discrimination ( art. 8 al. 2 Cst. ) ainsi que de l'interdiction de l'arbitraire ( art. 9 Cst. ). Dans la mesure où E. devait être considérée comme une personne fournissant une prestation sur prescription médicale au sens de l' art. 25 LAMal , elle soutient que l'exclusion de cette professionnelle de la liste des spécialistes de l' art. 46 OAMal constituerait une discrimination inconstitutionnelle, conduisant à un résultat choquant et heurtant sensiblement le sentiment de justice. Si elle avait pu se soumettre à un traitement d'épilation au laser en raison d'une pigmentation plus foncée, l'assureur-maladie n'aurait pas pu en refuser la prise en charge. En raison de son âge et de la faible pigmentation de son visage et des poils corporels, seul un traitement par électrolyse préconisé par les docteurs C. et H. était envisageable. En fin de compte, si la prise en charge d'une épilation définitive dépendait de la couleur de la pigmentation de l'intéressée, cela conduirait à une pratique BGE 142 V 316 S. 320 discriminatoire à l'égard des personnes âgées en particulier. La recourante fait encore valoir que l'intimée, qu'elle avait interpellée à ce sujet, n'avait pas été en mesure de lui indiquer le nom d'un médecin qui aurait pratiqué l'épilation par électrolyse et avait admis que cette technique n'était pas mise en oeuvre par des médecins, dans un courrier du 7 mai 2009. La juridiction cantonale ne pouvait dès lors pas, toujours de l'avis de la recourante, invoquer le caractère exhaustif de l' art. 46 OAMal pour exclure la prise en charge des frais liés à un traitement effectué par une professionnelle reconnue et qui était intervenue, dans son cas, sur prescription médicale. 5. 5.1 Selon la jurisprudence, l'opération de changement de sexe en cas de dysphorie de genre (ou transsexualisme vrai) doit être envisagée de manière globale pour des raisons tant physiques que psychiques. Aussi, lorsque les conditions justifiant l'opération chirurgicale sont réalisées, les interventions complémentaires destinées à modifier les caractères sexuels secondaires font aussi partie, en principe, des prestations obligatoires à la charge de l'assurance obligatoire des soins. Encore faut-il, d'une part, qu'il existe une indication médicale clairement posée et, d'autre part, que le principe de l'économie du traitement énoncé à l' art. 32 LAMal (jusqu'au 31 décembre 1995, art. 12 LAMA ) soit respecté ( ATF 120 V 463 consid. 6b p. 471, rendu sous l'empire de la LAMA mais toujours valable après l'entrée en vigueur de la LAMal [arrêt K 35/99 du 10 décembre 1999 consid. 1a et la référence, in RAMA 2000 p. 64]). 5.2 La pilosité est l'une des caractéristiques qui forment l'apparence féminine ou masculine d'une personne. Chez l'homme, la pilosité présente au visage et celle plus marquée sur certaines parties du corps (torse, ventre, aisselles et parties intimes) comptent parmi les caractères sexuels secondaires. Dans le contexte d'une dysphorie du genre, pour autant que l'indication à une opération de changement de sexe est établie, l'épilation définitive (au laser) doit être reconnue comme une intervention complémentaire destinée à modifier les caractères sexuels secondaires si cette mesure fait partie d'un programme thérapeutique global établi en fonction de l'ensemble des éléments recueillis et si, à l'intérieur de ce plan, elle peut être considérée comme efficace, appropriée et économique. En principe, la prise en charge des coûts entre alors en considération pour une prestation qui en soi ne constitue pas une mesure à la charge de l'assurance obligatoire des soins (arrêt K 142/03 du 24 juin 2004 consid. 2.7, in RAMA 2004 p. 390). BGE 142 V 316 S. 321 En l'occurrence, la juridiction cantonale a admis que les conditions justifiant l'opération de changement de sexe étaient réalisées, ce qui demeure incontesté en instance fédérale. 5.3 5.3.1 La reconnaissance du principe même de l'obligation de prester de l'assurance-maladie ne signifie toutefois pas que la prise en charge de la prestation litigieuse échappe aux conditions générales auxquelles la LAMal soumet l'intervention de l'assurance obligatoire des soins. En particulier, une telle prise en charge suppose que la prestation en cause soit effectuée par un fournisseur de prestations admis à pratiquer à la charge de l'assurance obligatoire des soins, soit en l'occurrence une personne prodiguant des soins sur prescription ou mandat médical au sens de la loi (art. 25 al. 2 let. a ch. 3 en relation avec les art. 35 al. 2 let . e et 41 LAMal ainsi que l' art. 46 al. 1 OAMal ). Or les professionnels pratiquant la technique d'épilation à l'électricité (électrolystes), qu'ils s'occupent ou non d'autres soins corporels, ne figurent pas dans le catalogue - exhaustif ( ATF 126 V 330 consid. 1c p. 333) - des fournisseurs de prestations admis à pratiquer à la charge de l'assurance obligatoire des soins ( art. 46 al. 1 OAMal ). Leurs prestations ne sont donc pas prises en charge par l'assurance-maladie obligatoire. Ainsi, dans le cas qui a été jugé par l' ATF 120 V 463 cité, le Tribunal fédéral a nié l'obligation de prester de la caisse-maladie pour les frais d'une épilation électrique, dès lors que celle-ci avait été pratiquée par une esthéticienne. Il en a été de même dans la situation où l'intéressée avait subi une partie du traitement d'épilation au laser auprès d'une esthéticienne, en prévision d'une opération de changement de sexe (arrêt K 98/04 du 29 novembre 2004 consid. 4.1; voir aussi ALECS RECHER, Les droits des personnes trans*, Droit LGTB, 2 e éd. 2015, p. 152 n. 99; RECHER/GARCIA NUÑES, Frau, Mann - Individuum, Jusletter 18 août 2014 p. 182). 5.3.2 La recourante soutient en vain qu'en tant que professionnelle formée pour pratiquer l'épilation définitive par électrolyse, E. doit être considérée comme une personne fournissant une prestation médicale au sens de l' art. 25 LAMal . Le fait que la prénommée a suivi une formation spécialisée, dispose d'une autorisation (cantonale) de pratiquer la mesure en cause et que l'épilation par électrolyse a été effectuée sur prescription du docteur C. ne suffit pas pour faire de sa catégorie professionnelle un fournisseur de prestations au sens de la LAMal. En particulier, la prescription d'un médecin constitue une condition de l'obligation de prester selon l'art. 24 en relation avec BGE 142 V 316 S. 322 l'art. 25 al. 2 let. a ch. 3 LAMal, mais ne remplace pas la nécessaire admission du fournisseur de prestations (arrêt K 62/00 du 5 septembre 2000 consid. 2). A cet égard, on rappellera que l' art. 38 LAMal a attribué au Conseil fédéral un large pouvoir d'appréciation en ce qui concerne l'admission des fournisseurs de prestations au sens de l' art. 35 al. 2 let . e LAMal. La disposition légale reflète la volonté du législateur de donner au Conseil fédéral la compétence exclusive de régler les conditions d'admission des personnes prodiguant des soins sur prescription ou sur mandat médical ( ATF 125 V 284 consid. 4e p. 291). Par conséquent, le refus de reconnaître une prestation obligatoire de l'intimée au motif qu'elle n'a pas été dispensée par un fournisseur de prestations autorisé à pratiquer à la charge de l'assurance-maladie obligatoire au sens de l' art. 46 OAMal apparaît conforme au droit (cf. infra consid. 6). 5.4 En tant que la recourante se prévaut du fait qu'elle aurait eu droit à la prise en charge d'une épilation au laser pratiquée par un médecin, de sorte qu'il serait arbitraire et choquant de ne pas reconnaître l'obligation de prester de l'intimée en relation avec la technique d'épilation qu'elle avait été tenue de choisir en raison des pigments de ses poils, la prise en charge requise pourrait entrer en considération sous l'angle du droit à la substitution des prestations. Selon la jurisprudence, le droit à l'échange de prestations ne peut pas aboutir à ce qu'une prestation obligatoirement à la charge de l'assurance soit remplacée par une prestation qui ne l'est pas. N'est considérée comme une prestation obligatoire que celle qui a été effectuée par un fournisseur de prestations admis. Le droit à l'échange de la prestation suppose donc que le fournisseur de l'une et de l'autre prestations soit admis à pratiquer à la charge de l'assurance obligatoire des soins, faute de quoi un droit à l'échange ne saurait être reconnu ( ATF 126 V 330 consid. 1b p. 332; arrêt K 137/04 du 21 mars 2006 consid. 6, in SVR 2006 KV n° 30 p. 107). 6. La recourante se prévaut encore du principe d'égalité, plus particulièrement d'une discrimination fondée sur l'âge, et de la protection contre l'arbitraire. Selon elle, l'exclusion de l'électrolyste ayant fourni la prestation litigieuse de la liste des fournisseurs de prestations au sens de l' art. 46 OAMal , alors que seule la méthode pratiquée par celle-ci était susceptible de garantir un résultat efficace en raison d'une faible pigmentation ou d'un contraste insuffisant, revient à discriminer les patients en raison de leur couleur de peau, de poils et de BGE 142 V 316 S. 323 leur âge. En ce sens, le caractère exhaustif de la disposition réglementaire consacrerait une violation du droit constitutionnel. 6.1 6.1.1 La protection de l'égalité ( art. 8 Cst. ) et celle contre l'arbitraire ( art. 9 Cst. ) sont étroitement liées. Une norme est arbitraire lorsqu'elle ne repose pas sur des motifs sérieux ou si elle est dépourvue de sens et de but ( ATF 136 I 241 consid. 3.1 p. 250). Elle viole le principe de l'égalité de traitement consacré à l' art. 8 al. 1 Cst. lorsqu'elle établit des distinctions juridiques qui ne se justifient par aucun motif raisonnable au regard de la situation de fait à réglementer ou qu'elle omet de faire des distinctions qui s'imposent au vu des circonstances, c'est-à-dire lorsque ce qui est semblable n'est pas traité de manière identique et ce qui est dissemblable ne l'est pas de manière différente ( ATF 134 I 23 consid. 9.1 p. 42). Au principe d'égalité de traitement, l' art. 8 al. 2 Cst. ajoute une interdiction des discriminations. Selon cette disposition, nul ne doit subir de discrimination du fait notamment de son origine, de sa race, de son sexe, de son âge, de sa langue, de sa situation sociale, de son mode de vie, de ses convictions religieuses, philosophiques ou politiques ni du fait d'une déficience corporelle, mentale ou physique. On est en présence d'une discrimination selon l' art. 8 al. 2 Cst. lorsqu'une personne est traitée différemment en raison de son appartenance à un groupe particulier qui, historiquement ou dans la réalité sociale actuelle, souffre d'exclusion ou de dépréciation. Le principe de non-discrimination n'interdit toutefois pas toute distinction basée sur l'un des critères énumérés à l' art. 8 al. 2 Cst. , mais fonde plutôt le soupçon d'une différenciation inadmissible. Les inégalités qui résultent d'une telle distinction doivent dès lors faire l'objet d'une justification particulière ( ATF 137 V 334 consid. 6.2.1 p. 348; ATF 135 I 49 consid. 4.1 p. 53). 6.1.2 L' art. 8 al. 2 Cst. interdit non seulement la discrimination directe, mais également la discrimination indirecte. Une telle discrimination existe lorsqu'une réglementation, qui ne désavantage pas directement un groupe déterminé, défavorise tout particulièrement, par ses effets et sans justification objective, les personnes appartenant à ce groupe ( ATF 126 II 377 consid. 6c p. 393 et les références citées; voir également ATF 124 II 409 consid. 7 p. 425). Eu égard à la difficulté de poser des règles générales et abstraites permettant de définir pour tous les cas l'ampleur que doit revêtir l'atteinte subie par un groupe protégé par l' art. 8 al. 2 Cst. par rapport à la majorité de la population, la reconnaissance d'une situation de discrimination ne peut résulter que d'une appréciation de l'ensemble des circonstances du cas BGE 142 V 316 S. 324 particulier. En tout état de cause, l'atteinte doit revêtir une importance significative, le principe de l'interdiction de la discrimination indirecte ne pouvant servir qu'à corriger les effets négatifs les plus flagrants d'une réglementation étatique ( ATF 138 I 205 consid. 5.5 p. 213 et les références). 6.2 Comme l' art. 46 OAMal ne prévoit aucune distinction fondée sur l'un des critères énumérés à l' art. 8 al. 2 Cst. - ce qui exclut une discrimination (directe) contraire à la Constitution -, seule entre en considération une discrimination indirecte. Compte tenu de l'argumentation de la recourante et des indications données par le docteur C. (courrier du 28 octobre 2008), ce n'est pas tant le critère de l'âge qui a joué un rôle pour le recours à l'épilation par électrolyse (au lieu de l'épilation au laser contre-indiquée) que la couleur claire des poils; celle-ci n'est pas caractéristique des personnes âgées au regard des différentes pigmentations existant dans la population en général. La pigmentation des poils n'est pas un des motifs de discrimination énumérés - de manière indicative - par l' art. 8 al. 2 Cst. On peut se demander si elle constitue en soi une caractéristique personnelle susceptible d'être prise comme motif pour déprécier une personne ou pour créer un désavantage devant être considéré comme une dépréciation ou une exclusion. 6.3 Pour les raisons qui suivent, on ne saurait en tout état de cause considérer qu'il y a une violation de l'interdiction de la discrimination indirecte - ni de l'égalité de traitement ou de l'interdiction de l'arbitraire - dans le fait que le défaut de reconnaissance de l'électrolyste comme fournisseur de prestations au sens de l' art. 46 OAMal conduit en l'occurrence à l'absence de prise en charge de la prestation litigieuse. La disposition réglementaire a pour but non seulement de garantir une certaine qualité de formation des prestataires de soins, mais également d'assurer que les personnes habilitées à fournir des prestations aux frais de l'assurance obligatoire des soins soient automatiquement soumises à l'obligation de fournir leurs services (à caractère thérapeutique) de manière économique au sens de l' art. 32 al. 1 LAMal . Toute activité d'un fournisseur de prestations travaillant pour le compte de l'assurance-maladie obligatoire est soumise à des tarifs ou prix fixés entre le prestataire et les assureurs-maladie, qui sont tous deux liés par la convention ( art. 43 ss LAMal ). Il s'agit d'assurer que les prestations fournies par les professionnels désignés par le Conseil fédéral, parce qu'ils sont nécessaires pour assurer à la BGE 142 V 316 S. 325 population l'accès aux prestations légales à la charge de l'assurance obligatoire des soins (GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in Soziale Sicherheit, SBVR vol. XIV, 3 e éd. 2016, p. 644 n. 768), répondent d'emblée à l'exigence de l'économicité. A cet égard, l'assurance-maladie obligatoire, en tant qu'assurance sociale, n'a pas vocation à prendre en charge l'ensemble des prestations (médicales et para-médicales) qui sont à disposition des personnes assurées et dont elles peuvent avoir besoin en fonction de leur atteinte à la santé. Seules les prestations qui sont prévues dans le cadre légal circonscrit par la LAMal - dont l'exigence qu'elles soient fournies par les professionnels désignés par le Conseil fédéral dans les cas visés par l' art. 35 al. 2 let . e LAMal (en relation avec l' art. 38 LAMal ) - peuvent être appliquées à la charge de l'assurance obligatoire des soins. Il s'agit de trouver un équilibre entre la garantie de soins de haute qualité et les coûts les plus bas possibles, ce qui suppose par définition que des limites soient apportées par le législateur, également en ce qui concerne les personnes autorisées à pratiquer à la charge de l'assurance-maladie obligatoire. Sous cet angle, la limitation prévue par l' art. 46 OAMal , singulièrement la liste des fournisseurs de prestations au sens de l' art. 35 al. 2 let . e LAMal, est valable pour toutes les personnes assurées de la même manière. La situation de la recourante n'est pas différente de celle d'autres assurés qui nécessiteraient les services d'une personne qui n'est pas reconnue comme fournisseur de prestations au sens de la LAMal et pour la prise en charge desquelles ils ne pourraient pas non plus requérir avec succès l'intervention de l'assurance-maladie obligatoire. (...)
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Sachverhalt ab Seite 250 BGE 130 II 249 S. 250 Par actes des 10 avril, 29 mai et 13 juin 2002, le Service des tâches spéciales du Département fédéral de l'environnement, des transports, de l'énergie et de la communication (ci-après: le Service des tâches spéciales) a transmis pour exécution à Swisscom SA et à Swisscom Mobile SA trois ordres de surveillance émanant des autorités judiciaires pénales vaudoises et genevoises, visant à obtenir les données relatives aux appels de téléphonie mobile qui ont transité par leurs antennes desservant un lieu précis délimité par ses coordonnées géographiques, durant un laps de temps déterminé. Les sociétés concernées ayant refusé d'obtempérer en arguant du défaut de base légale relative à ce type de surveillance, le Service des tâches spéciales leur a enjoint de lui livrer les données exigées, le cas échéant de les transmettre directement aux autorités requérantes, au terme de trois décisions prises les 21 mai, 31 mai et 28 juin 2002. Swisscom SA et Swisscom Mobile SA ont vainement contesté ces décisions devant la Commission de recours du Département fédéral de l'environnement, des transports, de l'énergie et de la communication (ci-après: la Commission de recours). Le Tribunal fédéral a rejeté les recours de droit administratif formés par Swisscom SA et Swisscom Mobile SA contre les décisions prises par cette autorité le 9 juillet 2003, dans la mesure où ils étaient recevables.
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. Le Tribunal fédéral examine d'office et avec une pleine cognition la recevabilité des recours qui lui sont soumis ( ATF 129 I 337 consid. 1 p. 339; ATF 129 II 453 consid. 2 p. 456). 2.1 La première question à résoudre est celle de la voie de droit ouverte contre les décisions du Service des tâches spéciales, étant précisé que ces dernières répondent manifestement à la notion de décision au sens des art. 5 PA et 97 al. 1 OJ en tant qu'elles imposent aux recourantes l'obligation de transmettre des données recueillies en exécution d'un ordre de surveillance qu'elles tiennent BGE 130 II 249 S. 251 pour illégal. La Commission de recours a considéré que la loi sur la surveillance de la correspondance par poste et télécommunication contenait une lacune qu'il convenait de combler en reconnaissant aux fournisseurs de services de télécommunication un droit de recourir devant elle contre ces décisions, conformément à l'art. 32 de l'ordonnance du 31 octobre 2001 sur la surveillance de la correspondance par poste et télécommunication (OSCPT; RS 780.11). Sous l'angle de l'ancien droit, l'Entreprise des PTT recevait les ordres de surveillance téléphonique directement des autorités judiciaires cantonales compétentes en vue de leur exécution. Les éventuelles contestations à ce sujet devaient être portées directement auprès de la Chambre d'accusation du Tribunal fédéral en vertu des art. 27 al. 5, 2 e phrase, et 252 al. 3 PPF, dans la mesure où elles relevaient de l'entraide judiciaire entre la Confédération et les cantons au sens de l' art. 352 CP ( ATF 123 II 371 consid. 1c p. 373; ATF 115 IV 67 consid. 1a p. 69; 79 IV 179 consid. 1 p. 182). Dans le système légal actuel, les fournisseurs de services de télécommunication n'ont aucun contact direct avec l'autorité requérante; ils reçoivent le mandat d'exécuter la surveillance et de transmettre les données y relatives directement du Service des tâches spéciales avec lequel ils sont liés par une relation de droit administratif indépendante de la procédure pénale. Aussi, en cas de contestation de la part des fournisseurs de services de télécommunication, les décisions du Service des tâches spéciales doivent être déférées auprès de la Commission de recours du Département fédéral de l'environnement, des transports, de l'énergie et de la communication, conformément à l' art. 32 OSCPT , les décisions prises par cette autorité étant elles-mêmes sujettes à un recours de droit administratif auprès du Tribunal fédéral (en ce sens, BERNHARD STRÄULI, La surveillance de la correspondance par poste et télécommunication, in Plus de sécurité - moins de liberté?, Groupe Suisse de Travail de Criminologie, Zurich 2003, n. 285, p. 190). 2.2 La seconde question à résoudre est celle de savoir dans quelle mesure les décisions du Service des tâches spéciales peuvent être attaquées par les fournisseurs de services de télécommunication devant la Commission de recours, puis devant le Tribunal fédéral et, en particulier, si ces derniers peuvent recourir en invoquant l'illégalité de l'ordre de surveillance sur lequel elles se fondent. Le Service des tâches spéciales ne s'est pas prononcé sur cette question au motif qu'elle échappait à son contrôle. La Commission de BGE 130 II 249 S. 252 recours a confirmé le bien-fondé de cette décision, en relevant que l'examen de la légalité de la mesure de surveillance requise incombait à l'autorité habilitée à autoriser une telle surveillance. 2.2.1 Aux termes de l'art. 3 al. 1 de la loi fédérale du 6 octobre 2000 sur la surveillance de la correspondance par poste et télécommunication (LSCPT; RS 780.1), pour qu'une surveillance soit ordonnée, il est nécessaire que de graves soupçons reposant sur des faits déterminés pèsent sur la personne concernée quant à la commission de l'un des actes punissables visés à l'al. 2 ou 3, ou quant à sa participation à un tel acte (let. a), que la gravité de l'acte le justifie (let. b) et que les mesures prises jusqu'alors dans le cadre de l'instruction soient restées sans succès ou que les recherches n'aient aucune chance d'aboutir ou qu'elles soient excessivement difficiles en l'absence de surveillance (let. c). L' art. 4 LSCPT définit à quelles conditions la surveillance d'un tiers, d'un poste public de télécommunication, d'un raccordement qui ne peut être attribué à une personne connue, ou d'une personne tenue au secret professionnel, peut être ordonnée. Les autorités habilitées à ordonner ou à autoriser une surveillance sont énumérées aux art. 6 et 7 al. 1 LSCPT . Selon l' art. 7 al. 3 LSCPT , l'autorité habilitée à autoriser la surveillance examine si la mesure portant atteinte à la personnalité est justifiée. Elle statue dans les cinq jours à compter du moment où la surveillance a été ordonnée en indiquant brièvement les motifs. Elle communique immédiatement sa décision au service chargé de la surveillance de la correspondance par poste et télécommunication, soit au Service des tâches spéciales. L' art. 13 al. 1 let. a LSCPT prévoit qu'en cas de surveillance de la correspondance par télécommunication, ce dernier vérifie que la surveillance concerne un acte punissable mentionné à l'art. 3, al. 2 ou 3, et qu'elle a été ordonnée par une autorité compétente; si l'ordre de surveillance est clairement erroné ou s'il n'est pas motivé, le service prend contact avec l'autorité habilitée à autoriser la surveillance avant de transmettre des informations à l'autorité qui a ordonné celle-ci. L' art. 15 LSCPT dispose qu'à la demande du service, les fournisseurs de services de télécommunication sont tenus de lui transmettre les communications de la personne surveillée ainsi que les données permettant d'identifier les usagers et celles relatives au trafic et à la facturation. Ils sont également tenus de fournir les informations nécessaires à la mise en oeuvre de la surveillance (al. 1). Ils transmettent dans les meilleurs délais les données permettant l'identification BGE 130 II 249 S. 253 des usagers qui leur ont été demandées, les données relatives au trafic et à la facturation et, si possible en temps réel, les communications de la personne surveillée (al. 4). A teneur de l' art. 10 LSCPT , la surveillance est levée par l'autorité qui l'a ordonnée dès qu'elle n'est plus utile au déroulement de l'enquête ou lorsque l'autorisation ou sa prolongation ont été refusées (al. 1). Au plus tard lors de la clôture de la procédure pénale ou de la suspension de la procédure, l'autorité qui a ordonné la surveillance communique les motifs, le mode et la durée de la surveillance aux suspects et aux personnes dont l'adresse postale ou le raccordement ont fait l'objet d'une surveillance, à l'exception des postes publics de télécommunication (al. 2 let. a et b). Dans les 30 jours suivant la communication, la personne ayant fait l'objet de la surveillance peut interjeter recours, en invoquant le caractère illicite et l'absence de proportionnalité de la surveillance (al. 5). Les personnes qui ont utilisé le même raccordement ou la même adresse postale peuvent également interjeter recours. Elles ont le droit de consulter les informations qui concernent leur personne et ont été utilisées dans la procédure pénale et de demander l'élimination des informations qui ne sont pas nécessaires (al. 6). 2.2.2 Suivant le Message du Conseil fédéral du 1 er juillet 1998 concernant les lois fédérales sur la surveillance de la correspondance postale et des télécommunications et sur l'investigation secrète, le Service des tâches spéciales joue un rôle d'intermédiaire entre les autorités habilitées à ordonner une surveillance et les fournisseurs de services postaux et de télécommunication pour l'exécution des mesures de surveillance. Il veille à ce que la surveillance s'effectue dans la forme prescrite et que les mesures de protection soient bien mises en oeuvre. Il donne les instructions aux fournisseurs de services quant à la manière d'exécuter la surveillance. Le Service des tâches spéciales n'exerce qu'un contrôle formel de la demande; il vérifie que l'ordre de surveillance fait état d'une infraction visée par l' art. 3 al. 2 et 3 LSCPT et qu'il émane de l'autorité compétente au regard du droit de procédure applicable. Si l'ordre de surveillance est manifestement non conforme, par exemple parce qu'aucun délit permettant d'effectuer une surveillance n'y figure, ou s'il y manque des éléments essentiels, soit notamment lorsqu'une personne tenue au secret professionnel fait l'objet d'une surveillance sans que soient prises des mesures de protection, il doit s'adresser à l'autorité habilitée à autoriser la surveillance et lui BGE 130 II 249 S. 254 demander des instructions. Il ne dispose en revanche d'aucun pouvoir d'examen matériel vis-à-vis des décisions des autorités habilitées à autoriser la surveillance. Il incombe ainsi exclusivement à ces dernières de vérifier la légalité de l'atteinte portée aux droits des personnes concernées par les mesures de surveillance (FF 1998 p. 3691, 3723-3725; AUGUST BIEDERMANN, Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, RPS 120/2002 p. 96). Sur ce point, le rôle du Service des tâches spéciales est le même que celui assigné sous l'ancien droit à l'Entreprise des PTT ( ATF 126 I 50 consid. 2b p. 55; ATF 119 IV 86 consid. 2c p. 89/90; ATF 115 IV 67 consid. 3b p. 71; 79 IV 179 consid. 3 p. 183; arrêt 1P.608/ 2000 du 7 novembre 2000, consid. 3b, publié in sic! 1/2001 p. 23/ 24; AUGUST BIEDERMANN, op. cit., p. 97/98). De même, en vertu des art. 14 al. 1 et 15 al. 1 LSCPT, les fournisseurs de services postaux et de télécommunication sont tenus de transmettre les données requises dans la mesure où elles reposent sur un ordre de surveillance approuvé par l'autorité habilitée à autoriser la surveillance selon l' art. 7 LSCPT et vérifié par le Service des tâches spéciales en application de l' art. 13 al. 1 let. a LSCPT , sans pouvoir contester la conformité à la loi, la nécessité ou encore l'opportunité de la mesure de surveillance ordonnée. Ils ne seraient d'ailleurs pas en état de le faire puisque le Service des tâches spéciales n'est pas censé leur remettre une copie de l'ordre de surveillance, contrairement à la pratique qui prévalait sous l'ancien droit (FF 1998 p. 3727). De ce point de vue également, leur situation n'est pas différente de celle de l'Entreprise des PTT, existant avant l'entrée en vigueur de la loi fédérale sur la surveillance de la correspondance par poste et télécommunication ( ATF 115 IV 67 consid. 3b p. 71; 79 IV 179 consid. 3 p. 183/184; voir aussi ATF 126 I 50 consid. 2b p. 55; ASTRID VON BENTIVEGNI, Les mesures officielles de surveillance en procédure pénale, thèse Lausanne 1986, p. 72). Il ressort ainsi de la systématique de la loi et des travaux préparatoires que le législateur a voulu assigner exclusivement un rôle d'exécutants tant au Service des tâches spéciales qu'aux fournisseurs de services de télécommunication et exclure toute possibilité de leur part de contester la légalité d'un ordre de surveillance, celle-ci étant réservée uniquement aux personnes ayant fait l'objet de la surveillance ou qui sont impliquées, selon les modalités prévues à l' art. 10 al. 5 et 6 LSCPT . Le système légal ne souffre à cet BGE 130 II 249 S. 255 égard d'aucune lacune improprement dite qu'il appartiendrait à la Commission de recours ou au Tribunal fédéral de combler par une extension du droit de recours conféré aux fournisseurs de services à l' art. 32 OSCPT à l'encontre des décisions du Service des tâches spéciales pour des motifs relatifs à la validité de l'ordre de surveillance sur lequel elles se fondent (cf. ATF 128 I 34 consid. 3b p. 42; ATF 124 V 346 consid. 3b/aa p. 348; ATF 121 III 219 consid. 1d/aa p. 225/226). Les fournisseurs de services ne sont donc pas habilités à contester une décision du Service des tâches spéciales qui les oblige à transmettre des données couvertes par un ordre de surveillance dûment approuvé par l'autorité pénale compétente, en remettant en cause la légalité de cet ordre. Le recours institué en leur faveur à l' art. 32 OSCPT ne saurait donc porter sur ce point, mais uniquement sur des questions d'ordre technique ou organisationnel liées à l'exécution de la mesure de surveillance qui leur est demandée. Pour le surplus, la question de savoir si les recherches par champ d'antennes sont ou non couvertes par la loi et son ordonnance d'application a trait à la légalité de la mesure de surveillance, dont l'examen ressortit à la compétence exclusive de l'autorité habilitée à autoriser la surveillance. Elle échappe ainsi au contrôle du Service des tâches spéciales et ne saurait être soumise à la cognition de la Commission de recours par le biais du recours prévu à l' art. 32 OSCPT , dans la mesure où les recourantes ne prétendent pas que ce type de surveillance exigerait de leur part des connaissances ou des moyens techniques qui leur feraient défaut (cf. arrêt 1P.608/2000 du 7 novembre 2000, consid. 3b, publié in sic! 1/2001 p. 23/24; d'un avis contraire, THOMAS HANSJAKOB, Kommentar zum Bundesgesetz und zur Verordnung über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, Saint-Gall 2002, n. 1 ad art. 32 OSCPT ). 2.2.3 L'absence de recours en faveur des fournisseurs de services de télécommunication contre une décision du Service des tâches spéciales leur enjoignant d'exécuter un ordre de surveillance qu'ils tiennent pour illégal ne consacre aucune violation de l' art. 13 CEDH . Cette disposition se borne à garantir l'existence en droit interne d'un recours effectif permettant de faire examiner le contenu des griefs fondés sur la Convention et d'obtenir le redressement approprié (arrêt de la CourEDH dans la cause Khan contre Royaume-Uni du 12 mai 2000, Recueil CourEDH 2000-V p. 303 , par. 44). BGE 130 II 249 S. 256 Or, les fournisseurs de services de télécommunication ne peuvent se prévaloir de l' art. 8 CEDH pour s'opposer à la transmission de données couvertes par le secret des télécommunications, dont seuls les usagers concernés sont les bénéficiaires. L'octroi d'un droit de recours étendu à la légalité de la mesure de surveillance ne s'impose donc pas en vertu de l' art. 13 CEDH , pour autant que cette disposition puisse être invoquée en l'occurrence. Pour le surplus, la possibilité offerte par l' art. 10 al. 5 LSCPT à la personne surveillée de recourir a posteriori contre un ordre de surveillance qu'elle tient pour illégal ou disproportionné suffit à satisfaire les exigences d'un recours effectif au sens de l' art. 13 CEDH ( ATF 109 Ia 273 consid. 12 p. 298), indépendamment d'une éventuelle voie de recours cantonale qui pourrait être reconnue aux fournisseurs de services de télécommunication (cf. ATF 126 I 50 ). Ces derniers sont au demeurant suffisamment protégés par la possibilité qui leur est offerte à l' art. 32 OSCPT de contester des ordres de transmission qu'ils ne seraient pas en mesure d'exécuter pour des questions techniques ou organisationnelles. 2.2.4 Les recourantes ne s'exposent au surplus à aucune poursuite pénale de la part de leurs clients, dont le raccordement serait concerné par l'ordre de surveillance, si ce dernier devait finalement se révéler non conforme à la loi ou à son ordonnance d'application. Suivant la jurisprudence, une violation du secret des télécommunications n'entre pas en considération lorsque les données transmises font l'objet d'un ordre de surveillance dûment approuvé par l'autorité habilitée pour le faire ( ATF 115 IV 67 consid. 5b p. 74). De ce point de vue également, une extension du droit de recours des fournisseurs de services de télécommunication portant sur la légalité de la mesure de surveillance requise ne se justifie pas. 2.3 Vu ce qui précède, les recourantes ne sont pas habilitées à recourir contre les décisions du Service des tâches spéciales leur enjoignant de communiquer les données requises, en invoquant l'illégalité des mesures de surveillance sur lesquelles elles se fondent. En tant qu'elles s'en prennent directement à la légalité des ordres de surveillance, leurs recours sont irrecevables. En revanche, elles peuvent se prévaloir d'un intérêt digne de protection, au sens des art. 48 let. a PA et 103 let. a OJ, à faire examiner si le Service des tâches spéciales a procédé à un contrôle des ordres de surveillance qui s'inscrit dans le cadre défini par la loi. En examinant la question de la légalité sous cet angle, la Commission de recours a BGE 130 II 249 S. 257 correctement apprécié son rôle d'autorité de recours; or, pour les raisons exposées ci-dessus, elle a admis à juste titre que cette question échappait au contrôle du Service des tâches spéciales et relevait exclusivement de la compétence de l'autorité habilitée à autoriser la surveillance; sur ce point, les recours sont mal fondés et doivent être rejetés. Pour le surplus, Swisscom SA et Swisscom Mobile SA ne se prévalent pas d'inconvénients de nature technique ou organisationnelle pour s'opposer à l'exécution des mesures de surveillance qui leur sont imposées. 2.4 Enfin, les recourantes ne peuvent refuser de donner suite aux décisions du Service des tâches spéciales en invoquant la nullité absolue de l'ordre de surveillance sur lequel elles se fondent. En dehors des cas expressément prévus par la loi, il n'y a lieu d'admettre d'office la nullité qu'à titre exceptionnel, soit lorsque les circonstances sont telles que le système d'annulabilité n'offre manifestement pas la protection nécessaire. Tel est le cas lorsque le vice dont la décision est entachée est particulièrement grave, est manifeste ou du moins facilement décelable et si, en outre, la constatation de la nullité ne met pas sérieusement en danger la sécurité du droit ( ATF 129 I 361 consid. 2.1 p. 363/364 et les arrêts cités). L'illégalité d'une décision ne constitue pas par principe un motif de nullité; elle doit au contraire être invoquée dans le cadre des voies ordinaires de recours, à tout le moins lorsque, comme en l'espèce, elle n'apparaît pas d'emblée clairement établie et que la loi ouvre une voie de recours a posteriori aux personnes concernées par la mesure de surveillance pour faire constater l'illicéité d'un ordre de surveillance (cf. arrêt 1P.531/1996 du 19 décembre 1997, consid. 2, publié in RDAT 1998 I n° 5 p. 23). 3. Dans une conclusion subsidiaire, les recourantes demandent à ce que l'intégralité des frais liés à l'exécution des mesures de surveillance soit prise en charge par les autorités requérantes. Comme le relève à juste titre la Commission de recours, cette question est prématurée. Conformément aux art. 16 LSCPT , 30 et 31 OSCPT, l'indemnité versée aux fournisseurs de services de télécommunication pour les frais occasionnés par la surveillance fera l'objet d'une décision ultérieure du Service des tâches spéciales, sujette à recours, sur la base du décompte que lui adresseront les recourantes, de sorte qu'en l'état, ces dernières ne subissent aucun préjudice matériel, dont elles pourraient se prévaloir pour faire constater l'illégalité de la surveillance sous forme de recherche par BGE 130 II 249 S. 258 champ d'antennes par un recours fondé sur l' art. 32 OSCPT . Sur ce point, les recours sont irrecevables.
