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Sachverhalt ab Seite 154 BGE 142 IV 153 S. 154 A. Das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt verurteilte X. am 25. September 2013 wegen Betrugs zum Nachteil der A. AG und mehrfachen betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage zu einer bedingten Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu Fr. 80.- sowie zu einer Busse von Fr. 1'000.-. Auf Berufung von X. hin stellte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Urteil vom 9. Juni 2015 das Verfahren betreffend mehrfachen betrügerischen Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage mangels rechtzeitigen Strafantrags ein und verurteilte ihn wegen Betrugs zu einer bedingten Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu Fr. 80.-. Von einer Verbindungsbusse sah es ab. B. X. beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil des Appellationsgerichts sei teilweise aufzuheben und er sei vollumfänglich freizusprechen. C. Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt verzichtet unter Verweis auf das angefochtene Urteil auf eine Vernehmlassung und beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Die Staatsanwaltschaft und die A. AG liessen sich nicht vernehmen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Verurteilung wegen Betrugs. 2.1 Gemäss Art. 146 Abs. 1 StGB macht sich des Betrugs schuldig, wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt. 2.2 2.2.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, sein Verhalten sei nicht arglistig gewesen. 2.2.2 Arglist ist nach ständiger Rechtsprechung gegeben, wenn der Täter ein ganzes Lügengebäude errichtet oder sich besonderer Machenschaften oder Kniffe bedient. Bei einfachen falschen Angaben ist das Merkmal erfüllt, wenn deren Überprüfung nicht oder nur mit BGE 142 IV 153 S. 155 besonderer Mühe möglich oder nicht zumutbar ist, sowie dann, wenn der Täter den Getäuschten von der möglichen Überprüfung abhält oder nach den Umständen voraussieht, dass dieser die Überprüfung der Angaben aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses unterlassen werde ( BGE 135 IV 76 E. 5.2 S. 81 f. mit Hinweisen). Mit dem Tatbestandsmerkmal der Arglist verleiht das Gesetz dem Gesichtspunkt der Opfermitverantwortung wesentliche Bedeutung. Arglist scheidet aus, wenn der Getäuschte den Irrtum mit einem Mindestmass an Aufmerksamkeit hätte vermeiden können. Dabei sind die jeweilige Lage und die Schutzbedürftigkeit des Betroffenen im Einzelfall entscheidend. Rücksicht zu nehmen ist namentlich auf geistesschwache, unerfahrene oder aufgrund von Alter oder Krankheit beeinträchtigte Opfer oder auf solche, die sich in einem Abhängigkeits- oder Unterordnungsverhältnis oder in einer Notlage befinden und deshalb kaum imstande sind, dem Täter zu misstrauen. Auf der anderen Seite sind besondere Fachkenntnis und Geschäftserfahrung des Opfers in Rechnung zu stellen, wie sie etwa im Rahmen von Kreditvergaben Banken beigemessen wird. Auch unter dem Gesichtspunkt der Opfermitverantwortung erfordert die Erfüllung des Tatbestands indes nicht, dass das Täuschungsopfer die grösstmögliche Sorgfalt walten lässt und alle erdenklichen Vorkehren trifft. Arglist scheidet lediglich aus, wenn es die grundlegendsten Vorsichtsmassnahmen nicht beachtet. Entsprechend entfällt der strafrechtliche Schutz nicht bei jeder Fahrlässigkeit des Getäuschten, sondern nur bei Leichtfertigkeit, welche das betrügerische Verhalten des Täters in den Hintergrund treten lässt. Die zum Ausschluss der Strafbarkeit des Täuschenden führende Opferverantwortung kann nur in Ausnahmefällen bejaht werden ( BGE 135 IV 76 E. 5.2 S. 80 f. mit zahlreichen Hinweisen). Nach der Rechtsprechung ist die Vorspiegelung des Leistungswillens grundsätzlich arglistig im Sinne von Art. 146 StGB , weil sie eine innere Tatsache betrifft, die vom Vertragspartner ihrem Wesen nach nicht direkt überprüft werden kann ( BGE 118 IV 359 E. 2 S. 361 mit Hinweisen). Arglist kann bei einfachen falschen Aussagen gegeben sein, wenn eine weitere Überprüfung nicht handelsüblich ist, etwa weil sie sich im Alltag als unverhältnismässig erweist und die konkreten Verhältnisse eine nähere Abklärung nicht nahelegen oder gar aufdrängen und dem Opfer diesbezüglich der Vorwurf der Leichtfertigkeit nicht gemacht werden kann. Mit einer engen Auslegung des Betrugstatbestands würden die sozialadäquate Geschäftsausübung und damit der Regelfall des Geschäftsalltags betrugsrechtlich nicht BGE 142 IV 153 S. 156 geschützt. Selbst ein erhebliches Mass an Naivität des Geschädigten hat nicht in jedem Fall zur Folge, dass der Täter straflos ausgeht (Urteil 6B_364/2012 vom 19. April 2013 E. 1.1 mit Hinweisen). 2.2.3 Die Vorinstanz erwägt, mit der Bestellung des Druckers habe der Beschwerdeführer konkludent erklärt, er sei leistungsfähig und leistungswillig. Insoweit habe er die Verkäuferin getäuscht. Beim Verkauf eines Druckers mit einem Verkaufspreis von rund Fr. 2'200.- per Internet handle es sich um ein Alltagsgeschäft, bei dem es nicht üblich sei, vertiefte Abklärungen über die Bonität eines Kunden zu tätigen, da dies mit einem unverhältnismässigen administrativen Aufwand verbunden wäre, zumal die Margen in dieser Branche gering seien. Es lägen keinerlei konkrete Anhaltspunkte vor, dass die Verkäuferin, abweichend von ihren handelsüblichen Gepflogenheiten, zur Einholung weiterer Auskünfte veranlasst oder verpflichtet gewesen wäre. Auch der Umstand, dass es sich beim bestellten Drucker um ein Mittelklassegerät gehandelt habe, habe keinen Anlass für vertiefte Abklärungen geboten. Die bei der Bestellung angegebene Adresse des Beschwerdeführers sei korrekt gewesen, das Gerät habe an diese Adresse geliefert werden können. Das Risiko sei angesichts des Kaufpreises abschätzbar gewesen. Eine besondere Unvorsichtigkeit der Verkäuferin liege nicht vor. Wer am Geschäftsverkehr teilnehme, dürfe zwar nicht leichtsinnig, müsse auch nicht besonders misstrauisch sein. 2.2.4 Der Vorinstanz ist zuzustimmen, dass der Regelfall des Geschäftsalltags nicht aus dem Schutzbereich des Betrugstatbestands ausgeklammert werden darf (vgl. Urteil 6B_497/2014 vom 6. März 2015 E. 3.4.2). Entgegen ihren Erwägungen handelt es sich bei der vom Beschwerdeführer getätigten Bestellung allerdings gerade nicht um einen Regelfall des Geschäftsalltags. Wenn eine Privatperson einen leistungsstarken Drucker der Mittelklasse für rund Fr. 2'200.- bestellt, kann nicht mehr von einem Alltagsgeschäft gesprochen werden. Im Jahr 2009 betrug das mittlere verfügbare Einkommen der Privathaushalte in der Schweiz Fr. 6'650.- pro Monat (vgl. Medienmitteilung des Bundesamtes für Statistik vom 15. November 2011). Der Preis des dem Beschwerdeführer gelieferten Druckers belief sich demnach auf rund einen Drittel des damals pro Monat im Mittel verfügbaren Einkommens eines Privathaushaltes. Dass der Kauf eines solchen Druckers durch eine Privatperson nicht alltäglich ist, ergibt sich auch aus den Aussagen des Vertreters der Verkäuferin im vorinstanzlichen Verfahren, wonach er sich noch gedacht habe, ein Privater benötige nicht unbedingt ein solch leistungsstarkes Gerät. BGE 142 IV 153 S. 157 Gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen unterhielt der Beschwerdeführer vor dem fraglichen Geschäft keine Geschäftsbeziehung zu der Verkäuferin und lag somit kein Vertrauensverhältnis irgendwelcher Art vor. Die Lieferung auf Rechnung bei über das Internet bestellter Ware ist generell eher unüblich, jedenfalls bei Bestellungen von Produkten mit einem - wie vorliegend - höheren Warenwert. Üblich ist die Bezahlung der Ware per Kreditkarte oder Vorauskasse, ehe diese versandt wird. Indem die Verkäuferin den für eine Privatperson unüblich leistungsstarken und entsprechend teuren Drucker auf Rechnung an eine ihr unbekannte Privatperson lieferte, ging sie bewusst ein gewisses Risiko ein. Zusätzlich tätigte sie keinerlei Abklärungen hinsichtlich der Bonität des Beschwerdeführers. Es wäre der Verkäuferin indes ohne erheblichen zusätzlichen Aufwand möglich gewesen, das Gerät erst nach gesicherter Bezahlung zu versenden oderdie Bonität des Beschwerdeführers zumindest rudimentär zu prüfen. Eine entsprechende Prüfung hätte gezeigt, dass der Beschwerdeführer angesichts seiner finanziellen Verhältnisse zur Erfüllung des Kaufvertrags offensichtlich nicht fähig war und somit auch nicht ernsthaft leistungswillig sein konnte (vgl. BGE 118 IV 359 E. 2 S. 361mit Hinweisen). Dieser zusätzliche Aufwand kann angesichts der konkreten Umstände nicht als unverhältnismässig oder unzumutbar bezeichnet werden. Die Verkäuferin hat sich gegenüber dem Beschwerdeführer, der sich keiner besonderen Machenschaften bediente, auch nicht in einer untergeordneten Stellung befunden (vgl. BGE 125 IV 124 E. 3b S. 128). Das Verhalten der Verkäuferin muss deshalb unter Berücksichtigung der Gegebenheiten als leichtfertig eingestuftwerden. Von einer arglistigen Täuschung durch den Beschwerdeführer kann nicht gesprochen werden (vgl. Urteil 6B_663/2011 vom 2. Februar 2012 E. 2.3.3 mit Hinweis auf BGE 118 IV 359 E. 2). Die Missachtung grundlegendster Vorsichtsmassnahmen durch die Verkäuferin lässt dessen Verhalten vorliegend ausnahmsweise in den Hintergrund rücken (vgl. BGE 135 IV 76 E. 5.2 S. 81 mit Hinweisen). 2.3 Die vorinstanzliche Verurteilung wegen Betrugs verletzt Bundesrecht, da keine arglistige Täuschung vorliegt. Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist die Rüge des Beschwerdeführers, es fehle zusätzlich an einem Schaden, da er den Kaufpreis unter dem Druck des Betreibungsverfahrens schliesslich bezahlt habe, nicht mehr zu behandeln. (...)
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Sachverhalt ab Seite 636 BGE 131 III 636 S. 636 A. Am 22. April 1965 gründeten C., seine zwei Söhne B. und D. sowie sein Schwiegersohn E. die X. AG (Klägerin) mit Sitz in Z. Die vier Gründeraktionäre bildeten auch den Verwaltungsrat der Gesellschaft je mit Kollektivunterschrift zu zweien. Gleichentags schlossen die vier Gründer und Verwaltungsräte einzeln mit der in Gründung begriffenen Gesellschaft Dienstverträge für ihre Tätigkeit als Mitglieder der aktiven Geschäftsleitung und Leiter der ihnen zugewiesenen Geschäftsbereiche. Für jedes Mitglied der Geschäftsleitung wurde der Lohn auf monatlich Fr. 5'000.- zuzüglich Fr. 400.- Vertrauensspesen festgesetzt. Ausserdem sicherte die BGE 131 III 636 S. 637 Gesellschaft dem Arbeitnehmer jeweils eine lebenslängliche Rente von monatlich Fr. 4'000.- ab dem erfüllten 65. Altersjahr sowie bei dessen Ableben eine lebenslängliche Witwenrente von monatlich Fr. 800.- und den minderjährigen oder noch in Ausbildung befindlichen Nachkommen Waisenrenten von monatlich Fr. 200.- zu. Beim Abschluss dieser Dienstverträge trat jeweils das einzelne Verwaltungsratsmitglied als Arbeitnehmer auf, während die drei anderen Verwaltungsräte den Vertrag für die Gesellschaft unterzeichneten. Mit Nachträgen vom 26. Juli 1975, die in gleicher Weise unterzeichnet wurden, wurden das monatliche Salär auf je Fr. 7'500.- zuzüglich Repräsentationsspesen von monatlich Fr. 1'000.-, die Witwenrente auf monatlich Fr. 3'500.- und die Waisenrenten auf monatlich Fr. 500.- erhöht. Zudem wurde vereinbart, dass die festgesetzten Beträge je nach Entwicklung der Lebenshaltungskosten dem Index angepasst werden. Die X. AG erfüllte die Lohn- und Rentenansprüche bis zum 31. Dezember 1996, wobei sie nach dem Tod von C. seiner Ehefrau A. (Beklagte 1) die Witwenrente sowie B. (Beklagter 2) und E. (Beklagter 3) nach ihrer Aufgabe der aktiven Tätigkeit die Altersrente ausrichtete. Mit Schreiben vom 2. Dezember 1996 teilte die X. AG A., B. und E. mit, dass sie die Rentenzahlungen gestützt auf einen einstimmigen Verwaltungsratsbeschluss vom 18. November 1996 ab 1. Januar 1997 vollumfänglich einstellen werde. B. A., B. und E. setzten die ausstehenden Renten für die Zeit von Januar 1997 bis Oktober 2000 gestaffelt in Betreibung, wobei der Rechtsvorschlag der X. AG jeweils durch provisorische Rechtsöffnung beseitigt wurde. Die X. AG erhob darauf am 8. Juni 1999, 28. Juni 2000 und 9. Oktober 2002 Aberkennungsklage beim Amtsgericht Luzern-Stadt. Dieses vereinigte die drei Verfahren mit Verfügungen vom 7. Juli 2000 und 11. Oktober 2002. Die von A. eingeleiteten Betreibungen beliefen sich auf insgesamt Fr. 291'309.60, jene von B. auf Fr. 332'917.60 und jene von E. auf Fr. 237'966.-, je zuzüglich Zins. In den Aberkennungsklagen verlangte die Klägerin jeweils die Feststellung, dass die in Betreibung gesetzten Forderungen nicht bestehen, während die Beklagten die Abweisung der Klagen beantragten. Mit Urteil vom 13. Juni 2003 stellte das Amtsgericht Luzern-Stadt fest, dass die Forderung der Beklagten 1 gegenüber der Klägerin im Betrag von insgesamt Fr. 116'637.40 nebst Zins bestehe. In diesem BGE 131 III 636 S. 638 Umfang wies es die Aberkennungsklage ab, während es sie im übersteigenden Umfang guthiess. Für den Beklagten 2 lautete die geschützte Forderung auf insgesamt Fr. 194'394.25 nebst Zins, für den Beklagten 3 auf insgesamt Fr. 153'941.30 nebst Zins. Gegen das Urteil des Amtsgerichts reichten sowohl die Beklagten wie die Klägerin beim Obergericht des Kantons Luzern Appellation ein. Die Beklagten verlangten die vollumfängliche Abweisung der Aberkennungsklagen, während die Klägerin deren vollständige Gutheissung beantragte. Am 5. Dezember 2003 schrieb das Obergericht die zwischen der Klägerin und dem Beklagten 3 laufende Aberkennungsklage infolge Vergleichs als erledigt ab. Mit Urteil vom 6. Dezember 2004 bestätigte darauf das Obergericht (I. Kammer) das amtsgerichtliche Urteil bezüglich der Forderungen der Beklagten 1 und 2. Das Bundesgericht weist die von der Klägerin gegen das Urteil des Obergerichts erhobene Berufung ab.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Das Obergericht hat festgestellt, dass die Alters- und Witwenrenten, welche die Gesellschaft in den Verträgen vom 22. April 1965 und 26. Juli 1975 den Verwaltungsratsmitgliedern zugesichert hat, über das hinaus gingen, was einem unbeteiligten Dritten als Arbeitnehmer eingeräumt worden wäre. Die das marktübliche Mass übersteigenden Leistungen betrachtete es als einen Gründervorteil im Sinne von Art. 628 Abs. 3 aOR, für welchen die entsprechenden Publizitätsvorschriften nicht eingehalten wurden, und als eine unzulässige verdeckte Gewinnausschüttung. Demgemäss hat das Obergericht die Aberkennungsklagen im entsprechenden Ausmass gutgeheissen. Die Klägerin wirft dem Obergericht eine Verletzung von Bundesrecht vor, weil ein Verstoss gegen Art. 628 Abs. 3 aOR zur vollständigen Nichtigkeit der Verträge führe. Zudem würde für die Annahme einer blossen Teilnichtigkeit im Sinne von Art. 20 Abs. 2 OR auch der hypothetische Parteiwille zur Aufrechterhaltung der Verträge mit den reduzierten Leistungen fehlen. (...) 2.2 Das schweizerische Aktienrecht lässt zu, dass bei der Gründung der Gesellschaft den Gründern oder anderen Personen besondere Vorteile eingeräumt werden, für welche die Gesellschaft aufzukommen hat. Solche Vorteile vermögensrechtlicher Art, welche BGE 131 III 636 S. 639 direkt der begünstigten Person zustehen und nicht mit den von ihr gehaltenen Aktien verknüpft sind, können mannigfaltige Formen annehmen und auch in künftigen periodischen Leistungen bestehen. Art. 628 Abs. 3 aOR verlangte dafür aber wie die gleichlautende Bestimmung im revidierten Aktienrecht, dass die begünstigten Personen in den Statuten mit Namen aufgeführt werden und der gewährte Vorteil nach Inhalt und Wert genau bezeichnet wird. Fehlt es an den erforderlichen Angaben in den Statuten, so ist die Einräumung der Sondervorteile nichtig (Art. 627 Ziff. 9 aOR). Dieser Statutenzwang sichert die Publizität und Transparenz für Dritte und wird ergänzt durch das Erfordernis des Eintrags im Handelsregister (Art. 641 Ziff. 6 aOR). Bereits das alte Recht unterwarf die Zusicherung solcher besonderer Vorteile auch einer besonderen Beschlussfassung (Art. 630 und Art. 636 aOR). Sie konnten bzw. können auch nur bei der Gründung und bei Kapitalerhöhungen, nicht aber durch andere spätere Statutenänderungen eingeräumt werden (SIEGWART, Zürcher Kommentar, N. 69 zu Art. 628 aOR; FORSTMOSER, Schweizerisches Aktienrecht, Bd. I/1, Zürich 1981, § 10 N. 102; VON STEIGER, Das Recht der Aktiengesellschaft in der Schweiz, 4. Aufl. 1970, S. 83 ff.; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, Schweizerisches Aktienrecht, Bern 1996, § 15 N. 24). Kein besonderer Vorteil im Sinne von Art. 628 Abs. 3 aOR liegt vor, wenn eine von der Gesellschaft erbrachte Leistung ein Entgelt darstellt für eine ihr nach der Gründung zufliessende Leistung. Dies ergibt sich bereits aus dem vom Gesetz verwendeten Begriff des Vorteils, der eine Begünstigung voraussetzt (FORSTMOSER, a.a.O., § 10 N. 93). Liegt ein gemischtes Geschäft vor, welches bereits im Gründungsstadium abgeschlossen wird, so stellt nur der unentgeltliche Teil einen besonderen Vorteil dar und untersteht nur dieser den dafür geltenden Vorschriften. Eine solche Spaltung gemischter Geschäfte findet sich auch in anderen Bereichen der Rechtsordnung (z.B. erbrechtliche Ausgleichung). Was die Klägerin für die Begründung einer vollständigen Nichtigkeit vorbringt, ist nicht stichhaltig. Keine der von ihr zitierten Literaturstellen befasst sich mit der Situation, wo die von der Gesellschaft zu erbringenden Leistungen teils ein normales Entgelt für Gegenleistungen ist und nur der andere Teil einen besonderen Vorteil im Sinne von Art. 628 Abs. 3 aOR darstellt. Demgegenüber bejaht FORSTMOSER im Gutachten, welches die Klägerin eingeholt hat und auf welches sie sich bei ihrer Aberkennungsklage vor BGE 131 III 636 S. 640 allem stützte, für diese Situation ausdrücklich die Möglichkeit einer blossen Teilnichtigkeit. Das Bundesgerichtsurteil 4C.120/1988 vom 22. August 1988 bezieht sich ebenfalls nicht auf eine solche Situation. Streitgegenstand war damals eine Schuldübernahme durch die Gesellschaft für Lohnansprüche aus der Zeit vor der Gründung. Zur Frage der Gegenleistung hat sich das Bundesgericht dort unter dem Gesichtspunkt der Sachübernahme geäussert, da der behauptete Gegenwert der Gesellschaft ebenfalls bei der Gründung zugeflossen wäre. Die bei Sachübernahmen geltende Regelung kann hingegen nicht auf die hier zu beurteilende Situation übertragen werden, da bei Sachübernahmen immer das ganze Geschäft den dafür geltenden besonderen Vorschriften unterworfen ist und kein Anlass zu einer Spaltung besteht. Der blosse Umstand, dass sowohl Art. 628 Abs. 2 wie Art. 628 Abs. 3 aOR den Schutz der Gesellschaftsgläubiger vor der Verplanung oder Verminderung des Gesellschaftsvermögens bezwecken, ist kein genügender Grund, um auch jenen Teil künftiger Leistungen der Gesellschaft, der ein normales Entgelt für eine nach der Gründung ihr zufliessende Gegenleistung darstellt, den Vorschriften über die Gründervorteile zu unterstellen. Unbehelflich ist auch der Hinweis der Klägerin auf die im neuen Aktienrecht eingeführte Formvorschrift für Sacheinlagen, da hier ein dem alten Recht unterstehender Gründervorteil zu beurteilen ist. Für die Vereinbarung zwischen der Gesellschaft und dem Begünstigten zur Begründung solcher Vorteile verlangte das alte Recht keine besondere Form, sondern es stellte dafür nur besondere Publizitätserfordernisse (Erwähnung in den Statuten, Handelsregistereintrag) auf. Das Obergericht ist somit zu Recht davon ausgegangen, dass die Rechtsfolge der Nichteinhaltung der Publizitätserfordernisse in einer blossen Teilnichtigkeit bestehen kann.
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Sachverhalt ab Seite 441 BGE 146 III 441 S. 441 Nachdem am 23. April 2013 über die D. AG (nachfolgend: Gesellschaft) der Konkurs eröffnet worden war, trat das zuständige Konkursamt den kollozierten Gläubigerinnen B. AG und C. AG (Gläubigerinnen; Klägerinnen; Beschwerdegegnerinnen) nach Art. 260 SchKG die Verantwortlichkeitsansprüche der Konkursmasse ab. Das summarische Konkursverfahren wurde mit Urteil vom 12. November 2014 für geschlossen erklärt. Am 17. November 2014 wurde die D. AG in Liquidation im Handelsregister von Amtes wegen gelöscht. Erst nach der Löschung der Gesellschaft hoben die beiden Gläubigerinnen am 17. November 2015 als einzige Abtretungsgläubigerinnen beim Bezirksgericht Münchwilen gegen A. (Beklagter, Beschwerdeführer) eine Klage aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit an. Mit Entscheid vom 14./20. März 2017 wies das Bezirksgericht die Klage mangels Aktivlegitimation der Klägerinnen ab. Am 11. April 2017 beziehungsweise am 18. April 2017 wurde die Gesellschaft zum Zweck der Liquidation wieder ins Handelsregister eingetragen. BGE 146 III 441 S. 442 Auf Berufung der Klägerinnen vom 2. Mai 2017 hob das Obergericht des Kantons Thurgau den Entscheid des Bezirksgerichts auf und wies die Sache zur Neubeurteilung an dieses zurück. Es berücksichtigte die Wiedereintragung der Gesellschaft als echtes Novum. Die Aktivlegitimation der Klägerinnen sei damit gegeben. Daraufhin schützte das Bezirksgericht die Klage. Die darauf vom Beklagten angestrengte Berufung erachtete das Obergericht für unbegründet. Das Bundesgericht weist die vom Beklagten gegen die Entscheide des Obergerichts erhobene Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. (Zusammenfassung)
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269
Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der Beschwerdeführer verweist auf das Urteil des Bundesgerichts 4A_384/2016 vom 1. Februar 2017 und macht geltend, nach der Löschung der Gesellschaft fehle der Rechtsträger der eingeklagten Forderung und ermangele es dem als Prozessstandschafter klagenden Gläubiger der Aktivlegitimation, womit dessen Klage als unbegründet abzuweisen sei (vgl. zit. Urteil 4A_384/2016 E. 2.3). Er ist der Ansicht, die Vorinstanz hätte im Rechtsmittelverfahren die nach dem erstinstanzlichen Urteil erfolgte Wiedereintragung der Gesellschaft nicht berücksichtigen dürfen, da von den anwaltlich vertretenen Beschwerdegegnerinnen erwartet werden durfte, vor Klageeinreichung die ihre Aktivlegitimation begründende Wiedereintragung der Gesellschaft vorzunehmen. Die Feststellung der Vorinstanz, die Wiedereintragung hätte bei zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor der Erstinstanz vorgebracht werden können, sei willkürlich. Auf diesen Punkt beziehungsweise die Frage, ob der Möglichkeit oder Zumutbarkeit, bereits früher eine Wiedereintragung im Handelsregister zu veranlassen, überhaupt Bedeutung zukommt (der Beschwerdeführer beruft sich an anderer Stelle selbst darauf, aus dem Handelsregister ersichtliche Tatsachen seien notorisch und müssten weder behauptet noch bewiesen werden), braucht nicht eingegangen zu werden. Denn entgegen dem zit. Urteil 4A_384/2016 zeitigt die Löschung der konkursiten Gesellschaft im Handelsregister in Bezug auf nach Art. 260 SchKG abgetretene Ansprüche keine Auswirkungen auf die Aktivlegitimation der Abtretungsgläubiger: 2.1 Soweit sich das zit. Urteil 4A_384/2016 zur Rechtsstellung der Abtretungsgläubiger äussert, waren diese Erwägungen für den BGE 146 III 441 S. 443 Entscheidausgang nicht wesentlich, denn es war damals gerade keine Abtretung nach Art. 260 SchKG erfolgt. Auch nach dem zit. Urteil 4A_384/2016 können sich Gesellschaftsgläubiger selbst dann noch auf Art. 757 Abs. 2 OR berufen, wenn das Konkursverfahren mangels Aktiven eingestellt worden ist ( BGE 110 II 396 E. 2 S. 397). Denn ein mangels Aktiven geschlossener Konkurs kann vom Konkursrichter wiedereröffnet werden, wenn nachträglich noch zur Masse gehörendes Vermögen der Gesellschaft entdeckt wird, z.B. ein Verantwortlichkeitsanspruch ( BGE 110 II 396 E. 2 S. 397; Urteil des Bundesgerichts 5A_306/2014 vom 17. Oktober 2014 E. 3.1). Der Gesellschaftsgläubiger, der einen Verantwortlichkeitsanspruch gestützt auf Art. 757 Abs. 2 OR geltend machen will, kann zu diesem Zweck die Wiedereintragung der Aktiengesellschaft im Handelsregister verlangen ( BGE 132 III 731 E. 3.2 und 3.3 S. 734 f.; BGE 110 II 396 E. 2 S. 397; Urteil des Bundesgerichts 4A.3/1993 vom 29. Juli 1993 E. 1a). Damit wird der Rechtsträger des Verantwortlichkeitsanspruchs wieder konstituiert und dem Gesellschaftsgläubiger wird ermöglicht, zunächst eine Kollokation seiner Forderung gegenüber der Gesellschaft zu erwirken. Anschliessend kann er eine Abtretung des Prozessführungsrechts nach Art. 260 SchKG verlangen oder den Anspruch auf Ersatz seines mittelbaren Gläubigerschadens gestützt auf Art. 757 Abs. 2 OR geltend machen (vgl. BGE 132 III 731 E. 3.3 S. 734). Denn nur ein rechtskräftig kollozierter Gesellschaftsgläubiger ist zur aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsklage nach Art. 757 Abs. 2 OR befugt ( BGE 136 III 322 E. 4.7 S. 333 mit Hinweisen). Mit der Wiedereintragung der Gesellschaft wird mithin die Grundlage geschaffen, um die zur Durchsetzung des mittelbaren Gläubigerschadens notwendigen Schritte einzuleiten (vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 4C.162/1998 vom 11. Dezember 1998 E. 4b, nicht publ. in: BGE 125 III 86 ; zit. Urteil 4A_384/2016 E. 2.1.3). Im zit. Urteil 4A_384/2016 gab mithin die mangelnde Kollokation den Ausschlag. Die Wiedereintragung war nötig, damit das Konkursverfahren durchgeführt werden konnte, was Voraussetzung für eine Abtretung nach Art. 260 SchKG bildet. Auf die diesbezüglichen Erwägungen, die das Bundesgericht seither bestätigt hat (Urteil des Bundesgerichts 4A_407/2018 vom 5. Februar 2019 E. 4 mit Hinweisen; kritisch: GARBARSKI/MUSKENS, Conséquences de la radiation de la société anonyme sur l'action en responsabilité, Schweizerische Zeitschrift für Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht sowie Umstrukturierungen [GesKR] 2018 S. 452 ff., 461 ff.), braucht nicht weiter BGE 146 III 441 S. 444 eingegangen zu werden, da hier eine Abtretung nach Art. 260 SchKG erfolgt ist. Zu prüfen bleibt, ob die Löschung der Gesellschaft die Aktivlegitimation der Beschwerdegegnerinnen entfallen lässt, wie der Beschwerdeführer annimmt. 2.2 In der Lehre ist umstritten, ob Aktiengesellschaften mit der Löschung im Handelsregister untergehen oder nicht, ob also die Handelsregistereintragung für das Untergehen von Aktiengesellschaften konstitutiv ist (PETER GAUCH, Von der Eintragung im Handelsregister, ihren Wirkungen und der negativen Publizitätswirkung, Schweizerische Aktiengesellschaft [SAG] 48/1976 S. 139 ff., S. 147 f. Fn. 40; MARKUS VISCHER, Die Kontinuität auf Gesellschafterstufe bei Umstrukturierungen nach dem FusG, AJP 2019 S. 294 ff., 295 inkl. Fn. 13; FRANCO LORANDI, Löschung einer Gesellschaft im Handelsregister nach Abschluss des Insolvenzverfahrens, AJP 2018 S. 724 ff., 727 f.; GARBARSKI/MUSKENS, a.a.O., S. 456; PHILIPP HABERBECK, Wann verliert eine liquidierte Aktiengesellschaft ihre Rechtspersönlichkeit?, Jusletter 10. April 2017 Rz. 3 ff.; je mit Hinweisen; vgl. für eine Übersicht der verschiedenen Lösungsansätze: PETER JUNG, Entstehung und Untergang von Kapitalgesellschaften, in: recht 31/2013 S. 79 ff., 85 ff.). Das zit. Urteil 4A_384/2016 hält mit Hinweis auf die Rechtsprechung fest, mit der Löschung einer sich in Liquidation befindenden Aktiengesellschaft im Handelsregister gehe deren Rechtspersönlichkeit unter ( BGE 132 III 731 E. 3.2 [recte: 3.1] S. 733; Urteile des Bundesgerichts 5A_65/2008 vom 15. Dezember 2008 E. 2.1; 4A_188/2008 vom 9. September 2008 E. 4.4). Es kommt zum Schluss, damit fehle der Rechtsträger des Verantwortlichkeitsanspruchs auf Ersatz des Gesellschaftsschadens (zit. Urteil 4A_384/ 2016 E. 2.1.3). Fehle aber der Rechtsträger der eingeklagten Forderung, ermangle es dem als Prozessstandschafter klagenden Gläubiger der Aktivlegitimation, womit dessen Klage als unbegründet abzuweisen sei (zit. Urteil 4A_384/2016 E. 2.3). Im Nachgang zu diesem Urteil wird in der Lehre die Auffassung vertreten, Aktivforderungen gingen mit der Löschung der Gesellschaft unter, und es wird daraus der Schluss gezogen, damit ermangele es dem Abtretungsgläubiger im Aktivprozess an der Aktivlegitimation und im Passivprozess an der Passivlegitimation (LORANDI, a.a.O., S. 728 f.). 2.3 Die Annahme, Aktivforderungen gingen mit der Löschung der Gesellschaft unter, stünde indessen im Widerspruch zur publizierten Rechtsprechung des Bundesgerichts (vgl. E. 2.4 hiernach). BGE 146 III 441 S. 445 Deren Änderung liesse sich nur begründen, wenn die neue Lösung besserer Erkenntnis der ratio legis, veränderten äusseren Verhältnissen oder gewandelter Rechtsanschauung entspricht; andernfalls ist die bisherige Praxis beizubehalten. Eine Praxisänderung muss sich deshalb auf ernsthafte sachliche Gründe stützen können, die - vor allem im Interesse der Rechtssicherheit - umso gewichtiger sein müssen, je länger die als falsch oder nicht mehr zeitgemäss erachtete Rechtsanwendung gehandhabt worden ist ( BGE 145 III 365 E. 3.3 S. 369; BGE 144 III 209 E. 2.3 S. 213; je mit Hinweisen). Mit der Frage, ob diese Voraussetzungen erfüllt waren, setzte sich das zit. Urteil 4A_384/2016 nicht auseinander, weshalb nicht davon auszugehen ist, dass eine Änderung der Rechtsprechung beabsichtigt war. Die Annahme eines Wegfalls der Aktivlegitimation der Abtretungsgläubiger nach Art. 260 SchKG bei Löschung der Gesellschaft führt zu Rechtsunsicherheiten (E. 2.7 hiernach) und liesse sich weder mit der Systematik noch dem Zweck des SchKG und der dazugehörenden Verordnungen in Einklang bringen (vgl. E. 2.5 hiernach). Es besteht auch kein schützenswertes Interesse daran, für die Durchsetzbarkeit der Forderungen einen Eintrag zu verlangen (vgl. E. 2.6 hiernach). Daher darf der Löschung der Gesellschaft in Bezug auf nach Art. 260 SchKG abgetretene Forderungen keine massgebende Bedeutung zuerkannt werden. 2.4 Soweit die amtlich publizierte Rechtsprechung der Löschung im Handelsregister konstitutive Wirkung zuerkennt, zieht sie daraus nicht den Schluss, die Aktiv- oder Passivforderungen gingen mangels Rechtsträgerschaft unter: 2.4.1 Das Bundesgericht hielt schon früh fest, da das Gesetz für den Erwerb der Rechtspersönlichkeit die Eintragung im Handelsregister fordere, müsse angenommen werden, auch ihr Fortbestand sei an diese Voraussetzung geknüpft und die Streichung der Gesellschaft im Handelsregister "infolge beendigter Liquidation" mit ihrem Untergang als Rechtssubjekt gleichbedeutend. Daraus zog es den Schluss, von diesem Zeitpunkt an sei eine Betreibung gegen die gelöschte Gesellschaft nicht mehr denkbar. Begründet wurde dies aber nicht mit dem Erlöschen der in Betreibung gesetzten Forderung, sondern vielmehr damit, dass das Erlöschen der Gesellschaft als Rechtsperson notwendig auch das Dahinfallen der Vertretungsmacht der bisherigen Verwaltung bzw. der Liquidatoren zur Folge habe, und es daher an einer Person, die für die Betreibungsschuld nerin rechtsverbindliche Erklärungen abgeben und der die Betreibungsurkunden zugestellt werden könnten, fehle ( BGE 42 III 37 S. 40). Auf diesen Entscheid verwies das Bundesgericht in BGE 73 III 61 E. 1 S. 62 und führte aus, "[...] faute de créancier, aucun acte de poursuite ne devait être accompli [...]". Dazu hielt es fest, die Ansicht der damaligen Vorinstanz, bei Auffinden eines Vermögenswertes nach Abschluss der Liquidation würden die Befugnisse des Liquidators wiederaufleben, missachte, dass ein Wiederaufleben der Befugnisse den Wiedereintrag der Gesellschaft in das Handelsregister voraussetze. Auch hier war es nicht der Untergang der Forderungen, der einer Betreibung entgegenstand, sondern die fehlende Möglichkeit, für die BGE 146 III 441 S. 446 Betreibungsschuldnerin rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben und entgegenzunehmen. Es ging um die Fähigkeit, am Rechtsverkehr teilzunehmen. 2.4.2 In Bezug auf die Forderungen erkannte das Bundesgericht, die Liquidation sei nicht abgeschlossen, solange noch Ansprüche oder Verpflichtungen auf den Namen der Gesellschaft bestünden. Zeige sich, dass eine Löschung zu Unrecht erfolgt sei, so könnten die Berechtigten die Wiedereintragung verlangen ( BGE 57 I 39 E. 1 S. 42, 233 S. 235; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 4A_467/ 2018 vom 9. Mai 2019 E. 4.1). Dass die Löschung der Gesellschaft nicht zum Untergang der Forderung führt, ergibt sich deutlich aus BGE 59 I 161 . Dort war eine Baugenossenschaft dem Gläubiger Fr. 40'000.- schuldig geworden. Diese Schuld hatte ein Dritteigentümer durch eine Grundpfandverschreibung (Kapitalhypothek) auf seiner Liegenschaft sichergestellt. Am 2. November 1932 war über die Baugenossenschaft der Konkurs eröffnet und am 10. November 1932 mangels Aktiven wieder eingestellt worden. Infolge der Konkurseröffnung hatte das Handelsregisteramt die Baugenossenschaft gelöscht. Das Bundesgericht hielt in seinem Entscheid ausdrücklich fest, diese Schuld bestehe heute (der Entscheid datiert vom 17. Juli 1933) noch zu Recht ( BGE 59 I 161 Sachverhalt C S. 162). Die Löschung der Gesellschaft hatte mithin keinen Einfluss auf den Bestand der Forderung. Zudem entschied das Bundesgericht, die Betreibung auf Verwertung des Drittpfandes könne gegen den Dritteigentümer des Pfandes allein angehoben werden in analoger Anwendung von aArt. 89 Abs. 2 der Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über die Zwangsverwertung von Grundstücken (VZG; SR 281.42) in der damaligen Fassung (BS 3 146). In diesem Falle könne der gar nicht mehr existierende persönliche Schuldner BGE 146 III 441 S. 447 ebenfalls beiseite gelassen werden und brauche nicht durch Wiedereintragung in das Handelsregister zum Wiederaufleben gebracht zu werden zum blossen Zwecke der Verwertung des einem Dritten gehörenden, für eine Schuld der inzwischen untergegangenen juristischen Person gesetzten Pfandes ( BGE 59 I 161 S. 164). Soweit eine Beteiligung der gelöschten Gesellschaft für die Verwertung nicht notwendig war, wurde keine Wiedereintragung verlangt. Heute ist eine analoge Anwendung von aArt. 89 Abs. 2 VZG nicht mehr notwendig, da der Fall, dass eine juristische Person infolge Konkurses untergegangen ist, im seit dem 1. Januar 1997 in Kraft stehenden Art. 89 Abs. 2 VZG ausdrücklich eingeschlossen wurde. 2.4.3 In BGE 132 III 731 E. 3.1 S. 733, auf den das zit. Urteil 4A_384/2016 E. 2.1.3 verweist, hat das Bundesgericht präzisiert: "L'existence juridique d'une société anonyme en liquidation cesse lorsque, à l'issue de la liquidation, celle-ci est radiée du registre du commerce." Dazu wird auf BGE 117 III 39 E. 3b verwiesen. Dort wird festgehalten, mit der Konkurseröffnung verliere eine Aktiengesellschaft ihre juristische Persönlichkeit zwar nicht; ihre rechtliche Existenz höre erst auf, wenn - nach Beendigung der Liquidation ( Art. 746 OR ) - ihre Firma im Handelsregister gelöscht werde. Indessen trete die Gesellschaft durch die Eröffnung des Konkurses unmittelbar ins Stadium der Liquidation ( Art. 736 Ziff. 3 OR ). Gleichzeitig werde ihre Handlungsfähigkeit zugunsten der Konkursmasse aufgehoben ( BGE 117 III 39 E. 3b S. 41 f.). Es ging in BGE 117 III 39 um den Umfang, in dem die Organe einer in Konkurs stehenden Aktiengesellschaft die Vertretungsbefugnis behalten, nicht um das Schicksal von noch nicht liquidierten Vermögenswerten nach Löschung der Gesellschaft. Dazu hält BGE 132 III 731 E. 3.1 S. 733 vielmehr in Übereinstimmung mit der in E. 2.4.2 hiervor zitierten Rechtsprechung fest: "Il est cependant possible si, après la clôture de la liquidation, des biens ou des prétentions non pris en compte sont découverts [...], que la société radiée soit réinscrite au registre du commerce, sous certaines conditions." Soweit das Bundesgericht in BGE 132 III 731 E. 3.1 S. 733 eine Präzisierung seiner älteren Rechtsprechung sah, verstand es diese nicht im Sinne eines Untergangs der Rechtsträgerschaft, sondern im Gegenteil als Einschränkung der Annahme, die Streichung der Gesellschaft im Handelsregister "infolge beendigter Liquidation" sei mit ihrem Untergang als Rechtssubjekt gleichbedeutend. Diese BGE 146 III 441 S. 448 Konsequenz wurde in späteren Entscheiden gestützt auf BGE 132 III 731 erst einer Löschung nach beendigter Liquidation zuerkannt (Urteile des Bundesgerichts 2C_408/2012 vom 25. September 2012 E. 3.1; 4A_231/2011 vom 20. September 2011 E. 2), beziehungsweise festgehalten, die Löschung begründe nur die Vermutung, dass die gelöschte Gesellschaft nicht mehr existiere (Urteil des Bundesgerichts 4A_16/2010 vom 6. April 2010 E. 5.1.2; zit. Urteil 2C_408/2012 E. 3.1; vgl. auch JUNG, a.a.O., S. 89 f.). 2.4.4 Das Bundesgericht geht in seiner Rechtsprechung mithin davon aus (und hielt daran im zit. Urteil 4A_467/2018 E. 4.1 auch in neuster Rechtsprechung fest), dass die Forderungen auch nach Löschung der Gesellschaft im Handelsregister weiterhin auf den Namen der Gesellschaft bestehen. Mit Urteil 4A_5/2008 vom 22. Mai 2008 E. 1.4 bestätigte das Bundesgericht nochmals (auch wenn die Frage nicht abschliessend behandelt zu werden brauchte), dass von der Löschung nicht der Bestand der Forderungen betroffen ist und die Löschung der Gesellschaft weder automatisch zum Untergang der dieser zustehenden Forderungen noch zum Untergang der Konkursforderung des prozessführenden Gläubigers führt, als deren Nebenrecht die Prozessführungsbefugnis gemäss Art. 260 SchKG angesehen wird. 2.4.4.1 Allerdings hält das ebenfalls im zit. Entscheid 4A_384/2016 zitierte Urteil 5A_65/2008 in E. 2.1 in Bezug auf die Löschung einer Gesellschaft von Amtes wegen nach Abschluss des Konkursverfahrens durch Entscheid des Gerichts unter Verweis auf BGE 132 III 731 E. 3.1 S. 733 Folgendes fest: "La radiation a pour conséquence que la société cesse d'exister juridiquement." Daraus wurde der Schluss gezogen: "Dans une pareille situation, le droit patrimonial ayant échappé à la liquidation est une chose sans maître, l'art. 269 al. 1 LP l'emportant sur les art. 57 al. 1 et 466 CC; l'art. 269 al. 1 LP implique aussi que les créances renaissent et sont gérées par l'office des faillites afin de procéder à leur recouvrement en faveur des créanciers renvoyés perdants dans la faillite" (in diesem Sinne auch: PIERRE-ROBERT GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. 3, 2001, N. 17 zu Art. 269 SchKG ). Zwar ist hier tatsächlich von einem Wiederaufleben der Forderungen die Rede und die Vermögenswerte der gelöschten Gesellschaft werden als herrenlos (sans maître) bezeichnet. Dies aber nicht etwa mit der Folge, dass die Forderungen herrenlos blieben BGE 146 III 441 S. 449 und für Sachen Art. 718 ZGB zum Zuge käme, sondern es wird klargestellt, dass anstelle der in den Art. 57 Abs. 1 und Art. 466 ZGB vorgesehenen Rechtsnachfolge des Gemeinwesens nach Art. 269 Abs. 1 SchKG die Zuständigkeit des Konkursamtes tritt (vgl. auch GILLIÉRON, a.a.O., N. 17 zu Art. 269 SchKG ). Für GILLIÉRON, auf den sich das zit. Urteil 5A_65/2008 unter anderen stützt, ist indessen nicht die dogmatische Einordnung entscheidend, sondern die Möglichkeit der Befriedigung der zu Verlust gekommenen Beteiligten: "[...] à moins qu'il soit plus simple de dire qu'ils [les créances des entités juridiques qui ont cessé d'exister avec la clôture de leur faillite] renaissent pour être dévolues aux intervenants renvoyés perdants, bref des lémures"). Die Durchführung eines Nachkonkurses nach Art. 269 Abs. 1 SchKG setzt aber, soweit die Konkursmasse darin nicht Ansprüche oder sonstige Aktiven aktiv geltend machen will (namentlich durch Vergleich, Betreibung, Klage, Schiedsverfahren etc.), keine Wiedereintragung voraus (LORANDI, a.a.O., S. 727 mit Hinweisen). Auch dieser Entscheid verlangt keine Wiedereintragung der Gesellschaft zur Verwertung der Ansprüche. 2.4.4.2 Derartiges kann auch aus dem zit. Urteil 4A_188/2008, das im zit. Urteil 4A_384/2016 ebenfalls angeführt wird, nicht abgeleitet werden. Auch dort erkannte das Bundesgericht in E. 4.4 unter Verweis auf die BGE 132 III 731 E. 3.1 und BGE 117 III 39 E. 3b, mit der Löschung der Firma im Handelsregister nach beendigter Liquidation höre die rechtliche Existenz der Aktiengesellschaft auf. Es wurde festgehalten, im damals zu beurteilenden Fall könne von einer nachträglichen Entdeckung von Vermögenswerten keine Rede sein. Es ging nicht um die Rechtsträgerschaft an Vermögenswerten, sondern um eine Verzichtserklärung zugunsten einer nach Abschluss des Konkursverfahrens bereits gelöschten Gesellschaft. Im Zeitpunkt der Verzichtserklärung hatte im damals zu beurteilenden Fall die Verteilung längst stattgefunden, und war das Konkursverfahren vom zuständigen Gericht für geschlossen erklärt worden (vgl. Art. 268 SchKG ). Damit war die Zuständigkeit der Konkursverwaltung, über Gegenstände der Masse zu verfügen, unter Vorbehalt von Art. 269 SchKG erloschen ( BGE 120 III 36 E. 3 S. 38; Urteil des Bundesgerichts 5A_50/2015 vom 28. September 2015 E. 3.3). Deswegen war wesentlich, dass keine nachträglich entdeckten Vermögenswerte zur Debatte standen, die es dem Konkursamt erlaubt hätten, nach Art. 269 SchKG einen Nachkonkurs durchzuführen. Ausserhalb eines BGE 146 III 441 S. 450 Nachlassverfahrens ist ein Forderungsverzicht nach schweizerischem Recht aber allein in einem Aufhebungsvertrag nach Art. 115 OR möglich. Dabei handelt es sich um ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, das durch einen Antrag und dessen Annahme zustande kommt, also der Zustimmung beider Parteien bedarf (Urteil des Bundesgerichts 4C.363/2001 vom 7. Juli 2003 E. 3 mit Hinweis). Diese konnte das Konkursamt mangels Zuständigkeit nicht mehr rechtswirksam geben und hätte einer Wiedereintragung bedurft (zit. Urteil 4A_188/2008 E. 4.4). Auch hier ging es mithin um eine Teilnahme der Gesellschaft am Rechtsverkehr. 2.5 Auch ein Blick auf die Einbindung von Art. 260 SchKG in den Nachkonkurs ( Art. 269 Abs. 3 SchKG ) verdeutlicht, dass nach erfolgter Abtretung die Löschung der Gesellschaft keinen Einfluss auf die Aktivlegitimation der Abtretungsgläubiger haben kann und keine Wiedereintragung notwendig ist, damit die im eigenen Namen klagenden Gläubiger die Ansprüche der gelöschten Gesellschaft geltend machen können: 2.5.1 Bei der "Abtretung" nach Art. 260 SchKG handelt es sich nicht um eine Abtretung im zivilrechtlichen Sinne, sondern vielmehr um ein betreibungs- und prozessrechtliches Institut sui generis ( BGE 145 III 101 E. 4.1.1 S. 103; BGE 144 III 552 E. 4.1.1 S. 554; BGE 109 III 27 E. 1a S. 29; je mit Hinweisen), mit dem die Prozessführungsbefugnis übertragen wird. Die Abtretungsgläubiger handeln zwar im Prozess in eigenem Namen, auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko, werden durch die Abtretung indes nicht Träger des abgetretenen Anspruchs ( BGE 139 III 391 E. 5.1 S. 394; BGE 121 III 488 E. 2b S. 492; je mit Hinweisen). Die Konkursmasse beziehungsweise die konkursite Gesellschaft ist aber nicht Prozesspartei (vgl. JEANNERET/CARRON, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 42 zu Art. 260 SchKG ). Die Abtretungsgläubiger können Leistung direkt an sich selbst verlangen ( BGE 139 III 391 E. 5.1 S. 395 mit Hinweisen). Unter diesen Gesichtspunkten ist es für den Prozess der Abtretungsgläubiger nicht notwendig, dass die Gesellschaft im Handelsregister eingetragen bleibt. 2.5.2 Die Prozessführungsbefugnis der Abtretungsgläubiger entspringt einer vollstreckungsrechtlichen Spezialregelung, mit welcher dem Gläubiger das Klagerecht der Konkursmasse übertragen wird ( BGE 117 II 432 E. 1b/ff S. 439). Art. 260 SchKG eröffnet eine besondere Möglichkeit, der Konkursmasse zu Aktiven zu verhelfen, BGE 146 III 441 S. 451 die zwar bestritten sind, aber zur Masse gehören ( BGE 111 II 81 E. 3b S. 85). Sie dient dem mit der Konkurseröffnung über eine Gesellschaft allgemein verfolgten Zweck, im Interesse der Gesellschaftsgläubiger das zur Masse gehörende Vermögen erhältlich zu machen (zit. Urteil 4A_5/2008 E. 1.4). 2.5.3 Mit dem von Art. 260 SchKG und dem Konkursverfahren an sich verfolgten Zweck liesse es sich nicht vereinbaren, die Prozessführungsbefugnis bei Löschung der Gesellschaft im Handelsregister dahinfallen zu lassen. Art. 95 der Verordnung vom 13. Juli 1911 über die Geschäftsführung der Konkursämter (KOV; SR 281.32) hält zum Einfluss von Prozessen nach Art. 260 SchKG auf den Schluss des Konkursverfahrens vielmehr fest, sofern eine Abtretung von Rechtsansprüchen der Masse an einzelne Konkursgläubiger im Sinne von Artikel 260 SchKG stattgefunden habe und anzunehmen sei, aus der Verfolgung der abgetretenen Rechte werde sich nicht ein Überschuss zugunsten der Masse ergeben, habe das Konkursamt dem Konkursgerichte unter Einsendung der Akten darüber Antrag zu stellen, ob das Konkursverfahren sofort geschlossen oder ob mit dem Schluss des Verfahrens bis nach durchgeführter Geltendmachung des Anspruchs zugewartet werden soll (vgl. BGE 127 III 526 E. 3 S. 528 mit Hinweisen; zit. Urteile 4A_5/2008 E. 1.4; 4A_188/ 2008 E. 4.4; 5A_50/2015 E. 3.4.2; MARK REUTTER, Verordnung über die Geschäftsführung der Konkursämter [KOV], Milani/Wohlgemuth [Hrsg.], 2016, N. 5 ff. zu Art. 95 KOV ). Nach Art. 159 Abs. 5 lit. b der Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007 (HRegV; SR 221.411) wird aber eine Rechtseinheit von Amtes wegen gelöscht, wenn das Konkursverfahren durch Entscheid des Gerichts abgeschlossen wird. Wäre der Eintrag der Gesellschaft notwendig, um die Ansprüche geltend zu machen, würde ein vorher erfolgter Abschluss des Konkursverfahrens keinerlei Sinn ergeben (vgl. THOMAS BAUER, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Ergänzungsband, 2. Aufl. 2017, N. 35 zu Art. 260 SchKG ; GARBARSKI/MUSKENS, a.a.O., S. 464), da er die Löschung der Gesellschaft von Amtes wegen und damit - wollte man der Auffassung des Beschwerdeführers folgen - den Verlust der Aktivlegitimation der nach Art. 260 SchKG klagenden Gläubiger nach sich ziehen würde. Das Bundesgericht hat vielmehr festgehalten, dass trotz der nach Konkursschluss vorzunehmenden Löschung der konkursiten Gesellschaft im Handelsregister ( Art. 159 Abs. 5 lit. b HRegV ) im Falle eines sich aus den nach Art. 260 SchKG BGE 146 III 441 S. 452 verfolgten Ansprüchen ergebenden Überschusses für die Masse eine Nachverteilung an die Konkursgläubiger möglich sei (zit. Urteil 5A_50/2015 E. 3.4.3), was auch LORANDI (a.a.O., S. 726) anerkennt. Dies setzt, wie die Beschwerdegegnerinnen zutreffend einwenden, voraus, dass die nach Art. 260 SchKG verfolgten Ansprüche trotz einer Löschung der Gesellschaft erfolgreich durchgesetzt werden können. 2.5.4 Werden nach Schluss des Konkursverfahrens Vermögensstücke entdeckt, welche zur Masse gehörten, aber nicht zu derselben gezogen wurden, so nimmt das Konkursamt dieselben in Besitz und besorgt ohne weitere Förmlichkeit die Verwertung und die Verteilung des Erlöses an die zu Verlust gekommenen Gläubiger nach deren Rangordnung ( Art. 269 Abs. 1 SchKG ). Die Löschung der Gesellschaft steht einem Nachkonkurs nach Art. 269 SchKG nicht entgegen. Für die Verwertung und Nachverteilung muss die im Handelsregister gelöschte Gesellschaft deshalb auch nicht wieder eingetragen werden. Zur Abwicklung des Nachkonkurses ist das (ordentliche) Konkursamt zuständig (vgl. LORANDI, a.a.O., S. 727 mit Hinweisen). Die genannten insolvenzrechtlichen Aspekte werden von der Löschung der schuldnerischen Gesellschaft im Handelsregister nicht berührt. Nur soweit die Konkursmasse im Nachkonkurs durch Vergleich, Betreibung, Klage, Schiedsverfahren etc. Ansprüche aktiv geltend machen will, besteht eine Notwendigkeit, die gelöschte juristische Person wieder im Handelsregister eintragen zu lassen. Das anerkennt auch die Lehre, die einen Untergang der Forderungen durch Löschung der Gesellschaft annimmt (LORANDI, a.a.O., S. 727 mit Hinweisen; vgl. E. 2.4.4.1 hiervor). Hier erweist sich diese Lehrmeinung indessen als inkonsequent: Wenn man annimmt, die Aktivforderungen gingen mit der Löschung der Gesellschaft unter, bestünden nach der auf den Schluss des Konkursverfahrens von Amtes wegen vorzunehmenden Löschung keine Forderungen mehr. Forderungen die zur Masse gehörten, aber nicht zu derselben gezogen wurden, könnten damit an sich erst nach der Wiedereintragung entdeckt werden, weil sie erst ab diesem Zeitpunkt wieder existieren würden. Und selbst wenn man einwenden wollte, auch untergegangene Forderungen könnten entdeckt werden, könnten sie jedenfalls erst nach der Wiedereintragung verwertet werden. 2.5.5 Dies entspricht nicht der Meinung des Gesetzgebers und wird auch von der Lehre (LORANDI, a.a.O., S. 727 mit Hinweisen) nicht vertreten. Art. 269 Abs. 3 SchKG hält ausdrücklich fest: Handelt es BGE 146 III 441 S. 453 sich um einen zweifelhaften Rechtsanspruch, so bringt das Konkursamt den Fall durch öffentliche Bekanntmachung oder briefliche Mitteilung zur Kenntnis der Konkursgläubiger, und es finden die Bestimmungen des Art. 260 SchKG entsprechende Anwendung. Der Gesetzgeber geht mithin davon aus, im Rahmen des Nachkonkurses, der keine Wiedereintragung voraussetzt, könnten Forderungen auftauchen und nach Art. 260 SchKG abgetreten werden. Wenn aber die Wiedereintragung in diesem Zeitpunkt nach der gesetzlichen Regelung nicht notwendig ist, kann auch eine bereits vor Löschung der Gesellschaft erfolgte Abtretung nicht durch die Löschung beeinflusst werden. 2.6 Es besteht auch kein schützenswertes Interesse daran, die Klagebefugnis mit der Löschung der Gesellschaft im Handelsregister entfallen zu lassen. 2.6.1 Mit der Abtretung nach Art. 260 SchKG wird der Abtretungsgläubiger formell Prozesspartei und haftet damit für sämtliche Prozesskosten (vgl. JEANNERET/CARRON, a.a.O., N. 42 zu Art. 260 SchKG ). Die Gegenpartei hat diesbezüglich mit der gelöschten Gesellschaft nichts mehr zu tun (vgl. E. 2.5.1 hiervor). 2.6.2 Selbst wenn man davon ausgehen wollte, die Forderung gehe an sich mit der Löschung der Gesellschaft unter, würde dies sodann nichts daran ändern, dass die Forderung mit der Wiedereintragung wiederaufleben würde und vom Schuldner beglichen werden müsste. Ein definitiver Wegfall der Zahlungsverpflichtung wird aus dem Untergang der Gesellschaft nicht abgeleitet (zit. Urteil 4A_384/2016 E. 2.1.3; LORANDI, a.a.O., S. 731; je mit Hinweisen). Infolge der Akzessorietät würde mit dem Wiederaufleben der Forderung auch die Abtretungsverfügung wieder Wirksamkeit (ex nunc) erlangen; eine neue Abtretung wäre nicht erforderlich ( LORANDI, a.a.O., S. 731). Da aber beim Wiederaufleben der Forderung seither eingetretene Ereignisse wie der sonstige Untergang des Anspruchs vorbehalten blieben (LORANDI, a.a.O., S. 730 am Ende), würde die Zahlung gegenüber den klagenden Gläubigern den Schuldner unabhängig davon befreien, ob die Gesellschaft im Handelsregister eingetragen ist. Die klagenden Gläubiger könnten nach Wiedereintragung nicht erneut klagen, weil sie sich sonst in Widerspruch zu ihrem früheren Verhalten setzen würden, die Konkursmasse auch nicht, da mit der Wiedereintragung die Abtretung wieder Gültigkeit erlangen würde. Die Gefahr einer Doppelzahlung bestünde nicht. Ob die Gesellschaft BGE 146 III 441 S. 454 eingetragen ist oder nicht, hat auf den Ablauf des Prozesses keinen Einfluss, da die Gesellschaft nicht Partei ist (vgl. E. 2.5.1 und 2.6.1 hiervor). Der Einwand, es sei eine Wiedereintragung nötig, erweist sich als blosse Schikane, um sich der in jedem Fall gegenüber den Abtretungsgläubigern zu erbringenden Zahlung zu entziehen. Ein derartiges Verhalten verdient keinen Rechtsschutz (vgl. BGE 137 III 556 E. 4.6 S. 562; anders im zit. Urteil 4A_384/2016, wo an die Klagenden mangels Abtretung der Forderung nach Art. 260 SchKG nicht mit befreiender Wirkung hätte geleistet werden können). Dass es dem Beschwerdeführer einfach darum geht, sich seinen Zahlungspflichten zu entziehen, zeigt sich auch daran, dass er sich nun, da die Wiedereintragung erfolgt ist, gegen die Berücksichtigung dieser Tatsache wehrt. 2.7 Dass eine Gesellschaft vor Beendigung der Prozesse über die nach Art. 260 SchKG abgetretenen Ansprüche gelöscht wird, entspricht nicht nur den Verordnungen zum SchKG, sondern einer verbreiteten Praxis (GARBARSKI/MUSKENS, a.a.O., S. 463). Entsprechend führte das zit. Urteil 4A_384/2016 einerseits zu Rechtsunsicherheit und einer Häufung von Wiedereintragungsgesuchen (vgl. ZR 118/ 2019 S. 272 ff., 273) und andererseits dazu, dass in der Lehre (LORANDI, a.a.O., S. 732 f.; GARBARSKI/MUSKENS, a.a.O., S. 464) und Praxis (vgl. ZR 118/2019 S. 272 ff., 273) nach Möglichkeiten gesucht wird, den an sich vorgesehenen Abschluss des Konkursverfahrens oder zumindest die sich daran anschliessende Löschung der Gesellschaft hinauszuzögern. Unabhängig davon, ob die im zit. Urteil 4A_384/2016 angestellten Überlegungen aus dogmatischer Sicht stichhaltig erscheinen, dürfen solche Überlegungen in einem Gesetz, das den Zweck verfolgt, im Interesse der Gesellschaftsgläubiger das zur Masse gehörende Vermögen erhältlich zu machen (zit. Urteil 4A_5/2008 E. 1.4), nicht zu einer Rechtslage führen, die in der Lehre als tückenreich (LORANDI, a.a.O., S. 732) oder gar als eigentliche Pandorabüchse (GARBARSKI/ MUSKENS, a.a.O., S. 459) angesehen wird. Die Auslegung zwangsvollstreckungsrechtlicher Bestimmungen darf nicht losgelöst von den praktischen Bedürfnissen vorgenommen werden (vgl. GILLIÉRON, a.a.O., N. 10 zu Art. 260 SchKG , der bei der Auslegung zwangsvollstreckungsrechtlicher Bestimmungen voraussetzt: "[...] que le juge garde les pieds sur terre."). Unabhängig von der Kontroverse um die Natur der Löschung der Gesellschaft im Handelsregister (vgl. E. 2.2 hiervor) und den dogmatischen Schlüssen, die daraus allenfalls gezogen werden könnten, BGE 146 III 441 S. 455 darf in Bezug auf die Verwertung von Forderungen im Rahmen des SchKG aus dem zit. Urteil 4A_384/2016 mithin weder abgeleitet werden, mit der Löschung der Gesellschaft gingen auf diese lautende Forderungen unter und lebten erst mit der Wiedereintragung wieder auf, noch dass die Löschung der Geltendmachung einer nach Art. 260 SchKG abgetretenen Forderung entgegensteht. Vielmehr können solche Forderungen auch nach Löschung der Gesellschaft aufgefunden und im Rahmen eines Nachkonkurses ohne Wiedereintragung der Gesellschaft verwertet werden. Gesetz und Rechtsprechung gehen davon aus, auch nach der Löschung einer Rechtseinheit im Handelsregister könnten nicht liquidierte Vermögenswerte und Forderungen auf den Namen der Gesellschaft vorhanden sein. Diese Vermögenswerte sind zu liquidieren. Ausserhalb eines Konkursverfahrens setzt dies die Wiedereintragung der Gesellschaft ins Handelsregister voraus (vgl. Art. 164 Abs. 1 lit. a HRegV ), da es der Gesellschaft sonst nur schon an Organen mangeln würde, welche die Liquidation durchführen könnten. Hier unterscheidet sich die Situation von den Fällen, in denen ein Konkursverfahren durchgeführt wurde. Aufgrund der Abtretung nach Art. 260 SchKG sind die Abtretungsgläubiger zur Eintreibung der abgetretenen Ansprüche berufen, auch wenn das Konkursverfahren im Übrigen geschlossen und die konkursite Gesellschaft im Handelsregister gelöscht wird. Für nach Abschluss des Konkursverfahrens entdeckte Vermögenswerte ergibt sich direkt aus den Bestimmungen über den Nachkonkurs ( Art. 269 SchKG ) die Kompetenz des Konkursamtes zur Verwertung derartiger Vermögenswerte. In beiden Fällen bedarf es dazu keiner Wiedereintragung der gelöschten Gesellschaft. Entsprechend ist eine Wiedereintragung nur vorgesehen, soweit sie für die Beendigung des Konkursverfahrens der gelöschten Rechtseinheit erforderlich ist ( Art. 164 Abs. 1 lit. d HRegV ). 2.8 Die Löschung der Gesellschaft hat mithin in Bezug auf die Möglichkeit, eine nach Art. 260 SchKG abgetretene Forderung durchzusetzen, keine Auswirkung. Eine Wiedereintragung ist entgegen dem zit. Urteil 4A_384/2016 zur Durchsetzung der abgetretenen Ansprüche nicht notwendig.
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Sachverhalt ab Seite 267 BGE 145 V 266 S. 267 A. A.a Der 1958 geborene A., portugiesischer Staatsangehöriger, arbeitete von 1979 bis 1998 mit Unterbrüchen in der Schweiz, zuletzt als Lastwagenchauffeur. Die IV-Stelle des Kantons Zürich sprach ihm mit Wirkung ab 1. Januar 1999 aufgrund eines Invaliditätsgrades von 64 % eine halbe Rente zu. Am 3. Dezember 2003 lehnte die Verwaltung ein vom Versicherten eingereichtes Gesuch um Erhöhung der Rente ab. A.b Zu Beginn des Jahres 2004 eröffnete die IV-Stelle des Kantons Zürich ein Revisionsverfahren. Weil A. in der Zwischenzeit (im Februar 2004) nach Portugal ausgewandert war, überwies sie das Dossier der IV-Stelle für Versicherte im Ausland (nachfolgend: IVSTA), welche das Verfahren fortsetzte. Mit Verfügung vom 13. Dezember 2005, bestätigt mit Einspracheentscheid vom 25. August 2006, hob die IVSTA die Invalidenrente mit Wirkung ab 1. Februar 2006 auf. A.c
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Die von A. erhobene Beschwerde hiess das Bundesverwaltungsgericht mit Entscheid vom 23. Oktober 2008 in dem Sinne gut, als es den Einspracheentscheid aufhob und die Sache an die Verwaltung zurückwies, damit sie nach ergänzenden Abklärungen im Sinne der Erwägungen über den Leistungsanspruch neu verfüge. A.d Die IVSTA holte beim Zentrum für Medizinische Begutachtung Basel (ZMB) ein polydisziplinäres Gutachten ein, welches am 9. Juli 2009 erstattet wurde. Vorbescheidweise stellte sie dem Versicherten erneut die Aufhebung der Invalidenrente ab 1. Februar 2006 in Aussicht. Als der Versicherte Einsprache erhob, liess die Verwaltung beim ZMB ein zusätzliches Gutachten erstellen, welches vom 16. Mai 2013 BGE 145 V 266 S. 268 datiert. In einem weiteren Vorbescheid vom 3. September 2013 bestätigte die IVSTA, sie werde die Rente aufheben; gleichzeitig stellte sie fest, dass die halbe Rente (Invaliditätsgrad von 65 %) rückwirkend ab 1. Januar 2004 in eine Dreiviertelsrente umzuwandeln sei. Die Rentenhöhe begründete sie damit, dass sie in der Verfügung vom 13. Dezember 2005 die Übergangsbestimmungen zur 4. IV-Revision nicht berücksichtigt habe. Für die Befristung stützte sie sich auf eine Überprüfung des Anspruchs gemäss der am 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Änderung vom 18. März 2011 des IVG (6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket); danach bestehe kein Rentenanspruch mehr. A.e Wie vorbeschieden sprach die IVSTA A. mit drei Verfügungen vom 5. Juni 2014 für die Zeit vom 1. Januar 2004 bis 31. Juli 2014 eine Dreiviertelsrente zu. Gleichzeitig verneinte sie einen Anspruch auf Wiedereingliederungsmassnahmen. B. Beschwerdeweise liess A. beantragen, die IVSTA sei zu verpflichten, ihm Massnahmen zur Wiedereingliederung gemäss Art. 8a IVG zu gewähren und die Invalidenrente weiter auszurichten. Zudem habe sie auf der gesamten Rentennachzahlung ab 1. Januar 2004 den gesetzlichen Verzugszins zu bezahlen. Mit Entscheid vom 26. September 2018 hiess das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gut, soweit es darauf eintrat. Es hob die angefochtene, den Anspruch auf Wiedereingliederungsmassnahmen sowie auf Weiterausrichtung der Rente ab 1. August 2014 verneinende Verfügung vom 5. Juni 2014 auf. Es wies die IVSTA an, die bisherige Rente bis zum Ende des Monats der Entscheideröffnung (d.h. bis Ende Oktober 2018) weiter auszurichten sowie die Gewährung von Wiedereingliederungsmassnahmen zu prüfen und darüber zu befinden (wobei die Rente im Falle der Durchführung von Wiedereingliederungsmassnahmen längstens während zwei Jahren ab Entscheideröffnung weiterhin zu entrichten sei). C. Die IVSTA erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und ihre Verfügung vom 5. Juni 2014 wiederherzustellen. A. lässt die Abweisung der Beschwerde beantragen. Ferner ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) schliesst auf Gutheissung der Beschwerde. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. BGE 145 V 266 S. 269 Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Angefochten ist ein Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts, in welchem die den Anspruch auf Wiedereingliederungsmassnahmen sowie auf Weiterausrichtung der Rente ab 1. August 2014 verneinende Verfügung vom 5. Juni 2014 aufgehoben wurde. Die IVSTA wurde angewiesen, die bisherige Rente bis Ende Oktober 2018 weiter auszurichten, die Gewährung von Wiedereingliederungsmassnahmen zu prüfen sowie darüber zu befinden und bei Durchführung entsprechender Massnahmen die Rente während deren Dauer (längstens während zwei Jahren) weiterhin auszurichten. 1.2 Soweit die IV-Stelle verpflichtet wurde, die bisherige Rente bis Ende Oktober 2018 weiter auszurichten, handelt es sich um einen Endentscheid, gegen welchen die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gemäss Art. 90 BGG zulässig ist. 1.3 In den übrigen Punkten handelt es sich um einen Zwischenentscheid ( BGE 133 V 477 E. 4.2 und 6.1 S. 481 f., BGE 133 V 645 E. 2.1 S. 647), gegen welchen die Beschwerde nur zulässig ist, wenn der Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann ( Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ), oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit und Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde ( Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG ). Die IVSTA beruft sich auf ersteren Eintretensgrund: Für die Rückweisung stützte sich das Bundesverwaltungsgericht auf die von ihm bejahte Anwendbarkeit von lit. a Abs. 2 und 3 der Schlussbestimmungen der Änderung vom 18. März 2011 des IVG (6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket [nachfolgend: SchlBest. IVG]) in Verbindung mit Art. 8a IVG auf den zu beurteilenden Sachverhalt und die sich daraus ergebende grundsätzliche Leistungspflicht der schweizerischen Invalidenversicherung. Wie die IVSTA zutreffend vorbringt, wird ihr Beurteilungsspielraum durch diese für sie verbindliche Anordnung wesentlich eingeschränkt, ohne dass sie die nach ihrer Auffassung rechtswidrige neue Verfügung bei gegebenen übrigen Anspruchsvoraussetzungen selber anfechten könnte ( BGE 141 V 330 E. 1.2 S. 332 mit Hinweisen). Damit ist auf die Beschwerde auch diesbezüglich einzutreten. (...) BGE 145 V 266 S. 270 3. 3.1 Streitig ist der Anspruch auf Wiedereingliederungsmassnahmen sowie eine dazu akzessorische Rente gestützt auf lit. a Abs. 2 und 3 SchlBest. IVG in Verbindung mit Art. 8a IVG . 3.2 Die gestützt auf lit. a Abs. 1 SchlBest. IVG mit Wirkung auf 1. August 2014 erfolgte Aufhebung der Rente bildet nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Soweit das Bundesverwaltungsgericht die Weiterausrichtung der Rente bis Ende Oktober 2018 (als Monat der Eröffnung seines Entscheids) angeordnet hat, stützte es sich auf den Grundsatz, wonach rentenbegleitende Massnahmen zur Wiedereingliederung nach Art. 8a IVG (lit. a Abs. 2 und 3 SchlBest. IVG) nahtlos an die Rentenaufhebung gemäss lit. a Abs. 1 SchlBest. IVG anzuknüpfen haben (vgl. BGE 141 V 385 E. 5.5 S. 395 f.). Diese Anordnung fällt dahin, falls sich ergeben sollte, dass Massnahmen der Wiedereingliederung ausser Betracht fallen ( BGE 141 V 385 E. 5.3 in initio S. 392). 4. 4.1 Gemäss lit. a Abs. 2 SchlBest. IVG haben Personen, deren Rente (gestützt auf lit. a Abs. 1 SchlBest. IVG) herabgesetzt oder aufgehoben wurde, Anspruch auf Massnahmen zur Wiedereingliederung nach Art. 8a IVG . Indem die Norm auf diese (die Wiedereingliederung von Rentenbezügerinnen und Rentenbezügern regelnde) Gesetzesbestimmung verweist, führt sie keine separate Kategorie von Massnahmen mit eigenen Anspruchsvoraussetzungen ein (vgl. auch Rz. 1011 des Kreisschreibens des BSV über die Schlussbestimmungen der Änderung vom 18. März 2011 des IVG [KSSB; in der seit 1. April 2014 geltenden Fassung]). So besteht auch im Anwendungsbereich von lit. a Abs. 1 SchlBest. IVG nicht in jedem Fall ein Recht auf Wiedereingliederungsvorkehren; vielmehr ist erforderlich, dass die Massnahmen für eine Wiedereingliederung sinnvoll und nutzbringend sind ( BGE 141 V 385 E. 5.3 S. 392 f.; Urteil 8C_667/2013 vom 6. März 2014 E. 2, in: SVR 2014 IV Nr. 18 S. 69; Botschaft vom 24. Februar 2010 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung [6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket], BBl 2010 1817 ff., 1911 zu Abs. 2; Rz. 1007.1 Abs. 2 KSSB; vgl. auch SILVIA BUCHER, Rentenaufhebung/-herabsetzung und Begleitmassnahmen nach der IV-Revision 6a, in: Psyche und Sozialversicherung, Gabriela Riemer-Kafka [Hrsg.], 2014, S. 112 Rz. 42). Auch die Massnahmen nach Art. 8a IVG in Verbindung mit lit. a Abs. 2 SchlBest. IVG müssen BGE 145 V 266 S. 271 eingliederungswirksam sein, was die objektive Eingliederungsfähigkeit der betroffenen Person voraussetzt ( BGE 145 V 2 E. 4.3.3.2 f. S. 13 f. mit Hinweisen; vgl. auch MEYER/REICHMUTH, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung, 3. Aufl. 2014, N. 1 zu Art. 8a IVG ). 4.2 Unter der Marginalie "Versicherungsmässige Voraussetzungen" sieht Art. 9 IVG vor, dass Eingliederungsmassnahmen in der Schweiz, ausnahmsweise auch im Ausland, gewährt werden (Abs. 1 [vgl. dazu auch E. 6.3.3]). Der Anspruch darauf entsteht frühestens mit der Unterstellung unter die obligatorische oder die freiwillige Versicherung und endet spätestens mit dem Ende der Versicherung (Abs. 1 bis ). Mit anderen Worten muss eine Person der Versicherung unterstellt sein, sobald und solange sie Eingliederungsmassnahmen beansprucht. Diese (an sich selbstverständliche) Voraussetzung ergibt sich bereits aus der Gesetzessystematik und gilt für alle Eingliederungsmassnahmen (vgl. BGE 143 V 261 E. 5.2.1 S. 266 [betreffend medizinische Eingliederungsmassnahmen im Sinne von Art. 8 Abs. 3 lit. a IVG ]; MEYER/REICHMUTH, a.a.O., N. 1 und 8 zu Art. 9 IVG ), mithin auch für die hier zur Diskussion stehenden, in Art. 8a IVG geregelten Wiedereingliederungsmassnahmen. Weil es sich um ein grundlegendes Prinzip handelt, vermag der Beschwerdegegner nichts abzuleiten aus dem Umstand, dass weder in Art. 8a IVG noch in den SchlBest. IVG der Begriff "Versicherte" verwendet wird, sondern von "Rentenbezügerinnen und Rentenbezügern" die Rede ist. Ebenso wenig ergibt sich etwas zu seinen Gunsten aus dem Umstand, dass in der Botschaft S. 1935 die Möglichkeit von Wiedereingliederungsmassnahmen im Ausland erwähnt wird, weil der Bundesrat diese davon abhängig machte, dass "die Voraussetzungen nach schweizerischem Recht erfüllt sind" (BBl 2010 1817 ff., 1935). Der Hinweis des Beschwerdegegners, dass im Rahmen eines Rentenüberprüfungsverfahrens nach den SchlBest. IVG zwingend Eingliederungsmassnahmen zu prüfen seien, ändert nichts daran, dass auch diese Leistungen nur zugesprochen werden können, wenn die hierfür erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. auch E. 4.1). Die nach dem Gesagten für sämtliche Eingliederungsmassnahmen geltende, in Art. 9 Abs. 1 bis IVG statuierte Voraussetzung der Versicherungsunterstellung hat zur Folge, dass das Recht auf entsprechende Leistungen erlischt, sobald die betreffende Person nicht mehr versichert ist. In diesem Sinne führt das Ende der Versicherungsunterstellung zum Verlust des Anspruchs auf Eingliederungsmassnahmen ( BGE 143 V 261 E. 5.2.1 S. 266; MEYER/REICHMUTH, a.a.O., N. 8 zu Art. 9 IVG ; ERWIN MURER, Invalidenversicherungsgesetz [ Art. 1-27 bis IVG ], 2014, N. 50 zu Art. 9 IVG ). BGE 145 V 266 S. 272 5. Es steht fest, dass der Beschwerdegegner seit Februar 2004 nicht mehr in der Schweiz, sondern in Portugal wohnt und seither auch nicht mehr in der Schweiz erwerbstätig ist. Damit erfüllte er im massgebenden Zeitpunkt des Verfügungserlasses (5. Juni 2014) die versicherungsmässigen Voraussetzungen für Leistungen der Invalidenversicherung gemäss Art. 1b IVG in Verbindung mit Art. 1a AHVG nicht mehr. Mit dem Wegfall der Versicherungsunterstellung hatte er gemäss Art. 9 Abs. 1 bis IVG keinen Anspruch mehr auf Wiedereingliederungsmassnahmen nach lit. a Abs. 2 SchlBest. IVG in Verbindung mit Art. 8a IVG . Gleichzeitig entfiel auch der dazu akzessorische Anspruch auf Weiterführung der Rente während der Dauer der Massnahmen gestützt auf lit. a Abs. 3 SchlBest. IVG (und damit auch für die Zeit bis Ende Oktober 2018; vgl. dazu E. 3.2 hiervor). 6. 6.1 Uneinigkeit besteht in der Frage, ob die Regelung, wonach Personen ohne Wohnsitz und Erwerbstätigkeit in der Schweiz, deren Invalidenrente gestützt auf lit. a Abs. 1 SchlBest. IVG aufgehoben wurde, mangels Versicherungsunterstellung vom Anspruch auf Wiedereingliederungsmassnahmen und auf Weiterführung der Rente während deren Dauer (längstens während zwei Jahren; lit. a Abs. 2 und 3 SchlBest. IVG) ausgenommen sind ( Art. 9 Abs. 1 bis IVG in Verbindung mit Art. 1b IVG und Art. 1a AHVG ), dem Diskriminierungsverbot widerspricht, dies gemäss Art. 2 des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA; SR 0.142.112.681) und Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (SR 0.831.109.268.1; nachfolgend: VO Nr. 883/ 2004). Anders als die Vorinstanz und der Beschwerdegegner verneinen die IVSTA und das BSV die Frage. 6.1.1 Gemäss Art. 2 FZA dürfen die Staatsangehörigen einer Vertragspartei, die sich rechtmässig im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei aufhalten, bei der Anwendung dieses Abkommens gemäss den Anhängen I, II und III nicht aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit diskriminiert werden. 6.1.2 Nach Art. 1 Abs. 1 des auf der Grundlage von Art. 8 FZA ausgearbeiteten und Bestandteil des Abkommens bildenden ( Art. 15 FZA ) Anhangs II FZA (in der bis 31. März 2012 geltenden Fassung) in BGE 145 V 266 S. 273 Verbindung mit Abschnitt A dieses Anhangs befolgen die Vertragsparteien untereinander insbesondere die Verordnungen (EWG) Nr. 1408/ 71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (AS 2004 121; nachfolgend: VO Nr. 1408/71), und Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (AS 2005 3909) oder gleichwertige Vorschriften. Mit Wirkung auf 1. April 2012 sind diese beiden Rechtsakte durch die VO Nr. 883/2004 sowie die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (SR 0.831.109.268.11) abgelöst worden ( BGE 144 V 127 E. 4.1 S. 129 mit Hinweisen). Diese neuen Verordnungen sind auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt unbestrittenermassen in zeitlicher, persönlicher und sachlicher Hinsicht anwendbar. 6.1.3 Art. 4 VO Nr. 883/2004 sieht vor, dass Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staats haben, sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist. Diese Regel verbietet nicht nur die auf die Staatsangehörigkeit gestützten offenkundigen (direkten) Diskriminierungen, sondern auch alle verdeckten Formen (indirekter) Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungskriterien tatsächlich zum gleichen Ergebnis führen. Eine Bestimmung des Landesrechts ist als indirekt diskriminierend zu betrachten - ausser wenn sie objektiv gerechtfertigt und in Bezug auf das anvisierte Ziel verhältnismässig ist -, wenn sie ihrer Natur nach geeignet ist, die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten stärker zu beeinträchtigen als die eigenen Bürger, und wenn folglich die Gefahr besteht, dass insbesondere die Ersteren benachteiligt werden. Dies ist der Fall bei einer Voraussetzung, die durch inländische Arbeitnehmer leichter erfüllt werden kann als durch Wanderarbeitnehmer ( BGE 142 V 538 E. 6.1 S. 540; BGE 136 V 182 E. 7.1 S. 191 f.; je mit Hinweisen). 6.2 Das Bundesverwaltungsgericht erwog, Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit seien von der streitigen Regelung (E. 6.1) häufiger (negativ) betroffen als Schweizer Staatsangehörige, weil sie öfter als Letztere nach Erhalt einer Invalidenrente den Wohnsitz (zurück) BGE 145 V 266 S. 274 ins Ausland verlegen würden. Ihre Schlechterstellung bestehe darin, dass sie keine Möglichkeit hätten, einen Anspruch auf Wiedereingliederungsmassnahmen geltend zu machen, solange sie ihren Wohnsitz im Ausland hätten. Dies widerspreche auch dem Zweck der Personenfreizügigkeit mit der EU, die grenzüberschreitende Arbeitsmigration zu verwirklichen. Dass die Verweigerung von Wiedereingliederungsmassnahmen nach Aufhebung der Rente gestützt auf die SchlBest. IVG automatisch auch die Weiterausrichtung der (dazu akzessorischen) Rente ausschliesse, stelle eine zusätzliche Schlechterstellung dar und widerspreche, wenn nicht dem Wortlaut, so zumindest dem Geist von Art. 7 VO Nr. 883/2004. Es seien keine objektiven, von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Personen unabhängigen Gründe ersichtlich, welche die Ungleichbehandlung rechtfertigen und in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen würden. Auch wenn die Durchführung von Wiedereingliederungsmassnahmen für Personen mit Wohnsitz im Ausland und ohne Erwerbstätigkeit in der Schweiz besondere Schwierigkeiten mit sich bringe, indem sie unter Umständen komplizierter und kostspieliger ausfalle (was gewisse Einschränkungen und Sonderbestimmungen rechtfertige), sei es unverhältnismässig, alle Personen mit Wohnsitz im Ausland gänzlich und ohne Prüfung im Einzelfall von Wiedereingliederungsmassnahmen auszuschliessen. 6.3 6.3.1 Auszugehen ist vom Grundsatz, dass das vom FZA übernommene Gemeinschaftsrecht im Bereich der sozialen Sicherheit koordinieren und nicht harmonisieren will. Dementsprechend bestimmen die Mitgliedstaaten (unter Beachtung des Gemeinschaftsrechts) selber, unter welchen Voraussetzungen ein Recht auf Unterstellung unter eine Versicherung oder eine Verpflichtung hierzu besteht und unter welchen Voraussetzungen Leistungen gewährt werden ( BGE 142 V 538 E. 6.3.2.3 S. 545; BGE 140 V 98 E. 9.3 S. 107; BGE 134 V 428 E. 3.1 S. 431 f.). Mit anderen Worten bezweckt das Gemeinschaftsrecht nicht, die Unterstellung unter eine bestimmte Versicherung ganz oder in Bezug auf bestimmte Leistungen zu erzwingen. In diesem Sinne ist die Schweiz berechtigt, den Anspruch auf Massnahmen der Wiedereingliederung auf die Personen, die der schweizerischen AHV/IV unterstellt sind, zu beschränken, wie sie dies in Art. 9 Abs. 1 bis IVG getan hat. Es verhält sich nicht anders als in Bezug auf Art. 9 Abs. 2 IVG (Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen bei Personen, die der Versicherung nicht oder nicht mehr unterstellt sind, vor dem BGE 145 V 266 S. 275 vollendeten 20. Altersjahr), in welchem Zusammenhang das Bundesgericht erkannt hat, dass es keine indirekte Diskriminierung darstellt, nicht durch die schweizerische AHV/IV versicherten Kindern von Grenzgängern mit Wohnsitz in den EU-Nachbarstaaten Eingliederungsmassnahmen zu verweigern ( BGE 144 V 2 E. 7 S. 10 ff.; BGE 142 V 538 E. 6 S. 540 ff.; Urteil 9C_352/2016 vom 16. Januar 2017 E. 6.1). 6.3.2 Gegen die von der Vorinstanz anvisierte Lösung spricht aber auch der in den allgemeinen Kollisionsregeln zur Bestimmung des anwendbaren Rechts (Titel II der VO Nr. 883/2004 [Art. 11-16]) festgehaltene Grundsatz der Einheitlichkeit der anwendbaren Rechtsvorschriften. Diese allgemeinen Vorschriften gemäss Titel II der VO Nr. 883/2004 gelangen hier zur Anwendung, weil die besonderen Bestimmungen für die einzelnen Leistungsarten, die Titel III bilden ("Besondere Bestimmungen über die verschiedenen Arten von Leistungen" [Art. 17-70]), nicht etwas anderes bestimmen ( BGE 144 V 127 E. 4.2.2 S. 130; Urteil des Europäischen Gerichtshofs [EuGH] vom 14. Oktober 2010 C-345/09 van Delft u.a. , Slg. 2010 I-9879 Randnr. 47 [zur VO Nr. 1408/71]). Gemäss der allgemeinen Kollisionsregel des Art. 11 VO Nr. 883/2004 gelten bei Arbeitnehmenden und Selbstständigerwerbenden in der Regel die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem sie ihre Tätigkeit ausüben (Art. 11 Abs. 3 Bst. a VO Nr. 883/2004 [Beschäftigungsland- oder Erwerbsortprinzip]), und bei Nichterwerbstätigen - wie dem Beschwerdegegner - die Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats (Art. 11 Abs. 3 Bst. e VO Nr. 883/2004; vgl. dazu BGE 144 V 127 E. 4.2.1.2 S. 130 mit Hinweisen). Damit liegt die Zuständigkeit für die Erhebung von Beiträgen und die Zusprache von Leistungen grundsätzlich ausschliesslich bei Portugal als Wohnsitzstaat des nicht mehr erwerbstätigen Beschwerdegegners. 6.3.3 Die vom Gesetzgeber getroffene Regelung ist sodann durch objektive, von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer unabhängige Überlegungen gerechtfertigt und steht in einem angemessenen Verhältnis zum Zweck, der mit den nationalen Rechtsvorschriften zulässigerweise verfolgt wird. Denn wie auch das Bundesverwaltungsgericht anerkennt, wäre die Durchführung von Wiedereingliederungsmassnahmen im Ausland häufig mit Schwierigkeiten verbunden oder sogar unmöglich. Aus diesem Grund sah der Gesetzgeber denn auch vor, dass Eingliederungsmassnahmen nur ausnahmsweise im Ausland gewährt werden ( Art. 9 Abs. 1 IVG ). Umschrieben werden die dafür erforderlichen restriktiven Voraussetzungen in Art. 23 bis BGE 145 V 266 S. 276 (für obligatorisch Versicherte: bei Unmöglichkeit der Durchführung in der Schweiz [Abs. 1], in einem Notfall [Abs. 2] oder bei anderen beachtlichen Gründen [Abs. 3]) und 23 ter IVV (für freiwillig Versicherte nach dem 20. Altersjahr: wenn besondere Umstände dies rechtfertigen und die Massnahmen höchstwahrscheinlich dazu beitragen, dass die Person wieder eine Erwerbstätigkeit ausüben oder sich im Aufgabenbereich betätigen kann [Abs. 1]; vor dem 20. Altersjahr: wenn die Erfolgsaussichten der Massnahmen und die persönlichen Verhältnisse der betroffenen Person dies rechtfertigen [Abs. 2]). Wie die IVSTA zu Recht ausführt, ist es weder sinnvoll noch nutzbringend, Personen im Ausland nach längerem Rentenbezug wieder in den schweizerischen Arbeitsmarkt, von dem sie sichlängst entfremdet haben, einzugliedern. Vielmehr dürften in derartigen Konstellationen entsprechende Massnahmen regelmässig nur im Wohnsitzstaat wirksam und damit zielführend sein. Die Unterstellung unter das Recht des Wohnsitzstaates gemäss Art. 11 Abs. 3 Bst. e VO Nr. 883/2004 stellt damit eine zweckmässige Zuständigkeitsregelung dar. 6.3.4 Dass Personen ohne Wohnsitz oder Erwerbstätigkeit in der Schweiz wegen fehlender Versicherteneigenschaft unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit keinen Anspruch auf Wiedereingliederungsmassnahmen haben, schliesst auch bei der Versicherung in diesem Sinne nicht (mehr) unterstellten Schweizer Staatsangehörigen entsprechende Vorkehren aus. Mit anderen Worten würde die der Vorinstanz vorschwebende Lösung zu einer Privilegierung ausländischer Staatsangehöriger gegenüber Schweizer Staatsangehörigen (je mit Wohnsitz im Ausland) führen. 6.3.5 Nicht beigepflichtet werden kann der Vorinstanz auch, soweit sie zusätzlich einen Verstoss zwar nicht gegen den Wortlaut, aber gegen den Geist der Bestimmung des Art. 7 VO Nr. 883/2004 festgestellt hat. Diese Norm sieht vor, dass Geldleistungen nicht aufgrund der Tatsache gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden dürfen, dass die berechtigte Person in einem anderen Mitgliedstaat wohnt. Sie betrifft damit einen anderen Sachverhalt. Denn hier stand nicht die Rentenaufhebung als Geldleistung zur Diskussion, die im Übrigen auch nicht aufgrund einer Wohnsitznahme im Ausland, sondern aus materiell-rechtlichen Gründen verfügt worden war. Vielmehr ging es um Wiedereingliederungsmassnahmen, welche eine Sachleistung darstellen. Daran vermag der lediglich für den Fall der Durchführung von BGE 145 V 266 S. 277 Wiedereingliederungsmassnahmen (akzessorisch) bestehende Anspruch auf Weiterausrichtung der Rente nichts zu ändern. 6.3.6 Zu keinem anderen Ergebnis führt schliesslich die vom Beschwerdegegner (eventualiter) angerufene, einen besonderen Sachverhalt regelnde Nachversicherungsnorm gemäss Abschnitt A Nr. 1 Bst. i Ziff. 8 Anhang II FZA bzw. Ziff. 8 Anhang XI VO Nr. 883/ 2004. Diese sieht eine verlängerte Versicherungsdeckung für "den Erwerb des Anspruchs auf Eingliederungsmassnahmen bis zur Zahlung einer Invalidenrente und während der Durchführung dieser Massnahmen" vor. Eine derartige Konstellation liegt hier, wo es um Wiedereingliederungsmassnahmen im Zusammenhang mit einer Rentenaufhebung geht, offensichtlich nicht vor (vgl. zum Ganzen auch BGE 132 V 244 E. 6 S. 251 ff. und 53 E. 5 und 6 S. 58 ff. [zur VO Nr. 1408/71]; SILVIA BUCHER, Eingliederungsrecht der Invalidenversicherung, 2011, S. 39 f. Rz. 68 f.). 6.3.7 Zusammenfassend ergibt sich, dass es mit dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere dem Diskriminierungsverbot, vereinbar ist, Personen ohne Wohnsitz und Erwerbstätigkeit in der Schweiz, derenInvalidenrente gestützt auf lit. a Abs. 1 SchlBest. IVG aufgehobenwurde, mangels Versicherungsunterstellung vom Anspruch auf Wiedereingliederungsmassnahmen und vom akzessorischen Anspruchauf Weiterausrichtung der bisherigen Rente während deren Dauer(lit. a Abs. 2 und 3 SchlBest. IVG) auszuschliessen ( Art. 9 Abs. 1 bis IVG in Verbindung mit Art. 1b IVG und Art. 1a AHVG ). Mit derBegründung, der Beschwerdegegner sei der AHV/IV im massgebenden Zeitpunkt des Verfügungserlasses nicht mehr unterstellt gewesen, hat die IVSTA einen Anspruch auf Wiedereingliederungsmassnahmen und eine dazu akzessorische Rente gemäss lit. a Abs. 2 und3 SchlBest. IVG zu Recht verneint. Ihre Beschwerde ist begründet.
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Sachverhalt ab Seite 35 BGE 113 Ib 34 S. 35 Die Schweiz. Bundesbahnen (SBB) bauen auf der Stettbacherwiese auf dem Gebiet der Gemeinde Zürich das Tieftrasse und den unterirdischen Bahnhof Stettbach für die neue S-Bahn Zürich - Dübendorf/Dietlikon (Teilprojekt 7). Angrenzend an das vom Bau betroffene Areal liegt die Überbauung Mattenhof der Siedlungsgenossenschaft Sunnige Hof. Für das Teilprojekt 7 der S-Bahn war in den Gemeinden Zürich und Dübendorf Mitte des Jahres 1983 eine öffentliche Planauflage im Sinne von Art. 30 des Bundesgesetzes über die Enteignung vom 20. Juni 1930 (EntG) durchgeführt worden. Der Beginn der Bauarbeiten fiel ebenfalls auf Sommer 1983. Am 21. November 1983 wandte sich die Siedlungsgenossenschaft Sunnige Hof an die SBB, weil infolge der Bauarbeiten Schäden an den Häusern im Mattenhof entstanden seien. Die SBB leiteten die Meldung an die "Zürich"-Versicherungsgesellschaft weiter, mit der die Bauherrinnen einen Vertrag zur Deckung der Bauschäden abgeschlossen hatten. Die Versicherungsgesellschaft liess hierauf ein Gutachten erstellen, gestützt auf das sie in ihrem Schreiben an die Siedlungsgenossenschaft vom 29. November 1985 eine Haftung der SBB ablehnte, da kein adäquater Kausalzusammenhang zwischen den Schäden und den Bauarbeiten für die S-Bahn bestehe. Die Siedlungsgenossenschaft bestritt die Resultate des Gutachtens und reichte schliesslich am 28. Mai 1986 unter Hinweis auf Art. 41 EntG beim Präsidenten der Eidgenössischen Schätzungskommission, Kreis 10, ein Begehren um Eröffnung eines Enteignungsverfahrens ein. BGE 113 Ib 34 S. 36 In ihrer Vernehmlassung zum Begehren um Verfahrenseröffnung stellten die SBB, Kreisdirektion III, Antrag auf Abweisung des Gesuches und machten hauptsächlich geltend, das Entschädigungsbegehren der Siedlungsgenossenschaft Sunnige Hof könne nach Art. 5 EntG überhaupt nicht Gegenstand eines Enteignungsverfahrens sein. Die SBB hätten für die Risiken, die mit dem Bau der neuen Bahnstrecke verbunden seien, eine Baustellenversicherung abgeschlossen. Die Schadenmeldung der Siedlungsgenossenschaft sei von der Versicherungsgesellschaft entgegengenommen und das Schadenersatzbegehren nach einlässlicher Prüfung abgewiesen worden. Der Grundeigentümerin stehe es nun frei, ihre rein zivilrechtlichen Ansprüche beim zuständigen Zivilrichter anzumelden. Wäre aber dennoch anzunehmen, es liege ein Enteignungsfall vor, so müsste die Eingabe der Gesuchstellerin vom 28. Mai 1986 in Anwendung von Art. 41 EntG als verspätet gelten. Mit Verfügung vom 24. Juli 1986 erklärte der stellvertretende Präsident der Eidgenössischen Schätzungskommission, Kreis 10, das nachträglich angemeldete Entschädigungsbegehren der Siedlungsgenossenschaft als zulässig und das Enteignungsverfahren für eröffnet. Gegen diese Verfügung haben die SBB Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht, die vom Bundesgericht abgewiesen wird aus folgenden
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Erwägungen Erwägungen: 2. Die Siedlungsgenossenschaft Sunnige Hof hat in ihren Eingaben stets geltend gemacht, infolge der für den Bau der S-Bahn-Linie unternommenen Abgrabungen und Aufschüttungen auf den Nachbarparzellen habe sich ihr Grundstück gesenkt und seien an einigen Häusern Schäden entstanden, welche von den SBB zu vergüten seien. Entgegen der Meinung der SBB hat sich die Genossenschaft mit ihrer Entschädigungsforderung zu Recht an den Präsidenten der Schätzungskommission gewandt. Die sachliche Zuständigkeit der Eidgenössischen Schätzungskommission ist dann gegeben, wenn durch ein mit dem Enteignungsrecht ausgestattetes oder noch auszustattendes Unternehmen Rechte entzogen oder beschränkt werden, die nach Bundesrecht Enteignungsobjekte bilden ( BGE 106 Ib 235 E. 3). Gemäss Art. 5 EntG können neben anderen dinglichen Rechten auch die aus dem Grundeigentum hervorgehenden Nachbarrechte Gegenstand der Enteignung sein. Darunter sind insbesondere die Ansprüche des BGE 113 Ib 34 S. 37 Grundeigentümers auf Unterlassung übermässiger Einwirkungen zu verstehen, und zwar nicht nur der Anspruch auf Unterlassung von schädlichen Immissionen im Sinne von Art. 684 Abs. 2 ZGB , sondern auch jener auf Unterlassung von Grabungen und Bauten, die das nachbarliche Grundstück dadurch schädigen, dass Erdreich in Bewegung gebracht oder gefährdet oder vorhandene Vorrichtungen beeinträchtigt werden ( Art. 685 ZGB ). Werden demnach solche Abgrabungen oder Bauten für ein Werk unternommen, für das dem Werkeigentümer das Enteignungsrecht zusteht, so kann der Geschädigte nicht zivilrechtlich auf Beseitigung der Schädigung oder Schutz gegen drohenden Schaden sowie auf Schadenersatz klagen ( Art. 679 ZGB ), sondern nur gestützt auf Art. 5 EntG auf dem Enteignungsweg eine Entschädigung verlangen (vgl. etwa BGE 107 Ib 388 E. 2a, BGE 106 Ib 244 E. 3 mit zahlreichen Verweisungen). Über den Entschädigungsanspruch entscheidet ausschliesslich der Enteignungsrichter, und zwar nicht nur über die Höhe der Entschädigung, sondern auch darüber, ob überhaupt ein Nachbarrecht verletzt worden sei ( BGE 112 Ib 178 E. 3a, 106 Ib 236 E. 3a, je mit weiteren Hinweisen). Der Grundeigentümer kann den Zivilrichter nur dann anrufen, wenn er geltend macht, die Einwirkungen seien nicht notwendige oder doch leicht vermeidbare Folge des Baues oder Betriebs des Werkes und insbesondere auf unsachgemässe Erstellung zurückzuführen ( BGE 112 Ib 177 , BGE 107 Ib 389 E. 2a, BGE 93 I 301 /2). Dementsprechend ist bei der Revision des Eisenbahngesetzes im Jahre 1957 in Art. 20 ausdrücklich festgehalten worden, dass Bahnunternehmungen für schädigende Eingriffe in fremde Rechte nach Massgabe der Bundesgesetzgebung über die Enteignung Ersatz zu leisten haben, sofern der Eingriff nicht gemäss Nachbarrecht oder anderen gesetzlichen Vorschriften geduldet werden muss und es sich nicht um eine unvermeidliche oder nicht leicht abzuwendende Folge des Baues oder Betriebes der Bahn handelt. Es ist daher unverständlich, dass im vorliegenden Fall die - von Gesetzes wegen mit dem Enteignungsrecht ausgestatteten ( Art. 3 EBG ) - SBB die enteignungsrechtliche Natur der eingereichten Entschädigungsforderung bestreiten, obschon von niemandem behauptet wird, die umstrittenen Schäden seien durch unsachgemässe Bauausführung entstanden und vermeidbar gewesen. Die von den Enteignerinnen aufgeworfene Frage des Kausalzusammenhangs zwischen Schaden und Bauarbeiten fällt mit der Frage zusammen, ob überhaupt Nachbarrechte verletzt worden seien - eine Frage, über die, wie dargelegt, der Enteignungsrichter zu entscheiden hat. BGE 113 Ib 34 S. 38 An der Zuständigkeit der Schätzungskommission vermag, wie in der angefochtenen Verfügung mit Recht ausgeführt wird, auch der von den Enteignerinnen abgeschlossene Versicherungsvertrag nichts zu ändern. Weder berührt dieser Vertrag das öffentlichrechtliche Verhältnis zwischen Enteigner und (möglichen) Enteigneten, noch könnte durch die aufgrund des Vertrages gegebene Zustimmung der Enteigneten zur zivilrechtlichen Behandlung der Entschädigungsansprüche die Kompetenz der ratione materiae unzuständigen Zivilgerichte begründet werden ( BGE 99 Ib 485 E. 2, BGE 40 II 291 ). 3. Es bleibt zu prüfen, ob das von der Siedlungsgenossenschaft nachträglich eingereichte Entschädigungsbegehren als zulässig betrachtet werden durfte oder ob es, wie die Beschwerdeführerinnen geltend machen, verspätet und damit verwirkt war. Die Siedlungsgenossenschaft stellt heute nicht mehr in Abrede, dass auf dem Gebiet der Gemeinde Zürich, auf dem das umstrittene Grundstück liegt, eine öffentliche Planauflage im Sinne von Art. 30 EntG stattgefunden hat; ihr Entschädigungsanspruch untersteht daher nach Art. 41 Abs. 2 EntG der Verwirkung. Indessen wird nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung der Beginn der Verwirkungsfrist aufgeschoben, wenn der Enteignete durch das Verhalten des Enteigners von einer rechtzeitigen Anmeldung seiner Begehren abgehalten wird, so etwa, wenn der Enteignete aufgrund von Verhandlungen mit dem Enteigner zur Annahme berechtigt ist, dieser trete auf seine Ansprüche ein ( BGE 111 Ib 284 , BGE 106 Ib 335 E. 2b, BGE 88 I 199 , BGE 83 II 98 ). Der Schätzungskommissions-Präsident hat daher im vorliegenden Fall wohl mit Recht angenommen, die sechsmonatige Verwirkungsfrist gemäss Art. 41 Abs. 1 lit. b EntG habe erst in dem Zeitpunkt zu laufen begonnen, in dem die Versicherungsgesellschaft im Namen der SBB eine Entschädigungsleistung abgelehnt hat, weil die SBB durch die Entgegennahme der Schadensmeldung die Gesuchstellerin von weiteren Schritten, insbesondere von der Anrufung des Schätzungskommissions-Präsidenten abgehalten hätten. Selbst wenn aber hier nicht von einem Aufschub des Fristbeginns ausgegangen werden könnte, wäre dennoch festzustellen, dass die Siedlungsgenossenschaft ihren Entschädigungsanspruch rechtzeitig erhoben hat. Wie die Enteignerinnen selbst erwähnen, hat die Genossenschaft erstmals mit Schreiben vom 21. November 1983, also innerhalb von sechs Monaten sogar seit Baubeginn, Schäden gemeldet und um Entschädigung ersucht. Das Gesuch ist allerdings nicht an den Präsidenten BGE 113 Ib 34 S. 39 der Schätzungskommission, sondern an die SBB selbst gerichtet worden. Gelangt aber eine Partei rechtzeitig an eine unzuständige Behörde, so gilt die Frist nach der Bestimmung von Art. 21 Abs. 2 VwVG , die gemäss Art. 2 Abs. 3 VwVG auch für das Verfahren der Schätzungskommissionen gilt, als gewahrt. Nun sind die SBB, wie das Bundesgericht in BGE 101 Ib 104 E. 2b dargelegt hat, nach Art. 1 des Bundesgesetzes vom 23. Juni 1944 über die Schweizerischen Bundesbahnen eine innerhalb der Schranken der Bundesgesetzgebung selbständige eidgenössische Verwaltung, das heisst ein autonomer eidgenössischer Betrieb im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. c VwVG und gelten nach dieser Bestimmung als Behörde; sie können damit gegebenenfalls "unzuständige Behörde" im Sinne von Art. 21 Abs. 2 VwVG sein. Die sechsmonatige Frist ist daher schon durch das direkt an die SBB gerichtete Entschädigungsbegehren der Siedlungsgenossenschaft eingehalten worden. Diese hätten das Gesuch, zu deren Behandlung sie unzuständig waren, statt der Versicherungsgesellschaft dem Schätzungskommissions-Präsidenten übermitteln und ihn um einstweilige Sistierung des Verfahrens ersuchen müssen, wenn sie den Entschädigungsstreit auf gütlichem Wege erledigen wollten. Die Beschwerde der Enteignerinnen erweist sich somit als vollständig unbegründet und ist im Verfahren nach Art. 109 Abs. 1 OG abzuweisen.
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Erwägungen ab Seite 325 BGE 131 V 325 S. 325 Aus den Erwägungen: 2. [2.1-2.3 : Rechtliche Grundlagen; vgl. BGE 131 V 316 Erw. 3.1-3.3] BGE 131 V 325 S. 326 2.4 Im Kanton Zürich wird das Verfahren in sozialversicherungsrechtlichen Streitigkeiten durch das Gesetz über das Sozialversicherungsgericht vom 7. März 1993 (GSVGer; LS 212.81) geregelt. Dieses bestimmt in § 13 in der bis Ende 2004 geltenden Fassung, dass "die gesetzlichen und richterlichen Fristen, die nach Tagen bestimmt sind", stillstehen a. vom siebten Tag vor Ostern bis und mit dem siebten Tag nach Ostern; b. vom 15. Juli bis und mit dem 15. August; c. vom 18. Dezember bis und mit dem 1. Januar. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich räumte - in einem früheren Entscheid - zwar ein, es lasse sich aufgrund des Wortlautes dieser Bestimmung die Auffassung vertreten, die Vorschrift umfasse sämtliche Fristen und bezwecke eine Abgrenzung lediglich gegenüber den Terminen (d.h. der auf ein bestimmtes Datum festgesetzten richterlichen Fristen). Auch treffe es zu, dass der entstehungsgeschichtliche Zusammenhang (Einführung des Art. 22a VwVG ) und das Postulat einer Vereinheitlichung des sozialversicherungsrechtlichen Verfahrens für eine generelle Anwendbarkeit der Bestimmung des § 13 GSVGer sprächen. Das kantonale Gericht erkannte jedoch, dass diese Norm nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck sowie den Besonderheiten des erstinstanzlichen Beschwerdeverfahrens nach UVG (längere Beschwerdefrist, vorausgehendes Einspracheverfahren) auf die nach Monaten bestimmte Frist des Art. 106 Abs. 1 UVG (in der bis Ende 2002 gültigen Fassung) nicht anwendbar sei. Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat diese Beurteilung weder als willkürlich befunden noch darin einen Verstoss gegen Bundesrecht erblickt, nachdem seinerzeit gegen den kantonalen Entscheid Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben worden war (SVR 1998 UV Nr. 10 S. 27 Erw. 2c). (...) 4. 4.1 Das UVG in der bis Ende 2002 geltenden Fassung kannte im Gegensatz zu Art. 96 AHVG (in Kraft bis Ende 2002), welcher die Art. 20 bis 24 VwVG anwendbar erklärte, keine Vorschrift, wonach die Bestimmungen über die Fristen gemäss VwVG auch im kantonalen Beschwerdeverfahren gemäss Art. 108 UVG anwendbar seien. Insbesondere fand die mit der Revision des OG BGE 131 V 325 S. 327 vom 4. Oktober 1991 auf den 15. Februar 1992 in Kraft getretene Bestimmung des Art. 22a VwVG über den Fristenstillstand im Verwaltungsverfahren auf das erstinstanzliche Beschwerdeverfahren nach UVG keine Anwendung (RKUV 1994 Nr. U 194 S. 208). Anderseits schloss das UVG die Anwendung kantonalrechtlicher Fristenstillstandsbestimmungen im erstinstanzlichen Beschwerdeverfahren nicht aus ( BGE 116 V 265 ). Es war somit bisher den Kantonen anheimgestellt, ob sie für das Beschwerdeverfahren nach Art. 108 UVG Gerichtsferien vorsehen wollten oder nicht (SVR 1998 UV 10 S. 26 Erw. 2a). 4.2 (vgl. BGE 131 V 323 Erw. 5.2) 4.3 Die Argumente der Versicherten, welche für die Anwendung des ATSG und seiner Bestimmungen zum Fristenstillstand plädiert, dringen nicht durch. Art. 82 Abs. 2 ATSG räumt dem kantonalen Gesetzgeber für die Anpassung an das ATSG eine Übergangsfrist von fünf Jahren ein, kantonale Bestimmungen, die mit Bundesrecht (insbesondere mit Art. 60 und 61 ATSG ) nicht vereinbar sind, anzupassen (vgl. Erw. 4.2 hievor). Mit dieser einzigen verfahrensrechtlichen Übergangsbestimmung hat sich der Gesetzgeber für eine kantonal unterschiedliche Verfahrensordnung während längerer Zeit entschieden. Er hat damit insbesondere auch in Kauf genommen, dass der Fristenstillstand in der Sozialversicherungsrechtspflege je nach kantonaler Verfahrensordnung unterschiedlich ausfällt. Es geht nicht darum, dass die Kantone damit befugt wären, über das In-Kraft-Treten des Bundesrechts zu bestimmen, denn spätestens am 1. Januar 2008 müssen die kantonalen Regelungen an das ATSG angepasst worden sein; der Bundesgesetzgeber hat die intertemporalrechtliche Weichenstellung in Art. 82 Abs. 2 ATSG vorgenommen. Das ATSG ist zwar darauf angelegt, dass formelle Bestimmungen (z.B. für das Verwaltungsverfahren) grundsätzlich sofort in Kraft treten, jedoch besteht eine Ausnahme in Art. 82 Abs. 2 ATSG , welche für das Rechtspflegeverfahren zwingend ist, auch wenn damit während der Übergangszeit das angestrebte Ziel der Rechtseinheit (noch) nicht erreicht wird. Die Argumentation mit "Sinn und Zweck" des ATSG ist in diesem Zusammenhang untauglich, weil dieses Auslegungselement im intertemporalrechtlichen Kontext nicht mit der Wünschbarkeit einer einheitlichen Regelung der Fristberechnung inkl. Fristenstillstand gleichgesetzt werden darf (vgl. BGE 116 V 270 Erw. 5a). BGE 131 V 325 S. 328 Wenn die Beschwerdeführerin schliesslich geltend macht, nach § 13 GSVGer seien die Fristen den Parteien in der Rechtsmittelbelehrung anzuzeigen, ist darauf hinzuweisen, dass diese kantonale Regelung die SUVA als eidgenössische Institution nicht bindet, da sie im Rahmen des Verwaltungsverfahrens - zu welchem auch der Erlass des Einspracheentscheides gehört - nicht dem kantonalen Recht unterworfen ist. Ob dies bei einer kantonalen Behörde - wie z.B. der IV-Stelle - anders ist, braucht hier nicht entschieden zu werden. 4.4 § 13 Abs. 3 GSVGer in der bis Ende 2004 geltenden Fassung unterwirft lediglich die nach Tagen bestimmte Frist dem Fristenstillstand. Daraus hat sich eine konstante zürcherische und vom Eidgenössischen Versicherungsgericht geschützte Praxis entwickelt, wonach Monatsfristen wie diejenige von drei Monaten gemäss Art. 106 Abs. 1 UVG in der bis Ende 2002 gültigen Fassung dem Regime des Fristenstillstandes nicht unterworfen sind (SVR 1998 UV Nr. 10 S. 27 Erw. 2c). Diese negative Regelung hat längstens bis Ende 2007 resp. bis zur vorher erfolgten Einführung des Fristenstillstands für Monatsfristen Bestand (vgl. Erw. 4.2 f. hievor). Deshalb ist die vorinstanzliche Beschwerde offensichtlich verspätet eingereicht worden und das kantonale Gericht zu Recht darauf nicht eingetreten.
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Sachverhalt ab Seite 165 BGE 127 V 165 S. 165 A.- B., geboren 1956, ist Vater von drei am 18. Dezember 1984, 28. November 1987 und 27. Juli 1990 geborenen Kindern. Am 26. Mai 1987 stürzte er bei der Arbeit als Spengler von einem Dach und zog sich dabei eine Beckenringfraktur links zu. Die BGE 127 V 165 S. 166 Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) kam für die Heilungskosten auf und richtete Taggelder aus. Am 1. Oktober 1988 begann B. zu Lasten der Invalidenversicherung eine Umschulung zum Hochbauzeichner. Vor Abschluss der Eingliederungsmassnahme wurde er am 5. Juni 1990 Opfer eines Auffahrunfalls, bei dem er sich ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule zuzog. Mit Verfügung vom 18. November 1992 sprach ihm die SUVA für die verbliebene Beeinträchtigung aus beiden Unfällen mit Wirkung ab 1. November 1992 eine Invalidenrente als Komplementärrente zur Rente der Invalidenversicherung auf Grund einer Erwerbsunfähigkeit von 100% und eines versicherten Jahresverdienstes von 63'987 Franken sowie eine Integritätsentschädigung von 15% zu, welche im Rahmen des Einspracheverfahrens auf 20% erhöht wurde (Einspracheentscheid vom 29. März 1993). Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher B. unter anderem beantragte, die Komplementärrente sei auf einem höheren Jahresverdienst zu berechnen, wurde vom Versicherungsgericht des Kantons Zürich abgewiesen, soweit darauf eingetreten wurde (Entscheid vom 15. März 1994). Auf Verwaltungsgerichtsbeschwerde hin hob das Eidg. Versicherungsgericht den angefochtenen Entscheid und den Einspracheentscheid der SUVA unter anderem insoweit auf, als der versicherte Jahresverdienst auf 63'987 Franken festgesetzt wurde, und wies die Sache an die SUVA zurück, damit sie in Anwendung von Art. 24 Abs. 2 UVV den massgebenden Lohn vor Rentenbeginn ermittle und die dem Versicherten ab 1. November 1992 zustehende Invalidenrente neu festsetze (Urteil vom 9. April 1997, U 80/94, publiziert in BGE 123 V 45 ). Am 24. Juni 1998 erliess die SUVA eine neue Verfügung, mit welcher sie die Rente auf Grund eines versicherten Jahresverdienstes von nunmehr 74'381 Franken festsetzte. Die hiegegen erhobene Einsprache, mit welcher B. die Berechnung der Komplementärrente unter Berücksichtigung nicht nur einer, sondern von drei Kinderzulagen verlangte, wies sie mit Einspracheentscheid vom 28. Januar 1999 ab. B.- Die hiegegen gerichtete Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich gut und wies die Sache an die SUVA zurück, damit sie den versicherten Verdienst und die Komplementärrente unter Berücksichtigung von drei Kinderzulagen festsetze (Entscheid vom 22. August 2000). C.- Die SUVA führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben. BGE 127 V 165 S. 167 Während B. auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, lässt sich das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) mit dem Antrag auf deren Gutheissung vernehmen.
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Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 15 UVG werden Taggelder und Renten nach dem versicherten Verdienst bemessen (Abs. 1). Als versicherter Verdienst gilt für die Bemessung der Taggelder der letzte vor dem Unfall bezogene Lohn, für die Bemessung der Renten der innerhalb eines Jahres vor dem Unfall bezogene Lohn (Abs. 2). Gemäss Abs. 3 der Bestimmung setzt der Bundesrat den Höchstbetrag des versicherten Verdienstes fest und bezeichnet die dazu gehörenden Nebenbezüge und Ersatzeinkünfte; ferner erlässt er Bestimmungen über den versicherten Verdienst in Sonderfällen. Gestützt auf Art. 15 Abs. 3 UVG hat der Bundesrat ergänzende Vorschriften zum versicherten Verdienst erlassen und in Art. 22 UVV unter anderem Folgendes bestimmt: "2 Als versicherter Verdienst gilt der nach der Bundesgesetzgebung über die AHV massgebende Lohn mit den folgenden Abweichungen: a. Löhne, auf denen wegen des Alters des Versicherten keine Beiträge der AHV erhoben werden, gelten ebenfalls als versicherter Verdienst; b. Familienzulagen, die als Kinder-, Ausbildungs- oder Haushaltszulagen im orts- oder branchenüblichen Rahmen gewährt werden, gelten ebenfalls als versicherter Verdienst; c. für mitarbeitende Familienglieder, Gesellschafter, Aktionäre und Genossenschafter wird mindestens der berufs- und ortsübliche Lohn berücksichtigt; d. Entschädigungen bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses, bei Betriebsschliessung, Betriebszusammenlegung oder bei ähnlichen Gelegenheiten werden nicht berücksichtigt." "4 Als Grundlage für die Bemessung der Renten gilt der innerhalb eines Jahres vor dem Unfall bei einem oder mehreren Arbeitgebern bezogene Lohn, einschliesslich noch nicht ausbezahlter Lohnbestandteile, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Dauerte das Arbeitsverhältnis nicht das ganze Jahr, so wird der in dieser Zeit bezogene Lohn auf ein volles Jahr umgerechnet. Bei einer zum Voraus befristeten Beschäftigung bleibt die Umrechnung auf die vorgesehene Dauer beschränkt." Mit Art. 24 UVV hat der Bundesrat Vorschriften zum versicherten Verdienst in Sonderfällen erlassen. Abs. 2 dieser Bestimmung lautet wie folgt: "2 Beginnt die Rente mehr als fünf Jahre nach dem Unfall oder dem Ausbruch der Berufskrankheit, so ist der Lohn massgebend, den der Versicherte ohne den Unfall oder die Berufskrankheit im Jahre vor dem BGE 127 V 165 S. 168 Rentenbeginn bezogen hätte, sofern er höher ist als der letzte vor dem Unfall oder dem Ausbruch der Berufskrankheit erzielte Lohn." 2. Auf Grund des letztinstanzlichen Urteils vom 9. April 1997 (U 80/94, BGE 123 V 45 ) steht fest, dass der für den Rentenanspruch massgebende Verdienst nach Art. 24 Abs. 2 UVV auf Grund des Lohnes festzusetzen ist, welchen der Beschwerdegegner ohne die Unfälle im Jahr vor dem Rentenbeginn bezogen hätte. Streitig ist, ob dabei auf Grund von Art. 22 Abs. 2 lit. b UVV Kinderzulagen nur für das vor dem ersten Unfall im Jahre 1984 geborene Kind oder auch Zulagen für die 1987 und 1990 geborenen Kinder zu berücksichtigen sind. a) Die Vorinstanz hat erwogen, dass sich auf Grund des Wortlautes und der Systematik von Gesetz und Verordnung die streitige Frage nicht eindeutig beantworten lasse. Für den Einbezug der Kinderzulagen spreche die Betrachtungsweise, dass mit Art. 22 Abs. 2 UVV ganz allgemein festgelegt werde, welche zusätzlichen Einkommenskomponenten neben dem massgebenden Lohn gemäss AHV-Gesetzgebung zu berücksichtigen seien, sodass unter dem in Art. 24 Abs. 2 UVV genannten, im Ausnahmefall massgebenden Lohn der nach der Grundregel von Art. 22 Abs. 2 UVV ermittelte Lohn zu verstehen sei. Die Ausnahme betreffe damit lediglich die Frage des zu betrachtenden Zeitpunktes, nicht aber die weiteren Modalitäten zur Festsetzung des versicherten Verdienstes. Gegen den Einbezug von Kinderzulagen spreche ein Verständnis von Art. 24 Abs. 2 UVV als eine zu Art. 22 Abs. 2 UVV gleichrangige Spezialbestimmung, welche vorschreibe, dass bei der Festsetzung des versicherten Verdienstes im zeitlichen Ausnahmefall auf eine hypothetische Grösse abzustellen sei, die dem Lohn entspricht, welcher zwischenzeitlich ohne Unfall erzielt werden könnte, ohne Berücksichtigung weiterer - realer oder hypothetischer - Elemente. Eine eindeutige Antwort lasse sich auch der Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichtes nicht entnehmen. Für einen eingeschränkten Geltungsbereich von Art. 22 Abs. 2 UVV spreche die Feststellung, wonach Art. 24 Abs. 2 UVV lediglich die Anpassung an die normale Lohnentwicklung im angestammten Tätigkeitsbereich bezwecke ( BGE 123 V 51 Erw. 3c, BGE 118 V 303 Erw. 3b). Anderseits habe das Gericht klar spezifiziert, welche Faktoren dem Sinn von Art. 22 Abs. 2 UVV entsprechend beim versicherten Verdienst nicht zu berücksichtigen seien, nämlich Änderungen in all jenen erwerblichen Verhältnissen, welche in Form von Hypothesen bei der Festlegung des Invalideneinkommens BGE 127 V 165 S. 169 berücksichtigt werden. Ferner habe das Eidg. Versicherungsgericht Art. 24 Abs. 2 UVV die Eigenschaft einer Spezialbestimmung im Verhältnis zu Art. 22 Abs. 4 Satz 3 UVV abgesprochen, woraus zu schliessen sei, dass der Titel von Art. 22 UVV (Versicherter Verdienst "im Allgemeinen") eine generelle Bedeutung anzeige, welche von Art. 24 UVV ("Massgebender Lohn für Renten in Sonderfällen") nicht verdrängt werde. Die Auslegung von Art. 24 Abs. 2 UVV führe zum vorläufigen Schluss, dass die Gründe für den Einbezug zwischenzeitlich hinzugetretener Ansprüche auf Kinderzulagen überwögen. Die Frage könne in dieser generellen Form jedoch offen bleiben, weil ein Einbezug jedenfalls dann zu erfolgen habe, wenn es sich - wie im vorliegenden Fall - um eine Komplementärrente handle. Bei diesen Renten gelte der Grundsatz, dass hinzutretende Kinderrenten voll anzurechnen seien. Dementsprechend seien die nach dem Unfallzeitpunkt und vor dem Rentenbeginn geborenen Kinder auch bei der Festsetzung des versicherten Verdienstes zu berücksichtigen. b) Die SUVA stellt sich auf den Standpunkt, dass nicht der Kongruenzgrundsatz und das Überentschädigungsverbot den massgeblichen Ansatzpunkt darstellten, sondern das Äquivalenzprinzip, welches den Geldleistungen gemäss UVG zu Grunde liege und wonach bei der Festsetzung des versicherten Verdienstes von den gleichen Faktoren auszugehen sei, welche auch Basis für die Prämienberechnung bildeten. Diese Ordnung lasse erwerbliche Faktoren unberücksichtigt, welche sich nach einem Unfall und ohne Unfall verwirklicht hätten. Auch bei Renten, die ausnahmsweise auf Grund des mutmasslichen Lohnes im Jahr vor dem Rentenbeginn festzusetzen seien, schlage rechtsprechungsgemäss das Äquivalenzprinzip durch, indem Grundlage der Rentenberechnung nach wie vor die Verhältnisse im Zeitpunkt des Unfalles bzw. im Jahr zuvor bildeten und spätere Entwicklungen nur insofern zu berücksichtigen seien, als es um die normale Lohnentwicklung im angestammten Tätigkeitsbereich gehe. Bei den Kinderzulagen, auf die zwischen Unfall und Rentenbeginn ein Anspruch entstehe, handle es sich um später eintretende Faktoren, die aus Äquivalenzgründen nicht in die Berechnung des versicherten Verdienstes einbezogen werden dürften. Der angefochtene Entscheid trage auch dem Grundsatz der Unabänderlichkeit des versicherten Verdienstes in der Unfallversicherung nicht Rechnung. Die gesetzliche Regelung lasse erkennen, dass der bei erstmaliger Berentung festgelegte Jahresverdienst mit einigen wenigen im Gesetz geregelten BGE 127 V 165 S. 170 Ausnahmen für die gesamte Dauer der Rentenzahlung unverändert bleibe. Die Erwägungen der Vorinstanz würden dazu führen, den versicherten Verdienst bei Komplementärrenten der Unfallversicherung und Kinderrenten der Invalidenversicherung laufend neuen Entwicklungen anzupassen, was als systemwidrig bezeichnet werden müsste. Wegen des Grundsatzes der Unabänderlichkeit des versicherten Verdienstes könnte keine Korrektur mehr erfolgen, wenn die Kinderrenten der Invalidenversicherung nachträglich entfielen, womit wieder eine Inkongruenz entstünde. Unbeachtet bleibe zudem, dass Kinderrenten der Invalidenversicherung, die nach dem Rentenbeginn anfielen, regelmässig und gesetzesimmanent zu inkongruenten Zuständen führten, indem sie die Komplementärrente automatisch reduzierten, ohne dass der versicherte Verdienst angepasst werde. Der vorinstanzliche Entscheid löse daher weder den Einzelfall befriedigend noch sei er geeignet, eine Richtschnur für die Komplementärrentenberechnung im Allgemeinen abzugeben. c) Das BSV schliesst sich der Meinung der SUVA an und vertritt die Auffassung, auch wenn die Rente mehr als fünf Jahre nach dem Unfall beginne, sei bei der Bestimmung des versicherten Verdienstes an die Verhältnisse im Zeitpunkt des versicherten Unfalls anzuknüpfen. Nach der Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichtes ermögliche Art. 24 Abs. 2 UVV weder die Berücksichtigung einer mutmasslichen (über die allgemeine Lohnentwicklung hinausgehenden) Lohnerhöhung oder eines Arbeitsverhältnisses, welches erst nach dem Unfallereignis angetreten wurde, noch den Wechsel vom Saisonnier- zum Jahresaufenthaltsstatut nach dem Unfallereignis. Gleiches müsse für die Kinderzulagen gelten, auf die erst nach dem Unfallereignis ein Anspruch entstehe. Die gegenteilige Lösung hätte eine ungerechtfertigte, mit der Rechtsgleichheit nicht zu vereinbarende Privilegierung derjenigen Versicherten zur Folge, deren Rente innert fünf Jahren nach dem Unfall festgesetzt wird. Der Vorinstanz sei darin beizupflichten, dass bei der Berechnung der Komplementärrenten eine gewisse Inkongruenz bestehe, wenn Kinderrenten der Invalidenversicherung gemäss Art. 33 Abs. 2 lit. a UVV zwingend zu berücksichtigen seien, die Kinderzulagen für Kinder, die nach dem Unfall geboren werden, beim versicherten Verdienst dagegen nicht berücksichtigt werden. Die vom kantonalen Gericht getroffene Lösung sei jedoch abzulehnen. Denn es sei nicht Sache des Gerichts, sondern allenfalls des Gesetz- oder Verordnungsgebers, eine andere Regelung zu treffen. BGE 127 V 165 S. 171 3. a) Der Vorinstanz ist darin beizupflichten, dass sich aus Wortlaut und Systematik von Gesetz und Verordnung keine eindeutige Antwort auf die streitige Rechtsfrage ergibt. Art. 15 UVG beschränkt sich auf den Grundsatz, wonach als versicherter Verdienst für die Bemessung der Renten der innerhalb eines Jahres vor dem Unfall bezogene Lohn gilt (Abs. 2), und überlässt die näheren Bestimmungen über die Festsetzung des versicherten Verdienstes und den versicherten Verdienst in Sonderfällen dem Verordnungsgeber (Abs. 3). Gestützt auf die Delegationsnorm von Art. 15 Abs. 3 UVG hat der Bundesrat in Art. 22 ff. UVV ergänzende Vorschriften erlassen und unter dem Titel "Im Allgemeinen" in Art. 22 UVV unter anderem bestimmt, dass als versicherter Verdienst der nach der AHV-Gesetzgebung massgebende Lohn gilt mit unter anderem der Abweichung, dass Kinderzulagen ebenfalls als versicherter Verdienst gelten (Abs. 2 lit. b). Unter dem Titel "Massgebender Lohn für Renten in Sonderfällen" bestimmt Art. 24 Abs. 2 UVV , dass bei Rentenbeginn mehr als fünf Jahre nach dem Unfall oder dem Ausbruch der Berufskrankheit der Lohn massgebend ist, den der Versicherte ohne den Unfall oder die Berufskrankheit im Jahre vor dem Rentenbeginn bezogen hätte, sofern er höher ist als der letzte vor dem Unfall oder dem Ausbruch der Berufskrankheit erzielte Lohn. Die Bestimmung von Art. 24 Abs. 2 UVV lässt sich sowohl in dem Sinne verstehen, dass der versicherte Verdienst im Zeitpunkt des Rentenbeginns nach den allgemeinen Regeln von Art. 22 UVV festzusetzen ist, als auch in dem Sinne, dass die Bestimmung eine Sonderregelung lediglich in Bezug auf den für die Festsetzung des massgebenden Lohnes entscheidenden Zeitpunkt enthält und im Übrigen an den unfallzeitlichen Bemessungselementen nichts ändert. Für Letzteres spricht immerhin der Umstand, dass Art. 24 UVV nicht vom versicherten Verdienst, sondern vom massgebenden Lohn spricht (zu welchem Kinderzulagen eben gerade nicht gehören; vgl. Art. 22 Abs. 2 UVV ). Aus den Materialien zur UVV vom 20. Dezember 1982 ergeben sich keine Hinweise zur Beantwortung der streitigen Auslegungsfrage. Es ist daher auf Grund von Sinn und Zweck der Regelung zu entscheiden, welche Bedeutung der Bestimmung beizumessen ist. b) Wie das Eidg. Versicherungsgericht im Urteil vom 9. April 1997 (U 80/94, BGE 123 V 45 ) in dieser Sache festgestellt hat, kann die Grundregel von Art. 15 Abs. 2 UVG und Art. 22 Abs. 4 UVV , wonach für die Rentenberechnung der vor dem Unfall bezogene Lohn massgebend ist, bei steigenden Löhnen zu unbilligen BGE 127 V 165 S. 172 Ergebnissen führen, wenn sich die Rentenfestsetzung insbesondere wegen einer langen Heilungsdauer verzögert. Die Sonderregel von Art. 24 Abs. 2 UVV trägt diesem Umstand dadurch Rechnung, dass auf den Lohn abzustellen ist, welchen der Versicherte ohne den Unfall im Jahr vor dem Rentenbeginn erzielt hätte, sofern er höher ist als der letzte vor dem Unfall erzielte Lohn ( BGE 123 V 51 Erw. 3c). Art. 24 Abs. 2 UVV bezweckt die Anpassung des versicherten Verdienstes an die normale Lohnentwicklung im angestammten Tätigkeitsbereich ( BGE 118 V 303 Erw. 3b; vgl. auch MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, 2. Aufl., Bern 1989, S. 331 Ziff. 2). Daraus folgt, dass im Rahmen von Art. 24 Abs. 2 UVV nicht jeder Bezug zur Grundregel von Art. 15 Abs. 2 UVG in Verbindung mit Art. 22 Abs. 4 UVV (Massgeblichkeit der Verhältnisse vor dem Unfall) aufgehoben ist. Bei der Festsetzung des versicherten Verdienstes ist vielmehr beim angestammten Arbeitsverhältnis anzuknüpfen und fallen Arbeitsverhältnisse, die erst nach dem Unfallereignis angetreten werden, ausser Betracht. Denn es entspricht dem Willen des Gesetzgebers, dass Veränderungen des vom Versicherten ohne den Versicherungsfall mutmasslich erzielbaren Jahresverdienstes keinen Einfluss auf die Rente der Unfallversicherung haben sollen. Vorbehältlich Art. 24 Abs. 4 UVV gilt der erstmalig festgesetzte versicherte Verdienst grundsätzlich für die gesamte Dauer des Rentenanspruchs; insbesondere kann eine spätere Rentenrevision nicht dazu dienen, den massgebenden Jahresverdienst anzupassen ( BGE 119 V 492 Erw. 4b). Nicht anders verhält es sich grundsätzlich, wenn zwischen dem Eintritt des versicherten Ereignisses und der Rentenfestsetzung nach Art. 24 Abs. 2 UVV eine berufliche Veränderung oder Karriereschritte zu höherem Einkommen führen oder ein neues Arbeitsverhältnis mit anderem Lohnniveau angetreten wird. Es handelt sich dabei um Änderungen in den erwerblichen Verhältnissen, die bei der Bemessung des für die Rentenberechnung massgebenden Verdienstes ausser Acht zu bleiben haben (RKUV 1999 Nr. U 340 S. 405 Erw. 3c). In gleichem Sinn hat das Eidg. Versicherungsgericht beim Rentenanspruch von Saison-Arbeitnehmern entschieden und ausgeführt, bei der Festsetzung des versicherten Verdienstes sei selbst dann vom Saisonnierstatut auszugehen, wenn rechtsgenüglich nachgewiesen sei, dass der Versicherte noch vor dem Rentenbeginn die Jahresaufenthaltsbewilligung erhalten hätte. Art. 24 Abs. 2 UVV bezwecke nämlich nur, einen allfälligen Lohnausfall, z.B. wegen teuerungsbedingter Lohnerhöhung, BGE 127 V 165 S. 173 auszugleichen, keineswegs aber einen Systemwechsel zwischen Saisonnier- und Jahresaufenthaltsstatus. Die Bestimmung solle eine Anpassung an die normale Lohnentwicklung im angestammten Tätigkeitsbereich und damit eine Gleichbehandlung gewähren, nicht aber zu einer Besserstellung von Saisonniers führen, deren Rentenanspruch nicht innert fünf Jahren nach dem Unfall entsteht ( BGE 118 V 303 Erw. 3b). Die bisherige Rechtsprechung lässt sich dahin zusammenfassen, dass im Rahmen von Art. 24 Abs. 2 UVV lediglich die allgemeine Lohnentwicklung, nicht aber andere den versicherten Verdienst beeinflussende Änderungen in den erwerblichen Verhältnissen zu berücksichtigen sind. Im Lichte dieser Praxis ist auch die hier zur Diskussion stehende Änderung in den erwerblichen Verhältnissen zufolge Hinzutritts von Kinderzulagen ausser Acht zu lassen. Zwar geht es dabei nicht um bloss hypothetische Änderungen wie bei möglichen beruflichen Veränderungen, sondern um Änderungen in den Berechnungselementen des versicherten Verdienstes, welche effektiv eingetreten sind. Wie SUVA und BSV zu Recht ausführen, hätte eine Berücksichtigung angesichts der grundsätzlichen Unabänderlichkeit des versicherten Verdienstes aber auch hier eine mit der Rechtsgleichheit nicht zu vereinbarende Besserstellung derjenigen Versicherten zur Folge, deren Rente nicht innert fünf Jahren nach dem Unfall festgesetzt wird. Art. 24 Abs. 2 UVV soll lediglich verhindern, dass der Versicherte zufolge Verzögerung in der Rentenfestsetzung einen Nachteil erleidet, wenn die Löhne steigen. Die Bestimmung will den Versicherten jedoch nicht besser stellen gegenüber Versicherten, deren Rente nicht innert fünf Jahren nach dem Unfall festgesetzt wird, indem auch individuelle Lohnentwicklungen berücksichtigt werden. Was das Eidg. Versicherungsgericht diesbezüglich zur Berücksichtigung nachträglicher Änderungen beim Arbeitsverhältnis festgestellt hat (RKUV 1999 Nr. U 340 S. 406 Erw. 3d), hat in gleicher Weise für Kinderzulagen zu gelten, auf die erst nach dem Unfallereignis ein Anspruch entsteht. 4. Die Vorinstanz gelangte zum Ergebnis, dass eine Anrechnung der zwischen Unfallereignis und Rentenbeginn hinzutretenden Kinderzulagen aus Kongruenzgründen jedenfalls bei Komplementärrenten zu erfolgen habe. a) Die SUVA wendet hiegegen zunächst ein, massgeblich sei nicht der Kongruenzgrundsatz, sondern das Äquivalenzprinzip, welches den UVG-Geldleistungen zu Grunde liege. Als Grundregel gelte, dass für die Bemessung des versicherten Verdienstes von den BGE 127 V 165 S. 174 gleichen Faktoren auszugehen sei, welche auch Basis für die Prämienberechnung bildeten. Hiezu ist festzuhalten, dass dem Äquivalenzprinzip lediglich die Bedeutung eines Grundsatzes für die Prämienfestsetzung in dem Sinne zukommt, dass zwischen den Prämien und den Versicherungsleistungen ein Gleichgewicht bestehen soll ( Art. 92 UVG ; vgl. auch THOMAS LOCHER, Grundriss des Sozialversicherungsrechts, 2. Aufl., Bern 1997, S. 14 f. sowie MAURER, a.a.O., S. 46 oben). Ein Grundsatz, wonach der versicherte Verdienst im Einzelfall stets dem prämienpflichtigen Verdienst zu entsprechen hat, lässt sich daraus nicht ableiten. Zudem besteht gerade bezüglich der hier zur Diskussion stehenden Kinderzulagen insofern keine Äquivalenz, als diese nach Art. 22 Abs. 2 lit. b UVV wohl Bestandteil des versicherten Verdienstes bilden, nach Art. 115 Abs. 1 lit. a UVV aber von der Prämienpflicht ausgenommen sind. b) Hingegen ist der SUVA darin beizupflichten, dass der Kongruenzgrundsatz im vorliegenden Zusammenhang keine hinreichende Grundlage für die von der Vorinstanz vertretene Auffassung bildet. Richtig ist zwar, dass nach Art. 33 Abs. 2 lit. a UVV hinzutretende Kinderrenten der Alters- und Hinterlassenen- oder der Invalidenversicherung bei den Komplementärrenten zu berücksichtigen sind. Nach der gesetzlichen Regelung bleibt der versicherte Verdienst jedoch auch in diesen Fällen unverändert ( BGE 119 V 491 Erw. 4a). Art. 24 Abs. 2 UVV erlaubt keine Neufestsetzung des versicherten Verdienstes bei der Anpassung von Komplementärrenten nach Art. 33 UVV . Eine solche ist lediglich im Rahmen von Art. 24 Abs. 3 UVV bei den im Zeitpunkt des Unfalls noch in Ausbildung stehenden Versicherten möglich, welcher Sachverhalt in Art. 33 Abs. 2 lit. d UVV ausdrücklich erwähnt wird (zur gleich lautenden, bis 31. Dezember 1996 gültig gewesenen Bestimmung des Art. 33 Abs. 1 lit. c UVV ergangene Rechtsprechung: BGE 119 V 493 ). Es käme daher auch hier zu Rechtsungleichheiten zwischen Versicherten, deren Rentenanspruch mehr als fünf Jahre nach dem Unfall beginnt, gegenüber Versicherten, deren Anspruch vor diesem Zeitpunkt entstanden ist. Die SUVA weist zudem zu Recht darauf hin, dass wegen der grundsätzlichen Unabänderlichkeit des versicherten Verdienstes eine nachträgliche Anpassung des Verdienstes bei Wegfall von Kinderrenten ausgeschlossen wäre. Eine Kongruenz besteht auch insofern nicht, als nach Art. 33 Abs. 2 lit. a UVV die Komplementärrente auch beim Wegfall von Kinderrenten anzupassen ist, wogegen die Sonderregel von Art. 24 Abs. 2 UVV nur zu Gunsten BGE 127 V 165 S. 175 des Versicherten Anwendung findet (vgl. hiezu MAURER, a.a.O., S. 331). Eine befriedigende Lösung liesse sich wohl nur dann erreichen, wenn der versicherte Verdienst erwerblichen Änderungen regelmässig angepasst würde, was sich mit der geltenden gesetzlichen Regelung jedoch nicht vereinbaren lässt. Wie das Eidg. Versicherungsgericht bereits wiederholt festgestellt hat, vermag die Regelung der Komplementärrenten-Berechnung nicht in allen Teilen zu befriedigen. Angesichts des dem Bundesrat zustehenden weiten Ermessensspielraums ist es indessen nicht Sache des Eidg. Versicherungsgerichts, sondern allenfalls des Gesetz- oder Verordnungsgebers, eine andere Regelung zu treffen ( BGE 122 V 342 Erw. 5 mit Hinweisen). Dies hat auch in Bezug auf die vorliegende Streitfrage zu gelten, weil sich diese nicht isoliert betrachten und nur im Gesamtzusammenhang befriedigend beantworten lässt. Den Angaben in der Vernehmlassung zufolge ist sich das BSV der Problematik bewusst und wird die geltende Regelung im Rahmen der nächsten Revision überprüfen. Angesichts des bestehenden unbefriedigenden Rechtszustandes gibt das Gericht seiner Erwartung Ausdruck, dass die entsprechenden Arbeiten nunmehr vorangetrieben werden.
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Sachverhalt ab Seite 266 BGE 124 III 266 S. 266 A.- Das von der Neuen Schauspiel AG betriebene Schauspielhaus Zürich hatte die Absicht, das Theaterstück "Der Snob" aufzuführen. Die Premiere sollte am 31. Oktober 1996 stattfinden. Autor dieses Werkes ist der am 3. November 1942 verstorbene Carl Sternheim. Die Felix Bloch Erben, eine Offene Handelsgesellschaft (OHG) nach deutschem Recht mit Sitz in Berlin, ist aufgrund eines Vertrages mit den Erben von Carl Sternheim Inhaberin der Aufführungsrechte am Theaterstück. Nachdem ihr der Spielplan 1996/97 des Schauspielhauses bekannt geworden war, wandte sie sich mit Schreiben vom 14. Mai 1996 an dessen Leitung mit der Aufforderung, ihr für die Aufführung des Werkes die üblichen Tantiemen zu bezahlen. Sie stellte sich auf den Standpunkt, das Werk Sternheims sei seit dem Inkrafttreten des revidierten schweizerischen Urheberrechtsgesetzes BGE 124 III 266 S. 267 am 1. Juli 1993 von neuem geschützt, weil damit die Schutzdauer von bisher fünfzig auf siebzig Jahre nach dem Tod des Urhebers erstreckt worden sei. Die Neue Schauspiel AG vertrat dagegen die Auffassung, der urheberrechtliche Schutz sei nach fünfzigjähriger Dauer im Jahre 1992 endgültig abgelaufen. Am 22. Oktober 1996 vereinbarten die Neue Schauspiel AG und die Felix Bloch Erben schriftlich, dem Bundesgericht im Sinne von Art. 41 Abs. 1 lit. c OG die Frage zu unterbreiten, ob das Werk "Der Snob" von Carl Sternheim gemäss Art. 80 URG in Verbindung mit Art. 29 ff. URG urheberrechtlich geschützt sei. Sie erklärten sich bereit, die Verfahrenskosten zu teilen und die Parteikosten wettzuschlagen. B.- Mit Eingabe vom 5. Februar 1997 reichte die Neue Schauspiel AG beim Bundesgericht Klage gegen die Felix Bloch Erben ein. Sie stellte die Rechtsbegehren, es sei festzustellen, dass die urheberrechtliche Schutzfrist für das Werk des am 3. November 1942 verstorbenen Carl Sternheim am 31. Dezember 1992 abgelaufen sei und dieses Werk zum Domaine public gehöre; zudem seien entsprechend der Vereinbarung vom 22. Oktober 1996 die ordentlichen Kosten des Verfahrens den Parteien je zur Hälfte aufzuerlegen und die Anwaltskosten wettzuschlagen. Mit Klageantwort und Widerklage vom 3. Juni 1997 stellte die Beklagte die Anträge, die Klage sei abzuweisen und es sei in Gutheissung ihrer Widerklage festzustellen, dass das Werk des am 3. November 1942 verstorbenen Carl Sternheim seit dem 1. Juli 1993 bis zum 31. Dezember 2012 wieder urheberrechtlich geschützt sei. Die Beklagte schloss sich ferner den Anträgen der Klägerin hinsichtlich der Verteilung der Gerichts- und Parteikosten an. In ihrer Widerklageantwort vom 20. August 1997 schloss die Klägerin auf Abweisung der Widerklage. Das Bundesgericht heisst die Klage gut und weist die Widerklage ab.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Gemäss dem Bundesgesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und Kunst vom 7. Dezember 1922, das vom 1. Juli 1923 bis 30. Juni 1993 in Kraft stand, endete der urheberrechtliche Schutz von zu Lebzeiten des Urhebers unter dessen Namen veröffentlichten Werken mit dem Ablauf von fünfzig Jahren seit dem Tod des Urhebers (Art. 36 in der Fassung gemäss Ziff. I des Bundesgesetzes vom 24. Juni 1955 zur Änderung des Bundesgesetzes BGE 124 III 266 S. 268 betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und Kunst; AS 1955, 855). Der Urheberrechtsschutz am Theaterstück "Der Snob" lief gemäss diesem Gesetz Ende 1992 aus, was von beiden Parteien anerkannt wird. Ebenfalls einig sind sie sich, dass der Schutz bis Ende 2012 dauern würde, falls das jetzt geltende URG (SR 231.1) zur Anwendung käme, mit welchem die Schutzdauer auf siebzig Jahre post mortem auctoris verlängert wurde (Art. 29 Abs. 2 lit. b). Streitig ist dagegen, ob nach der Übergangsregelung ( Art. 80 URG ) die längere Schutzdauer auch für jene Werke gilt, die nach dem früheren Recht wegen Ablaufs der fünfzigjährigen Frist nicht mehr geschützt waren, für die aber im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts am 1. Juli 1993 die siebzigjährige Frist noch nicht abgelaufen war. Über diese Auslegungsfrage ist im Folgenden zu entscheiden. 4. Nach der Praxis des Bundesgerichts ist die rechtsanwendende Behörde in der Regel an den klaren und unzweideutigen Wortlaut einer Bestimmung gebunden ( BGE 121 III 214 E. 3b; BGE 119 Ia 241 E. 7a), doch sind Abweichungen von einem klaren Wortlaut zulässig oder sogar geboten, wenn triftige Gründe zur Annahme bestehen, dass dieser nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Sinn und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit anderen Vorschriften ergeben ( BGE 123 III 89 E. 3a; BGE 122 V 412 E. 3; BGE 118 Ib 187 E. 5a; BGE 113 Ia 12 E. 3c, 437 E. 3). Vom Wortlaut kann ferner abgewichen werden, wenn die wörtliche Auslegung zu einem Ergebnis führt, das der Gesetzgeber nicht gewollt haben kann ( BGE 113 V 74 E. 3b; BGE 109 Ia 19 E. 5d; BGE 103 Ia 225 E. 3c). Im übrigen sind bei der Auslegung alle herkömmlichen Auslegungselemente zu berücksichtigen (systematische, teleologische und historische: BGE 124 III 126 E. 1a/aa; auch rechtsvergleichende: BGE 123 III 473 E. 5c), wobei das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus befolgt und es ablehnt, die einzelnen Auslegungselemente einer Prioritätsordnung zu unterstellen ( BGE 123 III 24 E. 2a). a) In der Literatur wird im allgemeinen die Auffassung vertreten, der Wortlaut von Art. 80 Abs. 1 URG sei in dem Sinne klar, dass er als Grundsatz die Rückwirkung des neuen Rechts auf vor dessen Inkrafttreten geschaffene Werke anordne. Daraus leitet ein Teil der Lehre das Wiederaufleben des urheberrechtlichen Schutzes von Werken ab, für die am 1. Juli 1993 die fünfzigjährige, nicht aber die siebzigjährige Schutzdauer abgelaufen war (BARRELET/EGLOFF, Das BGE 124 III 266 S. 269 neue Urheberrecht, Bern 1994, S. 307 f. Rz. 3 zu Art. 80 URG ; von Büren, Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, ZSR 112/1993, Bd. I, S. 222; REHBINDER, Schweizerisches Urheberrecht, 2. Auflage, Bern 1996, S. 122; ebenso Massnahmeentscheid des Einzelrichters im summarischen Verfahren am Obergericht des Kantons Zürich vom 31. März 1995, E. 5, abgedruckt in SMI 1996, S. 61 ff.). Diese Meinung wird von anderen Autoren mit der Begründung abgelehnt, ein Wiederaufleben des Schutzes sei vom Gesetzgeber nicht gewollt, weiche von der üblichen intertemporalrechtlichen Regelung ab und widerspreche dem allgemeinen Grundsatz des Vertrauensschutzes (HILTY, Die Behandlung gemeinfrei gewordener Werke angesichts der Schutzfristverlängerung im neuen Urheberrecht, AJP 1993, S. 594 ff.; CHERPILLOD, Le droit transitoire de la nouvelle loi sur le droit d'auteur, SMI 1994, S. 11 ff., S. 15 ff.; derselbe, in: Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Bd. II/1, Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, Geltungsbereich, S. 45 ff.; AUF DER MAUR, Schmale Brücke zwischen Geld und Geist, Das neue Urheberrechtsgesetz im Überblick, AJP 1993, S. 554 ff., S. 555). b) Absatz 1 von Art. 80 URG mit dem Randtitel "Bestehende Schutzobjekte", "Objets protégés sous l'empire de l'ancien droit" und "Oggetti protetti esistenti" lautet in den drei Sprachfassungen wie folgt: "Dieses Gesetz gilt auch für Werke, Darbietungen, Ton- und Tonbildträger sowie Sendungen, die vor seinem Inkrafttreten geschaffen waren." "La présente loi s'applique également aux oeuvres, prestations, phonogrammes, vidéogrammes ainsi qu'aux émissions créés avant son entrée en vigueur." "La presente legge si applica anche a opere, prestazioni, supporti audio e audiovisivi nonché ad emissioni creati prima della sua entrata in vigore." Der für die Auslegung bedeutsame Randtitel (vgl. MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, N. 97 zu Art. 1 ZGB ) von Art. 80 URG enthält in allen drei Fassungen eine Aussage, die jene des Absatzes 1 einzuschränken scheint. Während dieser das neue Urheberrecht allgemein auch für Werke anwendbar erklärt, die vor dessen Inkrafttreten erschaffen wurden, könnte aus der Formulierung des Randtitels abgeleitet werden, dass die Regelung nur Werke betrifft, die nicht nur vorher erschaffen, sondern auch nach früherem Recht urheberrechtlich geschützt waren. Das kommt besonders deutlich im französischen Wortlaut des Randtitels zum Ausdruck. Eine solche Lesart würde allerdings zu Ungereimtheiten in Bezug auf den zweiten Absatz von Art. 80 URG führen, mit welchem die Fälle geregelt werden BGE 124 III 266 S. 270 sollen, in denen die früher erlaubte Verwendung eines Werkes mit dem Inkrafttreten des neuen Rechts gesetzeswidrig wird. Denn Gegenstand dieser Regelung bilden gerade Handlungen, denen nach früherem Recht kein urheberrechtlicher Schutz entgegenstand (Schutzausnahmen und verwandte Schutzrechte: vgl. BBl 1989 III 571). Jedenfalls kann festgehalten werden, dass der Wortlaut von Art. 80 Abs. 1 URG nur dann eine klare Antwort auf die hier zu beurteilende Frage gibt - nämlich Anordnung der Rückwirkung auch für Werke mit abgelaufener Schutzdauer -, wenn Absatz 1 für sich allein, das heisst ohne Berücksichtigung des Randtitels gelesen wird. c) Aus der Entstehungsgeschichte von Art. 80 URG geht hervor, dass sich der Gesetzgeber mit der hier interessierenden Frage nicht befasst hat. Der Text von Art. 80 URG entspricht dem Entwurf des Bundesrates vom 19. Juni 1989, der mit Art. 75 eine sowohl hinsichtlich des Randtitels wie auch der beiden Absätze wörtlich gleiche Bestimmung vorgeschlagen hatte (BBl 1989 III 634). Im Entwurf war jedoch eine Verlängerung der Schutzdauer von fünfzig auf siebzig Jahre nicht vorgesehen (vgl. Art. 29 Abs. 2), weil das im Vernehmlassungsverfahren mehrheitlich abgelehnt worden war (BBl 1989 III 494 und 547). Dennoch wurde im Laufe der parlamentarischen Beratungen die Verlängerung beschlossen (vgl. unten E. 4g/aa). Der Übergangsregelung des Entwurfs 1989 (Art. 75-77 Entwurf URG = Art. 80-82 URG ) stimmten aber beide Räte diskussionslos zu (AB 1991 S 296; AB 1992 N 50; vgl. dazu CHERPILLOD, Schweiz. Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, a.a.O., S. 46; MELICHAR, Übergangsregelungen bei Veränderungen der Schutzdauer, in: Beiträge zum Urheberrecht II, Harmonisierung der Schutzfristen in der EG - Freie Werknutzungen an musikalischen Werken im Bereich des Aufführungsrechts, Wien 1993, S. 25 ff., S. 30; HILTY, a.a.O., S. 594). d) Die historische Entwicklung der schweizerischen Gesetzgebung auf dem Gebiet des Urheberrechts zeigt, dass die mit der Verlängerung der Schutzdauer verbundene intertemporalrechtliche Problematik im Zeitpunkt der letzten Revision des URG bekannt war. Art. 62 Abs. 1 des Urheberrechtsgesetzes vom 7. Dezember 1922 (Randtitel: "Verhältnis des neuen Gesetzes zum bisherigen Recht. Rückwirkung als Regel") bestimmte, das Gesetz sei auf alle vor seinem Inkrafttreten entstandenen Werke anwendbar; insbesondere geniesse ein Werk seinen Schutz auch wenn oder soweit es bei seinem Inkrafttreten nicht geschützt gewesen sei (BBl 1922 III 960). In der Botschaft des Bundesrates wurde dazu festgehalten, die BGE 124 III 266 S. 271 Rückwirkung gelte auch für Werke, für welche die frühere, nicht aber die sich aus dem neuen Gesetz ergebende Schutzfrist abgelaufen sei (BBl 1918 III 655). Erneut aktuell wurde die Frage, als die bisherige Schutzdauer von dreissig Jahren im Rahmen der Teilrevision von 1955 auf fünfzig Jahre erhöht wurde. Dieses Mal entschied sich der Gesetzgeber gegen eine Rückwirkung. Nach Art. 66bis (Randtitel: "Verhältnis des Gesetzes vom 24. Juni 1955 zum Gesetz vom 7. Dezember 1922: Keine Rückwirkung") war die Verlängerung der Schutzdauer auf bestehende Werke nur anwendbar, wenn sie im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verlängerung noch geschützt waren (Abs. 1). Die im Gesetz klar zum Ausdruck kommende Stellungnahme gegen ein Wiederaufleben erloschener Urheberrechte wurde in der Botschaft damit begründet, dass sich die gegenteilige Regelung im wesentlichen nur mit finanziellen Erwägungen rechtfertigen liesse, die an ganz bestimmte Tatbestände anknüpften; der Gesetzgeber habe indes die Regel nicht nach der Ausnahme zu richten (BBl 1954 II 667). Art. 66bis wurde von beiden Räten diskussionslos angenommen (Sten.Bull. 1955 NR 96 und SR 82). Die gleiche übergangsrechtliche Lösung hat der schweizerische Gesetzgeber bei der seit 1978 geltenden Verlängerung der patentrechtlichen Schutzfrist von achtzehn auf zwanzig Jahre gewählt (Art. 142 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Erfindungspatente vom 25. Juni 1954 [PatG]; SR 232.14). Die Verlängerung war nötig, um das schweizerische Recht an die Schutzdauer des europäischen Patentes anzupassen (Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über drei Patentübereinkommen und die Änderung des Patentgesetzes vom 24. März 1976, BBl 1976 II 72). Die Botschaft enthält den Hinweis, dass damit die bewährte Übergangsregelung des geltenden Patentgesetzes übernommen werde (BBl 1976 II 115). e) Nach den allgemeinen intertemporalrechtlichen Grundsätzen, die für den Bereich des Privatrechts in den Art. 1-4 SchlT ZGB normiert sind, wird der zeitliche Geltungsbereich der Gesetzesregeln vom Prinzip der Nichtrückwirkung beherrscht. Eine eigentliche oder echte Rückwirkung liegt vor, wenn bei der Anwendung neuen Rechts an ein Ereignis angeknüpft wird, das sich vor dessen Inkrafttreten ereignet hat und das im Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Norm abgeschlossen ist ( BGE 122 V 405 E. 3b/aa; BGE 122 II 113 E. 3b/dd; vgl. auch MARKUS VISCHER, Die allgemeinen Bestimmungen des schweizerischen intertemporalen Privatrechts, Diss. Zürich 1986, S. 33 ff.). Von dieser eigentlichen Rückwirkung, die verfassungsrechtlich nur ausnahmsweise zulässig ist ( BGE 122 V 405 E. 3b/aa), BGE 124 III 266 S. 272 muss nach der Praxis des Bundesgerichts die unechte Rückwirkung unterschieden werden. Bei der unechten Rückwirkung wird auf Verhältnisse abgestellt, die zwar unter der Herrschaft des alten Rechts entstanden sind, beim Inkrafttreten des neuen Rechts aber noch andauern. Diese Rückwirkung wird als verfassungsrechtlich unbedenklich betrachtet, soweit ihr nicht wohlerworbene Rechte entgegenstehen ( BGE 122 II 113 E. 3b/dd; BGE 122 V 6 E. 3a, 408 E. 3b/aa). Der urheberrechtliche Schutz knüpft sowohl altrechtlich wie neurechtlich an den Realakt der Schöpfung des Werkes an ( Art. 29 Abs. 1 URG ; BGE 116 II 351 E. 2b mit Zitaten). Wird durch eine Gesetzesänderung ein Urheberrechtsschutz für Werke eingeführt, die bereits vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes wegen Ablaufs der Schutzdauer gemeinfrei geworden waren, ist darin eine eigentliche Rückwirkung zu sehen. Denn die massgebliche Tatsache, an welche der urheberrechtliche Schutz anknüpft, die Schaffung des Werkes, ist in diesen Fällen vor Inkrafttreten abgeschlossen worden. Die immateriellen Rechte der Urheberinnen und Urheber werden für deren künstlerische und geistige Leistung verliehen und haften nicht an der Materialisierung des Werkes und damit auch nicht an einem Zustand, der als zeitlich offener Dauersachverhalt aufgefasst werden könnte. Bei der Rechtsbeziehung des Urhebers oder der Urheberin sowie deren Nachfolger zum Werk handelt es sich nicht um einen tatsächlichen, mit der Erschaffung beginnenden Dauerzustand. Die Beziehung wird vielmehr erst durch die gesetzliche Regelung hergestellt und beendet. Ein neues Gesetz, welches das Wiederaufleben des Schutzes für Werke anordnet, die nach Ablauf der bisher geltenden Schutzdauer zum Gemeingut geworden waren, wirkt daher zurück. Verfassungsrechtlich ist diese Rückwirkung insoweit unproblematisch, als sie die Rechtsnachfolger des Urhebers oder der Urheberin nicht belastet, sondern begünstigt. Schwierigkeiten und verfassungsrechtliche Bedenken ergeben sich dagegen hinsichtlich Dritter, denen durch die Gesetzesänderung die Nutzung und Verwertung von Werken erschwert oder verboten wird, die vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes bereits geschaffen und veröffentlicht worden sind, aber nicht mehr geschützt waren. In solchen Fällen besteht ein Konflikt zwischen den Interessen der Dritten, die im Vertrauen auf den fehlenden Urheberrechtsschutz gehandelt haben, und jenen Personen, denen mit der Gesetzesänderung wieder ein Urheberrecht an den Werken zugesprochen wird. f) Diese Schwierigkeiten haben dazu geführt, dass in der Vergangenheit neben dem schweizerischen (vgl. vorn E. 4d) auch andere BGE 124 III 266 S. 273 nationale und internationale Gesetzgeber die Übergangsregelung vorgezogen haben, welche die Verlängerung der Schutzfrist nur für solche Werke anordnet, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Gesetzes nach bisherigem Recht geschützt waren (MELICHAR, a.a.O., S. 26 f.; vgl. dort auch den Hinweis auf die kriegsbedingten Schutzfristverlängerungen in Frankreich, Italien und Österreich). So hat Deutschland bei der Revision im Jahre 1965, als die Schutzfrist von fünfzig auf siebzig Jahre verlängert wurde, in § 129 des Urheberrechtsgesetzes vom 9. September 1965 bestimmt, dass die Vorschriften dieses Gesetzes auch auf die vor seinem Inkrafttreten geschaffenen Werke anzuwenden sind, es sei denn, dass sie zu diesem Zeitpunkt urheberrechtlich nicht geschützt sind (vgl. dazu FROMM/NORDEMANN, Urheberrecht, 8. Auflage, Stuttgart 1994, N. 7 zu § 129; SCHRICKER/KATZENBERGER, Urheberrecht, München 1987, N. 10 f. zu § 129). In Österreich ist die Rückwirkung für nicht mehr geschützte Werke sowohl bei der Verlängerung der Schutzfrist von dreissig auf fünfzig Jahre wie auch bei jener von fünfzig auf siebzig Jahre abgelehnt worden (MELICHAR, a.a.O., S. 27; DITTRICH, Österreichisches und internationales Urheberrecht, S. 99, 109 und 111). Nach der in Paris am 24. Juli 1971 revidierten Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (RBÜ; SR 0.231.15 [für die Schweiz in Kraft seit 25. September 1993; für Deutschland seit 22. Januar 1974 bzw. 10. Oktober 1974]) gilt schliesslich die Regelung, dass deren Bestimmungen auf alle Werke anwendbar sind, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens noch nicht infolge Ablaufs der Schutzdauer im Ursprungsland Gemeingut geworden sind (Art. 18 Abs. 1). Nach Absatz 2 dieser Bestimmung erlangt sodann ein Werk auch dann keinen neuen Schutz, wenn es wegen Ablaufs der Schutzfrist im Land, in dem der Schutz beansprucht wird, Gemeingut geworden ist (vgl. dazu HILTY, a.a.O., S. 596). g) Zu prüfen bleibt, ob sich aus den Äusserungen im Parlament hinsichtlich der Gründe für die Verlängerung der Schutzdauer Anhaltspunkte für die Auslegung von Art. 80 Abs. 1 URG ergeben. aa) Die Verlängerung der Schutzdauer für alle Werke ausser den Computerprogrammen (Art. 29 Abs. 2 lit. b bzw. Art. 30 Abs. 1 und 2 sowie Art. 31 URG ) wurde im Ständerat, der sich zuerst mit der Sache befasste, von der Berichterstatterin der vorberatenden Kommission einerseits mit der internationalen Entwicklung begründet, die in diese Richtung gehe, und mit dem Interesse, sich dieser Entwicklung und insbesondere der geplanten europäischen Harmonisierung anzupassen. Anderseits wurde auf das Interesse der BGE 124 III 266 S. 274 schweizerischen Verleger an der Schutzdauer von siebzig Jahren hingewiesen, weil sie nach bisherigem Recht gegenüber jenen Ländern benachteiligt seien, in welchen bereits die längere Schutzdauer gelte (AB 1991 S 115: Votum Meier; vgl. auch Votum Bundesrat Koller, S. 116). Eine Minderheit der Kommission, der in der Abstimmung nicht gefolgt wurde, wollte an der bisherigen Schutzdauer von fünfzig Jahren festhalten. Der Sprecher der Minderheit wies darauf hin, dass die Verlängerung in der Botschaft des Bundesrates abgelehnt worden sei, weil die direkt interessierten Kreise sich mehrheitlich für die Beibehaltung der fünfzigjährigen Schutzfrist ausgesprochen hätten. Zudem bezweifelte er, dass ein schweizerischer Urheber nur wegen der längeren Schutzdauer einem Verleger in Deutschland den Vorzug gebe. Schliesslich machte er darauf aufmerksam, dass es nicht mehr um die Rechte des Urhebers und seiner Kinder gehe, sondern um Rechte von entfernten Nachkommen; eine zu lange Schutzdauer kollidiere mit dem allgemeinen Interesse an der möglichst breiten und freien Kenntnis des Werkes eines Urhebers (AB 1991 S 116: Votum Masoni). Auch im Nationalrat setzte sich eine bei der Abstimmung ebenfalls unterliegende Minderheit für die Beibehaltung der fünfzigjährigen Schutzdauer ein. Von ihr wie auch von der Gegenseite wurden im wesentlichen die gleichen Argumente vorgebracht, die bereits im Ständerat verwendet worden waren (AB 1992 N 43 f.: Voten Scherrer, Couchepin, Fischer und Bundesrat Koller). bb) Die Meinungsäusserungen im Parlament zeigen auf, dass die Verlängerung der Schutzdauer von fünfzig auf siebzig Jahre nicht mit inhaltlichen, auf das Wesen des Urheberrechts als Immaterialgut bezüglichen Überlegungen begründet wurde. Im Vordergrund stand vielmehr die Angleichung einerseits an die Länder, die bereits seit längerer Zeit die siebzigjährige Schutzfrist eingeführt hatten (Deutschland und Österreich), und anderseits an die damals noch nicht verwirklichte, sondern von den Europäischen Gemeinschaften erst geplante Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts. In Bezug auf die hier massgebende Frage, ob der Gesetzgeber ein Wiederaufleben des Schutzes gemeinfrei gewordener Werke tendenziell befürwortet hat oder nicht, gibt der Gesichtspunkt der Anpassung an die erwähnten Regelungen einen bestimmten - allerdings nicht zweifelsfreien - Aufschluss. Festzuhalten ist zunächst, dass die Angleichung an die nationalen Vorschriften Deutschlands und Österreichs dazu führen müsste, ein Wiederaufleben des Schutzes auszuschliessen (vgl. vorn E. 4f). Gleich verhält es sich BGE 124 III 266 S. 275 aber auch in Bezug auf die Europäischen Gemeinschaften, wenn auf die bis November 1992 bestehenden Verhältnisse abgestellt wird. Denn in dem am 23. März 1992 vorgelegten Vorschlag der Kommission war eine Übergangsregelung vorgesehen, welche die Rückwirkung für wegen Zeitablaufs erloschene Urheberrechte ausschloss (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften [Abl.] Nr. C 92/9 vom 11. April 1992, Art. 6 Abs. 1). Da diese Regelung dazu geführt hätte, dass die Schutzdauer in den einzelnen Mitgliedstaaten während Jahrzehnten nur unvollständig vereinheitlicht worden wäre, wurde sie später dahingehend geändert, dass die längste nationale Schutzdauer übergangsrechtlich für alle Staaten massgebend sein sollte (Abl. Nr. C 27/12 und 13 vom 30. Januar 1993, Art. 6a Abs. 2; vgl. zum Ganzen MELICHAR, a.a.O., S. 30). Die Vorschrift wurde in dieser Form in die Richtlinie 93/98 vom 29. Oktober 1993 aufgenommen, mit welcher die Mitgliedstaaten zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte verpflichtet wurden (Abl. Nr. L 290/9 vom 24. November 1993, Art. 10 Abs. 2; einheitliche Schutzdauer von siebzig Jahren: Art. 1 Abs. 1). Unter dem Gesichtspunkt des historischen Willens des Gesetzgebers kann die letztlich in die Richtlinie aufgenommene Übergangsregel aber vernachlässigt werden, da die geschilderte Entwicklung in der Zeit, als die parlamentarischen Beratungen stattfanden, nicht voraussehbar war. Im übrigen erfüllt die Übergangsregelung der Richtlinie wie erwähnt den spezifischen Zweck einer möglichst schnellen Harmonisierung der Schutzdauer in mehreren Staaten, nach deren bisherigem nationalen Recht unterschiedliche Schutzfristen galten. Dieser Zweck entfällt indes für eine Übergangsvorschrift wie Art. 80 Abs. 1 URG , deren Gegenstand auf eine einzige nationale Rechtsordnung beschränkt ist. h) Wird auf das Auslegungselement des Willens des historischen Gesetzgebers abgestellt, ergibt sich somit als wesentliches Motiv die Angleichung an die nationale deutsche sowie an die geplante Regelung der Europäischen Gemeinschaften, wie sie im Zeitpunkt der Beratungen (6. März 1991 bzw. 28. Januar 1992) den Eidgenössischen Räten bekannt sein konnte. Das spricht für eine Auslegung, welche die Rückwirkung für Werke ausschliesst, die nach früherem Recht wegen Ablaufs der Schutzdauer zum Gemeingut geworden waren. Im übrigen ist bereits festgehalten worden, dass der Gesetzeswortlaut unter Berücksichtigung des Randtitels keine klare Antwort gibt und keine Stellungnahme des Gesetzgebers zu der seit langem als regelungsbedürftig erkannten Frage feststellbar ist, wobei BGE 124 III 266 S. 276 aber aufgrund der historischen Rechtsentwicklung angenommen werden kann, dass er sich für die damals nach schweizerischem und ausländischem Recht übliche Übergangsregelung entschieden hätte. Diese Regelung hat nicht nur den Vorteil der Einfachheit, sondern sie ist in Übereinstimmung mit dem Grundsatz des Verbotes echter Rückwirkung auch Ausdruck des Wandels der Anschauungen in Bezug auf die angemessene Dauer des Urheberrechtsschutzes. Diese Anschauungen haben sich im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts und insbesondere in den letzten Jahrzehnten wesentlich geändert, ist doch die Schutzdauer schrittweise von dreissig auf fünfzig (1955) und mit der Revision von 1993 auf siebzig Jahre seit dem Tod des Urhebers oder der Urheberin angehoben worden. Die Relativität und zeitliche Bedingtheit der Anschauungen über die angemessene Dauer des Schutzes vermag indes auch die Übergangsregelung zu rechtfertigen, wonach der einmal wegen Ablaufs der Schutzdauer erloschene Urheberrechtsschutz nicht wieder auflebt, obwohl vom Gesetzgeber, unter Umständen Jahrzehnte später, eine Verlängerung der Schutzdauer angeordnet wird. Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass eine auf den blossen Wortlaut von Art. 80 Abs. 1 URG - unter Ausklammerung des Randtitels - abgestützte Auslegung in Einzelfällen zu einem Ergebnis führen würde, das der Gesetzgeber nicht gewollt haben kann. Eine Rückwirkung für gemeinfrei gewordene Werke hätte nämlich zur Folge, dass der urheberrechtliche Schutz auch für jene Werke wiederaufleben würde, die bereits in den Jahren 1954 und 1955 wegen Ablaufs der damals geltenden dreissigjährigen Schutzfrist Gemeingut geworden waren (vgl. vorn E. 4d). Hier zeigt sich aber ein derart krasses Missverhältnis zwischen den Interessen der Allgemeinheit und jenen der Inhaber der Urheberrechte, dass der Entscheid des Gesetzgebers zweifellos zugunsten der Allgemeinheit ausfallen müsste. i) Aus all diesen Gründen ist Art. 80 Abs. 1 URG dahingehend auszulegen, dass sich die Rückwirkung des neuen Rechts nicht auf Werke bezieht, die nach früherem Recht zwar urheberrechtlich geschützt waren, deren Schutzdauer aber vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts abgelaufen war. Dieses Ergebnis lässt sich in Anlehnung an Art. 66bis Abs. 1 aURG auch so formulieren, dass die Verlängerung der Schutzdauer von fünfzig auf siebzig Jahre nach dem Tode des Urhebers oder der Urheberin nur auf jene bereits bestehenden Werke anwendbar ist, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verlängerung noch geschützt waren.
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Sachverhalt ab Seite 270 BGE 135 V 269 S. 270 A. A.a M., né en 1951, a travaillé comme manoeuvre dans le bâtiment dès l'âge de 14 ans, d'abord au Portugal, puis en Suisse, dès 1986. Il a notamment travaillé comme maçon pour l'entreprise X., à partir du 1 er octobre 1998. Le 24 mai 2002, cette société a informé la Caisse nationale suisse d'assurance en cas d'accidents (CNA) du fait que M. souffrait d'allergies diverses touchant les mains, les bras, le front et les jambes. La doctoresse H., spécialiste en dermatologie, a mis en évidence une double pathologie, soit une forte allergie à pratiquement tous les produits que l'intéressé touchait pendant son travail de maçon et une surinfection à Trichophyton rubrum. Le patient était alors en arrêt de travail et le médecin a exprimé l'avis qu'il ne pourrait plus travailler dans la branche du bâtiment (rapport du 9 avril 2002). Dans un rapport ultérieur, ce médecin a diagnostiqué une dermite de contact en raison d'une forte sensibilisation à la colophane, au thiuram-mix, à l'éthylène diamine, au Quaternium 15 et au formaldéhyde, soit des produits rencontrés pendant le travail. Le traitement, par stéroïdes locales, s'était terminé le 13 mai 2005. Il BGE 135 V 269 S. 271 subsistait une incapacité de travail entière dans la profession de maçon pour une durée "indéfinie". A partir du 27 mai 2002, l'assuré a été suivi par son médecin traitant habituel, le docteur S. En août 2002, il a subi une opération en raison d'une hernie inguinale. Le 27 septembre 2002, il a été examiné par le docteur T., spécialiste FMH en médecine du travail. Selon les constatations de ce médecin, les lésions, au demeurant discrètes, se limitaient alors aux plantes et aux faces latérales internes des deux pieds. Des investigations étaient nécessaires pour en déterminer l'origine. A.b Le 28 mars 2003, la CNA a informé l'assuré qu'elle prendrait en charge les suites de l'affection dermatologique depuis son annonce en 2002 (c'est-à-dire dès le 4 mars 2002) jusqu'au 14 août 2002. L'incapacité de travail qui perdurait depuis le 15 août 2002, consécutive à l'opération de la hernie inguinale, était étrangère à la maladie professionnelle et ne donnait pas droit aux prestations en cas de maladie professionnelle. Le 9 avril 2003, la CNA a déclaré l'assuré inapte à tous les travaux au contact du ciment, des composés du chrome, de la colophane et des additifs de caoutchouc, avec effet rétroactif au 15 août 2002. A.c Le 21 mai 2003, l'assuré a de nouveau été examiné par le docteur T. Ce médecin a constaté que l'eczéma de contact allergique pris en charge comme maladie professionnelle n'était pas encore guéri, car il subsistait des lésions chroniques fluctuantes au niveau des mains et des pieds. Il a préconisé un suivi dermatologique. Il a noté, par ailleurs, que des troubles musculo-squelettiques avaient fait leur apparition au cours de l'automne 2002, alors que l'intéressé se trouvait en arrêt de travail depuis le mois de mars précédent et sans aucun phénomène déclenchant identifiable. Ces dernières pathologies n'avaient cependant pas de rapport démontré avec l'activité professionnelle de l'assuré. Malgré la persistance des lésions d'eczéma décrites, l'état cutané était néanmoins stabilisé, ce qui aurait permis la mise en oeuvre de mesures de réadaptation. Cependant, les pathologies musculo-squelettiques faisaient principalement, sinon exclusivement, obstacle à la mise en oeuvre de pareilles mesures. Le patient a de nouveau été adressé à la doctoresse H., qui a noté, dans un rapport du 16 juin 2003, que le status des mains était satisfaisant; il restait des lésions eczématiformes sur certains endroits, mais peu étendues et bien contrôlées. BGE 135 V 269 S. 272 A.d L'assuré a suivi un stage d'observation professionnelle dans un Centre d'observation professionnelle de l'assurance-invalidité du 1 er septembre 2003 au 28 septembre 2003. Par la suite, le docteur C. a établi une expertise à l'intention de l'Office de l'assurance-invalidité (rapport du 18 février 2005). L'expert a posé le diagnostic d'eczéma allergique de contact, de spondylarthrite ankylosante et de ruptures partielles du tendon du sus-épineux droit et du sus-scapulaire, avec conflit acromio-sous-acromial. Il a attesté une totale incapacité de travail et a écarté l'éventualité de mesures de réadaptation professionnelle en raison des limitations physiques, cutanées et ostéoarticulaires du patient. Le 3 novembre 2005, l'Office de l'assurance-invalidité a alloué à l'assuré une rente entière, fondée sur une incapacité de gain de 100 pour cent, à partir du 1 er mars 2003. A.e A la demande de la CNA, l'assuré a encore été examiné à l'Hôpital Y. Dans un rapport du 24 mars 2006, le docteur P., médecin consultant, a constaté l'absence de lésions cutanées au niveau des mains, du corps, des coudes, des genoux, du tronc et des plis. En revanche, le patient présentait un eczéma du visage, bénin et sans rapport avec l'eczéma professionnel, ainsi qu'un eczéma plantaire. A la suite de tests complémentaires, le docteur T. a estimé que la dermatose des pieds n'était pas la conséquence de l'eczéma de contact assuré comme maladie professionnelle par la CNA (rapport du 11 juillet 2006). Par décision du 19 janvier 2007, confirmée par décision sur opposition du 31 juillet suivant, la CNA a signifié à l'assuré son refus de lui allouer des prestations supplémentaires. Selon elle, l'eczéma des pieds et la dermite faciale ne relevaient pas d'une maladie professionnelle. Quant à l'eczéma des mains, il avait complètement disparu depuis le début de l'année 2005, de sorte que l'assuré aurait pu reprendre une activité en évitant les allergènes, ainsi que tout travail en milieu humide avec des irritants. Il ne subsistait donc pas de séquelles invalidantes des troubles dermatologiques assurés. Il ne restait qu'une prédisposition à une maladie et non une maladie professionnelle proprement dite. Par conséquent, le droit à une rente d'invalidité n'était pas ouvert. Au demeurant, même si l'on admettait l'existence d'une atteinte à la santé assurée, celle-ci n'aurait pas empêché l'intéressé de réaliser un revenu sensiblement égal à celui qu'il aurait pu obtenir en qualité de maçon. La maladie professionnelle n'était pas propre à entraîner une perte de gain. BGE 135 V 269 S. 273 B. Par jugement du 29 mai 2008, le Tribunal cantonal des assurances sociales du canton de Genève a rejeté un recours formé par l'assuré contre la décision sur opposition de la CNA. C. M. interjette un recours en matière de droit public dans lequel il conclut à l'annulation de l'arrêt cantonal et au renvoi de la cause à la CNA pour détermination de son taux d'invalidité et fixation du montant de la rente d'invalidité à laquelle il prétend. La CNA conclut au rejet du recours. L'Office fédéral de la santé publique ne s'est pas déterminé. Le recours a été admis.
2,593
1,269
Erwägungen Extrait des considérants: 3. 3.1 Il n'est pas contesté que l'eczéma facial et plantaire dont souffre le recourant n'est pas une séquelle tardive de la maladie professionnelle. Cette affection n'engage pas la responsabilité de la CNA, pas plus d'ailleurs que les troubles musculo-squelettiques. Il n'y a pas lieu de revenir sur ce point. 3.2 En ce qui concerne l'eczéma de contact aux mains, l'intimée a nié le droit à une rente de l'assurance-accidents au motif qu'une simple allergie ne pouvait pas, comme telle, constituer une maladie professionnelle ouvrant droit à une rente de l'assurance-accidents, une fois disparus les symptômes après la cessation de l'exposition à la substance allergène. En l'occurrence, ces symptômes ont disparu et abstraction faite d'autres atteintes à la santé d'origine non professionnelle, l'assuré pourrait reprendre une activité professionnelle pour autant qu'il évite le contact avec les produits auxquels il est sensibilisé. 4. 4.1 4.1.1 L'argumentation de l'intimée remonte à une jurisprudence relativement ancienne, dans laquelle le Tribunal fédéral des assurances avait opéré une distinction entre les maladies professionnelles qui sont encore actives dans l'organisme (p. ex. la silicose) et celles qui, à la suite d'un traitement, n'occasionnent plus de troubles physiques ou d'atteinte à la santé, du moins en l'absence de l'agent provocateur ou allergisant (p. ex. l'asthme ou l'eczéma). Les premières ouvraient le droit à une rente si elles entraînaient un changement d'activité impliquant une diminution de revenu; pour la silicose, un état BGE 135 V 269 S. 274 pathologique était reconnu même si la maladie n'était pas "active" ou ne se manifestait pas par certains symptômes (voir ATFA 1967 p. 199). Pour les secondes, on considérait qu'elles résultaient d'une prédisposition qui n'était elle-même pas une maladie professionnelle assurée. Seules étaient assurées les poussées provoquées par le contact avec les substances déclenchantes. La perte de gain qui en résultait ne justifiait pas l'octroi d'indemnités journalières durant les périodes intermédiaires entre deux poussées ni l'allocation d'une rente en cas de reclassement dans une activité moins bien rémunérée (ATFA 1952 p. 5; 1958 p. 147; 1967 p. 1999 et arrêt du Tribunal fédéral des assurances U 16/69 du 20 novembre 1969, résumé dans le rapport annuel de la CNA 1969 p. 22 sous let. f; sur cette pratique, voir: ALFRED MAURER, Recht und Praxis der schweizerischen obligatorischen Unfallversicherung, 2 e éd. 1963, p. 213 s. et n. 41a p. 214; ALEXANDRA RUMO-JUNGO, Bundesgesetz über die Unfallversicherung, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, 3 e éd. 2003, p. 84). 4.1.2 Par la suite, la jurisprudence a admis, implicitement tout au moins, qu'un changement d'activité nécessité par un eczéma d'origine professionnelle pouvait dans certains cas fonder le droit à une rente d'invalidité si ce changement entraînait une perte de gain (arrêt du Tribunal fédéral des assurances U 19/88 du 24 octobre 1988). Dans le même sens, le Tribunal fédéral des assurances a jugé que l'apparition de crises d'asthme causée par la profession et due à une allergie aux isocyanates devait être considérée comme une maladie professionnelle. L'assuré qui doit changer de profession à la suite d'une maladie de ce type et qui encourt de ce fait une diminution de revenu peut prétendre une rente d'invalidité de la LAA (arrêt U 145/97 du 29 janvier 1999, in Plädoyer 2000 1 p. 53). 4.2 Lorsqu'elles font état d'une allergie ou d'une hypersensibilité à une substance nocive, ou encore d'une "prédisposition", et qu'elles en discutent la prise en charge par l'assurance-accidents, les différentes jurisprudences mentionnées ci-avant ne précisent pas toujours si cette allergie ou hypersensibilité à une substance nocive a elle-même été provoquée, exclusivement ou de manière prépondérante, par l'exercice de l'activité professionnelle. A cet égard, une clarification est nécessaire. Plus précisément, il convient de distinguer deux éventualités. D'une part, une hypersensibilité à un ou plusieurs agents provocateurs qui subsiste après rémission d'une maladie professionnelle doit être BGE 135 V 269 S. 275 distinguée d'une simple prédisposition. Une telle sensibilisation représente une modification de l'état de santé après un contact antigène et donc un état pathologique (PETER OMLIN, Die Invalidität in der obligatorischen Unfallversicherung, 2 e éd. 1999, p. 54). Si cette sensibilisation est due exclusivement ou de manière prépondérante à l'exposition à des substances nocives sur le lieu du travail, elle constitue, comme telle, une maladie professionnelle. Dans ce sens, l'asthme bronchique professionnel - pour lequel les farines et les isocyanates représentent des facteurs causals importants - fait partie des maladies professionnelles reconnues au même titre par exemple que la pneumoconiose; il implique souvent un changement de profession indispensable pour interdire tout contact avec le facteur déclenchant (voir MARTIN RÜEGGER, Berufsasthma und Befeuchterlunge, Primary Care 5/2005 p. 793 ss; VOGT/RÜEGGER, Berufsbedingte Krankheiten der Atemwege, Swiss Medical Forum 2002 p. 647 ss, plus spécialement p. 650). Si l'existence d'une maladie professionnelle est reconnue dans une telle situation, l'assurance-accidents doit allouer les prestations légales, et donc aussi une rente en cas de perte de gain consécutive à un changement de profession. D'autre part, si au delà d'une simple poussée de symptômes, l'allergie ou l'hypersensibilité à une substance nocive n'est pas due à l'exercice de l'activité professionnelle assurée, de manière exclusive ou prépondérante, elle ne peut pas être considérée, comme telle, comme une maladie professionnelle, les conditions de l' art. 9 al. 1 LAA (RS 832.20) n'étant pas réunies. Seule peut alors entrer en considération la prise en charge de la poussée de symptômes provoquée par l'exposition professionnelle à la substance déclenchante, jusqu'à rémission (cf. consid. 4.1.1 supra). 4.3 Le recourant a travaillé comme manoeuvre dans le bâtiment pendant de nombreuses années, sans éprouver de symptômes allergiques, avant d'entrer au service d'une entreprise assurée par l'intimée. Il est donc peu vraisemblable que le contact aux substances nocives lors de l'activité professionnelle n'ait fait qu'activer une hypersensibilité préexistante. Il est par ailleurs établi que le recourant souffre, aux mains, d'un eczéma de contact à des substances nocives auxquelles il a été exposé dans son activité professionnelle. Cet eczéma est lié au contact du ciment, avec une sensibilisation au bichromate de potassium (rapport du docteur T. du 1 er octobre 2002). On peut donc admettre que le recourant a bien été sensibilisé, par l'exercice de son activité professionnelle, à des substances nocives au contact BGE 135 V 269 S. 276 desquelles il ne peut plus travailler. L'intimée ne l'a du reste jamais contesté, mais a nié la persistance d'une maladie professionnelle au motif que les symptômes apparus après l'exposition aux substances nocives sur le lieu de travail avaient par la suite disparu. Or, comme on l'a vu (consid. 4.2 ci-avant), la seule disparition des symptômes ne permet pas de nier la persistance d'une maladie professionnelle, lorsqu'un assuré est devenu hypersensible ou allergique à une substance en raison de l'exercice de son activité professionnelle. 5. 5.1 Les premiers juges considèrent que, malgré la décision de la CNA qui l'a déclaré inapte dès le 15 août 2002 à des travaux en contact avec certains agents, le recourant n'a pas été obligé de changer de profession. En effet, dès cette date, il était incapable de travailler, en raison d'abord d'une hernie inguinale jusqu'au 15 septembre 2002, puis en raison de troubles musculo-squelettiques. Cette incapacité est devenue définitive. Par conséquent, dès le moment où l'incapacité de travail liée à la maladie professionnelle a pris fin, le recourant n'a pas pu reprendre une activité professionnelle en raison de troubles qui n'engagent pas la responsabilité de la CNA. Partant, il n'a jamais eu à subir ni pratiquement, ni abstraitement, une diminution de salaire en raison de son affection dermatologique. Ce n'est pas en raison d'une maladie professionnelle qu'il subit une perte de gain. Il n'y a dès lors pas lieu, concluent les premiers juges, d'examiner si le revenu que l'assuré pourrait obtenir dans une activité le mettant à l'abri de toute manifestation dermatologique est ou non inférieur au gain qu'il obtiendrait dans sa profession antérieure de maçon. 5.2 Le recourant soutient pour sa part que son incapacité de travail liée à sa maladie professionnelle est antérieure à l'incapacité de travail pour les troubles qui ne relèvent pas de la responsabilité de l'intimée. Son incapacité de travail, qui a entraîné son invalidité, est en partie imputable à la maladie professionnelle. Il estime avoir droit à une rente calculée en fonction de la différence entre le revenu qu'il réalisait comme maçon et le revenu dans une activité théoriquement adaptée compte tenu des limitations liées à la maladie professionnelle. 5.3 Le raisonnement des premiers juges fait implicitement appel à la notion de causalité dépassée ou dépassante. Cette notion vise des situations où un dommage aurait pu être causé par un certain fait, mais résulte en réalité d'autres circonstances (arrêts 8C_630/2007 BGE 135 V 269 S. 277 du 10 mars 2008 consid. 5.2; 5C.125/2003 du 31 octobre 2003 consid. 3.3, in SJ 2004 I p. 407). En d'autres termes, elle vise le cas où un premier fait est susceptible d'entraîner un certain dommage, mais où ce dommage est causé par un second fait avant que le premier ne le fasse; le premier est dans ce sens "dépassé" par le second. La causalité dépassée crée simplement le risque d'un préjudice, mais pas un préjudice réel (voir FLORENCE AUBRY GIRARDIN, Les causes du dommage, in Les causes du dommage, 2007, p. 75 s.; THOMAS PROBST, La causalité aujourd'hui, ibidem , p. 18; FRANZ WERRO, La responsabilité civile, 2005, p. 47, n° 181 ss). Ce n'est pas l'enchaînement chronologique des événements qui est à lui seul déterminant, mais la survenance du dommage, en l'occurrence la survenance d'une invalidité ouvrant droit à la rente (arrêt du Tribunal fédéral des assurances U 357/04 du 22 septembre 2005 consid. 2.4, in RAMA 2006 p. 74; OMLIN, op. cit., p. 147; pour un cas de causalité dépassante, comparer avec l'arrêt 8C_630/2007, précité, dans lequel le traitement médical des suites d'un accident professionnel n'était pas terminé au moment où l'assuré a été victime d'une embolie pulmonaire et d'un infarctus). 5.4 En l'espèce, on n'est pas en présence d'un cas de causalité dépassante. Dès que la maladie professionnelle s'est déclarée, il est apparu d'emblée que l'assuré ne pourrait plus exercer sa profession de maçon. La doctoresse H. indiquait que le traitement était terminé le 13 mai 2002 déjà et que l'incapacité de travail dans cette profession serait totale pour une durée "indéfinie". A la suite de son examen du 27 septembre 2002, le docteur T. notait que les lésions se limitaient alors aux faces latérales internes des deux pieds, avec une prédominance à gauche (soit des affections dermatologiques sans rapport avec la maladie professionnelle). En ce qui concerne les troubles musculo-squelettiques, le docteur S. notait en janvier 2003 que des lombalgies étaient apparues en septembre 2002. Dans un précédent rapport, du 20 novembre 2002, à l'intention de l'Office de l'assurance-invalidité, ce même médecin indiquait plus précisément, s'agissant de l'eczéma, que le pronostic était "excellent" en dehors de l'allergène. Hormis cette affection, le patient se trouvait en "parfaite santé", sous réserve d'un début de lombarthrose se manifestant par des douleurs à la charge et cliniquement par une rigidité lombaire. Un recyclage dans une profession manuelle s'avérait "incontournable". On peut déduire de ces renseignements médicaux que l'état de santé du recourant, lié à la maladie professionnelle, s'il BGE 135 V 269 S. 278 nécessitait encore un suivi dermatologique, s'est assez rapidement stabilisé en l'absence de tout contact avec des facteurs causals. A fin 2002 en tout cas, il n'y avait plus lieu d'attendre une sensible amélioration de l'état de santé du recourant pour ce qui est des conséquences de l'affection assurée. Un droit potentiel à une rente de la CNA aurait déjà pu prendre naissance au cours de cette même année ( art. 19 al. 1 LAA ; ATF 134 V 109 consid. 4.3 p. 115), soit à une époque où, à dire de médecin, l'affection lombaire n'entraînait pas encore une incapacité notable de travail. Le fait que l'intéressé est devenu par la suite totalement incapable de travailler, notamment pour des problèmes de dos, ne libère donc pas l'assureur-accidents de sa responsabilité (cf. OMLIN, op. cit., p. 146 s.). 5.5 Au demeurant, ce n'est pas en raison seulement de son état ostéoarticulaire que l'assurance-invalidité a reconnu à l'assuré un taux d'incapacité de gain de 100 pour cent. Aux limitations liées aux troubles musculo-squelettiques se sont ajoutées - certes dans une moindre mesure - les limitations liées au problème allergologique (pas de contact avec nombre de substances ni activités dans un milieu humide; rapport du docteur C.). C'est en définitive la conjugaison de ces deux types de limitations qui réduisait à néant toute possibilité pour l'assuré de reprendre une quelconque activité. On est donc en présence de deux causes partielles - sans corrélation entre elles - qui ont contribué à l'invalidité totale. Dans un tel cas de figure, les suites de l'accident (ou de la maladie professionnelle) doivent être assumées par l'assureur-accidents pour la part du dommage imputable à l'atteinte à la santé assurée ( ATF 126 V 116 consid. 3a p. 117; arrêt U 357/04 cité consid. 2.2). 5.6 Il est vrai que la survenance (subséquente) de l'incapacité de travail consécutive aux troubles musculo-squelettiques empêchait toute mesure de reclassement de l'assuré dans un milieu libre de tout agent déclenchant. On est cependant fondé à considérer qu'un changement de profession n'aurait de toute façon pas permis à l'intéressé de réaliser un salaire équivalent à celui qu'il aurait obtenu en tant que maçon. Selon les indications fournies par son ex-employeur, l'assuré aurait gagné en 2002 un salaire horaire de 27 fr. 30, pour 2'226 heures de travail (y compris les vacances et les ponts compensés) plus 8,3 pour cent au titre de 13 e salaire. Cela donne un gain annuel de 65'813 fr. Le recourant était alors âgé de 51 ans. Il était sans formation et avait un faible niveau d'expression, surtout en français (rapport du docteur C.). Selon les observations faites au Centre BGE 135 V 269 S. 279 d'observation professionnelle de l'AI (COPAI), ses chances de réadaptation - indépendamment de son état de santé - étaient considérées comme faibles (mauvaise image de soi, aucune vision de l'avenir sous un angle professionnel, adaptation faible à la nouveauté). Compte tenu de ces éléments, le recourant n'aurait vraisemblablement pu retrouver qu'un emploi sans qualification pour des tâches simples et répétitives. D'après l'Enquête suisse sur la structure des salaires (ESS; édité par l'Office fédéral de la statistique) 2002, le salaire mensuel brut (valeur centrale) des hommes exerçant une activité non qualifiée dans le secteur privé était de 4'557 fr. pour un horaire hebdomadaire de 40 heures. Pour un horaire de 41,7 heures (voir La Vie économique 12-2005, tableau B 9.2 p. 94), cela correspond à 4'750 fr. par mois, soit 57'000 fr. par an. C'est un montant de cet ordre que l'assuré, reclassé au mieux, aurait pu réaliser si des facteurs étrangers à l'affection assurée n'avaient pas entraîné une incapacité de travail. Il apparaît donc que la perte de gain est supérieure à 10 pour cent.