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Sachverhalt ab Seite 291 BGE 100 II 290 S. 291 A.- Les époux Jean-Paul et Simone Zürcher-Mathez ont divorcé le 2 février 1968. L'épouse, neuchâteloise d'origine, mais devenue bernoise lors de son mariage, a obtenu du Conseil d'Etat bernois, le 23 avril 1968, l'autorisation de porter le nom de son ex-mari. Le 12 avril 1970, elle a donné naissance à un enfant illégitime, qui a été inscrit dans les registres de l'état civil de Neuchâtel sous le nom d'Igor Mathez. Simone Zürcher exerce la puissance paternelle. B.- Le 24 mai 1972, Simone Zürcher a demandé à l'officier de l'état civil neuchâtelois d'inscrire son fils sous le nom de Zürcher. Le préposé a rejeté cette requête, en se fondant sur la circulaire B 7 du Département fédéral de justice et police, selon laquelle l'enfant naturel d'une femme divorcée, autorisée par décision de changement de nom à conserver le nom de son ex-mari, porte, comme nom de famille, le nom de jeune fille de sa mère. L'autorité de surveillance des offices de l'état civil, saisie d'un recours de Simone Zürcher, n'est pas entrée en matière, considérant que le juge était seul compétent, en application de l'art. 45 CC, pour ordonner la rectification requise. Par requête du 12 février 1973, fondée sur les art. 45 et 324 CC, Simone Zürcher a demandé au Tribunal cantonal de Neuchâtel d'ordonner que son enfant soit inscrit sous le nom de Zürcher. Le 12 mars 1973, le Tribunal s'est déclaré incompétent et a écarté la requête. Le 5 juillet 1973, la IIe Cour civile du Tribunal fédéral a annulé cette décision, déclaré le Tribunal cantonal neuchâtelois compétent pour statuer sur la requête de dame Zürcher et lui a renvoyé le dossier pour qu'il "statue sur la question litigieuse, qui reste ouverte". C.- Le 14 février 1974, le Tribunal cantonal de Neuchâtel a admis les conclusions de dame Zürcher, prononcé que BGE 100 II 290 S. 292 l'enfant Igor devait être inscrit sous le nom de Zürcher, et non pas de Mathez, et ordonné la rectification de l'inscription portée dans les registres de l'état civil. D.- Jean-Paul Zürcher recourt en réforme contre ce jugement. Il conclut à sa réforme en ce sens que l'inscription figurant dans les registres de l'état civil ne doit pas être rectifiée. Simone Zürcher conclut à l'irrecevabilité, subsidiairement au rejet du recours.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. Selon l'art. 44 OJ, le recours en réforme est recevable dans les contestations civiles portant sur un droit de nature non pécuniaire ainsi que dans les cas relevant de la juridiction gracieuse énumérés limitativement aux lettres a, b, c et d. Aucun de ces cas n'est réalisé en l'espèce. Ce qui est litigieux, c'est le nom de famille de l'enfant illégitime de dame Zürcher. La cause porte ainsi sur un droit de nature non pécuniaire. La recevabilité du recours en réforme dépend de la question de savoir si l'on est en présence d'une contestation civile. La jurisprudence entend par contestation civile une procédure qui vise à provoquer une décision définitive sur des rapports de droit civil et qui se déroule en contradiction, devant un juge ou toute autre autorité ayant pouvoir de statuer, entre deux personnes physiques ou morales agissant comme titulaires de droits privés, voire entre une telle personne et une autorité à laquelle le droit civil confère la qualité de partie (RO 98 II 275, 149, 97 II 13/14, 94 II 57, 92 II 130, 91 II 396, 139). Dans de nombreux cas, les requêtes en rectification de noms selon l'art. 45 al. 1 CC ne sont dirigées contre personne et tendent à obtenir du juge un acte de la juridiction gracieuse, qui n'est pas susceptible du recours en réforme (RO 81 II 252). En l'espèce, l'instance pendante entre les parties ne porte pas seulement sur la question de la rectification du nom de famille de l'enfant Igor (art. 45 al. 1 CC), mais elle vise à faire statuer définitivement par le juge sur le nom contesté de cet enfant: l'intimée, représentante légale de son fils mineur, demande que le droit de celui-ci de porter le nom de famille BGE 100 II 290 S. 293 Zürcher soit reconnu et que, partant, les inscriptions dans les registres de l'état civil soient rectifiées; le recourant conteste ce droit, prétend que le nom de famille de l'enfant est Mathez et s'oppose à la rectification requise. Il ne s'agit donc pas d'une simple procédure gracieuse en rectification du nom inscrit dans les registres de l'état civil (art. 45 al. 1 CC), mais d'une contestation civile concernant le nom, au sens de l'art. 29 CC (cf. RO 81 II 252). Le recours en réforme est dès lors recevable. 2. Aux termes de l'art. 324 al. 1 CC, les enfants naturels qui restent à leur mère portent "le nom de sa famille (...)". Fondée sur cette disposition, la cour cantonale a estimé logique, dès lors que l'intimée avait été autorisée à changer de nom et à reprendre celui de son ex-mari, que l'enfant Igor porte le nom de famille que sa mère avait au moment de la naissance, soit Zürcher. Le bien-fondé de cette appréciation dépend de l'interprétation donnée à l'art. 324 CC. Les avant-projets du code civil prévoyaient uniquement que "l'enfant naturel qui reste à la mère porte son nom" (avantprojet de 1896: art. 346 al. 1; 1900 et 1903: art. 350 al. 1; 1904: art. 331 al. 1). Une proposition, qui visait à exprimer dans la loi le droit de l'enfant à porter dans tous les cas le même nom de famille que sa mère, fut écartée en 1901 (Travaux préparatoires du code civil, protocole des travaux de la commission d'experts 1901/02 I, p. 320/21). En 1905, la c'ommission du Conseil national proposa une rédaction faisant ressortir que l'enfant naturel d'une veuve doit porter le nom que sa mère portait avant son mariage et pas celui qu'elle portait au moment du décès de son mari (Travaux préparatoires, protocole des délibérations de la commission du Conseil national du 7 février 1905). Le texte de l'art. 331 reçut alors la teneur de l'actuel art. 324 al. 1 CC et ne fit plus l'objet de discussions ultérieures. Il ressort ainsi des travaux préparatoires que le législateur n'a pas entendu accorder à l'enfant naturel le droit de porter dans tous les cas le même nom que sa mère, veuve ou divorcée. 3. Lors de la naissance de son fils Igor, l'intimée portait le nom de famille Zürcher, soit celui de son ex-mari, en vertu d'une autorisation accordée deux ans auparavant par le gouvernement de son canton d'origine, en application de l'art. 30 BGE 100 II 290 S. 294 CC. La question de savoir quel est en l'espèce le nom de la famille de la mère au sens de l'art. 324 CC, que l'enfant Igor doit porter, dépend des effets attachés à cette autorisation. a) Les opinions divergent et la pratique des autorités de l'état civil a varié au sujet du nom de famille de l'enfant illégitime né d'une femme divorcée portant le nom de son exmari en vertu d'une autorisation fondée sur l'art. 30 CC. Dans une circulaire du 20 décembre 1945, le Département fédéral de justice et police a déclaré que le nom de famille de l'enfant illégitime est en ce cas celui que porte la mère, soit le nom de son ex-mari; en effet, à la suite de l'autorisation de changer de nom et de porter celui de son ex-mari, la mère ne possède plus le nom originaire de sa famille et ne peut plus le transmettre à l'enfant (Circulaire du Département fédéral de justice et police aux autorités cantonales de surveillance de l'état civil, du 20 décembre 1945, FF 1946 I p. 265/66 ch. 10, ou Revue de l'état civil - REC - 1946 p. 65/66; cf. Revue du droit de tutelle p. 142 no 61). Des auteurs et des autorités cantonales de l'état civil se sont prononcés dans le sens de cette circulaire, soit avant soit après sa publication (E.G., Von der Namensänderung für die geschiedene Frau, Schweizerisches Zentralbaltt für Staats- und Gemeindeverwaltung ZBl - 1942. p. 212-215; E.G., Name des ausserehelichen Kindes einer Geschiedenen, die den Ehenamen trägt, ZBl 1944 p. 47/48; RINIKER H., Name des ausserehelichen Kindes einer geschiedenen Frau, REC 1944 p. 27; Namensänderung, ihre Wirkung, REC 1962 p. 46/47; NICOLLIER M. P., Exposé de quelques cas tirés de la pratique des autorités de surveillance, ch. 14 Nom de l'enfant naturel d'une femme divorcée ayant changé de nom, REC 1948 p. 211/212; HEGNAUER, n. 20 ad art. 324-327 CC; cf. HUBER TRAUGOTT, enfant illégitime de la femme divorcée qui a été autorisée à porter son nom d'alliance, REC 1950 p. 198-200). Le Département fédéral de justice et police a modifié par la suite sa position (cf. REC 1962 p. 338) dans une circulaire B 7, qui a la teneur suivante (Recueil des circulaires fédérales en matière d'état civil, 1963): "Nom de famille de l'enfant naturel d'une femme divorcée qui a été autorisée par décision de changement de nom à conserver le nom de son ex-mari. BGE 100 II 290 S. 295 Un tel enfant porte le nom de jeune fille de sa mère, lorsque cette dernière a été autorisée à changer de nom, et non pas le nom de son exmari." La solution adoptée par le Département fédéral de justice et police, dans cette circulaire, avait déjà été préconisée par des auteurs (EGGER n. 4 ad art. 324 CC; E.G., Familienname des ausserehelichen Kindes einer geschiedenen Frau, die zur Führung ihres Ehenamens ermächtigt ist, ZBl 1940 p. 171-173; HOERNI MARGRIT, Die persönlichen Rechtsbeziehungen zwischen dem ausserehelichen Kinde und seinen Eltern in rechtsvergleichender Darstellung, thèse Zurich 1943 p. 121; WIRTH J. A., Der Name des ausserehelichen Kindes einer Geschiedenen, REC 1943 p. 253-255; SCHNYDER HANS RUDOLF, Das Namensrecht ausserehelichen Kinder, RJB 1945 p. 246-249; RINIKER H., Nom de famille de l'enfant naturel d'une femme divorcée autorisée à conserver le nom de son exmari, REC 1954 p. 345/346). Dans sa circulaire B 7, qui n'est pas motivée, le Département fédéral de justice et police rejette implicitement mais clairement l'argumentation selon laquelle la femme divorcée autorisée à porter le nom de son ex-mari, en application de l'art. 30 CC, ne peut plus transmettre à un enfant illégitime le nom de sa famille, car elle ne le possède plus (FF 1946 I p. 266). b) La circulaire précitée ne lie pas le juge appelé à statuer sur le nom de famille de l'enfant d'une femme divorcée qui a repris le nom de son ex-mari en vertu d'une autorisation fondée sur l'art. 30 CC. Le juge n'est soumis qu'à la loi (cf. art. 21 al. 2 OJ), dont il interprète et applique librement les dispositions. L'autorisation qu'obtient une femme divorcée, du gouvernement de son canton d'origine, de reprendre le nom de famille de son ex-mari est accordée dans le cadre de l'art. 30 CC. Du point de vue de la compétence, de la procédure et des conditions de fond, il s'agit d'un changement de nom, mais qui présente des particularités. Le recours au changement de nom selon l'art. 30 CC pour permettre à une femme divorcée de conserver le nom de famille qu'elle avait acquis par mariage est un moyen trouvé par la pratique pour parer aux inconvénients que peut entraîner l'art. 149 CC (cf. RO 81 II 404 s.; Circulaire du Département BGE 100 II 290 S. 296 fédéral de justice et police, du 26 juillet 1919, FF 1919, vol. 4, p. 313; KOLLBRUNNER HANS RUDOLF, Die Namensänderung nach Art. 30 ZGB , thèse Berne 1933, p. 54 s.; WIRTH A., Praxis der Kantone bei Namensänderungsgesuchen geschiedener Frauen (Beibehaltung des Ehenamens), REC 1962 p. 391 ss.; BOURNOUD DANIEL, Le changement de nom des femmes divorcées, REC 1963 p. 211 ss.; MÜLLER PAUL, Die Namensänderung nach Art. 30 ZGB , thèse Zurich 1972, p. 53 ss.). Dans la majorité des cas, la femme divorcée reçoit l'autorisation de reprendre le nom de famille de son ex-mari, généralement avec le consentement de celui-ci, pour qu'elle ait le même nom que les enfants qui lui sont attribués. Une telle autorisation est aussi parfois accordée à une femme qui a exercé une profession ou une industrie sous le nom acquis par le mariage, qui continue cette activité et à qui le fait de reprendre son nom antérieur serait de nature à causer un préjudice économique. Lorsqu'une personne change de nom en application de l'art. 30 CC, son nom précédent disparaît et il est remplacé par le nouveau; le changement est définitif et le droit à l'ancien nom s'éteint (MÜLLER, op.cit. p. 37). L'autorisation accordée à une femme divorcée, par la voie du changement de nom selon l'art. 30 CC, de reprendre le nom de famille de son ex-mari n'a pas en tous points les mêmes effets. Certes la femme divorcée porte désormais ce nom. Au feuillet qui lui est ouvert dans le registre des familles (art. 115 al. 1 ch. 2 de l'ordonnance sur l'état civil, du 1er juin 1953, ci-après OEC), le changement de nom est inscrit (art. 117 al. 2 ch. 18 OEC). Mais le nom précédent ne disparaît pas définitivement (RINIKER H., REC 1954 p. 345; GÖTZ, REC 1960 p. 100, 1962 p. 190; MÜLLER, op.cit. p. 57). L'art. 52 ch. 1 OEC dispose notamment que le changement de nom est mentionné en marge dans le registre des naissances; il prévoit cependant une exception pour le changement de nom de la femme divorcée et statue expressément qu'il n'est pas inscrit dans ce registre. Lorsqu'une femme divorcée qui porte le nom de son ex-mari, à la suite d'une autorisation accordée selon l'art. 30 CC, se remarie, son nom d'alliance est composé du nom de son nouveau mari et du nom qu'elle avait avant cette autorisation, c'est-à-dire en règle générale son nom de jeune fille (REC 1954 p. 346, 1960 p. 100, 1962 p. 190; MÜLLER, op.cit. p. 57). BGE 100 II 290 S. 297 L'autorisation octroyée, dans le cadre de l'art. 30 CC, à une femme divorcée de porter le nom de son ex-mari est ainsi un changement de nom de caractère spécial, qui ne fait pas disparaître définitivement son nom précédent. c) "Le nom de sa famille" (angestammter Familienname, cognome di nascita) au sens de l'art. 324 CC est généralement celui que la mère a acquis lors de sa naissance; mais c'est aussi le nom qu'elle a acquis ultérieurement par suite de légitimation, adoption ou changement de nom entraînant la disparition définitive du nom précédent (EGGER, n. 4 ad art. 324 CC: HOERNI, op.cit. p. 132; SCHNYDER, op.cit. p. 248). La femme divorcée, qui a été autorisée à reprendre le nom de son exmari, ne transmet dès lors pas ce nom à son enfant illégitime mais le nom qu'elle avait acquis à sa naissance ou postérieurement selon l'un des modes précités. C'est ainsi le patronyme Mathez qui est, en l'espèce, le nom de la famille de la mère, au sens de l'art. 324 CC, et que doit porter l'enfant Igor. 4. La comparaison des intérêts en présence ne conduit guère à une solution différente de celle qui découle de l'interprétation de l'art. 324 CC en accord avec les travaux préparatoires de la loi. Pour l'enfant illégitime qui reste à sa mère, il est certes préférable d'avoir le même nom que celle-ci. L'identité des patronymes est en effet l'expression, la plus immédiatement perceptible pour les tiers, d'un rapport de parenté. L'intérêt de l'enfant illégitime d'une femme divorcée, qui a été autorisée à reprendre le nom de son ex-mari, est ainsi de porter ce nom. Cette solution est aussi la plus favorable pour la mère. Mais, inversement, l'ex-mari a intérêt à ce que son nom ne soit pas transmis à un enfant illégitime de son ex-femme, en raison de l'apparence d'une filiation que peut susciter ce nom. Il est d'autres cas où des enfants ont un nom différent de celui de la mère avec laquelle ils vivent, par exemple lorsqu'elle a repris son nom de jeune fille à la suite du divorce, comme aussi lorsque, veuve ou divorcée, elle se remarie. L'enfant illégitime d'une veuve porte le nom de la famille de sa mère, soit le nom qu'elle avait avant le mariage (EGGER, n. 4, HEGNAUER, n. 19 ad art. 324 CC). Il en est de même de l'enfant désavoué par le mari (EGGER n. 9, HEGNAUER n. 41 ad art. 253 CC). Rien ne justifie une différence de traitement entre ces enfants, d'une part, et l'enfant illégitime d'une femme divorcée, qui a obtenu l'autorisation de reprendre le BGE 100 II 290 S. 298 nom de son ex-mari, d'autre part. Dans chacun de ces cas, l'enfant n'a aucun rapport de parenté avec le mari ou l'ex mari.
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Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Admet le recours.
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Erwägungen ab Seite 556 BGE 95 I 556 S. 556 1. Der Gemeinderat von Rorschach beschloss am 30. Juni 1969 auf Antrag des Stadtrates, der Interessengemeinschaft Bootsbetrieb Rorschach-Rheineck zur Finanzierung eines neuen Motorbootes ein Darlehen von Fr. 385'000.-- zu gewähren. Dr. Kaiser rekurrierte dagegen an den Regierungsrat mit dem Antrag, den Beschluss als ungültig zu erklären und den Gemeinderat anzuhalten, das Kreditgesuch dem obligatorischen Referendum zu unterstellen. Der Regierungsrat lehnte das Eintreten auf den Rekurs mit Entscheid vom 19. August 1969 ab. Dr. E. Kaiser führt für sich und weitere Stimmberechtigte staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, den Nichteintretensentscheid BGE 95 I 556 S. 557 des Regierungsrates wegen Gehörsverweigerung und Willkür aufzuheben. Die Stadt Rorschach und der Regierungsrat des Kantons St. Gallen beantragen, auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht einzutreten, eventuell sie abzuweisen. Sie machen geltend, die Beschwerdeführer hätten gemäss Art. 59 lit. c Ziff. 1 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes zunächst an das Verwaltungsgericht gelangen müssen. 2. Die Beschwerdeführer erklären zwar, die staatsrechtliche Beschwerde gestützt auf die Art. 38, 39 Abs. 4, Art. 45 und 46 der Kantonsverfassung sowie auf Grund von Art. 85 lit. a OG erheben zu wollen. Indes geht es lediglich um eine Frage des kantonalen Verwaltungsverfahrens, nämlich darum, ob gegen einen Beschluss des Gemeindeparlamentes die Möglichkeit des Weiterzuges an den Regierungsrat besteht. Diese Frage ist vom Bundesgericht bloss daraufhin zu prüfen, ob Art. 4 BV verletzt ist. 3. Beschwerden wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger sind erst zulässig, nachdem von den kantonalen Rechtsmitteln Gebrauch gemacht worden ist ( Art. 86 Abs. 2 OG ). Nach st. gallischem Recht können Verfügungen der Verwaltungsbehörden mit dem Rechtsmittel des Rekurses an den Regierungsrat weitergezogen werden, sofern nicht der Weiterzug an die Verwaltungsrekurskommission oder an das Versicherungsgericht offen steht (Art. 43 VRP). Doch kann in den im Gesetz (Art. 49 Abs. 1 lit. c ebenda) bezeichneten Fällen gegen Verfügungen und Entscheide des Regierungsrates noch beim Verwaltungsgericht Beschwerde erhoben werden, sofern gegen den letztinstanzlichen Entscheid kein anderes Rechtsmittel des Bundesrechts als die staatsrechtliche Beschwerde zulässig wäre. Zu den so mit der kantonalen Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbaren Entscheiden gehören solche über die Ausübung von Volksrechten, die Fälle ausgenommen, in denen Kassations- oder Minderheitsbeschwerde erhoben werden kann. Die Beschwerdeführer behaupten nicht, dass sie eine Kassations- oder Minderheitsbeschwerde erhoben haben; sie vertreten dagegen die Auffassung, dass zur Anfechtung des Gemeindebeschlusses der Rekurs an den Regierungsrat gegeben gewesen wäre. Ob dies zutreffe, d.h. ob der Entscheid des Regierungsrates die Ausübung von Volksrechten betreffe, hat aber das Verwaltungsgericht als diejenige Behörde zu befinden, welche in der Sache selbst zu entscheiden hätte. BGE 95 I 556 S. 558 Es fehlt daher an der in Art. 86 OG geforderten Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges. 4. Die Beschwerdeführer haben diese Tatsache in ihrer nachträglichen Eingabe vom 21. November 1969 nicht in Abrede gestellt. Sie verweisen aber darauf, dass der Entscheid des Regierungsrates keine Rechtsbelehrung enthält. Damit werde Art. 24 Abs. 1 lit. d verletzt, wonach die Verfügung u.a. die Belehrung über das zulässige ordentliche Rechtsmittel, die Frist sowie die Instanz enthalten muss. Sie verlangen deshalb, dass die Beschwerde, weil rechtzeitig bei einer unzuständigen Stelle eingereicht, vom Bundesgericht entsprechend BGE 94 I 285 an das Verwaltungsgericht weitergeleitet werde. Im zitierten Fall hatte das Bundesgericht als Instanz der Verwaltungsrechtspflege zu entscheiden. Darin wird ein vor kantonalen oder eidgenössischen Behörden eingeleitetes und beurteiltes Verwaltungsverfahren fortgesetzt und entschieden. Die staatsrechtliche Beschwerde leitet dagegen ein neues, selbständiges Verfahren ein, in dem über die Verfassungsmässigkeit eines kantonalen Hoheitsaktes zu befinden ist. Geht es darin um die Verletzung verfassungsmässiger Rechte, so ist vor der Anrufung des Bundesgerichts der kantonale Instanzenzug zu erschöpfen. Fehlt es an dieser Voraussetzung, so ist die Unzulässigkeit der Beschwerde durch Nichteintretensentscheid festzustellen, nicht durch eine Abschreibung, wie die Beschwerdeführer sie verlangen. Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde schliesst freilich die Möglichkeit nicht aus, eine Beschwerde auf Antrag oder von Amtes wegen der vom Beschwerdeführer übergangenen kantonalen Instanz weiterzuleiten, sofern nicht von vorneherein ersichtlich ist, dass die Frist zur Erhebung des in Frage kommenden kantonalen Rechtsmittels bereits verstrichen, und der Beschwerdeführer mit solcher Weiterleitung einverstanden ist und die zuständige kantonale Behörde es nicht ablehnt, die staatsrechtliche Beschwerde als kantonales Rechtsmittel entgegenzunehmen. Ob sie das tun kann und ob die Voraussetzungen für die Erhebung des kantonalen Rechtsmittels erfüllt sind, hat sie nach dem massgebenden kantonalen Recht zu entscheiden. Der Überweisung der staatsrechtlichen Beschwerde an das st. gallische Verwaltungsgericht steht nichts im Wege. Zwar ist hierüber das kantonale Verwaltungsgericht nicht angehört worden. Doch ist das Bundesgericht zu solcher Anhörung nicht verpflichtet. BGE 95 I 556 S. 559 Die Rechtsmittelfrist von Art. 47 Abs. 3 VRP, die mangels einer Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Entscheid 30 Tage beträgt, ist gewahrt, wenn auf den Eingang der Beschwerde beim Bundesgericht abzustellen ist. Die Beschwerdeführer verlangen die Überweisung.
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Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: 1.- Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 2.- Die Beschwerdeschrift sowie die eingeholten Vernehmlassungen werden im Sinne der Erwägungen dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen weitergeleitet.
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Sachverhalt ab Seite 229 BGE 143 IV 228 S. 229 A. A.a La société A. SA (ci-après: A. CH ou la Société), dont le siège se situe à C., est inscrite au registre du commerce du canton de Vaud, dans lequel elle apparaît également sous les raisons sociales "A. AG" et "A. Ltd". Son but social est de réaliser des "prestations de service, en particulier en matière de communication, management, comptabilité, contrôle de gestion et budgétaire, suivi du développement des ventes et formation de collaborateurs en faveur du groupe auquel elle appartient, actif notamment dans le domaine de l'aluminium". La Société, qui a comme administrateur unique D., fait partie d'un groupe international de sociétés, dont le détenteur final est B., domicilié en Grande-Bretagne. Ce groupe est notamment composé des sociétés A.F., avec siège aux Iles Vierges Britanniques (ci-après: A. IVB), A.G., avec siège à Guernesey (ci-après: A. GUE) et H. Ltd, dont le siège est aussi à Guernesey (ci-après: H. GUE). A.b En décembre 2004, un contrat de distribution exclusive d'alumine a été conclu entre la société I. Ltd, d'une part, et les sociétés A. CH, A. IVB et H. GUE, d'autre part. Selon les termes de ce contrat, I. Ltd s'est engagée à fournir de l'alumine aux trois sociétés cocontractantes dès le 1 er janvier 2005 et pour une durée de dix ans au moins, contre rémunération. Par contrat signé les 11 avril et 8 juin 2005, A. CH s'est engagée à vendre à la société J. BHR, pour la période du 1 er janvier 2005 au 31 décembre 2014, des quantités d'alumine clairement définies. A.c Dans le courant de l'année 2005, A. CH a établi 56 factures concernant des opérations de vente d'alumine à J. BHR. Selon ces documents, cette dernière devait s'acquitter du prix de vente sur deux comptes détenus par A. IVB et A. GUE. Une partie de cet argent était ensuite réaffectée à la fourniture d'alumine, alors que le solde était viré sur un compte détenu par H. GUE. Dans ce contexte, le 15 août 2012, l'Administration fédérale des contributions (ci-après: l'Administration fédérale) a ouvert une enquête pénale administrative à l'encontre notamment de B. B. Par décision du 15 mai 2013, l'Administration fédérale a reconnu A. CH débitrice du montant de 18'361'784 fr. 35, intérêts en sus. Cette autorité a considéré, en substance, qu'en renonçant au produit de la vente d'alumine en faveur de sociétés du groupe auquel elle appartenait, la Société avait réalisé des prestations appréciables en argent BGE 143 IV 228 S. 230 soumises à l'impôt anticipé. L'Administration fédérale a en outre déclaré B. solidairement responsable du paiement de la créance fiscale. Le 17 juin 2013, A. CH a formé réclamation à l'encontre de la décision de l'Administration fédérale du 15 mai 2013. Par acte du 21 juin 2013, B. a également contesté ladite décision. Le 30 mars 2015, l'Administration fédérale a rejeté ces réclamations. Le 12 mai 2015, A. CH et B. ont recouru contre cette décision auprès du Tribunal administratif fédéral. Par arrêt du 10 novembre 2015, après avoir joint les causes, le Tribunal administratif fédéral a admis les recours et annulé la décision attaquée. Cette autorité a retenu, en substance, que la créance fiscale litigieuse était en tout état de cause prescrite, de sorte qu'il n'y avait pas lieu d'en examiner les conditions matérielles. C. Agissant par la voie du recours en matière de droit public, l'Administration fédérale demande au Tribunal fédéral, sous suite de frais, d'admettre le recours, d'annuler l'arrêt entrepris et de renvoyer la cause au Tribunal administratif fédéral "pour décision au fond, en ce sens que la prescription n'étant pas acquise, l'aspect matériel de la problématique doit être tranché". A. CH et B. déposent des observations et concluent au rejet du recours. Le Tribunal administratif fédéral renonce à prendre position. La II e Cour de droit public a mis en oeuvre une procédure de coordination de la jurisprudence en application de l' art. 23 al. 2 LTF (v. consid. 5.7).