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Sachverhalt ab Seite 97 BGE 96 I 97 S. 97 A.- Hermann Leemann ist Eigentümer der in Uster-Wermatswil gelegenen Parzelle Kat. Nr. 1128, auf der ein von ihm bewohntes Haus steht und die an der Nordwestseite einen Streifen des angrenzenden Waldes umfasst, den er als Auslauf für die von ihm gehaltenen Reitpferde und Hunde benutzt. In den Jahren 1958 und 1961 liess er den Streifen durch einen mannshohen Zaun gegen den übrigen Wald abschliessen. Die Direktion der Volkswirtschaft des Kantons Zürich verpflichtete BGE 96 I 97 S. 98 ihn mit Verfügung vom 23. Juni 1966 unter anderem, den Zaun abzubrechen. Den Rekurs, den Leemann dagegen erhob, hat der Regierungsrat, soweit die Einzäunung betreffend, am 15. Dezember 1966 unter Berufung auf Art. 3 der Vollziehungsverordnung vom 1. Oktober 1965 zum Bundesgesetz betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei (FPV; AS 1965 S. 861) und auf Art. 699 Abs. 1 ZGB abgewiesen. Leemann führte hiergegen mit Eingabe vom 3. Februar 1967 Beschwerde an den Bundesrat, wobei er sich namentlich über eine Verletzung der beiden genannten Bestimmungen beklagte. In seiner Vernehmlassung vom 27. April 1967 empfahl der Regierungsrat die Abweisung der Beschwerde. B.- Der Bundesrat und das Bundesgericht sind in einem Meinungsaustausch vom 29. März 1967/26. April 1968/17. Mai 1969/9. Juni 1969 übereingekommen, dass dieses über die Einwendungen zu befinden hat, die sich auf Art. 699 ZGB beziehen, während jener zu prüfen hat, ob der angefochtene Entscheid Art. 3 FPV verletzt. C.- Der Bundesrat hat seinen Entscheid am 13. August 1969 gefällt. Dabei hat er die in seine Zuständigkeit fallenden Einwendungen gutgeheissen und den Entscheid des Regierungsrates "insoweit aufgehoben". Er hat erwogen, Art. 3 FPV sei auf Einzäunungen, die vor dessen Inkrafttreten errichtet worden seien, nicht anwendbar.
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Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1.
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Wird das Dispositiv des bundesrätlichen Entscheides im Lichte der Erwägungen ausgelegt ( BGE 81 I 8 , BGE 84 II 140 ), so ergibt sich daraus lediglich, dass der angefochtene Entscheid nicht auf Art. 3 FPV gestützt werden kann. Der Bundesrat musste es mangels eigener Zuständigkeit offen lassen, ob der regierungsrätliche Entscheid seine gesetzliche Grundlage allenfalls in Art. 699 ZGB finden kann. Soweit sich der Regierungsrat auf diese Bestimmung berufen hat, ist sein Entscheid mithin nicht aufgehoben worden. Die vom Bundesgericht zu beurteilenden Einwendungen des Beschwerdeführers sind daher durch den Entscheid des Bundesrates nicht gegenstandslos geworden. 2. Der Beschwerdeführer macht in verfahrensrechtlicher Hinsicht geltend, Art. 699 ZGB sei privatrechtlicher Natur, weshalb die Volkswirtschaftsdirektion und der Regierungsrat BGE 96 I 97 S. 99 als Verwaltungsbehörden nicht zuständig gewesen seien, diese Bestimmung anzuwenden und durchzusetzen. a) Gemäss § 1 des zürcherischen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (VRG) vom 24. Mai 1959 sind für öffentlichrechtliche Angelegenheiten die Verwaltungsbehörden und das Verwaltungsgericht, für privatrechtliche Ansprüche die Zivilgerichte zuständig. Der Zivilweg wird somit durch das kantonale Recht vom Verwaltungsweg abgegrenzt. Gegen den Entscheid über die Ausscheidung der Befugnisse der zürcherischen Verwaltungsbehörden (einschliesslich des Verwaltungsgerichtes) einerseits und der Zivilgerichte andererseits ist demnach die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung bundesrechtlicher Vorschriften über die Abgrenzung der sachlichen Zuständigkeit der Behörden ( Art. 84 Abs. 1 lit. d OG ) nicht gegeben; es steht dagegen vielmehr allein die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger ( Art. 84 Abs. 1 lit. a OG ) offen. b) Geht es darum, die Zuständigkeiten der genannten kantonalen Behörden voneinander abzugrenzen, so ist gemäss § 1 VRG vorfrageweise zu entscheiden, ob eine öffentlich-rechtliche oder eine privatrechtliche Streitigkeit vorliegt. Als vom kantonalen Verfahrensrecht gewähltes Unterscheidungsmerkmal gehören die Begriffe des öffentlichen und des privaten Rechts in diesem Zusammenhang dem kantonalen Recht an, und zwar auch dann, wenn es gilt, bundesrechtliche Normen im Hinblick auf die Zuständigkeit der zürcherischen Behörden zu klassifizieren. Die Auslegung und Anwendung dieser Begriffe durch die letzte kantonale Instanz kann daher auf staatsrechtliche Beschwerde hin nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür überprüft werden. c) Ob eine Eigentumsbeschränkung dem privaten oder dem öffentlichen Recht angehört, steht nicht in jedem Fall zum vorneherein fest. Ist die Rechtsnatur einer solchen Bestimmung fraglich, und muss sie dem einen oder dem andern Rechtsgebiet zugeordnet werden, so ist in erster Linie auf ihren positivrechtlichen Inhalt abzustellen und zu prüfen, ob sich daraus mit einer gewissen Eindeutigkeit Hinweise nach der einen oder andern Richtung hin ergeben (vgl. MEIER-HAYOZ, N. 10 in Verbindung mit N. 13 zu Art. 680 ZGB ). EUGEN HUBER zählte die ("alter Überlieferung" entsprechende) Freiheit des Zutritts zu Wald und Weide "wegen ihres BGE 96 I 97 S. 100 besonderen Charakters nicht zu den Beschränkungen aus öffentlichem Recht, sondern zu den nachbarrechtlichen Beschränkungen im weiteren Sinne", die "nicht nur gegenüber dem Nachbar, sondern auch gegenüber der Dorfschaft oder Gemeinde oder ganz allgemein" ihre Wirkungen entfalten (System und Geschichte des Schweizerischen Privatrechts, Bd. III, S. 325). Demgemäss fügte bereits der Vorentwurf zum ZGB den (im engeren Sinne) nachbarrechtlichen Bestimmungen die Vorschrift an, der Eigentümer habe "das Betreten von offenem Wald... in ortsüblichem Umfang" zu gestatten (Art. 695 Abs. 2 VE). Die Botschaft reiht das jedermann zustehende Recht, Wald zu betreten, systematisch gleich ein und erklärt, es gebe "einer weit verbreiteten Rechtsanschauung Ausdruck" und verdiene im Privatrecht die Anerkennung, "die mit dem allgemeinen wirtschaftlichen Interessen verträglich ist" (BBl 1904 IV S. 67). Die eidgenössischen Räte haben an dieser Konzeption nichts geändert. Das Gesetz führt dementsprechend den Art. 699 ZGB im Unterabschnitt IV "Recht auf Zutritt und Abwehr" auf, der auf den Unterabschnitt III "Nachbarrecht" folgt und dem Unterabschnitt V "öffentlich-rechtliche Beschränkungen" vorausgeht. Die rechtstheoretischen Anschauungen des historischen Gesetzgebers binden die rechtsanwendenden Behörden freilich nicht. Der Standort einer gesetzlichen Bestimmung bildet nur insofern einen Anhaltspunkt für deren rechtliche Qualifikation, als sich daraus Rückschlüsse auf Sinn und Zweck der Vorschrift ziehen lassen (MEIER-HAYOZ, N. 30 zu Art. 680 ZGB ). Ob dies hier zutrifft, ist im folgenden zu untersuchen. d) Art. 699 ZGB räumt "jedermann", also jedem beliebigen Rechtsgenossen, gewisse Rechte gegenüber dem Eigentümer von Wald und Weide ein. Der Kreis der aus dieser Bestimmung Berechtigten ist somit nicht begrenzt. Das heisst indessen noch nicht, dass die Vorschrift ohne weiteres dem öffentlichen Recht zugerechnet werden müsste. Wie ein Blick auf die Art. 684 (vgl. dazu BGE 81 II 442 f.; HAAB, N. 14 zu Art. 684 ZGB ; OFTINGER, Lärmbekämpfung als Aufgabe des Rechts, S. 19 mit Verweisungen), 700, 701, 718, 719 und 722 ZGB zeigt, kennt das Privatrecht auch andernorts Rechte, die einem unbestimmten und nicht bestimmbaren Personenkreis zustehen. Der Kreis der aus Art. 699 ZGB Berechtigten darf mithin nicht ohne weiteres mit der Allgemeinheit schlechthin gleichgesetzt werden. BGE 96 I 97 S. 101 Wohl hat das Bundesgericht in BGE 58 I 175 E. 2 ausgeführt, der Zivilgesetzgeber habe in Art. 699 ZGB eine Beschränkung des Grundeigentums zugunsten der Allgemeinheit statuiert. Wortlaut, Aufbau und Standort dieser Bestimmung zeigen indessen, dass der Gesetzgeber in Art. 699 ZGB in erster Linie die Beziehungen zwischen dem Eigentümer und den einzelnen Rechtsgenossen regeln und diesen einen individuellen Anspruch gegenüber jenem gewähren wollte. Dieses Rechtsverhältnis, das zwischen gleichgeordneten Rechtssubjekten besteht, gehört dem Privatrecht an (vgl. HOMBERGER, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, S. 198; TUOR/SCHNYDER, ZGB, 8. Aufl., S. 523, 533; DESCHENAUX, Les restrictions légales de la propriété foncière et le registre foncier, ZBGR 1957 S. 326; BURCKHARDT, Bundesrecht, Nr. 295; SJZ 21 S. 213 f.). Ob Art. 699 ZGB darüber hinaus den Eigentümer auch unmittelbar zur Allgemeinheit bzw. zu dem diese vertretenden Gemeinwesen in Beziehung setzen will, lässt sich dem Wortlaut der Bestimmung nicht entnehmen. Zur Beantwortung dieser Frage muss vielmehr auf den Sinn und Zweck der Vorschrift zurückgegriffen werden. In diesem Sinne ist die in BGE 58 I 175 E. 2 gewählte Ausdrucksweise zu verdeutlichen. e) Art. 699 ZGB schützt nach dem Gesagten vorerst und unmittelbar die Interessen der Spaziergänger bzw. Beeren- und Pilzsucher. Diese Interessen haben an sich und im Hinblick auf die einzelnen Berechtigten kein grosses Gewicht. Dürfte bei der Auslegung von Art. 699 ZGB lediglich auf die soeben erwähnten Individualinteressen abgestellt werden, so wäre in der Tat nicht ohne weiteres einzusehen, weshalb ihnen der Gesetzgeber den Vorrang vor dem entgegenstehenden, gewichtigen Interesse des Eigentümers an der Vermeidung jeden Schadens an den Kulturen hätte einräumen sollen. Die Lösung des Gesetzgebers lässt sich jedoch mit der sogenannten Schutzfunktion des Waldes rechtfertigen. Diese besteht darin, der Bevölkerung den notwendigen Erholungsraum zu erhalten, was angesichts der zunehmenden Verstädterung als dringend notwendig erscheint. Von einem freien Zutritt zum Wald kann indessen in diesem Zusammenhang nur dann gesprochen werden, wenn das Gemeinwesen ermächtigt wird, darüber von Amtes wegen zu wachen. Art. 699 ZGB dient mithin auch dem öffentlichen Wohl, und das Gemeinwesen hat ein Interesse an der Anwendung der darin getroffenen Ordnung. BGE 96 I 97 S. 102 f) Art. 699 ZGB stellt demnach eine sog. Doppelnorm dar, das heisst einen Rechtssatz, der zugleich öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Vorschriften enthält. Der Regierungsrat ist daher nicht der Willkür verfallen, wenn er angenommen hat, Art. 699 ZGB sei im vorliegenden Fall als öffentlich-rechtliche Bestimmung anzuwenden. Enthält eine Vorschrift zugleich öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Eigentumsbeschränkungen, so hat sie das Gemeinwesen auf dem Verwaltungswege, der private Berechtigte dagegen auf dem Zivilwege durchzusetzen (MEIER-HAYOZ, N. 36 zu Art. 680 ZGB ). Der Regierungsrat konnte demnach ohne Willkür annehmen, die Direktion der Volkswirtschaft sei als Verwaltungsbehörde zuständig, gestützt auf Art. 699 ZGB Befehle an die Waldeigentümer zu erlassen. Die Beurteilung von Rekursen gegen Verfügungen seiner Direktionen fällt in die Zuständigkeit des Regierungsrates als Gesamtbehörde (§ 19 VRG in Verbindung mit § 13 und § 30 Ziff. 9 des Gesetzes betreffend die Organisation und die Geschäftsordnung des Regierungsrates und seiner Direktionen vom 26. Februar 1899) und zwar auch insofern, als geltend gemacht wird, die untere Instanz habe eine Bestimmung des ZGB verletzt. Nach dem Gesagten ist demnach unter dem Gesichtspunkt von Art. 4 BV nicht zu beanstanden, dass der Regierungsrat den vorliegenden Rechtsstreit aufgrund von Art. 699 ZGB beurteilt hat. 3. Gemäss Art. 125 Abs. 1 lit. b OG (in der hier anwendbaren Fassung vom 16. Dezember 1943) kann gegen Entscheide der letzten kantonalen Instanz "wegen Verletzung anderer als privatrechtlicher oder strafrechtlicher Bundesgesetze" beim Bundesrat Beschwerde geführt werden. Handelt es sich bei Art. 699 ZGB um eine Doppelnorm, so steht im Lichte der soeben genannten Bestimmung des OG nicht zum vorneherein fest, ob das Bundesgericht, oder aber der Bundesrat zur Beurteilung einer bezüglichen Beschwerde zuständig ist. Es liesse sich erwägen, die Antwort auf diese Frage davon abhängen zu lassen, ob die letzte kantonale Instanz die erwähnte Bestimmung als öffentliches oder als Privatrecht angewendet hat. Um eine unerwünschte Gabelung des Rechtsweges zu vermeiden, sind der Bundesrat und das Bundesgericht jedoch übereingekommen, dass dieses die Anwendung des Art. 699 ZGB auch in materieller Hinsicht überprüfen soll. Da das Bundesgericht die Rechtsvorkehr aber bloss als staatsrechtliche Beschwerde BGE 96 I 97 S. 103 wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger gemäss Art. 84 Abs. 1 lit. a OG entgegennehmen kann, hat es nur über die Verfassungsmässigkeit der getroffenen Entscheidung zu befinden. a) Der Einwand des Beschwerdeführers, Art. 699 ZGB vermöge keine gesetzliche Grundlage für Anordnungen von Verwaltungsbehörden abzugeben, ist in Erw. 2 widerlegt worden. b) Der Beschwerdeführer macht geltend, der angefochtene Entscheid verletze den Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Um jedermann freien Zugang im Sinne von Art. 699 ZGB zu verschaffen, hätte es genügt, ihn zu verpflichten, den bestehenden Zaun mit zusätzlichen Toren zu versehen und allenfalls Tafeln mit der Aufschrift "Zutritt gestattet" anzubringen. - Der angefochtene Entscheid, wonach der Zaun abgebrochen werden muss, erscheint jedoch auch unter diesem Gesichtspunkt nicht als verfassungswidrig. Es trifft zwar zu, dass Art. 699 ZGB Einzäunungen nicht schlechthin verbietet, zumal er sich nicht nur auf Wald-, sondern auch auf Weidegrundstücke bezieht. Besonders im Jura und im Tessin werden derartige Grundstücke nicht selten eingefriedet, wobei eine Anzahl Tore einen begrenzten Zugang gewährleisten. Solche Zäune haben ihre Berechtigung, bezwecken sie doch unter anderem, Viehherden oder andere Tiere vom Betreten des Waldes abzuhalten. Was die Einzäunung des fraglichen Waldgrundstücks anbelangt, so ist sie - vom Beschwerdeführer aus gesehen - wohl nicht sinnlos; dennoch können im vorliegenden Fall nicht ohne weiteres die gleichen Überlegungen angestellt werden wie beim Entscheid darüber, ob die Einzäunung eines Grundstücks im Jura als zulässig erscheint, denn Art. 699 ZGB verweist in diesem Zusammenhang auf den Ortsgebrauch ("Das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze und dergleichen sind in ortsüblichem Umfang jedermann gestattet..."). Der Regierungsrat hat in seinem Entscheid auf dieses entscheidende Kriterium Bezug genommen und festgestellt, im Kanton Zürich bestehe kein Ortsgebrauch, der die Einfriedigung von Weide- und Waldgrundstücken ohne weiteres zu rechtfertigen vermöchte. Das Bundesgericht hat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Feststellung zu zweifeln, zumal der Beschwerdeführer nichts gegenteiliges behauptet. BGE 96 I 97 S. 104 Wenn es aber im Kanton Zürich nicht üblich ist, dass Waldgrundstücke eingezäunt werden, so verstösst der angefochtene Entscheid auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit nicht gegen Art. 4 BV . Der Regierungsrat hat geprüft, ob nachträglich eingebaute, unverschlossene Tore in jedem Fall einen genügenden Zutritt im Sinne von Art. 699 ZGB zu gewährleisten vermöchten. Er hat erwogen, dass die meisten Besucher des Waldes durch einen Zaun zum vorneherein davon abgehalten würden, das eingehegte Grundstück zu betreten; Tore vermöchten daran unter den gegebenen Umständen nichts zu ändern. Selbst wenn diese leicht zu finden wären und immer geöffnet werden könnten, würde der Spaziergänger sie wohl nur selten und mit Hemmungen benutzen, da auch Tafeln mit der Aufschrift "Zutritt gestattet" den Eindruck nicht auslöschen würden, seine Anwesenheit sei bloss geduldet und keineswegs erwünscht. Diese Hemmungen würden durch die Angst vor den auf dem Grundstück frei laufenden Hunden und Pferden noch verstärkt. Diese Überlegungen sind nach den gesamten Umständen nicht unhaltbar. c) ... Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Soweit die Beschwerde in die Zuständigkeit des Bundesgerichts fällt und darauf einzutreten ist, wird sie abgewiesen.
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Sachverhalt ab Seite 183 BGE 130 III 182 S. 183 A. A. (Klägerin) buchte im August 1999 bei der Einzelfirma X. (Inhaber B. [Beklagter]) eine viertägige "Musik-Kreuzfahrt auf der Mosel". Die Reisegruppe, die vom Beklagten als Reiseleiter begleitet wurde, fuhr am 21. Oktober 1999 mit der Eisenbahn nach Koblenz. Dort wurde das Gepäck auf einen Handwagen geladen. Die Reisenden begleiteten diesen Wagen bis zum wartenden Bus, wo das Gepäck eingeladen wurde, und führten mit dem Bus eine kurze Stadtrundfahrt durch. Anschliessend unternahmen sie zu Fuss einen Stadtrundgang. In der Zwischenzeit fuhr der Beklagte mit dem Bus direkt zur Anlegestelle des Schiffes, wo das Gepäck von Angestellten des Schifffahrtsbetriebs in die Kabinen der Reisenden gebracht werden sollte. Das im Passagierraum des Busses zurückgelassene Handgepäck nahm der Beklagte persönlich mit aufs Schiff. Rund zehn Minuten nach dem Bezug der Kabinen teilte der Begleiter der Klägerin dem Beklagten mit, der Koffer der Klägerin, in dem sich nach deren Angaben Kleider und Schmuck im Wert BGE 130 III 182 S. 184 von mehr als Fr. 100'000.- befunden hätten, sei gestohlen worden. Eine sofort eingeleitete Suche nach dem vermissten Gepäckstück blieb erfolglos. Auch die Polizei konnte den Täter nach der am gleichen Abend erhobenen Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Diebstahls nicht ermitteln. Die Klägerin setzte die Reise wie geplant fort. Ihre Reisegepäckversicherung zahlte ihr Fr. 8'000.-. B. Am 31. Januar 2001 belangte die Klägerin den Beklagten beim Kantonsgericht Schaffhausen auf Bezahlung von Fr. 153'190.15 nebst Zins. Das Gericht wies die Klage am 3. September 2001 ab. Auf Berufung der Klägerin hin bestätigte das Obergericht des Kantons Schaffhausen diesen Entscheid mit Urteil vom 20. Juni 2003. Es verneinte eine Haftung des Beklagten für den behaupteten Schaden der Klägerin, weil diese ihn nicht über den unüblich hohen Wert des ihm anvertrauten Gepäcks informiert hatte. C. Die Klägerin beantragt mit eidgenössischer Berufung vom 22. August 2003, dieses Urteil aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr Fr. 153'190.15 nebst Zins zu bezahlen. Eventuell sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung. Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Die Vorinstanz hat zutreffend und unangefochten erkannt, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag dem schweizerischen Recht untersteht ( Art. 120 IPRG ) und als Pauschalreisevertrag im Sinne von Art. 1 des Bundesgesetzes vom 18. Juni 1993 über Pauschalreisen (Pauschalreisegesetz; SR 944.3) zu qualifizieren ist. Im vorliegenden Verfahren ist auch nicht mehr strittig, dass dieser Vertrag als Nebenpflicht den Transport des Reisegepäcks vom Bahnhof Koblenz (zumindest) bis auf das Schiff mitumfasste und dass der Beklagte als Reiseveranstalter nach Art. 14 Pauschalreisegesetz grundsätzlich für die gehörige Erfüllung dieser vertraglichen Nebenpflicht haftet (vgl. dazu ALESSANDRO MARTINELLI, Die Haftung für Pauschalreisen, Diss. Basel 1997, S. 183). Die Klägerin begründet ihre Schadenersatzforderung im Wesentlichen damit, dass der Beklagte den Vertrag hinsichtlich der Nebenpflicht, für den Transport des Koffers zu sorgen, nicht gehörig erfüllt habe. Der Koffer habe Kleider und Schmuck im Wert von rund Fr. 150'000.- enthalten und sei gestohlen worden, als er sich im BGE 130 III 182 S. 185 Verantwortungsbereich des Beklagten befunden habe. Die Vorinstanz liess - entgegen den Vorbringen der Klägerin - offen, wie es sich mit diesen tatsächlichen Behauptungen verhält, da die Klage aus rechtlichen Gründen auch dann abzuweisen wäre, wenn vom behaupteten Sachverhalt ausgegangen würde. Im Folgenden ist daher einzig zu prüfen, ob die Vorinstanz die Schadenersatzforderung der Klägerin auf dieser Grundlage bundesrechtskonform abgewiesen hat. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre die Sache zur Vornahme von verbindlichen tatsächlichen Feststellungen hinsichtlich der behaupteten, einen Ersatzanspruch in bestimmter Höhe begründenden Sachverhaltselemente an die Vorinstanz zurückzuweisen ( Art. 64 OG ). 4. Die Haftung des Reiseveranstalters ist in Art. 13 ff. Pauschalreisegesetz spezialrechtlich geregelt. Nach Art. 14 Pauschalreisegesetz haftet der Veranstalter oder der Vermittler, der Vertragspartei ist, dem Konsumenten für die gehörige Vertragserfüllung, unabhängig davon, ob er selbst oder andere Dienstleistungsträger die vertraglichen Leistungen zu erbringen haben. Im Gegensatz zur allgemeinen Bestimmung über die vertragliche Haftung in Art. 97 OR sieht diese Norm keinen Wegfall der Haftung vor, wenn der Veranstalter beweist, dass ihm kein Verschulden zur Last fällt. Allerdings sieht Art. 15 Pauschalreisegesetz verschiedene Entlastungsgründe vor, in deren Bereich dem Reiseveranstalter der Sorgfaltsbeweis offen steht. Die Haftung des Reiseveranstalters kann damit als einfache Kausalhaftung bezeichnet werden, welche die Verletzung einer Sorgfaltspflicht präsumiert (vgl. dazu REY, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, 3. Aufl., Zürich 2003, Rz. 880/894; so auch FRANK, Kurzkommentar zum Bundesgesetz über Pauschalreisen, Zürich 1994, N. 23 f. zu Art. 14 Pauschalreisegesetz; MARTINELLI, a.a.O., S. 99 ff., 292; SANDRO HANGARTNER, Das neue Bundesgesetz über Pauschalreisen, Diss. Zürich 1997, S. 147; vgl. dagegen ROBERTO, Basler Kommentar, N. 4 f. zu Art. 14/15 Pauschalreisegesetz; derselbe , Das neue Pauschalreisegesetz, recht 12/1994 S. 6 ff., 11 f. [nachfolgend zitiert als ROBERTO, Pauschalreisegesetz]; MARCHAND, De l'helvético-compatibilité de la loi fédérale du 18 juin 1993 sur les voyages à forfait, AJP 1994 S. 721 ff., 735 f.). 5. Art. 15 Abs. 1 lit. a Pauschalreisegesetz sieht als Entlastungsgrund vor, dass der Veranstalter dem Konsumenten dann nicht haftet, wenn die Nichterfüllung oder die nicht gehörige Erfüllung BGE 130 III 182 S. 186 des Vertrages auf Versäumnisse des Konsumenten zurückzuführen ist (Art. 15 Abs. 1 lit. a Pauschalreisegesetz). 5.1 Die Vorinstanz hielt dafür, der Klägerin sei ein Versäumnis im Sinne von Art. 15 Abs. 1 lit. a Pauschalreisegesetz vorzuwerfen, weil sie den Beklagten nicht über den besonders hohen Wert ihres Reisegepäcks informiert habe. Die Unterlassung dieser Information sei der Klägerin analog zu Art. 447 OR als grobes Selbstverschulden anzurechnen und bilde eine für den Schaden adäquate Ursache, die den adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Beklagten und dem Schaden unterbreche. Da der Klägerin der übliche Wert eines Gepäckstücks für eine entsprechende viertägige Reise von ihrer Versicherung ersetzt worden sei, würde es am Ergebnis auch nichts ändern, wenn bloss eine Reduktion der Haftung auf den entsprechenden Umfang angenommen würde. 5.2 Die Klägerin bestreitet, dass ihr ein Versäumnis im Sinne von Art. 15 Abs. 1 lit. a Pauschalreisegesetz vorzuwerfen sei. Sie habe, im Gegensatz zum Absender beim Frachtvertrag, keine gesetzliche Pflicht gehabt, den Beklagten über den Inhalt und den Wert des Koffers zu orientieren. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Koffer wegen seines hohen Wertes gestohlen worden sei. Das Versäumnis des Reiseteilnehmers müsse nach Art. 15 Abs. 1 lit. a Pauschalreisegesetz der einzige Grund dafür sein, dass der Veranstalter seine vertraglichen Pflichten nicht erfüllen konnte. Der Beklagte hätte indessen seine vertraglichen Überwachungs- und Sorgfaltspflichten beim Transport des Koffers unabhängig davon erfüllen können und müssen, ob er über den wertvollen Inhalt informiert war. 5.3 Der angefochtene Entscheid ist insoweit nicht zu beanstanden, als die Vorinstanz im Umstand, dass die Klägerin den Beklagten nicht über den ausserordentlich hohen Wert ihres Koffers informierte, ein (schuldhaftes) Versäumnis der Klägerin sah. Wie die Klägerin geltend macht, trifft es zwar zu, dass sich im Pauschalreisegesetz keine dem Art. 441 OR entsprechende Vorschrift findet, die den Reisenden, wie den Absender im Frachtvertragsrecht, ausdrücklich verpflichten würde, seinen Vertragspartner über den besonders hohen Wert von anvertrauten Gegenständen zu informieren. Indessen gehört es zu den generellen Pflichten des Gläubigers, seinen Vertragspartner auf den mit Blick auf das konkrete Vertragsverhältnis ausserordentlich hohen, jedoch für den Vertragspartner nicht erkennbaren Wert einer anvertrauten Sache aufmerksam BGE 130 III 182 S. 187 zu machen, mit dem die Gefahr des Eintritts eines ungewöhnlich hohen Schadens verbunden ist und der daher eine erhöhte Sorgfalt im Umgang mit ihr als angebracht erscheinen lässt. Dieses Prinzip hat in Art. 441 OR in die gesetzliche Regelung des Frachtvertragsrechts Eingang gefunden und wird in § 254 Abs. 2 BGB auch für das deutsche Recht ausdrücklich ausgesprochen (vgl. BGE 109 II 234 E. 2c; 46 II 116 E. 5; 33 II 420 E. 5; BREHM, Berner Kommentar, N. 21 zu Art. 44 OR ; BECKER, Berner Kommentar, N. 46 zu Art. 99 OR ; WEBER, Berner Kommentar, N. 258 und 261 zu Art. 99 OR ; VON TUHR/PETER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bd. 1, Zürich 1979, S. 112; VON STAUDINGER/SCHIEMANN, Kommentar, Berlin 1998, N. 74 ff. zu § 254 BGB). Nach den eigenen Angaben der Klägerin war es ihrem Koffer nicht anzusehen, dass er besondere Werte enthielt. Der Beklagte musste auch aus dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis nicht darauf schliessen, dass der Koffer Wertsachen in der geltend gemachten Höhe enthielt, hatte er doch den Koffer als Nebenpflicht im Rahmen eines Vertrages über eine bloss viertägige Reise zu transportieren. Es oblag daher der Klägerin, dafür Sorge zu tragen, dass der Koffer nicht wie ein gewöhnliches Reisegepäckstück behandelt werde, indem sie den Beklagten auf dessen besonders wertvollen Inhalt aufmerksam machte. Dass sie dies unterliess, durfte die Vorinstanz bundesrechtskonform als Versäumnis im Sinne von Art. 15 Abs. 1 lit. a Pauschalreisegesetz qualifizieren. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang geltend macht, der Beklagte habe besondere Zusicherungen hinsichtlich der lückenlosen Überwachung oder Einschliessung des zu transportierenden Gepäcks abgegeben, nach welchen sie ihm ihr Gepäck ohne besondere Hinweise auf dessen Wert habe anvertrauen dürfen, finden ihre Vorbringen in den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz keine Stütze. Da sie insoweit keine substanziierte Sachverhaltsrüge im Sinne von Art. 63 Abs. 2 und Art. 55 Abs. 1 lit. c OG erhebt, ist sie damit nicht zu hören. 5.4 Die Bestimmung von Art. 15 Abs. 1 lit. a Pauschalreisegesetz sieht eine Haftungsbefreiung des Veranstalters wegen Versäumnissen des Konsumenten nur für den Fall vor, dass die Nichterfüllung oder die nicht gehörige Erfüllung des Vertrages (allein) auf diese Versäumnisse zurückzuführen ist. Mit anderen Worten muss das Versäumnis der einzige Grund für die Nichterfüllung des Vertrages sein (MARCHAND, a.a.O., S. 736). Diese Regelung entspricht BGE 130 III 182 S. 188 weitgehend den Anforderungen an eine Haftungsbefreiung wegen Unterbrechung des Kausalzusammenhangs nach den allgemeinen Grundsätzen des Haftpflichtrechts (vgl. MARTINELLI, a.a.O., S. 259). Danach unterbricht eine vom Geschädigten gesetzte Ursache den adäquaten Kausalzusammenhang zwischen der vom Schädiger gesetzten Ursache und dem Schaden nur, wenn sie einen derart hohen Wirkungsgrad aufweist, dass die vom Schädiger gesetzte Ursache nach wertender Betrachtungsweise als rechtlich nicht mehr beachtlich erscheint ( BGE 116 II 519 E. 4b S. 524; BREHM, a.a.O., N. 132 zu Art. 41 OR ; REY, a.a.O., Rz. 552, je mit Hinweisen). Entscheidend ist die Intensität der beiden Ursachen. Erscheint die eine bei wertender Betrachtung als derart intensiv, dass sie die andere gleichsam verdrängt und als unbedeutend erscheinen lässt, wird eine Unterbrechung des Kausalzusammenhangs angenommen ( BGE 116 II 519 E. 4b S. 524; vgl. auch BGE 127 III 453 E. 5d S. 457; BGE 123 III 306 E. 5b S. 314; BGE 121 III 358 E. 5). Die Vorinstanz stellte im Rahmen ihrer Hauptbegründung aufgrund der konkreten Umstände fest ( Art. 63 Abs. 2 OG ), dass der Beklagte den Koffer der Klägerin speziell überwacht hätte, wenn er über dessen wertvollen Inhalt informiert worden wäre. Es sei daher mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Koffer diesfalls unversehrt ins Schiff gelangt wäre. Daraus schloss sie, die der Klägerin als grobes Verschulden anzurechnende Unterlassung der Information habe den adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Beklagten und dem Schaden unterbrochen. Es erscheint allerdings fraglich, ob in der Unterlassung der Klägerin schon deshalb die einzige rechtserhebliche Schadensursache gesehen werden kann, weil das Gepäck mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unversehrt aufs Schiff gelangt wäre, wenn die Klägerin den Beklagten über dessen Wert informiert hätte. Mit der Klägerin ist zu bedenken, dass es dem Beklagten grundsätzlich unabhängig davon, ob er um den wertvollen Inhalt des Koffers gewusst hat, möglich gewesen wäre, den Vertrag gehörig zu erfüllen. Eine Haftungsbefreiung nach Art. 15 Abs. 1 lit. a Pauschalreisegesetz setzt voraus, dass der Veranstalter seinen gesetzlichen bzw. vertraglichen Pflichten einwandfrei nachgekommen ist (FRANK, a.a.O., N. 2 zu Art. 15 Pauschalreisegesetz; MARTINELLI, a.a.O., S. 255; MARCHAND, a.a.O., S. 736). Die Frage kann hier allerdings mangels Entscheiderheblichkeit offen bleiben, da die Vorinstanz die Klage BGE 130 III 182 S. 189 mit einer weiteren Begründung abgewiesen hat, die vor Bundesrecht standhält: 5.5 Die Vorinstanz hat das Versäumnis der Klägerin im Rahmen ihrer Eventualbegründung als Reduktionsgrund im Sinne von Art. 44 OR berücksichtigt und die Haftung auf den üblichen Wert eines Reisekoffers für die konkrete Reise reduziert. Auch in diesem Umfang wies sie die Klage ab, da die Klägerin insoweit von ihrer Reisegepäckversicherung entschädigt worden sei. Die Klägerin macht dagegen hauptsächlich geltend, das Pauschalreisegesetz kenne keine Haftungsreduktion, sondern nur eine volle oder keine Haftung. Im vorliegenden Fall hafte daher der Beklagte für den vollen Schaden. Jedenfalls liege darin, dass die Klägerin den Beklagten nicht auf den Wert des Koffers aufmerksam gemacht habe, kein grobes Verschulden. 5.5.1 Art. 15 Pauschalreisegesetz sieht lediglich den Wegfall der Haftung des Reiseveranstalters aus abschliessend aufgezählten Gründen vor, die der Veranstalter nicht zu vertreten hat (vgl. MARTINELLI, a.a.O., S. 255). Er enthält indessen keine Regelung über die Bemessung des Schadenersatzes für den hier gegebenen Fall, dass die nicht gehörige Vertragserfüllung auch, aber nicht ausschliesslich auf einen Umstand zurückzuführen ist, den der Veranstalter nicht zu vertreten hat, wie namentlich ein Versäumnis des Konsumenten. Daraus darf aber nicht geschlossen werden, dass ein verschuldetes Versäumnis des Konsumenten, das nicht alleinige Ursache des Schadens ist, bei der Bemessung des Schadenersatzes nicht zu berücksichtigen wäre (vgl. TERCIER, Les contrats spéciaux, 3. Aufl., Zürich 2003, Rz. 5733; HANGARTNER, a.a.O., S. 154; vgl. auch MARCHAND, a.a.O., S. 736 sowie allgemein dazu REY, a.a.O., Rz. 561 und 401 ff.). Es widerspräche einem allgemeinen Grundsatz des Schadenersatzrechts, das Selbstverschulden des Geschädigten als Reduktionsgrund nicht zu berücksichtigen (OFTINGER/STARK, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Allgemeiner Teil, Bd. I, Zürich 1995, S. 385 Fn. 28 mit Hinweis auf BGE 42 II 389 E. 3 S. 397). Die Bestimmung über die Herabsetzung der Haftung in Art. 44 OR ist, weil auf Billigkeitserwägungen beruhend, nicht singulärer Natur und daher der analogen Anwendung fähig (BECKER, a.a.O., N. 12 zu Art. 44 OR ). Ein "alles oder nichts-Prinzip" bei der Bemessung des Schadenersatzes ist dem schweizerischen Recht fremd und kann vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen sein, indem er sich über die Möglichkeit einer blossen Reduktion der Haftung des BGE 130 III 182 S. 190 Reiseveranstalters ausschwieg; dabei ist zu berücksichtigen, dass das Pauschalreisegesetz unter erheblichem Zeitdruck verabschiedet werden musste, woraus sich gewisse Unklarheiten und Systemwidrigkeiten in den Bestimmungen erklären lassen (vgl. FRANK, a.a.O., Vorbemerkungen N. 19; ROBERTO, Pauschalreisegesetz, a.a.O., S. 7). Das Pauschalreisegesetz wurde in Umsetzung der Richtlinie Nr. 90/ 314 des EWG Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen (ABl. L 158 vom 23. Juni 1990, S. 59 ff.) im Rahmen des "Swisslex-Programms" erlassen und enthält autonom nachvollzogenes europäisches Recht (Botschaft I über die Anpassung des Bundesrechts an das EWR-Recht vom 27. Mai 1992 ["Eurolex"], BBl 1992 V 1, S. 756 ff.; Botschaft über das Folgeprogramm nach der Ablehnung des EWR-Abkommens vom 24. Februar 1993 ["Swisslex"], BBl 1993 I 805 ff. und II 999 ff.; vgl. dazu auch ROBERTO, Basler Kommentar, N. 1 zu Art. 1 Pauschalreisegesetz; MARTINELLI, a.a.O., S. 15). Es ist daher in Zweifelsfällen europarechtskonform auszulegen (vgl. BGE 129 III 335 E. 5.1 und 6 S. 350). Auch eine entsprechende Auslegung spricht nicht gegen eine Berücksichtigung des Mitverschuldens des Konsumenten als Herabsetzungsgrund: Aus Art. 5 der Richtlinie, der einen Auftrag an die Mitgliedstaaten zum Erlass einer minimalen Haftungsregelung enthält (vgl. FRANK, a.a.O., Vorbemerkungen, N. 14; ROBERTO, Pauschalreisegesetz, a.a.O., S. 7), ergibt sich, dass es dem europäischen Gesetzgeber aus Gründen des Verbraucherschutzes bzw. dessen Angleichung in den Mitgliedstaaten in erster Linie ein Anliegen war, dass der Veranstalter dem Konsumenten gegenüber die Haftung für die ordnungsgemässe Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen unabhängig davon übernehmen muss, ob er selbst oder andere Dienstleistungsträger diese Verpflichtungen zu erfüllen haben (MARTINELLI, a.a.O., S. 61). Er behielt dabei einen Ausschluss der Haftung aus Gründen vor, die der Veranstalter nicht zu vertreten hat, wie sie in Art. 15 Abs. 1 Pauschalreisegesetz sinngemäss Eingang gefunden haben (vgl. auch § 651f des deutschen BGB). Dafür, dass die Mitgliedstaaten daran gehindert wären, eine vom Konsumenten gesetzte blosse Mitursache des Schadens als Haftungsreduktionsgrund zu berücksichtigen, enthält die Richtlinie keine Anhaltspunkte. Auch die deutsche Lehre und Rechtsprechung schliessen dementsprechend die Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Reisenden am Mangel der Reise nicht aus (vgl. VON STAUDINGER/ECKERT, Kommentar, Berlin 2003, N. 15/19 zu § 651f BGB; ECKHART PICK, Reiserecht, Kommentar zu den §§ 651a - §§ 651l BGB, München 1995, BGE 130 III 182 S. 191 N. 131 ff. zu § 651f BGB). Es ist somit davon auszugehen, dass der Schweizer Gesetzgeber eine Berücksichtigung von blossem Mitverschulden nicht ausgeschlossen hat, zumal er nur das von der Richtlinie minimal Geforderte ins Pauschalreisegesetz übernahm (HANGARTNER, a.a.O., S. 3; MARTINELLI, a.a.O., S. 17; vgl. auch BBl 1992 V 10 f., S. 761). 5.5.2 Damit bleibt zu prüfen, ob die von der Vorinstanz vorgenommene Herabsetzung der Ersatzpflicht auf den üblichen Wert eines Koffers für die konkrete Reise bzw. auf Fr. 8'000.- vor Bundesrecht standhält. Die Bemessung der Herabsetzung beruht weitgehend auf der Ausübung gerichtlichen Ermessens im Sinne von Art. 4 ZGB . Bei solchen Entscheiden steht dem kantonalen Gericht ein weiter Ermessensspielraum zu, in den das Bundesgericht gemäss ständiger Praxis nur mit Zurückhaltung eingreift ( BGE 123 III 10 E. 4c/aa S. 13 und 306 E. 5b S. 314; vgl. auch BGE 129 III 380 E. 2 mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall besteht dafür kein Anlass. Die Vorinstanz hat kein Bundesrecht verletzt, indem sie in der Unterlassung der Klägerin, den Beklagten über den Wert des Kofferinhalts zu informieren, ein grobes Selbstverschulden sah (vgl. zum Begriff des groben Verschuldens REY, a.a.O., Rz. 857). Die Klägerin sorgte nicht dafür, dass ihr Koffer anders als ein gewöhnliches Reisegepäckstück behandelt werde, indem sie es unterliess, den Beklagten auf den besonders hohen, für diesen nicht erkennbaren Wert seines Inhalts aufmerksam zu machen (vgl. dazu die vorstehende Erwägung 5.3). Damit hat sie die Ergreifung einer Vorsichtsmassnahme unterlassen, die sich jedem vernünftigen Menschen in der gleichen Lage aufdrängen muss. Es ist namentlich auch nicht zu beanstanden, dass sich die Vorinstanz bei der Qualifikation des Verschuldens an Art. 447 OR orientierte, nach dem eine entsprechende Unterlassung des Absenders als ein Verschulden gewertet wird, das die Haftung des Frachtführers entfallen lässt. Soweit die Klägerin auf der anderen Seite geltend macht, den Beklagten treffe am Verlust des Koffers ein grobes Verschulden, das über die in Art. 14 Pauschalreisegesetz präsumierte Sorgfaltspflichtverletzung hinausgeht, finden ihre Ausführungen in den Sachverhaltsfeststellungen des angefochtenen Urteils keine Stütze und ist sie nicht zu hören (vgl. die Erwägung 5.3 vorne). Die Vorinstanz hat ihr Ermessen in keiner Weise unrichtig ausgeübt, indem sie die Haftung des Beklagten auf den Betrag reduzierte, der dem üblichen Wert eines Koffers für die konkrete Reise entspricht. Damit BGE 130 III 182 S. 192 wird dem Gedanken Rechnung getragen, dass der Beklagte nach Treu und Glauben nicht zu erwarten hatte, im Rahmen der Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen Gepäckstücke von höherem Wert transportieren und dafür das Verlustrisiko übernehmen zu müssen. Die Klägerin beanstandet allerdings, dass die Vorinstanz den üblichen Wert des Koffers für eine entsprechende Musikreise mit drei Übernachtungen und Vollpension zum Preis von Fr. 1'720.- auf maximal Fr. 8'000.- festgesetzt hat. Zu Unrecht. Soweit in der Festlegung des üblichen Wertes des Koffers nicht ohnehin eine tatsächliche Feststellung liegt, an die das Bundesgericht gebunden wäre, sondern ein Schluss aus der allgemeinen Lebenserfahrung, den das Bundesgericht im Rahmen der Berufung frei überprüfen kann ( BGE 126 III 10 E. 2b S. 12; BGE 117 II 256 E. 2b, je mit Hinweisen), ist der vorinstanzliche Entscheid insoweit jedenfalls nicht zu beanstanden. Die Klägerin macht geltend, ein einziges Schmuckstück koste schnell zwischen Fr. 5'000.- und Fr. 30'000.-, und auch Kleidungsstücke in der Preisklasse zwischen Fr. 500.- und Fr. 3'000.- seien keine Seltenheit. Damit vermag sie keine Bundesrechtsverletzung nachzuweisen. Sie verkennt, dass es zum Allgemeinwissen jedes Reisenden gehört, dass wertvoller Schmuck oder andere Wertsachen auf einer Reise nicht im Koffer, sondern im Handgepäck mitgeführt werden sollten (vgl. entsprechend VON STAUDINGER/ECKERT, a.a.O., N. 15 zu § 651f BGB). Entsprechende Werte sind daher bei der Bestimmung des üblichen Wertes eines Koffers nicht zu berücksichtigen. 5.5.3 Dass die Vorinstanz die Klage auch im Umfang von Fr. 8'000.- abgewiesen hat, da die Klägerin insoweit von ihrer Versicherung entschädigt worden sei, beanstandet die Klägerin zu Recht nicht als bundesrechtswidrig ( Art. 55 Abs. 1 lit. c OG ; vgl. dazu PETER BECK, in: Münch/Geiser [Hrsg.], Schaden - Haftung - Versicherung, Basel 1999, S. 269 Rz. 6.81).
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Sachverhalt ab Seite 78 BGE 125 III 78 S. 78 La controversia verte sulla natura e la portata giuridica delle relazioni intercorse fra C. e la B. S.A. tra il 1954, quando la società è stata costituita, e il 30 giugno 1990. Subentrata nella causa avviata il 6 settembre 1990 dal marito, nel frattempo deceduto, A. assevera l'esistenza di un contratto di lavoro terminato il 30 giugno 1990, a seguito della disdetta del 13 marzo 1990. La convenuta fa invece risalire l'inizio del rapporto di lavoro al 1974 - essendo in precedenza il marito dell'attrice amministratore unico nonché unico azionista della società - e ne contesta la durata. A suo dire, nonostante il versamento del salario fino al 31 marzo 1990, la relazione professionale avrebbe preso fine già il 31 dicembre 1989. Il Pretore ha parzialmente accolto la petizione e condannato la B. S.A. al pagamento di fr. 15'000.-- a titolo di salario sino al 30 giugno 1990 nonché di fr. 40'000.-- a titolo di indennità di partenza ai sensi dell' art. 339b CO . BGE 125 III 78 S. 79 Adita dalla soccombente, la II Camera civile del Tribunale d'appello del Cantone Ticino ha riformato il giudizio di primo grado respingendo integralmente la petizione. Contro questa decisione A. è insorta al Tribunale federale con ricorso per riforma. In parziale accoglimento del gravame il Tribunale federale ha rinviato la causa all'autorità cantonale affinché accerti il salario dovuto per i mesi aprile-giugno 1990. La sentenza cantonale è stata per contro confermata con riferimento alla decisione di respingere la richiesta tendente al versamento di un'indennità di partenza giusta l' art. 339b CO .
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Erwägungen Dai considerandi: 3. Con riferimento al momento della fine del rapporto di lavoro la Corte cantonale ha concluso per l'assenza di una prova certa di quanto asserito dall'attrice, alla quale incombeva l'onere probatorio, e ha pertanto deciso a suo sfavore. a) Nella misura in cui contesta la conclusione maturata dall'autorità ticinese circa l'assenza di prove contrapponendo la propria interpretazione delle risultanze istruttorie, l'argomentazione dell'attrice si esaurisce in una critica all'apprezzamento delle prove, improponibile nel quadro di un ricorso per riforma (art. 55 cpv. 1 lett. c OG; DTF 114 II 289 consid. 2a; DTF 122 III 61 consid. 2c/cc in fondo pag. 66). b) Merita per contro di essere esaminata la censura concernente l'errata applicazione dell' art. 8 CC , che avrebbe condotto i giudici ticinesi a decidere a favore della parte gravata dall'onere della prova. L' art. 8 CC regola, per tutti i rapporti giuridici retti dal diritto civile federale ( DTF 115 II 300 consid. 3), la ripartizione dell'onere probatorio e, pertanto, le conseguenze dell'assenza di ogni prova. Esso stabilisce che, ove la legge non dispone altrimenti, chi vuol dedurre un diritto da una circostanza di fatto da lui asserita deve fornirne la prova, pena la soccombenza in causa. Nella fattispecie in esame incombe pertanto al lavoratore l'onere di dimostrare l'esistenza dell'asserita pretesa salariale, mentre al datore di lavoro spetta la prova dell'avvenuto pagamento o, comunque, dell'estinzione del debito (Staehelin/Vischer in: Zürcher Kommentar nota 35 ad art. 322 OR ). Non può per contro essere richiesto al lavoratore di dimostrare la durata del rapporto di lavoro (Schmid in: Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Zivilgesetzbuch, vol. I, nota 43 ad art. 8 ZGB). BGE 125 III 78 S. 80 Occorre infatti tenere ben presente il principio secondo cui il creditore - in concreto il lavoratore - è tenuto a dimostrare le circostanze suscettive di fondare la sua pretesa, mentre il debitore - in concreto il datore di lavoro - deve dimostrare quelle idonee a neutralizzarla (KUMMER in: Berner Kommentar, nota 146 segg. ad art. 8 ZGB; SCHMID, op.cit., nota 42 segg. ad art. 8 ZGB). In altre parole il creditore deve provare l'esistenza del rapporto giuridico all'origine del suo credito, mentre il debitore deve dimostrarne l'estinzione (GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3a ed., pag. 325; KUMMER, op.cit., nota 160 ad art. 8 CC ). Riferito al diritto al salario sgorgante dal rapporto di lavoro ciò significa che il lavoratore deve addurre le circostanze di fatto necessarie a provare l'avvenuta stipulazione di un contratto di lavoro - mediante un'esplicita dichiarazione di volontà delle parti o per legge ( art. 320 cpv. 2 CO ) - così come l'ammontare del salario, convenuto o d'uso ( art. 322 cpv. 1 CO ). Dal canto suo, il datore di lavoro che si oppone all'ulteriore pagamento dello stipendio deve dimostrare l'estinzione del rapporto di lavoro. Tale obbligo vige indipendentemente dalla causa di estinzione: il debitore deve infatti dimostrare sia le circostanze relative a un'eventuale (corretta) disdetta del contratto che, se del caso, a un annullamento mediante convenzione, in analogia con l' art. 115 CO , oppure quelle attestanti un contratto a durata determinata così come ogni altro motivo per cui il rapporto di lavoro ha preso fine (KUMMER, op.cit., nota 160 segg. ad art. 8 ZGB; SCHMID, op.cit., nota 58 ad art. 8 ZGB; BAUMGÄRTEL, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, 2a ed., pag. 856 nota 3 ad § 620 BGB; STAUDINGER/PREIS, nota 114 ad § 620 BGB; RGRK-Dörner, nota 170 ad § 620 BGB; MÜLLER-GLÖGE, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, München 1998, pag. 1619 nota 186). Decidere in altro senso, così come fatto dalla Corte cantonale, significa gravare il creditore, in casu il lavoratore, dell'onere di provare, oltre che l'esistenza della sua pretesa, anche l'assenza di circostanze atte a pregiudicarla, ciò che, evidentemente, risulta in contraddizione con il senso dell' art. 8 CC (in questo senso cfr. giàDTF 48 II 347 consid. 4 pag. 355 seg.). Negando all'attrice il pagamento del salario per i mesi aprile-giugno 1990 a causa dell'assenza di una prova certa in merito al momento della fine del rapporto di lavoro, l'autorità ticinese è dunque incorsa nella violazione del diritto federale. Su questo punto il ricorso per riforma merita pertanto di essere accolto. Ritenuta l'assenza, nella decisione impugnata, di un accertamento vincolante circa l'ammontare dello stipendio dovuto per questi tre mesi, si rende BGE 125 III 78 S. 81 necessario il rinvio della causa all'ultima istanza cantonale per nuovo giudizio a questo proposito. 4. Il gravame non può per contro trovare accoglimento nella misura in cui viene censurata la decisione di respingere la richiesta di un'indennità di partenza ai sensi dell' art. 339b CO . I giudici ticinesi hanno negato tale pretesa a causa dell'insufficiente durata del rapporto di lavoro, iniziato al più presto nel 1974; sino a tale anno infatti, l'esistenza di un contratto di lavoro era impossibile a causa della posizione del marito dell'attrice in seno alla società, della quale era amministratore unico e unico azionista. Tale conclusione appare del tutto conforme al diritto federale. La qualificazione della posizione giuridica dei membri del consiglio d'amministrazione di una società anonima è invero controversa (STAEHELIN/VISCHER, op.cit., nota 42 ad art. 319 OR con riferimenti). Non è tuttavia possibile, in nessun caso, ammettere un rapporto di lavoro quando vi è identità economica fra la persona giuridica e la persona che funge quale suo organo dirigente; manca qui, infatti, una delle caratteristiche essenziali e imprescindibili del rapporto di lavoro, ovverosia la relazione di subordinazione fra datore di lavoro e dipendente. Per questo motivo in tali circostanze viene piuttosto ammessa l'esistenza di un contratto innominato simile al mandato (REHBINDER in: Berner Kommentar, nota 18 ad art. 319 CO ; STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, nota 6 ad art. 319 OR ; BRÜHWILER, Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, 2a ed., nota 5 ad art. 319 OR ; cfr. anche VISCHER in Schweizerisches Privatrecht VII/1, III, Basilea 1994, § 4.III.2c pag. 35). Il caso in esame non presenta particolarità tali da rimettere in discussione questa dottrina. Diversamente da quanto addotto nel gravame, dunque, la Corte ticinese non ha disatteso la normativa federale facendo dipendere l'inizio di un rapporto di lavoro giusta l'art. 319 segg. CO dall'abbandono, da parte del marito dell'attrice, della posizione di dirigente con ogni potere. Stando agli accertamenti effettuati in sede cantonale - ai quali il Tribunale federale è vincolato (art. 55 cpv. 1 lett. c e 63 OG) - ciò è accaduto, al più presto, nel 1974. Risulta pertanto esclusa la possibilità di concedere all'attrice quanto da lei richiesto; giunto a conclusione nel 1990, il contratto in oggetto non è durato abbastanza a lungo per giustificare il versamento di un'indennità di partenza, presupponendo la legge una durata minima di venti anni ( art. 339b cpv. 1 CO ).
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Sachverhalt ab Seite 335 BGE 92 II 335 S. 335 A.- Le 2 août 1957, les époux Marguerite et Henri Béard ont acheté 25 jeux à René Deillon, au prix de 6 000 fr. par appareil. La convention prévoyait un versement initial de 2 000 fr., à la livraison. Le solde devait faire l'objet d'un contrat de financement avec l'Union de banques suisses (UBS), succursale de Bulle, à qui il serait payé par acomptes mensuels de BGE 92 II 335 S. 336 200 fr. au minimum. Les parties convenaient en outre d'établir un contrat distinct pour chaque appareil. Quatre jeux avaient été achetés la veille déjà, dont l'un au prix de 5 000 fr. Le vendeur se réserva de céder ses droits à l'UBS. Six nouveaux contrats identiques furent passés le 14 août (celui du 12 décembre n'est pas en cause). Le 8 juillet 1964, le Tribunal cantonal de l'Etat de Fribourg a admis une action rédhibitoire intentée par les acheteurs. Il a condamné le vendeur à restituer les acomptes déjà versés (27 800 fr.). Le 9 décembre, celui-ci a été déclaré en faillite. Deillon avait cédé à l'UBS les soldes restant à percevoir sur le prix des appareils vendus après le paiement de l'acompte initial. Ces cessions furent notifiées aux époux Béard par la banque, qui leur fit signer des "billets de prêt" à ordre prévoyant des échéances successives (cf. art. 1023 al. 2 et 1098 CO). Les débiteurs cédés ont versé 7 800 fr. avant de notifier au cessionnaire leur intention de ne pas maintenir le contrat de vente en raison des défauts constatés. Quant aux acomptes initiaux, dame Béard avait promis à Deillon de les lui verser en les prélevant sur sa part à la succession de son père. Mais il fut convenu qu'elle s'acquitterait directement auprès de la banque, qui avait ouvert au vendeur un compte courant pour lui permettre d'acheter les jeux qu'il revendait. Dame Béard consentit en outre une "cession" de ses droits successoraux en faveur de l'UBS, à qui l'exécuteur testamentaire versa 20 000 fr., crédités sur le compte de Deillon. B.- Les époux Béard ont actionné l'UBS en remboursement de 27 800 fr.; ils contestent en outre devoir le solde en souffrance des "billets de prêt" (32 631 fr. 50). La défenderesse, qui ne critique pas la rescision de la vente, a conclu au rejet de la demande et au paiement de 32 665 fr. 25. Suspendue par accord des parties devant le Tribunal civil de l'arrondissement de la Sarine, la cause a été reprise, par prétérition d'instance, devant la Cour civile du Tribunal cantonal. Le 29 mars 1966, cette juridiction a condamné la défenderesse à restituer 7 800 fr. avec intérêt à 5% dès le 6 décembre 1958, sous déduction du dividende afférent à la créance produite par les demandeurs dans la faillite de Deillon; elle a constaté en outre que le solde impayé n'était pas dû. S'agissant en revanche des acomptes initiaux (20 000 fr.), elle a rejeté l'action en répétition: le vendeur n'a pas cédé sa créance à la BGE 92 II 335 S. 337 banque; si dame Béard s'est chargée d'en payer à celle-ci le montant, prélevé sur sa part successorale, c'est en vertu d'une assignation, et la défenderesse a reçu le versement pour le compte de son propre débiteur, Deillon, qui en a été crédité. C.- Agissant par la voie du recours en réforme, les demandeurs prient le Tribunal de leur allouer la somme de 20 000 fr. L'intimée conclut au rejet du recours.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. L'intimée est tenue de restituer son enrichissement en vertu des règles sur la répétition de l'indu dans la mesure où elle a reçu des paiements en qualité de cessionnaire des droits de Deillon issus de la vente rescindée, soit comme créancière putative d'une dette inexistante (art. 169 CO). Le remboursement de la somme de 7 800 fr. est acquis, faute d'un recours sur ce point du jugement attaqué. Il incombait aux recourants, qui allèguent un enrichissement sans cause, d'établir que le droit aux acomptes initiaux, lequel compétait originairement au vendeur, a été également cédé à l'intimée, par un acte d'attribution en la forme écrite requise par la loi (art. 165 al. 1 CO). Selon la Cour cantonale, cette preuve a échoué. Comme les recourants eux-mêmes l'ont admis dans leurs réclamations adressées au vendeur, la banque a reçu le paiement de 20 000 fr. pour le compte de son propre débiteur, Deillon, dont elle a crédité le compte. Peu importe que dame Béard leur ait transféré à tous deux une part successorale (au demeurant, elle en serait la cédante; partant, elle ne saurait tirer de cette cession les exceptions qu'elle fait valoir en qualité de débiteur cédé: art. 169 CO). 2. Selon les constatations du jugement déféré, dame Béard a promis à Deillon, qui l'y a autorisée, de se libérer de la dette touchant les acomptes initiaux en versant directement à la banque une somme de 20 000 fr. prélevée sur une part successorale qui venait de lui échoir. Ce serait peut-être là une convention constitutive d'un domicile de paiement, si la recourante n'avait signifié son acceptation à l'intimée, lui garantissant en outre l'exécution de cet engagement par une "cession" de ses droits dans la succession de son père. On se trouve dès lors en présence d'une assignation au sens des art. 466 sv. CO: le vendeur (assignant) a autorisé les acheteurs, unis en une société simple pour l'acquisition et l'exploitation des jeux (assignés BGE 92 II 335 S. 338 solidaires), à remettre pour son compte une somme d'argent à la banque (assignataire), qui avait mandat de la percevoir en son propre nom. Par l'acceptation expresse de dame Béard, un rapport d'obligation est né entre elle et l'intimée (art. 468 al. 1 CO; RO 73 II 46). 3. L'engagement de l'assigné à l'égard de l'assignataire a sa source dans une manifestation de volonté distincte, l'acceptation notifiée par le premier au second. Il est indépendant du contenu et des effets tant de l'assignation elle-même, soit de l'autorisation de payer en mains tierces, que du rapport entre l'assignant et l'assigné, qui a donné lieu à l'assignation (GAUTSCHI, no 2 a ad art. 468 CO). L'assigné est tenu selon les termes de sa déclaration, telle qu'elle pouvait être comprise de bonne foi par l'assignataire. Partant, il ne peut refuser de s'exécuter en tirant argument de ses relations avec l'assignant, notamment du rapport qui a motivé l'assignation (RO 49 II 53). Il ne se trouve pas en effet, comme dans le cas de la cession, en présence du transfert de son obligation, opéré sans son consentement par le créancier, dont l'acte d'attribution ne saurait altérer sa position de débiteur. Il assume au contraire une dette nouvelle, dont la doctrine dominante enseigne qu'elle est abstraite (cf. OSER/SCHÖNENBERGER, nos 15 ad art. 466 et 7 ad art. 468; BECKER, nos 6 ad art. 466 et 12 ad art. 468; JÄGGI, nos 109 ad art. 965; GAUTSCHI, no 3 c ad art. 468; LEHMANN, dans Enneccerus-Kipp-Wolff, 15e éd., 1958 § 205; STAUDINGER, 10e éd., Anm. 6 ad § 264 BGB). 4. Le Tribunal fédéral a restreint la portée du principe en donnant une acception large aux "exceptions résultant... du contenu de l'assignation", que l'assigné peut opposer à l'assignataire en vertu de l'art. 468 al. 1 CO (RO 17 p. 493 consid. 7; 21 p. 1149/50 consid. 6; 43 II 675 consid. 2). Lorsque la délégation ne porte pas sur une somme d'argent abstraite, mais sur une dette du délégué envers le délégant, lorsqu'elle tend notamment à faire payer par le premier (au délégataire) le prix d'une chose que le second lui a vendue, elle implique la condition que cette obligation existe réellement. Dans une telle hypothèse, l'assigné n'est tenu envers l'assignataire qu'autant qu'il doit le prix de vente à l'assignant. Partant, il peut opposer à l'assignataire le défaut d'exécution de la vente. Sans doute ressort-il de l'exposé de faits des arrêts cités que l'assigné avait donné son accord sur le texte même du contrat de BGE 92 II 335 S. 339 vente ou de lettres de l'assignant qui s'y référaient expressément. Aux yeux du destinataire, sa déclaration apparaissait ainsi clairement liée au prix de vente et manifestait le but de l'assignation, qui était le paiement d'une dette (Anweisung auf Schuld). Cette forme de l'acceptation est toutefois un aspect contingent des causes jugées, non une exigence essentielle. Si le droit allemand, pour faciliter la circulation dans le commerce, ne connaît que l'assignation documentaire, le droit suisse se contente d'un contrat civil ordinaire, dont la validité n'est soumise au respect d'aucune forme, et réserve une réglementation spéciale aux seules assignations qualifiées que constituent la lettre de change et le chèque. Dès lors, tant l'assignation que l'acceptation peuvent être verbales, voire résulter d'actes concluants (art. 1er al. 2 CO). Interprétées comme toute déclaration de volonté, elles ont le sens et la portée que leur destinataire peut de bonne foi leur donner (RO 87 II 242, dans le cas d'un accréditif). Si donc l'assignataire doit comprendre que l'assignation concerne le prix d'une chose vendue, l'acceptation comporte des réserves implicites qui lui sont opposables aussi bien que si elle figurait sur le document même de l'assignation. Cette jurisprudence est approuvée par BECKER (no 10 ad art. 468) et OSER/SCHÖNENBERGER (no 32 ad art. 466). Le second observe avec pertinence qu'on ne saurait objecter la sécurité des transactions à l'assignation portant sur une dette conditionnelle (titulierte Anweisung), car elle n'est pas un papier-valeur destiné à circuler. Pour GAUTSCHI (no 4 ad art. 468), l'étendue des moyens dont l'assigné peut se prévaloir doit toutefois ressortir, dans un tel cas, du contenu même de l'assignation ou de réserves formulées lors de l'acceptation. Au demeurant, on pourrait se placer sur le terrain de la formation de la volonté et considérer que la validité et l'exécution correcte de la vente constituent des éléments nécessaires de l'acceptation, interprétée de bonne foi par l'assignataire (art. 24 al. 1 ch. 4 CO; dans ce sens, GAUTSCHI, no 6d ad art. 468). 5. En l'espèce, l'assignation avait pour cause le paiement partiel du prix de vente des jeux. Selon le jugement déféré, l'intimée avait accordé à Deillon un crédit pour lui permettre d'acheter les appareils qu'il revendit aux recourants. Puis elle s'était fait céder les créances en paiement du solde du prix et avait exigé des acheteurs qu'ils signent des "billets de prêt". Elle n'ignorait pas que la somme de 20 000 fr. représentait BGE 92 II 335 S. 340 l'acompte initial. Bien au contraire, c'est son inquiétude au sujet de ce paiement, et de son virement par le vendeur au crédit du compte ouvert chez elle, qui l'inclina à prendre des précautions et à exiger de dame Béard qu'elle s'acquitte en ses mains. Ce faisant, elle savait donc que les recourants entendaient se libérer partiellement, par son entremise, du prix des jeux achetés à Deillon, et que seule l'existence supposée de cette dette a déterminé l'acceptation. Selon les règles de la bonne foi, elle devait dès lors considérer que cet engagement était subordonné à la validité et au maintien de la vente. 6. Par définition, l'assigné paie pour le compte de l'assignant (art. 466 CO). Mais la cause de ce paiement, c'est son acceptation, soit un engagement distinct qu'il a contracté à l'égard de l'assignataire, quand bien même - c'est la fonction normale de l'assignation - il éteint une dette de l'assignant; dame Béard a donc exécuté sa propre obligation. Celle-ci s'étant avérée caduque, vu la résolution de la vente, son paiement était sans cause et seuls compètent encore à l'intimée les droits qu'elle déduit, contre l'assignant, de l'ouverture du crédit. Il y a donc lieu à répétition de l'indu, autant du moins que l'intimée est enrichie (art. 62, 64 sv. CO). Celle-ci conteste que ce soit le cas, précisément parce que le paiement devait éteindre la dette de Deillon, qui serait ainsi seul enrichi. Le Tribunal fédéral a reconnu à l'assigné un droit de répétition dirigé contre l'assignataire (RO 43 II 676), qui paraît admis par GAUTSCHI (nos 3 a et dad art. 466, et 6 dad art. 468 CO. Cette solution non motivée a été corroborée dans une situation analogue par un arrêt qui a trouvé approbation sur ce point (RO 70 II 271; P. CAVIN, JdT 1945 I 273). Lorsque la caution a payé en ignorant qu'un vice de forme invalidait son engagement, elle doit diriger son action en répétition de l'indu contre le créancier, du moins tant que le débiteur principal peut encore être recherché et n'est donc point définitivement enrichi; elle a en effet exécuté sa propre obligation. La similitude des deux cas est frappante: de même que la caution envers le créancier, l'assigné répond envers l'assignataire d'une dette distincte, dont l'exécution éteint celle d'un tiers (ici l'assignant, là le débiteur principal); et si l'assignation - qui peut servir de garantie (cf. RO 73 II 47) - est issue d'un mandat (OSER/SCHÖNENBERGER, no 9, et GAUTSCHI, rem. prél. 2 b ad art. 466 CO), l'engagement de la caution résulte aussi, d'ordinaire, d'un mandat qu'elle assume à l'égard du débiteur principal (P. CAVIN, BGE 92 II 335 S. 341 JdT 1945 I 274 sv.). Dans les deux hypothèses, être payé (soit acquérir une somme d'argent) en exécution de l'obligation d'un tiers, c'est s'enrichir; à une créance de valeur économique peut-être douteuse (surtout lorsque, comme en l'espèce, le débiteur est insolvable), se substitue dans le patrimoine du créancier une valeur certaine. Ainsi la position de l'intimée s'était améliorée apparemment par l'adjectio alterius debitoris que constituait l'acceptation de l'assignée. On ne saurait objecter la "cession" consentie par dame Béard, et donnée en paiement. Le caractère abstrait de cette attribution, par laquelle les recourants ont honoré l'acceptation de l'assignation, ne joue un rôle que si l'effet translatif comme tel est litigieux; il n'empêche pas la restitution, qui suppose un transfert régulier. (Sur une conception plus stricte - et apparemment plus juridique - de l'enrichissement, reçue semble-t-il en Allemagne, cf. les commentateurs allemands cités au consid. 2 et VON TUHR, Iherings Jahrbücher für Dogmatik 48, 1904, p. 50 sv.). 7. Faute d'une constatation contraire, les recourants vivent sous le régime de l'union des biens. Ce qui échoit à la femme par succession constitue ses apports (art. 195 CC). Encore que son mari ait seul qualité pour la représenter dans ses contestations avec des tiers (art. 168 al. 2 CC), il agit donc comme son représentant. Aussi dame Béard, qui a payé des deniers de la succession de son père, est-elle seule en droit de réclamer à l'assignataire ce dont il s'est enrichi (RO 51 II 272; 89 II 82 ; LEMP, no 11 ad art. 168 CC). Le recours du mari doit dès lors être rejeté.
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2,417
Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: 1. Rejette le recours d'Henri Béard; 2. Admet le recours de dame Marguerite Béard et réforme le dispositif no 1 de l'arrêt déféré en ce sens que l'Union de banques suisses, agence de Bulle, est condamnée à payer: a) à dame Marguerite Béard, demanderesse, la somme de vingt mille francs plus intérêts à 5% dès le 6 décembre 1958; b) aux époux Henri et Marguerite Béard, demandeurs, la somme de sept mille huit cents francs avec intérêts à 5 % dès le 6 décembre 1958, ce dans la mesure où tout ou partie de ces montants n'aura pas été versé aux demandeurs dans la liquidation de la faillite René Deillon.
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1,464,912,000,000
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Sachverhalt ab Seite 357 BGE 142 II 355 S. 357 A. La société fribourgeoise X. SA (ci-après: la Société), dont le capital-actions s'élève à 100'000 fr., est détenue à parts égales par A. SA et par B. SA. Cette dernière est administrée par C. Le 12 décembre 2008, la Société a acquis des immeubles dans le canton de Neuchâtel pour le prix de 16.8 mio de francs. Pour la période fiscale 2010, la Société a déclaré un bénéfice imposable de 5'509 fr. et, pour la période fiscale 2011, une perte de 739 fr. Selon les bilans 2010 et 2011 joints aux déclarations d'impôt, les actifs de la Société étaient essentiellement constitués de ses immeubles, comptabilisés à 17'825'570 fr. Les passifs comprenaient une "hypothèque" de 18'000'000 fr. grevant les immeubles de la Société, en lien avec le prêt hypothécaire que lui avait accordé la Fondation D. (ci-après: la Fondation), représentée par la société D. SA. B. Par décisions de taxation du 16 novembre 2012 concernant les périodes fiscales 2010 et 2011, le Service cantonal des contributions du canton de Fribourg (ci-après: le Service cantonal) a procédé à des reprises dans le bénéfice de la Société en lien avec l'existence d'intérêts sur capital propre dissimulé. Il indiquait n'avoir pas "obtenu de justificatif concernant la garantie des prêts hypothécaires", de sorte qu'il considérait "ces prêts [comme] garantis par des actionnaires ou personnes proches". Les bénéfices imposables correspondants pour l'impôt fédéral direct (la contribuable n'étant pas redevable de l'impôt cantonal sur le bénéfice ni de l'impôt sur le capital dans le canton de Fribourg) étaient repris en conséquence. La Société a contesté en vain ces reprises par la voie de la réclamation puis a interjeté recours contre la décision sur réclamation auprès du Tribunal cantonal fribourgeois. Par arrêt du 23 mars 2015, celui-ci a déclaré le recours irrecevable en tant qu'il concernait l'impôt cantonal, la Société n'étant pas redevable de l'impôt sur le bénéfice dans le canton de Fribourg, et l'a rejeté en tant qu'il concernait l'impôt fédéral direct. C. Le recours en matière de droit public que la Société a formé auprès du Tribunal fédéral a été rejeté. (résumé) BGE 142 II 355 S. 358
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Erwägungen Extrait des considérants: 5. 5.1 En l'espèce, le Tribunal cantonal a retenu en substance que le prêt hypothécaire avait certes été accordé par un tiers, mais qu'il avait été garanti par C., de sorte qu'il fallait considérer, conformément à la circulaire n° 6 du 6 juin 1997 relative au capital propre dissimulé de sociétés de capitaux et de sociétés coopératives (publiée in Archives 66 p. 296; ci-après: la circulaire), qu'il avait été fourni par l'actionnaire ou un proche. Les juges précédents ont par ailleurs confirmé que la Société était sous-capitalisée: l'endettement de 18 mio de francs qui apparaissait dans les comptes 2010 et 2011 était supérieur à la valeur vénale des immeubles, égale à leur valeur comptable (17'825'570 fr.), la Société ayant échoué à démontrer par expertise que leur valeur vénale était supérieure. 5.2 La recourante formule deux griefs à l'encontre de l'arrêt attaqué. Elle conteste d'abord que le prêt accordé par la Fondation puisse être considéré comme un prêt accordé par l'actionnaire ou un proche et soutient ensuite, en invoquant les art. 9 Cst. et 97 LTF, que les juges précédents ont arbitrairement apprécié les preuves en écartant l'expertise qu'elle avait produite, estimant la valeur vénale des immeubles à 22.67 mio de francs. 5.3 Il y a lieu de traiter en premier lieu le second grief soulevé, car s'il devait être admis, il en découlerait que le prêt de 18 mio de francs ne dépasserait pas le montant admissible ressortant du tableau de capitalisation (soit 80 % de 22.67 mio de francs = 18'136'000 fr.), ce qui exclurait d'emblée, faute de sous-capitalisation, la présence de capital propre dissimulé en lien avec le montant prêté. 6. [ résumé : En vertu de l' art. 97 LTF , le recours ne peut critiquer les constatations de fait que si les faits ont été établis de façon manifestement inexacte - notion qui correspond à celle d'arbitraire - ou en violation du droit au sens de l' art. 95 LTF , et si la correction du vice est susceptible d'influer sur le sort de la cause. Il y a arbitraire ( art. 9 Cst. ) dans l'établissement des faits ou l'appréciation des preuves si le juge n'a manifestement pas compris le sens et la portée d'un moyen de preuve, s'il a omis, sans raison sérieuse, de tenir compte d'un moyen important propre à modifier la décision attaquée ou encore si, sur la base des éléments recueillis, il a fait des déductions insoutenables. BGE 142 II 355 S. 359 Les résultats issus d'une expertise privée réalisée sont soumis au principe de la libre appréciation des preuves et sont considérés comme des simples allégués de parties ( ATF 141 IV 369 consid. 6 p. 372 s.). Il en découle que, comme tout moyen de preuve, lorsque l'autorité cantonale juge concluante une expertise produite par une partie, la tâche du Tribunal fédéral se limite à examiner si elle pouvait sans arbitraire s'y rallier (cf. ATF 133 II 384 consid. 4.2.3 p. 391; arrêts 2C_598/2014 du 5 mai 2015 consid. 5.1; 1C_557/2014 du 9 décembre 2014 consid. 3). La même approche s'impose de la part du Tribunal fédéral dans les situations inverses, à savoir lorsque l'autorité cantonale expose les motifs pour lesquels elle considère qu'une expertise privée n'est pas concluante. Le grief d'appréciation arbitraire des preuves est rejeté (cf. consid. 6.2-6.5 non publiés). Il en découle que l'arrêt attaqué contient une constatation de fait qui lie le Tribunal fédéral ( art. 105 al. 1 LTF ) en tant qu'il retient que la valeur vénale des immeubles était, pour les périodes fiscales en cause, égale à leur valeur comptable, soit 17'825'570 fr. Par conséquent, on est en présence d'une situation dans laquelle on peut présumer que la société n'aurait pas pu obtenir le prêt de 18 mio de francs par ses propres moyens.] 7. Dans le second grief qu'elle forme à l'encontre de l'arrêt attaqué, la recourante soutient que les juges cantonaux ont violé l' art. 65 LIFD (RS 642.11) en considérant que le prêt que lui avait accordé la Fondation devait être assimilé à un prêt de l'actionnaire ou d'un proche parce que C. en était le codébiteur solidaire. Elle soutient que ce prêt était garanti par ses immeubles et que la présence de C. comme débiteur solidaire avait été requise par la Fondation, afin d'éviter le nantissement des actions et garantir une bonne gestion de la société, comme celle-ci l'avait du reste attesté. 7.1 En pratique, la problématique du capital propre dissimulé concerne avant tout les prêts accordés directement par l'actionnaire ou un proche, dans une mesure qui excède ce qu'un tiers aurait fourni, cet écart s'expliquant par les liens de participation (cf. circulaire ch. 1). L'existence de capital propre dissimulé peut néanmoins se poser lorsqu'un tiers fournit le prêt. La circulaire envisage à cet égard deux cas de figure (cf. consid. 4.2 non publié). Dans le premier, le prêt est accordé directement par le tiers, mais indirectement par l'actionnaire ou le proche. Cette situation se présente lorsque le tiers n'intervient que comme un intermédiaire, les fonds provenant en réalité du BGE 142 II 355 S. 360 porteur de parts ou du proche (ULYSSES VON SALIS-LÜTOLF, Verdecktes Eigenkapital - Warum der Drittvergleich im Steuerrecht nichts wirtschaftlich Bedeutendes vermittelt, RDS 121/2002 I p. 187; BRÜLISAUER/ZIEGLER, in Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer [DBG], Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht, vol. I/2a,2 e éd. 2008, n° 22 ad art. 65 LIFD ; ROLAND BÖHI, Das verdeckte Eigenkapital im Steuerrecht, 2014, p. 243 s.). Dans le second cas de figure, le prêt est accordé par un tiers et est "garanti" par l'actionnaire/le proche. La circulaire adopte à cet égard une formulation négative en indiquant qu'"il n'y a pas de capital propre dissimulé si le capital étranger est fourni par des tiers indépendants et que ni les détenteurs de parts, ni des personnes qui leur sont proches ne le garantissent" (circulaire ch. 2.1), étant rappelé que la preuve qu'un rapport concret de financement est conforme au marché reste réservée (cf. circulaire ch. 2.1 in fine). Lu a contrario, ce passage signifie que la garantie fournie par l'actionnaire ou un proche pour un prêt accordé par un tiers doit être assimilée à un prêt de l'actionnaire ou du proche (BÖHI, op. cit., p. 247). 7.2 L'approche de la circulaire assimilant de manière générale la garantie fournie par l'actionnaire/un proche au prêt est critiquée par HERMANN (CHARLES HERMANN, Etre ou ne pas être sous-capitalisé, L'expert-comptable suisse 12/1998 p. 1359 ss), qui considère qu'elle est trop absolue et qu'elle méconnaît la réalité économique. Cet auteur propose d'opérer une distinction selon que la garantie implique ou non une couverture absolue et intégrale du risque du créancier. Si tel n'est pas le cas (par exemple parce que l'actionnaire se limite à fournir une lettre de confort), il faut admettre que la motivation de l'actionnaire est avant tout économique (obtenir un taux d'intérêt plus avantageux). Si, en revanche, la garantie apporte une couverture intégrale du risque (lorsqu'on est par exemple en présence de structures de financement de type back-to-back), il faut admettre que la motivation de l'actionnaire est avant tout fiscale. Cette approche présente toutefois le désavantage de se fonder sur un critère lié à la motivation de l'actionnaire (économique ou fiscale), ce qui renvoie à la conception du capital propre dissimulé telle que l'avait développée la jurisprudence rendue avant l'entrée en vigueur de l' art. 65 LIFD , qui exigeait, faute de base légale régissant la matière, l'existence d'une évasion fiscale; or, l' art. 65 LIFD a précisément objectivé cette notion (cf. consid. 4.1.2 non publié; arrêt 2C_560/2014 du 30 septembre 2015 consid. 3.3.5). BGE 142 II 355 S. 361 L'assimilation de la garantie fournie par l'actionnaire/le proche à la mise à disposition de fonds par celui-ci est conforme à l' art. 65 LIFD si cette garantie joue économiquement le rôle d'un prêt (cf. BRÜLISAUER/ZIEGLER, op. cit., n os 23 et 24 ad art. 65 LIFD ; BÖHI, op. cit., p. 244). Tel peut être le cas si la fortune personnelle de l'actionnaire ou du proche est mise à contribution comme substrat de responsabilité ("Haftungssubstrat") en contrepartie du prêt accordé par le tiers (BÖHI, op. cit., p. 245). Dans une telle situation, la garantie peut être assimilée à un prêt du proche. La société peut toutefois apporter la preuve que le rapport de financement est conforme au marché (cf. circulaire ch. 2.1 in fine). Par ailleurs, si une société obtient le prêt par ses propres moyens (par exemple par la mise en gage de ses actifs d'une manière conforme au marché), il n'y a en principe pas de capital propre dissimulé (BÖHI, op. cit., p. 245 et 249), la garantie du proche apparaissant superfétatoire sur le plan économique. 7.3 ll découle de ce qui précède que lorsqu'un prêt accordé par un tiers fait l'objet de garanties réelles portant sur des actifs de la société emprunteuse et qu'en sus, l'actionnaire ou un proche est débiteur solidairement responsable du prêt, il faut déterminer dans quelle mesure la garantie personnelle fournie remplit économiquement la fonction de capital propre. Tel peut être le cas lorsque la garantie réelle est insuffisante pour garantir à elle seule le montant du prêt accordé, car en pareille situation, il faut présumer que la part du prêt qui dépasse le montant couvert par la garantie réelle a été accordée en raison de la garantie personnelle fournie par l'actionnaire, la preuve que le financement concret est conforme aux conditions du marché restant réservée. 7.4 En l'espèce, le prêt litigieux s'élève à 18 mio de francs. Or, la valeur vénale des immeubles n'était pas supérieure à leur valeur comptable, soit 17'825'570 fr. (cf. consid. 6.5 non publié). Il en découle que la part "excédentaire" de financement étranger tel qu'il découle du tableau de capitalisation de la circulaire n'a été rendue possible que par la présence de la garantie personnelle fournie par C. La recourante a échoué à démontrer le contraire. La portée de l'attestation de la Fondation selon laquelle celle-ci n'a exigé la présence de C. que pour s'assurer de la correcte gestion de la société et pour éviter le nantissement des actions n'est pas une preuve que le financement litigieux était conforme au marché. Le raisonnement de la BGE 142 II 355 S. 362 recourante part en outre de la prémisse erronée selon laquelle la valeur des immeubles était suffisante pour obtenir le prêt litigieux. On ne voit au surplus pas ce que le nantissement des actions aurait apporté comme garantie supplémentaire à la Fondation par rapport à la remise des cédules hypothécaires en propriété à fin de garantie qui a eu lieu, dès lors que les actifs principaux de la recourante sont constitués de ces immeubles (17'825'570 fr., les autres actifs étant des actifs circulants comptabilisés pour 450'941 fr. 65 [bilan 2010] et 485'560 fr. 56 [bilan 2011]. 7.5 Il s'ensuit qu'il faut admettre que la recourante a obtenu le prêt par ses propres moyens à hauteur de 80 % de la valeur vénale des immeubles, égale à leur valeur comptable, et que la part qui dépasse ce montant doit être considérée comme mise à disposition par C. - dont la qualité de proche n'a jamais été contestée - la recourante n'ayant pas apporté la preuve que les conditions concrètes de financement étaient conformes aux conditions du marché. (...)
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Auf ein auf das DBA-USA 96 gestütztes Amtshilfegesuch, welches die Namen der betroffenen Steuerpflichtigen nicht erwähnt, ist grundsätzlich einzutreten, sofern die Darstellung des Sachverhalts genügend detailliert ist, um einen Verdacht auf Betrugsdelikte und dergleichen zu ergeben und die Identifikation der gesuchten Personen zu ermöglichen (E. 7.2). Der nicht namentlich genannte Informationsinhaber muss mit einem für den ersuchten Staat zumutbaren Aufwand identifiziert werden können (E. 7.3). Betrugsdelikte und dergleichen: Die von den Vereinigten Staaten von Amerika erhobene Quellensteuer auf Zinsen und Dividenden aus amerikanischen Wertschriften fällt in den Anwendungsbereich des DBA-USA 96 (E. 9.2). Begriff der Betrugsdelikte und dergleichen gemäss Art. 26 DBA-USA 96 (E. 9.3-9.5). Die vom IRS beschriebene Vorgehensweise der betroffenen Steuerpflichtigen erfüllt die Anforderungen des Abgabe- und des Steuerbetrugs; sie war nicht nur darauf ausgerichtet, die normale Einkommenssteuer der an der Gesellschaft wirtschaftlich berechtigten Personen zu hinterziehen, sondern auch den vom IRS zur Absicherung dieser Einkommenssteuerpflicht eingerichteten Kontrollmechanismus zu hintergehen (E. 9.7 und 9.8); das dazu benutzte Formular hat Urkundencharakter (E. 9.9). Sachverhalt ab Seite 406 BGE 139 II 404 S. 406 A. Am 26. September 2011 richtete die Steuerbehörde der Vereinigten Staaten von Amerika (USA; Internal Revenue Service [IRS]) ein Amtshilfegesuch an die Eidgenössische Steuerverwaltung (EStV). Am 5. April 2012 (Urteil A-737/2012) hiess das BGE 139 II 404 S. 407 Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerde gut, die gegen eine gestützt auf dieses Amtshilfegesuch erlassene Schlussverfügung der EStV gerichtet war. Das Gericht hielt im Wesentlichen fest, dass die Formulierung des Amtshilfegesuchs vor allem Personen betraf, die sich höchstens einer Steuerhinterziehung schuldig gemacht hätten, für welche unter dem anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommen jedoch keine Amtshilfe geleistet werde. Infolge dieses Urteils zog die EStV die weiteren in Ausführung des erwähnten Amtshilfegesuchs bereits erlassenen Schlussverfügungen in Wiedererwägung. Darunter befand sich auch eine Verfügung, welche A.X., B.X., die Y. Ltd. und C.X. betraf. Das sie betreffende Beschwerdeverfahren wurde am 11. Mai 2012 abgeschrieben. B. Am 3. Juli 2012 stellte der IRS ein neues Amtshilfegesuch und ersuchte um Informationen betreffend bestimmte in den USA steuerpflichtige Personen, welche Domizilgesellschaften gehalten haben, die bei der CS bestimmte Konten oder Depots hielten. Der IRS ersuchte um Herausgabe von Informationen über solche Steuerpflichtige, die zu irgendeinem Zeitpunkt in den Jahren 2002 bis und mit 2010 eine Unterschriftsberechtigung oder eine andere Verfügungsberechtigung über Bankkonten bei der CS hatten oder wirtschaftlich an bei der CS gehaltenen Konten berechtigt waren. In ihrer am 8. November 2012 erlassenen Schlussverfügung gelangte die EStV zum Ergebnis, A.X. und B.X. seien an der Y. Ltd. wirtschaftlich berechtigt und in ihrem Fall seien sämtliche Voraussetzungen erfüllt, um dem IRS Amtshilfe zu leisten. A.X., B.X., die Y. Ltd. und C.X. erhoben beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen die Schlussverfügung der EStV. B.X. ist am 17. Januar 2013 verstorben. Mit Urteil vom 13. März 2013 (A-6011/2012) wies das Bundesverwaltungsgericht diese Beschwerde ab, mit der Auflage an die EStV, den IRS darauf hinzuweisen, dass die übermittelten Unterlagen nur in Verfahren verwendet werden dürfen, die A.X. betreffen. C. Gegen dieses Urteil des Bundesverwaltungsgerichts führen A.X. (Beschwerdeführer 1), B.X. sel. (Beschwerdeführerin 2), die Y. Ltd. (Beschwerdeführerin 3) und C.X. (Beschwerdeführer 4) mit Eingabe vom 22. März 2013 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Sie beantragen, das angefochtene Urteil vom 13. März 2013 und die Schlussverfügung der EStV vom 8. November 2012 seien aufzuheben und es sei die Amts- und BGE 139 II 404 S. 408 Rechtshilfe zu verweigern. Die Beschwerdeführenden stellen zudem verschiedene weitere materielle sowie prozessuale Anträge. Das Bundesgericht hat die Angelegenheit am 5. Juli 2013 öffentlich beraten. (Zusammenfassung)
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Erwägungen Erwägungen: 1. 1.1 Dem vorliegenden Verfahren liegt ein Amtshilfegesuch des IRS gestützt auf Art. 26 Ziff. 1 des Abkommens vom 2. Oktober 1996 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen (DBA-USA 96; SR 0.672.933.61) zugrunde. Das am 23. September 2009 unterzeichnete Änderungsprotokoll zum DBA-USA (nachfolgend: Protokoll 09; vgl. BBl 2010 247) ist noch nicht in Kraft, sodass weiterhin das DBA- USA 96 anzuwenden ist. Art. 26 DBA-USA 96 in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung ist am 19. Dezember 1997 in Kraft getreten und findet somit Anwendung auf alle Steuerperioden, die am oder nach dem 1. Januar des auf das Inkrafttreten folgenden Jahres beginnen (vgl. Art. 29 Ziff. 2 lit. b DBA-USA 96). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind Bestimmungen über die Amtshilfe und die Pflicht von Privaten, von ihnen verlangte Informationen herauszugeben, Vorschriften verfahrensrechtlicher Natur, welche mit ihrem Inkrafttreten sofort anwendbar sind (vgl. Urteil 2A.551/2001 vom 12. April 2002 E. 2a mit weiteren Hinweisen). Die Steuerperioden, für welche der IRS um Informationen nachsucht, nämlich die Jahre 2002 bis und mit 2010, werden somit von Art. 26 DBA-USA 96 gedeckt. Das Bundesgesetz vom 28. September 2012 über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (StAhiG; SR 672.5) regelt den Vollzug der Amtshilfe nach den Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (vgl. Art. 1 Abs. 1 lit. a StAhiG ). Gemäss Art. 24 StAhiG gelten die Ausführungsbestimmungen, die sich auf den Bundesbeschluss vom 22. Juni 1951 über die Durchführung von zwischenstaatlichen Abkommen des Bundes zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (SR 672.2 [nachfolgend: BB-DBA]) stützen, allerdings weiter für die Amtshilfeersuchen, die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits eingereicht waren. Der IRS bittet mit Ersuchen vom 3. Juli 2012 um Herausgabe von Informationen über solche BGE 139 II 404 S. 409 Steuerpflichtige, die zu irgendeinem Zeitpunkt in den Jahren 2002 bis und mit 2010 eine Unterschriftsberechtigung oder eine andere Verfügungsberechtigung über Bankkonten bei der CS hatten oder wirtschaftlich an bei der CS gehaltenen Konten berechtigt waren. Das StAhiG ist am 1. Februar 2013 in Kraft getreten und somit auf das vorliegende Verfahren nicht anwendbar. Das Verfahren ist daher nach dem BB-DBA zu führen. Gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. d BB-DBA ist der Bundesrat zuständig, das Verfahren zu regeln, das bei einem vertraglich ausbedungenen Austausch von Meldungen zu befolgen ist. Der Bundesrat hat dies mit der Verordnung vom 1. September 2010 über die Amtshilfe nach Doppelbesteuerungsabkommen (ADV; AS 2010 4017) gemacht, doch ist diese nur auf den Vollzug der Amtshilfe nach den neuen oder revidierten Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung anwendbar, die nach dem 1. Oktober 2010 in Kraft getreten sind (vgl. Art. 1 in Verbindung mit Art. 18 ADV ). Das im vorliegenden Verfahren anwendbare DBA-USA 96 trat am 19. Dezember 1997 in Kraft, sodass die ADV keine Anwendung findet. Die Amtshilfe nach diesem Abkommen untersteht somit der Verordnung vom 15. Juni 1998 zum schweizerisch-amerikanischen Doppelbesteuerungsabkommen vom 2. Oktober 1996 (SR 672.933.61 [nachfolgend: Vo DBA-USA]). 1.2 Gemäss Art. 20k Abs. 1 Vo DBA-USA unterliegt die Schlussverfügung der Eidgenössischen Steuerverwaltung über die Übermittlung von Informationen der Beschwerde nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege. Im Rahmen der Schlussbestimmungen des StAhiG wurde auch das Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) geändert und die Beschwerde auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen unter gewissen Voraussetzungen zugelassen (vgl. AS 2013 231, insb. S. 240). In analoger Anwendung von Art. 132 Abs. 1 BGG , der vorsieht, dass das BGG auf Beschwerdeverfahren anwendbar ist, sofern der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten des BGG ergangen ist, sind die am 1. Februar 2013 in Kraft getretenen Änderungen des BGG auf den vorliegenden Fall anwendbar, da das angefochtene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts am 13. März 2013 ergangen ist ( BGE 139 II 340 E. 3 S. 342). 1.3 Art. 83 lit. h BGG sieht vor, dass die Beschwerde an das Bundesgericht unzulässig ist gegen Entscheide auf dem Gebiet der BGE 139 II 404 S. 410 internationalen Amtshilfe, mit Ausnahme der Amtshilfe in Steuersachen. Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen ist die Beschwerde allerdings nur zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder wenn es sich aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall im Sinne von Art. 84 Abs. 2 BGG handelt ( Art. 84a BGG ). Gemäss Art. 84 Abs. 2 BGG liegt ein besonders bedeutender Fall insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist. Das Gesetz enthält nach dem ausdrücklichen Wortlaut von Art. 84 Abs. 2 BGG eine nicht abschliessende, nur beispielhafte Aufzählung von möglichen besonders bedeutenden Fällen. Das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist regelmässig zu bejahen, wenn dessen Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann, namentlich wenn von unteren Instanzen viele gleichartige Fälle zu beurteilen sein werden. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist unter Umständen auch anzunehmen, wenn es sich um eine erstmals zu beurteilende Frage handelt, die einer Klärung durch das Bundesgericht bedarf. Es muss sich allerdings um eine Rechtsfrage handeln, deren Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann und von ihrem Gewicht her nach einer höchstrichterlichen Klärung ruft. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung können sich ebenfalls nach dem Erlass neuer materiell- oder verfahrensrechtlicher Normen stellen. Ein Eintreten rechtfertigt sich schliesslich auch, wenn sich aufgrund der internationalen Entwicklungen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen ( BGE 139 II 340 E. 4 S. 342 mit weiteren Hinweisen). Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder ein besonders bedeutender Fall nach Art. 84 oder 84a BGG vorliegt, so ist auszuführen, warum die jeweilige Voraussetzung erfüllt ist, es sei denn, dies treffe ganz offensichtlich zu ( BGE 139 II 340 E. 4 S. 342 mit weiteren Hinweisen). Die Beschwerdeführenden erwähnen verschiedene Rechtsfragen, die aus ihrer Sicht von grundsätzlicher Bedeutung im genannten Sinn sind. So stelle sich insbesondere die Frage, ob Gruppenanfragen nach dem DBA-USA 96 zulässig sind, da dieses Doppelbesteuerungsabkommen bis heute nicht an die neuesten BGE 139 II 404 S. 411 Entwicklungen und Standards im Bereich der internationalen Amtshilfe in Steuerfragen angepasst worden sei. Die Antwort auf diese Frage kann für die Praxis der internationalen Amtshilfe generell und für Amtshilfe an die USA wegleitend sein. Sie ruft zudem von ihrem Gewicht her nach einer höchstrichterlichen Klärung, insbesondere nachdem ein ähnlich gelagerter Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil des BVGer A-7342/2009 vom 5. März 2009) in der Lehre stark kritisiert wurde (vgl. RAINER SCHWEIZER, Zulassung sog. Gruppenanfragen ohne zurechenbare Verdachtsgründe in der Steuerstrafrechtshilfe gegenüber den USA, Jusletter vom 27. Februar 2012 [nachfolgend: Gruppenanfragen]; derselbe , Der Rechtsstaat und die EMRK im Fall der Kunden der UBS AG, AJP 2011 S. 1007 [nachfolgend: Rechtsstaat]; AURELIA RAPPO, Le secret bancaire, les droits de la défense et la jurisprudence du Tribunal administratif fédéral dans l'affaire UBS, RDAF 2011 II S. 233; AMADÒ/MOLO, Das Verbot von "Fishing Expeditions" gemäss der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. März 2009 und den OECD-Standards, AJP 2009 S. 539). Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist somit grundsätzlich einzutreten (vgl. Art. 84a BGG ). Die Beschwerdesache ist dabei im ordentlichen Verfahren und in Besetzung mit fünf Richtern ( Art. 20 Abs. 2 BGG ) zu beurteilen (vgl. Urteil 1C_122/2011 vom 23. Mai 2011 E. 1). 2. Gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG ist zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (lit. a), durch den angefochtenen Entscheid oder Erlass besonders berührt ist (lit. b) und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat (lit. c). 2.1 Der Beschwerdeführer 1 ist wirtschaftlich Berechtigter an den Vermögenswerten, die über das infrage stehende Konto gehalten werden. 2.1.1 In seiner ständigen Rechtsprechung zur Beschwerdelegitimation in der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und der internationalen Amtshilfe in Börsenangelegenheiten hat das Bundesgericht die Legitimation des Inhabers eines Bankkontos, worüber Auskünfte erteilt werden sollen, bejaht, nicht aber jene des wirtschaftlich Berechtigten an diesem, selbst wenn dadurch dessen Identität offengelegt wird (vgl. BGE 137 IV 134 E. 5.2.1 S. 137 f.; BGE 139 II 404 S. 412 BGE 127 II 323 E. 3b/cc S. 330; BGE 125 II 65 E. 1). Es hat dazu ausgeführt, ein schutzwürdiges Interesse liege nicht schon dann vor, wenn jemand irgendeine Beziehung zum Streitobjekt zu haben behauptet. Vielmehr müsse eine vom einschlägigen Bundesrecht erfasste spezifische Beziehungsnähe gegeben sein. Eine bloss mittelbare Betroffenheit genüge nicht (vgl. BGE 128 II 211 E. 2.3 S. 217). Als persönlich und direkt betroffen wird im Falle der Erhebung von Konteninformationen der jeweilige Konto- und Depotinhaber angesehen (vgl. Art. 9a lit. a der Verordnung vom 24. Februar 1982 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen [IRSV; RS 351.11] ). Bloss wirtschaftlich an einem Bankkonto oder Wertschriftendepot Berechtigte sind hingegen grundsätzlich nicht legitimiert, Rechtshilfemassnahmen anzufechten, welche die Bankverbindung betreffen ( BGE 137 IV 134 E. 5.2.1 S. 138 f.). Wer in seinen geschäftlichen Beziehungen die Verfügungsmacht über ein Konto durch eine andere natürliche oder juristische Person wahrnehmen lässt, hat regelmässig die sich hieraus ergebenden Konsequenzen zu tragen. Dies ist ihm umso eher zuzumuten, als er über seinen wirtschaftlichen oder rechtlichen Einfluss auf den Vertragspartner des Effektenhändlers seine Interessen in der Regel ohne Weiteres in geeigneter Weise wahrnehmen kann (vgl. Urteil 2A.352/2000 vom 9. März 2001 E. 3a). Ist dies ausnahmsweise nicht der Fall, steht ihm unter Umständen im Rahmen von Art. 38 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 24. März 1995 über die Börsen und den Effektenhandel (BEHG; SR 954.1) ebenfalls Parteistellung zu (vgl. BGE 127 II 323 E. 3b/cc S. 330). So hat das Bundesgericht in ständiger Praxis eine Ausnahme angenommen, wenn die juristische Person, welche Kontoinhaberin ist, nicht mehr besteht und daher nicht mehr selber Beschwerde führen kann (vgl. BGE 137 IV 134 E. 5.2.1 S. 137 f.). 2.1.2 Die Beachtung der Grundsätze der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen im Bereich der internationalen Amtshilfe in Steuerfragen macht grundsätzlich Sinn, denn so kann auch in Fiskalangelegenheiten eine kohärente internationale Zusammenarbeit gewährleistet werden. Sie erweist sich als umso dringender, als die Parallelität dieser Verfahren auch vom Gesetzgeber gewollt ist (vgl. BBl 2011 6193, 6224). Schliesslich ist anzumerken, dass es nach den anwendbaren völkerrechtlichen Normen dem ersuchenden Staat - auch im Fiskalauskunftsrecht - grundsätzlich freisteht, ob er gestützt auf die Bestimmungen des Rechtshilferechts ein Rechtshilfegesuch stellen will oder - wie hier - ein Amtshilfeersuchen gestützt auf die BGE 139 II 404 S. 413 einschlägigen Rechtsquellen einreicht. Zwar kann der ersuchende Staat nicht autonom bestimmen, ob und in welchem Umfang er Amtshilfe erhält; diesbezüglich hat er den Verfahrensweg vor den Behörden des ersuchten Staates zu durchlaufen. Der ersuchende Staat kann jedoch selber wählen, ob er ein Amts- oder ein Rechtshilfegesuch einreichen und prüfen lassen will (vgl. BGE 137 II 128 E. 2.3 S. 133 f.). Der gewählte Weg wird dabei insbesondere davon abhängen, welche Behörde und zu welchem Zweck im ersuchenden Staat das Gesuch stellt, und je nachdem, welcher Weg gewählt wurde, wird die Zuständigkeit in der Schweiz unterschiedlich sein (vgl. BGE 137 II 128 E. 2.2 S. 132 f.). Auch unter diesem Gesichtspunkt rechtfertigt es sich somit, so weit wie möglich die Grundsätze der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen auch auf die internationale Amtshilfe in Steuerangelegenheiten anzuwenden. 2.1.3 Die erwähnte Rechtsprechung muss allerdings in der internationalen Amtshilfe in Steuerfragen nuanciert werden. Im vorliegenden Fall ersucht der IRS um Herausgabe von Informationen über solche Steuerpflichtige, die zu irgendeinem Zeitpunkt in den Jahren 2002 bis und mit 2010 eine Unterschriftsberechtigung oder eine andere Verfügungsberechtigung über Bankkonten bei der CS hatten oder wirtschaftlich an bei der CS gehaltenen Konten berechtigt waren. Das Amtshilfegesuch bezieht sich somit unzweideutig und direkt auf in den USA steuerpflichtige Personen, welche unter irgendeinem Titel eine Berechtigung über Vermögenswerte haben, die von der CS gehalten und verwaltet werden. Der vorliegende Fall unterscheidet sich daher von denjenigen, die das Bundesgericht in seiner ständigen Praxis zur internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und zur internationalen Amtshilfe in Börsenangelegenheiten zu beurteilen hatte. In jenen Fällen wurden jeweils Informationen über bestimmte Vorfälle oder Personen (vgl. Urteile 1C_260/2012 vom 12. März 2013; 1C_581/2012 vom 16. November 2012; 1C_108/2012 vom 21. Februar 2012; 1A.1/2009 vom 20. März 2009; 1A.5/2008 vom 17. Februar 2009), bzw. über eine bestimmte Transaktion verlangt (vgl. Urteile 2A.170/2006 vom 8. Mai 2006; 2A.3/2004 vom 19. Mai 2004; 2A.136/2003 vom 26. August 2003). Im vorliegenden Fall hingegen wünscht die ersuchende Behörde Informationen zu erhalten über Personen, die an möglicherweise nicht deklarierten Vermögenswerten wirtschaftlich berechtigt sind, unabhängig davon, unter welchem Titel diese formell bei der Bank betreut werden. Das Amtshilfegesuch betrifft somit ausdrücklich die an den BGE 139 II 404 S. 414
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Vermögenswerten wirtschaftlich berechtigten Personen. Nur weil solche Personen betroffen sind, wird das Amtshilfeverfahren überhaupt durchgeführt. Die Betroffenheit des in den USA steuerpflichtigen wirtschaftlich Berechtigten ergibt sich im Übrigen auch aus dem Dispositiv der erstinstanzlichen Verfügung, welche bestimmt, dass Amtshilfe geleistet wird betreffend den Beschwerdeführer 1 als wirtschaftlich berechtigte Person an der Beschwerdeführerin 3. Der Beschwerdeführer 1 ist somit im Sinne von Art. 89 Abs. 1 BGG durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung, sodass er zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten berechtigt ist. 2.2 Auch die Beschwerdeführerin 2 war wirtschaftlich Berechtigte an den Vermögenswerten, die über das infrage stehende Konto gehalten werden. Sie ist allerdings am 17. Januar 2013, also noch während dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, verstorben. Für das weitere Verfahren fehlt ihr somit die für die Prozessfähigkeit notwendige Handlungsfähigkeit (vgl. Urteile 2C_736/2010 vom 23. Februar 2012 E. 1.2; 2C_303/2010 vom 24. Oktober 2011 E. 2.3). Mangels Prozessfähigkeit geht ihr auch die Beschwerdefähigkeit nach Art. 89 Abs. 1 BGG ab. Fehlt eine Voraussetzung der Beschwerdeführung bereits bei Einreichung der Beschwerde, tritt das Bundesgericht darauf nicht ein. Fällt sie nachträglich weg, ist die Beschwerde als erledigt abzuschreiben (vgl. BGE 137 I 161 E. 4.3.2 S. 165; BGE 118 Ia 488 E. 1a S. 490; Urteil 2C_825/2011 vom 25. April 2012 E. 1.5). Auf die Beschwerde ist unter diesen Umständen nicht einzutreten, soweit sie die Beschwerdeführerin 2 betrifft. 2.3 Das infrage stehende Konto wird von der Beschwerdeführerin 3 gehalten. Sie ist die formelle Vertragspartnerin der Bank. Als Kontoinhaberin ist sie von der Informationserhebung und -übermittlung persönlich und direkt betroffen (vgl. oben E. 2.1.1). Damit ist sie vom angefochtenen Urteil besonders betroffen und hat ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung. Ihre Beschwerde erfüllt somit die Anforderungen von Art. 89 Abs. 1 BGG . 2.4 Das angefochtene Urteil erging ebenfalls gegen den Beschwerdeführer 4, der behauptet, am betroffenen Konto alleine wirtschaftlich berechtigt zu sein, was jedoch nicht erwiesen ist. Die Vorinstanz hat im Gegenteil festgestellt, dass der Beschwerdeführer 1 an den fraglichen Vermögenswerten wirtschaftlich berechtigt ist (vgl. BGE 139 II 404 S. 415 angefochtenes Urteil A-6011/2012 E. 12.2.2). Diese Sachverhaltsfeststellung bindet das Bundesgericht (vgl. unten E. 10). Zudem ist der Beschwerdeführer 4 gemäss seinen eigenen Aussagen nicht in den USA steuerpflichtig und somit nicht Gegenstand des Amtshilfeersuchens des IRS. Soweit ersichtlich, werden keine ihn betreffenden Informationen übermittelt. Die Vorinstanz hat die Informationsübermittlung auf den Beschwerdeführer 1 beschränkt und festgehalten, dass die übermittelten Unterlagen nur in Verfahren verwendet werden dürfen, die diesen betreffen. Es fehlt dem Beschwerdeführer 4 somit an der persönlichen und direkten Betroffenheit im Sinne der Rechtsprechung (vgl. oben E. 2.1.1), sodass auf seine Beschwerde nicht einzutreten ist. 2.5 Die vorliegende Beschwerde richtet sich im Übrigen gegen einen Endentscheid ( Art. 90 BGG ), der in einer öffentlich-rechtlichen Angelegenheit ( Art. 82 lit. a BGG ) vom Bundesverwaltungsgericht ( Art. 86 Abs. 1 lit. a BGG ) gefällt wurde. Sie wurde frist- ( Art. 46 Abs. 2 und Art. 100 Abs. 2 lit. b BGG ) und formgerecht ( Art. 42 BGG ) eingereicht. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführenden 1 und 3 ist somit grundsätzlich einzutreten. Anfechtungsobjekt ist ausschliesslich das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Art. 86 Abs. 1 lit. a BGG ). Soweit die Beschwerdeführenden 1 und 3 die Aufhebung der Schlussverfügung der EStV vom 8. November 2012 beantragen, ist darauf mit Blick auf den Devolutiveffekt der Beschwerdeverfahren nicht einzutreten (vgl. BGE 136 II 177 E. 1.3 S. 180 f.). 3. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann namentlich die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden ( Art. 95 BGG ). Mit Ausnahme der Verletzung von Grundrechten, welche es nur insofern prüft, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist ( Art. 106 Abs. 2 BGG ), wendet das Bundesgericht das Recht von Amtes wegen an ( Art. 106 Abs. 1 BGG ). Es ist daher weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen, und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 135 III 397 E. 1.4 S. 400; Urteil 2C_854/2012 vom 12. März 2013 E. 1.2). 4. Der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts hat der Beschwerde am 27. März 2013 BGE 139 II 404 S. 416 superprovisorisch aufschiebende Wirkung erteilt. Die Beschwerdeführenden werfen jedoch die Frage auf, ob der Beschwerde auf dem Gebiet der Amtshilfe in Steuerfragen nicht ex lege aufschiebende Wirkung zukommt. 4.1 Die Beschwerde an das Bundesgericht hat in der Regel keine aufschiebende Wirkung ( Art. 103 Abs. 1 BGG ). Der Instruktionsrichter kann allerdings über die aufschiebende Wirkung von Amtes wegen oder auf Antrag einer Partei eine andere Anordnung treffen ( Art. 103 Abs. 3 BGG ). In Verfahren auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen sieht das Gesetz eine Ausnahme vor und bestimmt, dass die Beschwerde im Umfang der Begehren aufschiebende Wirkung hat, wenn sie sich gegen eine Schlussverfügung oder gegen jede andere Verfügung richtet, welche die Übermittlung von Auskünften aus dem Geheimbereich oder die Herausgabe von Gegenständen oder Vermögenswerten bewilligt ( Art. 103 Abs. 2 lit. c BGG ). Eine entsprechende ausdrückliche Ausnahme für den Bereich der Amtshilfe in Steuerangelegenheiten ist im Gesetzestext hingegen nicht vorgesehen. 4.2 Ausgangspunkt jeder Auslegung ist der Wortlaut. Vom klaren, d.h. eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, u.a. dann, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Norm wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Grund und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit andern Vorschriften ergeben (vgl. BGE 139 V 148 E. 5.1 S. 153). Ist der Text nicht klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente. Abzustellen ist dabei namentlich auf die Entstehungsgeschichte, auf den Zweck der Norm, die ihr zugrunde liegenden Wertungen und ihre Bedeutung im Kontext mit anderen Bestimmungen. Die Materialien sind zwar nicht unmittelbar entscheidend, dienen aber als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen. Das Bundesgericht hat sich bei der Auslegung von Erlassen stets von einem Methodenpluralismus leiten lassen und nur dann allein auf das grammatische Element abgestellt, wenn sich daraus zweifelsfrei die sachlich richtige Lösung ergab (vgl. BGE 138 II 217 E. 4.1 S. 224). Eine Lücke im Gesetz besteht, wenn sich eine Regelung als unvollständig erweist, weil sie jede Antwort auf die sich stellende BGE 139 II 404 S. 417 Rechtsfrage schuldig bleibt oder eine Antwort gibt, die aber als sachlich unhaltbar angesehen werden muss. Hat der Gesetzgeber eine Rechtsfrage nicht übersehen, sondern stillschweigend - im negativen Sinn - mitentschieden (qualifiziertes Schweigen), bleibt kein Raum für richterliche Lückenfüllung. Eine echte Gesetzeslücke liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts dann vor, wenn der Gesetzgeber etwas zu regeln unterlassen hat, was er hätte regeln sollen, und dem Gesetz diesbezüglich weder nach seinem Wortlaut noch nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt eine Vorschrift entnommen werden kann. Von einer unechten oder rechtspolitischen Lücke ist demgegenüber die Rede, wenn dem Gesetz zwar eine Antwort, aber keine befriedigende zu entnehmen ist. Echte Lücken zu füllen, ist dem Gericht aufgegeben, unechte zu korrigieren, ist ihm nach traditioneller Auffassung grundsätzlich verwehrt (vgl. BGE 138 II 1 E. 4.2 mit weiteren Hinweisen). 4.3 Im vorliegenden Fall ist es aufgrund der Gesetzessystematik, insbesondere der weiteren mit dem StAhiG im BGG geänderten bzw. nicht geänderten Bestimmungen naheliegend, dass ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers vorliegt. Es wurde zwar grundsätzlich eine Parallelität der Verfahren bei der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und der internationalen Amtshilfe in Steuerangelegenheiten angestrebt (vgl. Botschaft zum Steueramtshilfegesetz, BBl 2011 6193, 6224 Ziff. 2.7.1). Die Beschwerde gegen Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen untersteht derselben kurzen Beschwerdefrist (vgl. Art. 100 Abs. 2 lit. b in fine BGG), der Fristenstillstand nach Art. 46 Abs. 1 BGG ist auf beide Verfahren nicht anwendbar (vgl. Art. 46 Abs. 2 BGG ), und das Bundesgericht fällt den Nichteintretensentscheid nach Art. 84a BGG innert 15 Tagen seit Abschluss eines allfälligen Schriftenwechsels im Verfahren auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen wie bei der internationalen Amtshilfe in Steuersachen (vgl. Art. 107 Abs. 3 BGG ). Der Gesetzgeber hat es hingegen unterlassen, dem Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht die aufschiebende Wirkung ex lege zu erteilen (vgl. Art. 103 Abs. 2 lit. c BGG ) sowie die Einräumung einer angemessenen Frist zur Ergänzung der Beschwerdebegründung vorzusehen (vgl. Art. 43 BGG ). Es überrascht zwar, dass unterlassen wurde, für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesgericht die aufschiebende Wirkung ex lege vorzusehen, zumal gleichzeitig in der Botschaft ausgeführt wird, BGE 139 II 404 S. 418 dass die Übermittlung der amtshilfeweise angeforderten Daten, bevor das Beschwerdeverfahren abgeschlossen ist, wie vom internationalen Standard gefordert, nur in Ausnahmesituationen stattfinden soll (vgl. BBl 2011 6193, 6219 zu Art. 19 Abs. 3). Eine Übermittlung vor Ablauf des Beschwerdeverfahrens entfaltet im Übrigen eine präjudizielle Wirkung, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, denn wenn die Daten einmal ins Ausland übermittelt wurden, kann in der Regel nicht mehr erreicht werden, dass von ihnen kein Gebrauch gemacht wird. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass dem Beschwerdeführer aus diesem Schweigen des Gesetzes grundsätzlich kein Nachteil erwachsen wird, hat er doch immer die Möglichkeit, beim Instruktionsrichter die Erteilung der aufschiebenden Wirkung zu beantragen ( Art. 103 Abs. 3 BGG ). Es ist zudem kein Hinweis ersichtlich, wonach das Schweigen des Gesetzgebers als echte Lücke zu qualifizieren wäre, welche ein Abweichen vom Grundsatz von Art. 103 Abs. 1 BGG rechtfertigen würde. Aufgrund dieser Erwägungen ist somit davon auszugehen, dass es sich hier um ein qualifiziertes Schweigen oder eine unechte Lücke handelt und dass der Beschwerde an das Bundesgericht gegen Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen, welche die Übermittlung von Informationen und Unterlagen anordnen, keine aufschiebende Wirkung von Gesetzes wegen zukommt. 5. In einem weiteren Prozessantrag verlangen die Beschwerdeführenden in analoger Anwendung von Art. 43 BGG die Einräumung einer angemessenen Frist zur Ergänzung der Beschwerdebegründung. Gemäss Art. 43 BGG räumt das Bundesgericht den beschwerdeführenden Parteien auf Antrag eine angemessene Frist zur Ergänzung der Beschwerdebegründung ein, wenn es eine Beschwerde auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen als zulässig erachtet und der aussergewöhnliche Umfang oder die besondere Schwierigkeit der Beschwerdesache eine Ergänzung erfordert. Ihrem Wortlaut zufolge ist diese Bestimmung nur auf die internationale Rechtshilfe in Strafsachen anwendbar. Auch hier ist somit mittels Auslegung (vgl. oben E. 4.2) zu ermitteln, ob sich eine analoge Anwendung auf den Bereich der Amtshilfe in Steuerfragen aufdrängt. Die Vorschrift von Art. 43 BGG ist auf besonders umfangreiche und komplexe Fälle zugeschnitten, für welche die in Art. 100 Abs. 2 BGE 139 II 404 S. 419 lit. b BGG vorgesehene zehntägige Beschwerdefrist nicht ausreicht, um sämtliche materiellen Rügen mit der nötigen Sorgfalt und Tiefe rechtsgenüglich zu begründen (vgl. AEMISEGGER/FORSTER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 2 zu Art. 43 BGG ). Der Begriff der aussergewöhnlich umfangreichen oder besonders schwierigen Beschwerdesache ist dabei restriktiv auszulegen (vgl. BGE 134 IV 156 E. 1.6 S. 161; BGE 133 IV 271 E. 2.1 S. 273). Das Beschleunigungsgebot, welches das Rechtshilfeverfahren bestimmt, gilt im Übrigen auch im Verfahren der internationalen Amtshilfe in Steuerfragen (vgl. Art. 4 Abs. 2 StAhiG ; BBl 2011 6193, 6205 zu Art. 4 Abs. 2). Auch hier ist zudem kein Hinweis ersichtlich, wonach das Schweigen des Gesetzgebers als echte Lücke zu qualifizieren wäre, welche ein Abweichen vom Grundsatz der Einreichung einer vollständigen Begründung innerhalb der Beschwerdefrist (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG ; Urteil 2C_66/2013 vom 7. Mai 2013 E. 1.2) rechtfertigen würde. Wie bei der aufschiebenden Wirkung und aufgrund der gleichen Überlegungen (vgl. oben E. 4.3) ist somit anzunehmen, dass ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers oder eine unechte Lücke vorliegt und Art. 43 BGG im Bereich der internationalen Amtshilfe in Steuerfragen keine Anwendung findet (vgl. DINA BETI, La nouvelle loi sur l'assistance administrative en matière fiscale - une vue d'ensemble, ASA 81 S. 181, 194). Das entsprechende Begehren der Beschwerdeführenden ist somit abzuweisen. 6. Die Beschwerdeführenden vertreten die Ansicht, mit dem zu beurteilenden Amtshilfegesuch strebten die amerikanischen Behörden eine strafrechtliche Verurteilung an, sodass die strafprozessualen Garantien der EMRK im schweizerischen Verfahren einzuhalten seien. Sie verweisen auf das Urteil des EGMR Chambaz gegen Schweiz , Nr. 11663/04 vom 5. April 2012, wonach es nicht entscheidend sei, ob ein Verfahren formal als Strafuntersuchung bezeichnet werde, sondern dass, wenn zu Strafverfolgungszwecken ermittelt werde, auch im Steuerbereich die Garantien von Art. 6 EMRK gälten. Diese seien jedoch im vorliegenden Verfahren nicht eingehalten worden. In ständiger Rechtsprechung hält das Bundesgericht fest, dass es sich beim Rechtshilfeverfahren dem Grundsatz nach um ein Verwaltungsverfahren handelt, auf das die strafrechtlichen Garantien von Art. 6 EMRK nicht anwendbar sind (vgl. BGE 133 IV 271 E. 2.2.2 S. 274; BGE 120 Ib 112 E. 4 S. 119; BGE 118 Ib 436 E. 4a S. 440; Urteile BGE 139 II 404 S. 420 1C_171/2010 vom 6. April 2010 E. 1.2; 1A.64/2001 vom 23. April 2001 E. 1c/aa; offengelassen in BGE 131 II 169 E. 2.2.3 S. 173 und Urteil 2C_84/2012 vom 15. Dezember 2012 E. 6.2). Beim Entscheid über die Rechtshilfe handelt es sich nicht um einen Entscheid über eine strafrechtliche Anklage im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK , denn die vom ersuchten Staat durchgeführte Prüfung beinhaltet nicht eine vollständige Untersuchung der Schuld oder Unschuld der betroffenen Person (vgl. BGE 123 II 175 E. 6e S. 185; Urteile EGMR Kirkwood gegen United Kingdom , Nr. 10479/83 vom 12. März 1984 in fine; Cesky gegen Italien , Nr. 22001/93 vom 17. Januar 1996 § 1). Die Entscheidung, Daten zu übermitteln, betrifft ausschliesslich die Durchführung von Verpflichtungen, die im Rahmen von internationalen Vereinbarungen eingegangen worden sind. Deshalb gelangen die Verfahrensgarantien von Art. 6 EMRK bei der Rechtshilfe in Strafsachen nicht zur Anwendung (vgl. Urteil EGMR M. gegen Schweiz , Nr. 11514/85 vom 1. Dezember 1986 § 1; Urteil 1A.186/2005 vom 9. Dezember 2005 E. 6.3). Dies muss umso mehr für das Amtshilfeverfahren gelten, dessen Zweck nicht primär die Strafverfolgung im Ausland ist und das auch nicht von ausländischen Strafverfolgungsbehörden ausgelöst wird (vgl. ROBERT WALDBURGER, Das Amtshilfeverfahren wegen "Steuerbetrug und dergleichen" mit den USA, IFF Forum für Steuerrecht 2009 S. 91 [nachfolgend: IFF 2009], S. 95). In der Lehre wird diese Rechtsprechung mehrheitlich begrüsst (vgl. ROBERT ZIMMERMANN, La coopération judiciaire internationale en matière pénale, 3. Aufl. 2009, N. 225; MOREILLON UND ANDERE, Commentaire romand, Entraide internationale en matière pénale, 2004, N. 19 zu Art. 2 IRSG und N. 50 zu Introduction générale; DONATSCH/HEIMGARTNER/SIMONEK, Internationale Rechtshilfe unter Einbezug der Amtshilfe im Steuerrecht, 2011, S. 55; STEFAN TRECHSEL, Grundrechtsschutz bei der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen, EuGRZ 1987 S. 69 S. 71; WALDBURGER, IFF 2009, a.a.O., S. 101). Im Zusammenhang mit der Amts- und Rechtshilfe in Steuerangelegenheiten wird sie in der neueren Lehre allerdings auch kritisiert (vgl. STEPHAN BREITENMOSER, Neuere Rechtsentwicklungen in den Bereichen der internationalen Amts- und Rechtshilfe, in: Aktuelle Fragen der internationalen Amts- und Rechtshilfe, Ehrenzeller [Hrsg.], 2005, S. 36; BONNARD/GRISEL, L'Accord UBS: spécificités, validité, conformité aux droits de l'homme, RDAF 2010 S. 361, 398; RAPPO, a.a.O., S. 243 f.; SCHWEIZER, Gruppenanfragen, a.a.O., Rz. 18; SCHWEIZER, Rechtsstaat, a.a.O., S. 1009). BGE 139 II 404 S. 421 Es besteht jedoch kein Grund, bei der internationalen Amtshilfe in Steuerangelegenheiten von der erwähnten Rechtsprechung abzuweichen. Es ist insbesondere festzuhalten, dass die vom ersuchten Staat durchgeführte Prüfung keine Untersuchung der Schuld oder Unschuld der betroffenen Person beinhaltet, sondern nur die Einhaltung der formellen Bedingungen der Amtshilfe erfasst. Personen, die in den USA allenfalls angeklagt werden, können sich in einem allfälligen Strafverfahren in den USA nach Massgabe des amerikanischen Rechts verteidigen und u.a. geltend machen, das Ersuchen des IRS bzw. die Informationsübermittlung durch die EStV seien im Lichte dieser strafrechtlichen Verfahrensgarantien rechtswidrig gewesen (vgl. WALDBURGER, IFF 2009, a.a.O., S. 100). Auch aus dem Urteil des EGMR Chambaz gegen Schweiz , vermögen die Beschwerdeführenden nichts zu ihren Gunsten abzuleiten. Im erwähnten Urteil hat der EGMR festgehalten, dass es, unter gewissen Umständen, notwendig sein könne, die Verfahrensgarantien von Art. 6 EMRK auf ein Verwaltungsverfahren anzuwenden, wenn es in einer Gesamtbetrachtung als Teil eines Strafverfahrens betrachtet werden müsse (vgl. § 43). Diese Rechtsprechung kann vorliegend nicht zur Anwendung gelangen, weil es sich beim Amtshilfeverfahren um ein Verwaltungsverfahren besonderer Art handelt. Dieses bezieht sich lediglich auf die Übermittlung von Informationen und Unterlagen, welche sich in der Verfügungsgewalt von Dritten befinden, ohne dass die von den Unterlagen betroffenen Personen selber Informationen oder Unterlagen liefern müssten, welche sie belasten könnten. Es trifft sie im vorliegenden Amtshilfeverfahren im Übrigen auch keine weitere Mitwirkungspflicht. Die Anwendung der strafprozessualen Verfahrensgarantien von Art. 6 EMRK ist daher für das Verfahren im ersuchten Staat grundsätzlich abzulehnen. 7. Die Beschwerdeführenden beziehen sich auf Art. 13 BV , Art. 8 EMRK und Art. 17 des Internationalen Paktes vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II; SR 0. 103.2) und machen geltend, im vorliegenden Fall fehle die notwendige gesetzliche oder staatsvertragliche Grundlage für einen Eingriff in ihre Privatsphäre. 7.1 Die wirtschaftlichen Verhältnisse einer Person gehören zu deren Privatsphäre, die einen Teilgehalt des Grundrechts auf Schutz der Privatsphäre gemäss Art. 13 BV und Art. 8 EMRK bildet. Als Einschränkung des Grundrechts auf Schutz der Privatsphäre dürfen Bankkundendaten unter den Voraussetzungen von Art. 36 BV bzw. BGE 139 II 404 S. 422 Art. 8 Ziff. 2 EMRK ins Ausland weitergegeben werden, d.h. sofern eine gesetzliche oder staatsvertragliche Grundlage und ein öffentliches Interesse daran besteht und die entsprechende Massnahme zudem dem Gebot der Verhältnismässigkeit entspricht (vgl. BGE 137 II 431 E. 2.1.2 S. 437 f.). Auch Zwangsmassnahmen dürfen nur unter den gleichen Voraussetzungen eingesetzt werden (vgl. ZIMMERMANN, a.a.O., N. 233). Was Art. 17 UNO-Pakt II anbelangt, ist zu bemerken, dass diese Bestimmung keinen weitergehenden Schutz gewährt als Art. 8 EMRK , sodass nicht gesondert darauf eingegangen werden muss (vgl. Urteil 2C_505/2009 vom 29. März 2010 E. 5.1). 7.2 In einem ersten Vorbringen argumentieren die Beschwerdeführenden, das anwendbare DBA-USA 96 lasse es nicht zu, dass Amtshilfe aufgrund von Ersuchen ohne Nennung der Namen der betroffenen Steuerpflichtigen, in der Form von sog. Gruppenanfragen, geleistet werde. 7.2.1 Das dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegende Amtshilfegesuch des IRS wurde gestützt auf Art. 26 DBA-USA 96 gestellt. Das DBA-USA 96 enthält keine ausdrücklichen Bestimmungen über die inhaltlichen Anforderungen, denen ein Amtshilfegesuch zu genügen hat (vgl. HONEGGER/KOLB, Amts- und Rechtshilfe: 10 Aktuelle Fragen, ASA 77 S. 789, 800). Art. 6 Abs. 2 StAhiG sieht diesbezüglich vor, dass das Ersuchen insbesondere folgende Angabe enthalten muss, sofern das anwendbare Abkommen keine Bestimmungen über den Inhalt eines Ersuchens enthält und sich aus dem Abkommen nichts anderes ableiten lässt: die Identität der betroffenen Person, wobei diese Identifikation auch auf andere Weise als durch Angabe des Namens und der Adresse erfolgen kann (lit. a). Das StAhiG ist auf das vorliegende Verfahren allerdings nicht anwendbar (vgl. oben E. 1.1). Bei der Auslegung und Anwendung eines Doppelbesteuerungsabkommens kann prinzipiell auf die sich aus dem Wiener Übereinkommen vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (VRK; SR 0.111) ergebenden Grundsätze abgestellt werden (vgl. Urteil 2A.239/2005 vom 28. November 2005 E. 3.4.1). Gemäss Art. 26 VRK bindet ein Abkommen die Vertragsparteien und ist von ihnen nach Treu und Glauben zu erfüllen. Somit haben die Vertragsstaaten eine zwischenstaatliche Übereinkunft nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen BGE 139 II 404 S. 423 in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen ( Art. 31 Abs. 1 und 2 VRK ). Gemäss Art. 31 Abs. 3 VRK sind, ausser dem Zusammenhang, in gleicher Weise zu berücksichtigen jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrags oder die Anwendung seiner Bestimmungen (lit. a), jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrags, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht (lit. b), sowie jeder in den Beziehungen zwischen den Vertragsparteien anwendbare einschlägige Völkerrechtssatz (lit. c). Die vorbereitenden Arbeiten und die Umstände des Vertragsabschlusses sind ergänzende Auslegungsmittel (vgl. Art. 32 VRK ; Urteile 2C_436/2011 vom 13. Dezember 2011 E. 3.3; 2A.239/2005 vom 28. November 2005 E. 3.4.1). 7.2.2 Der Amtshilfe nach Art. 26 Ziff. 1 DBA-USA 96 liegt gemäss Abkommenstext u.a. der Zweck zugrunde, Betrugsdelikte und dergleichen zu verhüten. Die Auskunftspflicht bezieht sich jedoch nicht nur auf vorbeugende Massnahmen. Die Auskunftspflicht besteht auch, wenn bereits ein Steuerbetrug begangen wurde (vgl. BGE 96 I 737 E. 3b S. 741). Die Verfolgung und Ahndung von Steuerdelikten dient dem Schutz der Ordnung, welche die Durchsetzung des Steueranspruchs gewährleisten soll (vgl. ANDREAS DONATSCH, in: Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht, Zweifel/Athanas [Hrsg.], Bd. I/2b, 2. Aufl. 2008, N. 7 zu Art. 186 DBG ). Der Umstand, dass hinreichende Anhaltspunkte für ein Delikt gegeben sind, stellt demnach die notwendige und gleichzeitig ausreichende Voraussetzung für die Gewährung der Amtshilfe dar. Die Sachlage ist diesbezüglich bei Amtshilfe für Steuerbetrug im Sinne von Art. 26 DBA-USA 96 nicht anders als bei der internationalen Amtshilfe in Börsenangelegenheiten nach Art. 38 Abs. 2 BEHG bezüglich der Verfolgung von Börsendelikten. Für diesen Bereich hat das Bundesgericht verlangt, dass die ausländische Aufsichtsbehörde den relevanten Sachverhalt darstellt, die gewünschten Auskünfte oder Unterlagen bezeichnet und den Grund ihres Ersuchens angibt. Die Beantwortung der Frage, ob hinreichende Verdachtsmomente bestehen, welche die Gewährung der Amtshilfe zu rechtfertigen vermögen, ist im Übrigen am Auftrag der ersuchenden Behörde zu messen (vgl. BGE 125 II 65 E. 6b/aa S. 73 f.). Aber auch in der Rechtsprechung zur internationalen Rechtshilfe in Strafsachen hat das Bundesgericht wiederholt festgehalten, die Rechtshilfemassnahmen müssten ihrem Zweck entsprechen und zu BGE 139 II 404 S. 424 ihm in einem ausgewogenen Verhältnis stehen; sie dürften nicht über das hinausgehen, was zu seiner Erreichung notwendig sei (vgl. Urteil 1A.254/1998 vom 1. April 1999 E. 4). Die Frage, welche Beweise zur Erhärtung des Verdachts erforderlich sind, ist dabei grundsätzlich dem Ermessen des ersuchenden Staates überlassen. Der ersuchte Staat ist im Allgemeinen gar nicht in der Lage, dies beurteilen zu können. Er verweigert daher die Beweismassnahmen für den im Rechtshilfeersuchen gültig umschriebenen Sachverhalt nicht, solange das Verhältnismässigkeitsprinzip nicht offensichtlich oder durch eindeutig überwiegende Gründe verletzt ist (vgl. Urteil 1A.254/1998 vom 1. April 1999 E. 4). Den mit dem ausländischen Begehren verlangten Beweismassnahmen ist in aller Regel nur dann nicht zu entsprechen, wenn sie keinen Zusammenhang mit der verfolgten Straftat aufweisen und offensichtlich für die Zwecke des Untersuchungsverfahrens ungeeignet sind, d.h. wenn das Ersuchen als blosser Vorwand für eine unzulässige Beweisausforschung dient (vgl. BGE 136 IV 83 E. 4.1 S. 85 f.; BGE 121 II 241 E. 3a S. 242 f.). Was im Bereich der internationalen Amtshilfe in Börsenangelegenheiten sowie bei der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen gilt, ist sinnvollerweise auch im Bereich der internationalen Amtshilfe in Steuerfragen zur Verfolgung von Steuerdelikten anzuwenden, denn so kann auch in Fiskalangelegenheiten eine kohärente internationale Zusammenarbeit gewährleistet werden (vgl. oben E. 2.1.2; Urteil 2A.219/2002 vom 14. Mai 2002 E. 2.2). Soweit die Behörden des ersuchenden Staates verpflichtet sind, den massgeblichen Sachverhalt darzulegen, kann von ihnen allerdings nicht erwartet werden, dass sie dies im Amtshilfegesuch bereits lückenlos und völlig widerspruchsfrei tun. Dies wäre mit Sinn und Zweck der Amtshilfe, wie mit jenem der Rechtshilfe, nicht vereinbar, sollen doch aufgrund von Informationen und Unterlagen, die sich im ersuchten Staat befinden, bisher im Dunkeln gebliebene Punkte erst noch geklärt werden (vgl. BGE 136 IV 4 E. 4.1 S. 8; BGE 117 Ib 64 E. 5c S. 88). So ist insbesondere die Tatsache, dass die Namen der Betroffenen im Rechtshilfegesuch nicht erwähnt werden, nicht entscheidend, sofern aus dem dargelegten Sachverhalt hervorgeht, dass sie in die Angelegenheit verwickelt sind (vgl. Urteil 1A.47/1995 vom 12. Mai 1995 E. 3b; ZIMMERMANN, a.a.O., N. 295; HONEGGER/KOLB, a.a.O., S. 799). Zur Entstehung eines individuellen Anfangsverdachts ist mit anderen Worten der Sachverhalt ausreichend. Der Verdacht gegenüber einer bestimmten Person als Täter ist nicht erforderlich. BGE 139 II 404 S. 425 Zu beachten ist, dass die Auskunftspflicht nach Art. 26 Ziff. 1 DBA- USA 96 im Vergleich zu Amtshilfeersuchen zum Zweck der ordentlichen Steuerveranlagung, wie sie die Schweiz seit der Übernahme des OECD-Standards in neueren Doppelbesteuerungsabkommen vorsieht (vgl. Medienmitteilung des Bundesrates vom 13. März 2009, im Internet abrufbar unter www.efd.admin.ch , Dokumentation/Medieninformationen/Medienmitteilungen ab 2005; URS BEHNISCH, Amtshilfe der Schweiz in Steuer(straf)sachen, insbesondere an die USA: Durcheinandertal [nachfolgend: Durcheinandertal], ASA 77 S. 737 S. 780 ff.), anderer Natur ist. Sie bezweckt die Verfolgung eines deliktischen Handelns, dessen Vorgehensweise genau bekannt ist, so dass durch die detaillierte Beschreibung dieser Vorgehensweise ein Rückschluss auf die konkrete Täterschaft und deren Identifikation erfolgen kann. Die Amtshilfe nach dem OECD-Standard hingegen bezweckt die Übermittlung von Daten zur ordentlichen Veranlagung bzw. zur Überprüfung der Veranlagung, ohne dass Hinweise auf ein Steuerdelikt vorhanden sein müssen. Die betroffenen Steuerpflichtigen können in diesem Fall nur schwer durch ihr Vorgehen identifiziert werden, so dass an ihre anderweitige Identifikation höhere Anforderungen zu stellen sind (vgl. Mise à jour de l'art. 26 du Modèle de convention fiscale de l'OCDE et du commentaire s'y rapportant, adoptée par le Conseil de l'OCDE le 17 juillet 2012 [nachfolgend: Mise à jour], § 5.2). Der spezifische Wortlaut von Art. 26 DBA-USA 96 und die Tatsache, dass zu dieser Regelung keine Protokollbestimmung besteht, welche Anforderungen an die Amtshilfeersuchen enthielte, lässt somit Ersuchen zu, welche die betroffenen Steuerpflichtigen nicht namentlich erwähnen (vgl. ROBERT WALDBURGER, Sind Gruppenersuchen an die Schweiz rechtlich zulässig? [nachfolgend: IFF 2013], IFF Forum für Steuerrecht 2013 S. 110 S. 123). 7.2.3 Das auch bei der Amtshilfe geltende Verbot der Beweisausforschung ist Ausdruck des Verhältnismässigkeitsprinzips, dem bei einem Eingriff in die verfassungsmässigen Rechte Rechnung getragen werden muss (vgl. oben E. 7.1). Art. 26 Abs. 1 des OECD-Musterabkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen benutzt den Begriff der voraussichtlichen Erheblichkeit der Information ("information as is foreseeably relevant"/"renseignements vraisemblablement pertinents"), gemeint ist aber auch hier die Verhältnismässigkeit der Informationsübermittlung und das Verbot der BGE 139 II 404 S. 426 Beweisausforschung (vgl. Mise à jour, a.a.O., § 5; ZIMMERMANN, a.a.O., N. 722). Verschiedene Angaben können die voraussichtliche Erheblichkeit der verlangten Informationen belegen. Die relevanten Texte erwähnen die Identität der betroffenen Person(en), aber auch den Steuerzweck, für den die Informationen verlangt werden (vgl. Botschaft zum Steueramtshilfegesetz, BBl 2011 S. 6193, 6206 f. zu Art. 6 Abs. 2; Kommentar zu Art. 5 Ziff. 5 des Accord-modèle de l'OCDE sur l'échange de renseignements en matière fiscale, in: Mise en oeuvre des standards de transparence fiscale, OECD [Hrsg.], 2010, S. 137 § 57). Nennt das Ersuchen keine Namen, sind die übrigen Umstände umso detaillierter zu beschreiben, damit die Notwendigkeit bzw. die voraussichtliche Erheblichkeit der Informationsübermittlung beurteilt werden kann und unzulässige Beweisausforschungen verhindert werden (vgl. Mise à jour, a.a.O., § 5.2). Das gilt insbesondere, falls ein Gesuch eine grosse Anzahl von Bankkunden betrifft (vgl. HONEGGER/KOLB, a.a.O., S. 800). An den Detaillierungsgrad der Darstellung des Sachverhalts sind somit hohe Anforderungen zu stellen, denn nur wenn der Sachverhalt genügend klar dargestellt wurde, kann das zulässige Ersuchen von einer verpönten Beweisausforschung abgegrenzt werden. Darüber hinausgehende Anforderungen an das Gesuch können allerdings nicht gestellt werden, denn wie bei der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen ist zu berücksichtigen, dass die Informationen, um deren Übermittlung ersucht wird, dazu dienen sollen, die noch offenen Fragen zu klären (vgl. oben E. 7.2.2). Soweit ein auf das DBA-USA 96 gestütztes Amtshilfegesuch die weiteren erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, macht das blosse Fehlen von Namens- und Personenangaben das Gesuch somit nicht zu einer unzulässigen Beweisausforschung. Auch mit fehlenden Namens- und Personenangaben kann ein solches Gesuch das Ziel verfolgen, Betrugsdelikte und dergleichen zu verhüten oder bereits verübte Betrugsdelikte oder dergleichen zu bekämpfen oder zu ahnden. Das DBA-USA 96 lässt keine verdachtslosen Gruppenanfragen zu (vgl. ALEXANDER M. GLUTZ, Beschwerde an das Bundesgericht gegen Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen, ASA 80 S. 713, 737 f.). Ergibt sich allerdings aus der Darstellung im Gesuch ein Verdacht auf Betrugsdelikte und dergleichen, ist somit darauf einzutreten, auch wenn es die Namen- und Personenangaben der betroffenen Steuerpflichtigen nicht enthält. Wie bei der Rechtshilfe in BGE 139 II 404 S. 427 Strafsachen und der Amtshilfe in Börsenangelegenheiten ist jedoch auch bei der Steueramtshilfe im Falle eines Verfahrens gegen Unbekannt zu verlangen, dass die Anforderungen an die Sachverhaltsdarstellung umso konkreter sein müssen (vgl. HONEGGER/KOLB, a.a.O., S. 800; BEHNISCH, Durcheinandertal, a.a.O., S. 754 f.). 7.2.4 Die Beschwerdeführenden vertreten die Ansicht, es ergäbe sich aus den parlamentarischen Debatten und den Materialien, dass unter dem DBA-USA 96 keine Gruppenanfragen zulässig seien. Sie verweisen auf die Verordnung vom 16. Januar 2013 über die Amtshilfe bei Gruppenersuchen nach internationalen Steuerabkommen (SR 672.51; nachfolgend: Verordnung über Gruppenersuchen), das Abkommen vom 19. August 2009 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika über ein Amtshilfegesuch des Internal Revenue Service der Vereinigten Staaten von Amerika betreffend UBS AG, einer nach schweizerischem Recht errichteten Aktiengesellschaft (SR 0.672.933.612; nachfolgend: UBS-Abkommen) sowie das Protokoll 09 und die entsprechende Botschaft des Bundesrates. Die Verordnung über Gruppenersuchen sieht vor, dass Ersuchen nach internationalen Steuerabkommen, die die betroffenen Personen anhand eines Verhaltensmusters bestimmen, nur zulässig sind für Informationen über Sachverhalte, welche die Zeit ab Inkrafttreten des StAhiG betreffen (Art. 1 Abs. 1). Allerdings sieht die gleiche Verordnung auch vor, dass abweichende Bestimmungen des im Einzelfall anwendbaren Abkommens vorbehalten sind (Art. 1 Abs. 2). Lässt somit das DBA-USA 96 Ersuchen zu, bei denen die betroffenen Personen nicht mit Namen, sondern anhand der ihnen vorgeworfenen Verhaltensweise bezeichnet werden (vgl. oben E. 7.2.3), so steht die Verordnung über Gruppenersuchen einem derartigen Amtshilfegesuch nicht entgegen. Das UBS-Abkommen, welches vor seiner Genehmigung durch das Parlament lediglich eine Verständigungsvereinbarung war (vgl. Urteil des BVGer A-7789/2009 vom 21. Januar 2010 E. 5.5), wurde abgeschlossen, um auch Fälle von schwerer fortgesetzter Steuerhinterziehung amtshilfefähig zu machen. Diese Fälle erfüllten gemäss dem dannzumal letztinstanzlich zuständigen Bundesverwaltungsgericht die Anforderungen an Betrugsdelikte und dergleichen gemäss Art. 26 Ziff. 1 DBA-USA 96 nicht, sodass das entsprechende Gesuch des IRS nicht amtshilfefähig war (vgl. Urteil des BVGer BGE 139 II 404 S. 428 A-7789/2009 vom 21. Januar 2010 E. 6.7.1). Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, bei den umschriebenen Fällen erschöpfe sich die Tathandlung im blossen Nichteinreichen eines Formulars, sodass bei Fehlen jeglicher Zusatzhandlung kein betrügerisches Verhalten erblickt werden könne (vgl. Urteil des BVGer A-7789/2009 vom 21. Januar 2010 E. 6.5). In der Folge wurde das UBS-Abkommen am 17. Juni 2010 vom Parlament genehmigt. Es wurde dadurch zum eigenständigen Staatsvertrag, der weiter ging als das DBA-USA 96 und die Leistung von Amtshilfe nicht nur bei Steuerbetrug, sondern auch bei fortgesetzter, schwerer Steuerhinterziehung ermöglichte (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 14. April 2010 zur Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika über ein Amtshilfegesuch betreffend UBS AG sowie des Änderungsprotokolls, BBl 2010 2965, 2980 f. Ziff. 4.7 und 2985 f. Ziff. 6). Die Genehmigung des UBS-Abkommens durch das Parlament war somit nicht notwendig, um Gruppenersuchen zuzulassen, sondern um die Liste der amtshilfefähigen Delikte zu erweitern. Die Feststellung des Bundesrates, das gewählte Vorgehen mit der Anwendung bestimmter abstrakter Kriterien zur Identifikation der betreffenden Steuerpflichtigen unter Verzicht auf eine konkrete Namensangabe entspreche nicht den meisten bisher durchgeführten Amtshilfeverfahren (vgl. BBl 2010 2974 Ziff. 3) bedeutet daher nicht, dass solche Amtshilfeersuchen unter dem DBA-USA 96 nicht zulässig gewesen wären, sondern nur, dass bislang keine gestellt worden waren. Aufgrund dieser Sachlage können die Beschwerdeführenden aus dem UBS-Abkommen nichts zu ihren Gunsten ableiten. In der Botschaft zum Protokoll 09 wies der Bundesrat darauf hin, dass sich der Informationsaustausch nach diesem Protokoll - dessen Inkrafttreten immer noch aussteht - auf konkrete Anfragen im Einzelfall beschränken werde und dass eine eindeutige Identifikation der betroffenen steuerpflichtigen Person, typischerweise mit dem Namen, verlangt werde (vgl. Botschaft vom 27. November 2009 zur Genehmigung eines Protokolls zur Änderung des DBA-USA, BBl 2010 235, 242 zu Art. 4 lit. a). Diese Äusserung erklärt sich dadurch, dass die Auskunftspflicht nach Art. 26 Ziff. 1 DBA-USA 96 im Vergleich zu Amtshilfeersuchen zum Zweck der ordentlichen Steuerveranlagung, wie sie die Schweiz seit der Übernahme des OECD-Standards in neueren Doppelbesteuerungsabkommen vorsieht, anderer Natur ist (vgl. oben E. 7.2.2). Im Rahmen des BGE 139 II 404 S. 429 Genehmigungsverfahrens zum UBS-Abkommen wies der Bundesrat denn auch ausdrücklich darauf hin, dass mit dem Inkrafttreten des Protokolls 09 die Interpretation des Begriffs Betrugsdelikte und dergleichen keine Rolle mehr spielen werde und die Voraussetzung der Namensnennung des betroffenen Steuerpflichtigen für ein Amtshilfegesuch im Unterschied zum geltenden DBA-USA 96 staatsvertraglich verankert sein würde (vgl. BBl 2010 2974 Ziff. 3). Auch diese Bemerkung kann nur dahin gehend verstanden werden, dass Ersuchen ohne namentliche Identifikation unter dem DBA-USA 96 als zulässig erachtet wurden, dies aber für die Amtshilfe zur ordentlichen Steuerveranlagung nicht gelten sollte. E contrario und entgegen den diesbezüglichen Ausführungen der Beschwerdeführenden ist daher auch daraus abzuleiten, dass Amtshilfeersuchen über Handlungen, die als Betrugsdelikte und dergleichen zu qualifizieren sind, durch das DBA-USA 96 gedeckt sind, unabhängig davon, ob sich der Verdacht auf eine oder mehrere Personen bezieht und ob diese im Ersuchen namentlich erwähnt werden. 7.2.5 Die Beschwerdeführenden sind weiter der Ansicht, auch wenn Gruppenanfragen neuerdings zulässig wären, könnte dies keine Rückwirkung bis ins Jahr 2002 entfalten. Sie beziehen sich auf das am 23. September 2009 unterzeichnete Protokoll 09, das noch nicht in Kraft getreten ist (vgl. oben E. 1.2), welches die Identifikation der betroffenen Person mittels Namen nur noch typischerweise und nicht mehr zwingend vorschreibe, jedoch ausdrücklich auf die Steuerperioden nach der Unterzeichnung begrenzt sei. Art. 26 DBA-USA 96 in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung ist auf die Steuerperioden, für welche der IRS Informationen verlangt, nämlich die Jahre 2002 bis und mit 2010, anwendbar (vgl. oben E. 1.1). Es wurde zudem festgestellt, dass auf ein auf Art. 26 DBA-USA 96 abgestütztes Gesuch einzutreten ist, wenn sich aus der Darstellung im Gesuch ein Verdacht auf Betrugsdelikte und dergleichen ergibt, auch wenn es die Namen- und Personenangaben der betroffenen Steuerpflichtigen nicht enthält (vgl. oben E. 7.2.3). Von einer Rückwirkung kann unter diesen Voraussetzungen keine Rede sein. 7.2.6 Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass auf ein auf Art. 26 DBA-USA 96 gestütztes Amtshilfegesuch, das die Namen der betroffenen Steuerpflichtigen nicht erwähnt, grundsätzlich einzutreten ist, sofern die Darstellung des Sachverhalts genügend BGE 139 II 404 S. 430 detailliert ist, um einen Verdacht auf Betrugsdelikte und dergleichen zu ergeben und die Identifikation der gesuchten Personen zu ermöglichen. 7.3 Es fragt sich weiter, wie detailliert die Angaben zum Informationsinhaber sein müssen, um das Amtshilfeersuchen nicht als unzulässige Beweisausforschung zu qualifizieren. 7.3.1 In Art. 26 DBA-USA 96 wird die Angabe des Namens des Informationsinhabers nicht ausdrücklich verlangt (vgl. oben E. 7.2.1). Art. 6 Abs. 2 lit. e StAhiG sieht diesbezüglich vor, dass das Ersuchen den Namen und die Adresse des mutmasslichen Informationsinhabers, soweit bekannt , enthalten sollte. Wie erwähnt, ist das StAhiG auf das vorliegende Verfahren allerdings nicht anwendbar (vgl. oben E. 1.1). 7.3.2 Da ein Amtshilfegesuch dem Verhältnismässigkeitsprinzip entsprechen (vgl. oben E. 7.1) und zudem praktikabel sein muss, muss der Informationsinhaber - wie die betroffene Person - mit einem für den ersuchten Staat zumutbaren Aufwand identifiziert werden können. Der internationale Standard sieht vor, dass ein Gesuch den Informationsinhaber am besten durch die Angabe des Namens identifiziert. Er lässt es aber auch zu, dass in einem Amtshilfegesuch der Informationsinhaber nicht angegeben wird. Soweit mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit vereinbar, sind deshalb nach internationalem Standard auch Gesuche ohne Identifikation des Informationsinhabers zu beantworten (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 6. April 2011 zur Ergänzung der am 18. Juni 2010 von der Schweizerischen Bundesversammlung genehmigten Doppelbesteuerungsabkommen, BBl 2011 3749, 3754 Zif. 1.1). Gesuche, die den Informationsinhaber nicht bezeichnen, sind von der Schweiz grundsätzlich ebenfalls zu beantworten. Weil sich ohne diese Angaben die Informationssuche schwierig gestalten kann, lässt der internationale Standard immerhin zu, solche Gesuche aus Gründen der Proportionalität (d.h. Verhältnismässigkeit) und Praktikabilität (Durchführbarkeit) abzuweisen. Die zuständige Behörde ist beispielsweise nicht verpflichtet, zur Beantwortung eines Amtshilfegesuchs sämtliche der mehr als 300 in der Schweiz tätigen Banken anzufragen. Kommen hingegen beispielsweise nur drei Banken als Informationsinhaber in Frage, so ist die EStV auch ohne Angabe des Namens und der Adresse verpflichtet, diese anzufragen, sofern die Umstände im Gesuch schlüssig dargetan sind (vgl. BBl 2011 3749, 3757 Ziff. 2.2). BGE 139 II 404 S. 431 7.3.3 Das Amtshilfeersuchen des IRS im vorliegenden Fall betrifft in den USA steuerpflichtige Personen, die bei der Credit Suisse Group AG und ihren Niederlassungen oder Tochtergesellschaften in der Schweiz Konten eröffnet oder gehalten hatten. Im Sinne der vorstehenden Erwägung zum Informationsinhaber genügt diese Beschreibung den Anforderungen, um nicht als unzulässige Beweisausforschung zu gelten. Der Einwand, dass es sich bei der Bank A. AG - bei welchen die fragliche Geschäftsbeziehung geführt wurde - um eine juristisch eigenständige Tochtergesellschaft der Credit Suisse Group AG handelte, ist umso unberechtigter, als die Aktiven und Passiven der Bank A. AG gemäss dem am 5. April 2012 publizierten Eintrag in das Handelsregister - welchen das Bundesgericht von Amtes wegen berücksichtigen kann (vgl. BGE 138 II 557 E. 6.2 S. 563 f.) - infolge Fusion auf die Credit Suisse AG übergegangen sind. Den Anforderungen an die Verhältnismässigkeit wäre allerdings ebenfalls Genüge getan, wenn das Ersuchen drei völlig voneinander unabhängige Banken betreffen würde, bei denen der gleiche Steuerpflichtige Konten unterhalten könnte. Gemäss dem von der Vorinstanz dargestellten Sachverhalt ist der IRS zudem im Besitz von Informationen, welche Kunden verschiedener Einheiten der Credit Suisse Group AG betreffen. Wenn er in seiner Beschreibung des relevanten Sachverhalts von der Credit Suisse spricht, sind also jeweils eine oder mehrere der Gesellschaften der ganzen Bankengruppe gemeint. Wenn der IRS um Informationen ersucht über in den USA steuerpflichtige Personen, die bei der Credit Suisse Group AG und ihren Niederlassungen oder Tochtergesellschaften in der Schweiz Konten eröffnet oder gehalten hatten, ist sein Ersuchen somit nicht zu beanstanden. 8. Die Beschwerdeführenden machen geltend, dass das Amtshilfeersuchen des IRS vom 3. Juli 2012, welches das vorliegende Verfahren auslöste, den gleichen Sachverhalt betreffe wie das Amtshilfeersuchen des IRS vom 26. September 2011, welches vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 5. April 2012 endgültig als nicht amtshilfefähig beurteilt wurde. Sie sind der Ansicht, das angefochtene Urteil vom 13. März 2013 verletze damit den Grundsatz der res iudicata. 8.1 Verfügungen erwachsen in formelle Rechtskraft, sofern gegen sie nicht innert nützlicher Frist Beschwerde erhoben wurde (vgl. BGE 139 III 120 E. 3.1.1 S. 122 f.; Urteil 5A_866/2012 vom 1. Februar 2013 E. 4.1). Im vorliegenden Fall ist nicht streitig, dass das BGE 139 II 404 S. 432 gegen die Beschwerdeführenden gerichtete Amtshilfeverfahren, welches vom IRS am 26. September 2011 eingeleitet wurde, am 11. Mai 2012 in Folge der Wiedererwägung durch die EStV abgeschrieben worden ist, so dass keine Amtshilfe geleistet worden ist. Dieser Wiedererwägungsentscheid ist in formelle Rechtskraft erwachsen. 8.2 Materielle Rechtskraft liegt vor, wenn der streitige Anspruch mit einem schon rechtskräftig beurteilten identisch ist. Dies trifft zu, falls der Anspruch dem Richter aus demselben Rechtsgrund und gestützt auf denselben Sachverhalt erneut zur Beurteilung unterbreitet wird (vgl. BGE 139 III 126 E. 3.1 S. 128 f.; BGE 121 III 474 E. 4a S. 477). Auf dem Gebiet der Rechtshilfe kommt, wie das Bundesgericht wiederholt festgehalten hat, dem Begriff der materiellen Rechtskraft nur eine sehr eingeschränkte Bedeutung zu (vgl. BGE 136 IV 4 E. 6.4 S. 11 f.; BGE 121 II 93 E. 3b S. 95; Urteil 2C_806/2011 vom 20. März 2012 E. 5.1; je mit Hinweisen). Das Rechtshilfeverfahren ist ein Verwaltungsverfahren mit internationalen Bezügen. Aus diesem Grund lässt die Rechtsprechung auch die Erneuerung von Rechtshilfegesuchen zu, die durch ein Gerichtsurteil abgelehnt wurden, sofern zu denjenigen Tatsachen, die im Urteil behandelt worden sind, weitere Umstände von einer gewissen Bedeutung hinzutreten (vgl. Urteil 1A.87/1997 vom 10. Dezember 1997 E. 2, nicht publ. in: BGE 123 II 595 ; BGE 111 Ib 242 E. 6 S. 251). Nichts hindert zudem den ersuchenden Staat daran, sein Gesuch aufgrund von neuen Tatsachen oder einer neuen Rechtslage zu ergänzen oder zu erneuern, neue Massnahmen aufgrund des gleichen Sachverhalts zu verlangen oder den ersuchten Staat aufzufordern, über im ersten Verfahren offengelassene Punkte zu entscheiden (vgl. BGE 136 IV 4 E. 6.4 S. 11 f.; Urteil 2C_806/2011 vom 20. März 2012 E. 5.1). Es ist nicht einzusehen, aus welchen Gründen diese für die internationale Rechtshilfe in Strafsachen entwickelte Rechtsprechung nicht auch für die internationale Amtshilfe in Steuerangelegenheiten gelten sollte (vgl. oben E. 2.1.2). 8.3 Mit Urteil A-737/2012 vom 5. April 2012 hat das Bundesverwaltungsgericht festgehalten, dass den Kriterien des Amtshilfeersuchens des IRS vom 26. September 2011, die zur Identifikation der betroffenen Personen führen sollten, keine Hinweise auf das Vorliegen von Betrugsdelikten und dergleichen zu entnehmen seien. Es BGE 139 II 404 S. 433 würden insbesondere keine arglistigen oder betrügerischen Handlungen oder Anhaltspunkte, die auf solche hinweisen, genannt. Die Kriterien seien nicht so formuliert, dass den betroffenen Kunden mit hoher Wahrscheinlichkeit tatsächlich ein amtshilfefähiges Betrugsdelikt zur Last gelegt werden könne. Nachdem gerichtlich festgestellt worden war, dass das Amtshilfegesuch des IRS vom 26. September 2011 die notwendigen Anforderungen nicht erfüllte, war es aufgrund der erwähnten Rechtsprechung dem IRS freigestellt, ein neues, verbessertes Gesuch zu stellen, das die Anforderungen erfüllt. Im vorliegenden Verfahren ist somit nunmehr zu prüfen, ob diese Anforderungen erfüllt sind. 9. Es gilt somit zu prüfen, ob das Bundesverwaltungsgericht berechtigterweise zum Schluss kommen durfte, dass sich aus dem im Amtshilfegesuch des IRS vom 3. Juli 2012 geschilderten Sachverhalt der begründete Verdacht ergibt, es seien amtshilfefähige Delikte begangen worden. 9.1 Gemäss Art. 26 Ziff. 1 DBA-USA 96 werden die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten unter sich diejenigen Auskünfte austauschen, die für die Durchführung der Bestimmungen des Abkommens oder für die Verhütung von Betrugsdelikten und dergleichen, die eine unter das Abkommen fallende Steuer zum Gegenstand haben, notwendig sind. In Fällen von Steuerbetrug ist zudem der Informationsaustausch nicht durch Artikel 1 (Persönlicher Geltungsbereich) eingeschränkt. Massgeblich ist somit einzig der sachliche Geltungsbereich des DBA-USA 96. Art. 2 Abs. 2 lit. b DBA-USA 96 bestimmt diesbezüglich, dass das Abkommen insbesondere für die aufgrund des Internal Revenue Code erhobenen Bundeseinkommenssteuern gilt. Nach Art. 2 Abs. 3 DBA-USA 96 gilt das Abkommen zudem für alle Steuern gleicher oder im Wesentlichen ähnlicher Art, die nach der Unterzeichnung des Abkommens neben den bestehenden Steuern oder an deren Stelle erhoben werden. 9.2 Die USA erheben eine Quellensteuer auf Zinsen und Dividenden aus amerikanischen Wertschriften (zum System der Steuererhebung, vgl. unten E. 9.7.1). Es handelt sich um eine reine Sicherungssteuer (vgl. WALDBURGER, IFF 2009, a.a.O., S. 104). Diese Quellensteuer ist eine Bundeseinkommenssteuer, welche im Internal Revenue Code geregelt wird (vgl. Internal Revenue code enacted by Congress in title 26 of the United States Code, insb. 26 USC § 3406 - Backup with-holding, unter BGE 139 II 404 S. 434 www.law.cornell.edu/uscode/text/26/3406 [besucht am 1. Mai 2013]; URS BEHNISCH, Amtshilfe in Steuersachen an die USA: Zur Bedeutung der QI-Normen [nachfolgend: QI], Jusletter vom 26. Januar 2009 Rz. 6; WALDBURGER, IFF 2009, a.a.O., S. 104). Sie fällt somit in den sachlichen Anwendungsbereich von Art. 26 DBA-USA 96 und ist daher grundsätzlich amtshilfefähig. 9.3 Das amerikanische Recht kennt den für die Anwendung von Art. 26 DBA-USA 96 aus Schweizer Sicht massgebenden Unterschied zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug nicht. Deshalb wird in Ziff. 10 des am 2. Oktober 1996 unterzeichneten Protokolls (nachfolgend: Protokoll 96) der Begriff des Steuerbetrugs umschrieben, und zwar in Anlehnung an die damalige bundesgerichtliche Rechtsprechung bei der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 10. März 1997 über ein Doppelbesteuerungsabkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika, BBl 1997 II 1085, 1099 zu Art. 26). Gemäss Ziff. 10 Protokoll 96 muss ein Abgabebetrug nicht notwendigerweise durch Verwendung falscher oder gefälschter Urkunden begangen werden. Ein betrügerisches Verhalten wird auch angenommen, wenn ein Steuerpflichtiger sich zum Zwecke der Täuschung der Steuerbehörden einer falschen oder gefälschten Urkunde oder eines Lügengebäudes bedient oder zu bedienen beabsichtigt (vgl. Ziff. 10 Abs. 2 Protokoll 96). Nach der Rechtsprechung sind jedoch immer besondere Machenschaften, Kniffe oder ein eigentliches Lügengebäude erforderlich. Eine einfache Lüge erfüllt das Arglistelement nicht (vgl. Urteil 2A.608/2005 vom 10. August 2006 E. 1, mit weiteren Hinweisen). 9.4 Bei der Auslegung des Begriffs der Betrugsdelikte und dergleichen nach Art. 26 DBA-USA 96 und Ziff. 10 Protokoll 96 ist vom Begriff des Abgabebetrugs nach Art. 14 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR; SR 313.0) auszugehen. Gemäss Art. 24 Abs. 1 der Verordnung vom 24. Februar 1982 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSV; SR 351.11) bestimmt sich der Begriff des Abgabebetrugs in der Rechtshilfe nach Art. 14 Abs. 2. Danach liegt ein Abgabebetrug vor, wenn der Täter durch sein arglistiges Verhalten bewirkt, dass dem Gemeinwesen unrechtmässig und in einem erheblichen Betrag eine Abgabe, ein Beitrag oder eine andere Leistung vorenthalten oder dass es sonst BGE 139 II 404 S. 435 am Vermögen geschädigt wird. Das arglistige Verhalten wird dadurch umschrieben, dass der Täter die Behörde durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder sie in einem Irrtum arglistig bestärkt (vgl. Art. 14 Abs. 1 VStrR ). Der damit umschriebene Tatbestand ist weiter als jener des Steuerbetrugs gemäss Art. 186 DBG (SR 642.11; vgl. BGE 125 II 250 E. 3a S. 252). Steuerbetrug begeht, wer zum Zwecke der Steuerhinterziehung gefälschte, verfälschte oder inhaltlich unwahre Urkunden zur Täuschung gebraucht ( Art. 186 DBG ), wobei Steuerhinterziehung das Verhalten ist, durch welches vorsätzlich oder fahrlässig bewirkt wird, dass eine Veranlagung zu Unrecht unterbleibt oder dass eine rechtskräftige Veranlagung unvollständig ist ( Art. 175 DBG ). Ein Abgabebetrug muss nicht notwendigerweise durch Verwendung falscher oder gefälschter Urkunden begangen werden, sondern es sind auch andere Fälle arglistiger Täuschung denkbar. Nach der Rechtsprechung sind jedoch immer besondere Machenschaften, Kniffe oder ganze Lügengebäude erforderlich, damit eine arglistige Täuschung anzunehmen ist. Unter Umständen kann allerdings auch blosses Schweigen arglistig sein, wenn der Täuschende den Getäuschten von einer möglichen Überprüfung abhält oder voraussieht, dass dieser mit Rücksicht auf ein besonderes Vertrauensverhältnis von einer Überprüfung absehen wird (vgl. BGE 125 II 250 E. 3b S. 252). Als erheblich im Sinne von Art. 14 Abs. 2 VStrR gelten vorenthaltene Beträge ab Fr. 15'000.- (vgl. Urteil 6B_79/2011 vom 5. August 2011 E. 6.3.4). Besondere Machenschaften und damit ein arglistiges Verhalten müssen insbesondere bejaht werden, wenn eine Domizilgesellschaft einzig zum Zwecke gegründet wird, die steuerrechtlich relevanten Verhältnisse zu verschleiern und die Steuerbehörde zu täuschen, soweit die Täuschung für diese nur schwer durchschaubar ist (vgl. Urteil 6B_79/2011 vom 5. August 2011 E. 6.5.3). Die (einfache) Lüge durch Nichtdeklaration eines Einkommens und die auf Nachfrage der Steuerbehörde abgegebene Wiederholung dieser Lüge kann die Anforderungen an die Arglist nicht erfüllen. Entscheidend ist vielmehr, was der Steuerpflichtige im Hintergrund bereits vorgekehrt hat, um die Überprüfung seiner Deklaration zu erschweren oder gar zu verhindern. Auch im Bereich der internationalen Rechtshilfe betreffend Steuerdelikte hat das Bundesgericht festgehalten, dass Steuereinsparungs- bzw. Steuervermeidungsstrategien, welche sich auf die Ausschöpfung legaler Instrumente des Gesellschafts- und Fiskalrechts BGE 139 II 404 S. 436 beschränken, wie z.B. die blosse Errichtung von steuerprivilegierten Domizilgesellschaften, grundsätzlich für sich alleine nicht als strafbare arglistige Täuschungsmethoden zu qualifizieren sind. Rechtshilfe sei jedoch zu gewähren, wenn täuschende Vorkehren hinzutreten, die von der Fiskalbehörde - bei einer Gesamtwürdigung der fraglichen Steuerumgehungsmethode - nur schwer durchschaut werden können (vgl. Urteil 1A.244/2002 vom 24. Oktober 2003 E. 5.1 mit Hinweisen). 9.5 Es entspricht im Übrigen einem feststehenden Grundsatz der internationalen Rechtshilfe, dass sich die schweizerischen Behörden beim Entscheid über die Frage, ob der Verdacht auf Steuerbetrug begründet erscheint, allein an die Darstellung des Sachverhalts im Ersuchen zu halten haben, soweit dieser nicht offensichtliche Fehler, Lücken oder Widersprüche enthält. Was die internationale Rechtshilfe in Fällen von Abgabebetrug betrifft, verlangt die Rechtsprechung von der ersuchenden Behörde nicht den strikten Beweis des Tatbestands, doch muss sie hinreichende Verdachtsmomente für dessen Vorliegen dartun. Damit soll verhindert werden, dass sich die ersuchende Behörde unter dem Vorwand des lediglich behaupteten Abgabebetruges Beweise beschafft, die zur Ahndung anderer Fiskaldelikte dienen sollen, für welche die Schweiz die Rechtshilfe nicht gewährt. Ein hinreichender Verdacht auf Steuerbetrug wurde seit jeher auch im Falle der Rechtshilfe nach den Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und den USA verlangt (vgl. Urteil 2A.608/2005 vom 10. August 2006 E. 2 mit Hinweisen). Die EStV hat kein eigentliches Beweisverfahren durchzuführen. Sie kann (und muss) eigene Abklärungen vornehmen zur Frage, ob der Verdacht auf Steuerbetrug begründet scheint, und sie hat vor Übermittlung der Dokumente an den ersuchenden Staat zu prüfen, ob diese zum Beweis des im Amtshilfegesuch geäusserten Verdachts geeignet sind. Darin erschöpfen sich aber auch bereits die Untersuchungen (vgl. Urteil 2A.608/2005 vom 10. August 2006 E. 2). Es kann nicht Aufgabe der ersuchten Instanz sein, bei der Prüfung ihrer Auskunftspflicht gleichsam wie ein Strafrichter zu untersuchen, ob im konkreten Fall alle Merkmale des Steuerbetrugs erfüllt seien. Die Auskunft soll ja im Gegenteil den Behörden des ersuchenden Staates erst die endgültige Beurteilung ermöglichen. Die Auskunft ist zu erteilen, wenn die im Zeitpunkt des Entscheides über das Gesuch, also in aller Regel nach der Vornahme der eigenen Abklärungen, feststehenden Tatsachen den Verdacht auf BGE 139 II 404 S. 437 Steuerbetrug und dergleichen genügend begründen (vgl. Urteil 2A.551/2001 vom 12. April 2002 E. 4). 9.6 Gemäss den unbestrittenen Feststellungen der Vorinstanz (vgl. Art. 105 Abs. 1 BGG ) werden im Amtshilfegesuch des IRS vom 3. Juli 2012 folgende Sachverhaltselemente genannt, die darauf hindeuten würden, die betroffenen Kunden stünden unter dem Verdacht, ein Betrugsdelikt und dergleichen im Sinne von Art. 26 DBA- USA 96 begangen zu haben: - Das Konto wird von einer Domizilgesellschaft gehalten, an der eine US-Person wirtschaftlich berechtigt ist; - Im Depot werden US-Wertschriften gehalten; - Zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen 2002 und 2010 lagen im Depot mehr als USD 50'000.-; - Bei der CS besteht keine Aufzeichnung über die rechtzeitige Einreichung eines richtigen Formulars 1099, das den US-wirtschaftlich Berechtigten am Depot nennt und auf welchem dem IRS alle Zahlungen an den US-wirtschaftlich Berechtigten gemeldet werden; - Es besteht ein Widerspruch zwischen dem Formular A und dem Formular W-8BEN (oder einem gleichwertigen Dokument) oder für das Depot wurde kein Formular W-8 und kein Formular W-9 ausgefüllt; - Es gibt Hinweise ("evidence"), dass der US-wirtschaftlich Berechtigte die Kontrolle über das Depot ausübte in Verletzung der "corporate governance", indem er zum Beispiel der Bank das Konto der Domizilgesellschaft betreffende Anlageinstruktionen erteilte, ohne autorisierte Person ("authorized officer"), Trustee oder Direktor der Domizilgesellschaft zu sein oder ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung der Domizilgesellschaft oder indem er vom Konto der Domizilgesellschaft Geld für den persönlichen Gebrauch bezog. 9.7 Um zu beurteilen, ob diese Sachverhaltsdarstellung das Vorliegen eines Betrugsdeliktes im Sinne von Art. 26 Ziff. 1 DBA-USA 96 nachzuweisen vermag, ist die Funktionsweise des amerikanischen Quellensteuersystems, das in den Jahren 2002 bis 2010 Gültigkeit hatte, zu berücksichtigen, welches sich wie folgt präsentierte. 9.7.1 Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2001 wurde in den USA ein neues Quellensteuer-Entlastungsverfahren für US-Wertschriften eingeführt. Das erklärte Ziel der amerikanischen Steuerbehörden war es, mit den neuen Regeln die korrekte Besteuerung von Personen, die in den USA steuerpflichtig sind, sicherzustellen. Staatsbürger der USA, in den USA ansässige Ausländer und Personen, die über BGE 139 II 404 S. 438 ein Einwanderungsvisum verfügen (im Folgenden gemeinsam als "US-Persons" bezeichnet), unterliegen mit ihrem gesamten weltweiten Einkommen der amerikanischen Besteuerung (vgl. MARC BAUEN, Das internationale Steuerrecht der USA, 2. Aufl. 2007, N. 12, 18 und 369). Gemäss dem neuen Verfahren (sog. QI-Verfahren) wurde von der "US-Person", die US-Wertschriften hält und die Entlastung von der Quellensteuer beansprucht, verlangt, dass sie das Formular W-9 unter Offenlegung ihres Namens und der Angabe der Steuernummer einreicht. Die amerikanische Zahlstelle musste ihrerseits gegenüber den Steuerbehörden die standardisierte Meldung mittels Formular 1099 vornehmen, in welchem die Informationen der Formulare W-9 der Kunden zusammengefasst wurden. Alle übrigen Investoren ("non-US-Persons"), welche eine Entlastung von der Quellensteuer beanspruchen wollten, mussten der amerikanischen Zahlstelle ein Formular W-8BEN abliefern, welches von der Person, die an den US-Wertschriften und den Erträgen daraus wirtschaftlich berechtigt ist, auszustellen und zu unterzeichnen war. Als Alternative zu diesem Einzelreporting hatten nicht in den USA domizilierte Banken die Möglichkeit, mit dem IRS ein sog. "Qualified Intermediary Agreement" (QIA) abzuschliessen. Durch das QIA werden Kompetenzen und Pflichten bezüglich US-Quellensteuern, die sonst eine US-Depotstelle wahrnimmt, in beschränktem Umfang dem vertragsschliessenden Finanzinstitut (QI) delegiert. Der QI kann seine Kunden anhand der offiziellen Formulare des IRS identifizieren, darf für die Zwecke der US-Quellensteuer allerdings alternativ auch die allgemeinen "Know your customer"-Regeln anwenden (vgl. BEHNISCH, QI, a.a.O., Rz. 17). In der Schweiz ergeben sich diese aus Art. 3 und 4 des Bundesgesetzes vom 10. Oktober 1997 über die Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung im Finanzsektor (GwG; SR 955.0), wonach der Finanzintermediär bei der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen die Vertragspartei aufgrund eines beweiskräftigen Dokumentes identifizieren ( Art. 3 Abs. 1 GwG ) und von der Vertragspartei eine schriftliche Erklärung darüber einholen muss, wer die wirtschaftlich berechtigte Person ist, insbesondere wenn die Vertragspartei eine Sitzgesellschaft ist ( Art. 4 Abs. 1 lit. b GwG ). Nach dem Identifikationsvorgang muss der QI wissen, ob sein Kunde eine US-Person ist, ob er der wirtschaftlich Berechtigte an den Vermögenswerten ist oder ob es sich um einen Intermediär handelt, der die Vermögenswerte für einen Dritten hält (vgl. BEHNISCH, QI, a.a.O., Rz. 18). BGE 139 II 404 S. 439 Gestützt auf ein Formular W-8BEN oder andere schlüssige Dokumente kann der QI die Identifikation einer non-US-Person vornehmen und für diese die Entlastung von der US-Quellensteuer auf Zinsen und Dividenden bewirken, ohne gegenüber dem IRS und der amerikanischen Zahlstelle die Identität seines Kunden offenlegen zu müssen. Für die US-Person jedoch muss der QI weiterhin das Formular W-9 der US-Depotbank weiterleiten. Allerdings durfte der US-Depotstelle das Formular W-9 nur eingereicht werden, wenn der Kunde auf das Bankgeheimnis verzichtet. Wollte eine US-Person nicht auf den Schutz des Bankgeheimnisses verzichten, durfte der QI für diesen Kunden keine US-Wertschriften erwerben bzw. noch bestehende US-Investments mussten abgebaut werden (zum Ganzen vgl. BEHNISCH, QI, a.a.O., Rz. 5-11; ROLF SCHILLING, Auswirkungen des neuen US-Quellensteuerregimes ab 1. Januar 2001 [nachfolgend: Auswirkungen], [TREX] 2000 S. 68). 9.7.2 Das gesamte QI-Verfahren beruht auf der besonderen Regelung des Verhältnisses zwischen dem IRS, den QI und den Steuerpflichtigen. Dieses Verhältnis zeichnet sich dadurch aus, dass der IRS faktisch einen wesentlichen Teil seiner Aufgaben bezüglich der Kontrolle der Deklaration der Erträge aus US-Wertschriften von US-Persons auf die QI ausgelagert hatte. Die Kontrolle über die richtige Anwendung des QIA wurde einer unabhängigen Revisionsstelle übertragen, welche periodisch und stichprobenartig im Auftrag des IRS entsprechende Prüfungen durchführte und dem IRS Bericht erstattete (vgl. WALDBURGER, IFF 2009, a.a.O., S. 107). Aufgabe der Revisionsstelle ist eine Überprüfung der Einhaltung der Regelungen durch den QI. Sie besteht nicht darin, die richtige steuerliche Behandlung der Kontoinhaber zu prüfen, sondern die Revisionsstelle soll sicherstellen, dass der QI sich gemäss den Verpflichtungen des QIA verhält (vgl. Revenue Procedure 2002-55 for Final Audit Guidance for External Auditors of Qualified Intermediaries, veröffentlicht unter www.irs.gov/Businesses/International-Businesses/Qualified-Intermediary-Application-and-Agreement [besucht am 29. April 2013]). Der IRS seinerseits hat keine Möglichkeiten, auf die für die Anwendung seines internen Rechts massgeblichen Informationen zuzugreifen, und muss sich auf die gewissenhafte Arbeit der QI und der Revisionsstellen verlassen (vgl. WALDBURGER, IFF 2009, a.a.O., S. 108). 9.7.3 Ab dem Jahr 2001 wird somit der ausländische Finanzintermediär, der gewillt ist, die Aufgabe des QI zu übernehmen, in die BGE 139 II 404 S. 440 Pflicht genommen: Er muss die wirtschaftliche Berechtigung des Kunden an den US-Wertschriften feststellen. Erklärt der formelle Depotinhaber, "Beneficial Owner" zu sein, darf sich der QI darauf verlassen, soweit er keine anderen Informationen oder sonst Anlass hat, an der Richtigkeit dieser Erklärung zu zweifeln (vgl. ROLF SCHILLING, Neues US-Quellensteuerregime ab 1. Januar 2001 - Entwicklungen und Tendenzen [nachfolgend: Entwicklungen], TREX 2000 S. 218, 220). Ist der rechtliche Depotinhaber nicht mit dem Beneficial Owner identisch, wird der Rapportierungsmechanismus ausgelöst, der schlussendlich dazu führt, dass der Beneficial Owner dem IRS offengelegt wird (vgl. SCHILLING, Entwicklungen, a.a.O., S. 222). 9.7.4 Für eine korrekt errichtete selbstständige juristische Person, deren rechtliche Organisation beachtet wird und welche die notwendigen Formalakte einhält, ist die dogmatische Trennung zwischen der juristischen Person einerseits und dem oder den an ihr wirtschaftlich Berechtigten andererseits grundsätzlich auch steuerlich zu akzeptieren. Von dieser Trennung muss jedoch dann abgesehen werden, wenn das anwendbare Steuerrecht trotz (zivilrechtlicher) Selbstständigkeit festlegt, es sei von einer transparenten Struktur auszugehen und es sei steuerlich nicht die juristische Person, sondern ein Dritter als Beneficial Owner zu qualifizieren. Die USA wenden ein komplexes Klassifikationssystem an, um zu entscheiden, ob ein Unternehmen steuerlich anerkannt ist und somit als Beneficial Owner der US-Wertschriften gelten kann. Von der Anerkennung als Beneficial Owner ausgeschlossen sind gemäss US-Steuerrecht alle Unternehmen, die keine vom Eigentümer separate, d.h. steuerlich anerkannte Organisationsform darstellen (vgl. SCHILLING, Entwicklungen, a.a.O., S. 222). Körperschaften und Anstalten werden im amerikanischen Steuerrecht in solche mit aktiver Geschäftstätigkeit ("Business Entities") und solche ohne ("Trusts") eingeteilt. Business Entities werden für US-Steuerzwecke unterteilt in "Corporations" und "Partnerships", wobei Corporations als selbstständige Steuersubjekte gelten und Partnerships als transparente Einrichtung behandelt werden (vgl. SCHILLING, Entwicklungen, a.a.O., S. 222). Eine weitere Einschränkung ist vorzunehmen, wenn die Corporation die Einkünfte als "Nominee", Vermögensverwalter oder Treuhänder entgegennimmt und sie als reines Durchlaufvehikel angesehen werden muss (vgl. BEHNISCH, QI, a.a.O., Rz. 38). In diesen Fällen muss sich die Gesellschaft als "Intermediary" zu erkennen geben, mit der Rechtsfolge, dass sie selbst nicht von den BGE 139 II 404 S. 441 Erleichterungen des QI-Systems profitieren kann, sondern offenlegen muss, für welchen Beneficial Owner sie die treuhänderische Funktion ausübt (vgl. WALDBURGER, IFF 2009, a.a.O., S. 107). 9.8 Wie dargelegt (vgl. oben E. 9.7.1), erfolgt die Erklärung über den beanspruchten Status der Gesellschaft mittels Abgabe des entsprechendes Formulars, ein Formular W-9, wenn die Gesellschaft eine transparente Einrichtung ist und den Beneficial Owner offenlegt, oder ein Formular W-8BEN, wenn sie für sich beansprucht, ein selbstständiges Steuersubjekt zu sein. Lässt sich nun aus den Akten ableiten, dass der Gesellschaft nach steuerrechtlichen Kriterien keine eigenständige Rechtspersönlichkeit zugemessen werden kann, weil ihre Funktion lediglich der einer Treuhänderin entspricht, welcher das steuerliche Nutzungsrecht an den von ihr gehaltenen Vermögenswerten abzusprechen ist, und hat die Gesellschaft trotzdem, insbesondere durch Unterzeichnung und Abgabe eines Formulars W-8BEN, angegeben, sie sei die steuerlich berechtigte Person, folgt daraus, dass die von der Gesellschaft abgegebenen Formulare inhaltlich unwahr sind (vgl. WALDBURGER, IFF 2009, a.a.O., S. 107). Das Gleiche gilt, wenn zwar die Business Entity grundsätzlich selbstständig steuerpflichtig wäre, die Beteiligten jedoch diese selbstständige Existenz faktisch missachtet haben. Aus steuerrechtlicher Sicht ist somit massgeblich, ob die Gesellschaft durch ihre Organe eigenständig und eigenverantwortlich gehandelt und die US-Person einzig von den ihr als Aktionärin zustehenden Informations- und Entscheidungsrechten Gebrauch gemacht hat oder ob die Gesellschaft bzw. deren Organe lediglich im Auftrag und auf Rechnung der hinter ihr stehenden Person als Scheingesellschaft gehandelt haben (vgl. WALDBURGER, IFF 2009, a.a.O., S. 108). Das vom IRS erwähnte Sachverhaltselement, wonach Hinweise bestehen, dass der US-wirtschaftlich Berechtigte die Kontrolle über das Depot in Verletzung der Corporate Governance ausübte, indem er zum Beispiel der Bank das Konto der Domizilgesellschaft betreffende Anlageinstruktionen erteilte, ohne autorisierte Person ("authorized officer"), Trustee oder Direktor der Domizilgesellschaft zu sein oder ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung der Domizilgesellschaft oder indem er vom Konto der Domizilgesellschaft Geld für den persönlichen Gebrauch bezog, ist durchaus geeignet, auf eine derartige Sachlage hinzudeuten. Der erwähnte Sachverhalt ist zudem so zu werten, dass besondere Machenschaften im Sinne der Rechtsprechung vorliegen, die nicht BGE 139 II 404 S. 442 nur darauf ausgerichtet waren, die normale Einkommenssteuer der an der Gesellschaft wirtschaftlich berechtigten Personen zu hinterziehen, sondern den vom IRS zur Absicherung dieser Einkommenssteuerpflicht eingerichteten Kontrollmechanismus zu hintergehen (vgl. WALDBURGER, IFF 2009, a.a.O., S. 109). Bei objektiver Würdigung sämtlicher Umstände konnten diese Vorkehren auch von der Fiskalbehörde nur schwer durchschaut werden, weshalb sie als arglistig einzustufen sind. Im Sinne der dargelegten Lehre und Praxis fiele der inkriminierte Sachverhalt nach schweizerischem Recht somit unter den Tatbestand des Abgabebetruges. Der beschriebene objektive Tatbestand ist somit geeignet, den Verdacht auf Abgabebetrug im Sinne von Art. 26 Ziff. 1 DBA-USA 96 und Ziff. 10 des Protokolls 96, bzw. Art. 14 Abs. 2 VStrR zu begründen. 9.9 Der geltend gemachte Sachverhalt ist zudem als Steuerbetrug im Sinne von Art. 186 DBG zu qualifizieren. 9.9.1 Der objektive Tatbestand des Steuerbetrugs ist erfüllt, wenn der Steuerpflichtige im Steuerveranlagungsverfahren zur Erlangung eines fiskalischen Vorteils gefälschte, verfälschte oder inhaltlich unwahre Urkunden gebraucht ( Art. 186 Abs. 1 DBG ). Die Tatbestände des Urkundenstrafrechts schützen das Vertrauen, welches im Rechtsverkehr einer Urkunde als einem Beweismittel entgegengebracht wird. Mittel zum Beweis kann nur sein, was generell geeignet ist, Beweis zu erbringen. Als Urkunden gelten deshalb unter anderem nur Schriften, die bestimmt und geeignet sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen ( Art. 110 Ziff. 5 Abs. 1 StGB ; vgl. BGE 132 IV 12 E. 8.1 S. 14). Die Falschbeurkundung betrifft die Errichtung einer echten, aber unwahren Urkunde, bei der also der wirkliche und der in der Urkunde enthaltene Sachverhalt nicht übereinstimmen. Die Falschbeurkundung erfordert eine qualifizierte schriftliche Lüge. Eine solche wird im gemeinen Strafrecht nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur angenommen, wenn der Urkunde eine erhöhte Glaubwürdigkeit zukommt und der Adressat ihr daher ein besonderes Vertrauen entgegenbringt. Dies ist der Fall, wenn allgemeingültige objektive Garantien die Wahrheit der Erklärung gegenüber Dritten gewährleisten, wie sie unter anderem in der Prüfungspflicht einer Urkundsperson oder in gesetzlichen Vorschriften wie etwa den Bilanzvorschriften der Art. 958 ff. OR liegen, die gerade den Inhalt bestimmter Schriftstücke näher festlegen. Blosse Erfahrungsregeln BGE 139 II 404 S. 443 hinsichtlich der Glaubwürdigkeit irgendwelcher schriftlicher Äusserungen genügen dagegen nicht, mögen sie auch zur Folge haben, dass sich der Geschäftsverkehr in gewissem Umfang auf entsprechende Angaben verlässt (vgl. BGE 132 IV 12 E. 8.1 S. 15). Bescheinigungen, denen nach dem gemeinen Urkundenstrafrecht in der Regel keine erhöhte Glaubwürdigkeit zukommt, können im Verkehr mit den Steuerbehörden allerdings Urkunden darstellen, welche geeignet sind, die Wahrheit darin festgehaltener Sachverhalte zu gewährleisten. Denn gegenüber diesen Behörden besteht im Rahmen der Steuerveranlagung die besondere gesetzliche Pflicht zur wahrheitsgetreuen Deklarierung (vgl. Urteile 6B_101/2009 vom 14. Mai 2009 E. 3.3; 6S.733/1996 vom 14. April 1997 E. 2c/aa; DONATSCH, a.a.O., N. 26 und 31 zu Art. 186 DBG ). 9.9.2 Das Bundesgericht hat wiederholt festgehalten, dass dem Formular A, welches die Finanzintermediäre zur Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Person nach Art. 4 Abs. 1 GwG von ihren Kunden verlangen, eine erhöhte Glaubwürdigkeit und somit Urkundenqualität zukommt (vgl. Urteile 6B_37/2013 vom 15. April 2013 E. 1.2.2; 6B_574/2011 vom 20. Februar 2012 E. 2.2.1; 6S.293/2005 vom 24. Februar 2006 E. 8.2.1; 6S.346/1999 vom 30. November 1999 E. 4c). Das Formular A erfüllt eine zentrale Funktion im Kampf gegen die Wirtschaftskriminalität und besitzt gegenüber den Aufsichtsbehörden hinsichtlich der Erfüllung der Sorgfaltspflicht eine erhöhte Beweiskraft (vgl. Urteile 1C_370/2012 vom 3. Oktober 2012 E. 2.7; 6P.144/2005 vom 15. Juni 2006 E. 7.2.2). Die Erwägungen des Bundesgerichts zum Formular A können mutatis mutandis auf die Formulare des IRS, insbesondere das Formular W-8BEN, übertragen werden. Auch diese Formulare werden gegenüber dem Finanzintermediär abgegeben, damit dieser seine gesetzlichen Pflichten erfüllen kann. Durch die affirmative Erklärung der steuerlichen Nutzungsberechtigung mittels Formular W-8BEN wird die Bank in ihrer Annahme bestärkt, dass es sich bei ihrem Vertragspartner um eine echte Vermögensverwaltungsgesellschaft mit steuerlicher Nutzungsberechtigung und nicht um eine treuhänderische Struktur handelt (vgl. WALDBURGER, IFF 2009, a.a.O., S. 110). Das Formular W-8BEN muss zudem aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung ausgefüllt werden (vgl. Urteil 6S.346/1999 vom 30. November 1999 E. 4c). Es besitzt somit eine erhöhte Glaubwürdigkeit und ist daher eine Urkunde im Sinne von Art. 110 Ziff. 5 Abs. 1 StGB . BGE 139 II 404 S. 444 9.9.3 Bei der Frage der Urkundenqualität von Bescheinigungen Driter kommt es auf deren konkreten Verwendungszweck an. Sogar vom Steuerpflichtigen selbst verfasste Dokumente können grundsätzlich unter den Urkundenbegriff des schweizerischen Steuerstrafrechts fallen, soweit sie im ausländischen Fiskalverfahren zum Beweis bestimmt und geeignet sind (vgl. BGE 125 II 250 E. 3c S. 253; Urteil 1A.244/2002 vom 24. Oktober 2003 E. 3.3). Die Frage, ob die Tatsache, dass das Formular W-8BEN von den Organen der Gesellschaft unterzeichnet wird, welche in einem Treuhandverhältnis mit dem Beneficial Owner stehen, sodass ihre Handlungen steuerrechtlich diesem zuzurechnen seien, dazu führt, dass der Urkunde die Eigenschaft einer Bescheinigung Dritter abzusprechen wäre (vgl. WALDBURGER, IFF 2009, a.a.O., S. 111), hat somit nur akademische Relevanz. Sie müsste zudem ohnehin verneint werden. Das Vertragsverhältnis zwischen dem Aussteller der falschen Urkunde und dem Steuerpflichtigen ist insbesondere dann nicht massgeblich, wenn es für die Steuerbehörde nicht erkennbar ist. Das Formular W-8BEN ist somit nicht nur formell, sondern auch materiell eine Bescheinigung Dritter und keine eigene Erklärung des wirtschaftlich Berechtigten. Das Formular W-8BEN ist dann inhaltlich unwahr, wenn im konkreten Fall, entgegen der Angabe im Formular, nicht die Gesellschaft, sondern der Anteilsinhaber an deren Vermögenswerten und an den daraus fliessenden Erträgen steuerlich nutzungsberechtigt ist (vgl. WALDBURGER, IFF 2009, S. 111). Befindet sich ein solch inhaltlich unwahres Formular W-8BEN bei den Akten, ist somit der objektive Tatbestand des Steuerbetrugs im Sinne von Art. 186 DBG erfüllt, sodass der Sachverhalt auch aus diesem Grund in den Anwendungsbereich der Amtshilfe nach Art. 26 Ziff. 1 DBA-USA 96 und Ziff. 10 Protokoll 96 fällt. 9.10 Aufgrund dieser Erwägungen kann festgehalten werden, dass die Vorinstanz zu Recht davon ausgegangen ist, die im Amtshilfeersuchen des IRS erwähnte Sachverhaltsdarstellung (vgl. oben E. 9.6) erfülle den Tatbestand der Betrugsdelikte und dergleichen im Sinne von Art. 26 DBA-USA 96 und sei grundsätzlich amtshilfefähig. 10. Das Bundesverwaltungsgericht hat festgestellt, dass im vorliegenden Fall sämtliche Voraussetzungen der im Amtshilfeersuchen des IRS erwähnten Sachverhaltsdarstellung erfüllt seien. 10.1 Die Beschwerdeführenden bringen dagegen vor, das Bundesverwaltungsgericht habe den Sachverhalt nicht korrekt festgestellt. BGE 139 II 404 S. 445 Sie legen dar, am fraglichen Konto sei der Beschwerdeführer 4 alleine wirtschaftlich berechtigt und er sei keine US-Person. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde ( Art. 105 Abs. 1 BGG ), es sei denn, dieser sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG ( Art. 105 Abs. 2 BGG ). Wird eine Sachverhaltsfeststellung beanstandet, muss in der Beschwerdeschrift dargelegt werden, inwiefern diese Feststellung offensichtlich unrichtig - d.h. willkürlich (vgl. BGE 138 I 49 E. 7.1 S. 51; BGE 136 III 552 E. 4.2 S. 560) - oder durch eine andere Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG zustande gekommen ist (vgl. BGE 135 III 397 E. 1.5 S. 401) und inwiefern die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG ). Auf rein appellatorische Kritik am Sachverhalt tritt das Bundesgericht nicht ein (vgl. BGE 137 II 353 E. 5.1 S. 356; BGE 135 II 313 E. 5.2.2 S. 322). Die Beschwerdeführenden verkennen diese Grundsätze. In Bezug auf die wirtschaftliche Berechtigung des Beschwerdeführers 4 berufen sie sich lediglich auf ihre eigene Sachverhaltsdarstellung, ohne darzulegen, inwiefern die Feststellungen der Vorinstanz willkürlich wären. Sie bestreiten insbesondere nicht, dass sich aus den Bankakten ergibt, dass der Beschwerdeführer 1 betreffend das fragliche Depot direkt mit der Bank in Kontakt stand und der Bank Aufträge erteilte und mit ihr die Performance des Kontos besprochen hat. Unter diesen Umständen ist auf die entsprechenden Vorbringen der Beschwerdeführenden nicht weiter einzugehen. 10.2 Die Beschwerdeführer behaupten ebenfalls, es sei von der EStV und der Vorinstanz nicht nachgewiesen worden, dass amerikanische Wertschriften im fraglichen Depot vorhanden sind. Sie bestreiten allerdings nicht, dass die fraglichen Papiere von amerikanischen Unternehmen ausgegeben wurden und dass die ihnen zugeteilte ISIN-Nummer von den USA vergeben wurde. Sie behaupten lediglich, es sei willkürlich anzunehmen, diese Kriterien genügten, um eine Wertschrift als US-Wertschrift im Sinne des QIA zu qualifizieren, legen aber nicht dar, worin diese Willkür bestehen soll. In Bezug auf den Sachverhalt hat die Vorinstanz festgehalten, es ergebe sich aus den Bankakten, dass unter anderem Papiere der Z. Holding Corp. und der W. Inc. gehalten wurden. Aus rechtlicher Sicht ist die Schlussfolgerung des Bundesverwaltungsgerichts, es BGE 139 II 404 S. 446 handle sich um US-Wertschriften, denn die erwähnten Papiere seien von amerikanischen Unternehmen ausgegeben worden und trügen eine amerikanische ISIN-Nummer, zudem nicht zu beanstanden. 10.3 Es ist somit auf den vom Bundesverwaltungsgericht festgestellten Sachverhalt abzustellen und festzuhalten, dass der den Beschwerdeführer 1 betreffende Sachverhalt die im Amtshilfegesuch des IRS vom 3. Juli 2012 erwähnten Sachverhaltselemente vollumfänglich erfüllt. Da das Vorliegen dieser Sachverhaltselemente genügt, den Verdacht zu bekräftigen, die betroffenen Kunden könnten ein Betrugsdelikt und dergleichen im Sinne von Art. 26 DBA-USA 96 begangen haben (vgl. oben E. 9.8 und 9.9), hat die Vorinstanz somit zu Recht festgestellt, dass dem IRS in diesem Fall Amtshilfe zu leisten ist. Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit in diesem Punkt als unbegründet und muss abgewiesen werden. 11. Eventualiter beantragen die Beschwerdeführenden, die EStV sei anzuweisen, alle von der Amts- und Rechtshilfe betroffenen Personen seien vor Ergehen der Schlussverfügung zu informieren, damit sie die Herausgabe ihrer Personendaten selbstständig verhindern könnten, oder es seien alle Hinweise auf Drittpersonen zu schwärzen. 11.1 Die Beschwerdeführer sprechen mit ihrem Begehren Aspekte des Datenschutzes und die sich daraus ergebenden Folgerungen an, welche neu im Steueramtshilfegesetz explizit geregelt sind (vgl. Art. 4 Abs. 3 StAHiG betreffend Verbot der Übermittlung von Informationen zu Personen, welche nicht vom Ersuchen betroffen sind, bzw. Art. 19 Abs. 2 StAHiG betreffend Beschwerdebefugnis von Drittpersonen, deren Daten übermittelt werden müssen, falls die Amtshilfe nicht wertlos sein soll), die jedoch gestützt auf datenschutzrechtliche Grundsätze bereits heute gelten. Die Beschwerdeführer übersehen jedoch, dass gemäss Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nur berechtigt ist, wer ein schutzwürdiges eigenes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (vgl. BGE 136 II 281 E. 2.2 S. 284; Urteil 1C_344/2012 vom 31. Oktober 2012 E. 1.4). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist im Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen eine natürliche oder juristische Person zu Rechtsmitteln legitimiert, wenn sie von der verlangten Rechtshilfemassnahme unmittelbar betroffen wird. Für bloss indirekt Betroffene, insbesondere Personen, die zwar in den BGE 139 II 404 S. 447 erhobenen Unterlagen erwähnt werden, aber nicht direkt von Zwangsmassnahmen betroffen bzw. Inhaber von sichergestellten Dokumenten sind, ist die Beschwerdebefugnis grundsätzlich zu verneinen (vgl. Urteil 1A.4/2004 vom 3. Mai 2004 E. 2.3, nicht publ. in: BGE 130 II 236 ). Nicht einzutreten ist auch auf Rechtsmittel, die stellvertretend für einen Dritten bzw. in dessen Interesse erhoben werden (vgl. BGE 137 IV 134 E. 5.2.2 S. 138; BGE 123 II 153 E. 2b S. 156 f.; je mit Hinweisen). So ist insbesondere die Bank, welche durch die Rechtshilfemassnahmen nicht in ihrer eigenen Geschäftstätigkeit betroffen ist, sondern lediglich Unterlagen zu Konten ihrer Kunden herauszugeben hat und durch ihre Angestellten darüber erklärende Angaben machen muss, nicht befugt, gegen die Übermittlung der Unterlagen Beschwerde einzureichen (vgl. BGE 128 II 211 E. 2.3-2.5 S. 217 ff.). Angesichts der zitierten Rechtsprechung ist somit auf den Eventualantrag der Beschwerdeführenden, es seien alle von der Amts- und Rechtshilfe betroffenen Personen zu informieren, damit sie die Herausgabe ihrer Personendaten selbstständig verhindern könnten, nicht einzutreten. 11.2 Was den Eventualantrag auf Schwärzung der Hinweise auf Drittpersonen bzw. des Namens der verstorbenen Ehefrau des Beschwerdeführers 1 betrifft, ist festzuhalten, dass die Vorinstanz die Erteilung der Amtshilfe mit der Auflage versehen hat, die übermittelten Unterlagen dürften nur in Verfahren verwendet werden, die den Beschwerdeführer 1 betreffen. Der Antrag auf Schwärzung dieser Daten ist zudem im Interesse Dritter eingereicht und somit unzulässig (vgl. oben E. 11.1). Auch auf diesen Antrag ist daher nicht einzutreten. Die Beschwerdeführenden bringen im Übrigen nur pauschal vor, die Daten der vom Ersuchen nicht erfassten Dritten seien zu schwärzen. Sie erklären insbesondere nicht, welche Personen betroffen sind und aus welchen Gründen sie als unbeteiligte Dritte zu gelten haben bzw. aus welchen Gründen der Argumentation der Vorinstanz hier nicht zu folgen wäre. Die entsprechende Rüge wäre daher mangels genügender Begründung ( Art. 42 Abs. 2 BGG ) ohnehin abzuweisen. 12. Die Beschwerdeführenden beanstanden weiter die Höhe der Gerichtskosten, die ihnen vom Bundesverwaltungsgericht auferlegt wurden. Sie sind der Ansicht, Streitigkeiten im Bereich der Amtshilfe in Steuersachen seien nicht vermögensrechtlicher Natur, BGE 139 II 404 S. 448 weshalb die Erhebung einer Gerichtsgebühr oberhalb der Schwelle von Fr. 5'000.- Bundesrecht verletze. 12.1 Gestützt auf Art. 63 Abs. 4 bis VwVG (SR 172.021) richtet sich die Spruchgebühr nach Umfang und Schwierigkeit der Streitsache, Art der Prozessführung und finanzieller Lage der Parteien. Sie beträgt bei Streitigkeiten ohne Vermögensinteressen Fr. 200.- bis Fr. 5'000.-( Art. 63 Abs. 4 bis lit. a VwVG ; Art. 3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE; SR 173.320.2]). In denStreitigkeiten mit Vermögensinteresse liegt sie zwischen Fr. 200.-bis Fr. 50'000.-( Art. 63 Abs. 4 bis lit. b VwVG ; Art. 4 VGKE ). Als nicht vermögensrechtlich sind Streitigkeiten über ideelle Inhalte zu betrachten, über Rechte, die ihrer Natur nach nicht in Geld geschätzt werden können. Es muss sich um Rechte handeln, die weder zum Vermögen einer Person gehören noch mit einem vermögensrechtlichen Rechtsverhältnis eng verbunden sind. Dass die genaue Berechnung des Streitwertes nicht möglich oder dessen Schätzung schwierig ist, genügt aber nicht, um eine Streitsache als eine solche nicht vermögensrechtlicher Natur erscheinen zu lassen. Massgebend ist, ob mit der Klage bzw. Beschwerde letztlich ein wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird (vgl. BGE 119 II 281 E. 5b S. 288; BGE 108 II 77 E. 1a S. 78). Ein Vermögensinteresse besteht nicht nur, wenn direkt die Leistung einer bestimmten Geldsumme umstritten ist, sondern schon dann, wenn der Entscheid unmittelbar finanzielle Auswirkungen zeitigt oder mittelbar ein Streitwert konkret beziffert werden kann; in diesen Fällen werden von den Betroffenen letztlich wirtschaftliche Zwecke verfolgt (vgl. BGE 135 II 172 E. 3.1 S. 181 f.). Eine vermögensrechtliche Streitigkeit liegt somit schon dann vor, wenn der Rechtsgrund des streitigen Anspruchs letzten Endes im Vermögensrecht ruht, mit dem Begehren letztlich und überwiegend ein wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird (vgl. BGE 118 II 528 E. 2c S. 531 ff.). Es ist nicht notwendig, dass die Anträge die Bezahlung einer Geldsumme zum Gegenstand haben; es genügt, wenn der Antragsteller eine Massnahme verlangt, deren Finalität in der Verteidigung seiner Vermögensrechte besteht (vgl. Urteil 4A_350/2011 vom 13. Oktober 2011 E.1.1.1, nicht publ. in: BGE 137 III 503 ). 12.2 Anhand der Rechtsprechung ist ersichtlich, dass das Bundesgericht im Bereich der Rechtshilfe in Strafsachen, wenn es um die Übermittlung von Informationen ging, bei der Festlegung der BGE 139 II 404 S. 449 Gerichtskosten in verschiedenen Fällen angenommen hat, es handle sich um Streitigkeiten mit Vermögensinteresse (vgl. Urteile 1A.254/1998 vom 1. April 1999: Gebühr Fr. 6'000.-; 1A.9/2006 vom 24. Februar 2006: Gebühr Fr. 8'000.-; 1A.90/2006 vom 30. August 2006: Gebühr Fr. 7'000.-). In anderen Fällen hat das Bundesgericht die Gerichtsgebühr auf einen Betrag unter Fr. 5'000.- festgelegt, was jedoch noch keinen Rückschluss auf die Natur der Streitigkeit erlaubt, denn auch in Streitigkeiten mit Vermögensinteresse kann sich die Erhebung einer niedrigen Gebühr rechtfertigen, insbesondere wenn der Streitwert geschätzt werden muss (vgl. Urteile 1C_95/2011 vom 6. April 2011: Gebühr Fr. 3'000.-; Urteil 1C_424/2010 vom 2. Februar 2011: Gebühr Fr. 2'000.-; 1C_485/2010 vom 20. Dezember 2010: Gebühr Fr. 3'000.-; 1A.67/2007 vom 20. Dezember 2007: Gebühr Fr. 3'000.-). In einem isolierten Urteil hat das Bundesgericht festgehalten, es sei von einer Streitigkeit ohne Vermögensinteresse auszugehen, da die angefochtene Schlussverfügung lediglich die Übermittlung von Kontounterlagen und nicht von Vermögenswerten betreffe (vgl. Urteil 1A.124/2001 vom 28. März 2002: Gebühr Fr. 5'000.-). Im Bereich der internationalen Amtshilfe in Börsenangelegenheiten hat das Bundesgericht regelmässig Gerichtskosten erhoben, die sich nur bei Annahme einer vermögensrechtlichen Streitigkeit rechtfertigen lassen (vgl. Urteile 2A.234/2000 vom 25. April 2001: Gebühr Fr. 10'000.-; 2A.131/2001 vom 9. November 2001: Gebühr Fr. 10'000.-; 2A.27/2002 vom 10. Juli 2002: Gebühr Fr. 10'000.-; 2A.494/2004 vom 17. November 2004: Gebühr Fr. 8'000.-; unklar dagegen 2A.267/2006 vom 8. Februar 2007: Gebühr Fr. 2'500.-; 2A.12/2007 vom 17. April 2007: Gebühr Fr. 5'000.-; 2A.700/2006 vom 18. Juni 2007: Gebühr Fr. 5'000.-; 2A.13/2007 vom 3. September 2007: Gebühr Fr. 5'000.-). In der Lehre wird die Meinung privilegiert, es handle sich bei der internationalen Amtshilfe um eine Streitigkeit ohne Vermögensinteresse (vgl. MICHAEL BEUSCH, in: Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], 2008, N. 32 Fn. 51 zu Art. 63 VwVG ; MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, 2008, N. 4.20). 12.3 Bei der internationalen Amtshilfe in Steuerfragen geht es naturgemäss um die Übermittlung von Informationen an ausländische Steuerbehörden, welche sie zur korrekten Veranlagung sowie zur Erhebung von Nachsteuern und Bussen benutzen werden. Die zu übermittelnden Informationen haben einen direkten Bezug zur BGE 139 II 404 S. 450 Steuerschuld der betroffenen Personen und sind daher mit einem vermögensrechtlichen Rechtsverhältnis eng verbunden. Der Entscheid über die Übermittlung dieser Informationen zeitigt somit unmittelbar finanzielle Auswirkungen. Dies geben sogar die Beschwerdeführenden zu, welche die (manchmal gravierenden) mittelbaren finanziellen Konsequenzen einer Informationsübermittlung erwähnen, die sich jedoch nicht konkret beziffern liessen. Von der gleichen Annahme ging zudem auch das Bundesgericht unter der Herrschaft des OG (BS 3 531) aus, insbesondere bei der Steueramtshilfe an die USA (vgl. Urteile 2A.250/2001 vom 6. Februar 2002: Gebühr Fr. 10'000.-; 2A.551/2001 vom 12. April 2002: Gebühr Fr. 20'000.-; 2A.233/2003 vom 22. Dezember 2003: Gebühr Fr. 12'000.-; 2A.608/2005 vom 10. August 2006: Gebühr Fr. 25'000.-; 2A.352/2005 vom 6. Januar 2006: Gebühr Fr. 20'000.-). Es ist daher davon auszugehen, dass es sich bei der internationalen Amtshilfe in Steuersachen grundsätzlich um Streitigkeiten mit Vermögensinteresse im Sinne von Art. 63 Abs. 4 bis lit. b VwVG und Art. 4 VGKE handelt. 12.4 Die Erhebung einer Gerichtsgebühr oberhalb der Schwelle von Fr. 5'000.-ist daher rechtskonform. Im Übrigen ist festzuhalten, dass die Erhebung einer Gebühr von Fr. 20'000.-sich im Rahmen des dem Bundesverwaltungsgericht durch Art. 63 Abs. 4 bis VwVG zugestandenen Ermessens bewegt. Die entsprechende Rüge der Beschwerdeführenden muss daher abgewiesen werden. 13. Schliesslich machen die Beschwerdeführenden geltend, es hätten der Beschwerdeführerin 2 keine Verfahrenskosten auferlegt werden dürfen, da das Amtshilfeersuchen, was sie betreffe, gegenstandslos geworden sei. Wird ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gegenstandslos, so werden die Verfahrenskosten in der Regel jener Partei auferlegt, deren Verhalten die Gegenstandslosigkeit bewirkt hat. Ist das Verfahren ohne Zutun der Parteien gegenstandslos geworden, so werden die Kosten aufgrund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrunds festgelegt (vgl. Art. 5 VGKE ). Das Gleiche gilt sinngemäss für die Parteientschädigung bei gegenstandslosen Verfahren (vgl. Art. 15 VGKE ). Die Gegenstandslosigkeit aufgrund des Versterbens des betroffenen Beschwerdeführers entsteht ohne Zutun der Parteien im Sinne der erwähnten Bestimmung. Das Verfahren betreffend die Beschwerdeführerin 2 ist infolge ihres Versterbens gegenstandslos geworden (vgl. oben E. 2.2). BGE 139 II 404 S. 451 Angesichts des Ausgangs des vorliegenden Verfahrens, welches das angefochtene Urteil vollumfänglich bestätigt, musste das Bundeswaltungsgericht somit die Kosten aufgrund der Sachlage vor ihrem Ableben den Beschwerdeführenden auferlegen. Das Ableben der Beschwerdeführerin 2 ist in diesem Punkt irrelevant, weil das Bundesverwaltungsgericht ohnehin materiell urteilen musste. Auch in diesem Punkt erweist sich die Beschwerde daher als unbegründet. 14. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Beschwerde der Beschwerdeführenden 1 und 3 sich als unbegründet erweist und abzuweisen ist, soweit darauf eingetreten werden kann. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführenden 2 und 4 wird nicht eingetreten. Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten den Beschwerdeführenden unter solidarischer Haftung aufzuerlegen ( Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG ). Die Beschwerdegegnerin obsiegt in ihrem amtlichen Wirkungskreis, weshalb ihr keine Parteientschädigung zuzusprechen ist ( Art. 68 Abs. 3 BGG ).
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Sachverhalt ab Seite 5 BGE 81 I 5 S. 5 A.- Die Basler Freilager AG betreibt in Münchenstein ein Zollfreilager. Sie hat die dem Betriebe dienenden Gebäulichkeiten auf einer Landparzelle errichtet, die Eigentum der Chr. Merian'schen Stiftung in Basel ist. Diese hatte zugunsten der Einwohnergemeinde der Stadt Basel ein Baurecht bestellt, das in der Folge auf die Basler Freilager AG übertragen worden war. Bei der Veranlagung der Basler Freilager AG zur basellandschaftlichen Staatssteuer für 1947 wurden die Gegenstand des Baurechts bildenden Immobilien im Betrage der Katasterschatzung in die Berechnung der Kapitalsteuer einbezogen; die Differenz zwischen diesem Betrage und BGE 81 I 5 S. 6 dem niedrigeren Buchwert wurde als stille Reserve betrachtet. Die Steuerpflichtige stellte sich auf den Standpunkt, dass bloss der Buchwert der Besteuerung unterliege, da die Immobilien wegen des vertraglich vorgesehenen Heimfallrechtes für den Betrieb zunehmend an Wert verlören, so dass Abschreibungen notwendig seien. Im Einspracheverfahren bestätigte jedoch die kantonale Steuerverwaltung die Veranlagung, und der Rekurs der Pflichtigen hiegegen wurde von der Steuerrekurskommission Baselland am 11. Juli 1951 abgewiesen. B.- Bei den folgenden, gleichzeitig für die Staatssteuern 1948-1952 vorgenommenen Veranlagungen der Basler Freilager AG wurde wiederum die Differenz zwischen Kataster- und jeweiligem Buchwert als stille Reserve für die Kapitalsteuer aufgerechnet. Die Steuerpflichtige erhob gegen den bestätigenden Einspracheentscheid erneut Rekurs. Die Steuerrekurskommission trat darauf mit Entscheid vom 19. Dezember 1953 nicht ein. Sie führte aus, sie habe die Sache bereits im früheren Rekursverfahren beurteilt. Aus den damals und jetzt gestellten Rekursbegehren und ihrer Begründung ergebe sich in der Tat, dass man es mit dem gleichen Steuerstreit zu tun habe. Es sei eine blosse Äusserlichkeit, dass die beiden Rekurse verschiedene Steuerperioden beträfen; der Rekurrentin gehe es heute wie früher um die grundsätzliche Berücksichtigung gewisser Abschreibungen. Die materielle Rechtskraft der früheren Entscheidung schliesse eine neue Beurteilung aus. C.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragt die Basler Freilager AG, den Rekursentscheid vom 19. Dezember 1953 wegen Verletzung des Art. 4 BV (Rechtsverweigerung, Willkür) aufzuheben. Sie macht geltend, das Objekt des ersten Rekursverfahrens sei nicht identisch mit dem des zweiten; denn jenes Verfahren betreffe die Kapitalsteuer für 1947, dieses die Kapitalsteuern für 1948-1952. Hier wie dort sei nicht allein die grundsätzliche Frage, ob die Katasterschatzung gleichzeitig als Steuerwert BGE 81 I 5 S. 7 zu gelten habe, zu entscheiden gewesen. Losgelöst von einer bestimmten Steuerforderung könnte nach dem Steuerrecht des Kantons Baselland, der die Staatssteuer periodisch erhebe, eine solche Streitfrage überhaupt nicht Gegenstand eines Rekursverfahrens sein. Die materielle Rechtskraft des Rekursentscheides vom 11. Juli 1951 gehe nicht über die Steuerforderung für das Jahr 1947 hinaus. Den Motiven eines Entscheides fehle auch im Steuerrecht die Rechtskraft. D.- Die Steuerrekurskommission Baselland schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
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Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: In Lehre und Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, dass Steuerentscheide, die in einem besonders geregelten Verfahren ergehen, an dem der Steuerpflichtige zur Erzielung eines sachlich richtigen Ergebnisses mitzuwirken hat, mit der formellen grundsätzlich auch materielle Rechtskraft erlangen, d.h. für den Steuerpflichtigen wie für das besteuernde Gemeinwesen verbindlich werden und nur ausnahmsweise, unter besonderen Voraussetzungen, revidiert werden können ( BGE 71 I 103 ; BGE 74 I 405 ; BGE 75 I 63 , 309; BGE 76 I 7 ; BGE 78 I 200 , 206). Die materielle Rechtskraft eines früheren Entscheides kann aber in einem neu angehobenen Verfahren nur dann mit Grund angerufen werden, wenn die beiden Verfahren den gleichen Gegenstand betreffen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn hier wie dort dasselbe Forderungsverhältnis vorliegt, namentlich wenn eine Steuer vom nämlichen Steuersubjekt für dasselbe Steuerobjekt, für die gleiche Steuerperiode und aus demselben Rechtsgrunde gefordert wird (BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, 2. Aufl., S. 358). Der Steuerrekurskommission Baselland ist zuzugeben, dass die Beschwerdeführerin in beiden in Frage stehenden Rekursverfahren ein und dieselbe grundsätzliche Rechtsfrage, diejenige der Behandlung der im Hinblick auf das Heimfallrecht vorgenommenen Abschreibungen auf Immobilien BGE 81 I 5 S. 8 bei der Veranlagung der Kapitalsteuer, zur Entscheidung gestellt hat. Gleichwohl fehlt es aber an der Identität der Streitsache; denn Gegenstand des Streites war im früheren Rekursverfahren die Höhe der Kapitalsteuer für 1947, im späteren dagegen diejenige der Kapitalsteuern für 1948-1952. Die Beurteilung jener Rechtsfrage hatte lediglich die Bedeutung eines Motivs; an der materiellen Rechtskraft der Entscheidung nehmen aber die Motive nicht teil. Die Rechtskraft des Rekursentscheides vom 11. Juli 1951 ist auf das Steuerjahr 1947 beschränkt. Der Standpunkt, sie stehe dem Eintreten auf den Rekurs betreffend die Steuerjahre 1948-1952 entgegen, ist abwegig. Er widerspricht offensichtlich dem System des kantonalen Gesetzes, wonach die für die jeweilige Steuerperiode getroffenen Veranlagungen immer wieder durch Einsprache und Beschwerde angefochten werden können. Indem die Rekurskommission es im angefochtenen Entscheid vom 19. Dezember 1953 abgelehnt hat, auf den neuen Rekurs einzutreten, hat sie der Beschwerdeführerin gegenüber eine formelle Rechtsverweigerung begangen. Gewiss gibt es Fälle, wo Steuerentscheide über eine bestimmte Steuerperiode hinaus Rechtskraftwirkung entfalten. So verhält es sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts bei Aussprüchen der Militärsteuerbehörden über die Frage der Ersatzbefreiung nach Art. 2 lit. b des Militärsteuergesetzes ( BGE 71 I 103 ff., 110 f.). Das sind aber Entscheide, durch die eine dauernde, von den besondern Verhältnissen des einzelnen Veranlagungsjahres grundsätzlich unabhängige Rechtslage festgestellt wird ( BGE 56 I 195 ; BGE 71 I 104 , 106 Erw. 3). Sie können ausserhalb eines Veranlagungsverfahrens getroffen werden, sei es von Amtes wegen, sei es auf Gesuch des betreffenden Wehrmannes hin ( BGE 61 I 202 ; BGE 74 I 479 Erw. 2), und es sind dafür nach den kantonalen Vollziehungsverordnungen auch nicht durchweg die gleichen Behörden wie für die Einschätzung zuständig. Sie haben auch dann selbständige Bedeutung, wenn sie formell mit einer bestimmten Veranlagung BGE 81 I 5 S. 9 verbunden sind. Im vorliegenden Fall dagegen handelt es sich um eine Frage der Taxation, die zudem nicht für jede Steuerperiode die gleiche Tragweite haben wird, da es auf die besonderen Verhältnisse in den einzelnen Jahren ankommt. Sie kann denn auch nach dem kantonalen Recht von den Steuerbehörden nicht losgelöst vom Verfahren, in dem die Steuerforderungen für die einzelnen Perioden festgestellt werden, beurteilt werden. Dass sie sich, jedenfalls im Grundsatz, immer wieder stellen kann, ist kein zureichender Grund, dem früheren Rekursentscheid Rechtskraftwirkung über das Steuerjahr 1947 hinaus beizulegen.
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Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid aufgehoben.
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Sachverhalt ab Seite 104 BGE 144 I 103 S. 104 A. A.a Die 1976 geborene A., verheiratet und Mutter eines am 15. November 2013 geborenen Sohnes, war seit September 1996 als Filialleiterin einer Bäckerei tätig. Am 11. April 2001 erlitt sie bei einem Autounfall ein schweres Schädelhirntrauma, welches eine vollständige Arbeitsunfähigkeit nach sich zog. Seither ist sie, abgesehen von einem Arbeitseinsatz im Rahmen eines 50 %-Pensums im Bereich Telefonmarketing/Administration von August 2002 bis Juli 2003, nicht mehr erwerbstätig. A.b Im Juli 2001 meldete sich A. bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Basel-Landschaft sprach ihr mit Wirkung ab 1. April 2002 eine ganze Invalidenrente zu. Diesen Anspruch bestätigte die Verwaltung revisionsweise. A.c Im Rahmen eines weiteren, im Februar 2015 von Amtes wegen eingeleiteten Revisionsverfahrens erkannte die IV-Stelle, dass bei A. seit der Geburt ihres Sohnes am 15. November 2013 ein Aufgabenbereich vorliege. Die Invaliditätsbemessung sei deshalb nicht mehr anhand eines Einkommensvergleichs, sondern nach der gemischten Methode (mit einem Erwerbsanteil von 80 % und einem Haushaltanteil von 20 %) vorzunehmen. Auf diese Weise gelangte die Verwaltung neu zu einem rentenausschliessenden Invaliditätsgrad von 33 %. Mit Vorbescheid vom 26. Januar 2016 stellte sie A. die Aufhebung der Rente auf das Ende des der Verfügung folgenden Monats in Aussicht. Nach Einwand der Versicherten verfügte sie am 9. Juni 2016 im angekündigten Sinne. B. Beschwerdeweise liess A. beantragen, die Verfügung vom 9. Juni 2016 sei aufzuheben; es sei ihre bisherige ganze Invalidenrente mit Wirkung auf 1. August 2016 auf eine Viertelsrente herabzusetzen. Replicando änderte sie ihr Rechtsbegehren unter Hinweis auf das zwischenzeitlich (am 4. Juli 2016) rechtskräftig gewordene Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) Di Trizio gegen Schweiz vom 2. Februar 2016 (7186/09) dahingehend, dass ihr weiterhin eine ganze Invalidenrente zuzusprechen sei. Das angerufene Kantonsgericht Basel-Landschaft verneinte einen Revisionsgrund und nahm eine Prüfung unter BGE 144 I 103 S. 105 wiedererwägungsrechtlichen Gesichtspunkten vor. Mit Entscheid vom 16. Februar 2017 hiess es die Beschwerde teilweise gut, hob die Verfügung vom 9. Juni 2016 auf und stellte fest, dass die Versicherte mit Wirkung ab 1. August 2016 Anspruch auf eine Dreiviertelsrente hat. C. Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Entscheid vom 16. Februar 2017 sei aufzuheben und ihre Verfügung vom 9. Juni 2016 wiederherzustellen. A. lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf eine Vernehmlassung. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Ändert sich der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines Rentenbezügers erheblich, so wird die Rente von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft entsprechend erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben ( Art. 17 Abs. 1 ATSG ). Anlass zur Rentenrevision gibt jede (wesentliche) Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen seit Zusprechung der Rente, die geeignet ist, den Invaliditätsgrad und damit den Rentenanspruch zu beeinflussen. Die Invalidenrente ist daher nicht nur bei einer wesentlichen Änderung des Gesundheitszustandes, sondern auch dann revidierbar, wenn sich die erwerblichen Auswirkungen des an sich gleich gebliebenen Gesundheitszustandes erheblich verändert haben oder eine andere Art der Bemessung der Invalidität zur Anwendung gelangt ( BGE 130 V 343 E. 3.5 S. 349 ff.; Urteil 9C_297/2016 vom 7. April 2017 E. 2.1, nicht publ. in: BGE 143 V 77 , aber in: SVR 2017 IV Nr. 51 S. 152; MEYER/REICHMUTH, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG], 3. Aufl. 2014, N. 27 zu Art. 30-31 IVG ). Demgegenüber ist die lediglich unterschiedliche Beurteilung eines im Wesentlichen gleich gebliebenen Sachverhalts im revisionsrechtlichen Kontext unbeachtlich ( BGE 141 V 9 E. 2.3 S. 10 f. mit Hinweisen). 2.2 Nach Art. 53 Abs. 2 ATSG kann der Versicherungsträger jederzeit auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. Mit der gleichen (substituierten) Begründung kann die Beschwerdeinstanz die zunächst auf Art. 17 ATSG gestützte Rentenaufhebung schützen (SVR 2017 BGE 144 I 103 S. 106 IV Nr. 4 S. 7, 9C_770/2015 E. 2.1, und 2011 IV Nr. 20 S. 53, 9C_303/2010 E. 4). Die Wiedererwägung dient der Korrektur einer anfänglich unrichtigen Rechtsanwendung. Darunter fällt insbesondere eine Leistungszusprache aufgrund falscher Rechtsregeln bzw. ohne oder in unrichtiger Anwendung der massgeblichen Bestimmungen. Ob eine solche vorliegt, beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage, wie sie bei Erlass der Verfügung bestand, einschliesslich der damaligen Rechtspraxis ( BGE 140 V 77 E. 3.1 S. 79 f. mit Hinweisen; vgl. auch BGE 141 V 405 E. 5.2 S. 414 f.). 3. 3.1 Die Vorinstanz erwog, mit der IV-Stelle sei ein Revisionsgrund zu verneinen, weil sich dessen Annahme nach der neusten Rechtsprechung (vgl. dazu nachstehende E. 4.2) alleine aufgrund eines familiär bedingten Statuswechsels verbiete. Zu Recht berufe sich die IV-Stelle nun darauf, dass die Voraussetzungen für eine Wiedererwägung der Rentenverfügung vom 12. Mai 2005 gegeben seien: Die Verfügung sei - insbesondere wegen des im Rahmen der Festsetzung des Invalideneinkommens zu Unrecht vorgenommenen maximalen Tabellenlohnabzuges - zweifellos unrichtig und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung. Die IV-Stelle habe damals zutreffenderweise einen Einkommensvergleich vorgenommen und das Valideneinkommen gestützt auf die Tabellenlöhne gemäss der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) 2002 auf Fr. 51'072.- festgesetzt. Darauf sei auch im Rahmen der Wiedererwägung abzustellen. Nicht gefolgt werden könne aber dem von der Verwaltung ermittelten Invalideneinkommen von Fr. 15'401.-. Es rechtfertige sich, den Tabellenlohn einer Büroangestellten (Fr. 3'275.- gemäss LSE 2002, Tabelle TA1, privater Sektor, persönliche Dienstleistungen, Kompetenzniveau 4, Frauen) beizuziehen, was bei einem 50 %-Pensum und aufgerechnet auf die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 41,9 Stunden zu einem Invalideneinkommen von Fr. 20'534.- führe. Eine Gegenüberstellung der beiden Vergleichseinkommen ergebe einen Invaliditätsgrad von gerundet 60 % (59,79 %). Damit habe die Versicherte mit Wirkung ab 1. August 2016 Anspruch auf eine Dreiviertelsrente. 3.2 Die IV-Stelle verneint einen Rentenanspruch (ermittelter Invaliditätsgrad: 34 %). Sie vertritt die Auffassung, entgegen dem angefochtenen Entscheid finde nicht die Einkommensvergleichs-, sondern die gemischte Methode Anwendung. Zudem habe das kantonale Gericht die beiden Vergleichseinkommen sowohl betreffend den BGE 144 I 103 S. 107 massgebenden Zeitpunkt als auch hinsichtlich des anwendbaren Tabellenwertes unrichtig ermittelt. In Bezug auf das Invalideneinkommen habe es darüber hinaus die Begründungspflicht verletzt. 3.3 Die Versicherte stellt sich auf den Standpunkt, ihre Invalidität sei im angefochtenen Entscheid zu Recht anhand eines Einkommensvergleichs bemessen worden. Die ab April 2014 grundsätzlich angezeigte Rentenrevision (Wechsel zur gemischten Methode) sei nach neuster Rechtsprechung unzulässig. Wenn sich das Bundesgericht im Urteil 9F_8/2016 vom 20. Dezember 2016 (publ. in: BGE 143 I 50 ) dafür entschieden habe, bis auf Weiteres in Di-Trizio -ähnlichen Fällen keine Rentenrevision mehr zuzulassen, sei analog zu verfahren, wenn es - wie hier - um einen Statuswechsel im Rahmen einer Wiedererwägung gehe. Was den Einkommensvergleich anbelangt, schliesst sich die Versicherte hinsichtlich des Invalideneinkommens den Vorbringen der Beschwerdeführerin an; unter Zugrundelegung eines Vollpensums macht sie für das Jahr 2016 einen Invalidenlohn von Fr. 26'422.- geltend. Sie ermittelt dagegen ein von der Berechnung der Beschwerdeführerin abweichendes Valideneinkommen von Fr. 67'541.- und gelangt auf diese Weise zum Anspruch auf eine Dreiviertelsrente. 4. 4.1 Zu prüfen ist vorab, welche Auswirkungen das am 4. Juli 2016 rechtskräftig gewordene EGMR-Urteil Di Trizio gegen Schweiz vom 2. Februar 2016 (7186/09) auf den hier zu beurteilenden Fall hat. Der EGMR entschied damals, dass es eine Verletzung von Art. 14 (Diskriminierungsverbot) in Verbindung mit Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) darstellt, wenn eine versicherte Person, welche unter dem Status einer Vollerwerbstätigen (d.h. bei Anwendbarkeit der Einkommensvergleichsmethode[ Art. 28a Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG ]) eine Invalidenrente beanspruchen konnte, diesen Anspruch zu einem späteren Zeitpunkt allein aufgrund des Umstandes verliert, dass sie wegen der Geburt ihrer Kinder und der damit einhergehenden Reduktion des Erwerbspensums für die Invaliditätsbemessung neu als Teilerwerbstätige mit einem Aufgabenbereich (was zur Anwendung der gemischten Methode führt [ Art. 28a Abs. 3 IVG ]) qualifiziert wird. 4.2 Nach der zur Umsetzung des erwähnten EGMR-Urteils vom 2. Februar 2016 ergangenen bundesgerichtlichen Rechtsprechung (insbesondere BGE 143 I 50 und 60) ist zwecks Herstellung eines BGE 144 I 103 S. 108 konventionskonformen Zustandes in Konstellationen, in welchen allein familiäre Gründe (die Geburt von Kindern und die damit einhergehende Reduktion des Erwerbspensums) für einen Statuswechsel von "vollerwerbstätig" zu "teilerwerbstätig" (mit Aufgabenbereich) sprechen, fortan auf die (allein darauf beruhende) revisionsweise Aufhebung oder Herabsetzung der Invalidenrente im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG zu verzichten. Die versicherte Person hat diesfalls Anspruch auf die Weiterausrichtung der bisherigen Rente (vgl. auch BGE 144 I 21 E. 4.2 S. 26; Urteil 9C_525/2016 vom 15. März 2017 E. 4.2.2; ferner BGE 143 V 77 E. 3.2.2 S. 80; vgl. auch IV-Rundschreiben Nr. 355 des BSV vom 31. Oktober 2016 [aktualisiert per 26. Mai 2017]; Urteil 9C_553/2017 vom 18. Dezember 2017 E. 5.1 und 5.2). 4.3 Im Lichte dieser Rechtsprechung ging die Vorinstanz zutreffend davon aus, dass hier eine Di-Trizio -ähnliche Konstellation vorliegt und eine revisionsweise Rentenaufhebung oder -herabsetzung unter den gegebenen Umständen ausser Betracht fällt. Nicht zu beanstanden ist auch, dass sie den Anspruch der Versicherten sodann im Sinne einer Motivsubstitution unter wiedererwägungsrechtlichen Gesichtspunkten prüfte. Es ist im letztinstanzlichen Verfahren unbestritten, dass die Voraussetzungen für eine Wiedererwägung der Verfügung vom 12. Mai 2005 gegeben sind. 4.4 Streitig und zu prüfen ist indessen der Einwand der IV-Stelle, die Vorinstanz hätte bei der wiedererwägungsweisen Prüfung der künftigen Anspruchsberechtigung der Versicherten nicht auf die Verhältnisse im Jahr 2002 abstellen dürfen, sondern den Invaliditätsgrad im Zeitpunkt der Verfügung vom 9. Juni 2016 ermitteln müssen. 4.4.1 Bei Vorliegen der Voraussetzungen für ein wiedererwägungsweises Zurückkommen auf eine formell rechtskräftige Verfügung (oder einen formell rechtskräftigen Einspracheentscheid) gilt es, mit Wirkung ex nunc et pro futuro einen rechtskonformen Zustand herzustellen ( Art. 85 Abs. 2, Art. 88 bis Abs. 2 IVV [SR 831.201]). DieAnspruchsberechtigung und der Umfang des Anspruchs sind diesfalls pro futuro zu prüfen. Wie bei einer materiellen Revision nach Art. 17 Abs. 1 ATSG muss auf der Grundlage eines richtig und vollständig festgestellten Sachverhalts der Invaliditätsgrad im Zeitpunkt der Verfügung (oder des Einspracheentscheides) ermittelt werden (Urteile 9C_766/2016 vom 3. April 2017 E. 1.2 und 9C_173/2015 vom 29. Juni 2015 E. 2.2; je mit Hinweisen). BGE 144 I 103 S. 109 4.4.2 Diese Grundsätze liess die Vorinstanz ausser Acht, als sie im Rahmen der Prüfung der künftigen Anspruchsberechtigung der Versicherten auf die Verhältnisse im Jahr 2002 - statt auf diejenigen im Zeitpunkt der Verfügung (9. Juni 2016) - abstellte. In diesem Punkt ist ihr Entscheid bundesrechtswidrig. 4.5 Zu den allein massgebenden Verhältnissen, wie sie sich bis zum Zeitpunkt der Verfügung vom 9. Juni 2016 entwickelt haben, wurden im angefochtenen Entscheid keine Feststellungen getroffen. Das Bundesgericht kann den Sachverhalt indessen insoweit ergänzen (nicht publ. E. 1; BGE 143 V 19 E. 6.1.3 in fine S. 32): Es steht aufgrund der Akten fest, dass die Versicherte ohne Gesundheitsschaden hypothetisch im Jahr 2016 nicht mehr voll, sondern lediglich noch zu 80 % erwerbstätig und daneben zu 20 % im Haushalt beschäftigt gewesen wäre. Wenn nun aber, wie in E. 4.3 dargelegt, diese Änderung der Verhältnisse (Statuswechsel) als Di-Trizio -ähnliche Konstellation im Rahmen einer Rentenrevision ausser Acht zu lassen ist, muss es sich hinsichtlich der Wiedererwägung ebenso verhalten. Andernfalls würde der im EGMR-Urteil vom 2. Februar 2016 als EMRK-widrig beanstandeten Folge - der aus dem Statuswechsel resultierenden Rentenaufhebung bzw. -herabsetzung - über einen anderen Rechtstitel zum Durchbruch verholfen. Mit anderen Worten darf der allein familiär bedingte Statuswechsel von "vollerwerbstätig" zu "teilerwerbstätig" (mit Aufgabenbereich) auch im Rahmen einer wiedererwägungsweisen Anspruchsüberprüfung nicht zu einer Änderung der Bemessungsmethode (Anwendbarkeit der gemischten anstelle der Einkommensvergleichsmethode) führen. 4.6 Mit Blick darauf, dass im Rahmen der Wiedererwägung die Berichtigung einer von Anfang an zweifellos unrichtigen Verfügung zur Diskussion steht, kann die Rechtsfolge - anders als nach der in E. 4.2 erwähnten, auf Revisionsfälle zugeschnittenen Praxis - nicht darin bestehen, dass der versicherten Person die bisherige Rente, ungeachtet der erkannten Mängel, belassen wird. Vielmehr ist zwecks Herstellung eines rechtmässigen Zustandes der Invaliditätsgrad diesfalls auf einer neuen, richtigen Grundlage zu ermitteln. Dabei ist der von der versicherten Person bisher innegehabte Status beizubehalten (vgl. auch BGE 143 V 77 E. 3.2.3 S. 80 [betreffend eine aufgrund der Schlussbestimmungen der 6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket, eingeleitete Anspruchsüberprüfung]). Mit anderen Worten ist der Invaliditätsgrad diesfalls unter Zugrundelegung der BGE 144 I 103 S. 110 bisherigen Bemessungsmethode neu festzusetzen, das heisst anhand eines Einkommensvergleichs. 5. 5.1 Gemäss Art. 16 ATSG wird für die Bestimmung des Invaliditätsgrades das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte (Invalideneinkommen; dazu E. 5.2), in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (Valideneinkommen; dazu E. 5.3). 5.2 Was das Invalideneinkommen anbelangt, bringt die IV-Stelle zu Recht vor, die Vorinstanz hätte nicht auf die Tätigkeit einer Büroangestellten und die (sehr tiefen) LSE-Löhne im Bereich der persönlichen Dienstleistungen abstellen dürfen. Denn nach den verbindlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid, welche im hier massgebenden Beurteilungszeitpunkt, wie unbestritten ist, unverändert Gültigkeit haben, besteht bei der Versicherten für alle körperlich leichten Tätigkeiten in Wechselpositionen ohne rein sitzende Tätigkeiten in Zwangspositionen, dauernd vornüber geneigt, mit vorgeneigter Kopf- und Rumpfposition sowie ohne andauernde Arbeit im Überkopfbereich, eine Arbeitsfähigkeit von 50 %. Da die Versicherte damit nicht nur Bürotätigkeiten, sondern sämtliche körperlich leichten Arbeiten in einem 50 %-Pensum verrichten könnte, ist vom "Total" der im privaten Sektor mit einfachen und repetitiven Tätigkeiten Beschäftigten auszugehen (vgl. statt vieler: Urteile 8C_176/2012 vom 3. September 2012 E. 7; 9C_237/2007 vom 24. August 2007 E. 5.1 und 5.2, nicht publ. in: BGE 133 V 545 , aber in: SVR 2008 IV Nr. 20 S. 63). Damit ergibt sich nach den Ermittlungen der IV-Stelle für das Jahr 2016 ein von der Versicherten nicht bestrittenes Invalideneinkommen von Fr. 26'422.-, von welchem im Rahmen des Einkommensvergleichs auszugehen ist (vgl. dazu E. 5.4). 5.3 Beim Valideneinkommen ist zu berücksichtigen, dass in der Regel am zuletzt erzielten, der Teuerung und der realen Einkommensentwicklung angepassten Verdienst anzuknüpfen ist, da es empirischer Erfahrung entspricht, dass die bisherige Tätigkeit ohne Gesundheitsschaden fortgesetzt worden wäre; Ausnahmen müssen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt sein ( BGE 134 V 322 E. 4.1 S. 325 f.). Auf Erfahrungs- und Durchschnittswerte darf nur BGE 144 I 103 S. 111 unter Mitberücksichtigung der für die Entlöhnung im Einzelfall relevanten persönlichen und beruflichen Faktoren abgestellt werden ( BGE 139 V 28 E. 3.3.2 S. 30; MEYER/REICHMUTH, a.a.O., N. 48 f. zu Art. 28a IVG ; UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 3. Aufl. 2015, N. 23 zu Art. 16 ATSG ). 5.3.1 Nach den Akten hatte die Versicherte vor Eintritt des Gesundheitsschadens am 11. April 2001 während 4 3⁄4 Jahren als Filialleiterin einer Bäckerei gearbeitet. Es ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sie diese Tätigkeit ohne Gesundheitsschaden fortgesetzt hätte. Unter Zugrundelegung des gemäss IK-Auszug im Jahr 2000 zuletzt erzielten Verdienstes von Fr. 32'760.- errechnete die IV-Stelle für 2016 (nach Berücksichtigung der Lohnentwicklung im Sektor G von 2001 bis 2016) ein Jahreseinkommen von Fr. 41'436.-. Da die Versicherte diesen von der IV-Stelle ermittelten Wert in ihrer Vernehmlassung nicht bestreitet, sondern ihrer eigenen Berechnung zugrunde legt, erübrigen sich Weiterungen dazu. 5.3.2 Unter den Parteien besteht allerdings Uneinigkeit in der Frage der Parallelisierung des Valideneinkommens. Rechtsprechungsgemäss ist das Einkommen in dem Umfang zu parallelisieren, in welchem die prozentuale Abweichung den Erheblichkeitsgrenzwert von 5 % übersteigt ( BGE 135 V 297 E. 6.1.3 S. 303 f.). 5.3.2.1 Die IV-Stelle geht in ihrer Beschwerde von einem branchenüblichen Lohn von Fr. 56'978.- aus (gestützt auf LSE 2012, TA1, Handel, Instandhaltung und Reparatur von Motorfahrzeugen [45-47], Kompetenzniveau 2 [praktische Tätigkeiten wie u.a. Verkauf], Frauen: Fr. 4'382.-; unter Berücksichtigung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit und der Lohnentwicklung im Sektor G von 2013 bis 2016). Aufgrund des ermittelten Minderverdienstes von 27 % gelangt die Verwaltung zu einem Valideneinkommmen von Fr. 53'971.- (nach Heraufsetzung des Einkommens von Fr. 41'436.- um 22 % von Fr. 56'978.-). 5.3.2.2 In ihrer Vernehmlassung wendet die Versicherte ein, die Berechnung der IV-Stelle trage dem Umstand nicht Rechnung, dass sie als Filialleiterin gearbeitet habe. Sie hält die Tabelle T1_b der LSE 2014, Detailhandel (Ziffer 47), Berufliche Stellung 3 (unteres Kader), für massgebend. Auf dieser Grundlage ermittelt sie (nach Berücksichtigung der Lohnentwicklung und der betriebsüblichen Arbeitszeit) ein branchenübliches Einkommen von Fr. 69'598.- und BGE 144 I 103 S. 112 einen Minderverdienst von 68 %. Nach ihrer eigenen Parallelisierungsrechnung (Heraufsetzung des Einkommens von Fr. 41'436.- um 63 % von Fr. 41'436.-) ergibt sich ein Valideneinkommen von Fr. 67'541.-. 5.3.2.3 Der von der Beschwerdegegnerin vernehmlassungsweise vorgeschlagenen Berechnungsweise ist insoweit beizupflichten, als im Rahmen der Invaliditätsbemessung grundsätzlich auf die neuste LSE, mithin diejenige von 2014 (statt von 2012) abzustellen ist ( BGE 143 V 295 E. 4.1.3 S. 300). Würde auf dieser statistischen Grundlage zu Gunsten der Versicherten der Lohn beigezogen, den Frauen im Detailhandel (Ziffer 47 [statt Ziffer 45-47]) erzielten, und zwar im für sie vorteilhaften Kompetenzniveau 3, welches komplexe praktische, ein grosses Wissen in einem Spezialgebiet voraussetzende Tätigkeiten umfasst, ergäbe sich für das Jahr 2016 ein Lohn von Fr. 64'713.- (Fr. 5'087.- gemäss der üblicherweise verwendeten Tabelle TA1, unter Berücksichtigung der Lohnentwicklung und der betriebsüblichen Arbeitszeit). Nach Parallelisierung (Heraufsetzung des Einkommens von Fr. 41'436.- um 31 % von Fr. 64'713.-) führte dieser Weg zu einem Valideneinkommen von Fr. 61'497.-. Da aber auch unter Zugrundelegung dieses eher zu grosszügig bemessenen Wertes kein anderes Ergebnis resultieren würde (dazu E. 5.4), kann offengelassen werden, welche Berechnungsweise vorzuziehen ist. 5.4 Unabhängig davon, ob man dem unbestrittenen Invalideneinkommen von Fr. 26'422.- (E. 5.2) ein Valideneinkommen von Fr. 53'971.- (E. 5.3.2.1) oder von Fr. 61'497.- (E. 5.3.2.3) gegenüberstellt, resultiert mit 51 % bzw. 57 % ein Invaliditätsgrad, der Anspruch auf eine halbe Rente verleiht ( Art. 28 Abs. 2 IVG ). 5.5 Zusammenfassend ergibt sich, dass die Rente der Versicherten mit Wirkung ab 1. August 2016 ( Art. 88 bis Abs. 2 IVV ) von einer ganzen auf eine halbe Rente herabzusetzen ist.
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Sachverhalt ab Seite 43 BGE 87 I 42 S. 43 A.- Alphonse Uldry, né en 1898, originaire d'Avry devant Pont, qui avait déjà subi plusieurs condamnations pour infractions contre le patrimoine, a été condamné le 25 février 1942, par le Tribunal criminel de la Sarine, pour vols, tentative et complicité de vols, à cinq ans et demi de réclusion et dix ans de privation des droits civiques. Interné à Bellechasse (art. 42 CP), il fut libéré le 8 août 1947. En 1952, Uldry est arrivé à Fribourg avec sa femme et ses deux enfants mineurs et y a loué un appartement. Le Conseil communal de la Ville de Fribourg lui a refusé le permis d'établissement, tant par le motif qu'il était privé de ses droits civiques (art. 45 al. 2 Cst.) que parce qu'il était incapable de travailler et était tombé d'une manière permanente, à son ancien domicile dans son canton d'origine (Marsens), à la charge de la bienfaisance publique (art. 45 al. 4 Cst.). Ce refus a été confirmé, en dernière instance, par le Tribunal fédéral, le 19 novembre 1952. Uldry ne fut cependant pas expulsé. Sur l'intervention réitérée de diverses personnes et institutions, il resta en fait à Fribourg. En 1954, le Conseiller d'Etat compétent décida que les frais d'assistance seraient couverts par l'Etat. Depuis cette époque, ce dernier a versé 24 231 fr. 25; le service social de la Ville paya de son côté 10 484 fr. 45. Le 14 novembre 1959, la famille Uldry se rendit à Genève, où elle resta jusqu'au début de janvier 1960, date de son retour à Fribourg. Uldry avait emporté ses BGE 87 I 42 S. 44 papiers, mais ne prit pas un appartement. A Fribourg, les époux Uldry eurent aussitôt recours à l'assistance publique, étant tous deux malades, puis hospitalisés. Le chef du service cantonal de l'assistance a garanti pour deux ans encore l'entretien du ménage. B.- Le 14 janvier 1960, Uldry a formé une nouvelle demande de permis d'établissement. Le 9 février 1960, le Conseil communal de la Ville de Fribourg a pris une décision (notifiée le lendemain) refusant le permis sollicité. Dans ses motifs, il a invité le requérant à quitter le territoire de la commune dans le plus bref délai. Dans la procédure qui suivit, il a indiqué à plusieurs reprises qu'il n'entendait pas que le requérant pût à nouveau se prévaloir du retard apporté à l'expulsion comme d'une tolérance de fait. Uldry a recouru contre cette décision auprès du Préfet du district de la Sarine. Ce magistrat a rejeté le recours le 22 juin 1960, après que le recourant eut lui-même reconnu, le 8 avril précédent, qu'il était malade et, partant, incapable d'exercer une activité lucrative et d'assurer son entretien et celui de sa famille. Saisi d'un recours, le Conseil d'Etat du canton de Fribourg a confirmé le refus dans sa séance du 21 octobre 1960. C.- Agissant par la voie du recours de droit public pour violation de l'art. 45 al. 4 Cst., Uldry requiert le Tribunal fédéral d'annuler la décision du Conseil d'Etat. Il expose qu'il s'est rendu à Genève pour voir si le climat conviendrait mieux à son état de santé et qu'après une courte expérience de moins de deux mois, il a dû se résigner à retourner à Fribourg, sans s'être constitué un domicile à Genève. Le Ministère public, au nom du Conseil d'Etat, et la Commune de Fribourg concluent au rejet du recours.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. Dans les cantons où existe l'assistance au domicile (tel Fribourg: arrêt Werro du 3 décembre 1958), l'autorisation BGE 87 I 42 S. 45 de s'établir peut être subordonnée, s'il s'agit de ressortissants du canton, à la condition qu'ils soient en état de travailler et qu'ils ne soient pas tombés, à leur ancien domicile dans le canton d'origine, d'une manière permanente à la charge de la bienfaisance publique (art. 45 al. 4 Cst.). Le Conseil d'Etat du canton de Fribourg a invoqué cette disposition pour refuser l'établissement sollicité par le recourant. Le Tribunal fédéral examine librement s'il l'a violée, sans être limité par les motifs du recours (RO 83 I 13). Il n'est pas contesté que le recourant est tombé de manière durable à la charge de l'assistance publique, tant à Genève qu'à Fribourg. S'il était domicilié à Genève avant son retour à Fribourg, il n'a pas droit à l'établissement dans cette dernière ville en vertu de la disposition constitutionnelle fédérale (RO 60 I 86/87), car il ne conteste pas qu'il n'était pas capable de travailler et se trouvait en permanence, pour cette raison, à la charge de la bienfaisance publique. Certes, d'après l'arrêt cité, la Ville de Fribourg aurait refusé à tort le permis si elle était tenue, avant le départ pour Genève, d'assister le recourant. C'est une question de droit cantonal que la décision attaquée résout. Selon le Conseil d'Etat, le domicile civil de Fribourg ne peut être considéré comme domicile d'assistance (art. 10 de la loi d'assistance) que si l'autorité a autorisé l'établissement, formellement ou tacitement; tel n'est pas le cas en l'espèce (voir RO 53 I 202, 60 I 421). A son arrivée de Genève, le recourant ne pouvait donc prétendre ni à l'assistance (d'après le droit cantonal), ni, par conséquent, à l'établissement (d'après le droit fédéral) dans la Commune de Fribourg. Si au contraire, comme il l'affirme, son domicile civil était resté dans cette ville, malgré le séjour à Genève, le Conseil communal pouvait, dans ce cas, s'en tenir à la décision de 1952, aucun fait nouveau n'ayant changé la situation sur laquelle s'était fondé le premier refus, dans la mesure où celui-ci reposait sur l'application de l'art. 45 al. 4 Cst. L'écoulement du temps ne modifie pas, en soi et à lui seul, les conditions BGE 87 I 42 S. 46 d'application de l'art. 45 Cst. (RO 51 I 120 ; 60 I 423 ). La Commune de Fribourg n'eût été obligée de reviser son attitude que si le recourant n'avait plus besoin de recourir à l'assistance publique (voir RO 71 I 12 ; 62 I 69 ). 2. Encore qu'il ne vise directement que la requête tendant à l'octroi d'un permis d'établissement - et que dès lors le présent arrêt soit suffisamment fondé par les considérations qui précèdent -, le Conseil d'Etat confirme une décision de la Ville de Fribourg dont les motifs laissent clairement entendre que celle-ci se réserve le droit d'expulser le recourant ou, à tout le moins, veut l'empêcher de créer une situation de fait, comme après 1952. Cette position de l'autorité appelle quelques observations. Le Tribunal fédéral a contraint, dans certains cas, l'autorité cantonale à tolérer en fait le séjour ou à renoncer à l'expulsion. Ainsi, le canton qui ne retire pas l'établissement à un individu pendant de longues années bien qu'il sache en avoir le droit à raison de condamnations réitérées de cet individu pour des délits graves, renonce à se prévaloir de ce motif (RO 71 I 148). En thèse générale, lorsque l'autorité cantonale, tout en sachant qu'une personne ne jouit pas, pour telle ou telle raison, du droit d'établissement, le lui accorde néanmoins ou renonce à le lui retirer, elle ne peut faire état du motif, plus tard, pour révoquer ou retirer, sans autre, l'autorisation de s'établir, quand bien même les circonstances n'impliquent pas une renonciation à s'en prévaloir (RO 53 I 202/203). Cette jurisprudence se rapporte à l'art. 45 al. 3 Cst. et plus spécialement au cas de condamnations pour délits graves (sauf une allusion à l'al. 2: RO 53 I 203). Elle ne vise pas, en outre, l'hypothèse où un citoyen à qui l'on a refusé l'établissement ou que l'on a expulsé est néanmoins toléré en fait, et sans qu'on lui impose des conditions (contrairement au cas Abbt, RO 42 I 302); la question n'est que soulevée dans l'arrêt Graber (RO 60 I 422 en bas). Il ne fait guère de doute, cependant, que la situation est analogue lorsqu'il s'agit d'appliquer l'art. 45 BGE 87 I 42 S. 47 al 4 Cst. à un citoyen que l'on a longtemps toléré (in casu de 1952 à 1959), après lui avoir refusé le permis. Que l'autorité ait ainsi renoncé à sa mesure ou non, elle ne saurait, sans violer l'art. 4 Cst. (cf. RO 42 I 302), se départir de son attitude tolérante que si des faits nouveaux se produisent qui revêtent assez de gravité pour justifier une expulsion fondée sur l'ancien motif (RO 53 I 203). La raison qui a convaincu la commune de Fribourg de tolérer en fait le recourant, c'est manifestement l'assistance accordée par l'Etat en lieu et place de la communauté publique chargée de ce soin par la législation cantonale et l'assurance que la présence du recourant n'entraînera aucune obligation pour la ville; sans appliquer rigoureusement l'art. 45 al. 4 Cst. (en procédant à l'expulsion), celle-ci parvenait au but que cette disposition vise, soit éviter qu'un droit à l'assistance naisse en raison de l'établissement ou du domicile: elle refusait l'établissement, mais tolérait en fait le recourant tant que l'Etat pourvoyait à son entretien. Cette situation durera encore deux ans au moins, vu les déclarations du chef du service cantonal de l'assistance. Durant cette période, respectivement tant que l'Etat assistera le recourant, la commune de Fribourg n'a pas de motif de ne plus tolérer ce dernier (sous l'angle du cas d'assistance du moins). Seule la fin des secours cantonaux constituerait une raison valable.
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1,172
Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral Rejette le recours dans le sens des considérants.
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Sachverhalt ab Seite 277 BGE 129 III 276 S. 277 A.- A. (Kläger) war seit dem 16. März 1989 Mitarbeiter der Bank X. (Beklagte). Er kündigte das Arbeitsverhältnis auf den 31. Dezember 2000. Sein Jahreslohn belief sich im ersten Dienstjahr auf Fr. 75'400.- und erhöhte sich bis zu seinem Ausscheiden auf rund Fr. 132'000.-. Seit Beginn des Arbeitsverhältnisses wurde ihm jährlich eine Gratifikation ausbezahlt, die im ersten Dienstjahr (9 1/2 Monate) Fr. 3'600.- betrug und sich bis zum Jahr 1999 auf Fr. 30'000.- erhöhte. Für das Jahr 2000 erhielt der Kläger keine Gratifikation mehr. B.- Mit Teilklage vom 26. September 2001 belangte der Kläger die Beklagte beim Gewerblichen Schiedsgericht von Basel-Stadt auf Zahlung von Fr. 30'000.- als Gratifikation für das Jahr 2000 nebst Zins. Das Gewerbliche Schiedsgericht hiess die Klage am 3. Dezember 2001 im Umfang von Fr. 21'333.- netto nebst Zins gut. Die Mehrforderung wies es ab. Diesen Entscheid hob das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt am 7. Juni 2002 auf kantonalrechtliche Beschwerde der Beklagten hin auf und wies die Klage vollumfänglich ab. C.- Der Kläger beantragt mit eidgenössischer Berufung, das Urteil des Appellationsgerichts vom 7. Juni 2002 sei aufzuheben und die Klage im gleichen Umfang wie vom Gewerblichen Schiedsgericht gutzuheissen. Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung, soweit darauf eingetreten werden könne. Eine vom Kläger in gleicher Angelegenheit erhobene staatsrechtliche Beschwerde hat das Bundesgericht mit Urteil vom heutigen Tag abgewiesen. Das Bundesgericht weist die Berufung ab. BGE 129 III 276 S. 278
393
278
Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Bei einer Gratifikation im Sinne von Art. 322d OR handelt es sich um eine ausserordentliche Zulage, die zum Lohn hinzutritt und bei bestimmten Anlässen ausgerichtet wird (STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N. 2 f. zu Art. 322d OR ). Sie hängt immer in einem gewissen Masse vom Willen des Arbeitgebers ab. Ein im voraus festgesetzter und fest vereinbarter Betrag kann keine Gratifikation sein, sondern stellt Lohn dar ( BGE 109 II 447 E. 5c S. 548; TERCIER, Les contrats spéciaux, 3. Aufl., Zürich 2003, Rz. 3139 ff.). Umgekehrt darf aber nicht geschlossen werden, dass jede variable Vergütung eine Gratifikation wäre. Je nach dem, was die Parteien konkret vereinbart haben, handelt es sich vielmehr entweder um einen Lohnbestandteil im Sinne von Art. 322 OR , der gemäss Art. 322a OR variabel ausgestaltet sein kann, oder um eine Gratifikation (vgl. BRÜHWILER, Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, 2. Aufl., Bern 1996, N. 3 zu Art. 322d OR ; STREIFF/VON KAENEL, Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht, 5. Aufl., Zürich 1992, N. 9 zu Art. 322 OR und N. 4 zu Art. 322d OR ; WYLER, Droit du travail, Bern 2002, S. 115 f.). Ob es sich bei einer Gratifikation um eine vollständig freiwillige Leistung des Arbeitgebers handelt oder ob auf deren Ausrichtung ein Anspruch besteht, hängt von den Umständen ab. Die Verpflichtung zur Ausrichtung kann im schriftlichen oder mündlichen Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart worden sein. Sie kann aber auch während des laufenden Arbeitsverhältnisses durch konkludentes Verhalten entstehen, wie beispielsweise durch die regelmässige und vorbehaltlose Ausrichtung eines entsprechenden Betrages (Urteil des Bundesgerichts 4C.263/2001 vom 22. Januar 2002, E. 4b; BRÜHWILER, a.a.O., N. 3 zu Art. 322d OR ; BRUNNER/BÜHLER/WAEBER, Kommentar zum Arbeitsvertragsrecht, 2. Aufl., Basel 1997, N. 5 zu Art. 322d OR ; TERCIER, a.a.O., Rz. 3142; VISCHER, Der Arbeitsvertrag, in: Schweizerisches Privatrecht VII/1,III, Basel 1994, S. 114; STREIFF/VON KAENEL, a.a.O., N. 4 zu Art. 322d OR ; vgl. auch GOTTLIEB DELBRÜCK, Die Gratifikation im schweizerischen Einzelarbeitsvertrag, Diss. Basel 1981, S. 57 ff.). Lehre und Rechtsprechung nehmen an, dass eine Gratifikation nach dem Vertrauensprinzip als vereinbart gilt, wenn sie vorbehaltlos während mindestens drei aufeinander folgenden Jahren ausgerichtet worden ist (Urteil des Bundesgerichts 4C.359/1995 vom 6. Dezember 1995, E. 2, JAR 1997 S. 124; STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N. 9 zu Art. 322d OR ; REHBINDER, Berner Kommentar, N. 6 f. zu Art. 322d BGE 129 III 276 S. 279 OR ; DUC/SUBILIA, Commentaire du contrat individuel de travail, Lausanne 1998, N. 13 zu Art. 322d OR ; WYLER, a.a.O., S. 120; vgl. auch die kantonalen Urteile in: JAR 1999 S. 156, JAR 1998 S. 148 f., JAR 1996 S. 150 ff., JAR 1995 S. 107, JAR 1994 S. 145 f.). Die Einigung kann allerdings auch nur den Grundsatz betroffen haben, dass eine Gratifikation auszurichten ist. Dann kann der Arbeitgeber unterschiedliche Beträge je nach der Qualität der Arbeitsleistung, dem Geschäftsgang und weiteren von ihm frei bestimmbaren Kriterien ausrichten (STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N. 24 zu Art. 322d OR ; REHBINDER, a.a.O., N. 16 zu Art. 322d OR ). 2.1 Der Kläger macht geltend, zur Unterscheidung zwischen einem Lohnbestandteil und einer Gratifikation komme es nicht bloss auf den Parteiwillen an. Eine Gratifikation könne als zusätzliches Entgelt oder Akzessorium zum Lohn immer nur eine Leistung darstellen, die neben dem Lohn ausgerichtet werde. Übersteige ihr Betrag, wie vorliegend, ein gewisses Mass, liege keine Gratifikation, sondern Lohn vor. Es ist in der Tat mit dem Charakter der ganzen oder teilweisen Freiwilligkeit der Gratifikation nicht vereinbar, dass bei einem Arbeitsvertrag die Entschädigung ausschliesslich in einer Gratifikation besteht. Der Arbeitsvertrag ist definitionsgemäss entgeltlich. Die Arbeitgeberin muss sich somit zu einem Entgelt verpflichtet haben. Eine bloss freiwillige Entschädigung genügt nicht. Entsprechend ist die Gratifikation eine Sondervergütung, die zum Lohn hinzutritt (STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N. 3 zu Art. 322d OR ). Die Lehre folgert richtig, dass es auch nicht genügen kann, wenn ein kleiner Lohn vereinbart ist und dafür eine grosse Gratifikation ausgerichtet wird (STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N. 4 zu Art. 322d OR ). Diesfalls erweist sich die Gratifikation trotz der vereinbarten Freiwilligkeit als das eigentliche Entgelt für die Arbeit und wird dadurch zumindest teilweise zum Lohn im Rechtssinn. Fraglich erscheint allerdings, wo die entsprechende Grenze zu ziehen ist. Diese kann nicht einfach in einer festen Verhältniszahl zwischen dem vereinbarten Lohn und der freiwilligen Gratifikation liegen. Es liegt auf der Hand, dass bei einem niedrigen Einkommen schon ein (auch relativ) kleiner Einkommensunterschied sehr viel mehr Bedeutung haben wird, als bei einem hohen Einkommen. Entsprechend kann bei einem hohen Einkommen der als Gratifikation ausgerichtete Teil der Leistung prozentual zum Lohn grösser sein, als bei einem niedrigen Einkommen (DELBRÜCK, a.a.O., S. 76 f.). Ob die fragliche Leistung für die Parteien zur entscheidenden Entschädigung BGE 129 III 276 S. 280 für die Arbeitsleistung und damit zum Lohn geworden oder eine blosse Zusatzvergütung und damit Gratifikation geblieben ist, hängt überdies von ihrer Regelmässigkeit ab. Auch bei einer im Verhältnis zum Lohn sehr hohen Leistung kann der Charakter als Gratifikation gewahrt werden, wenn ihre Ausrichtung einmalig ist und sich in dieser Höhe nicht wiederholt. Auch deshalb lässt sich keine allgemeine Schranke für die Höhe der Gratifikation festsetzen. Immerhin erscheint der akzessorische Charakter dann kaum mehr gewahrt, wenn die Gratifikation regelmässig einen höheren Betrag erreicht als der Lohn. Wie der Kläger selber festhält, waren die im vorliegenden Fall als Gratifikation ausbezahlten Beträge durchwegs wesentlich geringer. Sie erreichten bis zu einem Viertel des Jahresgehalts. Dieses lag seinerseits ab dem vierten Dienstjahr über Fr. 100'000.- und kann damit nicht als bescheiden bezeichnet werden. Die Höhe der ausgerichteten Beträge spricht somit nicht gegen eine Gratifikation. 2.2 Weiter hält der Kläger dafür, die Gratifikation sei vorliegend vereinbart, weil sie Jahrzehnte lang ausgerichtet worden sei. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ( Art. 63 Abs. 2 OG ) richtete die Beklagte während der zwölfjährigen Dauer des Arbeitsverhältnisses zwar immer eine Gratifikation aus, wenn auch in unterschiedlicher Höhe. Die Ausrichtung erfolgte indessen nicht vorbehaltlos. Mit Ausnahme des Jahres 1988 brachte die Beklagte immer den Vorbehalt an, dass die Ausrichtung freiwillig erfolge. Aus dem einmaligen Unterlassen des Freiwilligkeitsvorbehalts kann der Kläger nichts für seinen Standpunkt ableiten. Wie beide kantonalen Instanzen zu Recht festhalten, kann eine einmalige, versehentliche Unterlassung des Vorbehalts noch nicht zu einer stillschweigenden Vereinbarung führen. 2.3 Der Kläger macht zudem mit Verweis auf eine in der Literatur vertretene Meinung geltend, eine stillschweigende Vereinbarung könne auch trotz Freiwilligkeitsvermerks zustande kommen, wenn die Gratifikation jahrzehntelang ausgerichtet worden sei. Es trifft zu, dass es für den Inhalt eines Vertrages auf den tatsächlichen oder den objektiv übereinstimmenden Parteiwillen und nicht auf die von den Parteien gewählte unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise ankommt ( Art. 18 Abs. 1 OR ; BGE 128 III 265 E. 3a; BGE 127 III 444 E. 1b S. 445; BGE 126 III 119 E. 2a). Ein Vorbehalt der Freiwilligkeit ist unbehelflich, wenn er als nicht ernst gemeinte, leere Floskel angebracht wird, und die Arbeitgeberin durch ihr ganzes Verhalten zeigt, dass sie sich zur Auszahlung einer Gratifikation BGE 129 III 276 S. 281 verpflichtet fühlt. Deshalb kann die Gratifikation auch dann als vereinbart gelten, wenn jahrzehntelang eine Gratifikation mit dem Vermerk der Freiwilligkeit ausbezahlt wird, dieser Vorbehalt aber nie in Anspruch genommen wird (STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N. 10 zu Art. 322d OR ; VISCHER, a.a.O., S. 114; STREIFF/VON KAENEL, a.a.O., N. 5 zu Art. 322d OR ; a.M. WYLER, a.a.O., S. 121; BRÜHWILER, a.a.O., N. 3 zu Art. 322d OR ; DUC/SUBILIA, a.a.O., N. 14 zu Art. 322d OR ). Das rechtfertigt sich aber nur, wenn die Arbeitgeberin in dieser Zeit auch Grund dafür gehabt hätte, die Gratifikation nicht auszurichten, wie beispielsweise bei einem schlechten Geschäftsgang oder einer schlechten Arbeitsleistung einzelner Mitarbeiter (BRUNNER/BÜHLER/WAEBER, a.a.O., N. 5 zu Art. 322d OR ; REHBINDER, a.a.O., N. 8 zu Art. 322d OR ; Urteil des Bundesgerichts 4C.284/1996 vom 7. Oktober 1997, E. 2a). Vorliegend ist zwar nachgewiesen, dass die Gratifikation während des zwölf Jahre dauernden Arbeitsverhältnisses immer ausgerichtet worden ist. Der Kläger hat aber in keiner Weise dargetan, warum die Arbeitgeberin in dieser Zeit bei einer freiwilligen Leistung einen Grund hätte haben sollen, auf eine Ausrichtung zu verzichten. Auch insofern sind somit die Voraussetzungen für die Annahme einer stillschweigenden Vereinbarung nicht gegeben. 2.4 Es ergibt sich somit, dass es sich bei den von der Beklagten ausgerichteten Zusatzleistungen um freiwillige Gratifikationen im Sinne von Art. 322d OR handelte und der Kläger keinen Anspruch auf eine Gratifikation erworben hat. 3. Der Kläger macht schliesslich geltend, es widerspreche dem Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn die Beklagte anderen Arbeitnehmern beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis eine Gratifikation ausgerichtet habe, ihm dies nun aber verweigere. Er verkennt dabei die Bedeutung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. 3.1 Soweit eine vertragliche Regelung vorliegt, ist vom Grundsatz der Vertragsfreiheit als einem der tragenden Pfeiler der privatrechtlichen Grundfreiheiten auszugehen (vgl. KRAMER, Berner Kommentar, N. 20 zu Art. 19 OR ). Mit Bezug auf den vereinbarten Vertragsinhalt sind danach beliebige Differenzierungen zwischen den einzelnen Arbeitnehmenden erlaubt. Verhandelt ein Arbeitnehmer schlechter als seine Kollegen, so hat er die sich daraus ergebenden schlechteren Arbeitsbedingungen grundsätzlich hinzunehmen (VON KAENEL, Arbeitsrecht, St. Gallen/Lachen 1999, S. 57; STREIFF/VON KAENEL, a.a.O., N. 20 zu Art. 322 OR , N. 5 zu Art. 322d OR und N. 12 zu Art. 328 OR ; JAR 1985 S. 128). BGE 129 III 276 S. 282 Soweit es um freiwillige Sozialleistungen und Zulagen geht, finden sich in der Lehre und teilweise auch in der Rechtsprechung Einschränkungen und Vorbehalte gegenüber einer Ungleichbehandlung von Angestellten des gleichen Arbeitgebers (STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N. 13 zu Art. 322d OR ; REHBINDER, a.a.O., N. 9 zu Art. 322d OR ; STREIFF/VON KAENEL, a.a.O., N. 20 zu Art. 322 OR und N. 12 zu Art. 328 OR ; WYLER, a.a.O., S. 559; STAEHELIN, Die Gleichbehandlung der Arbeitnehmer im schweizerischen Arbeitsrecht, in: BJM 1982 S. 66 f. [nachfolgend STAEHELIN, Gleichbehandlung]; JAR 1992 S. 287 f.). Solche Einschränkungen lassen sich aber stets nur sehr punktuell rechtfertigen (vgl. dazu GEISER, Gibt es ein Gleichbehandlungsgebot im schweizerischen Arbeitsrecht?, in: Becker/Hilty/Stöckli/Würtenberger [Hrsg.], Festschrift Rehbinder, Bern/München 2002, S. 39 ff.). Das Argument, der Arbeitgeber habe sich von angeblich "sachfremden Motiven" leiten lassen, bedeutet nicht ohne weiteres, dass die ungleiche Behandlung als rechtswidrig erscheint (offenbar a.M. Gewerbliches Schiedsgericht Basel, Urteil vom 18. Juni 1990, JAR 1992 S. 287 f.). Es gehört zum Wesen der privatautonomen Vertragsfreiheit, selber zu bestimmen, welche Motive als "sachgemäss" anzusehen sind. Diesen Grundsatz schränkt die Rechtsordnung allerdings durch gewisse besondere Regelungen ein, wie sie etwa im Gleichstellungsgesetz, im Heimarbeitsgesetz oder in gewissen Staatsverträgen zu finden sind (GEISER, a.a.O., S. 39 ff.; STREIFF/VON KAENEL, a.a.O., N. 5 zu Art. 322d OR ; STAEHELIN, Gleichbehandlung, a.a.O., S. 62 ff.). In der Lehre wird aus der Pflicht des Arbeitgebers, die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu schützen ( Art. 328 OR ), und aus dem Persönlichkeitsschutz ( Art. 28 ff. ZGB ) auf einen allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz geschlossen (REHBINDER, a.a.O., N. 8 zu Art. 328 OR ; DUC/SUBILIA, a.a.O., N. 23 zu Art. 322d OR ; BRUNNER/BÜHLER/WAEBER, a.a.O., N. 6 zu Art. 322d OR ; STREIFF/VON KAENEL, a.a.O., N. 20 zu Art. 322 OR und N. 12 zu Art. 328 OR ; WYLER, a.a.O., S. 560; DANIEL MEYER, Der Gleichbehandlungsgrundsatz im schweizerischen Arbeitsrecht, Diss. Zürich 1976, S. 109 ff., 127 f., 299). Zu beachten ist allerdings, dass auch eine unsachliche und willkürliche Entscheidung des Arbeitgebers nur dann eine Persönlichkeitsverletzung und damit einen Verstoss gegen das individuelle Diskriminierungsverbot darstellen kann, wenn darin eine den Arbeitnehmer verletzende Geringschätzung seiner Persönlichkeit zum Ausdruck kommt (GEISER, a.a.O, S. 45; vgl. auch DELBRÜCK, a.a.O., S. 73). Eine solche kann von vornherein nur gegeben BGE 129 III 276 S. 283 sein, wenn ein Arbeitnehmer gegenüber einer Vielzahl von anderen Arbeitnehmern deutlich ungünstiger gestellt wird, nicht jedoch, wenn der Arbeitgeber bloss einzelne Arbeitnehmer besser stellt (REHBINDER, a.a.O., N. 9 zu Art. 322d OR ; GEISER, a.a.O., S. 45; STREIFF/VON KAENEL, a.a.O., N. 5 zu Art. 322d OR ). Immerhin kann ein nur einzelne Arbeitnehmer begünstigendes Verhalten des Arbeitgebers zur Folge haben, dass auch davon nicht erfasste Arbeitnehmer nach Treu und Glauben auf eine stillschweigende Vertragsänderung zu ihren Gunsten schliessen dürfen. Dann muss die Arbeitgeberin diese nur einzelnen Arbeitnehmern zugedachte begünstigende Behandlung auch den andern zukommen lassen, weil sie nach Treu und Glauben als vertraglich vereinbart anzusehen ist (GEISER, a.a.O., S. 47 f.; vgl. auch STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N. 13 zu Art. 322d OR ). 3.2 Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz haben von weit über hundert in den Jahren 2000 und 2001 durch Kündigung aus den Diensten der Beklagten ausgetretenen Mitarbeitern nur einzelne im gekündigten Arbeitsverhältnis noch eine Gratifikation erhalten. Damit liegt kein Fall einer Benachteiligung eines Mitarbeiters gegenüber den anderen Mitarbeitern der Beklagten vor, sondern eine Begünstigung einzelner Arbeitnehmer, die ohne weiteres zulässig ist. Der Kläger macht nicht geltend und es ist auch nicht zu sehen, dass er aus der Ausrichtung von Gratifikationen oder Abgangsentschädigungen an andere Arbeitnehmer im gekündigten Arbeitsverhältnis auf eine entsprechende Vertragsänderung hätte schliessen dürfen. Dem angefochtenen Entscheid lässt sich nicht entnehmen, dass der Kläger vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Ausrichtung einer Gratifikation an einzelne Arbeitnehmer nach der Kündigung Kenntnis gehabt hätte. Schon insoweit fehlen die Voraussetzungen dafür, dass er nach Treu und Glauben auf eine entsprechende Vertragsänderung hätte vertrauen dürfen.
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Sachverhalt ab Seite 523 BGE 138 V 522 S. 523 A. Der 1989 geborene O. war seit 1. Oktober 2008 als Metzger bei der R. AG tätig gewesen und dadurch bei der Metzger-Versicherungen Genossenschaft (nachfolgend: Unfallversicherer) obligatorisch unfallversichert. Am Abend des 29. August 2009 liess sich O., rittlings auf einem Baumast in rund vier Metern Höhe sitzend, kopfüber in den an dieser Stelle ca. 80 cm tiefen Rhein fallen und schlug mit dem Kopf auf dem Grund des Flusses auf. Er erlitt eine Halswirbelfraktur mit anschliessender Tetraplegie. Mit Verfügung vom 17. März 2010 und Einspracheentscheid vom 21. September 2010 hielt der Unfallversicherer fest, er werde die Geldleistungen um 50 % kürzen, da der Unfall auf ein Wagnis zurückgehe. B. O. erhob gegen den Einspracheentscheid vom 21. September 2010 Beschwerde beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und beantragte die Zusprechung der vollen gesetzlichen Leistungen der Unfallversicherung. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die Beschwerde in dem Sinne teilweise gut, dass es den Einspracheentscheid mit der Feststellung, eine Leistungskürzung unter dem Titel Wagnis sei nicht zulässig, aufhob und die Sache an den Unfallversicherer zurückwies, damit dieser über den Umfang einer Leistungskürzung im Sinne von Art. 37 Abs. 2 UVG (SR 832.20) verfüge (Entscheid vom 24. Februar 2012). Das von O. zudem gestellte Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtsvertretung wurde mit einzelrichterlicher Verfügung vom 11. März 2011 mangels Bedürftigkeit abgewiesen. Die gegen diese Verfügung eingereichte Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wies das Bundesgericht mit Urteil 8C_309/2011 vom 31. Mai 2011 ab. BGE 138 V 522 S. 524 C. Der Unfallversicherer führt gegen den vorinstanzlichen Entscheid vom 24. Februar 2012 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des kantonalen Entscheids sei die Rechtmässigkeit der vorgenommenen 50%igen Leistungskürzung zu bestätigen. O. lässt Abweisung der Beschwerde beantragen. Das Sozialversicherungsgericht und das Bundesamt für Gesundheit verzichten auf eine Vernehmlassung. D. Das Bundesgericht hat am 4. Dezember 2012 eine publikumsöffentliche Beratung durchgeführt. Es heisst die Beschwerde gut.
497
367
Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Gestützt auf Art. 39 UVG kann der Bundesrat aussergewöhnliche Gefahren und Wagnisse bezeichnen, die in der Versicherung der Nichtberufsunfälle zur Verweigerung sämtlicher Leistungen oder zur Kürzung der Geldleistungen führen. Die Verweigerung oder Kürzung kann er in Abweichung von Artikel 21 Absätze 1-3 ATSG (SR 830.1) ordnen. Von dieser Kompetenzdelegation hat der Bundesrat in Art. 49 (betreffend aussergewöhnliche Gefahren) und 50 UVV (SR 832.202; betreffend Wagnisse) Gebrauch gemacht. Bei Nichtberufsunfällen, die auf ein Wagnis zurückgehen, werden die Geldleistungen um die Hälfte gekürzt und in besonders schweren Fällen verweigert ( Art. 50 Abs. 1 UVV ). Wagnisse sind Handlungen, mit denen sich der Versicherte einer besonders grossen Gefahr aussetzt, ohne die Vorkehren zu treffen oder treffen zu können, die das Risiko auf ein vernünftiges Mass beschränken, Rettungshandlungen zugunsten von Personen sind indessen auch dann versichert, wenn sie an sich als Wagnis zu betrachten sind ( Art. 50 Abs. 2 UVV ). Lehre und Rechtsprechung unterscheiden zwischen absoluten und relativen Wagnissen. Ein absolutes Wagnis liegt vor, wenn eine gefährliche Handlung nicht schützenswert ist oder wenn die Handlung mit so grossen Gefahren für Leib und Leben verbunden ist, dass sich diese auch unter günstigsten Umständen nicht auf ein vernünftiges Mass reduzieren lassen. Ein relatives Wagnis ist gegeben, wenn es die versicherte Person unterlassen hat, die objektiv vorhandenen Risiken und Gefahren auf ein vertretbares Mass herabzusetzen, obwohl dies möglich gewesen wäre ( BGE 97 V 72 ff.; Urteil des Eidg. BGE 138 V 522 S. 525 Versicherungsgerichts U 122/06 vom 19. September 2006 E. 2.1, in: SVR 2007 UV Nr. 4 S. 10; ALEXANDRA RUMO-JUNGO, Die Leistungskürzung oder -verweigerung gemäss Art. 37-39 UVG , 1993, S. 291 ff.;ALFRED MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, 2. Aufl. 1989, S. 508 f.; URS CH. NEF, Das Wagnis in der sozialen Unfallversicherung, SZS 1985 S. 103 ff., 104 f.). 3.2 Hat die versicherte Person den Gesundheitsschaden oder den Tod absichtlich herbeigeführt, so besteht kein Anspruch auf Versicherungsleistungen, mit Ausnahme der Bestattungskosten ( Art. 37 Abs. 1 UVG ). Gemäss Art. 37 Abs. 2 UVG werden in Abweichung von Art. 21 Abs. 1 Satz 1 ATSG in der Versicherung der Nichtberufsunfälle die Taggelder, die während der ersten zwei Jahre nach dem Unfall ausgerichtet werden, gekürzt, wenn der Versicherte den Unfall grobfahrlässig herbeigeführt hat. 4. 4.1 Streitig und zu prüfen ist, ob der Unfallversicherer zu Recht seine Geldleistungen um die Hälfte gekürzt hat, weil der Nichtberufsunfall vom 29. August 2009 auf ein Wagnis zurückzuführen war. Zu entscheiden ist, ob das "Kopfüber-Fallen-Lassen" in den Rhein vom 29. August 2009 als Wagnis zu sehen ist oder nicht. Dabei interessiert namentlich die Frage, ob der Wagnisbegriff Wissen um die besonders grosse Gefahr voraussetzt. 4.2 Die Parteien sind sich in sachverhaltlicher Hinsicht darüber einig, dass der Versicherte rittlings auf dem rund vier Meter hohen Ast eines Laubbaumes sass und wohl kurz auf das trübe Wasser (aufgrund stets im Rhein befindlicher Mikroorganismen und Algen ist die Sicht in die Tiefe auf ca. 50 bis 100 cm begrenzt) hinunterblickte, bevor er sich kopfüber ins Wasser fallen liess, eine vorherige Prüfung der Wassertiefe aber unterliess. Dass er sich unwillentlich fallen liess, oder mit dem Gleichgewicht kämpfend, sich aus einer nicht sehr sicheren Position heraus zum Fallenlassen entschieden hat - wie Prof. Dr. iur. M./MLaw K., Universität X., in ihrer Meinungsäusserung vom 2. Mai 2011 zum vorliegenden Fall einen möglichen Unfallhergang skizzieren - ergibt sich aus den Akten nicht und wird auch nicht geltend gemacht. Im Rapport der Kantonspolizei vom 18. November 2009 wurde unter der Rubrik "Sachverhalt" die "Absicht, vom Ast in den Rhein zu springen" erwähnt. Ob der Versicherte dabei von Anfang an die Absicht hatte, in den Rhein zu springen oder sich, einem momentanen Impuls folgend, kopfüber fallen liess, ergibt sich aus den Akten ebenfalls nicht. BGE 138 V 522 S. 526 Der Versicherte wendet dabei, obwohl er Alkohol und Drogen konsumiert hatte, zu keinem Zeitpunkt ein, es liege kein zu einer Leistungskürzung berechtigendes Wagnis vor, weil er zum massgebenden Zeitpunkt vollständig urteilsunfähig gewesen sei ( BGE 98 V 144 E. 4a S. 149). Weiterungen hiezu erübrigen sich daher. 4.3 Das kantonale Gericht erwog, gestützt auf die zwei vom Beschwerdegegner eingereichten rechtlichen Beurteilungen des vorliegenden Falls (von PD Dr. iur. I. vom 20. August 2010 und von Prof. Dr. iur. M./MLaw K., Universität X., vom 2. Mai 2011) müsse die Gefahr wissentlich eingegangen werden, um den Wagnisbegriff zu erfüllen. Gemäss PD Dr. iur. I. spiele das Wissens- und Willenselement beim Wagnis im Sinne von Art. 50 UVV zwar keine Rolle, dieser stelle sich aber auf den Standpunkt, dass die versicherte Person bei einem Wagnis die Gefahr suche (und überwinden wolle). Daraus schloss die Vorinstanz, wenn man die Gefahr suche, um ihr zu trotzen, müsse man sich dieser bewusst sein, weshalb der Wagnisbegriff gemäss Prof. Dr. iur. M./MLaw K. und auch gemäss PD Dr. iur. I. erfordere, dass die versicherte Person die besonders grosse Gefahr wissentlich eingegangen, bzw. dass sie sich dieser bewusst gewesen sei. Der Versicherte sei sich hier indessen nicht bewusst gewesen, dass er sich durch den "Kopfsprung" in den Rhein einer besonders grossen Gefahr ausgesetzt habe. Dieses, dem Wagnis inhärente subjektive Element liege nicht vor, weshalb eine Leistungskürzung unter dem Titel des Wagnisses unzulässig sei. Dementgegen seien die Voraussetzungen der Grobfahrlässigkeit klar erfüllt, da der Beschwerdegegner seine Sorgfaltspflichten in elementarer Art und Weise verletzt habe, indem er vorgängig die Wassertiefe nicht geprüft habe. 4.4 Der beschwerdeführende Unfallversicherer stellt sich demgegenüber auf den Standpunkt, das Wissen um die Gefahr sei nach dem Wortlaut von Art. 50 Abs. 2 UVV kein Begriffselement des Wagnisses. Auch nach Sinn und Zweck dieser Bestimmung gehe es nicht um das Wissen um die Gefahr, da nicht das Verschulden der versicherten Person zu sanktionieren sei. Entscheidend für die Bejahung eines Wagnisses sei vielmehr, ob sich die versicherte Person durch ihre Handlung objektiv einer besonders grossen Gefahr ausgesetzt habe, deren Ausmass sie durch die Art der Ausführung nicht auf ein vernünftiges Mass habe beschränken können. Dies sei bei einem Kopfsprung in einen Fluss mit unbekannter Tiefe zweifelsohne gegeben. 5. In Abgrenzung des Wagnisses zu den Tatbeständen der Selbsttötung/Selbstschädigung und der Grobfahrlässigkeit ergibt sich Folgendes: BGE 138 V 522 S. 527 5.1 5.1.1 Bei der Selbsttötung und Selbstschädigung setzt die Leistungsverweigerung absichtliches Handeln voraus. Das Bundesgericht hat dabei offengelassen, ob eine absichtliche Herbeiführung des Todes oder Gesundheitsschadens auch bei eventualvorsätzlichem Handeln vorliegt (Urteile 8C_504/2007 vom 16. Juni 2008 E. 5.4 und 8C_271/2012 vom 17. Juli 2012 E. 6.4). Unabhängig davon, ob im Einzelfall eine Selbstschädigung oder eine Selbsttötung Selbstzweck oder Mittel zum Zweck sind, sollen wissentlich und willentlich herbeigeführte Selbstschädigungen oder Selbsttötungen von der Versicherungsdeckung ausgeschlossen bzw. hiefür Versicherungsleistungen verweigert werden. Die Absicht im Sinne dieser Bestimmung umfasst daher auch den einfachen Vorsatz (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts U 21/95 vom 17. April 1996 E. 1b mit Hinweis, in: RKUV 1996 S. 168). 5.1.2 Vorliegend steht fest, dass sowohl direkter Vorsatz als auch Eventualvorsatz auszuschliessen sind. Der Versicherte hat weder den durch den Unfall hervorgerufenen Gesundheitsschaden absichtlich herbeigeführt, noch den Eintritt des Erfolgs für möglich gehalten, aber dennoch gehandelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf genommen, sich mit ihm abgefunden hätte. 5.2 5.2.1 Grobfahrlässig nach Art. 37 Abs. 2 UVG handelt, wer jene elementaren Vorsichtsgebote unbeachtet lässt, die jeder verständige Mensch in der gleichen Lage und unter den gleichen Umständen befolgt hätte, um eine nach dem natürlichen Lauf der Dinge vorhersehbare Schädigung zu vermeiden ( BGE 121 V 40 E. 3b S. 45; BGE 118 V 305 E. 2a S. 307 mit Hinweisen). Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die mit Inkrafttreten des ATSG am 1. Januar 2003 revidierte Kürzungsregel von Art. 37 Abs. 2 UVG in materiellrechtlicher Hinsicht nichts an der bisherigen Praxis geändert hat (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts U 233/04 vom 2. Februar 2005 E. 1 mit Hinweis). 5.2.2 Die Fahrlässigkeit besteht aus einer objektiven und subjektiven, nach ihrer Schwere graduell abzustufenden Verschuldenskomponente, wobei sich der Grad der Fahrlässigkeit primär nach dem Grad des subjektiven Verschuldens beurteilt. Das Verhalten muss, um - durch Verletzung elementarster Vorsichtsgebote - Rechtsnachteile zu gewärtigen, Unverständnis, Kopfschütteln und Tadel auslösen, eine moralische Verurteilung nach sich ziehen und die Grenze BGE 138 V 522 S. 528 des Tolerierbaren überschreiten (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts U 195/01 vom 6. Mai 2002 E. 1, in: SVR 2003 UV Nr. 3 S. 7). 5.3 Diese Verschuldenskomponente ist beim Wagnis zwar nicht ausgeschlossen (vgl. E. 7.3), jedoch nicht vorausgesetzt. Die Erfüllung des Wagnisbegriffs bedingt nicht, dass sich die versicherte Person schuldhaft einer besonders grossen Gefahr aussetzt. Im Vordergrund liegt das Gefahrenmoment und es ist eine Risikobeurteilung vorzunehmen, die das Verschulden nicht zu berücksichtigen hat, sodass auch dann ein Wagnis vorliegen kann, wenn die versicherte Person mit grösster Sorgfalt und hohem Sachverstand handelt (RUMO-JUNGO, a.a.O., S. 312 ff.). 6. 6.1 Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der Bestimmung. Vom klaren, d.h. eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, u.a. dann nämlich, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Norm wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Grund und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit andern Vorschriften ergeben ( BGE 137 V 167 E. 3.1 S. 169 f.; BGE 135 II 78 E. 2.2 S. 81; BGE 135 V 215 E. 7.1 S. 229 und 249 E. 4.1 S. 252). 6.2 6.2.1 Mit Blick auf die altrechtliche Regelung, wonach Handlungen als Wagnisse gelten, durch die sich ein Versicherter wissentlich einer besonders grossen Gefahr aussetzt, welche durch die Handlung selbst, die Art ihrer Ausführung oder die Umstände, unter denen sie ausgeführt wird, gegeben sein oder in der Persönlichkeit des Versicherten liegen kann (gestützt auf Art. 67 Abs. 3 KUVG ergangener SUVA-Verwaltungsratsbeschluss vom 31. Oktober 1967; vgl. BGE 97 V 72 E. 2), unterscheidet sich der Wortlaut des Art. 50 Abs. 2 UVV insoweit hievon, als das Wort "wissentlich" nicht mehr vorkommt. 6.2.2 Rechtsprechungsgemäss ist der Begriff des Wagnisses jedoch mit jenem identisch, der unter der Herrschaft der bis 31. Dezember 1983 in Kraft gestandenen Fassung des KUVG gültig war. Inhaltlich hat der Begriff des Wagnisses demnach dadurch keine Änderung erfahren ( BGE 97 V 72 ff.; Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts U 122/06 vom 19. September 2006 E. 2.1, in: SVR 2007 UV Nr. 4 S. 10; U 336/04 vom 9. Februar 2005 E. 1.1, in: RKUV 2005 S. 306). BGE 138 V 522 S. 529 6.3 Nach dem Wortlaut des Verordnungstextes muss sich die versicherte Person mit der vorgenommenen Handlung einer grossen Gefahr aussetzen (franz. Fassung: "l'assuré s'expose à un danger particulièrement grave"; ital. Fassung: "l'assicurato si espone a un pericolo particolarmente grave"). Es steht ausser Frage, dass man sich wissentlich oder unwissentlich in Gefahr begeben oder bringen kann. Das "Sich-einer-Gefahr-Aussetzen" beinhaltet begrifflich nicht das bewusste und willentliche Eingehen einer bestehenden Gefahr. Der Wortlaut von Art. 50 Abs. 2 UVV lässt nicht darauf schliessen, dass Wissen um die tatsächlich und konkret bestehende Situation (in casu in dem Sinne, dass der Versicherte um die tatsächlich ungenügende Flusstiefe weiss), die mit der Handlung verbunden ist, vorliegen muss, um unter die Bestimmung zu fallen. 6.4 Aus entstehungsgeschichtlicher Warte liegt der Zweck des Art. 39 UVG , in Verbindung mit Art. 50 UVV , darin, die Gesamtheit der Versicherten vor einer unzumutbaren Belastung der mit ihren Prämien gedeckten Versicherung durch ungewöhnliche und besonders grosse Risiken ausserbetrieblicher Betätigungen zu schützen (Botschaft vom 18. August 1976 zum Bundesgesetz über die Unfallversicherung, BBl 1976 III 198 Ziff. 403.33; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts U 106/92 vom 15. Dezember 1994 E. 2, in: SVR 1995 UV Nr. 29 S. 85 und Urteil 8C_579/2010 vom 10. März 2011 E. 7.2 mit Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur). Dass nach dem Willen von Gesetz- und Verordnungsgeber ein Wissen um die tatsächlichen Umstände der Gefahrensituation, in die sich die versicherte Person begibt, verlangt sein soll, lässt sich den Materialien nicht entnehmen. 6.5 6.5.1 Nichts anderes ergibt sich aus systematischer und teleologischer (zweckbezogener) Sicht: Art. 50 Abs. 2 UVV negiert das Wagnis, wenn Vorkehrungen getroffen wurden oder hätten getroffen werden können, die das Risiko auf ein vernünftiges Mass reduzieren. Massgeblich ist erstens, ob die Risiken einer bestimmten Handlung durch Vorkehren auf ein vernünftiges Mass beschränkt werden können und zweitens, ob die versicherte Person es unterlassen hat, die objektiv vorhandenen Risiken und Gefahren auf ein vertretbares Mass herabzusetzen, obwohl dies möglich gewesen wäre, was sich anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles, wie etwa die persönlichen Fähigkeiten der Beteiligten und die Art der Durchführung des Unternehmens, beurteilt (Urteile U 122/06 vom 19. September 2006, in: SVR 2007 UV Nr. 4 S. 10; 8C_504/2007 vom 16. Juni 2008 E. 6.1). BGE 138 V 522 S. 530 Mit Blick auf den Begriff des Wagnisses kommt es sodann nicht darauf an, ob sich die versicherte Person der Gefährlichkeit ihrer Handlung wirklich bewusst war oder ob sie über ihr Tun nachgedacht hat, sonst würden Handlungen aus Leichtsinn oder Übermut oder aus dem Affekt (vgl. MAURER, a.a.O., S. 510) den Wagnisbegriff nicht erfüllen. Auch wenn sich das Bundesgericht oftmals in Zusammenhang mit organisiertem, planmässigen Vorgehen (so bei risikoreichen, gefährlichen Sportarten) mit dem Wagnisbegriff auseinanderzusetzen hat, schliesst der Wagnisbegriff ein unplanmässiges, unüberlegtes oder gar unsinniges Handeln gerade nicht aus (Zerdrücken eines Glases in der Hand aus Jux oder aus Wut [als absolutes Wagnis], Klettern über Balkonbrüstung; vgl. Urteil des Bundesgerichts U 612/06 vom 5. Oktober 2007 E. 4.1.1, in: Plädoyer 2008 1 S. 69). In Berücksichtigung des mit der altrechtlichen Regelung identischen Wagnisbegriffs (E. 6.2.2 hiervor) ist, um eine Handlung als Wagnis zu qualifizieren, zu verlangen, dass die besonders grosse Gefährlichkeit, die der Handlung inhärent ist, bekannt ist oder hätte bekannt sein müssen und es unterlassen wurde, sofern möglich, diese auf ein annehmbares Risiko zu reduzieren. Das subjektive Element des Wissens kann sich nur auf die Gefahrensituation als solche beziehen. 6.5.2 Einer ähnlichen Argumentation bediente sich das Eidg. Versicherungsgericht (seit 1. Januar 2007: I. und II. sozialrechtliche Abteilung des Bundesgerichts) bei zwei nach altem Recht (E. 6.2) ergangenen Urteilen: Im Urteil EVGE 1945 S. 96 hatte es sich mit einem Sturz von einer Bahnüberführung zu befassen, nachdem der Versicherte in völliger Dunkelheit das 1,8 Meter hohe Brückengeländer überstiegen hatte, ohne die Bahnüberführung als solche erkannt zu haben und acht bis zehn Meter tief auf die Bahnstrecke fiel. Eine Selbsttötungsabsicht verneinte es, da davon auszugehen sei, dass er die Brücke als solche nicht erkannt hatte. Weiter erwog das Eidgenössische Versicherungsgericht, dass sich der Versicherte, nachdem er an eine Abschrankung geraten sei, welche die typische Konstruktion mancher Bahnüberführungen aufgewiesen habe (Sicherheitsnetz im oberen Teil), bei der erforderlichen Aufmerksamkeit hätte sagen müssen, dass er sich auf einer Brücke befinden könnte. Da er im Ungewissen gewesen sei, was er auf der anderen Seite der Abschrankung antreffen werde, wäre doppelte Vorsicht am Platz gewesen, bevor er sich entschlossen habe, hinüberzusteigen. Weil er aber "nicht durchaus wissen musste, dass er sich einer grossen Gefahr aussetzte" wurde auf hochgradige, an Wagnis grenzende Fahrlässigkeit erkannt. BGE 138 V 522 S. 531 Im Urteil U 15/77 vom 2. Mai 1978 hatte das Eidg. Versicherungsgericht zudem zu beurteilen, ob, wer in der Dunkelheit mit schlechtem Schuhwerk ein Terrassengeländer überspringt, dessen Höhe ihm ebenso unbekannt ist wie die Beschaffenheit des Bodens darunter, um der Konfrontation mit dem Ehemann seiner Geliebten zu entgehen, ein Wagnis eingeht. Dies hat es bejaht: Das Risiko verletzt zu werden, wäre bei einer Auseinandersetzung mit dem eifersüchtigen Ehemann jedenfalls weniger gross gewesen, als dasjenige, das er auf sich genommen habe, als er ins Leere gesprungen sei, zumal der Ehemann unbewaffnet gewesen sei. Selbst wenn man voraussetze, der Versicherte habe angenommen, durch die Reaktion des Ehemanns starke Verletzungen zu gewärtigen, hätte er sich bewusst sein müssen, dass der Sprung übers Geländer ins Dunkle für ihn einen noch schlimmeren Ausgang hätte nehmen können. Er habe sich waghalsig einer Gefahr ausgesetzt. 7. 7.1 Ein Sprung aus einer Höhe von rund vier Metern auf den Kopf in ungenügend tiefes Wasser bzw. in trübes Wasser, dessen Tiefe unbekannt ist, stellt zweifelsohne eine grosse Gefahr dar, was allgemein bekannt ist. Um diese grundsätzliche (und besonders grosse) Gefahr, welche einem Kopfsprung in zu wenig tiefes Wasser inhärent ist, wusste der Versicherte oder sie wäre ihm zumindest bewusst geworden, hätte er über seine Handlung nachgedacht. Daher greift der Einwand, er habe nicht um die ungenügende Wassertiefe und somit nicht um die Gefahr gewusst, nicht. Der konkreten Tatsache des bloss knietiefen Wassers an dieser Stelle musste er sich nicht bewusst sein, um ein Wagnis einzugehen. Wäre dies der Fall gewesen (vgl. zur für gefahrloses Springen [einschl. Kopfsprünge] erforderlichen Wassertiefe: BGE 126 III 306 E. 3b) und er dennoch willentlich gesprungen, hätte er sich zumindest eventualvorsätzlich selbst geschädigt. Da jedoch keine Selbstschädigungsabsicht bestand, hätte er sich später nicht kopfüber vom Baumast fallen lassen, wenn er vorgängig ins Wasser getreten wäre und damit auch um die konkrete Tatsache des viel zu seichten Wassers für ein solches Tun gewusst hätte. 7.2 Hier steht das gewagte, riskante Vorhaben des Versicherten im Vordergrund, welches so grosse Gefahren in sich barg, dass sich mit Blick auf den dargelegten Sinn und Zweck des Art. 39 UVG in Verbindung mit Art. 50 UVV nicht rechtfertigt, die Versichertengemeinschaft die gesamten finanziellen Folgen des Nichtberufsunfalls tragen zu lassen. Bei dem hohen Risiko, das der Versicherte beim BGE 138 V 522 S. 532 kopfüber Eintauchen aus vier Metern Höhe in ein fliessendes Gewässer mit unbekannter Tiefe eingegangen war, kann nicht bloss von einer groben Fahrlässigkeit bei einer an sich ungefährlichen Handlung die Rede sein (vgl. RUMO-JUNGO, a.a.O., S. 313; vgl. E. 5.2 und 5.3). Ob dies Verletzungen nach sich zieht, hängt allein vom Zufall ab, nämlich davon, ob man eine genügend tiefe Stelle trifft oder nicht. Ist die Stelle seicht, was hier der Fall war, führt der Aufprall des Kopfes auf den Flussgrund zwingend zu schweren Verletzungen. Indem sich der Beschwerdegegner - ohne dass die konkrete Stelle des Flusses, insbesondere hinsichtlich Tiefe und Beschaffenheit des Grundes abgeklärt und bekannt war - fallen liess, handelte er vielmehr leichtsinnig und riskant, ja waghalsig. Bei einem Kopfsprung aus vier Metern Höhe in unbekannt tiefes Wasser kann die Gefahr nicht auf ein vernünftiges Mass reduziert werden. Das Vorgehen ist daher als absolutes Wagnis zu qualifizieren. Bei einem gewollten Fall aus vier Metern Höhe kopfüber in den Rhein wäre es unabdingbar gewesen, sich der genügenden Flusstiefe vorher zu vergewissern. Der Beschwerdegegner hat jedoch keinerlei Überlegungen zur Gefahrensituation angestellt. Er hätte nicht ohne weitere Vorkehrungen bei einem fliessenden Gewässer annehmen dürfen, das Wasser sei genügend tief. Es ist allgemein bekannt, dass der Wasserstand eines Flusses je nach Jahreszeit, Wetterlage in den Vortagen, Beschaffenheit des Grundes etc., stark variieren kann, was eine gleichbleibende Wassertiefe ausschliesst. Es ist ebenso allgemein bekannt, dass ein Kopfsprung in trübes oder unbekanntes (und daher allenfalls zu seichtes) Wasser grosse Gefahren mit sich bringt. So hält die Baderegel Nr. 4 der Schweizerischen Lebensrettungsgesellschaft SLRG fest: "Nicht in trübe oder unbekannte Gewässer springen! - Unbekanntes kann Gefahren bergen." In BGE 125 V 312 E. 2b hatte das Eidg. Versicherungsgericht zu beurteilen, ob das Canyoning ein Wagnis darstellt oder nicht und hielt in diesem Zusammenhang fest, dass es zu den elementaren Grundregeln gehört, auf Sprünge ins unbekannte Wasser zu verzichten. Dieses Wissen muss sich der Versicherte entgegenhalten lassen. Damit ist auch sein Einwand nicht stichhaltig, es handle sich um eine übliche Badestelle der Dorfjugend. Dass Badende einen Kopfsprung von gleicher Stelle an anderen Tagen schadlos überstanden haben, schliesst den Wagnischarakter nicht aus, da nicht von einer über Jahre gleichbleibenden Situation ausgegangen werden darf. Die einfache Prüfung der Wassertiefe hat er ohne nachvollziehbaren Grund - trotz des Wissens um die Gefährlichkeit eines Kopfsprungs in unbekannt tiefes Gewässer - nicht vorgenommen BGE 138 V 522 S. 533 und ist somit ein Wagnis eingegangen, welches den Unfallversicherer zur Leistungskürzung berechtigt. 7.3 Anzufügen bleibt, dass ein und dieselbe Handlung gleichzeitig ein Wagnis und ein schuldhaftes Verhalten darstellen kann. Die Begriffe des Wagnisses und der Grobfahrlässigkeit schliessen sich nicht aus. Es braucht jedoch nicht geprüft zu werden, ob der vorliegenden Handlung auch ein schuldhaftes Verhalten (vgl. E. 5.2.2) zugrunde liegt, da die Leistungskürzung wegen eines Wagnisses ( Art. 39 UVG ) derjenigen wegen Grobfahrlässigkeit ( Art. 37 Abs. 2 UVG ) vorgeht ( BGE 134 V 340 E. 3.2.4; Urteil 8C_504/2007 vom 16. Juni 2008 E. 7.1).
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Sachverhalt ab Seite 2 BGE 133 V 1 S. 2 A. M., geboren am 6. November 1983, welche wegen den Folgen einer schon früh einsetzenden psychischen Fehlentwicklung mit Wirkung ab 1. Dezember 2001 in den Genuss einer ganzen Invalidenrente gelangt war, wurde am 4. Dezember 2004 in Untersuchungshaft gesetzt. Auf entsprechende Mitteilung ihres Beistandes vom 21. März 2005 verfügte die IV-Stelle des Kantons Aargau am 31. März 2005 die Sistierung der Invalidenrente ab 1. Januar 2005 und am 13. April 2005 die Rückforderung der von Januar bis März 2005 bereits bezogenen Rentenleistungen im Betrag von Fr. 4'299.-. Die gegen die Sistierung erhobene Einsprache wies die IV-Stelle mit Entscheid vom 29. April 2005 ab. B. Die hiegegen eingereichte Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons Aargau unter Aufhebung des Einspracheentscheides vom 29. April 2005 und mit der Feststellung gut, dass der Versicherten auch während der Untersuchungshaft ein Anspruch auf Invalidenrente zustehe (Entscheid vom 21. Oktober 2005). C. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt die Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides. Während die IV-Stelle auf Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, lässt M., verbeiständet durch R. von der Amtsvormundschaft des Bezirks X., vertreten durch Advokat Dr. BGE 133 V 1 S. 3 Roulet, den Antrag auf Abweisung stellen; für den Unterliegensfall wird um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung nachgesucht. D. Am 28. Juni 2006 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht eine parteiöffentliche Beratung durchgeführt.
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260
Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Art. 21 Abs. 5 ATSG , in Kraft seit 1. Januar 2003 und auf die hier als Sistierungsgrund in Betracht fallende Untersuchungshaft ab 4. Dezember 2004 intertemporalrechtlich anwendbar, lautet: "Befindet sich die versicherte Person im Straf- oder Massnahmevollzug, so kann während dieser Zeit die Auszahlung von Geldleistungen mit Erwerbsersatzcharakter ganz oder teilweise eingestellt werden; ausgenommen sind die Geldleistungen für Angehörige im Sinne von Absatz 3." Die Verfahrensbeteiligten sind sich uneins über die materiellrechtliche Bedeutung dieser Bestimmung. Es stellt sich die Frage, ob die Untersuchungshaft seit 4. Dezember 2004, welche gemäss Urteil des Strafgerichts Y. vom 27. April 2005 an die ausgesprochene Strafe von sieben Monaten und 16 Tagen Gefängnis angerechnet wurde, unter den gesetzlichen Sistierungsgrund des "Straf- oder Massnahmenvollzugs" fällt. Während IV-Stelle und beschwerdeführendes BSV dies bejahen, ziehen kantonales Gericht und Beschwerdegegnerin insbesondere aus dem Gesetzeswortlaut den Schluss (e contrario), Untersuchungshaft berühre - da keinen Straf- oder Massnahmevollzug darstellend - im Gegensatz zu diesem den laufenden IV-Rentenanspruch nicht. 3. 3.1 Bis zum Inkrafttreten des ATSG verhielt es sich mit dem Rentenanspruch während strafrechtlich motivierten Inhaftierungen im Allgemeinen wie folgt: Während die ältere Rechtsprechung von einem Revisionsgrund analog alt Art. 41 IVG (aufgehoben auf den 31. Dezember 2002) ausging ( BGE 110 V 286 E. 1b; BGE 107 V 219 ; ZAK 1981 S. 91), qualifizierte das Eidgenössische Versicherungsgericht in BGE 113 V 273 die Inhaftierung als blossen Sistierungsgrund, was die Weiterausrichtung der Zusatzrenten erlaubt ( BGE 114 V 143 [entsprechend dem zweiten, hier nicht zur Diskussion stehenden Teil der Satzverbindung von Art. 21 Abs. 5 ATSG ], in der Folge bestätigt durch AHI 1998 S. 182; SVR 1995 IV Nr. 35 BGE 133 V 1 S. 4 S. 93; nicht veröffentlichtes Urteil vom 2. Februar 1988, I 373/86; vgl. auch BGE 129 V 216 E. 1.1). Der Strafverbüssung gleichgestellt hat die Rechtsprechung die Untersuchungshaft von gewisser Dauer ("d'une certaine durée"). Stellt sich die Untersuchungshaft im Nachhinein als ungerechtfertigt heraus, sind die sistierten Rentenbetreffnisse nicht nachzuzahlen; vielmehr stellen sie Teil des Schadens dar, welchen der zu Unrecht Verhaftete allenfalls auf dem Weg der Staatshaftung geltend machen kann ( BGE 116 V 323 ). Ob der Rentenanspruch zu sistieren ist, beurteilt sich nach der Vollzugsart, und nicht etwa danach, wer für die Kosten des Unterhalts aufkommt ( BGE 116 V 20 ). 3.2 Das Militärversicherungsgesetz war bis zum Inkrafttreten des ATSG der einzige sozialversicherungsrechtliche Erlass, welcher das rechtliche Schicksal der Geldleistungen bei Freiheitsentzug ordnete. Nach alt Art. 13 Abs. 1 MVG , in der vom 1. Januar 1994 bis 31. Dezember 2002 geltenden Fassung, inhaltlich übereinstimmend mit der Vorgängernorm des alt Art. 43 MVG (JÜRG MAESCHI, Kommentar zum Bundesgesetz über die Militärversicherung [MVG] vom 19. Juni 1992, Bern 2000, N. 4 zu Art. 13), konnte die Auszahlung des Taggeldes oder der Invalidenrente ganz oder teilweise eingestellt werden, wenn die versicherte Person eine Freiheitsstrafe oder eine Massnahme nach den Art. 42 bis 44 oder 100 bis des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB) verbüsst. Im Gegensatz zur Praxis in der Invalidenversicherung (erwähnter BGE 116 V 323 ) gaben Untersuchungs- und Sicherheitshaft keinen Anlass zur Sistierung der Leistungen nach alt Art. 13 MVG , auch wenn sie an eine spätere Freiheitsstrafe angerechnet werden (MAESCHI, a.a.O., N. 13 zu Art. 13 [unter Hinweis auf SCHATZ, Kommentar zur Eidgenössischen Militärversicherung, Zürich 1952, S. 215]). 3.2.1 Weil nun alt Art. 13 MVG nahezu wörtlich in den Entwurf zum ATSG in der Fassung des Bundesrates vom 17. August 1994 übernommen wurde (MAESCHI, a.a.O., N. 6 zu Art. 13), zieht KIESER (ATSG-Kommentar, N. 79 zu Art. 21) den Schluss, dass Untersuchungs- und Sicherheitshaft nicht zum Straf- oder Massnahmevollzug zählen, was bisher bezüglich der IV-Leistungen, wie bereits dargelegt, anders betrachtet (vgl. BGE 116 V 323 ff.), hingegen durch alt Art. 13 Abs. 1 MVG (welcher Gesetzesbestimmung Art. 21 Abs. 5 ATSG entspricht; vgl. BBl 1999 S. 4567) für die Militärversicherung so entschieden wurde (vgl. MAESCHI, a.a.O., N. 13 zu Art. 13). Während das kantonale Gericht und ihm folgend die BGE 133 V 1 S. 5 Beschwerdegegnerin sich diese Sichtweise zu eigen machen, präzisiert das BSV seine im IV-Rundschreiben Nr. 225 vom 19. September 2005 dargelegte Haltung unter Hinweis auf einen Passus in der Vertieften bundesrätlichen Stellungnahme vom 17. August 1994 zum Bericht der Kommission des Ständerates vom 27. September 1990, der lautet (BBl 1994 V 937): "Die Frage nach dem Schicksal von Geldleistungen stellt sich bei Freiheitsentzug immer wieder und verdient von daher eine Regelung in einem Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts. Der von uns vorgeschlagene Wortlaut hat seine Grundlage in Einklang mit der Rechtsprechung ( BGE 113 V 273 , BGE 114 V 143 ) in Art. 13 des neuen MVG vom 19. Juni 1992." 3.2.2 Soweit das BSV in diesem Passus, welchem die Kommission des Nationalrates im Bericht vom 26. März 1999 inhaltlich zugestimmt hat (BBl 1999 S. 4567), eine klare Meinungsäusserung der gesetzgebenden Organe erblickt, die im Gesetzestext zum Ausdruck gekommen und daher für die rechtsanwendenden Stellen praxisgemäss weitgehend verbindlich wäre, kann ihm von vornherein nicht beigepflichtet werden. Offensichtlich werden in der erwähnten Textstelle durch den Bundesrat zwei Dinge vermischt: Dass Art. 27 Abs. 5 ATSG -Entwurf (nunmehr Art. 21 Abs. 5 ATSG ) alt Art. 13 MVG entspricht, ist das eine; dass die vorgeschlagene ATSG-Regelung die Kontinuität zur bisherigen Rechtsprechung wahre, das andere. In Tat und Wahrheit verbergen sich darin zwei verschiedene Rechtsgedanken: Dass gemäss geänderter Rechtsprechung (E. 3.1) der Straf- oder Massnahmevollzug nicht mehr einen Revisions- sondern einen blossen Sistierungsgrund bildet und dass andererseits alt Art. 13 MVG eine Sistierungsregelung (inhaltlich beschränkt auf den Straf- und Massnahmevollzug) enthält. Damit ist in keiner Weise präjudiziert, dass Untersuchungshaft vom Sistierungsgrund des Straf- oder Massnahmevollzuges im Sinne von alt Art. 13 Abs. 1 MVG oder nunmehr Art. 21 Abs. 5 ATSG erfasst oder nicht erfasst wird. Dementsprechend ziehen denn auch die Verfahrensbeteiligten höchst unterschiedliche Schlüsse aus der bestehenden Materialienlage. 4. 4.1 (Auslegung des Gesetzes; vgl. BGE 131 I 396 E. 3.2; BGE 131 II 368 E. 4.2 und 703 E. 4.1; BGE 131 V 93 E. 4.1, BGE 131 V 176 E. 3.1, 292 E. 5.2 und 439 E. 6.1; BGE 130 II 211 E. 5.1; BGE 128 I 292 E. 2.4; BGE 124 II 376 E. 5 und 377 E. 6, mit Hinweisen) BGE 133 V 1 S. 6 4.2 4.2.1 Vom Wortlaut her (vgl. auch die französische ["Si l'assuré subit une mesure ou une peine privative de liberté, ... ."] und die italienische Fassung ["Se l'assicurato subisce una pena o una mesura, ... ."]; zur Gleichwertigkeit der drei Amtssprachen: Art. 14 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 18. Juni 2004 über die Sammlungen des Bundesrechts und das Bundesblatt [Publikationsgesetz, PublG; SR 170.512] ) verdient die vorinstanzliche Rechtsauffassung klar den Vorzug: Untersuchungshaft ist keine Form von Straf- oder Massnahmevollzug. Im Hinblick auf das Gesetzmässigkeitsprinzip - es geht um die Suspendierung eines formellgesetzlich ausgewiesenen und mit rechtsbeständiger Verfügung zugesprochenen Leistungsanspruches - ist der wortlautgetreuen Auslegung auch der Rechtssinn zuzumessen, dies unter dem Vorbehalt, dass die übrigen Auslegungselemente nicht triftige Gesichtspunkte zu Tage fördern, welche ein Abgehen vom Wortlaut gebieten. 4.2.2 Wie dargelegt (E. 3.2.2), ergibt sich aus den Materialien lediglich, dass der Gesetzgeber an alt Art. 13 MVG und die Rechtsprechung zum IVG anknüpfen wollte, sich dabei aber offenbar nicht bewusst war, dass der Gesetzeswortlaut der Militärversicherungsbestimmung bezüglich Untersuchungshaft mit der IVG-Praxis nicht übereinstimmte. Eine bewusste Haltung des historischen Gesetzgebers ist weder für die eine noch die andere Position erkennbar. 4.2.3 Das systematische Auslegungselement zeigt lediglich, dass in der Militärversicherung eine - zwar nicht von der Rechtsprechung, aber doch von der Doktrin bestätigte (vgl. E. 3.2 hievor) - abweichende Regelung bestand, deren Wortlaut (von redaktionellen Unterschieden abgesehen) in das ATSG Eingang fand. Wenn der Gesetzgeber ferner die Sistierung als Rechtsfolge bei Strafverbüssung und Massnahmevollzug in Art. 21 Abs. 5 ATSG , soweit es um Leistungen mit Erwerbsersatzcharakter geht, verallgemeinert hat, steht damit lediglich ausser Frage, wieder auf die ursprüngliche revisionsrechtliche Betrachtungsweise nach der alten IVG-Rechtsprechung zurückzukommen. Ob aber auch die Rente der in Untersuchungshaft befindlichen versicherten Person zu sistieren sei, wird damit nicht präjudiziert. 4.2.4 4.2.4.1 Unter einem teleologischen Blickwinkel (Sinn und Zweck) - verbunden mit der Forderung nach rechtsgleicher Behandlung BGE 133 V 1 S. 7 ( Art. 8 Abs. 1 BV ; zur Bedeutung der Rechtsgleichheit im Rahmen der Auslegung vgl. BGE 126 V 97 E. 4b mit Hinweisen; SVR 2006 IV Nr. 47 S. 172 E. 3.1 und 3.2 [Urteil vom 18. August 2005, I 68/02]) - rechtfertigt sich indessen, mit dem BSV, eine vom Wortlaut der Norm abweichende Betrachtungsweise. Als ratio legis von Art. 21 Abs. 5 ATSG ist die Gleichbehandlung der invaliden mit der validen inhaftierten Person, welche durch einen Freiheitsentzug ihr Einkommen verliert, anzusehen. Entscheidend ist, dass eine verurteilte Person wegen der Verbüssung einer Strafe an einer Erwerbstätigkeit verhindert ist. Nur wenn die Vollzugsart der verurteilten versicherten Person die Möglichkeit bietet, eine Erwerbstätigkeit auszuüben und somit selber für die Lebensbedürfnisse aufzukommen, verbietet es sich, den Rentenanspruch zu sistieren. Massgebend für eine Sistierung der Rentenleistungen eines Invaliden ist somit, ob eine nicht invalide Person in der gleichen Situation durch den Freiheitsentzug einen Erwerbsausfall erleiden würde. Bei Untersuchungshaft eines Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmerin besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Lohnfortzahlung nach Art. 324a OR , da es sich in der Regel um eine selbstverschuldete Arbeitsverhinderung handelt. Erweist sich die Inhaftierung jedoch auf Grund eines Freispruchs oder einer Verfahrenseinstellung als ungerechtfertigt, so gilt die Arbeitsverhinderung im Sinne von Art. 324a OR als nicht verschuldet, ausser wenn falsche oder widersprüchliche Angaben des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin vor dem Untersuchungsrichter zu der Anklage oder Inhaftierung geführt haben. Beruht die Festnahme dagegen allein auf den Aussagen anderer Personen, kann die Verhinderung an der Arbeitsleistung nicht als selbstverschuldet erachtet werden (Urteil des Bundesgerichts vom 16. August 2001, 4C.74/2000; BRUNNER/BÜHLER/WAEBER/BRUCHEZ, Kommentar zum Arbeitsvertragsrecht, Basel 2005, S. 92; STREIFF/ VON KAENEL, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319-362 OR , 6. Aufl., Zürich 2006, N. 19 zu Art. 324a/b). Hinzu kommt folgende Überlegung: In den meisten Fällen, in denen eine Untersuchungshaft von einer gewissen Dauer angeordnet wurde, erfolgt nachmals eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe, wobei die Untersuchungshaft in aller Regel an die Freiheitsstrafe angerechnet wird (alt Art. 69 StGB [in Kraft bis 31. Dezember 2006] bzw. Art. 51 StGB [in Kraft ab 1. Januar 2007]). Die Untersuchungshaft ist damit im Ergebnis in den meisten Fällen zugleich BGE 133 V 1 S. 8 ein Teil der Freiheitsstrafe, während welcher die Rente zu sistieren ist. Würde die Rente während der Untersuchungshaft nicht sistiert, würde sie im Ergebnis entgegen Art. 21 Abs. 5 ATSG auch während eines Teils der Freiheitsstrafe ausbezahlt. 4.2.4.2 Nach dem Gesagten ist der Rentenanspruch einer Person, die sich in Untersuchungshaft befindet, grundsätzlich zu sistieren, da auch eine gesundheitlich unbeeinträchtigte Person während dieser Zeit in der Regel einen Erwerbsausfall zu gewärtigen hat. Dies kann jedoch, wie das Eidgenössische Versicherungsgericht bereits in seiner bisherigen Rechtsprechung erkannt hat (vgl. u.a. BGE 116 V 326 mit Hinweis), aus Praktikabilitätsgründen lediglich für Untersuchungshaft gelten, welche eine gewisse Zeit angedauert hat ("d'une certaine durée"). Diese "gewisse Dauer" der Untersuchungshaft, während der die Rente noch auszurichten ist, dürfte - in Anlehnung an die gemäss Art. 88a Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 IVV rentenrevisionsrechtlich massgebliche Zeitspanne der anspruchsbeeinflussenden Änderung der Verhältnisse - bis zu drei Monate betragen. Anders als im Falle eines erwerbstätigen Inhaftierten spielt sodann bei einem invaliden Untersuchungshäftling die Verschuldensfrage im Hinblick auf die Weiterausrichtung der Rente keine Rolle. Erweist sich die Inhaftierung im Nachhinein als zu Unrecht angeordnet, so bildet der Rentenverlust nach wie vor Teil des Schadens, den er bei der Behörde geltend machen kann, die ihn ungerechtfertigt inhaftiert hat ( BGE 116 V 323 ; vgl. in diesem Sinne auch zu Art. 324a OR : STREIFF/VON KAENEL, a.a.O., N. 19 zu Art. 324a/b OR). 4.3 Die teleologische und die Rechtsgleichheit miteinbeziehende Betrachtungsweise zeigt somit den Rechtssinn des Art. 21 Abs. 5 ATSG auf, weshalb vom Wortlaut der Norm abzuweichen ist. Der Umstand, dass die Bestimmung als Grund für eine Rentensistierung lediglich den Straf- oder Massnahmevollzug nennt, kann bei diesem Auslegungsergebnis kein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers im Sinne einer bewusst negativen Antwort darstellen. Vielmehr ist eine auf dem Auslegungsweg ermittelte stillschweigende Anordnung desselben ( BGE 125 V 11 E. 3) anzunehmen. Eine ausfüllungsbedürftige Gesetzeslücke ( BGE 130 V 233 E. 2.3; BGE 127 V 41 E. 4b/cc; vgl. BGE 131 II 567 E. 3.5; BGE 130 III 245 E. 3.3), sei dies im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit (echte Lücke) oder einer sachlich unbefriedigenden Antwort (unechte oder Wertungslücke), scheidet in dieser Interpretationslage ebenfalls aus. BGE 133 V 1 S. 9 4.4 Die Beschwerdegegnerin befand sich laut Urteil des Strafgerichts Y. vom 27. April 2005 seit 4. Dezember 2004 - und damit seit beinahe fünf Monaten - in Untersuchungshaft. Diese Zeitspanne entspricht ohne weiteres der nach dem Gesagten einen Rentensistierungsgrund darstellenden Untersuchungshaft von gewisser Dauer, weshalb die IV-Stelle den Rentenanspruch der Beschwerdegegnerin zu Recht ab 1. Januar 2005 eingestellt hat.
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Sachverhalt ab Seite 290 BGE 140 II 289 S. 290 A. A.a. A., geboren 1984, Staatsangehöriger von Bangladesh, reiste am 23. April 2004 in die Schweiz ein, wo er erfolglos um Asyl nachsuchte. Am 12. Dezember 2005 heiratete er die 1960 geborene Schweizerin B., worauf ihm eine Aufenthaltsbewilligung für den Kanton Zürich erteilt wurde. Am 10. November 2006 zog das Ehepaar in den Kanton Aargau, wo A. ebenfalls eine Aufenthaltsbewilligung erhielt. Nachdem er am 12. Juli 2007 allein in den Kanton Zürich zurückgekehrt war, beantragte er dort die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Da B. dem Migrationsamt mitgeteilt hatte, dass die Ehegemeinschaft am 19. Januar 2007 aufgegeben worden sei, wies das Amt mit rechtskräftiger Verfügung vom 13. November 2007 das Gesuch ab. Die Ehe von A. und B. wurde am 12. Februar 2008 geschieden. A.b. Am 7. Mai 2008 heiratete A. die ursprünglich aus Jamaika stammende Schweizer Bürgerin C., worauf ihm eine Aufenthaltsbewilligung für den Kanton Zürich erteilt wurde, letztmals verlängert bis zum 6. Mai 2012. Am 18. Januar 2011 gebar C. einen Sohn. Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts Bülach vom 25. Mai 2011 wurde festgestellt, dass A. nicht der Vater des Kindes ist; dieses wurde am 30. Mai 2011 vom Schweizer Bürger D. anerkannt. Auf Anfrage des Migrationsamts teilte C. mit, die eheliche Wohngemeinschaft sei etwa im Dezember 2009 aufgegeben worden. A. seinerseits teilte mit, die Ehegemeinschaft sei im Dezember 2010 aufgegeben worden. A.c. Mit Verfügung vom 14. Juni 2012 wies das Migrationsamt A.s Gesuch um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung ab. B. Die dagegen erhobenen kantonalen Rechtsmittel blieben erfolglos (Rekursentscheid der Sicherheitsdirektion vom 16. März 2013; Urteil des Verwaltungsgerichts vom 21. August 2013 [...]). (...) BGE 140 II 289 S. 291 Das Bundesgericht weist die gegen das letztgenannte Urteil erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ab. (Auszug)
445
349
Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Zu prüfen ist zunächst der Anspruch aufgrund von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG (SR 142.20). 3.1 Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz lebte der Beschwerdeführer in der Schweiz mit seiner ersten Ehefrau vom 12. Dezember 2005 bis mindestens 19. Januar und längstens 17. Juli 2007 zusammen, mithin längstens ca. ein Jahr und sieben Monate; mit seiner zweiten Ehefrau lebte er vom 7. Mai 2008 bis Dezember 2010 zusammen, mithin während zwei Jahren und sieben Monaten. Keine der beiden ehelichen Gemeinschaften erreichte die dreijährige Dauer gemäss Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG ; zusammengerechnet ergäben sich jedoch mehr als drei Jahre. Die Vorinstanz geht davon aus, dass für die Berechnung der Dreijahresfrist mehrere kürzere Ehen nicht zusammengerechnet werden können. Der Beschwerdeführer bringt demgegenüber vor, er erfülle die Voraussetzungen von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG . Streitig und zu prüfen ist somit in erster Linie, ob für die Berechnung der Dreijahresdauer mehrere kürzere Dauern zusammengerechnet werden können. Das Bundesgericht hat diese Frage in den Urteilen 2C_73/2012 vom 25. März 2013 E. 2.2.3 und 2C_405/2013 vom 8. Mai 2013 E. 3.3.1 offengelassen. Sie ist hier zu beantworten. Ergibt sich die Antwort nicht aus dem Gesetz oder seiner Auslegung ( Art. 1 Abs. 1 ZGB ), läge eine Lücke vor, welche analog zu Art. 1 Abs. 2 ZGB durch richterliche Rechtsschöpfung zu füllen wäre ( BGE 122 I 253 E. 6 S. 254 ff.; BGE 99 V 19 E. 2 S. 21 f.). 3.2 Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der Bestimmung. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Auslegungen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente, namentlich von Sinn und Zweck sowie der dem Text zugrunde liegenden Wertung. Wichtig ist ebenfalls der Sinn, der einer Norm im Kontext zukommt. Vom klaren, d.h. eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der BGE 140 II 289 S. 292 Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Sinn und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit andern Vorschriften ergeben ( BGE 140 II 129 E. 3.2 S. 131; BGE 139 V 66 E. 2.2 S. 68; BGE 138 V 86 E. 5.1 S. 94 mit Hinweisen). 3.3 Nach dem Wortlaut des Gesetzes muss "die Ehegemeinschaft" ("l'union conjugale", "l'unione coniugale") mindestens drei Jahre bestanden haben. Der grammatikalische Singular legt nahe, dass die Dreijahresfrist für eine einzelne Ehegemeinschaft gilt, nicht für mehrere zusammen. 3.4 Entstehungsgeschichte 3.4.1 Die Botschaft des Bundesrates (vom 8. März 2002 zum AuG, BBI 2002 3709 ff.) sah den heute in Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG statuierten Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach dreijähriger Ehegemeinschaft und bei guter Integration noch nicht vor. Vielmehr beschränkte sich der Gesetzesentwurf darauf, den Weiterbestand des Aufenthaltsrechts eines ausländischen Ehegatten nach Auflösung der ehelichen Gemeinschaft dann zu gewährleisten, wenn wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen (Art. 49 des Gesetzesentwurfes; entspricht Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG ). Zur Begründung wurde ausgeführt (BBl 2002 3754 Ziff. 1.3.7.6), diese Lösung entspreche weitgehend dem vom Nationalrat gutgeheissenen Vorschlag zur Parlamentarischen Initiative Goll «Rechte für Migrantinnen» (96.461). Diese Initiative war damit begründet worden, gewaltbetroffene ausländische Frauen müssten zwangsweise zu einem gewalttätigen Ehemann zurückkehren, wenn sie nicht die Ausweisung aus der Schweiz riskieren wollten; eine Trennung oder Scheidung komme für sie nicht in Frage, weshalb Männer ihre Vorrechte sehr gut zu missbrauchen wüssten (BBl 1999 2775). Die Botschaft zum AuG führte weiter aus (a.a.O., Ziff. 1.3.7.6): "Ein weiterer Aufenthalt in der Schweiz kann sich etwa dann als erforderlich erweisen, wenn der in der Schweiz lebende Ehepartner verstorben ist oder wenn aufgrund der gescheiterten Ehe die familiäre und soziale Wiedereingliederung im Herkunftsland stark erschwert wird. Dies gilt auch, wenn gemeinsame Kinder vorhanden sind, zu denen eine enge Beziehung besteht und die in der Schweiz gut integriert sind. Zu berücksichtigen sind jedoch stets auch die Umstände, die zur Auflösung der Gemeinschaft geführt haben. Steht fest, dass die im Familiennachzug zugelassene Person durch das Zusammenleben in ihrer Persönlichkeit ernstlich gefährdet ist und ihr eine Fortführung der ehelichen Beziehung nicht länger zugemutet werden kann, ist dies beim Entscheid besonders in Rechnung zu stellen. BGE 140 II 289 S. 293 Demgegenüber ist eine Rückkehr zumutbar, wenn der Aufenthalt in der Schweiz nur kürzere Zeit gedauert hat, keine engen Beziehungen zur Schweiz geknüpft wurden und die erneute Integration im Herkunftsland keine besonderen Probleme stellt. Wichtig ist, dass jeweils die konkreten Umstände des Einzelfalls geprüft werden. Mit der Gewährung eines gesetzlichen Aufenthaltsrechts wird auch die Praxis in den einzelnen Kantonen harmonisiert." 3.4.2 Im Nationalrat als Erstrat (AB 2004 N 1060 ff.) beantragte die Kommissionsmehrheit die Gesetz gewordene Fassung. Die Kommission wollte damit eine ausgewogene Lösung realisieren, die einerseits Missbräuche mit Scheinehen vermeidet und andererseits verhindern soll, dass Ehegatten den ausländerrechtlichen Status ihrer Partner(innen) missbrauchen, um ihnen gegenüber Gewalt auszuüben (a.a.O., 1064, Kommissionssprecher Beck). Dem Antrag der Kommissionsmehrheit standen einschränkendere und weiter gehende Anträge gegenüber. Die weiter gehenden Anträge wurden damit begründet, es gehe vor allem darum, gewaltbetroffene ausländische Ehefrauen vor dem Dilemma zu schützen, bei einem gewalttätigen Gatten verbleiben zu müssen oder die Aufenthaltsbewilligung zu verlieren; es wurde kritisiert, die Dreijahresdauer würde dazu führen, dass diese Frauen drei Jahre lang in einer unzumutbaren Ehe ausharren müssten (AB 2004 N 1062 f., Voten Vermot-Mangold, Menétrey-Savary, Thanei). Einschränkendere Anträge wollten den Anspruch in eine Kann-Formulierung umwandeln oder die Frist auf fünf Jahre verlängern, mit dem Anliegen, Missbräuche oder Scheinehen zu bekämpfen; drei Jahre Ehe, und seien sie auch schlecht, könne man aussitzen, um so ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz zu erhalten (schriftliche Begründung Antrag Wasserfallen). Der schliesslich obsiegende Antrag wurde als Zwischenlösung bezeichnet, die einerseits einen Anspruch festschreibt, diesen aber an klare Bedingungen knüpft (a.a.O., 1064, Pfister, Kommissionssprecher Beck). Die Dreijahresfrist sei die aktuelle Praxis in den meisten Kantonen (a.a.O., 1064, BR Blocher; vgl. BGE 136 II 113 E. 3.3.1 S. 117 f.). Der Ständerat stimmte diesem Vorschlag diskussionslos zu (AB 2005 S 310 f.; vgl. BGE 136 II 1 E. 5.2 S. 3 f.) 3.4.3 Die Entstehungsgeschichte gibt somit keine direkte Antwort auf die hier zu beantwortende Frage. Sie erlaubt aber Rückschlüsse auf Sinn und Zweck der Regelung: Nach dem Kontext der Entstehungsgeschichte (Parlamentarische Initiative Goll) ging es vor allem um Frauen, die zusammen mit ihrem Mann in die Schweiz gekommen sind oder mit einem in der Schweiz lebenden Mann (zwangs-) BGE 140 II 289 S. 294 verheiratet wurden (vgl. auch die seit dem 1. Juli 2013 in Kraft stehende Neufassung von Art. 50 Abs. 2 AuG ). Der Gesetzgeber wollte mit Art. 50 AuG in erster Linie die Ehegatten nach Auflösung der Ehe schützen, um sie nicht vor das Dilemma zu stellen, entweder in einer unzumutbaren ehelichen Gemeinschaft zu verbleiben oder allein in ein gesellschaftliches Umfeld zurückzukehren, wo sie wegen ihrer Trennung oder Scheidung möglicherweise geächtet werden ( BGE 140 II 129 E. 3.5 S. 132 f.; vgl. auch BGE 138 II 229 E. 3.1 S. 231 f.). Der Gesetzgeber wollte mit der Statuierung der im Entwurf des Bundesrates noch nicht enthaltenen dreijährigen Ehedauer (vorne E. 3.4.1) aber auch - nebst der beabsichtigten Vereinheitlichung der kantonalen Praxen (vgl. BGE 137 II 345 E. 3.2.1 S. 348 f.) - die "wichtigen Gründe" objektivieren in dem Sinne, dass nach dreijähriger Ehegemeinschaft und erfolgreicher Integration solche Gründe von Gesetzes wegen angenommen werden, ohne dass sie für ein Weiterbestehen des Anspruchs auf eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung noch gesondert geltend gemacht werden müssten. Ausser in den Fällen wichtiger persönlicher Gründe soll dafür aber eine kürzere als dreijährige Ehedauer nicht genügen. Derartige Konstellationen - also wichtige persönliche Gründe trotz kürzerer Ehedauer - werden nach dem Willen des Gesetzgebers vielmehr (als nacheheliche Härtefälle) von Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG (nicht publ. E. 2, am Ende) erfasst, bei denen sämtliche Umstände des Einzelfalles mitzuberücksichtigen sind ( BGE 137 II 345 E. 3.2.1 S. 348) und die - aufgrund der anspruchsbegründenden Ausgestaltung von Art. 50 AuG - auch der richterlichen Überprüfbarkeit zugänglich sind. 3.5 3.5.1 Wie das Bundesgericht in BGE 136 II 113 E. 3.3.3 ausgeführt hat, muss die Dreijahresdauer von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG im Zusammenhang mit der zweiten Voraussetzung - der gelungenen Integration - betrachtet werden. Deshalb muss nach der Rechtsprechung die Ehegemeinschaft in der Schweiz geführt worden sein ( BGE 136 II 113 E. 3.3 S. 117 ff.; BGE 137 II 345 E. 3.1.3 S. 347). Nicht erforderlich ist eine ununterbrochene Dreijahresdauer in der Schweiz; unterbricht das Ehepaar das Zusammenleben in der Schweiz durch Auslandaufenthalte, hat es aber insgesamt drei Jahre in der Schweiz zusammengelebt, ist die Dreijahresdauer nach Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG erreicht (Urteil 2C_430/2011 vom 11. Oktober 2011 E. 4.1.2; SPESCHA/ZÜND/THÜR/BOLZLI, Migrationsrecht, 3. Aufl. 2012, N. 4 zu Art. 50 AuG ). Nicht zusammenzurechnen sind solche Aufenthalte von kurzer BGE 140 II 289 S. 295 Dauer, unterbrochen durch längere Trennungszeiten, wenn dabei die ernsthafte Führung eines Ehelebens nicht beabsichtigt war (Urteil 2C_231/2011 vom 21. Juli 2011 E. 4.6). Ob (ausserhalb des Anwendungsbereichs von Art. 49 AuG ) mehrere kürzere Phasen des Zusammenlebens, unterbrochen durch eine halbjährige Trennung, zusammengerechnet werden können, hat das Bundesgericht im Urteil 2C_830/2010 vom 10. Juni 2011 E. 2.2.2 offengelassen. 3.5.2 Im Lichte dieser Rechtsprechung kann man sich fragen, ob das entscheidende Kriterium bei der Anwendung von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG nicht der Grad der Integration bildet und die Voraussetzung des dreijährigen Zusammenlebens lediglich dazu dient, die Bewilligungserteilung unterhalb eines solchen auszuschliessen, kann doch eine ausländische Person, die sich etwa im Rahmen von zwei Ehen fünfeinhalb Jahre im Land aufgehalten hat, unter Umständen ebenso gut oder gar besser integriert sein, als wer drei Jahre in der Schweiz in einer einzigen Ehe gelebt hat (vgl. THOMAS HUGI YAR, Von Trennungen, Härtefällen und Delikten - Ausländerrechtliches rund um die Ehe- und Familiengemeinschaft, Jahrbuch für Migrationsrecht 2012/2013 S. 31 ff., 72). Auch der Beschwerdeführer ist der Auffassung, dem Gesetzgeber sei vor allem die Integration wichtig gewesen; er betrachte bei Auflösung einer Ehe nach dreijährigem Aufenthalt in der Schweiz die Integration bereits als dermassen fortgeschritten, dass die Aufenthaltsbewilligung zu verlängern sei. 3.5.3 Indessen kann es für eine Anspruchsbewilligung nach Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG nicht allein auf den Grad der Integration ankommen, hätte der Gesetzgeber diesfalls doch generell und unabhängig von einer vorangegangenen Ehe einen Aufenthaltsanspruch nach drei Jahren und bei guter Integration statuiert. Das Gesetz verlangt aber ausdrücklich als zusätzliche Voraussetzung ein dreijähriges Leben in Ehegemeinschaft. Es kann nicht aus der einen Voraussetzung auf die andere geschlossen werden oder umgekehrt. 3.6 3.6.1 Art. 50 AuG steht sodann systematisch im Zusammenhang mit Art. 42 und 43 AuG : Für seine Auslegung ist auch die dort massgebende Auslegung zu berücksichtigen ( BGE 140 II 129 E. 3.4 S. 132; BGE 136 II 113 E. 3.3.2 S. 118 f.). Der aus Art. 50 AuG fliessende Anspruch schliesst an die Anwesenheitsansprüche von Art. 42 Abs. 1 und Art. 43 Abs. 1 AuG an ("Weiterbestehen") und knüpft nach der gesetzgeberischen Intention an die spezifische Lebenssituation nach dem Dahinfallen dieser abgeleiteten Anwesenheitsberechtigung an BGE 140 II 289 S. 296 (vorne E. 3.4.3; vgl. in Bezug auf Art. 50 Abs. 1 lit. b BGE 137 II 345 E. 3.2.3 S. 349 f.; BGE 138 II 393 E. 3.1 S. 394). Ist dieser Zusammenhang unterbrochen und der Anspruch nach Art. 50 AuG untergegangen, weil es am Zusammenwohnen fehlte (ohne dass wichtige Gründe für das Getrenntleben gegeben gewesen wären), kann der Anspruch nach Art. 50 AuG regelmässig nicht wieder aufleben ( BGE 137 II 345 E. 3.2.3 S. 349 f.; Urteile 2C_365/2010 vom 22. Juni 2011 E. 3.5; 2C_590/2010 vom 29. November 2010 E. 2.5.3). Der Beschwerdeführer selber zieht in systematischer Auslegung eine Analogie zum Anspruch auf Niederlassungsbewilligung: Ein Ausländer, der z.B. zwei Mal je zwei Jahre verheiratet gewesen sei, könne gemäss Art. 34 Abs. 3 (recte wohl: 4) AuG in dritter Ehe bereits nach einem Jahr die Niederlassungsbewilligung beantragen. Dieser Vergleich hinkt aber schon deshalb, weil Art. 34 Abs. 4 AuG keinen Rechtsanspruch auf die Niederlassungsbewilligung gibt und dies bei den Anspruchsbewilligungen von Art. 42 und 43 AuG ganz anders aussieht (dazu sogleich). 3.6.2 Nach Art. 42 Abs. 3 und Art. 43 Abs. 2 AuG haben Ehegatten von Schweizerinnen und Schweizern bzw. Niedergelassenen nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren Anspruch auf die Niederlassungsbewilligung. Dazu hat das Bundesgericht mehrmals festgehalten, dass der Anspruch nach Art. 42 Abs. 3 AuG das Bestehen des ehelichen Zusammenlebens bzw. einer Haushaltsgemeinschaft während fünf Jahren in der Schweiz voraussetzt (Urteile 2C_899/2011 vom 20. April 2012 E. 2.1; 2C_568/2011 vom 16. November 2011 E. 3.2; 2C_284/2011 vom 21. September 2011 E. 2.2; 2C_220/2011 vom 1. Juni 2011 E. 2.3), dies in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung zu den gleichlautenden Bestimmungen von Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Art. 17 Abs. 2 Satz 2 ANAG (AS 1991 1042 f.) ( BGE 130 II 49 E. 3.2.2 S. 54; BGE 127 II 60 E. 1c S. 63; BGE 122 II 145 E. 3b S. 147). Die fünfjährige Frist beginnt mit dem Datum der Heirat bzw. der Einreise in die Schweiz, und der Ehegatte muss die ganzen fünf Jahre über das Schweizer Bürgerrecht bzw. eine Niederlassungsbewilligung verfügt haben. Entscheidend ist, ob die betreffenden Personen in der Schweiz fünf Jahre als Ehegatten zusammengelebt haben ( BGE 130 II 49 E. 3.2.3 S. 54; BGE 128 II 145 E. 1.1.5 S. 149 f.; BGE 122 II 145 E. 3b S. 147; Urteil 2A.491/2006 vom 16. November 2006 E. 2.2.1). Ein Anspruch auf Niederlassungsbewilligung kann nicht entstehen, wenn zwei verschiedene Ehen insgesamt fünf Jahre gedauert haben, da es dabei an BGE 140 II 289 S. 297 einem ununterbrochenen auf Art. 7 ANAG gestützten ordnungsgemässen Aufenthalt von fünf Jahren fehlt (Urteil 2C_776/2008 vom 27. Oktober 2008 E. 2.2). Endet die Ehegemeinschaft und wird daraufhin eine neue Ehe eingegangen, so beginnt eine neue Fünfjahresfrist zu laufen (vgl. Urteil 2A.63/2003 vom 4. November 2003 E. 4.2). 3.6.3 Das muss nach der gesetzlichen Systematik analog auch für die Dreijahresfrist nach Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG gelten: Der Ehegatte einer Schweizer Bürgerin erhält zunächst eine Aufenthaltsbewilligung ( Art. 42 Abs. 1 AuG ) für ein Jahr; sie kann um zwei Jahre verlängert werden (Art. 58 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE, SR 142. 201]). Endet vor Ablauf der Bewilligungsdauer die Ehegemeinschaft, so erlischt der Anspruch auf Bewilligung; die Aufenthaltsbewilligung kann widerrufen werden ( Art. 62 lit. d AuG ; SILVIA HUNZIKER, in: Bundesgesetz über die Ausländerinnen [...], 2010, N. 44 zu Art. 62 AuG ; BGE 120 Ib 16 E. 2c/d S. 17 ff.; Urteile 2C_886/2011 vom 28. Februar 2012 E. 3.1; 2C_21/2007 vom 16. April 2007 E. 2) bzw. es ist eine neue Bewilligung erforderlich ( Art. 54 VZAE ), auf welche kein Rechtsanspruch besteht. Wird eine solche neue Bewilligung nicht erteilt, so endet grundsätzlich die Aufenthaltsberechtigung des Ausländers und dieser hat die Schweiz zu verlassen ( Art. 64 Abs. 1 AuG ). Heiratet er in der Folge erneut eine Schweizer Bürgerin oder eine Niedergelassene, so lebt nicht der Anspruch nach Art. 50 AuG wieder auf (vorne E. 3.6.1), sondern es entsteht ein neuer Anspruch gestützt auf Art. 42 oder 43 AuG und die Dreijahresfrist beginnt erneut zu laufen (vgl. vorne E. 3.6.2 für die Niederlassungsbewilligung). Mit dieser systematischen Einordnung von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG wird der inhaltliche Konnex zu Art. 42 und 43 AuG gewahrt: In den ersten drei Jahren Ehegemeinschaft - immer ausgehend von ein und derselben Ehe - hat der ausländische Ehegatte einen Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Nach drei Jahren ununterbrochener Ehegemeinschaft hat er denselben Anspruch auch nach Auflösung dieser Gemeinschaft. Und nach fünf Jahren ununterbrochener Ehegemeinschaft entsteht der Anspruch auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung. 3.7 Die grammatikalische, entstehungsgeschichtliche, systematische und teleologische Auslegung von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG führt nach dem Gesagten zum Ergebnis, dass für die Berechnung der dort genannten Dreijahresfrist mehrere kürzere Ehegemeinschaften nicht BGE 140 II 289 S. 298 zusammengerechnet werden können. Eine Gesetzeslücke, die durch richterliche Rechtsschöpfung zu füllen wäre (vorne E. 3.1), liegt damit nicht vor. 3.8 Vorliegend hatte der Beschwerdeführer einen Anspruch auf Aufenthaltsbewilligung, solange er mit seiner ersten Ehefrau zusammenlebte. Mit der Trennung im Januar oder Juli 2007 endete dieser Anspruch. Spätestens nach der rechtskräftigen Verweigerung der erneuten Aufenthaltsbewilligung im Kanton Zürich im November 2007 hatte er keine Aufenthaltsberechtigung mehr in der Schweiz. Durch die erneute Eheschliessung mit einer Schweizer Bürgerin erhielt er einen neuen Bewilligungsanspruch. Da jede einzelne der Ehegemeinschaften weniger als drei Jahre bestanden hat, besteht kein Anspruch nach Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG ; auch eine gute Integration ändert daran nichts, da die Voraussetzungen der Dreijahresdauer und der Integration kumulativ erfüllt sein müssen (vorne E. 3.5.3).
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Sachverhalt ab Seite 370 BGE 134 V 369 S. 370 A. Die 1960 geborene A. unterhielt bei der Freizügigkeitsstiftung X. ein Freizügigkeitskonto im Rahmen der 2. Säule. Anfang 2005 verstarb A. In der Folge erhoben die gesetzlichen Erben M., T. sowie K., B. und E. einerseits und die von der Verstorbenen als Alleinerbin eingesetzte R. Anspruch auf das Guthaben auf dem Freizügigkeitskonto in der Höhe von Fr. 196'381.55 (Stand am 18. Januar 2005). Nach umfangreicher Korrespondenz teilte die Freizügigkeitsstiftung X. den Prätendenten mit Schreiben vom 13. Oktober 2006 mit, ohne ein gerichtliches Urteil, eine verbindliche Vergleichsvereinbarung oder eine Verzichtserklärung sehe sie sich ausser Stande, das Freizügigkeitsguthaben der verstorbenen Vorsorgenehmerin auszuzahlen. B. Am 15. Januar 2007 reichten M., T. sowie K., B. und E. beim Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt Klage gegen die Freizügigkeitsstiftung X. ein mit dem Rechtsbegehren, die Beklagte sei zu verpflichten, das Guthaben auf dem auf den Namen ihrer verstorbenen Tochter und Schwester lautenden Freizügigkeitskonto an sie auszuzahlen. Die zum Verfahren beigeladene R. beantragte, die Klage sei abzuweisen und die Beklagte sei zu verpflichten, das Freizügigkeitsguthaben an sie auszuzahlen. Im Rahmen eines zweiten Schriftenwechsels hielten die Kläger und die Beigeladene an ihren Begehren fest. Mit Entscheid vom 15. Oktober 2007 wies das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt die Klage ab. C. M., T. sowie K., B. und E. lassen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 15. Oktober 2007 sei aufzuheben und die Klage gutzuheissen. R. lässt die Abweisung der Beschwerde beantragen, soweit darauf einzutreten sei. Die Freizügigkeitsstiftung X. und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) reichen eine Vernehmlassung ein, ohne einen Antrag zu stellen. Mit Verfügung vom 14. März 2008 ist der Beschwerde aufschiebende Wirkung erteilt worden. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. BGE 134 V 369 S. 371
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Die II. sozialrechtliche Abteilung des Bundesgerichts ist zuständig zum Entscheid darüber, ob die Beschwerdeführer Anspruch auf das Guthaben auf dem auf den Namen ihrer verstorbenen Tochter und Schwester lautenden Freizügigkeitskonto bei der Freizügigkeitsstiftung X. haben ( Art. 82 lit. a und Art. 86 Abs. 1 lit. b BGG , Art. 73 Abs. 1 BVG [SR 831.40] in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 und 3 FZV [SR 831.425] und Art. 26 Abs. 1 FZG [SR 831.42] sowie Art. 35 lit. e des Reglements vom 20. November 2006 für das Bundesgericht [BGerR; SR 173.110.131]; Urteil B 3/07 vom 21. September 2007, E. 2). Da auch die übrigen formellen Gültigkeitserfordernisse gegeben sind, ist auf die Beschwerde einzutreten. 2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden ( Art. 95 lit. a BGG ). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht ( Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG ) und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG ). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an ( Art. 106 Abs. 1 BGG ). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden. Es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen oder mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (Urteil 9C_671/2007 vom 25. März 2008, E. 2 mit Hinweisen). Geht es im Besonderen um Leistungen der beruflichen Vorsorge, überprüft das Bundesgericht Statuten und Reglemente privater Vorsorgeeinrichtungen oder Freizügigkeitsstiftungen als vorformulierten Inhalt des Vorsorgevertrages grundsätzlich frei (vgl. BGE 134 V 199 E. 1.2 S. 200; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts B 113/03 vom 30. Januar 2006, E. 2 nicht publ. in BGE 132 V 149 , aber publ. in: SVR 2006 BVG Nr. 21 S. 81). (...) BGE 134 V 369 S. 372 4. 4.1 Die Freizügigkeitsstiftung X. wirft wie schon im vorinstanzlichen Verfahren die Frage auf, ob es sich nicht eigentlich um eine Streitigkeit zwischen den gesetzlichen Erben und der eingesetzten Alleinerbin der verstorbenen Vorsorgenehmerin handle und nicht sinngemäss die Klage als gegen diese gerichtete Feststellungsklage zu betrachten sei. Sie habe sich nie gegen eine Auszahlung des Freizügigkeitsguthabens gewehrt. Vielmehr gehe es darum, gerichtlich festzustellen, wer wirklich die berechtigte Person sei, um das Risiko einer Doppelzahlung zu verhindern. Aufgrund dieses legitimen Interesses könne ihr keine andere Stellung als diejenige des aussenstehenden Dritten zukommen. Es würde dem Gerechtigkeitsgedanken daher zuwiderlaufen, wenn sich die Stiftung einzig wegen der Wahrnehmung ihres legitimen Selbstschutzes mit ordentlichen und/oder ausserordentlichen Kostenforderungen konfrontiert sähe. 4.2 Bei der Freizügigkeitsstiftung X. handelt es sich um eine Versicherungseinrichtung im Sinne von Art. 10 Abs. 2 lit. a FZV . Als Schuldnerin gemäss Ziff. 3.2.2 des Stiftungsreglements ist sie im Streit um das Guthaben auf dem Freizügigkeitskonto der verstorbenen Vorsorgenehmerin im Prozess vor dem kantonalen Berufsvorsorgegericht passivlegitimiert ( Art. 73 Abs. 1 lit. a BVG ; anders noch BGE 130 V 111 E. 3.1.3 S. 112) und sie hat im Verfahren vor Bundesgericht Parteistellung ( Art. 89 Abs. 1 BGG ). Daran ändert nichts, dass die Freizügigkeitsstiftung immer anerkannt hat, dass die vertraglich vereinbarte Leistung geschuldet ist, und die Auszahlung des Freizügigkeitsguthabens vornehmen wollte. Entscheidend ist, dass bei Einreichung der Klage die (fällige) Forderung noch nicht erfüllt war und immer noch bestand. Ob die gerichtliche Hinterlegung des Freizügigkeitsguthabens befreiende Wirkung gehabt hätte, was die Passivlegitimation ausschlösse, kann offenbleiben. Aufgrund der Akten stellte die Freizügigkeitsstiftung keinen solchen Antrag bei der Vorinstanz. Im Schreiben vom 13. Oktober 2006 an die Beschwerdeführer und an die Beigeladene (Prätendenten) hatte sie zwar festgehalten, sie werde den streitigen Betrag gerichtlich hinterlegen, sollte sie von einer der "Parteien" direkt ins Recht gefasst werden. Es finden sich indessen keine Hinweise in den vorinstanzlichen Prozessakten, dass sie - nach eigenen Angaben erfolglos - in diesem Sinne vorgegangen war. Durch Hinterlegung des Freizügigkeitsguthabens der verstorbenen Vorsorgenehmerin hätte zumindest das Risiko einer Doppelzahlung ausgeschaltet werden BGE 134 V 369 S. 373 können (vgl. Art. 96 und Art. 168 Abs. 1 OR sowie Urteil 4A_511/2007 vom 8. April 2008, E. 2 nicht publ. in BGE 134 III 348 E. 5.2.4 S. 352, und Urteil 4C.123/1997 vom 2. März 2004, E. 4.2 nicht publ. in BGE 130 III 312 ; ferner MARKUS MOSER, Die Lebenspartnerschaft in der beruflichen Vorsorge nach geltendem und künftigem Recht unter Berücksichtigung der Begünstigtenordnung gemäss Art. 20a BVG , in: AJP 2004 S. 1507 ff., 1508). Dem aufgrund der Beschwerde gegen das vorinstanzliche Erkenntnis bestehenden Risiko, das Freizügigkeitsguthaben zweimal zu bezahlen, ist mit der Erteilung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels Rechnung getragen worden ( Art. 103 Abs. 1 und 3 BGG ). 5. 5.1 Gemäss Ziff. 3.2.2 des Reglements für die Freizügigkeitsstiftung X. (in der seit 1. Januar 2005 geltenden, hier anwendbaren Fassung) kann der Anspruch auf Auszahlung des Freizügigkeitsguthabens unter Beilage aller erforderlichen Dokumente schriftlich geltend gemacht werden durch die Hinterbliebenen des Vorsorgenehmers (...), und zwar in nachstehender Reihenfolge: 1. Die Hinterlassenen nach Art. 19 und 20 BVG , 2. natürliche Personen, die von der versicherten Person in erheblichem Masse unterstützt worden sind, oder die Person, die mit dieser in den letzten fünf Jahren bis zu ihrem Tod ununterbrochen eine Lebensgemeinschaft geführt hat oder die für den Unterhalt eines oder mehrerer Kinder aufkommen muss, 3. die Kinder des Verstorbenen, welche die Voraussetzungen nach Art. 20 BVG nicht erfüllen, die Eltern oder die Geschwister, 4. (...). Der Berechtigte oder die Berechtigten haben einen eigenen vertraglichen Anspruch gegen die Freizügigkeitsstiftung im Sinne von Art. 112 Abs. 2 OR (vgl. BGE 131 V 27 E. 3.1 S. 29 mit Hinweisen; SVR 2006 BVG Nr. 13 S. 47, E. 2.2, B 92/04). 5.2 Es steht fest, dass die verstorbene Vorsorgenehmerin keine Hinterlassenen im Sinne von Art. 19 und 20 BVG (überlebender Ehegatte, Waisen) hat. Die Kläger und heutigen Beschwerdeführer (Mutter und Geschwister) fallen in die dritte Kategorie der in Ziff. 3.2.2 des Reglements genannten Begünstigten. Sie sind nur anspruchsberechtigt, wenn die Beigeladene nicht zum vorangehenden Personenkreis gehört, wenn sie also nicht mit der Vorsorgenehmerin in den BGE 134 V 369 S. 374 letzten fünf Jahren bis zu deren Hinschied am 18. Januar 2005 ununterbrochen eine Lebensgemeinschaft geführt hatte. 6. Umstritten ist zunächst, ob auch gleichgeschlechtliche Personen eine Lebensgemeinschaft im Sinne von Ziff. 3.2.2 Punkt 2 bilden können. 6.1 6.1.1 Das kantonale Gericht hat dazu erwogen, die Lebensgemeinschaft sei weder im Sozialversicherungs- noch im Familienrecht gesetzlich definiert. Grundsätzlich sei auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum Begriff des Konkubinats gemäss BGE 118 II 235 abzustellen. Seit diesem Entscheid seien aber gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften zunehmend gesellschaftlich akzeptiert und rechtlich anerkannt. Diese Anerkennung habe insbesondere im Gesetz vom 18. Juni 2004 über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare (PartG; SR 211.231) ihren Niederschlag gefunden. Eine Lebensgemeinschaft im reglementarischen Sinne könnten daher auch Personen gleichen Geschlechts bilden. Gemäss BGE 118 II 235 E. 3b S. 238 gilt als Konkubinat im engeren Sinne "eine auf längere Zeit, wenn nicht auf Dauer angelegte umfassende Lebensgemeinschaft von zwei Personen unterschiedlichen Geschlechts mit grundsätzlich Ausschliesslichkeitscharakter, die sowohl eine geistig-seelische, als auch eine körperliche und eine wirtschaftliche Komponente aufweist und auch etwa als Wohn-, Tisch- und Bettgemeinschaft bezeichnet wird (...). Indessen kommt nicht allen drei Komponenten dieselbe Bedeutung zu. Fehlt die Geschlechtsgemeinschaft oder die wirtschaftliche Komponente, leben die beiden Partner aber trotzdem in einer festen und ausschliesslichen Zweierbeziehung, halten sich gegenseitig die Treue und leisten sich umfassenden Beistand, so ist eine eheähnliche Gemeinschaft zu bejahen (...). Der Richter hat in jedem Fall eine Würdigung sämtlicher massgeblicher Faktoren vorzunehmen. Die gesamten Umstände des Zusammenlebens sind von Bedeutung, um die Qualität einer Lebensgemeinschaft beurteilen zu können." 6.1.2 Nach Auffassung der Beschwerdeführer ist der Begriff der Lebensgemeinschaft nach Ziff. 3.2.2 Punkt 2 des Stiftungsreglements im Sinne des Familienrechts zu verstehen. Danach stelle die eheähnliche Lebensgemeinschaft eine auf Dauer ausgerichtete, nach dem Willen der Partner jederzeit formlos auflösbare und ihrem Inhalt nach nicht im Voraus festgelegte "Wohn-, Wirtschafts- und BGE 134 V 369 S. 375 Geschlechtsgemeinschaft" von Mann und Frau dar ( BGE 118 II 235 ). Gleichgeschlechtliche Partnerschaften fielen nicht darunter und somit auch nicht unter den reglementarischen Begriff der Lebensgemeinschaft. Es bestehe kein Grund, hetero- und homosexuelle Lebensgemeinschaften mit Bezug auf die vorsorgerechtliche Begünstigungsordnung gleich zu behandeln. Im Gegenteil sei die vorsorgerechtliche Ungleichbehandlung von verschieden- und gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften mit ein Grund für die Schaffung des am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Partnerschaftsgesetzes gewesen. Eine Begünstigungsmöglichkeit des gleichgeschlechtlichen Partners habe somit nur bestanden, wenn das anwendbare Vorsorgereglement dies ausdrücklich vorgesehen habe. Das treffe hier nicht zu, weshalb die Beigeladene mangels einer reglementarischen Grundlage von vornherein keinen Anspruch auf das Freizügigkeitsguthaben der verstorbenen Vorsorgenehmerin habe. 6.2 Die Auslegung der Statuten und Reglemente privater Vorsorgeeinrichtungen und Freizügigkeitsstiftungen hat nach dem Vertrauensprinzip zu erfolgen. Es ist darauf abzustellen, wie die zur Streitigkeit Anlass gebende Willenserklärung - hier der Begriff der Lebensgemeinschaft nach Ziff. 3.2.2 Punkt 2 des Reglements der Beschwerdegegnerin - vom Empfänger in guten Treuen verstanden werden durfte und musste. Dabei ist nicht auf den inneren Willen des Erklärenden abzustellen, sondern auf den objektiven Sinn seines Erklärungsverhaltens. Der Erklärende hat gegen sich gelten zu lassen, was ein vernünftiger und korrekter Mensch unter der Erklärung verstehen durfte. Weiter sind die besonderen Auslegungsregeln bei Allgemeinen Geschäfts- oder Versicherungsbedingungen zu beachten, insbesondere die Unklarheits- und die Ungewöhnlichkeitsregel ( BGE 132 V 149 E. 5 S. 150 mit Hinweisen; BGE 134 V 223 E. 3.1 S. 227; ferner BGE 119 V 289 E. 6b S. 294 [pauschale Verweisung auf eine Verordnungsbestimmung]). Schliesslich ist bei der Interpretation und Anwendung der Statuten und Reglemente privater Vorsorgeeinrichtungen oder Freizügigkeitsstiftungen u.a. das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot zu beachten ( Art. 35 Abs. 3 BV ; BGE 134 V 223 E. 3.1 und 3.2 S. 228; BGE 115 V 103 E. 4b S. 109). 6.3 6.3.1 Der Begriff der Lebensgemeinschaft zweier Personen differenziert nicht nach deren Geschlecht. Darunter ist somit eine Gemeinschaft von Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts BGE 134 V 369 S. 376 zu verstehen, was auch dem in der Gesellschaft heute üblichen Sprachgebrauch entspricht. Die Beschwerdeführer machen zu Recht nichts anderes geltend. Es bestehen keine Hinweise im Reglement und die Freizügigkeitsstiftung führt auch keine Gründe an, welche ein engeres, auf Personen verschiedenen Geschlechts beschränktes Verständnis von Lebensgemeinschaft nahelegten. Gegen eine solche Reglementsauslegung spricht auch das Folgende: 6.3.1.1 In der bis 31. Dezember 2004 gültig gewesenen Fassung sah Ziff. 3.2.2 des Stiftungsreglements mit Bezug auf den Kreis der anspruchsberechtigten Personen folgende Reihenfolge vor: "a) die Hinterlassenen nach BVG sowie der Witwer; b) natürliche Personen, die vom Vorsorgenehmer in massgeblicher Weise unterstützt worden sind; c) die übrigen gesetzlichen Erben, jedoch unter Ausschluss des Gemeinwesens." Diese Regelung stimmte im Wesentlichen überein mit Art. 15 Abs. 1 lit. b FZV über die für die Erhaltung des Vorsorgeschutzes Begünstigten im Todesfall in der damaligen Fassung (vgl. SVR 2006 BVG Nr. 13 S. 47, E. 2.2, B 92/04). Diese Verordnungsbestimmung wurde im Zuge der 1. BVG-Revision gemäss Bundesgesetz vom 3. Oktober 2003 (AS 2004 S. 1677 ff.) geändert. Ziff. 2 von Art. 15 Abs. 1 lit. b FZV im Besonderen nennt seither als Begünstigte neu "natürliche Personen, die von der versicherten Person in erheblichem Masse unterstützt worden sind, oder die Person, die mit dieser in den letzten fünf Jahren bis zu ihrem Tod ununterbrochen eine Lebensgemeinschaft geführt hat oder die für den Unterhalt eines oder mehrerer gemeinsamer Kinder aufkommen muss". Im Rahmen der Gesetzesänderung wurde auch ein mit Art. 15 Abs. 1 lit. b FZV inhaltlich im Wesentlichen übereinstimmender neuer Art. 20a Abs. 1 BVG geschaffen. Damit sollte die Stellung der nicht verheirateten Lebenspartner verbessert werden (ALEXANDRA RUMO-JUNGO/REGULA GERBER JENNI, Sozialversicherungsrechtliche Aspekte des PartG, in: Thomas Geiser/Philipp Gremper [Hrsg.], Zürcher Kommentar zum Partnerschaftsgesetz, Zürich 2007, S. 760). Für den Anspruch auf Hinterlassenenleistungen aus der überobligatorischen beruflichen Vorsorge war nicht mehr eine Unterstützung der begünstigten Person in erheblichem Masse vorausgesetzt. Vielmehr konnte das Vorsorgereglement vorsehen, dass solche Leistungen u.a. auch erbracht werden, wenn die Partnerschaft als Lebensgemeinschaft mindestens die letzten fünf Jahre bis zum Tod der versicherten Person ununterbrochen gedauert hatte. Auf diese Weise sollte (auch) der gesellschaftlichen Entwicklung BGE 134 V 369 S. 377 Rechnung getragen werden (Botschaft vom 1. März 2000 zur 1. BVG-Revision, BBl 2000 [S. 2637 ff.], S. 2683 f. und 2691). In der parlamentarischen Beratung von Art. 20a BVG war die hier interessierende Frage, ob unter Lebensgemeinschaft resp. Partnerschaft eine Verbindung nur von Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts zu verstehen ist, kein Diskussionspunkt (vgl. AB 2002 N 545 f. und S 1045 sowie AB 2003 S 755 ff.). 6.3.1.2 Ziff. 3.2.2 des Stiftungsreglements wurde auf den 1. Januar 2005 im Sinne der ab diesem Zeitpunkt neu geltenden gesetzlichen Regelung gemäss Art. 20a BVG und Art. 15 Abs. 1 lit. b FZV geändert, was auch die Beschwerdegegnerin in ihrer Vernehmlassung bestätigt hat. Der Bedeutungsgehalt dieser Vorschriften ist somit auch für die Auslegung der reglementarischen Bestimmung nach dem Vertrauensprinzip massgebend (vgl. BGE 119 V 289 E. 6b S. 294). Die Entstehungsgeschichte von Art. 20a BVG stützt die vorinstanzliche Auffassung, wonach auch Personen gleichen Geschlechts eine Lebensgemeinschaft gemäss Ziff. 3.2.2 Punkt 2 des Stiftungsreglements bilden können. Wenn in diesem Zusammenhang in der Botschaft von der gesellschaftlichen Entwicklung die Rede ist, kann damit nicht bloss das Zusammenleben von nicht verheirateten Personen unterschiedlichen Geschlechts gemeint sein. Diese Lebensform ist seit langem nicht nur toleriert, sondern von der Gesellschaft auch akzeptiert. Sodann weist das BSV in seiner Vernehmlassung richtig darauf hin, dass bereits früher der gleichgeschlechtliche Lebenspartner begünstigt werden konnte unter der Voraussetzung, dass er vom verstorbenen Vorsorgenehmer in erheblichem Masse unterstützt worden war (vgl. MOSER, a.a.O., S. 1508; ferner Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts B 34/96 vom 2. Juli 1997). Sodann ist mit der Vorinstanz und der Aufsichtsbehörde zu berücksichtigen, dass mit dem vom Parlament am 18. Juni 2004 verabschiedeten Partnerschaftsgesetz die Stellung der homosexuellen Paare entscheidend verbessert wurde. U.a. haben neu überlebende eingetragene Partnerinnen oder Partner die gleiche Rechtsstellung wie Witwer ( Art. 19a BVG ). Anlass für die Schaffung dieses Gesetzes war auch das Verbot der Diskriminierung dieser Lebensform ( Art. 8 Abs. 2 BV ) sowie eine Gleichstellung mit heterosexuellen Konkubinatspaaren (Botschaft vom 29. November 2002 zum Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare, BBl 2003 [S. 1288 ff.], S. 1291, 1303 ff. und 1371 sowie AB 2003 N 1816 ff.). Es ist schon aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht anzunehmen, BGE 134 V 369 S. 378 dass derselbe Gesetzgeber im Rahmen der gleichzeitig laufenden 1. BVG-Revision nur Lebensgemeinschaften von Personen verschiedenen Geschlechts, nicht aber gleichgeschlechtliche Partner in die mit Art. 20a Abs. 1 lit. a BVG für den überobligatorischen Vorsorge- und den Freizügigkeitsbereich geschaffene neue Begünstigtenordnung aufnehmen wollte. In der Botschaft wurde denn auch ausdrücklich auf diese neue, im Stadium der parlamentarischen Beratung befindliche Bestimmung hingewiesen (BBl 2003 S. 1368 f.). Im Übrigen ist zu beachten, dass es sich bei den Hinterlassenenleistungen nach Art. 20a Abs. 1 BVG um Ansprüche der weitergehenden Vorsorge handelt. Die Vorsorgeeinrichtungen, Personalfürsorgestiftungen oder Freizügigkeitsstiftungen sind somit grundsätzlich frei, ob überhaupt und inwieweit sie solche Leistungen im Rahmen des gesetzlich Zulässigen vorsehen wollen (MOSER, a.a.O., S. 1510 f.; THOMAS GÄCHTER/MYRIAM SCHWANDER, Nichteheliche Lebensgemeinschaften im Sozialversicherungsrecht, in: FamPra.ch 2005 S. 844 ff., 849 f.; HEINZ HAUSHEER/THOMAS GEISER/REGULA E. AEBI-MÜLLER, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, 3. Aufl., Bern 2006, S. 35 Rz. 03.68 a). Immerhin haben sie den in Art. 20a Abs. 1 BVG abschliessend und verbindlich festgelegten Kreis der Begünstigten zu respektieren (vgl. AB 2002 N 545 [Votum Frau Bundesrätin Dreifuss]). Die Reglemente können somit die Anspruchsberechtigung beispielsweise von der Abgabe einer Begünstigungserklärung und/oder einer schriftlichen Vereinbarung über die gegenseitige Unterstützungspflicht abhängig machen (MOSER, a.a.O., S. 1512; HANS- ULRICH STAUFFER, Zweite Säule und Konkubinat, in: Plädoyer 1999 4 S. 19 ff., 22; vgl. BGE 133 V 314 sowie SVR 2008 BVG Nr. 2 S. 6, B 104/06, und SVR 2006 BVG Nr. 13 S. 47, B 82/04). 6.3.2 Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass in der Lehre - aufgrund der gewandelten gesellschaftlichen Verhältnisse in Bezug auf die Formen des Zusammenlebens oder wegen des Diskriminierungsverbotes nach Art. 8 Abs. 2 BV - die Ausdehnung des Begriffs des Konkubinats im engeren Sinn gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung auf gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften postuliert wird (INGEBORG SCHWENZER, in: Ingeborg Schwenzer [Hrsg.], FamKomm Scheidung, Bern 2005, N. 19 zu Art. 129 ZGB ; ANDREA BÜCHLER, Vermögensrechtliche Probleme in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, in: Alexandra Rumo-Jungo/Pascal Pichonnaz [Hrsg.], Familienvermögensrecht, Bern 2003, S. 65; HAUSHEER/GEISER/AEBI-MÜLLER, a.a.O., S. 20 Rz. 03.03; URS FASEL/DANIELA WEISS, BGE 134 V 369 S. 379 Auswirkungen des Konkubinats auf (nach-)eheliche Unterhaltsansprüche, in: AJP 2007 S. 13 ff., 18; vgl. auch GÄCHTER/SCHWENDENER, a.a.O., S. 845 und 864 ff. sowie STAUFFER, a.a.O., S. 22). Eine Lebensgemeinschaft im Sinne von Art. 15 Abs. 1 lit. b Ziff. 2 FZV (und Art. 20a Abs. 1 lit. a BVG ) und somit nach Ziff. 3.2.2 Punkt 2 des Stiftungsreglements können daher auch Personen gleichen Geschlechts bilden. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer besteht daher eine reglementarische Grundlage für einen allfälligen Anspruch der Beigeladenen auf das Freizügigkeitsguthaben der verstorbenen Vorsorgenehmerin bei der am Recht stehenden Freizügigkeitsstiftung. 7. Die Verfahrensbeteiligten stimmen im Grundsatz darin überein, dass Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage, welches die wesentlichen Merkmale einer Lebensgemeinschaft verschieden- oder gleichgeschlechtlicher Personen im Sinne von Ziff. 3.2.2 Punkt 2 des Stiftungsreglements sind, die Rechtsprechung zum Begriff des Konkubinats im engeren Sinn gemäss BGE 118 II 235 E. 3b S. 238 sein soll (E. 6.1.1). Davon ausgehend ist die Vorinstanz zu folgender Begriffsumschreibung gelangt: "Die Lebensgemeinschaft im Sinne des Stiftungsreglements ist (...) als Verbindung zweier Personen gleichen oder verschiedenen Geschlechts zu verstehen, die eine eheähnliche Beziehung pflegen, sich aber weder für die Form der Ehe noch für die eingetragene Partnerschaft entscheiden. Die Eheähnlichkeit der Verbindung zeigt sich in der umfassenden Art der Beziehung, die grundsätzlich Ausschliesslichkeitscharakter aufweist. Eine Lebensgemeinschaft umfasst demnach geistig-seelische, körperliche und wirtschaftliche Komponenten und wird auch etwa als Wohn-, Tisch- und Bettgemeinschaft bezeichnet. Die verschiedenen Komponenten einer Lebensgemeinschaft müssen nicht kumulativ gegeben sein, so dass nicht bereits beim Fehlen eines Elements das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft zu verneinen ist. Insgesamt muss die Verbindung aber in Würdigung aller Umstände die Qualität einer Schicksalsgemeinschaft aufweisen, damit von einer Lebensgemeinschaft gesprochen werden kann" (E. 3.3 des vorinstanzlichen Entscheids). 7.1 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer verletzt es nicht Bundesrecht, wenn die Vorinstanz die - vorliegend unbestrittenermassen nicht bestandene - ständige und ungeteilte Wohngemeinschaft nicht als begriffsnotwendiges (konstitutives) Element der BGE 134 V 369 S. 380 Lebensgemeinschaft erachtet hat (gl.M. BÜCHLER, a.a.O., S. 65; vgl. auch GÄCHTER/SCHWENDENER, a.a.O., S. 845 und STAUFFER, a.a.O., S. 22). Entscheidend ist, dass ungeachtet der Form des Zusammenlebens - hier in zwei Wohnungen und in der Ferienwohnung der Verstorbenen - die beiden Partner bereit sind, einander Beistand und Unterstützung zu leisten, wie es Art. 159 Abs. 3 ZGB von Ehegatten fordert ( BGE 124 III 52 E. 2a/aa S. 54; Urteil 5P.135/2005 vom 22. Juli 2005, E. 2.1). Im Übrigen können auch Verheiratete in verschiedenen Wohnungen leben ( Art. 162 ZGB ; IVO SCHWANDER, in: Honsell/Vogt/Geiser [Hrsg.], Basler Kommentar zum Zivilgesetzbuch I. Art. 1-456 ZGB , 3. Aufl., S. 969 ff.). Gemäss einem von der Beigeladenen eingereichten Schreiben vom 1. Februar 2006, in welchem sich ein bekanntes Ehepaar zu ihrer Beziehung zur Verstorbenen äusserte, hatten die beiden Frauen bewusst "getrennte Wohnstätten (...), um sich nicht unnötig gesellschaftlichem Druck auszusetzen, der sich auf ihre beruflichen oder persönlichen Beziehungen hätte auswirken können". Der Umstand allein, dass die Beigeladene und die verstorbene Vorsorgenehmerin je eine eigene Wohnung hatten, schliesst somit eine Lebensgemeinschaft im Sinne von Ziff. 3.2.2 Punkt 2 des Stiftungsreglements nicht aus. Dass sie in ihrer Steuerklärung jeweils den Abzug für Alleinstehende mit eigenem Haushalt vorgenommen hatten, ist unter den gegebenen Umständen daher ohne Belang. Das soeben Gesagte gilt ebenfalls mit Bezug auf die unbestrittene Tatsache, dass beide Personen, auch die Beigeladene, finanziell in der Lage waren, für ihre Lebenshaltungskosten selber aufzukommen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer setzt eine Lebensgemeinschaft im Sinne von Ziff. 3.2.2 Punkt 2 des Stiftungsreglements nicht voraus, dass zumindest eine Partei von der anderen massgeblich unterstützt worden war. Gegenteils sollte diesem Aspekt gerade keine ausschlaggebende Bedeutung mehr zukommen (vgl. E. 6.3.1.1). Der Unterstützungsgedanke spielt nur, aber immerhin im Rahmen der umfassenden Beistandspflicht eine Rolle (MOSER, a.a.O., S. 1512). 7.2 In tatsächlicher Hinsicht hat die Vorinstanz festgestellt, gemäss den Angaben der Nachbarin der Beigeladenen und der Nachbarin der verstorbenen Vorsorgenehmerin hätten sich die beiden Frauen regelmässig gegenseitig besucht und beieinander übernachtet. Gemäss unbestrittener Darstellung der Beigeladenen hatten sie und die Verstorbene mehr als zwei Drittel aller Wochenenden in BGE 134 V 369 S. 381 deren Ferienwohnung verbracht. Im Weitern seien zwar die Beigeladene und die verstorbene Vorsorgenehmerin in wirtschaftlicher Hinsicht nicht aufeinander angewiesen gewesen. Beide seien finanziell in der Lage gewesen, ihren Lebensunterhalt selber zu bestreiten. Immerhin habe aber die Verstorbene die Ferienwohnung allein finanziert und möglicherweise zuweilen die Ausgaben für die gemeinsamen Freizeitaktivitäten allein beglichen und so die Kasse der Beigeladenen geschont. Dass die Verstorbene in vergleichbarem Umfang weitere Personen finanziell unterstützt hätte, sei nicht anzunehmen. Es habe somit eine wirtschaftliche Verbundenheit bestanden, welche das unter guten Bekannten und Freunden übliche Mass bei Weitem überstiegen habe und dem etwa in Doppelverdiener-Ehen üblichen Mass entsprechen dürfte. Dies belege auch die letztwillige Verfügung vom 11. August 2004, mit welcher die Verstorbene die Beigeladene als Alleinerbin eingesetzt habe. Sodann sei nicht von der Hand zu weisen, dass zwischen der Beigeladenen und der Verstorbenen eine sehr enge, auf Ausschliesslichkeit angelegte Beziehung bestanden habe. Beleg hiefür seien Briefe der Verstorbenen, gemeinsame Ferienfotografien sowie die Projektarbeit "...", welche die Beigeladene im Rahmen eines Nachdiplomkurses an der Schule Y. verfasst habe. Briefe Dritter, die Abdankungsrede sowie die Berichte der behandelnden Ärzte zeigten, dass die Beigeladene und die verstorbene Vorsorgenehmerin von Freunden und Bekannten als Lebenspartnerinnen wahrgenommen worden seien. Der Umstand, dass es auch heftige Auseinandersetzungen gegeben habe, welche die Beziehung auf die Probe gestellt hätten, sei nicht geeignet, grundsätzliche Zweifel an der Intensität und Enge der Beziehung zu wecken. Dasselbe gelte auch in Bezug auf die Tatsache, dass die Beigeladene für die Pflege der Verstorbenen eine Entschädigung von Fr. 40'000.- verlangt habe. Angesichts der Dauer und Intensität der Betreuung sowie des offensichtlich nicht ungetrübten Verhältnisses zu den Klägern erscheine dies nicht als derart ungewöhnlich, dass es das Bestehen einer engen Beziehung in Frage stellen würde. Aufgrund der nicht unerheblichen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen der Beigeladenen und der Verstorbenen sowie der Dauer und Intensität ihrer Bindung sei von einer "Schicksalsgemeinschaft zweier Menschen" resp. einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft im Sinne des Stiftungsreglementes auszugehen. 7.3 Die Beschwerdeführer bringen vor, die Beziehung zwischen der Verstorbenen und der Beigeladenen habe weder die vom BGE 134 V 369 S. 382 Stiftungsreglement geforderte Intensität aufgewiesen noch während der letzten fünf Jahre bis zu deren Tod ununterbrochen bestanden. Eine Freundschaft - auch eine enge - sei noch keine Lebensgemeinschaft im reglementarischen Sinne. Die gegenteilige Auffassung des kantonalen Gerichts beruhe auf einer offensichtlich unrichtigen Sachverhaltsfeststellung als Folge einer unhaltbaren, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehenden und somit insgesamt willkürlichen Beweiswürdigung. Die Vorinstanz habe den von ihnen produzierten Beweismitteln ohne sachlichen Grund durchwegs geringere Überzeugungskraft als den nachträglich selber abgefassten oder bei Bekannten einseitig eingeholten Beweismitteln der Beigeladenen zuerkannt. 7.3.1 Die Kritik der Beschwerdeführer ist unbegründet, soweit sie auf der unzutreffenden Rechtsauffassung von der Wohngemeinschaft als begriffsnotwendiges (konstitutives) Element der Lebensgemeinschaft sowie einer massgeblichen (gegenseitigen) Unterstützung zu Lebzeiten der Vorsorgenehmerin beruht (E. 7.1 in fine). Es kann daher offenbleiben, in welchem Umfang und in welcher Form die verstorbene Vorsorgenehmerin für Lebenshaltungskosten der Beigeladenen im weitesten Sinne aufgekommen war. Unerheblich ist auch, dass die Beigeladene mit Bezug auf die Erbschaftssteuer nicht als Person erfasst wurde, welche mit der zuwendenden Person seit mindestens zehn Jahren in Wohngemeinschaft mit gleichem steuerrechtlichem Wohnsitz gelebt hat, und die Veranlagung zu einem entsprechend höheren Steuersatz widerspruchslos akzeptierte. 7.3.2 Nichts zu Gunsten der Beschwerdeführer ergibt sich sodann aus dem Umstand, dass die Beigeladene in der Todesanzeige sich als "deine Freundin" und nicht als Lebenspartnerin der Verstorbenen bezeichnete. Sie war nicht nur in der Liste der "Trauernden" an erster Stelle aufgeführt, sondern ihre Adresse war auch die erste der beiden Traueradressen. Sodann mag zwar etwas befremdlich erscheinen, dass die Beigeladene als (eingesetzte) Alleinerbin - abgesehen von der pflichtteilsgeschützten Mutter der Verstorbenen - im Erbschaftsinventar eine Forderung von pauschal Fr. 40'000.- als Entschädigung für die persönliche Betreuung und Pflege ihrer Lebenspartnerin vor deren Tod eingab. Dass dieser Umstand nach Auffassung der Vorinstanz das Bestehen einer engen Beziehung nicht in Frage zu stellen vermag, stellt indessen keine unhaltbare Beweiswürdigung dar. Schliesslich kann aus dem Umstand, dass die BGE 134 V 369 S. 383 verstorbene Vorsorgenehmerin die Beigeladene nicht zu Lebzeiten als Berechtigte auf das Freizügigkeitsguthaben gegenüber der Beschwerdegegnerin bezeichnet hatte, nicht auf einen fehlenden Begünstigungswillen geschlossen werden. Abgesehen davon, dass das Stiftungsreglement keine solche Meldepflicht statuiert, kann dasselbe Argument auch gegen die Beschwerdeführer verwendet werden. 7.3.3 Im Weitern kann nicht gesagt werden, bei den Briefen der Verstorbenen, den Fotografien, den Schreiben von Bekannten und Freunden, den Arztberichten, der Abdankungsrede sowie der erwähnten Projektarbeit, welche Dokumente nach Auffassung der Vorinstanz belegen, dass die beiden Frauen (auch) nach aussen sichtbar als Lebenspartnerinnen wahrgenommen worden waren, handle es sich nicht um objektive Beweismittel. Dabei kann im Umstand, dass die Vorinstanz für den Nachweis der eine Lebensgemeinschaft bestimmenden Merkmale wesentlich auf diese Dokumente abgestellt hat, keine unhaltbare, vom Bundesgericht nach Art. 105 Abs. 2 BGG zu korrigierende Beweiswürdigung erblickt werden. Soweit in der Beschwerde vorgebracht wird, gewisse Bereiche der Beziehung gleichgeschlechtlicher Paare müssten vertraglich geregelt sein (z.B. gemeinsamer Kauf- oder Mietvertrag, Bankvollmachten, Patientenverfügungen), wird übersehen, dass solche Vereinbarungen auch für ein Konkubinat im engeren Sinn nicht konstitutiv sind (HAUSHEER/GEISER/AEBI-MÜLLER, a.a.O., S. 24 ff., insbes. Rz. 03.21 und 03.74 und BÜCHLER, a.a.O., S. 64 und 69). Etwas anderes lässt sich der Umschreibung in BGE 118 II 235 E. 3b S. 238 denn auch nicht entnehmen (E. 6.1.1). Abgesehen davon legen die Beschwerdeführer nicht dar, inwiefern die betreffenden Personen (Bekannte, Nachbarn, Pfarrerin, Ärzte) unglaubwürdig und ihre Darstellung, wie sie die Beziehung zwischen der verstorbenen Vorsorgenehmerin und der Beigeladenen wahrgenommen haben, unglaubhaft sein sollen. Die Beschreibung der Zeit vom Ausbruch der Krankheit bis zum Tod in der Projektarbeit diente der Beigeladenen zwar der Verarbeitung der Trauer, bestätigt aber eindrücklich, dass zwischen den beiden Frauen eine weit über eine Freundschaft hinausgehende, enge und stabile Beziehung bestanden hatte. Daran ändern die - mit den Worten der Beschwerdeführer - "Phasen der Zerwürfnis" nichts. Dass es in den über sechzehn Jahren seit dem Kennenlernen Konflikte gab, wird auch in der Projektarbeit erwähnt, ebenso, dass die Verstorbene - gemäss Chronologie vor 1999 - einmal die Kleider der Beigeladenen vor die Wohnungstüre gelegt und das Schloss BGE 134 V 369 S. 384 ausgewechselt hatte. Im Übrigen bestehen keine Anhaltspunkte, und entsprechende Hinweise liefern auch die Beschwerdeführer nicht, dass es in den letzten fünf Jahren vor dem Tod der Vorsorgenehmerin zur Trennung gekommen war. In Würdigung der gesamten Akten ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die beiden Frauen in einer echten Notlage welcher Art auch immer einander Hilfe und Beistand geleistet hätten, so wie es zwischen Eheleuten und Konkubinatspartnern erwartet wird. Die vorinstanzliche Qualifikation ihrer Beziehung als eine Lebensgemeinschaft im Sinne von Ziff. 3.2.2 Punkt 2 des Stiftungsreglements ist daher nicht zu beanstanden. (...)