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Extrait des considérants: Erwägungen 4. La recourante conteste la position du Tribunal administratif fédéral selon laquelle la créance fiscale de 18'361'784 fr. 35, dont la Société a été reconnue débitrice par l'Administration fédérale, était prescrite. Elle se plaint d'une violation des art. 11, 12 et 14 de la loi fédérale du 22 mars 1974 sur le droit pénal administratif (DPA; RS 313.0), 97 et 98 CP, ainsi que 127 ss CO. 4.1 La Confédération perçoit un impôt anticipé sur les revenus de capitaux mobiliers (art. 1 al. 1 de la loi fédérale du 13 octobre 1965 sur l'impôt anticipé [LIA; RS 642.21]). D'après l' art. 4 al. 1 let. b LIA , l'impôt a notamment pour objet les participations aux bénéfices et tous autres rendements des actions. Il découle de l'art. 20 al. 1 de l'ordonnance du 19 décembre 1966 sur l'impôt anticipé (OIA; RS 642.211) BGE 143 IV 228 S. 231 que sont aussi imposables à ce titre les prestations appréciables en argent faites par la société aux possesseurs de droits de participation ou à des tiers les touchant de près. La notion de prestation appréciable en argent au sens de l' art. 20 al. 1 OIA se recoupe en principe avec celle de l' art. 20 al. 1 let . c de la loi fédérale du 14 décembre 1990 sur l'impôt fédéral direct (LIFD; RS 642.11) (arrêts 2C_263/2014 du 21 janvier 2015 consid. 5.1; 2C_806/2013 du 24 mars 2014 consid. 2.1; 2C_499/2011 du 9 juillet 2012 consid. 4.2, in RDAF 2012 II p. 450). Selon la jurisprudence constante, est une prestation appréciable en argent toute attribution faite par la société, sans contre-prestation équivalente, à ses actionnaires ou à toute personne la ou les touchant de près et qu'elle n'aurait pas faite dans les mêmes circonstances à des tiers non participants; encore faut-il que le caractère insolite de cette prestation soit reconnaissable par les organes de la société (cf. ATF 140 II 88 consid. 4.1 p. 92 s.; ATF 138 II 57 consid. 2.2 p. 59 s.; arrêts 2C_263/2014 du 21 janvier 2015 consid. 5.2 et 2C_499/2011 du 9 juillet 2012 consid. 4.2, in RDAF 2012 II p. 450). 4.2 Pour les revenus de capitaux mobiliers, la créance fiscale prend naissance au moment où échoit la prestation imposable ( art. 12 al. 1 LIA ) et se prescrit par cinq ans dès la fin de l'année civile où elle a pris naissance ( art. 17 al. 1 LIA ). Cependant, en présence d'infractions à la législation administrative fédérale, la prescription de l'assujettissement à une prestation ou à une restitution n'est pas réglée par les dispositions correspondantes contenues dans chaque loi administrative, mais doit être calculée d'après la DPA (arrêts 2C_243/2014 du 9 décembre 2014 consid. 5.1; 2C_415/2013 du 2 février 2014 consid. 8.1; 2C_456/2010 du 7 mars 2011 consid. 4.2; 2C_112/2010 du 30 septembre 2010 consid. 2.1), ce qui est d'ailleurs conforme au renvoi général prévu à l' art. 67 al. 1 LIA (cf. ATF 139 IV 246 consid. 1.1 p. 248). En l'espèce, l'Administration fédérale a ouvert, le 15 août 2012, une enquête pénale administrative en relation notamment avec les opérations d'achat et de vente d'alumine effectuées par la Société en 2005. Il convient ainsi d'analyser la question de la prescription de la créance fiscale litigieuse sous l'angle de la DPA et non pas des art. 12 et 17 LIA , étant précisé que cela ne préjuge en rien des conditions matérielles de la créance en question, lesquelles, en cas d'admission du recours, devront être examinées par le Tribunal administratif fédéral. BGE 143 IV 228 S. 232 4.3 Aux termes de l' art. 12 al. 1 let. a DPA , lorsqu'à la suite d'une infraction à la législation administrative fédérale, c'est à tort qu'une contribution n'est pas perçue, la contribution non réclamée, ainsi que les intérêts, seront perçus après coup, alors même qu'aucune personne déterminée n'est punissable. L' art. 12 al. 2 DPA précise qu'est assujetti à la prestation celui qui a obtenu la jouissance de l'avantage illicite, en particulier celui qui est tenu au paiement de la contribution. Selon l' art. 12 al. 4 DPA , tant que l'action pénale et l'exécution de la peine ne sont pas prescrites, l'assujettissement à la prestation ou à la restitution ne se prescrit pas. 4.4 La prescription de l'action pénale est réglée à l' art. 11 DPA . En particulier, d'après l' art. 11 al. 2 DPA , "si la contravention consiste en une soustraction ou une mise en péril de contributions ou en l'obtention illicite d'un remboursement, d'une réduction ou d'une remise de contributions, le délai de prescription est de cinq ans; si la prescription est interrompue, elle sera en tout cas acquise lorsque le délai sera dépassé de moitié". En outre, selon l'ancien art. 333 al. 5 let. b CP (qui correspond à l'actuel art. 333 al. 6 let. b CP ), qui s'applique à la présente cause sur la base des articles 2 DPA et 333 al. 1 CP, "jusqu'à l'adaptation des autres lois fédérales [...] les délais de prescription de l'action pénale pour les contraventions qui dépassent un an sont augmentés de la durée ordinaire". Compte tenu du délai de prescription de cinq ans prévu par l' art. 11 al. 2 DPA , on parviendrait ainsi à un délai de prescription de dix ans. Le Tribunal fédéral a toutefois jugé que la durée du délai de prescription relatif aux contraventions selon la DPA ne pouvait pas excéder celle du délai de prescription applicable aux délits punissables selon cette même loi et a ainsi limité la durée du délai en question à sept ans (cf. ancien art. 70 al. 1 let . c CP, qui correspond à l'actuel art. 97 al. 1 let . d CP; ATF 134 IV 328 consid. 2.1 p. 330 ss; arrêts 2C_243/2014 du 9 décembre 2014 consid. 5.2.2; 2C_415/2013 du 2 février 2014 consid. 8.2; 2C_414/2013 du 2 février 2014 consid. 6.2; 2C_185/2013 du 16 juillet 2013 consid. 8.3; 2C_456/2010 du 7 mars 2011 consid. 4.2; cf. HENRI TORRIONE, Les infractions fiscales en matière d'impôts directs et dans le domaine de l'impôt anticipé, des droits de timbre et de la TVA, in Les procédures en droit fiscal, 3 e éd. 2015, p. 951 ss, p. 1071; STEFAN OESTERHELT, Verjährung im Steuerrecht, ASA 79 p. 817, 831). Ce point n'est d'ailleurs pas contesté par la recourante. BGE 143 IV 228 S. 233 4.5 Le point de départ du délai de prescription de l'action pénale est le jour où l'auteur "a exercé son activité coupable" (ancien art. 71 let. a CP , qui correspond à l'actuel art. 98 let. a CP ; cf. ATF 134 IV 297 consid. 4.1 p. 299). Selon la jurisprudence constante du Tribunal fédéral, ce jour n'est toutefois pas compté, de sorte que le premier jour du délai est le jour qui suit celui où l'auteur a agi ( ATF 107 Ib 74 consid. 3a p. 75; cf. MATTHIAS ZURBRÜGG, in Basler Kommentar, Strafrecht, vol. I, 3 e éd. 2013, n° 2 ad art. 98 CP p. 1919; BEUSCH/MALLA, in Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer [VStG], Zweifel/Beusch/Bauer-Balmelli [éd.], 2 e éd. 2012, n° 52 Vorbemerkungen zu Art. 61-67 VStG p. 1050; GILBERT KOLLY, in Commentaire romand, Code pénal, vol. I, 2009, n° 3 ad art. 98 CP p. 936; JOSÉ HURTADO POZO, Droit pénal, Partie générale, 2008, n. 1715 p. 537 s.). Le point de départ de la prescription étant expressément fixé par la loi au jour où l'auteur a agi, la jurisprudence estime que c'est toujours le moment auquel l'auteur a exercé son activité coupable, et non celui auquel se produit le résultat de cette dernière, qui détermine le point de départ de la prescription. Il est ainsi possible que des actes pénalement répréhensibles soient atteints par la prescription avant qu'en survienne le résultat ( ATF 140 II 7 consid. 3.3 p. 9; ATF 134 IV 297 consid. 4 p. 299 ss). 4.6 En l'espèce, "l'activité coupable" qui est reprochée à la Société est l'envoi à l'Administration fédérale de ses comptes pour l'exercice annuel 2005, qui serait - selon cette autorité - constitutif d'une soustraction d'impôt ( art. 105 al. 2 LTF ). Il ressort de l'arrêt attaqué que les comptes 2005 de la Société ont été envoyés sous pli simple à l'Administration fédérale à une date inconnue et que cette autorité les a reçus le lundi 19 juin 2006. 4.6.1 Selon le Tribunal administratif fédéral, le point de départ de la prescription de l'action pénale était en l'occurrence le jour qui a suivi celui où la Société a déposé les comptes 2005 auprès de la poste. L'Administration fédérale ayant reçu lesdits comptes le lundi 19 juin 2006, les juges précédents ont considéré, "selon l'expérience de la vie et le cours ordinaire des choses" que ceux-ci "ont été adressés au plus tard le vendredi 16 juin 2005" (recte: 2006). Sur cette base, le Tribunal administratif fédéral a retenu que le délai de prescription de sept ans avait commencé à courir le 17 juin 2006. BGE 143 IV 228 S. 234 En revanche, selon la recourante, le point de départ du délai de prescription de l'action pénale serait non pas le jour de l'envoi mais le jour où elle avait reçu les comptes 2005 de la Société, c'est-à-dire le 19 juin 2006. 4.6.2 L'avis de la recourante ne peut pas être suivi. En effet, d'après le texte clair de la loi, le point de départ du délai de prescription de l'action pénale dépend du jour où l'auteur a exercé son activité coupable. Or, comme le relève à juste titre le Tribunal administratif fédéral, le moment où la Société a exécuté les actes qui lui sont reprochés est bien celui où elle a remis à la poste les documents contenant les comptes pour l'exercice annuel 2005. A partir du moment où ces documents ont été envoyés, ils ont quitté la sphère d'influence de la Société, qui n'avait donc plus aucun contrôle sur ceux-ci. Par cet acte, l'intéressée a mis fin à ses agissements en relation avec la soustraction d'impôt retenue à son encontre par l'Administration fédérale, de sorte que l'on ne voit pas en quoi le moment de la réception des comptes litigieux par cette dernière aurait pu avoir une influence sur le point de départ de la prescription (voir en ce sens, sous l'empire de l'ancien droit, arrêt A.713/1986 du 26 mars 1987 consid. 5, in RDAF 1989 p. 271). Cette solution est conforme à la jurisprudence du Tribunal fédéral qui a jugé que, en cas d'atteinte à l'honneur par le biais d'une dénonciation diffamatoire écrite et envoyée par voie postale, l'infraction avait été achevée avec la remise à la poste de ladite dénonciation, de sorte que la prescription de l'action pénale avait commencé à courir dès ce moment-là ( ATF 93 IV 93 consid. 1 p. 94; voir aussi KOLLY, op. cit., n° 11 ad art. 98 CP p. 937). 4.6.3 Concernant le point de départ de la prescription, la recourante relève également que le Tribunal administratif fédéral a laissé ouverte la question de savoir si les faits reprochés à la Société étaient constitutifs de "soustraction simple au sens de l' art. 61 LIA " ou de "soustraction qualifiée au sens de l' art. 14 al. 2 DPA ". De l'avis de l'Administration fédérale, cet élément serait important car, pour la soustraction qualifiée, le point de départ du délai de prescription serait différent, en ce sens qu'il dépendrait de la réalisation de "l'élément constitutif objectif qu'est l'astuce". Ainsi, selon la recourante, "ce n'est au plus tôt que lorsque les comptes annuels faux parviendront dans la sphère de connaissance de l'AFC que celle-ci sera objectivement en mesure d'être trompée", de sorte que c'est à ce moment BGE 143 IV 228 S. 235 là que le délai de prescription de l'action pénale commencerait à courir. Par cette critique, la recourante perd toutefois de vue que, comme il a été exposé ci-dessus (cf. supra consid. 4.5), le point de départ de la prescription ne dépend pas du jour où le résultat se produit, mais de celui où l'auteur a exercé son activité coupable, en l'occurrence du jour où la Société a remis à la poste les documents litigieux. On ne voit d'ailleurs pas que l'astuce n'aurait pas été réalisée à ce moment-là. Ainsi, le fait de savoir si et quand l'Administration fédérale aurait été trompée n'est pas relevant pour déterminer le point de départ de la prescription de l'action pénale, laquelle commence à courir le jour de l'envoi des comptes, que l'on soit en présence d'une violation de l' art. 61 LIA ou de l' art. 14 al. 2 DPA (cf. aussi OESTERHELT, op. cit., p. 831). Il ressort de ce qui précède que c'est à juste titre que le Tribunal administratif fédéral a considéré que le point de départ de la prescription de l'action pénale était le jour où la Société avait déposé les comptes 2005 auprès de la poste à destination de la recourante. 4.7 Concernant le jour exact de l'envoi des documents comptables litigieux à l'Administration fédérale, l'arrêt entrepris retient que ceux-ci ont été "envoyés sous pli simple" à cette autorité et que celle-ci les a reçus le lundi 19 juin 2006. Le Tribunal administratif fédéral a déduit de ce fait que, selon l'expérience de la vie et le cours ordinaire des choses, les documents en question ont été expédiés au plus tard le "vendredi 16 juin 2005" (recte: 2006). Il s'agit-là d'une présomption de fait, qui ressortit à l'appréciation des preuves ( ATF 135 II 161 consid. 3 p. 166; arrêt 1C_28/2016 du 6 avril 2016 consid. 2.1.2). Ce point n'est du reste pas contesté par la recourante. C'est partant à bon droit que les juges précédents ont calculé le délai de prescription à partir du 17 juin 2006, étant précisé que le jour de l'envoi ne doit pas être pris en compte (cf. supra consid. 4.5). 5. Reste à examiner si c'est à juste titre que le Tribunal administratif fédéral a considéré qu'au moment, déterminant selon les juges précédents, du dépôt de la réclamation par la Société le 17 juin 2013, le délai de prescription de sept ans était déjà arrivé à échéance. 5.1 Il ressort des considérants qui précèdent que le délai de prescription de sept ans (cf. supra consid. 4.4) a commencé à courir le 17 juin 2006, c'est-à-dire le jour suivant celui où la Société a remis à la poste ses comptes 2005 (cf. supra consid. 4.7), de sorte que BGE 143 IV 228 S. 236 l'action pénale, et donc aussi la créance fiscale litigieuse ( art. 12 al. 4 DPA , cf. supra consid. 4.3), auraient dû se prescrire en juin 2013. Cependant, conformément à l' art. 11 al. 3 DPA , en matière de délits et de contraventions, la prescription est notamment suspendue pendant la durée d'une procédure de réclamation, de recours ou d'une procédure judiciaire concernant l'assujettissement à la prestation ou à la restitution ou sur une autre question préjudicielle à trancher selon la loi administrative spéciale. A ce sujet, l'ancien art. 333 al. 5 let . c CP (qui correspond à l'actuel art. 333 al. 6 let . c CP), prévoit que "les règles sur l'interruption et la suspension de la prescription de l'action pénale sont abrogées", mais réserve expressément l' art. 11 al. 3 DPA (cf. arrêts 2C_414/2013 du 2 février 2014 consid. 6.2; 2C_456/2010 du 7 mars 2011 consid. 4.2; 2C_112/2010 du 30 septembre 2010 consid. 2.1), qui est donc toujours en vigueur et s'applique au présent cas. Il sied ainsi d'examiner en l'occurrence si la prescription a été suspendue avant d'être acquise. 5.2 L' art. 11 al. 3 DPA n'est pas univoque au sujet du sens à donner à l'expression "procédure de réclamation"; en particulier, cette norme ne définit pas clairement le moment où commence ladite procédure. Il y a donc lieu de l'interpréter. 5.3 La loi s'interprète en premier lieu selon sa lettre. Si le texte n'est pas absolument clair et si plusieurs interprétations de celui-ci sont possibles, il convient de rechercher quelle est la véritable portée de la norme, en la dégageant de tous les éléments à considérer, soit notamment des travaux préparatoires, du but de la règle, de son esprit, ainsi que des valeurs sur lesquelles elle repose ou encore de sa relation avec d'autres dispositions légales ( ATF 137 II 164 consid. 4.1 p. 170). 5.4 Sur le plan historique, le Message du Conseil fédéral du 21 avril 1971 concernant le projet de la loi fédérale sur le droit pénal administratif (FF 1971 I 1017; ci-après: le message) ne contient aucune information sur la notion de "procédure de réclamation"; il se limite à indiquer que l' art. 11 DPA (à l'époque: 10 DPA) "règle de manière uniforme la question de la prescription de l'action pénale et des peines" (message, p. 1030). L' art. 11 al. 3 DPA (à l'époque: 10 al. 3 DPA) a été adopté sans débat au Conseil des Etats (cf. BO 1971 CE 842) et au Conseil national (cf. BO 1973 CN 468 s.). 5.5 La jurisprudence n'est pas précise au sujet de l' art. 11 al. 3 DPA . En effet, dans les arrêts 2C_414/2013 du 2 février 2014 consid. 6.3 BGE 143 IV 228 S. 237 et 2C_112/2010 du 30 septembre 2010 consid. 2.2, le Tribunal fédéral a retenu que la prescription était suspendue ( art. 11 al. 3 DPA ) déjà à partir de la date de la décision de l'autorité. En revanche, dans trois anciens arrêts publiés ( ATF 110 Ib 306 consid. 3b p. 312; ATF 107 Ib 198 consid. 7b in fine p. 205; ATF 88 IV 87 consid. 4a p. 94), ainsi que dans d'autres arrêts non publiés (arrêts 2C_201/2013 du 24 janvier 2014 consid. 8.2, non publié in ATF 140 II 194 ; 2C_456/2010 du 7 mars 2011 consid. 4.3; 6B_679/2009 du 5 novembre 2009 consid. 3.5; 6S.464/2004 du 9 mai 2005 consid. 4.3; 2A.457/2000 du 7 février 2001 consid. 2a in fine; 6S.173/1995 du 5 juillet 1995 consid. 1a), le Tribunal fédéral a retenu que la prescription était suspendue, selon l' art. 11 al. 3 DPA , à partir du dépôt de la réclamation ou du recours par le contribuable et non pas à partir de la date de la décision de l'autorité. Cette question n'était toutefois pas pertinente pour la solution des cas d'espèce et n'a ainsi jamais fait l'objet d'une analyse par le Tribunal fédéral. 5.6 La doctrine relative à l' art. 11 al. 3 DPA n'a pas non plus examiné avec précision le sens à donner à la notion de "procédure de réclamation" contenue dans cet article, en particulier en ce qui concerne le début de ladite procédure, en se limitant de manière générale à reprendre le texte de la loi (cf. notamment TORRIONE, op. cit., p. 1074; ANDREAS EICKER, Wirtschaftsstrafrecht im Lichte allgemeinen Verwaltungsstrafrechts - Ein Überblick, in Wirtschaftsstrafrecht der Schweiz, Ackermann/Heine [éd.], 2013, p. 239 ss, n. 50 p. 255; BEUSCH/MALLA, op. cit., n° 56 Vorbemerkungen zu Art. 61-67 VStG p. 1053; EICKER/FRANK/ACHERMANN, Verwaltungsstrafrecht und Verwaltungsstrafverfahrensrecht, 2012, p. 84; OESTERHELT, op. cit., p. 832; DANIEL RIEDO, in Zollgesetz [ZG], Kocher/Clavadetscher [éd.], 2009, n° 22 ad art. 75 LD p. 476; JAN LANGLO, Prescription des infractions fiscales: le piège de l'article 333 alinéa 6 CP, Archives 75/2007 p. 433, 436; WEIDMANN/OESTERHELT, Nachentrichtung der Verrechnungssteuer gemäss Art. 12 VStrR, Revue fiscale 62/2007 p. 622, 632; JAN LANGLO, in LT - Commentaire de la loi fédérale sur les droits de timbre, Oberson/Hinny [éd.], 2006, n° 31 rem. aux art. 45-50 LT p. 1354 s.; MICHAEL BEUSCH, in Bundesgesetz über die Stempelabgaben [StG], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Zweifel/Athanas/Bauer-Balmelli [éd.], vol. II/3, 2006, n° 56 Vor. Art. 45-50 StG p. 636; RENATE SCHWOB, Droit pénal administratif de la Confédération II, FJS n° 1287, état: 1985, p. 11; JEAN GAUTHIER, La loi fédérale sur le droit pénal BGE 143 IV 228 S. 238 administratif, in Mémoires publiés par la faculté de droit de Genève, Quatorzième journée juridique, 1974, p. 23 ss, p. 43). Seul KURT HAURI (Verwaltungsstrafrecht [VStrR], 1998, p. 32) relève, bien qu'il ne développe pas la question, que la suspension de la prescription suppose le dépôt d'un moyen de droit, ce qui pourrait signifier qu'elle commence seulement une fois ce dernier introduit. 5.7 Selon le Tribunal administratif fédéral, l'expression "procédure de réclamation" se référerait à la période qui suit le dépôt d'une réclamation par l'intéressé. Ce point de vue ne peut toutefois pas être suivi. En effet, à partir du moment où une décision de l'Administration fédérale reconnaît un contribuable débiteur d'une créance fiscale, il faut considérer que la procédure relative à l'imposition est terminée et que l'affaire se trouve au stade de la procédure de réclamation, même si celle-ci n'a pas encore été introduite par l'intéressé. Cette solution tient dûment compte du but visé par l' art. 11 al. 3 DPA , qui est celui de permettre à l'autorité pénale, lorsqu'elle entend poursuivre - comme en l'espèce - une infraction à la législation administrative fédérale relative à l'assujettissement à une prestation, d'attendre que la décision concernant ledit assujettissement soit entrée en force et d'éviter ainsi de devoir (pré)juger elle-même cette question, sans que cela implique le risque que l'action pénale se prescrive dans cette attente (cf. à ce sujet EICKER, op. cit., n. 50 p. 255; EICKER/FRANK/ACHERMANN, op. cit., p. 84; LANGLO, op. cit., p. 436; WEIDMANN/OESTERHELT, op. cit., p. 632; SCHWOB, op. cit., p. 11). En ce sens, le Tribunal fédéral a déjà eu l'occasion de relever que, s'agissant de la suspension prévue par l' art. 11 al. 3 DPA , lorsqu'une question pertinente doit être tranchée par l'autorité compétente, il est logique que le juge pénal attende l'issue de cette procédure; comme il n'a aucun moyen d'action sur son cours, il apparaît raisonnable, de la part du législateur, de décider une suspension des délais de prescription de l'action pénale ( ATF 119 IV 330 consid. 2d in fine p. 337; cf. aussi ATF 134 IV 328 consid. 3.3 p. 333 s.; ATF 107 Ib 198 consid. 7b/cc p. 204 s.; arrêts 6B_746/2009 du 22 décembre 2009 consid. 7.4 in fine et 6B_679/2009 du 5 novembre 2009 consid. 3.2). Une telle interprétation, en outre, évite que l'on puisse parvenir à la situation paradoxale dans laquelle une créance fiscale qui n'est pas prescrite au moment où l'autorité compétente reconnaît un contribuable débiteur de celle-ci, pourrait se prescrire pendant le délai de réclamation visant à la remettre en cause. BGE 143 IV 228 S. 239 Il ressort de ce qui précède que la notion de "procédure de réclamation" de l' art. 11 al. 3 DPA doit être comprise comme étant la procédure qui commence à courir dès le prononcé de la décision de l'autorité fiscale reconnaissant le contribuable débiteur de la créance litigieuse. La prescription de l'action pénale et, par voie de conséquence, celle de la créance fiscale sont donc suspendues dès ce moment (cf. art. 12 al. 4 DPA ; supra consid. 4.3). Cette interprétation a été confirmée par les cours intéressées réunies dans une procédure selon l' art. 23 al. 2 LTF . 5.8 En l'espèce, comme on vient de le voir (cf. supra consid. 5.1 in initio), la créance fiscale aurait dû se prescrire en juin 2013. Elle n'était donc pas encore prescrite au moment où l'Administration fédérale a rendu sa décision du 15 mai 2013. A partir de ce moment-là, l'affaire se trouvait ainsi au stade de la "procédure de réclamation" au sens de l' art. 11 al. 3 DPA , puis a fait l'objet d'un recours, de sorte que la prescription est suspendue depuis lors. 5.9 Il ressort de ce qui précède que le Tribunal administratif fédéral, en retenant que la créance fiscale litigieuse était prescrite, a violé l' art. 11 DPA . (...)
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Sachverhalt ab Seite 669 BGE 134 III 669 S. 669 A. X., né en 1955, et dame X., née en 1956, tous deux de nationalité suisse, se sont mariés en 1978; ils ont adopté le régime de la séparation de biens. Quatre enfants sont issus de cette union: A., née en 1980, B., née en 1982, C., né en 1990, et D., né en 1991. Le mari a une autre fille, E., née hors mariage en 1993. Les époux se sont séparés en mars 1997. B. Par jugement du 5 avril 2005, le Tribunal civil de l'arrondissement de la Côte a, notamment, prononcé le divorce des époux (ch. I); attribué à la mère l'autorité parentale et la garde des deux enfants encore mineurs (ch. II); fixé le droit de visite du père (ch. III); condamné celui-ci à contribuer à leur entretien par le versement d'une pension, indexée, de 2'500 fr. par mois et par enfant, allocations familiales éventuelles en sus, jusqu'à l'âge de 25 ans, ou l'accession à l'indépendance financière si elle intervient avant, aux conditions de l' art. 277 al. 2 CC (ch. IV et VII), et à leur payer les frais d'écolage (ch. V). Il a octroyé à l'épouse le droit d'habiter gratuitement la maison de Y. jusqu'au 22 novembre 2009, l'époux en assumant les charges du propriétaire (charges hypothécaires, assurances, impôts, réparations, etc.), et fixé la contribution, indexée, à l'entretien de l'épouse à 1'800 fr. par mois jusqu'au 31 août 2009, puis à 4'000 fr. jusqu'à l'âge de sa retraite (ch. VI, VII et VIII); il a en outre condamné le mari à verser à l'épouse le montant de 890'000 fr. à titre de réparation de sa lacune de prévoyance (ch. X). C. Par arrêt du 12 avril 2006, la Chambre des recours du Tribunal cantonal du canton de Vaud a partiellement admis le recours du BGE 134 III 669 S. 670 mari. Sur le fond, l'autorité cantonale n'a modifié le jugement de première instance que sur la question relative à la lacune de prévoyance de l'épouse: en lieu et place d'un capital de 890'000 fr., elle lui a alloué 350'000 fr. et une rente mensuelle de 1'185 fr., non limitée dans le temps (ch. VI bis nouveau), et ordonné le transfert d'un montant de 80'000 fr. du compte de libre passage du mari sur un compte de prévoyance à désigner par l'épouse (ch. X). D. Statuant le 29 mars 2007 sur le recours de droit public et le recours en réforme du mari, le Tribunal fédéral a rejeté le premier dans la mesure où il était recevable (5P.209/2006); il a admis partiellement le second dans la mesure de sa recevabilité - le recours joint étant devenu sans objet -, annulé l'arrêt attaqué en tant qu'il a complété le jugement de première instance par un ch. VI bis (capital et rente de la défenderesse) et renvoyé la cause à l'autorité cantonale pour nouvelle décision dans le sens des considérants (5C.123/2006). E. Le mari demande la révision de ces deux arrêts; il conclut à ce qu'ils soient annulés et à ce que le Tribunal fédéral statue à nouveau sur les deux recours (de droit public et en réforme) et détermine les effets de cette annulation à l'égard du nouvel arrêt de la Chambre des recours du Tribunal cantonal vaudois rendu entre-temps. Le Tribunal fédéral a déclaré les demandes irrecevables.
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. 2.1 Aux termes de l' art. 123 al. 2 let. a LTF , la révision peut être demandée dans les affaires civiles si le requérant découvre après coup des faits pertinents ou des moyens de preuve concluants qu'il n'avait pas pu invoquer dans la procédure précédente, à l'exclusion des faits ou moyens de preuve postérieurs à l'arrêt. Cette disposition reprend en substance l' art. 137 let. b OJ , de sorte que la jurisprudence antérieure conserve toute sa valeur ( ATF 134 III 45 consid. 2.1 p. 47; ATF 134 IV 48 consid. 1.2 p. 50, avec la jurisprudence citée dans ces arrêts). 2.2 Lorsque le Tribunal fédéral rejette ou déclare irrecevable le recours de droit public, ou déclare irrecevable le recours en réforme, son arrêt ne se substitue pas à la décision cantonale attaquée; celle-ci demeure en force et est sujette à révision cantonale pour les motifs qui affectent l'état de fait qu'elle constate. Les faits pertinents et moyens de preuve concluants qui existaient déjà au moment où, BGE 134 III 669 S. 671 dans la procédure (cantonale) principale, des allégations de fait et offres de preuve étaient encore recevables, mais qui n'étaient pas connus du requérant malgré toute sa diligence et n'ont été découverts par lui que postérieurement à l'arrêt du Tribunal fédéral, peuvent donc faire l'objet d'une procédure de révision cantonale devant la dernière juridiction cantonale saisie de la cause au fond ( ATF 134 III 45 consid. 2.2 et 2.3 p. 47/48, avec les références citées; pour le recours en réforme irrecevable: ATF 118 II 477 consid. 1 p. 478/479). En revanche, lorsque, statuant sur la base des faits constatés dans la décision cantonale, le Tribunal fédéral admet ou rejette le recours en réforme, son arrêt se substitue à la décision (cantonale) entreprise et constitue la seule décision en force (cf. art. 61 LTF ) susceptible d'être révisée pour les motifs énumérés aux art. 121 et 123 LTF ( ATF 118 II 477 consid. 1 p. 478). Seuls peuvent justifier une révision fondée sur l' art. 123 al. 2 let. a LTF les faits qui se sont produits jusqu'au moment où, dans la procédure principale, des allégations de fait étaient encore recevables, mais qui n'étaient pas connus du requérant malgré toute sa diligence et n'ont été découverts par lui que postérieurement à l'arrêt du Tribunal fédéral; ces faits doivent, de surcroît, être pertinents, à savoir de nature à modifier l'état de fait qui est à la base de l'arrêt attaqué et à aboutir à un jugement différent en fonction d'une appréciation juridique correcte ( ATF 134 IV 48 consid. 1.2 p. 50; arrêts 4F_1/2007 du 13 mars 2007 consid. 7.1; 4F_3/2007 du 27 juin 2007 consid. 3.1 et les références citées dans ces arrêts). 3. 3.1 Le requérant allègue que le Tribunal d'arrondissement de la Côte lui a transmis trois déclarations d'impôts de son ex-épouse, dont il ressort que le revenu net de l'activité principale de celle-ci s'est élevé à 101'958 fr. 67 en 2004, à 71'191 fr. 02 en 2005 et à 83'957 fr. en 2006 (7'141 fr. par mois en moyenne). Il en déduit qu'elle gagnait beaucoup plus que 2'000 fr. depuis 2004, à savoir déjà avant le jugement de première instance du 5 avril 2005 qui avait retenu ce montant et avant les arrêts du Tribunal fédéral du 29 mars 2007; partant, elle n'a pas droit à une contribution d'entretien, ni à une indemnité en capital sous forme de rente pour sa lacune de prévoyance. 3.2 Les deux arrêts du Tribunal fédéral dont la révision est deman dée sont des arrêts connexes rendus contre la même décision cantonale sur les effets accessoires du divorce. Le premier a rejeté le BGE 134 III 669 S. 672 recours de droit public dans la mesure où il était recevable;examinant la question du montant de 2'000 fr. admis comme revenu de l'épouse par la cour cantonale, le Tribunal fédéral a déclaré les griefs du recourant irrecevables, l'un pour défaut d'épuisement des instances cantonales, l'autre pour défaut de motivation (consid. 7.2). Le second arrêt a partiellement accueilli le recours en réforme dans la mesure de sa recevabilité (le recours joint devenant sans objet). Le Tribunal fédéral n'est pas entré en matière sur les griefs se rapportant au revenu de l'épouse, qui ressortissaient en réalité au fait et, en conséquence, au recours de droit public (consid. 6); il a dès lors déclaré le recours irrecevable en ce qui concerne la contribution à l'entretien de l'épouse. Il a admis le recours et annulé l'arrêt cantonal s'agissant du capital et de la rente allouée à l'épouse au titre de lacune de prévoyance, car la cour cantonale avait calculé l'avoir de prévoyance que le mari aurait pu se constituer pendant le mariage sur la base de son salaire théorique (correspondant au train de vie de la famille), et non pas en considération de son épargne effective, voire en tenant compte de la volonté des époux de renoncer à constituer une telle prévoyance en raison de l'héritage du mari ainsi que des expectatives successorales de l'épouse, accord impliquant un engagement conventionnel d'entretenir cette dernière après sa retraite (consid. 8.2 et 8.3). Dans ces conditions, la demande de révision apparaît irrecevable tant à l'égard de l'arrêt sur le recours de droit public qu'à l'égard de l'arrêt sur le recours en réforme. La décision cantonale est demeurée en force en ce qui touche la contribution à l'entretien de l'épouse. La question de savoir si le requérant doit agir par la voie de la révision cantonale, parce que les faits et moyens de preuve n'auraient pas pu être invoqués dans la procédure précédente puisqu'ils n'étaient pas connus du requérant malgré toute sa diligence (supra, consid. 2.2), ou celle d'une nouvelle action, en l'espèce d'une action en modification du jugement de divorce (cf. art. 129 et 134 CC ), parce que les faits se sont produits à un moment où de nouveaux faits ou preuves ne pouvaient plus être produits dans la procédure principale cantonale, n'a pas à être résolue ici. Quant au revenu réalisé par l'épouse en 2004, 2005 et 2006, il n'est pas pertinent pour le calcul de la compensation qui lui est due pour la lacune de prévoyance correspondant à la durée du mariage.