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Sachverhalt ab Seite 200 BGE 96 I 199 S. 200 A.- Jean-Paul Kunzi, directeur du cinéma Rex, à Neuchâtel, a été condamné par le Tribunal de police du district de Neuchâtel à 20 fr. d'amende pour infraction aux art. 42 de la loi sur le cinéma du 7 juin 1966 et 18 de son règlement d'exécution du 6 décembre 1966. A l'occasion d'un contrôle effectué par la police le samedi après-midi 30 novembre 1968, lors de la projection du film "Triple cross" interdit aux mineurs de moins de 16 ans, deux jeunes gens nés en 1953 se trouvaient dans la salle du cinéma Rex. B.- Kunzi a recouru contre cette décision auprès de la Cour de cassation pénale du canton de Neuchâtel, qui a rejeté le pourvoi par arrêt du 30 juin 1969, retenant notamment dans ses considérants: "Le jugement entrepris ne contient nullement une fausse interprétation de la loi en exigeant un contrôle complet, c'est-à-dire que la carte d'identité soit réclamée de toute personne dont l'aspect ne permet pas d'affirmer qu'elle a 20 ans ou moins. Or en l'espèce, les instructions que le recourant avait données à son personnel étaient d'opérer un contrôle par sondages et seulement à l'égard des personnes ne paraissant pas avoir atteint 16 ans. ... Les instructions données à son personnel ne répondent pas aux exigences légales; le recourant a, dès lors, commis une contravention, dont il répond personnellement aux termes de l'art. 55 al. 3 chiffre 3 de la loi sur le cinéma." C.- Agissant par la voie du recours de droit public, Jean-Paul Kunzi requiert le Tribunal fédéral d'annuler l'arrêt du BGE 96 I 199 S. 201 30 juin 1969 et de renvoyer la cause à l'autorité pénale cantonale pour qu'elle prononce son acquittement pur et simple. Il se plaint de violation des art. 4 (arbitraire et inégalité de traitement) et 31 Cst. Ses motifs seront repris ci-dessous, dans la mesure utile. La Cour de cassation pénale du canton de Neuchâtel se réfère purement et simplement à sa décision. Le Procureur général déclare n'avoir pas d'observations à formuler.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. S'agissant de l'application du droit cantonal, le pourvoi en nullité auprès de la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral n'est pas ouvert (art. 268 ss. PPF); dès lors le recours de droit public, moyen de droit subsidiaire, est recevable en vertu de l'art. 84 al. 2 OJ. 2. Le recourant voit une inégalité de traitement d'une part dans le fait que le même Tribunal de police de Neuchâtel a, par arrêt rendu le 20 février 1969 dans une affaire semblable (affaire Gammater), libéré un directeur de cinéma de toute peine en admettant l'erreur de droit, alors que lui-même avait aussi invoqué l'erreur de droit mais a été condamné, et d'autre part dans le fait que lorsque la police exerce elle-même les contrôles prévus à l'art. 18 Rgl., elle procède par sondages, alors qu'on exige de lui-même un contrôle plus rigoureux. Pour qu'il y ait inégalité de traitement, au sens de la jurisprudence, il faut que ce soit la même autorité qui statue de façon inégale à propos de deux situations semblables (cf. RO 91 I 171, 90 I 8 consid. 2). Or l'arrêt attaqué émane de la Cour de cassation pénale, tandis que la décision du 20 février 1969 dans l'affaire Gammater a été rendue par le Tribunal de police. Les conditions requises par la jurisprudence ne sont donc pas remplies en l'espèce. Il n'y a pas non plus inégalité de traitement dans le fait que jusqu'ici les autorités se seraient contentées d'un contrôle par sondages alors qu'elles exigeraient dorénavant un contrôle systématique de toutes les personnes paraissant n'avoir pas l'âge de 20 ans. L'art. 4 Cst. n'empêche pas une autorité de modifier sa pratique antérieure et d'appliquer dorénavant une prescription légale d'une manière qui lui paraît plus conforme à une saine interprétation (cf. RO 91 I 3). BGE 96 I 199 S. 202 3. Le recourant estime qu'il est arbitraire d'interpréter l'art. 18 Rgl. dans ce sens qu'un contrôle systématique devrait être fait auprès de toutes les personnes qui paraissent n'avoir pas 20 ans; il reproche également à une telle interprétation de violer l'art. 31 Cst. Lorsqu'un recourant attaque une décision à la fois pour interprétation arbitraire du droit cantonal et pour violation d'un autre droit constitutionnel, le Tribunal fédéral examine d'abord si la décision attaquée résiste au grief d'arbitraire; si tel est le cas, il examine alors encore - et cette fois avec plein pouvoir d'examen, en général - si elle est compatible avec la disposition constitutionnelle invoquée. 4. La cour cantonale a fondé sa décision sur l'art. 42 de la loi sur le cinéma, qui prescrit qu'aucun film ne peut être projeté devant des personnes âgées de moins de 18 ans sans l'autorisation du département et répartit les films en quatre catégories selon leur nature et leur contenu (films visibles pour tous, films interdits aux personnes âgées de moins de 12 ans, 16 ans ou 18 ans, la possibilité étant réservée au département de fixer exceptionnellement à 20 ans l'âge d'admission à la projection d'un film), ainsi que sur l'art. 18 du règlement d'exécution de ladite loi, dont les alinéas 1 et 2 disposent ce qui suit: "Les directeurs de salles et leur personnel doivent contrôler l'âge de leurs clients avant de les autoriser à pénétrer dans la salle, à moins qu'un agent de la police cantonale ou communale se charge personnellement de cette surveillance. Si elles sont âgées de moins de 20 ans, les personnes désireuses d'assister à une représentation cinématographique doivent être en mesure de justifier leur âge par la présentation d'une carte d'identité officielle aux personnes chargées du contrôle." Le recourant taxe d'interprétation arbitraire de ces dispositions le fait que la cour cantonale exige un contrôle systématique de toutes les personnes dont l'aspect ne permet pas d'affirmer qu'elles ont 20 ans ou moins. Or le Tribunal fédéral n'annule une décision pour arbitraire que si elle est insoutenable, c'est-à-dire évidemment injuste, dépourvue de toute justification sérieuse, prise en violation d'un droit certain (RO 93 I 6 consid. 3 ; 88 I 139 consid. 1). L'art. 18 Rgl. ne précise pas si le contrôle doit se faire systématiquement ou si des sondages suffisent. On ne peut donc en tout cas pas reprocher à l'autorité d'avoir agi arbitrairement BGE 96 I 199 S. 203 en déduisant de cette disposition que le contrôle doit porter sur toute personne qui paraît ne pas avoir l'âge fixé pour voir le film en question, car une telle interprétation est parfaitement compatible avec le texte et le sens de cette disposition. En revanche, il est douteux que soit exempte d'arbitraire l'interprétation qui impose le contrôle de toute personne dont l'aspect ne permet pas d'affirmer qu'elle a 20 ans ou moins. Ce point peut néanmoins rester indécis: comme on va le voir en effet, l'interprétation donnée par les autorités neuchâteloises aux dispositions sur le contrôle des spectateurs de cinéma n'est pas compatible avec la liberté du commerce et de l'industrie, garantie par l'art. 31 Cst. 5. Le recourant ne conteste pas aux cantons le pouvoir d'édicter des prescriptions de police en matière d'exploitation de cinéma, mais il soutient que les dispositions cantonales en la matière, telles qu'elles sont interprétées par les autorités neuchâteloises, vont au-delà du but de police visé et violent dès lors le principe dit de la proportionnalité des mesures administratives. Le but des dispositions litigieuses sur le contrôle des spectateurs est de protéger adolescents et jeunes gens contre les influences pernicieuses de certaines représentations cinématographiques qui ne leur sont pas destinées; l'âge limite, qui varie de cas en cas, est fixé chaque fois en fonction d'un film déterminé. Pour permettre d'exclure, selon les cas, les personnes de moins de 12 ans, 16 ans ou 18 ans, il suffit de contrôler les personnes qui paraissent avoir un âge inférieur à la limite fixée et celles qui paraissent avoir un âge avoisinant cette limite. Exiger que l'on contrôle toutes les personnes paraissant avoir jusqu'à 20 ans va au-delà de ce qui est nécessaire pour atteindre le but de police visé, savoir en l'espèce empêcher les jeunes gens de moins de 16 ans d'assister à la projection d'un film interdit aux personnes qui n'ont pas cet âge. D'autre part, imposer un contrôle systématique de toutes les personnes dont l'aspect ne permet pas d'affirmer qu'elles ont l'âge requis est une exigence qui entrave singulièrement l'exploitation des représentations cinématographiques. La police elle-même reconnaît qu'une telle tâche serait pratiquement impossible; aussi se contente-t-elle, comme cela a été constaté dans l'affaire Gammater, de contrôles par sondages. Cette dernière manière de faire, dans la mesure où elle est pratiquée sérieusement, avec présentation de la carte d'identité et application BGE 96 I 199 S. 204 des sanctions sévères que la loi prévoit, est capable d'assurer l'efficacité désirable, par l'effet préventif qu'elle exerce sur le spectateur qui n'a pas l'âge voulu. Mais il faut que le contrôle soit sérieux et porte sur une partie importante des personnes qui paraissent avoir l'âge limite. On doit en conclure que l'interprétation donnée par les autorités cantonales aux dispositions sur le contrôle n'est pas compatible avec l'art. 31 Cst. Partant, le recourant ne pouvait être condamné simplement sur la base des instructions données à son personnel; ces instructions étaient suffisantes au regard du principe de proportionnalité auquel sont soumises les restrictions cantonales de police à la liberté du commerce et de l'industrie. La décision attaquée doit dès lors être annulée. En revanche, le recourant pourrait être condamné s'il se révélait que, malgré les instructions reçues, le personnel n'a pas effectué de contrôle correspondant aux normes énoncées cidessus ou qu'un tel contrôle n'a été fait que de façon insuffisante et peu sérieuse. Il appartiendra aux autorités cantonales d'examiner encore ce point et de se prononcer à son sujet.
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Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Admet le recours et annule l'arrêt attaqué.
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Sachverhalt ab Seite 108 BGE 113 IV 108 S. 108 L. wird im Kanton Bern wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, u.a. begangen durch Verkauf von insgesamt ca. 70 g Kokain, wegen Verletzung von Verkehrsregeln sowie wegen Sachentziehung verfolgt. Erste Ermittlungen wegen der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz sind im Juli 1986 im Kanton Solothurn vorgenommen worden, während die Kantonspolizei Bern sich erst seit September 1986 mit der Sache befasst. Umstritten ist, ob sich L. durch den Verkauf von Waffen und Munition der Gehilfenschaft bei einem am 4. März 1987 im Kanton Aargau verübten Raub schuldig gemacht habe, bei welchem diese Waffen verwendet wurden; eine Strafuntersuchung ist bis dahin im Kanton Aargau nicht eingeleitet worden. Der Generalprokurator des Kantons Bern ersucht mit Eingabe vom 11. September 1987, die Behörden des Kantons Solothurn für berechtigt und verpflichtet zu erklären, die L. vorgeworfenen strafbaren Handlungen zu verfolgen und zu beurteilen. BGE 113 IV 108 S. 109 Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn beantragt, die Behörden des Kantons Aargau zuständig zu erklären. Die ebenfalls zur Vernehmlassung aufgeforderte Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau schliesst sich dem vom Generalprokurator des Kantons Bern gestellten Begehren an.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Die Gesuchsgegnerin bestreitet ihre Zuständigkeit mit dem Einwand, es bestehe nach der Aktenlage der Verdacht, L. habe sich durch den Verkauf von zwei Schusswaffen und Munition der Gehilfenschaft zu qualifiziertem Raub schuldig gemacht, der mit schwererer Strafe bedroht ist als die qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz. Gehilfenschaft liegt vor, wenn zu einem Verbrechen oder zu einem Vergehen vorsätzlich Hilfe geleistet wird ( Art. 25 StGB ). Jeder kausale Beitrag, der die Tat fördert, so dass sich diese ohne Mitwirkung des Gehilfen anders abgewickelt hätte, fällt objektiv in Betracht ( BGE 108 Ib 302 E. 3a mit Hinweisen). Subjektiv ist erforderlich, dass der Gehilfe weiss oder damit rechnet, eine bestimmt geartete Straftat zu unterstützen, und dass er dies will oder in Kauf nimmt, wobei zum Vorsatz auch die Voraussicht des Geschehensablaufs gehört ( BGE 111 IV 34 E. 2 mit Hinweis); dabei genügt es, dass er die wesentlichen Merkmale des vom Täter zu verwirklichenden strafbaren Tuns erkennt, während er Einzelheiten der Tat nicht zu kennen braucht (SCHÖNKE/SCHRÖDER, N. 19 zu § 27 StGB ; DREHER/TRÖNDLE, N. 8 zu § 27 StGB ). Ein ganz unbestimmter, allgemein gehaltener Vorsatz dahingehend, dass das eigene Verhalten einem Dritten überhaupt Hilfe zur Deliktsbegehung leiste, kann nicht ausreichen (NEUENSCHWANDER, Die Strafbarkeitsvoraussetzungen der Beihilfe nach Art. 25 StGB , Diss. Zürich 1954, S. 52). Bei der Beurteilung der Gerichtsstandsfrage muss von der Verdachtslage ausgegangen werden, wie sie sich nach den Akten im Zeitpunkt des Entscheides durch die Anklagekammer darbietet. Der Gerichtsstand hängt nicht davon ab, was dem Beschuldigten schliesslich nachgewiesen werden kann, sondern bestimmt sich danach, was aufgrund der Aktenlage überhaupt in Frage kommt ( BGE 112 IV 63 E. 2 mit Hinweisen). 2. Nach den übereinstimmenden Aussagen von L. und den drei am Raubüberfall Beteiligten ist dieser um drei Schusswaffen, BGE 113 IV 108 S. 110 wovon eine mit Schalldämpfer, sowie Munition angegangen worden. R. verlangte nach der Darstellung von O. eine grosse Waffe, eine solche, welche Eindruck erwecke. Wie P. aussagte, gab L. ihnen den Rat, falls sie die Waffen für etwas Schlimmes verwenden wollten, deren Nummern wegzumachen, was er für sie tat, als sie das wünschten; er soll sie zudem ermahnt haben, vorsichtig mit den Waffen zu sein, da er sie ihnen beschafft habe und somit hineingezogen werden könnte. P. vermutete, L. habe geahnt, dass sie einen Überfall vorhatten, obwohl wahrscheinlich nicht von einem solchen gesprochen worden sei. P., den L. aus dem Drogengeschäft kannte, war gemäss übereinstimmender Darstellung sowenig wie die beiden anderen in der Lage, den Kaufpreis der Waffen zu bezahlen; es wurden statt dessen zwei Ringe verpfändet. L. behauptet, von dem geplanten Überfall nichts gewusst zu haben, was von R. und O. in ihren ergänzenden Abhörungen bestätigt wurde. Trotzdem erweist sich der Verdacht, L. könnte sich auch subjektiv der Gehilfenschaft beim qualifizierten Raubüberfall schuldig gemacht haben, aufgrund der angeführten Aussagen nicht von vornherein als haltlos ( BGE 98 IV 63 E. 2 mit Hinweisen); davon ging bereits die Kantonspolizei Bern aus, als sie um eine nochmalige, eingehende Befragung der drei am Überfall Beteiligten ersuchte. Wenn für jeden derselben eine Schusswaffe mit Munition begehrt wurde, eine davon einen Schalldämpfer aufweisen sollte, von einem ferner eine grosse, Eindruck erweckende Waffe bevorzugt war, und sie den Kaufpreis nicht zu bezahlen vermochten, so war für L. die Möglichkeit nicht auszuschliessen, dass sie in Geldnot stecken, gemeinsam handeln, den Widerstand von Personen mit Waffen brechen und schiessen könnten, um zu Geld zu gelangen; er rechnete offenbar auch damit, als er die Nummern der Waffen wegmachte, was er selber für den Fall angeraten hatte, dass sie etwas Schlimmes vorhaben sollten. Von den dreien hatte P. durch den Drogenhandel, aus dem ihn L. kannte, seine Delinquenzbereitschaft bereits erkennbar gezeigt. L. wusste damit um die wesentlichen Merkmale einer bestimmten Tat, nämlich eines qualifizierten, unter Offenbarung besonderer Gefährlichkeit ( BGE 110 IV 79 E. 3) oder unter Schaffung einer Lebensgefahr für das Opfer ( BGE 112 IV 17 E. 2a mit Hinweisen) begangenen Raubes gemäss Art. 139 Ziff. 2 oder 3 StGB, und damit auch um den voraussichtlichen Geschehensablauf. Wie sich die Tat im einzelnen abwickeln und gegen wen sie gerichtet sein würde, musste L. nicht bekannt sein ( BGE 108 Ib 303 ). Beschaffte BGE 113 IV 108 S. 111 er Waffen und Munition, wiewohl er mit einer derartigen Verwendung rechnete, so liegt die Annahme vorsätzlichen Handelns auf der Hand. Die vom Gesuchsteller und der Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau vertretene Auffassung, eine Gehilfenschaft sei nach der Aktenlage aus rechtlichen Gründen auszuschliessen, weil L. weder einen bestimmten Geschehensablauf noch die Art einer konkreten Tat habe voraussehen können, erweist sich demgemäss als unzutreffend.
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Dispositiv Demnach erkennt die Anklagekammer: Das Gesuch wird dahin gutgeheissen, dass die Behörden des Kantons Aargau zur Verfolgung und Beurteilung der L. vorgeworfenen strafbaren Handlungen berechtigt und verpflichtet erklärt werden.
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Sachverhalt ab Seite 64 BGE 101 II 63 S. 64 A.- Le 18 août 1970, Michel et François Constantin ont déposé auprès du Juge-instructeur pour le district d'Hérens une requête provisoire d'hypothèque légale d'artisan et d'entrepreneur pour le montant de 52'441 fr. 15, sur la propriété des époux Tilmann, article MF, folio 4 No 237, pré et chalet de 514 m2 à Anzère-sur-Ayent. Les requérants avaient effectué des travaux de menuiserie et charpenterie dans le chalet. Le 20 août 1970, le juge il invité le bureau du registre foncier de Sion à procéder à l'inscription provisoire requise. Celle-ci est intervenue le même jour. Elle ne comportait ni la fixation d'un délai pour requérir l'inscription définitive de l'hypothèque, ni la durée de l'inscription. A l'audience du 10 septembre 1970, après avoir entendu les parties, le juge a admis la requête en inscription provisoire pour le montant réclamé, mais précisé que l'inscription était accordée pour une durée de deux ans et qu'il incomberait aux requérants d'ouvrir action dans les six mois dès la notification de la décision pour faire inscrire l'hypothèque à titre définitif, à défaut de quoi l'inscription provisoire deviendrait caduque. Cette décision a été notifiée le 24 septembre 1970 aux parties. Le bureau du registre foncier n'en a pas eu connaissance et l'inscription provisoire n'a pas été complétée au registre foncier. BGE 101 II 63 S. 65 B.- Dans le délai imparti, Michel et François Constantin ont ouvert action en inscription définitive de leur hypothèque légale. Les époux Tilmann ont conclu au rejet de l'action. Le délai de deux ans est arrivé à échéance en cours de procédure, le 24 septembre 1972. Le 2 novembre 1972, Michel et François Constantin ont demandé au juge saisi de ne pas omettre de veiller à ce que l'inscription provisoire soit prolongée au registre foncier pour une durée indéterminée, respectivement jusqu'à jugement exécutoire. Ils ont confirmé au juge, le 27 décembre 1972, que la durée de l'inscription au registre foncier n'était pas limitée dans le temps. Le 2 février 1973, le juge instructeur du district d'Hérens a rendu une décision dans laquelle il a déclaré caduque l'inscription provisoire, faute pour les requérants d'avoir sollicité en temps utile la prolongation de sa validité. Il a ordonné sa radiation et déclaré irrecevable la demande tendant à l'inscription définitive de l'hypothèque. C.- Michel et François Constantin ont recouru contre ce jugement, requérant le maintien de l'inscription provisoire de l'hypothèque légale jusqu'à la date de l'inscription définitive, et la poursuite de la procédure. Le 3 juillet 1974, le Tribunal cantonal du Valais a rejeté le recours et confirmé le premier jugement, précisant toutefois que l'action en inscription définitive de l'hypothèque n'était pas irrecevable, mais devait être rejetée. D.- Michel et François Constantin recourent en réforme contre ce jugement. Ils demandent que l'annotation provisoire de l'hypothèque légale litigieuse soit maintenue au registre foncier jusqu'à la solution du procès au fond. Les époux Tilmann proposent le rejet du recours.
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595
Erwägungen Considérant en droit: 1. Saisi en instance de réforme, le Tribunal fédéral n'a pas la possibilité d'ordonner le maintien d'une inscription provisoire au registre foncier. Selon une jurisprudence constante en effet, la décision portant sur l'annotation ou la radiation de telles inscriptions, même prise dans le cadre d'un procès civil ordinaire, a le caractère d'une mesure provisoire (RO 96 II 427 consid. 2; 71 II 250 ; arrêt Bässler c. Decoppet, non publié, du 12 mars 1971). Sous cette forme, le recours serait BGE 101 II 63 S. 66 irrecevable. Mais il ressort cependant du mémoire de recours que les recourants ont en réalité entendu demander la réforme de l'arrêt qui rejette leur action, et la poursuite du procès pendant devant les instances cantonales. La question à résoudre, au fond, est celle de l'inscription définitive d'une hypothèque légale d'artisan et d'entrepreneur. Il s'agit d'une décision finale au sens de l'art. 48 al. 1 OJ, de sorte que le recours est recevable. 2. Lorsque l'inscription au registre foncier limite à une certaine date la validité de l'inscription provisoire, en application de l'art. 961 al. 3 CC, la requête visant à prolonger cette durée de validité doit être présentée avant l'échéance du délai fixé. Cette exigence qui est de jurisprudence constante (RO 98 Ia 245 et les arrêts cités) repose sur le principe de la publicité du registre foncier. Les tiers de bonne foi doivent pouvoir se fier aux indications du registre foncier. Si le délai de validité d'une inscription provisoire d'hypothèque légale est écoulé, les tiers ne doivent plus avoir à compter avec la possibilité d'un droit de gage d'un artisan ou entrepreneur. L'inscription provisoire perd toute validité lorsqu'à l'échéance du délai de validité fixé par le juge, le bénéficiaire n'a pas requis la prolongation du délai ou que l'hypothèque n'a pas été inscrite définitivement. Il incombe au conservateur du registre foncier de la radier d'office en application de l'art. 76 al. 1 ORF (RO 53 II 219; 60 I 297 /298; 98 Ia 245 /246). Cette jurisprudence se rapporte cependant, comme l'a relevé avec raison la Cour cantonale, à des cas dans lesquels l'inscription au registre foncier porte mention d'une durée de validité. En l'espèce, l'ordonnance du juge instructeur fixant à deux ans la durée de validité de l'inscription n'a pas été communiquée au bureau du registre foncier, de sorte que l'inscription qui y figure ne mentionne pas de durée de validité. Se fondant sur les principes dégagés par l'arrêt publié au RO 99 II 388 ss, la Cour cantonale a admis que, dans ce cas également, l'inscription perd d'office toute validité à l'échéance du délai fixé par le juge. 3. Dans l'arrêt Aymon contre Paratte et consorts (RO 99 II 388), la durée de validité de l'inscription ne ressortait pas du registre foncier. Comme dans le présent cas, le juge avait fixé une durée de validité de deux ans, mais n'avait pas communiqué sa décision au bureau du registre foncier. BGE 101 II 63 S. 67 En revanche, le bénéficiaire avait requis et obtenu la prolongation de la durée de validité de l'inscription avant l'expiration du délai initial et cette décision avait été notifiée dans le même délai au bureau du registre foncier (RO 99 II 391). 4. L'obligation de fixer la durée de l'inscription provisoire (art. 961 al. 3 CO) vise tout d'abord à limiter la durée de l'insécurité juridique créée par l'inscription provisoire. Elle contraint ensuite le bénéficiaire de l'inscription à faire diligence et à entreprendre ou poursuivre les démarches nécessaires en vue d'obtenir une inscription définitive. a) Le premier de ces buts ne peut être atteint que si le juge fixe la durée de validité de l'inscription provisoire et communique sa décision au bureau du registre foncier; si tel n'est pas le cas, il n'est en effet pas possible aux tiers de savoir combien de temps va durer l'incertitude. b) Même dans ce cas, le second but visé par la fixation de la durée de validité de l'inscription provisoire subsiste: éviter que ne dure indéfiniment une situation incertaine. C'est pour le même motif que l'art. 961 al. 3 CC prescrit aussi au juge de fixer, le cas échéant, un délai dans lequel le requérant devra faire valoir son droit en justice. Le juge satisfait à ces exigences cumulatives lorsqu'il ne limite pas à une date déterminée la durée de validité de l'inscription provisoire, mais prévoit qu'elle déploiera ses effets aussi longtemps que la décision relative à l'inscription définitive ne sera pas devenue exécutoire (RO 53 II 220; 98 Ia 245 ; HOMBERGER, ad art. 961 CC, N. 16 et 31). Le but visé est en effet atteint lorsque la validité de l'inscription provisoire est liée à la condition que le procès en inscription définitive soit ouvert dans un délai déterminé (RO 66 II 108). Il existe alors une relation nécessaire entre la durée de validité de l'inscription provisoire et le déroulement du procès, en ce sens que l'inscription provisoire est maintenue aussi longtemps que la question de l'inscription définitive n'a pas été tranchée (SIMOND, L'hypothèque légale de l'entrepreneur, p. 151/152). Dès lors que le délai pour ouvrir action au fond est respecté, l'intérêt qu'il y a à fixer une durée de validité déterminée de l'inscription provisoire a beaucoup moins d'importance que l'intérêt du créancier à ce que cette inscription subsiste aussi longtemps que le procès n'a pas été liquidé. BGE 101 II 63 S. 68 5. Selon l'art. 76 al. 1 ORF, l'annotation d'une inscription provisoire doit être radiée d'office lorsque l'inscription définitive a été effectuée ou lorsque le délai fixé pour la requérir s'est écoulé sans avoir été utilisé. Pour que cette disposition soit applicable, il faut que la durée de validité de l'inscription provisoire figure au registre foncier. Ce n'est que dans cette hypothèse que le conservateur de ce registre est en état de constater, avec une sécurité suffisante, l'écoulement du délai. Tel n'est pas le cas en l'espèce. Le 20 août 1970, le premier juge a invité le conservateur du registre foncier à procéder à l'inscription provisoire requise par les recourants; celle-ci ne fait pas mention d'une durée de validité ou d'un délai pour ouvrir action. La décision du 10 septembre 1970, qui levait l'incertitude, n'a pas été communiquée au bureau du registre foncier; c'est donc à bon droit que l'inscription provisoire figure toujours au registre foncier. 6. Dans la mesure où les dispositions légales relatives à la tenue du registre foncier n'imposent pas la radiation de l'inscription provisoire, il serait contraire au but et à la nature de l'institution d'admettre qu'elle perd d'office tout effet à l'expiration d'un délai qui ne fait pas partie intégrante de l'inscription et qui a été fixé postérieurement à celle-ci par le juge. L'effet d'une annotation requise en temps utile, soit dans le délai de l'art. 839 al. 2 CC, ne doit être limité que par une mention figurant au registre foncier. L'inscription provisoire de l'hypothèque légale des recourants ne doit pas être radiée d'office, de sorte qu'il se justifie de poursuivre la procédure au fond.
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Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: 1. Admet le recours et annule le jugement attaqué; 2. Renvoie la cause à l'instance cantonale pour nouveau jugement dans le sens des considérants.
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Sachverhalt ab Seite 341 BGE 145 II 339 S. 341 A. Die A. Ltd., X. wird für die direkte Bundessteuer ordentlich besteuert. Für die Kantons- und Gemeindesteuern hatte sie für das vorliegend relevante Steuerjahr 2011 den steuerlichen Status einer Holdinggesellschaft. Die A. Ltd. vereinnahmte und verbuchte im Jahr 2011 Lizenzeinnahmen von insgesamt Fr. 295'347'005.-. Davon entfallen Fr. 96'374'721.- auf Länder, mit denen die Schweiz Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) abgeschlossen hat und in welchen die Quellensteuerbelastung zwischen 5 % und 12,5 % betrug. Mit Antrag pauschale Steueranrechnung DA-3 vom 18. August 2014 machte die BGE 145 II 339 S. 342 A. Ltd. einen Anspruch auf pauschale Steueranrechnung im Betrage von Fr. 8'281'057.- geltend. Mit Entscheid vom 13. April 2015 gewährte das kantonale Steueramt eine Steueranrechnung von insgesamt Fr. 3'755'804.-. Dabei berechnete es das Total der nicht rückforderbaren ausländischen Steuern in Anwendung von Art. 12 Abs. 2 der Verordnung des Bundesrates vom 22. August 1967 über die pauschale Steueranrechnung (SR 672.201; nachfolgend: PStAV oder Anrechnungsverordnung) mit Fr. 3'755'804.-, und den Maximalbetrag nach Art. 8 Abs. 2 PStAV mit Fr. 4'733'777.-. B. Mit Entscheid vom 4. August 2015 wies das kantonale Steueramt die gegen den Entscheid vom 13. April 2015 erhobene Einsprache ab. Mit Entscheid vom 31. Januar 2017 wies das Steuerrekursgericht des Kantons Zürich die gegen den Einspracheentscheid vom 4. August 2015 erhobene Beschwerde ab. C. Mit Eingabe vom 16. März 2017 erhebt die A. Ltd. beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben, der Rückzahlungsbetrag 2011 sei auf Fr. 8'281'057.- festzulegen und die Differenz zum bereits bezahlten Betrag von Fr. 3'755'804.- sei zu erstatten, somit im Betrag von Fr. 4'525'253.-. Am 17. März 2017 reicht sie eine "Ergänzung der Beschwerde" ein. Die Vorinstanz verzichtet auf eine Vernehmlassung. Das Steueramt beantragt in formeller Hinsicht, die Beschwerde sei aufgrund übermässiger Weitschweifigkeit i.S.v. Art. 42 Abs. 2 i.V.m. Art. 42 Abs. 6 BGG zur Änderung zurückzuweisen. In materieller Hinsicht beantragt es die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesgericht hat am 3. Juli 2019 eine öffentliche Beratung durchgeführt. Es weist die Beschwerde ab.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Vorliegend stehen Lizenzeinkünfte im Bruttobetrag von Fr. 104'655'777.92 aus folgenden Ländern zur Diskussion: Ägypten, Algerien, Australien, Chile, China, Côte d'Ivoire, Ecuador, Estland, BGE 145 II 339 S. 343 Frankreich, Griechenland, Indien, Indonesien, Iran, Israel, Italien, Japan, Kanada, Kasachstan, Republik Korea, Lettland, Litauen, Malaysia, Marokko, Mexiko, Neuseeland, Pakistan, Philippinen, Portugal, Singapur, Slowakei, Spanien, Thailand, Tschechische Republik, Tunesien und Vietnam. 2.2 Ist eine Person in der Schweiz aufgrund persönlicher Zugehörigkeit steuerpflichtig (Art. 3 und Art. 50 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer [DBG; SR 642.11] sowie Art. 3 und Art. 20 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG; SR 642.14]; ebenso § 3 und § 55 des Steuergesetzes des Kantons Zürich vom 8. Juni 1997 [StG/ZH; LS 631.1]), ist ihre Steuerpflicht unbeschränkt ( Art. 6 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 1 DBG ; § 5 und § 57 StG /ZH). Von der unbeschränkten Steuerpflicht erfasst werden auch Lizenzeinnahmen, die aus ausländischer Quelle stammen. Regelmässig unterliegen solche Kapitalerträgnisse schon einer Besteuerung im Quellenstaat, was zu einer Doppelbesteuerung führt. 2.3 Die Beschwerdeführerin hat für die genannten Lizenzeinkünfte pauschale Steueranrechnung im Betrage von Fr. 8'281'058.84 verlangt. Die Vorinstanzen haben den Betrag, soweit er nicht die - voll besteuerten - Lizenzerträge aus Frankreich (Fr. 211'340.25) und Italien (Fr.1'281'838.55) betrifft, also von Fr. 6'787'880.04, um zwei Drittel auf Fr. 2'262'626.68 gekürzt. Dies ergibt einen Betrag von Fr. 3'755'805.48 (gekürzter Betrag plus Anteile Frankreich und Italien). Streitig und zu prüfen ist, ob sich der Umstand, dass ausländische Lizenzeinnahmen in der Schweiz aufgrund des Holdingstatus der Beschwerdeführerin nur mit der direkten Bundessteuer besteuert werden, auf die pauschale Steueranrechnung auswirkt bzw. ob die anwendbaren DBA die vorgenommene Kürzung der nicht rückforderbaren ausländischen Steuern um zwei Drittel gestatten. Zu diesem Zweck ist zunächst die Kürzung des Anspruchs auf pauschale Steueranrechnung bei Nichtbesteuerung durch Kanton und Gemeinde nach internem Recht darzustellen (E. 3), bevor die Verträglichkeit mit den DBA untersucht wird (E. 4 und 5). 3. 3.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. e des allgemeinverbindlichen Bundesbeschlusses - seit dem 1. Februar 2013: des Bundesgesetzes (AS 2013 BGE 145 II 339 S. 344 231) - vom 22. Juni 1951 über die Durchführung von zwischenstaatlichen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (SR 672.2; nachfolgend: DBAG) bestimmt der Bundesrat, wie eine staatsvertraglich vereinbarte Anrechnung von Steuern des andern Vertragsstaates auf die in der Schweiz geschuldeten Steuern durchzuführen ist. In Ausübung dieser delegierten Kompetenz hat der Bundesrat im Jahr 1967 die Anrechnungsverordnung (PStAV) erlassen. 3.2 Nach Art. 1 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 PStAV können in der Schweiz ansässige natürliche und juristische Personen für die in Übereinstimmung mit einem DBA in einem Vertragsstaat erhobene begrenzte Steuer beantragen, dass ihnen auf den aus diesem Vertragsstaat stammenden Erträgnissen eine pauschale Steueranrechnung gewährt wird (vgl. Urteil 2A.559/2006 vom 2. August 2007 E. 2.2). Voraussetzung der pauschalen Steueranrechnung ist, dass die quellensteuerbelasteten Erträgnisse den Einkommens- oder Gewinnsteuern des Bundes, der Kantone und der Gemeinden unterliegen (Art. 3 Abs. 1 PStAV). Die Entlastung erfolgt für die von Bund, Kantonen und Gemeinden erhobenen Steuern gesamthaft und wird in einem einheitlichen Betrag vergütet, der entweder ausbezahlt oder mit den Steuern des Bundes, des Kantons oder der Gemeinde verrechnet wird (Art. 8 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 1 PStAV). 3.3 Dem System der pauschalen Steueranrechnung nach der Anrechnungsverordnung liegt die Überlegung zugrunde, dass angesichts der unter Bund, Kantonen und Gemeinden aufgeteilten Steuerhoheit über Einkommen und Gewinn der hierzulande steuerpflichtigen Personen auch die finanziellen Auswirkungen der Entlastung quellensteuerbelasteter Erträgnisse auf die verschiedenen föderalen Ebenen des Bundesstaats verteilt werden müssen. Bund, Kantone und Gemeinden müssen sich mithin also eine anteilsmässige Belastung gefallen lassen (vgl. Art. 20 f. PStAV, wobei die Belastung der Gemeinden Sache der Kantone ist; vgl. Art. 21 PStAV). Weil die Kantone und Gemeinden in Tariffragen weiterhin Autonomie geniessen (vgl. Art. 129 Abs. 2 BV ) und bis zur Steuerharmonisierung überdies auch die Bemessungsgrundlage und -periode unter Vorbehalt gewisser verfassungsrechtlicher Vorgaben frei bestimmen konnten, hielt es der Bundesrat nicht für möglich, in der Anrechnungsverordnung die Lasten nach Massgabe der Steuern zu verteilen, welche Bund, Kantone und Gemeinden auf den quellensteuerbelasteten ausländischen Erträgnissen effektiv erheben. Stattdessen legte er den Verteilschlüssel unter BGE 145 II 339 S. 345 den Gemeinwesen annäherungsweise und pauschal auf ein Drittel zu Lasten des Bundes und zwei Drittel zu Lasten der Kantone fest (Art. 20 PStAV; vgl. MAX WIDMER, Die pauschale Steueranrechnung, StR 38/1983 S. 59 f.; kritisch zu diesem Verteilschlüssel ROBERT WALDBURGER, Aus der Rechtsprechung im Jahr 2014, FStR 2015 S. 351). 3.4 Diese Lastenverteilung gilt nicht nur zwischen den Gemeinwesen, sondern wirkt sich auch auf den Steuerpflichtigen aus. Verzichtet ein Gemeinwesen auf die Besteuerung eines quellensteuerbelasteten Erträgnisses, haben die anderen Gemeinwesen gegenüber dem Steuerpflichtigen nicht solidarisch für den Anteil dieses Gemeinwesens an den ausländischen Quellensteuern aufzukommen. Der Anspruch des Steuerpflichtigen auf pauschale Steueranrechnung reduziert sich deshalb um zwei Drittel, wenn die quellensteuerbelasteten Erträgnisse nur der Einkommens- bzw. Gewinnsteuer des Bundes unterliegen (Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Art. 12 Abs. 2 PStAV), und um ein Drittel, wenn sie nur den Einkommens- bzw. Gewinnsteuern der Kantone und der Gemeinden unterliegen (Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 PStAV). Bei der Berechnung der zu gewährenden Entlastung wirkt sich diese Anspruchskürzung dahingehend aus, dass der Betrag der pauschalen Steuerrechnung pro Fälligkeitsjahr auf ein bzw. auf zwei Drittel der in sämtlichen DBA-Staaten erhobenen und potenziell pauschal anrechenbaren residualen Quellensteuern begrenzt ist, wenn der Steuerpflichtige nur den Einkommens- oder Gewinnsteuern des Bundes bzw. der Kantone und Gemeinden unterliegt (Art. 12 Abs. 1 und Abs. 2 PStAV). 3.5 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin schliesst die Delegationsnorm von Art. 2 Abs. 1 lit. e DBAG für sich genommen die vom Bundesrat in Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Art. 12 Abs. 2 PStAV vorgesehene Kürzung des Entlastungsanspruchs nicht aus (vgl. WALDBURGER, a.a.O., S. 351). Diese weite Delegationsnorm weist den Bundesrat lediglich an umzusetzen, wozu sich die Schweiz staatsvertraglich verpflichtet hat (vgl. BGE 110 Ib 246 E. 3.b S. 251). Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass der Bundesrat selbst dann eine steuerliche Entlastung ausländischer Kapitalerträgnisse vorsehen muss, wenn keine völkerrechtliche Pflicht hierzu besteht. Entscheidend ist somit alleine, ob sich die Kürzung um zwei Drittel nach Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Art. 12 Abs. 2 PStAV mit den staatsvertraglichen Pflichten der Schweiz vereinbaren lässt. BGE 145 II 339 S. 346 4. 4.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass die Kürzung der pauschalen Steueranrechnung nach Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Art. 12 PStAV die einschlägigen DBA und namentlich deren Methodenartikel verletze. 4.2 Die DBA der Schweiz mit den erwähnten Ländern (auf Frankreich und Italien ist hier nicht einzugehen) sehen in den im Jahre 2011 gültigen Fassungen bezüglich Lizenzgebühren - abweichend vom Musterabkommen der OECD (OECD-MA) 2010, aber analog zu dessen Regelung der Besteuerung von Dividenden und Zinsen - eine geteilte Steuerhoheit vor. Danach unterliegen Lizenzgebühren der unbeschränkten Steuerhoheit des Ansässigkeitsstaates (vgl. Art. 12 Abs. 1 der DBA), während dem Quellenstaat ein beschränktes Besteuerungsrecht zukommt (vgl. Art. 12 Abs. 2 der DBA). Übersteigt der unilaterale Steuersatz im Quellenstaat den abkommensrechtlich zulässigen Höchstsatz, kann der überschiessende Steuerbetrag im Quellenstaat zurückgefordert werden (sog. Erstattungsverfahren). Im Umfang, in welchem die Steuer dem Quellenstaat abkommensgemäss definitiv zusteht, scheidet das Erstattungsverfahren aus und verbleibt im Quellenstaat eine Sockel- oder Residualsteuer. 4.3 Die hier einschlägigen DBA bestimmen mit teilweise leicht unterschiedlichen Formulierungen, dass die Schweiz hierzulande ansässigen Personen, welche Lizenzgebühren aus dem anderen Vertragsstaat beziehen, auf Antrag eine Entlastung gewährt. Stellvertretend sei hier die für die Steuerperiode 2011 gültige Bestimmung des DBA mit Japan wiedergegeben (vgl. aArt. 23 Abs. 3 des Abkommens vom 19. Januar 1971 zwischen der Schweiz und Japan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen [DBA CH-JP; SR 0.672.946.31]; inzwischen geändert mit Wirkung per 1. Januar 2012, vgl. Art. 21 Abs. 2 des Protokolls vom 21. Mai 2010 zur Änderung des Abkommens zwischen der Schweiz und Japan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen [AS 2011 6381]): "Bezieht eine in der Schweiz ansässige Person Dividenden, Zinsen oder Lizenzgebühren, die nach Artikel 10, 11 oder 12 in Japan besteuert werden können, so gewährt die Schweiz dieser ansässigen Person auf Antrag eine Entlastung. Die Entlastung besteht a) in der Anrechnung der nach den Artikeln 10, 11 und 12 in Japan erhobenen Steuer auf die vom Einkommen dieser ansässigen Person geschuldete Steuer, wobei der anzurechnende Betrag jedoch den Teil der BGE 145 II 339 S. 347 vor der Anrechnung ermittelten schweizerischen Steuer nicht übersteigen darf, der auf die Einkünfte entfällt, die in Japan besteuert werden können, oder b) in einer pauschalen nach festgelegten Normen ermittelten Ermässigung der schweizerischen Steuer, die den Grundsätzen der in Buchstabe a erwähnten Entlastung Rechnung trägt, oder c) in einer teilweisen Befreiung der betreffenden Einkünfte von der schweizerischen Steuer, mindestens aber im Abzug der in Japan erhobenen Steuer vom Bruttobetrag der aus Japan bezogenen Einkünfte. Die Schweiz wird gemäss den Vorschriften über die Durchführung von zwischenstaatlichen Abkommen des Bundes zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die Art der Entlastung bestimmen und das Verfahren ordnen." 4.4 Die Schweiz hat die Methode der pauschalen Ermässigung gewählt (aArt. 23 Abs. 3 Bst. b DBA CH-JP und analoge Bestimmungen der anderen einschlägigen DBA; vgl. Urteil 2C_750/2013 / 2C_796/ 2013 vom 9. Oktober 2014 E. 3.3.1, in: StE 2015 A 42 Nr. 4, StR 69/2014 S. 875: vgl. auch WIDMER, a.a.O., S. 59; WALDBURGER, a.a.O., S. 351). Ob die DBA und namentlich der Begriff der pauschalen Ermässigung der Schweiz verbieten, den Entlastungsanspruch nach Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Art. 12 Abs. 2 PStAV um zwei Drittel zu kürzen, ist auf dem Wege der Auslegung zu ermitteln. 4.4.1 Bei der Auslegung und Anwendung von Abkommen wie den vorliegend einschlägigen DBA sind die völkerrechtlichen Auslegungsgrundsätze zu beachten, wie sie namentlich das Wiener Übereinkommen vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (VRK; SR 0.111) vorgibt ( BGE 143 II 136 E. 5.2.1 S. 148, BGE 143 II 202 E. 6.3.1 S. 207 f.; BGE 142 II 161 E. 2.1.3 S. 167; BGE 139 II 404 E. 7.2.1 S. 422). Jedenfalls soweit vorliegend relevant, stellen die Grundsätze des Wiener Übereinkommens zur Vertragsauslegung kodifiziertes Völkergewohnheitsrecht dar (Gutachten des Internationalen Gerichtshofs vom 9. Juli 2004, Conséquences juridiques de l'édification d'un mur dans le territoire palestinien occupé, C.I.J. Recueil 2004 S. 174 § 94; BGE 125 II 417 E. 4.d S. 424 f.; BGE 122 II 234 E. 4.c S. 238; BGE 120 Ib 360 E. 2.c S. 365). Sie sind daher für die Auslegung der hier interessierenden DBA durch hiesige rechtsanwendende Behörden zu beachten, obschon zahlreiche der hier betroffenen DBA-Staaten das Wiener Übereinkommen nicht unterzeichnet oder nicht ratifiziert haben (namentlich Côte d'Ivoire, Indien, Indonesien, Iran, Israel, Pakistan, Singapur und Thailand). BGE 145 II 339 S. 348 4.4.2 Gemäss Art. 26 VRK bindet ein Abkommen die Vertragsparteien und ist von ihnen nach Treu und Glauben zu erfüllen. Somit haben die Vertragsstaaten nach Art. 31 Abs. 1 und 2 VRK eine zwischenstaatliche Übereinkunft nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, ihren Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte ihres Zieles und Zweckes auszulegen. Den Ausgangspunkt der Auslegung von DBA bildet der Wortlaut der vertraglichen Bestimmung. Der Text der Vertragsbestimmung ist aus sich selbst heraus gemäss seiner gewöhnlichen Bedeutung zu interpretieren. Diese gewöhnliche Bedeutung ist in Übereinstimmung mit ihrem Zusammenhang, dem Ziel und Zweck des Vertrags und gemäss Treu und Glauben zu eruieren. Ziel und Zweck des Vertrags ist dabei, was die Parteien mit dem Vertrag erreichen wollen. Der auszulegenden Bestimmung eines DBA ist unter mehreren möglichen Interpretationen demnach derjenige Sinn beizumessen, welcher ihre effektive Anwendung gewährleistet ("effet utile") und nicht zu einem Ergebnis führt, das dem Ziel und Zweck der eingegangenen Verpflichtungen widerspricht. Gemäss Art. 31 Abs. 3 VRK sind, ausser dem Zusammenhang, in gleicher Weise zu berücksichtigen jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrags oder die Anwendung seiner Bestimmungen (Bst. a), jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrags, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht (Bst. b), sowie jeder in den Beziehungen zwischen den Vertragsparteien anwendbare einschlägige Völkerrechtssatz (Bst. c). Die vorbereitenden Arbeiten und die Umstände des Vertragsabschlusses sind nach Art. 32 VRK (lediglich) ergänzende Auslegungsmittel und können herangezogen werden, um die sich in Anwendung von Art. 31 VRK ergebende Bedeutung zu bestätigen oder die Bedeutung zu bestimmen, wenn diese Auslegung die Bedeutung mehrdeutig oder dunkel lässt (Art. 32 Bst. a VRK) oder zu einem offensichtlich sinnwidrigen oder unvernünftigen Ergebnis führt (Art. 32 Bst. b VRK; zum Ganzen siehe BGE 144 II 130 E. 8.2 S. 139; BGE 143 II 136 E. 5.2; je mit Hinweisen). 4.5 Aus der gewöhnlichen Bedeutung der Wendung "eine pauschale [...] Ermässigung der schweizerischen Steuer" (in den teilweise massgebenden französischen und englischen Sprachfassungen der DBA: "une réduction forfaitaire de l'impôt suisse", "a lump-sum reduction of the Swiss tax") wird nicht unmittelbar klar, ob es der Schweiz gestattet ist, die Ermässigung nach Art. 3 Abs. 2 i.V.m. BGE 145 II 339 S. 349 Art. 12 Abs. 2 PStAV im Falle der alleinigen Besteuerung durch den Bund nur anteilsmässig zu gewähren. Es ist auch nicht erwiesen, dass die Vertragsstaaten der DBA beabsichtigt haben, diesem Ausdruck eine besondere Bedeutung in die eine oder die andere Richtung beizulegen (vgl. Art. 31 Abs. 4 VRK ). Sprachlogisch klar ist aber immerhin, dass nur ermässigt werden kann, was auch tatsächlich erhoben wird (vgl. Duden, der Ermässigung definiert als a) Herabsetzung, Senkung oder b) [Preis]Nachlass; vgl. auch die ähnlichen Definitionen von "réduction" in Le Grand Robert de la langue française und für "reduction" in Oxford Dictionary). 4.6 In systematischer Hinsicht besteht ein Zusammenhang zwischen der Wendung "eine pauschale [...] Ermässigung der schweizerischen Steuer" und der Definition des Begriffs der "schweizerischen Steuer" in Art. 2 der DBA (vgl. wiederum stellvertretend Art. 2 Abs. 1 Bst. b DBA CH-JP: "die von Bund, Kantonen und Gemeinden erhobenen Steuern vom Einkommen (Gesamteinkommen, Erwerbseinkommen, Vermögensertrag, Geschäftsertrag, Kapitalgewinn und andere Einkünfte) (im folgenden als 'schweizerische Steuer' bezeichnet"). Angesichts dieser Definition kann offenkundig nicht gesagt werden, die Vertragsstaaten seien nicht über die föderale Struktur der Schweiz und die Aufteilung der Steuerhoheit auf Bund, Kantone und Gemeinden unterrichtet worden (vgl. auch Botschaft vom 24. Februar 1971 an die Bundesversammlung über die Genehmigung des zwischen der Schweiz und Japan abgeschlossenen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen, BBl 1971 I 665). Der Abkommenszusammenhang legt somit nahe, dass es der Schweiz nicht verboten ist, die Ermässigung nur anteilsmässig zu gewähren, wenn zwei der drei Gemeinwesen auf die Besteuerung des quellensteuerbelasteten Erträgnisses verzichten. 4.7 DBA dienen üblicherweise der Vermeidung von internationaler juristischer Doppelbesteuerung in den Vertragsstaaten (vgl. Kommentar der OECD zu OECD-MA, N. 1 zu Introduction OECD-MA; MATTEOTTI/HORN, in: Internationales Steuerrecht, 2015, N. 12 und 17 zu Einleitung OECD-MA; XAVIER OBERSON, Précis de droit fiscal international, 4. Aufl. 2014, N. 24). Die Erhebung von schweizerischen Steuern auf Erträgen beim hierzulande ansässigen Empfänger bewirkt eine internationale juristische Doppelbesteuerung, wenn diese Erträge in derselben Periode bereits einer ausländischen residualen Quellensteuer unterlegen haben, für die der Empfänger in der BGE 145 II 339 S. 350 Schweiz keine oder nur eine unvollständige Entlastung erhält (vgl. Urteil 2C_750/2013 / 2C_796/2013 vom 9. Oktober 2014 E. 3.3.5, in: StE 2015 A 42 Nr. 4, StR 69/2014 S. 875; vgl. auch Kommentar der OECD zum OECD-MA, N. 3 lit. b zu Art. 23 A und 23 B OECD-MA). Die anteilsmässige Kürzung des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf pauschale Steueranrechnung bedeutet, dass Kapitalerträgnisse sowohl im Quellenstaat als auch in der Schweiz besteuert werden, ohne dass die Beschwerdeführerin nach internem Recht für die residualen Quellensteuern Entlastung bis zur Höhe der schweizerischen Steuer beanspruchen kann. Es ist zu prüfen, ob und inwiefern sich diese internationale juristische Doppelbesteuerung mit dem Ziel und Zweck der hier relevanten DBA vereinbaren lässt. 4.7.1 Auf der Ebene der einzelnen Bestimmungen bezweckt der Methodenartikel, juristische Doppelbesteuerungen durch die Vertragsstaaten zu beseitigen (vgl. Kommentar der OECD zum OECD-MA, N. 1 und 12 zu Art. 23 A und Art. 23 B OECD-MA; ROLAND ISMER, in: DBA, Vogel/Lehner [Hrsg.], 6. Aufl. 2015, N. 2 zu Art. 23 OECD-MA; ALEXANDER RUST, in: Klaus Vogel on Double Taxation Conventions, Reimer/Rust [Hrsg.], 4. Aufl. 2015, N. 3 zu Art. 23 OECD-MA; JESSICA SALOM, in: Modèle de Convention fiscale OCDE concernant le revenu et la fortune, Commentaire, Danon und andere [Hrsg.], 2014, N. 1 ff. zu Rem. intro. art. 23 A, 23 B OECD-MA). Vertragsstaat der DBA ist auf schweizerischer Seite die Eidgenossenschaft, für welche der Bundesrat diese völkerrechtlichen Verträge abschliesst (vgl. Art. 184 Abs. 1 und 54 Abs. 1 BV) und welche die Kantone mitumfasst (vgl. Art. 1 BV ). Die Kantone haben die DBA zwar umzusetzen, soweit diese Aufgabe nicht ausschliesslich dem Bund übertragen ist (vgl. BERNHARD EHRENZELLER, in: St. Galler Kommentar, Die schweizerische Bundesverfassung, 3. Aufl. 2014, N. 14 zu Art. 54 BV ). Sie werden dadurch aber nicht selbst zu Vertragsparteien der DBA. Wenn die Schweiz es nun in ihren DBA unterlassen hätte, den Methodenartikel zu modifizieren und den Vertragspartner über ihre föderale Struktur zu unterrichten, könnte sich der Bund der vollständigen Entlastung kaum unter Hinweis auf die föderale Struktur der Eidgenossenschaft widersetzen. Indessen hat die Schweiz die Vertragspartner der vorliegend relevanten DBA über ihre föderale Struktur informiert und sind die Vertragsstaaten dieser DBA in Bezug auf die Entlastung in der Schweiz gerade von den Methoden nach Art. 23 A BGE 145 II 339 S. 351 OECD-MA abgewichen (vgl. oben E. 4.5 und 4.6). Man könnte sich daher fragen, ob dadurch die Zielsetzung der hier einschlägigen DBA dahingehend abgeändert wurde, dass internationale juristische Doppelbesteuerungen nur noch insoweit zu beseitigen sind, als dies mit der Steuerautonomie der verschiedenen Gemeinwesen im schweizerischen Bundesstaat vereinbar ist. 4.7.2 4.7.2.1 Zu beachten ist ausserdem, dass die Vermeidung von Doppelbesteuerung im internationalen Verhältnis kein Selbstzweck ist. Sie beruht wesentlich auf der Erkenntnis, dass Doppelbesteuerung schädliche - d.h. insbesondere wettbewerbsverzerrende, volkswirtschaftlich ineffiziente und potentiell wohlfahrtmindernde - Auswirkungen auf den grenzüberschreitenden Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr und die Bewegungsfreiheit von Personen haben kann (vgl. Kommentar der OECD zu OECD-MA, N. 1 zu Introduction OECD-MA; HARALD SCHAUMBURG, in: Internationales Steuerrecht, Harald Schaumburg [Hrsg.], 4. Aufl. 2017, N. 17.13; VOGEL/RUST, in: Klaus Vogel on Double Taxation Conventions, Reimer/Rust [Hrsg.], 4. Aufl. 2015, N. 16 zu Introduction OECD-MA). DBA dienen also letztlich dem Postulat der Wettbewerbsneutralität der Steuer (vgl. MADELEINE SIMONEK, in: Internationales Steuerrecht, 2015, N. 11 zu Art. 23 A, B OECD-MA). Dieses Postulat verletzt die internationale juristische Doppelbesteuerung etwa, wenn dadurch Kapitalerträgnisse aus dem Quellenstaat insgesamt stärker besteuert werden als vergleichbare Erträgnisse aus Investitionen im Ansässigkeitsstaat. Umgekehrt verzerrt der Ansässigkeitsstaat nach international vorherrschender Auffassung potentiell den Wettbewerb, wenn er Einkünfte aus dem Quellenstaat gegenüber vergleichbaren inländischen Einkünften steuerlich privilegiert (sog. Ring-Fencing; vgl. OECD, Harmful Tax Competition, 1998, N. 23 und 62). 4.7.2.2 Die Beschwerdeführerin profitiert von einem Steuerregime, welches Einkünfte aus ausländischer Geschäftstätigkeit auf kantonaler und kommunaler Stufe von der Gewinnsteuer befreit, solange keine Geschäftstätigkeit im Inland ausgeübt wird (vgl. Art. 28 Abs. 2 StHG ). Nach Auffassung der Europäischen Union (EU) handelt es sich dabei um ein Steuerregime, welches den Wettbewerb verzerrt (vgl. Rat der Europäischen Union, Schlussfolgerungen des Rates zu den Beziehungen zwischen der EU und den EFTA-Ländern, 14. Dezember 2010, N. 44; Entscheidung der Kommission vom 13. Februar BGE 145 II 339 S. 352 2007 über die Unvereinbarkeit bestimmter schweizerischer Körperschaftssteuerregelungen mit dem Abkommen vom 22. Juli 1972 zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft, C(2007) 411 final, N. 51 ff.; vgl. auch Gemeinsame Erklärung des Bundesrats und der Regierungen der Mitgliedstaaten der EU vom 14. Dezember 2014). Auch in anderen internationalen Foren wird der Holdingstatus aus diesem Grund seit längerer Zeit kritisch hinterfragt (vgl. OECD, The OECD's Project on Harmful Tax Practices: The 2004 Progress Report, 2004, N. 15). 4.7.2.3 Die bloss anteilsmässige Entlastung der quellenbesteuerten Lizenzgebühren hat für die Beschwerdeführerin zur Konsequenz, dass sich ihre länderübergreifende Steuerbelastung auf diesen Erträgnissen jener Steuerbelastung annähert, die sie ohne Holdingstatus auf vergleichbaren inländischen Kapitalerträgnissen zu tragen hätte. Wenn nun aber international ohnehin Zweifel an der Wettbewerbsneutralität des Holdingstatus bestehen, lässt sich kaum sagen, die Kürzung der Entlastung beeinträchtige die Wettbewerbsneutralität. Diese Kürzung mag zwar eine internationale juristische Doppelbesteuerung bewirken. Solange die gesamte Steuerbelastung auf den quellensteuerbelasteten Lizenzgebühren die Steuerbelastung nicht übersteigt, welche bei Besteuerung durch alle drei Gemeinwesen resultiert hätte, läuft die internationale juristische Doppelbesteuerung im vorliegenden Fall dem übergelagerten Ziel der DBA aber nicht zuwider. 4.7.3 Folglich lässt sich auch bei teleologischer Auslegung von aArt. 23 Abs. 3 Bst. b DBA CH-JP und der analogen Bestimmungen der übrigen einschlägigen DBA keine völkerrechtliche Verpflichtung der Schweiz ausmachen, welche der anteilsmässigen Kürzung der Entlastung im vorliegenden Fall entscheidend entgegenstehen würde. 4.8 Ob die vorstehende Auslegung nach grammatikalischen, systematischen und teleologischen Gesichtspunkten gemäss Art. 31 VRK jeden Zweifel an der völkerrechtlichen Zulässigkeit der Kürzung des Entlastungsanspruchs bei Nichtbesteuerung auf Kantons- und Gemeindestufe ausräumt, kann letztlich offenbleiben. Falls noch ein Rest an Unklarheit verbliebe, wären nach Art. 32 Bst. a VRK ergänzende Auslegungsmittel zu Rate zu ziehen. Dazu gehören etwa die Umstände des Vertragsabschlusses. Diese Umstände bestätigen, dass es gerade die föderale Struktur der Schweiz war, welche am Ursprung der Methode der pauschalen Ermässigung stand, und es der Schweiz folglich nicht verboten sein kann, den Entlastungsanspruch anteilsmässig BGE 145 II 339 S. 353 zu kürzen, wenn zwei der drei Gemeinwesen auf dem betreffenden Kapitalerträgnis keine Steuer erheben (vgl. die Ausführungen des früheren Chefs der damals für die Verhandlung von DBA zuständigen Abteilung der ESTV WIDMER, a.a.O., S. 59). 4.9 Die Auslegung der relevanten DBA nach Art. 31 f. VRK ergibt, dass sie der Schweiz nicht verbieten, den Entlastungsanspruch der Beschwerdeführerin auf den residual quellensteuerbelasteten Lizenzgebühren wegen der Nichtbesteuerung auf Kantons- und Gemeindeebene anteilsmässig zu kürzen. Dieses Ergebnis gilt gleichermassen für alle hier relevanten DBA. Die geringfügigen Abweichungen in gewissen DBA fallen nicht ins Gewicht. So drückt etwa der Zusatz, dass die Ermässigung den Grundsätzen der Anrechnungsmethode Rechnung zu tragen habe (vgl. z.B. aArt. 23 Abs. 3 Bst. b DBA CH-JP), lediglich aus, dass auch im Rahmen der pauschalen Ermässigung für die ausländischen Steuern nur insoweit Entlastung gewährt wird, als sie den Betrag der schweizerischen Steuer auf dem betreffenden Kapitalerträgnis nicht übersteigen (sog. "ordinary credit", keine Gewährung von "excess tax credits"; vgl. dazu STEFAN OESTERHELT, Pauschale Steueranrechnung bei Teilbesteuerung, StR 69/2014 S. 835). Dieser Anforderung kommt das schweizerische System der pauschalen Steueranrechnung nach, indem es die Entlastung auf den Maximalbetrag gemäss Art. 8 Abs. 2 und 9 ff. PStAV begrenzt (vgl. dazu FROHOFER/KOCHER, Die pauschale Steueranrechnung, ASA 73 S. 533 f.).
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Sachverhalt ab Seite 284 BGE 145 II 282 S. 284 A. Der Kanton Solothurn begründete mit öffentlicher Urkunde vom 21. September 1967 ein selbständiges und dauerndes Baurecht für den Bau und Betrieb der Raststätte Gunzgen Nord an der Nationalstrasse A1/A2. Mit Nachtrag vom 28. Juni 1994 wurde der Baurechtsvertrag zwischen dem Kanton und der damaligen Inhaberin des Baurechts neu gefasst. Danach hat das Baurecht eine Laufzeit bis Ende 2024. Die E. AG ist derzeit Inhaberin dieses Baurechts. B. Die Kantone Aargau und Solothurn reichten am 28. August 2007 beim Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) ein Gesuch um Ausbau der A1/A2 zwischen den Verzweigungen Härkingen und Wiggertal von vier auf sechs Fahrstreifen ein. Im Rahmen der öffentlichen Auflage erhoben unter anderem Baurechtsinhaberinnen für die Raststätten Gunzgen Nord und Gunzgen Süd - so auch die Rechtsvorgänger der E. AG - Einsprache. Sie verlangten für die Dauer der auf ein Minimum zu reduzierenden projektbedingten Sperrung der Raststättenzufahrt die Enteignung der nachbarrechtlichen Abwehransprüche und volle Entschädigung bzw. die Feststellung der Schadenersatzpflicht des Bundes, eventualiter des Kantons Solothurn. Das UVEK erteilte am 11. Januar 2010 die Plangenehmigung für das Ausführungsprojekt mit Auflagen. C. Nach dem Abschluss der Rechtsmittelverfahren über die Plangenehmigung überwies das UVEK die Entschädigungsforderungen für die Autobahnraststätten Gunzgen Nord und Gunzgen Süd an die Eidgenössische Schätzungskommission, Kreis 8 (im Folgenden: Schätzungskommission). Bei dieser Behörde wurden die Verfahren einstweilen sistiert. Die Sistierung wurde am 30. März 2015 aufgehoben. Der Gegenstand der Verfahren wurde vorerst auf die Frage beschränkt, ob grundsätzlich eine Entschädigungspflicht bestehe. Für den Entscheid über diese Frage setzten die Parteien den Präsidenten der Schätzungskommission gemäss Art. 60 Abs. 4 des Bundesgesetzes vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG; SR 711) als Einzelrichter ein. Mit Urteil vom 9. Mai 2016 wies dieser die Entschädigungsforderungen sämtlicher Ansprecher bei den beiden Raststätten ab. D. Die E. AG erhob Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Die Enteigneten bei der Raststätte Gunzgen Süd gelangten parallel dazu ebenfalls mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Dieses vereinigte die beiden Verfahren und wies die Beschwerden mit Urteil vom 18. Juli 2017 ab. BGE 145 II 282 S. 285 E. Hiergegen führt die E. AG Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Feststellung, dass eine grundsätzliche Entschädigungspflicht aus Enteignungsrecht bestehe. Das Bundesamt für Strassen (ASTRA) ersucht um Abweisung der Beschwerde. Das Bundesverwaltungsgericht erklärt Verzicht auf eine Vernehmlassung. F. Der Instruktionsrichter im bundesgerichtlichen Verfahren hat mit prozessleitender Verfügung vom 5. Oktober 2018 das ASTRA eingeladen, einen Bericht über die Ausgestaltung der Zufahrt zur Autobahnraststätte Gunzgen Nord während den Bauarbeiten, die Signalisation dieser Zufahrt sowie über den Baulärm und die Staubentwicklung einzureichen. Die Beschwerdeführerin hat ausserdem Gelegenheit erhalten, ihre Jahresrechnungen 2015 bis 2017 sowie Umsatzzahlen der ERFA-Gruppe (Erfahrungsgruppe von schweizerischen Autobahnraststätten) der entsprechenden Jahre einzureichen. Am 29. Oktober 2018 reicht das ASTRA eine Stellungnahme und eine Dokumentation zur Situation bei der Raststätte Gunzgen Nord (Baudokumentation) ein. Die Beschwerdeführerin gibt am 10. Dezember 2018 ihre Jahresrechnungen 2016 und 2017 zu den Akten, beantragt die Edition der Umsatzzahlen der ERFA-Gruppe 2015 bis 2017 und äussert sich ablehnend zu einer Gewährung der Akteneinsicht an das ASTRA bezüglich ihrer Jahresrechnungen und den ERFA-Zahlen. G. Mit Verfügung vom 20. Dezember 2018 hat der Instruktionsrichter angeordnet, dass dem ASTRA keine Einsicht in die bei den Verfahrensakten befindlichen Geschäftszahlen der Beschwerdeführerin und Umsatzzahlen der ERFA-Gruppe gewährt wird. Immerhin sind dem ASTRA Prozentzahlen zur Entwicklung des Umsatzes der Beschwerdeführerin als wesentlicher Inhalt der nicht zugänglich gemachten Dokumente mitgeteilt worden; es ist ihm auch Gelegenheit gegeben worden, in dieser Hinsicht Gegenbeweismittel zu bezeichnen. Das ASTRA verzichtet mit Eingabe vom 8. Januar 2019 auf weitere Ausführungen. Die Beschwerdeführerin nimmt am 1. Februar 2019 zur Eingabe des ASTRA vom 29. Oktober 2018 Stellung. Mit Eingabe vom 26. März 2019 äussert sich die Beschwerdeführerin nochmals zur Sache. Weitere Eingaben der Beteiligten sind nicht erfolgt. (Zusammenfassung) BGE 145 II 282 S. 286
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die Vorinstanz hat im Unterschied zur Schätzungskommission das Vorliegen eines Nachbarschaftsverhältnisses zwischen der Baurechtsliegenschaft der Beschwerdeführerin und der Nationalstrasse bejaht. Der Kanton Solothurn hat als Eigentümer des Areals im Bereich der Raststätte Gunzgen Nord eine selbständige und dauernde Baurechtsdienstbarkeit für diese Raststätte begründet. Das Eigentum an diesem Areal steht auch heute noch dem Kanton Solothurn zu. Sein Grundstück grenzt seitlich an die heute parzellarisch davon getrennte Fläche der Nationalstrasse an. Nur die zuletzt genannte Strassenparzelle ist infolge der Revision des Bundesgesetzes über die Nationalstrassen (NSG; SR 725.11) vom 6. Oktober 2006 (AS 2007 5788) in das Eigentum des Bundes übergegangen. Ob Nationalstrasse und Nebenareal dinglich bereits voneinander getrennt waren, als noch der Kanton Strassenhalter war und das angesprochene Baurecht einräumte, ist nicht erstellt. Darauf kommt es aber nicht an. Zwar sind Raststätten, Tankstellen und die dazugehörigen Parkplätze Nebenanlagen von Nationalstrassen (vgl. Art. 7 NSG und Art. 6 Abs. 1 der Nationalstrassenverordnung vom 7. November 2007 [NSV; SR 725.111]). Sie bilden gemäss Art. 2 lit. d NSV Bestandteile der Nationalstrassen. Dennoch enthält Art. 7 Abs. 3 NSG eine gesetzliche Grundlage, dass die Kantone, unter Vorbehalt der bundesrechtlichen Bestimmungen und der Projektgenehmigung durch die zuständigen Bundesbehörden, die erforderlichen Rechte für den Bau, die Erweiterung und die Bewirtschaftung dieser Nebenanlagen an Private erteilen können. Eine entsprechende Regelung enthielt bereits Art. 7 Abs. 3 der früheren Fassung des NSG vom 17. Dezember 1971 (AS 1972 2608). Wie in der Botschaft vom 28. April 1971 zur NSG-Änderung vom 17. Dezember 1971 ausgeführt wurde, gehört die Einräumung einer Baurechtsdienstbarkeit zu den Rechten im Sinne dieser Bestimmung (vgl. BBl 1971 I 1104 ff., 1106, 1111). Nationalstrassenrechtlich steht nichts entgegen, dass für den Betrieb einer Raststätte oder Tankstelle als Nebenanlage eine eigenständige Liegenschaft im Sinne des privaten Sachenrechts geschaffen wird. Der Geschäftsbetrieb bei einer solchen Nebenanlage erfolgt nicht aufgrund der Delegation einer öffentlichen Aufgabe, sondern als privatwirtschaftliche Tätigkeit (vgl. auch Art. 50 NSG ). Hinzu kommt, dass der Inhaber einer Baurechtsdienstbarkeit befugt ist, BGE 145 II 282 S. 287 nachbarrechtliche Abwehransprüche selbständig geltend zu machen; dies gilt sogar hinsichtlich des Grundstücks, das mit dieser Dienstbarkeit belastet ist ( BGE 111 II 236 E. 3 S. 240). Der Beschwerdeführerin als Inhaberin der Baurechtsdienstbarkeit stehen somit nachbarrechtliche Abwehrbefugnisse im Verhältnis zum baurechtsbelasteten Grundstück des Kantons wie auch zum Grundstück der Nationalstrasse zu. (...) 4. 4.1 Art. 679 und Art. 684 ZGB umschreiben das Recht des Nachbarn, übermässige Einwirkungen, die von der Ausübung des Eigentums über ein Grundstück ausgehen, abzuwehren (vgl. dazu BGE 143 III 242 E. 3.1 S. 245 mit Hinweisen). Die Immission muss nicht unbedingt von einer Benutzungshandlung ausgehen, die innerhalb der grundbuchlichen Grenzen des Ausgangsgrundstücks stattfindet; es genügt, dass sie als Folge einer bestimmten Benutzung des Ausgangsgrundstücks erscheint (vgl. BGE 132 III 49 E. 5.3.10 S. 60 mit Hinweisen). Bei der Abgrenzung zwischen zulässiger und unzulässiger, d.h. übermässiger Immission ist die Intensität der Einwirkungen massgebend. Diese beurteilt sich nach objektiven Kriterien (vgl. BGE 138 III 49 E. 4.4.5 S. 57 mit Hinweis). Dabei sind gemäss dem Wortlaut von Art. 684 Abs. 2 ZGB die Lage und Beschaffenheit der Grundstücke sowie der Ortsgebrauch zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist bei dem nach Recht und Billigkeit zu treffenden Entscheid die individuell konkrete Interessenlage umfassend zu würdigen, wobei zu beachten bleibt, dass Art. 684 ZGB in erster Linie der Herstellung eines nachbarrechtlichen Interessenausgleichs dienen soll ( BGE 138 III 49 E. 4.4.5 S. 57; BGE 126 III 223 E. 4a S. 227). Die Rechtsprechung hat ebenfalls einen Entschädigungsanspruch der Nachbarn aufgrund von vorübergehenden, unvermeidlichen und übermässigen Immissionen aus Bauarbeiten anerkannt. Dabei hat sie eine während langer Zeit in diesem Bereich bestehende Gesetzeslücke gefüllt (vgl. BGE 91 II 100 E. 2 S. 106 f. und die seitherige Rechtsprechung). Der Anspruch setzt voraus, dass die Einwirkungen der Art, Stärke und Dauer nach übermässig sind und eine beträchtliche Schädigung verursachen ( BGE 91 II 100 E. 2 S. 106 und E. 3 S. 107). Im Zusammenhang mit der Bautätigkeit werden positive Immissionen (wie Lärm, Staub und Erschütterungen) und typische negative Immissionen (wie Sicht- und Zugangserschwerungen) bei Unvermeidlichkeit als zu duldende, aber wegen Überschreitung des BGE 145 II 282 S. 288 Nachbarrechts dennoch entschädigungspflichtige Einwirkungen qualifiziert (vgl. BGE 126 III 452 E. 2c S. 456 f. mit Hinweisen). Mit der Teilrevision des Immobiliarsachenrechts vom 11. Dezember 2009 (AS 2011 4639) ist dieser Anspruch in Art. 679a ZGB verankert worden. Diese Bestimmung ist vor allem auf Fälle zugeschnitten, in denen es um den Ersatz von blossen Vermögensschäden geht, wie z.B. Geschäftseinbussen durch geschwundene Kundschaft (vgl. Urteil 1C_671/2017 vom 14. August 2018 E. 5.2). 4.2 Die Abwehransprüche des Nachbarn können aber nicht zivilrechtlich durchgesetzt werden, wenn die Einwirkungen von einem Werk ausgehen, das im öffentlichen Interesse liegt, sowie wenn die Immissionen nicht oder nur mit einem unverhältnismässigen Kostenaufwand vermieden werden können. An ihre Stelle tritt ein Anspruch auf enteignungsrechtliche Entschädigung (vgl. BGE 143 III 242 E. 3.5 S. 248; BGE 139 III 110 E. 2.3.4 S. 118; Urteil 5A_772/2017 vom 14. Februar 2019 E. 3.3). Zur Beurteilung von Entschädigungsforderungen betreffend Immissionen aus Nationalstrassen-Bauarbeiten sind erstinstanzlich die eidgenössischen Schätzungskommissionen zuständig (vgl. BGE 116 Ib 249 E. 2b S. 253). 4.3 Enteignungsrechtliche Entschädigungsansprüche wegen übermässigen Immissionen aus dem Betrieb eines öffentlichen Werks setzen im Allgemeinen die Unvorhersehbarkeit der Immissionen, deren Spezialität und die Schwere des immissionsbedingten Schadens voraus (vgl. BGE 142 II 136 E. 2.1 S. 138 mit Hinweisen). Bei Bauarbeiten für ein öffentliches Werk gelten demgegenüber gemäss der Praxis besondere Regeln: Der Enteignungsrichter hat die dargelegte (oben E. 4.1) zivilrechtliche Rechtsprechung analog anzuwenden (vgl. BGE 132 II 427 E. 3 S. 435; BGE 121 II 317 E. 4c S. 327; BGE 117 Ib 15 E. 2c S. 19). Die Voraussetzungen der Unvorhersehbarkeit und Spezialität der Immissionen kommen nicht zum Tragen (vgl. BGE 134 II 164 E. 8.1 S. 168 mit Hinweisen). Unklar bleibt bei dieser amtlich veröffentlichten Praxis, inwieweit das erwähnte dritte Erfordernis (schwerer Schaden) bei Bauarbeiten für ein öffentliches Werk Anwendung findet. Der Wortlaut von Art. 679a ZGB enthält als Voraussetzung lediglich das Vorliegen eines Schadens; dass dieser beträchtlich sein muss, wird nicht ausdrücklich verlangt. Art. 679a ZGB hat aber zum Zweck, die bisherige zivilrechtliche Rechtsprechung, die einen beträchtlichen Schaden voraussetzt (vgl. oben E. 4.1), zu kodifizieren (vgl. die Botschaft vom 27. Juni 2007 zur betreffenden Änderung des ZGB, BBl 2007 BGE 145 II 282 S. 289 5283 ff., 5307). In der zivilrechtlichen Rechtsprechung hat das Bundesgericht auch schon verhältnismässig tiefe Schadenersatzbeträge für Umsatzeinbussen von Geschäften aus Bauarbeiten in der Nachbarschaft bestätigt, so Fr. 6'000.- ( BGE 91 II 100 ) und Fr. 50'000.- (Urteil C.228/1986 vom 14. November 1986, in: SJ 1987 S. 145). Mit anderen Worten muss der Schaden in diesem Zusammenhang nicht schwer sein. Die bei Schadenersatzfällen für Immissionen aus dem Betrieb eines öffentlichen Werks an die Schwere des Schadens angelegten Massstäbe (vgl. dazu BGE 134 II 49 E. 11 S. 66 mit Hinweisen) lassen sich nicht auf Fälle betreffend Bauarbeiten übertragen. Vielmehr ist in Fällen der vorliegenden Art der privatrechtliche Übermässigkeitsbegriff wegleitend (vgl. PASCAL ECKENSTEIN, Spannungsfelder bei nachbarrechtlichen Klagen nach Art. 679 ZGB , 2010, S. 100; SCHMID/HÜRLIMANN-KAUP, Sachenrecht, 5. Aufl. 2017, N. 961; GRÉGORY BOVEY, in: Commentaire romand, Code civil, Bd. II, 2016, N. 6 f. zu Art. 679a ZGB ; HÜRLIMANN-KAUP/NYFFELER, Übermässige Immissionen als Folge rechtmässiger Bautätigkeit, BR 2015 S. 5 ff., 7; ADRIAN GOSSWEILER, Entschädigungen für Lärm von öffentlichen Verkehrsanlagen, 2014, N. 376; vgl. auch Urteil 5A_772/2017 vom 14. Februar 2019 E. 3.3.2.3). Die Entschädigungspflicht setzt voraus, dass die Einwirkungen der Art, Stärke und Dauer nach übermässig sind (vgl. oben E. 4.1). Das Kriterium des beträchtlichen Schadens trägt dem Umstand Rechnung, dass eine geringfügige Beeinträchtigung aus Bauimmissionen nicht als übermässig gilt. Es findet demnach auch die Voraussetzung des schweren Schadens bei enteignungsrechtlichen Entschädigungsforderungen wegen Bauarbeiten für ein öffentliches Werk keine Anwendung. In dieser Hinsicht ist die Rechtsprechung zu präzisieren. 4.4 Für die Beurteilung der vorliegenden Streitsache sind folgende zivilrechtlichen Urteile in chronologischer Reihenfolge von Interesse: Das Bundesgericht anerkannte den Entschädigungsanspruch eines Bäckereigeschäfts in der Innenstadt von Biel, das wegen der Bauarbeiten für ein Geschäftshaus in der Nachbarschaft während etwas mehr als zwei Jahren (mit geringen Unterbrechungen) Lärm- und Staubeinwirkungen zu dulden hatte; gleichzeitig waren die Zugangswege für Fussgänger durch Belegung und Abschrankung des öffentlichen Strassenbodens beeinträchtigt ( BGE 91 II 100 E. 2 S. 106). Auch bei einem Uhren- und Souvenirladen in der Genfer Innenstadt wurde ein Entschädigungsanspruch bestätigt, weil dieses wegen des BGE 145 II 282 S. 290 Baus eines unterirdischen Parkhauses in der Nähe nicht nur Lärm, Staub und Erschütterungen hinzunehmen hatte; zusätzlich wurde der Zugang zum Geschäft für Fussgänger während vielen Monaten erschwert; der Umsatz sank im Jahr 1980 um 20 % und in den ersten sieben Monaten des Jahrs 1981 um 70 % (Urteil C.228/1986 vom 14. November 1986 E. 1 und 5a, in: SJ 1987 S. 145). Bei einem Modegeschäft im Stadtzentrum von Zürich wurde der Zugang durch Belegung und Abschrankung des öffentlichen Grunds für Renovationsarbeiten an einem Nachbargebäude während über einem Jahr beeinträchtigt. Das Bundesgericht hob das kantonale Urteil, mit dem die Entschädigungspflicht der benachbarten Bauherrin ohne Weiteres verneint worden war, auf und wies die Angelegenheit zur Ergänzung der Sachverhaltsfeststellung und Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück ( BGE 114 II 230 E. 6 S. 238). Das Bundesgericht hat ferner den Entschädigungsanspruch bei einer Geschäftsliegenschaft in der Genfer Innenstadt bestätigt. Dort waren wegen Bauarbeiten in der Nachbarschaft über zwei Jahre lang in erheblichem Umfang Lärm, Staub und Erschütterungen zu dulden. Darüber hinaus waren gewisse Geschäfte während mehreren Monaten für Fahrzeuge nicht zugänglich und teilweise war der Zugang auch für Fussgänger infolge Baugerüsten behindert. Das Bundesgericht bestätigte, dass die Einwirkungen mindestens während des ersten Baujahrs übermässig waren (vgl. Urteil 5C.117/2005 vom 16. August 2005 E. 2.2 und 2.3, in: ZBGR 88/2007 S. 203). 4.5 Aus der bisherigen enteignungsrechtlichen Praxis sind folgende Urteile aufschlussreich: In einem Enteignungsfall nach aargauischem Recht hatte ein Restaurant während etwa einem halben Jahr unter Strassen- und Leitungsarbeiten zu leiden. Diese verursachten Lärm und zeitweise waren die Zufahrtsstrassen gesperrt. Das Bundesgericht schloss sich im Ergebnis der Auffassung der kantonalen Instanzen an, dass die Beeinträchtigung aus den Bauarbeiten nicht übermässig gewesen sei. Dabei war wesentlich, dass es sich um ein Quartierrestaurant handelte. Der Umsatz eines solchen Betriebs werde hauptsächlich ausserhalb der Tageszeiten, in denen die Bauarbeiten stattgefunden hätten, erwirtschaftet. Zudem sei der Zugang erschwert, für die Quartierkundschaft jedoch nicht völlig unterbunden gewesen (Urteil P.967/1987 vom 27. November 1987 E. 3a-3d, nicht publ. in: BGE 113 Ia 353 ). Im Zusammenhang mit dem Bau der Nationalstrasse A5 im Kanton Neuenburg war die einzige Zufahrt zu einem Hotel-Restaurant BGE 145 II 282 S. 291 infolge einer Umleitung von ca. 500 m während über einem Jahr erschwert. Der Ansprecher behauptete zwar eine Umsatzeinbusse, vermochte aber wegen innerbetrieblichen Änderungen einen beträchtlichen Schaden nicht klar zu belegen. Das Bundesgericht ging weiter davon aus, dass die Umleitung für den überwiegenden Teil der Kundschaft jenes Betriebs kein entscheidendes Hindernis darstellte. Ein Entschädigungsanspruch wurde verneint (vgl. Urteil E.18/1996 vom 20. Mai 1997 E. 3b und 3c). Beim Bau des "Vue des Alpes"-Tunnels (Kantonsstrasse J 20) im Kanton Neuenburg stand die Abgeltung von Umsatzeinbussen eines Autogewerbebetriebs wegen den Strassenarbeiten zur Diskussion. Diese verursachten während über drei Jahren erheblichen Lärm und Staub; zudem war die Zufahrt beeinträchtigt. Eine Umsatzeinbusse war belegt, doch der Anteil der Bauarbeiten an dieser Entwicklung war nicht genau feststellbar. Das Bundesgericht bejahte dennoch einen Entschädigungsanspruch unter diesem Titel (Urteil E.12/1996 vom 15. August 1997 E. 6a und 6c). Im Kanton Neuenburg wurde beim Bau der A5 weiter der ersatzlose Abbruch eines Hotel-Restaurants vorgesehen. Dabei wurde als Bestandteil der Entschädigung an die enteigneten Betreiber auch eine Entschädigung für Umsatzeinbussen aus den Bauarbeiten zugesprochen. Das Hotel hatte insoweit Lärm und Staub in einem Zeitraum von knapp zwei Jahren zu dulden, wobei diese während 15 Monaten (Oktober 1996 bis Ende 1997) eine besondere Intensität erreichten. Das Bundesgericht bestätigte die Übermässigkeit der Einwirkungen. Der Enteignete hatte eine Umsatzeinbusse von rund 20 % im Jahr 1997 geltend gemacht. Das Bundesgericht folgte den vorgelegten Geschäftszahlen nicht uneingeschränkt, bejahte aber insoweit trotzdem einen Entschädigungsanspruch (vgl. Urteil 1E.16/1998 vom 6. Dezember 1999 E. 3c). Im Zusammenhang mit den Bauarbeiten für den Gotthard-Basistunnel betreffen zwei vom Bundesgericht beurteilte Fälle Mietliegenschaften, die übermässige Lärm- und Staubeinwirkungen zu dulden hatten. Das Bundesgericht nahm eine Entschädigungspflicht im einen Fall für eine Renditeeinbusse von einem Drittel während dreizehn Jahren ( BGE 132 II 427 E. 5.3 S. 441 und E. 6.4 S. 443 ff.) sowie im anderen Fall von 20 % während sieben Jahren und von 10 % während drei zusätzlichen Jahren (Urteil 1C_618/2013 vom 27. November 2013) an. BGE 145 II 282 S. 292 Aufgrund der Bauarbeiten für den Gotthard-Basistunnel hatte ein Autogewerbebetrieb in übermässiger Weise Lärm, Staub und eine Erschwerung der Zufahrt während acht Jahren hinzunehmen. Das Bundesgericht bestätigte eine Entschädigungspflicht für die Hälfte des Umsatzes während den ersten fünf Jahren und für einen Drittel des Umsatzes während weiteren drei Jahren (Urteil 1C_606/2013 vom 27. November 2013). 4.6 Bei den vorstehend wiedergegebenen Urteilen handelt es sich um eine einzelfallbezogene Praxis. Dennoch lassen sich daraus gewisse Leitlinien für die Beurteilung von Entschädigungsforderungen wegen Umsatzeinbussen von Geschäften aus Bauarbeiten auf Nachbargrundstücken entnehmen. Tendenziell spricht es für die Übermässigkeit der vorübergehenden Immissionen und damit für das Bestehen einer Entschädigungspflicht, - wenn die Beeinträchtigung längere Dauer (Richtwert über ein halbes Jahr; vgl. auch BGE 106 Ib 241 E. 5 S. 251) anhält, - erhebliche positive (wie Lärm, Staub usw.) oder negative (wie Zugangserschwernisse) Immissionen zu dulden sind, wobei die Intensität sich im Verlauf der Bauarbeiten ändern kann, - die Beeinträchtigung beim Geschäft eine erhebliche Umsatzeinbusse (Richtwert 20 bis 30 %) oder einen erheblichen Zusatzaufwand (wie für Reinigung) verursacht. Erforderlich ist in jedem Fall eine Gesamtbetrachtung, die sich auf eine konkrete Überprüfung aller massgeblichen Umstände stützt. Im Übrigen kann bei besonders starken, vorübergehenden Immissionen bereits während kürzerer Dauer eine übermässige Beeinträchtigung anzuerkennen sein. Im Lichte dieser Erkenntnisse ist der vorliegende Fall zu untersuchen. 5. 5.1 Nach der Vorinstanz hat die Raststätte als Nebenanlage eine dienende Funktion im Verhältnis zur Nationalstrasse. Das Interesse der Raststätten-Betreiber an der ungestörten Geschäftstätigkeit habe deshalb hinter das öffentliche Interesse an den Strassenarbeiten zurückzutreten. Die Immissionen aus diesen Bauarbeiten könnten deshalb im Prinzip nicht als aussergewöhnlich gelten und seien somit entschädigungslos hinzunehmen. Hinzu komme, dass umfangreiche Arbeiten regelmässig eine längere Vorlaufzeit hätten, was es den Betreibern der Nebenanlagen ermögliche, sich darauf vorzubereiten. BGE 145 II 282 S. 293 Auch von den konkreten Umständen her seien die Einwirkungen nicht übermässig gewesen. Die Zufahrt zum Baurechtsgrundstück sei während der Bauzeit zwei Monate lang gesperrt gewesen. Die entsprechende Betriebsschliessung habe sich im Rahmen des üblichen Betriebsrisikos bewegt. Mit einer entsprechenden Begründung habe es das Bundesgericht geschützt, dass bei der Raststätte Gunzgen Süd keine Kurzarbeitsentschädigung für die neun Wochen dauernde Betriebseinstellung beim selben Strassenprojekt ausgerichtet werde (vgl. Urteil 8C_302/2013 vom 5. Juli 2013). Während der übrigen Bauzeit sei die Zufahrt gewährleistet gewesen. Selbst wenn es dabei Einschränkungen gegeben hätte (wie die Erkennbarkeit, die Platzverhältnisse und die Streckenführung der Zufahrt von der Nationalstrasse bei der Baustelle), was die Vorinstanz letztlich offenliess, hätten unter Berücksichtigung der besonderen Interessenlage keine aussergewöhnlichen Umstände vorgelegen. 5.2 Dagegen hält die Beschwerdeführerin die Störung aus den Bauarbeiten für übermässig. Sie macht geltend, die Bauzeit habe knapp drei Jahre, von 2011 bis 2014, gedauert. Ausbauarbeiten wie die vorliegende Spurerweiterung seien aussergewöhnlich und höben sich von einer normalen Sanierung ab. Nur schon die zweimonatige Sperrung der Zufahrt sei aussergewöhnlich gewesen. Während der Bauzeit seien die Lärm- und Staubimmissionen erheblich gewesen, die Fahrspuren seien verengt geführt worden und die Zufahrt sei erschwert gewesen. Die mehrjährigen Bauarbeiten hätten zur Folge gehabt, dass viele Fahrzeuglenker den betroffenen Strassenabschnitt als unangenehm empfunden und ihren Halt bis ausserhalb des Baustellengebiets aufgeschoben hätten. Die Besucherfrequenzen der Raststätte hätten während der ganzen Bauzeit tiefer gelegen als vorher. Der Geschäftsumsatz auf der Raststätte sei bereits in den Jahren 2011 bis 2013 bis weit über 20 % tiefer gewesen als vorher und im Jahr 2014 - als der Betrieb zwei Monate geschlossen werden musste - nochmals zusätzlich eingebrochen. Die finanziellen Nachteile der Beschwerdeführerin seien auf das Bauvorhaben zurückzuführen. Die Vorinstanz habe den Sachverhalt hinsichtlich der Beeinträchtigung und des erlittenen Schadens ungenügend abgeklärt. 6. 6.1 Die Vorinstanz hat die Lage und Beschaffenheit der betroffenen Grundstücke gewürdigt. Dieses Vorgehen entspricht der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. oben E. 4.1). Die Baurechtsliegenschaft der Beschwerdeführerin ist über die Zufahrt von der Nationalstrasse her erschlossen und ihre Raststätte ist auf die Versorgung, BGE 145 II 282 S. 294 aber auch das zeitweilige Erholungsbedürfnis der Benutzer dieser Strasse ausgerichtet. Aufgrund der unmittelbaren Nähe zur Nationalstrasse gibt es aber dort erhebliche Lärm- und Abgasimmissionen aus dem Strassenverkehr. Dazu trägt auch der Betrieb der Raststätte selbst bei, wenn er wie im vorliegenden Fall mit einer Tankstelle verbunden ist. Der Umsatz wird zur Hauptsache mit der Bewirtung von Gästen sowie dem Verkauf von Bedarfsartikeln im Gebäudeinnern und wie erwähnt von Treibstoff für die Fahrzeuge erwirtschaftet. Die Kundschaft stammt aus dem Durchgangs- bzw. Fernverkehr; dabei handelt es sich hauptsächlich um vorbeifahrende Gelegenheitskunden. Auch wenn die Standorte der Autobahnraststätten behördlich vorgegeben sind (vgl. Art. 6 Abs. 4 NSV , so bereits Art. 4 Abs. 4 der früheren Verordnung vom 18. Dezember 1995 über die Nationalstrassen [AS 1996 250]), so stehen die einzelnen Raststätten in einem Wettbewerb mit vergleichbaren Betrieben. Ein solcher besteht nicht nur unter den verschiedenen Raststätten, sondern aufgrund der Navigationssysteme in den Fahrzeugen in einem gewissen Umfang auch mit Betrieben in der Nähe von Autobahnausfahrten. Ein temporärer Kundschaftsschwund ist auch für Raststätten wirtschaftlich nur in einem gewissen Ausmass verkraftbar. 6.2 Das Verhältnis zwischen Raststätte und Nationalstrasse unterscheidet sich von jenem zwischen städtischen Geschäftsliegenschaften, bei denen die zivilrechtliche Rechtsprechung wiederholt Anlass zum Entscheid über die Übermässigkeit von Bauimmissionen hatte (vgl. oben E. 4.4). Darauf macht die Vorinstanz zu Recht aufmerksam. Das sichere und gute Funktionieren der Nationalstrasse hat im Allgemeinen Vorrang vor den geschäftlichen Interessen des Raststättenbetriebs. Kurzfristige Behinderungen und Unterbrüche des Verkehrs auf der Nationalstrasse können nicht nur wegen Unterhalts- oder Reparaturarbeiten an der Strasse, sondern aus vielfältigen Gründen auftreten und gehören zum normalen Betriebsrisiko der Raststätte. Das Bundesgericht hat gestützt auf Art. 31 bis 33 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (AVIG; SR 837.0) den Anspruch auf eine Kurzarbeitsentschädigung für die neunwöchige Einstellung eines Betriebs bei der Raststätte Gunzgen Süd im Rahmen des gleichen Strassenbauprojekts verneint; diese Bauarbeiten wurden zum normalen Betriebsrisiko gerechnet (zit. Urteil 8C_302/2013 vom 5. Juli 2013 E. 6.2 und 6.3). BGE 145 II 282 S. 295 Aus diesem Urteil ergibt sich ein Anhaltspunkt für die Tragweite der üblichen Geschäftsrisiken bei den Betrieben auf einer Raststätte. Das Urteil vermag jedoch keine Bindungswirkung auf die enteignungsrechtliche Beurteilung des vorliegenden Falls zu entfalten. Hinzu kommt, dass dort mit der Dauer der Betriebsschliessung nur ein - wenn auch einschneidender - Zeitabschnitt der Bauarbeiten beurteilt worden ist. Die vorinstanzliche Argumentation dehnt die für diese Sperrung angestellten Überlegungen auf die ganze Bauzeit aus; sie begnügt sich mit der Feststellung, die Zufahrt von der Nationalstrasse zum Gelände der Raststätte sei dann offengestanden. Diese Sichtweise greift zu kurz. In der wiedergegebenen nachbar- bzw. enteignungsrechtlichen Rechtsprechung wurde auch das Gewicht von blossen Behinderungen bei weiterhin gegebener Zufahrt bzw. beim Zugang von Geschäften (Abschrankungen, Umleitungen usw.) sowie von Lärm- und Staubimmissionen aufgrund der Bauarbeiten konkret überprüft (vgl. oben E. 4.4 und 4.5). Der Umstand, dass eine Raststätte trotz den Strassenarbeiten den Betrieb aufrecht hält, schliesst es nicht aus, dass die dabei hinzunehmende Beeinträchtigung sich als insgesamt übermässig erweist. Mit anderen Worten gehört es nicht zum gewöhnlichen finanziellen Risiko einer Raststätte, jedwelche Nachteile aus Strassenarbeiten zu dulden. 6.3 Der Spurenausbau erhöht die Strassenkapazität und vergrössert den Kundenkreis für die Raststätte Gunzgen Nord. Diese Verbesserung schliesst entgegen der Auffassung der Vorinstanz einen enteignungsrechtlichen Anspruch der Beschwerdeführerin wegen Umsatzeinbussen infolge der entsprechenden Bauarbeiten nicht von vornherein aus. Das Bestehen einer Entschädigungspflicht in dieser Hinsicht richtet sich vielmehr nach den oben in E. 4.6 dargelegten Kriterien. Die Anrechnung von Sondervorteilen an die Entschädigung ist erst bei der Bemessung der Entschädigung zu berücksichtigen. Ob der Beschwerdeführerin aus dem Spurenausbau ein anrechenbarer Sondervorteil erwächst und welchen Betrag dies ausmacht, bleibt somit gegebenenfalls in einem anschliessenden Schätzungsverfahren zu bestimmen. Es trifft zu, dass sich nur eine Raststätte - Gunzgen Nord - am ausgebauten Strassenabschnitt zwischen den Verzweigungen Wiggertal und Härkingen (d.h. in der Fahrtrichtung von Osten nach Westen) befindet. Als anrechenbarer Vorteil im Sinne von Art. 22 EntG fällt jener Nutzen in Betracht, der (allein) dem teilenteigneten Grundstück entsteht, nicht dagegen ein allgemeiner Vorteil, welcher auch BGE 145 II 282 S. 296 den Nichtenteigneten zugutekommt (vgl. BGE 134 II 49 E. 12 S. 69). Der Spurenausbau kann für die Baurechtsliegenschaft der Beschwerdeführerin einen anrechenbaren Vorteil im Sinne von Art. 22 EntG bilden. Über diese Frage muss im derzeitigen Verfahrensstadium allerdings, wie dargelegt, nicht abschliessend entschieden werden. 6.4 Der Beschwerdegegner macht ausserdem geltend, der Umsatzverlust der einzelnen Raststätten bei dem abschnittsweise durchgeführten Spurenausbau der Nationalstrasse gleiche sich über das Ganze gesehen aus, weil dieser nacheinander die Raststätten reihum treffe. Dieser Einwand entkräftet aber einen enteignungsrechtlichen Entschädigungsanspruch der einzelnen Raststätte ebenfalls nicht dem Grundsatz nach. Die Fahrzeuglenker sind nicht darauf angewiesen, zu ihrer Versorgung und zeitweiligen Erholung die nächstgelegene Raststätte nach dem Ende der Baustelle aufzusuchen; sie weichen teilweise auch auf Betriebe im Nahbereich der Ausfahrten aus (vgl. oben E. 6.1). Es ist deshalb geboten, die baustellenbedingte Beeinträchtigung für jede Raststätte gesondert zu überprüfen. 6.5 Demzufolge sind die Auswirkungen der Baustelle auf die Liegenschaft der Raststätte Gunzgen Nord auch ausserhalb der zweimonatigen Zufahrtssperre bzw. der damaligen Betriebseinstellung konkret zu untersuchen. Die Vorinstanz hat den Sachverhalt in dieser Hinsicht ungenügend festgestellt. Das Bundesgericht kann den Sachverhalt in einem solchen Fall ergänzen ( Art. 105 Abs. 2 BGG ). Es kann auch neue Beweismittel abnehmen oder selbst einholen. Vorliegend sind im bundesgerichtlichen Instruktionsverfahren die nötigen Sachverhaltsfeststellungen getroffen worden, um über den Grundsatz der Entschädigungspflicht zu entscheiden. Da die Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zum Ergebnis dieser Abklärungen erhalten haben, kann im Folgenden darauf abgestellt werden. 7. 7.1 Die Ausgestaltung und Signalisation der Zufahrt zur Raststätte Gunzgen Nord, der Baulärm, die Staubentwicklung und die Erschütterungen änderten sich während des Bauablaufs. Nach Angaben des Beschwerdegegners fanden ab Oktober 2011 Vorbereitungsarbeiten statt, ab Frühling/Sommer 2012 kam es zu verkehrsrelevanten Veränderungen auf der Nationalstrasse. Die eigentlichen Strassenarbeiten gliederten sich gemäss Baudokumentation des Beschwerdegegners zeitlich überblicksweise wie folgt: Von Mai bis Juli 2012 wurden Arbeiten für Installationsplätze, u.a. im Raum der Raststätte Gunzgen Nord, aufgenommen (Phase V1). Von Ende Juli bis November BGE 145 II 282 S. 297 2012 (Phase V2) wurden die bisherigen Pannenstreifen befahrbar gemacht und weitere Arbeiten am Fahrbahnrand vorgenommen; dabei wurde der Verkehr gegen den Mittelstreifen gelenkt. Von November 2012 bis Januar 2013 (Phase V3) wurde der Verkehr nach aussen gelenkt, um den bisherigen Mittelstreifen befahrbar zu machen. Von Februar bis Oktober 2013 (Phasen 1.1 bis 1.3) wurde der Verkehr auf der nördlichen Fahrbahnhälfte geführt, um die Südseite zu sanieren und auszubauen. Daraufhin wurde der ganze Verkehr von November 2013 bis April 2014 (Phasen 2.1 und 2.2) auf die neu erstellte Südseite verlegt, um die Nordseite zu sanieren und auszubauen. Von April 2014 bis Juni 2014 (Phase 2.3) war das westliche Teilstück der Umbaustrecke mit dem Bereich der Zufahrt zur Raststätte Gunzgen Nord für den Verkehr freigegeben; im östlichen Teilstück verblieb der Verkehr auf der Südseite. Ab Juni 2014 (Phasen 3.1 und 3.2) wurden im Mittelbereich und am Aussenrand Schlussarbeiten durchgeführt; der Verkehr verteilte sich auf die beiden neuen Fahrbahnhälften. Wie im Geschäftsbericht des Bundesrates 2014 (Band II S. 56) aufgeführt, läuft der Verkehr seit Ende August 2014 zwischen den Verzweigungen Härkingen und Wiggertal in beiden Richtungen dreispurig; damit ist das Bauprojekt in verkehrsmässiger Hinsicht abgeschlossen. 7.2 Aufgrund der Baudokumentation des Beschwerdegegners und der Parteivorbringen lässt sich annehmen, dass die Immissionen aus Lärm, Staub und Erschütterungen aufgrund der Bauarbeiten für sich allein eine zwar erhebliche, aber keine übermässige Störung verursacht haben. Die Lärm- und Staubimmissionen wurden stets so weit wie möglich begrenzt. Ausserdem ist zu berücksichtigen, dass eine Raststätte in dieser Hinsicht weniger empfindlich ist als andere Betriebe (vgl. oben E. 6.1). Konkret ist auch nicht ein aussergewöhnlicher Aufwand beim Betrieb wegen der Bauarbeiten (wie für Reinigung) geltend gemacht worden. Intensiv waren immerhin die Immissionen beim Abbruch der Betonplatten der ehemaligen Fahrbahn in den Jahren 2013 und 2014. Die dabei verursachten Erschütterungen bei der Raststätte lagen jedoch gemäss dem vom Beschwerdegegner eingeholten Bericht deutlich unter dem Richtwert der Norm "Erschütterungen - Erschütterungseinwirkungen auf Bauwerke" (SN 640 312 a). Im Vordergrund steht vielmehr die Beeinträchtigung der Zufahrt wegen der Baustelle. 7.3 Für die Verkehrsteilnehmer spielen Hinweisschilder am Strassenrand auf die Raststätte (auch zum Angebot) und eine übersichtliche BGE 145 II 282 S. 298 Zufahrt eine wichtige Rolle. Es verhält sich anders als bei einem Quartierrestaurant ( BGE 113 Ia 353 ) oder einem Hotel-Restaurant (zit. Urteil E.18/1996, vgl. oben E. 4.5) mit Stammkundschaft, bei dem die Gäste Umleitungen oder andere Nachteile bei der Zufahrt in Kauf nehmen. Angesichts der hohen Geschwindigkeit, mit der die Fahrzeuge auf der Nationalstrasse verkehren, ist davon auszugehen, dass der individuelle Entscheid für oder gegen den Besuch einer Raststätte bereits im Vorfeld reift und selten erst direkt bei der Zufahrt fällt. Als Anhaltspunkt kann die Reihe der Hinweisschilder auf der Strasse dienen, von denen bei der vorliegenden Baustelle das erste rund 1'000 m vor der Zufahrt aufgestellt war (vgl. zur Signalisation Art. 62 Abs. 6 und Art. 89 der Signalisationsverordnung vom 5. September 1979 [SSV; SR 741.21] ). Dann wird sich ein Lenker, der auf der Überholspur fährt, darauf vorbereiten, diese rechtzeitig zu verlassen, um auf den Verzögerungsstreifen und die Zufahrt zur Raststätte zu gelangen. Bei der Beurteilung der Ausgestaltung der Zufahrt sind also nicht nur die Verhältnisse direkt an dieser Stelle, sondern auch auf den 1'000 m zuvor einzubeziehen. 7.4 Dass bereits die allgemeine, baustellenbedingte Verengung der Fahrspuren auf der Nationalstrasse einen bedeutenden Teil der Kundschaft vom Aufsuchen der Raststätte abhält, ist nicht anzunehmen. Hingegen gilt erfahrungsgemäss eine Verkehrsführung von Aus- bzw. Zufahrten mit Abschrankungen durch einen Baubereich hindurch bei einer Nationalstrasse als anspruchsvoll. Der Beschwerdegegner weist darauf hin, dass der Baubereich bei dieser besonderen Verkehrsführung lokal unterbrochen war und gefahrlos passiert werden konnte. Es musste nicht eigentlich durch eine Baustelle hindurchgefahren werden. Diese Art der Verkehrsführung vermied auch lange Umwege während der Bauzeit für Lenker, die zur Raststätte gelangen wollten. Dennoch wirkt die beim Heranfahren absehbare Notwendigkeit, einen Baubereich mit einem besonderen Verkehrsregime zu queren, abschreckend und ist geeignet, ortsunkundige Lenker vom Besuch der Raststätte abzuhalten. Ein derartiger Kundschaftsrückgang bildet von Art und Stärke eine erhebliche Beeinträchtigung für den Betrieb der Raststätte. Bei langer Dauer kann dies wirtschaftlich eine übermässige Beeinträchtigung für die Raststätte zur Folge haben. Wie es sich mit der Zufahrt in den Bauphasen konkret verhalten hat, ist nachfolgend gestützt auf die Baudokumentation des Beschwerdegegners zu beleuchten. BGE 145 II 282 S. 299 7.5 Im Herbst 2012 (Phase V2, drei bis vier Monate) bestand erstmals ein bedeutender Baustellenbereich am Aussenrand mit einer Zufahrt zur Raststätte durch diesen Baubereich hindurch. Für die Lenker war in diesem Zusammenhang von weitem eine anspruchsvolle Zufahrt zur Raststätte vorhersehbar. Die bisherigen Hinweistafeln auf die Raststätte Gunzgen Nord wurden durch orangefarbene (1'000 m und 500 m vor sowie bei der Zufahrt) ersetzt und je mit dem Zusatzschild "offen" ergänzt. Direkt bei der Zufahrt gab es besondere Signalisationen (Gefahrensignal [1.30, Art. 15 SSV ] zusammen mit dem Hinweis auf Werkverkehr und Tempo 40 km/h); die Zufahrt war mit seitlichen Absperrelementen gesichert. Von November 2012 bis Oktober 2013 (Phasen V3, 1.1 bis 1.3) bewegte sich der Verkehr am Aussenrand der nördlichen Fahrbahnhälfte (Seite der betroffenen Raststätte). Die Zufahrt war ohne besondere Anforderungen befahrbar. Diese Fahrbahn war aber erkennbar noch nicht umgebaut und wirkte weiterhin als Grossbaustelle (orangefarbene Hinweistafeln auf die Raststätte mit Vermerk "offen" und Tempolimite 40 km/h bei Zufahrt). Mit der Umlagerung des Verkehrs auf die Südhälfte ab November 2013 kam es erneut zu einem durchgehenden Baubereich und einer Zufahrt durch diesen hindurch zur beschwerdeführerischen Raststätte (Phase 2.1, drei bis vier Monate). Neben den orangefarbenen Hinweistafeln auf die Raststätte (mit Vermerk "offen") und der Tempobeschränkung auf 40 km/h gab es direkt bei der Zufahrt erneut das Gefahrensignal (1.30, Art. 15 SSV ) mit dem Hinweis auf Werkverkehr und seitliche Absperrelemente. Die Zufahrt ist in dieser Phase für die Lenker wiederum als anspruchsvoll zu bewerten und dies war von weitem vorhersehbar. Vom 17. Februar bis 17. April 2014 galt dann die mehrfach erwähnte Zufahrtssperre (Phase 2.2); die Raststätte war geschlossen. Nach der Wiedereröffnung von Zufahrt und Raststätte war die Nordseite der Fahrbahn weiterhin bis etwas weniger als 500 m vor der Raststätte für den Verkehr gesperrt (Phase 2.3, zwei Monate). Für die Fahrzeuglenker war es damals rund 1'000 m vor der Raststätte nicht absehbar, dass sie direkt bei der Zufahrt bereits die umgebaute Fahrbahn (ohne erhebliche Beschränkungen) benutzen konnten. Dass die Situation anders sein würde als bei der früheren Phase 2.1 ergab sich für die Lenker erst ab dem Moment (zwischen 500 m und 300 m vor der Zufahrt), als die Fahrspur auf die neue Fahrbahn BGE 145 II 282 S. 300 überwechselte. Die Hinweistafeln auf die Raststätte waren 1'000 m und 500 m vor der Zufahrt weiterhin orange (ohne Vermerk "offen"); neu standen 300 m vor und direkt bei der Zufahrt blaue Hinweistafeln für die Raststätte. Dieser Fahrbahnwechsel erfolgte namentlich für Lenker auf der Überholspur zu einem späten Zeitpunkt, sodass sie kaum noch rechtzeitig zur Raststätte abzweigen konnten. Im Ergebnis sind die Zufahrtserschwernisse bei der Raststätte aufgrund der Baustelle in Phase 2.3 analog zur Phase 2.1 zu beurteilen. Anders verhielt es sich hingegen ab Juni 2014 (Phasen 3.1 und 3.2, letzte zwei bis drei Monate). Die Nordseite der Fahrbahn war in erkennbarer Weise umgebaut und durchgehend für den Verkehr freigegeben. Die Abschlussarbeiten stellten Baubereiche von geringer Tragweite dar. Die Strassenverhältnisse liessen in diesem Zeitraum eine Zufahrt zur Raststätte ohne besondere Anforderungen erwarten. Zusammengefasst ist anzuerkennen, dass der Beschwerdegegner grosse Anstrengungen unternommen hat, um die Beeinträchtigung der Zufahrt zur Raststätte aufgrund der Strassenbaustelle so gering wie möglich zu halten. Die Sperrung der Zufahrt wurde zeitlich auf ein Minimum (Phase 2.2) beschränkt. Die Signalisation informierte die Fahrzeuglenker während den Bauarbeiten ausreichend und zweckmässig über die Raststätte und die Zufahrt. Letztere war während den etwas über zweijährigen Strassenarbeiten (Sommer 2012 bis Sommer 2014) allerdings in den Phasen V2 (drei bis vier Monate) und 2.1 bis 2.3 (acht Monate) trotz sicherer Befahrbarkeit mit erheblichen Nachteilen verbunden. Beim zweitgenannten Zeitabschnitt fällt erschwerend ins Gewicht, dass die Zufahrt zwei Monate davon (Phase 2.2) vollständig unterbunden war. In den Zwischenphasen V3 und 1.1 bis 1.3 war die Zufahrt an sich ohne besondere Anforderungen befahrbar, wirkte aber auf der Seite der Raststätte Gunzgen Nord weiterhin als Grossbaustelle. Dazu trugen die Bauimmissionen (oben E. 7.2) bei. Dies änderte erst ab der Phase 3.1; dann war der Umbau auf der Nationalstrasse nahezu abgeschlossen. 7.6 In die bei den bundesgerichtlichen Akten befindlichen Geschäftszahlen der Beschwerdeführerin ist dem Beschwerdegegner kein Einblick gewährt worden, weil an diesen nach der Rechtsprechung ein objektives Geheimhaltungsinteresse besteht (vgl. BGE 142 II 268 E. 5.2.4 S. 279 mit Hinweis). Der Instruktionsrichter im bundesgerichtlichen Verfahren hat dem Beschwerdegegner aber eine Übersicht über die prozentuale Entwicklung der Umsätze von 2010 bis 2017 gegeben ( Art. 56 Abs. 3 BGG ). Die Umsatzzahlen der ERFA-Gruppe BGE 145 II 282 S. 301 sind im vorliegenden Zusammenhang nicht wesentlich. Das von der Beschwerdeführerin in dieser Hinsicht gestellte Editionsbegehren ist gegenstandslos. Aus der prozentualen Entwicklung des Umsatzes beim Raststättenbetrieb der Beschwerdeführerin ergibt sich folgendes Bild: Im Geschäftsjahr 2011 sank der Bruttoumsatz gegenüber 2010 nur unbedeutend, dafür aber 2012 im Vergleich zu 2011 um rund 15 %. In den Jahren 2013 und 2014 nahm er im Verhältnis zum jeweiligen Vorjahr nochmals um rund je 10 % ab. Entsprechend lag der Umsatz im Jahr 2014 insgesamt etwa 35 % tiefer als im Jahr 2010. Erst im Jahr 2015 stieg er wieder um rund 15 % gegenüber 2014 an und hielt sich in den Jahren 2016 und 2017 ungefähr auf diesem Stand. Dabei ging der erste deutliche Umsatzeinbruch im Jahr 2012 mit den erheblichen Nachteilen bei der Zufahrt zur Raststätte in der Phase V2 einher. Weiter wurde der umsatzmässige Tiefpunkt im Jahr 2014 erreicht, als die Raststätte zwei Monate geschlossen war (Phase 2.2) und ansonsten in der ersten Jahreshälfte nachteilige Zufahrtsverhältnisse (Phasen 2.1 und 2.3) bestanden. Erst im Jahr 2015, nach Abschluss der Bauarbeiten, nahm der Umsatz wieder deutlich zu. Über das Ganze gesehen lässt sich ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen den Hauptarbeiten auf der Nationalstrasse und der Umsatzentwicklung nicht in Abrede stellen. Eine genaue Bemessung des baustellenbedingten, wirtschaftlichen Schadens erlaubt die prozentuale Entwicklung der Umsatzzahlen allerdings nicht. 7.7 Bei einer Gesamtbetrachtung ist die Schwere der Beeinträchtigung des betroffenen Betriebs durch die Bauarbeiten mit jener bei den zwei Fällen von Geschäftsliegenschaften in Genf (Urteile C.228/1986 vom 14. November 1986 und 5C.117/2005 vom 16. August 2005; oben E. 4.4) und dem Hotel-Restaurant im Kanton Neuenburg (Urteil 1E.16/1998 vom 6. Dezember 1999; oben E. 4.5) vergleichbar. Besonders einschneidend war die zweimonatige Totalsperrung der Zufahrt zur Raststätte Gunzgen Nord im zweiten Baujahr. Ansonsten war diese Zufahrt zwar offen, die Baustellenverhältnisse vor und bei der Zufahrt stellten sich aber jeweils nach einigen Monaten immer wieder anders dar. Am Anfang des ersten Baujahrs und dann vor allem im zweiten Baujahr war die Zufahrt erheblich erschwert. Dazwischen lag eine Zwischenphase, bei der die Zufahrt nicht anspruchsvoll war, aber wegen der noch umgebauten Fahrbahn dennoch der Eindruck einer Grossbaustelle bestand. Dazu trugen Baulärm, Staub und Erschütterungen bei. Zu einer markanten wirtschaftlichen BGE 145 II 282 S. 302 Erholung kam es bei der Raststätte in dieser Zwischenphase nicht. Das Zusammenspiel dieser Nachteile führte - vor allem in den Geschäftsjahren 2012, 2013 und 2014 - zu einer erheblichen Umsatzeinbusse, die den Rahmen des normalen Betriebsrisikos der Raststätte übersteigt. Demzufolge sind die Voraussetzungen für eine grundsätzliche Entschädigungspflicht wegen übermässigen Immissionen aus den fraglichen Strassenarbeiten auf die Baurechtsliegenschaft der Beschwerdeführerin erfüllt. Die Beschwerde ist in diesem Punkt begründet.
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de
Sachverhalt ab Seite 184 BGE 142 II 182 S. 184 A. Die Eheleute A.A. und B.A. geb. C. hatten bis Mitte April 2007 ihren steuerrechtlichen Wohnsitz in U./GR, von da hinweg in V./ZG. Kurze Zeit vor dem Umzug, am 3. Januar 2007, empfing der Ehemann eine Kapitalleistung aus Vorsorge in Höhe von 649'860 Franken. Die Leistung, erbracht von der Versicherungsgesellschaft X., diente dem Ausgleich der Folgen eines Verkehrsunfalls, den A.A. erlitten hatte. B. A.A. und B.A. geb. C. reichten ihre Steuererklärung 2007 zunächst im Kanton Zug ein, dies am 22. August 2008. Auf Seite 7 des Mantels hatten sie unter der Rubrik "Deklaration für allfällige Sondersteuern - Kapitalleistungen aus Vorsorge" folgende Bemerkung angebracht: "Gesamtbetrag Fr. 649'860.-, Auszahlungsdatum: 03.01.2007, Bezahlt durch: Versicherung X., infolge Tod oder für bleibende körperliche oder gesundheitliche Nachteile aus einer Leistung des Arbeitgebers mit Vorsorgecharakter." Am 29. August 2008 reichten sie sodann im Kanton Graubünden eine Steuererklärung für beschränkt Steuerpflichtige ein, dies aufgrund ihres Grundeigentums in zwei bündnerischen Gemeinden. Ihrer Steuererklärung legten sie ein Exemplar der Steuererklärung des Kantons Zug bei. Der Kanton Graubünden setzte die Kantons- und Gemeindesteuer 2007 mit Veranlagungsverfügung vom 1. Oktober 2008 fest, wobei er lediglich Einkommen und Vermögen aus Grundeigentum erfasste. C. Der Kanton Zug setzte seinerseits die Kantons-, Gemeinde- und direkte Bundessteuer 2007 mit Veranlagungsverfügungen vom 11. Juli 2012 fest. Unter den Bemerkungen wies er die Eheleute A.-C. auf Folgendes hin: BGE 142 II 182 S. 185 "Betr. Entschädigung aus Unfallversicherung X.: Die Auszahlung erfolgte am 03.01.2007. Zuzugsdatum in den Kanton Zug ist der 12.04.2007. Kapitalleistungen sind jedoch in dem Kanton steuerbar, in dem der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Fälligkeit seinen Wohnsitz hat. Aus diesem Grund wurden die entsprechenden Unterlagen zur Besteuerung weitergeleitet." Schon zuvor, am 20. Juni 2012, hatte der Kanton Zug dem Kanton Graubünden die streitbetroffene Kapitalleistung aus Vorsorge gemeldet. D. Mit Schreiben vom 7. Februar 2014 gab die Steuerverwaltung des Kantons Graubünden den Eheleuten A.-C. Kenntnis von der Einleitung eines Nachsteuerverfahrens. Sie bezog sich auf die Meldung des Kantons Zug vom 20. Juni 2012 und stellte die Erhebung einer Jahressteuer zum Vorsorgetarif in Aussicht. Die Eheleute A.-C. erhoben am 17. Februar 2014 die Verjährungseinrede, was die Steuerverwaltung mit Schreiben vom 8. April 2014 bestritt. Sie berief sich hierzu auf die Veranlagungsverfügung des Kantons Zug vom 11. Juli 2012 und stellte sich auf den Standpunkt, die Benachrichtigung über die erfolgte Weiterleitung an den Kanton Graubünden habe die Verjährungsfrist rechtsgültig unterbrochen. Mit Datum vom selben Tag (8. April 2014) veranlagte die Steuerverwaltung des Kantons Graubünden die Unfallleistung als Kapitalleistung aus Vorsorge, wobei sie von steuerbarem Einkommen von 469'860 Franken (Fr. 649'860.- abzüglich Fr. 180'000.- für nicht steuerbare Anteile [Haushaltsschaden, Genugtuung und Hilfsmittel]) ausging. Dies führte zu Steuerbetreffnissen von 10'538 Franken (Kanton), 9'033 Franken (Gemeinde) und 9'887.40 Franken (Bund). Einsprache (Einspracheentscheid vom 8. Juli 2014) und Beschwerde (Beschwerdeentscheid A-14-32 des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 4. Kammer, vom 9. Dezember 2014) der Eheleute A.-C. blieben erfolglos. E. Mit Eingabe vom 26. Januar 2015 erheben die Eheleute A.-C. (nachfolgend: die Steuerpflichtigen) beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragen, in Aufhebung des Entscheids des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 9. Dezember 2014 sei der Eintritt der Veranlagungsverjährung festzustellen, eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Vorinstanz, die Steuerverwaltung des Kantons Graubünden und die Eidgenössische Steuerverwaltung schliessen auf Abweisung der Beschwerde. BGE 142 II 182 S. 186
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Erwägungen Aus den Erwägungen: II. Direkte Bundessteuer 2. 2.1 Unter den Verfahrensbeteiligten ist einzig umstritten, ob der Kanton Graubünden mit seiner Veranlagung im Jahr 2014 die streitbetroffene, im Jahr 2007 ausgerichtete Kapitalleistung aus Vorsorge fristgerecht veranlagt hat. Dabei gehen sie diskussionslos davon aus, dass die Steuerhoheit dem Kanton Graubünden zustehe. Ob diese Annahme bundesrechtskonform erfolgt, ist vorab von Amtes wegen zu klären (nicht publ. E. 1.4.1). 2.2 2.2.1 Das Recht bildet Grundlage und Schranke jedes staatlichen Handelns ( Art. 5 Abs. 1 BV ; BGE 140 I 381 E. 4.4 S. 386). Im Abgaberecht ist der Gesetzmässigkeitsgrundsatz besonders streng ausgebildet ( BGE 139 II 460 E. 2.1 S. 463; BGE 136 I 142 E. 3.1; Urteile 2C_334/2014 vom 9. Juli 2015 E. 2.4.2, in: ASA 84 S. 252; 2C_160/2014 vom 7. Oktober 2015 E. 5.2.4, in: ASA 83 S. 301). So verlangt das abgaberechtliche Legalitätsprinzip (auf Bundesebene Art. 164 Abs. 1 lit. d BV ; auf Ebene der Kantone oder Gemeinden Art. 127 Abs. 1 BV nebst dem jeweiligen kantonalen Verfassungsrecht; BGE 139 II 460 E. 2.1 S. 463; BGE 138 V 32 E. 3.1.1 S. 35) zum einen, dass der Abgabetatbestand rechtssatzmässig und formellgesetzlich gefasst ist (Erfordernis der Normstufe bzw. Gesetzesvorbehalt ; BGE 140 I 176 E. 5.2 S. 180; so schon BGE 33 I 689 E. 1 S. 695 f.; 34 I 15 E. 2 insb. S. 27 f.; 36 I 497 E. 13 S. 566). Zum andern ruft es nach einer minimalen Ausgestaltung des Rechtssatzes (Erfordernis der Normdichte bzw. Tatbestandsvorbehalt ; BGE 141 V 688 E. 4.2.2 S. 692). Ihm zufolge sind (zumindest) die in Art. 164 Abs. 1 lit. d BV bzw. allgemein in Art. 127 Abs. 1 BV genannten Tatbestandselemente (Abgabesubjekt, Abgabeobjekt, Abgabebemessungsgrundlage, Abgabetarif) rechtssatzmässig zu fassen ( BGE 141 V 509 E. 7.1.1 S. 516; BGE 138 V 32 E. 3.1.1 S. 35; BGE 136 I 142 E. 3.1 S. 145; BGE 136 II 337 E. 5.1 S. 348; ausführlich Urteil 2C_809/2015 vom 16. Februar 2016 E. 5.1). 2.2.2 Mit dem abgaberechtlichen Legalitätsprinzip verbindet der Verfassungsgeber die Absicht, zu verhindern, dass den rechtsanwendenden Behörden ein übermässiger Spielraum verbleibt, und sicherzustellen, dass die möglichen Abgabepflichten absehbar und rechtsgleich sind ( BGE 136 II 149 E. 5.1 S. 157; BGE 135 I 130 E. 7.2 S. 140; BGE 131 II 271 E. 6.1 S. 278; Urteil 2C_138/2014 vom 12. Dezember BGE 142 II 182 S. 187 2014 E. 2.2.6, in: ASA 83 S. 608, StE 2015 B 42.22 Nr. 9, StR 70/2015 S. 353). Mit Blick auf die spezifischeren abgaberechtlichen Normen (Art. 127 Abs. 1 bzw. Art. 164 Abs. 1 lit. d BV ) kommt den allgemeineren Bestimmungen ( Art. 5 Abs. 1 und Art. 36 Abs. 1 BV ) im Abgaberecht keine eigenständige Bedeutung zu (Urteil 2C_809/2015 vom 16. Februar 2016 E. 5.1, in: ASA 84 S. 721). In gleicher Weise gilt, dass im abgaberechtlichen Widerstreit zwischen Legalitätsprinzip und Vertrauensschutzprinzip ( Art. 5 Abs. 3 und Art. 9 BV ) jenes gegenüber diesem in aller Regel vorgeht ( BGE 131 II 627 E. 6.1 S. 636 f.; BGE 118 Ib 312 E. 3b S. 316; BGE 101 Ia 92 E. 3 S. 99; Urteil 2C_1155/2014 vom 1. Februar 2016 E. 2.2.3, in: ASA 84 S. 719; zit. Urteil 2C_334/2014 E. 2.5.3). 2.2.3 Über den in Art. 164 Abs. 1 lit. d BV bzw. Art. 127 Abs. 1 BV niedergelegten Tatbestandsvorbehalt hinaus setzt die Erhebung einer öffentlich-rechtlichen Abgabe allem voran die Zuständigkeit des betreffenden Gemeinwesens voraus. Diese Eigenschaft kommt in den Begriffen "Steuerhoheit" (BLUMENSTEIN/LOCHER, System des schweizerischen Steuerrechts, 7. Aufl. 2016, S. 53) bzw. "Steuererhebungskompetenz" (MARKUS REICH, Steuerrecht, 2. Aufl. 2012, § 5 N. 22 ff.; MICHAEL BEUSCH, Der Untergang der Steuerforderung, 2012, S. 31) zum Ausdruck. Wird eine Verwaltungsbehörde tätig, die in der Sache selbst örtlich, funktionell oder sachlich unzuständig ist, setzt sie damit einen Nichtigkeits- oder zumindest Anfechtungsgrund ( BGE 140 III 651 E. 3 S. 652; BGE 139 II 243 E. 11.2 S. 260; BGE 138 II 501 E. 3.1 S. 503 f.; BGE 138 III 49 E. 4.4.3 S. 56; Urteil 2C_657/2014 vom 12. November 2014 E. 2.2). 2.2.4 Was die direkte Bundessteuer betrifft, verfügt der Bund über die zeitlich befristete (Einzel-)Ermächtigung (Art. 42 Abs. 1 i.V.m. Art. 128 und Art. 196 Ziff. 13 BV ), eine "direkte Steuer" (so Art. 128 BV ) zu erheben. Diese ist aber "von den Kantonen" zu veranlagen und zu beziehen (Art. 128 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Art. 46 Abs. 1 BV ; Art. 104 ff. und Art. 160 DBG ). Der Verfassungsgeber delegiert auf diese Weise die erforderlichen Verwaltungsbefugnisse an die Kantone (PIERRE TSCHANNEN, Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 3. Aufl. 2011, § 22 N. 25). Dadurch erwächst dem betreffenden Kanton eine abgeleitete Rechtsanwendungskompetenz. Im Gegenzug stehen den Kantonen vom Rohertrag der direkten Steuer mindestens 17 Prozent zu ( Art. 128 Abs. 4 Satz 2 BV in der Fassung vom 28. November 2004 [AS 2007 5765] sowie Art. 196 Abs. 1 und Art. 197 DBG , je in der Fassung vom 6. Oktober 2006 [AS 2007 BGE 142 II 182 S. 188 5779]; BGE 141 I 161 E. 3.3 S. 165; dazu VALLENDER/SCHALTEGGER/HUWYLER/ANGELINI, Steuererträge für die Kantone ohne Mitsprache der Kantonsbürgerinnen und Kantonsbürger, AJP 24/2015 S. 1511 ff., insb. 1512-1516). 2.2.5 Obwohl der Steueranspruch überwiegend dem Bund zusteht, gilt praxisgemäss (nur) der Kanton als Steuergläubiger ( BGE 141 I 161 E. 3.3 S. 165; zum Betreibungsverfahren: Urteil 5P.471/2000 vom 19. Februar 2001 E. 5; PETER LOCHER, Kommentar zum DBG, III. Teil [nachfolgend: Kommentar III], 2015, N. 2 der Einführung zu Art. 160 ff. DBG ; RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, Handkommentar zum DBG, 2. Aufl. 2009, N. 9 zu Art. 160 DBG ). Folglich nehmen die Kantone die Veranlagung "aus eigenem Recht" und nicht als "Inkassomandatare" vor (RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, a.a.O., N. 1 zu Art. 2 DBG ; PETER LOCHER, Kommentar zum DBG, I. Teil, 2001, N. 1 zu Art. 2 DBG ; eher kritisch VALLENDER/CAVELTI, in: Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 3. Aufl. 2014, N. 31 zu Art. 128 BV ). 2.2.6 Der herrschende Vollzugsföderalismus wirft die Frage nach der örtlichen Zuständigkeit auf (MARC BUGNON, in: Commentaire romand, Impôt fédéral direct, Yersin/Noël [Hrsg.], 2008, N. 2 zu Art. 216 DBG ; RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, a.a.O., N. 2 zu Art. 216 DBG ). Hierzu bestimmt Art. 216 Abs. 1 DBG in der hier massgebenden Fassung vom 14. Dezember 1990 (AS 1991 1184; nachfolgend: DBG 1990): "Die kantonalen Behörden erheben die direkte Bundessteuer von den natürlichen Personen, die am Ende der Steuerperiode oder der Steuerpflicht ihren steuerrechtlichen Wohnsitz oder, wenn ein solcher in der Schweiz fehlt, ihren steuerrechtlichen Aufenthalt im Kanton haben. Vorbehalten bleiben die Art. 3 Abs. 5 und 107." Mit dieser Formulierung bringt der Gesetzgeber den Grundsatz der Einheit des Veranlagungsortes zum Ausdruck (dazu LOCHER, Kommentar III, a.a.O., N. 2 zu Art. 105 und N. 1 zu Art. 108 DBG 1990). In der Folge folgt das Gesetz dem Grundsatz der Einheit des Bezugsortes . Dies ergibt sich daraus, dass die direkte Bundessteuer durch jenen Kanton bezogen wird, der auch die Veranlagung vornimmt (Art. 160 DBG 1990; zum Ganzen BGE 137 I 273 E. 3.3.1 S. 277). 2.2.7 Von der Einheit des Veranlagungsortes bestehen gemäss Art. 216 Abs. 1 Satz 2 DBG 1990 bloss zwei Ausnahmen. Dabei handelt es sich zum einen um die Besteuerung am Heimatort gemäss Art. 3 Abs. 5 DBG 1990 (Urteil 2C_855/2014 / 2C_856/2014 vom BGE 142 II 182 S. 189 11. September 2015, in: ASA 84 S. 339), zum andern um die "Pro-rata-temporis-Besteuerung" bei Kantonswechsel von Personen, die der Quellenbesteuerung unterliegen ( Art. 107 Abs. 1 lit. a DBG ; Urteil 2C_116/2013 / 2C_117/2013 vom 2. September 2013 E. 4, in: ASA 82 S. 231, StE 2013 B 83 Nr. 1, StR 68/2013 S. 817). Im Umkehrschluss sind Kapitalleistungen aus Vorsorge ( Art. 38 DBG ) einheitlich vom Kanton zu veranlagen und zu beziehen, an welchem die persönlich zugehörige steuerpflichtige Person am Ende der Steuerperiode ihren steuerrechtlichen Wohnsitz oder Aufenthalt hatte ( Art. 3 Abs. 1 DBG ). 2.2.8 Die geschilderte Rechtslage hat mit der Revision vom 22. März 2013 (AS 2013 2397; nachfolgend: DBG 2013) eine Umkehr erfahren. Gemäss Art. 105 Abs. 4 DBG 2013, der am 1. Januar 2014 in Kraft trat und daher vorliegend nicht zum Tragen kommt, werden solche Kapitalleistungen aus Vorsorge nunmehr vom Kanton veranlagt, in welchem die begünstigte Person im Zeitpunkt der Fälligkeit ihren steuerrechtlichen Wohnsitz hat. Seither stimmen die Zuständigkeitsordnungen von DBG und StHG überein: Gemäss Art. 68 Abs. 1 Satz 2 StHG in der Fassung vom 15. Dezember 2000 (AS 2001 1050; nachfolgend: StHG 2000) waren Kapitalleistungen aus Vorsorge (Art. 11 Abs. 3 StHG 1990) schon seit dem 1. Januar 2001 im Fälligkeitskanton zu erfassen. Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2014 ist diese Bestimmung in Art. 4b Abs. 1 Satz 2 StHG in der Fassung vom 22. März 2013 (AS 2013 2397; nachfolgend: StHG 2013) überführt worden. 2.2.9 Die Verwaltungspraxis zur direkten Bundessteuer nahm das Auseinanderfallen von Art. 216 Abs. 1 DBG 1990 und Art. 68 Abs. 1 Satz 2 StHG 2000 schon früh zum Anlass, um eine eigenständige, vertikal harmonisierte Zuständigkeitsordnung zu schaffen. So erliess die Eidgenössische Steuerverwaltung am 9. April 2001 das Kreisschreiben Nr. 5 zur Verordnung über die zeitliche Bemessung der direkten Bundessteuer bei natürlichen Personen (in: ASA 70 S. 143). In Ziff. 7 ("Besteuerung der Kapitalleistungen nach Art. 38 DBG und Wohnsitzwechsel") finden sich folgende Ausführungen: "Laut Art. 38 Abs. 1 DBG sind Kapitalleistungen nach Art. 22 DBG (Einkünfte aus Vorsorge) sowie Zahlungen bei Tod und für bleibende körperliche oder gesundheitliche Nachteile gesondert zu besteuern und unterliegen stets einer vollen Jahressteuer. Diese Bestimmung entspricht jener in Art. 11 Abs. 3 StHG . Die Zuständigkeit für die Besteuerung dieser Einkünfte bei den kantonalen direkten Steuern wird gemäss Art. 68 Abs. 1 StHG dem Wohnsitzkanton des Begünstigten im Zeitpunkt der BGE 142 II 182 S. 190 Fälligkeit der Kapitalleistung zugewiesen. Zum Zweck der Sicherstellung einer Koordination der Zuständigkeiten im Bereich der direkten Steuern wird dieser Kanton auch die Veranlagung für die direkte Bundessteuer vornehmen. (...)" Damit entfernte sich die Verwaltungspraxis zur direkten Bundessteuer offenkundig von der Vorgabe in Art. 216 Abs. 1 DBG 1990. Es stellt sich die Frage nach der Bundesrechtskonformität dieses Vorgehens. 2.3 2.3.1 Rechtsetzungsbefugnisse können durch Bundesgesetz übertragen werden, soweit dies nicht durch die Bundesverfassung ausgeschlossen ist ( Art. 164 Abs. 2 BV ). Die erforderliche Delegationsnorm zum Erlass einer bundesrätlichen Rechtsverordnung findet sich regelmässig im Gesetz (unselbständige Verordnungen mit gesetzesergänzender Funktion), ausnahmsweise unmittelbar in der Verfassung (selbständige Verordnungen mit gesetzesersetzender Funktion; jeweils Art. 182 Abs. 1 BV ). Selbst wenn der Verfassungs- oder Gesetzgeber davon abgesehen hat, der Exekutive ausdrückliche Legislativfunktionen zu übertragen, bleibt es Sache des Bundesrats, die Gesetzgebung zu vollziehen ( Art. 182 Abs. 2 BV ). Hierzu kann er verfassungsunmittelbar die erforderlichen Rechtsverordnungen erlassen (selbständige Verordnungen mit gesetzesvollziehender Funktion; vgl. BGE 141 II 169 E. 3.3 S. 172; BGE 139 II 460 E. 2.1 und 2.2 S. 463 f.; Urteil 2C_423/2014 vom 30. Juli 2015 E. 2.3.1 mit zahlreichen Hinweisen; zur kantonalen Ebene auch BGE 141 V 688 E. 4.2.1 S. 691 f.). 2.3.2 Im Unterschied zu den Rechtsverordnungen finden die ebenfalls generell-abstrakt ausgestalteten Verwaltungsverordnungen keine förmliche gesetzliche Delegation und beruhen daher auf keiner rechtssatzmässigen Grundlage (Urteil 2C_264/2014 vom 17. August 2015 E. 2.2.4, in: ASA 84 S. 324, unter Bezugnahme auf FRITZ GYGI, Verwaltungsrecht, 1986, S. 103). Anders als Bundesgesetze (und Rechtsverordnungen) sind Verwaltungsverordnungen mithin für das Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden nicht massgebend ( BGE 141 V 175 E. 2.1 S. 178; BGE 137 II 284 E. 5.2.2 S. 292; BGE 137 V 181 E. 6.1 S. 187; BGE 117 Ib 358 E. 3 S. 364; BGE 108 Ib 19 E. 4a S. 25; zum Ganzen ausführlich zit. Urteil 2C_264/2014 E. 2.4.1, in: ASA 84 S. 324). Verwaltungsverordnungen richten sich begrifflich an die mit dem Vollzug einer bestimmten öffentlichen Aufgabe betrauten Organe, somit an die Verwaltungsbehörden mit deren BGE 142 II 182 S. 191 Verwaltungspersonal ( BGE 141 II 103 E. 3.5 S. 108, BGE 141 II 199 E. 5.5 S. 205; BGE 141 III 401 E. 4.2.2 S. 404 f.; BGE 139 V 122 E. 3.3.4 S. 125; MICHAEL BEUSCH, in: Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer, Kommentar, Zweifel/Beusch/Glauser/Robinson [Hrsg.], 2015, N. 8 der Ausführungen zur Auslegung). Daher sind Verwaltungsverordnungen zwar (nur) behördenverbindlich, aber auch dies nur insoweit, als ihr Inhalt nicht in Widerspruch zur Rechtsordnung steht (zit. Urteil 2C_264/2014 E. 2.4.1 mit Hinweis; MICHAEL BEUSCH, Was Kreisschreiben dürfen und was nicht, Der Schweizer Treuhänder [ST] 79/2005 S. 613, insb. 614; ders. , in: Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer [DBG], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/2b, Zweifel/Athanas [Hrsg.], 2000, N. 16 zu Art. 102 DBG ). 2.3.3 Wird vor Bundesgericht ein individuell-konkreter Entscheid ( Art. 82 lit. a BGG ) angefochten, der auch oder ausschliesslich auf einer Verwaltungsverordnung beruht, kann höchstrichterlich neben der Rechtmässigkeit der massgebenden Rechtssätze auch jene der betreffenden Verwaltungsverordnung überprüft werden. Die Prüfungsbefugnis ist zwar insoweit unbeschränkt. Dennoch weicht das Bundesgericht an sich nicht von einer Verwaltungsverordnung ab, sofern deren generell-abstrakter Gehalt eine dem individuell-konkreten Fall angepasste und gerecht werdende Auslegung der massgebenden Rechtssätze zulässt, welche diese überzeugend konkretisiert ( BGE 141 V 139 E. 6.3.2 S. 146 f., BGE 141 V 272 E. 4.6-4.9 S. 278 f.; BGE 138 V 475 E. 3 S. 478 ff.; BGE 128 I 167 E. 4.3-4.5 S. 171 ff.; zit. Urteil 2C_264/2014 E. 2.4.2). 2.4 2.4.1 Der Gesetzgeber von 1990 hat im Bereich von Art. 216 Abs. 1 DBG 1990 von einer Delegation im Sinne von Art. 182 Abs. 1 BV abgesehen. Aber auch ein Vorgehen im Wege von Art. 182 Abs. 2 BV fällt ausser Betracht, sprengt das Abweichen vom Gesetzestext doch den Rahmen des blossen Vollzugs. Bestimmungen, welche die auszuführende Gesetzesbestimmung abändern oder aufheben, sind nicht vollziehender Natur und fallen aus dem geschilderten Kompetenzrahmen ( BGE 139 II 460 E. 2.2 S. 463). Bei der streitbetroffenen Regelung in Ziff. 7 des Kreisschreibens Nr. 5 handelt es sich mithin um eine (reine) Verwaltungsverordnung. 2.4.2 Die Regelung in Ziff. 7 des Kreisschreibens Nr. 5 schafft Übereinstimmung mit Art. 68 Abs. 1 Satz 2 StHG 2000 und nimmt im Übrigen Art. 105 Abs. 4 DBG 2013 vorweg. In der Doktrin fand dies weitgehende Zustimmung (BUGNON, a.a.O., N. 16 zu Art. 216 DBG BGE 142 II 182 S. 192 1990; DIETER WEBER, in: Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern [...], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/1, Zweifel/Athanas [Hrsg.], 2. Aufl. 2002, N. 8 zu Art. 68 StHG ; LOCHER, Kommentar III, a.a.O., N. 20 zu Art. 105 DBG ; a.M. aber IVO P. BAUMGARTNER, Koordination und Vereinfachung der Veranlagungsverfahren für die direkten Steuern im interkantonalen Verhältnis, Teil 2, IFF Forum für Steuerrecht [FStR] 2001 S. 222 ff., insb. 226, und CLAUDIA RIHNER BAUMGARTNER, Koordination und Vereinfachung der Veranlagungsverfahren für die direkten Steuern im interkantonalen Verhältnis, StR 56/2001 S. 177 ff., insb. S. 184). Die Befürworter dieser Praxis stellen Praktikabilitätsüberlegungen in den Vordergrund. Selbst wenn diese an sich gerechtfertigt sein sollten, gestattet dies freilich kein delegationsfreies Abkehren von der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung. 2.4.3 Bei Art. 216 Abs. 1 Satz 1 DBG 1990 handelt es sich um eine Weichenstellung im Sinne der Einheit des Veranlagungsortes. Die bundesrechtliche Kompetenzverteilung zu Veranlagung und Bezug der direkten Bundessteuer ist ebenso abschliessender wie ausschliesslicher Natur: Für die steuerliche Erfassung ein und desselben Wirtschaftsguts (Einkommen, Vermögen, Gewinn usw.) ist ein einziger Kanton rechtszuständig. Art. 216 Abs. 1 Satz 2 DBG 1990 sieht lediglich zwei Ausnahmen vor. Kapitalleistungen aus Vorsorge ( Art. 38 DBG ) fallen nicht darunter. Örtlich zuständig ist nach dem Recht von 1990 nicht der Fälligkeits-, sondern der Kanton der persönlichen Zugehörigkeit ( Art. 3 DBG ). Er ist im Sinne eines "Pflichtrechts" ebenso verpflichtet wie berechtigt, die Veranlagung und später den Bezug vorzunehmen, ihm steht hierfür aber auch ein Anteil am Steueraufkommen zu. Für die Zwecke der direkten Bundessteuer hielt der Gesetzgeber hinsichtlich der Kapitalleistungen aus Vorsorge selbst dann noch an der Einheit des Veranlagungsortes fest, als er einen neuen Art. 68 Abs. 1 Satz 2 StHG schuf. Man mag dies als Versehen deuten, jedenfalls hätte aber reichlich Zeit bestanden, die möglicherweise unbeabsichtigte Unterlassung zu beheben. Der Gesetzgeber tat dies erst mit der Revision vom 22. März 2013 (Art. 105 Abs. 4 DBG 2013). Dies ist für das Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden massgebend ( Art. 190 BV ). 2.4.4 Was generell die Sichtweise einer steuerpflichtigen Person betrifft, so soll das abgaberechtliche Legalitätsprinzip sicherstellen, dass die möglichen Abgabepflichten absehbar und rechtsgleich sind. An der Abschätzbarkeit der Steuerfolgen fehlt es aber, wenn eine BGE 142 II 182 S. 193 andere als die gesetzmässige Behörde zur Veranlagung schreitet. Damit soll und muss die steuerpflichtige Person nicht rechnen müssen, geht es doch nicht nur um die Steuerhoheit, es sind damit auch weitere Konsequenzen - wie namentlich die Verjährungsfrage - verbunden. Dies darf ihr nicht zugemutet werden. Praktikabilitätsüberlegungen haben hinter das abgaberechtliche Legalitätsprinzip zurückzutreten. 2.4.5 Die zu prüfende Verwaltungsverordnung (Kreisschreiben Nr. 5 der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 9. April 2001) erweist sich damit insoweit als bundesrechtswidrig, als deren Ziff. 7 dazu führt, dass Kapitalleistungen aus Vorsorge vom Fälligkeitskanton zu erfassen sind. Dies widerspricht Art. 216 Abs. 1 DBG 1990. 2.5 Nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ( Art. 105 Abs. 1 BGG ; nicht publ. E. 1.4.4) befand sich der steuerrechtliche Wohnsitz des Steuerpflichtigen Ende 2007 im Kanton Zug. Dieser vertrat in seiner Veranlagungsverfügung vom 11. Juli 2012 die Auffassung, die Kapitalleistung aus Vorsorge sei vom Kanton Graubünden zu erfassen (vorne Sachverhalt lit. C). Nach dem Gesagten ist dieser Standpunkt bundesrechtswidrig. Soweit der Kanton Graubünden tätig wurde und eine Veranlagungsverfügung erliess, erweist diese sich mangels Zuständigkeit als unzulässig (vorne E. 2.2.3). Die Beschwerde ist mithin begründet und gutzuheissen. III. Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Graubünden 3. 3.1 Nach den für das Bundesgericht verbindlichen vorinstanzlichen Feststellungen ( Art. 105 Abs. 1 BGG ; nicht publ. E. 1.3.4) hat der Kanton Graubünden innert der fünfjährigen Frist (2007 bis 2012) keine Veranlagungstätigkeit entfaltet. Indes macht er geltend, der Kanton Zug habe in seiner - innert Frist ergangenen - Veranlagungsverfügung vom 11. Juli 2012 auf die Kapitalleistung ausdrücklich Bezug genommen; er habe festgestellt, die Abgabehoheit stehe dem Wegzugskanton zu und dadurch sei die Frist zur Vornahme der Veranlagung gewahrt. Es fragt sich daher, ob der Kanton Zug (bzw. allgemein: ein anderer Kanton) harmonisierungsrechtlich in der Lage ist, den Fristenlauf zugunsten des an sich zuständigen Kantons zu unterbrechen. 3.2 3.2.1 Im Unterschied zu Art. 120 DBG ("Veranlagungsverjährung") ist Art. 47 Abs. 1 StHG , der dieselbe Thematik beschlägt, knapp BGE 142 II 182 S. 194 gehalten. Praxisgemäss wird Art. 47 StHG daher entsprechend Art. 120 DBG ausgelegt, was der Verwirklichung der vertikalen Harmonisierung dient (Urteil 2C_999/2014 vom 15. Januar 2015 E. 4.3, in: ASA 83 S. 516). Übereinstimmend verjährt das Recht, die Steuer zu veranlagen, von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen, fünf Jahre nach Ablauf der Steuerperiode. Mit jeder auf Feststellung oder Geltendmachung der Steuerforderung gerichteten Amtshandlung, die einer steuerpflichtigen oder mithaftenden Person zur Kenntnis gebracht wird, beginnt die Frist neu zu laufen ( Art. 120 Abs. 3 lit. a DBG ; Urteile 2C_1098/2014 / 2C_1099/2014 vom 1. Dezember 2015 E. 5.1; 2C_58/2015 / 2C_59/2015 vom 23. Oktober 2015 E. 6.2, in: RDAF 2015 II S. 576). Im öffentlichen Recht ist die Verjährung von Amtes wegen zu berücksichtigen ( BGE 138 II 169 E. 3.1 und 3.2 S. 170 f.). 3.2.2 Aus der Souveränität der Kantone ( Art. 3 BV ) fliesst, dass auch im Bereich der harmonisierten Steuern einzig die örtlich und sachlich kompetente Veranlagungsbehörde eine verjährungsunterbrechende "Amtshandlung" im Sinne von Art. 47 Abs. 1 StHG vornehmen kann. Die Befugnis, individuell-konkrete Anordnungen zu erlassen ("Verfügungsbefugnis") ist einer von mehreren Aspekten der umfassenden Verwaltungsbefugnis, die ihrerseits auf der territorialen Zuständigkeit gründet. Die Rechts anwendungs befugnis steht ausschliesslich der örtlich, sachlich und funktionell zuständigen Verwaltungsbehörde zu (TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2014, § 28 N. 19). Daher muss es einem Drittkanton beispielsweise auch versagt sein, Rulingauskünfte zu erteilen, welche die in einem andern Kanton vorzunehmende Veranlagung betreffen ( BGE 138 II 545 E. 2.1 S. 547). 3.2.3 In der grossen Zahl der harmonisierungsrechtlichen Veranlagungen stellt diese Kompetenzausscheidung keinerlei Schwierigkeiten, zumal sie aufgrund des interkantonalen Steuerrechts ( Art. 127 Abs. 3 BV ) langer Praxis entspricht. In der vorliegenden Konstellation ergibt sich jedoch eine Besonderheit. Gestützt auf Art. 68 Abs. 1 Satz 2 StHG 2000 (bzw. nunmehr Art. 4b Abs. 1 Satz 2 StHG 2013) sind Kapitalleistungen aus Vorsorge (Art. 11 Abs. 3 StHG 1990) seit dem 1. Januar 2001 im Fälligkeitskanton zu erfassen. Liegt eine Wegzugskonstellation vor, bietet dies beträchtliche praktische Schwierigkeiten. Gemäss Art. 42 Abs. 1 StHG muss die steuerpflichtige Person zwar alles tun, um eine vollständige und richtige Veranlagung zu ermöglichen. Dazu zählt fraglos auch das Einreichen der BGE 142 II 182 S. 195 Steuererklärung, wenngleich diese Pflicht unerwähnt bleibt (MARTIN ZWEIFEL, in: Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern [...], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/1, Zweifel/ Athanas [Hrsg.], 2. Aufl. 2002, N. 17 zu Art. 42 StHG ). Adressat der Steuererklärung ist im Fall einer Kapitalleistung aus Vorsorge freilich der Kanton der persönlichen Zugehörigkeit (und nicht etwa der Fälligkeitskanton, würde dies doch eine entsprechende gesetzliche Grundlage voraussetzen). Mit andern Worten erfährt der Wegzugskanton nur "über Umwege" von der Kapitalleistung. Anders als im Fall der üblichen Anknüpfungspunkte, die eine Steuerpflicht aufgrund wirtschaftlicher Zugehörigkeit begründen (Geschäftsbetriebe, Betriebsstätten, Grundstücke; Art. 4 Abs. 1 StHG ) fehlt im Fall von Kapitalleistungen aus Vorsorge jede Anknüpfung, aufgrund deren der Fälligkeitskanton von der Kapitalleistung erfahren könnte. 3.2.4 Hauptsächliches Informationsmittel des Wegzugskantons ist daher die Benachrichtigung durch den Zuzugskanton bzw. Kanton der persönlichen Zugehörigkeit ( Art. 111 Abs. 1 DBG bzw. hier: Art. 39 Abs. 2 StHG ). Sie ist Ausdruck einer bereichsspezifischen bundesstaatlichen Treuepflicht unter den Kantonen ( Art. 44 Abs. 2 BV ; Urteil 2C_817/2014 vom 25. August 2015 E. 4.4.3, in: ASA 84 S. 331 zum interkantonalen Steuerrecht). Danach hat die Veranlagungsbehörde des Wohnsitz- oder des Sitzkantons den Steuerbehörden der anderen Kantone ihre Steuerveranlagung - einschliesslich der interkantonalen Steuerausscheidung und etwaiger Abweichungen gegenüber der Steuererklärung - kostenlos mitzuteilen (so namentlich Art. 2 Abs. 3 der Verordnung vom 9. März 2001 über die Anwendung des Steuerharmonisierungsgesetzes im interkantonalen Verhältnis [SR 642.141]). Wenn praxisgemäss gilt, dass dem Hauptsteuerdomizil (bzw. Zuzugskanton) "faktisch eine Führungsrolle zukommt" ( BGE 139 I 64 E. 3.6 S. 71 f.; ZWEIFEL, a.a.O., N. 29 zu Art. 39 StHG ), so trifft dies in den Fällen von Art. 105 Abs. 4 DBG einerseits und Art. 68 Abs. 1 Satz 2 StHG 2000 (bzw. nunmehr Art. 4b Abs. 1 Satz 2 StHG 2013) anderseits umso stärker zu. Sobald der Zuzugskanton bzw. Kanton der persönlichen Zugehörigkeit von einer andernorts zu erfassenden Kapitalleistung aus Vorsorge erfährt, hat er den Fälligkeitskanton ungefragt ins Bild zu setzen, sodass dieser veranlagend tätig werden kann. 3.2.5 Aus dieser Konzeption - zwingendes Zusammenwirken von Kanton der persönlichen Zugehörigkeit und Fälligkeitskanton - folgt, dass zumindest im Fall von Kapitalleistungen aus Vorsorge von BGE 142 II 182 S. 196 einer "einheitlichen" Vorgehensweise auszugehen ist. Das Bundesrecht würde vereitelt, wollte man die Handlungen des Kantons der persönlichen Zugehörigkeit in dieser besonderen Konstellation nicht als Bestandteil der Veranlagungstätigkeit des Fälligkeitskantons betrachten. Da der Kanton der persönlichen Zugehörigkeit unter Umständen erst spät - kurz vor Eintritt der Veranlagungsverjährung - von der Kapitalleistung aus Vorsorge erfährt, könnte der Steueranspruch verjähren, ohne dass der Fälligkeitskanton überhaupt etwas hätte vorkehren können. Dies ist nicht die Meinung des einheitlichen Steuerraumes Schweiz ( Art. 129 Abs. 1 BV ; dazu Urteile 2C_404/ 2013 vom 2. Mai 2014 E. 3.3.3, in: ASA 83 S. 52 und 250, RDAF 2014 II S. 513, StE 2014 A 24.43.1 Nr. 25; 2C_337/2012 vom 19. Dezember 2012 E. 3.5 mit Hinweisen, in: RDAF 2013 II S. 350, StE 2013 B 42.38 Nr. 36, StR 68/2013 S. 368). 3.3 3.3.1 Die Bemerkung des Kantons Zug in den Veranlagungsverfügungen vom 11. Juli 2012, worin dieser mit Recht darauf hingewiesen hatte, dass (harmonisierungsrechtlich) die Steuerhoheit beim Kanton Graubünden liege, erfolgte im wohlverstandenen Interesse des Fälligkeitskantons. Wenn auch formell als "Unzuständigkeitserklärung" ausgestaltet, diente der Schritt materiell dazu, die Veranlagung im Kanton Graubünden überhaupt erst zu ermöglichen. Verjährungsrechtlich ist ein solches Vorgehen unter den gegebenen Umständen - Kapitalleistung aus Vorsorge im Sinne von Art. 11 Abs. 3 StHG - den "feststellenden" bzw. "geltendmachenden" Amtshandlungen einer zuständigen Veranlagungsbehörde im Sinne von Art. 47 Abs. 1 StHG gleichzusetzen. 3.3.2 Dies führt dazu, dass der Kanton Zug mit seiner "Unzuständigkeitserklärung" vom 11. Juli 2012, die an die Steuerpflichtigen gerichtet war, den Lauf der Verjährung zu unterbrechen vermochte. Die Veranlagungsverfügung des Kantons Graubünden vom 8. April 2014 erfolgte damit rechtzeitig. Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, weshalb sie abzuweisen und der angefochtene Entscheid zu bestätigen ist. Nicht entschieden werden muss, ob der Kanton Graubünden zu Recht ein "Nachsteuerverfahren" eröffnete, nicht aber ein ordentliches Veranlagungsverfahren durchführte. Im Ergebnis ist dies von keiner Bedeutung. (...)
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Sachverhalt ab Seite 155 BGE 140 V 154 S. 155 A. A.a R. (né en 1943) a été chargé de cours à l'Ecole polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL) à partir de l'année académique 1980/1981. Le 10 mai 2004, l'EPFL l'a informé que sa charge ne serait pas reconduite pour l'année académique 2004/2005, motif pris de l'existence d'un conflit d'intérêts entre sa fonction de chargé de cours et ses activités au sein d'un institut préparant notamment aux examens d'admission à l'EPFL. Il s'en est suivi un litige sur la nature juridique des rapports liant le prénommé à l'EPFL qui a été porté jusqu'au Tribunal fédéral. Dans un arrêt rendu le 28 juin 2006, celui-ci a considéré que la charge de cours de l'intéressé était soumise à la loi fédérale du 24 mars 2000 sur le personnel de la Confédération (LPers; RS 172.220.1) et que R. devait en conséquence bénéficier d'un contrat de durée indéterminée, dans le respect des règles régissant les assurances sociales. A.b Par décision du 27 novembre 2007, l'EPFL a notamment constaté que le contrat de travail la liant à l'intéressé prendrait fin le 30 avril 2008 et que celui-ci aurait dû en principe être affilié à une caisse de pensions depuis le 1 er octobre 1980, date à partir de laquelle il avait été au bénéfice d'un contrat de durée indéterminée; elle a cependant considéré qu'il appartenait à la Caisse fédérale de pensions PUBLICA (ci-après: PUBLICA) d'examiner formellement cette question et que le dossier de R. devait lui être transmis à cette fin. R. a déféré cette décision à la Commission de recours interne des écoles polytechniques fédérales. Admettant partiellement le recours, le 4 novembre 2008, celle-ci a jugé notamment que R. était affilié à la PUBLICA qui devait se prononcer sur le caractère éventuellement rétroactif de l'affiliation (ch. 7, première phrase, du dispositif). R. et l'EPFL ont tous deux interjeté un recours contre cette décision devant le Tribunal administratif fédéral, qui a invité PUBLICA à se déterminer par décision incidente du 17 décembre 2008. Le recours de l'intéressé, qui ne s'en prenait qu'au ch. 7 du dispositif de la décision du 4 novembre 2008 en concluant à ce que le Tribunal administratif fédéral ordonnât son affiliation avec effet rétroactif au 1 er octobre 1980, a été rejeté par celui-ci, le 13 janvier 2010. A.c Le 4 mars 2010, PUBLICA a informé R. qu'elle entamait les démarches administratives en lien avec son affiliation. Après avoir reçu de l'institution de prévoyance un décompte de cotisations tenant compte d'une affiliation rétroactive de l'intéressé au 1 er octobre 1980, BGE 140 V 154 S. 156 l'EPFL a contesté le calcul des cotisations, en faisant valoir que les créances de cotisations plus anciennes que dix ans dès la demande d'affiliation à PUBLICA étaient prescrites. Par courrier du 13 juillet 2011, PUBLICA a demandé à l'EPFL de lui verser jusqu'au 29 juillet 2011 le montant de 136'068 fr. 80 pour une affiliation rétroactive de R. au 1 er octobre 1980 ou le montant de 54'695 fr. 70 fr. pour une affiliation rétroactive au 1 er janvier 1999. L'EPFL s'est acquittée de la seconde somme indiquée. Le 17 octobre 2011, PUBLICA a informé l'intéressé que le montant de la rente de vieillesse, à laquelle il avait droit à partir du 1 er mai 2008, s'élevait à 412 fr. 35 par mois ("Décision de prestation"). B. Le 23 mars 2012, R. a ouvert action contre PUBLICA et l'EPFL auprès de la Cour des assurances sociales du Tribunal cantonal du canton de Vaud. Il concluait, d'une part, que l'institution de prévoyance fût condamnée à l'affilier, à titre rétroactif, avec effet au 1 er octobre 1980 et à lui verser les arriérés de rente dus en fonction d'une telle affiliation avec intérêts à 5 % dès le 1 er novembre 2011. D'autre part, il concluait à ce que l'EPFL fût condamnée à verser à PUBLICA le montant de 136'068 fr. 80 à titre d'arriérés de cotisations, sous déduction du montant déjà versé. Statuant le 22 juillet 2013, la Cour des assurances sociales du Tribunal cantonal vaudois a rejeté les deux demandes. C. Agissant par la voie du recours en matière de droit public contre ce jugement, R. demande au Tribunal fédéral d'ordonner à PUBLICA de l'affilier rétroactivement avec effet au 1 er octobre 1980 et de lui verser les arriérés de rente dus en fonction d'une telle affiliation, ainsi que d'ordonner à l'EPFL de verser la somme de 136'068 fr. 80 avec intérêts légaux à PUBLICA pour lui, sous déduction du montant déjà versé. PUBLICA conclut principalement au rejet du recours et à la confirmation du jugement du 22 juillet 2013. A titre subsidiaire, elle demande que le recours soit admis et le jugement cantonal réformé, en ce sens que l'EPFL soit condamnée à lui verser la somme de 136'068 fr. 80 sous déduction de la somme déjà versée, plus intérêts à 5 % dès le 18 septembre 2012, à titre d'arriérés de cotisations, en vue du versement par PUBLICA de prestations mensuelles de vieillesse s'élevant à 1'672 fr. 65, rétroactivement au 1 er mai 2008, sous déduction des prestations déjà versées. BGE 140 V 154 S. 157 L'EPFL conclut au rejet du recours, tandis que l'Office fédéral des assurances sociales (OFAS) a renoncé à se déterminer. Le 31 mars 2014, R. a déposé des observations complémentaires. Le recours a été partiellement admis.
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Erwägungen Extrait des considérants: 4. 4.1 La juridiction cantonale a fait dépendre la question de l'assurance rétroactive du recourant du point de savoir si les prétentions en paiement des cotisations pour la période du 1 er octobre 1980 au 31 décembre 1998 étaient prescrites. Elle a considéré que tel était le cas, en application d'un arrêt du Tribunal fédéral du 25 janvier 2010 publié in ATF 136 V 73 , et fixé au 1 er janvier 1999 la naissance de la créance de cotisations. Retenant que les "prétentions du [recourant] pour la période allant du 1 er octobre 1980 au 31 décembre 1998 sont prescrites", elle a rejeté les conclusions prises par le recourant à l'encontre de PUBLICA et de l'EPFL. 4.2 Le raisonnement de l'autorité judiciaire de première instance est contraire au droit dans la mesure où il fixe (implicitement) la date de l'affiliation du recourant à l'institution de prévoyance au moment à partir duquel les premiers juges ont considéré que l'EPFL était tenue de verser rétroactivement des cotisations à PUBLICA (soit le 1 er janvier 1999). En effet, l'affiliation du recourant à l'institution de prévoyance intimée pour la prévoyance professionnelle ne dépend pas de l'obligation en tant que telle de verser des cotisations de la prévoyance professionnelle, ni du versement effectif de celles-ci. 4.2.1 En ce qui concerne la période courant à partir du 1 er janvier 1985, sous l'empire de la LPP, les rapports d'assurance obligatoire entre le salarié et l'institution de prévoyance de son employeur dans le domaine de la prévoyance obligatoire naissent de par la loi, dès que les conditions légales sont réunies ( art. 2 al. 1 et art. 7 al. 1 LPP ; ATF 129 III 305 consid. 2.1 p. 307; ATF 120 V 15 consid. 2a p. 19). En matière de prévoyance plus étendue, l'affiliation à l'institution de prévoyance pour les collaborateurs du domaine des écoles polytechniques fédérales intervient également de plein droit, dès le début des rapports de travail, conformément aux dispositions topiques au regard des modifications intervenues pour la Caisse fédérale d'assurance (art. 14 du Règlement de prévoyance de la Caisse de prévoyance du domaine des EPF pour le personnel du domaine des EPF du BGE 140 V 154 S. 158 3 décembre 2007 [RP-EPF 1; RS 172.220.142.1], entré en vigueur le 1 er juillet 2008 [ art. 108 RP-EPF 1 ] en relation avec le Contrat d'affiliation à la Caisse de prévoyance du domaine des EPF du 3 décembre 2007 [ci-après: Contrat d'affiliation, FF 2008 5458]; art. 9 al. 1 de l'ordonnance du 25 avril 2001 relative à l'assurance dans le plan de base de la Caisse fédérale de pensions [OCFP 1; abrogé au 1 er juillet 2008; RO 2001 2327] en relation avec l'art. 42 de l'ordonnance du Conseil des EPF du 15 mars 2001 sur le personnel du domaine des écoles polytechniques fédérales [ordonnance sur le personnel du domaine des EPF, OPers-EPF; RS 172.220.113] dans sa version en vigueur jusqu'au 30 juin 2007; art. 4 de l'ordonnance du 24 août 1994 régissant la Caisse fédérale de pensions [Statuts de la CFP; RO 1995 533]; art. 5 al. 1 de l'ordonnance du 2 mars 1987 concernant la Caisse fédérale d'assurance [Statuts de la CFA; RO 1987 1228]). 4.2.2 En l'occurrence, les rapports de prévoyance ont commencé en même temps qu'ont débuté les rapports de travail entre le recourant et l'EPFL, respectivement au 1 er janvier 1985, pour autant que son salaire atteignît le salaire minimum (cf. art. 2 al. 1, art. 7 al. 1 et art. 10 al. 1 LPP , pour la période à partir du 1 er janvier 1985) et qu'il n'existât pas un motif d'exemption au sens de l'art. 1j al. 1 de l'ordonnance du 18 avril 1984 sur la prévoyance professionnelle vieillesse, survivants et invalidité (OPP 2; RS 831.441.1; dans sa teneur en vigueur à partir du 1 er janvier 2006, anciennement art. 1 OPP 2 ). Tel apparaît être le cas au regard des calculs établis par PUBLICA en fonction d'un salaire moyen annuel perçu à partir du 1 er octobre 1980 (cf. courrier de PUBLICA du 17 mars 2011 au recourant). Par ailleurs, PUBLICA a admis le principe de l'affiliation du recourant, sans jamais invoquer un motif d'exclusion. A la suite de l'arrêt du Tribunal administratif fédéral du 13 janvier 2010 - selon les considérants duquel le principe d'affiliation de R. à PUBLICA est chose acquise depuis l'arrêt du Tribunal fédéral du 28 juin 2006 -, l'institution de prévoyance a reconnu devoir affilier l'intéressé; elle a précisé à tort que l'affiliation rétroactive ne pouvait prendre effet que lorsque l'entier des cotisations dues aurait été payé (cf. courrier de PUBLICA du 17 mars 2011 au recourant). En conséquence, PUBLICA, qui a succédé à la Caisse fédérale de pensions à partir du 1 er juin 2003 et auprès de laquelle l'EPFL a assuré ses salariés pour la prévoyance professionnelle (cf. art. 7 OPP 2 ; Contrat d'affiliation, op. cit.), est tenue d'affilier le recourant à titre rétroactif au moins à partir du 1 er janvier 1985. BGE 140 V 154 S. 159 4.2.3 En ce qui concerne l'affiliation du recourant pour la période entre le 1 er octobre 1980 et le 31 décembre 1984, il ressort des dispositions alors applicables que le recourant doit également être affilié à PUBLICA à titre rétroactif pour cette période. Selon l'art. 2 des Statuts de la caisse d'assurance du personnel de l'administration générale de la Confédération (Caisse fédérale d'assurance) du 29 septembre 1950 (RO 1950 945), tel que modifié par les modifications des 30 août 1972 (RO 1973 35) et 24 juin 1974 (RO 1974 2116), sont, entre autres personnes, admis dans la caisse les fonctionnaires au sens de la loi sur le statut des fonctionnaires (al. 1 let. b) et les autres agents de la Confédération, en tant que le Conseil fédéral prescrit leur admission (al. 1 let. c). L'affiliation est obligatoire. Le Conseil fédéral peut décider l'admission du personnel d'entreprises de droit public de la Confédération, des secrétariats d'organisations nationales de partis politiques, d'organisations fondées par la Confédération ou à son initiative ou auxquelles elle participe d'une façon déterminante, ainsi que d'associations du personnel fédéral (al. 2). Conformément à l'art. 3 al. 1 des Statuts, tel que modifié par le complément n° 4 du 3 novembre 1959 (RO 1959 2177), l'agent acquiert la qualité de membre au moment où il est admis comme tel par l'administration de la caisse. Il la perd en quittant le service de la Confédération, en tant que l'affiliation ne subsiste pas en vertu du 2 e alinéa. Sous le titre "Admission", l'art. 12 al. 1 des Statuts prévoit qu'est assuré celui qui sera probablement employé d'une manière durable au service de la Confédération et qui est déclaré assurable par le service médical administratif. A cette époque (cf. Message du 14 décembre 1987 concernant la loi sur les écoles polytechniques fédérales, FF 1988 I 697, 718 s. ch. 215), le personnel occupé dans les écoles polytechniques fédérales était soumis aux dispositions du Statut des fonctionnaires du 30 juin 1927 ou du règlement des fonctionnaires (1) du 10 novembre 1959, ainsi que du règlement des employés du 10 novembre 1959, à l'exception des rapports de service du corps enseignant, dont le statut était régi par la loi sur le statut des fonctionnaires, par la loi du 7 février 1854 sur la création d'une école polytechnique suisse et par la réglementation transitoire (arrêté fédéral des 24 juin 1970, 20 juin 1975 et 21 mars 1980 sur les écoles polytechniques [réglementation transitoire]). BGE 140 V 154 S. 160 Il résulte de ces dispositions que le recourant aurait acquis la qualité de membre de la Caisse fédérale de pensions à partir du moment "où il [aurait été] admis comme tel par l'administration de la caisse".Dans la mesure où les rapports liant le recourant à l'EPFL relevaient d'un contrat de travail de durée indéterminée, l'administration de la Caisse fédérale de pensions aurait, au degré de la vraisemblance prépondérante, admis le recourant comme membre à partir du moment où il était entré au service de l'EPFL, soit le 1 er octobre 1980. Il ne ressort par ailleurs pas du dossier, et les intimées ne le prétendent pas, que le recourant aurait été atteint dans sa santé et risqué, de ce fait, de ne pas être déclaré assurable au sens de l'art. 12 al. 1 des Statuts. 5. 5.1 Le recourant conclut au versement des "arriérés de rente qui lui sont dus en fonction d'une affiliation rétroactive avec effet au 1 er octobre 1980". Ce faisant, il requiert le versement d'une rente de vieillesse plus élevée que celle fixée par PUBLICA, en fonction d'une période d'affiliation plus longue remontant au 1 er octobre 1980. 5.2 Selon les calculs de PUBLICA, le montant de la rente de vieillesse auquel peut prétendre le recourant à partir du 1 er mai 2008 s'élève à 1'672 fr. 65 par mois en prenant en considération une période d'assurance ayant débuté le 1 er octobre 1980 (courrier du 17 mars 2011 au recourant, réponse au recours du 18 février 2014). Ce montant correspond en revanche à 412 fr. 35 par mois en tenant compte d'une période d'affiliation commençant seulement le 1 er janvier 1999 (courrier du 26 mai 2011 au recourant, réponse du 18 février 2014). Pour l'institution de prévoyance, dès lors que l'EPFL a versé les cotisations pour la période courant à partir du 1 er janvier 1999 (soit 54'695 fr. 70), elle doit octroyer au recourant seulement les prestations de vieillesse correspondant à une affiliation à partir de cette date-là. 5.3 Comme on l'a vu (consid. 4 supra), l'affiliation du recourant à PUBLICA est en soi indépendante du versement (effectif) des cotisations de la prévoyance professionnelle; à l'inverse, l'affiliation entraîne l'obligation de verser des cotisations. Autre est la question de savoir s'il y a lieu de prendre en considération, pour déterminer la prestation de vieillesse que peut prétendre le recourant, les cotisations qui auraient dû être versées dès le 1 er octobre 1980. Sur ce dernier point, la juridiction cantonale a retenu que les créances de cotisations de la prévoyance professionnelle relatives à BGE 140 V 154 S. 161 l'activité exercée par le recourant au service de l'EPFL du 1 er octobre1980 au 31 décembre 1998 étaient prescrites. Il s'agit donc d'examiner d'abord la question de la prescription en relation avec des créances de cotisation pour une période pendant laquelle l'institution de prévoyance n'avait pas connaissance des rapports de service du recourant, ni, partant, des rapports de prévoyance individuels. 6. 6.1 Se fondant sur l' ATF 136 V 73 , les premiers juges ont considéré qu'en raison de l'existence d'un contrat d'affiliation entre l'EPFL et PUBLICA, le délai de prescription pour les créances de cotisation ne commençait pas à courir avec l'établissement du rapport de prévoyance du recourant, mais dès l'exigibilité des primes correspondant à la prestation de travail soumise à cotisations. Le recourant avait en principe été soumis à la couverture de l'institution de prévoyance dès le début des relations de travail, et ce malgré le fait que l'EPFL ne l'avait pas annoncé à PUBLICA. Toutefois, comme l'institution de prévoyance n'avait été informée de l'existence des rapports de travail entre l'EPFL et le recourant qu'à l'occasion du litige qui opposait ceux-ci devant le Tribunal administratif fédéral (à la suite de l'envoi de la décision incidente du 17 décembre 2008), l'exigibilité était reportée au 18 décembre 2008 (en raison du comportement reprochable de l'employeur débiteur, qui avait manqué d'annoncer un salarié). A cette date, comme l'échéance des cotisations était mensuelle, seules pouvaient encore être exigées les cotisations mensuelles dues pour les différents mois d'assurance qui ne comptaient pas plus de dix ans, en raison du délai absolu de dix ans (par opposition au délai de prescription relatif de cinq ans) introduit par l' ATF 136 V 73 . La naissance de la créance de cotisations devait dès lors être fixée au 1 er janvier 1999, soit à l'échéance de la prime de décembre 1998. Les prétentions du recourant relatives à la période antérieure au 1 er janvier 1999 (et remontant jusqu'au 1 er octobre 1980) étaient donc prescrites. 6.2 Le recourant ne conteste pas que l'application des principes dégagés par le Tribunal fédéral dans l' ATF 136 V 73 , telle que retenue par la juridiction cantonale, conduit à constater que les créances de cotisations afférentes à la période antérieure à la date du 1 er janvier 1999 sont prescrites. Il soutient en revanche que la jurisprudence de l' ATF 136 V 73 rendu le 25 janvier 2010 ne lui est pas applicable, parce que son statut et "les droits sociaux qui s'y rattachent", y compris au regard de la prescription, ont été définitivement fixés le BGE 140 V 154 S. 162 28 juin 2006, par l'arrêt du Tribunal fédéral qui a tranché le litige l'opposant à son ancien employeur. Or, le 28 juin 2006, les arriérés de cotisations dus par l'EPFL remontaient jusqu'au premier jour des relations contractuelles qui les liaient l'un à l'autre, soit au 1 er octobre 1980. Le recourant fait par ailleurs valoir que l'application du délai de prescription de dix ans (découlant de l' ATF 136 V 73 ) lui porte préjudice - sa rente de vieillesse de la prévoyance professionnelle étant réduite en fonction des cotisations non versées à titre rétroactif du 1 er octobre 1980 au 31 décembre 1998 -, de sorte que la nouvelle jurisprudence ne peut s'appliquer à son cas, le principe de l'affiliation à PUBLICA ayant été acquis avant janvier 2010. Admettre le contraire reviendrait à violer le droit fédéral, au regard aussi du fait que l'attitude de l'EPFL l'avait contraint à engager différentes procédures pour faire reconnaître ses droits. 6.3 6.3.1 Dans l'arrêt publié in ATF 136 V 73 , rendu le 25 janvier 2010 (et résumé dans le Bulletin de la prévoyance professionnelle n° 117 du 31 mars 2010, édité par l'OFAS), le Tribunal fédéral a retenu que lorsqu'un employeur est affilié à une institution de prévoyance, le point de départ de l'exigibilité de créances de cotisations relatives à un salarié particulier qui n'avait pas été annoncé à l'institution de prévoyance correspond en principe à la date d'échéance des primes relatives aux rapports de travail soumis à cotisations, et non pas à la date de la constitution effective des rapports contractuels d'assurance (comme cela avait été admis par le passé). Toutefois, si l'institution de prévoyance n'a pas connaissance de l'existence de rapports de travail soumis à cotisations à cause d'une violation qualifiée de l'obligation de déclarer de l'employeur, l'exigibilité des créances de cotisations est différée jusqu'au moment où l'institution de prévoyance a connaissance de l'existence des rapports de travail déterminants. Dans un tel cas, la créance individuelle de cotisations se prescrit cependant de manière absolue par dix ans à compter de sa naissance (virtuelle). A cet égard, le Tribunal fédéral a considéré que dans le cas où le débiteur (employeur) adopte un comportement reprochable, l'exigibilité des créances de cotisations individuelles est reportée sans limites jusqu'au moment où la créancière des cotisations en prend (ou aurait dû en prendre) connaissance. Or, la possibilité de pouvoir recouvrer rétroactivement et de façon illimitée les créances de cotisations originaires de la part de l'employeur ayant violé son obligation BGE 140 V 154 S. 163 d'annoncer ne paraît pas conciliable avec le système de la prescription dans son ensemble (qui prévoit, par exemple, un délai de prescription de dix ans à compter de la violation de l'obligation pour les prétentions secondaires découlant d'un contrat). Aussi, le délai de prescription relatif de cinq ans à compter de la connaissance (raisonnablement présumée) doit être complété, par la voie du comblement d'une lacune, par un délai absolu: la créance individuelle de cotisations se prescrit en tous les cas par dix ans à compter de sa naissance (virtuelle) aussi lorsqu'on admet une violation qualifiée de l'obligation d'annoncer et que l'institution de prévoyance a ignoré durablement et sans faute de sa part les faits justifiant le prélèvement de cotisations. 6.3.2 Une nouvelle jurisprudence ou un changement de celle-ci s'appliquent immédiatement et vaut pour les cas futurs, ainsi que pour les affaires pendantes devant un tribunal au moment de l'adoption de la nouveauté ou du changement ( ex nunc et pro futuro ). Elle s'applique donc également, mais sans effet rétroactif, quand l'événement assuré s'est produit avant le prononcé du changement de jurisprudence (arrêt du Tribunal fédéral des assurances B 35/95 du 30 septembre 1996 consid. 2, non publié in ATF 122 V 306 et l'arrêt cité; ATF 119 V 410 consid. 3 p. 412). On peut s'inspirer, à cet égard des règles relatives à la non-rétroactivité d'une nouvelle disposition légale (en l'absence de dispositions transitoires particulières; ATF 122 II 113 consid. 3b/dd p. 124; arrêt 2C_236/2010 du 14 octobre 2010 consid. 1.1, in RDAF 2011 II p. 84). L'interdiction de la rétroactivité fait obstacle à l'application d'une nouvelle disposition légale à des faits entièrement révolus avant son adoption (rétroactivité proprement dite); il est en revanche admissible d'appliquer la nouvelle norme à des faits ayant pris naissance sous l'empire du droit antérieur, mais qui déploient encore des effets sous le nouveau droit (rétroactivité improprement dite), sous réserve des droits acquis. 6.3.3 La jurisprudence de l'arrêt ATF 136 V 73 s'applique ex nunc et pro futuro . Elle est opposable aux institutions de prévoyance et aux autres intéressés à partir du mois de mars 2010, soit dès le moment où les communications de l'OFAS relatives à la prévoyance professionnelle ont fait connaître le contenu essentiel de l'arrêt. Elle s'applique donc également à la situation du recourant, même si certains des faits déterminants (survenance de l'événement assuré, affiliation à la prévoyance professionnelle) sont survenus avant son adoption, dès lors qu'ils déploient des effets au-delà de cette date. BGE 140 V 154 S. 164 6.3.4 Les arguments que soulève le recourant à l'encontre de l'application de l' ATF 136 V 73 à sa situation n'y changent rien. Dans la mesure tout d'abord où il s'agit de se prononcer sur l'obligation de son ancien employeur de verser des cotisations à l'institution de prévoyance - le recourant a aussi conclu au versement par l'EPFL à PUBLICA du montant de cotisations en cause (consid. 3, non publié) -, il prétend en vain que le litige concernerait avant tout, selon sa formulation, "l'autre volet du lien de prévoyance, entre l'assuré et la Caisse PUBLICA" (et non le lien entre l'employeur et l'institution de prévoyance). On ne saurait par ailleurs considérer que ses "droits sociaux" ont été "définitivement fixés depuis le 28 juin 2006". Dans son arrêt rendu à cette date, le Tribunal fédéral a statué sur la nature des rapports juridiques noués entre l'EPFL et le recourant. Celui-ci était lié à l'EPFL par un contrat de travail soumis au droit public (et non pas par un contrat de mandat) et devait "être mis au bénéfice d'un contrat de durée indéterminée, dans le respect des règles régissant les assurances sociales" (arrêt 2A.658/2005 du 28 juin 2006 consid. 4). Si le statut du recourant (employé de l'EPFL sous contrat de durée indéterminée à partir du 1 er octobre 1980) a alors été clairement défini et qu'il en résultait une obligation de la part de l'employeur d'assurer obligatoirement le recourant à l'institution de prévoyance auprès de laquelle il avait affilié ses employés, les droits et obligations résultant d'une telle assurance (qui sortaient de l'objet de la contestation alors portée devant le Tribunal fédéral) n'ont nullement été déterminés ("fixés") par l'arrêt du 28 juin 2006. L'affiliation du recourant, même si elle découlait dans son principe de la qualification de contrat de travail (de droit public) de son engagement auprès de l'EPFL, impliquait des démarches auprès de PUBLICA pour que soient déterminés les droits et obligations respectifs des parties. Celles-ci n'ont cependant pas été entreprises et PUBLICA a été informée de l'existence des rapports de travail entre l'EPFL et son chargé de cours seulement le 18 décembre 2008 (selon les constatations de la juridiction cantonale qui lient le Tribunal fédéral [art. 105 al. 1LTF]). Depuis lors, l'institution de prévoyance a déterminé le montant de la prestation de vieillesse qu'elle a reconnue au recourant, cequi a conduit au présent litige, lequel a précisément pour objet les droits et obligations des parties en ce qui concerne l'affiliation du recourant à la prévoyance professionnelle qui produit des effets au-delà du mois de mars 2010. BGE 140 V 154 S. 165 La référence que fait ensuite le recourant à l'arrêt du Tribunal fédéral publié aux ATF 119 V 40 (recte: 410), soutenu en cela par l'institution de prévoyance intimée, en invoquant que l'application du délai de prescription de dix ans (découlant de l' ATF 136 V 73 ) lui porte préjudice, de sorte que la nouvelle jurisprudence ne peut s'appliquer à son cas, ne lui est d'aucun secours. Dans l' ATF 119 V 410 , le Tribunal fédéral a retenu qu'une nouvelle jurisprudence valait pour les cas futurs ainsi que pour les affaires pendantes devant un tribunal au moment de son changement; elle ne pouvait cependant pas conduire, en principe, à modifier des prestations périodiques fondées sur une décision (assortie d'effets durables) entrée en force formelle (pour des exceptions à ce principe, ATF 135 V 215 consid. 5.1 p. 219). Comme, en l'espèce, l'institution de prévoyance n'a pas rendu - et n'a pas le pouvoir de rendre (cf. ATF 115 V 224 consid. 2 p. 228), comme elle le précise à juste titre - une décision sur des prestations périodiques, on ne se trouve pas dans la situation visée par l' ATF 119 V 410 dans laquelle un changement de jurisprudence était susceptible de conduire à la modification d'une décision entrée en force (avec des effets pour l'avenir). On ne saurait dès lors reprocher à la juridiction cantonale, comme le fait en vain l'institution de prévoyance intimée, d'avoir abusé de son pouvoir d'appréciation en faisant application en l'espèce des principes découlant de l' ATF 136 V 73 . 6.4 Il résulte de ce qui précède que l'EPFL peut se prévaloir de la prescription des créances de cotisations pour la période du 1 er octobre 1980 au 31 décembre 1998. Par conséquent, la conclusion du recourant tendant au versement par son ancien employeur des cotisations afférentes à cette période est mal fondée et doit, partant, être rejetée. 7. Il reste à examiner si le fait que les cotisations n'ont pas à être payées par l'employeur pour la période du 1 er octobre 1980 au 31 décembre 1998 a une influence sur l'étendue de la prestation de vieillesse que peut prétendre le recourant. 7.1 Du point de vue temporel, il convient d'appliquer les dispositions légales et réglementaires en vigueur au moment de la survenance du cas de prévoyance. Le recourant a atteint l'âge ouvrant le droit aux prestations de vieillesse, soit 65 ans, le 2 avril 2008 (cf. art. 13 al. 1 let. a LPP ; cf. ATF 130 V 156 consid. 5.2 p. 160). Ce sont donc les dispositions légales et réglementaires en vigueur au 2 avril 2008 qui BGE 140 V 154 S. 166 sont applicables pour déterminer l'étendue des prestations de vieillesse auxquelles a droit le recourant. 7.2 Conformément à l'art. 33 al. 3 première phrase OCFP 1, le montant de la rente de vieillesse annuelle correspond au montant de la rente de vieillesse acquise au moment de la retraite. Selon l' art. 32 OCFP 1 , le montant annuel de la rente acquise correspond à 1,5 % du gain assuré pour chaque année d'assurance, toutefois elle ne peut pas dépasser 60 % du gain assuré. Les fractions intermédiaires sont ajoutées au prorata. L' art. 15 al. 1 OCFP 1 définit les années d'assurance de la manière suivante: "Compte comme années d'assurance la période s'écoulant entre le 1 er du mois suivant l'âge de 22 ans révolus et la survenance d'un événement d'assurance, durant laquelle des cotisations ont été versées pour la prévoyance vieillesse, augmentée des années d'assurance rachetées. Les parts de prestation de sortie prélevées aux fins d'encouragement à la propriété du logement ou, en cas de divorce attribuées au conjoint divorcé, entraînent une réduction des années d'assurance." En application de ces dispositions, le montant annuel de la rente acquise correspond, en l'espèce, à 1,5 % du gain assuré pour les années durant lesquelles des cotisations pour la prévoyance vieillesse ont été versées. Par conséquent, le calcul s'effectue sans tenir compte de la période courant du 1 er octobre 1980 au 31 décembre 1998 pour laquelle PUBLICA n'a reçu aucun versement de cotisations et ne peut plus en réclamer de l'employeur (consid. 6 supra). Le calcul effectué par l'institution de prévoyance (cf. courrier du 26 mai 2011 au recourant) en ne prenant en considération que les années d'assurance au sens de l' art. 15 OCFP 1 apparaît dès lors correct et n'est pas, pour le surplus, contesté par le recourant. 7.3 Le recourant ne peut rien tirer non plus en sa faveur des dispositions légales sur la prévoyance professionnelle obligatoire. 7.3.1 Selon l' art. 14 al. 1 LPP , la rente de vieillesse est calculée en pour-cent de l'avoir de vieillesse acquis par l'assuré au moment où celui-ci atteint l'âge ouvrant le droit à la rente (taux de conversion). Le taux de conversion minimal s'élève à 6,8 % à l'âge ordinaire de 65 ans pour les hommes et les femmes ( art. 14 al. 2 LPP ); il correspond à 7,05 % pour les rentes de vieillesse pour les hommes de la classe d'âge 1943 et l'âge ordinaire de la retraite de 65 ans (let. a des dispositions finales de la modification du 18 août 2004 de l'OPP 2). L'avoir de vieillesse comprend les bonifications de vieillesse, avec BGE 140 V 154 S. 167 les intérêts, afférentes à la période durant laquelle l'assuré a appartenu à l'institution de prévoyance, cette période prenant toutefois fin à l'âge ordinaire de la retraite ( art. 15 al. 1 let. a LPP ), ainsi que l'avoir de vieillesse versé par les institutions précédentes et porté au crédit de l'assuré, avec les intérêts ( art. 15 al. 1 let. b LPP ). Aux termes de l' art. 16 LPP , les bonifications de vieillesse sont calculées annuellement en pour-cent du salaire coordonné. Les taux suivants sont appliqués: âge 25-34: 7 % du salaire coordonné, âge 35-44: 10 % du salaire coordonné, âge 45-54: 15 % du salaire coordonné, âge 55-65 ans: 18 % du salaire coordonné. L'institution de prévoyance doit tenir pour chaque assuré un compte de vieillesse indiquant son avoir de vieillesse conformément à l' art. 15 al. 1 LPP ( art. 11 al. 1 OPP 2 ). A la fin de l'année civile, ce compte individuel de vieillesse sera crédité notamment des bonifications de vieillesse sans intérêt pour l'année civile écoulée ( art. 11 al. 2 OPP 2 ). 7.3.2 Il résulte de ces dispositions que le capital de prévoyance déterminant sur lequel se fonde le calcul des prestations de vieillesse obligatoires est formé de manière individuelle dans le système de la prévoyance obligatoire. Ce capital est formé par les bonifications de vieillesse, qui sont annuellement portées en compte de chaque affilié, en pourcentage du salaire coordonné. En additionnant les bonifications de vieillesse (y compris les intérêts) accumulées au cours des années, on doit aboutir à un capital de prévoyance - au sens du système de capitalisation sur lequel repose la prévoyance professionnelle - permettant de fournir les prestations de vieillesse correspondantes (THOMAS FLÜCKIGER, in LPP et LFLP, 2010, n° 3 ad art. 15 LPP ; JÜRG BRÜHWILER, Die betriebliche Personalvorsorge in der Schweiz, 1989, p. 201 et 203; RIEMER/RIEMER-KAFKA, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, 2 e éd. 2006, p. 103). Les prestations de vieillesse selon la LPP sont donc financées selon le système de la capitalisation: les cotisations sont fixées de telle manière que le capital accumulé découlant des cotisations et des intérêts suffise pour financer les prestations futures de la prévoyance obligatoire des assurés. Le lien entre les bonifications de vieillesse, respectivement l'avoir de vieillesse, et la prestation de vieillesse est l'expression du principe d'équivalence individuelle, selon lequel il doit exister un équilibre du point de vue de la technique d'assurance, au sein d'un rapport d'assurance particulier, entre les prestations individuelles et les BGE 140 V 154 S. 168 cotisations pour l'affilié particulier. Cet équilibre individuel en fonction des rapports de prévoyance n'est donné qu'en relation avec une durée d'assurance totale de 40 ans pour les hommes (cf. art. 7, 13, 16 en relation avec l' art. 65 LPP ); ce n'est qu'en relation avec cette durée d'assurance totale que la somme des cotisations plus intérêts versés correspond en principe au capital de couverture nécessaire pour financer les prestations de vieillesse, au sein d'un rapport d'assurance particulier. De cet équilibre individuel entre les cotisations et les prestations au sein d'un rapport d'assurance concret, il y a lieu de distinguer l'équilibre du point de vue de la technique d'assurance entre les cotisations et les prestations au sein de l'institution de prévoyance dans son ensemble, avec toutes les personnes affiliées (salariés d'une entreprise). Il s'agit du principe d'équivalence collective, selon lequel l'institution de prévoyance est tenue de garantir qu'elle soit en mesure de fournir les prestations prévues dès qu'elles sont exigibles ( art. 65 al. 1 et 2 LPP ). Il doit donc exister en tout temps un équilibre entre les cotisations et les prestations au sein de l'institution de prévoyance, tandis que l'équilibre entre les cotisations et les prestations de vieillesse au sein d'un rapport individuel d'assurance n'est exigible qu'en relation avec la durée légale complète d'assurance (BRÜHWILER, op. cit., p. 204). En d'autres termes, les bonifications prévues à l' art. 16 LPP constituent une prétention minimale à laquelle l'affilié a droit au titre de la prévoyance professionnelle obligatoire et à l'aune de laquelle doivent être déterminées les prestations et les cotisations, dans le sens d'une primauté des bonifications (cf. ATF 114 V 239 consid. 6a p. 245 s.; BRÜHWILER, op. cit., p. 205; le même , Beitragsbemessung in der obligatorischen beruflichen Vorsorge nach BVG, insbesondere Zusatzbeiträge für die Finanzierung des BVG-Mindestzinses und des BVG-Umwandlungssatzes, RSAS 2003 p.323). En conséquence, au regard de la relation étroite entre les cotisations et le montant des prestations de vieillesse de la prévoyance obligatoire ( art. 14 LPP ), on ne saurait admettre, sans violer le principe de l'équivalence collective, un droit à des prestations de vieillesse calculées en fonction de bonifications de vieillesse afférentes à une période d'assurance pendant laquelle des cotisations correspondantes n'ont pas été versées (dans ce sens, JACQUES-ANDRÉ SCHNEIDER, ATF 127 V 259 : La fin du système de la biprimauté des prestations dans la prévoyance professionnelle?, RSAS 2002 p. 215), même si les bonifications de vieillesse ne correspondent pas forcément, dans le système légal, au montant des cotisations versées. BGE 140 V 154 S. 169 7.3.3 Il découle de ce qui précède que la prestation de vieillesse du recourant due en vertu de la prévoyance professionnelle obligatoire doit être déterminée en fonction des bonifications de vieillesse pour les périodes d'assurance pour lesquelles des cotisations ont été ou doivent effectivement être versées de manière rétroactive. La période du 1 er octobre 1980 au 31 décembre 1998 ne peut par conséquent pas être prise en considération. A cet égard, le recourant ne prétend pas que la rente qui lui a été reconnue par PUBLICA (412 fr. 35 par mois) ne correspondrait pas au moins à la prestation de vieillesse obligatoire calculée en fonction des bonifications de vieillesse afférentes à la période du 1 er janvier 1999 au 30 avril 2008. Sa conclusion visant à obtenir une rente de vieillesse d'un montant supérieur en fonction de la période du 1 er octobre 1980 au 31 décembre 1998 est dès lors également mal fondée, sous l'angle du seul régime obligatoire. 8. En conséquence de ce qui précède, il apparaît que parmi les conclusions du recourant, seule celle portant sur son affiliation rétroactive à PUBLICA à partir du 1 er octobre 1980 doit être admise. La détermination de la date à partir de laquelle le recourant est affilié à l'institution de prévoyance intimée, à titre rétroactif, peut, le cas échéant, jouer un rôle pour fonder d'éventuelles prétentions en dommages et intérêts résultant de la violation du contrat d'affiliation, dont ont fait état les premiers juges. Le jugement entrepris doit donc être réformé en ce sens.