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Sachverhalt ab Seite 111 BGE 86 IV 111 S. 111 A.- Chatton fuhr am Vormittag des 17. Oktober 1958 am Steuer eines Personenautos auf der Hauptstrasse Nr. 1 von Bern Richtung Zürich. In Murgenthal/AG überholte er nach der Linkskurve, die der Bahnunterführung folgt, einen sehr langsam fahrenden, mit Langholz beladenen Lastwagen, wobei er die auf diesem Strassenstück durchgezogene Sicherheitslinie mit seinem Fahrzeug vollständig überfuhr. B.- Das Obergericht des Kantons Aargau verurteilte deswegen Chatton am 26. Januar 1960 in Anwendung von Art. 45 Abs. 2 MFV zu einer Busse von Fr. 40.-. Den Einwand des Gebüssten, er habe die abgefahrene Sicherheitslinie auf der nassen Strasse, auf der sich eine Aufhellung am nordöstlichen Horizont gespiegelt habe, nicht erkennen können, verwarf es mit der Begründung, die Sicherheitslinie sei bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit wahrnehmbar gewesen. C.- Chatton führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei wegen Verletzung von Art. 19 Abs. 1 und Art. 18 Abs. 3 StGB freizusprechen.
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Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 3 Abs. 1 der Signalverordnung vom 17. Oktober 1932 müssen Strassensignale so aufgestellt BGE 86 IV 111 S. 112 werden, dass sie vom Führer leicht erkannt werden können. Unter Signal werden in dieser Verordnung und in den sie ergänzenden oder abändernden Erlassen (vgl. insbesondere BRB vom 28. Juni 1949 und 3. März 1958) streng genommen nur Tafeln mit Bildern und Aufschriften verstanden, nicht auch Markierungen, die auf der Strasse selber aufgetragen werden. Die Bedeutung der Bodenmarkierungen, soweit sie im Interesse der Verkehrssicherheit den Strassenverkehr ordnen, steht indessen derjenigen der Signaltafeln nicht nach, weshalb die erwähnte Vorschrift des Art. 3 Abs. 1 SigV sinngemäss auch auf Bodensignale wie Sicherheitslinien, Einspurlinien usw. anwendbar ist. Die Nichtbeachtung solcher Signale ist daher ebenfalls nur strafbar, wenn sie vom Führer leicht erkannt werden können. Das trifft zu, wenn sie bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennbar sind, nicht aber, wenn sie infolge Abnützung oder aus anderen Gründen kaum mehr sichtbar sind. 2. Nach der Feststellung des Obergerichtes, die den Kassationshof gemäss Art. 273 lit. b und Art. 277 bis Abs. 1 BStP bindet, war am 17. Oktober 1958 die Sicherheitslinie auf der in Frage stehenden Strecke nur leicht abgefahren, was bedeutet, dass der weisse Farbanstrich auf der Asphaltstrasse nicht stark abgenützt war. Eine so beschaffene Sicherheitslinie kann nach allgemeiner Lebenserfahrung von Motorfahrzeugführern ohne weiteres als solche erkannt werden. Was die Spiegelung auf der nassen Strasse betrifft, welche die Erkennbarkeit der Sicherheitslinie ausgeschlossen haben soll, stellt die Vorinstanz verbindlich fest, dass sie nicht wesentlich grösser gewesen sei, als sie auf den Photographien der Polizei zu Tage trete. Auf diesen Bildern ist eine Spiegelung auf dem Strassenbelag kaum wahrzunehmen und die Sicherheitslinie auf eine grössere Entfernung gut sichtbar. Waren aber die Beleuchtungs- und Sichtverhältnisse, die der Beschwerdeführer angetroffen hat, nur wenig schlechter, als sie auf diesen Photographien feststellbar sind, so waren sie immer noch so gut, dass die Sicherheitslinie vom Beschwerdeführer bei BGE 86 IV 111 S. 113 gehöriger Aufmerksamkeit erkannt werden konnte. Wenn er sie trotzdem nicht gesehen hat, war er pflichtwidrig unaufmerksam, so dass ihn der Vorwurf der Fahrlässigkeit im Sinne des Art. 18 Abs. 3 StGB trifft. Er kann sich demzufolge nicht auf Irrtum über den Sachverhalt berufen und ist gemäss Art. 19 Abs. 2 StGB in Verbindung mit Art. 65 Abs. 1 MFG und Art. 45 Abs. 2 MFV zu Recht wegen Überfahrens der Sicherheitslinie bestraft worden.
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Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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2,024
de
Sachverhalt ab Seite 296 BGE 133 III 295 S. 296 A. A. (Beklagter und Berufungskläger) mit Wohnsitz in Griechenland verfügte bei der Bank X. (Klägerin und Berufungsbeklagte), einer Bank mit Sitz in der Schweiz, über ein Konto mit der Nummer 1. B. Mit Eingabe vom 1. Oktober 2004 beantragte die Klägerin dem Bezirksgericht Zürich, der Beklagte sei zu verpflichten, ihr rund 9 Mio. US-Dollar zu bezahlen. Der Beklagte stellte daraufhin ein Sistierungsbegehren, das das Bezirksgericht mit Beschluss vom 23. Februar 2005 abwies. Am 16. März 2005 reichte der Beklagte eine "uneinlässliche Klageantwort" ein und beantragte, auf die Klage sei infolge Unzuständigkeit nicht einzutreten. Er machte geltend, bei der gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen den Parteien handle es sich um eine Konsumentenstreitigkeit im Sinn von Art. 13 ff. des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (LugÜ; SR 0.275.11), weshalb gemäss Art. 14 Abs. 2 LugÜ das Gericht am Wohnsitz des Verbrauchers zuständig sei. Mit Beschluss vom 10. Juni 2005 wies das Bezirksgericht die Unzuständigkeitseinrede ab. C. Einen gegen den Beschluss des Bezirksgerichts erhobenen Rekurs des Beklagten wies das Obergericht am 12. Dezember 2005 ab. Es kam zum Schluss, es liege keine Verbraucherstreitigkeit im Sinn von Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 LugÜ vor, da keine der dafür aufgestellten Voraussetzungen erfüllt sei. Weder sei der Beklagte Verbraucher, noch seien die abgeschlossenen Verträge auf die Erbringung einer Dienstleistung gerichtet. Dem massgebenden Vertragsabschluss im Jahr 1982 sei kein ausdrückliches Angebot bzw. keine Werbung in Griechenland vorausgegangen, und der Beklagte habe die zum Abschluss des Vertrags erforderlichen Rechtshandlungen nicht in Griechenland vorgenommen. Darüber hinaus sei das Bezirksgericht Zürich auch deshalb zur Behandlung der eingereichten Klage BGE 133 III 295 S. 297 zuständig, weil sich der Beklagte durch sein Sistierungsbegehren auf das Verfahren in Zürich eingelassen habe. D. Mit Berufung vom 30. Januar 2006 beantragt der Beklagte dem Bundesgericht, der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 12. Dezember 2005 sei vollumfänglich aufzuheben und die Unzuständigkeit der zürcherischen Gerichte festzustellen, eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung nach Durchführung eines Beweisverfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung sei abzuweisen und der Beschluss des Obergerichts vom 12. Dezember 2005 zu bestätigen, soweit auf die Berufung einzutreten ist. Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut, hebt den angefochtenen Entscheid auf und weist die Sache zur Sachverhaltsergänzung und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. Der Beklagte wirft dem Obergericht vor, Art. 18 LugÜ und Art. 10 GestG (SR 272) verletzt zu haben, indem es die Zuständigkeit des Bezirksgerichts Zürich damit begründete, der Beklagte habe sich auf das Verfahren in Zürich eingelassen. 5.1 Gemäss Art. 18 Satz 1 LugÜ wird das Gericht eines Vertragsstaates, das nicht bereits nach anderen Vorschriften des Übereinkommens zuständig ist, dann für die Behandlung einer Klage zuständig, wenn sich der Beklagte vor ihm auf das Verfahren einlässt. Der Begriff der Einlassung ist vertragsautonom auszulegen (YVES DONZALLAZ, La Convention de Lugano, Bd. III, Nr. 7106; HÉLÈNE GAUDEMET-TALLON, Les Conventions de Bruxelles et de Lugano, 2. Aufl. 1996, Nr. 149; JAN KROPHOLLER, Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl. 2005, N. 7 zu Art. 24 EuGVO; DIETMAR CZERNICH/STEFAN TIEFENTHALER/GEORG E. KODEK, Kurzkommentar Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht, 2. Aufl. 2003, N. 7 zu Art. 24 EuGVO; a.M. GERHARD WALTER, Internationales Zivilprozessrecht der Schweiz, 3. Aufl. 2002, S. 256). Unter Einlassung ist danach jede Verteidigung zu verstehen, die unmittelbar auf Klageabweisung abzielt (KROPHOLLER, a.a.O., N. 7 zu Art. 24 EuGVO). Handlungen im Vorfeld der Verteidigung wie etwa Anträge auf Aussetzung, Ruhen oder Vertagung des Verfahrens fallen hingegen nicht darunter (SABINE SCHULTE-BECKHAUSEN, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung im Europäischen Zivilprozessrecht, Diss. BGE 133 III 295 S. 298 Bonn 1994, S. 169; KROPHOLLER, a.a.O., N. 7 zu Art. 24 EuGVO). Die Einrede der Unzuständigkeit kann nach Abgabe jener Stellungnahme, die nach dem innerstaatlichen Prozessrecht als das erste Verteidigungsvorbringen vor dem angerufenen Gericht anzusehen ist, nicht mehr erhoben werden (Urteil des EuGH vom 24. Juni 1981 in der Rechtssache 150/80, Elefanten Schuh GmbH gegen Pierre Jacqmain , Slg. 1981, II-1671, Randnr. 16 f.). Massgebend ist somit der Zeitpunkt, zu dem nach nationalem Prozessrecht eine Prozesshandlung vorgenommen wird, die dem autonom zu qualifizierenden Begriff der "Einlassung auf das Verfahren" entspricht (CZERNICH/TIEFENTHALER/KODEK, a.a.O., N. 8 zu Art. 24 EuGVO). 5.2 Der Beklagte stellte zunächst ein Sistierungsbegehren und reichte nach dessen Abweisung durch das Bezirksgericht Zürich eine "uneinlässliche Klageantwort" ein, in der er die Einrede der Unzuständigkeit erhob. Das Obergericht begründete die Zuständigkeit des Bezirksgerichts Zürich damit, der Beklagte habe sich durch das Sistierungsbegehren auf das Verfahren in Zürich eingelassen. Eine derartige Handlung stellt nach dem Gesagten kein Verteidigungsvorbringen im Sinn einer Einlassung nach Art. 18 LugÜ dar. Das Obergericht hat deshalb Bundesrecht verletzt, als es von einer Einlassung des Beklagten auf das Verfahren ausging. 6. Der Beklagte rügt weiter, das Obergericht habe Bundesrecht verletzt, indem es für die Beurteilung der Zuständigkeit nach LugÜ auf die bestrittenen Behauptungen der Klägerin abstellte, statt ein Beweisverfahren darüber durchzuführen. 6.1 Die Rüge, die Vorinstanz hätte im Anwendungsbereich des LugÜ mit Bezug auf die Frage der Zuständigkeit ein Beweisverfahren durchführen müssen, betrifft die Anwendung der bundesrechtlichen Normen des internationalen Zivilprozessrechts. Sie kann deshalb im Rahmen der Berufung erhoben werden ( BGE 122 III 249 E. 3a S. 251). 6.2 Bei der Beurteilung der Zuständigkeit ist primär auf den vom Kläger eingeklagten Anspruch und dessen Begründung abzustellen; die diesbezüglichen Einwände der Gegenpartei sind in diesem Stadium grundsätzlich nicht zu prüfen. Das gilt indessen nur, wenn der Gerichtsstand von der Natur des eingeklagten Anspruchs abhängt. Ist eine Tatsache in dem Sinn doppelrelevant, dass sie sowohl für die Zulässigkeit der Klage als auch für deren Begründetheit von Bedeutung ist, wird sie nur einmal untersucht, und zwar im Moment BGE 133 III 295 S. 299 der Prüfung des eingeklagten Anspruchs ( BGE 122 III 249 E. 3b/bb S. 252). Erhebt die beklagte Partei hingegen die Einrede der Unzuständigkeit gestützt auf eine Behauptung, die allein mit Bezug auf die Frage der Zuständigkeit relevant ist, und stellt die klägerische Partei diese Sachbehauptung in Abrede, muss darüber im Zeitpunkt der Zuständigkeitsprüfung Beweis geführt werden (vgl. auch BGE 122 III 249 E. 3b/cc S. 252 f.). 6.3 Der Beklagte begründete die Unzuständigkeit des Bezirksgerichts Zürich damit, es liege eine Verbrauchersache im Sinn von Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 LugÜ vor, weshalb der auf Grund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin vereinbarte Gerichtsstand Zürich gemäss Art. 15 LugÜ unbeachtlich sei. Die Klage auf Zahlung der geforderten Summe kann im vorliegenden Fall materiell entschieden werden, ohne dass es darauf ankommt, ob eine Verbrauchersache vorliegt. Soweit der Beklagte mit Bezug auf die Erfüllung der Voraussetzungen von Art. 13 Abs. 1 LugÜ Behauptungen aufgestellt hat, handelt es sich um allein mit Bezug auf die Zuständigkeit relevante Tatsachen. Im Gegensatz zur Auffassung des Obergerichts muss deshalb darüber ein Beweisverfahren durchgeführt werden, sofern die Klägerin die rechtserheblichen Behauptungen bestritten hat. 7. Der Beklagte wirft dem Obergericht vor, Art. 8 ZGB und Art. 13 ff. LugÜ verletzt zu haben, indem es verneinte, dass das Konto Nr. 1. ausschliesslich privaten Zwecken diente. 7.1 Art. 8 ZGB gibt der beweispflichtigen Partei in allen bundesrechtlichen Zivilstreitigkeiten einen Anspruch darauf, für rechtserhebliche Vorbringen zum Beweis zugelassen zu werden ( BGE 132 III 222 E. 2.3 S. 226; BGE 130 III 591 E. 5.4 S. 601), wenn ihr Beweisantrag nach Form und Inhalt den Vorschriften des kantonalen Rechts entspricht ( BGE 129 III 18 E. 2.6 S. 24 f.; BGE 114 II 289 E. 2a S. 290, je mit Hinweisen). Die allgemeine Beweisvorschrift ist daher insbesondere verletzt, wenn der kantonale Richter Behauptungen einer Partei, unbekümmert darum, dass sie von der Gegenpartei bestritten worden sind, als richtig hinnimmt, oder über rechtserhebliche Tatsachen überhaupt nicht Beweis führen lässt ( BGE 130 III 591 E. 5.4 S. 601 f. mit Hinweis). 7.2 Gemäss Art. 13 Abs. 1 LugÜ liegt eine Verbrauchersache vor bei einem Vertrag, den eine Person zu einem Zweck abgeschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser BGE 133 III 295 S. 300 Person (Verbraucher) zugerechnet werden kann. Der Begriff des Verbrauchers ist eng auszulegen (Urteil des EuGH vom 20. Januar 2005 in der Rechtssache C-464/01, Johann Gruber gegen Bay Wa AG , Slg. 2005, I-439, Randnr. 32 f. mit Hinweisen und Randnr. 43). Die Frage, ob eine Person die Verbrauchereigenschaft besitzt, muss nach der Stellung dieser Person innerhalb des konkreten Vertrags in Verbindung mit dessen Natur und Zielsetzung und nicht nach der subjektiven Stellung dieser Person beantwortet werden. Deshalb kann ein und dieselbe Person im Rahmen bestimmter Vorgänge als Verbraucher und im Rahmen anderer Vorgänge als Unternehmer angesehen werden (Urteil des EuGH vom 3. Juli 1997 in der Rechtssache C-269/95, Francesco Benincasa gegen Dentalkit Srl ., Slg. 1997, I-3767, Randnr. 16). Es ist Sache des Gerichts, anhand der ihm vorgelegten Beweismittel zu entscheiden, ob mit dem betreffenden Vertrag in nicht ganz untergeordnetem Mass Bedürfnisse gedeckt werden sollten, die der beruflich-gewerblichen Tätigkeit des Betroffenen zuzurechnen sind. Dabei hat es neben Inhalt, Art und Zweck des Vertrags auch die objektiven Umstände des Vertragsschlusses zu berücksichtigen (Urteil Johann Gruber gegen Bay Wa AG , a.a.O., Randnr. 47). 7.3 Für die Beurteilung, ob dem Beklagten vorliegend die Verbrauchereigenschaft zukommt, ist nach dem Gesagten massgebend, ob der Zweck, zu dem der Beklagte den Vertrag abgeschlossen hat, als privat im Sinn von Art. 13 Abs. 1 LugÜ einzustufen ist. Der Beklagte machte im kantonalen Verfahren geltend, das Konto Nr. 1. habe immer nur privaten Zwecken gedient. Die Pfandverträge zur gegenseitigen Verpfändung des Kontos Nr. 1. und verschiedener Geschäftskonten seien auf Drängen der Klägerin abgeschlossen worden. Ziel sei nicht gewesen, den Negativsaldo von über 3,5 Mio. US-Dollar des Kontos Nr. 1. zu Gunsten der Gesellschaften des Beklagten zu verpfänden, sondern die Negativsaldi auf den privaten Konten von ihm bzw. seiner Ehefrau mit Mitteln der Gesellschaft zu decken. Die Klägerin bestritt diese Behauptungen. Das Obergericht hat darauf verzichtet, darüber ein Beweisverfahren durchzuführen. Statt dessen hat es allein auf Grund der (unbestrittenen) Tatsache, dass eine gegenseitige Verflechtung diverser Geschäftskonten des Beklagten mit dem fraglichen Konto Nr. 1. bestand, auf eine erhebliche Bedeutung dieses Kontos für die geschäftliche Tätigkeit des Beklagten geschlossen und den privaten Zweck verneint. BGE 133 III 295 S. 301 7.4 Treffen die Behauptungen des Beklagten mit Bezug auf den Zweck des Kontos Nr. 1. und der Verpfändungsverträge zu, kann die Gegenseitigkeit der Verpfändung entgegen der Auffassung des Obergerichts nicht zu einer Änderung des privaten Zwecks in einen geschäftlichen führen. Durch den Verzicht auf Beweisabnahme hat das Obergericht den rechtserheblichen Sachverhalt ungenügend festgestellt und Art. 8 ZGB sowie Art. 13 Abs. 1 LugÜ verletzt. 8. Der Beklagte rügt weiter, das Obergericht habe Art. 8 ZGB und Art. 13 ff. LugÜ verletzt, als es davon ausging, der dem eingeklagten Anspruch zugrunde liegende Vertrag zwischen den Parteien sei kein Dienstleistungsvertrag im Sinn von Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 LugÜ . 8.1 Unter Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 LugÜ fallen neben den Verträgen über die Lieferung beweglicher Sachen auch Verträge, die die Erbringung einer Dienstleistung zum Gegenstand haben. Der Begriff "Erbringung einer Dienstleistung" ist autonom auszulegen und weit zu fassen (REINHOLD GEIMER/ROLF A. SCHÜTZE, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl. 2004, N. 45 zu Art. 15 EuGVO). Nach dem Bericht der Kommission Schlosser sind Kreditgeschäfte nicht auf die Erbringung einer Dienstleistung gerichtet, weshalb sie nicht unter diese Bestimmung fallen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 5. März 1979, Nr. C 59, S. 71/118, Nr. 157). Der überwiegende Teil der Lehre folgt dieser Ansicht (KROPHOLLER, Europäisches Zivilprozessrecht, 6. Aufl. 1998, N. 20 zu Art. 13 EuGVÜ; DIETMAR CZERNICH/STEFAN TIEFENTHALER, Die Übereinkommen von Lugano und Brüssel, N. 19 zu Art. 13 EuGVÜ; ALEXANDER R. MARKUS, Die Konsumentenzuständigkeit der EuGVO und des revidierten LugÜ, besonders im E-Commerce, in: Schweizerische Zeitschrift für Zivilprozess- und Zwangsvollstreckungsrecht [ZZZ] 2004 S. 181/ 185; KARSTEN THORN, Grenzüberschreitende Gerichtsstandsvereinbarungen in Kreditverträgen zur Finanzierung von Börsenspekulationen, in: Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts [IPrax] 1995 S. 294/296). Nach einer anderen Ansicht lässt es sich in Anbetracht der seit dem Bericht Schlosser erfolgten Weiterentwicklung des Begriffs der Dienstleistung im Gemeinschaftsrecht nicht mehr rechtfertigen, die Kreditverträge vom Anwendungsbereich des Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 LugÜ auszunehmen (HÉLÈNE GAUDEMET-TALLON, Revue critique du droit international privé 2001, S. 146 ff.; dieselbe , Conventions, a.a.O., Nr. 260). Für diese Meinung spricht, dass Kreditverträge nunmehr unter Art. 15 EuGVO fallen, sofern der Verbraucher sie zu privaten Zwecken schliesst (vgl. dazu GEIMER/SCHÜTZE, BGE 133 III 295 S. 302 a.a.O., N. 41 zu Art. 15 EuGVO; KROPHOLLER, Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl. 2005, N. 20 zu Art. 15 EuGVO), und eine entsprechende Anpassung des LugÜ gemäss dem vorläufigen Revisionstext vom 12. Oktober 2006 vorgesehen ist. Wie es sich damit verhält, kann jedoch offen bleiben, da hier - wie zu zeigen sein wird - kein reiner Kreditvertrag vorliegt und jedenfalls bei einem Vertrag, der neben anderen Leistungen auch die Erbringung einer Dienstleistung zum Gegenstand hat, mit Blick auf den von Art. 13 ff. LugÜ anvisierten Konsumentenschutz von einer Verbrauchersache im Sinn von Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 LugÜ auszugehen ist (in diese Richtung bereits BGE 121 III 336 E. 6a S. 343). Das gilt zumindest dann, wenn die vereinbarten Dienstleistungen nicht nur ganz nebensächlichen Charakter haben. 8.2 Die Klägerin stützt ihre Ansprüche nach den Feststellungen der Vorinstanz auf die abgeschlossenen Kredit- und Pfandverträge. Voraussetzung für die Ausrichtung eines Kontokorrentkredits ist das Bestehen eines Kontokorrentvertrags (URS EMCH/HUGO RENZ/RETO ARPAGAUS, Das Schweizerische Bankgeschäft, 6. Aufl. 2004, Nr. 785). Die nachträgliche Vereinbarung einer Kreditlimite für die Überziehung des Kontos kann nicht für sich allein betrachtet werden, sie stellt vielmehr eine Ergänzung des Kontokorrentvertrags dar. Die Klägerin bestreitet denn auch nicht, dass der Kontokorrentvertrag in den abgeschlossenen Kreditverträgen mitenthalten bzw. mitgemeint ist. Grundlage für die geltend gemachten Ansprüche ist damit der Kontokorrentvertrag. Im Rahmen eines solchen Vertrags erbringt die Bank verschiedene Dienstleistungen wie etwa die Ein- und Auszahlung von Bargeld, die Verbuchung eingehender Zahlungen, die Ausführung von Vergütungsaufträgen oder die Honorierung von Checks (EMCH/RENZ/ARPAGAUS, a.a.O., Nr. 537; STEFAN JACQUES SCHMID, Die Geschäftsbeziehung im schweizerischen Bankvertragsrecht, Diss. Bern 1993, S. 40 f.). Die Vereinbarung einer Kreditlimite im Rahmen eines Kontokorrentvertrags kann in Anbetracht der weiten Auslegung des Begriffs "Erbringung einer Dienstleistung" nicht dazu führen, dass der Kontokorrentvertrag aus dem Anwendungsbereich von Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 LugÜ fällt. Das Obergericht hat damit Bundesrecht verletzt, als es den dem geltend gemachten Anspruch zugrunde liegenden Vertrag nicht zu den Dienstleistungsverträgen im Sinn von Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 LugÜ zählte. 9. Der Beklagte rügt schliesslich, die Vorinstanz habe Art. 13 ff. LugÜ und Art. 8 ZGB verletzt, indem sie den Vertragsschluss von BGE 133 III 295 S. 303 1982 für massgeblich hielt, ohne Beweis darüber abzunehmen, ob im Mai 1995 auf Veranlassung der Klägerin in Athen eine Neueröffnung des inaktiv gewordenen Kontos erfolgte. 9.1 Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 LugÜ setzt für die Anwendbarkeit des 4. Abschnitts des LugÜ bei Verträgen über die Erbringung einer Dienstleistung voraus, dass dem Vertragsabschluss in dem Staat des Wohnsitzes des Verbrauchers ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung vorausgegangen ist (lit. a) und der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluss des Vertrags erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat (lit. b). Massgebender Zeitpunkt für die genannten Handlungen von Anbieter bzw. Verbraucher ist damit das Datum des Vertragsschlusses; spätere Änderungen des Vertrags können in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen. Anders zu beurteilen ist der Fall, dass ein Konto inaktiv geworden ist und in der Folge unter dessen Nummer ein neuer Kontokorrentvertrag abgeschlossen wird. Die Tatsache allein, dass das Konto unter einer bereits bestehenden Nummer (wieder-)eröffnet wird, rechtfertigt es nicht, dem Verbraucher den Schutz der Art. 13 ff. LugÜ zu versagen, der ihm ohne weiteres zukäme, wenn er das Konto unter einer neuen Nummer eröffnen würde. 9.2 Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz hat der Beklagte bei der Klägerin im Jahr 1982 ein Konto unter der Nr. 1. eröffnet und am 11. Mai 1995 einen neuen Kontokorrentvertrag unter derselben Nummer unterzeichnet. Der Beklagte hat bereits im kantonalen Verfahren behauptet, das 1982 eröffnete Konto sei in der Folge inaktiv geworden (dormant account), und hat dazu Beweisanträge gestellt. Auch mit Bezug auf die Erfüllung der Voraussetzungen von Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 lit. a und b LugÜ hat er entsprechende Behauptungen aufgestellt und Beweise offeriert. Indem das Obergericht über diese rechtserheblichen Tatsachen keinen Beweis abnahm, hat es Art. 8 ZGB und Art. 13 LugÜ verletzt.
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Sachverhalt ab Seite 236 BGE 85 IV 236 S. 236 A.- Jäggi führte am 27. Oktober 1958 um 16.15 Uhr einen rechtsgesteuerten Saurer-Lastwagen auf der 7 m breiten, gerade verlaufenden und übersichtlichen Kantonsstrasse in Altendorf innerorts Richtung Lachen. Auf eine Entfernung von ca. 70 m gewahrte er vor sich eine Gruppe von 6 Schulkindern, die in gleicher Richtung wie er dem rechten Strassenrand entlang zu zweit hintereinander gingen. Eines entgegenkommenden Lastwagens wegen, mit dem er zu kreuzen hatte, setzte Jäggi seine Fahrgeschwindigkeit herab, angeblich zunächst auf ca. 20-25 km/h, dann auf ca. 15 km/h. Nach dem Kreuzen bog er etwas nach links aus und überholte, ohne zuvor ein Warnzeichen gegeben zu haben, die Gruppe der Schulkinder in einem seitlichen Abstand von ca. 50 cm. Während der Vorbeifahrt machte die am 31. Juli 1951 geborene Esther Elisabeth Bommer, die am Schluss der Gruppe links aussen ging und sich mit den andern Kindern unterhielt, zwei bis drei Schritte gegen die Strassenmitte zu. Sie schlug mit dem Kopf an der Brücke des Lastwagens auf, wurde nach vorn zu Boden geworfen und von den rechten Hinterrädern des Lastwagens überfahren. Sie BGE 85 IV 236 S. 237 erlitt eine Schädelbasisfraktur mit Hirnkontusion, sehr wahrscheinlich auch eine Thoraxkontusion. Der Tod trat sofort ein. B.- Das Kantonsgericht Schwyz erklärte Jäggi mit Urteil vom 25. Mai 1959 der fahrrlässigen Tötung ( Art. 117 StGB ) und der fahrrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs ( Art. 237 Ziff. 2 StGB ) schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe von 1 Monat und zu einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 200.--. Es warf ihm vor, er habe pflichtwidrig das Warnen unterlassen und die Kindergruppe mit einem ungenügenden seitlichen Abstand überholt. C.- Jäggi führt gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde.
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Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Gemäss Art. 25 Abs. 1 Satz 3 MFG hat der Führer eines Motorfahrzeuges beim Kreuzen und Überholen einen angemessenen Abstand einzuhalten. Diese Regel gilt auch für das Kreuzen oder Überholen von Fussgängern; denn auch ihnen gegenüber ist der Motorfahrzeugführer zur Vermeidung von Unfällen, ja sogar zur Unterlassung blosser Belästigung verpflichtet (Art. 25 Abs. 1 Satz 2 MFG), und auch sie sind durch die Bestimmung des Art. 237 StGB geschützt ( BGE 83 IV 36 und dort erwähnte Entscheide). Ob ein Abstand angemessen ist, hängt neben der Geschwindigkeit, mit der überholt wird, wesentlich von der Art des zu überholenden Strassenbenützers und seinem erkennbaren oder voraussehbaren Verhalten ab. Je geringer der seitliche Abstand zu diesem bemessen wird, desto näher liegt die Gefahr eines Zusammenstosses und desto schwieriger wird es, einer Fehlreaktion desselben durch Verzögerung der Fahrt, Anhalten, Ausweichen oder Warnen wirrksam zu begegnen. Das gilt nicht nur für das Überholen von Fahrzeugen, sondern namentlich auch für dasjenige von Fussgängern, zumal dann, wenn es sich um BGE 85 IV 236 S. 238 eine Gruppe von kaum in das schulpflichtige Alter getretenen Kindern handelt, die überholt werden, ohne rechtzeitig das überholende Fahrzeug wahrgenommen zu haben oder auf dessen Herannahen durch Warnsignale aufmerksam gemacht worden zu sein. Die Anwesenheit von Kindern auf der Strasse verpflichtet den Motorfahrzeugführer ohnehin zu vermehrter Vorsicht. Ihnen fehlt die geistige Reife, um die Gefahren des motorisierten Strassenverkehrs voll zu erkennen, sich jederzeit ihrer bewusst zu sein und vernunftgemäss danach zu handeln. Dem hat der Motorfahrzeugführer Rechnung zu tragen, indem er beim Überholen den Sicherheitsabstand so weit bemisst, dass dem Kind nicht jede unbedachte oder ungeschickte Bewegung zum Verhängnis wird. Keinesfalls darf er, ohne die Gewissheit zu haben, dass sein Herannahen auch wirklich wahrgenommen worden ist, knapp rechnen und voraussetzen, das Kind werde nicht, ohne sich umzusehen, seine Richtung ändern und über die Strasse laufen ( BGE 77 IV 37 ). Ein Abstand von bloss 50 cm, wie ihn der Beschwerdeführer einhielt, war den Umständen nicht angemessen. Er war selbst dann offensichtlich ungenügend, wenn anzunehmen ist, Jäggi habe die Kindergruppe mit einer Geschwindigkeit von nur 15 km/h überholt. Der Beschwerdeführer, der es im übrigen auch unterliess zu warnen, hatte nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz keine Gewissheit, dass sein Herannahen von den in der gleichen Richtung gehenden Kindern wahrgenommen worden sei. Umsomehr musste er sich darauf gefasst machen, dass in ihrer Ahnungs- und Sorglosigkeit eines derselben unversehens seine Gehrichtung ändern und der Strassenmitte zustreben kÖnnte. Statt einen möglichst grossen seitlichen Abstand zu gewinnen, wie es sich unter solchen Umständen aufdrängte (vgl. BGE 67 II 55 ), bemass Jäggi den Sicherheitsabstand derart knapp, dass schon zwei bis drei der Strassenmitte zugewandte Schritte eines siebenjährigen Mädchens genügten, um den Zusammenstoss herbeizuführen. Das war pflichtwidrig unvorsichtig. Der Beschwerdeführer handelte damit nicht nur der Vorschrift zuwider, BGE 85 IV 236 S. 239 beim Überholen einen angemessenen Abstand einzuhalten (Art. 25 Abs. 1 Satz 3 MFG), sondern missachtete auch das Gebot, besonders vorsichtig zu fahren und auf die übrigen Strassenbenützer Rücksicht zu nehmen (Art. 46 Abs. 3 MFV; Art. 26 Abs. 4 Satz 2 MFG). Die Vorinstanz stellt fest, Jäggi hätte nach den übereinstimmenden Aussagen mehrerer Zeugen durchaus die Möglichkeit gehabt, einen erheblich grösseren seitlichen Abstand einzuhalten, da ausreichend Platz vorhanden gewesen sei, um weiter nach links auszuholen. Damit erledigt sich die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe nicht weiter nach links ausbiegen können, weil er beim Kreuzen mit dem Lastenzug, dem er nach rechts ausgewichen sei, hinter der Kindergruppe "sozusagen angehalten" habe und daraufhin nicht, ohne zu einem Verkehrshindernis zu werden, sein Fahrzeug mit 45o habe abdrehen und ausspuren können. War dem so, musste er, wie ihm die Vorinstanz zutreffend entgegenhält, mit dem Überholen der Kinder so lange zuwarten, bis er dies in einem grösseren seitlichen Abstand hätte tun können. Ebenso versagt seine Behauptung, der Unfall hätte sich "aller Wahrscheinlichkeit nach" selbst bei einem ausreichend bemessenen Sicherheitsabstand ereignet, da der Umstand, dass das Kind nur zwei bis drei Schritte gegen die Strassenmitte zu tat, darauf zurückzuführen sei, dass ihm nicht mehr Raum zur Verfügung gestanden habe. Nicht nur wird die Hypothese, das Kind hätte noch weitere Schritte nach der Strassenmitte getan, durch die tatsächlichen Annahmen der Vorinstanz nicht gestützt. Sie kann dem Beschwerdeführer auch deshalb nicht helfen, weil sie selbst dann, wenn sie richtig wäre, nur wieder bestätigen könnte, dass beim Überholen namentlich von Kindern der seitliche Abstand nicht zu knapp bemessen werden darf. 2. Mit Recht wirft die Vorinstanz dem Beschwerdeführer vor, er habe, indem er es unterliess zu warnen, auch gegen Art. 20 MFG verstossen. Zwar räumt die Rechtsprechung dem Motorfahrzeugführer in der Beurteilung der Frage, ob eine Signalabgabe notwendig oder überflüssig BGE 85 IV 236 S. 240 erscheine, ein gewisses Ermessen ein und macht ihm aus dem Nichtgebrauch der Warnvorrichtung keinen Vorwurf, wenn beachtliche Gründe ihn zur Auffassung bringen konnten, er brauche sich nicht anzukünden ( BGE 64 I 217 ; BGE 75 IV 186 ). Solche Gründe bestanden für den Beschwerdeführer indessen nicht. Er hatte keine Gewissheit, dass sein Herannahen von den Kindern wahrgenommen worden war. Ihre Blicke waren nicht ihm zugewendet, sondern vorwärts gerichtet und überdies unterhielten sich die Kinder in einem Gespräch, das sie leichthin von der Beobachtung der Strasse und namentlich des hinter ihrem Rücken sich abwickelnden Verkehrs ablenken konnte. Jäggi durfte sich nicht darauf verlassen, sie seien durch das Geräusch des Lastwagens genügend gewarnt worden. Dieses kündete weder den geringen seitlichen Abstand an, mit dem er zu überholen im Begriffe war, noch konnte es an sich anzeigen, dass eine ganz besondere Gefahr drohe. Die Kinder hatten nach ihren von der Vorinstanz als glaubwürdig erachteten Aussagen das Motorengeräusch nicht einmal gehört. Der Beschwerdeführer konnte auch nicht damit rechnen, ein Kind werde sich umsehen, bevor es seine Richtung ändern und allenfalls der Strassenmitte zustreben werde. Er musste wissen, dass Kinder im Alter des Mädchens Bommer oft unbedachte Bewegungen machen, insbesondere dann, wenn sie die ihnen drohende Gefahr nicht erkennen oder von ihr überrascht werden. Eine Signalabgabe war, wie die Vorinstanz mit Recht bemerkt, umso notwendiger, als Jäggi die Kindergruppe in einem ungenügenden seitlichen Abstand überholte. Sie wäre unter den obwaltenden Umständen aber selbst dann geboten gewesen, wenn er den Sicherheitsabstand hinreichend bemessen hätte. 3./5. - .....
3,055
1,214
Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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1,600,041,600,000
2,020
fr
Sachverhalt ab Seite 36 BGE 147 V 35 S. 36 A. A., domicilié à U., marié, père de deux enfants, a été victime en avril 1999 d'un accident de parapente qui a entraîné une tétraplégie complète. La Caisse nationale suisse d'assurance en cas d'accidents (CNA), auprès de laquelle il était assuré au moment des faits, lui a reconnu le droit à une rente entière d'invalidité, à une allocation pour impotent de degré grave, à l'achat de moyens auxiliaires et à une participation aux frais de soins à domicile. La participation aux soins à domicile à partir du 1 er novembre 2012, d'abord arrêtée à 2'858 fr. par mois (décision du 31 octobre 2012) puis à 3'830 fr. BGE 147 V 35 S. 37 par mois (décision sur opposition du 29 avril 2013), a en définitive été arrêtée, après que le Tribunal cantonal du canton de Fribourg eut admis le recours de l'assuré (arrêt du 8 avril 2015) à 4'424 fr. par mois (décision du 29 juin 2015). Le 26 août 2015, A. a fait l'objet d'une chirurgie plastique urétrale, une sonde cystofix ayant été placée directement à travers la paroi abdominale. Dans le cadre de l'instruction du dossier, la CNA a diligenté une enquête sur le déroulement de la journée, laquelle a été réalisée par la Fédération suisse de consultation en moyens auxiliaires (ci-après: la FSCMA) le 26 novembre 2017. Par décision du 15 février 2018, confirmée sur opposition le 27 juin 2018, elle a fixé à 3'236 fr. 42 le montant versé mensuellement dès le 1 er mars 2018 à titre de participation aux frais résultant des soins à domicile. B. Saisie d'un recours de l'assuré contre la décision sur opposition du 27 juin 2018, la I re Cour des assurances sociales du Tribunal cantonal du canton de Fribourg l'a rejeté dans la mesure où il était recevable par jugement du 26 août 2019. C. A. interjette un recours en matière de droit public contre ce jugement, en concluant à sa réforme en ce sens qu'il lui soit octroyé une participation aux soins à domicile de 12'933 fr. 37 par mois dès le 1 er mars 2018 et de 15'532 fr. 95 par mois dès le 1 er janvier 2019. L'autorité précédente déclare n'avoir pas de remarques particulières à formuler sur le recours. L'intimée conclut au rejet du recours. Le recourant a déposé une brève réplique. Le Tribunal fédéral a admis le recours dans la mesure où il était recevable.
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Erwägungen Extrait des considérants: 4. 4.1 Le litige porte sur le montant de la participation de l'intimée aux soins à domicile du recourant dès le 1 er mars 2018. Ce montant a été fixé à 3'236 fr. 42 par mois par la décision sur opposition de la CNA du 27 juin 2018, confirmée par le jugement attaqué, et le recourant conclut à ce qu'il soit fixé à 12'933 fr. 37 par mois dès le 1 er mars 2018. 4.2 Les prestations pour soins en cas d'accident, à savoir les soins médicaux et non médicaux à domicile au sens des art. 10 al. 3 LAA BGE 147 V 35 S. 38 et 18 OLAA (RS 832.202), sont des prestations en nature (cf. art. 14 LPGA ; UELI KIESER, Kommentar zum Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG], 4 e éd. 2020, n° 54 ad art. 14 LPGA ; STÉPHANIE PERRENOUD, in Commentaire romand, Loi sur la partie générale des assurances sociales, 2018, n° 18 ad art. 14 LPGA ; voir également JOHANNA DORMANN, in Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 3 e éd. 2018, n os 42 s. ad art. 105 LTF ), de sorte que l'exception prévue par l'art. 105 al. 3 en relation avec l' art. 97 al. 2 LTF ne s'applique pas ( ATF 140 V 130 consid. 2.1 p. 132). Par conséquent, le Tribunal fédéral ne peut contrôler les constatations de fait de l'instance précédente que dans les limites de l' art. 105 al. 1 et 2 LTF (en relation avec l' art. 97 al. 1 LTF ). Concrètement, cela signifie que le Tribunal fédéral conduit son raisonnement juridique sur la base des faits établis par l'autorité précédente. Il ne peut rectifier ou compléter d'office les constatations de l'autorité précédente que si les faits ont été établis de façon manifestement inexacte - ce qui correspond à la notion d'arbitraire au sens de l' art. 9 Cst. ( ATF 140 III 115 consid. 2 p. 117; ATF 137 II 353 consid. 5.1 p. 356) - ou en violation du droit au sens de l' art. 95 LTF ( art. 105 al. 2 LTF ). Selon la jurisprudence, il y a arbitraire dans l'appréciation des preuves et l'établissement des faits lorsque l'autorité ne prend pas en compte, sans aucune raison sérieuse, un élément de preuve propre à modifier la décision, lorsqu'elle se trompe manifestement sur son sens et sa portée, ou encore lorsque, en se fondant sur les éléments recueillis, elle en tire des constatations insoutenables ( ATF 140 III 264 consid. 2.3 p. 266). 5. 5.1 5.1.1 Selon l' art. 10 al. 3 LAA , dans sa formulation en vigueur depuis le 1 er janvier 2017 - qui a remplacé dans la deuxième phrase la notion de "soins à domicile" par celle d'"aide et de soins à domicile" et a supprimé le passage final selon lequel le Conseil fédéral pouvait définir "la mesure dans laquelle ceux-ci sont couverts" (Message du 30 mai 2008 relatif à la modification de la LAA, FF 2008 4877, spéc. 4907, et Message additionnel du 19 septembre 2014 relatif à la modification de la LAA, FF 2014 7691, spéc. 7715) -, le Conseil fédéral peut définir les prestations obligatoirement à la charge de l'assurance et limiter la couverture des frais de traitement à l'étranger; il peut fixer les conditions que l'assuré doit remplir pour avoir droit à l'aide et aux soins à domicile. BGE 147 V 35 S. 39 Faisant usage de cette délégation de compétence, le Conseil fédéral a édicté l' art. 18 OLAA relatif aux soins à domicile. Selon l'al. 1 (inchangé au 1 er janvier 2017) de cette disposition, l'assuré a droit aux soins médicaux à domicile prescrits par un médecin, à condition qu'ils soient donnés par une personne ou une organisation autorisées, conformément aux art. 49 et 51 OAMal (RS 832.102). Alors que l'al. 2 de l' art. 18 OLAA , dans sa teneur en vigueur avant le 1 er janvier 2017, disposait que l'assureur pouvait, à titre exceptionnel, participer aux frais résultant des soins à domicile donnés par une personne non autorisée, il prévoit désormais que l'assureur participe aux soins médicaux à domicile prescrits par un médecin et dispensés par une personne non autorisée, à condition qu'ils soient donnés de manière appropriée (let. a), ainsi qu'aux soins non médicaux à domicile, à condition qu'ils ne soient pas couverts par l'allocation pour impotent selon l' art. 26 LAA (let. b). 5.1.2 Dans un arrêt paru aux ATF 116 V 41 , rendu sous l'empire de l'ancien art. 18 OLAA , le Tribunal fédéral des assurances avait déjà eu l'occasion de préciser ce qu'il y avait lieu d'entendre par soins à domicile au sens de cette disposition. Cette notion englobe d'abord le traitement médical dispensé à domicile dans un but thérapeutique, appliqué ou ordonné par un médecin (prestations médicales, physiothérapie, ergothérapie, etc.). Elle comprend également les soins médicaux au sens de soins infirmiers, sans action thérapeutique mais qui sont toutefois indispensables au maintien de l'état de santé (par exemple pose de cathéters, traitement de plaies ou perfusions); il s'agit en particulier des mesures médicales au sens de l' art. 21 al. 1 let . d LAA, qui maintiennent, soutiennent, assurent ou remplacent pour ainsi dire les fonctions organiques vitales (cf. la notion d'examens et traitements au sens de l'art. 7 al. 2 let. b de l'ordonnance du 29 septembre 1995 sur les prestations de l'assurance des soins [OPAS; RS 832.112.31]). Une troisième forme de soins à domicile est constituée par les soins non médicaux, soit aussi bien l'aide personnelle fournie à l'intéressé pour les actes ordinaires de la vie (soins corporels, habillage et déshabillage, alimentation; cf. la notion de soins de base au sens de l' art. 7 al. 2 let . c OPAS) que l'aide dans l'environnement de l'assuré (par la tenue du ménage ou l'exécution d'autres tâches courantes; ATF 116 V 41 consid. 5a p. 47; cf. aussi arrêt U 188/02 du 14 mars 2003 consid. 2.2; HARDY LANDOLT, Unfallversicherungsrechtliche Pflegeentschädigung nach Inkrafttreten der Teilrevision, Pflegerecht - Pflegewissenschaft 2017 p. 130-139, spéc. p. 133 s. et 136 s.). BGE 147 V 35 S. 40 5.1.3 La Commission ad hoc sinistres LAA (dans laquelle plusieurs assureurs LAA privés, des caisses-maladie pratiquant l'assurance-accidents obligatoire ainsi que la CNA sont représentés) a été créée en 1984 afin que les divers organismes appliquent la LAA de façon uniforme. Elle émet dans ce but des recommandations (consultables sur le site www.svv.ch ), qui sont publiées avec l'approbation de l'Office fédéral de la santé publique (OFSP). C'est ainsi qu'elle a établi à l'intention des assureurs-accidents une recommandation pour l'application de l' art. 10 al. 3 LAA (Recommandation N° 7/90 du 27 novembre 1990 intitulée "Aide et soins à domicile", révisée le 23 juin 2017), à laquelle il sera fait référence plus loin. Il convient cependant d'emblée de rappeler que les recommandations de la Commission ad hoc sinistres LAA ne sont ni des ordonnances administratives, ni des directives de l'autorité de surveillance aux organes d'exécution de la loi; elles ne créent pas de nouvelles règles de droit; même si elles ne sont pas dépourvues d'importance sous l'angle de l'égalité de traitement des assurés, elles ne lient pas le juge ( ATF 139 I 457 consid. 4.2 p. 460 s.; ATF 134 V 277 consid. 3.5 p. 283 et les références citées). 5.2 Conformément à l' art. 18 OLAA , il convient de distinguer les soins médicaux à domicile prescrits par un médecin qui sont donnés par une personne ou une organisation autorisées ( art. 18 al. 1 OLAA ; cf. consid. 5.2.1 infra), les soins médicaux à domicile prescrits par un médecin qui sont dispensés par une personne non autorisée ( art. 18 al. 2 let. a OLAA ; cf. consid. 5.2.2 infra) et les soins non médicaux à domicile ( art. 18 al. 2 let. b OLAA ; cf. consid. 5.2.3 infra). 5.2.1 Selon l' art. 18 al. 1 OLAA , l'assuré a droit aux soins médicaux à domicile prescrits par un médecin, à condition qu'ils soient donnés par une personne ou une organisation autorisées, conformément aux art. 49 et 51 OAMal . 5.2.1.1 Comme on l'a vu (cf. consid. 5.1.2 supra), la notion de soins médicaux au sens de cette disposition englobe tant le traitement médical dispensé à domicile dans un but thérapeutique que les soins infirmiers (Recommandation N° 7/90 précitée, ch. 1.1 et 1.2). La condition selon laquelle ces soins doivent avoir été prescrits ne doit toutefois pas être comprise dans le sens d'une prescription médicale formelle; il suffit que les mesures médicales qui doivent être appliquées à la maison soient médicalement indiquées ( ATF 116 V 41 consid. 5c p. 48; cf. aussi arrêt U 188/02 du 14 mars 2003 consid. 2.2). BGE 147 V 35 S. 41 5.2.1.2 Dans la mesure où l'assureur-accidents obligatoire doit allouer ses prestations en nature, il doit en principe assumer la totalité des coûts effectifs des prestations assurées selon l' art. 18 al. 1 OLAA , qui au contraire de l' art. 18 al. 2 OLAA ne parle pas d'une "participation"; il doit ainsi rembourser la totalité des coûts effectifs des soins médicaux à domicile dispensés par une personne ou une organisation autorisées au sens des art. 49 (infirmières et infirmiers) et 51 (organisations de soins et d'aide à domicile) OAMal ( ATF 147 V 16 consid. 9.3; LANDOLT, op. cit., p. 134 s.). 5.2.1.3 Lorsque l'assureur-accidents a conclu une convention tarifaire avec l'organisation autorisée dispensant les soins à domicile, le montant de la prise en charge se détermine sur la base de cette convention; pour les infirmiers et infirmières exerçant en tant qu'indépendants qui sont membres de l'Association suisse des infirmiers et infirmières (ASI), c'est la convention tarifaire du 25 octobre 1999 qui s'applique (LANDOLT, op. cit., p. 135). 5.2.2 L' art. 18 al. 2 let. a OLAA dispose que l'assureur participe aux soins médicaux à domicile prescrits par un médecin et dispensés par une personne non autorisée, à condition qu'ils soient donnés de manière appropriée. 5.2.2.1 Contrairement au régime en vigueur avant le 1 er janvier 2017 (cf. consid. 5.1.1 supra), l'assureur a désormais l'obligation de participer aux soins médicaux dispensés par une personne non autorisée (LANDOLT, op. cit., p. 134 s.; MARTINA FILIPPO, in Basler Kommentar, Unfallversicherungsgesetz, 2019, n° 39 ad art. 10 LAA ), à condition qu'ils soient donnés de manière appropriée, cette dernière exigence visant à protéger la personne assurée et à garantir une qualité de soins suffisante (LANDOLT, op. cit., p. 134 s.). Il peut s'agir notamment de proches, de connaissances ou de voisins de l'assuré (LANDOLT, op. cit., p. 136). 5.2.2.2 Au contraire de l' art. 18 al. 1 OLAA , l' art. 18 al. 2 let. a OLAA ne prévoit qu'une "participation" aux soins médicaux dispensés par une personne non autorisée (KASPAR GEHRING, in KVG/UVG Kommentar, 2018, n° 24 ad art. 10 LAA ; Recommandation N° 7/90 précitée, ch. 2.2; LANDOLT, op. cit., p. 136). Cette disposition ne dit rien quant à l'étendue de la participation de l'assureur. Celle-ci peut être fixée sur la base des coûts effectifs assumés par l'assuré, sur la base du manque à gagner effectif de la personne qui dispense les soins ou, indépendamment de ces deux critères, sur la BGE 147 V 35 S. 42 base des coûts qu'occasionnerait le recours à une personne rémunérée selon les conditions du marché du travail (LANDOLT, op. cit., p. 136). La Commission ad hoc sinistres LAA propose de calculer le tarif horaire en se référant au tableau 1 LSE actualisé (T1 skill level), position 86-88 (santé et affaires sociales), niveau de compétences 2 (Recommandation N° 7/90 précitée, ch. 2.2), ce qui, adapté à l'horaire usuel dans les entreprises en 2016, donne un tarif horaire de 30 fr. en 2016, indexé à 30 fr. 12 en 2017 et à 30 fr. 27 en 2018 (cf. le site www.koordination.ch /de/online-handbuch/uvg/hilfe-und-pflege-zu-hause). 5.2.3 L' art. 18 al. 2 let. b OLAA dispose que l'assureur participe aux soins non médicaux à domicile, à condition qu'ils ne soient pas couverts par l'allocation pour impotent selon l' art. 26 LAA . 5.2.3.1 Comme pour les soins médicaux dispensés par une personne non autorisée (cf. consid. 5.2.2 supra), l'assureur a désormais l'obligation de participer aux soins non médicaux à domicile (LANDOLT, op. cit., p. 136), à condition qu'ils ne soient pas couverts par l'allocation pour impotent selon l' art. 26 LAA . Ces soins peuvent être dispensés aussi bien par une personne ou une organisation autorisée au sens de l' art. 18 al. 1 OLAA que par une personne ou une organisation non autorisée au sens de l' art. 18 al. 2 let. a OLAA (LANDOLT, op. cit., p. 137). 5.2.3.2 En ce qui concerne l'étendue de la participation de l'assureur, elle peut ici aussi (cf. consid. 5.2.2.2 supra) être fixée sur la base des coûts occasionnés par le recours à une personne rémunérée selon les conditions du marché du travail (LANDOLT, op. cit., p. 137; cf. Recommandation N° 7/90 précitée, ch. 2.3). La Commission ad hoc sinistres LAA propose de calculer le tarif horaire en se référant au tableau 1 LSE actualisé (T1 skill level), position 86-88 (santé et affaires sociales), niveau de compétences 1 (Recommandation N° 7/90 précitée, ch. 2.3), ce qui, adapté à l'horaire usuel dans les entreprises en 2016, donne un tarif horaire de 27 fr. 06 en 2016, indexé à 27 fr. 17 en 2017 et à 27 fr. 30 en 2018 (cf. le site www.koordination.ch /de/online-handbuch/uvg/hilfe-und-pflege-zu-hause). 5.2.3.3 Conformément à l' art. 18 al. 2 let. b OLAA , l'assureur ne doit participer aux soins non médicaux à domicile qu'à condition que ceux-ci ne soient pas couverts par l'allocation pour impotent selon l' art. 26 LAA . Il y a ainsi lieu d'examiner concrètement pour chaque acte de soin si et dans quelle mesure il entre dans l'aide ou BGE 147 V 35 S. 43 la surveillance (cf. arrêt 8C_457/2014 du 5 septembre 2014 consid. 3.2) couvertes par l'allocation pour impotent (arrêt 8C_1037/2012 du 12 juillet 2013 consid. 7.2 à 7.4). 6. 6.1 En l'espèce, les premiers juges ont constaté que pour fixer à 3'236 fr. 42 par mois le montant de la participation aux soins à domicile du recourant, la CNA s'était fondée sur un rapport de la FSCMA du 26 novembre 2017 relatif au déroulement de la journée du recourant. Ce rapport avait été réalisé par B., titulaire d'un diplôme d'assistante en soins et santé communautaire, au domicile du recourant, en présence de ce dernier, de son épouse, de l'infirmière responsable et d'un collaborateur de la CNA. Il consistait en un examen, suivant le fil de la journée, des prestations d'aide et de soin effectuées. Chaque geste était décrit brièvement (avec notamment les gestes effectués, leurs motifs spécifiques et les éventuels risques) et se voyait indiquer l'auteur (famille et/ou service de soins à domicile) ainsi que sa fréquence journalière et hebdomadaire. Lorsqu'il n'était pas estimé que le geste était déjà indemnisé par le biais de l'allocation pour impotent, il était également précisé le temps de réalisation (en minutes) qui est attribué aux "soins médicaux spéciaux" (par opposition aux soins non médicaux réputés indemnisés par l'allocation pour impotent). Sur la base de ce rapport, la CNA avait établi un tableau récapitulatif, du 15 février 2018, distinguant chacune des prestations relevées par l'enquêtrice selon qu'il s'agissait d'"examens et traitements" ou de "soins de base", selon une distinction fondée sur l'art. 7 al. 2 let. b et let. c OPAS. Au vu du tarif différent applicable, ces prestations étaient par ailleurs séparées par auteur, soit d'une part le service de soins à domicile (tarif horaire de 83 fr. pour les examens et traitements et de 76 fr. pour les soins de base) et d'autre part l'épouse (tarif horaire de 30 fr. pour les examens et traitements et de 27 fr. pour les soins de base). Ce tableau récapitulatif comptabilisait ainsi des prestations d'examens et traitements (cf. art. 7 al. 2 let. b OPAS ) effectuées à hauteur de 40,04 minutes par jour (soit 4,67 heures par semaine ou 243,60 heures par année) par le service de soins à domicile et à hauteur de 15,29 minutes par jour (soit 1,78 heures par semaine ou 92,99 heures par année) par l'épouse, ainsi que des soins de base (cf. art. 7 al. 2 let . c OPAS) dispensés à hauteur de 25 minutes par jour (soit 2,91 heures par semaine ou 152,08 heures par BGE 147 V 35 S. 44 année) par le service de soins à domicile et de 26 minutes par jour (soit 3,03 heures par semaine ou 158,17 heures par année) par l'épouse. 6.2 La juridiction cantonale a en outre constaté que le recourant proposait une autre évaluation du déroulement de sa journée, se prévalant de l'avis de ParaHelp, entité rattachée au Centre suisse des paraplégiques de Nottwil (CSP), qui se chargeait de son suivi médical. Il avait produit un rapport établi le 13 mars 2018 par deux enquêteurs - respectivement infirmière et infirmier - qui avaient passé la matinée à son domicile, suivi les soins exécutés par une personne de l'organisme de soins à domicile et par une infirmière et discuté avec l'assuré et l'infirmière de référence. Ce rapport listait et minutait, en formulant diverses remarques explicatives, les prestations effectuées par le service de soins à domicile et par l'épouse pour un total de 38,54 heures par semaine. Les besoins étaient divisés entre prestations d'évaluation, conseil et coordination (cf. art. 7 al. 2 let. a OPAS ), effectuées à hauteur de 0,50 heure par le service de soins à domicile, examens et traitements (cf. art. 7 al. 2 let. b OPAS ), effectués à hauteur de 6,83 heures par le service de soins à domicile et de 2,68 heures par l'épouse, et soins de base (cf. art. 7 al. 2 let . c OPAS), dispensés à hauteur de 17 heures par le service de soins à domicile et de 9,41 heures par l'épouse. S'y ajoutaient des prestations ''pas dans la liste", effectuées à hauteur de 0,75 heure par le service de soins à domicile et de 1 heure par l'épouse. 6.3 Faisant leur l'argumentation de la CNA, les premiers juges ont retenu que l'évaluation de la FSCMA était davantage apte à servir de base de décision que celle de ParaHelp, au motif que cette dernière comprenait des opérations qui n'étaient pas des soins à domicile au sens de l' art. 18 OLAA (telles que "l'évaluation, les conseils et la coordination") et des prestations ne figurant ''pas dans la liste". Deuxièmement, elle prenait en compte des gestes déjà totalement ou partiellement compris dans l'allocation pour impotent (tels que "toilette complète", "toilette partielle", "toilette intime", "soins des ongles", "brosser les dents", "aide à l'habillage", "aider à boire", "aider à manger/à s'alimenter", "lever/coucher" ou "accompagner à l'extérieur du logement"), qui ne pouvaient être indemnisés deux fois. Troisièmement, elle dépassait les prestations facturées par le service de soins à domicile, dans la mesure où elle retenait des prestations à hauteur de plus de 25 heures par semaine (soit environ 617 heures pour six mois) effectuées par le service de soins à BGE 147 V 35 S. 45 domicile, alors que ce service avait, dans ses "évaluations des soins requis", déclaré des prestations entre 432 et 456 heures par semestre. 7. Dans un premier grief, le recourant se plaint d'une violation du droit fédéral par la juridiction cantonale en tant qu'elle aurait procédé à une interprétation erronée de l' art. 18 al. 2 OLAA . Selon lui, l' art. 18 al. 2 OLAA exige la participation entière de l'assureur-accidents aux soins médicaux et non médicaux, sous réserve du cas de la surindemnisation pour les seconds. 7.1 De jurisprudence constante, la loi s'interprète en premier lieu selon sa lettre (interprétation littérale). Si le texte n'est pas absolument clair, si plusieurs interprétations sont possibles, il convient de rechercher la véritable portée de la norme, en la dégageant de tous les éléments à considérer, soit notamment des travaux préparatoires (interprétation historique), du but de la règle, de son esprit, ainsi que des valeurs sur lesquelles elle repose, singulièrement de l'intérêt protégé (interprétation téléologique) ou encore de sa relation avec d'autres dispositions légales (interprétation systématique). Le Tribunal fédéral ne privilégie aucune méthode d'interprétation, mais s'inspire d'un pluralisme pragmatique pour rechercher le sens véritable de la norme; il ne se fonde sur la compréhension littérale du texte que s'il en découle sans ambiguïté une solution matériellement juste ( ATF 145 IV 17 consid. 1.2 p. 18 s.; ATF 144 V 313 consid. 6.1 p. 316 et les références citées). 7.2 Le libellé de l' art. 18 al. 2 OLAA , à savoir que l'assureur "participe" aux soins à domicile, qu'ils soient médicaux ou non médicaux, ne donne pas d'indication claire sur l'étendue de la prise en charge par l'assureur-accidents desdits soins. En d'autres termes, le texte ne permet pas d'emblée de conclure que l'assureur doit couvrir partiellement seulement les soins à domicile prévus par l' art. 18 al. 2 OLAA ni, à l'inverse, qu'il doit prendre en charge l'entier des soins médicaux à domicile dispensés par une personne non autorisée et l'entier des soins non médicaux à domicile qui ne sont pas couverts par l'allocation pour impotent. 7.3 Dans sa teneur en vigueur avant le 1 er janvier 2017, l' art. 18 OLAA ne distinguait pas entre les soins médicaux à domicile et les soins non médicaux à domicile; il distinguait uniquement entre les soins à domicile prescrits par un médecin et donnés par une personne ou une organisation autorisée au sens des art. 49 et 51 de l'OAMal (ancien art. 18 al. 1 OLAA ) et les soins à domicile BGE 147 V 35 S. 46 donnés par une personne non autorisée (ancien art. 18 al. 2 OLAA ). L'assuré disposait d'un droit aux premiers tandis que les seconds étaient soumis au pouvoir d'appréciation de l'assureur, lequel pouvait participer à leur financement à titre exceptionnel. Désormais, dans le titre et aux al. 1 et 2 de l' art. 18 OLAA dans sa teneur en vigueur depuis le 1 er janvier 2017, le terme de "soins à domicile" ("Hauspflege") est remplacé, comme dans l' art. 10 al. 3 LAA , par celui d'"aide et de soins à domicile" ("Hilfe und Pflege zu Hause"). En outre, une clarification terminologique est apportée, à tout le moins dans le texte allemand, en ceci que le terme de "soins" (ou "Pflege") est réservé au traitement médical de l'assuré, tandis que celui d'"aide" (ou "Hilfe") désigne l'assistance non médicale apportée à celui-ci, traduite en français par "soins non médicaux". Dans laversion italienne, il est distingué entre les "cure mediche", l'"assistenza medica" et l'"assistenza non medica". 