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Sachverhalt ab Seite 49 BGE 124 II 49 S. 49 B. reichte am 5. Dezember 1997 beim Haftgericht III Bern-Mittelland ein Haftentlassungsgesuch ein, auf das dieses, weil verfrüht, am 9. Dezember 1997 nicht eintrat. Die hiergegen gerichtete Verwaltungsgerichtsbeschwerde wies das Bundesgericht im Hauptpunkt am 22. Dezember 1997 ab ( BGE 124 II 1 ). Am 16./20. Januar 1998 wies das Haftgericht ein weiteres Haftentlassungsgesuch von B. ab und hiess - letztmals - eine Haftverlängerung BGE 124 II 49 S. 50 bis zum 15. März 1998 gut. Hiergegen hat B. erneut Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht, welche das Bundesgericht gutheisst u. a.
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Erwägungen aus folgender Erwägung: 3. a) Nach Art. 13b Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG, SR 142.20; in der Fassung des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht [AS 1995 146 ff.] ) sind die für den Vollzug der Weg- oder Ausweisung nötigen Vorkehrungen umgehend zu treffen (Beschleunigungsgebot). Arbeitet die zuständige Behörde nicht zielstrebig auf den Wegweisungsvollzug hin, ist die Ausschaffungshaft mit der einzig zulässigen Zielsetzung des Zwangsmassnahmengesetzes, nämlich die Ausschaffung des Ausländers sicherzustellen, nicht mehr vereinbar. Sie verstösst in diesem Fall gegen Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK , weil das Ausweisungsverfahren nicht mehr als "schwebend" im Sinne dieser Bestimmung gelten kann (vgl. PETER UEBERSAX, Menschenrechtlicher Schutz bei fremdenpolizeilichen Einsperrungen, in: recht 13/1995 S. 62 f.). Die Pflicht, Vorbereitungen für den Vollzug der Ausschaffung zu treffen, beginnt nicht erst mit der Anordnung der fremdenpolizeilichen Haft. Befindet sich ein Ausländer etwa in Untersuchungshaft oder im Strafvollzug, müssen bei klarer fremdenpolizeilicher Ausgangslage bereits während dieser Zeit Abklärungen mit Blick auf die Ausschaffung eingeleitet werden (unveröffentlichte Urteile vom 30. Oktober 1997 i.S. B., E. 2a; vom 11. September 1997 i.S. T., E. 2e, und vom 6. Januar 1997 i.S. B., E. 3c; ANDREAS ZÜND, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu den Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, in: ZBJV 132/1996 S. 72, insbesondere S. 89; derselbe, Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht: Verfahrensfragen und Rechtsschutz, in: AJP 1995 S. 854 ff., insbesondere S. 861). Die Strafvollzugs- und Fremdenpolizeibehörden haben hierfür nötigenfalls zusammenzuarbeiten; welche der beiden allfällige Verzögerungen zu vertreten hat, ist bei der Beurteilung der Einhaltung des Beschleunigungsgebots unerheblich (unveröffentlichtes Urteil vom 30. Oktober 1997 i.S. B., E. 2a). Die Vollzugsbehörden dürfen nicht untätig bleiben. Sie müssen versuchen, die Identität des Ausländers festzustellen und die für seine Ausschaffung erforderlichen Papiere auch ohne seine Mitwirkung zu beschaffen (unveröffentlichte Urteile vom 29. Oktober 1996 i.S. K., E. 3; vom 26. Juli 1995 i.S. BGE 124 II 49 S. 51 K., E. 3). Ob das Beschleunigungsgebot verletzt wurde, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (unveröffentlichtes Urteil vom 20. Dezember 1995 i.S. S., E. 3b). Dabei kann ein widersprüchliches Verhalten des Betroffenen mitberücksichtigt werden (unveröffentlichte Urteile vom 10. Juli 1997 i.S. C., E. 3b/aa; vom 10. Juni 1996 i.S. S., E. 3b, und vom 26. Juli 1995 i.S. K., E. 3). Das Bundesgericht hat eine Verletzung des Beschleunigungsgebots bejaht, wenn während rund zwei Monaten keinerlei Vorkehren mehr im Hinblick auf die Ausschaffung getroffen wurden, ohne dass die Verzögerung in erster Linie auf das Verhalten ausländischer Behörden oder des Betroffenen selber zurückging (vgl. unveröffentlichte Urteile vom 23. Januar 1998 i.S. S., E. 5; vom 26. Juli 1995 i.S. K., E. 3; und vom 22. Mai 1996 i.S. A.K., E. 3; vgl. auch ALAIN WURZBURGER, La jurisprudence récente du Tribunal fédéral en matière de police des étrangers, in RDAF 1997 1 S. 331 f.). b) aa) Die kantonalen Behörden und das von ihnen um Vollzugshilfe angegangene Bundesamt für Flüchtlinge haben vorliegend die für den Ausschaffungsvollzug nötigen Vorkehrungen zunächst umgehend an die Hand genommen und sich kontinuierlich und zielstrebig um die Abklärung der Identität und die Beschaffung von Reisepapieren für den Beschwerdeführer bemüht. Sowohl die Vorführung auf der sudanesischen wie jene auf der ägyptischen Vertretung blieben indessen ohne Erfolg, worauf das Bundesamt am 28. Oktober 1997 vorsah, dass eine Linguisten-Expertengruppe den Beschwerdeführer "demnächst" befragen werde und gestützt auf deren Resultate auf den entsprechenden Botschaften noch einmal vorgesprochen würde. In der Folge geschah - soweit ersichtlich - diesbezüglich jedoch nichts mehr. Am 20. November 1997 teilte das Bundesamt den kantonalen Behörden lediglich mit, es sei nach wie vor das Resultat der Expertengruppe abzuwarten. Am 13. Januar 1998 fragten die kantonalen Behörden beim Bundesamt für Flüchtlinge nach, "wann nun die im Oktober 97 versprochene Prüfung durch die Linguisten-Gruppe stattfinden" könne, worauf das Bundesamt tags darauf mitteilte, diese sei für den 20. Januar 1998 vorgesehen. An diesem Tag informierte es die kantonalen Behörden wiederum lediglich, dass es den Sprachtest, d.h. ein Telefonat zwischen dem Beschwerdeführer und einem Sprachexperten, "für die nächsten Tage" organisieren werde. Spätestens am 22. Januar 1998 werde eine Sprachanalyse vorliegen, dank welcher "zielgerichtete Nachforschungen" für Nationalitäts- und Identitätsabklärungen möglich sein sollten. BGE 124 II 49 S. 52 bb) Diese Verzögerungen verletzten das Beschleunigungsgebot: Vom 28. Oktober 1997 bis zum haftrichterlichen Entscheid am 16./20. Januar 1998 wurden während mehr als zwei Monaten keinerlei konkrete Schritte mehr im Hinblick auf eine Ausschaffung des Beschwerdeführers unternommen. Selbst die für den 20. Januar 1998 vorgesehene Befragung ist am gleichen Tag noch einmal verschoben worden. Aus den Akten geht hervor, dass das Bundesamt mit den ursprünglich für den 22. Januar 1998 vorgesehenen Resultaten neuerdings erst bis (spätestens) zum 11. Februar 1998 rechnet. Entgegen der Ansicht des Haftrichters entband der Hungerstreik (vom 6. November 1997 bis zum 18. Dezember 1997) die Behörden nicht davon, alle geeigneten Vorkehren zu treffen, um die Ausschaffung bei Reisefähigkeit des Betroffenen - allenfalls auch gegen seinen Willen - vollziehen zu können. Stellt ein Hungerstreik grundsätzlich keinen Haftentlassungsgrund dar ( BGE 124 II 1 E. 3b), gilt umgekehrt während seiner Dauer das Beschleunigungsgebot unverändert weiter. Hieran ändert der undifferenzierte Hinweis des Haftrichters nichts, der Auszuschaffende sei während der ganzen Dauer des Hungerstreiks "verhandlungsunfähig" gewesen, was er selber zu verantworten habe. Der Beschwerdeführer musste erst kurz vor Abbruch seines Hungerstreiks hospitalisiert werden; besondere Gründe, welche bereits in der Anfangsphase der Nahrungsverweigerung eine Befragung verunmöglicht hätten (gesundheitliche Schwäche; renitentes Verhalten; Weigerung des Betroffenen, sich befragen zu lassen usw.), sind weder ersichtlich noch behauptet. Die Expertenbefragung war bereits am 28. Oktober 1997, und damit deutlich vor Beginn des Hungerstreiks, als einzig noch sinnvolle Massnahme erkannt und in der Folge dennoch bis Mitte Januar verschoben worden. Die Verzögerungen, die wegen der Festtage bzw. daraus entstanden, dass das Bundesamt allenfalls über keine entsprechenden Sprachexperten verfügte und solche erst noch suchen musste, hat nicht der Beschwerdeführer zu verantworten. Im übrigen war der Hungerstreik offenbar auch gar nicht ursächlich dafür, dass das Bundesamt im Rahmen der Vollzugsunterstützung, bei der es wie die kantonalen Behörden an das Beschleunigungsgebot gebunden war, längere Zeit untätig blieb. Erst auf die Anfrage der Fremdenpolizei vom 13. Januar 1998 hin, also zu einem Zeitpunkt, in dem der Hungerstreik seit einiger Zeit abgeschlossen war, hat es die Organisation der entsprechenden Befragung konkret an die Hand genommen. Es bestehen keinerlei Hinweise dafür, dass es bereits von Oktober 1997 bis zum 14. Januar 1998 insofern irgendwelche BGE 124 II 49 S. 53 konkreten Vorkehrungen getroffen hätte (vgl. den Telefax des Bundesamts vom 14. Januar 1998 mit der Liste der von ihm unternommenen Schritte); trotz Gelegenheit zur Stellungnahme haben weder das Departement noch das Bundesamt solche im vorliegenden Verfahren dargetan. Eine Verletzung des Beschleunigungsgebots wäre unter diesen Umständen nur zu verneinen, wenn neben der Befragung durch die Experten zumindest noch andere Abklärungen eingeleitet und etwa jene Landsleute befragt worden wären, die wiederholt erklärt haben, der Beschwerdeführer stamme tatsächlich aus dem Sudan, was losgelöst von allfälligen gesundheitlichen Auswirkungen des Hungerstreiks möglich gewesen wäre. Deren Gründe für die Annahme, der Beschwerdeführer komme aus dem Sudan, waren in einem Fall wie dem vorliegenden nicht zum vornherein ungeeignet, die weiteren behördlichen Abklärungen positiv zu beeinflussen. Die Tatsache, dass die kantonalen Behörden ihrerseits wiederholt beim Bundesamt vorstellig geworden waren, vermochte für sich allein dem Beschleunigungsgebot nicht zu genügen.
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Sachverhalt ab Seite 122 BGE 136 I 121 S. 122 A. B., né en 1940, est assuré auprès de la caisse-maladie Universa (ci-après: Universa) pour l'assurance obligatoire des soins, une assurance combinée d'hospitalisation et une assurance de soins complémentaires. Présentant un état d'obésité morbide (indice de masse corporelle [IMC] de 41,5), il a consulté le docteur R., chirurgien, qui a préconisé la pose d'un anneau gastrique. Le 2 juillet 2007, le docteur R. a informé le médecin-conseil de Universa que son patient, dont l'obésité s'était compliquée d'un diabète de type II et d'une hypertension artérielle associée à des lombalgies, des gonalgies et une dyspnée d'effort marquée, envisageait de se soumettre à la mesure de chirurgie bariatrique. Selon le docteur R., dont l'avis était partagé par son confrère C., la pose d'un anneau constituait le meilleur geste thérapeutique et aurait des effets bénéfiques sur les autres atteintes à la santé, alors que le risque de complications était limité. En réponse, la caisse-maladie a informé son assuré qu'elle refusait de prendre en charge l'intervention envisagée, dès lors qu'il dépassait l'âge de 60 ans prévu pour bénéficier d'une prise en charge par l'assurance-maladie obligatoire. Du 19 au 23 septembre 2007, B. a séjourné à la Clinique X., à Y., où il a subi l'opération prévue; les frais du traitement se sont élevés à 24'955 fr. au total. Par décision du 12 mars 2008, Universa en a refusé la prise en charge au titre de l'assurance obligatoire des soins. Par courrier séparé du même jour, elle a informé l'intéressé qu'elle refusait également le remboursement des frais par le biais de l'assurance combinée d'hospitalisation. L'assuré ayant contesté le prononcé du 12 mars 2008, la caisse-maladie a confirmé sa position par décision sur opposition du 21 mai suivant. B. Le 23 juin 2008, B. a simultanément formé recours contre la décision sur opposition devant le Tribunal cantonal des assurances sociales de la République et canton de Genève et déposé une demande en paiement; il a conclu à la prise en charge par sa caisse-maladie du traitement chirurgical en cause, par le biais de l'assurance obligatoire des soins, et à ce que Universa soit condamnée à lui rembourser un montant total de 24'955 fr. plus intérêts au titre de l'assurance privée d'hospitalisation. Statuant le 18 décembre 2008, le Tribunal cantonal genevois des assurances a admis le recours et la demande. Annulant la décision sur opposition du 21 mai 2008, il a statué que l'assuré avait "droit au remboursement des frais litigieux sur la base de l'assurance obligatoire des soins comme sur celles de l'assurance complémentaire" (ch. 2 et 3 du dispositif). BGE 136 I 121 S. 123 C. Agissant par la voie du recours en matière de droit public, Universa conclut à l'annulation du jugement cantonal et à la confirmation de la décision sur opposition du 21 mai 2008. B. conclut au rejet du recours, tandis que l'Office fédéral de la santé publique (OFSP) en propose l'admission.
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. 2.1 L'assurance obligatoire des soins prend en charge les coûts des prestations définies aux art. 25 à 31 en tenant compte des conditions des art. 32 à 34 ( art. 24 LAMal ). A ce titre, les assureurs ne peuvent pas prendre en charge d'autres coûts que ceux des prestations prévues aux art. 25 à 33 ( art. 34 al. 1 LAMal ). 2.2 Selon l' art. 33 al. 1 LAMal , le Conseil fédéral peut désigner les prestations fournies par un médecin ou un chiropraticien, dont les coûts ne sont pas pris en charge par l'assurance obligatoire des soins ou le sont à certaines conditions. D'après l' art. 33 al. 3 LAMal , le Conseil fédéral détermine également dans quelle mesure l'assurance obligatoire des soins prend en charge les coûts d'une prestation nouvelle ou controversée, dont l'efficacité, l'adéquation ou le caractère économique sont en cours d'évaluation. Le Département fédéral de l'intérieur (DFI), auquel le Conseil fédéral a délégué à son tour les compétences susmentionnées ( art. 33 al. 5 LAMal en relation avec l'art. 33 let. a et c OAMal [RS 832.102]), a promulgué l'ordonnance du 29 septembre 1995 sur les prestations dans l'assurance obligatoire des soins en cas de maladie (OPAS; RS 832.112.31). Conformément à l' art. 1 OPAS , l'annexe 1 à cette ordonnance énumère les prestations visées par l'art. 33 let. a et c OAMal - dispositions qui reprennent textuellement les règles posées aux al. 1 et 3 de l' art. 33 LAMal -, qui ont été examinées par la Commission des prestations générales de l'assurance-maladie et dont l'assurance obligatoire des soins prend en charge les coûts, avec ou sans condition, ou ne les prend pas en charge. 2.3 Selon le ch. 1.1 annexe 1 OPAS (dans sa version en vigueur jusqu'au 30 juin 2009, applicable en l'espèce [infra consid. 4.1]), le traitement chirurgical de l'adiposité (pontage gastrique par Roux-en-Y, anneau gastrique, gastroplastie verticale) est obligatoirement à la charge de l'assurance pour autant que les conditions prévues aux let. a à g soient réalisées. En particulier, la let. b prévoit que "Le patient ne doit pas avoir plus de 60 ans". BGE 136 I 121 S. 124 3. Il est constant que les conditions prévues aux let. a et c à g de la disposition mentionnée étaient réalisées en l'occurrence, alors que celle de la let. b ne l'était pas: l'intimé avait dépassé l'âge de 60 ans, puisqu'il avait 66 ans au moment de l'intervention chirurgicale en question. 3.1 Selon la juridiction cantonale, la chirurgie bariatrique subie par l'intimé constituait une mesure efficace, appropriée et économique au sens de l' art. 32 al. 1 LAMal . La condition de l'âge maximum de 60 ans correspondait à une condition créant une nouvelle obligation qui n'était pas prévue par la loi et qui découlait d'une interprétation trop restrictive du caractère efficace, approprié et économique voulu par le législateur. Cette exigence était par ailleurs de nature à créer une inégalité de traitement entre assurés, puisqu'une personne de 60 ans dont l'état de santé était meilleur que celui d'une personne de 61 ans pouvait se faire soigner aux frais de l'assurance obligatoire des soins, alors que cette dernière se voyait refuser le remboursement du traitement chirurgical bariatrique, de nature à lui permettre de diminuer sensiblement tous les risques liés aux maladies qui étaient les conséquences de son obésité morbide. Les premiers juges ont dès lors admis qu'il se justifiait de s'écarter de la limite d'âge prévue au ch. 1.1 annexe 1 OPAS et d'accorder au recourant le droit au remboursement des frais liés à l'opération bariatrique du 20 septembre 2007 sur la base de l'assurance obligatoire des soins. 3.2 La recourante reproche à l'autorité judiciaire de première instance de s'être écartée de l'appréciation du DFI selon laquelle la limite d'âge de 60 ans pour le traitement en cause s'imposait. Cette exigence était fondée sur l'avis de spécialistes selon lesquels le risque opératoire augmentait nettement chez les personnes âgées de plus de 60 ans et la surmortalité induite par l'obésité avait tendance à diminuer dès 60 ans pour disparaître après 70 ans. Il n'appartenait pas, toujours selon la recourante, à un tribunal d'interpréter une disposition claire et précise édictée par le Conseil fédéral par l'intermédiaire du DFI. 3.3 De son côté, l'intimé se rallie entièrement à l'argumentation des premiers juges, en soutenant que la limite d'âge viole le principe de l'égalité garanti par l' art. 8 al. 1 Cst. A l'inverse, l'OFSP fait valoir qu'une limite d'âge est nécessaire pour le traitement chirurgical de l'adiposité. La Commission fédérale des prestations était arrivée à la conclusion, fondée sur le consensus des BGE 136 I 121 S. 125 milieux scientifiques, qu'au-delà de l'âge de 60 ans, le risque à attendre du traitement, calculé statistiquement, était si important que l'utilité en était très faible d'après les statistiques. L'efficacité n'était donc plus avérée à partir de 60 ans pour un traitement qui avait pour objet non pas à proprement parler une maladie, mais un état lié à une augmentation des risques entraînant des maladies secondaires (notamment cardio-vasculaires) ainsi qu'à des effets sur d'autres systèmes organiques (en particulier le système musculo-squelettique). 4. 4.1 Initialement fixée à 50 ans sous l'empire de la LAMA ("contre-indications: patients âgés de moins de 18 ans ou de plus de 50 ans", décision du 21 avril 1983, RJAM 1983 p. 168 s.), la limite d'âge supérieure prévue pour la prise en charge d'un traitement chirurgical de l'obésité par l'assurance obligatoire des soins a d'abord été assouplie: l'autorité compétente a prévu qu'elle pouvait exceptionnellement être dépassée avec l'accord du médecin-conseil (décision du 22 août 1985 de la Commission compétente, RAMA 1986 p. 68 ss, 73; ch. 1.1 annexe 1 OPAS dans sa version initiale, entrée en vigueur le 1 er janvier 1996 [RO 1995 4964, 4985 s.]). A partir du 1 er janvier 2000 (modification du 29 juin 1999), cette limite a été modifiée et élevée à 60 ans ("Le patient ne doit pas avoir plus de 60 ans"). En même temps, la possibilité de la dépasser exceptionnellement a été abolie, tandis que la limite d'âge minimal a été supprimée (RO 1999 2517, 2521). Récemment, le ch. 1.1 annexe 1 OPAS a à nouveau été changé en rapport avec l'âge et la limite a été fixée à 65 ans avec effet au 1 er juillet 2009 (RO 2009 2821, 2830). Le présent litige doit cependant être tranché à la lumière de la réglementation en vigueur au moment de la survenance des faits juridiquement déterminants ( ATF 130 V 445 consid. 1.2.1 p. 447). Par conséquent, la modification de la limite d'âge entrée en vigueur le 1 er juillet 2009 n'est pas applicable en l'espèce, seule la limite de 60 ans étant pertinente. 4.2 Dans le cadre du contrôle de la légalité et de la constitutionnalité des ordonnances du Conseil fédéral ou du DFI, le Tribunal fédéral est en principe habilité à examiner le contenu d'une liste de maladies à prendre en considération ou de prestations. Néanmoins, il s'impose une grande retenue dans cet examen. D'une part, il ne dispose pas des connaissances nécessaires pour se faire une opinion sur la question sans recourir à l'avis d'experts. D'autre part, l'ordonnance, BGE 136 I 121 S. 126 souvent révisée, peut être corrigée à bref délai par le DFI. En revanche, le tribunal revoit librement une disposition de l'ordonnance lorsqu'il apparaît que les commissions des spécialistes - dont les avis sont à la base d'une décision du DFI - se fondent non sur des considérations médicales, mais sur des appréciations générales ou de nature juridique ( ATF 131 V 338 consid. 3.2 p. 343 et les arrêts cités). 5. 5.1 La limitation de l'âge du patient à 60 ans à l'origine du présent litige repose sur les conclusions de la "Conférence de consensus sur le traitement chirurgical de l'obésité en Suisse". Elaborées par un groupe d'experts et approuvées par le Morbid Obesity Study Group et l'Association suisse sur l'étude du métabolisme et de l'obésité (ASEMO), ces conclusions ont été reprises dans l'ensemble par la Commission fédérale des prestations générales et des principes qui en a formé des recommandations concernant les prestations obligatoires dans le domaine du traitement chirurgical de l'obésité (sur le rôle de la Commission, cf. art. 37a OAMal en corrélation avec l' art. 33 al. 4 LAMal ). En ce qui concerne les indications en matière de chirurgie de l'obésité, les experts ont conclu que le risque opératoire - pour une population présentant déjà, en raison de son obésité, un risque opératoire aggravé - est nettement augmenté à partir de 60 ans, tandis que la surmortalité induite par l'obésité a tendance à diminuer à partir de cet âge et à disparaître à partir de 70 ans. L'âge recommandé pour l'intervention chirurgicale est de 18 à 60 ans (Consensus sur le traitement de l'obésité en Suisse 1999, Journal suisse de médecine / Schweizerische medizinische Wochenschrift [SMW], Supplément 114 au n° 49 du 11 décembre 1999, p. 18 S). Les recommandations des experts en matière de traitement de l'obésité ont été mises à jour en novembre 2006 (Consensus II sur le traitement de l'obésité en Suisse, version courte [sans références; http://www.asemo.ch sous Publications; consulté le 28 octobre 2009]). Par rapport à la condition de l'âge en relation avec les indications de la chirurgie de l'obésité, les experts ont maintenu la recommandation de l'âge situé entre 18 à 60 ans. Ils ont toutefois ajouté que chez les patients de plus de 60 ans, une intervention chirurgicale bariatrique peut aussi être réalisée lorsqu'il existe un bénéfice pour la santé en terme d'intégrité physique et de réduction de risques cardiovasculaires, chez un patient bien motivé (Consensus II, p. 31). Ces recommandations ont conduit le DFI à modifier le ch. 1.1 annexe 1 OPAS et à augmenter la limite de l'âge à 65 ans. Cette modification, qui n'est BGE 136 I 121 S. 127 pas applicable en l'espèce (supra consid. 4.1), n'est du reste d'aucun secours à l'intimé, puisqu'il avait plus de 65 ans au moment de l'intervention chirurgicale en cause. 5.2 Au regard de ce qui précède, il apparaît que la limite d'âge prévue au ch. 1.1 annexe 1 OPAS est justifiée sur le plan de la science médicale, les experts s'accordant à recommander pour cette catégorie spécifique de patients un âge situé entre 18 et 60 ans en raison de deux facteurs distincts intervenant à partir de l'âge de 60 ans (augmentation du risque opératoire et diminution du risque fatal lié à l'obésité). Par conséquent, en prévoyant un âge limite pour le remboursement du traitement chirurgical de l'obésité, on ne saurait reprocher au DFI d'avoir opéré une distinction entre deux catégories de patients qui ne serait pas fondée sur des motifs sérieux et objectifs. Même si elle peut paraître surprenante (selon l'expression utilisée par GABRIELLE STEFFEN, Droit aux soins et rationnement, 2002, ch. 5.6.3.5 p. 167), cette limitation, qui reste très exceptionnelle dans le domaine de l'assurance obligatoire des soins (cf. BRIGITTE SANTOS-EGGIMANN, Evaluation économique et rationnement: l'âge est-il un critère adéquat?, Revue médicale de la Suisse romande 2001 p. 831 ss) repose sur des considérations médicales approuvées par les spécialistes en matière d'obésité morbide. Elle constitue donc une différence de traitement qui repose sur une justification objective et raisonnable et ne contrevient pas au principe de l'égalité de traitement ( art. 8 al. 1 Cst. ), respectivement à l'interdiction de toute discrimination fondée sur l'âge ( art. 8 al. 2 Cst. ). A ce sujet, on précisera que le principe de non-discrimination ne prohibe pas toute distinction basée sur l'un des critères énumérés à l' art. 8 al. 2 Cst. , mais fonde plutôt le soupçon d'une différenciation inadmissible. Les inégalités qui résultent d'une telle distinction doivent dès lors faire l'objet d'une justification particulière ( ATF 135 I 49 consid. 6.1 p. 58; ATF 132 I 167 consid. 3 p. 169; ATF 129 I 217 consid. 2.1 p. 223; ATF 126 II 377 consid. 6a p. 392; ETIENNE GRISEL, Egalité, Les garanties de la Constitution fédérale du 18 avril 1999, 2009, ch. 148 ss p. 88 s.; AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, Droit constitutionnel suisse, Les droits fondamentaux, vol. II, 2 e éd. 2006, p. 509 n. 1088; voir aussi BERNHARD WALDMANN, Altersgrenzen im Recht, in Mélanges Thomas Fleiner, 2003, p. 472). La distinction relative à l'âge de 60 ans à l'origine du litige est précisément fondée sur un motif d'ordre médical convaincant qui constitue une justification objective et raisonnable. BGE 136 I 121 S. 128 5.3 Contrairement à ce qu'a retenu la juridiction cantonale en considérant que la limite d'âge relevait d'une interprétation trop restrictive du caractère efficace, approprié et économique de la prestation en cause, l'exigence d'un âge maximal - prévue dans le cadre de l' art. 33 LAMal - s'inscrit, par ailleurs, dans le prolongement de ces critères. Dans la mesure où les experts recommandent une limite d'âge de 60 ans parce qu'à partir de cet âge, le risque opératoire augmente sensiblement, alors que la surmortalité induite par l'obésité tend à diminuer, tant l'efficacité que l'adéquation du traitement chirurgical bariatrique sont niées dans l'abstrait par la science médicale. A partir de l'âge limite, l'indication médicale n'est plus donnée, dès lors que les risques liés à l'intervention chirurgicale apparaissent trop importants par rapport au bénéfice thérapeutique à en attendre, indépendamment du cas concret. En posant l'exigence d'un âge limite inférieur à 60 ans dans une règle de droit, l'ordonnance concrétise simplement dans le texte légal pertinent les critères légaux du caractère efficace, approprié et économique de la prestation en cause. Par conséquent, et compte tenu de la grande retenue qui s'impose au Tribunal fédéral dans le contrôle de la légalité et de la constitutionnalité des ordonnances du Conseil fédéral ( ATF 129 V 167 consid. 3.4 p. 173 in fine; ATF 124 V 185 consid. 6 p. 195), il n'y a pas lieu de s'écarter de l'appréciation du DFI. Il convient dès lors, en application dans le cas d'espèce du ch. 1.1 (dans sa version valable jusqu'au 30 juin 2009) de l'annexe 1 OPAS, de nier la prise en charge par l'assurance obligatoire des soins de l'intervention chirurgicale bariatrique subie par l'intimé en septembre 2007. Le recours se révèle dès lors bien fondé, ce qui conduit à l'annulation du jugement entrepris dans la mesure où il porte sur la prise en charge du traitement litigieux par l'assurance-maladie obligatoire.
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Sachverhalt ab Seite 201 BGE 145 V 200 S. 201 A. Der 1956 geborene A. arbeitete vom 1. Juli 2003 bis 30. September 2017 vollzeitlich als Direktor Vertrieb Schweiz der B. GmbH, Deutschland. Er ist deren Gesellschafter mit einem Stammanteil von 12 %. Der Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich, Ausgleichskasse, leistete er Beiträge für Arbeitnehmende ohne beitragspflichtigen Arbeitgeber (ANOBAG). Am 10. Oktober 2017 meldete er sich zum Leistungsbezug bei der Arbeitslosenversicherung an, da er aufgrund der schlechten Auftragslage sein Arbeitspensum für die B. GmbH reduziert hat. Die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich verneinte einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, da A. arbeitgeberähnliche Stellung besitze. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 27. März 2018 fest. B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 23. Juli 2018 ab. C. A. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei ihm ab 2. Oktober 2017 Arbeitslosenentschädigung zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache zwecks weiterer Sachverhaltsabklärung an die Arbeitslosenkasse oder die Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner sei ihm für das kantonale und das bundesgerichtliche Beschwerdeverfahren eine angemessene Prozessentschädigung zu gewähren. Auf einen Schriftenwechsel wird verzichtet. D. Am 20. März 2019 hat das Bundesgericht eine öffentliche Beratung durchgeführt. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz zu Recht den einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung verneinenden Einspracheentscheid vom 27. März 2018 bestätigte. BGE 145 V 200 S. 202 3. 3.1 Die Vorinstanz erwog, der Versicherte sei einer der vier Gesellschafter der B. GmbH, einer nach deutschem Recht gegründeten Gesellschaft. Die anderen Gesellschafter seien mit einem Stammanteil von 12, 25 und 51 % am Gesellschaftskapital von Euro 25'000.- beteiligt. Die Rechte der Gesellschafter richteten sich nach den §§ 46 bis 51 des Gesetzes vom 20. April 1892 betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG; Reichsgesetzblatt 1892 S. 477) und dem Gesellschaftsvertrag der Unternehmung. Gemäss § 10 Ziff. 4 der Satzung der B. GmbH (vom 26. August 2003) sei die Gesellschafterversammlung gegenüber den Geschäftsführern weisungsbefugt. Habe die Gesellschaft keinen Geschäftsführer, werde sie durch die Gesellschafter vertreten (§ 35 GmbHG). Der Versicherte besitze als Gesellschafter zusätzliche Rechte, die einem Arbeitnehmer ohne Gesellschaftereigenschaft nicht zustehen würden. Die für die Unternehmung massgeblichen Entscheide treffe die Gesellschafterversammlung. Zusammen mit dem zu 51 % an der GmbH beteiligten Gesellschafter sei es dem Beschwerdeführer möglich, Beschlüsse in seinem Sinne zu fassen und die Entscheidungen der Arbeitgeberin massgeblich zu beeinflussen. Dies schliesse eine missbräuchliche Inanspruchnahme der Arbeitslosenversicherung nicht aus. 3.2 Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, er sei nicht Geschäftsführer. Im Gegensatz zum schweizerischen Gesellschaftsrecht nach Art. 809 Abs. 1 OR kenne das deutsche GmbHG die Selbstorganschaft nicht, weshalb (zwingend) ein Geschäftsführer bestellt werden müsse (§ 6 Abs. 2 GmbHG). Dies sei vorliegend zentral, denn damit habe er keinen massgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft. Ebenso wenig beinhalte seine Stellung als Gesellschafter bestimmenden Einfluss auf die betrieblichen Entscheidungen, da er lediglich Minderheits- und Auskunftsrechte besitze. Wenn die Vorinstanz aufgrund dieser Rechte auf eine massgebliche Einflussnahme schliesse, sei dies willkürlich. Weiter sei nach deutscher Rechtsprechung gemäss Bundesarbeitsgericht ein Minderheitsgesellschafter, der über keine Sperrminorität verfüge, als Arbeitnehmer zu qualifizieren, weil er keinen grossen Einfluss auf die Führung der Gesellschaft ausüben könne (Beschluss des BAG vom 17. September 2014, 10 AZB 43/14). Als selbstständigerwerbend habe das deutsche Bundessozialgericht einen Gesellschafter nur dann angesehen, wenn es sich um einen Mehrheitsgesellschafter handle oder wenn dieser bei geringerer Kapitalbeteiligung eine Sperrminorität habe (Urteil des BGE 145 V 200 S. 203 BSG vom 11. November 2015, B 12 R 2/14 R). Diese Voraussetzungen seien beim Beschwerdeführer mit einem Stammanteil von 12 % nicht gegeben. Es mangle ihm an der erforderlichen Rechtsmacht, um aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht als selbstständigerwerbend qualifiziert zu werden. Die Vorinstanz verletze daher deutsches Recht. Eine massgebliche Einflussnahme sei überdies auch ohne Anwendung deutschen Rechts zu verneinen. Mit Blick auf die Stammanteile sei augenscheinlich, dass hier derjenige Gesellschafter mit 51 % das einfache Mehr halte und daher faktisch die gesamten Entscheidungen der Gesellschaft dominiere und fälle. Hierzu benötige es die 12 % Stammanteil des Beschwerdeführers nicht. Er könne daher die Geschicke der GmbH nicht in massgeblicher Art und Weise beeinflussen. Der anderslautende Entscheid der Vorinstanz verstosse gegen Art. 8 in Verbindung mit Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG (SR 837.0). 4. 4.1 Gemäss Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG haben Personen, die in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, als finanziell am Betrieb Beteiligte oder als Mitglieder eines obersten betrieblichen Entscheidungsgremiums die Entscheidungen des Arbeitgebers bestimmen oder massgeblich beeinflussen können, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten keinen Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung. Praxisgemäss ist diese der Vermeidung von Missbräuchen dienende Bestimmung analog auf arbeitgeberähnliche Personen und deren Ehegatten anzuwenden, die Arbeitslosenentschädigung verlangen ( BGE 123 V 234 E. 7b/bb S. 238; BGE 122 V 270 E. 3 S. 272 mit Hinweisen). 4.2 Hervorzuheben ist, dass die Frage, ob Arbeitnehmende einem obersten betrieblichen Entscheidungsgremium angehören und ob sie in dieser Eigenschaft massgeblich Einfluss auf die Unternehmensentscheidungen nehmen können, aufgrund der internen betrieblichen Struktur zu beantworten ist ( BGE 122 V 270 E. 3 S. 272; ARV 2004 S. 196, C 113/03 E. 3.2). Keine Prüfung des Einzelfalles ist erforderlich, wenn sich die massgebliche Entscheidungsbefugnis bereits aus dem Gesetz selbst (zwingend) ergibt. Dies gilt insbesondere für die Gesellschafter einer GmbH ( Art. 804 ff. OR ) sowie die (mitarbeitenden) Verwaltungsräte einer AG, für welche das Gesetz in der Eigenschaft als Verwaltungsrat in Art. 716-716b OR verschiedene, nicht übertrag- und entziehbare, die Entscheidungen des Arbeitgebers bestimmende oder massgeblich beeinflussende Aufgaben vorschreibt ( BGE 123 V 234 E. 7a S. 237; BGE 122 V 270 E. 3 S. 273; ARV 2018 S. 101, 8C_412/2017 E. 5.1; 2004 S. 196, C 113/03; 2002 Nr. 28 BGE 145 V 200 S. 204 S. 183, C 373/00; 1996/97 Nr. 10 S. 48, C 35/94; Nr. 31 S. 170, C 296/96; Nr. 41 S. 224, C 42/97; Urteile 8C_776/2011 vom 14. November 2012 E. 3.2; 8C_140/2010 vom 12. Oktober 2010 E. 4.2 mit weiteren Hinweisen). 4.3 Die Frage der Verletzung von Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG (in analoger Anwendung) beurteilt sich nach schweizerischem Recht. Der vorliegende Fall bietet Anlass, sich vertieft mit dem rechtsprechungsgemässen absoluten Ausschluss vom Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung eines Gesellschafters einer GmbH zu befassen. 4.4 4.4.1 Nicht stichhaltig ist vorab das Argument des Beschwerdeführers, er sei Minderheitsgesellschafter ohne Sperrminorität. Die von ihm hierzu genannte deutsche Rechtsprechung bezieht sich auf die in der Sozialversicherung bestehende Versicherungs- und Beitragspflicht und die damit zusammenhängende Frage, wann einer Person Arbeitnehmereigenschaft und damit Sozialversicherungspflicht zukommt und wann sie als versicherungsfreie Selbstständigerwerbende zu qualifizieren ist. Diese Problematik interessiert im vorliegenden Kontext nicht, da von keiner Seite angezweifelt wird, dass der Beschwerdeführer beitragsrechtlich als Arbeitnehmer gilt. Über seine arbeitgeberähnliche Stellung im arbeitslosenversicherungsrechtlichen Zusammenhang ist damit aber noch nicht entschieden, denn eine arbeitgeberähnliche Funktion im Betrieb kann zur Verneinung der Anspruchsberechtigung auf Arbeitslosenentschädigung führen, obwohl die versicherte Person beitragsrechtlich als arbeitnehmend erfasst ist, weshalb die in der Beschwerde genannten Abgrenzungskriterien (nach deutschem Sozialversicherungsrecht) hier von vornherein nicht relevant sind. 4.4.2 Von entscheidender Bedeutung ist ebenso wenig, dass § 6 Abs. 1 GmbHG zwingend die Bestimmung eines Geschäftsführers vorsieht, während nach der dispositiven Regelung in Art. 809 Abs. 1 OR die Gesellschafter die Geschäftsführung gemeinsam ausüben (sogenannte Selbstorganschaft; vgl. Urteil 4A_8/2014 vom 6. Juni 2014 E. 2.3). Aus den diesbezüglichen Darlegungen des Beschwerdeführers ergibt sich nicht, was er hieraus zu seinen Gunsten ableiten will. Für die Beurteilung seiner Stellung als Gesellschafter ist diese unterschiedliche Regelung irrelevant. 4.5 4.5.1 Oberstes Organ der GmbH ist die Gesellschafterversammlung ( Art. 804 Abs. 1 OR ). Ihr sind die wichtigsten Aufgaben innerhalb BGE 145 V 200 S. 205 der Gesellschaft zugeordnet. Als Versammlung der Anteilseigner und somit der Träger des wirtschaftlichen Risikos muss es ihr vorbehalten bleiben, über die bedeutsamsten Grundsätze zu entscheiden. Eine Vielzahl von Befugnissen sind ihr unübertragbar zugewiesen. Diese erlauben es den Gesellschaftern, über die Gesellschafterversammlung einen viel stärkeren Einfluss auf die Geschäftsführung zu nehmen, als dies der Aktionär an der Generalversammlung kann ( Art. 804 Abs. 2 OR ; Art. 698 OR ). Die unübertragbaren Befugnisse eines Gesellschafters einer GmbH nach Art. 804 Abs. 2 OR sind mit Blick auf die arbeitslosenversicherungsrechtliche Qualifikation einer arbeitgeberähnlichen Person nicht anders zu werten als jene eines Verwaltungsrates einer AG: Die Gesellschafterversammlung bestimmt die Statuten, ihr obliegt die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern und die Wahl und Abberufung der Revisionsstelle, sie nimmt die Jahresrechnung ab, sie bestimmt die Geschäftsleitung, sie entlastet die Geschäftsführung und entscheidet über Gewinn- oder Verlustverwendung. Zusätzliche Kompetenzen können der Gesellschafterversammlung durch die Statuten übertragen ( Art. 804 Abs. 2 Ziff. 18 OR ) und für bestimmte Geschäfte ein Genehmigungsvorbehalt vorgesehen werden. Dies gilt ebenfalls für an sich unübertragbare Aufgaben des Geschäftsführers, die mit dem Vorbehalt der Genehmigung durch die Gesellschafterversammlung verknüpft werden können ( Art. 811 OR ; vgl. Art. 716b OR ), die damit direkten Einfluss auf die Geschäfte des Unternehmens ausübt. 4.5.2 Als personenbezogen ausgestaltete Kapitalgesellschaft besitzt die GmbH überdies eine persönliche Nähe zu den Gesellschaftern. Die engere Verbindung zwischen den Gesellschaftern und der GmbH im Verhältnis zu den Aktionären und der AG zeigt sich u.a. auch dadurch, dass alle Gesellschafter bereits von Gesetzes wegen die Geschäfte im Sinne der Selbstorganschaft führen ( Art. 809 Abs. 1 OR ), sofern die Statuten nichts anderes vorsehen. Die personenbezogene Ausgestaltung der GmbH mit in der Regel kleinem Gesellschafterkreis bringt es sodann mit sich, dass die GmbH als Schutz eine Treuepflicht der Gesellschafter mit einem Konkurrenzverbot kennt ( Art. 803 OR ). Die Nähe der Gesellschafter zu ihrer GmbH wird ferner dadurch deutlich, dass ein Gesellschafter dem Gericht beantragen kann, einem Geschäftsführer die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis zu entziehen oder zu beschränken, wenn ein wichtiger Grund vorliegt ( Art. 815 Abs. 2 OR ; zum Ganzen: MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 12. Aufl. 2018, BGE 145 V 200 S. 206 § 18 S. 688 ff.; PETER FORSTMOSER, Das neue Recht der Schweizer GmbH, in: Festschrift für Peter Böckli zum 70. Geburtstag, 2006, S. 542 ff.; und Botschaft vom 19. Dezember 2001 zur Revision des Obligationenrechts [GmbH-Recht sowie Anpassungen im Aktien-, Genossenschafts-, Handelsregister- und Firmenrecht], BBl 2002 3148 ff.). 4.5.3 Diese gesetzliche Ausgestaltung der Befugnisse der Gesellschafterversammlung und derjenigen jedes einzelnen Gesellschafters (mit oder ohne Geschäftsführertätigkeit) zeigt in Bezug auf die hier relevante Frage der arbeitgeberähnlichen Stellung eines Gesellschafters auf, dass das Risiko eines Missbrauchs von Arbeitslosenversicherungsleistungen bei einem Gesellschafter einer GmbH, nicht zuletzt unter Berücksichtigung des personenbezogenen Charakters der Unternehmung, womit auch die Gefahr einer abredeweisen Einflussnahme der Gesellschafter untereinander besteht, nicht verneint werden kann. Diesem Missbrauchsrisiko könnte daher auch nicht mit der Einführung einer für den Leistungsausschluss ohne Prüfung des Einzelfalls vorausgesetzten bestimmten Höhe des Stammanteils (von beispielsweise mindestens 30 %; vgl. BORIS RUBIN, Commentaire de la loi sur l'assurance-chômage, 2014, N. 26 zu Art. 10 AVIG ) begegnet werden. Sachliche Gründe fehlen für eine solche Grenzziehung. Damit würde eine ungerechtfertigte Privilegierung der Minderheitsgesellschafter einer GmbH geschaffen, die der gesetzlich geregelten Einflussnahme eines Gesellschafters auf die Unternehmung nicht entspricht. An der Rechtsprechung, wonach dem Gesellschafter unabhängig von der Höhe seines Stammanteils von Gesetzes wegen eine Einflussmöglichkeit auf die Geschicke der Gesellschaft zusteht, die einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ausschliesst, ist daher festzuhalten. Eine Rechtsprechungsänderung kommt zudem nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen in Frage. Sprechen keine entscheidenden Gründe zugunsten einer Änderung, ist die bisherige Praxis beizubehalten. Gegenüber dem Postulat der Rechtssicherheit lässt sich eine Rechtsprechungsänderung grundsätzlich nur begründen, wenn die neue Lösung besserer Erkenntnis der ratio legis, veränderten äusseren Verhältnissen oder gewandelten Rechtsanschauungen entspricht. Solche ernsthaften sachlichen Gründe liegen, wie aufgezeigt, nicht vor und werden auch nicht geltend gemacht ( BGE 137 V 282 E. 4.2 S. 291; BGE 135 I 79 E. 3 S. 82; je mit Hinweisen). BGE 145 V 200 S. 207 4.6 4.6.1 Zu klären gilt es weiter, ob dieser Leistungsausschluss, wie er für einen Gesellschafter einer schweizerischen GmbH besteht, auch bei einer GmbH nach deutschem Recht gilt. 4.6.2 Auch bei der deutschen GmbH besorgen die Geschäftsführer die Angelegenheiten der GmbH nach den Weisungen der Gesellschafterversammlung und im Rahmen von Gesetz und Satzung (§ 37 Abs. 1 GmbHG). Oberstes beschliessendes Organ der GmbH ist die Gesellschafterversammlung, in der die Gesamtheit der Gesellschafter repräsentiert ist. Ihre Zuständigkeit erstreckt sich - soweit nicht Gesetz oder Satzung etwas anderes bestimmen - auf alle Angelegenheiten der GmbH (§ 45 GmbHG), die nicht in die genuine Zuständigkeit der Geschäftsführung fallen. Die Gesellschafter fassen ihre Beschlüsse in der Versammlung (§ 48 Abs. 1 GmbHG). Nichts anderes ergibt sich aus der Satzung der B. GmbH vom 26. August 2003. Danach bedarf es eines Beschlusses der Gesellschafter für die Feststellung des Jahresabschlusses und die Entlastung der Geschäftsführung, die Aufnahme von Bankkrediten und sonstigen Krediten und Bürgschaften, für den Erwerb, die Veräusserung und Belastung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten, die Übernahme von Versorgungsleistungen, insbesondere Pensionsverpflichtungen sowie für alle Geschäfte, welche die Gesellschafter durch Gesellschaftsbeschluss für zustimmungspflichtig erklären. Die Geschäftsführung erstreckt sich dementsprechend auf Handlungen und Rechtsgeschäfte, die der gewöhnliche Geschäftsbetrieb mit sich bringt und welche zur Erreichung des Gesellschaftszwecks erforderlich erscheinen. Zur Vornahme von Handlungen, die über den gewöhnlichen Geschäftszweck hinausgehen, ist die Zustimmung der Gesellschafterversammlung erforderlich. 4.6.3 Die deutsche GmbH ist ferner ebenso wie die schweizerische stärker personenbezogen als die Aktiengesellschaft und weist ebenso wie die GmbH nach OR meist eine geringe Gesellschafterzahl aus, weshalb zusätzliche Gesellschafterpflichten relativ häufig vorkommen (beispielsweise Geschäftsführertätigkeit, Treuepflichten und Konkurrenzverbote). Daraus erhellt, dass sich die Stellung der Gesellschafter in der GmbH nach schweizerischem und nach deutschem Recht in Bezug auf die zu beurteilende Problematik, wenn überhaupt, nur geringfügig unterscheidet. 4.6.4 Nach dem Gesagten rechtfertigt sich demnach die Anwendung der Rechtsprechung zur arbeitgeberähnlichen Stellung der BGE 145 V 200 S. 208 Gesellschafter einer GmbH nach schweizerischem OR auch auf die Gesellschafter einer GmbH nach deutschem GmbHG. Dies führt ohne weitere Prüfung seiner konkreten Einflussnahme in der Gesellschaft zum Leistungsausschluss des Beschwerdeführers kraft seiner Eigenschaft als Gesellschafter, da sich diesfalls die Einflussmöglichkeit von Gesetzes wegen ergibt (vgl. THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 2405 Rz. 464 f. mit weiteren Hinweisen und BORIS RUBIN, a.a.O., N. 40 f. zu Art. 31 AVIG ). Damit hat es beim vorinstanzlichen Entscheid sein Bewenden.
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gegeben ist, betrifft - anders als etwa die Frage der Arbeitsfähigkeit oder der Adäquanz - einen zeitlich abgeschlossenen Sachverhalt, der einer neuerlichen Überprüfung im Rahmen eines Revisionsverfahrens gemäss Art. 17 Abs. 1 ATSG entzogen bleibt (E. 6.3). Frage offengelassen, ob der vorfrageweisen Prüfung des Straftatbestandes die strafrechtlichen Verjährungsbestimmungen entgegenstünden (E. 6.5). Sachverhalt ab Seite 196 BGE 148 V 195 S. 196 A. A.a Der 1956 geborene A. war im Alters- und Pflegeheim B. tätig und dadurch bei der Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft AG (nachfolgend: Allianz) gegen die Folgen von Unfällen und Berufskrankheiten versichert. Am 5. August 2009 verunfallte er mit dem Motorrad und erlitt ein Polytrauma, bei welchem er sich u.a. eine sensomotorisch inkomplette Paraplegie sub Th9 (AIS C) zuzog. Die BGE 148 V 195 S. 197 Allianz erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung und Taggeld), wobei sie mit Verfügung vom 8. September 2010, bestätigt mit Einspracheentscheid vom 12. November 2010, die Taggeldleistungen (gestützt auf Art. 37 Abs. 2 UVG ) wegen grobfahrlässigen Verhaltens um 20 % kürzte. Die dagegen erhobene Beschwerde zog A. in der Folge zurück, nachdem die Allianz duplicando einen Antrag auf reformatio in peius dergestalt gestellt hatte, dass sämtliche Geldleistungen (gestützt auf Art. 37 Abs. 3 UVG ) um 20 % zu kürzen seien. A.b Mit Verfügung vom 7. November 2013 sprach die Allianz A. ab 1. April 2013 eine (ungekürzte) Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 41 % zu. Zudem übernahm sie weiterhin die Heilungskosten. Darüber hinaus gewährte sie ihm mit Verfügung vom 9. Dezember 2013 eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von 67,5 % in der Höhe von Fr. 85'050.-. A.c Nachdem die IV-Stelle Bern A. die revisionsweise Erhöhung der ihrerseits mit Verfügung vom 30. April 2014 zugesprochenen Viertelsrente auf eine ganze Rente ab 1. Juni 2016 in Aussicht gestellt hatte (Vorbescheid vom 27. Oktober 2016), ersuchte A. die Allianz am 27. Februar 2017 darum, die Rente der Unfallversicherung ebenfalls anzupassen. Die Allianz veranlasste daraufhin eine polydisziplinäre Begutachtung durch die IB-Bern, Interdisziplinäre Begutachtungen. Mit Verfügung vom 7. Februar 2018 sprach sie A. ab 1. Juni 2016 bei einem Invaliditätsgrad von 55 % eine um 20 % gekürzte Invalidenrente von Fr. 2'393.70 zu. Sie lehnte einen Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung ab und stellte die Heilbehandlungskosten per 31. März 2021 (Erreichen des ordentlichen AHV-Alters) ein. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 16. April 2020 fest. B. Die dagegen geführte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Urteil vom 25. Mai 2021 ab. C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A. beantragen, es sei das angefochtene Urteil, soweit den Rentenanspruch und die Hilflosenentschädigung betreffend, aufzuheben und die Allianz zu verpflichten, ihm rückwirkend ab 1. Juni 2016 eine ungekürzte Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 64 % sowie eine Hilflosenentschädigung bei einer Hilflosigkeit leichten Grades auszurichten, jeweils zuzüglich Verzugszins von 5 % ab 1. Juni 2016. Eventualiter sei das angefochtene Urteil, soweit den BGE 148 V 195 S. 198 Rentenanspruch und die Hilflosenentschädigung betreffend, aufzuheben und die Sache zu weiteren Abklärungen und neuer Entscheidung im Sinne der Beschwerderügen an die Vorinstanz oder die Allianz zurückzuweisen. Während die Vorinstanz und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf eine Vernehmlassung verzichten, schliesst die Allianz auf Abweisung der Beschwerde. Mit Eingabe vom 29. Oktober 2021 lässt sich A. zur Stellungnahme der Allianz vernehmen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die von der Beschwerdegegnerin festgesetzte Rente bei einem Invaliditätsgrad von 55 % beliess und die Leistungskürzung von 20 % sowie die Verweigerung einer Hilflosenentschädigung bestätigte. 2.2 Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze zur Invalidität ( Art. 8 Abs. 1 ATSG , Art. 4 Abs. 1 IVG ), zum Anspruch auf eine Invalidenrente gemäss Art. 18 Abs. 1 UVG in der bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung (vgl. dazu BGE 143 V 285 E. 2.1), zur Ermittlung des Invaliditätsgrades nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs ( Art. 16 ATSG ) sowie zur Kürzung der Rente ( Art. 21 Abs. 1 ATSG und Art. 37 Abs. 3 UVG ) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt für die Ausführungen zum Beweiswert und zur Beweiswürdigung medizinischer Berichte und Gutachten ( BGE 143 V 124 E. 2.2.2; BGE 134 V 231 E. 5.1; BGE 125 V 351 E. 3a; je mit Hinweisen). Zutreffend sind auch die Darlegungen zu den Bestimmungen und Grundsätzen zur Revision ( Art. 17 Abs. 1 ATSG ) und Wiedererwägung ( Art. 53 Abs. 2 ATSG ) sowie jene zur Hilflosenentschädigung ( Art. 9 ATSG , Art. 26 Abs. 1 UVG und Art. 38 Abs. 4 UVV [SR 832.202]). Darauf wird verwiesen. (...) 4. Weiter beanstandet der Beschwerdeführer die von der Vorinstanz bestätigte Leistungskürzung von 20 % gemäss Art. 37 Abs. 3 UVG . 4.1 Nach Art. 21 Abs. 1 ATSG können Geldleistungen vorübergehend oder dauernd gekürzt oder in schweren Fällen verweigert werden, wenn die versicherte Person den Versicherungsfall vorsätzlich oder bei vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens BGE 148 V 195 S. 199 herbeigeführt oder verschlimmert hat. Hat der Versicherte den Unfall bei nicht vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt, so können ihm gemäss Art. 37 Abs. 3 erster Satz UVG in Abweichung von Art. 21 Abs. 1 ATSG die Geldleistungen gekürzt oder in besonders schweren Fällen verweigert werden. Die Qualifikation als Verbrechen oder Vergehen richtet sich nach der strafrechtlichen Definition, d.h. nach Art. 10 Abs. 2 und 3 StGB ( BGE 129 V 354 E. 2.2). Es müssen die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des Delikts erfüllt sein (SVR 2012 IV Nr. 2 S. 4, 9C_785/2010 E. 7.2.1). Der Gefahrenbereich, welcher von Art. 37 Abs. 3 UVG erfasst wird, ist aber umfassender als die strafbare Handlung und schliesst auch sämtliche unmittelbar damit zusammenhängende Geschehensabläufe mit ein, so etwa die Flucht nach Abbruch des deliktischen Verhaltens. Massgebend ist demnach ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem Verbrechen oder Vergehen (vgl. SVR 2017 UV Nr. 5 S. 14, 8C_420/2016 E. 2.4; Urteil 8C_737/2009 vom 27. August 2010 E. 3.2 f.; ZBJV 142/2006 S. 719, U 186/01 E. 4). 4.2 Nach ständiger Rechtsprechung prüft das Sozialversicherungsgericht grundsätzlich frei, ob ein bestimmter (objektiver) Straftatbestand erfüllt ist ( BGE 125 V 237 E. 6a; SVR 2018 UV Nr. 30 S. 105, 8C_600/2017 E. 5.1; Urteile 8C_180/2020 vom 12. Mai 2020 E. 3.4; 8C_832/2017 vom 13. Februar 2018 E. 3.3; 8C_420/2016 vom 27. Oktober 2016 E. 2.4; 8C_19/2008 vom 3. Juli 2008 E. 2). Es ist weder hinsichtlich der Angabe der verletzten Vorschriften noch hinsichtlich der Beurteilung des Verschuldens an die Feststellung und Würdigung des Strafgerichts gebunden. Es weicht aber von den tatbeständlichen Feststellungen des Strafgerichts nur ab, wenn der im Strafverfahren ermittelte Tatbestand und dessen rechtliche Subsumtion nicht zu überzeugen vermögen oder auf Grundsätzen beruhen, die zwar im Strafrecht gelten, im Sozialversicherungsrecht jedoch unerheblich sind ( BGE 143 V 393 E. 7.2; BGE 125 V 237 E. 6a; BGE 111 V 172 E. 5a; je mit Hinweisen; SVR 2017 UV Nr. 5 S. 14, 8C_420/2016 E. 2.4; SVR 2012 IV Nr. 2 S. 4, 9C_785/2010 E. 7.2.1; Urteile 8C_788/2016 vom 20. November 2017 E. 5.1; 8C_ 519/2008 vom 28. Januar 2009 E. 3.2; 8C_533/2008 vom 26. November 2008 E. 2.3; 8C_19/2008 vom 3. Juli 2008 E. 2; U 186/01 vom 20. Februar 2002 E. 3a; KASPAR GEHRING, in: Kommentar zum Schweizerischen Sozialversicherungsrecht, UVG, Hürzeler/Kieser [Hrsg.], 2018, N. 108 zu Art. 37 UVG ). Liegt kein Strafurteil vor, BGE 148 V 195 S. 200 haben die Sozialversicherungsbehörden selber vorfrageweise zu beurteilen, ob der Straftatbestand erfüllt ist ( BGE 143 V 393 E. 7.2; BGE 129 V 354 E. 3.2; SVR 2012 IV Nr. 2 S. 4, 9C_785/2010 E. 7.2.1). 4.3 In diesem Zusammenhang ist auch auf die zu Art. 25 Abs. 2 ATSG ergangene Rechtsprechung hinzuweisen, wonach, sofern der Rückerstattungsanspruch aus einer strafbaren Handlung hergeleitet wird, für welche das Strafrecht eine längere Verjährungsfrist vorsieht, diese Frist massgebend ist. Liegt bereits ein verurteilendes oder freisprechendes Strafurteil vor, so ist die über den Rückforderungsanspruch befindende Behörde daran gebunden. Dasselbe gilt für eine Einstellungsverfügung der zuständigen strafrechtlichen Untersuchungsbehörden, wenn sie die gleiche definitive Wirkung wie ein freisprechendes Urteil hat. Fehlt es indessen an einem solchen Entscheid, haben die Verwaltung und gegebenenfalls das Sozialversicherungsgericht vorfrageweise selbst darüber zu befinden, ob sich die Rückforderung aus einer strafbaren Handlung herleitet und der Täter dafür strafbar wäre. Dabei gelten die gleichen beweisrechtlichen Anforderungen wie im Strafverfahren, so dass der sonst im Sozialversicherungsrecht geltende Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nicht ausreicht. Auf jeden Fall hat die Behörde, die sich auf die strafrechtliche Verjährungsfrist beruft, Aktenmaterial zu produzieren, welches das strafbare Verhalten hinreichend ausweist. Erforderlich ist, dass eine objektiv strafbare Handlung vorliegt und dass die auf Rückerstattung belangte Person die strafbare Handlung begangen hat und die subjektiven Strafbarkeitsvoraussetzungen erfüllt ( BGE 138 V 74 E. 6.1 mit Hinweisen; Urteil 9C_321/2020 vom 2. Juli 2021 E. 4.2.2, nicht publ. in: BGE 147 V 417 ; Urteile 9C_340/2020 vom 29. März 2021 E. 2.2; 8C_580/2018 vom 9. Januar 2019 E. 4.3.3; K 70/06 vom 30. Juli 2007 E. 6.2, nicht publ. in: BGE 133 V 579 , aber in: SVR 2008 KV Nr. 4 S. 11). 5. 5.1 Die Vorinstanz erwog in Zusammenhang mit der Kürzung der Geldleistungen, der Beschwerdeführer habe sowohl den objektiven als auch den subjektiven Straftatbestand einer groben Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG erfüllt. Die Strafverfolgungsbehörden hätten von einer Überweisung an das Gericht oder von einer Bestrafung wegen der schweren Betroffenheit des Beschwerdeführers durch die unmittelbaren Folgen des Unfalls (schwere Verletzungen) abgesehen, wobei die rechtliche Qualifikation der zur Anzeige gebrachten Delikte in keiner Art und Weise in BGE 148 V 195 S. 201 Frage gestellt worden sei. Festzuhalten sei insoweit zum einen, dass es nicht erforderlich sei, dass ein Strafentscheid vorliege, und es gegebenenfalls Sache der Verwaltung und des Sozialversicherungsrichters sei, selbstständig zu prüfen, ob eine für die Leistungskürzung oder -verweigerung relevante strafbare Handlung vorliege. Zum andern bedeute die verfügte Einstellung des Strafverfahrens nicht, dass sich der Beschwerdeführer keines Vergehens schuldig gemacht habe. Es würde zu stossenden Rechtsungleichheiten führen, wenn Versicherte, die von Bestrafung befreit werden, nicht unter die Kürzungsregel fielen. Da die ursprüngliche Rentenzusprechung mit Verfügung vom 7. November 2013 ohne 20%ige Kürzung der Geldleistungen erfolgt sei, sei die Verfügung rechtsfehlerhaft und damit zweifellos unrichtig im Sinne von Art. 53 Abs. 2 ATSG . Zudem sei die Korrektur von erheblicher Bedeutung, weshalb die Verfügung vom 7. November 2013 in Wiedererwägung zu ziehen sei. 5.2 Dem hält der Beschwerdeführer im Wesentlichen entgegen, Tatsache sei, dass die Beschwerdegegnerin, bevor sie mit Verfügung vom 8. September 2010 die ihm zustehenden UVG-Geldleistungen gekürzt habe, die massgeblichen Unfall- bzw. Strafakten eingesehen habe. Die Beschwerdegegnerin habe aufgrund der edierten Unfall- bzw. Strafakten gewusst, was sich am 5. August 2009 zugetragen habe und wie es zum Motorradunfall gekommen sei. Sie habe nach Einsicht in die Strafakten entschieden, ihm die Geldleistungen lediglich für die Dauer von zwei Jahren zu kürzen. Dieses Ergebnis erscheine auch im Rahmen von Art. 37 Abs. 3 UVG keineswegs als zweifellos unrichtig im Sinne von Art. 53 Abs. 2 ATSG . Denn es gelte zu beachten, dass die Möglichkeit, lediglich eine vorübergehende Leistungskürzung zu verfügen oder gar gänzlich von einer Leistungskürzung abzusehen, auch im Rahmen von Art. 37 Abs. 3 UVG zulässig bzw. möglich sei. Die bloss vorübergehend verfügte Kürzung von UVG-Geldleistungen während der ersten zwei Jahren nach dem Unfallereignis vom 5. August 2009 stelle keinen groben Fehler der Verwaltung dar, welcher in Anwendung von Art. 53 Abs. 2 ATSG zwingend korrigiert werden müsste. Indem die Vorinstanz in der mit Verfügung vom 8. September 2010 ursprünglich angeordneten, zeitlich limitierten Leistungskürzung von 20 % eine zweifellose Unrichtigkeit im Sinne von Art. 53 Abs. 2 ATSG erblickt habe, habe sie gegen Bundesrecht verstossen. 5.3 Nach Art. 53 Abs. 2 ATSG kann der Versicherungsträger - oder im Beschwerdefall das Gericht - auf formell rechtskräftige BGE 148 V 195 S. 202 Verfügungen oder Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. Die Wiedererwägung im Sinne dieser Bestimmung dient der Korrektur einer anfänglich unrichtigen Rechtsanwendung einschliesslich unrichtiger Feststellung im Sinne der Würdigung des Sachverhalts, insbesondere bei einer klaren Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes. Zweifellose Unrichtigkeit meint dabei, dass kein vernünftiger Zweifel an der (von Beginn weg bestehenden) Unrichtigkeit der Verfügung möglich, also einzig dieser Schluss denkbar ist ( BGE 138 V 324 E. 3.3). Soweit ermessensgeprägte Teile der Anspruchsprüfung vor dem Hintergrund der Sach- und Rechtslage (einschliesslich der Rechtspraxis) im Zeitpunkt der rechtskräftigen Leistungszusprechung in vertretbarer Weise beurteilt worden sind, scheidet die Annahme zweifelloser Unrichtigkeit aus ( BGE 141 V 405 E. 5.2; Urteile 9C_212/2021 vom 22. Oktober 2021 E. 4.5.1; 8C_784/2020 vom 18. Februar 2021 E. 2.2). 5.4 5.4.1 Vorweg ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, dass das kantonale Gericht nicht die Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 8. September 2010, sondern jene vom 7. November 2013 als zweifellos unrichtig im Sinne von Art. 53 Abs. 2 ATSG betrachtete, mit welcher dem Beschwerdeführer eine Invalidenrente ohne Kürzung zugesprochen worden war. 5.4.2 Vergisst der Versicherungsträger anlässlich der ursprünglichen Leistungszusprache zu prüfen, ob ein Kürzungstatbestand gegeben ist, so ist die betreffende Verfügung zweifellos unrichtig im Sinne von Art. 53 Abs. 2 ATSG (vgl. betreffend den Kürzungstatbestand von Art. 21 Abs. 1 ATSG : Urteil 9C_174/2012 vom 30. August 2012 E. 4.2 in fine). 5.4.3 Gemäss Art. 54 StGB sieht die zuständige Behörde von einer Strafverfolgung, einer Überweisung an das Gericht oder einer Bestrafung ab, wenn der Täter durch die unmittelbaren Folgen seiner Tat so schwer betroffen ist, dass eine Strafe unangemessen wäre. Nach aArt. 4 Abs. 1 Ziff. 4 des Gesetzes des Kantons Bern vom 15. März 1995 über das Strafverfahren (StrV/BE; BSG 321.1) konnte von einer Strafverfolgung abgesehen werden, wenn das Bundesrecht dies vorsah. Gestützt auf aArt. 227 StrV/BE beantragte in einem solchen Fall die Untersuchungsbehörde der Staatsanwaltschaft, auf die Anzeige nicht einzutreten. Stimmte die Staatsanwaltschaft BGE 148 V 195 S. 203 dem Antrag zu, so wurde dieser zum Beschluss erhoben (aArt. 229 Abs. 1 Satz 1 StrV/BE). Dieses Gesetz wurde durch das Inkrafttreten der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO; SR 312.0) per 1. Januar 2011 aufgehoben. Gemäss Art. 8 Abs. 1 StPO sehen Staatsanwaltschaft und Gerichte von der Strafverfolgung ab, wenn das Bundesrecht es vorsieht, namentlich unter den Voraussetzungen der Art. 52, 53 und 54 StGB . Sie verfügen in diesen Fällen, dass kein Verfahren eröffnet oder das laufende Verfahren eingestellt wird (Abs. 4). Nach Art. 310 Abs. 1 lit. c StPO verfügt die Staatsanwaltschaft die Nichtanhandnahme, sobald aufgrund der Strafanzeige oder des Polizeirapports feststeht, dass aus den in Art. 8 genannten Gründen auf eine Strafverfolgung zu verzichten ist. Im Übrigen richtet sich das Verfahren gemäss Art. 310 Abs. 2 StPO nach den Bestimmungen über die Verfahrenseinstellung. 5.4.4 Nach Art. 320 Abs. 4 StPO kommt eine rechtskräftige Einstellungsverfügung einem freisprechenden Endentscheid gleich. Diese Gleichsetzung gilt über den Verweis von Art. 310 Abs. 2 StPO auch für die Nichtanhandnahme. Indessen versteht sich eine solche Gleichstellung mit einem freisprechenden Entscheid nicht undifferenziert, weil diese Entscheide nicht von einem Gericht, sondern von der Staatsanwaltschaft stammen. Zudem erlaubt es Art. 323 StPO unter weniger strengen als den für die Revision eines in Rechtskraft erwachsenen Urteils geltenden Voraussetzungen ( Art. 410 ff. StPO ) auf eine Nichtanhandnahme oder eine Einstellung zurückzukommen, wobei die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 323 StPO nach einer Nichtanhandnahme weniger streng sind als nach einer Einstellung. Folglich ist die Rechtskraft der Nichtanhandnahmeverfügung noch stärker eingeschränkt als die der Einstellungsverfügung (zum Ganzen: BGE 144 IV 81 E. 2.3.5 mit Hinweisen; vgl. auch SJ 2017 I S. 388, 8C_98/2016 E. 4.2.1; Urteile 6B_1100/2020 vom 16. Dezember 2021 E. 3.2; 6B_614/2015 vom 14. März 2016 E. 2.2.2; 6B_861/2015 vom 12. Februar 2016 E. 2; ESTHER OMLIN, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Bd. II, 2. Aufl. 2014, N. 7 zu Art. 310 StPO ; NIKLAUS OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, 4. Aufl. 2020, S. 559 Rz. 1814 f., S. 570 Rz. 1856). 5.4.5 Das Untersuchungsrichteramt IV Berner Oberland stellte am 15. März 2010 der Staatsanwaltschaft IV Berner Oberland den Antrag, es sei auf die Anzeige der Kantonspolizei Bern vom 11. August 2009 gegen den Beschwerdeführer wegen Überholens trotz BGE 148 V 195 S. 204 Gegenverkehr mit Behinderung, Überholens in einer unübersichtlichen Kurve oder vor Kuppe und mangelnder Aufmerksamkeit in Anwendung von Art. 4 Abs. 1 Ziff. 4 i.V.m. Abs. 2 StrV gestützt auf Art. 54 StGB nicht einzutreten. Zur Begründung wurde geltend gemacht, dass der Beschwerdeführer beim Unfall schwer verletzt worden sei. Die Staatsanwaltschaft gab diesem Antrag mit Beschluss vom 16. März 2010 statt. Die Strafverfolgungsbehörden haben somit von einer Verfolgung der Straftat gestützt auf Art. 54 StGB abgesehen, was der Beschwerdegegnerin nach Aktenlage bekannt war. 5.5 5.5.1 In wiedererwägungsrechtlicher Hinsicht gilt es nach dem Gesagten zu berücksichtigen, dass die Allianz im Zeitpunkt der rentenzusprechenden Verfügung vom 7. November 2013 unbestritten Kenntnis vom Nichteintretensbeschluss der Staatsanwaltschaft IV Berner Oberland vom 16. März 2010 hatte. Gemäss dem am 19. November 2011, d.h. vor der leistungszusprechenden Verfügung, ergangenen Grundsatzentscheid des Bundesgerichts zu Art. 25 Abs. 2 ATSG ( BGE 138 V 74 ; vgl. zuletzt auch Urteil 9C_148/2020 vom 2. Juli 2020 E. 4.6.3) ist sodann die über den Rückforderungsanspruch befindende Behörde an eine Einstellungsverfügung der Strafverfolgungsbehörde gebunden, wenn die Verfügung die gleiche definitive Wirkung wie ein freisprechendes Urteil hat. Eine Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft kommt schliesslich gemäss der zur am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen StPO ergangenen Rechtsprechung, ebenso wie eine rechtskräftige Einstellungsverfügung, einem freisprechenden Endentscheid gleich, wobei das Verfahren nur unter den Voraussetzungen von Art. 323 Abs. 1 StPO wiederaufgenommen werden kann (vgl. E. 5.4.4 hiervor). 5.5.2 Zwar war vorliegend kein Rückforderungsanspruch Gegenstand der Verfügung vom 7. November 2013, sondern eine Rentenzusprechung. Der Kürzungstatbestand von Art. 37 Abs. 3 UVG knüpft aber - gleich wie die Anwendung der längeren strafrechtlichen Verjährungsfrist im Falle einer Rückforderung - an eine Straftat an, so dass nicht einzusehen ist, weshalb eine Bindungswirkung nur im Bereich von Art. 25 Abs. 2 ATSG , nicht aber im Rahmen von Art. 37 Abs. 3 UVG bestehen soll. 5.5.3 Damit kann vor dem Hintergrund der Sach- und Rechtslage (einschliesslich der Rechtspraxis) im Zeitpunkt der rechtskräftigen BGE 148 V 195 S. 205 Leistungszusprechung (vgl. E. 5.3 hiervor) jedenfalls nicht gesagt werden, die Verfügung vom 7. November 2013 sei zweifellos unrichtig, weil die Beschwerdegegnerin darin von einer Kürzung der Invalidenrente gemäss Art. 37 Abs. 3 UVG abgesehen habe. Es fällt im Übrigen auf, dass die Allianz selber von einer Wiedererwägung des Einspracheentscheids vom 12. November 2010 betreffend Kürzung der Taggeldleistungen gestützt auf Art. 37 Abs. 2 UVG absah, obwohl sie im Rechtsmittelverfahren vor dem Verwaltungsgericht vor ergangenem Beschwerderückzug noch eine Schlechterstellung des Beschwerdeführers im Sinne einer Kürzung nach Art. 37 Abs. 3 UVG beantragt hatte (vgl. Sachverhalt Bst. A.a). 5.5.4 An diesem Ergebnis ändert auch der Verweis der Vorinstanz auf BGE 129 V 354 nichts: Dort hielt das ehemalige Eidgenössische Versicherungsgericht zwar fest, eine gestützt auf Art. 66 bis StGB (entspricht dem heutigen Art. 54 StGB ) verfügte Einstellung des Strafverfahrens bedeute nicht, dass sich der Beschwerdeführer keiner Vergehen im Sinne von Art. 91 Abs. 1 und Art. 94 Ziff. 1 SVG schuldig gemacht habe (E. 3.2). Für eine Leistungskürzung gemäss (dem damals geltenden) Art. 7 Abs. 1 IVG genüge, dass der Versicherte unbestrittenermassen Straftatbestände erfüllt habe, welche als Vergehen im Sinne des StGB gälten. Es würde zu stossenden Rechtsungleichheiten führen, wenn Versicherte, die gestützt auf Art. 66 bis StGB von Bestrafung befreit werden, nicht unter die Kürzungsregel fallen würden. In BGE 138 V 74 hielt das Bundesgericht aber fest, dass die über den Rückforderungsanspruch befindende Behörde an eine Einstellungsverfügung der zuständigen strafrechtlichen Untersuchungsbehörden gebunden sei, wenn sie die gleiche definitive Wirkung wie ein freisprechendes Urteil habe (vgl. bereits Urteil K 70/06 vom 30. Juli 2007 E. 6.2 und 6.4, nicht publ. in: BGE 133 V 579 , aber in: SVR 2008 KV Nr. 4 S. 11). Es hat zudem klargestellt, dass die verfassungsmässigen Anforderungen an die Beweiswürdigung im Strafprozess (Unschuldsvermutung und der davon abgeleitete Grundsatz "in dubio pro reo") auch im sozialversicherungsrechtlichen Rückerstattungsverfahren gälten. Mit Blick auf diese Erwägungen kann auch mit Verweis auf BGE 129 V 354 nicht gesagt werden, es bestehe kein vernünftiger Zweifel an der Unrichtigkeit der Verfügung vom 7. November 2013. 5.5.5 Entgegen den vorinstanzlichen Erwägungen sind demnach die Voraussetzungen für eine Wiedererwägung gemäss Art. 53 Abs. 2 ATSG nicht erfüllt. Daran ändert schliesslich auch nichts, dass die BGE 148 V 195 S. 206 Beschwerdegegnerin mit Verfügung vom 8. September 2010 aufgrund von Art. 37 Abs. 2 UVG die Taggeldleistungen um 20 % gekürzt hatte. Denn eine Kürzung nach dieser Bestimmung setzt nicht das Vorliegen eines Vergehens oder Verbrechens voraus. Es genügt bereits, dass die versicherte Person den Unfall durch ein grobfahrlässiges Handeln verursacht hat. 6. Zu prüfen bleibt, ob die von der Beschwerdegegnerin im Rahmen der Rentenrevision nach Art. 17 Abs. 1 ATSG vorgenommene Leistungskürzung vor Bundesrecht stand hält, was der Beschwerdeführer bestreitet. 6.1 Ändert sich der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines Rentenbezügers erheblich, so wird die Rente gemäss der bis Ende 2021 geltenden und hier anwendbaren Fassung von Art. 17 Abs. 1 ATSG (zu den allgemeinen intertemporalrechtlichen Grundsätzen: vgl. BGE 144 V 210 E. 4.3.1; BGE 139 V 335 E. 6.2) von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft entsprechend erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben. 6.2 Es ist unbestritten, dass aufgrund der Verschlechterung des Gesundheitszustands des Beschwerdeführers ein Revisionsgrund vorliegt, so dass der Rentenanspruch in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassend "allseitig" zu prüfen ist, wobei keine Bindung an frühere Beurteilungen besteht ( BGE 141 V 9 E. 2.3). Die Beschwerdegegnerin hatte in ihrer Verfügung vom 7. Februar 2018 die Invalidenrente gestützt auf diese Rechtsprechung gekürzt, obschon sie im Rahmen der erstmaligen Rentenzusprache von einer solchen Kürzung noch abgesehen hatte. Die Vorinstanz liess offen, ob dies zulässig ist, da sie wie dargelegt mit Bezug auf die Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 7. November 2013 die Voraussetzungen der Wiedererwägung gemäss Art. 53 Abs. 2 ATSG bejahte. 6.3 Die Frage, ob ein Kürzungstatbestand gemäss Art. 37 Abs. 3 UVG gegeben ist, betrifft - anders als etwa die Frage der Arbeitsfähigkeit oder der Adäquanz (vgl. betreffend Letztere: SVR 2017 UV Nr. 41 S. 141, 8C_833/2016 E. 5.1; 2018 UV Nr. 3 S. 9, 8C_147/2017 E. 3.2) - einen zeitlich abgeschlossenen Sachverhalt, der einer neuerlichen Überprüfung im Rahmen eines Revisionsverfahrens entzogen bleibt (THOMAS FLÜCKIGER, in: Basler Kommentar, Allgemeiner Teil des Sozialversicherungsrechts, 2020, N. 56 zu Art. 17 ATSG mit Hinweis auf BGE 136 V 369 E. 3.1.1; vgl. BGE 148 V 195 S. 207 auch ALFRED MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, 1989, S. 391; im gleichen Sinne wohl auch MARGIT MOSER-SZELESS, in: Commentaire romand, Loi sur la partie générale des assurances sociales [LPGA], 2018, N. 27 zu Art. 17 ATSG ). So hat das Bundesgericht im Fall einer revisionsweisen Rentenerhöhung entschieden, dass der versicherte Verdienst als Rentenberechnungsfaktor zu den im Zeitpunkt der Verfügung resp. des Einspracheentscheids zeitlich abgeschlossenen Sachverhalten zähle. Als solcher habe er folglich an der Rechtskraft und der damit verbundenen Rechtsbeständigkeit teil und könne im Rahmen einer (allein auf den Invaliditätsgrad abzielenden) Revision des Rentenanspruchs im Sinne einer Anpassung für die Zukunft ("ex nunc et pro futuro") selbst im Rahmen einer allseitigen Prüfung des Rentenanspruchs nicht korrigiert werden (vgl. BGE 147 V 213 E. 6.2.2 mit Hinweisen). Als Möglichkeit verbleibe lediglich der Weg der prozessualen Revision ( Art. 53 Abs. 1 ATSG ) oder derjenige der Wiedererwägung ( Art. 53 Abs. 2 ATSG ). In Bezug auf die hier streitige Leistungskürzung verhält es sich genau gleich. Diese ist denn auch von vornherein nicht geeignet, den Invaliditätsgrad zu beeinflussen ( Art. 17 Abs. 1 ATSG ). 6.4 Da ein Zurückkommen auf das statische Begründungselement der Leistungskürzung (vgl. FLÜCKIGER, a.a.O.) unter dem Titel der Wiedererwägung nach dem bisher Gesagten vorliegend scheitert (vgl. E. 5.5 hiervor) und eine prozessuale Revision nicht zur Diskussion steht, bleibt für die von der Beschwerdegegnerin vorgenommene und von der Vorinstanz bestätigte Leistungskürzung kein Raum. 6.5 Im Übrigen scheint zumindest fraglich, ob der vorfrageweisen Prüfung des Straftatbestands von Art. 90 Abs. 2 SVG nicht die strafrechtlichen Verjährungsbestimmungen entgegenstünden. Gemäss der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmung von aArt. 97 Abs. 1 lit. c StGB verjährte die Strafverfolgung einer groben Verkehrsregelverletzung gemäss Art. 90 Abs. 2 SVG in sieben Jahren. Nach der geltenden Bestimmung von Art. 97 Abs. 1 lit. c StGB verjährt die erwähnte Straftat in 10 Jahren. Da sich der Unfall am 5. August 2009 ereignete und zudem die geltenden Verjährungsbestimmungen nicht milder sind ( Art. 2 Abs. 2 StGB ), ist das alte Recht anwendbar (vgl. Urteil 6B_85/2021 vom 26. November 2021 E. 17.3). Der Eintritt der Verfolgungsverjährung ist von Amtes BGE 148 V 195 S. 208 wegen und - unter Vorbehalt der Revision zu Gunsten des Beschuldigten - in jedem Verfahrensstadium zu beachten ( BGE 129 IV 49 E. 5.4; BGE 116 IV 80 E. 1). So verfügt die Staatsanwaltschaft gemäss Art. 310 Abs. 1 lit. b StPO die Nichtanhandnahme, sobald auf Grund der Strafanzeige oder des Polizeirapports feststeht, dass Verfahrenshindernisse bestehen. Dazu gehört vorab die Verjährung (OMLIN, a.a.O., N. 10 zu Art. 310 StPO ). Wenn es somit zufolge eingetretener Verfolgungsverjährung den Strafbehörden untersagt ist, eine Straftat zu beurteilen, so liegt der Schluss nahe, dass dies auch für die Behörden der Sozialversicherung gilt, welche vorfrageweise das Vorliegen einer Straftat prüfen, um daran sozialversicherungsrechtliche Folgen zu knüpfen. Vorliegend verjährte die Strafverfolgung betreffend allfälliger im Zusammenhang mit dem Unfall vom 5. August 2009 vom Beschwerdeführer begangener Straftaten am 5. August 2016. Ob und inwieweit die Beschwerdegegnerin bei diesen Gegebenheiten in ihrer Verfügung vom 7. Februar 2018 vorfrageweise prüfen durfte, ob der Beschwerdeführer durch sein Fahrverhalten, das den folgenschweren Unfall verursachte, den Straftatbestand der groben Verkehrsregelverletzung gemäss Art. 90 Abs. 2 SVG erfüllt hat, muss hier nicht weiter vertieft werden. Immerhin sei erwähnt, dass das Bundesgericht in einem jüngeren Urteil eine Bindungswirkung dergestalt bejahte, dass die über den Rückforderungsanspruch befindende Behörde an eine Einstellungsverfügung der zuständigen strafrechtlichen Untersuchungsbehörde wegen Verjährung gebunden war (vgl. Urteil 9C_148/2020 vom 2. Juli 2020 E. 4.4 und 4.6; vgl. demgegenüber hinsichtlich der Anwendung der längeren strafrechtlichen Verjährungsfrist gemäss Art. 60 Abs. 2 OR : BGE 136 III 502 E. 6.3.1 mit Hinweisen).
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Sachverhalt ab Seite 137 BGE 130 III 136 S. 137 A. A., citoyen hollandais domicilié à Monaco et propriétaire d'un immeuble à Gstaad, est le père de deux filles nées respectivement en 1994 et en 1996. Elles sont issues d'une liaison avec une ressortissante espagnole, née à Genève et domiciliée à Z. (Espagne). Le 21 août 1998, la mère des enfants a déposé plainte auprès de la police de son quartier en dénonçant le fait que leur père les avait enlevés, ce qui a donné lieu à une procédure pénale confiée à la Juge d'instruction B., en fonction à Z. Le 2 mai 2000, cette dernière a émis un mandat d'arrêt international à l'encontre de A. Le 21 septembre 2000, celui-ci a été arrêté à la frontière de Bardonnex, Genève, et placé en détention extraditionnelle jusqu'au 8 décembre 2000, date de sa libération par la Chambre d'accusation du Tribunal fédéral, moyennant le dépôt d'une caution de 1 million de francs et un contrôle de présence. A. a néanmoins quitté la Suisse et s'est rendu à Monaco, où ses deux filles sont scolarisées. A. a recouru contre l'ordonnance d'écrou du Juge d'instruction de Z., du 25 septembre 2000, devant la Cour d'appel de Malaga, qui a rejeté le recours le 20 avril 2001. BGE 130 III 136 S. 138 Par arrêt du 2 avril 2001, le Tribunal fédéral a écarté un recours de droit administratif contre la décision d'extradition de A. à l'Espagne, prise le 10 janvier 2001 par l'Office fédéral de la justice. Le 26 juin 2001, A. a requis du Conseil général du pouvoir judiciaire espagnol une procédure disciplinaire contre deux juges du Tribunal de Z., dont B. Le 18 décembre 2001, la procédure a été classée sans suite, décision communiquée à B. le 5 mars 2002. B. Le 9 juillet 2001, A. a ouvert action devant le Tribunal de première instance de Genève contre B. en paiement de 15'800 fr. à titre d'indemnité pour les 79 jours de détention extraditionnelle subis, à raison de 200 fr. par jour. Il a reproché, en substance, à la juge espagnole d'avoir décerné contre lui un mandat d'arrêt international en violation de la loi. B. a contesté sa légitimation passive et soulevé des exceptions d'incompétence ratione loci et materiae. Elle a invoqué le bénéfice de l'immunité de juridiction. Par jugement du 7 novembre 2002, le tribunal s'est déclaré compétent, à raison de la matière, pour connaître de l'action susmentionnée. Saisie d'un appel de B., la Cour de justice a annulé le jugement entrepris et déclaré irrecevable l'action introduite par A., par arrêt du 16 mai 2003. Elle a retenu principalement que la Convention de Lugano (CL; RS 0.275.11) ne s'appliquait pas aux actions en responsabilité ouvertes contre un magistrat ou un fonctionnaire, qui relèvent du droit public, ce qui est le cas à Genève. Il en allait de même en Espagne, selon les art. 411 et 412 de la loi espagnole d'organisation judiciaire. Le droit public obéissant avant tout au principe de la territorialité, les tribunaux genevois ne sauraient se prononcer sur d'éventuels manquements imputables au juge d'instruction de Z. La règle de renvoi de l' art. 133 LDIP à la loi du pays où s'est produit de manière prévisible le dommage causé par l'acte illicite (Suisse, Genève) n'entrait pas en ligne de compte au profit du droit espagnol, à teneur de l'art. 413 ch. 1 de la loi d'organisation judiciaire de ce pays. Enfin, comme la procédure pénale était encore pendante, l'action en responsabilité était de toute manière prématurée. C. Parallèlement à un recours de droit public, qui a été déclaré irrecevable par arrêt séparé de ce jour, A. dépose un recours en réforme. Il conclut à l'annulation de l'arrêt de la Cour de justice et au renvoi du dossier à cette autorité pour nouvelle décision. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours en réforme. BGE 130 III 136 S. 139
888
781
Erwägungen Extrait des considérants: 1. 1.1 La Cour de justice a statué que l'action intentée par le demandeur était irrecevable devant les juridictions genevoises pour cause d'incompétences locale et matérielle, en application de la CL, subsidiairement de l' art. 133 LDIP . S'agissant de normes de droit fédéral sur la compétence, qui incluent d'ailleurs les règles sur l'immunité de juridiction reconnue aux Etats étrangers, susceptibles d'entrer aussi en ligne de compte dans le cas particulier ( ATF 124 III 382 consid. 2a in fine p. 386 et les arrêts cités), leur violation peut donc donner lieu à un recours en réforme ( art. 43 al. 1 OJ ). Déniant la compétence locale et matérielle des juridictions genevoises, la cour cantonale a exclu définitivement que la même action puisse être introduite entre les mêmes parties devant les tribunaux de ce canton, rendant par-là une décision finale, qui est à ce titre sujette à recours ( ATF 115 II 237 consid. 1b; BERNARD CORBOZ, Le recours en réforme au Tribunal fédéral, in SJ 2000 II p. 11). A l'inverse d'ailleurs, si la cour cantonale avait admis la compétence des tribunaux genevois, il se fût agi d'une décision incidente sur la compétence ( ATF 126 III 327 consid. 1c et les références), également susceptible d'un recours en réforme immédiat ( art. 49 al. 1 et art. 48 al. 3 OJ ). 1.2 Dans un recours en réforme, qui ne doit pas être confondu avec un recours cassatoire, le recourant ne doit pas se borner à demander l'annulation de la décision attaquée, mais il doit également, en principe, prendre des conclusions sur le fond du litige; il n'est fait exception à cette règle que lorsque le Tribunal fédéral, en cas d'admission du recours, ne serait de toute manière pas en situation de statuer lui-même sur le fond et ne pourrait que renvoyer la cause à l'autorité cantonale ( ATF 125 III 412 consid. 1b; ATF 111 II 384 consid. 1; ATF 106 II 201 consid. 1). En l'espèce, les constatations cantonales sont insuffisantes pour permettre au Tribunal fédéral de statuer lui-même sur le fond de l'action en responsabilité, que la cour cantonale n'a pas abordé. Dans ces conditions, les conclusions formulées par le demandeur sont admissibles. 1.3 Eu égard à la valeur litigieuse, de 15'800 fr., le recours en réforme est en principe recevable puisqu'il dépasse le seuil de 8'000 fr. BGE 130 III 136 S. 140 fixé à l' art. 46 OJ ; de plus, il a été formé en temps utile ( art. 54 al. 1 OJ ) et dans les formes requises ( art. 55 OJ ). 1.4 Saisi d'un recours en réforme, le Tribunal fédéral conduit son raisonnement juridique sur la base des faits contenus dans la décision attaquée, à moins que des dispositions fédérales en matière de preuve n'aient été violées, qu'il faille rectifier des constatations reposant sur une inadvertance manifeste ( art. 63 al. 2 OJ ) ou compléter les constatations de l'autorité cantonale parce que celle-ci n'a pas tenu compte de faits pertinents et régulièrement allégués ( art. 64 OJ ). Dans la mesure où la partie recourante présente un état de fait qui s'écarte de celui contenu dans la décision attaquée, sans se prévaloir avec précision de l'une des exceptions qui viennent d'être rappelées, il n'est pas possible d'en tenir compte. Il ne peut être présenté de griefs contre les constatations de fait, ni de faits ou de moyens de preuve nouveaux ( art. 55 al. 1 let . c OJ). Le recours en réforme n'est donc pas ouvert pour se plaindre de l'appréciation des preuves et des constatations de fait qui en découlent. Dans son examen du recours, le Tribunal fédéral ne peut aller au-delà des conclusions des parties, lesquelles ne peuvent en prendre de nouvelles ( art. 55 al. 1 let. b OJ ); en revanche, il n'est lié ni par les motifs que les parties invoquent ( art. 63 al. 1 OJ ), ni par l'argumentation juridique de la cour cantonale ( art. 63 al. 3 OJ ). Il peut donc admettre un recours pour d'autres motifs que ceux invoqués par la partie recourante et peut également rejeter un recours en adoptant une autre argumentation juridique que celle retenue par la cour cantonale ( ATF 127 III 248 consid. 2c et les références citées). 2. Le demandeur fait tout d'abord grief à la cour cantonale d'avoir écarté l'applicabilité de l' art. 5 ch. 3 CL et d'avoir ignoré l' art. 129 al. 2 LDIP , au motif que l'action en responsabilité ouverte à Genève contre la juge d'instruction espagnole relevait du droit public. De plus, la cour cantonale n'est pas entrée en matière sur l'exception d'immunité de juridiction, avancée à l'appui de l'appel. 2.1 Même si elle ne relève pas de l'ordre public, la question de l'immunité de juridiction, que le juge ne peut pas soulever d'office mais qu'il doit trancher lorsqu'elle est invoquée, doit être examinée d'entrée de cause, avant de procéder sur le fond ( ATF 124 III 382 consid. 3b p. 387 et les références), ceci d'autant plus que le Tribunal fédéral n'est pas lié par les motifs que les parties plaident, à BGE 130 III 136 S. 141 teneur de l' art. 63 al. 1 OJ , et qu'il peut adopter une autre argumentation juridique que celle retenue par la cour cantonale. L'Etat souverain, disposant de la personnalité juridique de droit international, est le titulaire par excellence des immunités de l'Etat étranger (JOLANTA KREN KOSTKIEWICZ, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, Berne 1998, p. 348) qui présentent deux aspects, l'immunité de juridiction et l'immunité d'exécution, cette dernière étant en général la simple conséquence de l'autre ( ATF 124 III 382 consid. 4a in fine p. 389). Les immunités de l'Etat sont destinées à garantir le respect de sa souveraineté lorsque ses agents, sa législation ou ses biens sont en rapport direct avec la souveraineté territoriale d'un autre Etat. L'absence de toute hiérarchie entre les Etats exclut que l'un d'entre eux soit soumis à des actes d'autorité, y compris juridictionnels, d'un autre Etat, conformément à la maxime selon laquelle "par in parem non habet jurisdictionem", les immunités étant une exception au principe de la souveraineté territoriale (PATRICK DAILLIER/ Alain Pellet, Droit international public, 7 e éd., Paris 2002, p. 450/451; ALFRED VERDROSS/BRUNO SIMMA, Universelles Völkerrecht, Theorie und Praxis, 3 e éd., Berlin 1984, § 1168 p. 763). Comme l'Etat étranger agit par l'intermédiaire de ses organes, qui ne possèdent pas eux-mêmes la personnalité juridique de droit international, le comportement de ces derniers est imputé à l'Etat lui-même, qu'il s'agisse d'un ministère, d'un département, d'un office, d'une représentation diplomatique ou encore d'autres entités dépendantes de l'Etat (KREN KOSTKIEWICZ, op. cit., p. 350). Aujourd'hui, l'immunité de juridiction est comprise selon la théorie de l'immunité restreinte, qui n'est garantie qu'en rapport à des actes de souveraineté (jure imperii), l'Etat étranger ne pouvant se soustraire aux tribunaux pour ce qui concerne ses actes de gestion (jure gestionis), telle que l'a reconnue pour la première fois la Cour de cassation de Belgique en 1903 (JOE VERHOEVEN, Droit international public, Bruxelles 2000, p. 736/737; VERDROSS/SIMMA, op. cit., § 1169 p. 763/764; EMMANUEL DECAUX, Droit international public, 3 e éd., Paris 2002, n. 352 p. 291; PIERRE-MARIE DUPUY, Droit international public, 5 e éd., Paris 2000, n. 115 p. 115; BEATRICE BRANDENBERG BRANDL, Direkte Zuständigkeit der Schweiz im internationalen Schuldrecht, Thèse St-Gall 1991, p. 56/57; JEAN-FRANÇOIS EGLI, L'immunité des Etats étrangers et de leurs agents dans la jurisprudence du Tribunal fédéral, in Centenaire de la LP, Zurich 1989, BGE 130 III 136 S. 142 p. 206). Dès 1918, le Tribunal fédéral s'est rallié à cette conception restreinte ou restrictive de l'immunité des Etats, le critère de la na-ture intrinsèque de l'opération envisagée étant déterminant pour savoir si l'acte fondant la créance litigieuse relève de la puissance publique ou s'il s'agit d'un rapport juridique inscrit dans une activité économique privée, l'Etat étranger intervenant par ses organes dans cette dernière au même titre qu'un particulier ( ATF 124 III 382 consid. 4a p. 388/389 et les références; MÜLLER/WILDHABER, Praxis des Völkerrechts, 3 e éd., Berne 2001, p. 444/445; MALCOLM N. SHAW, International law, 4 e éd., Cambridge 1997, p. 500/501). Agissant au nom de l'Etat étranger, les organes bénéficient de l'immunité de juridiction dans l'Etat du for lorsqu'ils accomplissent, dans leur fonction, des actes de souveraineté à l'occasion desquels une action en justice dirigée contre eux doit être considérée comme une action dirigée contre leur propre Etat (VERDROSS/SIMMA, op. cit., § 1177 p. 773). Ainsi, à côté de l'immunité de juridiction traditionnellement reconnue au personnel diplomatique et consulaire, (KREN KOSTKIEWICZ, op. cit., p. 76 ss) ainsi qu'aux chefs d'Etats et autres membres de gouvernements (KREN KOSTKIEWICZ, op. cit., p. 90 ss), le cercle des bénéficiaires de l'immunité d'Etat s'élargit. En effet, il arrive que l'immunité soit accordée même quand l'action n'est pas directement engagée contre l'Etat en son nom propre, mais contre le gouvernement d'un Etat souverain, contre le souverain, contre le chef d'Etat ou contre l'un des organes, ministère ou département du gouvernement, ou contre ses organes subsidiaires, voire contre des organismes ou des institutions de l'Etat, en raison d'actes accomplis dans l'exercice des prérogatives de la puissance publique (SOMPONG SUCHARITKUL, L'immunité des Etats, in Droit international, Bilan et perspectives, t.1, Paris 1991, p. 347 ss, 351/352). En ce qui concerne l'immunité des Etats étrangers, et singulièrement l'immunité de juridiction, il faut donc entendre par "Etat étranger", outre la personne étatique elle-même, toute autorité devant être considérée comme un démembrement de l'Etat, délégataire ou dépositaire des fonctions qu'il entend exercer, en application directe de ses compétences en tant qu'Etat souverain, au bénéfice de sa "puissance publique", pour reprendre une terminologie du droit interne (PIERRE-MARIE DUPUY, op. cit., n. 115 p. 115, déjà cité). Seuls sont exclus de l'immunité les agents intervenant secrètement à l'étranger au service d'un Etat, par exemple pour fait d'espionnage BGE 130 III 136 S. 143 (VERDROSS/SIMMA, op. cit., § 1177 p. 773/774, note 52) ou d'homicide intentionnel (IGNAZ SEIDL-HOHENVELDERN, L'immunité de juridiction et d'exécution des Etats et des organisations internationales, in Droit international 1, Paris 1981, p. 113 ss, 114). 2.2 En l'espèce, la défenderesse, en sa qualité de juge d'instruction espagnole, est chargée de conduire une procédure pénale pour prévention de soustraction de mineurs au sens des art. 223 et 226 du Code pénal espagnol, contre le demandeur, dans le ressort judiciaire du Tribunal de Z. A cette occasion, la juge d'instruction a décerné un mandat d'arrêt international qui a ensuite donné lieu à la diffusion d'une demande d'arrestation en vue d'extradition visant le demandeur. Ainsi, la juge d'instruction de Z. a exercé, dans le cadre de ses compétences, un acte d'autorité exprimant en cette matière la souveraineté de l'Espagne, en procédant conformément à la Convention européenne d'extradition du 13 décembre 1957 (CEExtr; RS 0.353.1), à laquelle le Royaume d'Espagne et la Confédération suisse sont parties. La délivrance du mandat d'arrêt international est caractéristiquement un acte d'un magistrat espagnol exerçant dans son domaine et à son niveau la puissance publique du Royaume d'Espagne; à ce titre, la juge d'instruction n'est susceptible de rendre compte de l'exercice de ses fonctions qu'à ce dernier. Dans ce sens, en vertu du principe d'égalité des Etats et de l'absence de hiérarchie entre eux, il n'y a pas lieu de soumettre à un tribunal suisse le contrôle des agissements d'une juge d'instruction espagnole dans l'accomplissement des tâches de droit public que lui a confiées l'Etat espagnol. La juge d'instruction, ayant agi comme délégataire de la souveraineté du Royaume d'Espagne dans le domaine de la répression des infractions et de l'application des codes pénal et de procédure pénale, peut invoquer avec succès le principe de l'immunité de juridiction à l'égard de l'Etat du for, dans la mesure où l'action en responsabilité civile introduite devant les tribunaux genevois contre elle touche en fait le fonctionnement de la justice pénale de l'Espagne et la jurisprudence de ce pays. Il s'ensuit que la Chambre civile de la Cour de justice de Genève était fondée à déclarer irrecevable l'action ouverte par le demandeur contre la juge d'instruction espagnole, défenderesse, de sorte que l'arrêt cantonal du 16 mai 2003 sera confirmé. BGE 130 III 136 S. 144 2.3 Le présent arrêt ne porte que sur la compétence matérielle et locale des juridictions genevoises. Il ne préjuge pas d'une action que le demandeur déciderait d'introduire en Espagne.
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Sachverhalt ab Seite 254 BGE 80 I 254 S. 254 A.- Am 5. Oktober 1953 unternahm der Offizier X. mit seinem Instruktorenwagen eine Dienstfahrt auf der Überlandstrasse Zürich-Bern. Als er auf dem Mutschellenpass einen Lastenzug überholen wollte, stiess er mit dem entgegenkommenden Automobil des Zivilisten Sch. zusammen. Der Polizeiposten Bremgarten verzeigte Sch. wegen Übertretung des Art. 25 MFG und X. wegen Widerhandlung gegen Art. 46 MFV . Nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens überwies die aargauische Staatsanwaltschaft die Akten dem Oberauditor der Armee mit dem Antrag auf Einleitung eines militärgerichtlichen Verfahrens gegen BGE 80 I 254 S. 255 den Offizier wegen Vergehens im Sinne von Art. 169 bis Ziff. 2 MStG ; der Oberauditor beantragte Durchführung einer vorläufigen Beweisaufnahme. Das eidg. Militärdepartement nahm an, aus den Akten ergebe sich, dass X. nicht nur der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs nach Art. 169 bis MStG , sondern auch der Widerhandlung gegen das MFG beschuldigt sei. Es übertrug die Beurteilung beider strafbarer Handlungen dem bürgerlichen Richter (Verfügung vom 1. Dezember 1953). Mit Verfügung vom 3. Dezember 1953 stellte hierauf die aargauische Staatsanwaltschaft die Untersuchung gegen Sch. ein und überwies die Akten dem Bezirksgericht Bremgarten mit dem Antrag, X. "wegen fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs gemäss Art. 169 bis Ziff. 2 MStG (begangen durch Widerhandlung gegen Art. 46 MFV )" disziplinarisch mit drei Tagen scharfen Arrests zu bestrafen. Vor Gericht beantragte der Verteidiger des Angeschuldigten, dieser sei freizusprechen, eventuell nicht mit Arrest zu bestrafen. Am 4. März 1954 verurteilte das Bezirksgericht Bremgarten X. gemäss dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft. Der Angeschuldigte zog das Urteil an das Obergericht des Kantons Aargau weiter mit dem Antrag auf Freisprechung, eventuell Verurteilung bloss wegen Übertretung des MFG zu einer Busse, weiter eventuel Bestrafung nur mit einer Busse oder einem Verweis. B.- Am 10. Juni 1954 hat X. beim Bundesgericht Kompetenzkonfliktsbeschwerde eingereicht mit dem Antrag, das dem bürgerlichen Richter übertragene Strafverfahren gegen ihn sowie das Urteil des Bezirksgerichts und das vor Obergericht hängige Beschwerdeverfahren aufzuheben und die Zuständigkeit der Militärgerichtsbarkeit festzustellen. Er macht geltend, sowohl die aargauische Staatsanwaltschaft als auch das Bezirksgericht gingen davon aus, dass die Widerhandlung gegen Art. 46 MFV durch das Vergehen nach Art. 169 bis MStG konsumiert sei; sie beschuldigten ihn also nicht mehrerer strafbarer BGE 80 I 254 S. 256 Handlungen, die teils der militärischen, teils der bürgerlichen Gerichtsbarkeit unterständen. Die Verfügung des eidg. Militärdepartements vom 1. Dezember 1953 widerspreche deshalb Art. 221 MStG ; auf jeden Fall sei sie hinfällig geworden. C.- Der Oberauditor der Armee beantragt Gutheissung der Beschwerde. Für seine Auffassung, dass darauf einzutreten sei, beruft er sich aufBGE 76 I 192. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau stellt den Antrag, auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventuell sie abzuweisen. Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.
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Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Es liegt kein aktueller (sei es positiver oder negativer) Kompetenzkonflikt zwischen militärischer und bürgerlicher Gerichtsbarkeit vor; denn die Zuständigkeit wird wohl von den bürgerlichen, nicht aber von den militärischen Behörden in Anspruch genommen. Mit der Verfügung vom 1. Dezember 1953, durch die das eidg. Militärdepartement entgegen den Anträgen der aargauischen Staatsanwaltschaft und des Oberauditors der Armee die Beurteilung des Beschwerdeführers ausschliesslich dem bürgerlichen Richter übertragen hat, haben sich alle beteiligten Behörden abgefunden. Zwar beantragt der Oberauditor heute Gutheissung der Beschwerde des Angeschuldigten; doch erhebt er nicht etwa seinerseits den Kompetenzkonflikt nach Art. 223 MStG . Zu den Anständen über die Zuständigkeit der militärischen und bürgerlichen Gerichtsbarkeit im Sinne dieser Bestimmung gehört indessen nach ständiger Praxis auch der sog. virtuelle Kompetenzkonflikt, d.h. der Fall, wo zwischen den beidseitigen Behörden kein Streit über die Zuständigkeit besteht, wo aber der Angeschuldigte geltend macht, in Wahrheit sei nicht die gegen ihn vorgehende, sondern die andere Behörde zuständig; deshalb hat das Bundesgericht, wie schon der Bundesrat unter der Herrschaft BGE 80 I 254 S. 257 des Art. 8 MStGO, in solchen Fällen dem Angeschuldigten das Beschwerderecht zuerkannt ( BGE 66 I 161 undBGE 61 I 119ff., insbesondere 123/124; vgl. auch KIRCHHOFER, Der Kompetenzkonflikt im Verhältnis der militärischen und der bürgerlichen Gerichtsbarkeit, in Schweiz. Zeitschrift für Strafrecht, Jg. 46, S. 1 ff., namentlich 7, 17 und 29). Die Erhebung der Kompetenzkonfliktsbeschwerde durch den Angeschuldigten ist aber an zeitliche Schranken gebunden, und er kann das Recht dazu durch sein Verhalten verwirken. Für den Fall, wo er durch die Militärbehörden verfolgt wird, hat das Bundesgericht mit Rücksicht auf die Raschheit des militärgerichtlichen Verfahrens erkannt, dass er den Kompetenzkonflikt nur bis zur Hauptverhandlung erheben kann ( BGE 66 I 62 ). Wird er dagegen von den bürgerlichen Behörden verfolgt, so steht ihm nach der Rechtsprechung das Beschwerderecht solange zu, als er nicht durch sein Verhalten klar zum Ausdruck gebracht hat, dass er sich der ordentlichen Gerichtsbarkeit unterwerfe ( BGE 63 I 184 ; ebenso KIRCHHOFER, a.a.O., S. 38/39). 2. X. hat die Zuständigkeit der bürgerlichen Gerichte während des ganzen vor dem Bezirksgericht Bremgarten gegen ihn durchgeführten Verfahrens nie bestritten, obwohl ihm schon aus der Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 3. Dezember 1953 bekannt war, dass die Untersuchung gegen den mitbeteiligten Zivilisten eingestellt war und die Anschuldigung gegen ihn selbst auf "fahrlässige Störung des öffentlichen Verkehrs gemäss Art. 169 bis Ziff. 2 MStG (begangen durch Widerhandlung gegen Art. 46 MFV )" lautete. Vielmehr richtete er durch seinen Verteidiger verschiedene Eingaben an jenes Gericht, worin er u.a. auf die Anwendbarkeit des Militärstrafrechts hinwies; ferner nahm er an der Gerichtsverhandlung vom 18. Februar 1954 teil und liess darin die Anträge auf Freisprechung, eventuell Bestrafung nicht mit Arrest, stellen. Damit hat er unzweideutig die bürgerliche Gerichtsbarkeit anerkannt. BGE 80 I 254 S. 258 Erst nachdem er vom Bezirksgericht Bremgarten zu drei Tagen scharfen Arrests verurteilt worden war, hat er - ausser einer Beschwerde beim Obergericht - den Kompetenzkonflikt erhoben. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, er habe zuerst die Beurteilung durch das bürgerliche Gericht als für ihn günstiger betrachtet und sich ihr deshalb unterworfen, dann aber die Auffassung geändert, als er in erster Instanz gemäss dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft verurteilt wurde. Es geht jedoch nicht an, die Anerkennung oder Bestreitung der Zuständigkeit vom Prozessausgang oder auch nur vom erstinstanzlichen Urteil abhängig zu machen (so auchBGE 70 IV 95betreffend interkantonale Kompetenzstreitigkeiten). Nachdem der Beschwerdeführer sich der bürgerlichen Gerichtsbarkeit unterworfen hat, kann er nicht mehr darauf zurückkommen und den Kompetenzkonflikt anheben. Auf seine Beschwerde ist daher nicht einzutreten. 3. Der Hinweis des Oberauditors aufBGE 76 I 192geht fehl. Dieser Entscheid betrifft einen positiven Kompetenzkonflikt und stellt ausdrücklich nur für diesen Fall fest, dass das Bundesgericht auch noch angerufen werden kann, wenn bereits ein rechtskräftiges Urteil ergangen ist. Zudem wurde die damalige Beschwerde nicht von den Verurteilten geführt, sondern von der militärischen Strafbehörde, welche die Zuständigkeit für sich beanspruchte, nachdem die bürgerlichen Behörden ein Strafverfahren wegen militärischer Vergehen durchgeführt und die Angeschuldigten verurteilt hatten; wann die Militärbehörden von diesem Verfahren Kenntnis erhielten, ist aus dem Entscheid des Bundesgerichts nicht ersichtlich.
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Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
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Sachverhalt ab Seite 36 BGE 133 IV 36 S. 36 A. Die Bezirksanwaltschaft III für den Kanton Zürich verurteilte X. mit Strafbefehl vom 7. Oktober 2004 wegen Gehilfenschaft zu mehrfacher Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 StGB i.V.m. Art. 25 StGB zu 10 Tagen Gefängnis mit bedingtem Strafvollzug bei einer Probezeit von 2 Jahren. Auf Einsprache des Beurteilten hin erklärte der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirks Zürich X. am 7. April 2005 als nicht schuldig und sprach ihn frei. Eine hiegegen von der Staatsanwaltschaft erhobene Berufung blieb ohne Erfolg. Mit Urteil vom 6. Februar 2006 bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich das erstinstanzliche Urteil. BGE 133 IV 36 S. 37 B.
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Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit der sie beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache im Sinne der Erwägungen an diese Instanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Nichtigkeitsbeschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Die Vorinstanz stellt für den Kassationshof folgenden verbindlichen Sachverhalt fest ( Art. 277 bis Abs. 1 BStP ): Der Beschwerdegegner war Ende 2000 als Leiter Aktienhandel Schweiz bei der Bank A. AG in Zürich tätig und als Verantwortlicher für den Geschäftsbereich Schweizer Aktien unter anderem für den börsenmässigen Handel der an der SWX Swiss Exchange kotierten Namenaktie der B. Holding zuständig, insbesondere für das Market Making. Die B. Holding AG wurde damals von der A. Gruppe verwaltet. Da der Kurs der Namenaktien der Firma B. seit April 2000, namentlich seit August 2000, stetig fiel, trieb der Beschwerdegegner am 29. Dezember 2000, dem letzten Handelstag des Jahres 2000, auf Veranlassung seiner Vorgesetzten deren Kurs durch gezielte Massnahmen in die Höhe. Insbesondere in der Schlussauktion bewirkte er durch 9 Kaufabschlüsse ohne Vorliegen von Kundenaufträgen im Umfang von 910 Aktien für das Nostro der Bank und durch das Löschen von durch seine Mitarbeiter ins System eingegebenen Verkaufsaufträgen in diesen Aktien einen Kursanstieg von 8,4 % gegenüber dem letzten Kurs vor der Schlussauktion. Dabei nützte er den Umstand aus, dass in der Schlussauktion, die während der letzten 10 Handelsminuten stattfindet, eine Aktie auch bei grösseren Kursausschlägen nicht in eine Stop-Trading-Phase fällt. Insgesamt trat der Beschwerdegegner bzw. die Bank A. von 30 Abschlüssen an jenem Börsentag, welche die B.-Aktien betrafen, 27 Mal als Käuferin in Erscheinung. Durch seine Machenschaften trieb der Beschwerdegegner den Kurs der Aktien von CHF 442 (Eröffnungskurs) auf den Monatsspitzenwert von CHF 490 hinauf, was einer Kurssteigerung von 10,86 % entsprach. Dieser Börsenkurs wurde zur Jahresendbewertung der Namenaktien der Firma B. in den Nostrokonten der A. Gruppe und damit als Bewertungsgrundlage für den Jahresabschluss des Konzerns sowie in den Jahresendbewertungen der Portefeuilles aller Bankkunden herangezogen, die diesen Titel in ihren Depots hielten. Der vom BGE 133 IV 36 S. 38 Beschwerdegegner hochgetriebene Kurs war vom Markt nicht getragen, weshalb es am nächsten Handelstag bei Handelseröffnung bei einem Eröffnungskurs von CHF 459 zu einem Stop Trading kam. 1.2 Die Strafverfolgungsbehörden sahen davon ab, die vom Beschwerdegegner betriebene Beeinflussung der Aktienkurse als Kursmanipulation im Sinne von Art. 161 bis StGB anzuklagen, da keine Scheingeschäfte vorlagen. Indes warfen sie dem Beschwerdegegner vor, er habe Gehilfenschaft zu mehrfacher Urkundenfälschung geleistet, indem er durch die Kurssteigerung zu einer überhöhten Bewertung der B.-Namenaktien in den Nostrokonten und im Jahresabschluss der A. Gruppe sowie in den Kundendepots beigetragen habe. (...) 4. (...) 4.2 Die unrichtige Beurkundung einer rechtlich erheblichen Tatsache setzt voraus, dass sich die Urkunde dazu überhaupt äussert. Insofern erbringt die Schrift nur Beweis für den in ihr selbst unmittelbar bezeugten Sachverhalt ( BGE 131 IV 125 E. 4.5 S. 130 f. mit Hinweisen). Die Angabe von Börsenkurswerten in den Depotauszügen erlaubt von vornherein keine Aussage über den inneren Wert einer Effekte, weil die Kurse nicht den wahren Wert wiedergeben und sich ein solcher auch gar nicht genau feststellen lässt. Der Kurs eines Wertpapiers bildet den Börsen- oder Marktpreis ab, der je nach Angebot und Nachfrage ständig Schwankungen unterworfen ist. Der im Depotauszug aufgeführte Kurs besagt nichts anderes, als dass die Effekte am angeführten Datum zum angegebenen Kurs gehandelt worden ist. Ob dieser Kurs vom Markt getragen ist oder - wie im zu beurteilenden Fall - durch künstliche Eingriffe in den Preisbildungsprozess verfälscht wurde, bleibt dabei ohne Bedeutung. Der Depotauszug bezeugt nur, dass die Effekte zum genannten Wert gehandelt wurde. Zu keinem anderen Ergebnis führt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch der Umstand, dass in den Depotauszügen zusätzlich ein "Kurswert" aufgeführt ist. Denn dieser bildet nicht das Resultat einer Bewertung oder Einschätzung, sondern dasjenige einer blossen Rechenoperation, nämlich der Multiplikation des Bestands der einzelnen Titel mit dem jeweiligen Kurs. Das bedeutet, dass die Angabe des Börsenkurses der B.-Namenaktien in den Depotverzeichnissen keine definitive Bewertung der fraglichen Effekten darstellt. BGE 133 IV 36 S. 39 Dasselbe gilt im Hinblick auf die Buchhaltung der A. Gruppe. Art. 667 OR sieht vor, dass Wertschriften mit Kurswert höchstens zum Durchschnittskurs des letzten Monats vor dem Bilanzstichtag bewertet werden dürfen. Auch wenn die Banken nach den vorinstanzlichen Feststellungen offenbar teilweise nach dem Kurs am Stichtag bewerten, so gilt dies nur für einfache und unproblematische Fälle. Die Revisionsstelle der A. Gruppe erklärt im Schreiben vom 4. Februar 2005, die Schlusskurse am Bilanzstichtag würden nur bei liquiden Titeln ohne vertiefte Abklärungen als Bewertungsgrundlage akzeptiert. Im vorliegenden Fall habe die A. Gruppe selber wegen des überhöhten Schlusskurses der B.-Namenaktien eine Wertberichtigung von CHF 5 Mio. vorgenommen, was sie als vertretbar angesehen habe. Aus dem erwähnten Schreiben ergibt sich weiter, dass der Schlusskurs der B.-Namenaktie lediglich den Ausgangspunkt für die Bewertung in der Konzernrechnung bildete, aber gerade keine definitive Bewertung darstellte. Somit wurde auch die Buchführung nicht verfälscht. Auch die Steuerbehörden haben den Wert der B.-Namenaktien am Ende des Jahres 2000 nicht einfach anhand des Börsenschlusskurses von CHF 490 bestimmt. Vielmehr setzte die Eidgenössische Steuerverwaltung den steuerbaren Wert der B.-Aktien anhand des Durchschnittswerts im Monat Dezember 2000 auf CHF 425 fest. Aus dem von der Beschwerdeführerin angerufenen Entscheid des Bundesgerichts, bei dem unzutreffende Gutschriften auf einem Bankkonto zu beurteilen waren ( BGE 108 IV 25 ; vgl. auch BGE 116 IV 52 ), ergibt sich nichts anderes. Wohl besagt die zitierte Rechtsprechung, dass die kaufmännische Buchhaltung und die dazugehörigen Belege über die tatsächliche wirtschaftliche Situation des Buchführenden Aufschluss zu geben haben. Im Unterschied zu jenem Entscheid wird dem Beschwerdegegner hier vorgeworfen, durch das Hinauftreiben des Kurses der B.-Namenaktien auf CHF 490 bewirkt zu haben, dass in den Nostrokonten der A. Gruppe und in den Depotverzeichnissen der Kunden bei den B.-Namenaktien Kurse verzeichnet wurden, die nicht der wirtschaftlichen Situation entsprochen hätten. Soweit die Beschwerdeführerin die Verbuchung von Börsenkurswerten derjenigen einer Gutschrift auf einem Bankkonto gleichsetzen will, übersieht sie, wie sich aus den obstehenden Erwägungen ergibt, dass diesen beiden Vorgängen nach der Vorstellung des Gesetzgebers und in der Praxis nicht die gleiche Bedeutung zukommt. BGE 133 IV 36 S. 40 Insgesamt ist der Ausweis über die Schlusskurse der Börse zwar nicht ohne Einfluss auf die Bewertung der Wertschriften. Doch erfolgt damit noch keine Bewertung der Effekten selber. Die Beschwerdeführerin geht daher zu weit, wenn sie verlangt, dass die in den Depotauszügen angegebenen Kurse nicht nur den tatsächlich verzeichneten Börsenkursen entsprechen müssten, sondern auch den wirtschaftlichen Wert der Wertschriften richtig wiedergeben müssten. Die Vorinstanz erklärt deshalb zu Recht, die fraglichen Auszüge seien nicht geeignet, den wirtschaftlichen Wert der B.-Namenaktien zu beweisen, weshalb eine Verurteilung wegen Falschbeurkundung ausscheide.
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Sachverhalt ab Seite 119 BGE 128 IV 117 S. 119 A.- Il 17 gennaio 2001, il Presidente della Corte delle assise correzionali di Leventina, riunita a Bellinzona, riconosceva B. colpevole in particolare: - di tratta di essere umani per aver compiuto la tratta di 20 donne, tra novembre 1998 e maggio 2000, nell'Osteria Y. a X., da lei gestita congiuntamente a A. e, tra settembre 1998 e maggio 2000, di altre 38 donne in vari locali ticinesi; - di riciclaggio di denaro per avere inviato all'estero almeno fr. 10'000.- di origine criminosa; e - d'infrazione e contravvenzione alla legge federale concernente la dimora e il domicilio degli stranieri, per avere favorito l'entrata e il soggiorno illegale di 6 donne nell'Osteria Y., per avere impiegato circa 60 donne straniere non autorizzate a lavorare in Svizzera, per avere illegalmente soggiornato lei stessa in Svizzera dal 26 ottobre al 5 novembre 1998 e per avere esercitato un'attività lavorativa senza permesso tra il 26 luglio e il 26 ottobre 1998. Egli riconosceva altresì A. colpevole in particolare: - di tratta di esseri umani per aver compiuto la tratta di 20 donne, tra novembre 1998 e maggio 2000, nell'Osteria Y. a X., da lui gestita congiuntamente a B., e, tra agosto e settembre 1999, di altre 5 o 6 donne nello stesso esercizio pubblico; - di riciclaggio di denaro per avere inviato all'estero almeno fr. 10'000.- di origine criminosa; e - d'infrazione e contravvenzione alla legge federale concernente la dimora e il domicilio degli stranieri per avere favorito l'entrata e il soggiorno illegale di almeno 6 donne nell'Osteria Y., per avere impiegato senza autorizzazione il cittadino lettone D., oltre a circa 60 donne lettoni e un imprecisato numero di donne dell'America latina, stranieri non autorizzati a lavorare in Svizzera. A ragione di questi fatti, il Presidente della Corte delle assise condannava, computato il carcere preventivo sofferto, B. a 18 mesi di detenzione, al pagamento di una multa di fr. 7'000.- e all'espulsione dal territorio svizzero per 3 anni, e A. a 14 mesi di detenzione nonché al pagamento di una multa di fr. 5'000.-. L'esecuzione delle pene detentive nonché l'espulsione pronunciata nei confronti di B. venivano sospese con un periodo di prova di 2 anni. B.- Il 29 maggio 2001, la Corte di cassazione e di revisione penale del Tribunale d'appello del Cantone Ticino (in seguito: CCRP) accoglieva i ricorsi di B. e di A., respingeva il ricorso del Ministero pubblico e riformava parzialmente la sentenza del Presidente della Corte delle assise. Essa proscioglieva B. dall'imputazione di tratta di esseri BGE 128 IV 117 S. 120 umani nonché di riciclaggio di denaro e la condannava alla pena di 2 mesi di detenzione, computato il carcere preventivo sofferto, all'espulsione dalla Svizzera per 3 anni, entrambe sospese condizionalmente con un periodo di prova di 2 anni, e al pagamento di una multa di fr. 4'000.-. La Corte cantonale proscioglieva altresì A. dall'imputazione di tratta di esseri umani e di riciclaggio di denaro e lo condannava alla pena di 2 mesi di detenzione, computato il carcere preventivo sofferto, sospesa condizionalmente per un periodo di prova di 2 anni, nonché al pagamento di una multa di fr. 4'000.-. C.- Con tempestivo ricorso per cassazione, il Ministero pubblico del Cantone Ticino (in seguito: Ministero pubblico) è insorto dinanzi il Tribunale federale contro la decisione della CCRP chiedendone l'annullamento. D.- Il Tribunale federale ha accolto, parzialmente e nella misura della sua ammissibilità, il ricorso per cassazione.
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Erwägungen Dai considerandi: 2. a) La CCRP ha annullato la condanna dei resistenti per tratta di esseri umani, reato perseguito all' art. 196 CP . Richiamando la recente giurisprudenza pubblicata in DTF 126 IV 225 e ancora sconosciuta all'epoca della decisione sul merito, essa ha ribadito che la tratta di esseri umani presuppone un'offesa al diritto all'autodeterminazione in campo sessuale; non è quindi punibile chi si occupa d'ingaggiare o di trasferire delle prostitute se esse hanno dato il proprio assenso con cognizione di causa. Fondandosi sugli accertamenti di prima istanza, la Corte cantonale ha ritenuto che le giovani donne avevano scelto liberamente di venire in Ticino e di dedicarsi alla prostituzione per cui, oggettivamente, non vi erano gli estremi per applicare l' art. 196 CP . b) Il Ministero pubblico sostiene che l' art. 196 CP deve essere interpretato alla luce dell'art. 1 cpv. 1 della Convenzione dell'11 ottobre 1933 concernente la repressione della tratta delle donne maggiorenni (RS 0.311.34; in seguito: "Convenzione dell'11 ottobre 1933") che postula espressamente la punibilità del reato di tratta di esseri umani anche nell'ipotesi in cui le giovani donne abbiano acconsentito liberamente di prostituirsi. La DTF 126 IV 225 concerneva un caso interno, ossia il trasferimento di prostitute ungare da uno stabilimento svizzero all'altro. La fattispecie in esame si estende al di là del territorio nazionale; pertanto, in applicazione della Convenzione BGE 128 IV 117 S. 121 dell'11 ottobre 1933, i presupposti della tratta di esseri umani sarebbero adempiuti nonostante il consenso delle interessate. 3. a) Secondo l'art. 1 cpv. 1 della Convenzione dell'11 ottobre 1933 deve essere punito chiunque, allo scopo di favorire l'altrui libidine, arruola, rapisce o svia, anche col suo consenso, una donna o una giovane maggiorenne per trarla alla prostituzione in un altro paese. La Convenzione dell'11 ottobre 1933 completa l'Accordo internazionale del 18 maggio 1904 inteso a garantire una protezione efficace contro il traffico criminale conosciuto sotto il nome di tratta delle bianche (RS 0.311.31; in seguito: "Accordo internazionale del 18 maggio 1904"), la Convenzione internazionale del 4 maggio 1910 per la repressione della tratta delle bianche (RS 0.311.32; in seguito: "Convenzione del 4 maggio 1910") e la Convenzione internazionale per la repressione della tratta delle donne e dei fanciulli del 30 settembre 1921 (RS 0.311.33; in seguito: "Convenzione del 30 settembre 1921"). Storicamente, siffatti strumenti s'inserivano nell'ambito della lotta contro il traffico e lo sfruttamento di donne a livello internazionale, lotta resa necessaria dalla constatazione, alla fine del XIX e all'inizio del XX secolo, dell'esistenza di vere e proprie organizzazioni che attiravano giovani donne con vantaggiose offerte di lavoro all'estero come governanti, istitutrici, cuoche, cantanti, ecc. Simili offerte erano un pretesto per poi spingerle alla prostituzione. La tratta sfruttava la loro inesperienza e ingenuità nonché le condizioni di miseria in cui vertevano. I trafficanti, ricorrevano all'astuzia, all'inganno, alla minaccia o ad altri mezzi di costrizione per abusare cinicamente e circuire le loro vittime (FF 1924 III 1059-1060). In tale clima, le norme internazionali volevano colmare le lacune di quelle legislazioni nazionali che non prevedevano la punibilità della tratta di esseri umani (v. in particolare gli art. 2 e 3 della Convenzione del 30 settembre 1921). Sotto mira era principalmente il traffico internazionale, più pericoloso per la sua ramificazione al di là delle frontiere. La Convenzione del 4 maggio 1910 auspicava la punibilità del traffico di donne maggiorenni solo se quest'ultime non erano consenzienti, ossia in caso di "inganno, minaccia, abuso di autorità o altro mezzo di costrizione" (art. 2; FF 1924 III 1069-1070). La Convenzione dell'11 ottobre 1933 ha poi esteso la perseguibilità anche ai casi in cui vi era consenso. All'epoca, la Svizzera aveva ratificato tali strumenti internazionali poiché la legge federale del 30 settembre 1925 sulla tratta delle donne e dei fanciulli (RU 42 pag. 9; in seguito: "Legge federale del 30 settembre 1925") perseguiva già la tratta senza distinguere tra donne consenzienti o meno (FF 1934 I 878). BGE 128 IV 117 S. 122 b) Le Convenzioni testé citate non sono direttamente applicabili (sulla nozione v. ANDREAS AUER/GIORGIO MALINVERNI/MICHEL HOTTELIER, Droit constitutionnel suisse, vol. I, Berna 2000, pagg. 452-454), ma esortano il legislatore svizzero a concretizzare i principi universali in esse contenuti (FF 1924 III 1067 nonché art. 2 e 3 della Convenzione del 30 settembre 1921). L'interpretazione delle norme e dei principi penali deve essere, nella misura del possibile, conforme al diritto costituzionale e convenzionale ( DTF 127 IV 66 consid. 2g; DTF 126 IV 236 consid. 4; DTF 118 IV 153 consid. 4c; DTF 106 Ia 33 consid. 2 e 3). All'epoca della Costituzione previgente, il Tribunale federale ha ribadito a più riprese che la Confederazione non può sottrarsi ai suoi obblighi internazionali invocando il diritto interno: quest'ultimo deve essere interpretato anzitutto in modo conforme alle norme internazionali ( DTF 125 II 417 consid. 4c). In caso di conflitto, esse prevalgono, comunque e in linea di massima, sul diritto interno e la regola nazionale non conforme non va applicata. Questa soluzione si giustifica ancor più se la norma internazionale tende a proteggere i diritti dell'uomo. Non fu tuttavia decisa la questione se tale modo di procedere dovesse estendersi anche ad altri campi ( DTF 125 II 417 consid. 4d). Fu poi lasciato indeciso il quesito se e in quale misura il diritto convenzionale possa "correggere" una norma del Codice civile ( DTF 125 III 209 consid. 6e). Il 12 marzo 2000 la modifica della Costituzione concernente la riforma della giustizia è stata accettata. Contrariamente alla proposta del Consiglio federale, essa non prevede l'introduzione della giurisdizione costituzionale. La questione se la decisione politica debba avere delle conseguenze sulla giurisprudenza anteriore in materia di conflitto tra diritto interno e internazionale può, per il momento, rimanere irrisolta. Infine, è d'uopo ribadire che nell'ambito penale il principio nullum crimen sine lege esclude, in mancanza di una disposizione specifica di diritto interno, la punibilità di un comportamento esclusivamente in base ad un testo internazionale, in ogni caso quando tale testo non è direttamente applicabile (v. in generale DTF 127 IV 198 consid. 3b). 4. a) Conformemente ai suoi obblighi internazionali, il legislatore svizzero ha adottato, ultimo in data, l' art. 196 CP che prevede la condanna alla reclusione o alla detenzione non inferiore a 6 mesi di chi, per favorire l'altrui libidine, esercita la tratta di esseri umani. Tale disposizione concretizza i dettami contenuti in particolare nella Convenzione dell'11 ottobre 1933; conferisce, tra l'altro, al principio della punibilità della tratta una portata più vasta di quella BGE 128 IV 117 S. 123 convenzionale poiché estesa a tutti gli esseri umani, cioè a ogni individuo indipendentemente dall'età e dal sesso (FF 1985 II 978). I presupposti del reato di cui all' art. 196 CP , interpretato anche alla luce della DTF 126 IV 225 , sono adempiuti allorquando viene pregiudicato il diritto all'autodeterminazione nel campo sessuale della persona interessata (FF 1985 II 956; sulla nozione di tratta di esseri umani v. anche infra consid. 6; nonché GUIDO JENNY, Delikte gegen die sexuelle Integrität und gegen die Familie: Art. 187-200, Art. 213-220 CP , in Guido Jenny, Martin Schubarth, Peter Albrecht, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, vol. 4, Berna 1997, ad art. 196 CP , n. 5 e 6; JÖRG REHBERG/NIKLAUS SCHMID, Delikte gegen den Einzelnen, 7a ed., Zurigo 1997, pagg. 413-414; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 5a ed., Berna 1995, pagg. 174-176, n. 19 e 21). Ciò avviene esclusivamente quando un essere umano è sfruttato come vera e propria mercanzia, in particolare se tenuto all'oscuro di ciò che l'attende, se poco informato o se, per altre ragioni, incapace di difendersi ( DTF 126 IV 225 consid. 1d). Più precisamente nel caso di donne che si prostituiscono, la loro libertà all'autodeterminazione sessuale non è infranta se acconsentono al trasferimento da un postribolo all'altro con l'aiuto di un mediatore. Questo principio vale, tuttavia, solo se esse si dedicano spontaneamente alla prostituzione e, dietro compenso, ricorrono a intermediari per cambiare posto di lavoro alla stessa stregua di quanto capita nell'ambito di altre professioni. Una simile analogia deve tuttavia essere relativizzata tenendo presente la peculiarità del settore della prostituzione, ove le persone che vi si dedicano sono confrontate alla discriminazione e alla condanna morale da cui possono risultare un serio isolamento e una dipendenza personale nonché finanziaria da protettori, tenutari di postriboli e gestori di saloni di massaggio. Le prostitute che soggiornano illegalmente in Svizzera sono le più esposte (v. anche TIZIANO CRAMERI, Immissioni moleste legate all'esercizio della prostituzione, con particolare riferimento alle zone abitative, in RDAT 2000 I pagg. 168-169). La questione se la libertà sessuale sia lesa deve quindi essere decisa in funzione delle circostanze concrete; il consenso formale della vittima non basta, è imperativo accertare che tale consenso sia effettivamente libero da costrizioni ( DTF 126 IV 225 consid 1d). b) L' art. 196 CP deve essere interpretato tenendo conto delle circostanze attuali ( DTF 105 Ib 49 consid. 5a), avendo tuttavia come sfondo l'armonizzazione tra diritto interno e internazionale. BGE 128 IV 117 S. 124 Come testé ribadito (v. supra consid. 3a), lo scopo del legislatore internazionale all'inizio del XX secolo era quello di lottare e ostacolare il commercio di donne provenienti dai paesi poveri, ove difettavano le risorse intellettuali ed economiche, nei postriboli dei paesi più ricchi (FF 1924 III 1060; v. anche DTF 96 IV 118 consid. 2b). La stessa prostituzione era un'attività moralmente condannata e le attività connesse, quali il lenocinio, erano in alcuni casi penalmente perseguibili (v. ad esempio, gli art. 198 segg. vCP). I trafficanti, creando una vera e propria rete internazionale, approfittavano delle condizioni sociali testé descritte con astuzia e sfrontato cinismo per circuire ed ingannare giovani donne sul loro destino (FF 1924 III 1060). Date le difficoltà riscontrate nel determinare se esse fossero effettivamente vittime d'inganni o di pressioni, quest'ultime non volendo parlare per paura di rappresaglie o dell'intervento delle autorità di polizia, la punibilità della tratta fu resa indipendente dal consenso (FF 1934 I 882e art. 1 della Convenzione dell'11 ottobre 1933). Ancor oggi e conformemente alla giurisprudenza pubblicata in DTF 126 IV 225 , i presupposti del reato di tratta di esseri umani possono essere adempiuti in presenza di giovani donne consenzienti, se il loro consenso è viziato. Per potere escludere con la massima certezza una qualsiasi relazione di dipendenza che intaccherebbe il libero consenso, le autorità devono prestare un'attenzione accresciuta alle condizioni, in particolare sociali ed economiche, in cui le donne accettano di essere arruolate per prostituirsi ( DTF 126 IV 225 consid. 1d). La tratta di esseri umani impone che le eventuali vittime siano messe sul mercato e sfruttate come vera e propria mercanzia (FF 1924 III 1068). Tale non può manifestamente essere il caso se esse sono consapevoli e consenzienti e, pertanto, libere nell'esercizio del loro diritto all'autodeterminazione sessuale. L' art. 196 CP interpretato alla luce della nozione di consenso effettivo rispetta gli obblighi internazionali assunti dalla Svizzera e, come si vedrà qui di seguito, s'inserisce perfettamente nell'evoluzione normativa attuale. aa) Il Codice penale tedesco esige che venga esercitata un'influenza sulla capacità di determinarsi della vittima (v. art. 180b e 181); il solo fatto di arruolare senza esercitare pressioni di alcun genere non è sufficiente. Non vi è tratta di esseri umani, poiché non esiste bene giuridico degno di protezione, quando la giovane donna, senza essere motivata da uno stato di bisogno o di vulnerabilità, acconsente pienamente a prostituirsi all'estero per migliorare la BGE 128 IV 117 S. 125 propria situazione (v. ADOLF SCHÖNKE/HORST SCHRÖDER, Strafgesetzbuch, Kommentar, 26a ed., Monaco 2001, § 181, n. 14; REINHART MAURACH/FRIEDRICH-CHRISTIAN SCHROEDER/MANFRED MAIWALD, Strafrecht, Besonderer Teil, vol. 1, 8a ed., Heidelberg 1995, § 22 I, n. 35). In Austria, il reato di tratta di esseri umani sembra avere una portata più ampia poiché il consenso nella speranza di migliori possibilità di guadagno non esclude di regola la perseguibilità (THOMAS PHILIPP, Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 2a ed., Vienna 2001, 32simo fascicolo, § 217, n. 10). Simile portata non è tuttavia esente da critica (PHILIPP, op. cit., § 217, n. 6). La legislazione francese è irrilevante ai fini della presente causa poiché il reato di lenocinio, consistente tra l'altro nell'aiutare, assistere e proteggere colui che si prostituisce ricavandone un profitto, è tutt'oggi perseguibile ( art. 225-5 a 225 -10 del nuovo Codice penale francese). Lo stesso vale per il Codice penale italiano, il quale sanziona i reati d'istigazione, favoreggiamento e sfruttamento della prostituzione ( art. 531-534 del Codice penale italiano); una disposizione speciale prevede tuttavia la punibilità della tratta di donne e di minori, ma solamente in caso di violenza, minaccia o inganno ( art. 536 del Codice penale italiano). bb) In seno alle istanze europee e internazionali si profila una nozione di tratta di esseri umani che esclude la punibilità se il consenso è effettivo. La Risoluzione del Parlamento europeo del 18 gennaio 1996 sulla tratta di esseri umani (Gazzetta ufficiale, n. C 032 del 5 febbraio 1996, pag. 88; in seguito: "Risoluzione del Parlamento europeo del 18 gennaio 1996") la definisce come "l'atto illegale di chi, direttamente o indirettamente, favorisce l'entrata o il soggiorno di un cittadino proveniente da un paese terzo ai fini del suo sfruttamento utilizzando l'inganno o qualunque altra forma di costrizione o abusando di una situazione di vulnerabilità o incertezza amministrativa". Il 22 gennaio 2001 la Commissione ha proposto al Consiglio e al Parlamento dell'Unione europea una decisione quadro sulla lotta alla tratta degli esseri umani (in seguito: "Decisione quadro") la quale prevede all'art. 2, intitolato "Reati relativi alla tratta degli esseri umani a fini di sfruttamento sessuale", l'obbligo per ciascun Stato membro di adottare le misure necessarie affinché il reclutamento, il trasporto o il trasferimento di una persona siano puniti come reato qualora sia fatto uso di coercizione, violenza o minacce, d'inganno o frode, oppure di pressioni o influenze abusive qualunque sia la loro forma. La Raccomandazione del 19 maggio 2000 n. R (2000) 11 del Comitato dei Ministri del Consiglio dell'Europa sulla lotta contro la tratta di esseri umani ai fini di BGE 128 IV 117 S. 126 sfruttamento sessuale (in seguito: "Raccomandazione del Consiglio dell'Europa n. R (2000) 11") definisce la tratta come l'arruolamento di persone, quand'anche consenzienti, in vista del loro sfruttamento sessuale, se del caso ricorrendo a forme di costrizione quali violenza, minaccia, abuso di autorità o di una situazione di vulnerabilità. La Raccomandazione 1325 (1997) relativa alla tratta delle donne e alla prostituzione coatta negli Stati membri del Consiglio dell'Europa adottata dall'Assemblea parlamentare il 23 aprile 1997 (in seguito: "Raccomandazione del Consiglio dell'Europa 1325 (1997)") proponeva già la stessa definizione. Il Protocollo aggiuntivo relativo alla lotta contro la tratta di persone in particolare di donne e bambini alla Convenzione delle Nazioni Unite contro la criminalità transnazionale organizzata (Doc. ONU AC.254/4 Add. 3, 24 settembre 1999) (in seguito: "Protocollo aggiuntivo relativo alla Convenzione delle Nazioni Unite") precisa infine che il consenso della vittima è indifferente allorquando vi sia minaccia, utilizzo della forza, rapimento, frode, inganno, abuso di autorità o di una situazione di vulnerabilità (art. 3 lett. a e b). cc) Risulta dalla panoramica di diritto comparato e internazionale che di regola i presupposti della tratta di esseri umani sono adempiuti nonostante l'accordo dell'interessata se viene sfruttata una "situazione di vulnerabilità". Quest'ultima può derivare da condizioni economiche o sociali difficili o da rapporti di dipendenza personale e/o finanziari costrittivi. In assenza di una qualsiasi vulnerabilità, non sussiste reato poiché, dato l'incontestato diritto all'autodeterminazione nel campo sessuale, non sussiste bene giuridico da proteggere. c) La portata dell' art. 196 CP sviluppata nella DTF 126 IV 225 rispecchia perfettamente questa evoluzione: non vi è tratta di esseri umani solo se non viene pregiudicato il diritto all'autodeterminazione sessuale della persona interessata, ossia in assenza di una qualsiasi forma di abuso, minaccia o sfruttamento di una situazione di vulnerabilità. Il consenso deve corrispondere effettivamente alla volontà delle prostitute, le quali devono essere adeguatamente informate sul loro destino e coscienti di quello che le aspetta senza essere influenzate da condizioni di debolezza o d'incertezza. La nozione di consenso deve essere interpretata in modo restrittivo tenendo conto dei molteplici rapporti di dipendenza in cui esse possono trovarsi, soprattutto se straniere ( DTF 126 IV 225 consid. 1c in fine). Nel caso di persone che si recano all'estero per prostituirsi, il consenso effettivo deve essere ammesso con estrema prudenza poiché il rischio BGE 128 IV 117 S. 127 di sfruttamento di una situazione di povertà è particolarmente acuto (v. per analogia con il diritto tedesco anche SCHÖNKE/SCHRÖDER, op. cit., § 180b, n. 12). Tale interpretazione è conforme ai principi enunciati nelle Convenzioni internazionali ratificate dalla Svizzera interpretate alla luce delle circostanze attuali e non vi è ragione di scostarvisi. Non vi è luogo nemmeno, come sostiene il Ministero pubblico, di differenziare dal punto di vista della perseguibilità la tratta interna da quella internazionale. Come rileva a ragione la CCRP, una siffatta soluzione sarebbe iniqua poiché permetterebbe di punire l'intermediario che colloca in un postribolo una donna proveniente dall'estero, mentre chi, come nella DTF 126 IV 225 , si adopera per trasferire una prostituta da uno stabilimento all'altro sul territorio svizzero andrebbe esente da pena. Ma non solo. Essa sarebbe contraria agli stessi principi sanciti nella Convenzione dell'11 ottobre 1933: già a quell'epoca il legislatore internazionale qualificava d'inammissibile che un paese perseguisse in modo diverso il traffico esterno da quello interno (FF 1924 III 1067in fine). Essa contravverrebbe altresì allo scopo perseguito dall' art. 196 CP , ossia punire il rifornimento di merce umana per i postriboli in tutto il mondo ( DTF 96 IV 118 consid. 2b in merito al previgente art. 202 CP ). 5. a) La CCRP ha annullato la condanna dei resistenti per tratta di esseri umani poiché le ragazze che arrivavano all'Osteria Y. o in altri postriboli ticinesi sapevano a quali condizioni dovevano prostituirsi e non hanno subito costrizioni o pressioni né sono state influenzate da un qualsiasi rapporto di dipendenza. Esse si prostituivano liberamente, non venivano loro imposti clienti, non furono mai minacciate o percosse e decidevano in modo autonomo delle loro prestazioni, in particolare della durata e del prezzo. Tali elementi non sono tuttavia sufficienti per escludere i presupposti della tratta di esseri umani quali testé delimitati. b) È d'uopo premettere che in materia di tratta di esseri umani, un'attenzione particolare è necessaria quando il suo oggetto sono le donne e i bambini provenienti dai paesi in via di sviluppo e dai paesi dell'Europa centrale e orientale (v. anche consid. 9 della Risoluzione del Parlamento europeo del 18 gennaio 1996). c) È accertato in modo insindacabile (art. 273 cpv. 1 lett. b e 277bis cpv. 1 della legge federale del 15 giugno 1934 sulla procedura penale [PP; RS 312.0]) che le ragazze si prostituivano per povertà. È altresì accertato che nel periodo tra novembre 1998 e maggio 2000 i resistenti hanno provocato ed organizzato la venuta in Svizzera di BGE 128 IV 117 S. 128 circa 87 ragazze. Di queste, circa 43 hanno trovato posto di lavoro all'Osteria Y., 20 circa grazie all'intermediazione di terzi, mentre le altre furono ingaggiate direttamente dalla resistente. Di sua iniziativa, essa svolse anche un'attività in proprio procurando 38 ragazze provenienti dai paesi dell'Est a diversi postriboli del Cantone Ticino. Il resistente, dal canto suo, ingaggiò da solo ancora 5/6 ragazze. Si trattava di un'operazione di chiara importanza, per il sovrappiù ben strutturata con una rete d'intermediari efficiente. Tutte le ragazze provenivano dall'Europa dell'Est, in particolare dalla Lettonia. Esse giungevano in Svizzera per sfuggire a condizioni economiche difficili e migliorare così la loro situazione. Tenuto conto che la resistente stessa, di nazionalità lettone, era venuta in Svizzera per prostituirsi a causa della sua disastrosa situazione finanziaria, gli accusati hanno coscientemente approfittato dell'evidente stato di necessità delle giovani donne. Quest'ultime non potevano tra l'altro ragionevolmente rappresentarsi un quadro completo di quello che avrebbero vissuto una volta sul suolo elvetico. Ispirato da una situazione di vulnerabilità dovuta alle accertate precarie condizioni economiche, il loro consenso non può essere considerato come effettivo. Al riguardo non è necessario, come sembra sostenere la CCRP, che le ragazze vertessero in uno stato di miseria tale da essere ridotte a una specie di schiavitù equiparata a quella vissuta dalle donne provenienti dai paesi del terzo mondo. Visto anche il numero di prostitute implicate e la durata del traffico, la fattispecie è un tipico caso di tratta di esseri umani. Il proscioglimento dei resistenti dall'imputazione del reato di cui all' art. 196 CP , le ragazze avendo liberamente acconsentito alla loro venuta in Svizzera per dedicarsi alla prostituzione, viola pertanto il diritto federale. L'autonomia che le giovani donne godevano nell'esercizio della loro attività è rilevante solo per la commisurazione della pena. 6. a) Resta da esaminare se i presupposti dell' art. 196 CP debbano estendersi alla totalità delle ragazze la cui venuta in Svizzera era stata organizzata dai resistenti, ossia a tutte le 87, oppure se in applicazione della DTF 96 IV 118 quest'ultimi debbano essere prosciolti - come fu il caso in prima istanza - dall'imputazione di tratta per le 20 ragazze giunte all'Osteria Y. grazie alla loro intermediazione diretta, anticipando loro il denaro per il viaggio e le piccole spese. Il Ministero pubblico contesta l'applicazione della DTF 96 IV 118 alla fattispecie. La CCRP non ne ha trattato, poiché ha considerato come non adempiuti i presupposti del reato di cui all' art. 196 CP . BGE 128 IV 117 S. 129 b) Nella DTF 96 IV 118 , resa sotto l'imperio del diritto previgente, il Tribunale federale escluse dalla nozione di tratta l'attività consistente nell'ingaggiare delle prostitute per il proprio postribolo. La fattispecie in esame concerneva l'impiego di prostitute arruolate in Africa dal gestore di un postribolo per prostituirsi nel suo locale in Svizzera. Due interpretazioni erano a confronto: quella più restrittiva per cui il gestore che arruola e ingaggia delle prostitute per il suo postribolo non è colpevole di tratta di esseri umani, quest'ultima presupponendo un vero e proprio commercio con l'intervento di un intermediario; e quella più estesa per cui la tratta di esseri umani ha una portata più larga che la nozione usuale di commercio dati i comportamenti tipici che ne costituiscono le varie fasi, ossia il fatto di arruolare, allettare o rapire ( DTF 96 IV 118 consid. 1). Il Tribunale federale, dopo aver proceduto all'interpretazione storica e teleologica della norma previgente e avere ribadito che le due accezioni si fondavano su motivi altrettanto validi, optò per quella restrittiva ( DTF 96 IV 118 consid. 2). c) Fino ad oggi non si era presentata l'occasione per riesaminare tale giurisprudenza nell'ambito del nuovo art. 196 CP , il quale ha comunque essenzialmente ripreso i presupposti dell'art. 202 vCP (FF 1985 II 976 nonché JENNY, op. cit., ad art. 196 CP , n. 5 e rinvii). d) Le disposizioni in materia di repressione della tratta di esseri umani sono state concepite per armonizzare la legislazione svizzera alle regole internazionali vigenti in tale ambito (FF 1924 III 1078e FF 1934 I 877). Lo scopo era, ed è ancor oggi, di perseguire la tratta di esseri umani con la medesima efficienza, che essa si svolga all'interno del confine svizzero o si estenda al di là del territorio nazionale (FF 1924 II 1067). Furono così adottate dapprima la Legge federale del 30 settembre 1925 (FF 1934 II 878) in seguito l'art. 202 vCP ( DTF 96 IV 118 consid. 2a) e, infine, l' art. 196 CP attualmente in vigore. L'imperativo per il legislatore svizzero di tenere conto delle convenzioni internazionali in questo settore è stato altresì ribadito al momento dell'adozione di quest'ultima disposizione (FF 1985 II 978). La nozione di tratta di esseri umani deve essere quindi interpretata avendo come sfondo l'essenziale armonizzazione tra diritto interno e internazionale; questo aspetto è stato in parte trascurato a torto nella DTF 96 IV 118 . aa) Esiste oramai una nozione internazionale di tratta di esseri umani. Già la Convenzione del 4 maggio 1910 definiva tale attività come l'atto di colui che, allo scopo di favorire l'altrui libidine, arruola, sottrae o rapisce una donna (art. 1). La Convenzione BGE 128 IV 117 S. 130 dell'11 ottobre 1933 riprendeva sostanzialmente gli stessi termini (art. 1). Come testé visto (v. supra consid. 4b/bb), i testi internazionali più recenti riproducono una nozione di ancor più larga portata. In virtù del Protocollo aggiuntivo alla Convenzione delle Nazioni Unite l'attività di tratta si estende all'arruolamento, al trasporto o al trasferimento, ivi compreso al dare alloggio, ai fini di approfittare della prostituzione altrui (art. 3 lett. a). L'art. 1 della Raccomandazione del Consiglio dell'Europa no R (2000) 11 riprende essenzialmente lo stesso concetto. La Raccomandazione del Consiglio dell'Europa 1325 (1997) definisce la tratta come il trasferimento legale o illegale di donne e/o il loro commercio in vista di un profitto commerciale. La Risoluzione del Parlamento europeo del 18 gennaio 1996 qualifica la tratta come l'atto illegale di chi, direttamente o indirettamente, favorisce l'entrata o il soggiorno di una persona ai fini del suo sfruttamento. Nella costellazione internazionale un'attività consistente in un vero e proprio "commercio" inteso nel senso della DTF 96 IV 118 non è indispensabile: il solo fatto di arruolare, trasportare o trasferire può già essere costitutivo di tratta. Per cui l'attività di un gestore che ingaggia e arruola all'estero delle prostitute per il proprio postribolo rientra nel campo di applicazione della nozione di tratta di esseri umani consacrata nei testi internazionali, a condizione tuttavia che le ragazze non siano consenzienti o meglio che il loro consenso appaia viziato. bb) La nozione di tratta di esseri umani dell' art. 196 CP deve essere interpretata alla luce di quanto precede. Siffatta interpretazione s'impone anche tenuto conto delle circostanze economiche e sociali attuali ( DTF 105 Ib 49 consid. 5a). La tratta di esseri umani è divenuta per un numero sempre maggiore di persone una fonte di lucro di forte attrattiva. Il fenomeno è favorito altresì dalla globalizzazione e dalle tecnologie moderne. Il commercio di donne provenienti da paesi lontani, quand'anche apparentemente consenzienti, per dedicarsi alla prostituzione assume sfaccettature sempre più complesse e raffinate. In particolare, proliferano organizzazioni specializzate che si occupano delle varie fasi indispensabili all'arruolamento e al piazzamento di prostitute in vari locali, di regola di loro proprietà. Ostacolare, perseguendo penalmente i responsabili, la proliferazione di un simile traffico, quand'anche con modalità diverse, era già la preoccupazione essenziale del legislatore all'inizio del XX secolo ( DTF 96 IV 118 consid. 2a). In virtù dell'interpretazione sviluppata nella DTF 96 IV 118 , i responsabili di queste organizzazioni ben strutturate e capaci di portare a buon fine l'intero BGE 128 IV 117 S. 131 processo di tratta, dal reclutamento sul posto fino all'ingaggio, non sarebbero punibili ai sensi dell' art. 196 CP . Sarebbero invece perseguibili coloro che, non potendo usufruire di una vasta rete organizzativa, si limitassero a fornire prostituite a vari locali del nostro paese. Siffatto risultato, il cui carattere iniquo è manifesto, non poteva essere voluto dalla DTF 96 IV 118 , la quale, è bene ribadirlo, si fondava sull'interpretazione storica e teleologica dell'art. 202 vCP che s'inscriveva in un'epoca ben diversa da quella attuale. cc) Discende da quanto precede che la nozione di tratta di esseri umani di cui all' art. 196 CP deve essere estesa anche al caso di chi, come nella fattispecie, arruola all'estero giovani donne in situazione di vulnerabilità, organizza la loro venuta in Svizzera e le ingaggia, affinché si prostituiscano, nel proprio postribolo, indifferentemente che egli agisca con l'aiuto di un intermediario prezzolato o direttamente. Di primo acchito, l'attività dei resistenti adempie indistintamente tali presupposti e come tale deve essere perseguita. Incomberà all'autorità cantonale di esaminare la questione tenendo conto delle considerazioni che precedono. 7. a) Per quanto concerne la pretesa violazione dell' art. 305bis CP , è d'uopo ribadire che il reato di riciclaggio di denaro ha per fine la sottrazione all'autorità penale del provento di un crimine. Qualsiasi atto suscettibile di vanificare l'accertamento dell'origine, il ritrovamento o la confisca di valori patrimoniali costituisce oggettivamente un atto di riciclaggio ( DTF 119 IV 59 consid. 2, 242 consid. 1e). Ciò non necessita di operazioni finanziarie complicate: anche gli atti più semplici, come l'occultazione del bottino, possono essere adeguati ( DTF 122 IV 211 consid. 3b/aa). Tutti i valori patrimoniali provenienti da un crimine possono costituire oggetto di riciclaggio ( DTF 119 IV 242 consid. 1b). Il reato di riciclaggio è un reato di esposizione a pericolo astratto; il comportamento è punibile a questo titolo anche se l'atto vanificatorio non ha raggiunto il suo scopo ( DTF 127 IV 20 consid. 3; DTF 119 IV 59 consid. 2e). È compito della giurisprudenza di sviluppare una casistica di atti vanificatori tipici (FF 1989 II 859). Fino ad oggi l'atto di riciclaggio è stato riconosciuto nei casi in cui i valori patrimoniali sono stati occultati ( DTF 127 IV 20 consid. 3; DTF 122 IV 211 consid. 2b; DTF 119 IV 59 consid. 2e), investiti ( DTF 119 IV 242 consid. 1d) e cambiati con banconote di taglio differente ( DTF 122 IV 211 consid. 2c). Al contrario, non è un atto di riciclaggio il semplice versamento su un conto bancario personale ( DTF 124 IV 274 consid. 4) o il solo possesso, rispettivamente la custodia, di valori (sentenza del Tribunale federale BGE 128 IV 117 S. 132 6S.595/1999 del 24 gennaio 2000, consid. 2d/aa). Il reato di cui all' art. 305bis CP può essere adempiuto anche, come nella fattispecie, nei confronti di chi ricicla valori patrimoniali provenienti da un crimine da lui stesso perpetrato ( DTF 124 IV 274 consid. 3; DTF 120 IV 323 consid. 3; MARTIN SCHUBARTH, Geldwäscherei - Neuland für das traditionelle kontinentale Strafrechtsdenken, in Festschrift für Günter Bemmann, Joachim Schulz/Thomas Vormbaum ed., Baden-Baden 1997, pagg. 430-435). b) Il giudice di merito ha qualificato di atto di riciclaggio il denaro inviato all'estero ai famigliari della resistente. Tale comportamento di per se è oggettivamente suscettibile di sottrarre il provento della tratta di esseri umani all'amministrazione della giustizia, ossia d'impedire di scoprire il legame esistente tra il crimine e i valori patrimoniali che ne sono il prodotto ( DTF 124 IV 274 consid. 2; DTF 127 IV 20 consid. 3a; BERNARD CORBOZ, Les principales infractions, vol. II, Berna 1999, ad art. 305bis CP , n. 25; JÜRG-BEAT ACKERMANN, Geldwäscherei [StGB Art. 305bis], in Niklaus Schmid, Kommentar Einziehung, organisiertes Verbrechen, Geldwäscherei, vol. 1, Zurigo 1998, n. 315 segg.). c) Il Ministero pubblico insorge contro l'ammontare stabilito "prudenzialmente" a fr. 10'000.-. La CCRP, avendo prosciolto dei resistenti del reato che presuppone il riciclaggio ossia quello previsto all' art. 196 CP , non ha esaminato la questione. d) Tenuto conto dell'esito della presente causa e del conseguente rinvio per quanto concerne l'applicazione dell' art. 196 CP , la CCRP dovrà confrontarsi ex novo con l'imputazione di riciclaggio di denaro. Non è quindi possibile trattare il gravame del Ministero pubblico su questo punto. Conviene comunque già fin d'ora ribadire alcuni elementi essenziali di cui l'autorità cantonale dovrà tenere conto. e) Riferendosi alla giurisprudenza pubblicata in DTF 122 IV 211 , il giudice di merito ha ritenuto che i trasferimenti all'estero del denaro guadagnato con la tratta di esseri umani destinati a compensare gli intermediari nonché gli invii degli anticipi per le spese di viaggio e l'evidenza dei fondi alle prostitute erano indispensabili per compiere o concludere la tratta e, pertanto, non costitutivi di riciclaggio. f) Tale conclusione, sostanzialmente criticata dal Ministero pubblico, non è conforme al diritto federale. Essa travisa in particolare la giurisprudenza pubblicata nella DTF 122 IV 211 relativa al traffico di stupefacenti e al suo finanziamento con denaro riciclato, ove BGE 128 IV 117 S. 133 è precisato che il riciclaggio non deve essere qualificato di comportamento necessario a tale traffico in quanto si riferisce a una fattispecie distinta che concerne unicamente gli atti suscettibili di ostacolare l'identificazione di valori patrimoniali ottenuti con un crimine ( DTF 122 IV 211 consid. 3). La disposizione sulla tratta degli esseri umani e la disposizione sul riciclaggio hanno per fine la salvaguardia di due beni giuridici distinti, rispettivamente, la protezione delle donne e della loro libertà sessuale e la buona amministrazione della giustizia ( DTF 127 IV 79 consid. 2e e rinvii); pertanto, gli art. 196 e 305bis CP sono in concorso perfetto, si delimitano in modo chiaro, hanno scopi autonomi e concernono fattispecie diverse (v. per analogia DTF 127 IV 79 consid. 2e; DTF 122 IV 211 consid. 4e). Finanziare la tratta di esseri umani con denaro illecito proveniente dalla tratta stessa o da altre attività illegali non può quindi essere considerato come un atto accessorio antecedente corepresso dall' art. 196 CP se lo scopo perseguito è l'occultamento del provento di un crimine (v. per analogia di motivi DTF 122 IV 211 consid. 4; sulla nozione v. anche PHILIPPE GRAVEN, L'infraction pénale punissable, 2a ed., Berna 1995, pagg. 340-342). In altre parole, se l'attività di finanziamento della tratta, per quanto possa apparire indispensabile alla sua preparazione, adempie al contempo i presupposti oggettivi e soggettivi dell' art. 305bis CP , coloro che vi si dedicano sono punibili sulla base degli art. 196 e 305bis CP , applicati in concorso. Ciò vale per l'integralità dell'ammontare trasferito dai resistenti all'estero senza dover distinguere tra i compensi versati agli intermediari e i soldi anticipati alle ragazze o i soldi inviati ai famigliari della resistente. Non è tuttavia accertato se l'importo versato agli intermediari e anticipato alle ragazze fosse effettivamente il provento della tratta di esseri umani. Non sono altresì accertati, allo stadio attuale, i presupposti soggettivi del reato di riciclaggio. Difatti, affinché quest'ultimi siano adempiuti, l'agente deve conoscere l'origine criminosa dei fondi e essere consapevole che il suo atto potrà vanificare l'accertamento dell'origine, il ritrovamento o la confisca dei valori patrimoniali; o quanto meno, in caso di dolo eventuale, egli deve ipotizzarne l'eventualità ed accettarne le conseguenze (FF 1989 II 860; DTF 119 IV 242 consid. 2; DTF 122 IV 211 consid. 2e). Tali elementi non sono stati accertati neanche per i fr. 10'000.- considerati di sicura provenienza illecita. Incomberà quindi all'autorità cantonale di esaminare se il reato di riciclaggio può oggettivamente concernere un ammontare superiore a quello stabilito in precedenza - tenendo conto tra l'altro che la tratta BGE 128 IV 117 S. 134 riguarda in tutto 87 giovani prostitute - e se i resistenti avevano la volontà, foss'anche per dolo eventuale, di riciclare tali proventi. 8. ... 9. a) Il Ministero pubblico critica infine la condanna dei resistenti per semplice contravvenzione all'art. 23 n. 4 della legge federale del 26 marzo 1931 concernente la dimora e il domicilio degli stranieri (LDDS; RS 142.20) per avere impiegato stranieri non autorizzati a lavorare in Svizzera. L'entrata nonché il soggiorno sul suolo elvetico delle giovani donne provviste di visto da turista erano, a sua mente, illegali poiché esse avevano fin dall'inizio l'intenzione di esercitare un'attività lucrativa. Non potevano quindi beneficiare dello "statuto di favore" di turiste e avrebbero dovuto avvertire le autorità conformemente all'art. 2 cpv. 1 seconda proposizione LDDS. Fornendo loro alloggio, i resistenti avrebbero favoreggiato in particolare la loro entrata e il loro soggiorno illegali, adempiendo così i presupposti del reato di cui all' art. 23 n. 1 cpv. 5 LDDS . b) La questione litigiosa è circoscritta alle prostitute regolarmente annunciate alle autorità e rimaste in Svizzera per una durata non superiore a 3 mesi. È accertato che il loro soggiorno veniva regolarmente notificato, conformemente all' art. 2 cpv. 2 LDDS , ma si trattava di semplici notifiche di soggiorni turistici non comprensive dell'annuncio di un'attività lucrativa. È inoltre accertato che esse possedevano un visto da turista valido per entrare in Svizzera. Dati questi elementi, la CCRP ha ritenuto che le giovani donne si trovavano legalmente sul suolo elvetico per cui i resistenti erano punibili esclusivamente giusta l' art. 23 n. 4 LDDS per avere ingaggiato stranieri non autorizzati a lavorare. c) In materia di sanzioni penali, l' art. 23 LDDS distingue tra i reati citati ai n. 1 e 2 e le contravvenzioni perseguite in virtù dei n. 4 e 6. Giusta l' art. 23 n. 1 cpv. 5 LDDS è punito con la detenzione fino a 6 mesi, a cui può aggiungersi una multa fino a fr. 10'000.-, e con la sola multa nei casi poco gravi, chiunque faciliti o aiuti l'entrata o l'uscita illegale o un soggiorno illegale di uno straniero in Svizzera. Secondo l' art. 23 n. 2 LDDS chi agisce a scopo d'indebito arricchimento è punito con la detenzione e con la multa fino a fr. 10'000.-. Conformemente all' art. 23 n. 4 LDDS , salvo nei casi di poca gravità, chi intenzionalmente impiega stranieri non autorizzati a lavorare in Svizzera, è punito per ogni straniero impiegato illegalmente con la multa fino a fr. 5'000.- se ha agito intenzionalmente, o fino a fr. 3'000.- se ha agito con negligenza; se l'agente ha agito a scopo di lucro, il giudice non è vincolato da questi BGE 128 IV 117 S. 135 massimi. Infine, l' art. 23 n. 6 LDDS prevede la multa fino a fr. 2'000.- per le "altre" infrazioni alle disposizioni di polizia degli stranieri o ai provvedimenti delle autorità competenti. d) Secondo giurisprudenza costante, la semplice attività consistente nell'assunzione di uno straniero, che soggiorna legalmente in Svizzera, senza permesso è una contravvenzione ( DTF 118 IV 262 consid. 1-4 e rinvii; v. anche VALENTIN ROSCHACHER, Die Strafbestimmung des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 26 März 1931 (ANAG), Zurigo 1991, pagg. 113-114, nonché HEINZ HELLER, Schwarzarbeit: Das Recht der Illegalen, unter besonderer Berücksichtigung der Prostitution, Tesi Zurigo 1999, pagg. 25-26). e) L'entrata o il soggiorno in Svizzera sono illegali ai sensi dell' art. 23 n. 1 LDDS in particolare se lo straniero oltrepassa il confine senza validi documenti di legittimazione e/o risiede sul suolo elvetico senza i necessari permessi. Secondo l'art. 1 cpv. 2 dell'ordinanza di esecuzione del 1o marzo 1949 della legge federale concernente la dimora e il domicilio degli stranieri (ODDS; RS 142.201), uno straniero è entrato legalmente in Svizzera, se ha osservato le prescrizioni sul possesso di documenti di legittimazione, sul visto, sul controllo di confine, ecc. e non ha contravvenuto a un divieto personale come un'espulsione, un divieto e una restrizione di entrata (v. anche art. 1 e 2 dell'ordinanza del 14 gennaio 1998 concernente l'entrata e la notificazione degli stranieri [OEnS; RS 142.211] nonché ROSCHACHER, op. cit., pagg. 27-37). f) Esercitare una professione senza la necessaria autorizzazione non basta di per sé per rendere illegale o abusivo il soggiorno (ROSCHACHER, op. cit., pagg. 56-57 e 114-115). Scopo originario della LDDS non è la protezione del mercato contro il lavoro clandestino, bensì impedire l'entrata e il soggiorno di persone indesiderabili nonché un'eccessiva penetrazione di stranieri, lottando contro il loro soggiorno illegale ed evitando che, sprovvisti di permesso, si sottraggano al controllo delle autorità (v. anche FF 1986 III 219; ROSCHACHER, op. cit., pag. 114; HEINZ HELLER, op. cit., pag. 9). Solo in seguito al proliferare del lavoro clandestino, le disposizioni penali della LDDS sono state completate con l'inserimento dell' art. 23 n. 4 e 5 LDDS per tentare di dissuadere l'impiego di stranieri sprovvisti di permesso (FF 1986 II 219-220 e 225-226). g) Nella fattispecie, è accertato in modo insindacabile (art. 273 cpv. 1 lett. b e 277bis cpv. 1 PP) che le giovani donne erano giunte in Svizzera in possesso di un visto per turisti e che ripartivano una BGE 128 IV 117 S. 136 volta trascorsi i 3 mesi durante i quali potevano risiedere sul suolo elvetico senza dover compiere ulteriori formalità ( art. 2 cpv. 1 LDDS ). Non risulta tra l'altro che i visti fossero stati emessi per una durata inferiore a 3 mesi o che non fossero validi. È indubbio che non hanno soggiornato e neanche sono entrate in Svizzera come turiste, poiché era loro intenzione esercitare un'attività lucrativa ai sensi dell'art. 6 dell'ordinanza del 6 ottobre 1986 che limita l'effettivo degli stranieri (OLS; RS 823.21; v. anche la definizione proposta in ROSCHACHER, op. cit., pag. 55, nota 98 che qualifica il "turista" come colui che per un tempo determinato visita la Svizzera per conoscerne le particolarità o per riposarsi). Si pone quindi la questione se, come sostiene il Ministero pubblico, a causa di siffatta constatazione la loro entrata nonché il loro soggiorno fossero illegali, nel qual caso i resistenti alloggiandole sarebbero effettivamente colpevoli del reato di cui all' art. 23 n. 1 cpv. 5 LDDS ( DTF 118 IV 262 consid. 3a). La risposta è negativa per i motivi che seguono. h) Al momento di oltrepassare il confine svizzero e durante il loro soggiorno, le giovani donne erano in possesso di un visto per turisti valido (v. art. 11 cpv. 1 lett. a OEnS ). Pertanto, hanno oltrepassato il confine e soggiornato legalmente in Svizzera. Poco importa se, eventualmente consigliate e aiutate dai resistenti, esse abbiano ottenuto in modo fraudolento tale autorizzazione, lo scopo del loro soggiorno non essendo quello dichiarato. In simili casi, è prevista unicamente la revoca senza formalità del visto prima dello scadere del termine previsto ( art. 15 cpv. 2 lett. b OEnS ). Tale revoca - che non risulta essere avvenuta per nessuna delle giovani donne -, è una facoltà, non un obbligo ( DTF 125 IV 148 consid. 2b in fine). Pertanto il visto, quand'anche ottenuto con l'inganno, non è nullo ab ovo; la sua validità e, quindi, la legalità dell'entrata e del soggiorno perdurano fino al momento della revoca (v. anche ROSCHACHER, op. cit., pag. 117 sulla revoca del permesso di dimora previsto all' art. 9 cpv. 2 LDDS ). La pratica litigiosa era indubbiamente volta a indurre in errore l'amministrazione affinché le giovani donne potessero penetrare in Svizzera ed esercitare indisturbate il mestiere di prostitute per 3 mesi. Tale comportamento è chiaramente riprovevole ma in assenza di una disposizione specifica (v. anche DTF 125 IV 148 consid. 2c e ROSCHACHER, op. cit., pag. 57), non può essere eretto come reato ai sensi dell' art. 23 n. 1 cpv. 5 LDDS . i) Pertanto, poiché le interessate si trovavano legalmente sul suolo Svizzero, la condanna dei resistenti, non recidivi, per avere contravvenuto all' art. 23 n. 4 LDDS non viola il diritto federale.
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Sachverhalt ab Seite 190 BGE 134 V 189 S. 190 A. A.a J., né en 1955, travaillait à temps partiel comme cuisinier au service du restaurant B. A ce titre, il était obligatoirement assuré contre les accidents par Allianz Suisse, Société d'Assurances (ci-après: l'Allianz). Le 27 janvier 2002, en descendant de cheval, il s'est tordu la cheville et le pied droit en inversion. Il s'est rendu en consultation au Centre hospitalier X. où l'on a posé le diagnostic de fracture du pilon tibial droit déplacée, nécessitant une intervention chirurgicale. Cette intervention a été repoussée, probablement en raison de la tuméfaction locale, et une attelle cruro-pédieuse a été posée. Le membre inférieur droit était surélevé, le patient devant rester au lit. Pour des raisons professionnelles, celui-ci a refusé de rester hospitalisé et est rentré à son domicile le 28 janvier 2002. Il a été hospitalisé à nouveau dans le même établissement le 4 février 2002 et l'intervention chirurgicale envisagée a été pratiquée le 6 février 2002 par le docteur V. Les suites ont été simples et le patient est rentré à son domicile le 8 février 2002, contre l'avis, semble-t-il, du corps médical. Après des plâtrages et physiothérapie de remise en route, la situation a paru s'améliorer. BGE 134 V 189 S. 191 A.b Le 8 mai 2002, alors qu'il se trouvait à son domicile, J. a fait une chute dans les escaliers en retombant sur le dos. Il en est résulté une nouvelle fracture du pilon tibial droit, cette fois au niveau de la partie antérieure de la métaphyse tibiale. Les médecins du Centre hospitalier X. ont prodigué un traitement conservateur (utilisation d'une nouvelle botte plâtrée pendant douze semaines, sans appui et sans mobilisation de la cheville, puis physiothérapie de mobilisation). La persistance des douleurs a motivé l'ablation du matériel d'ostéosynthèse au Centre hospitalier X. en septembre 2002. Cette intervention a amélioré la mobilité de la cheville droite; la symptomatologie douloureuse et la mobilité tibio-tarsienne ne se sont pas améliorées. Le patient a alors été adressé à l'Hôpital orthopédique S. où il a été vu le 1 er mai 2003 par la doctoresse B. Celle-ci a diagnostiqué une arthrose post-traumatique de la cheville droite. Elle a attesté une incapacité de travail de 100 pour cent et a préconisé un travail sédentaire (rapport du 15 juillet 2003). A.c Le 9 octobre 2003, l'Allianz a demandé au docteur V. des informations au sujet du patient. Ce médecin a répondu, le 22 octobre 2003, que l'intéressé avait effectivement été traité au Centre hospitalier X. pour les suites des deux fractures dont il avait été victime. S'agissant de l'accident du 8 mai 2002, il a précisé qu'une seconde intervention avait été proposée au patient, qui l'avait catégoriquement refusée. C'est la raison pour laquelle les médecins avaient poursuivi le traitement conservateur et procédé à l'ablation du matériel d'ostéosynthèse en octobre (recte: septembre) 2002. Les suites n'étant pas satisfaisantes, le patient s'était progressivement rendu compte qu'il devait accepter une prise en charge agressive. Compte tenu des antécédents, le patient avait été adressé à l'Hôpital orthopédique, qui le suivait depuis le 1er mai 2003. Dans un rapport du 17 novembre 2003, le docteur R., spécialiste FMH en chirurgie orthopédique et médecin-conseil de l'Allianz, a exprimé l'avis que l'évolution actuelle était liée au traumatisme du 8 mai 2002, qui aurait dû être clairement traité chirurgicalement. Dans ce cas, l'évolution aurait été bien plus favorable. L'Allianz a alors confié une expertise au docteur D., spécialiste FMH en chirurgie orthopédique, qui a rendu son rapport le 18 février 2004. L'expert a posé le diagnostic d'arthrose tibio-tarsienne droite post-traumatique, attribuable aux deux accidents successifs, mais plus particulièrement à celui du 8 mai 2002, en raison du déplacement de la fracture non réduite. L'état définitif n'était pas atteint. Un BGE 134 V 189 S. 192 traitement médical ultérieur était nécessaire, soit sous la forme d'une arthrodèse tibio-tarsienne, soit d'une prothèse totale de la cheville droite. En cas d'acceptation de l'intervention chirurgicale préconisée par le docteur V., et sous réserve d'une réduction anatomique avec bonne évolution, la capacité de travail en tant que restaurateur aurait été de 100 pour cent. Répondant à des questions complémentaires de l'Allianz, l'expert a encore précisé que la fracture présentée le 27 janvier 2002, à basse énergie, peu déplacée et suivie d'une intervention chirurgicale avec bonne réduction avait laissé intactes les chances d'une restitution ad integrum extrêmement élevées. C'est donc l'accident du 8 mai 2002 qui a clairement entraîné une atteinte permanente. B. Se fondant sur cette expertise, l'Allianz a rendu une décision, le 27 octobre 2004, par laquelle elle a mis fin au versement des indemnités journalières au 30 septembre 2002 et refusé à l'assuré tout droit à des prestations en espèces supplémentaires pour les suites des accidents des 27 janvier 2002 et 8 mai 2002. Elle a considéré que l'évolution actuelle était liée au traumatisme du 8 mai 2002 qui aurait dû être traité chirurgicalement. Comme l'assuré s'était soustrait à un traitement ou à une mesure de réadaptation auxquels on pouvait raisonnablement exiger qu'il se soumît, il n'avait droit qu'aux prestations qui auraient probablement dû être allouées si ladite mesure avait produit le résultat attendu. Saisie d'une opposition de l'assuré, l'Allianz l'a rejetée par une nouvelle décision du 30 novembre 2005. C. Statuant le 15 mars 2007, le Tribunal des assurances du canton de Vaud a rejeté le recours formé contre cette décision par l'assuré. D. J. a formé un recours en matière de droit public dans lequel il conclut à la réforme du jugement attaqué en ce sens que la cause est renvoyée à l'Allianz pour qu'elle fixe et verse les indemnités journalières avec intérêts à cinq pour cent l'an dès le 1 er octobre 2002. L'Allianz conclut au rejet du recours. Quant à l'Office fédéral de la santé publique, il ne s'est pas déterminé. Le recours a été admis.
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1,096
Erwägungen Extrait des considérants: 1. La question est de savoir si l'intimée était autorisée à refuser toute prestation à partir du 1er octobre 2002. Le motif invoqué à BGE 134 V 189 S. 193 l'appui de ce refus réside dans le fait que le recourant, au dire du docteur V., a refusé de se soumettre à une intervention chirurgicale qui, si elle avait eu lieu, aurait vraisemblablement permis un rétablissement de la capacité de travail de l'assuré. 2. 2.1 Selon l'art. 21 al. 4 de la loi du 6 octobre 2000 sur la partie générale du droit des assurances sociales (LPGA; RS 830.1), les prestations peuvent être réduites ou refusées temporairement ou définitivement si l'assuré se soustrait ou s'oppose, ou encore ne participe pas spontanément, dans les limites de ce qui peut être exigé de lui, à un traitement ou à une mesure de réinsertion professionnelle raisonnablement exigible et susceptible d'améliorer notablement sa capacité de travail ou d'offrir une nouvelle possibilité de gain. Une mise en demeure écrite l'avertissant des conséquences juridiques et lui impartissant un délai de réflexion convenable doit lui avoir été adressée. Les traitements et les mesures de réadaptation qui présentent un danger pour la vie ou pour la santé ne peuvent être exigés. L' art. 61 de l'ordonnance du 20 décembre 1982 sur l'assurance-accidents (OLAA; RS 832.202) concrétise et précise, pour ce qui est de l'assurance-accidents, les conséquences d'un refus de l'assuré. Il prévoit - conformément d'ailleurs à un principe général du droit de la responsabilité civile (cf. ATF 130 III 182 consid. 5.5.1 p. 189; arrêt 4C.83/2006 du 26 juin 2006, JdT 2006 I p. 475, consid. 4; PASCAL PICHONNAZ, Le devoir du lésé de diminuer son dommage, in La fixation de l'indemnité, colloque de l'Université de Fribourg, Berne 2004, p. 120) - de faire supporter à l'assuré la part du dommage dont il est personnellement responsable. Sous le titre "Refus d'un traitement ou d'une mesure de réadaptation exigibles", cette disposition a en effet la teneur suivante: "Si l'assuré se soustrait à un traitement ou à une mesure de réadaptation auxquels on peut raisonnablement exiger qu'il se soumette, il n'a droit qu'aux prestations qui auraient probablement dû être allouées si ladite mesure avait produit le résultat escompté." 2.2 Dans l'assurance-accidents, une réglementation de ce type était déjà applicable avant l'entrée en vigueur de la LPGA (l'ancien art. 48 al. 2 de la loi fédérale du 20 mars 1981 sur l'assurance- accidents [LAA; RS 832.20] en vigueur jusqu'au 31 décembre 2002 et art. 61 OLAA dans sa version en vigueur jusqu'à la même date; RO 1982 p. 1690, 1983 p. 56). La question du droit pertinent BGE 134 V 189 S. 194 ratio ne temporis -examinée par les premiers juges-n'a donc pas à êtretranchée en l'espèce, vu la similitude des réglementations applicables sur ce point avant et après l'entrée en vigueur de la LPGA. Comme par le passé, l'assureur doit adresser à l'assuré une mise en demeure écrite et le rendre attentif aux conséquences de son refus. Les conséquences pour l'assuré d'une violation de ses obligationssont également les mêmes qu'auparavant (ancien art. 61 al. 2OLAA).Il est à relever que l' art. 61 OLAA n'a pas de portée propremais qu'il doit être mis en relation avec l' art. 21 al. 4 LPGA : son application présuppose une sommation en bonne et due forme, assortie d'un délai de réflexion convenable (voir PETER OMLIN, Erfahrungen in der UV, in Praktische Anwendungsfragen des ATSG, René Schaffhauser/Ueli Kieser [éd.], p. 65 s.; voir aussi, à proposde l'ancien art. 48 al. 2 LAA et de l'ancien art. 61 OLAA : GABRIELA RIEMER-KAFKA, Die Pflicht zur Selbstverantwortung, Zurich 1999, p. 391 s.). 2.3 L' art. 21 al. 4 LPGA vise un état de fait qui naît postérieurement à la survenance de l'accident et qui s'inscrit donc dans l'obligation générale qui incombe à l'assuré de réduire le dommage (voir UELI KIESER, ATSG-Kommentar, n. 54 ad art. 21 LPGA ). En matière d'assurance-accidents, il se conjugue avec l' art. 48 al. 1 LAA , selon lequel l'assureur peut prendre les mesures qu'exige le traitement approprié de l'assuré en tenant compte équitablement des intérêts de celui-ci et de ses proches. Il s'applique donc avant tout au refus de se soumettre à un traitement médical (ou à une mesure diagnostique), car l'assureur-accidents n'alloue pas de prestations sous la forme de réadaptation professionnelle. Mais l'assureur-accidents peut aussi réduire ou refuser ses prestations si l'assuré se soustrait à une mesure de réadaptation professionnelle ordonnée par l'assurance-invalidité (JEAN-MAURICE FRÉSARD/MARGIT MOSER-SZELESS, L'assurance-accidents obligatoire, in Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, 2 e éd., p. 941 ch. 341). Quant à la procédure de sommation, elle constitue un préalable incontournable à une réduction ou à une suppression des prestations en vertu de l' art. 21 al. 4 LPGA . Elle est nécessaire même si l'assuré déclare d'emblée s'opposer à une mesure de réadaptation (cf. ATF 122 V 218 ; voir aussi à propos de l'ancien art. 33 al. 3 de la loi fédérale du 19 juin 1992 sur l'assurance militaire [LAM; RS 833.1], JÜRG MAESCHI, Kommentar zum Bundesgesetz über die Militärversicherung [MVG] vom 19. Juni 1992, Berne 2000, n. 33 ad art. 33 LAM ). BGE 134 V 189 S. 195 3. 3.1 Les premiers juges considèrent néanmoins que la procédure prévue en cas de refus par l'assuré d'un traitement raisonnablement exigible (information par écrit des conséquences juridiques de son refus, assortie de la fixation d'un délai raisonnable de réflexion) n'a pas pu être suivie en l'espèce. En effet, l'assureur n'a appris le refus de l'assuré que par la lettre du 22 octobre 2003 du docteur V., soit plus d'un an après que le recourant a refusé l'opération et alors que l'arthrose tibio-tarsienne était déjà apparue. On ne saurait donc retenir une omission fautive de l'assureur. Toujours selon les premiers juges, la capacité de travail de l'assuré aurait été entière dans une activité légère quatre mois après l'intervention. L'accident ayant eu lieu en mai 2002, c'est donc à juste titre que l'assureur a mis fin à ses prestations depuis le 1 er octobre 2002. 3.2 Selon l' art. 10 al. 1 LAA , l'assuré a droit au traitement médical approprié des lésions résultant de l'accident, à savoir, notamment, le traitement ambulatoire dispensé par le médecin et le traitement hospitalier. Les prestations pour soins sont des prestations en nature fournies par l'assureur-accidents. En particulier, l'assureur exerce un contrôle sur le traitement. Ce contrôle ne s'exerce pas directement à l'endroit du patient, mais à l'égard du médecin traitant (FRANÇOIS-X. DESCHENAUX, Le précepte de l'économie du traitement dans l'assurance-maladie sociale, en particulier en ce qui concerne le médecin, in Mélanges pour le 75e anniversaire du Tribunal fédéral des assurances, Berne 1992, p. 529 s.; ALFRED MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, Berne 1985, p. 304). Le fait que l'assurance-accidents est fondée sur le principe des prestations de soins en nature - où l'assureur est censé fournir lui-même le traitement médical, même s'il le fait par l'intermédiaire d'un médecin ou d'un hôpital - implique que les médecins et autres fournisseurs soient tenus de communiquer à l'assureur les données médicales indispensables. C'est la raison pour laquelle l'entrée en vigueur de la loi fédérale du 19 juin 1992 sur la protection des données (LPD; RS 235.1) a nécessité ultérieurement l'introduction d'une base légale formelle dans la LAA relative à la communication des données. Le législateur l'a fait en adoptant l' art. 54a LAA , en vigueur depuis le 1 er janvier 2001 et qui, sous le titre "Devoir d'information du fournisseur de prestations", prévoit que le fournisseur de prestations remet à l'assureur une facture détaillée et compréhensible; il lui transmet également toutes les indications BGE 134 V 189 S. 196 nécessaires pour qu'il puisse se prononcer sur le droit à prestations et vérifier le calcul de la rémunération et le caractère économique de la prestation (voir à ce sujet le Message du Conseil fédéral du 24 novembre 1999 concernant l'adaptation et l'harmonisation des bases légales pour le traitement de données personnelles dans les assurances sociales, FF 2000 p. 233; pour la situation antérieure au 1 er janvier 2001, voir THOMAS A. BÜHLMANN, Die rechtliche Stellung der Medizinalpersonen im Bundesgesetz über die Unfallversicherung vom 20. März 1981, thèse Berne 1985, p. 192). Les indications à fournir comprennent toutes celles qui permettent d'établir les faits déterminants pour le droit aux prestations (FRÉSARD/MOSER-SZELESS, op. cit., p. 982 ch. 506). 3.3 L'obligation de l'assureur de fournir des prestations en nature et le devoir d'information du médecin traitant à l'égard de l'assureur qui en est un corollaire ont pour conséquence que la responsabilité ultime du traitement appartient à l'assureur (DESCHENAUX, loc. cit.; GHÉLEW/RAMELET/RITTER, Commentaire de la loi sur l'assurance-accidents, Lausanne 1992, p. 178). A l'égard de l'assuré, l'assureur répond comme de la sienne propre d'une erreur ou d'une omission du médecin traitant. Dès lors, lorsque le médecin omet d'informer l'assureur d'un éventuel refus de l'assuré de se soumettre à une opération plus ou moins urgente et raisonnablement exigible, avec le risque d'aggravation que ce refus peut comporter, cette omission n'est pas opposable à l'assuré dans sa relation avec l'assureur: si l'omission a pour conséquence d'empêcher l'assureur de mettre en oeuvre en temps opportun la procédure prévue par l' art. 21 al. 4 LPGA , c'est ce dernier qui en assume la responsabilité et non l'assuré. 3.4 Par conséquent, contrairement à l'opinion de la juridiction cantonale, l'absence d'information en temps voulu du médecin traitant à l'assureur n'est pas opposable à l'assuré s'agissant du respect de la procédure prévue par cette disposition légale. Dès lors, quand bien même la deuxième intervention chirurgicale préconisée par le docteur V. n'était plus d'actualité en octobre 2003 et rendait sans objet une sommation, l'assureur ne pouvait mettre fin à ses prestations au motif que l'assuré, au dire de ce médecin, avait refusé l'intervention préconisée par ce dernier. L'assureur répond du retard - fautif ou non - du médecin et des conséquences de l'aggravation de l'état de santé de l'assuré. Aussi bien l'intimée n'était-elle pas fondée à supprimer le droit aux prestations de l'assuré au BGE 134 V 189 S. 197 motif que celui-ci se serait soustrait à un traitement raisonnablement exigible et qui eût été susceptible d'améliorer sa capacité de travail et de gain. 4. Il est vrai d'autre part qu'une réduction des prestations peut aussi être prononcée quand l'assuré, sans enfreindre les injonctions de l'assureur-accidents, compromet par son comportement le résultat du processus de guérison. La jurisprudence admet en effet d'appliquer ici, par analogie , les règles prévues en cas de réduction des prestations pour un comportement antérieur ou concomitant à la survenance du dommage, quand l'assuré, par une négligence grave, viole (ultérieurement) son obligation de réduire le dommage en refusant, notamment, de se soumettre à une intervention chirurgicale (voir RAMA 1996 n° U 244 p. 152, consid. 7, U 147/94; cf. aussi MAURER, op. cit., p. 474 s.). En l'espèce, seul pourrait entrer en considération l' art. 37 al. 2 LAA . D'après cette disposition, si l'assuré a provoqué l'accident par une négligence grave, les indemnités journalières versées pendant les deux premières années qui suivent l'accident sont, en dérogation à l' art. 21 al. 1 LPGA , réduites dans l'assurance des accidents non professionnels (première phrase). Constitue une négligence grave la violation des règles élémentaires de prudence que toute personne raisonnable eût observées dans la même situation et les mêmes circonstances pour éviter les conséquences dommageables prévisibles dans le cours ordinaire des choses (voir p. ex. ATF 118 V 305 consid. 2a p. 306 et les arrêts cités). Une négligence grave supposerait toutefois, comme condition préalable, que le recourant ait été suffisamment renseigné par le médecin sur les risques qu'il encourait en refusant de subir l'opération en cause. En effet, le médecin doit donner au patient, en termes clairs, intelligibles et aussi complets que possible, une information sur le diagnostic, la thérapie, le pronostic, les alternatives au traitement proposé, les risques de l'opération, les chances de guérison, éventuellement sur l'évolution spontanée de la maladie et les questions financières, notamment relatives à l'assurance ( ATF 133 III 121 consid. 4.1.2 p. 129 et les références citées). C'est au médecin qu'il appartient d'établir qu'il a suffisamment renseigné le patient ( ATF 133 III 121 consid. 4.1.3 p. 129 et les arrêts cités). En l'espèce, on ne dispose d'aucune preuve au dossier qui permettrait d'admettre que le médecin ait renseigné de manière suffisante le patient. Quoi qu'il en soit, la BGE 134 V 189 S. 198 question d'une éventuelle réduction en vertu d'une application par analogie de l' art. 37 al. 2 LAA n'est pas litigieuse en l'espèce, de sorte qu'il n'y a pas lieu de l'examiner plus avant.