7.4 S'agissant de la prise en charge proprement dite des soins par l'assureur, la participation volontaire aux frais résultant de l'aide et des soins à domicile donnés par une personne non autorisée a été abandonnée dans le cadre de la modification de l' art. 18 al. 2 OLAA . En lieu et place, le droit aux prestations lorsque la personne non autorisée prodigue les soins médicaux à domicile de manière appropriée est inscrit dans l'ordonnance ( art. 18 al. 2 let. a OLAA ). Le droit à une participation aux frais d'aide non médicale à domicile, lorsque ceux-ci ne sont pas couverts par une allocation pour impotent, est également inscrit dans l'ordonnance ( art. 18 al. 2 let. b OLAA ). Ce qui a changé en substance depuis le 1 er janvier 2017, c'est qu'il existe désormais un droit de l'assuré à bénéficier de prestations non seulement pour les soins (médicaux) dispensés par une personne autorisée ( art. 18 al. 1 OLAA ) mais également pour les soins (médicaux) dispensés par une personne non autorisée ( art. 18 al. 2 let. a OLAA ) et pour l'aide à domicile ( art. 18 al. 2 let. b OLAA ). Pour ces deux derniers, il existe un droit à une participation financière de l'assureur, laquelle est donc obligatoire et ne dépend plus de son bon vouloir. Autre est en revanche la question de savoir dans quelle mesure l'assureur doit prendre en charge les coûts de ces différents soins. 7.5 Dans son message relatif à la révision de la LAA du 1 er janvier 2017, le Conseil fédéral indique qu'en tant que la loi (cf. art. 10 al. 3 dans sa teneur en vigueur avant le 1 er janvier 2017) l'autorisait à fixer les conditions auxquelles l'assuré avait droit aux soins à domicile et la mesure dans laquelle ceux-ci étaient couverts, cette BGE 147 V 35 S. 47 réglementation était contraire aux conventions internationales auxquelles la Suisse avait adhéré et qu'il ne pouvait de ce fait pas limiter l'octroi de soins à domicile lorsque l'assuré remplissait les conditions du droit à ces prestations. En effet, selon le Code européen de Sécurité sociale du 16 avril 1964 (CESS; RS 0.831.104) et la convention n° 102 de l'Organisation Internationale du Travail du 28 juin 1952 concernant la norme minimum de la sécurité sociale (RS 0.831.102; ci-après: Convention OIT n° 102), les soins médicaux comprennent les soins infirmiers, soit à domicile, soit dans un hôpital ou dans une autre institution médicale. Aux termes de ces conventions, les soins à domicile doivent être pris en charge sans que l'on puisse exiger une participation de l'assuré à leurs coûts (cf. Message du 30 mai 2008 relatif à la modification de la LAA, FF 2008 4877, 4894 et 4907, et Message additionnel du 19 septembre 2014 relatif à la modification de la LAA, FF 2014 7691, 7703 et 7715). Dans la mesure où le Conseil fédéral se réfère dans son Message aux conventions CESS et OIT n° 102, on relèvera que sous la partie VI "Prestations en cas d'accidents du travail et de maladies professionnelles", ces conventions prévoient, à leurs art. 34 respectifs, que les prestations doivent comprendre les soins médicaux mentionnés aux par. 2 et 3 du présent article. Les soins médicaux mentionnés aux art. 34 de ces deux conventions comprennent notamment les soins de praticiens de médecine générale et de spécialistes à des personnes hospitalisées ou non hospitalisées, y compris les visites à domicile (par. 2 let. a), les soins d'infirmières, soit à domicile, soit dans un hôpital ou dans une autre institution médicale (par. 2 let. c), les soins fournis par un membre d'une autre profession légalement reconnue comme connexe à la profession médicale, sous la surveillance d'un médecin ou d'un dentiste (par. 2 let. f), ainsi que les soins de praticiens de médecine générale, y compris les visites à domicile (par. 3 let. a). Les deux conventions ne comprennent ni la notion de soins dispensés par des personnes non autorisées (telles que les membres de la famille), ni la notion de soins non médicaux au sens d'une aide à domicile. Aussi, il découle de ce qui précède que seul le traitement médical dispensé à domicile dans un but thérapeutique, prescrit par un médecin et donné par une personne ou une organisation autorisée, doit être entièrement pris en charge par l'assureur. En tant qu'il ne prévoit qu'une participation aux soins médicaux à domicile prescrits par un médecin et dispensés par une personne non autorisée (let. a) et aux soins non médicaux à domicile (let. b), BGE 147 V 35 S. 48 l' art. 18 al. 2 OLAA est également compatible avec la CESS et la Convention OIT n° 102. 7.6 Au regard des considérants qui précèdent, seuls les soins médicaux à domicile dispensés par une personne autorisée au sens de l' art. 18 al. 1 OLAA sont pris en charge par l'assureur sans que l'on puisse exiger une participation de l'assuré à leurs coûts. Pour les soins médicaux et non médicaux au sens de l' art. 18 al. 2 OLAA , une contribution de l'assureur est prévue et peut être fixée sur la base des coûts effectifs assumés par la personne assurée, sur la base du manque à gagner effectif de la personne qui dispense les soins ou, indépendamment de ces deux critères, sur la base des coûts qu'occasionnerait le recours à une personne rémunérée selon les conditions du marché du travail (cf. consid. 5.2.2 et 5.2.3 supra). 8. Dans un deuxième grief, le recourant se plaint d'une constatation manifestement inexacte des faits pertinents, consécutive à une mauvaise appréciation des preuves. Il soutient que le rapport d'enquête de la FSCMA sur lequel s'est fondée la juridiction cantonale ne répondrait pas aux réquisits jurisprudentiels auxquels la jurisprudence soumet la valeur probante de ce type d'expertise; tel serait en revanche le cas du rapport de ParaHelp, de sorte que c'est sur les conclusions de ce dernier que la juridiction cantonale aurait dû retenir la quotité des soins à domicile. Il reproche plus particulièrement à l'enquêtrice de la FSCMA de ne pas avoir minuté certains soins dont elle estimait qu'ils étaient déjà indemnisés par le biais de l'allocation pour impotent ainsi que d'avoir réduit le minutage d'autres soins par rapport au temps indiqué par le personnel soignant et l'épouse du recourant, et ce sans explications, faisant ainsi preuve d'arbitraire. Il reproche en outre à la CNA d'avoir ignoré des domaines très importants de ses besoins en soins, comme l'alimentation ou les soins corporels de base. 8.1 A l'instar des principes développés en matière d'allocation pour impotent, une coopération étroite et complémentaire entre le médecin et l'administration est nécessaire pour déterminer les besoins en matière d'aide et de soins à domicile. Le premier doit indiquer dans quelle mesure les fonctions physiques ou mentales de la personne assurée sont limitées par l'affection. L'assureur peut procéderà d'autres clarifications sur place, de sorte que, en cas d'incertitudes sur les troubles physiques et mentaux et/ou leurs effets quotidiens, les questions aux médecins spécialistes ne sont pas seulement BGE 147 V 35 S. 49 permises mais nécessaires. Il convient en outre de prendre en considération les indications des personnes prodiguant les soins, en mentionnant le cas échéant dans le rapport les opinions divergentes des participants. Le contenu du rapport doit être plausible, motivé etdétaillé s'agissant de l'aide nécessitée pour chacun des actes ordinaires de la vie ainsi que s'agissant des faits permettant d'admettre la nécessité d'une surveillance personnelle ou de soins permanents. Il doit par ailleurs correspondre aux constatations faites sur place. Si le rapport d'enquête satisfait à ces exigences, il est pleinement probant et le tribunal n'intervient dans le pouvoir d'appréciation de la personne qui procède à l'enquête - laquelle est plus au fait de la situation concrète qu'un tribunal statuant sur recours - que s'il existedes erreurs d'appréciation clairement établies ( ATF 133 V 450 consid. 11.1.1 p. 468; arrêt 8C_1037/2012 du 12 juillet 2013 consid. 6.1). 8.2 En l'espèce, la juridiction cantonale a retenu que le rapport d'enquête de la FSCMA était peu lisible et qu'il aurait été plus clair que l'enquête cite le temps nécessaire pour l'ensemble des gestes puis indique lesquels étaient pris en compte ou pas dans le calcul du droit aux prestations, comme c'était apparemment le cas dans les nouvelles enquêtes réalisées par la FSCMA. Elle a néanmoins estimé que le rapport était suffisant pour statuer sur le droit aux prestations du recourant dans la mesure où il procédait à la distinction entre les prestations qui étaient déjà indemnisées par le biais de l'allocation pour impotent (par exemple l'installation sur le côté, la douche, l'habillage, le nettoyage des fesses, certains transferts, la préparation des médicaments), sans indication du temps de réalisation, et celles qui ne l'étaient pas (par exemple certains déplacements, l'installation dans le fauteuil roulant ou l'installation sur le lit lors de la sieste et le soir), avec indication du temps nécessaire. Ainsi, au vu des activités décrites (telles que "installation sur le côté", "doucher, sécher dans la chaise de douche", "vêtir", "nettoyer les fesses", "mettre des bas de compression", ou encore différents transferts), on pouvait déduire que les activités non prises en compte dans le calcul du besoin d'aide correspondaient "à une part raisonnable de l'allocation pour impotent". Force est toutefois de constater qu'un tel procédé ne permet pas à l'assureur et au tribunal d'apprécier l'ampleur des opérations ainsi décrites, ni de disposer des indications nécessaires à la fixation du montant de la prise en charge au cas où il s'avérerait que, contrairement à l'appréciation de l'évaluatrice, les opérations en question BGE 147 V 35 S. 50 ne sont pas couvertes par l'allocation pour impotent. En l'occurrence, certaines opérations indiquées comme étant indemnisées par l'allocation pour impotence grave sont effectivement couvertes par celle-ci, telles que la douche, l'habillage, ou la préparation des médicaments. En revanche, l'installation sur le côté en vue de l'administration d'un suppositoire (Bulboid liquid), qui est spécifiquement liée à cet acte médical, n'est pas couverte par l'allocation pour impotence grave, contrairement à l'appréciation de l'enquêtrice de la FSCMA. Aussi, en se fondant tout de même sur ce rapport lacunaire pour statuer sur l'étendue de la participation de l'assureur aux frais résultant des soins à domicile, arguant que l'on pouvait déduire que les activités non prises en compte dans le calcul du besoin d'aide correspondaient à une part raisonnable de l'allocation pour impotent, la juridiction cantonale a fait preuve d'arbitraire dans la constatation des faits pertinents et a violé le droit fédéral. 8.3 S'agissant de la critique du recourant ayant trait à la réduction arbitraire du minutage du poste "vidanges vésicales" et celui de "lavage de vessie" par l'enquêtrice de la FSCMA, la juridiction cantonale a constaté que celle-ci se basait le plus souvent sur les informations données par le recourant, l'épouse de celui-ci et l'infirmière responsable pour fixer la durée des soins. Ce n'était que lorsqu'elle était en désaccord avec ces informations qu'elle procédait à sa propre évaluation. Dans ce dernier cas, il fallait admettre, selon les premiers juges, qu'elle ne donnait que peu de détails sur son raisonnement. Ainsi, pour le poste "vidanges vésicales", elle se contentait d'indiquer un calcul de "4 min. pour vider l'urine moyennant la soupape Flip-Flow". De même, elle calculait 15 minutes pour le poste "lavage de vessie" alors que le personnel soignant indiquait une durée de 25 minutes, affirmant seulement que cela "ne se justifiait pas à [son] avis". La juridiction cantonale a néanmoins retenu l'évaluation de l'enquêtrice de la FSCMA, au motif que le temps de 4 minutes correspondait à l'acte médical proprement dit uniquement, soit en l'occurrence la vidange urinaire. Quant aux actes accessoires invoqués par le recourant, à savoir se désinfecter les mains, lever les habits, remettre les habits en place et (re)positionner le patient sur le fauteuil roulant, les premiers juges ont retenu qu'ils ne semblaient pas avoir été ignorés par l'enquêtrice mais pris en compte sous d'autres postes, sauf lorsqu'ils avaient été considérés comme indemnisés par le biais de l'allocation pour impotent. En l'espèce, l'enquête de la FSCMA permettait, selon les juges cantonaux, de distinguer BGE 147 V 35 S. 51 clairement l'acte médical pris en charge au titre de l' art. 18 al. 1 OLAA (la vidange urinaire) des autres prestations pour lesquelles il n'y avait qu'une participation ( art. 18 al. 2 OLAA ). 8.4 En tant que l'enquêtrice de la FSCMA s'est contentée de calculer "4 min. pour vider l'urine moyennant la soupape Flip-Flow" alors que le personnel soignant et l'épouse du recourant - tout comme le rapport de ParaHelp du 13 mars 2018 - indiquaient 15 minutes, cette réduction, nullement motivée, est arbitraire et aurait dû amener les premiers juges à s'écarter sur ce point de l'évaluation de l'enquêtrice et à retenir le temps effectif, comprenant les opérations accessoires nécessaires invoquées par le recourant telles que se désinfecter les mains, lever les habits, remettre les habits en place et (re)positionner le patient sur le fauteuil roulant, dès lors que celles-ci sont indissociables de l'acte médical en cause. Contrairement à ce que semble penser l'autorité cantonale, on ne saurait faire abstraction de ces opérations au motif qu'il s'agirait d'actes accessoires non médicaux pour lesquels l' art. 18 al. 2 OLAA ne prévoit qu'une "participation". En effet, un acte médical est pris en charge soit au titre de l' art. 18 al. 1 OLAA , soit au titre de l' art. 18 al. 2 let. a OLAA , selon qu'il est dispensé par une personne autorisée ou non autorisée. Dans les deux cas cependant, il convient de déterminer le temps nécessaire pour l'acte médical (acte technique et gestes accessoires liés à cedernier) afin de pouvoir calculer la prise en charge par l'assureur, respectivement l'étendue de sa participation. En l'espèce, il ressort des constatations des premiers juges que la "vidange vésicale" constitue un acte médical au sens de l' art. 18 al. 1 OLAA , de sorte que le temps nécessaire à sa réalisation doit entièrement être pris en chargepar l'assureur ( ATF 147 V 16 consid. 9.3). Il en va de même s'agissant de l'acte médical "lavage de vessie" - dont la qualification de soin médical n'est pas remise en cause - pour lequel le personnel soignant et l'épouse du recourant indiquaient un temps de 25 minutes et le rapport de ParaHelp un temps de 30 minutes alors que l'enquêtrice de la FSCMA a réduit ce temps à 15 minutes, sans précisions. En tant que l'enquête de la FSCMA réduit le temps nécessaire pour effectuer certains actes médicaux à leur seule composante technique, elle ne peut pas, sur ce point, servir de base pour le calcul des prestations. 9. Le recourant conteste encore la qualification de certains soins ("mobilisation", "soins corporels" et "soins des ongles") comme "soins de base" par l'intimée, estimant pour sa part que dans le cas d'une BGE 147 V 35 S. 52 tétraplégie, lesdits soins devraient être considérés comme des "traitements", soit des soins médicaux. 9.1 La juridiction cantonale a considéré qu'il n'y avait pas lieu d'approfondir plus avant cette question au motif que le rapport de ParaHelp, sur lequel se fondait le recourant, ne permettait pas de catégoriser individuellement ces différents soins selon qu'il s'agissait de soins médicaux de type "examens et traitements" (cf. art. 7 al. 2 let. b OPAS ), de soins médicaux de type "soins de base" (cf. art. 7 al. 2 let . c OPAS) ou de soins non médicaux. 9.2 9.2.1 S'agissant du volet mobilisation, le recourant prétend que les installations, les transferts et les mobilisations sont complexes et délicats en raison du risque de chute lié à la spasticité. En outre, un mauvais positionnement entraîne un risque de décubitus ou de contractures. Il se fonde sur un arrêt 8C_1037/2012 consid. 7.4.1 déjà cité, dans lequel le Tribunal fédéral aurait reconnu que ce type d'installations constitue des soins médicaux. Dans l'arrêt 8C_1037/2012 rendu sous l'ancien droit, le Tribunal fédéral a constaté que la CNA avait reconnu que la mobilisation de l'assuré, à raison de 30 minutes par jour, devait être prise en charge au titre de l' art. 18 al. 1 OLAA , à savoir en tant que soin médical (cf. consid. 5.1.1). Le Tribunal fédéral avait confirmé cela, ajoutant que si la mobilisation nocturne de l'assuré dans son lit nécessitait de changer les draps mouillés par la sueur, ce geste faisait également partie des soins médicalement indiqués. Il en allait de même, selon le Tribunal fédéral, de l'installation de l'assuré aux fins de se nourrir ou de suivre un traitement respiratoire (cf. consid. 7.4.1). Il découle de ce qui précède que la mobilisation d'une personne tétraplégique correspond à un soin médical au sens de l' art. 18 al. 1 OLAA si elle est médicalement indiquée. En l'occurrence, il ressort des constatations cantonales que ces soins ont été pris en compte par l'intimée au titre de soins de base au sens de l' art. 7 al. 2 let . c OPAS et rémunérés à un tarif moins élevé que s'ils avaient été qualifiés de soins médicaux (examens et traitements au sens de l' art. 7 al. 2 let. b OPAS ), alors même que la mobilisation active/passive afin d'apaiser les spasmes et le positionnement adéquat de l'assuré dans son fauteuil roulant ont été qualifiés de soins médicaux spéciaux par l'enquêtrice de la FSCMA. Cette manière de faire est contraire à l' art. 18 OLAA . En ne s'écartant pas du calcul des BGE 147 V 35 S. 53 prestations de soins effectué par la CNA sur ce point, la juridiction cantonale a violé le droit fédéral. 9.2.2 En ce qui concerne les soins corporels ou d'hygiène, il y a lieu d'admettre, à l'instar de ce qu'ont retenu les premiers juges, que le rapport de ParaHelp ne permet pas de distinguer selon qu'il s'agit de soins médicaux ou de soins non médicaux, voire de soins non médicaux déjà couverts par l'allocation pour impotent sous l'angle de l'acte "faire sa toilette" ou "aller aux WC". Pour autant, la juridiction cantonale ne pouvait pas s'abstenir d'instruire ce point en arguant que les allégations du recourant se fondaient sur un rapport non probant. En l'occurrence, le recourant nécessite des soins médicaux particuliers en raison de troubles de l'évacuation urinaire et intestinale. La toilette intime devant être faite après ces soins dépasse ainsi la simple assistance pour vérifier l'hygiène, qui est couverte par l'allocation pour impotent sous l'angle de l'acte "aller aux toilettes" (cf. ch. 8021 de la circulaire de l'Office fédéral des assurances sociales [OFAS]sur l'invalidité et l'impotence dans l'assurance-invalidité [CIIAI], valable dès le 1 er janvier 2015 [état: 1 er janvier 2018]). Elle doit par conséquent également être prise en chargepar l'assureur en vertu de l'art. 18 al. 1 ou de l' art. 18 al. 2 OLAA dans la mesure où elle n'est pas couverte par l'allocation pour impotent. Quant à la pose de bas de compression, ce geste ne saurait en tous les cas pas être considéré comme déjà couvert par l'allocation pour impotent sous l'angle de l'acte "se vêtir et se dévêtir". Il doit en revanche être pris en charge comme un soin médical ou non médical, pour lequel une participation de l'assureur est prévue par l' art. 18 al. 2 OLAA . Il conviendra également sur ce point de renvoyer la cause à l'intimée pour qu'elle requalifie ce soin et fixe le montant de sa participation. 9.2.3 S'agissant enfin du soin des ongles, il s'agit typiquement d'un soin corporel non médical au sens de l' art. 18 al. 2 let. b OLAA qui n'est pas couvert par l'allocation pour impotent dès lors qu'il va au-delà de l'acte ordinaire quotidien "faire sa toilette", par lequel on entend se laver, se coiffer, se raser, prendre un bain ou se doucher (cf. ch. 8020 CIIAI). Il conviendra également sur ce point de renvoyer la cause à l'intimée afin qu'elle tienne compte de ce besoin en soin et fixe l'étendue de sa participation. 9.3 Il appert ainsi que l'évaluation de la FSCMA présente un certain nombre de lacunes, en ce sens qu'elle ne permet pas d'évaluer BGE 147 V 35 S. 54 l'entier des besoins en soins et de fixer le montant de la prise en charge, par l'assureur-accidents, des soins à domicile qui ne sont pas couverts par l'allocation pour impotent selon l' art. 26 LAA . Quant à l'évaluation de ParaHelp, si elle est certes plus détaillée que celle de la FSCMA en ce qui concerne le besoin en soins du recourant, elle ne saurait servir de base de décision en tant que telle. En effet, alors que les circonstances n'ont pas significativement changé, elle aboutit à un montant de prise en charge (12'933 fr. 37 par mois) trois fois plus élevé que celui fixé en 2015 par la CNA (4'424 fr. par mois), que le recourant n'avait pas contesté. Ce dernier ne démontre par ailleurs pas comment il est possible que l'évaluation à quelque 25 heures par semaine des prestations effectuées par le service de soins à domicile - lesquelles ne comprennent pas les prestations effectuées par l'épouse du recourant, mentionnées en sus à raison de 13 heures par semaine - dépasse de plus de 35 % les indications données par ledit service lui-même. 9.4 Il résulte de ce qui précède que le jugement du 26 août 2019 et la décision sur opposition du 27 juin 2018 doivent être annulés et la cause renvoyée à la CNA pour qu'elle ordonne un complément d'enquête et rende une nouvelle décision sur la prise en charge des soins à domicile du recourant au sens de l' art. 18 OLAA .
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Sachverhalt ab Seite 643 BGE 142 III 643 S. 643 A. Par jugement du 14 juin 2013, le Tribunal des prud'hommes du canton de Genève a condamné A. à verser à B. plusieurs montants totalisant x fr., en exécution du contrat de travail les ayant liés. Aucun recours n'a été interjeté. BGE 142 III 643 S. 644 B. Le 2 août 2014, à la requête de B., l'Office des poursuites du canton de Genève a notifié à A. un commandement de payer (poursuite n o x) fondé sur le jugement précité. La poursuivie n'a pas formé opposition. Le 9 février 2015, B. a requis la continuation de la poursuite par la voie de la saisie, notamment des avoirs de A. en mains de la Banque C. SA à Genève (ci-après: la Banque). (...) Le 18 août 2015, l'Office a adressé à la Banque "un avis concernant la saisie d'une créance ( art. 99 LP )", selon lequel il déclarait saisir auprès de cette dernière tous les avoirs dont la débitrice serait la titulaire et prévenait cet établissement qu'il ne pourrait désormais plus s'acquitter qu'en mains de l'office. Il s'en est suivi un échange de courriers entre la débitrice poursuivie et ses représentants, le créancier poursuivant et l'Office sur la saisissabilité des avoirs bancaires visés (...), la première faisant valoir son immunité diplomatique. Le 30 septembre 2015, l'Office a décidé de "maintenir la saisie du compte détenu par A. auprès de la banque", motif pris que les avoirs bancaires (...) n'étaient pas clairement affectés à des buts concrets d'utilité publique qui auraient emporté l'immunité d'exécution alléguée par la débitrice poursuivie. Le même jour, il a adressé à cette dernière un avis la convoquant le 15 octobre 2015, dans ses locaux, pour l'exécution de la saisie. Le 4 février 2016, la Chambre de surveillance des offices des poursuites et faillites du canton de Genève a rejeté la plainte (...) interjetée par A. contre la décision de l'Office du 30 septembre 2015 de "maintenir la saisie" du compte litigieux. (...) C. Le Tribunal fédéral a déclaré irrecevable le recours en matière civile de A. (extrait)
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Erwägungen Extrait des considérants: 1. Le Tribunal fédéral examine d'office et librement la recevabilité des recours qui lui sont soumis ( ATF 141 II 113 consid. 1). 1.1 Sous réserve des hypothèses de l' art. 17 al. 3 LP , seule une mesure de l'office (art. 17 s. LP) est susceptible d'une plainte à l'autorité cantonale (supérieure) de surveillance. La recevabilité du recours au Tribunal fédéral ( art. 19 LP en relation avec l' art. 72 al. 2 let. a LTF ) BGE 142 III 643 S. 645 suppose que la décision de l'autorité cantonale (supérieure) de surveillance statue sur les conclusions formulées contre une telle mesure (arrêt 5A_308/2011 du 8 septembre 2011 consid. 1.1 et les références). 1.2 Pour juger de la recevabilité du recours, le Tribunal fédéral ne se fonde pas sur l'intitulé du prononcé entrepris, mais sur son contenu ( ATF 136 III 200 consid. 2.3.3). Il n'est pas lié par une entrée en matière ou une non-entrée en matière de l'autorité cantonale (cf. arrêt 5A_579/2014 du 18 août 2014 consid. 1, non publié aux ATF 140 III 529 ; ATF 116 Ia 396 consid. 1; cf. aussi: arrêt 5P.127/1997 du 6 août 1997 consid. 1b, non publié aux ATF 123 II 419 ). 2. 2.1 Il convient préalablement de qualifier "l'avis concernant la saisie d'une créance ( art. 99 LP )" envoyé à la Banque le 18 août 2015, selon lequel l'Office déclarait saisir auprès de cette dernière les avoirs de la débitrice poursuivie et prévenait cet établissement qu'il ne pourrait désormais s'acquitter qu'en mains de l'office. Selon l' art. 99 LP , lorsque la saisie porte sur une créance, le préposé prévient le tiers débiteur qu'il ne pourra désormais plus s'acquitter qu'en mains de l'office. Cet avis ne constitue pas une saisie. Celle-ci consiste en effet dans la déclaration par laquelle l'office signifie au débiteur poursuivi, sous la menace des sanctions pénales, que certains biens sont mis sous main de justice et donc soustraits à sa libre disposition (art. 96 al. 1 in fine LP; ATF 109 III 11 consid. 2; ATF 107 III 67 consid. 1). L'avis donné au tiers détenteur ou débiteur des créances saisies est une simple mesure de sûreté qui a pour effet d'obliger le tiers à ne se dessaisir de la chose ou à ne s'acquitter de son dû qu'en mains de l'office, à l'exclusion de toute autre remise directe au débiteur poursuivi. Autrement considéré, il a pour effet d'empêcher que ce dernier ne se fasse remettre des actifs détenus par le tiers et ne les soustraie ainsi à l'exécution ( ATF 115 III 109 consid. 2a; ATF 109 III 11 consid. 2; ATF 107 III 67 consid. 1 et les arrêts cités). L'avis au tiers débiteur de l' art. 99 LP suppose une saisie valablement exécutée ( ATF 134 III 177 consid. 3.3). Pour pouvoir procéder à la saisie, l'office est toutefois tenu de faire les investigations nécessaires auprès des tiers qui détiennent des biens appartenant au débiteur poursuivi; il ne peut en effet exécuter valablement la saisie qu'après avoir reçu de la sorte les renseignements lui permettant d'individualiser de manière suffisante les biens à mettre sous main de BGE 142 III 643 S. 646 justice. Ces démarches pouvant prendre un certain temps, la jurisprudence a admis que l'office peut, si les circonstances l'exigent et à certaines conditions, préparer la saisie et sauvegarder les intérêts du créancier par une mesure conservatoire bloquant de manière globale les actifs du débiteur détenus par certains, l'exécution de la saisie et l'avis au débiteur ( art. 90 LP ) intervenant dès l'obtention des informations permettant d'individualiser les actifs du débiteur en mains de tiers. La mesure de sûreté ainsi prise, avant même que le poursuivi n'ait été avisé de la saisie, l'est à titre de mesures provisionnelles ( ATF 115 III 41 consid. 2; ATF 107 III 67 consid. 2; ANDRÉ A. LEBRECHT, in Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, vol. I, 2 e éd. 2010, n° 9 ad art. 99 LP ; NICOLAS DE GOTTRAU, in Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, n ° 9 ad art. 99 LP ). En l'espèce, l'avis du 18 août 2015 a été adressé à la Banque. L'Office y ordonne la saisie des comptes de la débitrice poursuivie et prévient l'établissement bancaire qu'il ne pourra plus s'exécuter qu'en mains de l'office. Or, la débitrice poursuivie n'a été avisée que le 30 septembre 2015 que la saisie serait exécutée le 15 octobre suivant. L'avis du 18 août 2015 apparaît ainsi clairement comme une mesure de sûreté selon l' art. 99 LP prise à titre provisionnel. 2.2 La décision du 30 septembre 2015, contre laquelle la plainte a été formée, a été rendue à la suite d'un échange d'écritures entre l'Office et la débitrice poursuivie ainsi que ses représentants, celle-là contestant la saisissabilité de ses biens au regard de l' art. 92 al. 1 ch. 11 LP (immunité d'exécution). Le prononcé maintient la saisie ordonnée dans l'avis précité du 18 août 2015. 3. 3.1 Par "mesure" de l'office au sens des art. 17 s. LP, il faut entendre tout acte d'autorité accompli par l'office ou par un organe de la poursuite en exécution d'une mission officielle dans une affaire concrète ( ATF 129 III 400 consid. 1.1; ATF 128 III 156 consid. 1c et les références). L'acte de poursuite doit être de nature à créer, modifier ou supprimer une situation du droit de l'exécution forcée dans l'affaire en question ( ATF 129 III 400 consid. 1.1). En d'autres termes, il doit s'agir d'un acte matériel qui a pour but la continuation ou l'achèvement de la procédure d'exécution forcée et qui produit des effets externes (parmi l'abondante casuistique: ATF 116 III 91 consid. 1). 3.2 En l'espèce, dès lors qu'il ordonnait la saisie à titre provisionnel des comptes de la recourante auprès de la Banque, il ne fait aucun BGE 142 III 643 S. 647 doute que l'avis selon l' art. 99 LP notifié le 18 août 2015 ne constituait pas seulement un avis ou une déclaration d'ordre général (cf. ATF 116 III 91 consid. 1; ATF 85 III 90 consid. 2), mais une mesure de l'office au sens de l' art. 17 LP susceptible de plainte. Le fait qu'il n'indiquait pas les voies de droit est sans importance, cette obligation échéant "aux autorités cantonales de surveillance", et non à l'office, à teneur de l' art. 20a al. 2 ch. 4 LP (arrêts 5A_934/2012 du 12 mars 2013 consid. 3.1; 5A_65/2012 du 23 janvier 2012 qui se réfère à l'arrêt 7B.75/2006 du 6 juillet 2006 consid. 2.2.2). D'un autre côté, la décision du 30 septembre 2015 de maintenir cette saisie provisionnelle ne saurait être considérée comme une nouvelle décision indépendante. Il n'appert pas qu'il y ait eu des éléments nouveaux de nature à modifier l'appréciation antérieure de l'office ( ATF 35 I 208 consid. 1; cf. par exemple: ATF 133 II 580 ). A cet égard, la question de l'immunité d'exécution ne saurait être qualifiée de circonstance nouvelle, la qualité d'Etat étranger de la débitrice poursuivie étant connue de l'Office qui avait déjà vu une de ses décisions être contestée sous l'angle de l'immunité de juridiction. La décision du 30 septembre 2015 n'apparaît que comme la simple confirmation d'une décision déjà prise antérieurement, à savoir de la saisie ordonnée à titre provisionnel le 18 août 2015. Or, selon la jurisprudence, une décision de l'office refusant de revenir sur une mesure prise antérieurement par lui n'est pas le point de départ d'un nouveau délai de plainte et ne constitue pas une nouvelle décision susceptible de plainte ( ATF 29 I 233 consid. 2; ATF 113 III 26 consid. 1; arrêt 7B.72/1998 du 24 avril 1998 consid. 1; LORANDI, Betreibungsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeit, Kommentar zu den Artikeln 13-30 SchKG, 2000, n os 48, 54 et 326 ad art. 17 LP ). Il en découle que la "décision" du 30 septembre 2015 ne pouvait faire l'objet d'une plainte, laquelle aurait dû être déposée, en temps utile, contre l'avis du 18 août 2015. 3.3 L'autorité de surveillance, qui a méconnu ces considérations, a jugé que la plainte avait été déposée contre une nouvelle décision indépendante et, partant, l'a rejetée au fond. Le Tribunal fédéral n'est toutefois pas lié par cette entrée en matière (cf. supra, consid. 1.2). Comme il n'y a pas de décision attaquable au fond, le recours en matière civile au Tribunal fédéral est irrecevable (cf. supra, consid. 1.1). En outre, il n'y a pas lieu de corriger l'arrêt entrepris qui rejette la plainte au lieu de la déclarer irrecevable, faute d'un intérêt démontré ou manifeste à cette correction (cf. ATF 112 III 1 ). (...)
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Sachverhalt ab Seite 21 BGE 143 III 21 S. 21 A. A.a Entre le 3 décembre 2009 (...) et le 31 mars 2011, X. (ci-après: l'employée) a été engagée, dans un premier temps, par la Clinique A. SA, puis par la Clinique B. Sàrl en qualité de secrétaire et de réceptionniste. Les deux sociétés (SA et Sàrl; ci-après: les employeuses) sont liées par un contrat de société simple. L'employée recevait un salaire de 4'875 fr. brut par mois (treizième salaire compris). Il est établi que l'employée a reçu son congé le 24 janvier 2011, avec effet au 31 mars 2011. Le 21 mars 2011, l'employée a contesté le motif du licenciement et, par courrier du 5 mai 2011, elle a informé son employeuse de ce qu'elle était enceinte. BGE 143 III 21 S. 22 A cet égard, il a été retenu que la conception de l'enfant (ou fécondation de l'ovule; Befruchtung ) a eu lieu avant le 31 mars 2011 à minuit. L'enfant est né le 23 décembre 2011. A.b L'employée est d'avis que le début de sa grossesse doit être fixé (au plus tard) au 31 mars 2011, que, partant, elle peut bénéficier de la période de protection prévue en cas de grossesse ( art. 336c al. 1 let . c CO), que, en tenant compte d'une période de 16 semaines après l'accouchement, la fin des rapports de travail est ainsi reportée au 30 avril 2012 et qu'elle a droit au salaire convenu jusqu'à cette date. Les employeuses soutiennent que le début de la grossesse correspond à l'implantation (ou nidation; Einnistung ) de l'oeuf dans l'utérus (cette étape intervenant, selon les constatations cantonales, six à sept jours après la fécondation), qu'au 31 mars 2011 l'employée n'était donc pas encore enceinte, qu'elle ne peut bénéficier de la période de protection de l' art. 336c al. 1 let . c CO (en lien avec l'art. 336c al. 2, 2 e phrase, CO) et que le contrat a pris fin le 31 mars 2011. B. B.a Le 9 janvier 2012, l'employée a déposé une demande en paiement contre les employeuses devant le Tribunal des prud'hommes. Elle a conclu à ce que celles-ci soient condamnées à lui verser le montant de 63'375 fr. (4'875 fr. x 13) à titre de salaire du 1 er avril 2011 au 30 avril 2012. B.b La procédure a été limitée à la question de la fin des rapports de travail. Par jugement du 15 octobre 2014, le Tribunal des prud'hommes a reconnu que la grossesse était antérieure au 31 mars 2011 à minuit et retenu que la fin des rapports de travail devait être fixée au 30 avril 2012. La Cour de justice, par arrêt du 30 avril 2015 (soit la décision incidente qui tranche la question litigieuse), a confirmé le jugement de première instance et, par arrêt du 9 juin 2015, le Tribunal fédéral a déclaré irrecevable le recours formé par les employeuses, au motif qu'il s'agissait d'une décision préjudicielle et que les conditions d'un recours immédiat ( art. 93 al. 1 let. b LTF ) n'étaient pas réalisées. B.c Par jugement du 7 janvier 2016, le Tribunal des prud'hommes a condamné conjointement et solidairement les employeuses à verser à leur partie adverse le montant de 57'565 fr. et elle les a invitées à opérer les déductions sociales et légales usuelles. BGE 143 III 21 S. 23 Par arrêt du 7 juin 2016, la Cour de justice a confirmé ce jugement. (...) Le Tribunal fédéral a rejeté le recours en matière civile formé par les défenderesses contre cet arrêt. (extrait)
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. Il s'agit exclusivement de déterminer le dies a quo de la période de grossesse, en tant que période de protection contre les congés prévue à l' art. 336c al. 1 let . c CO (en lien avec l'art. 336c al. 2, 2 e phrase, CO). Les défenderesses considèrent que cette période débute au moment de l'implantation de l'ovule fécondé dans l'utérus, alors que la demanderesse soutient qu'elle correspond au jour où l'ovule est fécondé. Il s'agit en l'espèce de trancher le litige exclusivement dans la perspective d'une fécondation naturelle. La question du point de départ d'une grossesse induite par une fécondation in vitro (cf. art. 2 let . c de la loi fédérale du 18 décembre 1998 sur la procréation médicalement assistée [LPMA]; RS 810.11) peut rester ouverte. 2.1 Il résulte de l' art. 336c al. 1 let . c CO que l'employeur ne peut pas, après le temps d'essai, résilier le contrat pendant la grossesse et au cours des seize semaines qui suivent l'accouchement. 2.1.1 Cette disposition ne contient aucune indication sur le début de la période de grossesse. Dans le Message, le législateur l'a désigné en faisant référence à la conception de l'enfant (ou, autrement dit, à la fécondation de l'ovule), le Conseil fédéral précisant qu'il n'y a pas de "certitude immédiate sur le moment de la conception" (Message du 9 mai 1984 concernant l'initiative populaire "pour la protection des travailleurs [...] et la révision des dispositions sur la résiliation du contrat de travail" [...], FF 1984 II 574, 630 ch. 620.9; sur l'équivalence entre les notions de "fécondation" et de "conception", cf., entre autres auteurs, STÉPHANIE PERRENOUD, La protection de la maternité, Etude de droit suisse, international et européen, 2015, n. 39 p. 5). Cette incertitude ne concerne toutefois que la détermination du moment précis de la conception et on ne saurait en tirer un quelconque argument pour remettre en question le critère de la conception (fécondation) auquel se réfère expressément le législateur. 2.1.2 La doctrine unanime reconnaît que le début de la grossesse coïncide avec la fécondation (PERRENOUD, op. cit., p. 5, et les BGE 143 III 21 S. 24 nombreux auteurs cités aux notes 49 et 50; WYLER/HEINZER, Droit du travail, 3 e éd. 2014, p. 689; ADRIAN STAEHELIN, Zürcher Kommentar, 4 e éd. 2014, n ° 12 ad art. 336c CO ; JÜRG BRÜHWILER, Einzelarbeitsvertrag: Kommentar, 3 e éd. 2014, n ° 4 ad art. 336c CO ; FLORENCE AUBRY GIRARDIN, in Commentaire du contrat de travail, 2013, n ° 34 ad art. 336c CO ; implicitement: STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar, 7 e éd. 2012, n ° 9 ad art. 336c CO ; REHBINDER/STÖCKLI, Berner Kommentar, 2 e éd. 2014, n ° 4 ad art. 336c CO , qui, faisant pourtant référence à la fécondation de l'ovule [ Befruchtung der Eizelle ] emploient également dans ce contexte - de manière erronée - le terme de "nidation"). 2.2 A noter que la notion de grossesse (en particulier son point de départ) contenue à l' art. 336c al. 1 let . c CO revêt un sens différent de celle utilisée dans le Code pénal ( art. 118-120 CP ). Pour le droit pénal, la grossesse débute non pas au moment de la fécondation, mais lors de l'implantation de l'ovule fécondé dans l'utérus (ou nidation). En matière pénale, l'interprétation donnée à la notion de grossesse (et en particulier à son point de départ) a pour but de ne pas soumettre au champ d'application des art. 118 ss CP les méthodes contraceptives faisant obstacle à la nidation de l'ovule fécondé (PERRENOUD, op. cit., p. 6; BERNARD CORBOZ, Les infractions en droit suisse, 3 e éd. 2010, n ° 11 ad art. 118 CP ). 2.3 C'est ainsi à juste titre que la cour cantonale a considéré que, dans un cas d'application de l' art. 336c al. 1 let . c CO, la grossesse débutait au moment de la fécondation de l'ovule (conception de l'enfant) et non, comme pour l'infraction pénale réprimée à l' art. 118 CP , au moment de l'implantation. Les arguments des recourantes, qui visent à rattacher le début de la grossesse au moment de l'implantation, n'infirment pas cette interprétation. 2.3.1 On ne saurait les suivre lorsqu'elles tentent de tirer argument du fait que "ni le Conseil fédéral, ni les auteurs de doctrine ne se sont en réalité prononcés sur la distinction scientifique entre le moment de la fécondation de l'ovule et celui de son implantation dans l'utérus". Force est en effet de constater que le Conseil fédéral a explicitement fait référence à la conception (ou fécondation). Dans le Message adressé au Parlement, il n'avait alors aucune raison de fournir des éclaircissements supplémentaires sur les étapes postérieures (comme celle de l'implantation). BGE 143 III 21 S. 25 Quant à l'argument selon lequel les auteurs de doctrine, en ne se prononçant pas expressément "sur la distinction scientifique" entre le moment de la fécondation et celui de l'implantation, auraient été dans l'impossibilité d'entreprendre un "choix motivé", il est hors de propos. Il demeure en effet que les auteurs, ayant identifié la volonté du législateur, ont relevé que le moment déterminant était celui de la conception (ou fécondation). 2.3.2 Les recourantes insistent sur un passage de l'expertise judiciaire dans lequel son auteur signale que ce n'est qu'une fois que l'oeuf fécondé s'est implanté dans l'utérus "qu'une femme peut être considérée comme enceinte et qu'un test de grossesse peut être positif". Elles estiment que l'expert a ainsi, avec "une clarté aveuglante", défini le début de la grossesse et que "le bon sens et la sécurité juridique commandent de faire correspondre la date du début d'une grossesse au sens de l' art. 336c al. 1 let . c CO avec celle retenue par la médecine". Cet argument, basé sur cette unique affirmation de l'expert judiciaire, ne convainc pas. Contrairement à ce que prétendent les recourantes, il n'est pas clairement établi que le corps médical attribuerait à la notion de grossesse un sens différent de celui donné par le législateur à l' art. 336c al. 1 let . c CO. L'avis de l'expert judiciaire ne permet pas de l'affirmer puisqu'il est ambigu à cet égard. S'il fait référence à l'implantation dans l'utérus, il laisse également entendre que le corps médical fixe le point de départ au moment de la fécondation, notamment pour calculer le terme de la grossesse (cf. également PERRENOUD, op. cit., p. 5 et le renvoi au Dictionnaire médical cité à la note n. 49). Il n'est quoi qu'il en soit pas nécessaire, ni même souhaitable, de faire correspondre le début de la grossesse dans les différents domaines (médecine, droit civil et droit pénal) évoqués dans la présente affaire, vu les contextes différents dans lesquels la notion de grossesse s'inscrit: - Pour la médecine, il importe, d'une part, d'établir scientifiquement l'existence d'une grossesse (ce qui, selon les constatations cantonales, ne peut être fait qu'à partir de l'implantation, date à laquelle il est possible de détecter une hormone spécifique dans l'urine ou le sang de la femme enceinte) et, d'autre part (dans la perspective d'établir le déroulement de la grossesse), d'en fixer le terme en partant de la fécondation (en moyenne le 14 e jour à partir des dernières règles BGE 143 III 21 S. 26 [calcul en semaines de grossesse]) ou du premier jour des dernières règles (calcul en semaines d'aménorrhée). - Pour l' art. 336c al. 1 let . c CO, il ne s'agissait pas pour le législateur de reprendre le moment auquel il était possible, d'un point de vue scientifique, d'établir l'état de grossesse, mais bien de désigner le début de la période de protection au moyen d'un critère reconnaissable pour les destinataires concernés. Le législateur a alors fixé le début de la protection au moment de la fécondation, ce rattachement (comme celui, intimement lié, basé sur l'aménorrhée) étant notoirement utilisé dans la pratique des médecins, en particulier en vue de communiquer à la femme enceinte (en faveur de laquelle le législateur a rédigé la disposition légale) le terme (projeté) de son accouchement. - Pour le droit pénal, le critère de l'implantation a été retenu afin de permettre la sanction de l'interruption de grossesse (au sens de l' art. 118 CP ) tout en excluant de la portée de cette infraction les méthodes de contraception alors connues. 2.3.3 Enfin, les avis doctrinaux dont se prévalent les recourantes ne leur sont d'aucune aide. Le premier ouvrage, duquel les recourantes tirent un avis favorable à leur thèse, ne fait que mentionner "le début de la grossesse qu'il est facile d'établir avec les moyens scientifiques actuels" (BRUNNER ET AL., in Commentaire du contrat de travail, 3 e éd. 2004, n ° 9 ad art. 336c CO ). Les auteurs n'indiquent toutefois pas comment déterminer ce point de départ et on ne saurait, même de manière implicite, inférer du passage mis en évidence par les recourantes l'expression d'un quelconque avis sur la question litigieuse. En ce qui concerne le second commentaire cité, les recourantes s'appuient sur l'affirmation selon laquelle "la femme est protégée contre un licenciement dès qu'elle est enceinte, soit dans tous les cas dès qu'elle est en mesure de l'annoncer" (SUBILIA/DUC, Droit du travail, 2010, n ° 41 ad art. 336c CO p. 598). Force est toutefois de constater que, dans le passage contenant cet extrait, les auteurs ne visent pas spécifiquement le point de départ de la protection, mais qu'ils indiquent quand la femme (enceinte) est tenue d'informer son employeur. En ce qui concerne le point de départ, les auteurs ont d'ailleurs affirmé, quelques lignes plus haut dans un passage ignoré par les recourantes, qu'il coïncidait avec la date de la conception (SUBILIA/DUC, op. cit., n° 39 ad art. 336c CO ). BGE 143 III 21 S. 27 2.3.4 Dans une dernière critique, les recourantes tentent de démontrer que le rattachement au critère de la fécondation ( dies a quo de la période de grossesse) serait source d'insécurité ou d'instabilité juridique. A cet égard, elles évoquent la possibilité qu'un ovule fécondé ne parvienne pas à s'implanter dans l'utérus pour mettre en évidence qu'une femme pourrait alors revendiquer le fait d'être juridiquement en état de grossesse, alors qu'elle ne l'aurait jamais été d'un point de vue médical. L'argumentation est sans consistance. D'une part, les recourantes partent de la prémisse - erronée (cf. supra consid. 2.3.2) - que, de l'avis du corps médical, le début de la grossesse ne peut être que rattaché à l'implantation. D'autre part, elles reconnaissent qu'il s'agit là, dans la perspective d'une fécondation naturelle (cf. supra consid. 2 2 e par.), d'un raisonnement purement théorique (puisqu'elles n'expliquent pas comment la femme concernée pourra prouver que son ovule a été fécondé, mais qu'il n'a pas pu s'implanter), impropre à démontrer que l'intention du législateur serait différente de celle qui a été reprise de manière unanime par la doctrine. Il n'y a donc pas lieu de s'attarder sur les diverses explications fournies par les recourantes dans cette perspective. Leurs critiques se révèlent dès lors mal fondées. (...)
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CH_BGE_005_BGE-143-III-21_2017-01-26
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Sachverhalt ab Seite 367 BGE 138 V 366 S. 367 A. K. (geb. 1951) arbeitete bis Ende des Jahres 2000 bei der Z. AG; dadurch war er bei der Pensionskasse Z. vorsorgeversichert. Auf den 1. Januar 2001 trat er im Rahmen der Abspaltung einer Geschäftseinheit zur Firma Y. AG (heute: X. AG) und damit zu deren Pensionskasse über. Auf den 1. Februar 2011 wurde K. vorzeitig pensioniert. Im Hinblick darauf teilte ihm die Pensionskasse der X. AG am 17. Januar 2011 mit, neben einer Altersrente in Höhe von Fr. 3'739.- werde ab Februar 2011 bis zur Vollendung des 65. Altersjahrs eine Zusatzrente von Fr. 1'000.- monatlich ausgerichtet. B. Nachdem K. gegenüber der Vorsorgeeinrichtung erfolglos den Standpunkt vertreten hatte, es stehe ihm eine höhere Zusatzrente zu, erhob er beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt Klage mit den Rechtsbegehren, die Vorsorgeeinrichtung sei zu verurteilen, ihm die reglementarische Zusatzrente in der Höhe von Fr. 1'500.- statt Fr. 1'000.- auszuzahlen. Hinsichtlich der bereits ausbezahlten Renten seien Nachzahlungen von je Fr. 500.- nebst Zins zu 5 Prozent seit jeweiliger Fälligkeit zu entrichten. Das kantonale Gericht sprach K. mit Wirkung ab Februar 2011 für die Dauer von fünf Jahren eine um Fr. 500.- erhöhte BGE 138 V 366 S. 368 reglementarische Zusatzrente nebst Zins von 5 Prozent auf den nachzuzahlenden monatlichen Betreffnissen ab jeweiliger Fälligkeit zu (Entscheid vom 21. November 2011). C. Die Pensionskasse der X. AG führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Rechtsbegehren, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Klage abzuweisen. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. K. lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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334
Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Der Beschwerdegegner hat Jahrgang 1951. Das seit Januar 2010 gültige Vorsorgereglement der Pensionskasse der X. AG (nachfolgend: Reglement 2010) sieht in seinen Übergangsbestimmungen für Mitglieder mit Jahrgang 1951 und älter, welche per 1. Januar 2001 aus der Pensionskasse Z. übernommen worden sind, eine im normalen oder frühzeitigen Pensionsalter zahlbare Altersrente in mindestens dem Betrag vor, wie er im ab dem 1. Januar 2001 wirksamen Reglement der Pensionskasse Z. vorgesehen gewesen wäre. Dieselbe Regelung gilt für die Leistungen im Todes- oder Invaliditätsfall sowie für die (allfällige) Überbrückungsrente (bis zum Einsetzen einer AHV-Altersrente). Im Übrigen haben die in den Geltungsbereich der Übergangsbestimmung fallenden Versicherten bei Frühpensionierung Anspruch auf eine Zusatzrente (zur Altersrente der beruflichen Vorsorge bis zum Erreichen des ordentlichen AHV-Rentenalters) gemäss dem Reglement der Z., wobei die Höhe der vollen Zusatzrente für Mitglieder mit Jahrgang 1951 jährlich Fr. 12'000.- beträgt (Art. 51 Ziff. 1 und 2). Damit weicht das Reglement 2010 vom erwähnten Reglement der Z. sowie von den eigenen Vorgängerreglementen 2003 und 2007 unter anderem insoweit ab, als in diesen für alle aus der Pensionskasse Z. übergetretenen Versicherten noch eine jährliche Zusatzrente von Fr. 18'000.- stipuliert wurde. In den Reglementen der Vorsorgeeinrichtung der X. AG 2003 (Art. 45) und 2007 (Art. 51) wurde in den Übergangsbestimmungen betreffend diejenigen Mitglieder, die per Ende 2000 der Pensionskasse Z. angeschlossen waren, auf das damalige Reglement der Z. verwiesen. Die Reglemente 2003 und 2007 enthielten zudem Änderungsklauseln, welche BGE 138 V 366 S. 369 wohlerworbene Rechte und die Übergangsbestimmungen von der Abänderbarkeit ausnahmen (Art. 43 resp. Art. 49). 2.2 Das kantonale Gericht gab dem klägerischen Begehren statt. Es erwog, dem Kläger sei nach den Reglementen 2003 und 2007 eine Zusatzrente in der im Reglement der Pensionskasse Z. von 2001 vorgesehenen Mindesthöhe von Fr. 18'000.- zugesichert gewesen. Die Aufhebung von Besitzstandspositionen ehemaliger Z.-Mitarbeiter folge der im Bericht eines Unternehmensberaters ausgesprochenen Empfehlung, die vorhandene Unterdeckung mit strukturellen Massnahmen anzugehen. Diese wirtschaftlichen Gründe rechtfertigten die Änderung in Art. 51 Ziff. 2 des Reglements 2010 indessen nicht. Die in den Übergangsbestimmungen der Reglemente 2003 und 2007 enthaltenen Zusicherungen betreffend Zusatzrenten führten zu wohlerworbenen Rechten, weil sich die Reglemente diesbezüglich selber für unabänderlich erklärt hätten. Die Beklagte verteidige die strittige Reglementsänderung unter Berufung auf die clausula rebus sic stantibus. Doch erscheine das Beharren des Klägers auf dem vormals zugesicherten Leistungsumfang auch angesichts des aus der Unterdeckung (infolge von Kurseinbrüchen am Kapitalmarkt) sich ergebenden Sanierungsbedarfs nicht als rechtsmissbräuchlich. Das Argument der Beklagten, die Entwertung von Anlagen am Kapitalmarkt sei im erlebten Ausmass nicht vorhersehbar gewesen, begründe ebenfalls nicht die Heranziehung der clausula rebus sic stantibus. 2.3 Es ist unbestritten, dass die fragliche Zusatzrente der weitergehenden Vorsorge angehört. Ebenso ist unbestritten, dass sie sowohl im Bestand als auch in der Höhe qualifiziert zugesichert war. Zu prüfen ist, ob die beschwerdeführende Vorsorgeeinrichtung die Zusatzrente in dem auf Januar 2010 geänderten Reglement trotzdem herabsetzen durfte. 3. Die berufliche Vorsorge beruht auf dem Kapitaldeckungsverfahren; eine Vorsorgeeinrichtung kann daher nicht (auf Dauer) Leistungen erbringen, die mit dem vorhandenen Kapital nicht finanzierbar sind ( BGE 135 V 382 E. 10.5 S. 401). Die Vorsorgeeinrichtungen müssen jederzeit Sicherheit dafür bieten, dass sie die übernommenen Verpflichtungen erfüllen können ( Art. 65 Abs. 1 BVG [SR 831.40]). Bei Unterdeckung sind sie daher verpflichtet, Sanierungsmassnahmen zu treffen ( Art. 65d Abs. 1 BVG ). Eine Unterdeckung besteht, wenn das verfügbare Vorsorgevermögen das versicherungstechnisch notwendige Vorsorgekapital nicht deckt (vgl. Art. 44 Abs. 1 der BGE 138 V 366 S. 370 Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [BVV 2; SR 831.441.1] ). Massnahmen zur Behebung einer Unterdeckung müssen auf einer reglementarischen Grundlage beruhen und der besonderen Situation der Vorsorgeeinrichtung, insbesondere den Vermögens- und Verpflichtungsstrukturen wie den Vorsorgeplänen und der Struktur und der zu erwartenden Entwicklung des Bestandes der Versicherten sowie der Rentnerinnen und Rentner Rechnung tragen. Sie müssen verhältnismässig, dem Grad der Unterdeckung angemessen und Teil eines ausgewogenen Gesamtkonzeptes sein. Sie müssen zudem geeignet sein, die Unterdeckung innerhalb einer angemessenen Frist zu beheben ( Art. 65d Abs. 2 BVG ). 4. Die Rechtsbeziehungen zwischen versichertem Arbeitnehmer und privater Vorsorgeeinrichtung werden im Bereich der weitergehenden beruflichen Vorsorge durch den Vorsorgevertrag geregelt. Auf diesen von der Lehre und Rechtsprechung den Innominatverträgen sui generis zugeordneten Vertrag ist der Allgemeine Teil des Obligationenrechts anwendbar ( Art. 1-183 OR ). Reglement oder Statuten stellen den vorformulierten Inhalt des Vorsorgevertrages dar, vergleichbar Allgemeinen Vertrags- oder Versicherungsbedingungen, denen sich der Versicherte konkludent, durch Antritt des Arbeitsverhältnisses und unwidersprochen gebliebene Entgegennahme von Versicherungsausweis und Vorsorgereglement, unterzieht. Bei der Anwendung von statutarischen und reglementarischen Bestimmungen im weitergehenden Vorsorgebereich ist zu berücksichtigen, dass die Vorsorgeeinrichtungen in der Ausgestaltung der Leistungen und deren Finanzierung grundsätzlich autonom sind ( Art. 49 BVG ). Dabei haben sie jedoch das Gebot der Rechtsgleichheit, das Willkürverbot und das Verhältnismässigkeitsprinzip zu beachten. Die Rechte der Versicherten dürfen nur so weit beschränkt werden, als dies für die sachgerechte Durchführung des Vorsorgeverhältnisses erforderlich ist ( BGE 134 V 223 E. 3.1 S. 227 mit Hinweisen; vgl. unten E. 6.1). Das Reglement einer Vorsorgeeinrichtung kann im weitergehenden Bereich nur dann einseitig, ohne Einverständnis des Destinatärs, abgeändert werden, wenn sie sich diese Möglichkeit in einer Klausel vorbehält, die vom Destinatär bei Abschluss des Vorsorgevertrags ausdrücklich oder stillschweigend gebilligt worden ist. Eine Änderung von Statuten oder Reglement ist grundsätzlich zulässig, soweit die neue Regelung mit dem Gesetz vereinbar und nicht willkürlich BGE 138 V 366 S. 371 ist, nicht zu einer ungleichen Behandlung der versicherten Personen führt sowie deren wohlerworbene Rechte nicht beeinträchtigt ( BGE 137 V 105 E. 6.1 S. 109 mit Hinweisen). 5. Die beschwerdeführende Vorsorgeeinrichtung nimmt an, mit der Unterdeckung sei eine nicht voraussehbare Äquivalenzstörung eingetreten. Damit sei (in Anwendung der clausula rebus sic stantibus) die Voraussetzung für eine einseitige Anpassung der einschlägigen reglementarischen Bestimmungen gegen den Willen des Versicherten gegeben. 5.1 Eine vertragliche Vereinbarung kann gegen den Willen einer Partei angepasst werden, wenn infolge einer - im Zeitpunkt des Vertragsschlusses - unvorhersehbaren und unvermeidbaren grundlegenden und ausserordentlichen Veränderung der Umstände eine gravierende Störung der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung eintritt ( BGE 135 III 1 E. 2.4 S. 9; BGE 127 III 300 E. 5b S. 304), so dass ein Beharren des Gläubigers auf seinem Vertragsanspruch "geradezu eine wucherische Ausbeutung des Missverhältnisses und damit einen offenbaren Rechtsmissbrauch darstellt, der nach Art. 2 Abs. 2 ZGB keinen Rechtsschutz findet" ( BGE 107 II 343 S. 348). 5.2 Der Beschwerdegegner macht zu Recht geltend, dass die zivilrechtliche clausula rebus sic stantibus nicht zum Tragen kommt, weil die Veränderung der Verhältnisse seit dem Vertragsschluss (hier die Begründung des reglementarischen Vorsorgeverhältnisses) nicht unvorhersehbar war. Die Beschwerdeführerin bringt vor, bei Stipulierung der reglementarisch zugesicherten strittigen Leistung sei das Ausmass der Kurseinbrüche in den Anlagemärkten, wie sie im Verlauf des letzten Jahrzehnts eingetreten seien, unvorstellbar gewesen. Wohl zeigen Statistiken, dass nach periodisch auftretenden Krisen an den Finanzmärkten regelmässig Phasen der Erholung und des Aufschwungs folgten (vgl. etwa J.P. Morgan Asset Management, Guide to the Markets, 4Q 2011, S. 15). Doch kam es auch schon in der Vergangenheit wiederholt vor, dass es längere Zeit dauerte, bis die Börsen nur schon wieder dasjenige Niveau erreicht hatten, auf welchem sie sich vor den Rückschlägen befunden hatten. So verhielten sich beispielsweise die Börsen während der Weltwirtschaftskrise der beginnenden Dreissigerjahre und auch in den Kriegs- und Nachkriegsjahren bis 1948 äusserst unstet. Auch während der Ölkrise in den Jahren 1972 bis 1985 durchliefen die Märkte eine lange Phase der Baisse und Stagnation. Dies zeigt, dass die Finanzkrisen der BGE 138 V 366 S. 372 vergangenen Jahre im historischen Vergleich keinesfalls einzigartig sind. Unbestreitbar ist, dass die wiederholten Erschütterungen der Märkte das finanzielle Fundament der beruflichen Vorsorge schwächten. Das Ausmass der Wertschwankungen in den letzten Jahren erscheint jedoch nicht derart aussergewöhnlich und singulär, dass es schlicht nicht erwartet werden konnte. Die finanziellen Schwierigkeiten (Unterdeckungen) der Pensionskassen folgen ausserdem nicht nur aus dem Verlauf der Anlagemärkte; grossen Einfluss auf den Deckungsgrad hat auch die in den Grenzen von Gesetz und Verordnung ( Art. 71 Abs. 1 BVG ; Art. 49 ff. BVV 2 ) gewählte Anlagestrategie. Die - auf Ausnahmefälle zu beschränkende - Voraussetzung der Nichtvorhersehbarkeit einer Äquivalenzstörung ist daher nicht gegeben. 6. Die weitergehende berufliche Vorsorge hat insofern eine hybride Rechtsnatur, als sie grundsätzlich privatrechtlich geregelt ist, indes auch sozialversicherungsrechtlichen (das heisst öffentlich-rechtlichen) Prinzipien untersteht (vgl. dazu KASPAR SANER, Das Vorsorgeverhältnis in der obligatorischen und weitergehenden beruflichen Vorsorge, 2012, S. 61 ff., 80 ff.). 6.1 Wohlerworbene Rechte (vgl. oben E. 2.3) sind nicht absolut geschützt. Sie dürfen durch die Gesetzgebung eingeschränkt oder aufgehoben werden, wenn ein besonderes, wichtiges (öffentliches) Interesse es erfordert und die Massnahme verhältnismässig ist (HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl. 2010, S. 225 Rz. 1008 f.). Auf die vorliegende Konstellation übertragen heisst dies, dass der Beschwerdegegner die fragliche (neue) Reglementsbestimmung - tiefere Zusatzrente - hinnehmen muss, wenn übergeordnete Ziele, wie beispielsweise das finanzielle Gleichgewicht der Vorsorgeeinrichtung ( Art. 65 Abs. 1 BVG ), deren Sicherstellung dauernde Aufgabe des Stiftungsrates und bei Unterdeckung eine vordringliche Massnahme ist (Weisungen des Bundesrats vom 27. Oktober 2004 über Massnahmen zur Behebung von Unterdeckungen in der beruflichen Vorsorge, BBl 2004 6789 Ziff. 21), oder das Gleichbehandlungsgebot ( Art. 8 Abs. 1 BV ) dies eindeutig erfordern, der konkrete Eingriff angemessen und innert nützlicher Frist wirksam ist (vgl. SVR 2008 BVG Nr. 15 S. 59, B 126/06 E. 4.2). 6.2 6.2.1 Für den Fall einer Aufrechterhaltung des in den Übergangsbestimmungen der früheren Reglemente zugesicherten Besitzstandes, des Weiteren unter der Annahme, dass sich alle (nach BGE 138 V 366 S. 373 übereinstimmender Annahme der Parteien noch rund 50) begünstigten (die revidierte Übergangsbestimmung nicht anerkennenden) Ex-Z.-Mitarbeiter mit Alter 60 vorzeitig pensionieren lassen, sowie bei Vornahme entsprechender Rückstellungen betrug der Deckungsgrad nach einer von der Vorsorgeeinrichtung eingeholten Expertenberechnung per Ende 2008 noch 68 % (Sanierungskonzept der Unternehmensberatung M. SA vom 8. Dezember 2009). Gemäss einer nicht substantiiert bestrittenen weiteren Berechnung, deren Grundlagen zudem nicht in Zweifel gezogen werden, beläuft sich der diesbezüglich erwartete Aufwand für die Jahre 2011 bis 2029 (die letzten der rund 50 Mitarbeiter erreichen das 60. Altersjahr) auf über 11 Mio. Franken, was 45 % der versicherten Löhne der rund 50 Mitarbeiter entspricht (Berechnungsblatt der M. SA vom 8. März 2011). Das Defizit ist somit erheblich und insbesondere zu einem bedeutenden Teil ein strukturelles (das heisst nicht anlagewertbedingtes). Der Auffassung des Beschwerdegegners, wonach die mit der beanstandeten Reglementsänderung einzusparende Summe hinsichtlich der Zusatzrente jeder der in Frage stehenden 50 Personen nur Fr. 30'000.- (fünf Jahre zu Fr. 6'000.-) betrage, kann nicht gefolgt werden. Diese Betrachtungsweise lässt nur schon ausser Acht, dass es den aktiven Mitarbeitern überlassen bliebe, auch das Deckungskapital für die vorzeitig Pensionierten bis Alter 65 aufzubauen. Im Sanierungskonzept der Beschwerdeführerin (vgl. Art. 41a Abs. 2 BVV 2 ) wird nachvollziehbar dargelegt, dass die nicht oder nur beschränkt über die Vermögenserträge finanzierbaren Zusatzkosten zu einem Finanzierungsdefizit führen, dass erzielte Vermögenserträge "einseitig für die Gruppe Ex-Z. verwendet werden" sowie dass eine Weiterführung des Besitzstandes zusätzliche Beiträge von mindestens 15 % der versicherten Löhne bedingen würde, die nur teilweise über Kapitalerträge finanziert werden könnten (vgl. zum Ganzen das im Bericht der M. SA vom 8. Dezember 2009 dargestellte Sanierungskonzept der Beschwerdeführerin). 6.2.2 Damit gelingt der Beschwerdeführerin der grundsätzliche Nachweis, dass das finanzielle Gleichgewicht der Vorsorgeeinrichtung bei einer Weiterführung der vor 2010 gültig gewesenen Übergangsbestimmungen ernsthaft gefährdet wäre. Einem strukturellen Defizit im hier gegebenen Ausmass lässt sich nicht allein mittels konventioneller Sanierungs- und Zusatzbeiträge begegnen. Weitergehende Anpassungen waren unabdingbar, um die finanzielle Sicherheit der Vorsorgeeinrichtung innert nützlicher Frist wiederherzustellen. Insoweit BGE 138 V 366 S. 374 begründen die Umstände die Rechtmässigkeit der beanstandeten Reglementsänderung, zumal es sich hier um eine Problematik handelt, die "hausgemacht" und anhaltend ist. Anders als im oben E. 6.1 i.f. bereits zitierten Urteil B 126/06 vom 16. Oktober 2007 kann der Vorsorgeeinrichtung nicht zugemutet werden, eine "ungleiche" Reglementsbestimmung bis zu deren "bitteren Ende" im Jahr 2029 aufrechtzuerhalten. 6.2.3 Der Beschwerdegegner lässt das Vorbringen der Vorsorgeeinrichtung nicht gelten, sie sei im Falle der Verpflichtung, die bisher vorgesehenen Leistungen bei vorzeitiger Pensionierung zu erbringen, realistischerweise nicht mehr sanierungsfähig. Die Beschwerdeführerin übersehe, dass die Zusatzkosten für die "unverbrüchlich zugesagten Leistungen an die Ex-Z.-Mitarbeitenden reglementarisch der Arbeitgeberin auferlegt" würden. Seien die zugesicherten Leistungen nicht voll finanziert worden, so werde die Arbeitgeberin somit für den Fehlbetrag leistungspflichtig. Der Beschwerdegegner verweist dafür auf die frühere Übergangsbestimmung für Versicherte aus der Pensionskasse der Z., wonach die Arbeitnehmerbeiträge für diese Destinatärsgruppe auf 5 % des versicherten Jahreslohnes limitiert waren und die Arbeitgeberbeiträge entsprechend erhöht wurden (Art. 45 Abs. 4 des Reglements 2003 resp. Art. 51 Abs. 4 des Reglements 2007). Diese Übergangsbestimmung erfasste ihrem Wortlaut nach indes nur die ordentlichen Vorsorgebeiträge der Arbeitnehmer, die nach Art. 9 des Reglements 2003 resp. Art. 10 des Reglements 2007 altersabhängig zwischen 4 und 7 % betrugen. Da nicht ersichtlich ist, weshalb der Wortlaut nicht dem wahren Geltungsbereich der Übergangsbestimmung entsprechen sollte, bietet die vom Beschwerdegegner angeführte frühere Bestimmung von vornherein keine Grundlage, um die in der Vorsorgeeinrichtung anfallenden Mehrkosten zur Behebung der strukturellen Unterdeckung der Arbeitgeberin aufzuerlegen. Im Übrigen erbrachte die X. AG als Arbeitgeberin (nebst ihrer Beteiligung an paritätisch erhobenen Sanierungsbeiträgen) anfangs 2010 eine zusätzliche Sanierungsleistung von 3,5 Mio. Fr. à fonds perdu. 6.2.4 Bei der strittigen Herabsetzung der Zusatzrente handelt es sich also um einen grundlegenden und unverzichtbaren Sanierungsbeitrag (zur Subsidiarität: ERICH PETER, Unterdeckung und Sanierung, AJP 2009 S. 792). Sie zeitigt offensichtlich sofort (ab Inkrafttreten [Januar] des Reglements 2010) Wirkung. Die Kürzung der Zusatzrente von Fr. 18'000.- auf Fr. 12'000.-, womit der Beschwerdegegner sich im BGE 138 V 366 S. 375 hier zu beurteilenden Fall konfrontiert sieht, ist zweifellos auch in quantitativer Hinsicht angemessen (vgl. oben E. 6.2.1). Die jüngeren Ex-Z.-Mitarbeiter (Jahrgänge 1952 und jünger) stehen Massnahmen gegenüber, die tiefgreifender sind. Diesbezüglich ist anzufügen, dass es denn auch sie sind, die den Zusatzaufwand von 11 Mio. Franken, wie er von der Beschwerdeführerin dargelegt wird, hauptsächlich "verursachen". Dies macht nicht nur einschneidendere Massnahmen erforderlich, sondern vermag auch - aus sachlichen Gründen - eine grössere Betroffenheit zu rechtfertigen. 6.3 Die Rechtmässigkeit der strittigen Vorkehr ist auch durch das Gebot der Gleichbehandlung gemäss Art. 1f BVV 2 begründet. 6.3.1 Die vor Inkrafttreten des Reglements 2010 geltenden Regelungen führen zu einer deutlichen Schlechterstellung der nicht aus der Pensionskasse Z. übernommenen Arbeitnehmer; diese hätten, wie dargelegt (E. 6.2.1), eine überproportionale Last zur Behebung der Unterdeckung zu tragen. Dieses Ungleichgewicht akzentuiert sich mit Blick auf die allgemeinen Entwicklungen der Leistungsgrundlagen in der beruflichen Vorsorge: So sinkt der BVG-Mindestzinssatz seit dem Jahr 2008 kontinuierlich (vgl. Art. 12 BVV 2 ), ohne dass ein Ende dieser Entwicklung absehbar wäre. Ebenso ist die Lohnentwicklung seit 2009 rückläufig (vgl. http://www.statistik.admin.ch unter Lohnentwicklung). Angesichts dieser Rahmenbedingungen wäre es in hohem Masse stossend, wenn nicht alle Destinatäre gleichermassen zu einer gesunden Vorsorgeeinrichtung beitragen müssten, vielmehr ein Teilkollektiv von einem Sanierungskonzept übermässig profitieren würde. Selbst ein wohlerworbenes Recht kann unter bestimmten Umständen in eine unzulässige Ungleichbehandlung umschlagen. Dies ist wie vorliegend der Fall, wenn eine grundlegende Verschlechterung der Finanzierungsbasis dazu führt, dass eine andere Gruppe desselben Versichertenkollektivs im Ergebnis massgeblich zur Finanzierung von Privilegien beitragen muss, die ihr selber nicht zugutekommen. Dies gilt erst recht, wenn die Sonderrechte eine namhafte strukturelle Ursache einer Unterdeckung darstellen, welche die Altersguthaben des nicht privilegierten Teilkollektivs tangiert. 6.3.2 Die vorstehenden Erwägungen gehen - entsprechend den Annahmen, die dem Sanierungskonzept der Beschwerdeführerin zugrundeliegen - davon aus, dass der Aufwand, wie er bei Aufrechterhaltung der ursprünglichen Übergangsbestimmungen verbleiben würde, vom Versichertenkollektiv insgesamt getragen wird. Für den Fall, dass BGE 138 V 366 S. 376 die Sanierungsmassnahmen vor einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten sollten, beabsichtigte die Beschwerdeführerin hingegen, die Sanierungsbeiträge im Umfang der durch die Übergangsregelung verursachten Unterdeckung gegebenenfalls den rund 50 aktiven Ex-Z.-Versicherten zu überbinden, die sich dem revidierten Reglement nicht unterzogen hatten. Aus einem Schreiben der Beschwerdeführerin an alleaktiven Versicherten vom Mai 2011 geht hervor, dass in diesem Fall (entsprechend dem bis zur Frühpensionierung des letzten jener Mitarbeiter erwarteten Aufwand; vgl. oben E. 6.2.1) der Sanierungsbeitragsanteil der betreffenden Arbeitnehmer an sich 22,5 % ihrer versicherten Lohnsumme betragen würde; der Stiftungsrat habe - für die Eventualität eines aus Sicht der Vorsorgeeinrichtung ungünstigen Gerichtsentscheids - beschlossen, diesen als unzumutbar erachteten Beitrag gegebenenfalls auf insgesamt 12 % (das heisst 6%ige Lohnabzüge) zu beschränken. Auch unter dergestalt veränderten Vorzeichen wäre ein Verzicht auf die strittige Sanierungsmassnahme mit der Gleichbehandlung der Destinatäre nicht zu vereinbaren. Bei einer Finanzierung der Altersleistungserhöhung durch dieses engere Kollektiv (vgl. CHRISTIAN WENGER, Probleme rund um die vorzeitige Pensionierung in der beruflichen Vorsorge, 2009, S. 143 ff.) ergäben sich ebenfalls erhebliche Ungleichgewichte zwischen den noch längere Zeit aktiven und den - wie der Beschwerdegegner - bereits frühpensionierten Destinatären. Damit würde das Prinzip der Opfersymmetrie verletzt (vgl. PETER, a.a.O., S. 793); nur aktive Versicherte hätten fortan die unterdeckungsbedingt hohen Sonderprämien zu tragen. 6.4 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Aufrechterhaltung der ursprünglichen Übergangsbestimmung für die beschwerdeführende Vorsorgeeinrichtung insgesamt eine weit in die Zukunft reichende, ausserordentliche Belastung darstellen würde (E. 6.2.1 und 6.2.2). Obgleich nach vertragsrechtlichen Massstäben keine unvorhersehbare Äquivalenzstörung gegeben ist (E. 5.2) und sich der Beschwerdegegner aus öffentlich-rechtlicher Sicht auf ein wohlerworbenes Recht berufen kann, rechtfertigen die Art und das Ausmass der Unterdeckung sowie die zeitliche Perspektive die strittige einseitige Reglementsänderung (vgl. E. 4). Ausschlaggebend ist vor allem, dass die Vorkehr auch dem Gebot der Gleichbehandlung der Destinatäre gehorcht (E. 6.3) und, gesamthaft betrachtet, dem Prinzip der Verhältnismässigkeit entspricht. Nicht im vorliegenden Verfahren zu klären ist die Frage, ob dem Beschwerdegegner aus den getroffenen BGE 138 V 366 S. 377 Vereinbarungen und den Zusicherungen der X. AG allenfalls Ansprüche erwachsen können.