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Sachverhalt ab Seite 229 BGE 133 IV 228 S. 229 X., directeur adjoint de la banque Z. SA, qui vit séparé de son épouse Y., détective privé, est opposé à cette dernière dans une procédure de divorce très conflictuelle, notamment sur le droit de garde de leur enfant, qui souffre d'une grave maladie. En été 2005, l'American Express ainsi que l'armurier B. ont envoyé, à son ancienne adresse, des relevés de carte et de comptes. Y. a ouvert ces plis et en a envoyé des copies à tous les membres de la direction générale et du conseil d'administration de la banque Z., à leurs adresses, privée et professionnelle, par courrier confidentiel et anonyme. Elle a admis avoir posté ces documents sur le conseil d'amis, afin que son mari se sente gêné vis-à-vis de sa direction. Elle a regretté son geste. X. a pris connaissance de ces faits lorsqu'il a été convoqué par son directeur, le 6 avril 2006. Il a alors déposé plainte contre son épouse pour violation des secrets privés. Par décision du 24 octobre 2006, le Procureur général du canton de Genève a classé l'affaire, faute de prévention suffisante et par gain de paix. Par ordonnance du 17 janvier 2007, la Chambre d'accusation genevoise a rejeté le recours de X. et confirmé la décision entreprise. Le plaignant dépose un recours en matière pénale. Il invoque une violation des art. 48, 55a et 179 CP et conclut à l'annulation de l'ordonnance précitée. Le Tribunal fédéral a déclaré le recours irrecevable.
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. Le plaignant fonde sa qualité pour recourir sur l'art. 81 al. 1 let. b in initio de la loi du 17 juin 2005 sur le Tribunal fédéral (LTF; RS 173.110). Il explique que le caractère exemplatif de la liste des personnes habilitées à recourir, énoncée sous cette disposition, confère désormais aux lésés simples, qui n'entrent pas dans la définition de victimes au sens de l' art. 2 al. 1 LAVI , la qualité pour agir dans la mesure où ils peuvent faire la preuve de leur intérêt juridique à l'annulation ou à la modification de la décision attaquée. (...) 2.1 Aux termes de l' art. 81 al. 1 LTF a qualité pour former un recours en matière pénale quiconque a pris part à la procédure devant l'autorité précédente ou a été privé de la possibilité de le faire, et (let. a) a un intérêt juridique à l'annulation ou à la modification de la décision attaquée, soit en particulier (let. b): l'accusé (ch. 1), le BGE 133 IV 228 S. 230 représentant légal de l'accusé (ch. 2), l'accusateur public (ch. 3), l'accusateur privé, si, conformément au droit cantonal, il a soutenu l'accusation sans l'intervention de l'accusateur public (ch. 4), la victime, si la décision attaquée peut avoir des effets sur le jugement de ses prétentions civiles (ch. 5), le plaignant, pour autant que la contestation porte sur le droit de porter plainte (ch. 6). 2.2 La loi s'interprète en premier lieu selon sa lettre. D'après la jurisprudence, il n'y a lieu de déroger au sens littéral d'un texte clair par voie d'interprétation que lorsque des raisons objectives permettent de penser que ce texte ne restitue pas le sens véritable de la disposition en cause. De tels motifs peuvent découler des travaux préparatoires, du but et du sens de la disposition, ainsi que de la systématique de la loi. Si le texte n'est pas absolument clair, si plusieurs interprétations de celui-ci sont possibles, il convient de rechercher quelle est la véritable portée de la norme, en la dégageant de tous les éléments à considérer, soit notamment des travaux préparatoires, du but de la règle, de son esprit, ainsi que des valeurs sur lesquelles elle repose ou encore de sa relation avec d'autres dispositions légales. Le Tribunal fédéral ne privilégie aucune méthode d'interprétation, mais s'inspire d'un pluralisme pragmatique pour rechercher le sens véritable de la norme; en particulier, il ne se fonde sur la compréhension littérale du texte que s'il en découle sans ambiguïté une solution matériellement juste ( ATF 133 III 175 consid. 3.3.1 p. 178; ATF 133 V 57 consid. 6.1 p. 61; ATF 132 III 226 consid. 3.3.5 p. 237; ATF 131 III 314 consid. 2.2 p. 315 s.). Il est de plus communément admis que les méthodes usuelles d'interprétation des branches du droit valent sans autre dans le domaine de la procédure pénale, pour laquelle les restrictions apportées quant à l'interprétation des lois pénales de fond ne s'imposent pas. Il y a donc lieu de procéder à l'interprétation de l' art. 81 LTF en s'inspirant du pluralisme pragmatique dégagé par la jurisprudence pour discerner le sens véritable de la norme applicable (cf. GÉRARD PIQUEREZ, Traité de procédure pénale suisse, 2 e éd., Zurich 2006, p. 53 s.). 2.3 L' art. 81 al. 1 LTF donne une définition générale de la qualité pour recourir en matière pénale. La liste de la lettre b énumère les cas ordinaires où la condition de l'intérêt juridique à recourir est en principe réalisée. Elle n'est toutefois pas exhaustive et toute personne peut désormais faire valoir qu'elle dispose d'un intérêt juridique à l'annulation de la décision attaquée (FF 2001 p. 4115 s.). Un BGE 133 IV 228 S. 231 intérêt général ou de fait reste cependant insuffisant. Or, il est admis que l'action pénale appartient exclusivement à l'Etat; elle est instituée dans l'intérêt public et ne profite qu'indirectement au simple lésé, qui, en règle générale, n'a qu'un intérêt de fait à obtenir que cette action soit effectivement mise en oeuvre. Un intérêt juridiquement protégé, propre à conférer la qualité pour recourir, est reconnu seulement à la victime d'une atteinte à l'intégrité corporelle, sexuelle ou psychique, au sens de l' art. 2 LAVI (RS 312.5), lorsque la décision entreprise peut avoir des effets sur le jugement de ses prétentions civiles (cf. ATF 131 I 455 consid. 1.2.1 p. 458; ATF 128 I 218 consid. 1.1 p. 219 s.). Ainsi, selon le texte légal, le lésé n'a en principe pas la qualité pour recourir sur le fond contre une décision relative à la conduite de l'action pénale. Il y a toutefois lieu d'examiner si cette conclusion correspond à la volonté du législateur. 2.3.1 Sous l'ancien droit, la qualité pour se pourvoir en nullité du lésé a connu diverses solutions. Dès 1934, seuls l'accusé, l'accusateur public et, dans certains cas, le plaignant ainsi que l'accusateur privé avaient cette faculté ( ATF 108 IV 154 consid. 1a p. 155). Dès 1993, le lésé était légitimé à se pourvoir en nullité s'il était déjà partie à la procédure auparavant et dans la mesure où la sentence pouvait avoir des effets sur le jugement de ses prétentions civiles ( ATF 119 IV 339 consid. 1c p. 341; FF 1990 II 947). A partir du 1 er janvier 2001, le simple lésé ne possédait plus la légitimation active, celle-ci étant désormais réservée aux seules personnes susceptibles d'invoquer le besoin de protection prévue par la LAVI ( ATF 129 IV 206 consid. 1 p. 207; ATF 128 IV 232 consid. 3.2 p. 235 s.; FF 1999 p. 8863 s.). Dans ce sens, le législateur a relevé que la qualité pour recourir avait été conçue de manière très étendue. Or, aucun argument ne militait en faveur d'une conception aussi large, qui donnait notamment à des tiers, qui avaient subi des préjudices des suites d'une infraction, sans toutefois être des victimes au sens de la LAVI, la possibilité de se pourvoir en nullité. Aussi, il convenait de réserver la légitimation active à la victime et à ses proches, ce qui permettait également d'uniformiser la qualité pour recourir dans les procédures connexes de pourvoi en nullité et de recours de droit public (FF 1999 p. 8863 s.). Cependant, le législateur a également admis que certains tiers devaient être légitimés à recourir, à savoir ceux qui BGE 133 IV 228 S. 232 étaient touchés dans leurs droits par une confiscation ou par la publication d'un jugement (FF 1999 p. 8873; ATF 108 IV 154 ). Dans le cadre de la révision totale de l'organisation judiciaire fédérale, le législateur a donné une définition générale de la qualité pour recourir en matière pénale, précisant que celle-ci ne s'écartait pas substantiellement du régime prévalant jusqu'alors. Il a confirmé que la victime disposait d'un intérêt juridique si la décision attaquée pouvait avoir des effets sur le jugement de ses prétentions civiles, mais aussi lorsqu'elle faisait valoir un droit que lui accordait la LAVI et dont la violation n'influençait pas le jugement de ses conclusions civiles. Il a également relevé le caractère exemplatif de la liste de l' art. 81 al. 1 let. b LTF , précisant que toute personne pouvait faire valoir qu'elle disposait d'un intérêt juridique à l'annulation de la décision attaquée, comme par exemple les héritiers de l'accusé (FF 2001 p. 4116). 2.3.2 Se référant à la rédaction de l' art. 81 LTF d'après le système de la clause générale, assortie d'une liste non exhaustive d'exemples, un auteur en souligne la maladresse, susceptible d'induire en erreur les destinataires de la norme (NIKLAUS SCHMID, Die Strafrechtsbeschwerde nach dem Bundesgesetz über das Bundesgericht - eine erste Auslegeordnung, in RPS 124/2006 p. 179; cf. MARTIN SCHUBARTH, Die Einheitsbeschwerde in Strafsachen - Flop oder Ei des Columbus?, in RPS 120/2002 p. 66 à 69). Selon cet avis, la clause générale exprime essentiellement l'obligation de vérifier, pour chacun des six exemples mentionnés, si la condition matérielle de l'existence d'un intérêt juridiquement protégé est réalisée (NIKLAUS SCHMID, op. cit., p. 180), sans pour autant étendre la légitimation active à d'autres intéressés que ceux qui en bénéficiaient déjà en application de l' art. 270 PPF , en particulier les personnes visées par une mesure de contrainte, une confiscation ou encore la publication d'un jugement (NIKLAUS SCHMID, op. cit., p. 187). Cet auteur relève encore que le simple lésé, soit celui qui n'a pas la qualité d'accusateur privé au sens de l'art. 81 al. 1 let. b ch. 4 LTF, ni celle de victime au sens de l'art. 81 al. 1 let. b ch. 5 LTF, a une légitimation très restreinte en matière pénale. Il explique, en bref, que le lésé n'est pas habilité pour recourir sur le fond contre une décision relative à la conduite de l'action pénale, celle-ci relevant exclusivement de la compétence de l'Etat. Il peut seulement se plaindre, le cas échéant, d'une violation de ses droits de partie à la procédure BGE 133 IV 228 S. 233 qui lui sont reconnus par le droit cantonal ou le droit constitutionnel, lorsque cette violation équivaut à un déni de justice formel (NIKLAUS SCHMID, op. cit., p. 186; ATF 128 I 218 consid. 1.1 p. 219 s; ATF 120 Ia 157 consid. 2 p. 159 s.) Pareillement, d'autres auteurs soulignent la parenté entre les art. 270 PPF et 81 al. 1 let. b LTF, en citant le caractère exemplatif de la liste contenue dans cette dernière disposition et en relevant qu'au nombre des titulaires de la légitimation active non mentionnés devaient être assimilées les personnes qui étaient autrefois énoncées dans l' art. 270 PPF , ainsi que celles qui avaient été légitimées par une décision jurisprudentielle (cf. FELIX BÄNZIGER, Der Beschwerdegang in Strafsachen, in Die Reorganisation der Bundesrechtspflege - Neuerungen und Auswirkungen in der Praxis, Saint-Gall 2006, p. 91; NICOLAS VON WERDT, Bundesgerichtsgesetz, p. 293 n° 6 à 8; PETER KARLEN, Das neue Bundesgerichtsgesetz, Bâle 2006, p. 47; FELIX BOMMER, Ausgewählte Fragen der Strafrechtspflege nach Bundesgerichtsgesetz, in Berner Tagung für die juristische Praxis [BTJP] 2006 p. 173 s.). En aucun cas, ces auteurs ne citent les lésés simples. Ceci peut s'expliquer par le fait que la question a été réglée de manière approfondie à l'occasion de la réforme du 23 juin 2000, en vigueur depuis le 1 er janvier 2001, et qu'il n'était par conséquent pas nécessaire de la reprendre dans le message concernant la révision totale de l'organisation judiciaire fédérale du 28 février 2001. De leur côté, d'autres commentateurs tirent de l'abandon du système de la liste exhaustive des bénéficiaires de la qualité pour recourir l'extension de cette dernière aux lésés simples (MARC THOMMEN/HANS WIPRÄCHTIGER, Die Beschwerden in Strafsachen, in PJA 2006 p. 655 s.; KARL SPÜHLER/ANNETTE DOLGE/DOMINIK VOCK, Bundesgerichtsgesetz, Kurzkommentar, Zurich 2006, p. 147 s.; YVAN JEANNERET/ROBERT ROTH, Le recours en matière pénale, in Les recours au Tribunal fédéral, p. 121). Pour certains, cette approche permettrait de se dégager de la jurisprudence compliquée et restrictive quant à la notion de victime et de l'examen des effets de la décision attaquée sur le jugement des prétentions civiles de cette dernière (MARC THOMMEN/HANS WIPRÄCHTIGER, op. cit., p. 655 s.). D'autres constatent une absurdité dans la mesure où le lésé disposerait d'un accès plus large au recours que la victime, à laquelle l'art. 81 al. 1 let. b ch. 5 LTF impose la démonstration des effets du jugement pénal sur ses prétentions civiles, et proposent, face à cette ambiguïté de la loi, d'appliquer au lésé, par analogie, l'exigence de l'effet sur les prétentions BGE 133 IV 228 S. 234 civiles, au titre de concrétisation de l'intérêt juridique requis par la clause générale (YVAN JEANNERET/ROBERT ROTH, op. cit., p. 121). 2.3.3 Il résulte de l'examen des travaux préparatoires et de ces diverses opinions doctrinales que le nouveau droit s'inscrit dans la continuité de l'ancien et que l'élargissement de la qualité pour recourir ne saurait procéder du seul caractère exemplatif de l'énumération non exhaustive de l' art. 81 al. 1 let. b LTF . Il n'y a en conséquence pas lieu de modifier le système introduit le 23 juin 2000, avant que la question ne soit éventuellement revue par le législateur dans le cadre des travaux préparatoires de la nouvelle procédure pénale fédérale. Le principe de la sécurité du droit impose d'interpréter l'art. 81 al. 1 let. b ch. 5 LTF dans le sens de l' art. 270 PPF , tel qu'il avait été modifié en 2000, jusqu'à ce que le législateur confirme ou infirme cette définition de la qualité pour recourir, lors de l'adoption des normes de procédure pénale fédérale. Dans ces conditions, le recourant n'est pas habilité à saisir l'autorité de céans en se fondant sur sa position de lésé.
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Sachverhalt ab Seite 417 BGE 112 Ib 417 S. 417 Die Schweizerische Eidgenossenschaft betreibt seit etlichen Jahren in der Nähe von Ulrichen einen Militärflugplatz. Um die Flugsicherheit der Anlage zu erhalten, arbeitete die Abteilung der Militärflugplätze (heute Bundesamt für Militärflugplätze) im Jahre BGE 112 Ib 417 S. 418 1970 einen Sicherheitszonenplan 1:5000 aus. Nach diesem ist beidseits der Pistenachse ein Streifen von 90 m Breite frei von Hindernissen zu halten; auf einer weiteren Breite von 8 m sind Bauten ansteigend von 0-12 m zulässig und für die anschliessende, 76 m breite Zone gilt die Maximalhöhe von 12 m. Jenseits der Zonengrenze kann diese Höhe um 14% des Abstandes zur Zone überschritten werden, doch dürfen Bauten nicht höher als 45 m sein. Dieser Sicherheitsplan ist nie veröffentlicht worden. Die Abteilung der Militärflugplätze hat ihn jedoch mit Schreiben vom 20. Februar 1970 dem Gemeinderat Ulrichen zur Kenntnis gebracht. Die Geschwister Pius Imfeld, Agnes Imwinkelried-Imfeld und Ida Burgener-Imfeld haben die Absicht, auf ihrer Parzelle Nr. 25 in Ulrichen ein Ferienhaus zu erstellen. Auf die Ausschreibung des Baugesuches im Amtsblatt erhob das Bundesamt für Militärflugplätze Einsprache gegen das Projekt, da das Grundstück mit Rücksicht auf die Flugsicherheit von Hindernissen freigehalten werden müsse. Wie schon in anderen Fällen erteilte jedoch die kantonale Baukommission am 24./27. Oktober 1980 die Baubewilligung und wies die Einsprache des Bundesamtes ab mit der Begründung, dass das Baugrundstück gemäss Art. 36 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Raumplanung (RPG) als Bauland zu charakterisieren sei und die Einwendung der Flugplatzbehörde erst geschützt werden könne, wenn diese die zur Freihaltung der Sicherheitszone benötigen Rechte entweder durch gütliche Vereinbarung oder auf dem Enteignungswege erworben habe. Das Bundesamt für Militärflugplätze verzichtete auf Anfechtung dieses Entscheides, gelangte aber innert der Rekursfrist an den Präsidenten der Eidgenössischen Schätzungskommission, Kreis 4, und ersuchte ihn im Namen des Eidgenössischen Militärdepartementes (EMD) um Eröffnung eines Enteignungsverfahrens gegenüber den Eigentümern der Parzelle Nr. 25 sowie um Bewilligung zur Durchführung des abgekürzten Verfahrens im Sinne von Art. 33 des Bundesgesetzes über die Enteignung (EntG) . Der Schätzungskommissions-Präsident erteilte diese Bewilligung mit Verfügung vom 12. November 1980. Nach der persönlichen Anzeige verlangt die Eidgenossenschaft die Einräumung einer die Parzelle Nr. 25 belastenden Grunddienstbarkeit unter dem Stichwort "Bau- und Hindernisverbot und Pflanzbeschränkung für die Sicherung des Flugbetriebes", welche die Vornahme aller baulicher Massnahmen sowie das Pflanzen von Bäumen und Sträuchern untersagt. BGE 112 Ib 417 S. 419 Der Anzeige war lediglich ein "Enteignungsplan" beigelegt, auf welchem die Parzelle Nr. 25 farblich hervorgehoben wird. Die Geschwister Imfeld erhoben gegen die Enteignung Einsprache, die das EMD am 24. März 1983 abwies, soweit es auf sie eintrat. Gegen diesen Entscheid haben die Enteigneten Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht und den Antrag gestellt, die Enteignung sei zu verweigern oder die Sache allenfalls zur Durchführung des gesetzlichen Verfahrens zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde nach Durchführung eines zweiten Schriftenwechsels ab, soweit es auf sie eintritt.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die Beschwerdeführer machen unter anderem geltend, es hätte kein abgekürztes Verfahren im Sinne von Art. 33 EntG durchgeführt werden dürfen, sondern das ordentliche Verfahren mit öffentlicher Planauflage und öffentlicher Anzeige angeordnet werden müssen ( Art. 27-31 EntG ). Diese Einwendung ist vorab zu untersuchen, denn wäre sie zulässig und begründet, müsste dies zur Aufhebung des Enteignungsverfahrens führen. Das EMD hält die Beschwerdeführer nicht für legitimiert, eine öffentliche Planauflage zu verlangen, da sie mit diesem Begehren keine eigenen schutzwürdigen Interessen ( Art. 103 lit. a OG ), sondern die Anliegen der allenfalls zusätzlich ins Verfahren einzubeziehenden Dritten verträten. Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Nach der Rechtsprechung gilt als schutzwürdiges Interesse jedes Interesse rechtlicher oder auch nur tatsächlicher Natur, das der durch die Verfügung Betroffene an deren Änderung oder Aufhebung hat, ohne dass verlangt würde, dass dieses mit dem Interesse, welches durch die als verletzt bezeichnete Norm geschützt wird, übereinstimmen müsse ( BGE 111 V 152 E. 2a, BGE 110 Ib 100 f. E. 1a, BGE 108 Ib 93 ). Zudem hat der Enteignete zweifellos ein unmittelbares Interesse an der Einhaltung von Verfahrensregeln, die in erster Linie dazu dienen, ihm die Verteidigung seiner Rechte und die Vertretung der mit dem Werk in Widerstreit stehenden öffentlichen Anliegen zu ermöglichen (vgl. BGE 100 Ib 408 ff.). Damit ist noch nicht entschieden, ob die Einwendungen der Einsprecher gegen das abgekürzte Verfahren zulässig seien. Die Beantwortung dieser Frage bedarf vorweg einiger grundsätzlicher Überlegungen: BGE 112 Ib 417 S. 420 a) Das abgekürzte Verfahren im Sinne von Art. 33 EntG kann nur mit Bewilligung des Präsidenten der Schätzungskommission durchgeführt werden, der von Amtes wegen zu prüfen hat, ob eine der in Art. 33 lit. a-d umschriebenen Voraussetzungen erfüllt sei. In diesem Zusammenhang fragt sich, ob vorgängig der Bewilligung die Betroffenen nicht entsprechend der Vorschrift von Art. 30 VwVG anzuhören seien. Zwar erklärt Art. 2 Abs. 3 VwVG nur die Fristbestimmungen von Art. 20-24 für das Verfahren vor Schätzungskommission anwendbar, doch wird in Art. 3 der Verordnung des Bundesgerichtes für die eidgenössischen Schätzungskommissionen vom 24. April 1972 (SR 711.1) auf die Vorschriften des zweiten Abschnittes des Verwaltungsverfahrensgesetzes verwiesen, die im Verfahren vor dem Präsidenten oder der Kommission - soweit es nicht um einen Prozess zur Feststellung eines Rechtes geht ( Art. 69 Abs. 2 EntG ) - Nachachtung finden müssen. Zu diesen Bestimmungen des zweiten Abschnittes gehört Art. 30 VwVG , der die Ausnahmefälle, in denen auf eine vorgängige Anhörung der Parteien verzichtet werden kann, abschliessend aufzählt (Abs. 2 lit. a-e; BGE 104 Ib 134 ). Bei der Bewilligung zur Durchführung des abgekürzten Verfahrens geht es um keinen dieser Fälle: weder handelt es sich um eine Verfügung, die durch Einsprache anfechtbar ist (lit. b), noch um eine solche, mit der den Begehren der Parteien voll entsprochen wird (lit. c), noch um eine Vollstreckungsverfügung; es kann auch keine Rede davon sein, dass "Gefahr im Verzuge" wäre (lit. e), und schliesslich ist die Bewilligung als Zwischenverfügung - wie sich noch zeigen wird - selbständig anfechtbar (lit. a). Dass auf eine Anhörung der Betroffenen verzichtet werden kann, ergibt sich jedoch aus dem Zweck des Artikels 33 EntG selbst: Dieser liegt gerade darin, dem Enteigner die öffentliche Bekanntmachung des Verfahrens unter bestimmten Umständen zu ersparen, und würde durch die an sämtliche Interessierte gerichtete Aufforderung zur Stellungnahme völlig vereitelt. So muss Art. 30 VwVG im Enteignungsverfahren vor der Schätzungskommission wohl grundsätzlich Anwendung finden, doch geht ihm Art. 33 EntG als spezielle, wenn auch ältere Norm vor und befreit den Präsidenten beim Entscheid über das durchzuführende Planauflageverfahren von der Anhörungspflicht. b) Nach der ursprünglichen Fassung des Enteignungsgesetzes vom 20. Juni 1930 konnte der Entscheid des Präsidenten, das abgekürzte Verfahren zu bewilligen, nur mit Aufsichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten werden (vgl. Art. 63 EntG ; FRITZ BGE 112 Ib 417 S. 421 HESS, Das Enteignungsrecht des Bundes, N. 14 zu Art. 33 EntG ). Mit der Revision des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 20. Dezember 1968 und der nachträglichen - nur noch formalen - Anpassung des Enteignungsgesetzes im Jahre 1971 sind auch die Entscheide der Schätzungskommissionen grundsätzlich der Verwaltungsgerichtsbarkeit unterstellt worden (vgl. Art. 77 EntG in der Fassung vom 18. März 1971), gelten doch diese Kommissionen nach der Lehre, nach der Systematischen Gesetzessammlung (vgl. SR 173.3) sowie nach der neuesten bundesgerichtlichen Praxis als Schiedskommissionen im Sinne von Art. 98 lit. e OG (GRISEL, Traité de droit administratif, S. 969, GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. A., S. 283, 286; Urteile vom 18. Juni 1986 i.S. Stiftung "die neue zeit", nicht zu publ. E. 1a, und vom 11. Oktober 1985 i.S. Ricklin E. 1). Die durch BGE 100 Ib 184 E. 1 geschaffene Rechtsprechung - welche in BGE 104 Ib 291 E. 2a, BGE 109 Ib 31 und 132 sowie im Entscheid Schinznach Bad vom 6. Mai 1982 (ZBl 84/1983, S. 421) übernommen worden ist - muss als überholt gelten, insoweit die Eidgenössischen Schätzungskommissionen als "andere eidgenössische Kommissionen" ( Art. 98 lit. f OG ) bezeichnet worden sind und daraus geschlossen worden ist, dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen deren Verfügungen nur gegeben sei, wenn das Bundesrecht sie ausdrücklich vorsehe. Sind die Schätzungskommissionen Schiedskommissionen, so sind ihre tatsächlichen Feststellungen - wie oben erwähnt (E. 1) - vom Bundesgericht frei überprüfbar, da die in Art. 105 Abs. 2 OG vorgesehene Kognitionsbeschränkung nur gegenüber Rekurskommissionen oder kantonalen Gerichten gilt ( BGE 97 I 479 ; GYGI, a.a.O., S. 114). Im weiteren ist an die Ausführungen im zitierten Urteil Schinznach Bad (ZBl 84/1983, S. 421 ff.) zu erinnern, wonach unter den Entscheiden "eidgenössischer Kommissionen" im Sinne von Art. 98 lit. e und f OG sowohl jene Verfügungen zu verstehen sind, die die Kommission als ganze trifft, als auch jene, welche als Zwischenentscheide prozess- oder materiellrechtlicher Natur vom Präsidenten allein ausgehen. Eine gegenteilige Auslegung im streng wörtlichen Sinne stünde mit der Systematik des Gesetzes in Widerspruch, das in Art. 101 und nicht in Art. 98 regelt, inwieweit Verfügungen je nach ihrem verfahrensrechtlichen Inhalt der Verwaltungsgerichtsbarkeit entzogen sind. c) Da es sich beim Entscheid des Schätzungskommissions-Präsidenten über die Zulässigkeit des abgekürzten Verfahrens um BGE 112 Ib 417 S. 422 eine Zwischenverfügung handelt, kann er nur dann selbständig mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde weitergezogen werden, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann ( Art. 97 OG in Verbindung mit Art. 5 und 45 VwVG ). Diese Voraussetzung wird anders als im staatsrechtlichen Verfahren schon als erfüllt betrachtet, wenn der Beschwerdeführer ein schutzwürdiges Interesse an der sofortigen Aufhebung oder Abänderung der Verfügung hat ( BGE 109 Ib 132 mit Hinweisen auf weitere Urteile). Ein solches darf ohne weiteres angenommen werden, wenn umstritten ist, welches das nach dem Gesetze einzuschlagende Verfahren sei, das ordentliche oder das abgekürzte ( BGE 109 Ib 132 mit Hinweisen auf weitere Urteile; GYGI, a.a.O., S. 108). Die Bewilligung zur Durchführung des abgekürzten Verfahrens im Sinne von Art. 33 EntG ist demnach mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde und nicht nur mit Aufsichtsbeschwerde anfechtbar. Der gegenteiligen Auffassung, die im neuen Kommentar HESS/WEIBEL (Das Enteignungsrecht des Bundes, Bd. I, N. 15 zu Art. 33 EntG , s. auch N. 3 und 4 zu Art. 77 EntG ) noch gestützt auf BGE 100 Ia 184 f. vertreten wird, kann nicht mehr gefolgt werden. d) Im vorliegenden Fall hat der Präsident der Schätzungskommission die Bewilligung zur Durchführung des abgekürzten Verfahrens am 12. November 1980 erteilt. Die Enteigneten sind in der persönlichen Anzeige vom 17./20. November 1980 auf diese aufmerksam gemacht worden. Nun enthielt zwar die persönliche Anzeige keine Rechtsmittelbelehrung und darf den Parteien daraus kein Nachteil erwachsen ( Art. 35 und 38 VwVG , Art. 107 Abs. 3 OG ), doch bedeutet dies nicht, dass der Betroffene mit der Ergreifung eines Rechtsmittels beliebig lange zuwarten dürfe und sich jederzeit noch an den Richter wenden könne; vielmehr ist er nach Treu und Glauben verpflichtet, die zur Verteidigung seiner Rechte notwendigen Schritte ohne Verzug zu unternehmen und die Verfügung innerhalb einer vernünftigen Frist in Frage zu stellen ( BGE 107 Ia 76 , BGE 106 V 97 , 104 V 167). Nun haben die Beschwerdeführer gegen die Bewilligung des Präsidenten zur Durchführung des abgekürzten Verfahrens weder Verwaltungsgerichtsbeschwerde noch Aufsichtsbeschwerde eingereicht und erst in der Beschwerde gegen den Einspracheentscheid Kritik am gewählten Verfahren geübt. Diese Kritik ist verspätet (vgl. auch VPB 46 III Nr. 52, S. 280 E. 1). Auf die Beschwerde ist insoweit nicht einzutreten. 5. Die Beschwerdeführer beanstanden mit Recht, dass das Departement nicht von Anfang des Verfahrens an einen Werkplan BGE 112 Ib 417 S. 423 vorgelegt hat, obschon Art. 34 Abs. 1 lit. d EntG den Enteigner ausdrücklich anweist, in der persönlichen Anzeige anzugeben, wo ein Plan über das Werk während der Eingabefrist eingesehen werden könne. Von dieser Auflagepflicht wurde das EMD, nur weil es im Jahre 1970 den Sicherheitszonenplan der Gemeinde zur Kenntnisnahme zustellte und die Bauverbotszonengrenze als Linie im kommunalen Nutzungsplan eingezeichnet wurde, keineswegs befreit. Auch kann der den Beschwerdeführern zugestellte "Enteignungsplan" nicht zugleich als Werkplan betrachtet werden, da er keinerlei Angaben über die Sicherheitszone und die einzelnen damit verbundenen Beschränkungen enthält. Trotz dieser schwerwiegenden Unterlassung rechtfertigt es sich jedoch nicht, die Beschwerde gutzuheissen und das Verfahren aufzuheben, weil der Sicherheitszonenplan vom EMD zusammen mit der Beschwerdeantwort zu den Akten gegeben und den Beschwerdeführern Gelegenheit geboten worden ist, hiezu Stellung zu nehmen. Der Verfahrensmangel kann deshalb als geheilt gelten. In der Sache selbst ist festzuhalten, dass sich die Enteigneten in ihrer Replik zum Plan nicht näher geäussert und insbesondere ihre in der Einsprache erhobene Einwendung, die projektierte Baute liege nicht in der Auffangszone oder am Pistenende und behindere daher den An- oder Wegflug nicht, nicht erneuert haben. Aufgrund der allgemeinen Erfahrung kann denn auch ohne weiteres gesagt werden, dass eine Baute, die sich nur 40 m vom Pistenrand entfernt befindet, ein gefährliches Hindernis für den Flugbetrieb darstellt, ohne dass hiefür weitere Untersuchungen vorgenommen oder Expertisen beigezogen werden müssten. Die Einräumung der verlangten Bau- und Pflanzverbotsdienstbarkeit erweist sich somit für die Erhaltung der Flugsicherheit auf der bestehenden Piste als notwendig. Die Beschwerde muss insofern als unbegründet abgewiesen werden. Um Missverständnissen vorzubeugen, ist klarzustellen, dass dieser Entscheid nur die Parzelle Nr. 25 betrifft und aus ihm keine allgemeinen Schlüsse für andere Grundstücke oder die Sicherheitszone insgesamt gezogen werden können.
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Sachverhalt ab Seite 525 BGE 139 V 524 S. 525 A. Der 1956 geborene W. arbeitete seit 1. Januar 2010 als Amtsvormund bei der Vormundschaftsbehörde X. Am 25. November 2011 lösten die Parteien das Arbeitsverhältnis per 29. Februar 2012 in gegenseitigem Einvernehmen auf. Am 27. Februar 2012 meldete sich W. zur Arbeitsvermittlung an und stellte Antrag auf Arbeitslosenentschädigung. Mit Verfügung vom 9. Mai 2012 stellte ihn das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) wegen ungenügender persönlicher Arbeitsbemühungen in der Zeit vor Eintritt der Arbeitslosigkeit ab 1. März 2012 für die Dauer von drei Tagen in der Anspruchsberechtigung ein. Dies bestätigte das Arbeitsamt des Kantons Appenzell Ausserrhoden mit Einspracheentscheid vom 8. Juni 2012. B. Die von W. dagegen erhobene Beschwerde mit dem Rechtsbegehren, es sei von der Einstellung in der Anspruchsberechtigung abzusehen, hiess das Obergericht von Appenzell Ausserrhoden mit Entscheid vom 9. Januar 2013 gut und hob den Einspracheentscheid vom 8. Juni 2012 und die Verfügung vom 9. Mai 2012 auf. C. Das Arbeitsamt führt Beschwerde mit dem Antrag, es sei der Entscheid des Obergerichts vom 9. Januar 2013 aufzuheben und der Einspracheentscheid vom 8. Juni 2012 zu bestätigen. Weder W. noch das kantonale Gericht und das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) haben sich vernehmen lassen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdegegner zu Recht wegen ungenügender Arbeitsbemühungen für die Dauer von drei Tagen in der Anspruchsberechtigung eingestellt worden ist. 2.1 2.1.1 Nach Art. 17 Abs. 1 AVIG (SR 837.0) muss die versicherte Person, die Versicherungsleistungen beanspruchen will, mit BGE 139 V 524 S. 526 Unterstützung des zuständigen Arbeitsamtes alles Zumutbare unternehmen, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden oder zu verkürzen. Insbesondere ist sie verpflichtet, Arbeit zu suchen, nötigenfalls auch ausserhalb ihres bisherigen Berufes. Sie muss ihre Bemühungen nachweisen können. Diese Bestimmung regelt allgemein die materiellen Pflichten der versicherten Personen. Mit der Formel, der Versicherte habe alles Zumutbare zu unternehmen, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden oder zu verkürzen, statuiert sie die Pflicht zur Schadenminderung, aus welcher sich verschiedene Einzelpflichten ergeben. Dazu gehört die Pflicht der Versicherungsleistungen beanspruchenden Person zur Arbeitssuche. Art. 30 Abs. 1 lit. c AVIG sanktioniert eine Verletzung der in Art. 17 Abs. 1 AVIG statuierten Schadenminderungspflicht, insbesondere auch der Pflicht, sich genügend um Arbeit zu bemühen. Mittels Einstellung in der Anspruchsberechtigung soll dieser Pflicht zum Durchbruch verholfen werden ( BGE 126 V 130 E. 1 S. 130; BGE 124 V 225 E. 2b S. 227 f.). 2.1.2 Aus der Pflicht, den Eintritt der Arbeitslosigkeit zu verhindern, fliesst die Last für die versicherte Person, sich bereits vom Zeitpunkt der Kündigung des früheren Arbeitsverhältnisses an und damit vor Eintritt der Arbeitslosigkeit intensiv um eine neue Arbeit zu bemühen (ARV 2005 S. 56, C 208/03 E. 3.1; Urteile 8C_58/2012 vom 6. Juni 2012 E. 2; 8C_583/2009 vom 22. Dezember 2009 E. 3.1 mit weiteren Hinweisen). Die versicherte Person hat sich dementsprechend während einer allfälligen Kündigungsfrist, aber auch generell während der Zeit vor der Anmeldung, unaufgefordert um Stellen zu bemühen. Sie kann sich insbesondere nicht damit exkulpieren, nicht gewusst zu haben, dass sie schon vor der Anmeldung zum Leistungsbezug zur ernsthaften Arbeitssuche verpflichtet war und nicht darauf aufmerksam gemacht worden sei (ARV 2006 S. 295, C 138/05 E. 2.1; ARV 1982 S. 37, C 50/81). Bei der Anmeldung hat die arbeitslos gewordene Person den Nachweis ihrer Bemühungen um Arbeit vorzulegen ( Art. 20 Abs. 1 lit. d AVIV [SR 837.02]). Spätestens zu diesem Zeitpunkt wird sie sämtliche während der Kündigungsfrist getätigten Stellenbewerbungen einzureichen haben. 2.1.3 Die Eigeninitiative der versicherten Person hat sich laut Art. 17 Abs. 1 Satz 2 AVIG wenn nötig auch auf ausserberufliche Arbeitsgelegenheiten zu erstrecken. Nach Art. 16 Abs. 1 AVIG muss der Versicherte zur Schadenminderung grundsätzlich jede Arbeit unverzüglich annehmen. Dessen Abs. 2 besagt, dass eine Arbeit unzumutbar und somit von der Annahmepflicht ausgenommen ist, die BGE 139 V 524 S. 527 nicht angemessen auf die Fähigkeiten oder auf die bisherige Tätigkeit des Versicherten Rücksicht nimmt (lit. b) oder welche die Wiederbeschäftigung des Versicherten in seinem Beruf wesentlich erschwert, falls darauf in absehbarer Zeit überhaupt Aussicht besteht (lit. d). Daraus hat die Rechtsprechung geschlossen, spezielle Berufe mit einem kleinen Stellenangebot dürften nicht von Anfang an vom Versicherungsschutz ausgeschlossen werden. Vielmehr sei auch Arbeitnehmenden mit solchen Berufen bei Eintritt der Arbeitslosigkeit zunächst die Gelegenheit einzuräumen, Tätigkeiten im erlernten Beruf oder in der bisherigen Tätigkeit zu suchen. Bei längerer Dauer der Arbeitslosigkeit bestehe innerhalb der Schranken von Art. 16 Abs. 2 lit. b und d AVIG für die Annahme einer ausserberuflichen Tätigkeit indessen eine erhöhte Pflicht. Ab wann und in welchem Ausmass der Verzicht auf ausserberufliche Arbeitsbemühungen arbeitslosen Personen unter dem Gesichtspunkt der Schadenminderungspflicht zum Vorwurf gemacht werden könne, beurteile sich auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalls, so etwa in Berücksichtigung der auf dem Arbeitsmarkt für die bisherige Tätigkeit vorhandenen Stellenangebote (SVR 2007 ALV Nr. 6 S. 19, C 244/05 E. 2.1). Zur Frage, ob die versicherte Person allenfalls verpflichtet ist, die Arbeitssuche bereits während der Kündigungszeit auf weitere Branchen auszudehnen, hat das Bundesgericht bisher - soweit ersichtlich - nicht ausdrücklich Stellung genommen. Im Entwurf zur zweiten Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes war vorgesehen, die Anwendbarkeit von Art. 16 Abs. 2 lit. b AVIG dann auszuschliessen, wenn die Arbeitslosigkeit länger als vier Monate gedauert hat (Botschaft vom 29. November 1993 zur zweiten Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, BBl 1994 I 340 ff., 357 Ziff. 2 zu Art. 16 AVIG , 377). Diese Grenze hat jedoch nicht Eingang ins Gesetz gefunden (vgl. dazu auch THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 2269 Rz. 296; JACQUELINE CHOPARD, Die Einstellung in der Anspruchsberechtigung, 1998, S. 118). Sie hätte sich zudem nur auf die Zeit der Arbeitslosigkeit und somit nicht auf die Kündigungszeit bezogen. Nimmt die Rücksichtnahme auf Art. 16 Abs. 2 lit. b AVIG mit längerdauernder Arbeitslosigkeit ab (in diesem Sinne SVR 2007 ALV Nr. 6 S. 19, C 244/05 E. 2.1), ist die in Art. 17 Abs. 1 Satz 2 AVIG statuierte Schadenminderungspflicht zu Beginn der Stellensuche noch nicht allzu streng zu handhaben. BGE 139 V 524 S. 528 Qualifizierten Berufsleuten in gekündigter Stellung ist daher das Recht zuzubilligen, ihre persönlichen Bemühungen zunächst auf ihren bisherigen Berufszweig zu beschränken, sofern dieser offene Stellen anbietet. 2.1.4 Bei der Beurteilung der Frage, ob sich eine Person genügend um zumutbare Arbeit bemüht hat, ist nicht nur die Qualität, sondern auch die Quantität ihrer Bewerbungen von Bedeutung. Das Quantitativ der Bewerbungen beurteilt sich nach den konkreten Umständen, wobei in der Praxis durchschnittlich zehn bis zwölf Stellenbewerbungen pro Monat in der Regel als genügend erachtet werden (bereits erwähntes Urteil 8C_583/2009 E. 5.1; BARBARA KUPFER BUCHER, Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und Insolvenzentschädigung, 4. Aufl. 2013, S. 104). 2.2 Nebst den soeben erwähnten materiellen Pflichten von Art. 17 Abs. 1 AVIG regelt Art. 17 AVIG im zweiten Absatz Pflichten formeller Natur (Erfüllung der Kontrollvorschriften). Demnach muss sich die versicherte Person möglichst frühzeitig, spätestens jedoch am ersten Tag, für den sie Arbeitslosenentschädigung beansprucht, persönlich bei ihrer Wohngemeinde oder der vom Kanton bestimmten zuständigen Amtsstelle zur Arbeitsvermittlung melden und von da an die Kontrollvorschriften des Bundesrates befolgen ( Art. 17 Abs. 2 AVIG ). Diese werden in den Art. 18 bis 27 AVIV geregelt. So müssen bei der Anmeldung bei der zuständigen Amtsstelle verschiedene Unterlagen eingereicht werden ( Art. 20 Abs. 1 AVIV ). Zu diesem Zeitpunkt wird die versicherte Person von der zuständigen Durchführungsstelle auch über die Rechte und Pflichten aufgeklärt ( Art. 19a AVIV ). Zum Kern der Beratungspflicht gehört es, die versicherte Person darauf aufmerksam zu machen, ihr Verhalten könne eine der Voraussetzungen des Leistungsanspruchs gefährden ( BGE 131 V 472 E. 4.3 S. 479). Art. 26 Abs. 1 AVIV in der vorliegend anwendbaren, seit 1. April 2011 in Kraft stehenden Fassung verpflichtet die versicherte Person, sich gezielt um Arbeit zu bemühen, in der Regel in Form einer ordentlichen Bewerbung. Absatz 2 derselben Bestimmung lautet in der seit 1. April 2011 in Kraft stehenden Fassung: Sie muss den Nachweis der Arbeitsbemühungen für jede Kontrollperiode spätestens am fünften Tag des folgenden Monats oder am ersten auf diesen Tag folgenden Werktag einreichen; die Arbeitsbemühungen werden nicht mehr berücksichtigt, wenn sie die Frist verstreichen lässt und keinen entschuldbaren BGE 139 V 524 S. 529 Grund geltend macht. Nach Art. 26 Abs. 3 AVIV (in der seit 1. April 2011 in Kraft stehenden Fassung) überprüft die zuständige Amtsstelle die Arbeitsbemühungen der versicherten Person monatlich. Als Kontrollperiode gilt gemäss Art. 27a AVIV jeder Kalendermonat. 3. 3.1 In tatsächlicher Hinsicht hat das kantonale Gericht für das Bundesgericht verbindlich festgestellt, dass der Beschwerdegegner zwischen November 2011 und Februar 2012 insgesamt 15 persönliche Arbeitsbemühungen nachgewiesen hat, wovon drei im November, acht im Januar und vier im Februar. Es hob weiter hervor, dass das RAV laut Verfügung vom 9. Mai 2012 die Anzahl der Bewerbungen des Versicherten im massgebenden Zeitraum vor der Anmeldung zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung insgesamt als ausreichend bezeichnet und einzig die fehlenden Bewerbungsnachweise für die Zeit zwischen dem 25. November 2011 und dem 4. Januar 2012 beanstandet hat. Das kantonale Gericht prüfte daher, ob der von der Verwaltung bemängelte Umstand eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung zu rechtfertigen vermag. Dabei hat es erwogen, bezüglich des Kriteriums der Regelmässigkeit der Arbeitsbemühungen sehe Art. 26 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 27a AVIV vor, dass die versicherte Person über ihre persönlichen Arbeitsbemühungen monatlich Rechenschaft abzulegen habe. Die zuständige Behörde habe laut Art. 19a AVIV die Versicherten bei der Anmeldung über ihre Pflichten aufzuklären und sie gegebenenfalls darauf hinzuweisen, dass ihr Verhalten möglicherweise ihren Leistungsanspruch zu gefährden drohe. Das RAV sei dieser Aufklärungspflicht gegenüber dem Beschwerdegegner mit der Abgabe des Anmeldeformulars Ende Februar 2012 nachgekommen. Erst ab diesem Zeitpunkt könne vom Versicherten die Einhaltung der monatlichen Kontrollperiodenregelung gemäss Art. 26 Abs. 2 AVIV verlangt werden. Für die Zeit vor der Anmeldung spielt es nach Auffassung des kantonalen Gerichts grundsätzlich keine Rolle, in welchen zeitlichen Abständen sich eine versicherte Person innerhalb dieses Zeitrahmens beworben hat. Es würde nach Ansicht der Vorinstanz dem Legalitätsprinzip ( Art. 5 Abs. 1 BV ) widersprechen, wenn nachträglich für die Zeit vor der Anmeldung an die Bewerbungsbemühungen nebst quantitativen und qualitativen Gesichtspunkten weitere Bedingungen, wie die Einhaltung genauer zeitlicher Abstände, gestellt würden. BGE 139 V 524 S. 530 3.2 Demgegenüber macht das Arbeitsamt geltend, aus Sicht der Arbeitslosenversicherung würden von den versicherten Personen bereits für die Zeit vor der Anmeldung zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung regelmässige Arbeitsbemühungen erwartet. Unter diesem Gesichtspunkt genügen seiner Ansicht nach die vom Versicherten getätigten Arbeitsbemühungen den strengen Anforderungen einer intensiven und kontinuierlichen Stellensuche nicht. Mit keiner einzigen Stellensuche während mehr als einem ganzen Monat sei der Beschwerdegegner seiner Schadenminderungspflicht nur ungenügend nachgekommen und müsse daher zwingend in der Anspruchsberechtigung eingestellt werden. 4. 4.1 Dem kantonalen Gericht ist darin beizupflichten, dass die versicherte Person erst ab der Anmeldung bei der zuständigen Amtsstelle im Sinne von Art. 17 Abs. 2 AVIG verpflichtet ist, die Kontrollvorschriften des Bundesrates ( Art. 18-27 AVIV ) zu befolgen. Der Beschwerdegegner hatte die Kontrollperiodenregelung von Art. 26 in Verbindung mit Art. 27a AVIV und damit den monatlichen Nachweis der Arbeitsbemühungen somit erst ab der Ende Februar 2012 erfolgten Anmeldung zur Arbeitsvermittlung zu beachten. Gemäss den unbestrittenen Feststellungen der Vorinstanz wurde dieser zu jenem Zeitpunkt auch entsprechend informiert. 4.2 Daraus allein folgt jedoch nicht, dass bei insgesamt genügender Anzahl und Qualität der persönlichen Arbeitsbemühungen während der Kündigungszeit ein mehr als einmonatiger Unterbruch der Stellensuche ohne Weiteres zu tolerieren wäre (vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts C 141/02 vom 16. September 2002 E. 3.2). Denn für die Zeit vor der Anmeldung bei der zuständigen Amtsstelle ergibt sich die Pflicht der Versicherungsleistungen beanspruchenden Person zur persönlichen Arbeitssuche direkt aus der in Art. 17 Abs. 1 AVIG verankerten allgemeinen Schadenminderungspflicht (vgl. E. 2.1 hievor). Daraus folgt, dass Versicherte in gekündigter Stellung bereits während der Kündigungsfrist alles Zumutbare zu unternehmen haben, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden oder zu verkürzen. Die Anzahl der erforderlichen Stellenbewerbungen richtet sich nach den konkreten Umständen. So können von einer spezialisierten Arbeitskraft wesensgemäss weniger Bewerbungen vorgenommen werden als von einer Hilfskraft (vgl. auch E. 2.1.3 hievor). Regelmässige Bewerbungen bereits während der Kündigungszeit, solange die betroffene Person BGE 139 V 524 S. 531 noch im Arbeitsprozess integriert ist, erhöhen die Chancen, eine Stelle zu finden. Aus diesem Grund durfte der Beschwerdegegner seine persönlichen Bemühungen, Tätigkeiten im eigenen Berufsfeld zu suchen, nicht einfach während über einem Monat (25. November 2011 bis 4. Januar 2012) und damit während rund einem Drittel der dreimonatigen Kündigungszeit unterbrechen. Mit dem Hinweis auf nur wenige Stellenausschreibungen im Sozialbereich über den Jahreswechsel vermag sich der Versicherte nicht von der Pflicht der regelmässigen Arbeitssuche zu entlasten. 4.3 Die Einstellung in der Anspruchsberechtigung erfolgte somit zu Recht. Unter Berücksichtigung der gesamten objektiven und subjektiven Umstände ist die von der Verwaltung verfügte Festlegung der Einstellungsdauer auf drei Tage und damit im unteren Bereich eines leichten Verschuldens ( Art. 45 Abs. 3 lit. a AVIV ) nicht zu beanstanden.
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Sachverhalt ab Seite 402 BGE 129 I 402 S. 402 Die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich erliess im September 2002 die "Richtlinien für den straflosen Schwangerschaftsabbruch BGE 129 I 402 S. 403 nach den Bestimmungen des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB)". Diese Richtlinien basieren auf den Art. 118-120 StGB und haben, soweit im vorliegenden Fall von Bedeutung, folgenden Wortlaut: "1. Voraussetzungen Der Abbruch einer Schwangerschaft ist straflos, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: - eine schwangere Frau stellt innerhalb von 12 Wochen seit Beginn der letzten Periode ein schriftliches Gesuch, in dem sie eine Notlage geltend macht (...); - der Schwangerschaftsabbruch nach der 12. Schwangerschaftswoche ist nach ärztlichem Urteil notwendig, um von der betroffenen Frau eine schwerwiegende körperliche Schädigung oder eine schwere seelische Notlage abzuwenden; - die Ärztin/der Arzt verfügt über die entsprechende Bewilligung der Gesundheitsdirektion; - es erfolgt auf dem offiziellen Formular eine Meldung an die Gesundheitsdirektion. 2. Bewilligung Die Gesundheitsdirektion erteilt einer Ärztin/einem Arzt die Bewilligung zum Praktizieren des straflosen Schwangerschaftsabbruchs auf Gesuch hin. Die Bewilligung wird erteilt, wenn: - die Ärztin/der Arzt eine nicht eingeschränkte Berufsausübungsbewilligung im Kanton Zürich besitzt und - sich schriftlich verpflichtet, die mit der Bewilligung verbundenen Auflagen einzuhalten. Bei Verstössen gegen diese Richtlinien kann die Bewilligung zum Praktizieren des straflosen Schwangerschaftsabbruchs entzogen werden. Zugelassen sind die Spitäler mit einer gynäkologischen Klinik gemäss der jeweils geltenden Spitalliste des Kantons Zürich. 3. Durchführung Für das obligatorische schriftliche Gesuch der schwangeren Frau kann das von der Gesundheitsdirektion herausgegebene Formular verwendet werden. (...) Anlässlich des eingehenden Beratungsgesprächs ist der schwangeren Frau ein Exemplar des von der Gesundheitsdirektion herausgegebenen Leitfadens auszuhändigen. (...) Ist die schwangere Frau unter 16 Jahren, muss sich die Ärztin/der Arzt zudem vergewissern, dass sie sich für eine Zweitmeinung an eine für Jugendliche spezialisierte Beratungsstelle gewandt hat. (...) BGE 129 I 402 S. 404 Für einen Schwangerschaftsabbruch nach der 12. Woche ist eine Zweitbeurteilung durch eine entsprechende Fachärztin/einen entsprechenden Facharzt einzuholen, die/der eine schwerwiegende körperliche Schädigung oder eine schwere seelische Notlage der betroffenen Frau bestätigt. Diese ist in der Krankengeschichte abzulegen. (...)" Die Schweizerische Vereinigung für Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs und weitere Mitbeteiligte führen beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde und beantragen die Aufhebung von Ziff. 3 Abs. 4 der genannten Richtlinien. Sie rügen im Wesentlichen eine Verletzung des Vorrangs des Bundesrechts im Sinne von Art. 49 Abs. 1 BV , weil die angefochtene Bestimmung der Richtlinien mit Art. 119 Abs. 1 StGB in Widerspruch stehe. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und hebt die angefochtene Bestimmung auf.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die Beschwerdeführer rügen zur Hauptsache eine Verletzung des Vorrangs des Bundesrechts im Sinne von Art. 49 Abs. 1 BV und machen geltend, die angefochtene Bestimmung der Zürcher Richtlinien zum straflosen Schwangerschaftsabbruch stehe mit der abschliessenden Regelung von Art. 119 Abs. 1 StGB im Widerspruch. Angesichts der Bundesregelung, welche den straflosen Schwangerschaftsabbruch nach der 12. Woche einzig vom ärztlichen Urteil über die medizinische oder sozial-medizinische Indikation abhängig macht, sei es den Kantonen verwehrt, hierfür eine Zweitbeurteilung durch eine entsprechende Fachperson zu verlangen. Demgegenüber wendet die Gesundheitsdirektion ein, dass der Ausdruck "nach ärztlichem Urteil" in Art. 119 Abs. 1 StGB sehr wohl Raum für eine Beurteilung durch einen weiteren als den behandelnden Arzt belasse. Der Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts nach Art. 49 Abs. 1 BV ( Art. 2 ÜbBest. aBV ) schliesst in Sachgebieten, welche die Bundesgesetzgebung abschliessend regelt, eine Rechtssetzung durch die Kantone aus. In Sachgebieten, die das Bundesrecht nicht abschliessend ordnet, dürfen die Kantone nur solche Vorschriften erlassen, die nicht gegen den Sinn und Geist des Bundesrechts verstossen und dessen Zweck nicht beeinträchtigen oder vereiteln. Der Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts kann auch unter der Herrschaft der neuen Bundesverfassung als verfassungsmässiges Individualrecht angerufen werden. Er bezieht sich BGE 129 I 402 S. 405 gleichermassen auf Verwaltungsverordnungen wie die angefochtenen Richtlinien; es ist daher unerheblich, dass die Richtlinien lediglich administrativer Natur sind und keine strafrechtlichen Normen darstellen. Das Bundesgericht prüft mit freier Kognition, ob die kantonale Norm mit dem Bundesrecht in Einklang steht ( BGE 128 I 46 E. 5a S. 54; BGE 127 I 60 E. 4a S. 68, mit Hinweisen). 3. Für die Beurteilung der Rüge der Verletzung von Art. 49 Abs. 1 BV ist im Folgenden zu prüfen, ob die Bestimmung von Art. 119 Abs. 1 StGB betreffend den Schwangerschaftsabbruch nach der 12. Woche abschliessenden Charakter hat und welche Bedeutung ihr nach den üblichen Auslegungsregeln zukommt. Der Sinngehalt ist danach mit der angefochtenen Bestimmung der Richtlinien für den Schwangerschaftsabbruch in Beziehung zu setzen. 3.1 Es kann, was von keiner Seite bestritten wird, davon ausgegangen werden, dass Art. 119 Abs. 1 StGB - gleichermassen wie Art. 120 Ziff. 1 aStGB (vgl. BGE 114 Ia 452 E. 2a S. 458) - die materiellen Voraussetzungen für den straflosen Schwangerschaftsabbruch abschliessend ordnet. Die Kantone sind daher nicht befugt, Bestimmungen zu erlassen, welche den Schwangerschaftsabbruch zusätzlich erschweren oder weiteren Voraussetzungen unterstellen. 3.2 Die Bestimmung von Art. 119 Abs. 1 StGB hat in den drei Sprachen den folgenden Wortlaut: "Der Abbruch einer Schwangerschaft ist straflos, wenn er nach ärztlichem Urteil notwendig ist, damit von der schwangeren Frau die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage abgewendet werden kann. Die Gefahr muss umso grösser sein, je fortgeschrittener die Schwangerschaft ist. L'interruption de grossesse n'est pas punissable si un avis médical démontre qu'elle est nécessaire pour écarter le danger d'une atteinte grave à l'intégrité physique ou d'un état de détresse profonde de la femme enceinte. Le danger devra être d'autant plus grave que la grossesse est avancée. L'interruzione della gravidanza non è punibile se, in base al giudizio di un medico, è necessaria per evitare alla gestante il pericolo di un grave danno fisico o di una grave angustia psichica. Il pericolo deve essere tanto più grave quanto più avanzata è la gravidanza." Die Beschwerdeführer machen geltend, der Wortlaut der Strafbestimmung schliesse mit dem Ausdruck "nach ärztlichem Urteil" eine zweite, obligatorische Begutachtung klar aus. Soweit der Bundesgesetzgeber eine solche hätte vorschreiben wollen, hätte er dies BGE 129 I 402 S. 406 ausdrücklich angemerkt, zumal die Frage der Zweitbegutachtung in den langen Diskussionen äusserst umstritten gewesen war. Demgegenüber hält die Gesundheitsdirektion dafür, der Begriff "nach ärztlichem Urteil" sei weiter und nenne lediglich die Forderung nach ärztlicher Begutachtung, umschreibe indessen nicht abschliessend, wie dieses ärztliche Urteil zustande komme; die Norm lasse Raum dafür, eine zweite ärztliche Beurteilung vorzuschreiben und das "ärztliche Urteil" gesamthaft von zwei Ärzten zustande kommen zu lassen. Die Bestimmung von Art. 119 Abs. 1 StGB enthält mit dem Wortlaut "nach ärztlichem Urteil" eine abstrakte Formulierung, die die Möglichkeit einer Begutachtung durch einen zweiten Arzt nicht zwingend ausschliesst. Deutlicher sprechen sich demgegenüber der französische und der italienische Wortlaut aus. Hier ist die Rede von "un avis médical" in der Einzahl bzw. von "in base al giudizio di un medico" ebenfalls im Singular. Diese gleichermassen massgebenden Fassungen weisen darauf hin, dass für einen Schwangerschaftsabbruch nach der 12. Woche keine Zweitbeurteilung verlangt und der Schwangerschaftsabbruch demnach nicht von einer zweiten Begutachtung abhängig gemacht werden sollte. 3.3 Ausgangspunkt für die Revision der StGB-Bestimmungen betreffend den Schwangerschaftsabbruch bildete der Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates zur Parlamentarischen Initiative Haering Binder betreffend Schwangerschaftsabbruch (BBl 1998 S. 3005). Die Kommission zeichnete die neue Regelung mit dem Mehrheitsantrag vor, der mit der heutigen Gesetzesformulierung weitgehend übereinstimmt (S. 3020). Sie führte in Bezug auf den Vorschlag, der dem heutigen Art. 119 Abs. 1 StGB entspricht, aus, das Verfahren werde gegenüber der damaligen Praxis dadurch vereinfacht, dass kein zweites ärztliches Gutachten mehr eingeholt werden müsse (Ziff. 41, S. 3013); der Arzt oder die Ärztin müsse sich als Vertrauensperson der schwangeren Frau über die Rechtfertigung des Schwangerschaftsabbruchs vergewissern (Ziff. 422, S. 3015). Der Bundesrat, der den Vorschlag der Kommission ablehnte, nahm in seinem Bericht (BBl 1998 S. 5376) zur hier umstrittenen Frage nicht Stellung. Der Vorschlag der Kommission und deren Äusserungen sind im Lichte der alten Regelung zu würdigen. Art. 120 Ziff. 1 Abs. 1 aStGB sah die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs bei gegebener Indikation durch einen "patentierten Arzt nach Einholung eines Gutachtens eines zweiten patentierten Arztes" vor. Dieses Erfordernis BGE 129 I 402 S. 407 war, wie in BGE 114 Ia 452 E. 2b/bb S. 458 ausgeführt, eine der umstrittensten Fragen hinsichtlich der früheren Strafnorm. Der Umstand, dass die Kommission in ihrem Antrag in Kenntnis der früheren Rechtslage eine Zweitbegutachtung nicht erwähnte, spricht zusammen mit den erwähnten Erläuterungen dafür, dass mit einem qualifizierten Schweigen auf eine solche verzichtet werden sollte. Die parlamentarischen Beratungen bestätigen dieses Ergebnis (vgl. allgemein zur Debatte im Nationalrat AB 1998 N 1989, 2000 N 1425 und 2001 N 183). Diejenigen Mitglieder des Nationalrates, welche dem Vorschlag der Kommission folgten, hatten kaum Anlass zu entsprechenden Äusserungen. Der Minderheitsantrag II übernahm mit der Formulierung "nach ärztlichem Urteil" den Kommissionsantrag (vgl. Minderheit II Sandoz Suzette et al., AB 1998 N 2006), der Antrag Ducrot sprach vom Schwangerschaftsabbruch "durch einen zur Berufsausübung zugelassenen Arzt (...), der unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Verhältnisse der schwangeren Frau zum Schluss kommt ..." (AB 1998 N 2007). Frau Nationalrätin Sandoz führte zum Ausdruck "nach medizinischem Urteil" bzw. "sur un avis médical" aus: "Par rapport au droit actuel, la proposition de minorité II supprime l'avis conforme et se contente de l'avis du médecin qui procédera à l'interruption. C'est lui qui prend la responsabilité de la pesée d'intérêts et qui, par conséquent, prend la responsabilité" (AB 1998 N 2009). Frau Nationalrätin Ducrot fügte an, "que l'appréciation de la situation est le fait du médecin intervenant ... et que l'avis d'un autre médecin n'est pas requis" (AB 1998 N 2010). Diese nationalrätlichen Auffassungen, wenngleich zu Minderheitsanträgen geäussert, weisen darauf hin, dass auch hinsichtlich der schliesslich obsiegenden Formulierung auf eine Zweitbegutachtung verzichtet werden sollte. Daran vermag der mit starker Minderheit abgelehnte Antrag Föhn nichts zu ändern, weil er nicht direkt Art. 119 StGB , sondern eine Anpassung des Krankenversicherungsgesetzes betraf (AB 1998 N 2017 und 2018). In der Diskussion des Ständerates (vgl. allgemein AB 2000 S 406, 533 und 2001 S 6) wurde darauf hingewiesen, dass die nach altem Recht erforderliche Zweitbegutachtung in weiten Kreisen kritisiert oder gar als "Alibiübung" bezeichnet worden sei (Votum Marty, AB 2000 S 408). Im Übrigen wurden in Bezug auf die in Art. 119 Abs. 2 StGB geregelte Fristenlösung Bedenken geäussert, ob der behandelnde Arzt zusätzlich zur Intervention vorher die Beratung vornehmen könne. Ständerat David meinte, der Mehrheitsantrag kranke daran, dass der abtreibende Arzt gleichzeitig Berater sein BGE 129 I 402 S. 408 solle (AB 2000 S 545), und er befürwortete eine Lösung, dass unabhängig vom abtreibenden Arzt eine qualitativ hochstehende Beratung vorgenommen werde (AB 2000 S 551). Ständerat Bieri fügte an, nach dem Mehrheitsantrag stehe der behandelnde Arzt in einem unmittelbaren, auch finanziellen Abhängigkeitsverhältnis zur Frau (AB 2000 S 546). Ähnlich äusserte sich Bundesrätin Metzler (AB 2000 S 548). - Diese Bedenken betrafen indessen Abs. 2 und setzten sich nicht durch, weshalb ihnen im Hinblick auf die Auslegung von Art. 119 Abs. 1 StGB keine Bedeutung zugesprochen werden kann. 3.4 Die Beschwerdeführer verweisen zur Unterstützung ihrer Auffassung auf entsprechende Weisungen anderer Kantone, die ausdrücklich oder sinngemäss von einer obligatorischen Zweitbegutachtung absehen; einzig die Kantone Thurgau und Glarus sollen eine solche verlangen. Solche kantonale Richtlinien mögen einen Hinweis darauf geben, wie Art. 119 Abs. 1 StGB in Bezug auf die umstrittene Frage verstanden wird; indessen kommt ihnen für die Auslegung der Bestimmung keine entscheidende Bedeutung zu. Desgleichen ist eine kurz gehaltene und offen formulierte Stellungnahme des Bundesamtes für Justiz zu einer kantonalen Anfrage, auf die die Gesundheitsdirektion hinweist, nicht ausschlaggebend. Das Gleiche gilt grundsätzlich für die im sog. Bundesbüchlein zur Volksabstimmung enthaltene Auffassung des Referendumskomitees, wonach für Abtreibungen von der 12. Woche an "das heute vorgeschriebene Gutachten eines zweiten Arztes stillschweigend abgeschafft" werde; sie deutet aber auch klar darauf hin, dass das Fehlen einer weitern Voraussetzung in Form einer zweiten ärztlichen Begutachtung im Vergleich mit dem alten Gesetzestext als qualifiziertes Schweigen verstanden wurde. 3.5 Für eine gesamthafte Beurteilung der Vereinbarkeit der angefochtenen Richtlinienbestimmung mit dem Bundesrecht ist der Wortlaut von Art. 119 Abs. 1 StGB in den drei massgeblichen Fassungen vorab von Bedeutung; aus dem französischen und italienischen Text mit den Singularformulierungen "un avis médical" und "in base al giudizio di un medico" ergibt sich der Ausschluss einer Zweitbegutachtung. Von entscheidendem Gewicht ist ferner der Umstand, dass der Gesetzgeber in Kenntnis von Art. 120 Ziff. 1 Abs. 1 aStGB und der darum geführten Diskussionen auf die Nennung einer Zweitbegutachtung verzichtete und diese damit nicht zur Voraussetzung für die Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs machen wollte. Dies wird schliesslich durch den Bericht der vorberatenden Kommission des Nationalrates sowie verschiedene Äusserungen BGE 129 I 402 S. 409 im Nationalrat und Ständerat bestätigt. Es liegt daher ein qualifiziertes Schweigen vor. Daraus ergibt sich, dass mit der abschliessenden Regelung von Art. 119 Abs. 1 StGB für den Schwangerschaftsabbruch nach der 12. Woche auf eine Zweitbegutachtung verzichtet und der Schwangerschaftsabbruch nicht von einer zweiten ärztlichen Stellungnahme abhängig gemacht wurde. Damit erweist sich die Rüge, die angefochtene, eine Zweitbegutachtung erfordernde Bestimmung der zürcherischen Richtlinien zum Schwangerschaftsabbruch sei mit Art. 119 Abs. 1 StGB unvereinbar und verletze daher Art. 49 Abs. 1 BV , als begründet.
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Sachverhalt ab Seite 127 BGE 137 V 126 S. 127 A. Die 1974 geborene L. war als Striptease-Tänzerin bei verschiedenen Arbeitgebern tätig. Am 30. September 2008 meldete sie sich zur Arbeitsvermittlung und am 3. Oktober 2008 zum Leistungsbezug bei der Arbeitslosenversicherung ab 1. Oktober 2008 an. Mit Verfügung vom 6. August 2009 lehnte die Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland den Antrag auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung wegen Nichterfüllung der Beitragszeit innerhalb der Rahmenfrist vom 1. Oktober 2006 bis 30. September 2008 ab. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 13. November 2009 fest. B. Die dagegen geführte Beschwerde der L. hiess das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Entscheid vom 13. August 2010 gut und bejahte die Erfüllung der Beitragszeit. Zur Prüfung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen zum Taggeldbezug wies es die Sache an die Verwaltung zurück. C. Die Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren um Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids vom 13. August 2010. Während L. sinngemäss Abweisung der Beschwerde beantragt, hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) auf eine Stellungnahme verzichtet. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
257
194
Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG (SR 837.0) besteht ein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, wenn die versicherte Person die Beitragszeit erfüllt hat oder von der Erfüllung der Beitragszeit befreit ist. Die Beitragszeit hat nach Art. 13 Abs. 1 AVIG erfüllt, wer innerhalb der dafür vorgesehenen Rahmenfrist ( Art. 9 Abs. 3 AVIG ) während mindestens zwölf Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat. Für Versicherte, die im Anschluss an eine Tätigkeit in einem Beruf arbeitslos werden, in dem häufig wechselnde und befristete Anstellungen üblich sind, kann der Bundesrat die Berechnung und die Dauer der Beitragszeit unter Berücksichtigung der BGE 137 V 126 S. 128 besonderen Gegebenheiten regeln ( Art. 13 Abs. 4 AVIG ). Dies hat er in Art. 12a AVIV (SR 837.02; unter Verweis auf Art. 8 AVIV ) getan, wonach Versicherten in solchen Berufen die nach Art. 13 Abs. 1 AVIG ermittelte Beitragszeit für die ersten dreissig Kalendertage eines befristeten Arbeitsverhältnisses verdoppelt wird. 3. 3.1 Nach den für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz besass die Beschwerdegegnerin in der Rahmenfrist für die Beitragszeit vom 1. Oktober 2006 bis 30. September 2008 während insgesamt elf Monaten keine zu einer Erwerbstätigkeit berechtigende Aufenthaltsbewilligung (vgl. ARV 2002 S. 47, C 405/00 E. 3a), weshalb sie in dieser Zeit keine Beitragszeit erwerben konnte. In den verbleibenden dreizehn Monaten übte sie während zehn Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung als Striptease-Tänzerin bei verschiedenen Cabarets und Clubs aus, wobei sie jeden Monat an einem anderen Ort bei einem anderen Arbeitgeber tätig war, sodass unbestrittenermassen die erforderliche Beitragszeit von mindestens zwölf Monaten nach Art. 13 Abs. 1 AVIG nicht erfüllt ist. Einzig streitig und zu prüfen ist daher, ob die Beschwerdegegnerin unter Anwendung der Ausnahmeregelung nach Art. 13 Abs. 4 AVIG in Verbindung mit Art. 12a AVIV die Beitragszeit erfüllt hat. 3.2 In Bezug auf die Ausgestaltung der Arbeitsverträge führte das kantonale Gericht aus, es hätte sich ausnahmslos um auf einen Monat befristete, von den Vermittlungsagenturen, den Arbeitgebern und der Beschwerdegegnerin im Voraus für mehrere Monate abgeschlossene Verträge gehandelt. Die Vermittlungsagenturen hätten dabei - ohne Arbeitgeberfunktion - einzig die Aufgabe, die Tänzerinnen an entsprechende Bars/Clubs/Cabarets zu vermitteln und die Einreiseformalitäten zu erledigen. Die paritätischen Lohnbeiträge seien deshalb jeweils von den einzelnen Bars/Clubs/Cabarets an die Ausgleichskasse überwiesen worden. Damit sei die Beschwerdegegnerin in einem Beruf mit häufig wechselnden, befristeten Anstellungen im Sinne von Art. 8 AVIV tätig gewesen, was alleinige Voraussetzung sei, um unter die Ausnahmebestimmung von Art. 13 Abs. 4 AVIG in Verbindung mit Art. 12a AVIV zu fallen. Eine Wertung der einzelnen Beschäftigungen entspräche nicht dem Sinn des Verordnungsgebers, welcher in Art. 8 AVIV auf eine abschliessende Aufzählung und damit auf eine Einschränkung auf gewisse Berufskategorien verzichtet habe. BGE 137 V 126 S. 129 Die Beitragszeit von zehn Monaten sei vorliegend dementsprechend zu verdoppeln, womit in der vom 1. Oktober 2006 bis 30. September 2008 dauernden Rahmenfrist eine Beitragszeit von insgesamt zwanzig Monaten anzurechnen sei. 3.3 Die beschwerdeführende Kasse stellt sich dagegen auf den Standpunkt, die historische und die teleologische Auslegung zeigten, dass der Gesetzgeber den Kreis der unter Art. 13 Abs. 4 AVIG subsumierten Berufsleute auf den Bereich der Kunst- und Kulturschaffenden habe beschränken wollen. Die mit der am 1. Juli 2003 in Kraft getretenen AVIG-Revision eingeführte Regelung habe den Sinn, den faktischen Ausschluss vom Versicherungsschutz zu verhindern, welcher den Personen drohe, die aufgrund ihrer Berufe mit den üblichen Beschäftigungslücken zwischen den einzelnen Engagements kaum je die dannzumal auf zwölf Monate verlängerte Beitragszeit zu erreichen vermöchten. Es könne nicht angehen, dass Personen, die nachweislich während elf Monaten dem Arbeitsmarkt mangels Aufenthaltsbewilligung nicht zur Verfügung standen, und denen es möglich gewesen wäre, Arbeitseinsätze ohne Beschäftigungslücken zu vereinbaren, in den Genuss der Beitragszeitverdoppelung nach Art. 12a AVIV kämen. Die Beschwerdegegnerin gehöre, ohne ihre Arbeit als Striptease-Tänzerin werten zu wollen, nicht in den Kreis jener Personen, die der Gesetzgeber mit der in Art. 13 Abs. 1 AVIG getroffenen Sonderregelung habe privilegieren wollen. 4. 4.1 Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der Bestimmung. Vom klaren, d.h. eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, u.a. dann nämlich, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Norm wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Grund und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit andern Vorschriften ergeben ( BGE 135 II 78 E. 2.2 S. 81; BGE 135 V 215 E. 7.1 S. 229, BGE 135 V 249 E. 4.1). Eine historisch orientierte Auslegung ist für sich allein nicht entscheidend. Anderseits vermag aber nur sie die Regelungsabsicht des Gesetzgebers (die sich insbesondere aus den Materialien ergibt) aufzuzeigen, welche wiederum zusammen mit den zu ihrer Verfolgung getroffenen Wertentscheidungen verbindliche Richtschnur des BGE 137 V 126 S. 130 Gerichts bleibt, auch wenn es das Gesetz mittels teleologischer Auslegung oder Rechtsfortbildung veränderten, vom Gesetzgeber nichtvorausgesehenen Umständen anpasst oder es ergänzt ( BGE 129 I 12 E. 3.3 S. 16; BGE 129 V 95 E. 2.2 S. 98). 4.2 Der Vorinstanz ist insofern beizupflichten, als nach dem Wortlaut von Art. 12a AVIV sämtlichen Versicherten mit häufig wechselnden oder befristeten Anstellungen die nach Art. 13 Abs. 1 AVIG ermittelte Beitragszeit für die ersten dreissig Kalendertage eines befristeten Arbeitsverhältnisses verdoppelt werden. Es fragt sich indessen, ob diese rein grammatikalische Lesart der streitigen Verordnungsbestimmung einer zweckgerichteten, die Entstehungsgeschichte berücksichtigenden und systematischen Betrachtung standhält. 4.3 Von entstehungsgeschichtlicher Warte aus lässt sich den Materialien entnehmen, dass die Ausnahmeregelung auf einen Antrag von Nationalrat Galli zurückgeht, der ausführte, dass die in Art. 13 AVIG vorgeschlagene Verlängerung der Mindestbeitragszeit von sechs auf zwölf Monate für Berufsleute im Bereich der Bühnen- und Szenenkünste mit befristeten und deshalb häufig wechselnden Anstellungen fatale Folgen haben könne, nämlich beinahe den faktischen Auschluss aus der Arbeitslosenversicherung. Betroffen seien insbesondere die künstlerischen Berufe von Schauspielern und Schauspielerinnen, Balletttänzern und Balletttänzerinnen, Spielleitern und Spielleiterinnen, Regisseuren und Regisseurinnen, Theater- und Filmtechnikern bzw. -technikerinnen, Musikern und Musikerinnen des E-Bereichs bis zur Volksmusik, Sprecher und Sprecherinnen sowie Personen bzw. Journalisten und Journalistinnen mit einer kurzfristigen Anstellung bei audiovisuellen Medien. Nationalrat Galli fügte weiter an, dass einige Tausend Temporärbeschäftigte im Bereich von Bühne, Film, Audiovision, E- und Volksmusik aufgrund der spezifischen Arbeitssituation auch unfreiwillig ohne Festanstellungen arbeiten müssten und Arbeitslosigkeit entstehen könne, wenn ein Engagement zu Ende gehe, ohne dass ein neues in Aussicht stehe, wobei die Einsätze in diesen Berufen oft einen Tag bis einige Wochen dauern würden. Bei gewissen Engagements seien die Kunstschaffenden nur an bestimmten Tagen engagiert und könnten ohne Selbstverschulden in der Zwischenzeit keine andere geregelte Arbeit annehmen (AB 2001 N 1890-1893). Am 7. März 2002 führte im Ständerat Christine Beerli für die Kommission aus, dass bei Art. 13 Abs. 4 AVIG von der Kommission die richtigen Gedanken des Nationalrates aufgenommen worden seien, aber mit Hilfe der Verwaltung sei BGE 137 V 126 S. 131 eine etwas präzisere Formulierung beschlossen worden, die sich dann auch auf andere unregelmässige Tätigkeiten als die künstlerischen beziehen könne. Dem Antrag der Kommission wurde diskussionslos zugestimmt (AB 2002 S 72). 4.4 Auch aus systematischer und teleologischer (zweckbezogener) Sicht wird klar, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber damit, wie der Verweis auf Art. 8 AVIV zeigt, eine erleichterte Erfüllung der Beitragszeit für die in Art. 8 AVIV genannten Personengruppen verfolgte, die exemplarisch aufgezählt werden (Musiker, Schauspieler, Artisten, künstlerischer Mitarbeiter bei Radio, Fernsehen oder Film, Filmtechniker, Journalist). Der beispielhafte, nicht abschliessende Charakter der Norm steht der vorinstanzlichen Subsumtion der Cabaret-Tänzerin hierunter grundsätzlich nicht entgegen. Den in Art. 8 AVIV definierten Berufsgruppen ist jedoch eigen, dass ihre Arbeit durch unregelmässige, kurz- oder längerfristige Einsätze mit (möglichen) Arbeitsausfällen zwischen zwei Engagements gekennzeichnet ist und die Tätigkeit mitunter aufgrund ihres produktions- und projektbezogenen Charakters nicht immer planbar ist. Die Unregelmässigkeit der Tätigkeiten bringt demnach naturgemäss Beschäftigungslücken mit sich oder kann sie zumindest mit sich bringen. Die Ausnahmebestimmung von Art. 12a AVIV ist Folge der im Rahmen der Änderung des AVIG vom 22. März 2002 (3. AVIG-Revision) von sechs auf zwölf Monaten erhöhten Mindestbeitragszeit, um einem drohenden, faktischen Ausschluss von Berufsleuten im Kunst- und Kulturbereich und von anderen unregelmässigen Tätigkeiten aufgrund der berufsimmanenten (drohenden) Beschäftigungslücken entgegenzuwirken (THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 2241 Rz. 211). 4.5 4.5.1 Die vorliegenden, im Rahmen einer Kurzaufenthaltsbewilligung geleisteten Arbeitseinsätze waren dementgegen gerade nicht (wie bei den in Art. 8 AVIV definierten Berufsgruppen) unregelmässig und mit unplanbaren Beschäftigungslücken verbunden, wie sich bereits aus der entsprechenden ausländerrechtlichen Regelung ergibt: Gestützt auf Art. 30 Abs. 1 Bst. d des am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR 142.20; mit welchem sich an der bisherigen Praxis nichts änderte [vgl. Botschaft vom 8. März 2002 zum AuG; BBl 2002 3787 Ziff. 2.4.4]) sieht Art. 34 der BGE 137 V 126 S. 132 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE; SR 142.201; in Kraft seit 1. Januar 2008) vor, dass der Aufenthalt ohne Erwerbstätigkeit in der Schweiz von Cabaret-Tänzerinnen mit Kurzaufenthaltsbewilligung höchstens einen Monat betragen darf. Nach einer mehr als einen Monat dauernden Erwerbslosigkeit besteht daher grundsätzlich eine Ausreisepflicht. Dieser Bestimmung lässt sich weiter entnehmen, dass die Tänzerinnen in der Regel längstens während acht Monaten in der Schweiz tätig sind und anschliessend das Land für mindestens zwei Monate verlassen müssen. Die Bewilligung wird überdies u.a. nur erteilt, wenn die Cabaret-Tänzerin ein Engagement für mindestens vier aufeinander folgende Monate nachweisen kann. 4.5.2 Diese Sach- und Rechtslage erlaubte es der Beschwerdegegnerin, im Voraus über die Vermittlungsagenturen die neuen Einsätze zu planen und ohne Unterbruch einmonatige Arbeitsverhältnisse mit den jeweiligen Cabarets für die Dauer der Aufenthaltsbewilligung einzugehen, wobei der monatliche Stellenwechsel Teil der Arbeit als Cabaret-Tänzerin darstellt (Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration: http://www.fiz-info.ch unter Themen/Cabaret, mit Hinweis auf eine Studie DAHINDEN/STANTS, Arbeits- und Lebensbedingungen von Cabaret-Tänzerinnen in der Schweiz, Swiss Forum for Migration and Population Studies [SFM; Hrsg.], 2006). Von der Beschwerdegegnerin wurde denn auch zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht, dass fehlende Angebote weiterer Engagements als Cabaret-Tänzerin zu Beschäftigungslücken oder zur Antragstellung auf Arbeitslosenentschädigung geführt hätten. Als Grund für die Stellenlosigkeit gab sie im Antrag auf Arbeitslosenentschädigung dementsprechend an, dass ihr die Arbeit im Cabaret nicht gefalle; einzig ihr Wunsch, nicht mehr in diesem Milieu tätig zu sein und sich nach einem neuen Beschäftigungsfeld umzusehen, war für die Anmeldung bei der Arbeitslosenversicherung ausschlaggebend, weshalb nicht fehlende neue Engagements der Erfüllung der zwölfmonatigen Mindestbeitragszeit entgegenstanden. Innerhalb der zweijährigen Beitragsrahmenfrist war sie vielmehr während elf Monaten mangels Aufenthaltsbewilligung nicht berechtigt, in der Schweiz einer beitragspflichtigen Beschäftigung nachzugehen, und im verbleibenden Zeitraum wäre es ihr nach dem Gesagten grundsätzlich möglich gewesen, sich eine Beitragszeit von zwölf Monaten zu erarbeiten. 4.6 Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass bei den Cabaret-Tänzerinnen mit Kurzaufenthaltsbewilligung (Ausweis L) mit Blick auf die BGE 137 V 126 S. 133 rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen ihrer Tätigkeit nicht die gleichen Arbeitseinsätze von unregelmässiger Dauer und Häufigkeit verbunden mit unterschiedlich langen Beschäftigungslücken zwischen den einzelnen Engagements vorliegen wie bei den in Art. 8 AVIV aufgezählten Personengruppen, zumal die Tänzerinnen ohnehin nur einen Beschäftigungsunterbruch von einem Monat aufweisen dürfen, sofern sie die Schweiz nicht verlassen wollen. Die Interpretation von Art. 13 Abs. 4 AVIG in Verbindung mit Art. 12a AVIV führt nach den übrigen normunmittelbaren Auslegungskriterien daher zum Ergebnis, dass sich der Anwendungsbereich dieser Sonderregelung nicht auf Cabaret-Tänzerinnen mit Kurzaufenthaltsbewilligung erstreckt. Aufgrund der gemäss Art. 34 VZAE getroffenen Regelung kann eine solche Tänzerin überdies mangels Vermittlungsfähigkeit und fehlender Berechtigung, in der Schweiz in einer anderen Branche tätig zu sein, ohnehin nicht in den Genuss von Arbeitslosenentschädigung kommen. Die in casu durch Heirat am 3. Oktober 2008 erhaltene Aufenthaltsbewilligung (Ausweis B) hätte der Beschwerdegegnerin die Aufnahme einer anderen Erwerbstätigkeit zwar ermöglicht, ein Anspruch auf Taggeld der Arbeitslosenversicherung hätte aber die Erfüllung der Beitragszeit nach Art. 13 Abs. 1 AVIG bedingt. Dies führt zur Verneinung des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung.
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Sachverhalt ab Seite 271 BGE 130 II 270 S. 271 Die am 9. Juli 1995 in Basel verstorbene M. hatte zunächst E. testamentarisch zum Alleinerben bestimmt. In einem vom 2. Dezember 1993 datierenden Testament setzte sie neu ihren Rechtsanwalt W. als Alleinerben und Willensvollstrecker ein. Im Zusammenhang mit der Frage der Gültigkeit dieses zweiten Testaments sind mehrere Gerichtsverfahren zwischen E. und W. hängig; Ersterer wird dabei durch Rechtsanwalt P. (Basel) vertreten. BGE 130 II 270 S. 272 Am 25. März 2002 setzte Rechtsanwalt P. namens seines Mandanten gegen W. eine Forderung von 2 Mio. Franken in Betreibung; in diesem Umfang habe Letzterer aus dem Nachlass von M. Zahlungen erhalten bzw. diesem Mittel entnommen. Am 26. Juni 2002 gelangte W. an die Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte im Kanton Zürich, bei welcher er gegen Rechtsanwalt P. Anzeige erstattete, weil ihn dieser ohne vorgängige Ankündigung betrieben habe. Die Aufsichtskommission eröffnete ein Disziplinarverfahren betreffend "Sorgfalt und Geschäftstätigkeit" gemäss Art. 12 lit. a des Bundesgesetzes vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA; SR 935.61) sowie betreffend "Geschäftsgebaren und Schaffung klarer Rechtsverhältnisse" gemäss § 7 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 des Zürcher Gesetzes vom 3. Juli 1938 über den Anwaltsberuf (AnwG/ZH). Mit Beschluss vom 7. November 2002 disziplinierte sie P. wegen Verstosses gegen letztere Bestimmungen mit einem Verweis; zudem auferlegte sie ihm Verfahrenskosten von insgesamt Fr. 1'372.- und sprach dem Verzeiger eine Entschädigung von Fr. 500.- zu. Auf den gegen diesen Entscheid eingereichten Rekurs trat die Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich nicht ein, weil sie nach dem Grundsatz der lex mitior das bisherige kantonale Recht als anwendbar betrachtete, womit die eidgenössische Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht gegeben sei und damit auch die Zuständigkeit der Verwaltungskommission als Rechtsmittelinstanz entfalle (Beschluss vom 18. August 2003).
443
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Das Bundesgericht heisst die von P. hiergegen eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut, hebt den angefochtenen Entscheid auf und weist die Sache zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der Beschwerdeführer ist mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht gelangt. Es stellt sich vorab die Frage nach der Zulässigkeit dieses Rechtsmittels. 1.1 Bis anhin waren die Verhaltenspflichten der Rechtsanwälte und die Disziplinarsanktionen, welche für Verstösse gegen diese Pflichten verhängt werden können, ausschliesslich kantonalrechtlich geregelt. Als Rechtsmittel auf Bundesebene war in diesem Bereich deshalb einzig die staatsrechtliche Beschwerde gegeben. Inzwischen ist am 1. Juni 2002 das eidgenössische Anwaltsgesetz in Kraft BGE 130 II 270 S. 273 getreten, welches neben den Berufsregeln ( Art. 12 BGFA ) insbesondere auch das Disziplinarrecht ( Art. 17 ff. BGFA ) abschliessend regelt. Gegen letztinstanzliche kantonale Disziplinarentscheide steht nunmehr gestützt auf Art. 97 ff. OG in Verbindung mit Art. 5 VwVG die eidgenössische Verwaltungsgerichtsbeschwerde offen. Die Regelung des Verfahrens bleibt dabei Sache der Kantone ( Art. 34 Abs. 1 BGFA ), wobei aber nach Art. 98a OG als letzte kantonale Instanz eine richterliche Behörde entscheiden muss ( BGE 129 II 297 E. 1.1 S. 299). 1.2 Der disziplinarrechtlich beurteilte Sachverhalt hat sich vor Inkrafttreten des eidgenössischen Anwaltsgesetzes abgespielt; Verfahrenseröffnung und Entscheidfällung erfolgten indessen bereits unter der Herrschaft des neuen Bundesrechts. Es fragt sich deshalb nicht nur, welches Verfahrensrecht, sondern auch welches (materielle) Disziplinarrecht anzuwenden ist, das alte kantonale oder das neue bundesrechtliche. Das eidgenössische Anwaltsgesetz regelt diese Frage ebenso wenig, wie es eine Übergangsregelung für die zulässigen Rechtsmittel oder den Rechtsmittelweg enthält. 1.2.1 Ohne gegenteilige Regelung sind neue verfahrensrechtliche Bestimmungen jedenfalls auf jene Verfahren anzuwenden, die unter Herrschaft des neuen Rechts eingeleitet werden (vgl. ALFRED KÖLZ, Intertemporales Verwaltungsrecht, in: ZSR 102/1983 II S. 222). Im vorliegenden Zusammenhang lässt sich jedoch die Frage nach dem formellen nicht von jener nach dem materiellen Recht trennen: Das Rechtsmittel der eidgenössischen Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist nur gegenüber Verfügungen zulässig, die sich auf öffentliches Bundesrecht stützen oder stützen müssten ( Art. 97 ff. OG i.V.m. Art. 5 VwVG ). Das neue Verfahrensrecht kann demnach nur insoweit Anwendung finden, als auch bereits die neuen eidgenössischen Bestimmungen über die Disziplinaraufsicht zum Tragen kommen. 1.2.2 Welches materielle Disziplinarrecht vorliegend Anwendung findet, ist in analoger Anwendung von Art. 2 Abs. 2 StGB nach dem Grundsatz der "lex mitior" zu bestimmen (KÖLZ, a.a.O., S. 175; vgl. auch BGE 104 Ib 87 E. 2b S. 89 f. bezüglich Administrativmassnahmen im Strassenverkehr). Dieses Vorgehen setzt eine Beurteilung des Vorfalls sowohl nach dem bisherigen kantonalen als auch nach dem geltenden eidgenössischen Disziplinarrecht voraus (vgl. Urteil 2A.191/2003 vom 22. Januar 2004, E. 6), womit der zu BGE 130 II 270 S. 274 fällende Disziplinarentscheid insoweit zwingend auch auf der Auslegung von Bundesrecht beruht. Deshalb rechtfertigt es sich, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ebenfalls gegen jene Entscheide zuzulassen, welche sich im Ergebnis zwar immer noch auf kantonales Recht stützen können, aber im erwähnten Sinne die Mitanwendung von Bundesrecht voraussetzen. Im angefochtenen Entscheid wurde das alte kantonale mit dem neuen eidgenössischen Disziplinarrecht verglichen und insoweit Bundesrecht angewandt, weshalb die Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorliegend zulässig ist (so im Ergebnis bereits Urteil 2A.191/2003 vom 22. Januar 2004, E. 1.3). 2.
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Die Verwaltungskommission des Obergerichts ist auf den Rekurs des Beschwerdeführers nicht eingetreten, weil sie - nach dem Gesagten unrichtigerweise - davon ausging, die Beurteilung des Falls nach dem als "lex mitior" betrachteten kantonalen Anwaltsgesetz führe dazu, dass die eidgenössische Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht zur Verfügung stehe; der Ausschluss dieses Rechtsmittels hätte gemäss kantonalem Verfahrensrecht auch die Unzulässigkeit des bei ihr eingereichten Rekurses zur Folge gehabt (vgl. § 7 der Verordnung vom 15. Mai 2002 betreffend die Anpassung des kantonalen Rechts an das eidgenössische Anwaltsgesetz). Im Ergebnis hat die Verwaltungskommission den Streitfall aber materiell beurteilt und die angefochtene Disziplinarsanktion geschützt. Eine Aufhebung des angefochtenen Nichteintretensentscheids und Rückweisung der Sache an die Vorinstanz, damit diese auf das Rechtsmittel formell eintritt und das (materielle) Ergebnis ihrer Beurteilung auch im Dispositiv zum Ausdruck bringt, erübrigt sich. 3. Im Folgenden ist vorab nach den Berufsregeln des eidgenössischen Anwaltsgesetzes zu prüfen, ob eine disziplinarwidrige Handlung vorliegt. Ist diese Frage nämlich - wie der Beschwerdeführer vorbringt - zu verneinen, so erübrigt sich eine Beurteilung von dessen Verhalten nach der (im Zeitpunkt der streitigen Handlung noch gültigen) Regelung im kantonalen Anwaltsgesetz. Die Verwaltungskommission des Zürcher Obergerichts hätte diesfalls gemäss dem Grundsatz der "lex mitior" von einer Disziplinierung absehen müssen, weil nach geltendem Recht kein Pflichtverstoss gegeben wäre. 3.1 Ziel des eidgenössischen Anwaltsgesetzes ist, wie schon dessen Titel zeigt, die interkantonale Mobilität der Rechtsanwälte; es handelt sich primär um ein Freizügigkeitsgesetz, welches insoweit BGE 130 II 270 S. 275 das Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über den Binnenmarkt (BGBM; SR 943.02) weiterführt (vgl. BBl 1999 S. 6020). Gleichzeitig nimmt es jedoch in wesentlichen Bereichen eine Harmonisierung des materiellen Anwaltsrechts vor, indem es sowohl einen Registereintrag einführt, welcher die Berufstätigkeit auf dem Gebiet der ganzen Schweiz ermöglicht ( Art. 4 BGFA ), als auch die Berufsregeln für Rechtsanwälte auf Bundesebene vereinheitlicht ( Art. 12 BGFA ). Diese letztere Massnahme dient - gleich wie die bundesrechtliche Regelung des Eintrags in das kantonale Anwaltsregister - vorab der Förderung der angestrebten Freizügigkeit (vgl. die Botschaft des Bundesrats vom 28. April 1999, BBl 1999 S. 6039). 3.1.1 Dementsprechend ist die Umschreibung der Berufsregeln in Art. 12 BGFA abschliessender Natur ( BGE 129 II 297 E. 1.1 S. 299; BBl 1999 S. 6054); für abweichende kantonale Vorschriften besteht kein Raum mehr (vgl. BBl 1999 S. 6039 sowie an Stelle vieler: MADELEINE VOUILLOZ, La nouvelle loi fédérale sur la libre circulation des avocats, in: SJZ 98/2002 S. 436). Zur Auslegung von Art. 12 BGFA kann alsdann nur noch beschränkt auf die jeweiligen Standesregeln der kantonalen Anwaltsverbände abgestellt werden, welche bis anhin regelmässig herangezogen wurden, um die im betreffenden Kanton geltenden Berufspflichten zu konkretisieren (vgl. etwa BGE 108 Ia 316 E. 2b/aa S. 319; BGE 106 Ia 100 E. 7a S. 107). Entsprechendes ist seit Inkrafttreten des eidgenössischen Anwaltsgesetzes grundsätzlich nur noch denkbar, soweit die betreffende Standesregel eine landesweit in nahezu allen Kantonen geltende Auffassung zum Ausdruck bringt (vgl. ISAAK MEIER, Bundesanwaltsgesetz - Probleme in der Praxis, in: plädoyer 2000 5 S. 34). Deshalb können die kantonalen Aufsichtsbehörden auf ihre bisherige, von den lokalen Standesregeln geprägte Rechtsprechung nur noch beschränkt zurückgreifen, ansonsten die Gefahr besteht, dass sie die bundesrechtliche Vereinheitlichung der Berufspflichten aus den Augen verlieren. 3.1.2 Zu beachten ist ferner, dass es die erklärte Absicht des Gesetzgebers war, mittels der Vereinheitlichung eine klarere Unterscheidung zwischen allgemeinverbindlichen staatlichen Berufsregeln und privaten Standesregeln zu erreichen (vgl. BBl 1999 S. 6040). Handlungsbedarf bestand diesbezüglich unter anderem, weil in den kantonalen Anwaltsgesetzen teilweise eine Regelung der Berufspflichten fehlte und stattdessen einfach auf die Standesregeln des Anwaltsverbands verwiesen wurde (vgl. LUCIEN VALLONI/MARCEL STEINEGGER, BGE 130 II 270 S. 276 Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte, Zürich/Basel/Genf 2002, S. 43). Dies ist zum einen mit Blick auf das Legalitätsprinzip und zum anderen auch darum problematisch, weil auf diese Weise allgemein verbindlich gewordene Standesregeln über das hinausgehen können, was zur Sicherung einer korrekten Berufsausübung im öffentlichen Interesse geboten ist (vgl. WALTER FELLMANN/OLIVER SIDLER, Standesregeln des Luzerner Anwaltsverbandes vom 5. Mai 1995, Bern 1996, S. 1; BENOÎT CHAPPUIS, Signification et fonction des règles déontologiques, in: Fellmann/ Huguenin Jacobs/Poledna/Schwarz [Hrsg.], Schweizerisches Anwaltsrecht, Festschrift 100 Jahre SAV, S. 140). 3.1.3 Nach dem Gesagten sind die Berufsregeln des neuen eidgenössischen Anwaltsgesetzes - aus verschiedenen Gründen - primär selbständig und ohne Beizug von privatrechtlichen Verbandsrichtlinien auszulegen. Fragen kann sich allenfalls, ob in Zukunft bis zu einem gewissen Masse die vom Schweizerischen Anwaltsverband am 1. Oktober 2002 beschlossenen Richtlinien - sollten sie sich in der ganzen Schweiz allgemein durchsetzen - für die bundesrechtlichen Berufs- und Standesregeln als Auslegungshilfe heranzuziehen wären (vgl. HANS NATER, Neue Richtlinien des Schweizerischen Anwaltsverbandes für die Berufs- und Standesregeln, in: SJZ 99/2003 S. 152 f.). 3.2 Zu beurteilen ist vorliegend, ob das Vorgehen des Beschwerdeführers die Generalklausel der Berufsregeln verletzt: Gemäss Art. 12 lit. a BGFA haben Rechtsanwälte "ihren Beruf sorgfältig und gewissenhaft auszuüben". Das Bundesamt für Justiz hält die Anwendung dieser Generalklausel auf das Verhältnis zur Gegenpartei bzw. zwischen Anwaltskollegen für unangebracht. Der Bundesrat hatte jedoch bei der Formulierung seines Gesetzesentwurfs nicht nur die Beziehung zum eigenen Klienten im Auge, sondern klarerweise die gesamte Berufstätigkeit des Rechtsanwalts (BBl 1999 S. 6054). Seine entsprechende Sicht der Dinge gab im Parlament keinen Anlass zu Diskussionen (vgl. AB 1999 N 1556 ff., S 1170 ff.). Mithin ist davon auszugehen, dass die Verpflichtung zu Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit nach dem Willen des Gesetzgebers sämtliche beruflichen Handlungen des Rechtsanwalts beschlägt und sich sowohl auf die Beziehungen zu den Behörden - welche in der bundesrätlichen Botschaft ausdrückliche Erwähnung fanden - als auch auf jene zur Gegenpartei erstreckt (in diesem Sinne auch Urteil 2A.191/2003 vom 22. Januar 2004, E. 5). Den berechtigten BGE 130 II 270 S. 277 Bedenken des Bundesamtes, die offene Formulierung von Art. 12 lit. a BGFA dürfe nicht dazu führen, rein interne Sitten und Gebräuche des Anwaltsstandes zu allgemein verbindlichen Berufspflichten zu erheben, ist bei der Auslegung im Einzelfall Rechnung zu tragen (vgl. oben E. 3.1); sie rechtfertigen jedoch nicht, zum Vornherein eine Einschränkung des Anwendungsbereichs von Art. 12 lit. a BGFA vorzunehmen. 3.2.1 Die Vorinstanz ging im angefochtenen Entscheid selber davon aus, dass neben Zürich nur einige andere bzw. ein Teil der Kantone ein Verbot der Betreibung ohne Vorwarnung kannten, während in anderen Kantonen kein solches Verbot bestand. Bei diesen Gegebenheiten hat sie zu Recht ausgeschlossen, dass es sich dabei um eine Regel handelt, die Teil eines "gesamtschweizerischen Mindeststandards" bildet (vgl. oben E. 3.1.1) und bereits deshalb von der Generalklausel von Art. 12 lit. a BGFA mitumfasst wird. Sie hielt aber dafür, dass ein Anwalt, der die Betreibung einleite ohne vorherige Zahlungsaufforderung oder Bemühungen um einen Verjährungsverzicht, es an rücksichtsvollem Vorgehen mangeln lasse und gegen das "Gebot der fairen Behandlung der Gegenpartei" verstosse. Letzteres bilde Teil der allgemeinen Verpflichtung zu sorgfältiger und gewissenhafter Berufsausübung im Sinne von Art. 12 lit. a BGFA . Es entspreche den Gepflogenheiten, dass der Betreibung eine Zahlungsaufforderung vorausgehe, weil "einem Zahlungsbefehl in weiten Kreisen der Bevölkerung diffamierende Wirkung zukomme". 3.2.2 Der Verwaltungskommission des Obergerichts ist zuzustimmen, dass ein unnötig forsches und unangebracht hartes Vorgehen des Rechtsanwalts regelmässig nicht dem Gebot der sorgfältigen und gewissenhaften Berufsausübung entspricht und unter Umständen eine Disziplinierung wegen Verletzung von Art. 12 lit. a BGFA rechtfertigt: Einerseits kann es nicht im Interesse des Klienten liegen, die Gegenpartei ohne Not zu verärgern und dadurch die Fronten (zusätzlich) zu verhärten. Andererseits trägt der Rechtsanwalt unter der Geltung des eidgenössischen Anwaltsgesetzes unverändert eine Mitverantwortung für das korrekte Funktionieren des Rechtsstaats (vgl. FELIX WOLFFERS, Der Rechtsanwalt in der Schweiz, Diss. Bern 1986, S. 32) und hat deshalb exzessive Angriffe auf die Gegenpartei zu unterlassen. Der Rechtsanwalt ist aufgrund seiner besonderen Stellung zu einer gewissen Zurückhaltung verpflichtet und gehalten, einer Eskalation der Streitigkeiten entgegenzuwirken, und BGE 130 II 270 S. 278 nicht sie zu fördern. Insoweit kann in der Tat von einem "Gebot der fairen Behandlung der Gegenpartei", wie es die Vorinstanz bezeichnet hat, ausgegangen werden. Aus dem Gesagten erhellt aber auch, dass zwar ein den Verhältnissen unangepasstes, übertrieben aggressives Vorgehen des Rechtsanwalts regelmässig einen Verstoss gegen dessen Berufspflichten darstellen dürfte, aber der Anwalt umgekehrt durch Art. 12 lit. a BGFA nicht etwa (unter Androhung von Disziplinarsanktionen) dazu verpflichtet ist, stets das mildest mögliche Vorgehen zu wählen. Die blosse Einleitung einer Betreibung - welche von Gesetzes wegen an keinerlei Voraussetzungen gebunden ist (vgl. Art. 38 und Art. 67 SchKG ) und insbesondere vorgängig weder eine Zahlungsaufforderung noch eine Androhung der Betreibung verlangt - vermag im Lichte des Gesagten grundsätzlich keine gegen Art. 12 lit. a BGFA verstossende Handlung darzustellen, auch wenn ein Eintrag im Betreibungsregister für den Betroffenen unangenehm sein mag. Anders verhält es sich nur dann, wenn die Betreibung geradezu missbräuchlich ist; dies ist der Fall, wenn mit ihr sachfremde Ziele verfolgt werden, etwa wenn bloss die Kreditwürdigkeit des (angeblichen) Schuldners geschädigt werden soll (vgl. BGE 113 III 2 E. 2b S. 4) oder wenn zwecks Schikane ein völlig übersetzter Betrag in Betreibung gesetzt wird. 3.3 Der Beschwerdeführer strebte mit der Betreibung vom 25. März 2002 eine Verjährungsunterbrechung an, weil er vermutet, dass ab 1992 Beträge aus dem Vermögen von M. an W. geflossen sind, die zum von seinem Mandanten herausverlangten Erbe gehören. Sein Ziel hätte er auch mit einer Verjährungsverzichtserklärung von W. erreichen können, wobei ein entsprechendes Vorgehen für Letzteren weniger einschneidend gewesen wäre. Ein Verjährungsverzicht des Schuldners ist jedoch, wie der Beschwerdeführer zu Recht betont, für den Gläubiger weniger vorteilhaft als die Betreibung, nicht zuletzt darum, weil stets das Risiko besteht, dass er mit Willensmängeln behaftet ist. Nach dem Gesagten ist jedenfalls im Umstand allein, dass er den Betroffenen vor Anhebung der Betreibung nicht um eine solche Erklärung ersucht hat, keine Verletzung von Art. 12 lit. a BGFA zu sehen. Im Übrigen ist nicht anzunehmen, dass W. vorliegend auf die Verjährungseinrede verzichtet hätte: Das Verhältnis zwischen den Parteien der Erbschaftsstreitigkeit und ihren Anwälten ist gespannt. Diese Spannungen führten unter anderem zu einer Sühneverhandlung vor dem Friedensrichteramt Stäfa wegen angeblicher Persönlichkeitsverletzungen durch den BGE 130 II 270 S. 279 Beschwerdeführer. W. hat denn auch auf das Angebot des Beschwerdeführers, die Betreibung zurückzuziehen (vgl. Art. 8a Abs. 3 lit. c SchKG ), wenn er einem "umfassenden Verjährungsverzicht" zustimme, nicht reagiert. Er begründet dies allerdings mit dem Umstand, dass die "diffamierende Wirkung" bereits eingetreten sei, wobei er indes übersieht, dass die Betreibung mit ihrem Rückzug vor Dritten verborgen bliebe. 4. 4.1 Verstösst das Verhalten des Beschwerdeführers nicht gegen den neuen Art. 12 lit. a BGFA , so braucht es nicht mehr nach dem (alten) kantonalen Recht beurteilt zu werden, zumal dieses nicht das mildere sein kann. Mithin erweist sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als begründet und die Disziplinierung des Beschwerdeführers als bundesrechtswidrig; der Entscheid der Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich vom 18. August 2003 ist aufzuheben. Es ist Sache der Verwaltungskommission, den - vor Bundesgericht nicht angefochtenen - Disziplinarentscheid der Aufsichtskommission formell aufzuheben und über die Kosten der kantonalen Verfahren neu zu befinden.
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Sachverhalt ab Seite 191 BGE 106 Ia 191 S. 191 Der Grosse Rat des Kantons Basel-Stadt verabschiedete am 19. Oktober 1978 ein Gesetz über Spielautomaten und Spielsalons (Spielsalongesetz), das unter anderem folgende Vorschriften enthält: BGE 106 Ia 191 S. 192 § 13 Das Aufstellen und der Betrieb von Geldspielautomaten im Gebiet des Kantons Basel-Stadt ist verboten. § 14 Jugendlichen unter 18 Jahren ist der Zutritt zu Spielsalons untersagt. Dies ist für jedermann sichtbar beim Spielsaloneingang anzuschlagen. ... § 20 Gastwirtschaftsbetrieben und Spielsalons wird eine Frist von drei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft dieses Gesetzes eingeräumt, innert der die Geldspielautomaten zu entfernen sind. Das Gesetz wurde in der Volksabstimmung von 21./23. September 1979 angenommen. Gegen das Spielsalongesetz erheben die Escor Automaten AG und Mitbeteiligte insgesamt vier staatsrechtliche Beschwerden. Gerügt wird eine Verletzung von Art. 4 und 31 BV , im wesentlichen mit der Begründung, es bestünden keine hinreichenden Gründe für ein vollständiges Verbot von Geldspielautomaten. Ferner wird die zur Beseitigung der bereits aufgestellten Geräte gesetzte Übergangsfrist als verfassungswidrig angefochten. Das Bundesgericht weist die Beschwerden ab.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. a) Nach Art. 35 BV und Art. 1 des Bundesgesetzes über die Spielbanken (SBG) sind die Errichtung und der Betrieb von Spielbanken verboten. Art. 2 SBG bestimmt, dass als Spielbank jede Unternehmung gilt, die Glücksspiele betreibt (Abs. 1), d.h. Spiele, bei welchen gegen Leistung eines Einsatzes ein Geldgewinn in Aussicht steht, der ganz oder vorwiegend vom Zufall abhängt (Abs. 2). Nach Art. 3 Abs. 1 SBG gilt das Aufstellen von Spielautomaten und ähnlichen Apparaten als Glückspielunternehmung, sofern nicht der Spielausgang in unverkennbarer Weise ganz oder vorwiegend auf Geschicklichkeit beruht. Wie das Bundesgericht in BGE 97 I 753 entschieden hat, fallen Geldspielautomaten dann unter das bundesrechtliche Verbot, wenn sie nach ihrer Konstruktion für das reine Glücksspiel verwendet werden können; ebenso auch dann, wenn für den Spieler nicht ohne weiteres erkennbar ist, ob der Zufall oder die Geschicklichkeit den überwiegenden Einfluss auf den Spielausgang hat, und das Verhältnis durch geringfügige technische Umstellungen leicht manipuliert werden kann (vgl. auch BGE 101 Ib 318 ff.). Ob ein Geldspielautomat unter BGE 106 Ia 191 S. 193 das bundesrechtliche Verbot fällt, beurteilt das EJPD, gegen dessen Verfügung die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig ist. b) Wie das Bundesgericht zudem mehrfach entschieden hat, hindert das Spielbankengesetz die Kantone nicht, Spiele und namentlich den Betrieb von Geldspielautomaten, die bundesrechtlich nicht verboten sind, zu untersagen ( BGE 101 Ia 338 E. 4; 90 I 323 E. 2; 80 I 352 E. 1). Ob derartige Einschränkungen zulässig sind, ist nach Massgabe der Handels- und Gewerbefreiheit zu beurteilen. Nach der Rechtsprechung zu Art. 31 BV dürfen die Kantone die Ausübung einer Tätigkeit, die wie das gewerbsmässige Aufstellen und Betreiben von Geldspielautomaten unter dem Schutz der Handels- und Gewerbefreiheit steht, aus polizeilichen sowie aus sozialen und sozialpolitischen Gründen einschränken. Die Einschränkung muss auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen und sie darf nicht über das hinaus gehen, was erforderlich ist zur Erreichung des polizeilichen oder sozialpolitischen Zwecks, durch den sie gedeckt ist ( BGE 101 Ia 340 E. 5 mit Hinweisen). c) Im vorliegenden Fall ist die gesetzliche Ordnung selber angefochten, die die Grundlage für das Verbot von Geldspielautomaten im Kanton Basel-Stadt bildet. Es kann sich daher nur fragen, ob diese Einschränkung auf hinreichenden polizeilichen, sozialen oder sozialpolitischen Gründen beruhe und verhältnismässig sei. 6. a) Das Bundesgericht entschied bereits in BGE 80 I 353 E. 2c, dass ein vollständiges Verbot von Geldspielautomaten nicht gegen Art. 31 BV verstosse, da der Schutz der Bevölkerung vor den Gefahren der Spielsucht ein haltbarer polizeilicher Grund für eine solche Beschränkung sei. Diese Rechtsprechung wurde in BGE 90 I 322 E. 2 bestätigt. In BGE 101 Ia 341 E. 5c wies das Bundesgericht darauf hin, dass seit den beiden früheren Entscheiden die Bewilligungspraxis zu Art. 3 SBG verschärft worden sei. Das Gericht führte aus, aufgrund der strengeren, in BGE 97 I 753 E. 5 neu umschriebenen Kriterien dürfte die Gefahr der Spielsucht für Jugendliche und sozial benachteiligte Personen erheblich vermindert worden sein, sofern wirklich nur Geräte aufgestellt und betrieben würden, die nach der heutigen Rechtsprechung Geschicklichkeitsgeräte im Sinne von Art. 3 SBG seien. Wer die erforderliche Geschicklichkeit nicht besitze, werde das in der Regel bald feststellen BGE 106 Ia 191 S. 194 und das Spiel aufgeben. Der wirklich geschickte und daher erfolgreiche Spieler aber habe bei echten Geschicklichkeitsgeräten erhebliche Gewinnchancen und werde daher nicht zu Verlust kommen. Das Bundesgericht liess aber schliesslich dahingestellt, ob der Schutz des Publikums gegen grosse Verluste und gegen die Gefahren der Spielsucht auch nach der Verschärfung der bundesrechtlichen Zulässigkeitskriterien ein allgemeines Verbot der Geldspielautomaten zu rechtfertigen vermöge. Die Frage brauchte nicht entschieden zu werden, da das Gericht zum Schluss gelangte, dass ein gänzliches Verbot schon deshalb zulässig sei, weil die Gefahr der Umwandlung von als Geschicklichkeitsgeräten zugelassenen Automaten in reine Glücksspielgeräte als erheblich erscheine und ihr nicht durch bloss gelegentliche, ohne übertriebenen Verwaltungsaufwand durchführbare Kontrollen begegnet werden könne ( BGE 101 Ia 341 E. 6). Es besteht kein Anlass, diese Frage weiterhin offen zu lassen. Sie ist zu bejahen, und es ist festzuhalten, dass das allgemeine Verbot von Geldspielautomaten auf hinreichenden sozialen und sozialpolitischen Erwägungen beruht. Wenn das Bundesgericht die Frage, ob der Schutz des Publikums gegen Verluste und gegen die Gefahr der Spielsucht nach wie vor ein Verbot der Geldspielautomaten rechtfertige, in BGE 101 Ia 341 E. 5c offen liess, so geschah das in der Annahme, dass künftig nur mehr "echte Geschicklichkeitsgeräte" bewilligt würden, d.h. solche Automaten, bei denen die Realisierung eines Gewinns oder der Eintritt eines Verlustes ganz oder zumindest überwiegend von der Geschicklichkeit der Spieler abhängt. Würden nur mehr derartige Geräte aufgestellt, so liesse sich in der Tat sagen, dass der geschickte Spieler nicht zu Verlust komme und dass zu seinem Schutz kein Verbot der Geldspielautomaten erforderlich sei. Ob sich freilich auch sagen liesse, der nicht über eine genügende Geschicklichkeit verfügende Spieler werde bald feststellen, dass er keine Aussicht auf Gewinn habe und dass er das Spiel daher nach kurzer Zeit aufgeben werde, erscheint mehr als fraglich. Mit grösserer Berechtigung ist anzunehmen, dass die in Aussicht stehenden, scheinbar leicht zu erlangenden Geldgewinne nicht nur zu einzelnen Spielversuchen, sondern zu wiederholtem Spielen und damit zu nicht unerheblichen Verlusten verleiten. Wenn der kantonale Gesetzgeber das verhindern will, in der Annahme, an derartigen Geräten würden vor allem Jugendliche und sozial benachteiligte BGE 106 Ia 191 S. 195 Personen einen beträchtlichen Teil ihres Geldes verlieren, so ist das durch hinreichende soziale und sozialpolitische Gründe gedeckt und mit der Handels- und Gewerbefreiheit vereinbar. Ob daneben noch Kontrollgründe ein Verbot sämtlicher Geldspielautomaten zu rechtfertigen vermöchten, spielt bei dieser Sachlage keine Rolle. 7. a) Es ist ferner nicht verfassungswidrig, wenn § 20 Abs. 1 des Spielsalongesetzes bestimmt, dass die bereits aufgestellten Spielautomaten innert einer Frist von drei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft des Gesetzes zu entfernen seien. Diese Frist ist für sich allein zwar sehr knapp bemessen, und die Beschwerdeführer berufen sich zu Recht darauf, dass sie nicht schon vor der Verabschiedung des Gesetzes im Grossen Rat hätten erkennen können, dass wahrscheinlich in naher Zukunft ein vollständiges Verbot von Geldspielautomaten ergehen werde. Der Regierungsrat hatte dem Grossen Rat nämlich lediglich Antrag auf eine zahlenmässige Beschränkung dieser Apparate gestellt, und es schien zunächst, dass die Vorlage unbestritten sei. Erst bei der Beratung des Gesetzes im Grossen Rat wurde vorgeschlagen, die Geldspielautomaten seien vollständig zu verbieten, welchen Antrag der Grosse Rat am 19. Oktober 1978 annahm. In der Folge wurde gegen das neue Gesetz aber das Referendum ergriffen, und die Volksabstimmung fand erst am 21./23. September 1979 statt. Rechnet man die Zeit zwischen der Beschlussfassung im Grossen Rat und der Volksabstimmung sowie die in § 20 Abs. 1 des Gesetzes vorgesehene Übergangsfrist zusammen, so ergibt sich eine Zeitspanne von mehr als einem Jahr, innert der sich die Aufsteller von Geldspielautomaten auf das Verbot einrichten konnten. Das hält vor dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit stand (vgl. Urteil vom 13. Juli 1977 i.S. Versari, E. 3 ff., in ZBl. 79/1978, S. 81 ff.). Im übrigen wurde den staatsrechtlichen Beschwerden aufschiebende Wirkung erteilt, und zwar nach Antrag des Kantons Basel-Stadt in dem Sinne, dass § 20 Abs. 1 des Spielsalongesetzes erst nach der allfälligen Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerden angewendet werden dürfe. Damit wurde der Zeitpunkt für die Entfernung der in Betrieb stehenden Apparate noch weiter und in erheblichem Masse hinausgeschoben. b) Die hinsichtlich des Beschwerdeführers Kim gemachten Einwendungen, dieser Aufsteller habe kurz vor der Beschlussfassung im Grossen Rat einen Spielsalon mit Geldspielautomaten BGE 106 Ia 191 S. 196 eröffnet und einen langfristigen Mietvertrag eingegangen, geben keinen Anlass für eine andere Beurteilung. Das gilt schon deshalb, weil eine Aufhebung der gesetzlichen Übergangsordnung im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle nur dann in Frage kommen kann, wenn sich die Regelung nicht bloss bei Vorliegen besonderer Umstände, sondern bezogen auf normale Gegebenheiten als unverhältnismässig erweist (Urteil i.S. Versari, a.a.O., E. 3, S. 81). Im übrigen erschiene die Zeitspanne, wie sie sich nach Abschluss des bundesgerichtlichen Verfahrens ergibt, auch bezogen auf die Verhältnisse des Beschwerdeführers Kim als verfassungsmässig. Unbegründet ist schliesslich auch die Rüge, § 20 Abs. 1 des Spielsalongesetzes verletze den Grundsatz von Treu und Glauben. Dieser Grundsatz schützt nicht vor einer Änderung der Gesetzgebung, es sei denn, der Gesetzgeber selber habe eine gegenteilige Zusicherung gegeben ( BGE 102 Ia 336 E. 3c; BGE 101 Ia 450 E. 4c mit Hinweisen). Das ist hier jedoch offenkundig nicht der Fall. 8. a) Nach § 14 Abs. 1 des Spielsalongesetzes ist Jugendlichen unter 18 Jahren der Zutritt zu Spielsalons untersagt. Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, diese Grenze hätte tiefer angesetzt werden müssen. Wie es sich damit verhält, ist eine Frage, die weitgehend von einer Beurteilung der örtlichen Verhältnisse abhängt, die der kantonale Gesetzgeber besser kennt als das Bundesgericht. Überdies belässt die Festlegung einer Altersgrenze dem kantonalen Gesetzgeber schon an sich einen erheblichen Beurteilungsspielraum. Das Bundesgericht auferlegt sich bei der Prüfung einer entsprechenden Norm Zurückhaltung ( BGE 104 Ia 177 f.; BGE 103 Ia 41 ; BGE 101 Ia 481 ). Wenn § 14 Abs. 1 des Spielsalongesetzes die fragliche Altersgrenze auf 18 Jahre festlegt, so kann nicht gesagt werden, dass dafür keine hinreichenden Gründe gegeben seien.
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Sachverhalt ab Seite 179 BGE 144 II 177 S. 179 A. Die Einwohnergemeinde Bern schrieb am 22. Juli 2015 den Auftrag für ein öffentliches Veloverleihsystem in der Stadt Bern im offenen Verfahren aus. Der Auftrag umfasst die Planung, Finanzierung und den Aufbau eines Veloverleihsystems in der Stadt Bern sowie dessen Betrieb während fünf Jahren durch einen Gesamtdienstleister. Das Veloverleihsystem soll stationsgebunden sein und gewisse Nutzungszahlen nicht unterschreiten. Für die Benützung der Velos kann der Gesamtdienstleister ein Gebührenmodell vorsehen. Den Preis für den Auftrag schätzte die Einwohnergemeinde Bern auf Fr. 800'000.- pro Jahr. Innert Frist gingen zwei Angebote zu einem Preis von Fr. 0.- ein. Am 27. Januar 2016 erteilte die Einwohnergemeinde Bern der PubliBike AG den Zuschlag, deren Angebot mit 3,854 Punkten die beste Bewertung erhielt. Mit 3,587 Punkten erreichte die Intermobility SA den zweiten Platz. B. Die Intermobility SA gelangte gegen den Zuschlag an das Regierungsstatthalteramt Bern-Mittelland, das ihr Rechtsmittel mit Entscheid vom 25. April 2016 abwies. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Urteil vom 20. September 2016 ebenfalls ab. C. Mit Eingabe vom 26. Oktober 2016 erhebt die Intermobility SA Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiäre Verfassungsbeschwerde beim Bundesgericht. Sie verlangt die Aufhebung des Urteils vom 20. September 2016 und die Rückweisung der Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz. Die Einwohnergemeinde Bern beantragt, auf die Rechtsmittel nicht einzutreten. Eventualiter seien die Rechtsmittel abzuweisen, soweit darauf eingetreten wird. Das Verwaltungsgericht schliesst seinerseits auf Abweisung der Rechtsmittel, soweit auf sie eingetreten werden kann. Die PubliBike AG (fortan: Zuschlagsempfängerin) stellt keine formellen Anträge, vertritt aber den Standpunkt, dass auf die Rechtsmittel nicht eingetreten werden kann. Die Wettbewerbskommission (WEKO) und das Regierungstatthalteramt Bern-Mittelland haben auf eine Stellungnahme verzichtet. Mit Eingabe vom 23. Januar 2017 reicht die Intermobility SA eine Replik zu den Vernehmlassungen ein. Der Abteilungspräsident hat das Gesuch der Intermobility SA (fortan: Beschwerdeführerin) um Gewährung der aufschiebenden Wirkung mit Verfügung vom 17. November 2016 abgewiesen. BGE 144 II 177 S. 180 D. Mit Eingabe vom 3. Mai 2017 teilt die Einwohnergemeinde Bern mit, dass sie mit der Zuschlagsempfängerin den Vertrag über den ausgeschriebenen Auftrag abgeschlossen hat. Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht ein und weist die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. (...) 1.3 Auf dem Gebiet der öffentlichen Beschaffungen ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nur zulässig, wenn der geschätzte Wert des zu vergebenden Auftrags den massgeblichen Schwellenwert erreicht und sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt ( Art. 83 lit. f Ziff. 1 und 2 BGG ). Die beiden Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein ( BGE 141 II 14 E. 1.2 S. 20 f.; BGE 133 II 396 E. 2.1 S. 398). Von einer Frage mit grundsätzlicher Bedeutung ist auszugehen, wenn der Entscheid einer Rechtsfrage für die Praxis wegleitend sein kann und sie von ihrem Gewicht her nach höchstrichterlicher Klärung ruft ( BGE 141 II 14 E. 1.2 S. 20 f.; BGE 138 I 143 E. 1.1 S. 146 f.). Für den ausgeschriebenen Auftrag gingen zwei Angebote zu einem Preis von jeweils Fr. 0.-- ein. Die Frage, ob ein Entscheid auf dem Gebiet der öffentlichen Beschaffungen im Sinne von Art. 83 lit. f BGG vorliegt, bedarf angesichts dessen der näheren Betrachtung. 1.3.1 Das Bundesgerichtsgesetz führt nicht näher aus, was unter einer öffentlichen Beschaffung im Sinne von Art. 83 lit. f BGG zu verstehen ist. Von einem beschaffungsrechtlichen Entscheid im Sinne der genannten Bestimmung ist aber jedenfalls dann auszugehen, wenn er gestützt auf einschlägige submissionsrechtliche Erlasse erging oder hätte ergehen sollen (vgl. Urteil 2C_1014/2015 vom 21. Juli 2016 E. 2.2.4). Eine Definition des Begriffs "öffentliche Beschaffung" ist aber auch den vergaberechtlichen Erlassen fremd (vgl. BGE 125 I 209 E. 6b S. 212; Urteil 2C_198/2012 vom 16. Oktober 2012 E. 5.1.1; MARTIN BEYELER, Der Geltungsanspruch des Vergaberechts, 2012, S. 269 Rz. 605): Gemäss Art. I Ziff. 1 des Übereinkommens vom 15. April 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen (SR 0.632.231.422; nachfolgend: GPA) findet das Übereinkommen auf alle Gesetze, Vorschriften, Verfahren und Praktiken betreffend die öffentliche Beschaffung Anwendung. Immerhin deutet das GPA auf BGE 144 II 177 S. 181 ein eher weites Verständnis des Begriffs "öffentliche Beschaffung" hin. Das Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über den Binnenmarkt (Binnenmarktgesetz, BGBM; SR 943.02) bestimmt seinerseits in Art. 5 lediglich, dass sich öffentliche Beschaffungen durch Kantone, Gemeinden und andere Träger kantonaler oder kommunaler Aufgaben nach kantonalem oder interkantonalem Recht richten (Abs. 1) und sie dabei die vom Bund eingegangenen staatsvertraglichen Verpflichtungen berücksichtigen (Abs. 2). Der Anwendungsbereich der Interkantonalen Vereinbarung vom 25. November 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen (mit Änderungen vom 15. März 2001 [IVöB; BSG 731.2-1]), die auch der Kanton Bern unterzeichnet hat (vgl. Art. 1 des Gesetzes des Kantons Bern vom 11. Juni 2002 über das öffentliche Beschaffungswesen [ÖBG; BSG 731.2]), setzt unter anderem voraus, dass ein öffentlicher Auftrag erteilt werden soll (vgl. Art. 6 IVöB ). Was unter einem öffentlichen Auftrag zu verstehen ist, umreisst die Interkantonale Vereinbarung nicht. 1.3.2 Nach Lehre und Rechtsprechung ist für öffentliche Beschaffungen kennzeichnend, dass der Staat als Nachfrager Waren oder Dienstleistungen gegen eine Gegenleistung bestellt, um damit seine Aufgaben wahrzunehmen (vgl. BGE 141 II 113 E. 1.2.1 S. 117; BGE 125 I 209 E. 6b S. 212 f.; Urteil 2C_198/2012 vom 16. Oktober 2012 E. 5.1.2; je mit Hinweisen). Demgegenüber ist der blosse Umstand, dass der Staat einem Privaten erlaubt, eine bestimmte Tätigkeit auszuüben, keine öffentliche Beschaffung, weil der Staat dabei nicht eine Tätigkeit veranlasst oder ein Gut beschafft, sondern bloss eine private Tätigkeit hoheitlich ordnet oder reguliert (vgl. BGE 125 I 209 E. 6b S. 212 f.; Urteil 2C_198/2012 vom 16. Oktober 2012 E. 5.1.3). Dasselbe gilt grundsätzlich auch, wenn der Staat lediglich eine Sondernutzungskonzession für die Benützung von öffentlichem Grund erteilt, weil der Staat damit nicht etwas beschafft, sondern im Gegenteil dem Privaten ein Recht einräumt und dafür (in der Regel) eine Gegenleistung erhält ( BGE 143 II 120 E. 6 S. 126; BGE 125 I 209 E. 6b S. 212 f.; Urteil 2C_198/2012 vom 16. Oktober 2012 E. 5.1.3). Anders verhält es sich nach der Rechtsprechung, wenn mit der Erteilung der Konzession untrennbar Gegenleistungen von gewisser Bedeutung verbunden sind, die normalerweise Gegenstand einer öfentlichen Beschaffung bilden (vgl. BGE 135 II 49 E. 4.4 S. 56; Urteil 2C_198/2012 vom 16. Oktober 2012 E. 5.1.3, mit Hinweisen). Die Verleihung einer Konzession schliesst die Anwendbarkeit des öffentlichen Beschaffungsrechts folglich nicht aus. Ist die Erteilung BGE 144 II 177 S. 182 einer Sondernutzungskonzession in ein Gesamtgeschäft eingebettet, kann sich in Würdigung sämtlicher Umstände des Geschäfts ergeben, dass es insgesamt als öffentliche Beschaffung zu qualifizieren ist (vgl. BEYELER, a.a.O., S. 402 Rz. 819; ETIENNE POLTIER, Droit des marchés publics, 2014, S. 117 Rz. 188). Als naheliegend erweist sich dieser Schluss insbesondere dann, wenn bei der Erteilung der Sondernutzungskonzession nicht ein regulativer Zweck (Ordnung der Nutzung öffentlichen Grundes) im Vordergrund steht, sondern die Übertragung eines (geldwerten) Rechts zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben (vgl. BEYELER, a.a.O., S. 415 Rz. 830). 1.3.3 Im vorliegenden Fall hat die Einwohnergemeinde Bern den Aufbau und Betrieb eines Veloverleihsystems ausgeschrieben, das der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen soll. Das Veloverleihsystem dient der Umsetzung des Reglements der Stadt Bern vom 13. Juni 1999 über die Förderung des Fuss- und Veloverkehrs (RFFV; Systematische Sammlung des Stadtrechts von Bern [SSSB] 761.4). Das Reglement bezweckt eine Umlagerung des motorisierten Individualverkehrs auf den Langsamverkehr (Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 RFFV). Inhalt und Umfang der zu erbringenden Leistung im Rahmen des Veloverleihsystems sind detailliert vorgegeben. Es bestehen enge Vorgaben betreffend die Anzahl, Dichte und Verteilung der Stationen sowie die Anzahl und Verfügbarkeit der Velos, das Tarifsystem und die zu erreichende Nutzungsintensität. Die Finanzierung soll über Benützungsgebühren, Sponsorengelder und einen Deckungsbeitrag der Einwohnergemeinde Bern erfolgen. Mit dem Auftrag zur Bewirtschaftung des Veloverleihsystems erteilt die Einwohnergemeinde Bern dem Betreiber sodann das exklusive Recht zur Inanspruchnahme von (Sonder-)Nutzungsrechten am öffentlichen Boden. Zudem erbringt sie weitere Dienstleistungen gegenüber dem Betreiber des Veloverleihsystems (z.B. Realisierung der Standorte). 1.3.4 Mit Blick auf den Auftrag des kommunalen Gesetzgebers zur Umlagerung des motorisierten Individualverkehrs auf den Langsamverkehr kann der Betrieb eines Veloverleihsystems als öffentliche Aufgabe betrachtet werden. Wird damit ein privater Dienstleister betraut, erscheint dies jedenfalls als öffentlicher Auftrag im Sinne von Art. 6 Abs. 3 IVöB (vgl. BGE 135 II 49 E. 5.2.2 S. 58; Urteil 2C_1014/2015 vom 21. Juli 2016 E. 2.2). Daran ändert nichts, dass dem ausgewählten Betreiber zur Erfüllung seiner Aufgabe die Sondernutzung von öffentlichem Grund eingeräumt wird. Angesichts der klaren Vorgaben für den Betrieb des Veloverleihsystems wird BGE 144 II 177 S. 183 deutlich, dass dabei nicht ein regulativer Zweck im Vordergrund steht. Der Einwohnergemeinde Bern geht es um die Erbringung einer spezifischen Dienstleistung im öffentlichen Interesse. Sie übernimmt dabei nicht vorrangig eine Ordnungsfunktion für die Nutzung des öffentlichen Grundes für beliebige, allenfalls im privaten Interesse stehende Zwecke. Obwohl mit dem Auftrag zum Betrieb eines Veloverleihsystems notwendigerweise verknüpft, erscheint die Erteilung von Sondernutzungsrechten an öffentlichem Grund im Gesamtgefüge des Geschäfts nur als eines von zahlreichen Anliegen, die mit der Ausschreibung verfolgt werden. 1.3.5 Sodann gelangt die Vorinstanz mit überzeugender Begründung zur Auffassung, dass es sich beim Auftrag zum Betrieb des Veloverleihsystems um einen Dienstleistungsauftrag gegen Entgelt handelt, obschon das Veloverleihsystem von beiden Anbieterinnen zu einem Preis von Fr. 0.- offeriert wurde: Die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe kann vom Gemeinwesen auch in anderer Form als durch Geldzahlung abgegolten werden (vgl. BGE 135 II 49 E. 5.2.2 S. 58; Art. II Ziff. 2 GPA; GALLI/MOSER/LANG/STEINER, Praxis des öffentlichen Beschaffungsrechts, 3. Aufl. 2013, S. 75 Rz. 179 f.; BEYELER, a.a.O., S. 335 f. Rz. 726 f. und S. 339 Rz. 730; POLTIER, a.a.O., S. 91 Rz. 153). Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, stellen die Erteilung von Sondernutzungsrechten an öffentlichem Grund und die weiteren Dienstleistungen der Einwohnergemeinde Bern zugunsten des ausgewählten Anbieters geldwerte Leistungen und damit ein Entgelt dar. Ausserdem wird dem Anbieter das Recht eingeräumt, für die Benützung der Velos von seinen Kunden eine Entschädigung zu verlangen (vgl. BEYELER, a.a.O., S. 418 Rz. 833). Erbringt das Gemeinwesen das Entgelt wie im vorliegenden Fall für die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe durch einen kommerziell motivierten Privaten, ist auch unter diesem Gesichtspunkt von einem öffentlichen Auftrag im Sinne von Art. 6 IVöB auszugehen. Da es sich bei der Einwohnergemeinde Bern zudem um eine öffentliche Auftraggeberin im Sinne von Art. 8 IVöB handelt und eine Ausnahme nach Art. 10 IVöB nicht gegeben ist, fällt die Erteilung des Auftrags zum Betrieb eines Veloverleihsystems in den Anwendungsbereich der Interkantonalen Vereinbarung. Damit hat der angefochtene Entscheid einen beschaffungsrechtlichen Vorgang im Sinne von Art. 83 lit. f BGG zum Gegenstand.
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Sachverhalt ab Seite 92 BGE 127 III 90 S. 92 W. einerseits und seine Nichten X., Y. und Z. andererseits sind je zur Hälfte Miteigentümer der Grundstücke GBN 1236 (425,63 a Wiesland, wovon 2'650 m2 in der Bauzone, mit Wohnhaus und zwei Ökonomiegebäuden), GBN 626 (33,92 a Wiesland), GBN 846 (Hütte mit Melchstallung), GBN 857 und 858 (Hütte mit Melchstallung), GBN 1260 ("unterste Weid" mit 1'034,22 a, Hütte und Melchstallung), GBN 1261 ("mittlere Weid" mit 1'120,96 a, Wohnhaus, Hütte und Wasserhütte) und GBN 1262 ("oberste Weid" mit 1'380,73 a, Hütte und Melchstallung). W. bewirtschaftet diese Liegenschaften zusammen mit Grundstücken seiner Frau und zugepachteten Parzellen. Sein Betrieb ist viehwirtschaftlich ausgerichtet. W. verfügt über ca. 45 Grossvieheinheiten und ein Milchkontingent von ca. 120'000 l. Am 10. Februar 1999 ersuchte W. das Volkswirtschaftsdepartement des Kantons Schwyz um Erlass einer Feststellungsverfügung über die Fragen, ob bei Aufhebung des Miteigentums das Realteilungsverbot gemäss Art. 58 des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 1991 über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB; SR 211.412.11) zur Anwendung gelange und - wenn ja - ob eine Ausnahme gemäss Art. 60 BGBB in Aussicht gestellt werden könne. Das Volkswirtschaftsdepartement stellte mit Verfügung vom 2. August 1999 (Ziff. 1) fest, die Miteigentumsparzellen bildeten zusammen mit anderen Grundstücken ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne des BGBB und unterstünden dem Realteilungsverbot. Die Voraussetzungen zur Erteilung einer Ausnahme von diesem Verbot gestützt auf Art. 60 Abs. 1 lit. b BGBB seien nicht erfüllt.
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292
Gegen diese Verfügung erhoben X., Y. und Z. Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz. Mit Entscheid vom 26. Mai 2000 hiess das Verwaltungsgericht (Kammer III) die Beschwerde im Sinne der Erwägungen gut, hob die Ziff. 1 der angefochtenen Feststellungsverfügung auf und stellte seinerseits fest, die Miteigentumsanteile im Zusammenhang mit der Aufhebung des Miteigentums unterlägen dem Realteilungsverbot nicht. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 14. Juli 2000 gelangt W. an das Bundesgericht. Er beantragt, das verwaltungsgerichtliche BGE 127 III 90 S. 93 Erkenntnis sei aufzuheben, und es sei in Bestätigung der Verfügung des Volkswirtschaftsdepartements festzustellen, dass die Miteigentumsparzellen mit Ausnahme der Fläche von Parzelle GBN 1236 in der Bauzone dem Realteilungsverbot unterstünden und dass die Voraussetzungen für eine Ausnahme gemäss Art. 60 Abs. 1 lit. b BGBB nicht erfüllt seien. Eventuell sei die Angelegenheit bezüglich der Voraussetzungen für eine Ausnahme an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen. X., Y. und Z. beantragen die Abweisung der Beschwerde mit Ausnahme der Feststellung bezüglich des Nichtunterliegens des Teils von Parzelle GBN 1236 in der Bauzone. Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz schliesst ebenfalls auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Justiz beantragt Rückweisung der Sache an das kantonale Volkswirtschaftsdepartement. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut, hebt den angefochtenen Entscheid auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurück. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, die privatrechtliche Übergangsbestimmung von Art. 94 Abs. 2 BGBB verhindere nicht, dass bei Aufhebung des Miteigentums das Realteilungsverbot gemäss Art. 58 ff. BGBB zu beachten sei, wenn dieses nach Massgabe der öffentlichrechtlichen Übergangsregel von Art. 95 Abs. 1 BGBB anwendbar sei. Der Beschwerdeführer und das Bundesamt für Justiz teilen diese Auffassung. Die Beschwerdegegnerinnen halten sie für unzutreffend. a) Gemäss Art. 94 Abs. 2 BGBB wird vertraglich begründetes gemeinschaftliches Eigentum (Mit- oder Gesamteigentum) nach altem Recht aufgehoben, wenn dies innert Jahresfrist seit Inkrafttreten dieses Gesetzes verlangt wird. Art. 95 Abs. 1 BGBB bestimmt, dass (insbesondere) die Vorschriften über das Realteilungsverbot für alle Rechtsgeschäfte gelten, die nach Inkrafttreten des BGBB beim Grundbuchamt angemeldet werden. Die Aufhebung des Miteigentums haben die Beschwerdegegnerinnen offenbar rechtzeitig - binnen Jahresfrist - verlangt; ein Aufhebungsverfahren ist vor dem Bezirksgericht Schwyz hängig und derzeit sistiert. Dagegen ist die Aufteilung des Miteigentums nicht vor Inkrafttreten des BGBB beim Grundbuchamt angemeldet worden, was ebenfalls unbestritten ist. BGE 127 III 90 S. 94 b) Die privatrechtliche Dispositionsfreiheit steht grundsätzlich unter dem Vorbehalt des öffentlichen Rechts; soweit nicht die allgemeinen Regeln des Vorrangs jüngerer oder speziellerer Normen oder besondere Anhaltspunkte (z.B. in den Materialien) etwas anderes nahe legen, sind die öffentlichrechtlichen Schranken daher bindend für die Privatrechtsgestaltung (vgl. HANS HUBER, Berner Kommentar, N. 41 f. zu Art. 6 ZGB ). Vorliegend bestehen keine allgemeinen oder besonderen Anknüpfungspunkte für die von den Beschwerdegegnerinnen vertretene Auffassung. Den Materialien lässt sich nur entnehmen, dass die Eigentümer die neu eingeführten Zuweisungsansprüche und Anrechnungsregeln bei der Liquidation von vertraglich begründetem Mit- oder Gesamteigentum ausschalten können, wenn sie dessen Aufhebung innert Jahresfrist verlangen. Dass sie das Realteilungsverbot nicht zu beachten hätten, wenn die Anmeldung des Aufhebungsgeschäfts beim Grundbuchamt erst nach Inkrafttreten des BGBB erfolgt, wird nirgends ausgeführt (Botschaft zum Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht [BGBB], BBl 1988 III 953 ff., S. 1067). Vielmehr halten die Erläuterungen zum heutigen Art. 95 BGBB ausdrücklich fest, zwecks Vermeidung von Gesetzesumgehungen solle grundsätzlich für alle nach dem Inkrafttreten angemeldeten Rechtsgeschäfte das neue Recht Anwendung finden (Botschaft, a.a.O., S. 1068; vgl. auch CHRISTOPH BANDLI/MANUEL MÜLLER/BEAT STALDER, in: Das bäuerliche Bodenrecht: Kommentar zum Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht vom 4. Oktober 1991, Brugg 1995, N. 1 und 5 zu Art. 95 BGBB ). Es kann auch nicht argumentiert werden, bei Anwendbarkeit des Realteilungsverbots verliere der Verweis auf das alte Recht in Art. 94 Abs. 2 BGBB seinen Sinn. Soweit es nicht um die körperliche Aufteilung geht, d.h. insbesondere mit Bezug auf die Ausschaltung der Zuweisungs- und Anrechnungsansprüche gemäss Art. 36 ff. BGBB , ändert die Anwendbarkeit des Realteilungsverbots nichts. Das Verbot schränkt die Teilung nach altem Recht auch in denjenigen Fällen nicht ein, in denen eine mit der neuen Regelung verträgliche Aufhebung vereinbart oder eine Ausnahme erwirkt wird. Wo es Geltung beansprucht, öffnet es bei richterlicher Aufhebung zudem den Weg zur Versteigerung unter den Miteigentümern (die öffentliche Versteigerung unter einem breiteren Publikum bleibt gemäss Art. 69 BGBB ausgeschlossen), da es im Interesse der Strukturerhaltung (vgl. dazu nachfolgend E. 5a) bestimmte körperliche Teilungen verbietet und diese deshalb als wesentliche Wertverminderungen im Sinne von Art. 651 Abs. 2 ZGB verstanden werden können. Endlich bleibt es ohne Einfluss auf andere Teilungsarten als die körperliche Aufteilung. BGE 127 III 90 S. 95 Zu Recht hat das Verwaltungsgericht somit die Art. 58 ff. BGBB als grundsätzlich anwendbar erachtet (vgl. auch BGE 123 III 233 E. 2d S. 239; Wegleitung des Eidgenössischen Amtes für Grundbuch- und Bodenrecht, in: ZBGR 75/1994 S. 88 ff., Ziff. 2.31). 4. Das Verwaltungsgericht hält freilich dafür, das Realteilungsverbot sei nur für den Miteigentumsanteil des Beschwerdeführers massgebend, nicht auch für die Miteigentumsanteile der Beschwerdegegnerinnen. Es argumentiert, der Beschwerdeführer bewirtschafte diese Anteile nur pachtweise, und sie seien daher wie Zupachtland bloss einzubeziehen, wenn zu beurteilen sei, ob ein landwirtschaftliches Gewerbe vorliege. Selber unterstünden sie dem Realteilungsverbot aber nicht, weil sie wie Zupachtland grundsätzlich jederzeit veräussert, d.h. vom Gewerbe abgetrennt werden könnten. Der Beschwerdeführer rügt, diese Argumentation sei bundesrechtswidrig. Die Beschwerdegegnerinnen unterstützen sie dagegen. Die Sichtweise des Verwaltungsgerichts beruht auf einer Fehlüberlegung. Es geht nicht darum, die Aufteilung eines landwirtschaftlichen Gewerbes zu beurteilen, das im (Allein-)Eigentum des Beschwerdeführers steht. Zu entscheiden ist vielmehr über die Wirkungen des Realteilungsverbots auf die im Miteigentum der Parteien stehende Gesamtheit von landwirtschaftlichen Grundstücken, Bauten und Anlagen, die vom Beschwerdeführer teils gestützt auf seine Miteigentümerstellung, teils aufgrund pachtweiser Überlassung durch die übrigen Miteigentümer genutzt werden. Es interessiert, ob diese Gesamtheit als landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne von Art. 7 Abs. 1 BGBB anzusprechen ist und - wenn ja - ob das Miteigentum daran durch körperliche Teilung aufgehoben werden darf, ohne dass das Realteilungsverbot entgegensteht. Gewiss sind für die Qualifikation als landwirtschaftliches Gewerbe Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung für längere Zeit zugepachtete Grundstücke mit einzubeziehen ( Art. 7 Abs. 4 lit. c BGBB ). Daraus ergibt sich eine Ausdehnung des Kreises von Gewerben, die unter die öffentlichrechtlichen Verkehrsbeschränkungen des Gesetzes fallen, weil die Voraussetzung genügender landwirtschaftlicher Beschäftigung eher erfüllt ist, wenn die Arbeitszeit zur Bewirtschaftung zugepachteter Grundstücke mit einzurechnen ist (vgl. EDUARD HOFER in: Kommentar BGBB, N. 96 zu Art. 7 BGBB ). Die Berücksichtigung von Grundstücken, die der Pächter eines Gewerbes für längere Dauer zupachtet oder von Land in seinem Eigentum (vgl. dazu HOFER, a.a.O., N. 91 zu Art. 7 BGBB ) hat jedoch nicht zur Folge, dass die Zulässigkeit der Aufteilung des Gewerbes aus der Sicht des BGE 127 III 90 S. 96 Pächters bzw. seines Betriebes zu beurteilen ist und die den übrigen Miteigentümern gehörenden Anteile als nicht zum Gewerbe gehörende Pachtgrundstücke zu betrachten sind, für die das Realteilungsverbot nicht gilt. Es bleibt dabei, dass sämtliche Miteigentumsanteile zum Gewerbe gehören, über dessen körperliche Aufteilung unter dem Gesichtswinkel des Realteilungsverbots zu befinden ist. Dass hier eine Gesamtheit von landwirtschaftlichen Grundstücken, Bauten und Anlagen vorliegt, die - jedenfalls unter Einbezug des Zupachtlandes ( Art. 7 Abs. 4 lit. c BGBB ) - als landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne von Art. 7 Abs. 1 BGBB anzusprechen ist, hat auch das Verwaltungsgericht angenommen und kann nicht zweifelhaft sein. 5. Nach Meinung des Verwaltungsgerichts sind die Schranken des Realteilungsverbots bei der Aufteilung des Miteigentums auch deshalb nicht zu beachten, weil kein Veräusserungsgeschäft abgeschlossen werde und keine Eigentumsrechte an Dritte übertragen würden. Die Zusammensetzung der Grundeigentümerschaft bleibe die Gleiche. Ausserdem werde die Stellung des selbstbewirtschaftenden Miteigentümers durch die Art. 36 ff. BGBB geschützt und nicht durch das Realteilungsverbot. Der Beschwerdeführer bezeichnet auch diese Auffassung als bundesrechtswidrig. Die Beschwerdegegnerinnen halten sie für richtig. a) Das Realteilungsverbot bezweckt den Schutz erhaltungswürdiger landwirtschaftlicher Strukturen. Lebensfähige Gewerbe sollen notfalls auch gegen den Willen der Eigentümerschaft vor der Aufteilung und stückweisen Veräusserung bewahrt werden ( Art. 1 Abs. 1 lit. a BGBB ; Botschaft, a.a.O., S. 968; REINHOLD HOTZ in: Kommentar BGBB, N. 8 zu Art. 1 BGBB , und CHRISTOPH BANDLI, daselbst, N. 1 der Vorbemerkungen zu Art. 58-60 BGBB und N. 1 zu Art. 58 BGBB ; BEAT STALDER, Die verfassungs- und verwaltungsrechtliche Behandlung unerwünschter Handänderungen im bäuerlichen Bodenrecht, Diss. Bern 1993, ASR Heft 542, S. 105; BGE 125 III 175 E. 2c S. 179). Die gesetzliche Regelung zielt daher mit dem Begriff des "Abtrennens" auf ein Verbot der getrennten Veräusserung einzelner Teile ab; die reine Unterteilung im Sinne einer Parzellierung schadet an sich noch nicht, sondern erst in Verbindung mit Plänen betreffend ein getrenntes rechtliches Schicksal oder eine Umgehung der Belastungsrestriktionen ( Art. 73 ff. BGBB ; BANDLI in: Kommentar BGBB, N. 2 zu Art. 58 BGBB ; YVES DONZALLAZ, Commentaire de la loi fédérale du 4 octobre 1991 sur le nouveau droit foncier rural, Sion 1993, Rz. 502 und 504, S. 146; STALDER, Die verfassungs- und verwaltungsrechtliche Behandlung, S. 107). Unerwünschte Veräusserungen BGE 127 III 90 S. 97 sind nicht nur Kauf- und bestimmte Tausch- und Schenkungsgeschäfte, sondern alle Rechtsgeschäfte, die wirtschaftlich einer Eigentumsübertragung gleichkommen (vgl. Art. 61 Abs. 3 BGBB ; STALDER in: Kommentar BGBB, N. 19 f. zu Art. 63 BGBB ). b) Die Aufhebung des Miteigentums an den Gewerbeparzellen durch körperliche Teilung führt dazu, dass die Grundstücke parzelliert und einzelnen Miteigentümern zu Eigentum überschrieben werden. Die einzelnen Teile des Gewerbes gelangen in neue und verschiedene Hände. Die bisherige gemeinschaftliche Eigentumsberechtigung wird abgelöst; es findet nicht nur wirtschaftlich, sondern auch rechtlich ein Eigentümerwechsel statt, und die rechtliche Einheit des Gewerbes zerfällt. Die neuen Eigentümer können ihre Teile getrennt veräussern oder nutzen und auf diese Weise auch die wirtschaftliche Einheit auflösen. Die beabsichtigte körperliche Teilung unter den Miteigentümern hat somit zur Folge, dass der Zusammenhalt der gewerblichen Grundstücke, Bauten und Anlagen nicht mehr gewährleistet ist, was dem Ziel der Strukturerhaltung zuwiderläuft. Daran ändert der Umstand nichts, dass sich die Beschwerdegegnerinnen bereit erklärt haben, dem Beschwerdeführer ihre Anteile weiterhin und auf lange Sicht zu verpachten (vgl. dazu nachfolgend E. 6a). Unbeachtlich ist im vorliegenden Zusammenhang ferner der Verweis der Beschwerdegegnerinnen auf die Einspruchsgründe gemäss dem abgelösten Bundesgesetz vom 12. Juni 1951 über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes (EGG) und die Meinung von STALDER (Kommentar BGBB, N. 20 zu Art. 61 BGBB ) betreffend deren Überführung in das BGBB. Dieser Autor hat nicht ausgeführt, es sollten ausschliesslich die schon dem EGG unterstellten Handänderungen unterstellt werden, sondern bloss bemerkt, vorab jene Handänderungen sollten erfasst werden. Schliesslich ist unerfindlich, weshalb ein solches Verständnis der Vorschriften gegen die Eigentumsgarantie verstossen soll, wie die Beschwerdegegnerinnen meinen, zumal eine hinreichende gesetzliche Basis vorliegt und die bisherige Nutzung sowie die bestehenden Eigentumsverhältnisse nicht eingeschränkt werden. c) Der Hinweis des Verwaltungsgerichts auf die Zielsetzung der Art. 36-39 BGBB vermag zu keiner anderen Betrachtungsweise zu führen. Auch wenn man diesen Vorschriften eine gewisse strukturpolitische Wirkung nicht absprechen will, sind sie doch primär auf den Schutz des Selbstbewirtschafters und nicht wie die Art. 58 ff. BGBB auf die Strukturerhaltung ausgerichtet. Ob sie zum Tragen kommen, entscheiden allein die Miteigentümer, wogegen der Schutz BGE 127 III 90 S. 98 des Realteilungsverbots auch gegen den Willen der Eigentümer greift. Sie können die öffentlichrechtlichen Beschränkungen deshalb nicht ersetzen (vgl. auch STALDER, Die verfassungs- und verwaltungsrechtliche Behandlung, S. 109). Es ergibt sich somit, dass die Vorschriften über das Realteilungsverbot bei der beabsichtigten Aufhebung des Miteigentums zu beachten sind. 6. Steht fest, dass das Realteilungsverbot grundsätzlich anwendbar und die Beschwerde insofern begründet ist, stellt sich die Frage einer Ausnahmebewilligung nach Art. 60 Abs. 1 BGBB . In Betracht fällt namentlich eine Ausnahme gemäss lit. b dieser Vorschrift, wonach ein Dispens verlangt werden kann, wenn das landwirtschaftliche Gewerbe auch nach der Aufteilung oder der Abtrennung eines Grundstücks oder Grundstückteils einer bäuerlichen Familie noch eine gute landwirtschaftliche Existenz bietet. Der Beschwerdeführer macht geltend, eine derartige Ausnahme dürfe nicht erteilt werden. Die Beschwerdegegnerinnen erinnern vorab daran, dass das Verwaltungsgericht die Ausnahmegründe nicht zu prüfen brauchte und beantragen die Rückweisung für den Fall, dass die Beurteilung unumgänglich sei. a) Das Verwaltungsgericht hat keine Feststellungen darüber getroffen, welches Einkommen sich aus dem interessierenden Gewerbe erwirtschaften lässt und inwiefern dieses durch Abtrennung allenfalls verkleinert werden könnte, ohne die Schwelle einer guten landwirtschaftlichen Existenz zu unterschreiten ( Art. 60 Abs. 1 lit. b BGBB ; zum Begriff der guten landwirtschaftlichen Existenz HOFER in: Kommentar BGBB, N. 18 ff. zu Art. 8 BGBB ). Das ist nachzuholen. Die Angelegenheit ist deshalb unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese - allenfalls unter Beizug von Gutachtern - die nötigen Abklärungen trifft und im Sinne des Erwogenen neu entscheidet. Die Vorinstanz wird dabei zu bestimmen haben, welche Flächen in die Existenzberechnung einzubeziehen sind. An sich wäre es naheliegend, in analoger Anwendung von Art. 7 Abs. 4 lit. c BGBB die für längere Dauer zugepachteten Grundstücke mitzuberücksichtigen. Dem steht jedoch entgegen, dass die Spezialregelung betreffend den Einbezug von Pachtland im Zusammenhang mit der Mindestgrösse für die Annahme eines landwirtschaftlichen Gewerbes steht und nicht ohne weiteres einen tauglichen Anknüpfungspunkt für weitere Abstufungen abgibt. Bei derartigen Abgrenzungen muss deshalb geprüft werden, ob und inwiefern der Einbezug von zugepachteten BGE 127 III 90 S. 99 Grundstücken mit den Zielen des Gesetzes verträglich ist. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass Zupachtland zumeist nur auf jeweils sechs Jahre gesichert zur Verfügung steht ( Art. 7 und 8 des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 1985 über die landwirtschaftliche Pacht [LPG; SR 221.213.2] ) und eine solche Vertragsdauer die angestrebte langfristige Sicherung der Strukturen nicht gewährleistet. Es wäre mit Blick auf das Strukturerhaltungsziel, das einen gefestigten Zusammenhalt der Betriebsgrundlagen voraussetzt, zudem wenig sinnvoll, den starken eigentumsrechtlichen Zusammenhalt (teilweise) aufzugeben mit Rücksicht auf die wesentlich schwächere Verbundenheit, die Pachtverhältnisse herstellen. Entscheidend aber ist, dass sich bei Berücksichtigung von Pachtland im Zusammenhang mit der erwähnten Ausnahme das Gesetz sehr einfach umgehen liesse. Die Vorlage eines Pachtvertrages über die erwähnte Mindestdauer und eine genügende Fläche würde bereits genügen, um eine Ausnahme zur Abtrennung einer unentbehrlichen Fläche von einer guten landwirtschaftlichen Existenz zu erwirken. Hinzu kommt, dass es der Pächter bei verpachteten Gewerben in der Hand hätte, durch Zupacht oder Auflösung von Pachtverträgen eine Ausnahme zu ermöglichen oder zu vereiteln. Auch im vorliegenden Fall könnte der Beschwerdeführer - z.B. durch Übertragung von Pachtverhältnissen auf seinen mitarbeitenden Sohn - die Ausnahmeerteilung steuern. Ähnliches gilt im Übrigen bezüglich der landwirtschaftlichen Liegenschaften, die seiner Frau gehören und von ihm bewirtschaftet werden. Die analoge Anwendung von Art. 7 Abs. 4 lit. c BGBB muss deshalb ausscheiden, wenn das Strukturerhaltungsziel erreicht werden soll (zum Ganzen und ebenso HOFER in: Kommentar BGBB, N. 30 zu Art. 8 BGBB ). b) Hinsichtlich des Parzellenteils von GBN 1236 in der Bauzone sind sich die Parteien einig, dass diese Fläche körperlich geteilt werden dürfe. Sie übersehen freilich, dass der eingezonte Parzellenteil gestützt auf Art. 2 Abs. 2 lit. c BGBB von Gesetzes wegen unter die Regelung des BGBB fällt, solange keine Aufteilung entsprechend den Nutzungszonen erfolgt ist. Eine solche kann gestützt auf eine Ausnahme nach Art. 60 Abs. 1 lit. a BGBB vorgenommen werden. Mit ihr fällt die Baulandfläche ohne weiteres aus dem Geltungsbereich des Gesetzes.
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Sachverhalt ab Seite 49 BGE 146 IV 49 S. 49 A. Das Kriminalgericht des Kantons Luzern verurteilte A. am 4. April 2017 unter anderem wegen versuchter schwerer Körperverletzung, einfacher Körperverletzung, Angriffs, Diebstahls, mehrfacher Sachbeschädigung, gewerbsmässigen Betrugs, mehrfacher Urkundenfälschung, Erschleichung einer falschen Beurkundung und diverser Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten, unter Anrechnung von 53 Tagen Untersuchungs- beziehungsweise Polizeihaft. Ferner BGE 146 IV 49 S. 50 ordnete es eine stationäre therapeutische Massnahme für junge Erwachsene nach Art. 61 StGB an und schob den Vollzug der Freiheitsstrafe auf. Die Staatsanwaltschaft Abteilung 1 Luzern hatte A. am 29. Oktober 2014 den vorzeitigen Massnahmenvollzug bewilligt. B. A. ersuchte am 23. September 2019 um Entlassung aus dem Massnahmenvollzug. Der Vollzugs- und Bewährungsdienst des Kantons Luzern wies das Gesuch mit Entscheid vom 29. Oktober 2019 ab. Dagegen erhob A. Verwaltungsgerichtsbeschwerde, welche das Kantonsgericht Luzern am 17. Januar 2020 guthiess und den Vollzugs- und Bewährungsdienst anwies, A. innert drei Tagen nach Eingang des Entscheids aus der stationären therapeutischen Massnahme für junge Erwachsene zu entlassen. C. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, Ziff. 1 des kantonsgerichtlichen Urteils sei aufzuheben und es sei die Fortführung der stationären therapeutischen Massnahme für junge Erwachsene anzuordnen. Sie ersucht darum, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu erteilen und im Sinne einer superprovisorischen Massnahme anzuordnen, dass A. im Vollzug der Massnahme verbleibe. D. Der Präsident der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts erteilte der Beschwerde am 23. Januar 2020 bis zum Entscheid über das Gesuch superprovisorisch die aufschiebende Wirkung. Ferner bewilligte er im Hinblick auf die Stellungnahme zum Gesuch um aufschiebende Wirkung die unentgeltliche Rechtspflege und setzte Rechtsanwalt Dr. K. für die Beantwortung des Gesuchs um aufschiebende Wirkung als unentgeltlichen Rechtsbeistand ein. A., das Kantonsgericht und der Vollzugs- und Bewährungsdienst äussern sich zum Gesuch um aufschiebende Wirkung. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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358
Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. (...) 2.4 2.4.1 War der Täter zur Zeit der Tat noch nicht 25 Jahre alt und ist er in seiner Persönlichkeitsentwicklung erheblich gestört, so kann ihn das Gericht in eine Einrichtung für junge Erwachsene einweisen, wenn: a. der Täter ein Verbrechen oder Vergehen begangen hat, das BGE 146 IV 49 S. 51 mit der Störung seiner Persönlichkeitsentwicklung in Zusammenhang steht; und b. zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit der Störung seiner Persönlichkeitsentwicklung in Zusammenhang stehender Taten begegnen ( Art. 61 Abs. 1 StGB ). Der mit der Massnahme verbundene Freiheitsentzug beträgt höchstens vier Jahre. Er darf im Falle der Rückversetzung nach bedingter Entlassung die Höchstdauer von insgesamt sechs Jahren nicht überschreiten. Die Massnahme ist spätestens dann aufzuheben, wenn der Täter das 30. Altersjahr vollendet hat ( Art. 61 Abs. 4 StGB ). 2.4.2 Das Bundesgericht hat bisher noch nicht beurteilt, ab wann die Höchstdauer der stationären therapeutischen Massnahme für junge Erwachsene nach Art. 61 Abs. 4 Satz 1 StGB zu laufen beginnt beziehungsweise ob der vorzeitige Massnahmenvollzug dabei zu berücksichtigen ist. Jedoch hat es sich im Zusammenhang mit anderen stationären therapeutischen Massnahmen wiederholt mit der Frage der Dauer des mit ihnen verbundenen Freiheitsentzugs beziehungsweise dem Beginn der jeweiligen Frist auseinandergesetzt. Hinsichtlich der stationären therapeutischen Behandlung von psychischen Störungen gelangte es in BGE 142 IV 105 zum Schluss, die in Art. 59 Abs. 4 Satz 1 StGB festgesetzte Dauer beginne, sofern dem Betroffenen nach der Massnahmenanordnung bis zum effektiven Behandlungsbeginn die Freiheit entzogen ist, mit dem rechtskräftigen und vollstreckbaren Entscheid, in dem die Massnahme angeordnet wird (a.a.O., E. 5.9 S. 118). Das Bundesgericht liess ausdrücklich offen, ob und inwiefern die vor dem Sachurteil ausgestandene Sicherheitshaft oder ein allfälliger vorzeitiger Massnahmenvollzug für den Fristenlauf zu berücksichtigen ist (a.a.O., E. 4.1 S. 108). Im BGE 145 IV 65 hatte das Bundesgericht sodann die Frage zu beurteilen, ob der vorzeitige Massnahmenvollzug bei der Berechnung der Fünfjahresfrist von Art. 59 Abs. 4 Satz 1 StGB einzubeziehen ist. Es erwog, der vorzeitige Massnahmenvollzug sei zwar bei der Gesamtdauer der Massnahme zu berücksichtigen, dies insbesondere bei der zeitlichen Verhältnismässigkeit, jedoch beginne mit dem Sachurteil eine neue Frist zu laufen (a.a.O., E. 2.6.2 S. 75). Es gelangte zum Fazit, sofern die stationäre therapeutische Behandlung von psychischen Störungen nicht aus der Freiheit heraus angetreten werde, sei für den Fristenlauf auf das Datum des in Rechtskraft erwachsenen Anordnungsentscheids abzustellen (a.a.O., E. 2.7.1 S. 76). Im Urteil 6B_1203/2017 vom 1. November 2017 entschied das Bundesgericht, bei der Berechnung der vierjährigen Höchstfrist für eine stationäre BGE 146 IV 49 S. 52 therapeutische Suchtbehandlung gemäss Art. 60 Abs. 4 Satz 1 und 2 StGB sei die vor dem Anordnungsentscheid erstandene Untersuchungs- und Sicherheitshaft mitzuberücksichtigen (a.a.O., E. 4.1; vgl. auch BGE 145 IV 65 E. 2.3.3 S. 70 f.). Erwähnenswert ist ferner BGE 141 IV 236 , worin das Bundesgericht erwog, Untersuchungs- beziehungsweise Sicherheitshaft sei an freiheitsentziehende Massnahmen gemäss Art. 56 ff. StGB , konkret an stationäre therapeutische Massnahmen im Sinne von Art. 59 StGB , grundsätzlich anzurechnen (a.a.O., E. 3 S. 238 ff.). Dieses Urteil erging jedoch im Zusammenhang mit der Frage einer allfälligen Entschädigung für die erstandene Untersuchungs- und Sicherheitshaft bei Schuldunfähigkeit und ist für die Frage der Dauer einer Massnahme nicht einschlägig (vgl. BGE 145 IV 65 E. 2.3.4 S. 71 f.). Bei der Beurteilung der Frage, ob der vorzeitige Massnahmenvollzug in die Berechnung der Frist gemäss Art. 61 Abs. 4 Satz 1 StGB einzubeziehen ist oder ob diese erst mit Datum des rechtskräftigen Anordnungsentscheids zu laufen beginnt, sind insbesondere BGE 145 IV 65 und das Urteil 6B_1203/2017 vom 1. November 2017 zu berücksichtigen. Während Ersteres die Fristen gemäss Art. 59 Abs. 4 Satz 1 und 2 StGB zum Gegenstand hat, die anders als Art. 60 Abs. 4 sowie Art. 61 Abs. 4 StGB nicht die Höchstdauer einer Massnahme regeln, sondern bestimmen, innert welcher Frist ein neuer Gerichtsentscheid über die Weiterführung der Massnahme zu ergehen hat, betrifft Letzteres die Höchstdauer gemäss Art. 60 Abs. 4 StGB . Die Beschwerdeführerin vertritt die Ansicht, die im letztgenannten Urteil erwogenen Grundsätze seien nicht auf den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt anwendbar. Auch wurde das Urteil in der Lehre teilweise kritisiert (vgl. MARIANNE HEER, Die Dauer therapeutischer Massnahmen und die Tücken deren Berechnung, forumpoenale 2/2018 [nachfolgend: forumpoenale] S. 185 f.; dieselbe , Nachverfahren bei strafrechtlichen Massnahmen [nachfolgend: Nachverfahren], in: Wege und Irrwege stationärer Massnahmen nach Rechtskraft des Strafurteils, 2018, S. 61 f.). Es rechtfertigt sich daher, die Frage vertieft zu prüfen. 2.5 In der Lehre wird der Beginn der Vierjahresfrist gemäss Art. 61 Abs. 4 Satz 1 StGB nur rudimentär diskutiert. Während MARIANNE HEER sich früher noch dafür aussprach, dass in jedem Fall auf das Datum des Anordnungsentscheids abzustellen ist (MARIANNE HEER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. I, 3. Aufl. 2013, N. 78 zu Art. 61 StGB ; so wohl auch TRECHSEL/PAUEN BORER, in: Schweizerisches BGE 146 IV 49 S. 53 Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 3. Aufl. 2018, N. 15 zu Art. 61 StGB , die auf MARIANNE HEER hinweisen), vertritt sie in neueren Publikationen die Ansicht, dass der vorzeitige Massnahmenvollzug bei der Berechnung der Dauer gemäss Art. 61 Abs. 4 Satz 1 StGB einzubeziehen ist (MARIANNE HEER, in: Basler Kommentar [nachfolgend: Basler Kommentar 2019], Strafrecht, Bd. I,4. Aufl. 2019, N. 78c zu Art. 61 StGB ; dieselbe , forumpoenale, a.a.O., S. 183 ff.; dieselbe , Nachverfahren, a.a.O., S. 60 ff.). Auch RENATE ANASTASIADIS bezeichnet es als sachlogisch, den vorzeitigen Massnahmenvollzug in die Berechnung der Dauer miteinzubeziehen, da bei Massnahmen nach Art. 60 und 61 StGB gesetzliche Höchstfristen bestehen und die Massnahmen nicht unbegrenzt verlängert werden können (RENATE ANASTASIADIS, in: Das schweizerische Vollzugslexikon, 2014, S. 296). 2.6 Gemäss Art. 236 StPO kann die Verfahrensleitung der beschuldigten Person bewilligen, Freiheitsstrafen oder freiheitsentziehende Massnahmen vorzeitig anzutreten, sofern der Stand des Verfahrens es erlaubt (Abs. 1). Mit dem Eintritt in die Vollzugsanstalt tritt die beschuldigte Person ihre Strafe oder Massnahme an; sie untersteht von diesem Zeitpunkt an dem Vollzugsregime, wenn der Zweck der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft dem nicht entgegensteht (Abs. 4). Der vorzeitige Straf- oder Massnahmenantritt stellt seiner Natur nach eine strafprozessuale Zwangsmassnahme auf der Schwelle zwischen Strafverfolgung und Strafvollzug dar. Damit soll schon vor Erlass des rechtskräftigen Strafurteils ein Haftregime ermöglicht werden, das auf die persönliche Situation der beschuldigten Person zugeschnitten ist; ausserdem können erste Erfahrungen mit der voraussichtlich sachlich gebotenen Vollzugsform gesammelt werden. Für eine Fortdauer der strafprozessualen Haft in den Modalitäten des vorzeitigen Strafvollzugs muss weiterhin mindestens ein besonderer Haftgrund (analog zu Art. 221 StPO ) vorliegen. Sodann muss der vorzeitige Vollzug verhältnismässig sein. Der vorzeitige Straf- und Massnahmenvollzug betrifft nur das Vollzugsregime. Die strafprozessuale Haft wird nicht wie üblich in einer Haftanstalt vollzogen, die diesem Zweck vorbehalten ist (vgl. Art. 234 Abs. 1 StPO ). Mit dem vorzeitigen Antritt der Strafe oder Massnahme ändern sich allein die Vollzugsmodalitäten, indem das Regime der Vollzugsanstalt zur Anwendung gelangt. Rechtstitel für den mit dem vorzeitigen Vollzug verbundenen Freiheitsentzug ist nicht die zu erwartende Freiheitsstrafe BGE 146 IV 49 S. 54 oder Massnahme, sondern die strafprozessuale Haft (vgl. BGE 143 IV 160 E. 2.1 S. 162 mit Hinweisen). Demnach gilt für einen Beschuldigten im vorzeitigen Massnahmenvollzug grundsätzlich das Regime des Massnahmenvollzugs. Zu der sich vorliegend stellenden Frage des Fristenlaufs kann Art. 236 Abs. 4 StPO nichts entnommen werden (vgl. BGE 145 IV 65 E. 2.5.2 S. 73 mit Hinweisen). 2.7 2.7.1 Legt man der Gesetzesauslegung (vgl. hierzu: BGE 145 III 109 E. 5.1 S. 114; BGE 142 IV 105 E. 5.1 S. 110) die vorliegend zu beurteilende Frage zugrunde, erscheint der Wortlaut von Art. 61 Abs. 4 Satz 1 StGB eindeutig: " Der mit der Massnahme verbundene Freiheitsentzug beträgt höchstens vier Jahre." (" La privation de liberté entraînée par l'exécution de la mesure ne peut excéder quatre ans.", " La privazione della libertà connessa alla misura non supera di regola i quattro anni."). Daraus lässt sich schliessen, dass jeder Freiheitsentzug, der mit der Massnahme verbunden ist, bei der Berechnung der Höchstdauer der Massnahme zu berücksichtigen ist. Nach dem Gesagten (vgl. E. 2.6) untersteht eine Person im vorzeitigen Massnahmenvollzug dem Regime des Massnahmenvollzugs. Im Idealfall hat die Behandlung beziehungsweise die Förderung und Ausbildung des Betroffenen (vgl. E. 2.7.3) bereits begonnen. Jedenfalls ist nicht von der Hand zu weisen, dass der Freiheitsentzug während des vorzeitigen Massnahmenvollzugs mit der Massnahme verbunden ist. Dass das Strafgesetzbuch verschiedentlich ähnliche Formulierungen wie in Art. 61 Abs. 4 Satz 1 StGB verwendet, kann hingegen nicht als Auslegungskriterium herangezogen werden (vgl. BGE 145 IV 65 E. 2.5.1 S. 73; BGE 142 IV 105 E. 5.2 S. 111). 2.7.2 Die neuen Bestimmungen zum Massnahmenrecht traten mit der Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs am 1. Januar 2007 in Kraft. Aus dem Gesetzgebungsprozess ergibt sich nicht, ob der vorzeitige Massnahmenvollzug bei der vierjährigen Höchstdauer von Art. 61 Abs. 4 Satz 1 StGB zu berücksichtigen ist, respektive dass diese Frage im Gesetzgebungsverfahren überhaupt thematisiert wurde. Den Materialien ist jedoch zu entnehmen, dass die Obergrenze von vier Jahren insbesondere unter dem Aspekt der beruflichen Förderung angezeigt sei, da doch diverse Ausbildungen vier Jahre dauern würden (Botschaft vom 21. September 1998 zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des BGE 146 IV 49 S. 55 Militärstrafgesetzes sowie zu einem Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht, BBl 1999 2082 Ziff. 213.423; zu den parlamentarischen Beratungen: AB 1999 S 1122, AB 2001 N 568 f.). 2.7.3 Die stationäre therapeutische Massnahme für junge Erwachsene ersetzt die Einweisung in eine Arbeitserziehungsanstalt (aArt. 100 bis StGB in der Fassung gemäss Bundesgesetz vom 18. März 1971, in Kraft von 1. Juli 1971 bis 31. Dezember 2006 [AS 1971 777, 807; BBl 1965 I 561]). Ziel ist eine sozialpädagogische und therapeutische Hilfe, die dem Eingewiesenen die Fähigkeit vermittelt, selbstverantwortlich und straffrei zu leben. Die Massnahme für junge Erwachsene gründet wie bereits die Arbeitserziehung auf dem Gedanken, dass sich junge Erwachsene in ihrer Entwicklung zumeist noch wesentlich beeinflussen lassen, dass sie mithin noch gebessert und ihre gesamte Persönlichkeit entwickelt werden kann (BBl 1999 2081 Ziff. 213.423; vgl. auch MARIANNE HEER, Basler Kommentar 2019, a.a.O., N. 10 zu Art. 61 StGB ; TRECHSEL/PAUEN BORER, a.a.O., N. 1 und 14 zu Art. 61 StGB ; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II: Strafen und Massnahmen, 2. Aufl. 2006, § 11 N. 2). Es geht um eine Korrektur einer Fehlentwicklung mit erzieherischen Mitteln. Mittels zweckgerichteter und individualisierter sozialpädagogischer Betreuung wird eine Persönlichkeitsentwicklung angestrebt, das heisst, eine charakterliche und soziale Festigung sowie eine Förderung der geistigen und körperlichen Entwicklung sowie der beruflichen Kenntnisse. Statt des Strafvollzugs wird der betroffenen Person eine positive Entwicklungsperspektive aufgezeigt, indem ihr eine Berufsbildungsmöglichkeit mit schrittweiser Öffnung zu mehr Selbstständigkeit angeboten wird. Sie soll lernen, sich selbstverantwortlich und ohne gravierende Konflikte mit der Rechtsordnung in der Gesellschaft und namentlich im Berufsleben zu integrieren (vgl. MARIANNE HEER, Basler Kommentar 2019, a.a.O., N. 10 und 49 zu Art. 61 StGB ; QUELOZ/BÜTIKOFER REPOND, in: Commentaire romand, Code pénal, Bd. I, 2009, N. 11 und 25 f. zu Art. 61 StGB ; vgl. auch BGE 142 IV 49 E. 2.1.2 S. 51 f.; BGE 125 IV 237 E. 6b S. 239 ff.; BGE 123 IV 113 E. 4c S. 122 f.). Unter Berücksichtigung dieser Zielsetzung ist die Massnahme für junge Erwachsene auf eine bestimmte Zeit angelegt, die in ihrer Länge auf die Absolvierung einer Lehre ausgerichtet ist (BBl 1999 2082 Ziff. 213.423; MARIANNE HEER, Basler Kommentar 2019, a.a.O., N. 74 zu Art. 61 StGB ; QUELOZ/BÜTIKOFER REPOND, a.a.O., N. 30 zu Art. 61 StGB ; CHRISTIAN PFENNINGER, Der Beginn der Überprüfungsfrist BGE 146 IV 49 S. 56 bei vorzeitigem Massnahmenantritt, Schweizerische Zeitschrift für Kriminologie [SZK] 2/2017 S. 34; DUPUIS UND ANDERE, CP, Code pénal, 2. Aufl. 2017, N. 20 zu Art. 61 StGB ). Diese Dauer kann unter Umständen zu knapp bemessen sein. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass die Phase einer bedingten Entlassung bei der Berechnung der Höchstdauer der Massnahme nicht mitzurechnen ist. Das mögliche Problem, dass die Höchstdauer der Massnahme erreicht ist, bevor die Ausbildung abgeschlossen wurde, kann dadurch entschärft werden, dass die betroffenen Personen in der Phase der bedingten Entlassung oder nach definitivem Ablauf der Massnahmendauer ihre Lehre in der Institution von einem externen Aufenthaltsort aus fortsetzen können, in letzterem Fall auf freiwilliger Basis (vgl. MARIANNE HEER, Basler Kommentar 2019, a.a.O., N. 75 zu Art. 61 StGB ). Die vierjährige Höchstdauer dient dazu, der betroffenen Person ihre Freiheit nur solange zu entziehen, wie dies für die Entwicklung ihrer Persönlichkeit und die Absolvierung einer Berufsausbildung notwendig ist. Es soll ihr in der Folge die Möglichkeit gegeben werden, die erlernten Lebenstechniken in Freiheit anzuwenden und sich in die Gesellschaft sowie in das Berufsleben zu integrieren. Damit wird auch der Verhältnismässigkeitsgrundsatz gewahrt. Der Gesetzgeber hat sich entschieden, dass der mit der stationären therapeutischen Massnahme für junge Erwachsene verbundene Freiheitsentzug nicht länger als vier Jahre - im Falle einer Rückversetzung nach bedingter Entlassung nicht länger als insgesamt sechs Jahre - dauern darf. Daran sind die rechtsanwendenden Behörden gebunden. Das Bundesgericht hat bereits im Zusammenhang mit der Frist gemäss Art. 59 Abs. 4 StGB festgehalten, dass das Verhältnismässigkeitsprinzip nicht nur in Bezug auf die Anordnung der Massnahme beziehungsweise die Massnahmenverlängerung als solche Beachtung verlange, sondern auch hinsichtlich der Dauer der Massnahme. Das Gericht habe daher für die Verhältnismässigkeit der stationären therapeutischen Massnahme gemäss Art. 59 StGB in zeitlicher Hinsicht einen allfälligen vorzeitigen Massnahmenvollzug mitzuberücksichtigen, dies sowohl bei der Prüfung der Erstanordnung der Massnahme als auch im Zusammenhang mit einem Gesuch um Verlängerung derselben ( BGE 145 IV 65 E. 2.6.1 S. 74; vgl. auch: BGE 142 IV 105 E. 5.4 S. 112 mit Hinweisen). Ist der vorzeitige Massnahmenvollzug in Nachachtung des Verhältnismässigkeitsprinzips bei einer grundsätzlich verlängerbaren Massnahme zu berücksichtigen, gilt dies umso BGE 146 IV 49 S. 57 mehr bei einer Massnahme, für die der Gesetzgeber eine Höchstdauer festgesetzt hat. 2.8 Die Beschwerdeführerin begründet ihren Standpunkt in erster Linie mit praktischen Argumenten. Faktisch sei es so, dass die Lehre aus verschiedenen Gründen nicht sofort begonnen werden könne, weshalb es kaum möglich sei, eine drei- oder sogar vierjährige Ausbildung innert vier Jahren nach Antritt des vorzeitigen Massnahmenvollzugs zu beenden. Dieser diene vielmehr der Vorbereitung auf den später anzuordnenden Massnahmenvollzug, so dass die vier Jahre ausreichend seien, um sämtliche Massnahmenziele zu erreichen und damit auch den Zweck der stationären therapeutischen Massnahme für junge Erwachsene, insbesondere die berufliche Integration, zu erfüllen. Das Bundesgericht verkennt die praktischen Schwierigkeiten, welche die Begrenzung der Massnahmendauer mit sich bringen kann, nicht. Allerdings führen diese nicht zu einer anderen Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfrage. Nach dem Gesagten hat der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht, dass der mit der stationären therapeutischen Massnahme für junge Erwachsene verbundene Freiheitsentzug nicht länger als vier Jahre - im Falle einer Rückversetzung nach bedingter Entlassung nicht länger als insgesamt sechs Jahre - dauern darf. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin zeigen auf, dass der vorzeitige Massnahmenvollzug in der Praxis zumindest insofern mit der Massnahme verbunden ist, als er deren Vorbereitung dient. Folglich ist auch der mit dem vorzeitigen Massnahmenvollzug einhergehende Freiheitsentzug bei der Berechnung der Höchstdauer der Massnahme zu berücksichtigen. Das Problem, dass vier Jahre unter Umständen nicht ausreichen, um eine Ausbildung zu absolvieren, darf nicht über die faktische Verlängerung des mit der Massnahme verbundenen Freiheitsentzugs gelöst werden. In der Praxis müssen andere Lösungen gesucht werden. Wie dargelegt, wäre beispielsweise denkbar, dass die Betroffenen ihre Ausbildung von einem externen Standort aus fortsetzen (vgl. E. 2.7.3). Auch der Umstand, dass die stationäre therapeutische Massnahme nach Art. 61 StGB mit anderen (ambulanten oder stationären) therapeutischen Massnahmen verbunden werden kann, führt nicht dazu, dass alle (Höchst-)Fristen ab dem gleichen Datum beginnen müssen. Da die Massnahmen beziehungsweise die mit ihnen verbundenen Freiheitsentzüge unterschiedlich lange dauern und die Fristen teilweise verlängert werden können, bedarf es in jedem Fall einer individuellen Handhabung, weshalb die Fristen auch zu verschiedenen Zeitpunkten BGE 146 IV 49 S. 58 beginnen können. Schliesslich überzeugt auch das Argument der Beschwerdeführerin nicht, dass die stationäre therapeutische Massnahme für junge Erwachsene, wenn die betroffene Person - wie vorliegend - unter einer schweren psychischen Störung leidet, in eine gewisse Nähe zu einer stationären therapeutischen Behandlung von psychischen Störungen rücke, weshalb es sich rechtfertige, den Beginn der gesetzlichen Frist anzugleichen. Die Fristen von Art. 59 Abs. 4 und Art. 61 Abs. 4 StGB unterscheiden sich grundlegend. Es kann auf das bisher Ausgeführte und BGE 145 IV 65 E. 2.3.3 S. 70 f. (zum Verhältnis von Art. 59 Abs. 4 und Art. 60 Abs. 4 StGB ) verwiesen werden. 2.9 Zusammengefasst stellt der vorzeitige Massnahmenvollzug einen mit der Massnahme verbundenen Freiheitsentzug dar, der bei der Berechnung der Höchstdauer gemäss Art. 61 Abs. 4 Satz 1 StGB zu berücksichtigen ist. Andernfalls würde der mit der Massnahme verbundene Freiheitsentzug über die gesetzlich vorgesehene Maximaldauer hinaus verlängert. Fraglich erscheint noch, ob hinsichtlich des vorzeitigen Massnahmenvollzugs auf das Datum von dessen Anordnung beziehungsweise Genehmigung oder den Eintritt der betroffenen Person in die Einrichtung für junge Erwachsene abzustellen ist. Es erscheint angemessen und praktikabel, auf das Datum der Bewilligung des vorzeitigen Massnahmenvollzugs abzustellen (vgl. MARIANNE HEER, Nachverfahren, a.a.O., S. 62 f.). Einerseits sollte der vorzeitige Massnahmenvollzug von der Verfahrensleitung im Idealfall erst beziehungsweise nur bewilligt werden, wenn ein Platz in einer Einrichtung für junge Erwachsene zur Verfügung steht (vgl. Art. 56 Abs. 5 StGB ; GÜNTER STRATENWERTH, a.a.O., § 11 N. 19; JOSITSCH/EGE/SCHWARZENEGGER, Strafrecht II: Strafen und Massnahmen, 9. Aufl. 2018, § 7 S. 203; MARIANNE HEER, Basler Kommentar 2019, a.a.O., N. 50 ff. zu Art. 61 StGB ; QUELOZ/BÜTIKOFER REPOND, a.a.O., N. 20 ff. zu Art. 61 StGB ), womit die Bewilligung und der Eintritt mehr oder weniger zusammen fallen sollten. Andererseits erscheint diese Lösung auch praktikabel, da in jedem Einzelfall unabhängig von den konkreten Umständen auf die Bewilligung abgestellt wird und nicht abgeklärt werden muss, ob der Betroffene bereits therapeutisch betreut wurde, als er auf einen Platz in einer Einrichtung wartete, und ob dies gegebenenfalls beim Beginn der Massnahmendauer zu berücksichtigen wäre. Schliesslich spricht auch das Gleichheitsgebot für die aufgezeigte Lösung, da die Betroffenen in der Regel nicht beeinflussen können, wie lange BGE 146 IV 49 S. 59 sie auf einen Platz in einer Einrichtung für junge Erwachsene warten müssen (vgl. zu Art. 59 Abs. 4 Satz 1 StGB : BGE 142 IV 105 E. 5.6 S. 114). Aus dem gleichen Grund sind kurzzeitige Umplatzierungen bei der Berechnung der Höchstdauer der stationären therapeutischen Massnahme für junge Erwachsene nicht zu berücksichtigen. Hingegen sind Umstände, welche die Betroffenen beeinflussen können, wie beispielsweise die Flucht aus der Einrichtung für junge Erwachsene, hinzuzurechnen.
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Sachverhalt ab Seite 104 BGE 115 Ia 103 S. 104 Am 15. Februar 1988 erhob die Bezirksanwaltschaft H. gegen X. beim Einzelrichter des Bezirksgerichtes H. Anklage wegen Grenzverrückung, einfacher Körperverletzung, Sachbeschädigung und Drohung. Gleichzeitig wurde der Antrag gestellt, X. sei mit drei Monaten Gefängnis unter Verweigerung des bedingten Strafvollzuges zu bestrafen. Das von X. am 4. Juli 1988 gestellte Begehren um amtliche Verteidigung sowie sinngemäss um Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung wurde vom Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichtes H. am 15. September 1988 abgewiesen. Den von X. hiergegen erhobenen Rekurs wies das Obergericht des Kantons Zürich (I. Strafkammer) am 9. Dezember 1988 ab. Zur Begründung führt es aus, der zu beurteilende Fall biete weder tatsächliche noch rechtliche Schwierigkeiten, denen X. nicht gewachsen sei, wobei letztere weniger in der Qualifikation der zu beurteilenden Handlungen als in der Beweiswürdigung lägen; diesbezüglich sei jedoch zu beachten, dass der zürcherische Strafrichter im Hinblick auf das Anklageprinzip nicht an die Anträge und Vorbringen der Verfahrensbeteiligten gebunden sei. Im Lichte des das zürcherische Strafverfahren beherrschenden Offizialprinzips sowie der Grundsätze der Rechtsanwendung und der freien Beweiswürdigung von Amtes wegen ergäbe sich, dass bei Fällen, welche keine besonderen Schwierigkeiten böten und wo die Höhe der allenfalls auszufällenden Freiheitsstrafe ein Jahr nicht übersteige, die Befürchtung unbegründet erscheine, der nicht durch einen Anwalt vertretene Angeklagte könnte einen Rechtsnachteil erleiden. Gegen den Entscheid des Obergerichts hat X. staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut
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Erwägungen aus folgenden Erwägungen: 4. Der Beschwerdeführer macht im weitern geltend, in Verletzung von Art. 4 BV sei ihm die Bestellung eines amtlichen Verteidigers verweigert worden. Im vorliegenden Fall müssten "knifflige" rechtliche Probleme beantwortet werden und auch in tatsächlicher Hinsicht stellten sich schwierige Fragen. Zwar sei ihm sein Sohn im Strafverfahren bisher behilflich gewesen, was aber wegen dessen beruflicher Stellung künftig nicht mehr der Fall sein könne. Vom Wissen seines Sohnes dürfe auch nicht auf seine eigene BGE 115 Ia 103 S. 105 Verteidigungsfähigkeit geschlossen werden. Auch die obergerichtliche Argumentation, hinreichende Rechtsnachteile entstünden erst, wenn das angedrohte Strafmass eine Freiheitsstrafe von einem Jahr übersteige, widerspreche Art. 4 BV . Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung hat der Angeklagte auf Grund von Art. 4 BV keinen Anspruch auf amtliche Verteidigung, wenn es sich bei der Strafsache um einen Bagatellfall handelt und sie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht keine Schwierigkeiten bietet, denen der Angeklagte nicht gewachsen ist. Unabhängig von den tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten besteht hingegen im allgemeinen schon dann ein Anspruch auf amtliche Verteidigung, wenn der Angeklagte mit einer Strafe zu rechnen hat, für welche wegen ihrer Dauer von mehr als 18 Monaten die Gewährung des bedingten Vollzuges ausgeschlossen ist, oder wenn eine freiheitsentziehende Massnahme von erheblicher Tragweite in Frage steht ( BGE 113 Ia 221 E. 3b, BGE 111 Ia 83 E. 2c mit Hinweisen). Bei einer weiteren Gruppe von als relativ schwer zu bezeichnenden Strafsachen beantwortet das Bundesgericht die Frage der Notwendigkeit der amtlichen Verteidigung aufgrund der Umstände des Einzelfalles. Dabei stellt es auf verschiedene Kriterien ab: neben der Schwere der vom Angeklagten zu gewärtigenden Sanktion zieht es die Schwierigkeit des Straffalles in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht in Betracht; hierfür können etwa die rechtliche Qualifikation einer Tat und die Frage der Täterschaft sowie der Umstand entscheidend sein, ob ein Geständnis vorliegt ( BGE 103 Ia 5 E. 2 mit Hinweisen). Jene Schwierigkeiten sind an den Fähigkeiten des Angeklagten zu messen. Vorweg ist festzuhalten, dass das Obergericht die Aufgabe des Strafverteidigers verkennt und sie auch völlig unterschätzt, wenn es sich darauf beruft, im vorliegenden Strafverfahren seien die Rechtsanwendung und die Beweiswürdigung von Amtes wegen vorzunehmen. Jedenfalls kann mit einem Verweis auf das in Strafverfahren geltende Offizialprinzip nicht argumentiert werden, ein Angeklagter brauche den Beistand eines Anwaltes nicht ( BGE 112 Ia 16 E. b, BGE 95 I 361 E. b; ARTHUR HAEFLIGER, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, 1985, S. 173). Im vorliegenden Fall liegt auch kein sogenannter Bagatellfall vor. Davon kann insbesondere dann nicht mehr die Rede sein, wenn eine Freiheitsstrafe von mehreren Monaten in Betracht kommt (vgl. ARTHUR HAEFLIGER, a.a.O. S. 175). Gegen den Beschwerdeführer ist immerhin eine unbedingte Gefängnisstrafe BGE 115 Ia 103 S. 106 von drei Monaten beantragt. Es handelt sich somit um eine als relativ schwer zu bezeichnende Strafsache. Zudem bilden drei verschiedene Sachverhalte, welche gemäss der Anklageschrift vier verschiedene Vergehenstatbestände betreffen, Gegenstand des Verfahrens. Ferner ergibt sich aus den Akten, dass die vorliegende Strafsache zwar weniger in rechtlicher Hinsicht als vielmehr in tatsächlicher Beziehung nicht geringe Schwierigkeiten bietet. Die drei zur Beurteilung stehenden Sachverhalte sind tatsächlich völlig umstritten. Ausserdem ergibt sich aus den Akten, dass der Beschwerdeführer den sich bietenden Schwierigkeiten, nicht zuletzt auf Grund seiner Persönlichkeitsstruktur, nicht gewachsen ist. Diese Schwierigkeiten vermag auch der Beistand seines Sohnes, selbst wenn dieser auch zukünftig möglich wäre, nicht hinreichend zu beseitigen. Der Beschwerdeführer selbst muss nämlich als Prozesssubjekt zu einer Reihe von Fragen selbständig Stellung nehmen. Aufgrund der Akten zeigt sich, dass er den sich dabei bietenden Schwierigkeiten nicht gewachsen ist. Ausschlaggebend ist in diesem Zusammenhang nicht, ob der Beschwerdeführer dringend psychiatrisch behandelt werden sollte, wie einer der Geschädigten ausführte. Entscheidend ist jedoch, dass der Beschwerdeführer von massgeblichen Amtspersonen im Leumundsbericht als sehr aufbrausend und jähzornig sowie mit querulatorischen Zügen behaftet geschildert wird. Dies trat denn auch im Laufe der Strafuntersuchung zu Tage. So geriet er anlässlich der ersten untersuchungsrichterlichen Einvernahme "ausser Rand und Band" und verliess "wutentbrannt das Zimmer", obschon er den unmittelbar darauf stattfindenden Zeugeneinvernahmen hätte beiwohnen sollen. Sowohl im vorliegenden als auch in einem vorangegangenen Strafverfahren weigerte er sich, zu seiner Person auszusagen und betonte, auch an der gerichtlichen Hauptverhandlung werde er diesbezüglich keine Angaben machen, sei er doch "kein Verbrecher". Diesen Schwierigkeiten vermag auch das strafprozessuale Offizialprinzip nicht bzw. nicht hinreichend zu begegnen. Damit sind aber nach der dargelegten Rechtsprechung des Bundesgerichtes die Voraussetzungen gegeben, dass dem Beschwerdeführer für die betreffende Strafsache ein amtlicher Verteidiger beizugeben ist.
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Sachverhalt ab Seite 39 BGE 106 Ia 38 S. 39 Am 18. Mai 1979 übermittelte das Zollamt St. Gallen dem kantonalen Laboratorium des Kantons St. Gallen im Sinne der Art. 28 und 30 Abs. 1 des Bundesgesetzes betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen (LMG) die Probe ein er Lieferung von 48 Schachteln aromatisierter Radiergummis aus Polyvinylchlorid in der Form von Speiseeis-Lutschstengeln. Die in Hongkong aufgegebene Sendung war für die Frisco-Findus AG in Rorschach bestimmt. Auf Antrag des st. gallischen Kantonschemikers verbot die Sanitätskommission des Kantons St. Gallen am 3. Juli 1979 der Frisco-Findus AG den Vertrieb der importierten Radiergummis "aus Polyvinylchlorid mit Dioctylphtalat als Weichmacher und einigen Farbstoffen sowie einem fruchtigen Aroma". In ihrem Entscheid vertrat die Sanitätskommission des Kantons St. Gallen die Auffassung, sie habe als eine dem Eidgenössischen Departement des Innern unmittelbar unterstellte, lediglich ausführende Behörde gehandelt. Entsprechend erklärte sie in ihrer Rechtsmittelbelehrung, dass gegen ihren Entscheid binnen 30 Tagen beim Eidgenössischen Departement des Innern Beschwerde geführt werden könne. Die Frisco-Findus AG zweifelte daran, ob die von der Sanitätskommission erteilte Rechtsmittelbelehrung richtig sei. Sie erhob deshalb gegen den Entscheid der Sanitätskommission einerseits Rekurs beim Regierungsrat des Kantons St. Gallen und anderseits Beschwerde beim Eidgenössischen Departement des Innern. Dieses erklärte sich mit Schreiben vom 20. Juli 1979 an die Staatskanzlei St. Gallen als zur Behandlung der Beschwerde nicht zuständig. Auch der Regierungsrat des Kantons St. Gallen, dem die Akten in der Folge überwiesen wurden, weigerte sich, das bei ihm eingelegte Rechtsmittel zu behandeln. Mit Eingabe vom 1. August 1979 erhob der Regierungsrat des Kantons St. Gallen gestützt auf Art. 83 lit. a OG beim Bundesgericht gegen das Eidgenössische Departement des Innern staatsrechtliche Klage mit dem Antrag, es sei dieses zur Behandlung der bei ihm anhängig gemachten Beschwerde als zuständig zu bezeichnen.
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Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Sowohl der Regierungsrat des Kantons St. Gallen als auch das Eidgenössische Departement des Innern halten sich BGE 106 Ia 38 S. 40 gegenseitig für die Behandlung des von der Frisco-Findus AG gegen den Entscheid der st. gallischen Sanitätskommission ergriffenen Rechtsmittels für zuständig und weigern sich, das bei ihnen anhängig gemachte Rechtsmittel an die Hand zu nehmen. Es ist somit ein Kompetenzkonflikt zwischen einer Behörde des Bundes und einer solchen eines Kantons im Sinne Von Art. 83 lit. a OG gegeben, so dass auf die vom Regierungsrat des Kantons St. Gallen erhobene staatsrechtliche Klage einzutreten ist. 2. Abzuklären ist im vorliegenden Verfahren, ob das Eidgenössische Departement des Innern in den streitigen Belangen die der st. gallischen Sanitätskommission unmittelbar vorgesetzte Behörde ist, wie das der Regierungsrat behauptet, und deshalb das von der Frisco-Findus AG erhobene Rechtsmittel zu behandeln hat oder ob es den vom kantonalen Recht bezeichneten Behörden obliegt, in der Sache zu entscheiden. Das beurteilt sich ausschliesslich nach den Vorschriften des Bundesrechts, ist doch nach der allgemeinen Kompetenzausscheidungsregel von Art. 3 BV die Zuständigkeit des Bundes nur dort gegeben, wo das Bundesrecht, vorab Verfassung und Gesetz, den Bund für zuständig erklärt. In die gleiche Richtung zielt auch Art. 98 lit. g OG , woraus sich ergibt, dass Entscheide letzter Instanzen der Kantone, die öffentliches Recht des Bundes zum Gegenstand haben, beim Bundesgericht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anzufechten sind und nur dann an eine andere Behörde des Bundes weitergezogen werden können, wenn das Bundesrecht dies so vorsieht. Die vom Regierungsrat angeführten Bestimmungen des kantonalen Verfahrensrechtes sind daher von vornherein nicht geeignet, die Zuständigkeit der Bundesbehörden zu begründen. Die Frage aber, ob die Sanitätskommission nach kantonalem Recht als letzte Instanz entschieden hat oder ob ihr Entscheid auf Grund des kantonalen Rechts beim Regierungsrat angefochten werden kann, kann nicht Gegenstand des vorliegenden Kompetenzkonfliktsverfahrens sein. 3. a) Art. 69bis BV lautet: "Der Bund ist befugt, gesetzliche Bestimmungen zu erlassen: a. über den Verkehr mit Nahrungs- und Genussmitteln; b. über den Verkehr mit andern Gebrauchs- und Verbrauchsgegenständen, soweit solche das Leben oder die Gesundheit gefährden können. BGE 106 Ia 38 S. 41 Die Ausführung der bezüglichen Bestimmungen geschieht durch die Kantone, unter Aufsicht und mit der finanziellen Unterstützung des Bundes. Dagegen liegt die Kontrolle der Einfuhr an der Landesgrenze dem Bunde ob." In Ausführung dieser Verfassungsbestimmung wurde am 8. Dezember 1905 das Bundesgesetz betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen (LMG) erlassen. Dieses Gesetz sagt zunächst in Art. 2, die Beaufsichtigung des Verkehrs mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen finde "im Innern der Kantone und an der Landesgrenze" statt. Die Art. 3-24 enthalten sodann einlässliche Vorschriften über die den Kantonen obliegende Aufsicht. Es wird hier unter anderem vorgeschrieben, dass jeder Kanton für sich allein oder gemeinsam mit anderen Kantonen eine Untersuchungsanstalt (kantonales Laboratorium) einzurichten und zu unterhalten habe (Art. 4). Weitere Bestimmungen regeln die Grundsätze des Verfahrens bei der Entnahme von Proben sowie bei der Beanstandung von Waren und sonstigen Gegenständen (Art. 11-24). Im Gesetz folgt sodann ein Abschnitt über die eidgenössische Aufsicht (Art. 25-35). Nach Art. 28 Abs. 1 kontrollieren die Zollämter auf den schweizerischen Zollstellen und in den schweizerischen Niederlagshäusern die aus dem Ausland eingehenden Waren mit Ausnahme der Transitgüter. Nach Art. 30 haben die Zollämter sodann die Proben, die sie "aus irgendeinem Verdachtsgrund erhoben haben", der vom Kanton des Bestimmungsortes bezeichneten Untersuchungsanstalt zuzuleiten. Diese erstattet der kantonalen Aufsichtsbehörde Bericht, worauf letztere die erforderlichen Massnahmen zu treffen und das endgültige Ergebnis der Untersuchung dem Eidgenössischen Departement des Innern zu melden hat. Art. 56 Abs. 1 LMG bestimmt schliesslich, dass die Ausführung des Gesetzes "mit Ausnahme der Grenzkontrolle" den Kantonen obliege. b) Der Regierungsrat des Kantons St. Gallen legt die erwähnten Bestimmungen der Bundesverfassung und des LMG so aus, dass das Verfahren bei der Kontrolle von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen bei eingeführten Waren von demjenigen bei Waren, die in der Schweiz erzeugt oder in den Verkehr gebracht werden, grundsätzlich verschieden sei, und zwar von der Probenerhebung bis zum rechtskräftigen Erlass einer BGE 106 Ia 38 S. 42 allfälligen Verwaltungsverfügung. Er anerkennt zwar, dass gemäss Art. 30 Abs. 2 LMG die für den Bestimmungsort der Importgüter zuständige kantonale Untersuchungsanstalt die Untersuchung vorzunehmen und deren Ergebnis der kantonalen Aufsichtsbehörde mitzuteilen hat, die ihrerseits die erforderlichen Massnahmen treffen muss. Indessen hält er dafür, dass den genannten kantonalen Stellen in diesem Zusammenhang eine andere Stellung zukomme als bei der Untersuchung sonstiger Waren. Nach Auffassung des Regierungsrates handeln sowohl die Untersuchungsanstalt als auch die kantonale Aufsichtsbehörde bei der Behandlung von Importgütern unter unmittelbarer Aufsicht des Bundes, d.h. als Organe der zuständigen Bundesbehörde. Das bedeute, dass für die Behandlung eines Rechtsmittels gegen Verfügungen der kantonalen Aufsichtsbehörde in solchen Fällen die übergeordnete Bundesbehörde zuständig sei. Der kantonale Rechtsmittelweg sei nur dort gegeben, wo die Lebensmittelkontrolle im Sinne von Art. 3 LMG unter der Aufsicht der kantonalen Regierung erfolge, was bei Importgütern nicht zutreffe. c) Demgegenüber geht der Standpunkt des Eidgenössischen Departementes des Innern dahin, die Art. 69bis BV und Art. 28 LMG enthielten einen Vorbehalt zugunsten der unmittelbaren Bundeskompetenz nur insoweit, als die Zollämter unter gewissen Voraussetzungen Warenproben zu erheben und sie dem zuständigen Kantonschemiker zur Untersuchung zuzustellen hätten. Von diesem Zeitpunkt an unterscheide sich das Verfahren nicht mehr von demjenigen bei der Kontrolle anderer Waren. Es seien die zuständigen kantonalen Behörden, die in beiden Fällen nach den nämlich sachlichen Gesichtspunkten die gebotenen Verfügungen zu treffen hätten. Im übrigen müsse der Importeur, der allein für die Einhaltung der schweizerischen lebensmittelpolizeilichen Vorschriften verantwortlich sei, dieselben Verfahrensgarantien haben wie derjenige, der Inlandware in den Verkehr bringe. Die kantonale Behörde habe insbesondere auch bei der Beanstandung von Importgütern die in Art. 16 LMG vorgesehene Mitteilung an den Betroffenen zu erlassen und ihm Gelegenheit zu geben, Einsprache zu erheben oder eine Oberexpertise zu verlangen. Daraus folge, dass auch der Rechtsmittelweg in solchen Fällen derselbe sein müsse wie bei der Beanstandung von im Inland in den Verkehr gebrachten Waren. BGE 106 Ia 38 S. 43 4. Der Wortlaut von Verfassung und Gesetz gibt keinen eindeutigen Hinweis darauf, wie die hier streitige Zuständigkeitsfrage zu lösen sei. Wenn gemäss Art. 69bis Abs. 3 BV die Kontrolle der Einfuhr an der Landesgrenze dem Bund obliegt, so kann man an sich unter "Kontrolle" bloss die unmittelbare, erste Prüfung der Importgüter durch die Zollorgane Verstehen oder aber auch, wie dies der Auffassung des Regierungsrates des Kantons St. Gallen entspricht, die Lebensmittelkontrolle als Ganzes bis zum rechtskräftigen Verwaltungsentscheid. Da der Ausdruck "Kontrolle" diese beiden Auslegungen zulässt, ergibt sich auch aus Art. 56 Abs. 1 LMG , wonach die Ausführung des Gesetzes "mit Ausnahme der Grenzkontrolle" den Kantonen obliegt, nichts Entscheidendes. Auch der Text der Art. 28 und 30 LMG führt nicht weiter. Es werden hier die Aufgaben der Zollämter einerseits und der kantonalen Laboratorien und Aufsichtsbehörden anderseits näher umschrieben, jedoch lässt sich diesen Bestimmungen nicht entnehmen, ob die kantonalen Stellen in der gleichen Funktion tätig werden wie bei nicht importierter Ware oder ob sie auf Grund einer besonderen, materiell von derjenigen im Sinne von Art. 69bis Abs. 2 BV abweichenden, Kompetenzdelegation zu handeln haben. Der Regierungsrat des Kantons St. Gallen beruft sich für seinen Standpunkt auf den systematischen Aufbau des Gesetzes. Er legt Gewicht darauf, dass einerseits die Art. 3-24 LMG unter dem Titel "A. Kantonale Aufsicht" und anderseits die Art. 25-35, die mit Ausnahme von Art. 25 die Kontrolle eingeführter Waren zum Gegenstand haben, unter dem Titel "B. Eidgenössische Aufsicht" zusammengefasst sind. Es trifft zu, dass diese Systematik des Gesetzes für die Anschauung des Regierungsrates spricht. Immerhin steht demgegenüber fest, dass die an der Grenze erhobenen Proben von den Zollorganen dem zuständigen kantonalen Laboratorium zu übermitteln sind und dass die kantonale Aufsichtsbehörde daraufhin die notwendigen Massnahmen zu treffen hat. Der Schluss, aus dieser Regelung ergebe sich, dass die kantonalen Instanzen im Einzelfalle nur als Organe der zuständigen Bundesbehörde handelten und unmittelbarer Bundesaufsicht unterstünden, drängt sich nicht auf. Eine solche Doppelstellung einer kantonalen Behörde wäre aussergewöhnlich. Die andere Auslegung, nämlich dass sich der Bund einzig die unmittelbare Kontrolle BGE 106 Ia 38 S. 44 an der Grenze vorbehalten habe, schliesst der Gesetzestext jedenfalls nicht aus, zumal in den Art. 28 und 30 LMG nicht davon die Rede ist, dass es die Bundesbehörden seien, die die erforderlichen Untersuchungen vornehmen sollten. Vorgesehen ist zwar eine Kontrolle durch die Zollämter ( Art. 28 Abs. 1 LMG ), d.h. eine "Grenzkontrolle" ( Art. 56 Abs. 1 LMG ), die die von den zuständigen Behörden zu treffenden lebensmittelpolizeilichen Massnahmen sichern soll. Verfügt werden diese Massnahmen aber nach der ausdrücklichen Regelung von Art. 30 Abs. 2 LMG durch die kantonale Aufsichtsbehörde des Bestimmungsortes, ohne dass im Gesetz in dieser Hinsicht ein Vorbehalt zugunsten der Zuständigkeit der Bundesbehörden zu finden wäre. 5. Der Entstehungsgeschichte des LMG lassen sich immerhin Hinweise für die Auslegung des Gesetzes entnehmen. Der bundesrätliche Entwurf vom 28. Februar 1899 (BBl 1899 I 647) sah hinsichtlich der lebensmittelpolizeilichen Behandlung von Importgütern ein System vor, das ungefähr dem später Gesetz gewordenen Text entsprach. Dagegen wandte sich ein vom Bauernsekretariat verfasstes Gutachten des schweizerischen Bauernverbandes, in dem die Organisation der Kontrolle eingeführter Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände, wie sie der Entwurf vorsah, als ungenügend erklärt wurde. Der Bauernverband führte aus, die vorgesehene Organisationsform entspreche nicht der Verfassung ( Art. 69bis Abs. 3 BV ); unter "Kontrolle" habe man nämlich "doch mehr als eine blosse Probenahme und eventuelle Vorprüfung" zu verstehen. Da das Volk durch die Annahme des erwähnten Verfassungsartikels dem Bund die ganze Grenzkontrolle übertragen habe, gehe es nicht an, deren wichtigsten Teil den Kantonen zu überlassen. Der Bund habe vielmehr eigene Untersuchungsanstalten einzurichten, denen die Kontrolle der importierten Waren obliege (Mitteilungen des schweizerischen Bauernsekretariates Nr. 5, Bern 1899, S. 34 ff.). Im Ständerat, der als erster Rat über die Vorlage beriet, nahm der Berichterstatter der Kommission, Ständerat Scherb, sowohl zu dieser Anregung als auch zu der gegenteiligen Auffassung der Comestibles-Händler von Zürich Stellung. Er führte aus, es solle nach der Meinung der Kommission einstweilen von der Errichtung eidgenössischer Laboratorien abgesehen werden, da hiefür kein genügendes Bedürfnis bestehe und die kantonalen Amtsstellen BGE 106 Ia 38 S. 45 den Bedürfnissen zu genügen vermöchten. Ein Dualismus zwischen eidgenössischen und kantonalen Untersuchungsanstalten sei zu vermeiden. "Wir betrachten das System, wonach die Waren, kommen sie woher sie wollen, da untersucht werden, wo sie zum Vertrieb kommen, wo sie konsumiert werden, als ein einfaches, praktisches und leicht durchführbares, ein System, das den freien Handel und Verkehr in keiner Weise stört." Sollte sich später zeigen, dass diese Art der Kontrolle nicht genüge, dann könne das Gesetz immer noch geändert werden (Sten. Bull. 1899, S. 277/278). Demgegenüber schloss sich Ständerat Müller der Auffassung des Bauernsekretariates an und beantragte die Schaffung einer gewissen Zahl von eidgenössischen Grenzlaboratorien (a.a.O., S. 279/280). In der Abstimmung folgte der Ständerat aber in diesem Punkt mit grosser Mehrheit den Anträgen von Bundesrat und Kommission. Der Nationalrat zog den Entwurf zum LMG erst im Jahre 1903 in Beratung. Der Berichterstatter deutscher Sprache, Nationalrat von Steiger, trat im Eintretensreferat hinsichtlich der hier zu erörternden Frage entschieden für die vom Ständerat genehmigte Vorlage des Bundesrates ein (Sten. Bull. 1903, S. 419 f.). Der französischsprachige Berichterstatter, Nationalrat Vincent, beantragte ebenfalls, auf die Vorlage einzutreten, unterschied jedoch deutlich zwischen zwei Arten von Kontrollen, nämlich derjenigen im Landesinnern, die den Kantonen obliege, und derjenigen an der Grenze, die den Organen der eidgenössischen Zentralgewalt zustehe und der die kantonalen Laboratorien unentgeltlich Hilfe zu leisten hätten (a.a.O., S. 433). In der Detailberatung präzisierte Nationalrat von Steiger, der Antrag der Kommission bedeute, dass dann, wenn sich der Verdacht des Zollbeamten auf Grund des Gutachtens des Kantonschemikers bestätige, "wie gegen eine andere, innerhalb des Kantons aufgegriffene und dem Gesetz widersprechende Ware vorgegangen" werde (a.a.O., S. 519). Nationalrat Vincent äusserte sich im gleichen Sinne, und der entsprechende Gesetzesartikel wurde ohne weitere Diskussion angenommen (a.a.O., S. 519/520). Im Differenzenbereinigungsverfahren ergaben sich in diesem Zusammenhang keine neuen Gesichtspunkte. Der parlamentarischen Debatte lässt sich demnach entnehmen, dass beide Räte dem insbesondere von bäuerlicher Seite vorgebrachten Wunsch nach einer Stärkung der Stellung des BGE 106 Ia 38 S. 46 Bundes bei der lebensmittelpolizeilichen Kontrolle eingeführter Ware im wesentlichen nicht entsprechen wollten. In den Voten der Berichterstatter Scherb und von Steiger kommt deutlich das Anliegen zum Ausdruck, dass eingeführte Waren grundsätzlich gleich zu behandeln seien wie die im Inland erzeugten. Die Aufgabe der eidgenössischen Zollorgane blieb im wesentlichen rein technischer Natur und bestand in der Entnahme von Proben an der Grenze unter Einhaltung gewisser, den Rechtsschutz des Importeurs sichernder Formen und die Übermittlung der Proben an das zuständige kantonale Laboratorium. Nationalrat Vincent, der als einziger Redner in seinem Eintretensreferat von zwei verschiedenen Formen der Warenkontrolle sprach, zog aus dieser Auffassung keine Folgerungen, sondern schloss sich in der Detailberatung der Auffassung des deutschsprachigen Kommissionsreferenten an, wonach bei Beanstandungen importierter Waren nach der Zustellung der Proben an den Kantonschemiker gleich zu verfahren sei wie bei inländischen Erzeugnissen. Die Entstehungsgeschichte des LMG spricht somit dafür, dass die eidgenössischen Räte den in Art. 69bis Abs. 3 BV enthaltenen Ausdruck "Kontrolle" bewusst eng ausgelegt und diesem Gedanken bei der Redaktion des Gesetzes Rechnung getragen haben. 6. Das Bundesgericht hatte sich mit der Frage, ob eine kantonale Verfügung betreffend an der Grenze kontrollierte und beanstandete Waren an eine eidgenössische oder an eine kantonale In stanz weitergezogen werden könne, noch nie zu befassen. Indessen finden sich in einem Urteil, in dem es um die Zuständigkeit für den Erlass einer erstinstanzlichen Verfügung über die Zulässigkeit einer Bezeichnung für ein bestimmtes Genussmittel ging, Ausführungen, die auch für den vorliegenden Fall von Bedeutung sind ( BGE 97 I 852 ). Das Bundesgericht hat dort erklärt, es sei zwar richtig, dass die Lebensmittelverordnung (LMV) die Entscheidung bestimmter, einer rechtssatzmässigen Regelung kaum zugänglicher, Einzelfälle dem Bundesamt für Gesundheitswesen übertragen habe, um so eine für die ganze Schweiz einheitliche Ordnung zu erhalten. Das ändere jedoch nichts an der grundsätzlichen Zuständigkeitsordnung, nach der, wie in vielen anderen Gebieten, der Bund zwar die Vorschriften erlasse, die aber grundsätzlich von den kantonalen Instanzen anzuwenden seien. Auch wenn manchmal ein für alle Kantone gültiger Entscheid wünschbar wäre, BGE 106 Ia 38 S. 47 sei dies für die Auslegung des geltenden Rechtes ohne Belang. Die Nachteile der kantonalen Zuständigkeit seien im übrigen tragbar. Die koordinierenden Bestrebungen der Bundesinstanzen und die Bereitschaft der Kantone, eine übereinstimmende Praxis zu befolgen, bewirkten, dass eine Streitfrage dennoch nur in einem Kanton ausgetragen werden müsse. Zudem könne in den meisten Fällen durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein letztinstanzlicher Entscheid des Bundesgerichts erwirkt werden ( BGE 97 I 855 E. 2a und 856 E. 2b). Im angeführten Falle wurde überdies vorgebracht, die Zuständigkeit der Bundesbehörden zum Erlass einer Feststellungsverfügung ergebe sich aus ihrer Kompetenz zur Grenzkontrolle im Sinne von Art. 56 LMG . Das Bundesgericht bemerkte dazu, die Vorinstanz gehe offenbar davon aus, der Ausdruck "Grenzkontrolle" in Art. 56 LMG habe nur die Bedeutung, dass Organisation und Durchführung dieser Kontrolle selbst Sache des Bundes sei, dass aber alle Einzelverfügungen - auch bei importierten Produkten - von den zuständigen kantonalen Behörden zu treffen seien. Diese Auslegung des Gesetzes erscheine als zutreffend ( BGE 97 I 586 E. 2c). Die vom Bundesgericht in anderem Zusammenhang angestellten Erwägungen vermögen die Anschauung des Eidgenössischen Departementes des Innern somit zu unterstützen und decken sich zudem mit den Gesetzesmaterialien. 7. Zu prüfen ist noch, welche Auslegung Sinn und Zweck des Gesetzes eher entspricht. Auszugehen ist dabei davon, dass der Gesetzestext Verfassungskonform auszulegen ist. Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass nicht nur dem die Bundeskompetenzen auf dem Gebiete der Lebensmittelpolizei regelnden Art. 69bis BV , sondern auch dem Gedanken der Rechtsgleichheit Rechnung zu tragen ist, der in Art. 4 BV verankert ist. Die Ausführungen des Regierungsrates des Kantons St. Gallen über die Nachteile, die ein kantonales Rechtsmittelverfahren für die einheitliche Anwendung des Lebensmittelpolizeirechts auf dem ganzen Gebiet der Schweiz zur Folge hätte, überzeugen nicht. Wie das Eidgenössische Departement des Innern zutreffend ausführt, sind nicht die ausländischen Exporteure, sondern die schweizerischen Importeure für die Einhaltung der lebensmittelpolizeilichen Bestimmungen verantwortlich. Sie müssen wissen, ob sie ein Erzeugnis in die Schweiz BGE 106 Ia 38 S. 48 einführen dürfen. Ihre Stellung unterscheidet sich somit nicht grundsätzlich von derjenigen der Hersteller inländischer Erzeugnisse. Eine Verfügung der zuständigen kantonalen Stelle entfaltet in beiden Fällen die nämliche Wirkung. Wie in BGE 97 I 856 E. 2b ausgeführt wurde, besteht ausreichende Gewähr dafür, dass berechtigte Beanstandungen im ganzen Gebiet der Schweiz zur Kenntnis genommen und beachtet werden. Das Eidgenössische Departement des Innern, dem gemäss Art. 30 Abs. 3 LMG alle kantonalen Verfügungen betreffend eingeführte Waren mitzuteilen sind, wird für die Orientierung der übrigen Kantone in allen Fällen von Bedeutung ebenso besorgt sein wie bei Beanstandungen von Inlandgütern, und es wird nötigenfalls auch den Erlass einheitlicher Vollzugsvorschriften veranlassen. Auch unter diesem Gesichtspunkt rechtfertigt es sich somit nicht, die Zuständigkeit des Bundes anzunehmen. Hinzu kommt, dass der letztinstanzliche kantonale Entscheid vom Betroffenen oder von dem in der Sache zuständigen Departement des Bundes mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden kann ( Art. 98 lit. g und Art. 103 OG ). Wo kantonale Behörden als Vorinstanzen öffentliches Recht des Bundes anwenden, tun sie das als kantonale Behörden und auf Grund des massgebenden kantonalen Verfahrensrechtes (GRISEL, Droit administratif suisse, Neuenburg 1970, S. 465 f.). Eine Ordnung, wie sie der st. gallische Regierungsrat für den vorliegenden Fall als gegeben ansieht und bei der die kantonalen Behörden als mittelbare Bundesbehörden handeln sollen, wenn sie Bundesverwaltungsrecht anzuwenden haben, ist systemwidrig. Hätte der Gesetzgeber für die hier in Frage stehenden Belange eine solche aussergewöhnliche Ordnung schaffen wollen, so hätte er sich entsprechend deutlich ausgedrückt. Davon kann aber keine Rede sein, so dass der These des st. gallischen Regierungsrates der Boden entzogen ist. 8. Sowohl die historische als auch die teleologische Auslegung von Verfassung und Gesetz zeigen nach dem Gesagten mit aller Deutlichkeit, dass unter der in Art. 69bis Abs. 3 BV und in Art. 28 Abs. 1 sowie in Art. 56 Abs. 1 LMG erwähnten Kontrolle bzw. Grenzkontrolle die Sicherstellung verdächtiger Ware und die Entnahme von Warenproben zu verstehen ist. Zuständig für die Prüfung der Ware und die zu treffenden Massnahmen sind bei Importgütern die Behörden des Bestimmungskantons BGE 106 Ia 38 S. 49 der Sendung, und zwar in gleicher Weise wie bei im Inland hergestellten Erzeugnissen, denn diese Tätigkeit fällt nicht unter den Begriff der "Kontrolle" im Sinne der erwähnten Bestimmungen, sondern gehört zu den den Kantonen gemäss der Gesetzgebung des Bundes obliegenden allgemeinen lebensmittelpolizeilichen Aufgaben. Verhält es sich aber so, dann ist die staatsrechtliche Klage des Regierungsrates des Kantons St. Gallen abzuweisen.
4,470
3,601
Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die staatsrechtliche Klage wird abgewiesen und der Regierungsrat des Kantons St. Gallen unter Vorbehalt des kantonalen Rechts als zur Behandlung des von der Frisco-Findus AG gegen die Verfügung der Sanitätskommission des Kantons St. Gallen vom 3. Juli 1979 erhobenen Rechtsmittels als zuständig erklärt.
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Sachverhalt ab Seite 571 BGE 125 II 569 S. 571 Par note verbale du 9 mars 1999, l'Ambassade d'Italie à Berne a demandé l'extradition de Marcello Ghiringhelli, ressortissant italien placé en détention extraditionnelle à La Chaux-de-Fonds. La demande, fondée sur l'art. 16 de la Convention européenne d'extradition, conclue à Paris le 13 décembre 1957, entrée en vigueur le 4 novembre 1963 pour l'Italie et le 20 mars 1967 pour la Suisse (CEExtr.; RS 0.353.1), était présentée pour l'exécution d'une peine de réclusion à vie et d'une amende de 4'000'000 LIT, prononcées contre Ghiringhelli selon les jugements rendus le 3 juillet 1985 par la Cour d'assises d'appel de Turin, le 28 novembre 1985 par la Cour d'assises d'appel de Milan et le 3 juin 1986 par la Cour d'assises de Naples. A la demande étaient joints un ordre d'exécution des peines, daté du 5 février 1999, un exposé des faits, ainsi qu'une copie des jugements de condamnation et des dispositions pénales visées. Ghiringhelli a été reconnu coupable d'actes tendant à la subversion de l'Etat, ainsi que d'homicides, de délits patrimoniaux et administratifs, tous liés à sa participation aux activités de l'organisation communément désignée sous le nom des Brigades rouges. Le 10 août 1999, l'Office fédéral de la police (ci-après: l'Office fédéral) a accordé l'extradition de Ghiringhelli à la République italienne. Saisi d'un recours de droit administratif formé par Ghiringhelli contre cette décision, le Tribunal fédéral a accordé l'extradition pour tous les délits visés dans la demande du 9 mars 1999.
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283
Erwägungen Extraits des considérants: 5. Dans un deuxième moyen tiré de la double incrimination, le recourant soutient que cette condition ne serait pas remplie pour ce qui concerne les délits réprimés par les art. 276ss CP it. a) Le Titre premier du Livre Deuxième du Code pénal italien réprime les délits contre l'Etat ("Delitti contro la personalità dello Stato"). Ce Titre premier est lui-même divisé en cinq Chapitres, traitant des délits contre l'Etat dans ses rapports internationaux (Chapitre I, "Delitti contro la personalità internazionale dello Stato", art. 241-275 CP it.); des délits contre l'Etat et ses organes (Chapitre II, "Delitti contro la personalità interna dello Stato", art. 276-293 CP it.); des délits commis contre les droits politiques des citoyens (Chapitre III, art. 294 CP it.) et des délits commis contre les Etats étrangers, leurs chefs et leurs représentants (Chapitre IV, art. 295-300 CP it.). Quant au Chapitre V, il contient des dispositions générales et communes aux quatre chapitres précédents ( art. 301-313 CP it.). BGE 125 II 569 S. 572 b) En application des dispositions régies par le Chapitre II du Titre Premier du Livre Deuxième du Code pénal italien, le recourant a été reconnu coupable de formation d'une bande armée ( art. 306 CP it., mis en relation avec l' art. 302 CP it.), poursuivant des buts subversifs, par quoi on entend, selon l' art. 270 CP it., l'utilisation de la violence en vue d'établir la dictature d'une classe sur une autre, ou de supprimer une classe sociale, ou encore de renverser par la violence l'ordre économique et social de l'Etat (jugements des 3 juillet et 28 novembre 1985). Le jugement du 3 juillet 1985 (mais non celui du 28 novembre 1985) a reconnu, dans le même contexte, le recourant coupable de constitution d'une association ayant pour but d'accomplir des actes de violence en vue du renversement de l'ordre démocratique ( art. 270bis CP it.). Le délit visé à l' art. 270 CP it. représente une forme spéciale du délit plus général de l' art. 270bis CP it., le premier étant tenu pour réalisé, en relation avec l' art. 306 CP it., dès la constitution de la bande armée (GIORGIO LATTANZI, Codice penale annotato, Milan, 1995, N. 5 ad art. 270, p. 635; GIUSEPPE ZUCCALÀ (ed), Commentario breve al Codice penale, 4ème éd., Padoue, 1996, N. IX ad art. 270, N. VIII/1 ad art. 270bis, N. XVI ad art. 306). Au cours d'une période allant de la fin des années 1970 au début des années 1980, les Brigades rouges se sont formées en Italie comme une organisation structurée, hiérarchisée et compartimentée, poursuivant l'objectif de déclencher un mouvement révolutionnaire destiné à détruire les institutions de la République italienne et à remplacer celles-ci par la "dictature du prolétariat". Les Brigades rouges concevaient leur rôle comme celui d'une avant-garde ayant pour mission de préparer le terrain à la révolution, d'un point de vue logistique et opérationnel, et de créer, par la commission d'attentats perpétrés contre les agents et les représentants de l'Etat, un climat de terreur pré-insurrectionnel. En tant que membre du noyau dirigeant des "colonnes" milanaise et turinoise des Brigades rouges, le recourant a participé, selon les jugements des 3 juillet et 28 novembre 1985, aux délits commis entre 1978 et 1982 par ces groupes, tant pour ce qui concerne la logistique (constitution d'arsenaux d'armes, de munitions et d'explosifs; fabrication de fausses pièces d'identité, de fausses plaques minéralogiques et de faux papiers), les opérations (homicides, agressions, brigandages), que l'organisation (recrutement de nouveaux membres, propagande, revendications). A aucun moment le recourant n'a contesté avoir joué un rôle de premier plan dans les "colonnes" milanaise et turinoise des Brigades BGE 125 II 569 S. 573 rouges; il ne s'est pas dissocié de cette organisation, ni ne s'est repenti d'y avoir pris part. Si, sous cet aspect particulier, les faits mis à la charge du recourant selon les jugements des 3 juillet et 28 novembre 1985, avaient été commis en Suisse dans un contexte et des circonstances semblables, ils auraient pu tomber sous le coup de l' art. 275ter CP . Cette disposition, rangée dans le Titre treizième de ce Code, relatif aux crimes ou délits contre l'Etat et la défense nationale, réprime la constitution de groupements illicites visant à commettre des actes visés par les art. 265, 266, 266bis CP , 271 à 274, 275 et 275bis CP, ainsi que le fait d'avoir adhéré à un tel groupement, de s'y être associé ou de s'être conformé à ses instructions. En l'occurrence, le fait de former une organisation armée, clandestine et violente, avec l'objectif de renverser les institutions étatiques, serait passible en Suisse des peines prévues par l' art. 275ter CP , mis en relation avec les art. 265 et 275 CP , réprimant la haute trahison et la mise en danger de l'ordre constitutionnel, y compris les actes préparatoires (cf. ATF 98 IV 124 consid. 9 et 10, p. 126 à 131; STEFAN TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, 2ème éd., Zurich, 1997, N. 1 et 2 ad Art. 275ter; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II, 4ème éd., Berne, 1995, par. 41 à 45; PIERRE-PHILIPPE JACCARD, La mise en danger de l'ordre constitutionnel en droit pénal suisse, thèse Lausanne, 1983, p. 63ss). La condition de la double incrimination est remplie sous cet angle, sans qu'il soit de surcroît nécessaire d'approfondir le point de savoir ce qu'il en est au regard de l' art. 260ter CP retenu dans la décision attaquée. c) Les jugements du 3 juillet 1985 (chef d'accusation A) et du 28 novembre 1985 (chef d'accusation no1) ont reconnu le recourant coupable de formation d'une bande armée ( art. 306 CP it.), formée en vue de renverser l'Etat ( art. 270 et 270bis CP it.), de commettre des attentats à des fins de terrorisme ou de subversion ( art. 280 CP it.), de fomenter une insurrection armée contre les pouvoirs de l'Etat ( art. 284 CP it.) et de déclencher la guerre civile ( art. 286 CP it.). L'élément objectif déterminant l'application de ces normes est celui du recours à l'attentat comme moyen d'atteindre le but visé, soit la propagation de la terreur et la subversion de l'Etat (LATTANZI, op.cit., ad art. 280, p. 645; N. 2 ad art. 280, p. 647; ZUCCALÀ, op.cit., N. II ad art. 280; sur le concours de ces différentes normes, cf. ZUCCALÀ, N. III ad art. 284; N. IV ad art. 285). Le jugement du 3 juillet 1985 retient notamment à la charge du recourant, dans le cadre de ses activités de dirigeant de la colonne BGE 125 II 569 S. 574 turinoise des Brigades rouges, sa participation à la préparation et à l'exécution de l'attaque du péage de Brandizzo, ainsi qu'à la préparation et à l'exécution de l'attaque d'une banque de Turin. Quant au jugement du 28 novembre 1985, il retient à la charge du recourant, dans le cadre de ses activités de dirigeant de la colonne milanaise des Brigades rouges, sa participation à la tentative d'attaque contre la prison de San Vittore. Des explosifs avaient été introduits dans cet établissement pénitentiaire dont l'assaut, préparé comme un "acte de guerre", était destiné, outre à libérer des militants détenus, à provoquer un véritable bain de sang. L'opération, à l'égard de laquelle le recourant avait d'ailleurs émis certaines réserves, a en fin de compte échoué. Le recourant a aussi participé à la mise au point du projet d'attaque de la prison de Fossombrone. Le jugement de condamnation du 28 novembre 1985 retient également que le recourant a été trouvé en possession des armes ayant servi au meurtre de Manfredo Mazzanti et de Luigi Marangoni. Les art. 270, 270bis, 280, 284 et 286 CP it., combinés avec les art. 306 et 302 CP it., répriment des comportements qui pourraient tomber sous le coup de l' art. 275ter CP . En outre, les faits retenus contre le recourant dans ce contexte pourraient être assimilés, s'ils avaient été commis en Suisse dans des circonstances analogues, aux chefs visés par l' art. 260ter CP , mis en relation avec les art. 111, 183 et 185 CP , ainsi qu'à celui visé par l' art. 260bis CP pour ce qui concerne les actes préparatoires et l'instigation à commettre ces délits (cf. dans le même sens l'arrêt non publié D. du 15 février 1990, connu du mandataire du recourant, consid. 5a). d) Selon le jugement du 3 juin 1986, le recourant a été reconnu coupable du chef de massacre ( art. 422 CP it., "strage"; chef d'accusation no88), commis en vue d'attenter à la sécurité de l'Etat, infraction spéciale visée à l' art. 285 CP it. Selon la jurisprudence italienne, constitue notamment un tel délit l'attaque à main armée d'une caserne militaire ou l'explosion d'un véhicule dans lequel se trouvait un juge chargé de la lutte contre la criminalité organisée, attentat ayant entraîné la mort de ce magistrat, de plusieurs membres de sa garde et de passants (LATTANZI, op.cit., ad art. 285). En l'occurrence, le recourant se serait rendu coupable de tels faits en raison de sa participation à l'attaque à main armée d'un convoi militaire à Salerne, le 26 août 1982, au cours de laquelle sept personnes ont perdu la vie. Le droit suisse ne connaît pas de normes identiques à celles des art. 285 et 422 CP it. Ce nonobstant, une attaque semblable à celle BGE 125 II 569 S. 575 de Salerne aurait pu tomber sous le coup de l' art. 275ter CP , voire de l' art. 260ter CP (cf. arrêt D., précité, consid. 5a). e) La condition de la double incrimination est ainsi remplie s'agissant des délits visés par les art. 270, 270bis, 280, 284, 285 et 286 CP it., mis en relation avec les art. 302, 306 et 422 de la même loi (cf. arrêt D., précité, consid. 5a). 6. Il reste à examiner si la condition de la double incrimination est réalisée pour les autres chefs visés dans la demande et cela malgré le fait que le recourant ne critique pas la décision attaquée sous cet angle. En effet, contrairement à ce qui prévaut dans le domaine de l'entraide judiciaire, la condition de la double incrimination doit être remplie pour chacune des infractions faisant l'objet de la demande d'extradition ( ATF 87 I 195 consid. 2 p. 200). a) Cette exigence est manifestement remplie pour les délits consistant à établir de fausses pièces d'identité, de faux permis de conduire et de circulation, de fausses plaques minéralogiques, au regard de l' art. 252 CP et, subsidiairement, de l' art. 97 LCR (chefs no197 et 198 retenus par le jugement du 28 novembre 1985; chefs no80 et 89 retenus par le jugement du 3 juin 1986). Le fait de dérober un document d'identité, puis de le modifier pour en faire usage (chefs no197 et 198 retenus par le jugement du 28 novembre 1985), constitue, en droit italien, un délit spécial d'usurpation d'identité; il tomberait en Suisse sous le coup de l'usage de faux certificats au sens de l' art. 252 al. 2 CP . De même, les délits visés aux art. 624 CP it. ("furto", avec les circonstances aggravantes de l' art. 625 CP it.; chef no78 retenu par le jugement du 3 juin 1986) ; 628 CP it. ("rapina"; chefs C et C3 retenu par le jugement du 3 juillet 1985; chefs no79 et 82 retenus par le jugement du 3 juin 1986) ; 610 CP it. ("violenza privata"; chef no81 retenu par le jugement du 3 juin 1986) ; 575 CP it. ("omicidio"; chef C2 retenu par le jugement du 3 juillet 1985 et chef no83 retenu par le jugement du 3 juin 1986; cf. arrêt D., précité, consid. 5a) ; 575 CP it., mis en relation avec les art. 577 et 61 al. 4 CP it. ("omicidio aggravato"; chef no84 retenu par le jugement du 3 juin 1986; cf. l'arrêt D., précité, consid. 5a) et 635 CP it. ("danneggiamento"; chef no86 retenu par le jugement du 3 juin 1986), trouvent leur équivalent aux art. 139 CP (vol), 140 CP (brigandage), 181 CP (contrainte), 111 CP (homicide), 112 CP (assassinat) et 144 CP (dommages à la propriété). b) Jusqu'à récemment, la détention et le port d'armes sans autorisation étaient réprimés en Suisse par des contraventions; ces infractions ne donnaient pas lieu, en tant que tels, à l'extradition, à moins BGE 125 II 569 S. 576 qu'elles n'aient représenté un élément constitutif objectif d'une autre infraction (cf. par exemple l'arrêt D., précité, consid. 5b) ou une circonstance aggravante d'une autre infraction (cf. ATF 101 Ia 416 consid. 3d p. 423 et l'arrêt L. du 25 février 1991 consid. 5). La situation a changé depuis l'entrée en vigueur, le 1er janvier 1999, de la loi fédérale sur les armes, les accessoires d'armes et les munitions, du 20 juin 1997 (LArm; RS 514.54). Cette loi a pour but de lutter contre l'utilisation abusive d'armes, d'accessoires d'armes et de munitions ( art. 1 al. 1 LArm ) et régit l'acquisition, l'importation, l'exportation, le transit, la conservation, le port, le transport, le courtage, la fabrication et le commerce d'armes, d'éléments essentiels d'armes, d'accessoires d'armes, de munitions et d'éléments de munitions ( art. 1 al. 2 LArm ). L'acquisition d'armes est soumise à autorisation ( art. 8ss LArm ). L' art. 5 al. 1 let. a LArm prohibe l'acquisition et le port des armes - parmi lesquels on range les armes à feu à épauler ou de poing ( art. 4 al. 1 let. a LArm ) - et spécialement des armes à feu automatiques et des armes à feu automatiques transformées en armes à feu à épauler ou de poing semi-automatiques. Seules les personnes remplissant les conditions d'octroi de l'autorisation de l'acquisition d'armes peuvent acquérir des munitions ( art. 15 et 16 LArm ). Le port d'armes en public est soumis à autorisation ( art. 27 LArm ). Celui qui, sans droit, acquiert ou porte intentionnellement des armes, des éléments essentiels d'armes, des accessoires d'armes, des munitions ou des éléments de munitions, est passible de l'emprisonnement ou de l'amende ( art. 33 al. 1 let. a LArm ). L'emprisonnement pouvant aller jusqu'à trois ans ( art. 36 CP ), la durée minimale de la peine privative de liberté comme condition de la double incrimination ( art. 2 al. 1 CEExtr .; RS 0.351.1) est remplie. En l'espèce, le recourant a été reconnu coupable de détention et de port illicite de revolvers, de pistolets, de fusils automatiques, de fusils mitrailleurs, de mitraillettes, ainsi que de la munition nécessaire pour l'utilisation de ces armes (chefs B2, C4 et D4 retenus par le jugement du 3 juillet 1985; chefs no101 et 102 retenus par le jugement du 28 novembre 1985; chef no87 retenu par le jugement du 3 juin 1986). Commis en Suisse, ces faits tomberaient sous le coup de l' art. 33 al. 1 let. a LArm . et donneraient lieu à l'extradition sous cet angle. A titre subsidiaire, on pourrait se demander si la constitution d'arsenaux d'armes et de munitions ne devrait pas être aussi tenue pour un acte préparatoire à la commission du délit visé par l' art. 275ter CP ou pour un acte préparatoire réprimé spécialement BGE 125 II 569 S. 577 par l' art. 260bis CP (cf. TRECHSEL, op.cit., N. 2 et 13 ad art. 260bis; STRATENWERTH, op.cit., par. 40, N. 8; cf. aussi l'arrêt non publié N. du 7 mars 1990 consid. 3a/aa). c) La condition de la double incrimination est ainsi remplie pour tous les délits dont le recourant a été reconnu coupable selon les jugements de condamnation des 3 juillet 1985, 28 novembre 1985 et 3 juin 1986 visés dans la demande du 9 mars 1999. 9. Le recourant ne s'est pas prévalu de l' art. 3 CEExtr . excluant l'extradition lorsque l'infraction est de caractère politique. C'est la raison pour laquelle l'Office fédéral a statué lui-même sur l'ensemble des griefs qui lui étaient soumis et n'a pas directement transmis la cause au Tribunal fédéral selon l'art. 55 al. 2 de la loi fédérale du 20 mars 1981 sur l'entraide internationale en matière pénale (EIMP; RS 351.1), se bornant à affirmer, sans autre examen, que les faits visés dans la demande ne pouvaient être considérés comme des infractions politiques. Ce nonobstant et compte tenu du caractère particulier du délit politique, il se justifie de déroger à la règle et de vérifier d'office si ce motif s'oppose à l'extradition. a) Aux termes de l' art. 3 al. 1 CEExtr ., l'extradition ne sera pas accordée si l'infraction pour laquelle elle est demandée est considérée par l'Etat requis comme une infraction politique ou comme un fait connexe à une telle infraction (cf. aussi l' art. 3 al. 1 EIMP , de portée analogue). L'application de l' art. 3 CEExtr . n'affecte pas les obligations contractées par les Etats parties aux termes de toute autre convention internationale de caractère multilatéral ( art. 3 al. 4 CEExtr .). Entre dans cette catégorie la Convention européenne pour la répression du terrorisme, conclue à Strasbourg le 27 janvier 1977 et entrée en vigueur pour la Suisse le 20 août 1983 et le 1er juin 1986 pour l'Italie (CERT; RS 0.353.3), dont l'art. 3 précise que, pour ce qui concerne les relations extraditionnelles entre les Etats parties à cette Convention, les autres traités et accords liant ces Etats, y compris la CEExtr., sont modifiés dans la mesure où leurs dispositions sont incompatibles avec la CERT. Il n'y a pas lieu en revanche de prendre en considération le Premier Protocole additionnel à la CEExtr., conclu à Strasbourg le 15 octobre 1975 (RS 0.353.11), dont l'art. 1er précise la portée du délit politique, car, à la différence de la Suisse, la République italienne n'a pas ratifié ce Protocole (cf. consid. 1a ci-dessus). b) Ni la CEExtr., ni la CERT ne définissant la notion de délit politique, les Etats parties disposent à cet égard d'un large pouvoir d'appréciation ( ATF 115 Ib 68 consid. 5 p. 84). Le Tribunal fédéral BGE 125 II 569 S. 578 examine librement le caractère politique de l'infraction, notamment pour déterminer si les circonstances de l'infraction peuvent être considérées comme établies ( ATF 108 Ib 408 consid. 7b p. 410; ATF 106 Ib 297 consid. 4 et 4a in initio p. 302). Selon la jurisprudence, constitue un délit politique absolu celui qui est dirigé exclusivement contre l'organisation sociale et politique de l'Etat (ATF ATF 115 Ib 68 consid. 5a p. 85; ATF 113 Ib 175 consid. 6a p. 179; ATF 109 Ib 64 consid. 6a p. 71), ce but devant en outre faire partie des éléments constitutifs de l'infraction ( ATF 110 Ib 280 consid. 6c p. 285; ATF 109 Ib 64 consid. 6a p. 71). Sont typiquement considérés comme des délits politiques absolus les mesures visant au renversement de l'Etat, telles que la sédition, le coup d'Etat et la haute trahison (cf. CLAUDE ROUILLER, L'évolution du concept de délit politique en droit de l'entraide internationale en matière pénale, RPS 104/1986 p. 24ss, 27). Constitue un délit politique relatif l'infraction de droit commun qui revêt néanmoins un caractère politique prépondérant, compte tenu de la nature des circonstances, des mobiles et des buts qui ont déterminé l'auteur à agir ( ATF 101 Ia 60 consid. 5b p. 64/65, 416 consid. 6b p. 425/426; ATF 95 I 462 consid. 7 p. 469/470, et les arrêts cités). Le délit politique relatif, inspiré par la passion politique, doit toujours avoir été commis dans le cadre d'une lutte pour ou contre le pouvoir et se situer en rapport de connexité étroit et direct, clair et net, avec l'objet de cette lutte ( ATF 115 Ib 68 consid. 5b p. 85; ATF 113 Ib 175 consid. 6b p. 179/180; ATF 110 Ib 82 consid. 4b/aa p. 85, et les arrêts cités). Il faut en outre que le mal causé soit proportionné à l'objectif politique poursuivi et que les intérêts en cause soient suffisamment importants, sinon pour justifier, du moins pour excuser, dans une certaine mesure, le délit ( ATF 110 Ib 280 consid. 6d p. 285; ATF 109 Ib 64 consid. 6a p. 71; ATF 108 Ib 408 consid. 7b p. 410). Par fait connexe à une infraction politique, on entend l'acte punissable selon le droit commun, mais qui bénéficie aussi d'une certaine immunité parce qu'il a été accompli parallèlement à un délit politique, généralement pour préparer, faciliter, assurer ou masquer la commission de celui-ci, voire en procurer ultérieurement l'immunité ( ATF 113 Ib 175 consid. 6b p. 180 et ATF 78 I 39 consid. 5 p. 50; cf. en outre les références jurisprudentielles et doctrinales citées par Robert Zimmermann, La coopération judiciaire internationale en matière pénale, Berne, 1999, no380-393). c) La CERT n'est pas un traité d'extradition fondant une obligation d'extrader à la charge de l'Etat requis; elle constitue seulement un instrument destiné à faciliter l'extradition demandée en application BGE 125 II 569 S. 579 d'un autre traité (ILSE LACOSTE, Die Europäische Terrorismus-Konvention, thèse Zurich, 1982, p. 69/70; TORSTEN STEIN, Die Europäische Konvention zur Bekämpfung des Terrorismus, ZaöRV 1977 p. 668ss, 669; Message du 24 mars 1982, FF 1982 II 1ss, 7). A teneur de l' art. 1er CERT , pour les besoins de l'extradition entre les Etats parties à cette Convention, ne sont pas considérés comme une infraction politique, comme une infraction connexe à une infraction politique ou comme une infraction inspirée par des motifs politiques, les infractions comprises dans le champ d'application de la Convention pour la répression de la capture illicite d'aéronefs, du 16 décembre 1970 (let. a); les infractions comprises dans le champ d'application de la Convention pour la répression d'actes illicites dirigés contre la sécurité de l'aviation civile, du 23 septembre 1971 (let. b); les infractions constituées par une attaque contre la vie, l'intégrité corporelle ou la liberté des personnes ayant droit à une protection internationale, y compris les agents diplomatiques (let. c); les infractions comportant l'enlèvement, la prise d'otages ou la séquestration arbitraire (let. d); les infractions comportant l'utilisation de bombes, grenades, fusées, armes à feu automatiques, ou de lettres ou de colis piégés dans la mesure où cette utilisation présente un danger pour des personnes (let. e); la tentative de commettre une de ces infractions ou la participation en tant que coauteur ou complice d'une personne qui commet ou tente de commettre une telle infraction (let. f). L' art. 2 CERT confère en outre aux Etats contractants la faculté de ne pas considérer comme infraction politique, comme infraction connexe à une telle infraction ou comme infraction inspirée par des mobiles politiques, tout acte grave de violence qui n'est pas visé par l' art. 1 CERT et qui est dirigé contre la vie, l'intégrité corporelle ou la liberté des personnes (al. 1); il peut en aller de même pour ce qui concerne tout acte grave contre les biens, autres que ceux visés à l' art. 1er CERT , lorsqu'il a créé un danger collectif pour des personnes (al. 2). La CERT vise ainsi à réduire le champ d'application du délit politique comme exception à l'extradition. Dans le système de la CERT, celle-ci doit être accordée, malgré le fait que les auteurs sont guidés par des motifs politiques, lorsque leurs crimes sont suffisamment graves pour exclure toute indulgence à raison de leur caractère politique prépondérant (GHISLAINE FRAYSSE-DUESNE, La Convention européenne pour la répression du terrorisme, RGDIP 1978 p. 969ss, p. 994-997; Message précité, p. 4). Cependant, afin de prévenir tout risque d'affaiblissement de la protection accordée à ceux qui recourent à la violence BGE 125 II 569 S. 580 pour des motifs légitimes - par exemple pour renverser un régime tyrannique et établir la démocratie - seuls les Etats membres du Conseil de l'Europe sont admis à la ratification de la CERT ( art. 11 al. 1 CERT ). Le caractère "fermé" de la Convention tend à garantir que les effets de l'entorse à l'exception du délit politique soient limités entre les Etats partageant une même conception de la démocratie et des droits fondamentaux, tels que définis notamment par la CEDH (STEIN, op.cit., p. 670). En outre, conformément à l' art. 5 CERT , l'Etat requis peut, sans violer cette Convention, refuser l'extradition s'il a des raisons sérieuses de croire que la demande présentée pour les besoins de la répression d'un acte visé aux art. 1er et 2 CERT l'a été aux fins de poursuivre ou de punir le fugitif notamment à raison de ses opinions politiques ( art. 5 CERT ). L'Etat qui n'extrade pas soumet l'affaire à ses propres juridictions, en application de la maxime "aut dedere, aut judicare" ( art. 7 CERT ). Enfin, l' art. 13 al. 1 CERT autorise les Etats contractants à se réserver le droit de refuser l'extradition en ce qui concerne toute infraction énumérée à l' art. 1er CERT qu'ils considèrent comme une infraction politique, comme une infraction connexe à une infraction politique ou comme une infraction inspirée par des mobiles politiques, à condition qu'ils s'engagent à prendre dûment en considération, lors de l'évaluation du caractère de l'infraction, son caractère de particulière gravité, y compris qu'elle a créé un danger collectif pour la vie, l'intégrité corporelle ou la liberté des personnes (let. a) ou bien qu'elle a atteint des personnes étrangères aux mobiles qui l'ont inspirée (let. b) ou bien que des moyens cruels ou perfides ont été utilisés pour sa réalisation (let. c). La Suisse - comme la République italienne - a fait usage de cette faculté et émis une réserve reprenant littéralement la formule énoncée à l' art. 13 al. 1 CERT . d) En l'espèce, s'il fallait considérer les faits visés dans la demande comme des délits politiques, pourrait trouver à s'appliquer l' art. 1er let . e CERT, interprété à la lumière de la réserve faite selon l' art. 13 CERT . Comme cela ressort de son texte clair, l' art. 1er let . e CERT exclut l'exception liée au délit politique notamment lorsque l'auteur a fait usage d'armes à feu automatiques, au motif que ces armes, pouvant servir à tuer indistinctement, doivent être assimilées à des explosifs. A contrario, l' art. 1er let . e CERT ne s'applique pas lorsque l'auteur a utilisé une arme blanche ou une arme à feu tirant coup par coup (LACOSTE, op.cit., p. 107; FRAYSSE-DUESNE, op.cit., p. 995). Selon les jugements attaqués, des armes à feu automatiques ont été utilisées lors des attaques de Brandizzo, de Turin et de Salerne, BGE 125 II 569 S. 581 au cours desquelles neuf personnes ont trouvé la mort. Cela suffit pour exclure toute possibilité de qualifier de politiques (absolus, relatifs ou connexes) les homicides dont le recourant a été reconnu coupable dans l'Etat requérant, en relation avec ces attentats. A cela s'ajoute que le fait de tuer et de blesser délibérément des agents de sécurité, des policiers, des soldats et des passants, afin de semer la terreur dans la population, doit être tenu pour cruel et perfide au sens de l' art. 13 al. 1 let . c CERT, ce qui exclut de leur accorder la protection due au délit politique sous cet aspect (cf. ATF 110 Ib 280 consid. 6d p. 286, où la CERT n'a pas été appliquée car elle n'était pas en vigueur à l'époque pour l'Irlande, Etat requérant; cf. aussi, s'agissant de l'assassinat par les Brigades rouges d'un Sénateur de la République italienne, l'arrêt D., précité, consid. 7 et 8). e) Il reste à examiner ce qu'il en est des délits dirigés contre l'Etat lui-même, soit en l'espèce ceux désignés aux art. 276ss CP it. ("delitti contro la personalità interna dello Stato"). A ce titre, le recourant a été reconnu coupable de constitution d'une bande armée ( art. 306 CP it., mis en relation avec l' art. 302 CP it.) formée en vue de constituer une association subversive ( art. 270 CP it.), de constituer une association à but terroriste et subversif ( art. 270bis CP it.), de commettre des attentats à buts terroristes ou subversifs ( art. 280 CP it.), de déclencher une insurrection armée contre les pouvoirs de l'Etat ( art. 284 al. 2 CP it.), de provoquer des massacres en vue d'attenter à la sécurité de l'Etat ( art. 285 CP it.) et de propager la guerre civile ( art. 286 CP it.). aa) Est passible des peines prévues par l' art. 270 CP it., celui qui promeut, constitue, organise ou dirige une association ayant pour but d'établir, par la violence, la dictature d'une classe sur les autres, à supprimer violemment une classe sociale, ou à subvertir l'Etat par la violence. Quant à l' art. 270bis CP it., il punit le fait de promouvoir, de constituer, d'organiser ou de diriger une association se proposant de commettre des actes de violence aux fins de renverser l'ordre démocratique. Dans un cas comme dans l'autre, ces normes répriment, comme tels, des actes préparatoires à l'action révolutionnaire, indépendamment de tout acte de violence accompli. Ces délits sont réalisés dès l'instant où se constitue l'association qui poursuit un tel but. Les art. 270 et 270bis CP it. réprimant la seule mise en danger (abstraite) de l'Etat, les faits reprochés à ce titre au recourant n'entrent pas dans le champ d'application de l' art. 3 al. 1 CEExtr ., ni dans celui de la CERT; partant, ils doivent être considérés comme des délits politiques absolus ne donnant pas lieu à extradition BGE 125 II 569 S. 582 (cf., dans le même sens, l'arrêt D., précité, consid. 10a, se fondant sur les ATF 101 Ia 592 ch. 2 du dispositif, p. 601/602, 602 let. b du dispositif, p. 610). bb) Comme les art. 270 et 270bis CP , les art. 280, 284, 285 et 286 CP it., combinés avec les art. 306 et 302 CP it., visent aussi à protéger l'Etat dans son existence même, à cette différence près que la deuxième catégorie de ces normes présuppose le passage à l'acte, soit le fait d'attenter à la vie des personnes ( art. 280 CP it.), de participer à une insurrection ( art. 284 al. 2 CP it.), de commettre un fait propre à provoquer un massacre ( art. 285 CP it.) ou à propager la guerre civile ( art. 286 CP it.). Ces derniers délits - à la différence de ceux visés par les art. 270 et 270bis CP it. - ne constituent pas des délits de mise en danger et ne se résument pas à de simples actes préparatoires: pour qu'ils soient consommés, il faut que l'auteur soit concrètement passé à l'action. En l'espèce, le recourant a participé, en tant qu'organisateur placé à un niveau élevé de la hiérarchie des colonnes milanaise et turinoise des Brigades rouges, à la préparation et à la commission d'actes délictueux, portant atteinte à la vie et à la sécurité des personnes, réalisant du même coup les éléments objectifs constitutifs des délits visés par les art. 280, 284, 285 et 286 CP it., pour ce qui concerne notamment les attentats de Brandizzo, de Turin et de Salerne. Les auteurs de ces actes graves de violence, dirigés contre la vie, l'intégrité corporelle et la liberté des personnes, ont usé de moyens disproportionnés incluant l'homicide de sang-froid d'agents subalternes de l'Etat dans un but de terreur (cf. aussi consid. 9d ci-dessus). Cela commande de faire en l'occurrence application de l' art. 2 al. 1 CERT et d'accorder l'extradition à raison des délits visés aux art. 280, 284, 285 et 286 CP it., mis en relation avec les art. 302 et 306 CP it., nonobstant les motifs politiques qui ont inspiré leur commission. 10. Il convient encore d'examiner si l'extradition ne doit pas également être accordée pour les délits visés aux art. 270 et 270bis CP it., mis en relation avec les art. 302 et 306 CP it., malgré leur caractère de délits politiques absolus. a) et b) (L'application de l' art. 3 al. 2 EIMP , selon le principe de faveur, ne conduirait pas à accorder l'extradition, les conditions fixées par cette norme pour déroger à la protection du délit politique n'étant pas réalisées en l'espèce). c) (...) L'exclusion de l'extradition du recourant pour les délits politiques absolus réprimés par les art. 306 CP it., mis en relation avec BGE 125 II 569 S. 583 les art. 270 et 270bis it., aurait pour conséquence d'obliger les autorités de l'Etat requérant à fixer une nouvelle peine sans tenir compte des délits ne donnant pas lieu à l'extradition. En l'espèce, cette mesure constituerait une formalité vide de sens, raison pour laquelle il convient de renoncer à restreindre l'extradition, malgré le caractère politique des délits en question. En relation avec ceux-ci, la Cour d'assises d'appel de Turin a prononcé à l'encontre du recourant la peine de la détention à vie, la Cour d'assises d'appel de Milan une peine de onze ans de réclusion. En revanche, les deux peines de détention à vie prononcées par la Cour d'assises de Naples l'ont été à raison d'homicide ( art. 575 CP it.; chef no83) et d'assassinat ("omicidio aggravato", art. 575 CP it., mis en relation avec les art. 577 et 61 al. 4 CP it.; chef no84), soit pour des délits autres que ceux désignés comme délits politiques absolus, dont la Cour d'assises n'a pas retenu qu'ils avaient été commis en relation avec des délits politiques et qui ne peuvent, en tant que tels, bénéficier de la protection accordée aux délits politiques. L'ordre d'exécution des peines, du 5 février 1999, a confondu en une seule les trois peines de détention à vie infligées au recourant. Dès l'instant où celui-ci doit encore purger une telle peine pour l'exécution du jugement du 3 juin 1986, dans la fixation de laquelle il n'a pas été tenu compte des délits politiques réprimés par les art. 270 et 270bis it., mis en relation avec l' art. 306 CP it., il importe peu que le recourant ait été de surcroît condammné à d'autres peines privatives de liberté, d'une durée égale ou inférieure, à raison de délits politiques excluant l'extradition. Imposer à l'Etat requérant de fixer à nouveau la peine ne présenterait aucun intérêt d'un point de vue pratique en l'espèce, car la peine maximale infligée au recourant pour d'autres délits que ceux de caractère politique ne pourrait de toute manière être ni modifiée ni réduite en faveur du recourant. La situation d'espèce est différente de celle où l'extradition n'est pas demandée pour l'exécution de la peine, mais pour le jugement. Dans ce dernier cas en effet, la peine n'est - par définition - pas fixée, de sorte qu'il convient d'indiquer d'emblée à l'Etat requérant qu'il ne pourra pas poursuivre l'inculpé à raison de délits politiques.
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Sachverhalt ab Seite 98 BGE 135 III 97 S. 98 A. A.a Y. verstarb 1985. Bis zu seinem Tod lebte er mit seiner Lebenspartnerin W. zusammen. Als Erben hat Y. seine beiden Kinder R. und Z. hinterlassen. A.b Y. hatte am 16. Juli 1982 ein öffentliches Testament mit folgendem Wortlaut errichten lassen: "[...] Art. 3 Meine Erben haben W. vom Tage meines Ablebens hinweg je eine lebenslängliche vorschüssige Rente auszurichten, nämlich a) R. bezahlt monatlich einen Betrag von Fr. 2'700.-. b) Z. bezahlt monatlich einen Betrag von Fr. 2'900.-. [...]" Am 24. Februar 1984 errichtete Y. im Sinne eines Nachtrags ein weiteres öffentliches Testament. Darin änderte er die in Art. 3 des Testaments vom 16. Juli 1982 festgesetzten Rentenbeträge zugunsten von W. dahingehend ab, dass er die monatliche Rentenzahlung seiner Tochter R. auf Fr. 2'500.- und diejenige seines Sohnes Z. auf Fr. 3'000.- festsetzte. B. B.a Nachdem Z. in der Zeit von März 1985 bis Ende Dezember 2005 seiner Rentenzahlungspflicht gegenüber W. nachgekommen BGE 135 III 97 S. 99 war und ihr in 249 Renten einen Betrag von Fr. 747'000.- bezahlt hatte, stellte er per Januar 2006 die Rentenzahlung ein. B.b Im März 2006 leitete W. gegen Z. für die seit Januar 2006 ausstehenden Rentenzahlungen die Betreibung ein, worauf dieser Rechtsvorschlag erhob. Mit Klage vom 9. Oktober 2006 beantragte W., Z. sei zu verpflichten, ihr eine Rente von Fr. 3'000.- für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zu ihrem Ableben zu bezahlen, nebst Verzugszins von 5 %. Weiter verlangte sie die Erteilung der definitiven Rechtsöffnung in der Betreibung Nr. x des Betreibungsamtes A. Der Gerichtspräsident 1 des Gerichtskreises VII Bern-Laupen hiess diese Klage am 29. März 2007 gut und erteilte die definitive Rechtsöffnung. B.c Am 31. März 2007, zwei Tage nach der erstinstanzlichen Verhandlung, verstarb W. Sie hinterliess ihren Sohn X. als einzigen gesetzlichen Erben. B.d Mit Eingabe vom 2. April 2007 erklärte Z. Appellation beim Obergericht des Kantons Bern und verlangte die Abweisung der Klage. Mit Urteil vom 12. März 2008 wies das Obergericht die Klage ab. C. X. (fortan: Beschwerdeführer) ist am 30. April 2008 mit Beschwerde in Zivilsachen ans Bundesgericht gelangt. Er verlangt die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und die Verurteilung von Z. (fortan: Beschwerdegegner) zur Bezahlung von Fr. 45'000.- nebst Verzugszins von 5 % auf Fr. 39'000.- seit 5. September 2006 bis März 2007 bzw. auf Fr. 45'000.- seit 1. April 2007. Weiter verlangt er die Erteilung der definitiven Rechtsöffnung in der Betreibung Nr. x des Betreibungsamtes A. Die II. zivilrechtliche Abteilung des Bundesgerichts hat die Angelegenheit am 4. Dezember 2008 an einer öffentlichen Sitzung beraten und die Beschwerde gutgeheissen.
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507
Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der Beschwerdeführer verlangt vom Beschwerdegegner, gestützt auf das öffentliche Testament vom 16. Juli 1982 und die Ergänzung vom 24. Februar 1984, monatliche Rentenleistungen für die Zeit von Januar 2006 bis zum Ableben von W. Der Beschwerdegegner BGE 135 III 97 S. 100 möchte sich von zukünftigen Rentenverpflichtungen befreien, indem er eine Verletzung seines Pflichtteils geltend macht und einredeweise eine Herabsetzung der Rente gemäss Art. 530 i.V.m. Art. 533 Abs. 3 ZGB verlangt. Vor Bundesgericht ist streitig, ob dem Beschwerdegegner nach jahrelanger Rentenzahlung die Herabsetzungseinrede noch zusteht. 2.1 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 530 und Art. 533 Abs. 3 ZGB und bringt vor, dass die einredeweise Geltendmachung des Herabsetzungsanspruchs nicht mehr zulässig sei. Zur Begründung seiner Rüge führt er insbesondere aus, der Beschwerdegegner habe während rund 20 Jahren die monatliche Rente ausgerichtet und mit der Zahlung in der testamentarisch verfügten Höhe die Erbschaftsbelastung durch den entsprechenden Kapitalwert des Rentenlegats anerkannt. Der Beschwerdegegner könne daher nicht zu einem späteren Zeitpunkt die Leistungen wieder auf ihre Pflichtteilsverletzung hinterfragen. Würde man nach jahrelanger Zahlung die Möglichkeit der einredeweisen Geltendmachung zulassen, so fände ein unwürdiges Spiel rechtlichen Schutz. Der belastete Erbe könnte nämlich vorläufig seine Rentenzahlung aufnehmen und abwarten, ob die begünstigte Person rasch stirbt. Würde die begünstigte Person doch lange leben, könnte nach Jahren die Herabsetzungseinrede erhoben werden und der Rentengläubiger würde von einem Monat zum anderen den Rentenzufluss verlieren, der für seine Lebensgestaltung massgeblich sein könne. Dieses Resultat habe der Gesetzgeber nicht gewollt. 2.2 Das Obergericht und der Beschwerdegegner teilen die Auffassung, dass die Herabsetzung im Rahmen von Art. 533 Abs. 3 ZGB jederzeit zulässig sein müsse, da dieses Recht nicht verwirkbar sei. Hinweise darauf, dass die jederzeitige Herabsetzungseinrede, wie vom Beschwerdeführer behauptet, im Falle von Art. 530 ZGB nicht zulässig sein sollte, seien weder dem Gesetz noch der Literatur zu entnehmen. 3. Gemäss Art. 530 ZGB können die Erben die verhältnismässige Herabsetzung einer Rente oder, unter Überlassung des verfügbaren Teils der Erbschaft an den Rentengläubiger, deren Ablösung verlangen, wenn der Kapitalwert der Rente nach der mutmasslichen Dauer der Leistungspflicht den verfügbaren Teil der Erbschaft übersteigt. Auch ein einzelner Erbe, der durch die Rente übermässig belastet wird, kann sich unter Preisgabe der ihm gegenüber verfügbaren BGE 135 III 97 S. 101 Quote von der Last befreien oder eine Herabsetzung der Leistungen verlangen (ARNOLD ESCHER, Das Erbrecht, Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Bd. III, 3. Aufl. 1959, N. 10 zu Art. 530 ZGB ). Die Herabsetzungsklage des in seinen Pflichtteilsrechten verletzten Erben verjährt gemäss Art. 533 Abs. 1 ZGB mit Ablauf eines Jahres seit Kenntnis der Pflichtteilsverletzung, längstens aber nach Ablauf von 10 Jahren seit der Eröffnung der letztwilligen Verfügung. Hingegen kann nach Art. 533 Abs. 3 ZGB der Herabsetzungsanspruch einredeweise jederzeit geltend gemacht werden, solange der Erbe Besitz an der Erbschaft hat. Der übergangene Erbe wird somit von der Pflicht, Herabsetzungsklage zu erheben, befreit ( BGE 98 II 176 E. 10 S. 181; FORNI/PIATTI, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 3. Aufl. 2007, N. 4 zu Art. 534 ZGB ). Das Gesetz gewährt dem rentenbelasteten Erben demnach verschiedene Möglichkeiten, sich gegen eine Pflichtteilsverletzung zu wehren. Er kann eine Herabsetzungsklage erheben und damit entweder die Ablösung der Rente oder die Herabsetzung der einzelnen Ansprüche verlangen oder sich entschliessen, die Rente nicht zu bezahlen und die Herabsetzung mittels Einrede geltend zu machen, wenn er später zur Zahlung aufgefordert wird. Von der Geltendmachung der Herabsetzung wäre der rentenbelastete Erbe nur dann ausgeschlossen, wenn der Anspruch gemäss Art. 533 ZGB verwirkt oder durch Verzicht untergegangen wäre. 3.1 Von einer Verwirkung kann vorliegend jedenfalls nicht die Rede sein. Da die Herabsetzung gegenüber einer Klage auf Vollziehung der das Pflichtteilsrecht verletzenden Testamentsbestimmungen angerufen wird, wird sie vom Beschwerdegegner einredeweise geltend gemacht, was nach Art. 533 Abs. 3 ZGB jederzeit möglich ist. Bleibt zu prüfen, ob der Herabsetzungsanspruch durch Verzicht untergegangen ist. 3.2 Ein Verzicht auf die Geltendmachung des Herabsetzungsanspruchs ist nach dem Eintritt des Erbgangs durch einseitige, formlose Erklärung gegenüber dem Gläubiger rechtlich möglich. Allein durch passives Verhalten kommt es grundsätzlich nicht zu einem Verzicht, jedoch kann dieser auch stillschweigend (konkludent) erfolgen ( BGE 108 II 288 E. 3a S. 293). 3.2.1 Auf die Herabsetzungs klage hat der Beschwerdegegner dadurch verzichtet, dass er die Klagefrist von Art. 533 Abs. 1 ZGB BGE 135 III 97 S. 102 verstreichen liess, ohne Klage zu erheben. Aus diesem Umstand kann aber noch nicht ein endgültiger Verzicht auf den Herabsetzungsanspruch abgeleitet werden, weil immer noch die Möglichkeit der einredeweisen Geltendmachung der Herabsetzung bestanden hätte. 3.2.2 Den Akten kann nicht entnommen werden, dass der Beschwerdegegner gegenüber der Rentenbegünstigten, W., je ausdrücklich auf die Herabsetzungs einrede verzichtet hätte. Hingegen bleibt zu prüfen, ob aus dem Umstand der jahrelangen Rentenzahlung auf einen stillschweigenden Verzicht geschlossen werden kann. Die Annahme eines stillschweigenden Verzichts setzt voraus, dass dem Erben die wesentlichen Elemente zur Begründung des Herabsetzungsanspruchs bekannt waren und dass seine Erklärung gegenüber der begünstigten Person hinreichend kundgetan wurde ( BGE 108 II 288 E. 3 S. 292 ff.). Der Beschwerdegegner macht nicht geltend, die zur Begründung seines Herabsetzungsanspruchs wesentlichen Elemente damals nicht gekannt zu haben. Das angefochtene Urteil äussert sich dazu zwar nicht ausdrücklich, jedoch ergeben sich die entsprechenden Fakten ohne weiteres daraus: Am 9. Februar 1985 verstarb Y. Am 20. Februar 1985 eröffnete die Stadtkanzlei die Testamente. Das Steuerinventar datiert vom 24. März 1986. Aus diesem sind die Bestandteile des Nachlasses und ihre (steuerlich massgebende) Bewertung ersichtlich. Es darf unter diesen Umständen angenommen werden, dass der Beschwerdegegner nach der Eröffnung des Erbgangs über die zur Begründung eines Herabsetzungsanspruchs wesentlichen Elemente, namentlich auch über die Informationen zur Ermittlung des Kapitalwerts der Rente nach der mutmasslichen Dauer der Leistungspflicht, verfügte. Er konnte daher die Vermögenslage genügend einschätzen und musste zumindest davon ausgehen, dass sein Pflichtteil durch die testamentarischen Anordnungen, insbesondere durch das Rentenlegat, mit grosser Wahrscheinlichkeit verletzt sein könnte. Die Vorinstanzen haben festgestellt, dass der Beschwerdegegner von März 1985 bis Ende Dezember 2005 seiner monatlichen Rentenzahlungspflicht gegenüber W. nachgekommen ist und ihr in 249 Renten einen Betrag von Fr. 747'000.- bezahlt hat. Erst Ende Dezember 2005 hat er kundgegeben, dass er inskünftig keine weiteren Renten bezahlen werde, da sein Pflichtteil verletzt sei. Somit richtete der Beschwerdegegner während 20 Jahren Renten aus, obwohl er von den zur Begründung seines Herabsetzungsanspruchs BGE 135 III 97 S. 103 wesentlichen Elementen Kenntnis hatte bzw. mit einer Pflichtteilsverletzung ernsthaft rechnen musste. Dass sich der Beschwerdegegner jemals gegenüber der Rentenempfängerin in dem Sinne geäussert hätte, die Renten nur vorläufig, provisorisch oder unter Vorbehalt der späteren Herabsetzung zu bezahlen, wird nirgends festgestellt und vom Beschwerdegegner auch nicht geltend gemacht. Hat der Beschwerdegegner aber in Kenntnis der für die Geltendmachung des Herabsetzungsanspruchs wesentlichen Elemente die Rente jahrelang vorbehaltlos ausgerichtet, hat er die testamentarischen Anordnungen des Erblassers durch konkludentes Handeln anerkannt und auf den Herabsetzungsanspruch verzichtet. Auch die Rentenbegünstigte durfte aufgrund der vorbehaltlosen regelmässigen Zahlungen damit rechnen, bis an ihr Lebensende eine Rente zu erhalten. Sie hat ihre Lebensgestaltung entsprechend danach ausgerichtet und ist in ihrem berechtigten Vertrauen auf den Rentenzufluss zu schützen. Nach dem Gesagten muss die jahrelange vorbehaltlose Rentenausrichtung an die Begünstigte in Kenntnis aller Umstände als ein stillschweigender (konkludenter) Verzicht auf die Geltendmachung des Herabsetzungsanspruchs gewertet werden, weshalb dieser heute auch nicht mehr einredeweise geltend gemacht werden kann.
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Sachverhalt ab Seite 50 BGE 104 Ia 49 S. 50 Am 11. März 1977 stellte der Leitende Oberstaatsanwalt in Hannover bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich ein Gesuch um Rechtshilfe in einem gegen den deutschen Staatsangehörigen X. hängigen Ermittlungsverfahren wegen Untreue. Das Gesuch war darauf gerichtet, bei vier schweizerischen Banken Erhebungen über bestimmte, im Rechtshilfegesuch näher umschriebene Geschäfte des Angeschuldigten vorzunehmen, die an diesen Geschäften beteiligten Funktionäre der Banken als Zeugen zu vernehmen sowie die entsprechenden Kredit- und Kontounterlagen beizuziehen. Da der schweizerische Anwalt von X. befürchtete, die wegen eines gemeinrechtlichen Deliktes zu leistende Rechtshilfe könnte in der Bundesrepublik Deutschland auch in einem zur Strafuntersuchung parallel laufenden Fiskalverfahren Verwendung finden, stellte er den Antrag, die Einvernahmeprotokolle und allfällige weitere Erhebungen an die deutschen Justizbehörden nur unter der Bedingung weiterzuleiten, dass vorgängig formell zugesichert werde, sie würden nicht zum Zwecke der Geltendmachung von Ansprüchen in Steuersachen verwendet. Die Erhebungen in der Schweiz wurden daraufhin unterbrochen, und die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich ersuchte jene von Hannover am 9. Mai 1977, eine entsprechende, von ihr nach dem Antrag der Verteidigung formulierte Erklärung abzugeben. Der Leitende Oberstaatsanwalt beim Landgericht Hannover unterzeichnete die Erklärung sofort und stellte sie am 11. Mai 1977 der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich zu. Nach dem Eingang dieser Erklärung führte die Bezirksanwaltschaft Zürich entsprechend der Weisung der Staatsanwaltschaft die gewünschten Zeugenvernehmungen durch und erhob die verlangten Bankunterlagen zu den Akten. X. stellte darauf bei der Bezirksanwaltschaft Zürich das Begehren, von der Weiterleitung der Einvernahmeprotokolle BGE 104 Ia 49 S. 51 und der übrigen Akten an die ersuchende Behörde der Bundesrepublik Deutschland abzusehen, bis geklärt sei, welche Behörde dieses Staates eine wirklich verbindliche Erklärung betreffend die Nichtberücksichtigung der Ergebnisse des Rechtshilfeverfahrens für fiskalische Zwecke abgeben könne, und bis eine solche Erklärung vorliege. Mit Verfügung vom 17. August 1977 wies die Bezirksanwaltschaft Zürich diese Anträge ab und verfügte die Weiterleitung der im Rechtshilfeverfahren erstellten Protokolle und erhobenen Belege an die ersuchende Behörde. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich wies den hiegegen erhobenen Rekurs am 28. September 1977 ab. Diesen Entscheid ficht X. mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Staatsverträgen ( Art. 84 Abs. 1 lit. c OG ) an.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. ... Nach Art. 1 des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 (EÜR) sind die Unterzeichnerstaaten grundsätzlich zu gegenseitiger Rechtshilfe hinsichtlich strafbarer Handlungen verpflichtet, soweit die Behörden des ersuchenden Staates zu deren Verfolgung zuständig sind. Art. 2 lit. a lautet wie folgt: "Die Rechtshilfe kann verweigert werden: a) wenn sich das Ersuchen auf strafbare Handlungen bezieht, die vom ersuchten Staat als politische, als mit solchen zusammenhängende oder als fiskalische strafbare Handlungen angesehen werden; b) wenn der ersuchte Staat der Ansicht ist, dass die Erledigung des Ersuchens geeignet ist, die Souveränität, die Sicherheit, die öffentliche Ordnung (ordre public) oder andere wesentliche Interessen seines Landes zu beeinträchtigen." Die Schweiz hat im BB vom 27. September 1966 über die Genehmigung von sechs Abkommen des Europarates dazu ausgeführt (AS 1967 S. 809), sie behalte sich das Recht vor, "in besonderen Fällen Rechtshilfe auf Grund dieses Übereinkommens nur unter der ausdrücklichen Bedingung zu leisten, dass die Ergebnisse der in der Schweiz durchgeführten Erhebungen und die in herausgegebenen Akten oder Schriftstücken enthaltenen Auskünfte ausschliesslich für die Aufklärung und BGE 104 Ia 49 S. 52 Beurteilung derjenigen strafbaren Handlungen verwendet werden dürfen, für die Rechtshilfe bewilligt wird". Ferner hat sie von der in Art. 5 vorgesehenen Möglichkeit, für die Erledigung von Gesuchen um Durchsuchung oder Beschlagnahme von Gegenständen zusätzliche Bedingungen zu stellen, in dem Sinne Gebrauch gemacht, als sie erklärte, jede Zwangsmassnahme sei der in Art. 5 § 1 lit. a des Abkommens erwähnten Bedingung unterworfen, d.h. es sei der Grundsatz der beidseitigen Strafbarkeit anzuwenden. Der am 13. November 1969 abgeschlossene, am 1. Januar 1977 in Kraft getretene Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über die Ergänzung des EÜR vom 20. April 1959 und die Erleichterung seiner Anwendung enthält vorwiegend Einzelheiten technischer Natur. Erwähnung verdient indessen ein Abschnitt der dem Vertrag beigefügten, von den beidseitigen Delegationschefs unterzeichneten und in der Amtlichen Gesetzessammlung veröffentlichten "Bemerkungen" zu diesem Vertrag, die - ohne dass auf ihre rechtliche Tragweite näher eingegangen werden soll - jedenfalls zur Auslegung des übereinstimmenden Willens der vertragsschliessenden Parteien herangezogen werden können. Zu Art. 2 EÜR wird hier ausgeführt (AS 1977 I S. 105): "Die Delegationen sind übereinstimmend davon ausgegangen, dass Artikel 2 des Übereinkommens nicht ausschliesst, die Leistung der verlangten Rechtshilfe an Bedingungen oder Auflagen zu knüpfen, und dass allfällige Bedingungen oder Auflagen von den Behörden des ersuchenden Staates zu beachten sind. Sie werden deshalb ihren zuständigen Behörden empfehlen, in den Fällen des Artikels 2 Buchstabe b des Übereinkommens nach Möglichkeit die Rechtshilfe unter Bedingungen oder Auflagen zu leisten anstatt das Ersuchen abzulehnen, wenn dadurch die Beeinträchtigung der Interessen des ersuchten Staates vermieden werden kann." 3. Im vorliegenden Falle ersucht die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Hannover um Rechtshilfe in einem gegen den Beschwerdeführer hängigen Ermittlungsverfahren wegen Untreue. Der Sachverhalt, der jenem zur Last gelegt wird, wird im Rechtshilfegesuch einlässlich dargestellt. Untreue im Sinne von § 266 des deutschen Strafgesetzbuches ist mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bedroht. Es handelt sich somit im Sinne der schweizerischen Begriffsbestimmung BGE 104 Ia 49 S. 53 ( Art. 9 StGB ) um ein Verbrechen. Nach der Umschreibung des Tatbestandes fallen in der Bundesrepublik Deutschland unter den Begriff der Untreue sowohl Fälle, die in der Schweiz als Veruntreuung im Sinne von Art. 140 StGB zu betrachten wären, als auch solche, die unter den Tatbestand der ungetreuen Geschäftsführung im Sinne von Art. 159 StGB fielen. Beide Tatbestände gehören zu den strafbaren Handlungen, für die das schweizerische Recht eine Auslieferung zulässt. Wollte man also annehmen, der von der Schweiz zu Art. 5 § 1 des EÜR angebrachte Vorbehalt finde hier grundsätzlich Anwendung, obschon keine Durchsuchung oder Beschlagnahmung erforderlich war, sondern die angeforderten Akten von den vernommenen Zeugen eingereicht worden sind, so stünde er der Rechtshilfe nicht entgegen. Der Beschwerdeführer erhebt denn auch gegen die Gewährung der Rechtshilfe im Verfahren wegen Untreue als solchem keine Einwendungen. 4. a) Es ist unbestritten, dass gegen den Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Deutschland neben dem gemeinrechtlichen Strafverfahren wegen Untreue noch ein Verfahren wegen Verletzung fiskalischer Bestimmungen hängig ist. Der Beschwerdeführer befürchtet, dass die im Rechtshilfeverfahren erhobenen Protokolle und Akten auch in jenem Verfahren Verwendung finden könnten, und er widersetzt sich der Weiterleitung, weil nach seiner Auffassung keine genügenden Zusicherungen dafür vorlängen, dass hiervon Abstand genommen werde. Richtig ist, dass die Schweiz in Fiskalsachen grundsätzlich keine Rechtshilfe gewährt. Dies steht im Zusammenhang mit dem durch Art. 47 BankG gesicherten Bankgeheimnis, das für die Entwicklung der schweizerischen Wirtschaft eine bedeutende Rolle gespielt hat. Indessen kommt dem Bankgeheimnis nicht der Rang eines geschriebenen oder ungeschriebenen verfassungsmässigen Rechtes zu, so dass es bei Kollision mit anderen Interessen stets den Vorrang beanspruchen könnte. Vielmehr handelt es sich um eine gesetzliche Norm, die gegebenenfalls gegenüber staatsvertraglichen Verpflichtungen der Schweiz zurückzutreten hat (vgl. BGE 99 Ia 89 und BGE 96 I 752 ). Zur historischen Entwicklung des Verhältnisses zwischen Bankgeheimnis und internationaler Rechtshilfe ist folgendes festzuhalten: BGE 104 Ia 49 S. 54 Während die umfassende Rechtshilfe in Strafsachen noch nicht Gegenstand eines Bundesgesetzes bildet und staatsvertragliche Regelungen auf diesem Gebiet erst im Laufe der letzten Jahrzehnte zustandegekommen sind, bestehen seit langem gesetzliche und staatsvertragliche Grundlagen für das Auslieferungsrecht, das einen Spezialfall der Rechtshilfe regelt. Art. 11 des Bundesgesetzes betreffend die Auslieferung gegenüber dem Ausland vom 22. Januar 1892 (AuslG) lautet: "Wegen Übertretung fiskalischer Gesetze und wegen reiner Militärvergehen wird die Auslieferung nicht bewilligt. Hat eine Person, die wegen einer die Auslieferung begründenden Handlung verfolgt wird, ausserdem ein fiskalisches oder ein militärisches Gesetz übertreten, so erfolgt die Auslieferung nur unter der Bedingung, dass diese Übertretung weder bestraft werden noch einen Strafverschärfungsgrund bilden darf." Sinngemäss gleichartige Bestimmungen enthalten auch fast sämtliche von der Schweiz geschlossenen Auslieferungsverträge. In seinem 1953 erschienenen Werk "Das schweizerische Auslieferungsrecht" führt HANS SCHULTZ aus, die Schweiz verweigere die Auslieferung nur für das mit anderen Delikten zusammen verfolgte fiskalische Delikt; eine Erstreckung des Auslieferungsprivileges auf "konnex" oder "relativ" fiskalische Delikte lehne die schweizerische Praxis richtigerweise ab. Von den Behörden eines Staates, welchem die Schweiz das zur Begründung des Auslieferungsverkehrs erforderliche Vertrauen schenke, dürfe erwartet werden, dass sie die übrigen Delikte verfolgten und bestraften, ohne sich von dem ausserdem begangenen fiskalischen Delikt beeinflussen zu lassen (a.a.O., S. 467/468). Nach der älteren, ständigen Praxis des Bundesgerichtes betreffend Auslieferung bei Konnexität zwischen gemeinrechtlichen und Fiskaldelikten (vgl. BGE 92 I 287 , BGE 78 I 246 E. 4a mit Verweisungen; sowie THEODOR GUT, Die fiskalischen und militärischen Vergehen im schweizerischen Auslieferungsrecht, Zürich 1943, S. 85-110) wird dann, wenn ein Angeschuldigter im Ausland sowohl wegen auslieferungsgeeigneter Delikte des gemeinen Strafrechtes als auch wegen Fiskaldelikten verfolgt wird, bei Real- und Idealkonkurrenz die Auslieferung bewilligt unter der Bedingung, dass das Fiskaldelikt weder bestraft noch als Strafschärfungsgrund berücksichtigt werden darf. Ausgeschlossen ist die Auslieferung nur bei unechter Gesetzeskonkurrenz, BGE 104 Ia 49 S. 55 d.h. wenn der Tatbestand des Nichtauslieferungsdeliktes jenen des Auslieferungsdeliktes nach allen Richtungen umfasst. Auf die Frage, in welcher Form die Bedingung zu stellen ist, ist in anderem Zusammenhang zurückzukommen. b) Die modernen zwei- und mehrseitigen Abkommen über Rechtshilfe in Strafsachen beruhen, gleich wie die Auslieferungsverträge, auf dem Grundgedanken des gegenseitigen Vertrauens in die Rechtspflege von Staaten des gleichen Kulturkreises. Sie sollen die Verbrechensbekämpfung über die Landesgrenzen hinaus weiter erleichtern, greifen aber weniger tief in die Interessen der Beschuldigten ein, da sie deren persönliche Freiheit nicht unmittelbar tangieren. Diese Gesichtspunkte sprechen dafür, bei der Auslegung von Rechtshilfeabkommen jedenfalls keine grössere Zurückhaltung zu üben als bei derjenigen von Auslieferungsverträgen. In seiner Botschaft an die Bundesversammlung über die Genehmigung von sechs Übereinkommen des Europarates vom 1. März 1966 (BBl 1966 I S. 482) hat der Bundesrat unter Hinweis auf einen von ihm am 23. September 1957 gefällten Entscheid (VEB 1957 Nr. 3, E. 6d) ausgeführt, die zur Abklärung einer gemeinrechtlichen Straftat gewährte Rechtshilfe berechtige den ersuchenden Staat nicht, die Ergebnisse der Erhebungen im ersuchten Staat für die Verfolgung und Bestrafung von Delikten auszuwerten, für die sie nicht geleistet worden sei. Im Hinblick auf die erhebliche Bedeutung, die dieser Regel für die Wahrung des schweizerischen Bankgeheimnisses zukomme, könne darauf im Verkehr mit den Vertragsparteien des EÜR umso weniger verzichtet werden, als mit dem Beitritt zu diesem der Grundsatz der beidseitigen Strafbarkeit aufgegeben werde. Es sei deshalb gegenüber dem Generalsekretariat des Europarates eine entsprechende Erklärung abzugeben. In neuester Zeit scheint sich eine etwas elastischere Haltung der Schweiz hinsichtlich der Rechtshilfe an ausländische Staaten abzuzeichnen. So ist etwa die Rechtshilfe in Steuersachen gegenüber den Vereinigten Staaten nach dem am 23. Januar 1977 in Kraft getretenen Rechtshilfevertrag unter genau umschriebenen Voraussetzungen möglich zur Bekämpfung des sogenannten "organisierten Verbrechens". Die Frage, wie weit die Rechtshilfe der Schweiz bei Konnexität zwischen gemeinen Delikten und Fiskaldelikten gehen soll, ist zur Zeit Gegenstand der Beratungen der eidgenössischen Räte BGE 104 Ia 49 S. 56 im Rahmen der Ausarbeitung des BG über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 8. März 1976, BBl 1976 II S. 444 ff.; Sten. Bull. 1977 S. 622). Auch wenn das Ergebnis dieser Beratungen noch nicht feststeht, drängt sich doch keinesfalls in Grenzfällen eine restriktive Auslegung der geltenden staatsvertraglichen Bestimmungen über die Rechtshilfe auf. 5. Im vorliegenden Falle wird zu Recht nicht geltend gemacht, es fehle an sich an einer Voraussetzung für die Rechtshilfe an die Bundesrepublik Deutschland im Ermittlungsverfahren betreffend Untreue. Die Einwendungen des Beschwerdeführers beziehen sich nur darauf, dass nach seinem Dafürhalten keine genügende Gewähr für die Nichtverwendung des Ergebnisses der in der Schweiz durchgeführten Ermittlungen in einem gleichzeitig hängigen Fiskalverfahren geboten sei. a) Der Leitende Oberstaatsanwalt beim Landgericht Hannover hat bereits in seinem Rechtshilfebegehren vom 11. März 1977 unaufgefordert versichert, dass die Ermittlungsergebnisse aus dem Rechtshilfeersuchen nicht in einem Steuerstrafverfahren verwendet werden. Gleichwohl hat die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich auf Begehren des Beschwerdeführers eine einlässlichere Erklärung in dieser Richtung verlangt, wobei sie sich wörtlich an den vom zürcherischen Anwalt des Beschwerdeführers gestellten Antrag hielt. Diese Erklärung hat der Leitende Oberstaatsanwalt am 11. Mai 1977 abgegeben. Der Beschwerdeführer gab sich damit aber nicht zufrieden, sondern stellte in einer Eingabe vom 10. Juni 1977 die weiteren Begehren, aa) es sei "durch Vermittlung der schweizerischen politischen Behörden, insbesondere des EJPD, abzuklären, welche Bundesbehörde der Bundesrepublik Deutschland zuständig ist zur Abgabe einer für sämtliche Behörden der Bundesrepublik Deutschland verbindlichen Erklärung des Inhalts, dass die mittels Rechtshilfe in der Schweiz erlangten Informationen und Unterlagen ausschliesslich zur Verfolgung gemeinrechtlicher und nach schweizerischem Recht die Rechtshilfe rechtfertigender Delikte verwendet werden; bb) "es sei sodann, gestützt auf Art. 2 (a) des EÜR, insbesondere gestützt auf den von der Schweiz dazu gemachten Vorbehalt zu Art. 2 (b) von den zuständigen deutschen Behörden die Abgabe einer schriftlichen Erklärung zu verlangen, worin die dafür zuständige deutsche Behörde formell zusichert, dass die deutschen Behörden, BGE 104 Ia 49 S. 57 einschliesslich alle Justiz- und Verwaltungsbehörden des Bundes und der Länder, die Ergebnisse der in der Schweiz durchgeführten Erhebungen und die in herausgegebenen Akten enthaltenen Auskünfte nicht verwenden werden zum Zwecke der Geltendmachung oder Erhebung von Ansprüchen, der Veranlagung von Steuern und Abgaben, Einleitung und Durchführung von Fahndungen, Untersuchungen und Strafverfahren, die auf Gesetzen oder Vorschriften fiskalischer Natur, wie Steuergesetze, Devisenvorschriften, Zollgesetze etc. beruhen." Es stellt sich die Frage, ob diese Begehren mit Treu und Glauben vereinbar sind, nachdem der Vertreter des Beschwerdeführers schon an der Verhandlung vom 27. April 1977 vor der Bezirksanwaltschaft Zürich beantragt hatte, es seien die deutschen Justizbehörden um eine ausdrückliche schriftliche Erklärung zu ersuchen, die inhaltlich genau dem entspricht, was in der Eingabe vom 10. Juni 1977 gefordert wird. Auch fällt auf, dass der Beschwerdeführer, obschon er Deutscher ist und in der Bundesrepublik ansässige Anwälte beigezogen hat, nicht selbst die Behörde nennt, die er für die Abgabe der gewünschten Erklärung als zuständig betrachtet. Der Gedanke, dass es dem Beschwerdeführer nicht nur um Sicherung vor ungerechtfertigter Verfolgung in Fiskalsachen, sondern auch um Verzögerung der Rechtshilfe hinsichtlich des gemeinrechtlichen Tatbestandes geht, ist nicht im vornherein von der Hand zu weisen. Die Frage kann jedoch offen bleiben, da sich der Standpunkt des Beschwerdeführers in der Sache selbst als unbegründet erweist. b) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist keineswegs eindeutig, dass die Rechtshilfe im vorliegenden Falle von einer ausdrücklichen Erklärung irgend einer deutschen Amtsstelle abhändig gemacht werden muss. Weder das EÜR noch der ergänzende Staatsvertrag zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland sehen solche Erklärungen vor. Der Beschwerdeführer beruft sich allerdings auf den von der Schweiz zu Art. 2 EÜR angebrachten Vorbehalt. Allein dieser sagt nur, dass die Schweiz die Rechtshilfe unter der Bedingung der Beachtung des Grundsatzes der Spezialität gewähren könne, was nicht gleichbedeutend ist mit einer vom ersuchenden Staate zu verlangenden Erklärung. Zwar bemerkt ROBERT HAUSER (Das Bankgeheimnis im internationalen Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, in ZStR 87/1971, S. 153), es sei von der Schweiz eine Garantieerklärung des Inhaltes zu BGE 104 Ia 49 S. 58 verlangen, das durch die Rechtshilfe erhobene Material werde nicht zur Verhängung von Sanktionen des Steuer- oder Devisenstrafrechts verwendet; er führt jedoch keine gesetzliche oder staatsvertragliche Grundlage für diese Auffassung an. Er verweist auf Art. 11 AuslG und auf den erwähnten Vorbehalt im Beschluss betreffend Genehmigung des EÜR sowie weiterer europäischer Abkommen, doch ist an beiden Stellen lediglich von zu stellenden Bedingungen die Rede. Dasselbe trifft für den in der Fussnote zitierten Entscheid des Bundesrates in VEB 1957 Nr. 3 S. 12 ff. (insbesondere S. 35) zu, der übrigens vor Inkrafttreten der heute massgebenden Rechtsgrundlagen ergangen ist und dem deshalb nur noch beschränkte Bedeutung beigemessen werden kann. Geht man im Sinne der vorstehenden Darlegungen davon aus, dass die Rechtshilfe in Strafsachen eine Erweiterung des bisherigen Auslieferungsrechtes darstellt und dass sie den Einzelnen jedenfalls nicht schärfer trifft als jene, so liegt es vielmehr nahe, sich im Rechtshilfeverkehr bezüglich der zu stellenden Bedingungen an die gefestigte Praxis in Auslieferungsfällen zu halten. Nach dieser wird bei Auslieferung wegen Delikten, die mit nicht zur Auslieferung berechtigenden Tatbeständen, insbesondere mit solchen fiskalischer Natur, real oder ideal konkurrieren, stets die Bedingung gestellt, dass eine Verfolgung wegen dieser Tatbestände zu unterbleiben hat, wobei gelegentlich statt des Ausdrucks "Bedingung" auch das Wort "Vorbehalt" verwendet wird. Dagegen wird nie eine Erklärung des ersuchenden Staates verlangt, wonach er sich an die gestellte Bedingung oder an den Vorbehalt halten, d.h. den Grundsatz der Spezialität beachten werde (vgl. z.B. BGE 101 Ia 64 f. E. 5b und Disp. 2; S. 423 E. 3d und 426 Disp. 2; S. 599 E. 6 und 601 Disp. 2, mit zahlreichen Verweisungen). Die innere Rechtfertigung dieser Praxis liegt darin, dass jeder Staat mit dem Abschluss eines Auslieferungsabkommens dem Vertragspartner das Vertrauen schenkt, er werde den Vertrag einhalten, d.h. den Grundsatz der Spezialität strikte beachten und das Auslieferungsdelikt ohne Rücksicht auf eventuell damit konkurrierende Nichtauslieferungsdelikte verfolgen (SCHULTZ, a.a.O. S. 288). Im Verkehr zwischen den demokratischen Staaten des westeuropäischen Kulturkreises sind denn auch Verletzungen dieser staatsvertraglichen, allgemein anerkannten Regel kaum je anzutreffen, umso weniger, als sie für den BGE 104 Ia 49 S. 59 betreffenden Staat die Folge nach sich ziehen könnten, dass in künftigen Fällen die Auslieferung verweigert würde. Es ist nicht ersichtlich, weshalb bei der allgemeinen Rechtshilfe hinsichtlich des Grundsatzes der Spezialität andere, strengere Anforderungen gestellt werden sollten als bei der für den Betroffenen schwersten Massnahme der Auslieferung. Die völkerrechtliche Frage des dem Partnerstaat entgegenzubringenden Vertrauens bleibt dieselbe, und die Tendenzen der jüngsten Zeit sprechen, wie dargelegt, jedenfalls nicht für eine Erschwerung der Rechtshilfe über den Vertragswortlaut hinaus. Zwar ist es richtig, dass in anderen Fällen ausländische Behörden teils von sich aus Zusicherungen im Sinne des staatsvertraglichen Vorbehaltes abgegeben haben, teils von der ersuchten kantonalen Behörde hiezu aufgefordert worden sind ( BGE 98 Ia 227 ; BGE 95 I 441 ). Eine solche Praxis entspricht der Vorsicht und wird in den meisten Fällen zweckmässig sein, eine Rechtspflicht vermag sie jedoch nicht zu begründen. Auch die Polizeiabteilung des Eidg. Justiz- und Polizeidepartementes führt in der vom Beschwerdeführer auszugsweise wiedergegebenen, dem Bundesgericht im übrigen aber nicht bekannten Note vom 30. Juni 1976 an die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland nicht aus, worauf sie ihr Ersuchen um eine formelle Zusicherung der deutschen Behörden stützt. Im übrigen scheint es sich in jener Sache um Durchsuchungen und Beschlagnahmungen, also um eigentliche Zwangsmassnahmen, gehandelt zu haben, während im vorliegenden Falle keine solchen erfolgt oder vorgesehen sind, sondern die Zeugen lediglich ersucht wurden, die mit ihren Aussagen im Zusammenhang stehenden Belege zu den Akten zu geben. Schliesslich lässt sich auch aus dem in der Beschwerde zitierten BGE 103 Ia 206 ff. (insbes. E. 6 und 7) nichts für den Standpunkt des Beschwerdeführers ableiten. Es ging dort darum, dass - im Gegensatz zum vorliegenden Falle - der massgebende Sachverhalt im Rechtshilfebegehren nicht mit hinlänglicher Klarheit umschrieben war. In diesem Zusammenhang hat das Gericht festgestellt, es müssten die gemeinrechtlichen Tatbestände genau umschrieben werden, da sonst nicht abgeklärt werden könne, ob Rechtshilfe nicht nur für ein Fiskaldelikt und damit im Zusammenhang stehende Urkundenfälschungen BGE 104 Ia 49 S. 60 verlangt werde, in welchem Falle sie zu verweigern wäre. Wenn aus diesen Gründen erklärt wurde, die blosse Zusicherung der Nichtverwendung der erhobenen Unterlagen für fiskalische Zwecke genüge nicht, so ist dies für den vorliegenden Fall unerheblich, da hier nicht geltend gemacht wird, das Verfahren wegen Untreue als solches betreffe im Grunde genommen lediglich eine Fiskalsache. Indem die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich hier über die bereits im Rechtshilfegesuch enthaltene Zusicherung hinaus eine ausdrückliche Erklärung der ersuchenden Behörde in dem vom Beschwerdeführer gewünschten Wortlaut eingeholt hat, ist sie somit bereits über das rechtlich unbedingt Erforderliche hinausgegangen. Mehr kann der Beschwerdeführer schon aus diesem Grund nicht verlangen. c) Der Beschwerdeführer rügt nicht den Inhalt der vom Leitenden Oberstaatsanwalt beim Landgericht Hannover abgegebenen Erklärung, der wörtlich mit seinen Anträgen übereinstimmt, sondern er macht geltend, der Leitende Oberstaatsanwalt sei nach dem innerstaatlichen Recht der Bundesrepublik Deutschland zur Abgabe der Erklärung mit Verbindlichkeit für alle andern gegebenenfalls in Fiskalsachen zuständigen Behörden nicht berechtigt. Da indessen nach den vorstehenden Ausführungen schweizerischerseits keine ausdrückliche Zusicherung der Wahrung des Spezialitätsgrundsatzes eingeholt werden muss, ist auf diesen Einwand nicht weiter einzugehen.
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Sachverhalt ab Seite 419 BGE 131 III 418 S. 419 Le 13 mai 1997, l'Union de l'Inde a actionné la succursale de Genève du Crédit Agricole Indosuez à Paris, devenue en 1999 le BGE 131 III 418 S. 420 Crédit Agricole Indosuez (Suisse) SA, devant le Tribunal de première instance du canton de Genève. Elle concluait à la restitution de deux pièces d'or anciennes - l'une de 1000 Muhurs, frappée à Agra en 1613, d'un diamètre de 20,3 cm environ et pesant près de 12 kg, et l'autre de 100 Muhurs, frappée à Lahore en 1639, d'un diamètre de 9,7 cm et d'un poids de 1,1 kg - en possession de la banque, en se fondant tant sur l'action possessoire ( art. 933 ss CC ) que sur l'action pétitoire ( art. 641 al. 2 CC ). Les pièces d'or litigieuses avaient été remises en nantissement à la banque en 1988 à titre de sûretés pour un crédit accordé à deux sociétés de Panama et des Iles Vierges Britanniques contrôlées par Mukarram Jah, petit-fils de Mir Osman Ali Khan, lui-même dernier Nizam de l'ancienne principauté indienne d'Hyderabad. En substance, l'Union de l'Inde soutenait être devenue propriétaire desdites pièces d'or en 1950, au moment de l'unification du pays, et contestait l'acquisition d'un droit préférable par la banque, laquelle n'aurait pas été de bonne foi lors de la constitution du gage. Par jugement du 12 septembre 2002, le Tribunal de première instance a débouté la demanderesse de toutes ses conclusions. Par arrêt rendu le 16 janvier 2004 sur appel de la demanderesse, la Chambre civile de la Cour de justice du canton de Genève a confirmé le jugement de première instance. Elle a considéré dans une motivation principale que la demanderesse n'avait pas établi sa qualité de propriétaire des pièces d'or litigieuses; à titre subsidiaire, elle a considéré que même si la demanderesse avait pu établir qu'elle était propriétaire des deux pièces d'or, elle ne serait pas fondée à en exiger la restitution, dès lors que la défenderesse pouvait lui opposer un droit de gage acquis valablement. Contre cet arrêt, la demanderesse a interjeté, parallèlement à un recours de droit public, un recours en réforme au Tribunal fédéral, en invoquant notamment la violation du droit fédéral en ce sens que la défenderesse n'aurait pas pu acquérir de bonne foi un droit de gage sur les pièces d'or litigieuses et que le contrat de gage serait de toute manière nul, car ayant pour objet des antiquités exportées illicitement. Considérant que la motivation subsidiaire et indépendante de l'arrêt attaqué échappait à la critique, le Tribunal fédéral a rejeté le recours en réforme dans la mesure où il était recevable. BGE 131 III 418 S. 421
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. 2.2 2.3 2.3.1 Aux termes de l' art. 884 al. 2 CC , celui qui, de bonne foi, reçoit une chose en nantissement y acquiert un droit de gage, même si l'auteur du nantissement n'avait pas qualité d'en disposer. La bonne foi, qui s'apprécie selon les critères de l' art. 3 CC , est présumée ( art. 3 al. 1 CC ), mais le propriétaire de la chose donnée en nantissement peut renverser cette présomption en apportant la preuve que le créancier gagiste savait que le constituant n'avait pas le pouvoir de disposer de la chose (ZOBL, Berner Kommentar, vol. IV/2/5/1, 1982, n. 817 ad art. 884 CC et les références citées). Cette preuve vise un fait interne qui ne peut être établi qu'à partir de circonstances extérieures, par exemple une communication faite à l'intéressé; touchant au fait, elle ressortit exclusivement au recours de droit public (arrêt 5C.50/2003 du 13 août 2003, consid. 3.3; POUDRET, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, vol. II, 1990, n. 4.3.2 et 4.6.2 ad art. 63 OJ et les arrêts cités). Alors même que le créancier gagiste est de bonne foi, le propriétaire de la chose donnée en nantissement peut faire valoir que celui-ci est déchu du droit d'invoquer la protection légale attachée à la bonne foi parce qu'il n'a pas fait preuve de l'attention que les circonstances permettaient d'exiger de lui ( art. 3 al. 2 CC ; ZOBL, op. cit., n. 818 ad art. 884 CC et les références citées). Dans ce cas, le débat ne se place plus sur le terrain de la preuve et du fait, mais sur celui du droit à la protection de la bonne foi; cette question peut donc être revue dans un recours en réforme (arrêt 5C.50/ 2003 du 13 août 2003, consid. 3.4.1; arrêt 5C.245/2002 du 24 décembre 2002, publié in SJ 2003 I p. 444, consid. 3.2). En l'espèce, la seule question litigieuse est celle de savoir si la défenderesse, qui était de bonne foi, est déchue du droit d'invoquer la protection légale attachée à cette bonne foi parce qu'elle n'aurait pas fait preuve de l'attention que les circonstances permettaient d'exiger d'elle. Relevant du droit, cette question peut être examinée librement par le Tribunal fédéral en instance de réforme. 2.3.2 La mesure de l'attention exigée par les circonstances, au sens de l' art. 3 al. 2 CC , est largement une question d'appréciation ( art. 4 BGE 131 III 418 S. 422 CC ; ATF 122 III 1 consid. 2a/aa). Elle doit être déterminée d'après un critère objectif, c'est-à-dire indépendamment des connaissances et des aptitudes particulières de la partie (ZOBL, op. cit., n. 822 ad art. 884 CC et les références citées; BAUER, Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch II, 2 e éd. 2003, n. 133 ad art. 884 CC ). Selon une jurisprudence constante, approuvée par la doctrine, il n'existe pas de devoir général de l'acquéreur d'une chose (respectivement du créancier qui se fait remettre la chose en nantissement) de se renseigner sur le pouvoir de disposition de l'aliénateur (respectivement du constituant du gage); ce n'est que s'il existe des motifs concrets propres à soulever le doute sur ce point que l'acquéreur (respectivement le créancier gagiste) est tenu de se renseigner ( ATF 122 III 1 consid. 2a/aa et les arrêts cités; ZOBL, op. cit., n. 823 ad art. 884 CC ; BAUER, op. cit., n. 134 ad art. 884 CC ; STARK, Berner Kommentar, vol. IV/3/1, 2001, n. 50 ad art. 933 CC ; JÄGGI, Berner Kommentar, Einleitung, 1962, n. 128 ad art. 3 CC ). Un devoir d'attention accru existe cependant dans toutes les branches d'activité exposées plus particulièrement à l'offre de marchandises de provenance douteuse, comme le commerce d'antiquités; ces exigences élevées ne s'imposent pas seulement aux commerçants, le critère décisif étant la connaissance de la branche par l'acquéreur ( ATF 122 III 1 consid. 2a/bb et les arrêts cités). Même si cette jurisprudence n'impose pas un devoir général de se renseigner dans de tels cas, l'obligation de vérifier si l'aliénateur (respectivement le constituant du gage) a le pouvoir de disposer de la chose existe non seulement en cas de doutes concrets sur l'existence d'un vice juridique, mais déjà lorsqu'il y a lieu de se méfier au vu des circonstances ( ATF 122 III 1 consid. 2a/aa in fine). 2.3.3 En ce qui concerne la remise en gage de papiers-valeurs, métaux précieux, monnaies anciennes, etc. à une banque, il est admis en jurisprudence et en doctrine qu'une banque peut tenir pour honorable même un cocontractant inconnu et qu'elle n'est en principe pas tenue d'effectuer des recherches sur la provenance des biens de valeur qui lui sont remis en gage et sur le pouvoir d'en disposer, mais peut se fonder sur la présomption légale liée à la possession ( art. 930 CC ), sauf circonstances particulières justifiant des doutes ou de la méfiance ( ATF 100 II 8 consid. 4a et les arrêts cités; BAUER, op. cit., n. 139 ad art. 884 CC ; ZOBL, op. cit., n. 825 BGE 131 III 418 S. 423 ad art. 884 CC ; OFTINGER/BÄR, Zürcher Kommentar, vol. IV/2, 1981, n. 356 ad art. 884 CC ; STARK, op. cit., n. 50 ad art. 933 CC ; cf. JÄGGI, op. cit., n. 128 ad art. 3 CC ). Le degré de diligence requis de la banque est élevé et se concrétise dans l'obligation de diligence propre à l'activité bancaire (BAUER, op. cit., n. 139 ad art. 884 CC ; EMCH/RENZ/BÖSCH, Das Schweizerische Bankgeschäft, 5 e éd. 1998, p. 284; GUGGENHEIM, Les contrats de la pratique bancaire suisse, 4 e éd. 2000, p. 301; cf. THALMANN, Die Sorgfaltspflicht der Bank im Privatrecht insbesondere im Anlagegeschäft, in RDS 113/1994 II p. 115 ss, spéc. 146 ss). Si la banque, lors de l'ouverture d'un compte et de l'acceptation des sûretés, respecte les exigences de la convention relative à l'obligation de diligence des banques (dont la dernière version, du 17 janvier 2003, est publiée in Bulletin CFB 44/2003, Fascicule spécial: Lutte contre le blanchiment d'argent, p. 261 ss), qui l'oblige à identifier ses clients, ainsi que celles de l'ordonnance de la Commission fédérale des banques en matière de lutte contre le blanchiment d'argent (dont la dernière version, du 18 décembre 2002, est publiée in Bulletin CFB 44/2003 p. 35 ss), elle est autorisée à se prévaloir de sa bonne foi (BAUER, op. cit., n. 139 ad art. 884 CC ). 2.3.4 Lorsque des circonstances particulières justifiaient des doutes ou de la méfiance sur le pouvoir de disposer du constituant du gage, l'étendue des recherches auxquelles aurait dû procéder la banque se détermine d'après les circonstances de l'espèce (THALMANN, op. cit., note 84 in fine p. 148). En tous les cas, on ne peut retenir que le créancier gagiste n'a pas fait preuve de l'attention requise par les circonstances ( art. 3 al. 2 CC ) que si les démarches qu'on lui reproche de n'avoir pas entreprises lui auraient permis de découvrir l'absence du pouvoir de disposer du constituant du gage ( ATF 100 II 8 consid. 4b; ATF 122 III 1 consid. 2a in fine; BAUER, op. cit., n. 133 ad art. 884 CC ; STARK, op. cit., n. 51 ad art. 933 CC ). 2.4 (...) 2.4.4 Étant ainsi acquis que la Banque n'a pas failli à son devoir de se renseigner sur le fait que son client était bien le propriétaire des pièces d'or remises en nantissement, il reste à examiner si l'on peut lui reprocher de ne pas avoir entrepris de démarches spécifiques pour vérifier que ces pièces d'or n'avaient pas été illicitement exportées. BGE 131 III 418 S. 424 2.4.4.1 L'autorité cantonale a constaté qu'en 1972, l'Union de l'Inde a adopté une loi sur les antiquités et les trésors artistiques ("Antiquities and Art Treasures Act"), en remplacement de la loi sur le contrôle des antiquités de 1947, laquelle interdisait à toute personne d'exporter des antiquités sans l'autorisation du Gouvernement, et qui était applicable à la Principauté d'Hyderabad en vertu du "Union Territories Act" de 1950. L'interdiction d'exporter invoquée par la demanderesse découle ainsi du droit public indien, qui ne saurait trouver application hors du territoire de l'Union de l'Inde. On peut se référer à cet égard à un célèbre arrêt Attorney General of New Zealand v. Ortiz and others , dans lequel la Cour d'appel anglaise, et à sa suite la Chambre des Lords, avait en 1982 rejeté une demande en revendication de la Nouvelle-Zélande sur des figures maories exportées en violation du "New Zealand Historic Articles Act", en constatant qu'une telle loi de droit public ne pouvait se voir reconnaître une application extraterritoriale (cf. HANISCH, Internationalprivatrechtliche Fragen im Kunsthandel, in Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, Baden-Baden 1986, p. 193 ss, 204 s.). Il n'en va pas différemment en Suisse, car aucun État n'est tenu, sous réserve d'accords internationaux, d'appliquer des règles de droit public étrangères à l'intérieur de ses frontières (SIEHR, Das Sachenrecht der Kulturgüter, Kulturgütertransfergesetz und das schweizerische Sachenrecht, in Aktuelle Aspekte des Schuld- und Sachenrechts, Festschrift für Heinz Rey zum 60. Geburtstag, 2003, p. 127 ss, 137; WEBER, Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer, in RDS 123/2004 I p. 495 ss, 503). Par ailleurs, lors de la remise en nantissement des pièces d'or litigieuses en août 1988, aucune convention internationale visant à interdire l'importation et l'exportation illicites de biens culturels ainsi que le transfert de propriété de biens culturels illicitement exportés n'était en vigueur pour la Suisse, qui ne connaissait pas non plus de loi nationale réglant l'importation et l'exportation des biens culturels (cf. consid. 3.2.2 infra). 2.4.4.2 De toute manière, il convient de souligner qu'en droit suisse, la bonne foi permettant au créancier gagiste d'acquérir un droit de gage sur la chose donnée en nantissement, même si l'auteur du nantissement n'avait pas qualité d'en disposer ( art. 884 al. 2 CC ), se rapporte exclusivement au pouvoir de disposition du constituant du gage (cf. consid. 2.3 supra). Ce pouvoir de disposer de la chose, au sens des droits réels, découle du droit de propriété - BGE 131 III 418 S. 425 le propriétaire d'une chose ayant le pouvoir d'en disposer librement ( art. 641 al. 1 CC ) et donc de la grever (ZOBL, op. cit., n. 730 ad art. 884 CC et les références citées) - et est indépendant du point de savoir si la chose a été exportée d'un pays étranger en violation de la législation de droit public de ce pays en matière d'exportation de biens culturels. La demanderesse ne peut rien tirer à cet égard de l'art. 4 § 2 de la résolution de l'Institut de Droit international concernant la vente internationale d'objets d'art sous l'angle de la protection du patrimoine (publiée in IPRax 1991 p. 432), qui prévoit que lorsque des objets d'art appartenant au patrimoine culturel d'un pays ont été exportés du pays d'origine en violation de la législation de ce pays en matière d'exportation de biens culturels, le possesseur ne peut invoquer la présomption de la bonne foi. En effet, cette résolution, adoptée par une association scientifique privée, ne constitue - comme cela ressort d'ailleurs de son préambule - qu'une proposition faite aux États pour le développement de leur droit interne, y compris les règles de droit international privé. Or le principe énoncé à son art. 4 § 2 - qui prévoit au demeurant que le pays d'origine devrait accorder une indemnité équitable au possesseur qui aura prouvé sa bonne foi - n'a pas à ce jour trouvé d'écho en droit positif suisse. Au surplus, la résolution en question a été adoptée le 3 septembre 1991 et, comme souligné dans son préambule et à son art. 1 er § 3, elle ne saurait affecter une situation antérieure à son adoption. (...) 3. (...) 3.2 Reprenant l'argumentation déjà développée devant la Cour de justice, la demanderesse conteste la validité du contrat de gage au motif qu'il porterait sur un objet exporté illicitement selon le droit indien, lequel devrait être pris en considération par le juge suisse en application de l' art. 19 LDIP ou en vertu de l'ordre public universel, ce qui rendrait le contrat nul de plein droit. 3.2.1 La demanderesse se plaint d'une violation du droit indien en ce qui concerne la validité des contrats portant sur un objet illicitement exporté, ainsi que du fait que la Cour de justice aurait mal appliqué le droit indien en laissant entendre que selon ce droit, les pièces n'avaient pas été illicitement exportées de l'Union de l'Inde. Ces griefs sont irrecevables en instance de réforme. En effet, la BGE 131 III 418 S. 426 motivation par laquelle l'autorité cantonale a retenu que la loi indienne contre les exportations illicites d'antiquités n'impose pas d'elle-même le principe de la nullité du contrat portant sur de tels objets relève de l'application du droit étranger, qui ne peut être revue dans le cadre du présent recours en réforme ( art. 43a al. 2 OJ a contrario); la demanderesse n'a d'ailleurs pas soulevé de grief sur ce point dans son recours de droit public connexe. De même, la constatation de la cour cantonale selon laquelle il n'a pas été établi par la procédure pénale indienne que les pièces d'or auraient été illégalement transportées en Suisse lie le Tribunal fédéral en instance de réforme ( art. 63 al. 2 OJ ); elle n'a au demeurant pas non plus été critiquée par la demanderesse dans son recours de droit public connexe. Or du moment qu'il n'est pas établi que les pièces d'or auraient été illégalement transportées en Suisse et qu'au surplus, la loi indienne n'impose pas la nullité d'un contrat de gage portant sur des antiquités exportées illicitement, même l'application du droit indien par le biais de l' art. 19 LDIP ne saurait conduire à retenir la nullité du contrat de gage portant sur les pièces d'or litigieuses. Cela étant, la cour cantonale pouvait à bon droit retenir que le contrat de gage conclu entre la défenderesse et Crestalor Services SA, soumis au droit suisse, n'est frappé de nullité ni au regard du droit suisse, qui lui est en principe seul applicable, ni au regard de dispositions impératives du droit indien qui pourraient être prises en considération en vertu de l' art. 19 LDIP . Au surplus, on ne voit pas que des intérêts légitimes et manifestement prépondérants au regard de la conception suisse du droit exigent de prendre en considération, au sens de l' art. 19 al. 1 LDIP , la loi indienne contre les exportations illicites d'antiquités. Ainsi qu'il a été dit plus haut (cf. consid. 2.4.4.1 supra), la Suisse n'est pas tenue, sous réserve d'accords internationaux, d'appliquer des règles de droit public étrangères à l'intérieur de ses frontières. On verra ci-après (cf. consid. 3.2.2 infra) que, depuis la ratification de la convention de l'UNESCO de 1970 sur l'importation, l'exportation et le transfert de propriété illicites des biens culturels, convention mise en oeuvre en droit interne par la loi fédérale du 20 juin 2003 sur le transfert international des biens culturels, les règles d'un pays étranger sur l'exportation des biens culturels peuvent être prises en considération dans le cadre d'une action en retour intentée par l'État d'origine, qui fait ainsi valoir des prétentions de BGE 131 III 418 S. 427 droit public (cf. SIEHR, op. cit., p. 139). Il n'y a en revanche pas lieu de prendre en considération de telles dispositions de droit public d'un pays étranger dans le cadre d'une action en revendication de droit privé, ainsi qu'on le verra plus loin (cf. consid. 3.2.3 infra). 3.2.2 La demanderesse soutient que selon la doctrine, le juge suisse doit prendre en compte la législation par laquelle un pays étranger protège ses biens culturels en vertu de l'ordre public universel, dont l'expression peut être trouvée dans les deux conventions de l'UNESCO et d'Unidroit. Par conséquent, un contrat de nantissement ayant pour objet des biens culturels volés ou à tout le moins exportés illicitement devrait être considéré comme nul selon l'ordre juridique suisse et plus particulièrement selon les art. 19 et 20 CO . Il s'ensuivrait, selon la demanderesse, que la Banque n'aurait pu, même de bonne foi, acquérir de droit de gage sur les deux pièces d'or litigieuses et devrait les restituer à l'Union de l'Inde. Cette argumentation ne saurait être suivie, pour les raisons suivantes: Il est incontesté que la convention d'Unidroit du 24 juin 1995 sur les biens culturels volés ou illicitement exportés, signée par la Suisse le 26 juin 1996, n'a pas été ratifiée et qu'au demeurant, son art. 10 exclut toute rétroactivité (LALIVE, La Convention d'UNIDROIT sur les biens culturels volés ou illicitement exportés, in RSDIE 1997 p. 13 ss, 47; cf. le texte de cette convention in RSDIE 1997 p. 57 ss). Quant à la convention de l'UNESCO du 14 novembre 1970 concernant les mesures à prendre pour interdire et empêcher l'importation, l'exportation et le transfert de propriété illicites des biens culturels, elle a été approuvée par l'Assemblée fédérale le 12 juin 2003 et est entrée en vigueur pour la Suisse le 3 janvier 2004; son art. 7 exclut toute rétroactivité (RO 2004 p. 2879 ss; RS 0.444.1). Au surplus, cette convention n'est pas self-executing et ne crée ni droits ni obligations directement applicables pour les individus; l'adoption d'une législation nationale d'application est indispensable pour donner effet aux droits et obligations qu'elle contient (GEISINGER-MARIÉTHOZ, Le projet de ratification par la Suisse de la Convention de l'UNESCO de 1970 sur l'importation, l'exportation et le transfert de propriété illicites des biens culturels, in RDS 119/2000 I p. 273 ss, 285 et 288). En Suisse, l'Assemblée fédérale a ainsi adopté le 20 juin 2003 la loi fédérale sur le transfert international des biens culturels (LTBC; FF 2003 p. 4019 ss; RO 2005 p. 1869 ss; RS 444.1), dont le Consei BGE 131 III 418 S. 428 lfédéral a fixé l'entrée en vigueur au 1 er juin 2005 (RO 2005 p. 1881). Toutefois, l'art. 33 de cette loi exclut lui aussi expressément toute rétroactivité. Il s'avère ainsi qu'aucune des conventions invoquées par la demanderesse n'est applicable ratione temporis aux faits qui sont à la base du présent litige, les principes qu'elles contiennent étant seulement sur le point, plus de quinze ans après la remise en nantissement des pièces d'or litigieuses à la défenderesse, d'être formellement intégrés à l'ordre juridique suisse. Le Tribunal fédéral a certes admis, dans le cadre d'une requête d'entraide internationale en matière pénale, que les normes de la convention de l'UNESCO et de la convention d'Unidroit, qui relèvent d'une commune inspiration, constituent l'expression d'un ordre public international en vigueur ou en formation; il a toutefois relevé dans le même temps que ces normes préservaient les intérêts légitimes du possesseur de bonne foi ( ATF 123 II 134 consid. 7c). Quant à la doctrine, dont la demanderesse fait grand cas, les commentateurs de l' art. 100 LDIP soulignent que le problème de la restitution à l'État d'origine des biens culturels illicitement exportés relève du droit public et des conventions internationales plutôt que du droit international privé. Ils envisagent certes l'hypothèse que le possesseur devenu propriétaire selon le droit déclaré applicable voie son droit s'incliner devant le droit de l'État dépossédé, en vertu d'un ordre public international (DUTOIT, Commentaire de la loi fédérale du 18 décembre 1987, 3 e éd. 2001, n. 10 ad art. 100 LDIP ; HEINI, Zürcher Kommentar zum IPRG, 2 e éd. 2004, n. 29 ss ad art. 100 LDIP ; FISCH, Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 1996, n. 59 ad art. 100 LDIP ), mais cela ne saurait en aucun cas conduire à faire fi des droits réels acquis de bonne foi par le possesseur du bien illicitement exporté (cf. HEINI, op. cit., n. 31 ad art. 100 LDIP et les références citées). 3.2.3 La manière dont la convention de l'UNESCO de 1970 sur l'importation, l'exportation et le transfert de propriété illicites des biens culturels a entre-temps été mise en oeuvre, par la loi fédérale du 20 juin 2003 sur le transfert international des biens culturels, confirme que la question de l'exportation illicite de biens culturels ne doit pas être appréhendée à travers les mécanismes du droit international privé, mais à travers la reconnaissance de prétentions de droit public reposant sur la conclusion de conventions internationales. BGE 131 III 418 S. 429 En effet, la Suisse a mis en oeuvre ses obligations découlant de l'art. 7 de la convention de l'UNESCO en prévoyant dans la loi sur le transfert international des biens culturels un mécanisme d'actions en retour de biens culturels illicitement exportés. Selon l' art. 9 al. 1 LTBC , quiconque possède un bien culturel qui a été importé illicitement en Suisse (au sens de l' art. 2 al. 5 LTBC ) peut faire l'objet d'une action en retour de l'État d'où ce bien a été illicitement exporté. Le système de l'action en retour repose sur la conclusion, avec des États parties à la convention de l'UNESCO, d'accords portant sur l'importation et le retour des biens culturels, aux conditions strictes de l' art. 7 LTBC (SIEHR, op. cit., p. 137; Fischer/ BIRRER, Grundzüge des Kulturgütertransfergesetzes, in L'expert-comptable suisse 2005 p. 287 ss, 289). Ainsi, la Suisse satisfait à ses obligations découlant de l'art. 7 de la convention de l'UNESCO en s'engageant, par des accords bilatéraux, à accorder le retour de biens culturels importants pour le patrimoine culturel de l'État concerné qui ont été exportés illicitement (SIEHR, op. cit., p. 137). Ce droit au retour a une incidence sur la position juridique de l'acquéreur du bien culturel exporté illicitement: même s'il est devenu propriétaire du bien en question selon la lex rei sitae applicable - l'ayant acquis de son propriétaire ou l'ayant acquis de bonne foi d'une personne qui n'avait pas qualité d'en disposer -, il doit restituer le bien à l'État d'origine (SIEHR, op. cit., p. 137). Toutefois, celui qui doit restituer un bien culturel qu'il avait acquis de bonne foi - la question étant ici de savoir si l'acquéreur savait ou aurait dû raisonnablement savoir que le bien culturel avait été illicitement exporté (cf. art. 6 al. 1 et 2 de la convention d'Unidroit) - a droit au versement d'une indemnité équitable ( art. 9 al. 5 LTBC ). Par le système qui vient d'être décrit, la Suisse satisfait à ses obligations internationales en matière de lutte contre l'exportation illicite de biens culturels en reconnaissant, à des conditions précises, la prétention de droit public d'un État étranger au retour sur son territoire d'un bien culturel illicitement exporté. C'est dans ce seul cadre que l'application des règles de droit public d'un État étranger sur l'exportation des biens culturels peut conduire à la restitution, à l'État d'origine, d'un bien culturel illicitement exporté dont la propriété a été valablement transférée - ou qui a été valablement grevé d'un droit de gage - au regard des normes de droit privé applicables. L'exportation illicite d'un bien culturel selon le droit BGE 131 III 418 S. 430 public de l'État d'origine ne saurait en revanche affecter la validité, sur le plan du droit privé, du transfert de la propriété du bien en question ou de la constitution d'un droit de gage sur ce bien. C'est d'ailleurs précisément pour cela qu'il a fallu mettre en place, sur la base de la convention de l'UNESCO, un système d'actions en retour permettant de faire droit aux prétentions de droit public de l'État d'origine en dehors des mécanismes du droit international privé.
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Sachverhalt ab Seite 322 BGE 137 V 321 S. 322 A. Die Personalfürsorgestiftung der X. AG bezahlte im Jahr 2008 in die (dem BVG unterstehende) Personalvorsorgestiftung der X. AG zu Gunsten einer aktiven Kadermitarbeiterin Deckungskapital ein und erbrachte eine Kapitalleistung an einen im Ruhestand befindlichen Kadermitarbeiter. Durch diese freiwilligen Zuwendungen sollten die jeweiligen Altersleistungen verbessert werden. Gestützt auf eine Arbeitgeberkontrolle bei der X. AG verfügte die Ausgleichskasse des Kantons Nidwalden am 14. Dezember 2009 die Nachzahlung von Beiträgen in der Höhe von insgesamt Fr. 83'077.80 zuzüglich Verzugszinsen von Fr. 3'969.25. Auf Einsprache hin hielt die Ausgleichskasse mit Entscheid vom 31. März 2010 an der Verfügung fest. B. Die von der X. AG erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden mit Entscheid vom 22. November 2010 ab. C. Die X. AG führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, die Beschwerde sei gutzuheissen und der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben. Zudem seien der BGE 137 V 321 S. 323 Einspracheentscheid sowie die Nachzahlungs- und Verzugszinsverfügungen der Ausgleichskasse aufzuheben. Die Beschwerdegegnerin habe der X. AG den (im Lastschriftverfahren per 7. Januar 2010 belasteten) Gesamtbetrag von Fr. 87'047.05 zuzüglich 5 Prozent Verzugszins zurückzuzahlen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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229
Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Streitgegenstand bildet die Frage, ob die Vorinstanz die Einlage einer patronalen Personalfürsorgestiftung (vgl. BGE 117 V 214 ) in die Personalvorsorgestiftung zugunsten einer Kadermitarbeiterin sowie die an einen ehemaligen Kadermitarbeiter ausbezahlte Kapitalleistung zu Recht als massgebenden Lohn im Sinne von Art. 5 Abs. 2 AHVG qualifiziert hat. 1.2 1.2.1 Vom Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit (massgebender Lohn) werden paritätisch Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge erhoben ( Art. 5 und 12-14 AHVG ). Als massgebender Lohn gilt jedes Entgelt für in unselbständiger Stellung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geleistete Arbeit (Art. 5 Abs. 2 erster Satz AHVG). Gestützt auf Art. 5 Abs. 4 AHVG kann der Bundesrat Sozialleistungen sowie anlässlich besonderer Ereignisse erfolgende Zuwendungen eines Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer vom Einbezug in den massgebenden Lohn ausnehmen. Der Bundesrat hat von dieser Befugnis in den Art. 6 ff. AHVV (SR 831.101) Gebrauch gemacht. 1.2.2 Gemäss Art. 6 Abs. 2 lit. h AHVV werden reglementarische Leistungen von Einrichtungen der beruflichen Vorsorge vom massgebenden Lohn ausgenommen, wenn der Begünstigte bei Eintritt des Vorsorgefalles oder bei Auflösung der Vorsorgeeinrichtung die Leistungen persönlich beanspruchen kann (dazu JÜRG BRECHBÜHL, Beiträge und Einlagen in die berufliche Vorsorge, in: Festschrift "25 Jahre BVG", Stauffer [Hrsg.], 2009, S. 40 ff.). Weil die patronalen Wohlfahrtsfonds in der Regel nur freiwillige (Ermessens-) Leistungen ausrichten, auf die kein Rechtsanspruch besteht (unten E. 3.1), werden diese in der Regel zum Beitragssubstrat gezählt. Art. 6 Abs. 2 lit. h AHVV kommt nur zum Tragen, sofern ein Stiftungsreglement - entgegen der Regel - einklagbare Leistungsansprüche vorsieht oder eine entsprechende vertragliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegeben ist (Urteil des Eidg. BGE 137 V 321 S. 324 Versicherungsgerichts H 32/04 vom 6. September 2004 E. 4.1.1, in: AHI 2004 S. 253). 1.2.3 Nicht zum massgebenden Lohn gehören nach Art. 8 lit. a AHVV reglementarische Beiträge des Arbeitgebers an Vorsorgeeinrichtungen, welche die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach dem Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) erfüllen (dazu die Erläuterungen zu den Änderungen der AHVV auf den 1. Januar 1997, AHI 1996 S. 270 ff.; Bundesamt für Sozialversicherungen, Wegleitung über den massgebenden Lohn [WML] in der AHV, IV und EO [Stand 1. Januar 2011] Rz. 2166; BRECHBÜHL, a.a.O., S. 44). Unter dem Titel von Art. 8 lit. a AHVV sind von der (AHV-rechtlichen) Beitragspflicht nur Vorsorgebeiträge befreit, welche der Arbeitgeber gestützt auf ihm grundsätzlich entzogene, jedenfalls nicht ad hoc im Einzelfall abänderbare normative Grundlagen schuldet. Dabei kann es sich um regelmässige, periodische oder allenfalls anlässlich einer vorzeitigen Pensionierung anfallende Einlagen handeln ( BGE 136 V 16 E. 5.2.3.1 S. 22; BGE 133 V 556 E. 7.4 S. 561 und E. 7.6 S. 562). Reglementarisch (oder statutarisch) geschuldet sind Beiträge des Arbeitgebers an Vorsorgeeinrichtungen nicht schon dann, wenn das Reglement eine Einlage des Arbeitgebers zulässt; es muss sie für eine bestimmte, im Arbeitsverhältnis begründete Situation vorschreiben (Urteil H 32/04 vom 6. September 2004 E. 4.2, in: AHI 2004 S. 253; Urteil 9C_52/2008 vom 23. Mai 2008 E. 4.4.3; vgl. BGE 133 V 556 S. 562). Beiträge patronaler Wohlfahrtsfonds sind grundsätzlich ohne Weiteres solchen des Arbeitgebers gleichzustellen. Leistet somit ein Wohlfahrtsfonds anstelle des von der Vorsorgeeinrichtung reglementarisch hierzu verpflichteten Arbeitgebers, so gehören diese Vorsorgebeiträge unter dem Titel des Art. 8 lit. a AHVV nicht zum massgebenden Lohn. 1.3 Das kantonale Gericht geht - in Übereinstimmung mit einem Teil der Lehre - davon aus, die in Frage stehende Leistung der Personalfürsorgestiftung an die Personalvorsorgestiftung zur Verbesserung des Deckungskapitals sowie die Kapitalleistung an einen ehemaligen Mitarbeiter charakterisierten sich als Lohnzahlungen. In einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise seien Leistungen wie die hier in Frage stehende, obwohl von einem anderen Rechtssubjekt erbracht, dem Arbeitgeber zuzurechnen. Folglich seien darauf AHV-Beiträge geschuldet. Ein Ausnahmetatbestand nach Art. 6 Abs. 2 lit. h oder Art. 8 lit. a AHVV sei nicht gegeben. BGE 137 V 321 S. 325 Die Beschwerdeführerin vertritt demgegenüber die Auffassung, eine Geldleistung unterstehe nach Art. 5 Abs. 2 AHVG nur dann der Beitragspflicht, wenn es sich beim Entrichter dieser Geldleistung um den Arbeitgeber der begünstigten Person handle. Hier stammten die Geldleistungen von dritter Seite, nämlich von der Personalfürsorgestiftung, und nicht vom Arbeitgeber. 1.4 Zur Begründung ihres Rechtsstandpunktes stützt sich die Beschwerdeführerin auf das Urteil des Bundesgerichts 9C_435/2008 vom 21. Oktober 2008. Nach diesem in Dreierbesetzung ergangenen, nicht in der Amtlichen Sammlung publizierten Entscheid stellt die Übernahme versicherungstechnischer Kosten (Deckungskapital) zur Vermeidung von Rentenkürzungen bei vorzeitiger Pensionierung durch einen patronalen Wohlfahrtsfonds nicht massgebenden Lohn gemäss Art. 5 Abs. 2 AHVG dar. Ausgehend davon, dass dieser Begriff an das Arbeitsverhältnis anknüpft, erkannte das Gericht, es bestehe kein Raum für die Annahme, beitragspflichtige Entgelte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit lägen auch dann vor, wenn sie nicht vom Arbeitgeber, sondern von einer Drittperson, namentlich einer vom Arbeitgeber zu unterscheidenden Vorsorgeeinrichtung, erbracht werden; dies gelte auch mit Bezug auf einen patronalen Wohlfahrtsfonds (E. 3.2). In Bezug auf die Beitragsfreiheit reglementarischer Leistungen von Einrichtungen der beruflichen Vorsorge im Sinne von Art. 6 Abs. 2 lit. h AHVV hielt das Bundesgericht dafür, diese Ausnahme greife ungeachtet dessen, dass ein patronaler Wohlfahrtsfonds in besonderen Fällen Leistungen ohne festen Plan und nach dem Ermessen der Stiftungsverwaltung erbringt. Die Ausnahme reglementarischer Leistungen (namentlich von Renten aus obligatorischer und weitergehender beruflicher Vorsorge) vom Begriff des Erwerbseinkommens in Art. 6 Abs. 2 lit. h AHVV bedeute nicht, dass umgekehrt alle Leistungen einer Vorsorgeeinrichtung, eines Wohlfahrtsfonds oder einer anderen vorsorgeähnlichen Einrichtung auch ohne entsprechende gesetzliche Grundlage der Beitragspflicht unterliegen. Eine Rechtsgrundlage für die Erfassung solcher Zahlungen als massgebenden Lohn könne nicht mittels eines Umkehrschlusses gefunden werden; erforderlich wäre stattdessen eine positive gesetzliche Regelung (E. 3.3). 2. Im vorliegenden Streitfall stellt sich zunächst die gleiche Rechtsfrage wie im zitierten Urteil 9C_435/2008. So wie dort die Übernahme der versicherungstechnischen Kosten einer vorzeitigen Pensionierung der Beseitigung des dadurch entstandenen Mankos im Deckungskapital der beruflichen Vorsorge gedient hatte, sollten BGE 137 V 321 S. 326 durch die hier zu beurteilenden freiwilligen Zuwendungen "Vorsorgelücken" nachträglich geschlossen werden (Sitzungsprotokoll des Stiftungsrates der Personalfürsorgestiftung vom 19. Dezember 2008). Zu prüfen ist, ob die Ausnahme solcher Tatbestände von der Beitragspflicht bestätigt werden kann. 2.1 Nach Art. 5 Abs. 2 AHVG entsteht eine Beitragsschuld grundsätzlich überall dort, wo Arbeit entgolten wird. Dementsprechend bilden nach gefestigter Rechtsprechung sämtliche Bezüge der Arbeitnehmerin und des Arbeitnehmers, die wirtschaftlich mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängen, beitragspflichtiges Einkommen. Unerheblich ist, ob das Arbeitsverhältnis andauert oder abgelaufen ist und ob die Leistungen geschuldet werden oder freiwillig erfolgen. Als beitragspflichtiges Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit gilt somit nicht nur unmittelbares Entgelt für geleistete Arbeit, sondern grundsätzlich jede Entschädigung oder Zuwendung, die sonst wie aus dem Arbeitsverhältnis bezogen wird, soweit sie nicht kraft ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift davon ausgenommen ist ( BGE 133 V 556 E. 4 S. 558 mit Hinweis). Ist also eine wirtschaftlich mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängende Leistung gegeben, so bedarf deren allfällige Beitragsfreiheit angesichts der Generalklausel von Art. 5 Abs. 2 erster Satz AHVG einer besonderen Rechtsgrundlage. 2.2 2.2.1 Die auf den wirtschaftlichen Vorgang abstellende Betrachtungsweise legt eine objektbezogene Definition des massgebenden Lohnes nahe, zumal Art. 5 Abs. 2 AHVG die Rechtssubjekte Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwähnt. Seit Einführung der Alters- und Hinterlassenenversicherung im Jahr 1948 kam es für die Bestimmung des Beitragssubstrates nicht darauf an, wer das Entgelt bezahlt, sondern allein darauf, ob die Ausrichtung der geldwerten Leistung im Arbeitsverhältnis wirtschaftlich hinreichend begründet ist (zur einschlägigen Rechtsprechung unten E. 2.2.3; vgl. auch die Vertiefte Stellungnahme des Bundesrates vom 17. August 1994 zur Parlamentarischen Initiative Sozialversicherungsrecht, BBl 1994 V 932; Bericht der Kommission des Nationalrates für soziale Sicherheit und Gesundheit vom 26. März 1999, BBl 1999 4550; PAUL CADOTSCH, Wird der AHV-massgebende Lohn durch die Auszahl- und Zahladresse beeinflusst-, SZS 2009 S. 9 und 13). 2.2.2 Eine subjektbezogene Betrachtungsweise würde Umgehungsmöglichkeiten Tür und Tor öffnen in dem Sinne, dass eine im Arbeitsverhältnis begründete Entschädigung oder Zuwendung einzig BGE 137 V 321 S. 327 mit Blick auf die Beitragsordnung über einen Dritten ausbezahlt wird ( BGE 102 V 152 E. 3 S. 155). Nach Auffassung des Bundesrates besteht die Gefahr, dass die Beitragspflicht systematisch umgangen werde, wenn Ermessensleistungen patronaler Wohlfahrtsfonds vom massgebenden Lohn nach Art. 5 Abs. 2 AHVG ausgeklammert blieben. Damit würde auch das Gebot der Gleichbehandlung verletzt (Antworten des Bundesrates vom 8. Dezember 2006 auf die Interpellation 06.3562 der Fraktion der SVP sowie vom 9. März 2007 auf die Motion 06.3802 von Nationalrat Caspar Baader; vgl. GROB/HIRT, Wohlfahrtsfonds aus Sicht der AHV, Schweizer Personalvorsorge [SPV] 3/2009 S. 80). Dem wird entgegengehalten, derartige Vorkehren seien vorsorgerechtlich unzulässig; so sei auch auf vorsorgerechtlichem Weg zu verhindern, dass Arbeitgeber für Arbeitnehmer bestimmte Mittel in einen patronalen Wohlfahrtsfonds einbringen mit der Auflage an diesen, die Zuwendung "zeitnah in einer bestimmten Art an einen bestimmten Arbeitnehmenden weiterzugeben" (FRANZISKA BUR BÜRGIN, Wohlfahrtsfonds - Vorsorgeeinrichtungen im luftleeren Raum-, in: Festschrift "25 Jahre BVG", Stauffer [Hrsg.], 2009, S. 78 f.). Die in diesem Zusammenhang naheliegende Überlegung, eine Qualifikation von Leistungen patronaler Wohlfahrtsfonds als massgebenden Lohn sei zur Verhinderung von Beitragsumgehungen nicht erforderlich und verletze mithin das Verhältnismässigkeitsprinzip, schlägt nicht durch. Der Kreis beitragspflichtiger Objekte kann von vornherein nicht anhand einer Zweck-Mittel-Abwägung mit dem Ziel einer schonenden Rechtsausübung bestimmt werden, wo, wie hier, die Beitragspflicht nach der objektbezogenen Konzeption des Art. 5 Abs. 2 AHVG grundsätzlich besteht. 2.2.3 Es gibt keinen Grund, die seit jeher gültige Rechtsprechung zu ändern, wonach Leistungen, die nicht vom Arbeitgeber selber, sondern von seiner Fürsorgeeinrichtung erbracht werden, grundsätzlich ebenfalls zum massgebenden Lohn gehören (EVGE 1952 S. 178; Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts H 240/53 vom 29. Oktober 1953, in: ZAK 1953 S. 458, und H 8/94 vom 10. Februar 1995, in: AHI 1995 S. 147). In diesem Sinne führte das Eidg. Versicherungsgericht bereits in einem frühen Entscheid aus, selbst wenn man von der wirtschaftlich engen Verflechtung eines Fürsorgefonds, welcher für die Arbeitgeberfirma Löhne ausgerichtet hatte, mit dieser Firma absehen wollte, "so wäre die Situation kaum anders, als wenn ein Gönner ihr geholfen hätte, die Lohnforderungen jener Arbeitnehmer zu begleichen" (ZAK 1953 S. 460 f.). Erhalten BGE 137 V 321 S. 328 demnach Arbeitnehmer von einem Dritten Vergünstigungen, die ihrer Natur nach als Arbeitgeberleistungen zu qualifizieren sind (verbilligte Abgabe von Aktien durch die Muttergesellschaft an Angestellte der Tochtergesellschaft), so ist ihr Arbeitgeber dafür beitragspflichtig ( BGE 102 V 152 E. 3 S. 155; vgl. auch Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H 38/84 vom 18. August 1986 E. 3, in: ZAK 1987 S. 31). 2.3 Der wirtschaftliche Bezug der hier interessierenden Leistungen zu den jeweiligen Arbeitsverhältnissen steht ausser Frage. Zur Annahme eines tatsächlichen wirtschaftlichen Zusammenhangs genügt der unbestrittene Umstand, dass der während der Erwerbstätigkeit erworbene Vorsorgeschutz von Angehörigen des Kaders nachträglich verbessert werden sollte. Da nur der kausale Zusammenhang zwischen dem Arbeitsverhältnis und der Zuwendung zählt, ist nicht einmal entscheidend, dass die patronale Wohlfahrtsstiftung im alleinigen Einflussbereich der Stifterfirma liegt (vgl. Art. 7 der Stiftungsurkunde der Personalfürsorgestiftung vom 18. Juli 1984). Insofern gelten andere Voraussetzungen als bei der - mit Urteil 9C_804/2010 vom 20. Dezember 2010 bejahten - Frage, ob das zu hundert Prozent durch den Arbeitgeber finanzierte Vermögen einer patronalen Stiftung als Arbeitgeberbeitragsreserve nach Art. 331 Abs. 3 OR verbucht werden darf (in: SVR 2011 BVG Nr. 20 S. 74). Entsprechend ist der Umstand, dass die für die Zuwendungen verwendeten Mittel aus besonderen Überweisungen der Stifterfirma an die Personalfürsorgestiftung stammen (Protokoll der Sitzung des Stiftungsrates vom 19. Dezember 2008, S. 5 und 7), bezeichnend, aber nicht ausschlaggebend für die Qualifizierung als massgebenden Lohn. 3. 3.1 Nach dem Gesagten sind Zuwendungen patronaler Wohlfahrtsfonds - der objektbezogenen Betrachtungsweise ( Art. 5 Abs. 2 AHVG ) folgend - grundsätzlich in gleicher Weise beitragspflichtig, wie wenn sie vom Arbeitgeber stammten. Gemäss Art. 6 Abs. 2 lit. h und Art. 8 lit. a AHVV sind nur reglementarische Leistungen (der Wohlfahrtsfonds als Vorsorgeeinrichtungen) und reglementarische Beiträge (der Wohlfahrtsfonds an nach Art. 56 lit. e DBG und Art. 80 Abs. 2 BVG [SR 831.40] steuerbefreite Vorsorgeeinrichtungen) von der Beitragspflicht auszunehmen (vgl. oben E. 1.2.2 und 1.2.3). Nicht dem Freizügigkeitsgesetz unterstehende (vgl. Art. 1 Abs. 2 FZG [SR 831.42]; CHRISTINA RUGGLI-WÜEST, Wohlfahrtsfonds heute: Ein Auslaufmodell, oder...-, in: BVG-Tagung 2009, Schaffhauser/Stauffer [Hrsg.], S. 159) patronale Wohlfahrtsfonds erbringen BGE 137 V 321 S. 329 indessen Ermessens leistungen ohne Versicherungscharakter (HERMANN WALSER, Weitergehende berufliche Vorsorge, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 2097 Rz. 4 und S. 2120 Rz. 104 f.; RIEMER/RIEMER-KAFKA, Das Recht der beruflichen Vorsorge, 2. Aufl. 2006, S. 37; BUR BÜRGIN, a.a.O., S. 76 Fn. 130; RUGGLI-WÜEST, a.a.O., S. 182 f.). Mit Leistungen patronaler Wohlfahrtsfonds verhält es sich insoweit gleich wie mit (direkten) Sozialleistungen des Arbeitgebers, welche von der prinzipiellen Beitragspflicht auch nur ausgenommen sind, soweit der Grundsatz kraft einer Ausnahmebestimmung in der Verordnung - namentlich Art. 8, 8 bis oder 8 ter AHVV - durchbrochen wird ( Art. 5 Abs. 4 AHVG ; vgl. BGE 133 V 556 ). Der Verordnungsgeber zog somit im Wesentlichen eine Trennlinie zwischen auf einklagbaren Rechtsansprüchen beruhenden, im Wesentlichen versicherungsmässigen Leistungen einerseits, die generell beitragsbefreit sind, und (unmittelbar) im Arbeitsverhältnis begründeten Ermessensleistungen anderseits, die beitragspflichtig sind, soweit keine Ausnahmebestimmung anwendbar ist (GROB/HIRT, a.a.O., S. 80). 3.2 Patronale Wohlfahrtsfonds werden etwa zur Ausrichtung von Zusatzleistungen im Vorsorgefall, zur Auszahlung von Überbrückungsrenten bei vorzeitigen Pensionierungen, zur Gewährung von Teuerungsausgleich auf laufenden Renten oder zur Finanzierung von Sozialplänen eingesetzt. Weiter dienen sie - im Sinne sogenannter Finanzierungsstiftungen -, falls statutarisch vorgesehen, als Reserve für Arbeitgeberbeiträge (WALSER, a.a.O., S. 2097 Rz. 5 und S. 2120 Rz. 105 f.; derselbe , Ein vorsorgerechtlicher Spezialfall: der patronale Wohlfahrtsfonds, in: Soziale Sicherheit - Soziale Unsicherheit, Riemer-Kafka/Rumo-Jungo [Hrsg.], 2010, S. 968 und 976;CARL HELBLING, Personalvorsorge und BVG, 7. Aufl. 2000, S. 188); mitunter finanzieren sie etwa auch vorzeitige Pensionierungen durch Einlagen in Vorsorgeeinrichtungen aus (RUGGLI-WÜEST, a.a.O., S. 160). Unter Hinweis auf die sozialpolitische Bedeutung der patronalen Wohlfahrtsfonds wird in der Lehre geltend gemacht, Angst vor Missbrauch, also davor, dass Zahlungen, die effektiv als Lohnzahlungen des Arbeitgebers zu qualifizieren sind, in freiwillige Leistungen einer Vorsorgeeinrichtung umfunktioniert werden, dürfe die Zukunft dieser Institute nicht gefährden (WALSER, Ein vorsorgerechtlicher Spezialfall, a.a.O., S. 975; vgl. auch BUR BÜRGIN, a.a.O., S. 78 f.; RUGGLI-WÜEST, a.a.O., S. 174 ff. und 184 f.). Dementsprechend wurde das Urteil 9C_435/2008 vom 21. Oktober 2008 vielerorts begrüsst; der Entscheid gelte als wichtige Grundlage für die BGE 137 V 321 S. 330 Aufrechterhaltung patronaler Wohlfahrtsfonds (ALAIN MAILLARD, Le salaire déterminant AVS: morceaux choisis II, Questions de droit Nr. 65 2010 S. 9 f.; JACQUES-ANDRÉ SCHNEIDER, Attributions volontaires de prévoyance de l'employeur: fiscalité et cotisations AVS/AI, SZS 2009 S. 446; HERBERT WOHLMANN, Juristisch, ethisch und historisch richtig entschieden, SPV 8/2009 S. 85 f.; BUR BÜRGIN/MOSER, Aus dem "Würgegriff" des AHV-Beitragsrechts entlassen, SPV 12/2008 S. 79 f.). Aus Sicht der patronalen Wohlfahrtsfonds sei kaum verständlich, wenn zum Beispiel freiwillige Teuerungszulagen an Altersrentner oder Härtefallleistungen an Rentenbezüger mit noch bescheidenen reglementarischen Renten der AHV-Beitragspflicht unterstellt würden und der Arbeitgeber paritätische Beiträge abzurechnen habe. Zudem erfüllten solche Stiftungen im Zusammenhang mit betrieblichen Restrukturierungsmassnahmen eine wichtige sozialpolitische Aufgabe, die nicht durch AHV-Beitragspflichten zu Lasten der Stifterfirma torpediert werden sollte (WALSER, Ein vorsorgerechtlicher Spezialfall, a.a.O., S. 973). 3.3 3.3.1 Die in der Lehre vorgetragenen Argumente sind durchaus ernst zu nehmen. Zu beachten ist aber auch, dass eine Ausdehnung der Ausnahme vom massgebenden Lohn (nach Art. 6 Abs. 2 lit. h AHVV ) auf (freiwillige) Leistungen patronaler Wohlfahrtsfonds eine Aufgabe des Erfordernisses der Reglementarität bedingen würde. Dies wiederum führte zu deren Privilegierung gegenüber funktionell gleichartigen direkten Leistungen des Arbeitgebers. Arbeitgeber, denen kein Wohlfahrtsfonds zur Verfügung steht, um beispielsweise eine Überbrückungsrente zu gewährleisten, würden vergleichsweise benachteiligt, ohne dass ein hinreichender Grund für eine solche Ungleichbehandlung ersichtlich wäre (vgl. GROB/HIRT, a.a.O., S. 80). Dabei fällt insbesondere ins Gewicht, dass der Verordnungsgeber ausserhalb des Bereichs der auf dem Versicherungsprinzip beruhenden Sozialleistungen gestützt auf Art. 5 Abs. 4 AHVG nur zurückhaltend Ausnahmen vorgesehen hat. Freiwillig erbrachte Zuwendungen des Arbeitgebers, welche etwa Vorsorgelücken füllen oder Versicherungsleistungen ergänzen sollen, werden entweder nur in beschränktem Umfang oder nur unter qualifizierten Voraussetzungen von AHV-Beiträgen befreit (vgl. Art. 8 bis und 8 ter AHVV , jeweils in der seit Anfang 2008 gültigen Fassung). Auch wenn diese Bestimmungen Ermessensausübung zulassen, bleiben die Hürden für eine Ausnahme von der Beitragspflicht hoch angesetzt (zu Art. 8 bis und 8 ter AHVV : Erläuterungen zu den BGE 137 V 321 S. 331 Änderungen der AHVV auf den 1. Januar 2008, S. 2 ff.; zu Art. 8 ter AHVV : BUR BÜRGIN/MOSER, Wohlfahrtsfonds im "Würgegriff" des AHV-Beitragsrechts, SPV 8/2008 S. 83 ff.). 3.3.2 Die Delegationsnorm von Art. 5 Abs. 4 AHVG lässt dem Verordnungsgeber eine sehr grosse Gestaltungsfreiheit; sie enthält keine Vorgaben, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen Sozialleistungen vom Einbezug in den massgebenden Lohn ausgenommen werden können. Unter diesen Umständen muss sich das Bundesgericht nach Art. 190 BV auf die Prüfung beschränken, ob Art. 6 Abs. 2 lit. h und Art. 8 lit. a AHVV offensichtlich aus dem Rahmen der delegierten Kompetenz fallen oder aus anderen Gründen gesetzwidrig sind, soweit sie eine reglementarische Verankerung der Leistung verlangen. Soweit das Gesetz den Bundesrat nicht ermächtigt, von der Verfassung abzuweichen, befindet das Gericht auch über die Verfassungsmässigkeit der unselbständigen Verordnung ( BGE 136 II 337 E. 5.1 S. 348; BGE 133 V 569 E. 5.1 S. 571; BGE 130 I 26 E. 2.2.1 S. 32). Angesichts der häufigen Gleichartigkeit von direkt durch den Arbeitgeber ausgerichteten Sozialleistungen und solchen aus patronalen Wohlfahrtsfonds sowie mit Blick auf die restriktive Ausgestaltung von Ausnahmetatbeständen bei direkten Arbeitgeberleistungen kann nicht angenommen werden, die Beschränkung auf reglementarische Leistungen benachteilige die patronalen Wohlfahrtsstiftungen in nicht hinzunehmender Weise gegenüber Vorsorgeinstituten, welche versicherungsmässige Leistungen ausrichten. Dass der Verordnungsgeber nicht zwischen Arbeitgebern und von diesem verselbständigten Stiftungen, sondern vielmehr zwischen reglementarisch vorbestimmten Sozialleistungen und freiwilligen, auf Ermessen beruhenden Zuwendungen (des Arbeitgebers oder von patronalen Wohlfahrtsfonds) unterscheidet und Letztere nur sehr eingeschränkt von der Beitragspflicht befreit, ist somit nicht willkürlich ( Art. 9 BV ); ebenso wenig verstösst die Regelung gegen das Gebot der rechtsgleichen Behandlung vergleichbarer Konstellationen ( Art. 8 Abs. 1 BV ). Sie spiegelt letztlich wiederum den geltenden objektbezogenen Zugang zur Bestimmung der Beitragspflicht (oben E. 2). Freilich bezieht sich das Erfordernis, ermessensweise leistende Arbeitgeber gegenüber patronalen Wohlfahrtsfonds nicht zu benachteiligen (oben E. 3.3.1), nur auf Art. 6 Abs. 2 lit. h AHVV ; in Zusammenhang mit Art. 8 lit. a AHVV stellt sich die Gleichbehandlungsfrage dem Wortlaut nach von vornherein nicht. Dies wirkt sich indessen im Ergebnis nicht auf die Beurteilung der Rechtmässigkeit aus; die vom BGE 137 V 321 S. 332 Verordnungsgeber getroffene Grenzziehung zwischen versicherungsmässigen und Ermessensleistungen ist nicht nurmit Blick auf die Gleichbehandlung als sachliches Kriterium anzuerkennen. 3.3.3 Für die Zweckmässigkeit der Anordnung trägt der Bundesrat die Verantwortung; es ist nicht Aufgabe des Bundesgerichts, sich zu deren wirtschaftlicher oder politischer Sachgerechtigkeit zu äussern (E. 3.3.2). Bei der parlamentarischen Beratung der im Oktober 2010 abgelehnten 11. AHV-Revision wurde im Nationalrat ein Antrag angenommen, dem zufolge Art. 89 bis ZGB um einen neuen Abs. 7 ergänzt werden sollte mit dem Wortlaut: "Leistungen, Beiträge und Zuwendungen von Personalfürsorgestiftungen, welche die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach dem DBG erfüllen, gehören nicht zum massgebenden Lohn gemäss Artikel 5 Absatz 2 AHVG, sofern sie vom zuständigen Organ der Personalfürsorgestiftung beschlossen wurden und statutenkonform sind" (AB 2008 N 375). Der Ständerat hingegen folgte der Auffassung der Mehrheit seiner zuständigen Kommission und des Bundesrates, wonach Leistungen aus Mitteln, die der Arbeitgeber in eine Personalfürsorgestiftung einbringt und damit unwiderruflich der Vorsorge seines Personals widmet, vom massgebenden Lohn ausgenommen sein sollen, wenn sie im Stiftungsreglement normiert und vom Begünstigten einklagbar sind; nicht planmässig erbrachte und nicht zum Voraus bestimmbare Leistungen, die ihren Grund in einem gegenwärtigen oder einem früheren Arbeitsverhältnis haben, gehörten dagegen nach den Grundsätzen der AHV zum massgebenden Lohn. Daher sei Art. 5 Abs. 2 AHVG in dem Sinne zu ändern, dass Leistungen patronaler Wohlfahrtsfonds nur dann keinen massgebenden Lohn darstellen, wenn diese Einrichtungen dem Freizügigkeitsgesetz unterstellt sind (AB 2009 S 461 f.). 3.3.4 Der in der Lehre favorisierten und im Nationalrat eingeschlagenen Stossrichtung zugunsten einer AHV-beitragsrechtlichen Entlastung der Leistungen patronaler Wohlfahrtsfonds wäre unter Gesichtspunkten der Gleichbehandlung mit direkten Arbeitgebersozialleistungen sowie der Systemgerechtigkeit (objektbezogene Betrachtungsweise) eher nicht dadurch Rechnung zu tragen, dass auf das Erfordernis der Reglementarität verzichtet wird. Vielmehr wäre eine Lösung allenfalls in einer weiter gefassten Umschreibung der von der Beitragspflicht auszunehmenden Sozialleistungen des Arbeitgebers - und damit auch der patronalen Wohlfahrtsfonds - zu suchen (zu möglichen Kriterien - Angemessenheit, Verhältnismässigkeit - vgl. RUGGLI-WÜEST, a.a.O., S. 184). Die Bedeutung der BGE 137 V 321 S. 333 patronalen Wohlfahrtsfonds für die soziale Sicherheit im AHV-beitragsrechtlichen Umfeld zu würdigen ist letztlich ein politischer Vorgang. Eine diese spezifischen Interessenlagen berücksichtigende Bereinigung der Beitragsordnung kann daher nur Sache des Verordnungsgebers sein. Möglich wäre indessen auch, dass der Gesetzgeber die Delegation in Art. 5 Abs. 4 AHVG mit entsprechenden materiellen Vorgaben verbindet. 3.4 Aus diesen Gründen kann am Urteil 9C_435/2008 vom 21. Oktober 2008 nicht festgehalten werden. Massgeblich ist weiterhin die in E. 2.1 und 2.2.3 dargelegte Rechtsprechung. 4. Zu prüfen bleibt, ob die hier interessierenden Zahlungen der Personalfürsorgestiftung der X. AG von einer Ausnahmebestimmung erfasst werden (oben E. 1.2.2 und 1.2.3). Für die grundsätzliche Beitragspflichtigkeit eines wirtschaftlich mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängenden Einkommens spielt keine Rolle, ob das Arbeitsverhältnis andauert oder abgelaufen ist (oben E. 2.1). 4.1 Eine Beitragsbefreiung in sinngemässer Anwendung von Art. 6 Abs. 2 lit. h AHVV (betreffend die direkte Kapitalleistung der Personalfürsorgestiftung an einen im Ruhestand befindlichen Kadermitarbeiter) respektive von Art. 8 lit. a AHVV (hinsichtlich der von der Personalfürsorgestiftung an die Personalvorsorgestiftung einbezahlten Deckungskapitalien zu Gunsten der aktiven Kadermitarbeiterin) kommt nur in Betracht, wenn es um reglementarische Leistungen einer Einrichtung der beruflichen Vorsorge (hier der Personalfürsorgestiftung; vgl. CADOTSCH, a.a.O., S. 14 f.) bzw. um reglementarische Beiträge des Arbeitgebers (hier der Personalfürsorgestiftung) an eine die gesetzliche Vorsorge durchführende Einrichtung geht. Es muss also jeweils ein reglementarisch oder statutarisch eingeräumter, einklagbarer Rechtsanspruch gegeben sein. In Bezug auf die Kapitalleistung nach Art. 6 Abs. 2 lit. h AHVV gilt ausserdem, dass eine reglementarische (Versicherungs-)Leistung vor Eintritt des zum Voraus festgelegten künftigen Versicherungsfalls verbindlich festgelegt worden sein müsste (vgl. BGE 133 V 556 S. 562). 4.2 Nach Art. 5 Abs. 2 der Stiftungsurkunde der Personalfürsorgestiftung vom 18. Juli 1984 entscheidet der Stiftungsrat nach pflichtgemässem Ermessen über die Zusprechung von Stiftungsleistungen, solange kein Reglement besteht. Ein solches existiert nicht (Schreiben der X. AG vom 18. März 2010). Die blosse BGE 137 V 321 S. 334 Zulässigkeit der Einlage in die Vorsorgeeinrichtung und der Leistung an den bereits Pensionierten macht diese nicht zu reglementarischen Leistungen (oben E. 1.2.3). Dem Sitzungsprotokoll des Stiftungsrates vom 19. Dezember 2008 ist denn auch zu entnehmen, dass es sich um freiwillige Zuwendungen zur Verbesserung der Altersleistungen aktiver und pensionierter Mitarbeitender handelt. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass eine vertragliche Vereinbarung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgeber vorläge, die einer reglementarischen Leistung gleichzustellen wäre (vgl. oben E. 1.2.2). 5. Nach dem Gesagten haben Vorinstanz und Ausgleichskasse die Beitragspflicht hinsichtlich des von der patronalen Personalfürsorgestiftung der X. AG in die Personalvorsorgestiftung der X. AG eingebrachten Deckungskapitals sowie der direkt ausbezahlten Kapitalleistung zu Recht bejaht. Die Beiträge werden bei der Arbeitgeberin bezogen ( Art. 12 und 14 Abs. 1 AHVG ).
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de
Sachverhalt ab Seite 545 BGE 147 IV 544 S. 545 A.a A. war zusammen mit seiner Schwester D. Mitglied der Geschäftsleitung der russischen Bank B. Deren Geschäftsleitungsmitglieder stehen seit einiger Zeit unter Verdacht, seit Mai 2013 eine kriminelle Organisation gebildet und der Bank illegal hohe Vermögenswerte entzogen zu haben. Am 18. Dezember 2015 geriet die Bank B. wegen Überschuldung unter provisorische Verwaltung und Aufsicht der russischen Zentralbank. Am 21. Januar 2016 entzog diese der Bank B. die Banklizenz. Sie untersteht heute der Konkursverwaltung durch die russische Corporation C. D. wurde am 22. Dezember 2015 in Russland wegen Betrugsverdachts verhaftet. Am 12. Mai 2017 folgte ebenda die Verurteilung zu einer neunjährigen Freiheitsstrafe, die später im Berufungsverfahren auf 8.6 Jahre reduziert wurde. A.b A. lebt hauptsächlich in Grossbritannien. Er ist Inhaber verschiedener Schweizer Bankkonten und an einer Vielzahl von Unternehmen wirtschaftlich berechtigt, die ebenfalls über Bankkonten in der Schweiz verfügen. Darauf werden Vermögenswerte aus betrügerischen Handlungen zum Nachteil der Bank B. vermutet. A. steht in Russland wegen Betrugs zum Nachteil der Bank B. in Strafuntersuchung. In der Schweiz läuft gegen ihn eine von der Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich geführte Strafuntersuchung wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung zum Nachteil des Verbands E. sowie im Zusammenhang mit beiden Strafvorwürfen wegen Geldwäscherei (Verfahrensnummer "..."). Dazu stellte die Schweiz 2016 ein Rechtshilfegesuch an Russland. (...) A.c Am 7. Dezember 2017 bzw. 28. Februar 2018 stellte der russische Staat bei der Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich ein Rechtshilfegesuch im Zusammenhang mit der in Russland hängigen Strafuntersuchung. Das Rechtshilfeverfahren unter der Verfahrensnummer "..." ist noch nicht abgeschlossen. A.d Am 21. Juni 2019 beantragte die Bank B. in Liq., handelnd durch ihre Konkursverwaltung, die Rechtsstellung einer geschädigten Person und zugleich die vollumfängliche Akteneinsicht in der von der BGE 147 IV 544 S. 546 Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich geführten Strafuntersuchung. Mit Verfügung vom 4. Juli 2019 gab die Staatsanwaltschaft diesem Antrag statt. In der Folge stellte die Staatsanwaltschaft der Bank B. in Liq. das Verzeichnis der Akten der fraglichen Strafuntersuchung zu. B. A. erhob am 18. Juli 2019 beim Obergericht des Kantons Zürich Beschwerde gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 4. Juli 2019. Mit Beschluss vom 2. Juli 2020 hiess das Obergericht, III. Strafkammer, die Beschwerde teilweise gut und hob die Verfügung der Staatsanwaltschaft in dem Sinne auf, dass der Bank B. in Liq. das Recht auf Akteneinsicht nur mit der Auflage gewährt werde, "von den eingesehenen Akten keinerlei Kopien (z.B. Photokopien mit Kopiergerät o.ä.) und keinerlei Aufnahmen (z.B. mit Smart Phone, Tablet oder sonstigen Geräten)" zu erstellen; im Übrigen wies das Obergericht die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat. C. Mit Beschwerde in Strafsachen vom 7. August 2020 an das Bundesgericht beantragt A., den Beschluss des Obergerichts vom 2. Juli 2020 aufzuheben und der Bank B. in Liq. im gegen ihn geführten Strafverfahren keine Geschädigtenstellung und keine Akteneinsicht zu gewähren; eventuell sei ihr keine Akteneinsicht einzuräumen, bis das bei der Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich hängige Verfahren über das russische Rechtshilfegesuch abgeschlossen sei; subeventuell sei die Staatsanwaltschaft anzuweisen, "alle Akten zu sondieren, welche Teil des Rechtshilfeverfahrens [...] sind oder sein können und diese Akten seien der Bank B. in Liq. selbst unter Gewährung der Geschädigtenstellung im von der Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich gegen den Beschwerdeführer geführten Verfahren ("...") nicht zu editieren bis das bei der Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich hängige Rechtshilfeverfahren mit der Ziffer "..." rechtskräftig abgeschlossen ist"; (...) Zur Begründung wird im Wesentlichen geltend gemacht, der Bank B. in Liq. fehle es an den Voraussetzungen für die Anerkennung als Geschädigte und die Erteilung der Akteneinsicht sei rechtswidrig bzw. solange unzulässig, als nicht rechtskräftig über das russische Rechtshilfegesuch entschieden sei. Die Bank B. in Liq. stellt Antrag auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei; eventuell sei ihr die Geschädigtenstellung zuzusprechen und ihr unter Anordnung angemessener Schutzmassnahmen Akteneinsicht zu gewähren. Die Staatsanwaltschaft BGE 147 IV 544 S. 547 schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Obergericht verzichtete auf eine Stellungnahme. A. äusserte sich am 30. Oktober 2020 nochmals zur Sache. Am 23. März 2021 reichte er unaufgefordert eine weitere Eingabe ein. (...) (Auszug)
1,025
781
Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über die Gewährung der Geschädigtenstellung und die Akteneinsicht an die Beschwerdegegnerin in einem gegen den Beschwerdeführer in der Schweiz laufenden Strafverfahren. Parallel dazu ist in der Schweiz ein Rechtshilfegesuch Russlands hängig im Zusammenhang mit einer weiteren Straftat, deren der Beschwerdeführer in Russland beschuldigt wird und die Vortat des in der Schweiz untersuchten Vorwurfs der Geldwäscherei bildet. 1.2 Im vorliegenden Fall ist nicht ein Entscheid aus dem Rechtshilfeverfahren, sondern ein solcher aus dem schweizerischen Strafverfahren angefochten. Streitgegenstand bilden jedoch sowohl (in einer ersten Fragestellung) die Geschädigten- und damit Parteistellung der Beschwerdegegnerin als auch daran anknüpfend deren Akteneinsichtsrecht. Parallel dazu ist ein Rechtshilfegesuch Russlands im Zusammenhang mit einem anderen Strafvorwurf hängig. Zwar handelt es sich beim angefochtenen Urteil lediglich um einen Zwischenentscheid im Strafverfahren. Das Bundesgericht ist in insofern konstanter und klarer Rechtsprechung zur vorliegenden Konstellation mit Blick auf Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG sowie ergänzend Art. 80e Abs. 2 lit. b IRSG (SR 351.1) aber immer davon ausgegangen, dass die entsprechenden Entscheide angesichts der mit einem Endentscheid vergleichbaren Rechtsfolgen selbstständig angefochten werden können (vgl. BGE 139 IV 294 E. 1.1.1; BGE 127 II 198 E. 2b S. 203 ff.; Urteil des Bundesgerichts 1C_368/2014 vom 7. Oktober 2014 E. 1.1). Daran ändert nichts, ob parallel bereits ein Rechtshilfeverfahren hängig ist oder nicht. In beiden Konstellationen bewirkt ein Entscheid über die Gewährung oder Verweigerung der Geschädigten- bzw. Parteistellung einen irreversiblen Nachteil für die dadurch belastete Person. 1.3 Hingegen erscheint die Rechtsprechung des Bundesgerichts als nicht einheitlich zur Frage, welches Rechtsmittel ans Bundesgericht BGE 147 IV 544 S. 548 in Streitsachen zu ergreifen ist, in denen wie hier ein Straf- neben einem Rechtshilfeverfahren durchgeführt wird und Interessenkollisionen auftreten können. Verschiedentlich hat das Bundesgericht entschieden, dass in solchen Konstellationen bei Vorliegen eines engen Konnexes von Straf- und Rechtshilfeverfahren mit Blick auf die strittige mögliche Übermittlung von (noch) vertraulichen Informationen aus dem Strafverfahren und die entsprechenden rechtshilferechtlichen Grundsätze die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 84 BGG und nicht die Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 78 ff. BGG zur Anwendung gelange. Dies gelte nicht nur, wenn sich der Staat als Geschädigter am Strafverfahren beteilige, sondern auch, wenn die einer Privatklägerschaft gewährte Einsicht in die Strafuntersuchungsakten die Gefahr nach sich ziehe, dass Informationen an die um Rechtshilfe ersuchende ausländische Behörde gelangen könnten, bevor die zuständige schweizerische Rechtshilfebehörde über die Zulässigkeit einer solchen Information entschieden hat (vgl. BGE 139 IV 294 E. 1 S. 297 f. und Urteil des Bundesgerichts 1C_368/2014 vom 7. Oktober 2014 E. 1 für den Fall einer als Geschädigte auftretenden Privatklägerschaft mit gewissen Verbindungen zum um Rechtshilfe ersuchenden Staat sowie BGE 127 II 198 E. 2 S. 201 ff. für den Fall eines ausländischen Staates, der ein Rechtshilfegesuch stellt und sich zugleich selbst als Geschädigter am schweizerischen Strafverfahren beteiligt). Dabei spielte es keine Rolle, ob sich die Verfahrensbeteiligten auf die Bestimmungen des Rechtshilferechts beriefen oder nicht. 1.4 In einem von der Ausgangslage her (insbesondere mit dem Urteil 1C_368/2014 vom 7. Oktober 2014) vergleichbaren Fall erachtete das Bundesgericht hingegen die Beschwerde in Strafsachen als anwendbar (Urteil 1B_457/2013 vom 28. Januar 2014). In einem weiteren Urteil 1B_364/2013 vom 6. Januar 2014 erklärte das Bundesgericht die Beschwerde in Strafsachen ebenfalls als anwendbar für den Fall, dass im angefochtenen Entscheid die Akteneinsicht verweigert worden sei. Es handelte sich im Wesentlichen um den gleichen Streitfall wie beim Urteil 1C_368/2014, nur dass bei der ersten Beschwerde von 2013 die staatlich kontrollierte Privatklägerin gegen die Verweigerung von Parteirechten sowie insbesondere der Akteneinsicht Beschwerde erhob, währenddessen bei der zweiten Beschwerde von 2014 der Beschuldigte gegen die in der Folge der staatlich kontrollierten Privatklägerin erteilte teilweise Gewährung des Aktenzugangs vorging. Bei Verweigerung von BGE 147 IV 544 S. 549 Parteistellung und Akteneinsicht soll demgemäss die Beschwerde in Strafsachen offenstehen, weil sich diesfalls die Problematik der Umgehung der Rechtshilfevorschriften angeblich nicht stellt, bei ganzer oder teilweiser Gewährung hingegen die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Diese Differenzierung überzeugt nicht, denn zumindest bei der Frage der Akteneinsicht ist die rechtliche Fragestellung dieselbe und der Ausgang des vorinstanzlichen Verfahrens ist für die Bestimmung des Rechtsmittels an das Bundesgericht grundsätzlich ohne Belang. Das Bundesgericht hat diese, soweit ersichtlich, einmalige Rechtsprechung in der Folge auch nicht weiterverfolgt. 1.5 Die Unterscheidung der Beschwerde in Strafsachen nach Art. 78 BGG von derjenigen in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten bei der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen gemäss Art. 84 BGG ist nicht bedeutungslos. Für die erste gelten keine besonderen Zulassungsvoraussetzungen sowie eine ordentliche Beschwerdefrist von 30 Tagen ( Art. 100 Abs. 1 BGG ) und es sind die Gerichtsferien zu berücksichtigen ( Art. 46 Abs. 1 BGG ). Überdies gilt für die Rechtsvertretung das Anwaltsmonopol ( Art. 40 Abs. 1 BGG ). Für die zweite gelangt hingegen ohne Geltung von Gerichtsferien ( Art. 46 Abs. 2 BGG ) eine verkürzte Beschwerdefrist von lediglich zehn Tagen ( Art. 100 Abs. 2 lit. b BGG ) zur Anwendung und ihre Zulässigkeit setzt einen besonders bedeutenden Fall voraus ( Art. 84 Abs. 1 BGG ), den die Beschwerdeführer nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ausreichend begründen müssen (vgl. BGE 139 IV 294 E. 1.1 am Ende). Ob in Rechtshilfeverfahren in Strafsachen das Anwaltsmonopol gilt, erscheint zumindest fraglich ( Art. 40 Abs. 1 BGG e contrario). Es ist daher für die Rechtssuchenden wichtig, zu wissen, welches Rechtsmittel sie ergreifen müssen. Und es ist auch für die Vorinstanzen des Bundesgerichts von Bedeutung, welche Beschwerdeart sie in ihren Rechtsmittelbelehrungen anzugeben haben. Obwohl die Kombination von Straf- und Rechtshilfeverfahren und die damit verbundene Problematik der Vermeidung eines verfrühten Informationsflusses vom Straf- ins Rechtshilfeverfahren eine nicht allzu häufige Konstellation darstellt, erscheint es an der Zeit, hierzu Klarheit beim Rechtsmittelsystem zu schaffen. 1.6 In diesem Sinne kann es zunächst keine Rolle spielen, wie der angefochtene Entscheid ausgefallen ist. Das Rechtsmittel ist so oder so immer dasselbe. Ebenfalls unbeachtlich bleibt, ob im angefochtenen Entscheid oder von den Beteiligten im Beschwerdeverfahren BGE 147 IV 544 S. 550 die einschlägigen Gesetzesbestimmungen über die Rechtshilfe ausdrücklich angeführt bzw. angerufen werden. Mit dem im Bundesgerichtsgesetz verankerten Grundsatz der Einheitsbeschwerde kaum vereinbar wäre sodann, im Sinne einer Gabelung der Rechtsmittel für die Parteistellung die Beschwerde in Strafsachen und für die Akteneinsicht diejenige in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vorzusehen. Das wäre den Betroffenen kaum vermittelbar und überdies mit erheblichen Fallstricken verbunden, die der Gesetzgeber beim Erlass des Bundesgerichtsgesetzes gerade zu verringern bzw. zu vermeiden beabsichtigte. Anwendbar kann daher nur eine der beiden fraglichen Beschwerdearten sein. 1.7 Am Anfang der bisherigen Rechtsprechung stand mit BGE 127 II 198 ein Urteil von 2001, das mithin noch unter altem Verfahrensrecht vor Inkrafttreten des Bundesgerichtsgesetzes ergangen ist. Damals gab es noch keine dem Art. 84 BGG entsprechende Sondernorm mit den heutigen speziellen Regeln für die Fälle der Rechtshilfe in Strafsachen. Der Bestimmung des anwendbaren Rechtsmittels kam daher auch noch nicht die gleiche Tragweite zu wie heute. Entsprechende Auswirkungen und damit auch Schwierigkeiten bei der Festlegung der anwendbaren Beschwerdeart ergaben sich im Wesentlichen erst nach Inkrafttreten des Bundesgerichtsgesetzes. Ausgangspunkt bleibt aber so oder so, dass es um die Parteistellung und Akteneinsicht in einem Strafverfahren geht. In verfahrenstechnischer Hinsicht überwiegen denn auch die strafprozessualen Gesichtspunkte. Insbesondere richten sich die Parteistellung und die Akteneinsicht primär nach den Regeln der Strafprozessordnung. Das Rechtshilfeverfahren steht im Hintergrund. Inhaltlich zeitigt es zwar Auswirkungen auf die Rechtslage und muss insoweit berücksichtigt werden. Ist namentlich im Strafverfahren die Akteneinsicht strittig und ist gleichzeitig ein Rechtshilfeverfahren hängig, stellt sich mit Blick auf den in der Rechtshilfe geltenden Vertraulichkeits- und Geheimhaltungsschutz (vgl. insbesondere Art. 80b Abs. 2 und 3 IRSG ) die Frage der Umgehung der Rechtshilferegeln unabhängig davon, ob diese ausdrücklich angerufen werden und ob die Vorinstanz den Aktenzugang verweigert oder gewährt hat. Das führt aber nicht dazu, dass das Strafverfahren seinen vorrangigen Charakter verliert und bereits zu einem Rechtshilfeverfahren mutiert. Es bleibt ein Strafverfahren, in dem lediglich ergänzend einzelne Gesichtspunkte der Rechtshilfe zu berücksichtigen sind. Insgesamt rechtfertigt es sich daher, in solchen Fällen in Abweichung zur BGE 147 IV 544 S. 551 bisherigen Rechtsprechung integral und ausschliesslich die Beschwerde in Strafsachen nach Art. 78 ff. BGG mit den entsprechenden für die Betroffenen weitgehend vorteilhafteren Voraussetzungen zuzulassen, und zwar unabhängig davon, ob dem Bundesgericht die Streitpunkte der Parteistellung und der Akteneinsicht einzeln oder zusammen mit Beschwerde vorgelegt werden. 1.8 Im vorliegenden Fall bilden sowohl die Frage der Geschädigtenstellung als auch der Akteneinsicht im Strafverfahren den Streitgegenstand. Die dem Beschwerdeführer im Straf- wie dem Rechtshilfeverfahren jeweils vorgeworfenen Delikte hängen eng zusammen, soll doch die in Russland verfolgte mutmassliche Straftat eine von mehreren Vortaten der in der Schweiz untersuchten Geldwäscherei bilden. Der Beschwerdeführer beruft sich denn auch auf das mögliche Risiko, dass Unterlagen aus dem schweizerischen Strafverfahren den russischen Strafverfolgungsbehörden vor Abschluss des Rechtshilfeverfahrens verfrüht bekannt werden könnten. Eine solche Gefahr lässt sich nicht verneinen. Zwar ist strittig, inwieweit auf Seiten der Beschwerdegegnerin die Konkursverwaltung einer Pflicht zur Herausgabe von Akten oder Informationen an die russischen Strafverfolgungsbehörden unterliegt. Es ist auch nicht eindeutig, wieweit es sich dabei um eine staatliche Behörde handelt bzw. wieweit die Konkursverwaltung der Kontrolle bzw. den Weisungen des russischen Staates untersteht. So oder so lässt sich aber nicht verhindern, dass die russischen Strafverfolgungsbehörden die Beschwerdegegnerin zur Übermittlung von Akten oder Informationen verpflichten und dies erzwingen könnten. Obwohl der russische Staat bzw. die russischen Strafverfolgungsbehörden nicht selbst direkt im schweizerischen Strafverfahren involviert sind, besteht demnach die Gefahr, dass sie unabhängig vom Rechtshilfeverfahren aufgrund der allfälligen Akteneinsicht der Beschwerdegegnerin verfrüht zu strafrechtlich massgeblichen Informationen kommen könnten, über deren Herausgabe an sich im Rechtshilfeverfahren zu entscheiden wäre. Damit gibt es zwar einen engen Konnex zwischen dem Straf- und Rechtshilfeverfahren. Wie dargelegt, kommt es darauf aber bei der Bestimmung des anwendbaren Rechtsmittels nicht an. So oder so gelangt einzig die Beschwerde in Strafsachen zur Anwendung. 1.9 Die Zulassungsvoraussetzungen der Beschwerde in Strafsachen nach Art. 78 ff. BGG sind hier ohne weiteres erfüllt. Im Übrigen durfte sich der Beschwerdeführer ohnehin auf die nicht BGE 147 IV 544 S. 552 offensichtlich falsche, sondern gemäss dem vorliegenden Entscheid vielmehr sogar zutreffende Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Entscheid stützen, in der ausschliesslich die Beschwerde in Strafsachen als Rechtsmittel ans Bundesgericht angegeben war.