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Sachverhalt ab Seite 20 BGE 130 III 19 S. 20 A. B. (Klägerin) war vom 1. Januar 1995 bis zum 30. September 1999 bei A. (Beklagter) im Landgasthof X. als Küchenhilfe und "Frau für Alles" angestellt. Am 4. Februar 1999 ersuchte sie den Beklagten schriftlich um Klärung von Unstimmigkeiten bezüglich des Quellensteuer- und Verpflegungskostenabzugs. Mit Schreiben vom 12. November 1999 forderte sie ihn in diesem Zusammenhang auf, ihr insgesamt Fr. 9'444.90 zurückzuerstatten. B. Am 1. November 2000 belangte die Klägerin den Beklagten vor Kantonsgericht von Appenzell AR auf Zahlung eines Betrages von Fr. 40'241.80 nebst Zins. Das Kantonsgericht nahm mit Urteil vom 29. Oktober 2001 von der Anerkennung der Forderung im Betrag von Fr. 5'321.- Kenntnis, sprach der Klägerin darüber hinaus den Betrag von Fr. 30'796.90 nebst Zins zu und wies die Klage im Übrigen ab. Auf Appellation des Beklagten und Anschlussappellation der Klägerin hin reduzierte das Obergericht des Kantons Appenzell AR den über die anerkannte Forderung hinaus zugesprochenen Betrag auf Fr. 24'444.45. Das Obergericht hielt den Anspruch der Klägerin auf Entschädigung für nicht bezogene Ferien- und Feiertage im Umfang von Fr. 5'906.95 brutto sowie für Überzeit im Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis 30. November 1998 in der Höhe von Fr. 18'537.50 für ausgewiesen. C. Der Beklagte führt gegen dieses Urteil eidgenössische Berufung. Er beantragt im Wesentlichen, die Klage abzuweisen. Die Klägerin schliesst auf Abweisung der Berufung und erhebt Anschlussberufung. Sie verlangt damit im Wesentlichen, das angefochtene Urteil sei soweit aufzuheben, als das Obergericht ihren Anspruch auf Erstattung eines ungerechtfertigten Verpflegungskostenabzugs in der Höhe von Fr. 4'123.90 nicht gutgeheissen habe, und die Sache sei zur ergänzenden Sachverhaltsabklärung und Neubeurteilung zurückzuweisen. Der Beklagte verlangt, auf die Anschlussberufung sei nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen. BGE 130 III 19 S. 21 Das Bundesgericht weist die Berufung ab und heisst die Anschlussberufung teilweise gut.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Hinsichtlich der Entschädigung für nicht bezogene Ferien- und Feiertage macht der Beklagte nicht geltend, dass die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen seien. Es ist überdies unbestritten, dass die Bestimmungen des Landes-Gesamtarbeitsvertrags des Gastgewerbes (L-GAV) über die Ferien und die Feiertage und über die Entschädigung nicht bezogener Tage mit Bundesratsbeschluss vom 10. Dezember 1992 bzw. vom 19. November 1998 allgemeinverbindlich erklärt wurden und damit grundsätzlich auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien anwendbar sind. 3.1 Der Beklagte rügt aber, die Vorinstanz habe die Entschädigung für die Zeit zwischen dem Ende der Gültigkeitsdauer des L-GAV 92 (am 30. Juni 1996) und der Allgemeinverbindlicherklärung des L-GAV 98 (ab 1. Januar 1999) zu Unrecht gestützt auf die entsprechenden Bestimmungen des L-GAV 92 zugesprochen, obwohl sie nicht mehr in Kraft gewesen seien. 3.1.1 Mit der ersatzlosen Beendigung des GAV werden die Vertragsparteien grundsätzlich von allen gegenseitig vereinbarten Rechten und Verpflichtungen entbunden (EUGEN X. HAENER, Das Arbeitsverhältnis nach der ersatzlosen Beendigung des Gesamtarbeits-vertrages, Basel 1984, S. 94; STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, 5. Aufl., Zürich 1992, N. 5 zu Art. 356c OR ). Soweit die Einzelarbeitsverträge durch den GAV direkt geregelt waren, werden sie durch dessen Beendigung ebenfalls betroffen, da die normativen Bestimmungen des GAV ihre unmittelbare Wirkung auf sie verlieren. Mit Beendigung des GAV fällt dabei das einzelne Arbeitsverhältnis nicht einfach dahin. Sein Inhalt muss deshalb auch nach dem Wegfall des GAV bestimmbar sein (HAENER, a.a.O., S. 106; KRAMER, Berner Kommentar, Art. 1-18 OR , Allgemeine Einleitung in das OR, N. 74). Insoweit stellt sich die Frage nach der Nachwirkung des GAV auf jene Einzelarbeitsverträge, die während seiner Geltung geschlossen oder erneuert wurden (SCHÖNENBERGER/VISCHER, Zürcher Kommentar, N. 40 zu Art. 356c OR ). Im Gegensatz zum deutschen und österreichischen Recht (§ 4 Abs. 5 des deutschen Tarifvertragsgesetzes vom 9. April 1949 BGE 130 III 19 S. 22 und § 13 des österreichischen Arbeitsverfassungsgesetzes vom 14. Dezember 1973), in denen die Nachwirkung eines gekündigten GAV ausdrücklich sichergestellt wird, fehlt im schweizerischen Recht eine entsprechende Regelung. Die Nachwirkung des Gesamtarbeitsvertrags bei seinem Dahinfallen sowie beim Austritt eines Arbeitsvertragspartners aus dem vertragsschliessenden Verband wurde zwar anlässlich des Erlasses des Bundesgesetzes über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen vom 28. September 1956 und zur Revision des Gesamtarbeitsvertragsrechts zur Diskussion gestellt. Letztlich wurde jedoch darauf verzichtet, eine entsprechende Regelung ins Gesetz aufzunehmen (HANS PETER TSCHUDI, Geschichte des schweizerischen Arbeitsrechts, Basel 1987, S. 48 f.). Es steht den GAV-Parteien grundsätzlich frei, die Nachwirkung der normativen Vertragsbestimmungen zu vereinbaren. So kann aus dem GAV klar hervorgehen, dass die Wirkung von Normen auf dessen Dauer beschränkt ist. In seltenen Fällen ergibt sich aus der Natur von Vertragsbestimmungen, dass ihre Geltung auf die GAV-Dauer begrenzt ist (vgl. dazu: HAENER, a.a.O., S. 141, mit Beispielen). Meist regelt der GAV diese Frage aber nicht. Das trifft auch für den hier zu beurteilenden L-GAV 92 zu. 3.1.2 Der Inhalt des Einzelarbeitsvertrages versteht sich als die Gesamtheit aller geltenden Eigen- und Fremdnormen (HAENER, a.a.O., S. 107; JÄGGI/GAUCH, Zürcher Kommentar, N. 275 ff. zu Art. 18 OR ). Es ist somit zu prüfen, in welchem Verhältnis die einzelarbeitsvertraglichen und gesamtarbeitsvertraglichen Bestimmungen nach der Beendigung des GAV zueinander stehen. In der Lehre wird diese Frage unterschiedlich beurteilt. Dabei stehen sich im Wesentlichen zwei Auffassungen gegenüber: 3.1.2.1 Ein Teil der Lehre geht vom Umstand aus, dass die Bestimmungen des GAV bis zu seiner ersatzlosen Beendigung zwingend und unmittelbar auf die Arbeitsverhältnisse wirken (STREIFF/VON KAENEL, a.a.O., N. 6 zu Art. 356 OR ; SCHÖNENBERGER/VISCHER, a.a.O., N. 67 zu Art. 356 OR ). Sie regeln die Einzelarbeitsverträge wie gesetzliches Recht. D.h. sie stellen zwingendes ergänzendes Recht der Einzelarbeitsverträge dar, ohne zu deren Inhalt zu werden (SCHÖNENBERGER/VISCHER, a.a.O., N. 68 zu Art. 356 OR ; OSER/SCHÖNENBERGER, Zürcher Kommentar 1936, N. 10 zu Art. 323 aOR S. 1200). Die Einzelarbeitsverträge werden somit nach ersatzloser BGE 130 III 19 S. 23 Beendigung des GAV durch das Gesetz geregelt, um nicht als inhaltloser Vertrag dazustehen (OSER/SCHÖNENBERGER, a.a.O., N. 12 zu Art. 323 aOR; dazu: HAENER, a.a.O., S. 107 ff.). Bei diesem Ansatz ergeben sich zum einen Schwierigkeiten, wenn das Gesetz Punkte, die durch den GAV detailliert geregelt sind, überhaupt nicht oder nur in den Grundzügen konkretisiert. Zum anderen fällt ins Gewicht, dass mittels des GAV den branchen- und berufsspezifischen Verhältnissen Rechnung getragen wird (STÖCKLI, Der Inhalt des Gesamtarbeitsvertrages, Bern 1990, S. 383 ff.). Gegen ein Ersetzen nur einzelner GAV-Normen durch die entsprechenden Gesetzesbestimmungen spricht sodann der Umstand, dass den Parteien des Einzelarbeitsvertrages im Augenblick der ersatzlosen Beendigung des GAV nicht klar ist, welche einzelnen Inhaltsnormen oder sogar Inhaltsnormbestandteile ersetzt werden sollen (HAENER, a.a.O., S. 111). 3.1.2.2 Die andere Lehrmeinung geht davon aus, dass der Einzelarbeitsvertrag mit allen sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten ein Ganzes bildet. Es ist insofern anzunehmen, dass die GAV-Normen nach dem effektiven Willen der Vertragsparteien auch Inhalt des Einzelarbeitsvertrages wurden, sofern die Parteien nicht zulässigerweise einen abweichenden Inhalt vereinbart haben. Die Bestimmungen des jeweils geltenden GAV sind damit ein integrierender Bestandteil der Einzelarbeitsverträge. Sie haben eine doppelspurige Wirkung, indem sie einerseits gesetzlich normative Geltung erlangen und andererseits dem übereinstimmenden wirklichen Willen der Parteien des Einzelarbeitsvertrages entsprechen (HAENER, a.a.O., S. 114 f.; VISCHER, Der Arbeitsvertrag, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. VII/1,III, Basel 1994, S. 283). Nach der ersatzlosen Beendigung des GAV gelten dessen Bestimmungen nur noch - aber immerhin - als vereinbarter Inhalt des Einzelarbeitsvertrages (SCHÖNENBERGER/VISCHER, a.a.O., N. 45 zu Art. 356c OR ; HAENER, a.a.O., S. 128 [vgl. auch BGE 98 Ia 561 E. 1, wo die Auffassung, dass ein GAV noch nach Ablauf seiner Gültigkeitsdauer dem mutmasslichen Parteiwillen entspreche, nicht als willkürlich beurteilt wurde]). Nach dieser zweiten Auffassung ist zuerst zu prüfen, ob die Parteien für den Fall der Beendigung des GAV selbständig etwas geregelt haben oder ob eine Vereinbarung vorliegt, mit der sie inhaltlich in zulässiger Weise von der Regelung im GAV abgewichen BGE 130 III 19 S. 24 sind. Trifft dies nicht zu, gelten die Normen des dahingefallenen GAV als dem tatsächlichen beidseitigen Parteiwillen entsprechender Inhalt des Einzelarbeitsvertrages. Diesfalls ist nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen davon auszugehen, dass der Vertrag mit entsprechendem Inhalt gilt, bis die Parteien ihn mittels Änderungsvertrag aufgehoben bzw. abgeändert haben (VISCHER, a.a.O., S. 283). Ein Abänderungsvertrag kommt nur zustande, wenn sich die Parteien über die Änderung verständigt haben. Keine Partei kann der anderen Änderungen aufzwingen. Jede Partei hat allerdings die Möglichkeit, auf die andere Partei mit einer Änderungskündigung einen gewissen Druck auszuüben, indem sie diese vor die Alternative stellt, entweder der Änderung zuzustimmen oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Kauf zu nehmen (vgl. GEISER, Die Änderungskündigung im schweizerischen Arbeitsrecht, AJP 1999 S. 61 ff.). Solche Änderungskündigungen sind nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zulässig, sofern formell richtig vorgegangen wird und von der Gegenseite nicht eine Änderung gefordert wird, "die sich sachlich nicht rechtfertigen lässt" ( BGE 123 III 246 E. 3b und 4a S. 250 f.). Diese zweite Lehrmeinung überzeugt jedenfalls für jene GAV-Bestimmungen, welche die Leistungen der Parteien betreffen. Hier ist davon auszugehen, dass die Parteien ihre gegenseitigen Leistungspflichten auf die für sie gültigen Bestimmungen eines GAV abgestimmt haben. Insofern haben sie den Inhalt des GAV beim Abschluss des Einzelarbeitsvertrages als Vertragsinhalt übernommen, sofern keine abweichende Vereinbarung nachgewiesen ist. Vorbehältlich anderer Abrede verändert der Wegfall des GAV dann aber auch den Inhalt des Einzelarbeitsvertrages nicht. Er bewirkt nur eine grössere Vertragsfreiheit. Die Parteien können anderes vereinbaren, wenn sie dies wollen, unabhängig davon, ob der GAV es zulässt, dass die Parteien den Einzelarbeitsvertrag hinsichtlich bestimmter Punkte individualisieren (vgl. dazu STÖCKLI, a.a.O., S. 227 und 367 Fn. 4). Solange sie das aber nicht getan haben, gilt der bisherige Vertrag unverändert weiter. Für Arbeitsverträge, die vor Inkrafttreten des GAV oder erst nach dessen Beendigung geschlossen worden sind, gilt das Gesagte nicht ohne weiteres. Wie es sich insoweit im Einzelnen verhält, braucht aber hier nicht entschieden zu werden. 3.1.3 Im vorliegenden Fall wurde der Arbeitsvertrag während der Gültigkeitsdauer des L-GAV 92 geschlossen. Es ist nicht BGE 130 III 19 S. 25 nachge wiesen, dass sich die Parteien bezüglich der Ferien- und Feiertage auf etwas vom GAV Abweichendes geeinigt oder für den Fall der Beendigung des GAV eine spezielle Vereinbarung getroffen hätten. Die Regelung ist damit Vertragsinhalt geworden. Dem angefochtenen Entscheid ist auch keine dahingehende Feststellung zu entnehmen, dass sich die Parteien nach dem Wegfallen des GAV über eine Änderung des Vertrages geeinigt hätten. Die Regelung des GAV hat somit, wie die Vorinstanz richtig angenommen hat, über die Gültigkeitsdauer des GAV hinaus Bestand gehabt. Die Kritik des Beklagten am angefochtenen Entscheid ist auch insoweit unbegründet. 3.2 Der Beklagte hält sodann dafür, dass die Klägerin ihre Ferien jeweils spätestens im Folgejahr hätte beziehen müssen. Da sie dies nicht getan habe, sei ihr Anspruch teilweise verwirkt. Damit verkennt der Beklagte die Rechtslage. Das Gesetz kennt keine entsprechende Verwirkungs- oder Verjährungsfrist. Die Verjährung richtet sich vielmehr nach den allgemeinen Verjährungsregeln und beträgt somit nicht bloss ein Jahr, sondern fünf oder zehn Jahre ( Art. 127 und 128 Ziff. 3 OR ; in der Lehre werden beide Meinungen vertreten [vgl. REHBINDER/PORTMANN, Basler Kommentar, N. 4 zu Art. 329c OR ]; vgl. auch Botschaft des Bundesrates vom 27. September 1982 zur Volksinitiative "für eine Verlängerung der bezahlten Ferien" und zur Revision der Ferienregelung im Obligationenrecht, BBl 1982 III 201, S. 237). Die gegenteilige, auf den Wortlaut von Art. 329c aOR gestützte Rechtsprechung (zuletzt publiziert in BGE 107 II 430 E. 3b; vgl. auch darauf bezugnehmend STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N. 7 zu Art. 329c OR ) ist durch die Revision des Art. 329c OR gemäss Bundesgesetz vom 16. Dezember 1983 (in Kraft seit 1. Juli 1984; AS 1984 S. 580 f.) überholt. Abgesehen vom gesetzestechnischen Argument, dass es an jeder Norm fehlt, die eine Befristung auf ein Jahr vorsähe, besteht auch materiell kein Bedürfnis für eine solche. Es ist der Arbeitgeber und damit der Schuldner, der den Zeitpunkt der Ferien festlegt und dafür sorgen kann und muss, dass der Arbeitnehmer seine Ferien im Sinne von Art. 329c Abs. 1 OR "in der Regel im Laufe des betreffenden Dienstjahres" bezieht ( Art. 329c Abs. 2 OR ). Grundsätzlich ist er damit auch dafür verantwortlich, wenn der Anspruch erst viel später geltend gemacht wird (vgl. Botschaft, a.a.O., S. 237) BGE 130 III 19 S. 26 . Es erweist sich somit, dass das Obergericht der Klägerin die Entschädigung für nicht bezogene Ferien- und Feiertage zu Recht zugesprochen hat. Deren Berechnung durch die Vorinstanz wird vom Beklagten nicht in Frage gestellt. Die Berufung ist somit abzuweisen. 4. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Anschlussberufung gegen die Abweisung ihrer Forderung auf Erstattung von Verpflegungskostenabzügen. Sie hatte vor den kantonalen Instanzen geltend gemacht, seit März 1997 nicht mehr im Betrieb des Beklagten gegessen zu haben. Deshalb sei sie ab diesem Zeitpunkt für Mahlzeiten nichts mehr schuldig gewesen. Ihr sei aber weiterhin, und zu Unrecht, ein entsprechender Betrag vom Lohn abgezogen worden. Der Beklagte bestritt, dass die Klägerin schon seit März 1997 keine Mahlzeiten mehr bei ihm eingenommen habe. Die Vorinstanz verzichtete auf die Einvernahme der von der Klägerin dagegen angerufenen Zeugen, da die Frage gar nicht entscheidwesentlich sei. Entscheidend sei einzig, wann die Vereinbarung über eine entgeltliche Verpflegung zwischen den Parteien aufgehoben worden sei. Die Klägerin macht dagegen geltend, die Verpflegungsvereinbarung sei durch den Nichtbezug der Mahlzeiten ab März 1997 konkludent aufgehoben worden. Dies werde durch den L-GAV 98 bestätigt, nach dem nur tatsächlich bezogene Leistungen in Rechnung gestellt werden dürften. Ein Gastaufnahmevertrag sei überdies jederzeit auch konkludent auflösbar. Die Vorinstanz habe den Sachverhalt in Verletzung der bundesrechtlichen Beweisvorschrift von Art. 8 ZGB nicht vollständig abgeklärt, indem sie nicht festgestellt habe, ab wann die Klägerin ihre Mahlzeiten nicht mehr im Betrieb eingenommen habe. 4.1 Die streitigen Abzüge betreffen die Zeit zwischen März 1997 und Dezember 1998. Für diese Zeit galt der L-GAV 92 (vgl. vorstehende E. 3). Dieser äussert sich nicht darüber, ob ein vereinbarter pauschaler Verpflegungskostenabzug auch erhoben werden kann, wenn die entsprechende Leistung gar nicht bezogen worden ist. Diesbezüglich ist somit auf die Regeln des Gesetzes zurückzugreifen. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich beim Arbeitsvertrag und der strittigen Vereinbarung bezüglich der Mahlzeiten insgesamt um einen gemischten Vertrag handelt, der neben BGE 130 III 19 S. 27 arbeitsvertraglichen Elementen auch solche des Gastaufnahmevertrages enthält. Die Verpflegungsvereinbarung ist jedenfalls aufs Engste mit dem Arbeitsvertrag verflochten. Das Einnehmen der Mahlzeiten in der Gastwirtschaft macht in erster Linie Sinn, wenn die Arbeitnehmerin dort arbeitet. Es soll ihr damit ermöglicht werden, sich ohne grossen Aufwand in einer Arbeitspause oder am Anfang oder am Ende der Arbeit zu verpflegen. Es handelt sich somit bei der Verpflegungsvereinbarung nicht um einen selbständigen Vertrag, der auch ohne den Arbeitsvertrag Bestand haben könnte, sondern um eine Nebenabrede zu diesem. 4.2 Nebenabreden sind bei einem Arbeitsvertrag ohne weiteres zulässig. Allerdings haben sie sich innerhalb des gesetzlichen Rahmens des Arbeitsvertragsrechts zu halten. Im vorliegenden Zusammenhang ist Art. 323b Abs. 3 OR zu beachten. Nach dieser Norm sind Abreden über die Verwendung des Lohnes im Interesse des Arbeitgebers nichtig. Damit soll verhindert werden, dass die Arbeitnehmerin Waren statt Geld erhält. Verpönt ist sowohl die Übereignung von Waren an Zahlungsstatt, wie auch der vorherige Abschluss eines Kauf- oder anderen Vertrags mit anschliessender Verrechnung (sog. "Truckverbot"; REHBINDER/PORTMANN, a.a.O., N. 5 zu Art. 323b OR ). Das Verbot richtet sich jedoch nicht gegen eine Vereinbarung von Naturallohn. Soweit aber Geldlohn vereinbart worden ist, soll die Arbeitnehmerin frei über ihren Lohn verfügen können (STAEHELIN, a.a.O., N. 23 zu Art. 323b OR ; VISCHER, a.a.O., S. 119). Dadurch wird auch nicht verhindert, dass die Arbeitnehmerin beim Arbeitgeber Waren kaufen kann. Ihr muss aber der Kaufentschluss frei stehen. Sie kann sich nicht dazu verpflichten, beim Arbeitgeber Waren zu kaufen (REHBINDER/PORTMANN, a.a.O., N. 6 zu Art. 323b OR ; VISCHER, a.a.O., S. 119; WYLER, Droit du travail, Bern 2002, S. 203 f.). 4.3 Vorliegend ist unbestrittenermassen Geldlohn vereinbart. Eine Nebenabrede, dass ein Teil dieses Geldlohnes für den Bezug von Waren und Dienstleistungen (Mahlzeiten) verwendet werden muss, erweist sich somit als unzulässig. Das hindert freilich den Arbeitgeber nicht, die Kosten von Mahlzeiten mit dem Lohn zu verrechnen, welche die Arbeitnehmerin tatsächlich und freiwillig bezogen hat. Zu Recht macht die Klägerin aber geltend, dass sie nicht verpflichtet war, solche zu beziehen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kommt es somit nicht darauf an, ob die Parteien die BGE 130 III 19 S. 28 Vereinbarung abgeändert oder aufgehoben haben, denn diese enthielt nie eine verbindliche Verpflichtung, Mahlzeiten zu beziehen. Massgebend ist einzig, ob die Klägerin tatsächlich Mahlzeiten bezogen hat oder nicht. Darüber haben die kantonalen Instanzen weder Beweise geführt ( Art. 8 ZGB ) noch tatsächliche Feststellungen getroffen ( Art. 63 Abs. 2 OG ). Weil der Beklagte Verrechnung mit einer Forderung geltend macht, die ihm aus der Leistung von Mahlzeiten zusteht, trifft ihn die Beweislast, dass er die Mahlzeiten tatsächlich geliefert hat, bzw. dass sie von der Klägerin bezogen worden sind ( Art. 8 ZGB ; vgl. BGE 128 III 271 E. 2a/aa). Die Anschlussberufung erweist sich somit insoweit als begründet, als die Klägerin die Rückweisung der Sache zur ergänzenden Sachverhaltsabklärung verlangt. Der Klägerin kann der geforderte Betrag mangels Schlüssigkeit des Sachverhalts nicht zugesprochen werden. Die Sache ist vielmehr zu dessen Ergänzung und neuer Entscheidung hinsichtlich der Forderung auf Erstattung von Verpflegungskostenabzügen an die Vorinstanz zurückzuweisen ( Art. 64 Abs. 1 OG ). Eine Teilaufhebung des angefochtenen Entscheids erweist sich nicht als erforderlich.
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