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Sachverhalt ab Seite 257 BGE 104 Ib 257 S. 257 A.X. ist Eigentümer einer Parzelle in Basel. Auf der Liegenschaft lastet eine Grundpfandverschreibung im Betrage von Fr. 34'500.- zu Gunsten der B.X. Gestützt auf eine von ihm am 16. August 1977 errichtete Urkunde, wonach B.X. am 18. Juni 1965 gestorben sei und als einzigen Erben den Sohn A.X. hinterlassen habe, ersuchte Advokat und Notar Dr. Y. das Grundbuchamt des Kantons Basel-Stadt, das Pfandrecht im Grundbuch zu löschen. Das Amt verlangte eine Bewilligung des Gläubigers. Da eine solche nicht nachgereicht wurde, teilte das Grundbuchamt Dr. Y. durch Schreiben vom 12. Oktober 1977 mit, es werde die Löschung nicht vollziehen. BGE 104 Ib 257 S. 258 A.X. erhob gegen diese Verfügung eine Beschwerde, die das Justizdepartement des Kantons Basel-Stadt am 20. Januar 1978 abwies. Durch Urteil des kantonalen Appellationsgerichtes als Verwaltungsgericht vom 22. Juni 1978 wurde dieser Entscheid bestätigt. A.X. hat gegen den zweitinstanzlichen Entscheid Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht mit dem Antrag, das Grundbuchamt des Kantons Basel-Stadt sei anzuweisen, das strittige Pfandrecht infolge Konfusion durch Universalsukzession von Amtes wegen zu löschen. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist unter anderem berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat ( Art. 103 lit. a OG ). Der Beschwerdeführer hat insofern ein schutzwürdiges Interesse, als die von ihm angestrebte Löschung der Grundpfandverschreibung von Amtes wegen gebührenfrei ist (§ 51 a lit. A der baselstädtischen Verordnung zum EG zum ZGB), wogegen für die Löschung auf Anmeldung hin eine Gebühr von 20 Franken erhoben wird (§ 51 lit. D Ziff. 3 der genannten Verordnung). Auf die Beschwerde ist demnach einzutreten. 2. Wie das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement in seiner Vernehmlassung zutreffend hervorhebt, beruht das schweizerische Grundbuchsystem auf dem Antragsprinzip; der Grundbuchverwalter handelt nur ausnahmsweise von Amtes wegen (vgl. Art. 11 in Verbindung mit Art. 61 GBV ). Bezüglich der Löschung ist dies für Fälle vorgesehen, da sich aus dem Grundbuch selbst ergibt, dass ein Eintrag seine rechtliche Bedeutung verloren hat. So sind von Amtes wegen zu löschen: Vormerkungen persönlicher Rechte, wenn die angegebene Zeit abgelaufen ist ( Art. 72 Abs. 1 GBV ); vorgemerkte Vorkaufs-, Rückkaufs- oder Kaufsrechte, wenn der Berechtigte Eigentümer des Grundstücks geworden ist ( Art. 72 Abs. 2 GBV ); die Vormerkung einer vorläufigen Eintragung, wenn die entsprechende definitive Eintragung vorgenommen wird oder wenn die vom BGE 104 Ib 257 S. 259 Grundbuchverwalter oder vom Richter für deren Anmeldung festgesetzte Frist unbenützt abgelaufen ist ( Art. 76 Abs. 1 GBV ); Dienstbarkeiten, die zu Lasten des einen und zugunsten des andern von zu vereinigenden Grundstücken bestehen ( Art. 92 Abs. 2 GBV ). Das gleiche gilt bei persönlichen Dienstbarkeiten dann, wenn der Tod des daraus Berechtigten, beispielsweise eines Nutzniessers oder eines Wohnberechtigten, feststeht. Der Beschwerdeführer anerkennt, dass es angesichts der allgemeinen Bestimmung des Art. 964 ZGB und des Art. 826 ZGB zur Löschung einer Grundpfandverschreibung grundsätzlich auch bei Untergang der Pfandforderung einer schriftlichen Erklärung des Gläubigers bedürfe, hält aber dafür, die Besonderheiten bei der Vereinigung von Schuldner- und Gläubigerstellung durch Erbgang rechtfertigten eine Ausnahme. Er stützt sich vorab auf Art. 963 Abs. 2 ZGB , wonach für eine Grundbucheintragung keine Erklärung des Eigentümers des Grundstücks erforderlich ist, wenn der Erwerber sich auf eine Gesetzesvorschrift, auf ein rechtskräftiges Urteil oder auf eine dem Urteil gleichwertige Urkunde zu berufen vermag. Ob diese Bestimmung sich auf gewisse Löschungen sinngemäss anwenden lasse, ist angesichts des Art. 964 ZGB zweifelhaft, kann aber hier dahingestellt bleiben. Die Frage ist nämlich jedenfalls hinsichtlich der Löschung der strittigen Grundpfandverschreibung zu verneinen. Wie der Beschwerdeführer selbst einräumt, geht aus dem Grundbuch nicht in zuverlässiger Weise hervor, wer bei einer Grundpfandverschreibung der jeweilige Gläubiger ist. Wohl steht es diesem zu, sich ins Gläubigerregister aufnehmen zu lassen, doch kommt einem solchen Vermerk keine Grundbuchwirkung zu, zumal die Forderung ohne Anzeige an das Grundbuchamt gültig abgetreten werden kann ( Art. 835 ZGB ; BGE 87 III 69 unten mit Hinweisen). Andererseits braucht die Person des Eigentümers des verpfändeten Grundstücks nicht mit derjenigen des Schuldners der Pfandforderung übereinzustimmen ( Art. 824 Abs. 2 ZGB ). Eine Vereinigung, wie sie der Beschwerdeführer geltend macht, lässt sich dem Grundbuch somit nicht schlüssig entnehmen. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung besteht also ein rechtlich erheblicher Unterschied zwischen einer Personalservitut und der Grundpfandverschreibung. Dass B.X. im Zeitpunkt ihres Todes Gläubigerin und der Beschwerdeführer Schuldner der durch die strittige Grundpfandverschreibung BGE 104 Ib 257 S. 260 gesicherten Forderung gewesen seien, geht zwar - allerdings nur indirekt - aus der vom Vertreter des Beschwerdeführers am 16. August 1977 errichteten Urkunde hervor, doch fehlt darin die Feststellung, der Beschwerdeführer habe die Erbschaft angenommen, d.h. nicht ausgeschlagen. Des weitern beruft sich der Beschwerdeführer auf Art. 656 Abs. 2 ZGB , wonach der Erwerber eines Grundstücks bei Aneignung, Erbgang, Enteignung, Zwangsvollstreckung oder richterlichem Urteil schon vor der Grundbucheintragung das Eigentum erlangt, jedoch im Grundbuch über das Grundstück erst nach der Eintragung verfügen kann. Da diese Bestimmung indessen den Erwerb des Eigentums an einem Grundstück, und nicht ein Pfandrecht an einem solchen, betrifft, insbesondere nicht die hier zu beurteilenden Verhältnisse bei der Grundpfandverschreibung regelt, kann sie entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht den Art. 801 und 826 ZGB vorgehen. Auch dieser Hinweis ist mithin unbehelflich. 3. Der Beschwerdeführer macht geltend, das Grundbuchamt habe ihn als Gläubiger anerkannt und die einschlägigen Register entsprechend nachgeführt; das Amt habe im übrigen erklärt, es würde die verlangte Löschung mit seiner schriftlichen Einwilligung ohne weiteres vollziehen; es sei unter diesen Umständen nicht einzusehen, weshalb sich das Grundbuchamt weigere, dies von Amtes wegen zu tun, zumal bei einer ungerechtfertigten Löschung dem wirklichen Berechtigten so oder so die Grundbuchberichtigungsklage zu Gebote stünde. Letzterem ist durchaus beizupflichten. Das Beharren auf einer Erklärung des Gläubigers ist jedoch aus der Sicht der Verantwortlichkeit geboten, kann doch dem Grundbuchamt eine ungerechtfertigte Löschung einer Grundpfandverschreibung unter den gegebenen Verhältnissen nur dann nicht zum Vorwurf gemacht werden, wenn eine Bewilligung des - tatsächlichen oder vermeintlichen - Gläubigers vorliegt.
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Sachverhalt ab Seite 98 BGE 141 IV 97 S. 98 A. X. wird in der Hauptsache vorgeworfen, er habe in der Zeit von ca. Mai 2001 bis Mai 2005 sechzehn Personen vorsätzlich mit dem HI-Virus infiziert. Dabei soll er sich von einer oder mehreren HIV-infizierten Personen unter dem Vorwand, er könne sie heilen, regelmässig Blutproben oder Proben von anderem biologischem Material verschafft haben, in denen HI-Viren enthalten waren, so insbesondere von seinem Musikschüler A. Nach der Darstellung von X. jenem gegenüber hätten die Blutproben der Überprüfung des Therapieerfolges gedient, wobei die Auswertung des Blutes durch einen geheimen Schamanenkreis erfolgt sein soll. Eine schulmedizinische Behandlung habe A. auf Anraten von X. abgelehnt. Auf diese Weise habe sich dieser ein eigenes HIV-Reservoir erschlossen. Das kontaminierte Blut oder andere biologische Material habe X. in der Folge immer wieder auf- und vorbereitet, um es später mittels Nadeln oder nadelähnlichen Gegenständen in den Körper seiner Opfer einbringen und diese mit dem HI-Virus infizieren zu können. Die Infizierung sei teils im Rahmen einer von ihm zur geistigen Erweiterung ("Öffnung des inneren bzw. dritten Auges") oder zur Linderung körperlicher oder psychischer Beschwerden durchgeführten "Akupunkturbehandlung" als Stich in den Rücken oder in den Nackenbereich, teils als überraschender Stich in den Rücken oder dadurch erfolgt, dass den Opfern, welche nach der Konsumation eines Getränkes ungewollt das Bewusstsein verloren, das verseuchte Material während ihrer Ohnmacht in ihren Körper eingebracht wurde. Die meisten dieser 16 Personen erkrankten innert eines Zeitraumes von rund einer bis mehreren Wochen nach dem Ereignis und zeigten diverse Symptome, die vereinbar mit einer HIV-Primoinfektion waren. Alle 16 Personen wurden nach diesen Ereignissen früher oder später positiv auf HIV getestet; 14 von ihnen zusätzlich auf Hepatitis C. B. Das Regionalgericht Bern-Mittelland erklärte X. mit Urteil vom 22. März 2013 der mehrfachen schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 StGB und des mehrfachen Verbreitens menschlicher Krankheiten im Sinne von Art. 231 Ziff. 1 Satz 1 StGB in 16 Fällen schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren und 9 Monaten, unter Anrechnung der ausgestandenen Haft. Ferner verurteilte es ihn zur Zahlung einer Genugtuung an die Geschädigten im Umfang von je Fr. 100'000.-, bzw. in einem Fall in der Höhe von Fr. 90'000.-. Die Schadenersatzklagen der Geschädigten hiess es dem Grundsatz nach gut und verwies sie zur Festsetzung der Höhe des Schadenersatzes auf den Zivilweg. Das Verfahren wegen BGE 141 IV 97 S. 99 Tätlichkeiten sowie wegen mehrfacher Drohung und versuchter Nötigung, evtl. Drohung stellte es ein. Schliesslich entschied es über die Einziehung der beschlagnahmten Gegenstände. Auf Berufung des Beurteilten und Anschlussberufung der Generalstaatsanwaltschaft bestätigte das Obergericht des Kantons Bern am 11. April 2014 das erstinstanzliche Urteil im Schuld- und Zivilpunkt und verurteilte X. zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren. C. X. führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und er sei von den Vorwürfen der schweren Körperverletzung und des Verbreitens einer menschlichen Krankheit zum Nachteil von B. und von C. freizusprechen. Eventualiter sei er in Bezug auf diese beiden Personen der einfachen Körperverletzung und des Verbreitens einer menschlichen Krankheit schuldig zu sprechen und zu einer Freiheitsstrafe in gerichtlich zu bestimmender Höhe zu verurteilen. Ferner sei er der mehrfachen einfachen Körperverletzung und des mehrfachen Verbreitens einer menschlichen Krankheit zum Nachteil der übrigen 14 Geschädigten schuldig zu sprechen und zu einer Freiheitsstrafe in gerichtlich zu bestimmender Höhe zu verurteilen. Subeventualiter sei die Sache zur Durchführung einer neuen Hauptverhandlung und zur Fällung eines neuen Urteils an die erste, eventuell an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner beantragt er, die Zivilforderungen seien nur dem Grundsatz nach zu beurteilen und im Übrigen auf den Zivilweg, eventuell an die erste Instanz bzw. die Vorinstanz zu verweisen. Schliesslich ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. D. Die Generalstaatsanwaltschaft und das Obergericht des Kantons Bern haben auf Vernehmlassung verzichtet.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2.3 2.3.1 Gemäss Art. 122 StGB macht sich der schweren Körperverletzung schuldig, wer einen Menschen lebensgefährlich verletzt (Abs. 1); wer den Körper, ein wichtiges Organ oder Glied eines Menschen verstümmelt oder ein wichtiges Organ oder Glied unbrauchbar macht, einen Menschen bleibend arbeitsunfähig, gebrechlich oder geisteskrank macht, das Gesicht eines Menschen arg und bleibend entstellt (Abs. 2); oder wer eine andere schwere Schädigung des Körpers oder der körperlichen oder geistigen Gesundheit eines Menschen verursacht (Abs. 3). Nach Art. 123 StGB wird wegen einfacher BGE 141 IV 97 S. 100 Körperverletzung bestraft, wer einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt. 2.3.2 Das Bundesgericht qualifizierte in seiner früheren Rechtsprechung die Infektion mit dem HI-Virus als lebensgefährliche schwere Körperverletzung im Sinne von Art. 122 Abs. 1 StGB (bzw. Art. 125 Abs. 2 StGB ). Es ging davon aus, eine HIV-Infektion führe nach ungewisser, relativ langer Zeit bei vielen Betroffenen mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Ausbruch der Immunschwäche AIDS und anschliessend mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Tod. Die HIV-Infektion sei damit lebensgefährlich. Dabei müsse die Lebensgefahr nicht notwendigerweise zeitlich unmittelbar drohen bzw. akut sein. Massgeblich sei nur die erhebliche Wahrscheinlichkeit eines tödlichen Verlaufs. Bei diesem Ergebnis könne dahingestellt bleiben, ob die HIV- Infektion auch als andere schwere Schädigung der körperlichen und/oder geistigen Gesundheit im Sinne von Art. 122 Abs. 3 StGB qualifiziert werden könne und ob in diesem Zusammenhang auch eine aus der Kenntnisnahme des positiven Befunds resultierende schwere Depression samt deren Konsequenzen sowie die Nebenwirkungen einer medizinischen Behandlung mitberücksichtigt und dem Täter objektiv (und subjektiv) zugerechnet werden könnten ( BGE 125 IV 242 E. 2b /dd; BGE 131 IV 1 E. 1.1; vgl. auch BGE 116 IV 125 E. 5a). In einem neueren Entscheid, dem die Übertragung des HI-Virus über ungeschützten Geschlechtsverkehr auf den Sexualpartner zugrunde lag, kehrte das Bundesgericht von dieser Rechtsprechung ab. Es gelangte zum Schluss, angesichts der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse und der heutigen medizinischen Behandlungsmöglichkeiten lasse sich nicht mehr sagen, dass der Zustand der Infektion mit dem HI-Virus schon als solcher generell lebensgefährlich im Sinne von Art. 122 Abs. 1 StGB sei. Mit modernen antiretroviralen Kombinationstherapien sei es möglich, den Ausbruch von AIDS hinauszuschieben, die Vermehrung der HI-Viren im Körper aufzuhalten, die Viruslast im Blut unter die Nachweisgrenze zu senken und die Lebenserwartung von HIV-infizierten Personen erheblich zu steigern, so dass Betroffene bei früher Diagnose und guter Behandlung fast so lange leben könnten wie nicht Infizierte. Damit fehle es heute - unter der Voraussetzung medizinischer Behandlung - an der erheblichen Wahrscheinlichkeit eines tödlichen Verlaufs und folglich an der Lebensgefahr der HIV-Infektion im Sinne der Tatbestandsvariante von Art. 122 Abs. 1 StGB ( BGE 139 IV 214 E. 3.4.2 mit Hinweisen). BGE 141 IV 97 S. 101 Das Bundesgericht hielt im genannten Entscheid indes fest, es stehe ausser Frage, dass die HIV-Infektion als solche auch unter Berücksichtigung der medizinischen Fortschritte nach wie vor eine nachteilige pathologische Veränderung mit Krankheitswert darstelle, welche - soweit sie auf einen Übertragungsakt zurückzuführen sei - als Körperverletzung zu würdigen sei. Weiter erwog es, bei der Beurteilung der Frage, ob jene unter den Tatbestand der einfachen oder der schweren Körperverletzung, namentlich im Sinne der Generalklausel nach Art. 122 Abs. 3 StGB (bzw. Art. 125 Abs. 2 StGB ) zu subsumieren sei, sei einerseits in Rechnung zu stellen, dass die modernen (Kombinations-)Therapien effizient und in der Regel gut verträglich seien sowie dass die Lebenserwartung von HIV-Infizierten sich derjenigen von Gesunden angleiche. Andererseits sei die Infektion nach wie vor nicht heilbar und sei eine Impfung trotz grosser medizinischer Fortschritte nicht in Sicht. Die Therapien stellten hohe Anforderungen an die Disziplin der Betroffenen. Die Medikamente müssten ein Leben lang streng vorschriftsgemäss eingenommen werden und könnten körperliche und/oder seelische Nebenwirkungen mit Beeinträchtigung der Lebensqualität verursachen. Überdies bestehe das Risiko von Resistenzentwicklungen, Wechselwirkungen mit andern Medikamenten und unerwünschten Langzeitnebenwirkungen. Insgesamt seien Betroffene trotz verbesserter Behandlungsmethoden und Medikamentenverträglichkeit nach wie vor komplexen physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt. Alleine die Gewissheit, mit dem HI-Virus infiziert zu sein, könne zu einer Erschütterung des seelischen Gleichgewichts führen ( BGE 139 IV 214 E. 3.4.3 ff.; vgl. auch BGE 140 V 356 E. 5.5.3.2). Gestützt auf diese Änderung der Rechtsprechung hat das Bundesgericht in einem sozialversicherungsrechtlichen Entscheid erkannt, eine HIV-Infektion erfülle für sich allein das bei der Beurteilung der Adäquanz einer psychischen Fehlentwicklung mitzuberücksichtigende Kriterium der "Schwere oder besonderen Art der erlittenen Verletzungen" nicht in besonders ausgeprägter Art ( BGE 140 V 356 E. 5.5.3.3 und 5.5.3.5; zur sog. "Psycho-Praxis" vgl. BGE 115 V 133 ; ferner LOCHER/GÄCHTER, Grundriss des Sozialversicherungsrechts, 4. Aufl. 2014, § 20 N. 28; KIESER/LANDOLT, Unfall - Haftung - Versicherung, 2012, N. 592 ff. und 613 ff.). 2.4 2.4.1 Die Vorinstanz subsumiert die Infizierung der Geschädigten mit dem HI-Virus gestützt auf die Erläuterungen des BGE 141 IV 97 S. 102 Sachverständigen unter die Generalklausel gemäss Art. 122 Abs. 3 StGB . Sie gelangt zum Schluss, es liege eine massive, tiefgreifende und lebenslange Beeinträchtigung der körperlichen und psychischen Gesundheit vor, die in ihrer Qualität und in ihren Auswirkungen den in Art. 122 Abs. 2 StGB beispielhaft genannten Schädigungen in nichts nachstehe (vgl. auch (ROTH/BERKEMEIER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 3. Aufl. 2013, N. 9 mit Hinweisen und N. 20 ff. zu Art. 122 StGB ; TRECHSEL/FINGERHUTH, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013, N. 11 zu Art. 231 StGB ; vgl. auch BGE 139 IV 214 E. 3.4.4). Diese rechtliche Würdigung verletzt kein Bundesrecht. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers widerspricht sie auch nicht der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Das Bundesgericht hat in seiner Rechtsprechungsänderung lediglich die generelle, unbesehen der konkreten Umstände des Einzelfalls vorgenommene Qualifizierung als lebensgefährliche Verletzung im Sinne von Art. 122 Abs. 1 StGB als bundesrechtswidrig erachtet. Zur Frage, ob die HIV-Infektion unter die Generalklausel im Sinne von Art. 122 Abs. 3 StGB gefasst werden kann, hat es sich aufgrund des Umstands, dass diese in jenem Entscheid nicht Gegenstand der Anklage und der vorinstanzlichen Urteile bildete, explizit nicht geäussert ( BGE 139 IV 214 E. 3.4.5). Nicht zu beanstanden ist zudem, dass die Vorinstanz im zu beurteilenden Fall bei der rechtlichen Würdigung von einer objektiven Sichtweise ausgeht. Im Unterschied zu dem BGE 139 IV 214 zugrunde liegenden Fall liegen hier sowohl eine genügende Anklageschrift als auch ein hinreichendes Beweismaterial vor, welche eine Würdigung der Taten als schwere Körperverletzung im Sinne der Generalklausel erlauben. So nannte die Staatsanwaltschaft bereits in der Anklageschrift vom 29. August 2012 als anwendbare Gesetzesbestimmung Art. 122 Abs. 3 StGB . Überdies liegen bei den Akten diverse medizinische Unterlagen sowie einlässliche Aussagen der Geschädigten über ihren Gesundheitszustand. Schliesslich holte die Vorinstanz aufgrund eines Antrags des Beschwerdeführers bei Prof. Dr. med. D., Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene des Universitätsspitals Zürich, einen Expertenbericht zu den allgemeinen Folgen einer HIV-Infektion ein (nicht publ. E. 2.2). Dieser kommt zum Ergebnis, eine unbehandelte HIV-Infektion verlaufe nach wie vor tödlich und sei nach heutigem Wissensstand nicht heilbar. Eine antiretrovirale Therapie müsse lebenslänglich eingenommen werden, wobei die Anzahl und Frequenz mit der Schwere der Resistenz zunehme. BGE 141 IV 97 S. 103 Langzeitnebenwirkungen und Organtoxizitäten seien auch mit den heutigen Medikamenten durchaus denkbar. Weitere Faktoren wie Alter, Komorbiditäten und psychische Konstitution des Patienten könnten den Verlauf einer HIV-Infektion ungünstig beeinflussen. Die Belastung für Körper und Psyche sei auch heute noch enorm und die Krankheit sei mit einer ausgeprägten Stigmatisierung verbunden. Zudem hätten Personen, welche in den Jahren 2001-2005 mit HIV-1 infiziert und diagnostiziert worden seien, aufgrund von Hochrechnungen gegenüber der Normalbevölkerung eine deutlich, um mehrere Jahre verkürzte Lebenserwartung. Diese Folgen bestehen nach den unmissverständlichen Erklärungen des Sachverständigen für alle Betroffenen gleichermassen. Dass ein individueller Betroffener diese Folgen im Einzelfall unterschiedlich gewichten mag, ist für die rechtliche Qualifikation der HIV-Infektion ohne Bedeutung. Wie die Vorinstanz zutreffend erkennt, kann es nicht vom subjektiven Empfinden des Betroffenen abhängen, ob die Infektion den Tatbestand der schweren oder der einfachen Körperverletzung erfüllt. Etwas anderes lässt sich auch nicht aus BGE 139 IV 214 ableiten. Die Wendung in der Regeste des publizierten Entscheids, wonach die HIV-Infektion "unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls als einfache oder als schwere Körperverletzung zu qualifizieren" sei, ist im Zusammenhang mit der dem Entscheid zugrunde liegenden Würdigung der HIV- Infektion als lebensgefährliche Körperverletzung von Art. 122 Abs. 1 StGB zu sehen. Darin liegt keine Reduktion der rechtlichen Würdigung auf einen rein subjektiven Massstab. Im Weiteren hat das Bundesgericht im genannten publizierten Entscheid erwogen, das kantonale Gericht werde gegebenenfalls ein Gutachten einholen müssen, um sich in tatsächlicher Hinsicht ein besseres Bild vom aktuellen Forschungsstand, den medizinischen Behandlungsmöglichkeiten und deren Folgen zu machen ( BGE 139 IV 214 E. 3.4.5). Dem ist die Vorinstanz im zu beurteilenden Fall, wie ausgeführt, nachgekommen, so dass sie über eine ausreichende Entscheidgrundlage verfügte. 2.4.2 Selbst wenn man der subjektiven Wahrnehmung der konkreten Folgen der HIV-Infektion durch die betroffenen Geschädigten stärkeres Gewicht beimessen wollte, ist im vorliegenden Fall die Würdigung als schwere Körperverletzung im Sinne von Art. 122 Abs. 3 StGB nicht zu beanstanden. Was der Beschwerdeführer gegen die Eventualbegründung der Vorinstanz einwendet, verfängt nicht. So ist zunächst nicht zu beanstanden, dass die Staatsanwaltschaft mit Ergänzung der Anklageschrift vom 5. März 2014 die Anklage um die BGE 141 IV 97 S. 104 gesundheitlichen Folgen, welche einer HIV-Infektion immanent und bei den betroffenen Personen konkret aufgetreten sind, präzisierte. Daraus lässt sich entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht ableiten, die ursprüngliche Anklageschrift hätte den Anforderungen von Art. 325 StPO nicht genügt. Die Vorinstanz nimmt denn auch zutreffend an, es handle sich nicht um eine Änderung der Anklage im Sinne von Art. 333 Abs. 1 StPO , sondern um eine blosse Ergänzung. Diese stützt sich im Übrigen auf die in der Untersuchung erhobenen Aussagen der Betroffenen und erfolgte somit gestützt auf die bestehende Aktenlage. Ausserdem wurden in der Verhandlung vor der Vorinstanz zahlreiche Arztberichte zu den Akten erkannt. Der Beschwerdeführer konnte hiezu in der Berufungsverhandlung Stellung nehmen, womit er seine Rechte hinreichend wahrnehmen konnte, zumal selbst eine Änderung der Anklage nach der Rechtsprechung noch in der Berufungsverhandlung zulässig ist (Urteile des Bundesgerichts 6B_777/2011 vom 10. April 2012 E. 2; 6B_428/2013 vom 15. April 2014 E. 3.3 mit Hinweisen). Inwieweit sodann die Feststellungen der Vorinstanz auf einer unrichtigen Feststellung des Sachverhalts beruhen sollen, ist nicht ersichtlich. Was der Beschwerdeführer in diesem Kontext vorbringt, erschöpft sich weitgehend in einer unzulässigen appellatorischen Kritik. Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als unbegründet, soweit sie den Begründungsanforderungen genügt.
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CH_BGE_006_BGE-141-IV-97_2015-03-24
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BGE_141_IV_97
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Sachverhalt ab Seite 65 BGE 84 IV 65 S. 65 A.- Eduard Spuler betreibt in Endingen ein Handelsgeschäft mit Heu und Stroh, indem er bei den Landwirten des Surbtales Heu und Stroh aufkauft, es zu Ballen presst und weiter verkauft. Von Endingen werden die Ballen mit Motorfahrzeugen zum Bahnverlad nach den Stationen Klingnau-Döttingen und Niederweningen gebracht. Den BGE 84 IV 65 S. 66 Autotransport besorgte anfänglich die mit dem Sesa-Dienst beauftragte Firma Julius Meier AG in Baden. Im Jahre 1949 wurde vereinbart, dass fortan Eduard Spuler die Ballen selber zur Bahn bringe. Seither führte dessen Bruder Franz Spuler, von Beruf Landwirt, die Transporte mit einem Landwirtschaftstraktor mit Anhänger aus. Eduard Spuler bezog dafür von der Firma Julius Meier AG eine Entschädigung. Anfangs 1957 wurde Franz Spuler polizeilich verzeigt, weil dessen Traktor nicht mit einem Fahrzeugausweis versehen und der Anhänger nicht mit einem Kontrollschild ausgerüstet war. B.- Das Obergericht des Kantons Aargau verurteilte am 14. Februar 1958 Franz Spuler wegen fortgesetzter Übertretung des Art. 61 Abs. 3 MFG (Fahren ohne Fahrzeugausweis) zu einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 50.-. Von der Anklage der Übertretung des Art. 63 Abs. 3 MFG (Führen ohne Kontrollschild) sprach es den Beschuldigten frei, da nicht er selber, sondern sein Sohn den Traktor mit Anhänger geführt habe. C.- Der Verurteilte führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei auch von der Anschuldigung der Übertretung des Art. 61 Abs. 3 MFG freizusprechen.
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Erwägungen Des Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Die Vorschrift des Art. 5 Abs. 1 MFG, wonach bloss mit einem Fahrzeugausweis versehene Motorfahrzeuge zum Verkehr zugelassen werden, findet gemäss Art. 5 MFV auf landwirtschaftliche Traktoren keine Anwendung. Als solche gelten nach der gesetzlichen Umschreibung Traktoren, die zu Fahrten im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung eines Landwirtschaftsbetriebes verwendet werden. Massgebend ist demnach nicht die Zweckbestimmung des Traktors, sondern die Art seiner Verwendung im konkreten Fall. Die Behauptung des Beschwerdeführers, dass sein Traktor immer zu Fahrten verwendet worden sei, die mit BGE 84 IV 65 S. 67 seinem Landwirtschaftsbetrieb in Zusammenhang gestanden seien, hält nicht stand. Ob dieser Zusammenhang wenigstens bei den Fahrten bestanden habe, die er für den Transport von Heu und Stroh vom Ort der produzierenden Landwirte nach Endingen ausführte, kann offen bleiben, und ebenso braucht die damit zusammenhängende Frage nicht entschieden zu werden, ob die Verwendung eines Traktors zur Verrichtung landwirtschaftlicher Arbeiten für Rechnung Dritter gleich zu behandeln sei wie die Verwendung im eigenen Landwirtschaftsbetrieb (vgl. Kreisschreiben des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes vom 19. Januar 1934, wo die Frage abweichend von einer früheren Stellungnahme bejaht wird). Jedenfalls waren die auf Rechnung seines Bruders Eduard Spuler ausgeführten Transporte von Endingen zu den Bahnstationen Döttingen und Niederweningen ohne Fahrzeugausweis unzulässig. Dass diese Transporte keinen Gewinn abwarfen, wie der Beschwerdeführer behauptet, ist unerheblich; Art. 5 Abs. 1 MFG macht die Verpflichtung, für das Inverkehrbringen eines Motorfahrzeuges einen Ausweis einzuholen, nicht von der Rentabilität der mit dem Fahrzeug auszuführenden Fahrten abhängig. Unter Art. 5 MFV fallen die Fahrten nicht, weil sie dem Heu- und Strohhandel Eduard Spulers dienten, der nicht einen Landwirtschaftsbetrieb bewirtschaftet, sondern emen Gewerbebetrieb führt. An der Natur dieses Geschäftes ändert nichts, dass Heu und Stroh landwirtschaftliche Produkte sind und deren Verwertung zur Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Betriebe gehört. Mit dem Verkauf des Heus und Strohs durch die Landwirte an einen selbständigen Händler war die landwirtschaftliche Verwertung abgeschlossen, und das allenfalls noch bestehende Interesse der Landwirte am weiteren Absatz der verkauften Waren genügt nicht, um den in Art. 5 MFV geforderten Zusammenhang der Transporte mit der Bewirtschaftung ihrer Landwirtschaftsbetriebe zu begründen. Wäre das Interesse der Produzenten am Verkauf ihrer landwirtschaftlichen Erzeugnisse entscheidend, BGE 84 IV 65 S. 68 so könnte jeder Händler, der Waren solcher Art auf eigene Rechnung verarbeitet oder weiter verkauft, seine geschäftlichen Transporte mit einem Traktor besorgen, dessen Geschwindigkeit 20 km/Std nicht übersteigt, und damit die Beschaffung eines Fahrzeugausweises umgehen, eine Folge, die vernünftigerweise vom Gesetzgeber nicht gewollt sein kann. Indem der Beschwerdeführer seinen Traktor ohne Fahrzeugausweis für Fahrten verwenden liess, für die ein solcher vorgeschrieben ist, hat er Art. 61 Abs. 3 MFG verletzt. 2. ... (Rechtsirrtum gemäss Art. 20 StGB verneint).
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Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Sachverhalt ab Seite 353 BGE 137 I 351 S. 353 X., ressortissant camérounais né en 1979, est arrivé en Suisse en juin 2003 et y a déposé une demande d'asile. L'Office fédéral des réfugiés n'est pas entré en matière sur sa demande et a ordonné son renvoi par décision du 6 octobre 2003, confirmée sur recours le 27 octobre suivant. L'intéressé n'a pas obtempéré à l'ordre de renvoi et est resté en Suisse. Le 4 octobre 2010, X. a déposé une demande d'autorisation de séjour en vue de se marier avec Y., une ressortissante camerounaise née en 1966, titulaire d'une autorisation de séjour; à l'époque, cette dernière, mère de cinq enfants, était séparée depuis plusieurs années de Z., un citoyen suisse qu'elle avait épousé en janvier 2003 et avec lequel elle était en instance de divorce; elle vivait depuis 2008 en compagnie de X. et de trois de ses enfants, dont A. et B. nés respectivement en 2003 et en 2009. Le 22 novembre 2010, X. a reconnu le dernier de ces enfants comme sa fille après qu'une procédure en désaveu de paternité eut constaté, en juillet 2010, que Z. n'en était pas le père. En décembre 2010, saisi une première fois d'une demande de mariage de X. et de Y., l'officier d'état civil a refusé d'ouvrir la procédure préparatoire, car le divorce de la prénommée d'avec Z., prononcé le 2 décembre 2010, ne devait être exécutoire, en l'absence de recours, au plus tôt qu'en janvier de l'année suivante - ce qui fut le cas. Les intéressés ont déposé une nouvelle demande de mariage le 6 mars 2011; en réponse à cette requête, l'officier d'état civil a fixé aux fiancés, le 8 mars 2011, un délai de "60 jours non prolongeables" pour déposer une pièce prouvant la légalité du séjour en Suisse de X., conformément à l' art. 90 al. 4 CC , sous peine "de non-entrée en matière sur la procédure de mariage." Par décision du 11 mars 2011, le Service de la population du canton de Vaud (ci-après: le Service cantonal) n'est pas entré en matière sur la demande d'autorisation de séjour déposée par X. en octobre 2010, eu égard au principe de l'exclusivité de la procédure d'asile. X. et Y. ont recouru contre cette décision. Par arrêt du 21 avril 2011, le Tribunal cantonal du canton de Vaud, Cour de droit administratif et public (ci-après: le Tribunal cantonal), a rejeté le recours. Il a notamment considéré qu'une exception au principe de l'exclusivité de la procédure d'asile ne pouvait être BGE 137 I 351 S. 354 admise que si un droit à une autorisation de séjour était manifeste, ce qui n'était pas le cas en l'espèce, au vu des démarches restant à accomplir en vue d'un mariage en Suisse. X. et Y. forment un "recours" au Tribunal fédéral contre l'arrêt précité. Ils soutiennent, comme en procédure cantonale, que le refus de leur accorder une autorisation de séjour, au moins pendant le temps nécessaire pour préparer et célébrer leur mariage, constitue une violation du droit au mariage garanti à l' art. 12 CEDH . Ils concluent à l'annulation de l'arrêt attaqué et à l'octroi "d'une autorisation de séjour avec activité lucrative" en faveur de X. Par arrêt du 23 novembre 2011, le Tribunal fédéral a admis le recours dans la mesure de sa recevabilité et a renvoyé la cause au Service cantonal pour nouvelle décision au sens des considérants. (résumé)
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Erwägungen Extrait des considérants: 3. 3.1 Selon la jurisprudence, une exception au principe de l'exclusivité de la procédure d'asile n'est admise que si le droit à une autorisation de séjour requis par l'art. 14 al. 1 in initio de la loi du 26 juin 1998 sur l'asile (LAsi; RS 142.31) apparaît "manifeste" (cf. arrêts 2C_493/2010 du 16 novembre 2010 consid. 1.4; 2C_733/2008 du 12 mars 2009 consid. 5.1). Tel n'est en principe pas le cas si le requérant invoque uniquement le droit à la protection de sa vie privée au sens de l' art. 8 par. 1 CEDH , car la reconnaissance d'un droit à une autorisation de séjour par ce biais revêt un caractère exceptionnel (cf. arrêt 2C_493/2010 du 16 novembre 2010 consid. 1.4). En revanche, la jurisprudence admet que l' art. 8 par. 1 CEDH justifie de faire exception à l' art. 14 al. 1 LAsi lorsqu'il en va de la protection de la vie privée et familiale, notamment pour protéger les relations entre époux (cf. arrêt 2C_551/2008 du 17 novembre 2008 consid. 4). Une telle exception suppose toutefois, outre l'existence d'une relation étroite et effective entre les époux, que le requérant soit marié avec une personne disposant d'un droit de présence assuré ("ein gefestigtes Anwesenheitsrecht") en Suisse; tel est le cas si son époux jouit de la nationalité suisse ou d'une autorisation d'établissement (cf. ATF 135 I 143 consid. 1.3.1 p. 145 s.; ATF 130 II 281 consid. 3.1 p. 285) voire, dans certaines circonstances particulières, d'une simple autorisation de séjour, s'il apparaît d'emblée et clairement que cette autorisation sera durablement prolongée à l'avenir, par exemple pour des motifs d'ordre BGE 137 I 351 S. 355 humanitaire (cf. arrêt précité 2C_551/2008 du 17 novembre 2008 consid. 4). En l'espèce, il ressort des constatations cantonales que les recourants vivent sous le même toit depuis 2007 (depuis janvier 2007 selon leurs allégués) et qu'ils sont père et mère d'une petite fille qu'ils élèvent ensemble depuis sa naissance en juillet 2008; par ailleurs, même si elle n'a qu'une simple autorisation de séjour, la mère dispose d'un droit de présence assuré en Suisse dans la mesure où elle a la garde et l'autorité parentale sur son fils A., né en février 2003 d'un père suisse dont il a hérité la nationalité (regroupement familial inversé; cf. ATF 136 I 285 consid. 5.2 p. 287 confirmé in ATF 137 I 247 consid. 4.2 p. 250 s.); il apparaît donc que X. pourrait selon toute vraisemblance se prévaloir d'un droit à une autorisation de séjour fondé sur l' art. 8 par. 1 CEDH par exception au principe de l'exclusivité de la procédure d'asile s'il pouvait épouser Y., comme les recourants le veulent mais ne le peuvent, en raison de l'absence d'un titre de séjour du fiancé, point qui constitue l'enjeu de la présente procédure. 3.2 La jurisprudence relative au droit et au respect de la vie privée et familiale ( art. 8 par. 1 CEDH ) permet, à certaines conditions, à un célibataire étranger de déduire un droit à une autorisation de séjour en présence d'indices concrets d'un mariage sérieusement voulu et imminent avec une personne ayant le droit de résider durablement en Suisse (cf. arrêts 2C_97/2010 du 4 novembre 2010 consid. 3.1; 2C_25/2010 du 2 novembre 2010 consid. 6.1 et les références citées). Le Tribunal cantonal a toutefois écarté cette éventualité en l'espèce, au motif que le mariage envisagé n'apparaissait pas imminent, la procédure préparatoire n'ayant pu être engagée qu'après l'entrée en force du jugement de divorce des époux Y. et Z., en janvier 2011, tandis "que la vérification et l'authentification des documents d'état civil de X. pourraient prendre plusieurs mois". 3.3 Les recourants ne se prévalent pas de l' art. 8 CEDH , mais invoquent uniquement la garantie du droit au mariage prévue à l' art. 12 CEDH . A leurs yeux, cette garantie a été violée, dans leur cas, par le refus des autorités cantonales, fondé sur l' art. 14 al. 1 LAsi , d'entrer en matière sur leur demande d'une autorisation de séjour en vue du mariage projeté. A l'appui de leur opinion, ils se réfèrent notamment à l'arrêt rendu par la Cour européenne des droits de l'homme (CourEDH) le 14 décembre 2010 dans la cause O'Donoghue et consorts contre Royaume-Uni , requête n° 34848/07. BGE 137 I 351 S. 356 3.4 Cette affaire concerne le cas d'un ressortissant nigérian et de sa fiancée, double ressortissante britannique et irlandaise, qui avaient été empêchés de se marier au Royaume-Uni de mai 2006 à juillet 2008 en raison de la législation introduite dans ce pays en 2005 pour lutter contre les mariages de complaisance. Cette législation interdisait aux personnes soumises au contrôle de l'immigration de se marier, à moins de disposer d'une autorisation spécialement délivrée à cet effet lors de leur entrée au Royaume-Uni ou d'obtenir par la suite un "Certificate of Approval" contre le paiement d'un montant de 295 £; mais seuls les étrangers légalement entrés au Royaume-Uni ou titulaires d'une autorisation de séjour d'une certaine durée pouvaient recevoir un tel certificat; deux modifications de la loi, en 2006 et 2007, ont assoupli le système en permettant aux autres étrangers d'obtenir un "Certificate of Approval" à la condition de fournir des informations supplémentaires prouvant la sincérité de leur projet de mariage. La CourEDH a conclu à l'unanimité à la violation du droit au mariage des requérants ( art. 12 CEDH ) pour la période comprise entre mai 2006, date à laquelle ceux-ci avaient exprimé le souhait de se marier, et le 8 juillet 2008, date de la délivrance du "Certificate of Approval". Les juges ont en effet estimé inadmissible que les requérants, dont l'intention de se marier était sincère et ne visait pas à contourner les lois d'immigration, n'avaient pas pu obtenir le certificat litigieux en raison tout d'abord, jusqu'au 19 juin 2007, date de la seconde modification de la loi, de la situation personnelle du fiancé qui était entré illégalement au Royaume et était dépourvu de titre de séjour, puis, par la suite, faute de disposer des moyens leur permettant de s'acquitter des frais de dossier (cf. arrêt précité, § 82 ss). 3.5 Il découle de l'arrêt O'Donoghue et consorts que le droit au mariage garanti par l' art. 12 CEDH peut également être invoqué par des étrangers résidant illégalement dans un Etat membre. Il n'en va pas différemment de la garantie du droit au mariage inscrite à l' art. 14 Cst. , qui appartient en principe à toute personne physique majeure, quelle que soit sa nationalité - y compris les apatrides - ou sa religion (cf. MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4 e éd. 2008, p. 221; RUTH REUSSER, in Die schweizerische Bundesverfassung, Ehrenzeller/Mastronardi/Schweizer/Vallender [éd.], 2 e éd. 2008, n° 11 ad art. 14 Cst. ; AUBERT/MAHON, Petit commentaire de la Constitution fédérale de la Confédération suisse, 2003, n° 4 ad art. 14 Cst. ). Il s'agit en effet d'un droit de l'homme et non d'un droit du citoyen (cf. AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, Droit constitutionnel suisse, vol. II, 2 e éd. 2006, n° 419). Il ressort également de l'arrêt O'Donoghue et consorts les BGE 137 I 351 S. 357 deux principes suivants: premièrement, une interdiction systématique d'accéder au mariage opposée à des étrangers sans titre de séjour est contraire à l' art. 12 CEDH , car les droits fondamentaux garantis par la Convention, comme le droit au mariage, ne peuvent pas être limités par des mesures générales, automatiques et indifférenciées (cf. arrêt précité, § 89); secondement, des mesures destinées à lutter contre les mariages de complaisance ne sont admissibles qu'autant qu'elles sont raisonnables et proportionnées (arrêt précité, § 82 ss) et qu'elles visent à déterminer si l'intention matrimoniale des futurs époux est réelle et sincère, soit repose sur la volonté de fonder une communauté conjugale (arrêt précité, § 88); à cet égard, la CourEDH a notamment souligné qu'à la différence du droit au respect de la vie privée et familiale (cf. art. 8 par. 2 CEDH ), aucune ingérence n'est prévue à l' art. 12 CEDH dans le droit au mariage (arrêt précité, § 84). Au vu de ces exigences, il faut admettre que le système mis en place par le législateur suisse peut s'avérer contraire à l' art. 12 CEDH lorsqu'un étranger, bien qu'en situation irrégulière en Suisse, désire néanmoins réellement et sincèrement se marier. En effet, en cas de refus de l'autorité de police des étrangers de régulariser - même temporairement - sa situation, il ne pourra pas, en vertu de l' art. 98 al. 4 CC , entré en vigueur le 1 er janvier 2011 (RO 2010 3057), concrétiser son projet en Suisse; ce risque est spécialement marqué pour les requérants d'asile déboutés qui ne peuvent, comme on l'a vu (supra consid. 3.1), obtenir l'ouverture d'une procédure d'autorisation de séjour qu'à des conditions relativement restrictives au regard de l' art. 14 al. 1 LAsi . La doctrine est d'ailleurs apparemment unanime à considérer qu'un refus automatique et sans discernement de l'accès au mariage à tous les étrangers séjournant illégalement en Suisse serait de nature à violer la garantie du droit au mariage (en ce sens, cf. JÖRG PAUL MÜLLER, Bekämpfung von Scheinehen im Konflikt mit der Ehefreiheit: zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative Toni Bruner, Asyl 24/2009 p. 14 ss; CARONI/SCHÄDLER, Lex Brunner und EMRK, Asyl 4/2011 p. 23 ss; MEIER/CARANDO, "Pas de mariage en cas de séjour irrégulier en Suisse-", Jusletter du 14 février 2011 p. 9; GEISER/BUSSLINGER, in Ausländerrecht, Uebersax/Rudin/Hugi Yar/Geiser [éd.], 2 e éd. 2009, n° 14.15 ad § 14; MARC SPESCHA, Autorités de l'état civil: complices d'expulsion pour des motifs de police des étrangers ou garantes du droit au mariage-, Revue de l'état civil 2010 p. 119 s.; MARIE-LAURE PAPAUX VAN DELDEN, Le droit au mariage et à la famille: analyse critique des restrictions, FamPra 2011 p. 595 ss; du même auteur , in Commentaire romand, Code civil, 2010, n° 19 ad art. 98 CC ; BGE 137 I 351 S. 358 MARIO GERVASONI, Mariage fictifs - Mariages d'étrangers sans permis, Revue de l'état civil 2008, p. 142 ss; AMARELLE/NGUYEN/SOW, Chronique de jurisprudence relative au droit des étrangers, PJA 2011 p. 687), du moins lorsque le fiancé a la nationalité suisse ou dispose d'un droit de présence assuré en Suisse (cf. REUSSER, op. cit., n° 16 ad art. 14 Cst. ). Une telle pratique reviendrait en effet à présumer de manière irréfragable qu'un étranger démuni d'un titre de séjour en Suisse ne peut avoir qu'une volonté viciée de se marier, sans égard à la durée et à la stabilité de sa relation et aux éventuels enfants nés de celle-ci; elle amènerait donc à interdire de manière générale, automatique et indifférenciée l'exercice du droit au mariage pour toute une catégorie de personnes (cf. MEIER/CARANDO, op. cit., p. 4; MÜLLER, op. cit., p. 16). Par ailleurs, on ne saurait considérer que la possibilité pour les fiancés de se marier à l'étranger suffit à remplir les exigences découlant de l' art. 12 CEDH (cf. MEIER/CARANDO, op. cit., p. 5; PAPAUX VAN DELDEN, op. cit., n° 19 ad art. 98 CC ), car les Etats membres doivent assurer le respect des droits garantis par la Convention sur leur territoire; par ailleurs, une telle possibilité s'apparente à un obstacle important au mariage en raison du temps et des coûts qu'elle entraîne pour les personnes concernées, surtout pour les moins aisées d'entre elles (cf. SPESCHA, op. cit., p. 119 s.). 3.6 Le législateur n'a pas ignoré ces problèmes en édictant l' art. 98 al. 4 CC . Cette disposition trouve son origine dans une initiative parlementaire intitulée "Empêcher les mariages fictifs", déposée le 16 décembre 2005 par le Conseiller national Toni Brunner (objet no 05.463), qui estimait que l' art. 97a CC , introduit le 1 er janvier 2008 pour combattre les abus liés à la législation sur les étrangers, ne permettait pas d'empêcher "à coup sûr" les mariages fictifs, car elle laissait aux services de l'état civil une certaine marge d'appréciation sans leur offrir de base légale claire sur laquelle fonder un refus; en inscrivant dans le Code civil l'obligation de démontrer la légitimité du séjour en Suisse, cette lacune serait donc comblée de manière simple et efficace selon l'auteur de l'initiative, et l'on empêcherait les requérants d'asile définitivement déboutés et les personnes séjournant illégalement en Suisse de se soustraire par le mariage à l'obligation de quitter le pays (cf. le texte de l'initiative disponible sur internet à l'adresse http://www.parlament.ch ). Cette initiative a donné lieu à un projet de loi élaboré par la Commision des institutions politiques du Conseil national (CIP-CN). Selon BGE 137 I 351 S. 359 ce projet, baptisé "Empêcher les mariages en cas de séjour irrégulier", l' art. 98 al. 4 CC entend mettre un terme à l'automatisme consistant, aussitôt qu'un étranger en situation illégale dépose une demande de mariage, à lui délivrer une autorisation de séjour, en tout cas pour la durée de la procédure préparatoire; une telle réforme permet en outre d'harmoniser et de coordonner les décisions de l'état civil et des autorités de police des étrangers (cf. rapport de la CIP-CN du 31 janvier 2008 sur l'initiative parlementaire "Empêcher les mariages fictifs", FF 2008 2247, 2252). Le Conseil fédéral a estimé, dans la ligne des observations contenues dans le rapport que la CIP-CN lui a remis (cf. p. 2254 et 2256 du raport précité), que le système mis en place était conforme à la Constitution fédérale et à la Convention européenne des droits de l'homme sous réserve toutefois, conformément aux principes généraux valables en cas de restriction à des droits fondamentaux, de veiller à ce que l'application des mesures envisagées ne conduise pas dans un cas concret à vider les garanties du mariage ( art. 14 Cst. ; art. 12 CEDH ) et du respect de la vie privée et familiale ( art. 13 Cst. ; art. 8 CEDH ) de leur substance ou à constituer de fait un obstacle prohibitif à la conclusion du mariage (avis du Conseil du 14 mars 2008 sur l'initiative parlementaire "Empêcher les mariages fictifs", FF 2008 2261, 2263). A cet égard, la CIP-CN a notamment exprimé ce qui suit (rapport précité, p. 2254): "Les personnes qui séjournent en Suisse de manière illégale et qui souhaitent se marier doivent préalablement demander à régulariser leur séjour. Ces personnes doivent en principe séjourner à l'étranger durant le traitement de leur requête. Des exceptions sont toutefois possibles si les conditions d'admission après le mariage sont manifestement remplies et qu'il n'y a aucun indice que l'étranger entend invoquer abusivement les règles sur le regroupement familial (cf. art. 17 LEtr, par analogie). Afin de respecter le principe de la proportionnalité et d'éviter tout formalisme excessif, les autorités pourront fixer un délai de départ à l'étranger, délai dans lequel le mariage devra cas échéant être célébré et le séjour en Suisse réglé. Ici aussi, les autorités doivent prendre en compte le droit constitutionnel au mariage ( art. 14 Cst. ) et le droit au respect de la vie privée et familiale ( art. 8 CEDH )." 3.7 Cela étant, l' art. 98 al. 4 CC n'offre aucune marge au manoeuvre à l'officier d'état civil confronté à une demande de mariage émanant d'un étranger qui n'a pas établi la légalité de son séjour en Suisse. Celui-ci n'a pas d'autre alternative, conformément au voeu du législateur, que de refuser la célébration du mariage (cf. art. 67 al. 3 de l'ordonnance du 28 avril 2004 sur l'état civil [OEC; RS 211.112.2]). BGE 137 I 351 S. 360 Ainsi, dans le cas d'espèce, en refusant d'entrer en matière sur la demande de mariage des recourants, l'officier d'état civil n'a fait que tirer les conséquences de la décision du Service cantonal rejetant la demande de X. d'ouvrir une procédure tendant à la délivrance d'une autorisation de séjour - même provisoire - en vue de préparer et de célébrer son mariage. En ce sens, l'autorité civile est liée par la décision de la police des étrangers. Il appartient ainsi à cette dernière autorité lors de la procédure d'autorisation de séjour en vue du mariage - et non à l'officier d'état civil - de prendre en compte dans sa décision les exigences liées au respect du droit au mariage et au principe de proportionnalité. C'est ainsi qu'il faut comprendre l'appel du législateur, à l'adresse des "autorités" (cf. supra consid. 3.6 dernier paragraphe), à faire preuve de discernement lorsque l'illégalité du séjour de l'un des fiancés en Suisse est de nature à empêcher la célébration du mariage et à porter atteinte à la substance du droit au mariage ou à constituer un obstacle prohibitif à ce droit. Par conséquent, dans la perspective d'une application de la loi conforme à la Constitution ( art. 14 Cst. ) et au droit conventionnel ( art. 12 CEDH ), les autorités de police des étrangers sont tenues de délivrer un titre de séjour en vue du mariage lorsqu'il n'y a pas d'indice que l'étranger entende, par cet acte, invoquer abusivement les règles sur le regroupement familial, et qu'il apparaît clairement que l'intéressé remplira les conditions d'une admission en Suisse après son union (cf. art. 17 al. 2 LEtr [RS 142.20] par analogie). Dans un tel cas, il serait en effet disproportionné d'exiger de l'étranger qu'il rentre dans son pays pour s'y marier ou pour y engager à distance une procédure en vue d'obtenir le droit de revenir en Suisse pour se marier. En revanche, dans le cas inverse, soit si, en raison des circonstances, notamment de la situation personnelle de l'étranger, il apparaît d'emblée que ce dernier ne pourra pas, même une fois marié, être admis à séjourner en Suisse, l'autorité de police des étrangers pourra renoncer à lui délivrer une autorisation de séjour provisoire en vue du mariage; il n'y a en effet pas de raison de lui permettre de prolonger son séjour en Suisse pour s'y marier alors qu'il ne pourra de toute façon pas, par la suite, y vivre avec sa famille. Cette restriction correspond à la volonté du législateur de briser l'automatisme qui a pu exister, dans le passé, entre l'introduction d'une demande de mariage et l'obtention d'une autorisation de séjour pour préparer et célébrer le mariage. BGE 137 I 351 S. 361 3.8 Lorsque, comme en l'espèce, l'étranger qui désire se marier est un requérant d'asile (débouté), le principe de l'exclusivité de la procédure d'asile ne saurait, lorsque les conditions d'une application par analogie de l'art. 17 al. 2 LEtr sont réunies, empêcher l'ouverture d'une procédure d'autorisation de séjour en vue du mariage. Contrairement à ce que suggèrent les premiers juges, l' art. 190 Cst. n'interdit nullement une telle interprétation de l' art. 14 al. 1 LAsi . D'une part, l'exigence jurisprudentielle qu'il existe un droit "manifeste" à une autorisation de séjour pour faire échec au principe de l'exclusivité de la procédure d'asile se concilie tout à fait avec les conditions, de même nature, permettant à un étranger d'attendre l'issue d'une procédure en Suisse en vertu de l'art. 17 al. 2 LEtr. D'autre part, le législateur a clairement manifesté, comme on l'a vu (supra consid. 3.6), sa volonté de faire en sorte que l'introduction de l' art. 98 al. 4 CC ne conduise pas à des violations du droit constitutionnel ou conventionnel (cf. MÜLLER, op. cit., p. 15). 3.9 En l'espèce, au vu des constatations cantonales (cf. supra consid. 3.1), il faut admettre, en l'absence d'éléments contraires au dossier, que la relation des recourants est sérieuse et stable (vie commune depuis 2007; enfant commun depuis juillet 2008) et que leur volonté de se marier est réelle et sincère. X. devrait donc, une fois marié, pouvoir obtenir une autorisation de séjour sur la base de l' art. 8 par. 1 CEDH en vertu du droit de présence durable de sa future épouse (cf. supra consid. 3.1). Certes, X. a un casier judiciaire. Ses deux plus graves condamnations résultent toutefois d'infractions à la loi fédérale sur les étrangers pour séjour illégal en Suisse et consistent en des peines de 90 jours-amende à 15 fr. par jour (avec sursis mais celui-ci a ensuite été révoqué) plus 1'000 fr. d'amende et de finalement 120 jours de privation de liberté. Pour le reste, il a été condamné à des amendes de 400 fr. et 200 fr. pour respectivement s'être opposé à des actes de l'autorité en refusant de décliner son identité à un contrôleur et avoir menacé un autre contrôleur dans le cadre de contrôles des billets de transport public en villes de Berne et de Burgdorf. Dans l'ensemble, ces délits ne sont pas suffisamment graves pour faire apparaître leur auteur comme une personne présentant une menace à l'ordre et à la sécurité publics propre à justifier d'emblée un refus d'autorisation de séjour fondé sur l' art. 8 par. 2 CEDH (cf., sous l'angle de l'art. 17 al. 2 LEtr, les arrêts 2C_483/2009 du 18 septembre 2009 consid. 4.2 et 2C_35/2009 du 13 février 2009 consid. 6.5). BGE 137 I 351 S. 362 Quant à la situation économique de l'intéressé et du couple, l'arrêt ne contient aucune constatation sur ces points. Des allégués des recourants, il apparaît que X. ne travaille pas et que Y. toucherait une aide sociale pour compléter son salaire d'aide-soignante occupée à 50 % dans une institution pour personnes handicapées. Il est certain que si, après son mariage, l'intéressé devait ne pas travailler et dépendre lui-même de l'aide sociale, il s'exposerait à ne plus recevoir d'autorisation de séjour (cf. art. 44 let . c LEtr). Le danger qu'il émarge concrètement à l'aide sociale, une fois en possession d'un permis de séjour, ne doit toutefois pas s'examiner à la seule lumière de la situation actuelle; il faut également tenir compte de l'évolution probable de celle-ci (cf. ATF 122 II 1 consid. 3c p. 8; ATF 119 Ib 1 consid. 3b p. 6; arrêt 2C_268/2011 du 22 juillet 2011 consid. 6.2.3); or, sur ce point, on peut convenir avec le recourant que sa situation actuelle précaire devrait pouvoir notablement s'améliorer une fois qu'il aura reçu une autorisation de séjour lui permettant de trouver un travail, étant précisé qu'il est encore jeune et apparemment en bonne santé. On ajoutera que, dans la pesée des intérêts à effectuer sur la base de l' art. 8 par. 2 CEDH , l'autorité doit tenir compte de l'intérêt privé à ce que X. puisse rester en Suisse non seulement par rapport à sa (future) épouse, mais également à l'égard de sa fille, encore en bas âge, avec laquelle il vit et entretient, selon ses allégués, des liens étroits depuis sa naissance. Dans ces conditions, il faut admettre que, prima facie, X. réunit toutes les conditions pour obtenir une autorisation de séjour en cas de mariage. Le Service cantonal ne pouvait dès lors pas refuser d'entrer en matière sur sa demande d'autorisation de séjour en vue de se marier. Il convient donc d'annuler l'arrêt attaqué et de renvoyer le dossier à cette autorité pour qu'elle entre en matière et rende une décision sur le droit de X. à une autorisation de séjour - éventuellement temporaire - pour pouvoir se marier.
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Sachverhalt ab Seite 210 BGE 129 III 209 S. 210 A.- Am 9. Oktober 1941 erwarb der A.-Fonds (nachstehend: Kläger) in der Gemeinde Y., ein grosses Areal. Im Jahre 1942 entschloss sich der Kläger dieses Land im Sinne eines Sozialwerkes Arbeitnehmern der A.-Betriebe zur Verfügung zu stellen, um ihnen zu ermöglichen, günstig zu einem Einfamilienhaus mit Pflanzland zu kommen. Dazu schenkte der Kläger einzelne Parzellen an Arbeitnehmer der A.-Betriebe, die Mitglieder der Genossenschaft "Wohnkolonie Feldbreite" waren, subventionierte den Bau von Häusern, sorgte für die entsprechenden staatlichen Subventionen und für die Finanzierung der restlichen Erstellungskosten. In diesem Rahmen schenkte der Kläger Herrn B. mit Vertrag vom 12. Juni 1944 das Grundstück. Der Schenkungsvertrag enthielt folgendes Kaufsrecht, welches insbesondere sicherstellen sollte, dass die Häuser zu Gunsten der Arbeitnehmer der A.-Betriebe erhalten bleiben: "4.) Der Beschenkte räumt dem Schenker am geschenkten Grundstücke samt dem von der Genossenschaft Wohnkolonie Feldbreite für Rechnung des Beschenkten, auf Grund des Schenkungsversprechens vom 19. Okt. 1942, darauf erstellten Hause ein Kaufsrecht ein zu den nach Abzug der Subventionen verbleibenden Gestehungskosten der Baute abzüglich Entwertung zufolge Abnützung, worüber noch folgendes vereinbart wird: a) Die Gestehungskosten, von denen bei Bestimmung des Kaufpreises ausgegangen wird, betragen nach bisheriger Berechnung Fr. 21'360.-. Dazu kommen allfällige Mehrkosten für Nachtragsarbeiten, sowie eigene im Laufe der Zeit, in Übereinstimmung mit den Genossenschafts-Statuten vom Beschenkten vorgenommene, wertvermehrende Aufwendungen. Die Entwertung zufolge Abnützung ist nach dem Zustande der Baute im Zeitpunkte der Ausübung des Kaufsrechtes zu schätzen. Allfällige gegenüber der bisherigen Berechnung vom 4.4.44 sich ergebende Abänderungen der endgültigen Subventionen sind ebenfalls zu berücksichtigen. b) ... c) Sofern die Parteien sich bei Ausübung des Kaufsrechtes über den anzurechnenden Kaufpreis nicht einigen können, so ist derselbe auf Grund obiger Bestimmungen von einem Fachmann als Schiedsrichter endgültig festzusetzen. Dieser Schiedsrichter wird von den Parteien, oder wenn sie sich über dessen Wahl nicht einigen können, auf Begehren einer Partei vom Amtsgerichtspräsident von Hochdorf ernannt. d) ... e) Dieses Kaufsrecht ist im Sinne von Art. 683 ZGB für die Dauer von 10 Jahren im Grundbuche vorzumerken als Kaufsrecht zu den Gestehungskosten des Hauses abzüglich Entwertung zufolge Abnützung. Auf Verlangen des Schenkers wird der Beschenkte oder BGE 129 III 209 S. 211 Rechtsnachfolger vor Ablauf von 10 Jahren jeweilen die nötigen Formalitäten erfüllen, um die Vormerkung zu erneuern." B. erneuerte das Kaufsrecht am 24. Mai 1954, am 25. Mai 1964, am 21. Mai 1974, am 14. Mai 1984 und am 25. Februar 1994, worauf es jeweils für die weitere Dauer von zehn Jahren im Grundbuch vorgemerkt wurde. In der ersten und zweiten Kaufsrechtserneuerung verpflichtete er sich, vor Ablauf von zehn Jahren das Kaufsrecht zwecks Erneuerung der Vormerkung wieder zu erneuern. Nachdem B. am 9. Oktober 1995 verstorben war, übte der Kläger mit Erklärung vom 26. Juni 1996 sein Kaufsrecht per 30. September 1996 gegenüber den Erben von B. aus. Diese stimmten der Eigentumsübertragung nicht zu und beriefen sich auf Nichtigkeit des Kaufsrechts und Unverbindlichkeit der letzten Kaufsrechtserneuerung wegen Grundlagenirrtums. B.- Am 10. Februar 1997 reichte der Kläger beim Amtsgericht Hochdorf gegen die Erben von B. Klage ein. Damit beantragte der Kläger im Wesentlichen die Übertragung des Grundstücks Y. auf ihn, wobei der Kaufpreis gemäss Ziff. 4 lit. a-c des am 12. Juni 1944 mit Herrn B. sel. abgeschlossenen Schenkungsvertrages durch ein Schiedsgerichtsurteil festzusetzen sei. Zudem verlangte der Kläger, die Beklagten zu verpflichten, ihm unter solidarischer Haftbarkeit ab 1. Oktober 1996 Fr. 105.- pro Monat bis zum rechtskräftigen Abschluss der vorliegenden Auseinandersetzung zuzüglich Zins zu 5% ab mittlerem Verfall zu bezahlen. Die Beklagten schlossen auf Abweisung der Klage, soweit darauf einzutreten sei. Eventualiter verlangten sie, es sei festzustellen, dass der von einem Schiedsgericht endgültig festzusetzende Kaufpreis aufgrund des aktuellen Gebäudewertes zu bemessen sei. Das Amtsgericht kam zum Ergebnis, das Kaufsrecht sei gültig. Jedoch rechtfertige sich, die Kaufpreisregelung gemäss Schenkungsvertrag vom 12. Juni 1944 in Anwendung von Art. 2 ZGB insoweit anzupassen, als die Gestehungskosten grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Ausübung des Kaufsrechts per 30. September 1996 zu aktualisieren seien. Demnach hiess das Amtsgericht am 30. Juni 2000 die Klage teilweise gut und wies das Grundbuchamt Hochdorf an, den Kläger als neuen Eigentümer des Grundstücks Y., im Grundbuch einzutragen, wenn er den Nachweis erbringt, dass er den Beklagten den Kaufpreis bezahlt oder gerichtlich hinterlegt hat, welcher nach dem Neuwert des Gebäudes und Nebenkosten per 30. September 1996 abzüglich Alterungsentwertung und abzüglich 19.77% (Subventionen) zu berechnen und im Übrigen nach Ziffer 4 BGE 129 III 209 S. 212 lit. b und c des Schenkungsvertrages zwischen dem Kläger und B. sel. zu bestimmen und zu bezahlen sei. Die anderslautenden Begehren wies das Amtsgericht ab. Auf Appellation der Beklagten und Anschlussappellation des Klägers hin, wies das Obergericht des Kantons Luzern mit Urteil vom 21. Mai 2002 das Grundbuchamt Hochdorf an, den Kläger als neuen Eigentümer des Grundstücks Y., im Grundbuch einzutragen, wenn dieser nachweise, dass er den Beklagten den Kaufpreis bezahlt oder gerichtlich hinterlegt habe; dieser bestehe in den Gestehungskosten abzüglich der Subventionen und der Entwertung zufolge Abnützung, wobei Vertragsbestimmung Ziff. 4 lit. a-c des Schenkungsvertrages zwischen dem Kläger und B. vom 12. Juni 1944 massgebend sei. Zudem verpflichtete das Obergericht die Beklagten, dem Kläger in solidarischer Haftung ab 1. Oktober 1996 bis zum rechtskräftigen Abschluss dieser Auseinandersetzung monatlich Fr. 105.- nebst 5% Zins ab mittlerem Verfall zu bezahlen. Die übrigen Begehren der Parteien hat das Obergericht abgewiesen. C.- Die Beklagten erheben eidgenössische Berufung mit den Anträgen, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Klage abzuweisen. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Kläger schliesst auf Abweisung der Berufung. Das Bundesgericht weist die Berufung ab, soweit es darauf eintritt.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Das Obergericht ging davon aus, das letztmals 1994 erneuerte Kaufsrecht habe nicht zu einer übermässigen Bindung von B. geführt, weshalb eine Verletzung von Art. 27 Abs. 2 ZGB zu verneinen sei. Die Beklagten rügen, das Obergericht habe verkannt, dass die Kaufsrechtsverpflichtung nichtig sei, da sie bei einer Gesamtwürdigung der Umstände die Freiheit von B. übermässig beschränkt und damit gegen Art. 27 Abs. 2 ZGB verstossen habe. Die Beklagten könnten sich daher auf die Ungültigkeit der Kaufsrechtsklausel berufen. Der Kläger wendet dem Sinne nach ein, der Schutz gemäss Art. 27 Abs. 2 ZGB vor übermässigen Bindungen könne nur von der Person geltend gemacht werden, deren Persönlichkeitsrecht dadurch geschützt wird. Der Anspruch auf diesen Schutz sei als höchstpersönliches Recht unvererblich. Er könne von den Erben - gleich wie BGE 129 III 209 S. 213 bei Genugtuungsansprüchen - nur geltend gemacht werden, soweit er beim Ableben der zu schützenden Partei anerkannt oder eingeklagt worden sei. Da B. nie eine übermässige Bindung geltend gemacht habe, sei es seinen Erben verwehrt, dies an seiner Stelle zu tun. 2.2 Von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Vereinbarungen sind nur zulässig, wo das Gesetz nicht eine unabänderliche Vorschrift aufstellt oder die Abweichung nicht einen Verstoss gegen die öffentliche Ordnung, gegen die guten Sitten oder gegen das Recht der Persönlichkeit in sich schliesst ( Art. 19 Abs. 2 OR ). Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist gemäss Art. 20 Abs. 1 OR nichtig. Der gesetzlich nicht definierte Begriff der Nichtigkeit wird traditionell als ursprüngliche Unwirksamkeit verstanden, welche von Amtes wegen zu beachten ist ( BGE 97 II 108 E. 4 S. 115; BGE 110 II 360 E. 4 S. 368; BGE 123 III 60 E. 3b; HUGUENIN JACOBS, Basler Kommentar, 2. Aufl., N. 53 zu Art. 19/20 OR, mit weiteren Hinweisen; vgl. für das öffentliche Recht BGE 115 Ia 1 E. 3 S. 4 mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts und der herrschenden Lehre ist Art. 20 OR insoweit einschränkend auszulegen, als gegen zwingendes Recht verstossende Verträge nur nichtig sind, wenn diese Rechtsfolge ausdrücklich gesetzlich vorgesehen ist oder sich aus dem Sinn und Zweck der verletzten Norm ergibt ( BGE 119 II 222 E. 2; HUGUENIN JACOBS, a.a.O., N. 54 zu Art. 19/20 OR, je mit Hinweisen). Art. 27 Abs. 2 ZGB statuiert zum Schutz der Persönlichkeit vor übermässiger Bindung (vgl. Marginalie), dass sich niemand seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken kann. Das Bundesgericht ging davon aus, eine gemäss Art. 27 Abs. 2 ZGB übermässige Bindung verstosse gegen die guten Sitten und sei damit gemäss Art. 20 OR als nichtig oder teilnichtig zu qualifizieren ( BGE 84 II 355 E. 3 S. 366 f.; BGE 106 II 369 E. 4 S. 379; 112 II 433 E. 3 S. 436; BGE 114 II 159 E. 2c; BGE 120 II 35 E. 4a S. 40 f.). In der Literatur wird demgegenüber angenommen, ein Verstoss gegen die von Amtes wegen zu beachtenden guten Sitten sei nur soweit anzunehmen, als ein Vertrag den höchstpersönlichen Kernbereich einer Person betreffe, welcher jeder vertraglichen Verpflichtung entzogen sein soll. Soweit eine Bindung an sich zulässig und nur das Mass der Bindung als übermässig zu qualifizieren sei, liege kein Verstoss gegen die guten Sitten, sondern alleine ein Verstoss gegen das Recht der Persönlichkeit vor (BUCHER, Berner Kommentar, N. 114 ff. und N. 127 zu BGE 129 III 209 S. 214 Art. 27 ZGB ; KRAMER, Berner Kommentar, N. 212 ff. und N. 374 zu Art. 19 und 20 OR ; a.M. GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/REY, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bd. I., 7. Aufl., S. 125 f. Rz. 658-661, die jedoch ebenfalls zwischen dem Gegenstand und dem Übermass der Bindung unterscheiden). Die bloss übermässige Bindung solle gemäss dem Zweck von Art. 27 Abs. 2 ZGB , die individuelle Freiheit einer Person zu schützen, nur zur Unverbindlichkeit des Vertrages führen, wenn die betroffene Person den Schutz in Anspruch nehme und sich von der Bindung lösen möchte (BUCHER, Berner Kommentar, N. 127 zu Art. 27 ZGB ; im Ergebnis ebenso KRAMER, Berner Kommentar, N. 371 ff. zu Art. 19 und 20 OR ; HUGUENIN JACOBS, Basler Kommentar, N. 21 zu Art. 27 ZGB ; BRÜCKNER, Das Personenrecht des ZGB, S. 276 f. Rz. 905 f.; vgl. auch GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/REY, a.a.O., S. 133 Rz. 687; TUOR/SCHNYDER/SCHMID/RUMO-JUNGO, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 12. Aufl., S. 100). Dieser Auffassung, welche gleich wie Art. 19 Abs. 2 OR zwischen einem Verstoss gegen die Persönlichkeit und einem Verstoss gegen die guten Sitten unterscheidet, ist zuzustimmen. Die gegenüber der Nichtigkeit eingeschränkte Rechtsfolge bei bloss übermässigen Bindungen ist gerechtfertigt, da die zu schützende Freiheit einer Person ihr die Möglichkeit belassen soll, im Rahmen der im öffentlichen Interesse zu wahrenden guten Sitten für die Gegenwart auf den Schutz von Art. 27 Abs. 2 ZGB zu verzichten und einen objektiv betrachtet übermässig bindenden Vertrag rechtsgültig zu erfüllen, ohne dass sich die Gegenpartei auf das Übermass der Bindung berufen kann (vgl. Art. 28 Abs. 2 ZGB ; ähnlich schon BGE 106 II 369 E. 4 S. 379). Der Zweck von Art. 27 Abs. 2 ZGB verlangt jedoch, dass die übermässig gebundene Person die Vertragserfüllung verweigern kann (vgl. BGE 108 II 405 E. 3 S. 409). Der Anspruch auf Schutz vor übermässigen Bindungen gemäss Art. 27 Abs. 2 ZGB ist höchstpersönlicher Natur und damit unvererblich (vgl. BGE 104 II 225 E. 5b S. 234 f.). Es steht den Erben daher nicht zu, sich auf eine übermässige Bindung des Erblassers zu berufen, wenn er dies nicht selbst getan hat. 2.3 Das dem Kläger eingeräumte Kaufsrecht betrifft ein Verfügungsgeschäft und berührt den Kerngehalt der Persönlichkeit von B. nicht, weshalb - auch wenn insbesondere in zeitlicher Hinsicht eine übermässige Bindung anzunehmen wäre - eine von Amtes wegen zu beachtende Sittenwidrigkeit des Vertrages im Sinne von Art. 20 OR zu verneinen ist. Da B. gemäss den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz gegenüber dem Kläger nicht zum Ausdruck BGE 129 III 209 S. 215 brachte, dass er das Kaufsrecht als übermässige Bindung empfand und er sich nie davon lösen wollte, können die Beklagten nicht geltend machen, B. sei durch dieses Kaufsrecht übermässig gebunden gewesen. Es kann daher offen bleiben, ob gemäss der Annahme des Obergerichts eine übermässige Bindung von B. zu verneinen sei. Auf die dagegen gerichtete Kritik der Beklagten ist demnach mangels eines genügenden Rechtsschutzinteresses nicht einzutreten. Dass das dem Kläger eingeräumte Kaufsrecht die Beklagten selbst übermässig binde, wird von ihnen nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich. Das Obergericht hat demnach kein Bundesrecht verletzt, wenn es zum Ergebnis kam, Art. 27 Abs. 2 ZGB sei nicht verletzt.
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Sachverhalt ab Seite 495 BGE 143 IV 495 S. 495 A. Par jugement du 9 février 2015, le Tribunal correctionnel de l'arrondissement de Lausanne a condamné X., pour lésions corporelles graves, à une peine privative de liberté de 18 mois, avec sursis pendant 2 ans. Il l'a astreint à verser à A. les sommes de 40'000 fr., plus intérêts, à titre d'indemnité pour tort moral, et de 29'000 fr., plus intérêts, à titre d'indemnité au sens de l' art. 433 CPP . Les frais de première instance ont été mis à la charge de X. B. Par jugement du 12 juin 2015, la Cour d'appel pénale du Tribunal cantonal du canton de Vaud a partiellement admis l'appel formé par X. contre ce jugement et l'a réformé en ce sens que l'indemnité accordée à A. pour tort moral est réduite à 30'000 fr., plus intérêts, et que l'indemnité au sens de l' art. 433 CPP est réduite à 9'450 fr., avec intérêts. Elle a mis les frais d'appel par trois quarts à la charge de X. BGE 143 IV 495 S. 496 et par un quart à la charge de A., et a condamné le premier à verser au second la somme de 3'780 fr. à titre de juste indemnité pour les dépenses obligatoires occasionnées par la procédure d'appel. C. Par arrêt du 30 août 2016 (6B_833/2015), le Tribunal fédéral a admis, dans la mesure où il était recevable, le recours formé par A. contre le jugement du 12 juin 2015, a annulé cette décision et a renvoyé la cause à l'autorité cantonale pour nouvelle décision. En substance, le Tribunal fédéral a considéré que la motivation de la cour cantonale ne permettait pas de comprendre si l'indemnité fixée par l'autorité de première instance sur la base de l' art. 433 CPP avait été réduite parce que les notes d'honoraires d'avocat présentées par A. n'étaient pas claires, ou parce que celle-ci avait estimé que les opérations qui y étaient décrites n'étaient pas nécessaires à la procédure pénale, de sorte que la vérification de la bonne application de l' art. 433 CPP n'était pas possible. Il a également jugé que la motivation de la cour cantonale ne permettait pas de comprendre pourquoi, si les frais d'appel avaient été mis par trois quarts à la charge de X. et par un quart à la charge de A., ce dernier avait vu son indemnité fondée sur l' art. 433 CPP réduite dans une mesure supérieure à cette proportion, si bien que, sur ce point encore, la vérification de la bonne application de cette disposition était impossible. D. Par jugement du 6 octobre 2016, rendu à la suite de l'arrêt du Tribunal fédéral précité, la Cour d'appel pénale a partiellement admis l'appel formé par X. contre le jugement du 9 février 2015 et a réformé celui-ci en ce sens que le prénommé est le débiteur de A. d'une somme de 30'000 fr., plus intérêts, à titre de tort moral, ainsi que d'une somme de 10'584 fr., avec intérêts, à titre d'indemnité fondée sur l' art. 433 CPP . Elle a mis les frais d'appel par trois quarts à la charge de X. et par un quart à la charge de A., a mis les frais de la procédure d'appel écrite à la charge du dernier nommé, et a condamné X. à verser à celui-ci la somme de 2'835 fr. à titre de juste indemnité pour les dépenses obligatoires occasionnées par la procédure d'appel. E. A. forme un recours en matière pénale au Tribunal fédéral contre le jugement du 6 octobre 2016, en concluant, avec suite de frais et dépens, principalement à sa réforme en ce sens que X. est son débiteur des sommes de 30'000 fr., plus intérêts, à titre de tort moral, et de 29'000 fr., plus intérêts, à titre d'indemnité fondée sur l' art. 433 CPP , que les frais d'appel sont intégralement mis à la charge de X., que les frais de la procédure d'appel écrite sont laissés à la charge BGE 143 IV 495 S. 497 de l'Etat, que X. est son débiteur de la somme de 6'500 fr., avec intérêts, à titre de juste indemnité pour les dépenses occasionnées par la procédure d'appel, qu'il est également son débiteur de la somme de 2'000 fr., avec intérêts, à titre de juste indemnité pour les dépenses occasionnées par la procédure d'appel écrite, subsidiairement que l'Etat doit lui verser la somme de 2'000 fr., avec intérêts, à titre de juste indemnité pour les dépenses occasionnées par la procédure d'appel écrite. Subsidiairement, il conclut à l'annulation du jugement et au renvoi de la cause à l'autorité précédente pour nouvelle décision. F. Invités à se déterminer sur la question de l'indemnité accordée au recourant pour la procédure d'appel antérieure à l'arrêt de renvoi du 30 août 2016 ainsi que sur la question des intérêts courant sur une indemnité fondée sur l' art. 433 CPP , le Ministère public a indiqué se référer au jugement attaqué, tandis que la cour cantonale a indiqué qu'elle se référait aux considérants de sa décision. X. a quant à lui déposé des déterminations, en concluant au rejet du recours sur les points concernés. Ces différentes prises de position ont été communiquées au recourant, qui a présenté ses observations à leur égard.
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. (...) 2.2.4 Le recourant reproche enfin à la cour cantonale d'avoir considéré que l'indemnité litigieuse ne devait pas produire d'intérêts dès lors que le jugement attaqué était immédiatement exécutoire. Le Tribunal fédéral n'a jamais examiné la question de savoir si l'indemnité fondée sur l' art. 433 CPP devait produire des intérêts. Tel devrait être le cas si cette indemnité était considérée comme la réparation d'un dommage subi par la partie plaignante, les principes généraux du droit de la responsabilité civile découlant des art. 41 ss CO trouvant alors application. Les intérêts viseraient alors à placer la partie plaignante dans la situation qui aurait été la sienne si elle avait été indemnisée au moment de la survenance de son dommage ( ATF 131 II 217 consid. 4.2 p. 227). Au sein de la doctrine, plusieurs auteurs se sont prononcés en faveur d'une application des principes généraux de la responsabilité civile en matière d'indemnités fondées sur les art. 429 ss CPP et de la production d'intérêts y relatifs (MOREILLON/PAREIN-REYMOND, CPP, Code de procédure pénale, 2 e éd. 2016, n° 4 ad rem. prél. art. 429 ss CPP ; STEPHANIE EYMANN, Die Parteientschädigung an die Privatklägerschaft im Strafprozess, forumpoenale 5/2013 p. 316; NIKLAUS SCHMID, BGE 143 IV 495 S. 498 Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 2 e éd. 2013, n. 1803; MIZEL/RÉTORNAZ, in Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, n° 10 ad art. 433 CPP ). D'autres auteurs considèrent à l'inverse que l'indemnité fondée sur l' art. 433 CPP doit être considérée comme un simple remboursement des débours ne portant pas intérêt (WEHRENBERG/FRANK, in Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2 e éd. 2014, n° 21 ad art. 433 CPP ). Aux termes de l'art. 492 al. 7 de l'avant-projet de Code de procédure pénale suisse, les prétentions en remboursement des frais de procédure, ainsi qu'en paiement d'indemnités et de réparation du tort moral, ne devaient être productives d'intérêts que lorsque la décision dans laquelle elles avaient été jugées était entrée en force. Cette disposition s'écartait de la solution retenue dans les quelques codes cantonaux qui abordaient la question - et disposaient que des créances en remboursement des frais de procédure ne produisaient pas d'intérêts - et fixait, pour des "raisons pratiques", le dies ad quo au moment de l'entrée en force du jugement correspondant (Rapport explicatif relatif à l'avant-projet d'un code de procédure pénale suisse, Berne 2001, p. 289). Selon le rapport sur la procédure de consultation, l'art. 492 al. 7 n'a pas fait l'objet de débats (Synthèse des résultats de la procédure de consultation relative aux avant-projets de code de procédure pénale suisse et de loi fédérale régissant la procédure pénale applicable aux mineurs de l'Office fédéral de la justice, Berne, février 2003, p. 96). Celui-ci n'a pas été repris dans la version du code soumise aux Chambres fédérales (Projet de code de procédure pénale suisse, FF 2006 1373), lesquelles n'ont donc pas délibéré sur la question de la production d'intérêts des créances concernées. Le Message du Conseil fédéral du 21 décembre 2005 relatif à l'unification du droit de la procédure fédérale évoque quant à lui - à propos des prétentions fondées sur l' art. 429 CPP - un droit à l'obtention de "dommages et intérêts" fondé sur une "responsabilité causale" (FF 2006 1313). La disposition en question ne concerne cependant pas uniquement les prétentions du prévenu relatives à ses dépenses dans la procédure, mais également celles découlant de son dommage économique et de son tort moral, de sorte qu'on ne saurait en tirer aucune conclusion. Pour le reste, le message reste muet concernant la nature des prétentions de la partie plaignante à titre de l' art. 433 CPP . Dans un arrêt du 9 mars 2001, le Tribunal fédéral avait estimé qu'il n'était pas arbitraire de considérer qu'une disposition du Code de procédure pénale soleurois permettant au prévenu acquitté ou mis au BGE 143 IV 495 S. 499 bénéfice d'un classement de se voir allouer une indemnité pour ses frais de procédure n'impliquait pas nécessairement la production d'intérêts sur la créance correspondante, contrairement à ce qui prévalait s'agissant des créances en réparation de son dommage. En l'occurrence, une disposition dudit code fondait en effet les prétentions du prévenu en réparation de son dommage et de son tort moral, tandis qu'une autre prévoyait spécifiquement l'octroi d'une indemnité pour les frais de procédure (arrêt 1P.752/2000 du 9 mars 2001). Le même raisonnement peut être appliqué à l' art. 433 CPP . En effet, le CPP prévoit à son art. 122 que des prétentions civiles peuvent être élevées dans le cadre de la procédure pénale. La plupart du temps, le fondement juridique des prétentions civiles réside dans les règles relatives à la responsabilité civile des art. 41 ss CO . La partie plaignante peut ainsi réclamer la réparation de son dommage (art. 41 à 46 CO) et l'indemnisation de son tort moral ( art. 47 et 49 CO ), dans la mesure où ceux-ci découlent directement de la commission de l'infraction reprochée au prévenu (cf. arrêt 6B_11/2017 du 29 août 2017 consid. 1.2 et les références citées). Les dépenses occasionnées par la procédure n'entrent pas dans ces prétentions tendant notamment à la réparation du dommage, mais sont spécialement réglées par l' art. 433 CPP . Cette disposition ne concerne donc pas un poste du dommage de la partie plaignante, mais s'attache au remboursement de ses débours. Rien ne permet, en conséquence, de considérer que des intérêts devraient courir sur la créance qui en découle. Les remarques qui précèdent peuvent d'ailleurs être appliquées aux indemnités fondées sur l' art. 429 al. 1 let. a CPP qui, contrairement à celles accordées sur la base de la let. c de cette disposition - productives d'un intérêt compensatoire (cf. arrêts 6B_1404/2016 du 13 juin 2017 consid. 2.2; 6B_20/2016 du 20 décembre 2016 consid. 2.5.1) -, concernent les dépens du prévenu. La production d'intérêts sur une créance découlant de l' art. 433 CPP poserait d'ailleurs des difficultés considérables relatives à la détermination du dies ad quo . Notons à cet égard que parmi les auteurs s'étant prononcés sur la question, seuls MIZEL/RÉTORNAZ ont proposé une solution, soit de faire courir les intérêts à partir du jour où la décision dans laquelle la créance a été fixée serait entrée en force (MIZEL/RÉTORNAZ, op. cit., n° 10 ad art. 433 CPP ). Cette solution était également celle envisagée à l'art. 492 al. 7 de l'avant-projet de Code de procédure pénale suisse. Or, celle-ci ne permettrait pas nécessairement de placer la partie plaignante dans la situation qui BGE 143 IV 495 S. 500 aurait été la sienne si elle avait été indemnisée au moment de la survenance de son dommage. En effet, la partie plaignante qui aurait versé des provisions en faveur de son défenseur verrait son patrimoine diminué avant l'entrée en force d'une décision lui octroyant une indemnité à titre de l' art. 433 CPP ainsi que des intérêts. Il découle de ce qui précède que la cour cantonale n'a pas violé le droit fédéral en considérant que l'indemnité allouée au recourant pour ses dépenses dans le cadre de la procédure d'appel ne devait pas produire d'intérêts. Le grief doit être rejeté.
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Sachverhalt ab Seite 130 BGE 128 I 129 S. 130 Die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Basel-Stadt führen gegen mehrere Personen eine Strafuntersuchung wegen des Verdachts des Kapitalanlagebetrugs im Zusammenhang mit mehreren Finanzinstituten. In diesem Rahmen beschlagnahmten sie unter dem Titel "Beweismittel und Deliktsgut" die folgenden, den holländischen Kunden G. betreffenden Güter: Ein Briefumschlag mit HFL 191'600.-, ein Eröffnungsformular, eine Einzahlungsbestätigung über HFL 200'000.- sowie eine Provisionsabrechnung des Vermittlers. - Hintergrund dieser Angelegenheit bilden die folgenden Umstände: Der Holländer G. trat mit einem Basler Finanzinstitut zwecks Vermögensanlage in Verbindung. In der Folge vereinbarte er mit einem holländischen Vermittler des Finanzinstituts, die Beträge von 30'000 bzw. 200'000 holländischen Gulden bei einer Bank anzulegen. Dabei wurden Eröffnungsformulare ausgefüllt und unterzeichnet und G. schliesslich eine Versicherungspolice zugestellt. Die anzulegenden Beträge sind dem Vermittler in bar übergeben worden. G. wurde von der Staatsanwaltschaft über das eingeleitete Strafverfahren informiert. Er beantwortete deren Fragebogen, stellte eine Entschädigungsforderung von 230'000 Gulden und forderte vorerst die Rückerstattung von 200'000 Gulden. Schliesslich ersuchte G. die Staatsanwaltschaft darum, den beschlagnahmten Betrag von HFL 191'600.- (die um die Provision des Vermittlers gekürzte Zahlung von HFL 200'000.-) an ihn herauszugeben. Die Staatsanwaltschaft und der Erste Staatsanwalt wiesen dieses Ersuchen um vorzeitige Aufhebung der Beschlagnahme und Herausgabe ab, weil nicht sicher sei, ob es sich um das Geld von G. handle, der Geldbetrag im Zeitpunkt der Beschlagnahme Eigentum einer der beteiligten Banken gewesen sei und sich das Herausgabegesuch vor Abschluss des Verfahrens als verfrüht erweise. Auf Rekurs von G. hin verweigerte auch das Strafgericht Basel-Stadt die Herausgabe des Betrages von HFL 191'600.- mit der Begründung, das Eigentum von G. sei nicht nachgewiesen und über andere dingliche Rechte könne erst beim Abschluss des Strafverfahrens befunden werden. Gegen das Urteil des Strafgerichts führt G. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 9 BV . Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und hebt den angefochtenen Entscheid auf.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Unter dem Gesichtswinkel der Eintretensvoraussetzungen ist zu prüfen, ob die staatsrechtliche Beschwerde das zulässige Rechtsmittel ist und ob sie nach Art. 87 OG zulässig ist. BGE 128 I 129 S. 131 Mit der Abweisung des Herausgabeersuchens und der Aufrechterhaltung der Beschlagnahme wird nicht definitiv über das Schicksal des beschlagnahmten Vermögensbetrags entschieden. Der angefochtene Entscheid stellt daher einen selbständig eröffneten Zwischenentscheid dar. Damit scheidet die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde - etwa wegen Verletzung von Art. 59 StGB - aus (vgl. BGE 119 IV 168 E. 2a S. 170 und BGE 126 I 97 E. 1c S. 101 [mit Hinweisen] zur Anfechtung von Zwischenentscheiden, BGE 122 IV 365 und BGE 126 I 97 E. 1a S. 100 zur Anfechtung von definitiven Entscheiden über Einziehung von Vermögenswerten und Verwendung zugunsten von Geschädigten). Das Rechtsmittel der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist im vorliegenden Fall grundsätzlich zulässig ( Art. 84 Abs. 2 OG ). Mit ihr kann insbesondere eine willkürliche Anwendung von kantonalem Strafprozessrecht oder von Bundesrecht gerügt werden (vgl. BGE 126 I 97 E. 1a S. 100). Als selbständig eröffneter Zwischenentscheid kann das Urteil des Strafgerichts mit staatsrechtlicher Beschwerde nur angefochten werden, wenn es nach Art. 87 Abs. 2 OG einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts haben Verfügungen, mit denen bestimmte Gegenstände beschlagnahmt werden, einen nicht wieder gutzumachenden rechtlichen Nachteil im Sinne von Art. 87 Abs. 2 OG (bzw. nach Art. 87 aOG) zur Folge, weil der Betroffene dadurch gehindert wird, frei über diese zu verfügen ( BGE 126 I 97 E. 1b S. 101 mit weitern Hinweisen). Das gilt gleichermassen für die Beschlagnahme von Geldwerten und für Kontosperren (vgl. Urteil 1P.189/2000 vom 21. Juni 2000). Daraus ist ohne weiteres zu schliessen, dass auch die Verweigerung einer Aufhebung einer (ursprünglich nicht angefochtenen) Beschlagnahme einen Nachteil im Sinne von Art. 87 Abs. 2 OG bewirken kann (vgl. Urteil 1P.189/2000 vom 21. Juni 2000). Die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme verunmöglicht es dem Beschwerdeführer (weiterhin), über den Geldbetrag und allfällige Zinserträge frei zu verfügen. Es ist unerheblich, dass der Beschwerdeführer in seiner Stellung als Geschädigter bei Abschluss des Strafverfahrens möglicherweise entschädigt wird und das Geld in der Zwischenzeit zinstragend angelegt ist. Demnach ist auf die vorliegende staatsrechtliche Beschwerde - entgegen den Anträgen der kantonalen Behörden - einzutreten. 3. 3.1 Bevor auf den angefochtenen Entscheid und die vom Beschwerdeführer erhobenen Rügen im Einzelnen eingegangen wird, BGE 128 I 129 S. 132 gilt es, die Regelung der Beschlagnahme bzw. deren Aufhebung nach der Ordnung der Strafprozessordnung des Kantons Basel-Stadt (StPO) bzw. der Art. 59 f. StGB im Hinblick auf den vorliegenden Sachverhalt kurz darzustellen und eine verfassungsrechtliche Überlegung anzufügen. 3.1.1 Nach § 81 StPO können bei verdächtigen Personen, Geschädigten oder Dritten Gegenstände und Vermögenswerte zur Sicherung von Beweisen, zur voraussichtlichen Einziehung, zur Sicherung der Schadensdeckung sowie zur Sicherung von Geldbussen und Verfahrenskosten beschlagnahmt werden. Die Beschlagnahme ist gemäss § 83 Abs. 1 StPO aufzuheben, sobald der beschlagnahmte Gegenstand für das Verfahren entbehrlich ist und fällt spätestens mit der Beendigung des Verfahrens dahin. Die einstellende Behörde oder das urteilende Gericht trifft über die beschlagnahmten Sachen und Werte nach § 83 Abs. 2 StPO die erforderlichen Verfügungen und entscheidet über Einziehung und Verfall sowie insbesondere über deren Verwendung für Busse, Kosten und Schadenersatz; beschlagnahmte Sachen und Werte sind dem früheren Besitzer zurückzugeben, soweit sie weder eingezogen noch zur Deckung von Forderungen verwendet werden und nicht durch Urteil einer andern Person zugesprochen werden. Bestehen beim Abschluss des Strafverfahrens ungeklärte Ansprüche Dritter auf Herausgabe beschlagnahmter Objekte, so setzt die zuständige Behörde gemäss § 83 Abs. 3 StPO den Drittansprechern Frist zur Klage, über welche das Gericht befindet. Aus dieser Ordnung ergibt sich, dass beschlagnahmtes Gut schon während der Untersuchung durch die Strafverfolgungsbehörden zurückzugeben ist, soweit es beispielsweise wegen erhobener Beweise nicht mehr gebraucht wird. Beschlagnahmte Sachen und Werte sind zurückzuerstatten, sofern sie nicht eingezogen und hernach zu verschiedenen Zwecken verwendet werden; die Rückgabe geht insoweit der Einziehung und allfälliger Verwendung unter dem Titel von Schadenersatz und Begleichung von Busse und Kosten vor. 3.1.2 Art. 59 Ziff. 1 Abs. 1 StGB ermächtigt den Richter zur Einziehung von "deliktischen" Vermögenswerten, sofern sie nicht dem Verletzten zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes ausgehändigt werden. Er erkennt nach Art. 59 Ziff. 2 Abs. 1 StGB auf eine Ersatzforderung (und kann hierfür gemäss Art. 59 Ziff. 2 Abs. 3 StGB Vermögenswerte beschlagnahmen), sofern die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden BGE 128 I 129 S. 133 sind. Schliesslich erlaubt Art. 60 Abs. 1 StGB es dem Richter, dem Geschädigten (vom Verurteilten bezahlte) Bussen, eingezogene Gegenstände und Vermögenswerte und Ersatzforderungen bis zur Höhe des Schadens zuzusprechen. Die Kantone haben hierfür ein einfaches und rasches Verfahren vorzusehen, sofern die Zusprechung nicht schon im Strafurteil möglich ist ( Art. 60 Abs. 3 StGB ). Aus dieser bundesrechtlichen Regelung ergibt sich, dass die Aushändigung an den Verletzten zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes vor einer allfälligen Einziehung und nachfolgenden Zuweisung an einen Geschädigten als Schadenersatz zu erfolgen hat (vgl. BGE 122 IV 365 E. 1a/aa S. 368). Sie bezieht sich nicht lediglich auf Gegenstände, sondern auf Vermögenswerte allgemein (vgl. BGE 122 IV 365 E. 1a/aa S. 368). Dazu können insbesondere auch Geldbeträge sowie nach der Lehre unechte Surrogate (im Falle von Umtausch oder Vermischung von Geld) gehören. Die Zuweisung kann nicht erst durch den Strafrichter, sondern unter Vorbehalt eines kantonalen Rechtsmittels an eine richterliche Behörde bereits durch die Untersuchungsbehörde erfolgen (vgl. BGE 126 IV 107 E. 1b/cc S. 110 und 111 sowie E. 4 S. 112). Voraussetzung hierfür ist, dass die Rechtslage hinreichend liquid ist und keine besseren Ansprüche Dritter geltend gemacht werden (vgl. BGE 122 IV 365 E. 2b S. 374). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so ist die Zuweisung - ohne Rücksicht auf andere Gläubiger und Geschädigte - tatsächlich vorzunehmen (vgl. zum Ganzen NIKLAUS SCHMID, Strafrechtliche Beschlagnahme und die besondern Möglichkeiten des Geschädigten nach Art. 59 Ziff. 1 letzter Satzteil StGB sowie Art. 60 StGB , in: Niklaus Schmid/Jürg-Beat Ackermann [Hrsg.], Wiedererlangung widerrechtlich entzogener Vermögenswerte mit Instrumenten des Straf-, Zivil-, Vollstreckungs- und internationalen Rechts, Europa Institut Zürich, Zürich 1999, S. 19 ff.; NIKLAUS SCHMID, Kommentar Einziehung, Organisiertes Verbrechen, Geldwäscherei, Bd. I, Zürich 1998, Rz. 17, 20, 49 ff., 61 ff., 66 ff., 70 ff., 141 ff. zu Art. 59 StGB ; ROBERT HAUSER/ERHARD SCHWERI, Schweizerisches Strafprozessrecht, 4. Aufl. 1999, § 69 Rz. 17 ff. und 31 ff.). 3.1.3 Schliesslich ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zu beachten, dass eine Beschlagnahme einen Eingriff in die durch die Eigentumsgarantie nach Art. 26 BV geschützte Position als Eigentümer oder Besitzer darstellt ( BGE 120 Ia 120 E. 1b S. 121 mit Hinweisen). Das bedeutet, dass die beschlagnahmten Güter grundsätzlich an den Besitzer oder Eigentümer zurückzugeben sind, sofern sie für das Strafverfahren nicht mehr benötigt werden; die BGE 128 I 129 S. 134 Beschlagnahme darf indessen aufrechterhalten werden, sofern die Bedürfnisse der Beweissicherung oder die Möglichkeit der Einziehung weiterhin bestehen. Aus der Eigentumsgarantie in Verbindung mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK ist ferner zu folgern, dass demjenigen, der Besitzes- oder Eigentumsrechte an beschlagnahmten Gütern beansprucht, ein Verfahren zur Verfügung stehen muss, seine Ansprüche geltend zu machen und dazu innert angemessener Frist einen richterlichen Entscheid zu erhalten. In diesem Sinne kann die Eigentums- oder Besitzesfrage bei umstrittenen Verhältnissen in ein separates Verfahren (vor dem Zivilrichter) verwiesen werden (vgl. BGE 120 Ia 120 E. 1b S. 121 f.; BGE 126 IV 107 E. 1b/cc S. 111). 3.2 Das Strafgericht ist im angefochtenen Entscheid davon ausgegangen, dass die Beschlagnahme aufzuheben wäre, wenn es sich bei den beschlagnahmten HFL 191'600.- um das Eigentum des Beschwerdeführers handeln würde. Sinngemäss ist daraus zu schliessen, dass diesfalls der Betrag schon vor Abschluss des Strafverfahrens und Vorliegen eines Urteils dem Beschwerdeführer (und nicht, wie die Staatsanwaltschaft annimmt, unter blosser Aufhebung der Beschlagnahme dem früheren Besitzer) herauszugeben wäre. Das Eigentum am Betrag von HFL 191'600.- habe indessen, führt das Strafgericht weiter aus, vom Beschwerdeführer nicht nachgewiesen werden können, weil er auf dem Fragebogen angegeben hatte, dem Vermittler HFL 200'000.- übergeben zu haben. Dieser Betrag sei zudem mit der Übergabe an den Vermittler in das Eigentum des Basler Finanzinstituts übergegangen. - Demgegenüber macht der Beschwerdeführer mit der vorliegenden Beschwerde geltend, das Strafgericht habe den Sachverhalt willkürlich gewürdigt und in Verletzung von Art. 9 BV einen Übergang des Eigentums angenommen. Aus den Akten geht hervor, dass der Beschwerdeführer nicht bloss einen Schaden von HFL 200'000.-, sondern auf dem Fragenkatalog der Staatsanwaltschaft einen solchen von HFL 230'000.- angegeben und vorerst als Schadenersatz geltend gemacht hatte, weil er dem Vermittler diesen Betrag in zwei Teilbeträgen tatsächlich übergeben hatte. Im vorliegenden Verfahren verlangt er nunmehr nicht Schadenersatz in diesem Umfang, sondern lediglich die Herausgabe der beschlagnahmten HFL 191'600.- an ihn selber (vgl. zu diesem Vorgehen SCHMID, Strafrechtliche Beschlagnahme, a.a.O.). Dieser Betrag soll sich aus den übergebenen HFL 200'000.-, gekürzt um die Provision des Vermittlers gemäss Provisionsabrechnung ergeben. Bei dieser Sachlage ist es offensichtlich unhaltbar, BGE 128 I 129 S. 135 dem Beschwerdeführer den als Schaden angezeigten Betrag von HFL 200'000.- entgegen zu halten und allein daraus auf ungeklärte Eigentumsverhältnisse zu schliessen. Ferner hat der Beschwerdeführer auf den unbestrittenen Umstand hingewiesen, dass der Betrag von HFL 191'600.-, zusammen mit Quittungen und einer Provisionsabrechnung, in einem Briefumschlag gefunden und beschlagnahmt worden ist, und daraus abgeleitet, dass der Geldbetrag nicht vermischt worden sei und wegen der Aussonderung daher immer noch in seinem Eigentum stehe. Das Strafgericht hat sich mit diesem Umstand in keiner Weise auseinander gesetzt, ist auf das Auffinden und die Beschlagnahme des Geldbetrages in einem separaten Briefumschlag mit keinem Wort eingegangen und hat das Begehren nicht vor diesem Hintergrund beurteilt. Damit hat es seinem Entscheid in unhaltbarer Weise nicht den sich aus den Akten ergebenden Sachverhalt zugrunde gelegt und die Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geprüft. Ebenso wenig hat sich das Strafgericht mit dem Einwand des Beschwerdeführers befasst, bei der Übergabe des Geldbetrages an den Vermittler hätten aus zivilrechtlicher Sicht in keiner Weise Eigentumsrechte übertragen werden sollen. Damit hat es den Anspruch auf Prüfung der Vorbringen des Beschwerdeführers verletzt. Bei dieser Sachlage erscheint der angefochtene Entscheid auch in dieser Hinsicht im Sinne von Art. 9 BV als unhaltbar. 3.3 Demnach erweist sich die vorliegende Beschwerde als begründet und ist unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides gutzuheissen. Das Strafgericht wird das Herausgabebegehren des Beschwerdeführers unter Zugrundelegung der aus den Akten ersichtlichen Umständen und den Vorbringen des Beschwerdeführers erneut zu prüfen und zu entscheiden haben, ob der streitige Betrag dem Beschwerdeführer zurückzuerstatten oder ob die Beschlagnahme wegen nicht hinreichend abgeklärter Eigentumsverhältnisse im Hinblick auf eine Einziehung (u.a. zum Zweck der Entschädigung von Geschädigten) weiterhin aufrechtzuerhalten und die Frage der Rückgabe im Rahmen von § 83 Abs. 2 bzw. Abs. 3 StPO dem Richter vorzubehalten sei. Dabei wird es - unter Gewährung des rechtlichen Gehörs - insbesondere auch den Umstand, dass die HFL 191'600.- in Schweizer Franken gewechselt worden sind, sowie die oben stehenden Erwägungen (E. 3.1) zu beachten haben.
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Erwägungen ab Seite 91 BGE 128 II 90 S. 91 Aus den Erwägungen: 1. Mit Plangenehmigungsverfügung vom 17. Oktober 2000 bewilligte das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) auf Gesuch der Flugplatzgenossenschaft Biel und Umgebung die Erstellung eines Flugplatzrestaurants auf dem Flugfeld Biel-Kappelen. Gegen diese Plangenehmigung erhoben sowohl die Nachbarn A. und B. als auch die Einwohnergemeinde Kappelen bei der Rekurskommission des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) Verwaltungsbeschwerde. Die Beschwerdeführer machten geltend, es handle sich beim Bauvorhaben nicht um eine Flugplatzanlage im Sinne von Art. 37 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Luftfahrt vom 21. Dezember 1948 (LFG; SR 748.0) in der Fassung vom 18. Juni 1999, sondern um eine Nebenanlage, die in die kantonale Baubewilligungskompetenz falle. Im Verfahren vor der Rekurskommission UVEK verzichtete die Flugplatzgenossenschaft auf eine Beschwerdeantwort. Auf Aufforderung der Rekurskommission erteilte sie dieser jedoch mit Schreiben vom 15. Februar 2001 Auskunft über das Passagieraufkommen, das angestellte Personal sowie die Anzahl Flugbewegungen, wobei sie in "abschliessenden Bemerkungen" noch auf das grosse Interesse der Flugbegeisterten am Bauvorhaben hinwies und um "wohlwollende Prüfung" ersuchte.
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Die Rekurskommission UVEK hiess am 9. April 2001 die Beschwerde gut und hob die Plangenehmigungsverfügung des BAZL vom 17. Oktober 2000 auf. Die Kosten des Verfahrens vor der Rekurskommission in Höhe von Fr. 1'500.- wurden der Flugplatzgenossenschaft Biel und Umgebung auferlegt (Dispositiv Ziffer 3). Diese wurde ausserdem verpflichtet, den beschwerdeführenden Privaten eine Parteientschädigung von Fr. 4'841.35 zu bezahlen BGE 128 II 90 S. 92 (Dispositiv Ziffer 5). Zur Begründung ihres Kostenentscheides verwies die Rekurskommission auf Art. 63 Abs. 1 VwVG (SR 172.021). Zur Entschädigungsregelung hielt sie fest, der ganz oder teilweise obsiegenden Partei könne in Anwendung von Art. 64 Abs. 1 VwVG von Amtes wegen oder auf Gesuch eine Entschädigung für ihr erwachsene notwendige und verhältnismässig hohe Kosten zugesprochen werden. Die Entschädigung werde der Körperschaft oder autonomen Anstalt auferlegt, in deren Namen die Vorinstanz verfügt habe, soweit sie nicht einer unterliegenden Gegenpartei auferlegt werden könne. Der Rechtsvertreter der beschwerdeführenden Privaten habe eine Parteientschädigung verlangt und ordnungsgemäss eine Kostennote eingereicht, gegen die nichts eingewendet werden könne. Da sich die Beschwerdegegnerin implizit mit selbständigen Begehren am Verfahren beteiligt habe, müsse sie den obsiegenden Privaten eine der Kostennote entsprechende Parteientschädigung entrichten. Die beschwerdeführende Gemeinde habe sich dagegen nicht anwaltlich vertreten lassen; ihr seien deshalb keine notwendigen und verhältnismässig hohen Kosten im Sinne von Art. 64 VwVG entstanden, so dass kein Grund für die Ausrichtung einer Parteientschädigung bestehe. Die Flugplatzgenossenschaft Biel und Umgebung ficht die von der Rekurskommission UVEK getroffene Kosten- und Entschädigungsregelung mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an. Sie stellt den Antrag, die Ziffern 3 und 5 des Beschwerdeentscheides seien derart abzuändern, dass die Flugplatzgenossenschaft von der Pflicht zur Bezahlung von Verfahrenskosten und einer Parteientschädigung befreit werde. 2. Die Beschwerdeführerin wendet zunächst gegen die Kostenauflage ein, diese widerspreche jahrelanger konstanter Praxis der Bundesbehörden. Als unterliegende Partei im Sinne von Art. 63 Abs. 1 VwVG sei seit jeher nur jene Partei verstanden worden, welche sich mit selbständigen Anträgen am Verfahren beteiligt habe; insofern finde Art. 64 Abs. 3 VwVG auch bei der Verlegung der Verfahrenskosten Anwendung. Sie sei in diesem Sinne im Verfahren vor der Rekurskommission nicht Partei gewesen, da sie bewusst auf eine Teilnahme am Verfahren und auf die Stellung von eigenen Anträgen verzichtet habe. Zur Entschädigungsregelung wird in der Beschwerde ausgeführt, der Anspruch der rekurrierenden Privaten auf Ausrichtung einer Parteientschädigung werde nicht bestritten, doch sei diese nicht von ihr, der Beschwerdeführerin, zu bezahlen. Nach dem klaren und BGE 128 II 90 S. 93 unmissverständlichen Wortlaut von Art. 64 Abs. 3 VwVG bestehe die Pflicht zur Ausrichtung einer Parteientschädigung nur, wenn sich die unterliegende Gegenpartei mit selbständigen Begehren am Verfahren beteiligt habe. Das habe sie gerade nicht getan. Auch in das Schreiben vom 15. Februar 2001 könne nicht hineininterpretiert werden, die Flugplatzgenossenschaft habe sich "implizit mit selbständigen Begehren am Verfahren beteiligt". Sie habe mit jenem Schreiben einzig und allein die Fragen der instruierenden Behörde beantwortet, wozu sie nach dem massgebenden Verfahrensrecht verpflichtet gewesen sei. a) Es ist unbestritten, dass der Entscheid über die Prozesskosten und die Parteientschädigungen im Verfahren vor der Rekurskommission UVEK nach den Bestimmungen des VwVG zu treffen ist. In Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 lit. d VwVG wird dieses Gesetz generell auf das erstinstanzliche oder Beschwerdeverfahren in Verwaltungssachen vor den eidgenössischen Kommissionen anwendbar erklärt. Nach Art. 71a Abs. 1 und 2 VwVG in der Fassung vom 4. Oktober 1991 bestimmt sich das Verfahren vor den eidgenössischen Rekurskommissionen als Beschwerdeinstanzen nach diesem Gesetz. Zu den Prozesskosten hält Art. 26 der Verordnung vom 3. Februar 1993 über Organisation und Verfahren eidgenössischer Rekurs- und Schiedskommissionen (SR 173.31) ausdrücklich fest, dass sich die Verfahrenskosten nach Art. 63 VwVG und, mit Ausnahme von Artikel 6 Abs. 2, nach der Verordnung vom 10. September 1969 über Kosten und Entschädigungen im Verwaltungsverfahren (SR 172.041.0) richten. Auch aus der massgeblichen Spezialgesetzgebung ergibt sich nichts anderes. Da die Halter von Flugfeldern nicht über das Enteignungsrecht verfügen, fällt hier insbesondere die Anwendung der enteignungsrechtlichen Sonderregeln über die Kosten und Parteientschädigung ausser Betracht (vgl. Art. 37a LFG in der Fassung vom 18. Juni 1999). Es ist daher in der Tat nur zu prüfen, ob die Rekurskommission UVEK die Kostenregeln des VwVG, insbesondere die Bestimmungen von Art. 63 Abs. 1 und Art. 64 Abs. 3 VwVG , unrichtig angewendet habe. b) Die Beschwerdeführerin vertritt die Meinung, sie sei im Beschwerdeverfahren nicht (unterliegende) Partei gewesen und könne daher nicht kostenpflichtig werden. Dieser Auffassung ist nicht zuzustimmen. Nach Art. 63 Abs. 1 VwVG auferlegt die Beschwerdeinstanz die Verfahrenskosten in der Regel der unterliegenden Partei. Wer im BGE 128 II 90 S. 94 bundesrechtlichen Verwaltungs- und Beschwerdeverfahren Partei ist, wird in Art. 6 VwVG umschrieben. Danach gelten als Parteien die Personen, deren Rechte oder Pflichten die Verfügung berühren soll, und andere Personen, Organisationen oder Behörden, denen ein Rechtsmittel gegen die Verfügung zusteht. Nun ist hier das verwaltungs- bzw. luftfahrtrechtliche Verfahren, das zur Erteilung der Plangenehmigung geführt hat, auf Begehren und im Interesse der Flugplatzgenossenschaft Biel und Umgebung durchgeführt worden. Mit der Plangenehmigung ist dieser das Recht zum Bau eines Flugplatzrestaurants eingeräumt und sind die dagegen erhobenen Einsprachen abgewiesen worden. Die Flugplatzgenossenschaft ist somit als Gesuchstellerin im Plangenehmigungsverfahren im Sinne von Art. 5 VwVG als (Haupt-)Partei aufgetreten. Dieser Parteistellung kann sie sich im nachfolgenden Beschwerdeverfahren, das durch die Einsprecher veranlasst wird, jedenfalls insoweit nicht entledigen, als es auch dort um die Hauptsache geht, das heisst um die durch die Plangenehmigung erteilten Rechte. Bleibt aber die Baugesuchstellerin im Beschwerdeverfahren notwendigerweise Partei, so bleibt auch ihre Kostenpflicht bestehen, sofern sie - wenn auch nur stillschweigend - an ihrem Vorhaben festhält. Selbst ein Verzicht auf ihr Bauvorhaben im Laufe des von Dritten veranlassten Beschwerdeverfahrens liesse die Pflicht zur Bezahlung von Kosten grundsätzlich nicht untergehen (vgl. beispielsweise die Regelung in der bernischen Verwaltungsrechtspflege: THOMAS MERKLI/ARTHUR AESCHLIMANN/RUTH HERZOG, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege im Kanton Bern, Bern 1997, N. 2-5 zu Art. 110 VRPG). Jedenfalls kann der Umstand allein, dass die Baugesuchstellerin ihr anhaltendes Interesse am Projekt nicht durch ausdrückliche Anträge bekundet hat, keinen Einfluss auf die Parteistellung und damit auch auf die Kostenregelung haben. Sonst könnten sich die im erstinstanzlichen Verfahren obsiegenden Gesuchsteller im Beschwerdeverfahren, in dem es um den Bestand der erteilten Bewilligung geht, von ihrem Kostenrisiko stets durch Stillschweigen befreien. Im vorliegenden Fall muss daher die Beschwerdeführerin, die ihren Willen auf Festhalten am Projekt im Schreiben vom 15. Februar 2001 sinngemäss bestätigt hat, im Beschwerdeverfahren angesichts des für sie nachteiligen Ausgangs - der Aufhebung der Plangenehmigung - die Kostenpflicht übernehmen. Aus ähnlichen Überlegungen hat übrigens das Eidgenössische Versicherungsgericht in einem neueren Entscheid zu Art. 156 Abs. 1 OG festgestellt, dass im Verwaltungsgerichtsverfahren die BGE 128 II 90 S. 95 Gerichtskosten aufgrund der Anträge der beschwerdeführenden Partei, gemessen am Ergebnis der Anfechtung des vorinstanzlichen Entscheids - und somit ohne Rücksicht auf die Anträge der Gegenpartei - zu verlegen sind ( BGE 123 V 156 ). Da Art. 63 Abs. 1 Satz 1 VwVG der Bestimmung von Art. 156 Abs. 1 OG inhaltlich entspricht, kann eine übereinstimmende Auslegung und Anwendung der beiden Normen in vergleichbaren Verfahren nicht bundesrechtswidrig sein. Offen bleiben kann dagegen, ob in einem Mehrparteienverfahren wie dem vorliegenden Plangenehmigungsverfahren gleich zu entscheiden wäre, wenn nicht die Plangenehmigung selbst, sondern eine rein prozessrechtliche Frage Gegenstand des Beschwerdeverfahrens bildete (vgl. BGE 120 V 265 E. 3 S. 270 mit Hinweisen; BGE 123 V 156 E. 3a). c) Die soeben angestellten Erwägungen haben auch ihre Bedeutung für die Entschädigungsregelung. Wohl sieht Art. 64 Abs. 3 VwVG ausdrücklich vor, dass die unterliegende und an sich leistungsfähige Partei nur dann zur Bezahlung einer Parteientschädigung angehalten werden kann, wenn sie sich mit selbständigen Begehren am Verfahren beteiligt hat. Auch in diesem Zusammenhang darf jedoch berücksichtigt werden, ob der Verzicht auf selbständige Anträge auf das fehlende oder geringe Interesse an der Mitwirkung am Beschwerdeverfahren oder nur auf die Absicht zurückzuführen ist, sich der Entschädigungspflicht zu entschlagen. Liegt das Interesse der Gegenpartei am Verfahrensausgang auf der Hand, so darf bei der Entschädigungsregelung von der Voraussetzung, dass diese ausdrücklich Antrag gestellt habe, abgesehen werden (anders und wohl etwas zu undifferenziert: ALFRED KÖLZ/ISABELLE HÄNER, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., N. 703 und 707, sowie MERKLI/AESCHLIMANN/HERZOG, a.a.O., N. 3 zu Art. 108 VRPG). Die fragliche Bedingung, die erst im Laufe des parlamentarischen Verfahrens ins Gesetz eingefügt worden ist (vgl. Art. 58 des Entwurfes für das Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, BBl 1965 II 1390; AB 1967 S 185 f., 1968 N 613 f.) kann nicht bezwecken, der im Beschwerdeverfahren unterliegenden Hauptpartei die Möglichkeit zu verschaffen, die prozessuale Entschädigungspflicht trotz ihrer Leistungsfähigkeit auf die Behörden zu überwälzen. Dass hier die Beschwerdeführerin nicht leistungsfähig sei, wird von ihr selbst nicht geltend gemacht. d) Der Kosten- und Entschädigungsentscheid der Rekurskommission UVEK erweist sich mithin als bundesrechtmässig und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als unbegründet.
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Sachverhalt ab Seite 502 BGE 138 V 502 S. 502 A. Mit Verfügung vom 5. August 2008 stellte das Amt für die Aufsicht über die Stiftungen und die berufliche Vorsorge des Kantons Freiburg (ab 1. Januar 2012 im Zuständigkeitsbereich der Bernischen BGE 138 V 502 S. 503
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BVG- und Stiftungsaufsicht, nachfolgend: Aufsichtsbehörde) fest, dass die Personalfürsorgestiftung der Firma X. AG (kurz: Personalfürsorgestiftung) in Verletzung der gesetzlichen Bestimmungen der Arbeitgeberfirma, der X. AG, ein Darlehen gewährt und Arbeitgeberbeiträge aus ihren freien Mitteln finanziert habe (Dispositiv-Ziff. III). Sie wies die Personalfürsorgestiftung an - gegebenenfalls in Erstellung eines Rückzahlungsplans - bis zum 30. September 2008 die notwendigen Schritte zu unternehmen, um Fr. 214'740.90 per 31. Dezember 2004 von der X. AG zurückzuerhalten, zuzüglich eines marktkonformen Zinses und abzüglich der Rückzahlung von Fr. 45'000.- mit Valuta vom 28. Dezember 2006. In der selben Frist sei die Jahresrechnung 2007 gemäss den Fachempfehlungen zur Rechnungslegung von Personalvorsorgeeinrichtungen Swiss GAAP FER 26 zu erstellen und einzureichen (Dispositiv-Ziff. IV); der Rückforderungsbetrag von Fr. 214'740.90 setzte sich aus einem der Arbeitgeberfirma gewährten Darlehen von Fr. 171'576.80 per 31. Dezember 2004 und der Begleichung von Arbeitgeberbeiträgen im Jahr 2004 in der Höhe von Fr. 43'164.10 zusammen. Im Weiteren stattete die Aufsichtsbehörde die Verfügung mit dem Hinweis auf die Strafdrohung gemäss Art. 292 StGB und Art. 79 BVG (SR 831.40) aus (Dispositiv-Ziff. V). Ferner rief sie den Organen der Personalfürsorgestiftung Art. 158 StGB und die Strafbestimmungen des BVG wie auch die Verantwortlichkeit gemäss Art. 52 BVG in Erinnerung (Dispositiv-Ziff. VI). B. Am 25. Oktober 2011 hiess das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde der Personalfürsorgestiftung teilweise gut, soweit es darauf eintrat. Es änderte Dispositiv-Ziff. IV der Verfügung vom 5. August 2008 dahingehend ab, dass es die Personalfürsorgestiftung verpflichtete, "die nötigen Schritte zu unternehmen, gegebenenfalls in der Erstellung eines Rückzahlungsplanes, damit ihr der Betrag von Fr. 166'439.35, zuzüglich marktkonformen Zins ab 31. Dezember 2006, nötigenfalls unter Ansetzung einer neuen Frist, von der Arbeitgeberfirma X. AG zurückbezahlt wird". Im Übrigen bestätigte das Bundesverwaltungsgericht die angefochtene Verfügung. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die Aufsichtsbehörde habe den Rückzahlungsbetrag per 31. Dezember 2006 auf netto Fr. 169'740.90 beziffert, nämlich Fr. 214'740.90 per 31. Dezember 2004 abzüglich der Rückzahlung von Fr. 45'000.- mit Valuta 28. Dezember 2006. Ausserdem habe sie in E. 13 ihrer Verfügung die zurückzuverlangenden Darlehen und Arbeitgeberbeiträge per BGE 138 V 502 S. 504 31. Dezember 2006 moniert. Aufgrund der Jahresrechnungen per 31. Dezember 2004-2006 sowie der Kontrollstellenberichte ergebe sich per 31. Dezember 2006 jedoch ein Total von Fr. 117'322.- an ausgerichteten und zurückzufordernden Arbeitgeberbeiträgen sowie eine zurückzufordernde Überschreitung aus Darlehensgewährung an die X. AG von Fr. 49'117.35, zusammen also Fr. 166'439.35. C. Die Personalfürsorgestiftung reicht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ein und beantragt in materieller Hinsicht, es seien das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Oktober 2011 sowie Dispositiv-Ziff. III, IV (ausgenommen letzter Satz), V und VI der Verfügung vom 5. August 2008 aufzuheben. Zudem sei festzustellen, dass sie berechtigt sei, Arbeitgeberbeiträge der Stifterfirma X. AG mit dem freien Stiftungsvermögen zu bezahlen. In formeller Hinsicht stellt die Personalfürsorgestiftung Antrag auf Erteilung der aufschiebenden Wirkung. Die Aufsichtsbehörde und das Bundesverwaltungsgericht schliessen in ihren Stellungnahmen auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) äussert sich ausschliesslich zu dem der X. AG gewährten Darlehen und beantragt diesbezüglich die Abweisung der Beschwerde im Sinne der Ausführungen, wobei der Umfang der Rückzahlungspflicht neu zu überprüfen sei. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Es ist unbestritten, dass es sich bei der Beschwerdeführerin seit ihrer Organisations- und Zweckänderung, die per 1. Januar 1985 erfolgte, um einen patronalen Wohlfahrtsfonds im Sinne von BGE 138 V 346 S. 349 E. 3.1.1 Abs. 1 S. 349 handelt. Wie die Vorinstanz diesbezüglich für das Bundesgericht verbindlich festgestellt hat (nicht publ. E. 1.1), besteht seitdem keine reglementarische Personalvorsorge mehr. Ebenso wenig wurde die Stiftung seither mit Arbeitnehmerbeiträgen finanziert. Es besteht keine Veranlassung, von dieser grundsätzlichen und allseits anerkannten Qualifizierung abzuweichen (vgl. auch E. 5.1 unten). 5. Im Vordergrund steht die Streitfrage, ob und inwieweit die Beschwerdeführerin ihre freien Mittel für die Bezahlung von Arbeitgeberbeiträgen der X. AG verwenden darf. Die Vorinstanz verneinte eine solche Berechtigung für die Jahre 2004-2006, weil das per 31. Dezember 1984 vorhandene freie Stiftungskapital von den BGE 138 V 502 S. 505 Arbeitnehmern mitfinanziert und daraus keine Arbeitgeberbeitragsreserve ausgesondert worden sei. 5.1 Der seit 1. Januar 1985 gültige Stiftungszweck sieht einerseits die Fürsorge für die Arbeitnehmer der Stifterfirma und ihre Angehörigen und Hinterlassenen sowie für die Personen, für die der Arbeitnehmer nachweisbar bis zuletzt gesorgt hat, gegen die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Tod, Invalidität, Krankheit, Unfall und in besonderen Notlagen vor (Art. 2 Abs. 1 Stiftungsurkunde). Anderseits wird der Stiftungszweck auch verfolgt durch Zuweisung von Beiträgen aus der Arbeitgeber-Beitragsreserve an die Personalvorsorgeeinrichtung der Stifterfirma. Diese Beiträge gelten als Beiträge der Firma im Sinne von Art. 331 OR bzw. Art. 66 BVG (Abs. 2). Die Stiftung kann zudem mit bestehenden oder neuen Mitteln zugunsten steuerbefreiter Personalvorsorge-Einrichtungen der Stifterfirma eine Beitragsreserve gemäss Art. 331 OR errichten (Abs. 3) oder Zuwendungen oder Leistungen gemäss Art. 338 f. OR direkt an andere steuerbefreite Personalvorsorge-Einrichtungen einer Firma erbringen (Abs. 4). 5.2 Die Beschwerdeführerin bemängelt, die Vorinstanz habe übersehen, dass sie bereits vor dem 1. Januar 1985 die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge lediglich "treuhänderisch" erhoben habe, indem diese im gleichen Jahr wieder insgesamt an die Versicherungsgesellschaft weitergeleitet worden seien. Das Kapital per 31. Dezember 1984 habe allein aus Mutationsgewinnen und Kapitalerträgen bestanden, wobei Erstere keine Arbeitnehmerbeiträge umfasst hätten, da früher - vor dem 1. Januar 1985 - bei einem Austritt eines Mitarbeiters dessen Beiträge vollständig, inklusive Zinsen, mitzugeben waren, von den Arbeitgeberbeiträgen dagegen nur ein Anteil. Damit ist indessen nicht belegt, dass sich im freien Stiftungsvermögen, das unverändert in die Jahresrechnung 1985 überging, nicht auch Kapital befand, das von den Arbeitnehmern mitfinanziert worden war. Im Gegenteil erhellt aus der Bilanz per 31. Dezember 1983, dass die Beschwerdeführerin infolge eines Todesfalls eine Versicherungsleistung von Fr. 142'340.- eingenommen, an die Erben aber nur Fr. 60'000.- ausbezahlt hatte. Ferner wurden gemäss dem altrechtlichen Reglement vom Juli 1961 die Arbeitnehmerbeiträge jeweils bei der Lohnauszahlung in Abzug gebracht und der Stiftung überwiesen (Art. 13 Abs. 3), während die Beitragsleistung der Firma in einem jährlichen Beitrag bestand (Art. 13 Abs. 2). In logischer Konsequenz dieser getroffenen Regelung - wie sich aber auch aus der Darlegung der Beschwerdeführerin selber ergibt - erfolgte die BGE 138 V 502 S. 506 Überweisung der Prämienzahlung an die Versicherung ebenfalls als jährliche "Einmalleistung". Demzufolge verblieben die Arbeitnehmerbeiträge zumindest für eine gewisse Zeit in der Stiftung resp. auf deren Bankkonto und erwirtschafteten Zinsen. Bei dieser Sachlage kann die Beschwerdeführerin - losgelöst vom Stiftungszweck - von vornherein nicht als Finanzierungsstiftung gelten (vgl. BGE 138 V 346 E. 3.1.1 Abs. 2 S. 349). 5.3 Die Vorsorgeeinrichtungen waren nur noch bis Ende 1984 berechtigt, freies Vorsorgevermögen, das auch durch die Arbeitnehmer mitgeäufnet wurde, als Arbeitgeberbeitragsreserve auszuweisen, sei es durch Abspaltung aus dem vorbestandenen freien Stiftungskapital in eine separate Bilanzposition, sei es durch Aussonderung aus dem vorbestandenen freien Stiftungskapital unter gleichzeitiger Überführung in einen rechtlich verselbständigten patronalen Wohlfahrtsfonds. Die derart als Beitragsreserve gebuchten oder auf eine separate Stiftung übertragenen Mittel können auch nach 1985 ihre Funktion als Beitragsreserve erfüllen. Darauf konnte nur im Falle einer Finanzierungsstiftung verzichtet werden, wenn also das Stiftungsvermögen insgesamt rein patronal finanziert war und dieses gemäss Stiftungsurkunde zur Erbringung von Arbeitgeberbeiträgen herangezogen werden durfte (Urteil 9C_804/2010 vom 20. Dezember 2010 E. 3.6, in: SVR 2011 BVG Nr. 20 S. 74). Nachdem in concreto weder eine sogenannte Finanzierungsstiftung gegeben ist noch - bilanzmässig - eine Arbeitgeberbeitragsreserve ausgeschieden worden war (vgl. E. 5.2), hat die Vorinstanz das Heranziehen von freien Stiftungsmitteln, um Arbeitgeberbeiträge zu finanzieren, zu Recht als unzulässig bewertet. Dies gilt hier umso mehr, als Art. 2 Abs. 2 der Stiftungsurkunde ausdrücklich festhält, dass die Zuweisung von Beiträgen aus der Arbeitgeber-Beitragsreserve an die Personalvorsorgeeinrichtung der Stifterfirma erfolgt (vgl. E. 5.1). 5.4 Die Höhe der in den Jahren 2004-2006 unrechtmässig ausgerichteten Arbeitgeberbeiträge von insgesamt Fr. 117'322.- bleibt unangefochten. Dabei hat es sein Bewenden. Es bestehen keine Anhaltspunkte, die auf eine offensichtliche Unrichtigkeit hinweisen (nicht publ. E. 1.1). 6. Streitig und zu prüfen ist sodann die Vermögensanlage beim Arbeitgeber. Diesbezüglich schreibt Art. 57 Abs. 1 der Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2; SR 831.441.1) - unabhängig von der jeweiligen BGE 138 V 502 S. 507 Fassung - im Wesentlichen vor, dass das Vermögen der Vorsorgeeinrichtung, soweit es zur Deckung der Freizügigkeitsleistungen sowie zur Deckung der laufenden Renten gebunden ist, nicht ungesichert beim Arbeitgeber angelegt werden darf (Abs. 1) sowie dass ungesicherte Anlagen beim Arbeitgeber 20 % (Fassung bis zum 31. Dezember 2005; AS 2004 1709, 1712 Übergangsbestimmungen) bzw. dass ungesicherte Anlagen und Beteiligungen 5 % (Fassung ab 1. Januar 2006) des Vermögens nicht übersteigen dürfen (Abs. 2). 6.1 Mit Grundsatzurteil BGE 138 V 346 hat das Bundesgericht entschieden, dass patronale Wohlfahrtsfonds vom Anwendungsbereich von Art. 89 bis Abs. 6 ZGB nicht ausgenommen sind. Indes darf der darin stipulierte Kriterienkatalog nicht integral und strikt übertragen werden. Er ist auf patronale Wohlfahrtsfonds analog anzuwenden, wenn und soweit die BVG-Normen mit deren Charakter vereinbar sind ( BGE 138 V 346 E. 4.5 S. 354 f.). Einer solchen Analogie zugänglich sind grundsätzlich die BVG-Bestimmungen betreffend die Revisionsstelle ( Art. 89 bis Abs. 6 Ziff. 7 ZGB mit Verweis auf Art. 53 BVG ), die Aufsicht ( Art. 89 bis Abs. 6 Ziff. 12 ZGB mit Verweis auf Art. 61, 62 und 64 BVG ) sowie betreffend die Rechtspflege ( Art. 89 bis Abs. 6 Ziff. 19 ZGB mit Verweis auf Art. 73 und 74 BVG ; BGE 138 V 346 E. 4.6 S. 355 f.). Ebenfalls analog anwendbar ist, wie im besagten Grundsatzurteil neu entschieden wurde, Art. 53b BVG (vgl. Art. 89 bis Abs. 6 Ziff. 9 ZGB ), welche Bestimmung das Verfassen eines Teilliquidationsreglements vorschreibt ( BGE 138 V 346 E. 5.6 S. 361). Mit BGE 138 V 420 hat das Bundesgericht sodann festgehalten, dass auch die Bestimmungen über die Vermögensverwaltung ( Art. 71 BVG und Art. 49-58a BVV 2 ), worauf in Art. 89 bis Abs. 6 Ziff. 18 ZGB verwiesen wird, analog für patronale Wohlfahrtsfonds gelten. Dabei hat es grundsätzlich eine grosszügige Auslegung von Art. 49 ff. BVV 2 befürwortet, da patronale Wohlfahrtsfonds - anders als reglementarische Vorsorgeeinrichtungen - kaum feste zukünftige Verpflichtungen aufweisen. Insbesondere ist ein hinreichend enger sachlicher Zusammenhang zwischen den (analog) anwendbaren Bestimmungen und den konkreten Gegebenheiten des patronalen Wohlfahrtsfonds unabdingbar. Damit bleibt die Möglichkeit bestehen, der Situation im Einzelfall Rechnung zu tragen und nicht alle Anlagebestimmungen tel quel zur Anwendung zu bringen. Im Normalfall sollten auch die Erweiterungen gemäss Art. 50 Abs. 4 BVV 2 in Anspruch genommen werden können ( BGE 138 V 420 E. 3 S. 423, insbesondere E. 3.3.1 S. 425). Im Übrigen ist BGE 138 V 502 S. 508 vor allem nach der Grösse des patronalen Wohlfahrtsfonds und seinen Leistungsausschüttungen zu differenzieren ( BGE 138 V 420 E. 3.3.2 S. 425). Zwar steht hier eine Vermögensverwaltung zur Beurteilung, die (teilweise) vor der 1. BVG-Revision (per 1. Januar 2005) bzw. vor der Revision der Anlagevorschriften von Art. 49 ff. BVV 2 (per 1. Januar 2009) ihren Niederschlag gefunden hat. Dies schliesst deren analoge Anwendung (in der damals gültigen Fassung) indessen nicht aus. Einerseits hat Art. 89 bis Abs. 6 ZGB bereits vor der 1. BVG-Revision auf Art. 71 BVG resp. Art. 49 ff. BVV 2 verwiesen. Anderseits beschränken sich die Argumente, die für ihre Analogie sprechen (vgl. BGE 138 V 420 E. 3.2 S. 424; vgl. auch BGE 138 V 346 E. 4.5 Abs. 1 S. 354), nicht auf einen bestimmten Zeitraum. 6.2 Wie das Bundesverwaltungsgericht richtig erkannt hat, hat die Beschwerdeführerin als patronaler Wohlfahrtsfonds weder für die Deckung von Freizügigkeitsleistungen noch von laufenden Renten einzustehen. Gemäss verbindlicher Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz (nicht publ. E. 1.1) richtete sie einzig in den Jahren 1995 (Fr. 7'000.-) und 1996 (Fr. 4'000.-) Leistungen an Destinatäre aus. Dessen ungeachtet gilt es im Bewusstsein zu behalten, dass die Mittel eines patronalen Wohlfahrtsfonds, selbst wenn zu 100 % vom Arbeitgeber geäufnet, nicht ihm gehören und er über diese Gelder nicht frei verfügen kann ( BGE 138 V 346 E. 5.3 Abs. 2 S. 358 und E. 6.5.2 Abs. 2 S. 365). Es ist deshalb nicht einsichtig, weshalb patronale Wohlfahrtsfonds von der Anwendung von Art. 57 BVV 2 ausgenommen sein sollen. Die darin statuierte Anlagebeschränkung dient der angemessenen Verteilung der Risiken, was einen allgemeinen Vermögensverwaltungsgrundsatz darstellt. 6.3 Die Senkung der Anlagebeschränkung von 20 % auf 5 % erfolgte, weil sich in der Praxis erwiesen hatte, dass Anlagen bei der Stifterfirma problematisch sind, da sie bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Arbeitgebers oft neu eingegangen oder erhöht werden und bei nachfolgendem Konkurs des Arbeitgebers trotz Konkursprivileg der 1. Klasse gar nicht mehr oder nicht mehr voll gedeckt sind (Mitteilung des BSV Nr. 72 vom 8. April 2004 über die berufliche Vorsorge S. 9). Die Destinatäre eines patronalen Wohlfahrtsfonds sind somit im Rahmen einer Anlage bei der Stifterfirma gleich wie bezüglich der reglementarischen Vorsorgeeinrichtung einem doppelten Verlustrisiko ausgesetzt: einerseits dem Verlust des Arbeitsplatzes, BGE 138 V 502 S. 509 anderseits demjenigen von Vorsorgemitteln. Dass es beim patronalen Wohlfahrtsfonds wohl nur - aber immerhin - um Ansprüche "minderer Verbindlichkeit" geht (vgl. BGE 138 V 346 E. 3.1.1 S. 348 f.), ändert an dieser prinzipiellen Wechselwirkung nichts. Den Anlagebeschränkungen von Art. 57 BVV 2 kommt daher auch betreffend patronale Wohlfahrtsfonds eine nicht zu vernachlässigende Relevanz zu. Mit anderen Worten verbleibt - wenn überhaupt - höchstens dann Spielraum für eine large(re) Handhabung, wenn die Zahlungsfähigkeit des Schuldners längerfristig stabil erscheint. 6.4 Gemäss rechnerischer Zusammenstellung der Vorinstanz, an die das Bundesgericht gebunden ist (nicht publ. E. 1.1), überschritt die Beschwerdeführerin die Vermögensanlage (Darlehensgewährung) beim Arbeitgeber in den Jahren 2004-2006 erheblich. Danach ergibt sich für das Jahr 2004 ein Anlagevolumen in der Höhe von 60 %, für das Jahr 2005 ein solches von über 50 % und für das Jahr 2006 ein solches von über 25 %. Die Kontrollstelle der Beschwerdeführerin hat die Höhe der Anlage ab der Jahresrechnung 2002 beanstandet. Die wirtschaftliche Situation bei der Arbeitgeberfirma war, wie sich aus den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ergibt (nicht publ. E. 1.1), angespannt. Jedenfalls macht auch die Beschwerdeführerin nicht geltend, es hätten finanziell stabile Verhältnisse geherrscht. Ebenso wenig beruft sie sich darauf, dass ihr die Option einer Erweiterung im (analogen) Sinne von aArt. 59 BVV 2 resp. Art. 50 Abs. 4 BVV 2 offengestanden wäre. Unter diesen Umständen erweist sich die von der Vorinstanz angeordnete Rückzahlung des Darlehens bis auf die gesetzliche Limite nicht als bundesrechtswidrig. 6.5 Die Höhe der Anlageüberschreitung per 31. Dezember 2006 von Fr. 49'117.35 bleibt unangefochten. Dabei hat es ebenfalls sein Bewenden. Es bestehen auch hier keine Anhaltspunkte, die auf eine offensichtliche Unrichtigkeit hinweisen (nicht publ. E. 1.1).
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Sachverhalt ab Seite 388 BGE 130 II 388 S. 388 Le 3 octobre 2001, X., ressortissant portugais né en 1975, a déposé une demande d'autorisation de séjour qui a été rejetée, au motif, notamment, qu'il avait été condamné à dix jours d'emprisonnement BGE 130 II 388 S. 389 avec sursis pour contravention à la loi fédérale du 3 octobre 1951 sur les stupéfiants et les substances psychotropes (Loi sur les stupéfiants, LStup; RS 812.121) et infraction à la loi fédérale du 26 mars 1931 sur le séjour et l'établissement des étrangers (LSEE; RS 142.20). A la suite de l'entrée en vigueur, le 1 er juin 2002, de l'Accord du 21 juin 1999 entre la Confédération suisse, d'une part, et la Communauté européenne et ses Etats membres, d'autre part, sur la libre circulation des personnes (ALCP; RS 0.142.112.681; ci-après cité: Accord sur la libre circulation des personnes ou Accord), X. a demandé, le 13 juin 2002, que son cas soit reconsidéré à la lumière de cet accord. Par décision du 18 juin 2003, le Service de la population a rejeté la demande de reconsidération. Saisi d'un recours contre cette décision, le Tribunal administratif l'a également rejeté. En bref, cette autorité a considéré que X., sans travail et au bénéfice de l'aide sociale, ne disposait pas des moyens financiers suffisants pour assurer sa subsistance, ce qui le privait du droit d'obtenir une autorisation de séjour pour ressortissant communautaire "n'exerçant pas d'activité économique" ou "à la recherche d'un emploi" (arrêt du Tribunal administratif du 24 octobre 2003). Agissant par la voie du recours de droit administratif, X. demande au Tribunal fédéral d'annuler l'arrêt précité du Tribunal administratif, en concluant à ce que le Service de la population soit invité à lui délivrer "une autorisation de séjour, cas échéant une autorisation de courte durée pour recherches d'emploi". Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
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Erwägungen Extrait des considérants: 1. Le Tribunal fédéral examine d'office et librement la recevabilité des recours qui lui sont soumis ( ATF 129 II 225 consid. 1 p. 227 et les références). 1.1 Selon l'art. 100 al. 1 let. b ch. 3 OJ, le recours de droit administratif n'est pas recevable en matière de police des étrangers contre l'octroi ou le refus d'autorisations auxquelles le droit fédéral ne confère pas un droit. Selon l' art. 4 LSEE , les autorités compétentes statuent librement, dans le cadre des prescriptions légales et des traités avec l'étranger, sur l'octroi ou le refus d'autorisations de séjour ou d'établissement. En principe, l'étranger n'a pas droit à BGE 130 II 388 S. 390 l'autorisation de séjour. Ainsi, le recours de droit administratif est irrecevable, à moins que ne puisse être invoquée une disposition particulière du droit fédéral ou d'un traité, accordant le droit à la délivrance d'une telle autorisation ( ATF 128 II 145 consid. 1.1.1 p. 148 et les arrêts cités). 1.2 Sous réserve des dispositions transitoires - non pertinentes en l'espèce - de l' art. 10 ALCP , le droit de séjour et d'accès à une activité économique est garanti aux ressortissants d'un Etat membre de la Communauté européenne conformément aux dispositions de l'annexe I ALCP ( art. 4 ALCP ). Ainsi, les travailleurs salariés, les indépendants et les prestataires de services ont le droit de séjourner et d'exercer une activité économique selon les modalités prévues aux chapitres II à IV de l'annexe I ALCP (art. 2 par. 1 al. 1 annexe I ALCP). Mais les ressortissants communautaires ont aussi le droit, en principe, de se rendre en Suisse "pour y chercher un emploi et y séjourner pendant un délai raisonnable" (art. 2 par. 1 al. 2 annexe I ALCP). Enfin, ceux qui n'exercent pas d'activité économique et qui ne bénéficient pas d'un droit de séjour en vertu d'autres dispositions de l'Accord (rentiers, étudiants...) ont un droit de séjour pour autant qu'ils remplissent les conditions préalables requises dans le chap. V de l'annexe I ALCP ( art. 2 par. 2 annexe I ALCP ). Quels que soient leur statut ou les motifs de leur demande d'autorisation de séjour, les ressortissants communautaires peuvent donc, en principe, du seul fait de leur appartenance nationale, invoquer une disposition de l'Accord sur la libre circulation des personnes (et son annexe I) pour faire valoir un droit de séjour en Suisse. Dans cette mesure, le motif d'irrecevabilité prévu à l'art. 100 al. 1 let. b ch. 3 OJ ne leur est pas opposable s'ils recourent contre une décision leur refusant le droit de séjourner en Suisse, sans toutefois que cela ne préjuge en rien de l'issue du litige. C'est, en effet, un problème de fond que la question de savoir, dans un cas particulier, si la disposition invoquée leur confère effectivement le droit à une autorisation de séjour ou si, au contraire, une telle autorisation doit leur être refusée, en raison de l'inobservation d'une modalité ou d'une condition requise pour exercer le droit en cause (comme l'exigence, prévue à l'art. 24 par. 1 let. a et b annexe I ALCP, de disposer de moyens financiers suffisants; cf. infra consid. 2.1) ou pour une autre raison, telle l'existence d'un motif d'ordre public (cf. art. 5 annexe I ALCP ) ou la constatation d'un abus de droit (cf. ATF 130 II 113 ). BGE 130 II 388 S. 391 Par conséquent, en sa seule qualité de ressortissant portugais, le recourant est recevable à recourir, au sens de l'art. 100 al. 1 let. b ch. 3 OJ, indépendamment des motifs de sa demande d'autorisation de séjour et de son statut actuel en Suisse. 1.3 Pour le surplus, formé en temps utile et dans les formes prescrites, le recours est recevable. 2. 2.1 Les premiers juges ont considéré que X. ne pouvait pas obtenir un titre de séjour pour "personne n'exerçant pas une activité économique" (cf. chap. V annexe I ALCP), car il ne disposait pas des moyens financiers suffisants pour assurer sa subsistance, au sens de l'art. 24 par. 1 al. 1 let. a et b annexe I ALCP. A raison, l'intéressé ne remet pas en cause ce point de l'arrêt attaqué: au bénéfice de l'aide sociale et à la recherche d'un emploi, il ne réalise manifestement pas cette condition. 2.2 Par ailleurs, le recourant ne saurait, comme il le demande, être assimilé à un travailleur salarié, à défaut "d'occuper un emploi", au sens de l' art. 6 par. 1 et 2 annexe I ALCP ou, du moins, de produire une offre d'embauche de la part d'un employeur (sur la notion autonome de "travailleur" en droit communautaire, cf. WINFRIED BRECHMANN, in: Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, Calliess/Ruffert [éd.], 2e éd., 2002, ch. 9 ss ad Art. 39 EG-Vertrag; SCHNEIDER/WUNDERLICH, in: Jürgen Schwarze, EU-Kommentar, Baden-Baden 2000, ch. 10 ss ad Art. 39 EGV; MARCEL DIETRICH, Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der Europäischen Union, unter Berücksichtigung des schweizerischen Ausländerrechts, Zurich 1995, p. 271 ss et les références citées). 3. 3.1 Il reste à examiner si, en vertu de l'art. 2 par. 1 al. 2 annexe I ALCP, le recourant peut obtenir une autorisation de séjour en sa qualité de ressortissant communautaire à la recherche d'un emploi. Les premiers juges lui ont dénié ce droit. En se fondant sur le ch. 6.2.5.3 des "Directives et commentaires concernant l'introduction progressive de la libre circulation des personnes" édictées par l'Office fédéral de l'immigration, de l'intégration et de l'émigration (ci-après: "Directives OLCP"), ils ont estimé que les ressortissants communautaires dépourvus, à l'image du recourant, des moyens financiers suffisants pour subvenir à leurs besoins, pouvaient être renvoyés. Bien qu'elle ne soit prévue de manière explicite que pour BGE 130 II 388 S. 392 les "personnes n'exerçant pas une activité économique" (cf. supra consid. 2.1), cette conséquence découle de l'art. 2 par. 1 al. 2 in fine annexe I ALCP: en prévoyant que "les chercheurs d'emploi (...) peuvent être exclus de l'aide sociale pendant la durée (de leur) séjour", cette disposition implique en effet que ceux qui sont sans ressources ne sont pas autorisés à séjourner en Suisse, à moins que l'aide sociale leur soit accordée. Cette interprétation correspond à la jurisprudence rendue en la matière par la Cour de justice des Communautés européennes (cf. arrêt du 26 février 1991, Antonissen , C-292/1989, Rec. 1991, I-745, ch. 1 du résumé et point 17) ainsi qu'aux avis exprimés par la doctrine (cf. MARCEL DIETRICH, op. cit., p. 291 s.; WÖLKER/GRILL, in: Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, vol. 1, 6 e éd., 2003, ch. 51 ad Art. 39 EG; SPESCHA/STRÄULI, Ausländerrecht, Zurich 2001, p. 330 ad art. 24 par. 3 annexe I ALCP ). Pour les ressortissants communautaires à la recherche d'un emploi, le droit à l'égalité de traitement avec les citoyens suisses se limite donc au "droit de recevoir la même assistance que celle que les bureaux d'emploi de cet Etat (soit la Suisse) accordent à ses propres ressortissants" (cf. art. 2 par. 1 al. 2, deuxième phrase, annexe I ALCP), à l'exclusion du droit, prévu à l' art. 9 par. 2 annexe I ALCP , de bénéficier "des mêmes avantages fiscaux et sociaux que les travailleurs nationaux" (cf. arrêt de la CJCE du 18 juin 1987, Lebon , 316/1985, Rec. 1987, p. 2811, points 26 et 27; WINFRIED BRECHMANN, op. cit., ch. 57 ad Art. 39 EG-Vertrag). Les cantons demeurent cependant libres d'accorder le bénéfice de l'aide sociale aux ressortissants communautaires à la recherche d'un emploi et, le cas échéant, de leur délivrer l'autorisation de séjour prévue à cet effet (cf. SPESCHA/ STRÄULI, loc. cit.). La situation du cas d'espèce est particulière, puisque le recourant a été mis au bénéfice de l'aide sociale et qu'il a pu rester en Suisse jusqu'à aujourd'hui, alors même qu'une autorisation de séjour lui avait pourtant été refusée. Cette - apparente - contradiction s'explique toutefois par le fait que ces questions relèvent de la compétence de différentes autorités qui ne sont pas tenues de coordonner leur action. En tout état de cause, le recourant ne saurait déduire un droit à une autorisation de séjour de l'aide sociale qui lui a été accordée à titre gracieux. 3.2 Le recourant impute l'échec de ses efforts pour trouver un emploi au fait qu'il se serait "heurté à une fin de non-recevoir à BGE 130 II 388 S. 393 cha que fois qu'il sollicitait la possibilité de prendre un emploi". Son objection est fallacieuse, car elle laisse entendre que les autorités lui auraient mis les bâtons dans les roues pour l'empêcher de trouver un emploi. Or, elles ne lui ont signifié une interdiction de travailler qu'à une seule reprise, pour un motif d'ordre public et à une époque où, l'Accord sur la libre circulation des personnes n'étant pas encore entré en vigueur, elles n'avaient aucune obligation de répondre favorablement à sa demande (cf. arrêt du Tribunal administratif, du 15 mai 2002, rendu dans le cadre de la précédente demande d'autorisation de séjour mentionnée supra dans l'état de fait). Par la suite, si ses démarches sont restées infructueuses, c'est uniquement en raison des refus qu'il a essuyés de la part des employeurs auprès desquels il a postulé. 3.3 Quant au grief selon lequel les refus en question procéderaient du fait que l'intéressé n'était - et n'est toujours - pas en possession d'un permis de séjour, il est infondé. En effet, on peine à imaginer que, comme le suggère le recourant, les employeurs suisses ignoreraient les droits que confère aux ressortissants communautaires l'Accord sur la libre circulation des personnes. Au demeurant, à supposer que cet obstacle soit réel, l'Accord permet précisément de le pallier, en accordant à ceux qui recherchent un emploi un droit de "séjourner pendant un délai raisonnable qui peut être de six mois (et) qui leur permette de prendre connaissance des offres d'emplois correspondant à leurs qualifications professionnelles et de prendre, le cas échéant, les mesures nécessaires aux fins d'être engagés" (art. 2 par. 2, première phrase, annexe I ALCP). A l'art. 18 de l'ordonnance du 22 mai 2002 sur l'introduction de la libre circulation des personnes (OLCP; RS 142.203), le Conseil fédéral a concrétisé cette clause de la manière suivante: " 1 Les ressortissants de la CE et de l'AELE n'ont pas besoin d'autorisation s'ils séjournent en Suisse moins de trois mois pour y chercher un emploi. 2 Si la recherche d'un emploi prend plus de trois mois, ils obtiennent une autorisation de séjour de courte durée CE/AELE d'une durée de validité de trois mois par année civile. 3 Cette autorisation peut être prolongée jusqu'à une année au plus pour autant qu'ils soient en mesure de prouver les efforts déployés à cet effet et qu'il existe une réelle perspective d'engagement." Cette réglementation, en particulier la possibilité de prolonger le séjour au-delà de la période de six mois, qui constitue en principe un BGE 130 II 388 S. 394 "délai raisonnable" pour trouver un emploi, n'est qu'une formalisation de la jurisprudence communautaire (cf. arrêt précité de la CJCE Antonissen du 26 février 1991, point 21). En l'espèce, lorsque l'arrêt attaqué a été rendu, le 24 octobre 2003, le recourant séjournait en Suisse depuis plus de deux ans. Au moment déterminant pour apprécier sa situation juridique, il avait dès lors largement dépassé le "délai raisonnable" qui lui revenait. Au surplus, il n'a apporté aucun élément tangible permettant de se convaincre qu'il a fourni des réels efforts pour trouver un emploi ou qu'il était sur le point d'être engagé. 3.4 Pour toutes ces raisons, le recourant ne saurait prétendre l'octroi d'une autorisation de séjour (de courte durée) pour chercheur d'emploi.
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Sachverhalt ab Seite 294 BGE 125 II 293 S. 294 Am 30. April 1997 beschloss die Bundesversammlung das revidierte Fernmeldegesetz (FMG; SR 784.10; AS 1997 2187); dieses trat im Wesentlichen am 1. Januar 1998 in Kraft, mit Ausnahme einzelner Bestimmungen wie insbesondere derjenigen über die Einsetzung einer Eidgenössischen Kommunikationskommission (nachfolgend: Kommunikationskommission; Art. 56 f. FMG), welche bereits vom 20. Oktober 1997 an galten (AS 1997 2205). Das Fernmeldegesetz sieht unter anderem in Art. 4 Abs. 1 vor, dass eine Konzession benötigt, wer einen Fernmeldedienst erbringt und dabei erhebliche Teile der für die Übertragung benutzten Fernmeldeanlagen unabhängig betreibt. Konzessionsbehörde ist die Kommunikationskommission ( Art. 5 Abs. 1 FMG ). Gemäss Art. 22 Abs. 1 FMG benötigt eine Funkkonzession, wer das Funkfrequenzspektrum benutzen will. Nach Art. 24 Abs. 1 FMG wird für die BGE 125 II 293 S. 295 Erteilung einer Funkkonzession in der Regel eine öffentliche Ausschreibung durchgeführt, wenn mittels der beantragten Frequenznutzung Fernmeldedienste erbracht werden sollen und nicht genügend Frequenzen für alle gegenwärtigen oder voraussehbaren künftigen Interessenten zur Verfügung stehen. Gemäss Art. 24 Abs. 2 FMG regelt der Bundesrat das Verfahren, wobei dieses den Grundsätzen der Objektivität, der Nichtdiskriminierung und der Transparenz folgt. Nach Art. 9 Abs. 1 der bundesrätlichen Verordnung vom 6. Oktober 1997 über Fernmeldedienste (FDV; SR 784.101.1; AS 1997 2833) legt die Konzessionsbehörde fest, ob der Zuschlag aufgrund eines Kriterienwettbewerbs oder einer Auktion erfolgt. In seiner Botschaft vom 10. Juni 1996 zum revidierten Fernmeldegesetz (BBl 1996 III 1405) hatte der Bundesrat in den Erläuterungen zum vorgeschlagenen Art. 65 FMG (Sicherstellung der Grundversorung) - die entsprechende Regelung erging schliesslich in Art. 66 FMG - unter anderem ausgeführt, neuen konzessionierten Anbietern von Mobiltelefonie müssten die für den Aufbau ihrer Netze notwendigen Frequenzen rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden (BBl 1996 III 1450). Um in diesem Sinne im Mobilfunkbereich möglichst rasch nach Inkrafttreten des revidierten Fernmeldegesetzes Wettbewerb einführen zu können, startete das Bundesamt für Kommunikation (nachfolgend: Bundesamt) - in Absprache mit dem zuständigen Departement (Eidgenössisches Verkehrs- und Energiewirschaftsdepartement, heute: Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation; nachfolgend: Departement) - bereits am 17. September 1996 die Vorbereitung für ein entsprechendes Projekt. Am 24. April 1997 veröffentlichte das Bundesamt - erneut nach Rücksprache mit dem zuständigen Departement - einen Vorschlag zu Handen der späteren Kommunikationskommission, der vorsah, neben der Telecom PTT (später: Swisscom) insgesamt zwei neue Mobilfunkbetreiber mit landesweiten Netzen zu konzessionieren. Angekündigt wurde gleichzeitig auch die Abschaltung des Natels C per 31. Dezember 2000. In der Folge widmete sich das Bundesamt den Vorbereitungsarbeiten für das Verfahren zur Konzessionsvergabe. Aus Gründen der Rechtsgleichheit im Vergleich zu Swisscom und gestützt auf die Ergebnisse der Vorabklärungen liess das Bundesamt die Variante einer Auktionsvergabe fallen und konzentrierte seine Bemühungen auf das Modell des Kriterienwettbewerbs (Ausschreibung anhand bestimmter vorgegebener BGE 125 II 293 S. 296 Vergabekriterien; sog. «Beauty Contest»). Am 5. November 1997 unterbreitete das Bundesamt der - per 20. Oktober 1997 konstituierten - Kommunikationskommission einen Antrag über die Ausschreibung einer landesweiten Konzession für ein digitales zellulares Mobilfunknetz auf der Basis des GSM-Standards (GSM = Gobal System for Mobile Communication) in der Schweiz, d.h. auf der Grundlage von Endgeräten, die sowohl im 900 MHz-Band (GSM 900) als auch im 1800 MHz-Band (DCS 1800; DCS = Digital Communications System) eingesetzt werden können (sog. Dual-Band-Endgeräte). Am 18. November 1997 traf die Kommunikationskommission unter anderem folgenden Vorentscheid: «Nach Inkrafttreten des revidierten Fernmeldegesetzes (FMG) erhalten neben der Swisscom zwei neue Betreiber eine landesweite Mobilfunkkonzession. Mit der Konzession verbunden ist das Recht auf Nutzung von Frequenzen aus dem GSM- sowie dem DCS-Frequenzband. Weil anfangs noch nicht genügend Frequenzen freigestellt werden können, erhält der dritte Konzessionär zu Beginn nur DCS-Frequenzen zur Nutzung. Dem zweiten Konzessionär werden somit für den Betrieb eines Mobilfunknetzes die gleichen Voraussetzungen wie der Swisscom angeboten. Der dritte Konzessionär wird sich auf ausgewählte Gebiete konzentrieren müssen. Er hat aber per 1. Januar 2001 das Recht, gleich wie die beiden anderen, Frequenzen aus dem GSM- sowie dem DCS-Frequenzband zu gebrauchen. Ab diesem Zeitpunkt sind somit alle drei Konzessionäre in der Frequenznutzung gleichberechtigt. Die DCS-Frequenzen müssen von der Swisscom noch freigestellt werden.» Die Ausschreibung wurde am 23. Dezember 1997 formell im Bundesblatt eröffnet, und zwar für die erste neue Konzession in BBl 1997 IV 1599 und für die zweite neue Konzession in BBl 1997 IV 1600. Bis zum gesetzten Eingabetermin vom 13. Februar 1998 reichten folgende Unternehmungen (in alphabetischer Reihenfolge) eine Bewerbung ein: Cheapernet, diAx mobile, Fortel, Orange Communications SA, Sunrise Communications AG und Unlimitel. In der Folge wertete das Bundesamt die Bewerbungsunterlagen aus und erstellte dazu einen Evaluationsbericht. Am 14. April 1998 stellte das Bundesamt Antrag an die Kommunikationskommission. Diese führte am 16. April 1998 ein Hearing mit den Bewerberinnen durch. Am 17. April 1998 fällte die Kommunikationskommission ihren Konzessionsentscheid und traf eine Reihe von Verfügungen, die sich jeweils einzeln an eine Bewerberin richteten. Im Wesentlichen erteilte die Kommunikationskommission der diAx mobile die sog. «erste neue Konzession» und wies die entsprechenden Gesuche der BGE 125 II 293 S. 297 anderen Bewerberinnen, namentlich der Sunrise Communications AG und der Orange Communications SA, ab. Die sog. «zweite neue Konzession» ging an die Orange Communications SA unter Abweisung der entsprechenden Gesuche der anderen Bewerberinnen, namentlich der diAx mobile und der Sunrise Communications AG. Die begründeten Verfügungen wurden den Bewerberinnen anfangs Juni 1998 eröffnet. In der Folge stellten einzelne Bewerberinnen, insbesondere die Sunrise Communications AG und die Orange Communications SA, während der von der Kommunikationskommission angegebenen Rechtsmittelfrist verschiedene Gesuche um Akteneinsicht, namentlich in den Evaluationsbericht des Bundesamtes und in gewisse von ihren Konkurrentinnen eingereichte Unterlagen. Mit Verfügungen vom 10. bzw. 17. Juni 1998 hiess die Kommunikationskommission die entsprechenden Gesuche der Sunrise Communications AG und der Orange Communications SA lediglich teilweise gut und wies sie im Übrigen ab. Am 22. Juni 1998 erhob die Sunrise Communications AG Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht gegen die Verfügung der Kommunikationskommission vom 10. Juni 1998 über die Akteneinsicht (bundesgerichtliches Verfahren 2A.326/ 1998). Sie beantragt im Wesentlichen, der Entscheid der Kommunikationskommission sei insoweit aufzuheben, als ihr damit die verlangte Akteneinsicht, namentlich in den Evaluationsbericht des Bundesamts und die Unterlagen von diAx mobile und der Orange Communications SA, verweigert worden sei, und es sei ihr diese Akteneinsicht zu bewilligen. Die Orange Communications SA schliesst auf Abweisung, soweit sie betroffen sei. DiAx mobile und die Kommunikationskommission stellen Antrag auf Abweisung, soweit auf die Beschwerde eingetreten werden könne. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 29. Juni 1998 an das Bundesgericht beantragt die Orange Communications SA unter anderem, es sei die Verfügung der Kommunikationskommission vom 17. Juni 1998 über die Akteneinsicht insofern aufzuheben bzw. zu ergänzen, als der Orange Communications SA Einsicht in die Bewerbungsunterlagen von diAx mobile zu gewähren sei (Verfahren 2A.334/1998). DiAx mobile und die Kommunikationskommission schliessen auf Abweisung des Begehrens, soweit darauf eingetreten werden könne. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 29. Juni 1998 wendet sich die Orange Communications SA gegen die Verweigerung der BGE 125 II 293 S. 298 sog. «ersten neuen Konzession» (Verfahren 2A.332/1998) sowie gegen die Erteilung dieser Konzession an diAx mobile (Verfahren 2A.333/1998), im Wesentlichen mit dem Begehren, die erste Konzession sei der Orange Communications SA zuzusprechen, eventuell sei die Sache an die Kommunikationskommission zurückzuweisen; die Beschwerden würden vor allem für den Fall erhoben, dass die Erteilung der zweiten Konzession an die Orange Communications SA nicht rechtskräftig bzw. wieder aufgehoben würde. Die Kommunikationskommission beantragt in beiden Verfahren Sistierung und schliesst in der Sache auf Abweisung, soweit auf die Beschwerden einzutreten sei. Denselben Sachantrag stellt die diAx mobile im sie betreffenden Verfahren über die Konzessionserteilung. Am 2. Juli 1998 reichte auch die Sunrise Communications AG beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verweigerung der sog. «ersten neuen Konzession» (Verfahren 2A.349/1998) sowie gegen die Erteilung dieser Konzession an die diAx mobile (Verfahren 2A.350/1998) ein. Sie stellt im Wesentlichen den Antrag, die erste Konzession sei der Sunrise Communications AG zu erteilen, eventuell sei die Sache an die Kommunikationskommission zurückzuweisen. Diese schliesst in beiden Verfahren auf Abweisung der Beschwerden, soweit darauf einzutreten sei. Das gleiche Begehren erhebt die diAx mobile im sie betreffenden Verfahren über die Konzessionserteilung. In Replik und Duplik halten die Beteiligten beider Verfahren im Wesentlichen an ihren Standpunkten fest. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 29. Juni 1998 an das Bundesgericht wendet sich sodann die diAx mobile gegen die Verweigerung der sog. «zweiten neuen Konzession» (Verfahren 2A.337/1998) sowie gegen die Erteilung dieser Konzession an die Orange Communications SA (Verfahren 2A.336/1998), im Wesentlichen mit dem Begehren, die zweite Konzession sei der diAx mobile zuzusprechen; die Beschwerden würden vor allem für den Fall erhoben, dass die Erteilung der ersten Konzession an die diAx mobile nicht rechtskräftig bzw. wieder aufgehoben würde. Die Kommunikationskommission beantragt in beiden Verfahren Sistierung und schliesst in der Sache auf Abweisung, soweit auf die Beschwerden einzutreten sei. Die Orange Communications SA ersucht im sie betreffenden Verfahren um Erteilung der zweiten Konzession ebenfalls um Sistierung sowie um die Gewährung einer Nachfrist zur Stellungnahme in der Sache, falls die Sistierung verweigert werde. BGE 125 II 293 S. 299 Am 2. Juli 1998 reichte schliesslich auch die Sunrise Communications AG beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verweigerung der sog. «zweiten neuen Konzession» (Verfahren 2A.347/1998) sowie gegen die Erteilung dieser Konzession an die Orange Communications SA (Verfahren 2A.348/1998) ein. Sie stellt im Wesentlichen den Antrag, die zweite Konzession sei der Sunrise Communications AG zu erteilen, eventuell sei die Sache an die Kommunikationskommission zurückzuweisen. Diese schliesst in beiden Verfahren auf Abweisung der Beschwerden, soweit darauf einzutreten sei. Das gleiche Begehren erhebt die Orange Communications SA im sie betreffenden Verfahren über die Konzessionserteilung. In Replik und Duplik halten die Beteiligten beider Verfahren im Wesentlichen an ihren Standpunkten fest. Das Bundesgericht tritt auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerden nicht ein.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. a) Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit der bei ihm eingereichten Beschwerden von Amtes wegen und mit freier Kognition ( BGE 124 I 11 E. 1 S. 13, 223 E. 1 S. 224). b) Zunächst rechtfertigt es sich, die Verfahren 2A.326/1998, 2A.332/1998, 2A.333/1998, 2A.334/1998, 2A.336/1998, 2A.337/ 1998, 2A.347/1998, 2A.348/1998, 2A.349/1998 und 2A.350/1998 für die Eintretensfrage zu vereinigen. Zwar sind die Beteiligten der verschiedenen Verfahren nicht identisch; angefochten sind aber immer Verfügungen der Kommunikationskommission, die denselben Sachzusammenhang betreffen, und beteiligt sind jeweils eine bis alle der gleichen drei Unternehmungen. Sodann stellt sich die Frage der Zuständigkeit des Bundesgerichts in allen Fällen gleich, und es sind zur Beantwortung dieser Frage keine Sachumstände wesentlich, zu denen sich eine Beteiligte nicht hätte äussern können bzw. deren Kenntnis unter dem Gesichtspunkt des Geschäftsgeheimnisses wesentlich werden könnte und die deshalb einer Beteiligten in einem anderen Verfahren nicht zur Kenntnis gebracht werden dürften. c) Soweit in den Verfahren 2A.332/1998, 2A.333/1998, 2A.336/ 1998 und 2A.337/1998 die Anträge der Kommunikationskommission auf Sistierung und im Verfahren 2A.336/1998 das entsprechende Gesuch der Orange Communications SA sowie dasjenige BGE 125 II 293 S. 300 um Gewährung einer Nachfrist zur Stellungnahme in der Sache, falls ihr Begehren um Sistierung verweigert werde, noch offen sind, steht dies weder der Zusammenlegung der verschiedenen Verfahren noch der Behandlung der Eintretensfrage entgegen. d) Dass die Kommunikationskommission ihre Verfügungen mit der Rechtsmittelbelehrung versah, dagegen könne Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben werden, bindet das Bundesgericht nicht. Entscheidend ist vielmehr das einschlägige objektive Verfahrensrecht ( BGE 111 Ib 150 E. 1 S. 153). Die Kommunikationskommission hat in ihren Vernehmlassungen denn auch, ohne dies allerdings bereits in den angefochtenen Entscheiden zum Ausdruck gebracht zu haben, ausdrücklich erklärt, die Rechtsmittelbelehrung vorsorglich und nur deshalb erteilt zu haben, weil die Rechtslage unklar sei. 2. Gemäss Art. 57 Abs. 1 FMG trifft die Kommunikationskommission die Entscheide und die Verfügungen, die nach dem Fernmeldegesetz und den Ausführungsbestimmungen in ihrer Kompetenz liegen. Sie kann das Bundesamt beim Vollzug des Fernmelderechtes beiziehen und ihm Weisungen erteilen ( Art. 57 Abs. 2 FMG ). Die Kommunikationskommission unterliegt in ihren Entscheiden keinen Weisungen von Bundesrat und Departement und ist von den Verwaltungsbehörden unabhängig ( Art. 56 Abs. 2 FMG ). Die Kommunikationskommission ist namentlich Konzessionsbehörde für die Fernmeldedienste ( Art. 5 Abs. 1 FMG ), wobei sie einzelne Aufgaben dem Bundesamt übertragen kann ( Art. 5 Abs. 2 FMG ). Nach Art. 61 FMG unterliegen Verfügungen des Bundesamtes der Beschwerde an die Rekurskommission (Abs. 2) und solche der Kommunikationskommission der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht (Abs. 1). Das Verfahren richtet sich nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz und dem Bundesrechtspflegegesetz, soweit das Fernmeldegesetz nichts anderes bestimmt (Abs. 3). Gemäss Art. 99 Abs. 1 lit. d OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unter anderem unzulässig gegen die Erteilung oder Verweigerung von Konzessionen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt. Es ist demnach zu prüfen, ob dieser Ausschluss der Verwaltungsgerichtsbeschwerde für die - hier interessierenden - beiden landesweiten Konzessionen für ein digitales zellulares Mobilfunknetz gilt. 3. a) Fraglich ist zunächst, ob der Ausschluss von Art. 99 Abs. 1 lit. d OG überhaupt anwendbar ist. Einer Anwendung nicht entgegen BGE 125 II 293 S. 301 steht jedenfalls Art. 99 Abs. 2 OG , wo für die im vorliegenden Zusammenhang fraglichen Konzessionen keine (Gegen)-Ausnahme vom Ausschluss der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss Art. 99 Abs. 1 lit. d OG vorgesehen ist. Als heikler erweist sich die Frage, ob Art. 61 Abs. 1 FMG als jüngeres und spezielleres Recht der Regelung von Art. 99 Abs. 1 lit. d OG vorgeht. Art. 61 Abs. 3 FMG erklärt das Bundesrechtspflegegesetz ausdrücklich als anwendbar, soweit das Fernmeldegesetz selber nichts anderes bestimmt. Damit ergibt sich ohne weiteres, dass Art. 99 Abs. 1 lit. d OG für die Fernmeldekonzessionen nur dann nicht gälte, wenn das Fernmeldegesetz dies vorsähe. Da das Fernmeldegesetz ausdrücklich auf das Bundesrechtspflegegesetz verweist, muss diese Ausnahme auch ausdrücklich oder auf andere Weise eindeutig aus dem Gesetz hervorgehen. b) Aus dem Fernmeldegesetz, namentlich aus den Bestimmungen, welche die Konzessionen regeln, ergibt sich nicht, dass für die Erteilung oder Verweigerung von Konzessionen Art. 99 Abs. 1 lit. d OG nicht gelten soll. Auch die bundesrätliche Botschaft (vgl. BBl 1996 III 1405 ff.) lässt keine entsprechende Folgerung zu. Die ausdrückliche Erwähnung der Anfechtbarkeit von Verfügungen der Kommunikationskommission mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht in Art. 61 Abs. 1 FMG dient dazu, den Rechtsweg an das Bundesgericht überhaupt zu öffnen. Bei der Kommunikationskommission handelt es sich nicht um eine der in Art. 98 lit. e OG genannten Behörden, namentlich nicht um eine Rekurs- oder Schiedskommission. Vielmehr ist sie eine andere eidgenössische Kommission im Sinne von Art. 98 lit. f OG ; gemäss dieser Bestimmung unterliegen Verfügungen solcher Kommissionen nur dann unmittelbar der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht, wenn das Bundesrecht dies vorsieht. Das führt zum Schluss, dass die grundsätzliche Regelung der Zuständigkeit in Art. 61 Abs. 1 FMG notwendig war und die subsidiäre Anwendbarkeit des Bundesrechtspflegegesetzes in Abs. 3 dieser Bestimmung bloss daran anschliesst. Es kann jedoch nicht Sinn - des im Übrigen vorangestellten - Art. 61 Abs. 1 FMG sein, bereits eine Ausnahme zur Anwendbarkeit des Bundesrechtspflegegesetzes nach Art. 61 Abs. 3 FMG zu schaffen, nachdem ohne ausdrückliche Begründung der Zuständigkeit des Bundesgerichts in Abs. 1 das Bundesrechtspflegegesetz gar nicht zum Zuge käme. Für einen Ausschluss der Ausnahmebestimmung von Art. 99 Abs. 1 lit. d OG könnte immerhin ein anderer Umstand sprechen: BGE 125 II 293 S. 302 Der Vorbehalt spezieller Regelungen des Fernmeldegesetzes gegenüber dem Bundesrechtspflegegesetz, wie er aus dem letzten Halbsatz von Art. 61 Abs. 3 FMG hervorgeht, bleibt weitgehend ohne Wirkung, da das Fernmeldegesetz, soweit ersichtlich, kaum besondere Regeln aufstellt, die denjenigen des Bundesrechtspflegegesetzes widersprechen. Das führt aber nicht zu einer anderen Beurteilung des Verhältnisses der beiden Gesetze. Der Vorbehalt in Art. 61 Abs. 3 FMG hat vor allem, wenn nicht ausschliesslich, die Funktion, die Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes einzuschränken, und zwar namentlich dort, wo das Fernmeldegesetz besondere Verfahrensvorschriften enthält. Dies trifft etwa gerade für die Erteilung von Funkkonzessionen zu, wo Art. 24 FMG eine besondere Verfahrensregelung vorsieht, welche die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes zumindest ergänzt, wenn nicht diesen sogar vorgeht. Der in Art. 61 Abs. 3 FMG enthaltene Vorbehalt macht somit durchaus Sinn, auch wenn er sich im Verhältnis zum Bundesrechtspflegegesetz kaum auswirkt. c) Schliesslich bedeutet der mögliche Ausschluss der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Erteilung oder Verweigerung von Konzessionen für ein Mobilfunknetz nicht, dass die grundsätzliche Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss Art. 61 Abs. 1 FMG obsolet bzw. diese Bestimmung ihres Gehalts entleert würde. Zu den Entscheiden und Verfügungen, die gemäss Art. 57 FMG in der Kompetenz der Kommunikationskommission liegen, gehören namentlich (vgl. dazu BBl 1996 III 1447; DENIS BARRELET, Droit de la communication, Bern 1998, Rz. 871; MATTHIAS RAMSAUER, Behördenorganisation und Rechtswege, in Rolf H. Weber [Hrsg.], Neues Fernmelderecht, Zürich 1998, S. 201 f.): die Erteilung der vom Gesetz vorgesehenen Konzessionen, unabhängig davon, ob darauf ein Anspruch besteht oder nicht ( Art. 5 Abs. 1 FMG ), die Änderung ( Art. 10 FMG ) und der Entzug von Konzessionen ( Art. 58 Abs. 3 FMG ), Verwaltungssanktionen im Zusammenhang mit Verstössen gegen Konzessionen und Verfügungen ( Art. 60 FMG ), Interkonnektionsentscheide ( Art. 11 Abs. 3 FMG ) sowie die Genehmigung des nationalen Frequenzzuweisungsplans ( Art. 25 Abs. 2 FMG ) und der nationalen Nummerierungspläne ( Art. 28 Abs. 3 FMG ). Auch wenn berücksichtigt wird, dass Art. 11 Abs. 4 FMG die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht gegen Interkonnektionsverfügungen ausdrücklich separat vorsieht und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Erteilung oder BGE 125 II 293 S. 303 Verweigerung von Konzessionen, auf die kein Anspruch besteht, gegebenenfalls wegen Art. 99 Abs. 1 lit. d OG und diejenige gegen den Frequenzzuweisungsplan und die Nummerierungspläne gegebenenfalls aufgrund von Art. 99 Abs. 1 lit. a oder c OG (vgl. dazu RAMSAUER, a.a.O., S. 207) ausgeschlossen wäre, verbleibt ein Anwendungsbereich für Art. 61 Abs. 1 FMG . Insbesondere ist gestützt auf diese Bestimmung die Verwaltungsgerichtsbeschwerde so oder so zulässig gegen die Erteilung oder Verweigerung von Konzessionen, auf die Anspruch besteht (vgl. Art. 6 Abs. 3 FMG ), gegen den Entzug von Konzessionen - und zwar auch dann, wenn darauf kein Anspruch gegeben ist (vgl. Art. 101 lit. d OG ) - sowie gegen Verwaltungssanktionen gemäss Art. 60 FMG . d) Art. 99 Abs. 1 lit. d OG findet demnach auf Konzessionen, die sich auf das Fernmeldegesetz stützen, grundsätzlich Anwendung. 4. a) Entscheidender Gesichtspunkt für die Zulässigkeit oder den Ausschluss der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist gemäss Art. 99 Abs. 1 lit. d OG , ob ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Mobilfunkkonzession besteht. Eine Mobilfunkkonzession für den Betrieb eines Mobiltelefonienetzes besteht aus einer Fernmeldedienstekonzession nach Art. 4 Abs. 1 FMG sowie einer Funkkonzession gemäss Art. 22 Abs. 1 FMG , wobei die Funkkonzession im Rahmen der Dienstekonzession erteilt wird ( Art. 4 FDV ). b) Für jegliche Fernmeldedienste gilt das Fernmelderegal gemäss Art. 36 BV weiterhin (vgl. BBl 1996 III 1474), da dieses bei der Revision des Fernmelderechts nicht berührt wurde. Damit ist die Handels- und Gewerbefreiheit von Fernmeldeunternehmungen bereits von Verfassungs wegen eingeschränkt (René Rhinow, in Kommentar BV, Rz. 135 f. zu Art. 31; Rhinow/Schmid/Biaggini, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Basel/Frankfurt a.M. 1998, § 7, Rz. 26 f.). Die Bundesverfassung sieht ein Monopol vor, dessen Umsetzung und Begrenzung letztlich der Gesetzgeber zu regeln hat (BARRELET, a.a.O., Rz. 261 ff.; MARTIN LENDI, in Kommentar BV, Rz. 2 ff. und 15 ff. zu Art. 36; RHINOW/SCHMID/BIAGGINI, a.a.O., § 28, Rz. 87; ROLF H. WEBER, Der Übergang zur neuen Telekommunikationsordnung, in Rolf H. Weber [Hrsg.], Neues Fernmelderecht, Zürich 1998, S. 8 f.). Art. 4 FMG begründet denn auch eine generelle Konzessionspflicht für Fernmeldedienste, und Art. 6 FMG definiert die allgemeinen Voraussetzungen für den Erwerb einer Fernmeldedienstekonzession. Dabei sieht Art. 6 Abs. 3 FMG - mit Ausnahmevorbehalt (vgl. Art. 6 Abs. 2 FMG ) - ausdrücklich vor, BGE 125 II 293 S. 304 dass ein Anspruch auf Konzessionserteilung besteht, wenn die auf das Gesuch anwendbaren Konzessionsvorschriften erfüllt sind (PETER R. FISCHER, Das Regime für Anbieterinnen von Fernmeldediensten, in Rolf H. Weber [Hrsg.], Neues Fernmelderecht, Zürich 1998, S. 95). Demgegenüber regelt Art. 22 FMG die Pflicht für eine Funkkonzession für alle, die das Funkfrequenzspektrum benutzen wollen. Art. 23 FMG nennt die Voraussetzungen, unter denen eine Funkkonzession erhältlich ist. Ein Anspruch ist nicht vorgesehen. Stattdessen bestimmt Art. 23 Abs. 3 FMG , dass eine Funkkonzession nur erteilt wird, wenn gestützt auf den nationalen Frequenzzuweisungsplan genügend Frequenzen zur Verfügung stehen (vgl. auch BBl 1996 III 1432). Art. 23 Abs. 3 FMG ist im Verhältnis zu Art. 6 Abs. 3 FMG , welcher die grundsätzliche Regelung enthält, lex specialis für Funkkonzessionen (PIERRE-YVES GUNTER, Les infrastructures, in Rolf H. Weber [Hrsg.], Neues Fernmelderecht, Zürich 1998, S. 70) und hat für solche entsprechend Vorrang. Er beruht auf der Grundlage, dass es sich bei den fraglichen Funkfrequenzen um ein knappes öffentliches Gut handelt (BBl 1996 III 1431; vgl. auch GUROVITS/JETZER/SCHMID DING, Das schweizerische Telekommunikationsrecht, Zürich 1998, S. 15). Stehen nicht genügend Frequenzen für alle Bewerber zur Verfügung, kann von vornherein nicht allen eine Konzession erteilt werden. Darin liegt der wesentliche Unterschied zu Art. 6 Abs. 3 FMG , der namentlich für die Fernmeldedienstekonzession (gemäss Art. 4 ff. FMG ) und die Grundversorgungskonzession (gemäss Art. 14 ff. FMG ) gilt, welche beide einer vergleichbaren Einschränkung nicht - weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht - unterliegen. Für die Funkkonzessionen verweist denn auch Art. 27 FMG , der die im Übrigen anwendbaren Bestimmungen des allgemeinen Teils ausdrücklich nennt, weder auf Art. 4 noch insbesondere auf Art. 6 FMG . Dass Art. 27 FMG auch keinen Hinweis auf die Interkonnektionsvorschrift von Art. 11 FMG enthält, steht der Folgerung nicht entgegen, Art. 23 Abs. 3 FMG sei eine Sonderregelung zu Art. 6 Abs. 3 FMG , da die Vorschriften im Funkbereich auch insoweit gelten, als keine Fernmeldedienste im Sinne von Art. 4 und 11 FMG erbracht werden; die Interkonnektionspflicht ist aber nur dort von Belang, wo es um solche Dienste geht. c) Die Erteilung einer Funkkonzession für Fernmeldedienste, wie sie im vorliegenden Zusammenhang in Frage steht, unterliegt einem doppelten gesetzlichen Vorbehalt: Erstens wird generell - auch BGE 125 II 293 S. 305 wenn kein Fernmeldedienst erbracht werden soll - eine Konzession nur gewährt, wenn gestützt auf den nationalen Frequenzzuweisungsplan genügend Frequenzen zur Verfügung stehen ( Art. 23 Abs. 3 FMG ), d.h. zunächst müssen in technischer Hinsicht die entsprechenden Kapazitäten vorhanden sein. Zweitens ist in der Regel eine öffentliche Ausschreibung durchzuführen, wenn mit der beantragten Frequenznutzung Fernmeldedienste erbracht werden sollen und nicht genügend Frequenzen für alle gegenwärtigen oder voraussehbaren künftigen Interessenten zur Verfügung stehen ( Art. 24 Abs. 1 FMG ). Daraus geht hervor, dass von vornherein nicht alle Bewerber eine Konzession erlangen können, wenn nicht genügend Frequenzen vorhanden sind. Damit unterscheidet sich die Funkkonzession für Fernmeldedienste typischerweise von solchen Konzessionen, auf die ein Anspruch besteht. Erfüllen bei diesen die Gesuchsteller die verlangten Voraussetzungen, ist ihnen eine Konzession zu erteilen, was zum Beispiel bei der Fernmeldedienstekonzession zutrifft (vgl. Art. 4 Abs. 1 FMG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 3 FMG ). Für die Eintretensfrage vor dem Bundesgericht bedeutet dies, dass gegen die Erteilung oder Verweigerung einer Fernmeldedienstekonzession grundsätzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerde geführt werden kann und das Bundesgericht dabei insbesondere zu überprüfen hat, ob die Konzessionsvoraussetzungen gemäss Art. 6 Abs. 1 FMG erfüllt sind. Bei der Funkkonzession für Fernmeldedienste ist indessen dann eine Auswahl zu treffen, wenn nicht genügend Frequenzen zur Verfügung stehen, auch wenn alle Interessenten die gesetzlichen Konzessionsvoraussetzungen erfüllen. Bei einer solchen Ausgangslage kann den Bewerbern grundsätzlich gar kein Recht auf die zahlenmässig beschränkten Konzessionen zustehen (so auch ein in den Akten liegendes Rechtsgutachten von RENÉ RHINOW und REGULA KÄGI-DIENER vom 25. August 1998, S. 12 f.). d) Diese gesetzliche Regelung widerspricht nicht den Verpflichtungen der Schweiz aus dem Abkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) vom 15. April 1994 (für die Schweiz in Kraft getreten am 1. Juli 1995; SR 0.632.20; AS 1995 2117). Auch wenn die Revision des Fernmeldegesetzes unter anderem bezweckte, das Landesrecht den Anforderungen des WTO-Rechts anzupassen, ergibt sich daraus kein Anspruch eines Bewerbers auf Erteilung einer Funkkonzession für Mobiltelefonie. Das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (Anhang 1.B zum WTO-Abkommen, sog. GATS; in SR 0.632.20; BGE 125 II 293 S. 306 vgl. auch AS 1995 2418) enthält zwar auch Regeln für den Fernmeldemarkt. Indessen verpflichtet es lediglich die Signatarstaaten, d.h. es schafft keine unmittelbar anwendbaren Rechte, auf die sich Fernmeldeunternehmungen berufen könnten. Sodann bezwecken das Abkommen und sein «Anhang über Telekommunikation» (ebenfalls in SR 0.632.20; AS 1995 2451) in erster Linie die Gleichbehandlung von inländischen und ausländischen Anbietern (im Sinne der sog. Meistbegünstigung [unter Anbietern verschiedener ausländischer Signatarstaaten] und der sog. Inländerbehandlung [im Vergleich mit inländischen Unternehmungen]; vgl. insb. Art. II und XVII des GATS-Abkommens), eine Steigerung der Transparenz (Art. III des GATS-Abkommens) sowie Verbesserungen beim Marktzugang (Art. XVI des GATS-Abkommens) unter Einschluss der technischen Zusammenarbeit bei der Telekommunikation (Anhang über Telekommunikation; vgl. zum Ganzen BBl 1994 IV 45 f., 242 ff. und 266 f.; MATTHIAS KOEHLER, Das Allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen [GATS], Berlin 1997, S. 101 ff.; RHINOW/SCHMID/BIAGGINI, a.a.O., § 9, Rz. 46 ff.; RICHARD SENTI, GATT-WTO, Zürich 1994, S. 102 ff., insb. S. 108 f.; SENTI/WEBER, Das allgemeine Dienstleistungsabkommen [GATS], in: Thürer/Kux [Hrsg.], GATT 94 und die Welthandelsorganisation, Zürich/Baden-Baden 1996, S. 136 ff. und 153 f.). Verlangt wird von den Signatarstaaten lediglich die grundsätzliche Öffnung der nationalen Telekommunikationsmärkte zu nichtdiskriminierenden Bedingungen. Die Zuschlagskriterien bei beschränkten Ressourcen können hingegen ohne weitergehende Verpflichtungen festgelegt werden, sofern das Verfahren unter bestimmten Bedingungen abläuft, namentlich transparent und nichtdiskriminatorisch ist. Geregelt werden schliesslich der Zugang zu öffentlichen Telekommunikationsnetzen für Dienstleistungsunternehmungen anderer Signatarstaaten und die technische Zusammenarbeit. Ein Anspruch auf eine Mobilfunkkonzession lässt sich daraus nicht ableiten. e) Einen Anspruch auf eine Funkkonzession für Mobiltelefonie vermittelt ferner auch nicht das Recht der Europäischen Union. Ohnehin entfaltet dieses keine unmittelbaren verbindlichen Auswirkungen auf das schweizerische Recht. Da die Revision des Fernmeldegesetzes aber unter anderem - im Hinblick auf Beteiligungen und Tätigkeiten schweizerischer Unternehmungen im Fernmeldemarkt der Europäischen Union - eine Anpassung des nationalen Rechts an die Liberalisierungsvorgaben der Europäischen BGE 125 II 293 S. 307 Union bezweckte (BBl 1996 III 1411 f.), lässt sich deren Rechtsordnung allenfalls als Auslegungshilfe beiziehen. Die Europäische Union strebt bereits seit längerer Zeit eine Öffnung des Telekommunikationsmarktes an (GEPPERT/RUHLE/SCHUSTER, Handbuch Recht und Praxis der Telekommunikation, Baden-Baden 1998, Rz. 5 ff.; MARCEL HAAG, Das europäische Umfeld: Die rechtliche Ordnung der Telekommunikation in der EU, in Rolf H. Weber [Hrsg.], Neues Fernmelderecht, Zürich 1998, S. 32 ff.). Die Richtlinie 97/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. April 1997 über einen gemeinsamen Rahmen für Allgemein- und Einzelgenehmigungen für Telekommunikationsdienste sieht jedoch ausdrücklich vor, dass namentlich die fehlende Verfügbarkeit von Funkfrequenzen rechtfertigt, die Anzahl Lizenzen für Mobilfunkdienste zu beschränken (vgl. Art. 8 ff., insb. Art. 10 Ziff. 1 der Richtlinie 97/13/EG; HAAG, a.a.O., S. 45). Kennt damit das Recht der Europäischen Union bei dieser Ausgangslage keinen Anspruch auf eine Mobilfunkkonzession, ergibt sich auch kein solcher bei der Auslegung des Fernmeldegesetzes unter Berücksichtigung des europäischen Rechts. f) Immerhin ist die Konzessionsbehörde nicht frei, ob sie überhaupt Funkkonzessionen für Fernmeldedienste erteilen will. Wie ohne weiteres aus der neuen gesetzlichen Regelung (vgl. insb. Art. 1 FMG ) sowie der bundesrätlichen Botschaft (vgl. BBl 1996 III 1406 ff.) hervorgeht, wollte der Gesetzgeber - unter anderem unter Umsetzung des WTO/GATS- Rechts und in Anpassung an das Recht der Europäischen Union (vgl. BBl 1996 III 1411 f.) - eindeutig den Fernmeldemarkt liberalisieren und bis zu einem gewissen Grad auch privaten Anbietern öffnen (GUROVITS/JETZER/SCHMID DING, a.a.O., S. 11 und 23 f.; RHINOW/SCHMID/BIAGGINI, a.a.O., § 28, Rz. 94; WEBER, a.a.O., S. 8 ff.). Das bedeutet nicht, dass es dem Gemeinwesen verwehrt ist, im Bereich des Fernmeldewesens tätig zu werden bzw. zu bleiben. Ein entsprechendes Verbot kennt weder das Fernmeldegesetz noch im Übrigen das WTO/GATS-Recht. Es steht der öffentlichen Hand damit grundsätzlich frei, unternehmerisch tätig zu werden (vgl. BARRELET, a.a.O., Rz. 264 f.; RHINOW/SCHMID/ BIAGGINI, a.a.O., § 18, Rz. 1 ff. und Rz. 16 ff.). Das Gemeinwesen tritt im Bereich des Fernmeldewesens denn auch vielfältig aktiv in Erscheinung, etwa in der Form von Beteiligungen an Fernmeldebetrieben durch Unternehmungen des Elektrizitäts- oder Transportbereichs, an denen wiederum die öffentliche Hand Anteile besitzt. Nicht zuletzt hält der Bund noch immer die kapital- und stimmenmässige BGE 125 II 293 S. 308 Mehrheit an der Swisscom (Art. 6 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 30. April 1997 über die Organisation der Telekommunikationsunternehmung des Bundes; Telekommunikationsunternehmungsgesetz, TUG; SR 784.11; AS 1997 2480; BARRELET, a.a.O., Rz. 265; RAMSAUER, a.a.O., S. 200). Aus dem gesetzlichen Ziel des revidierten Fernmelderechts, Wettbewerb zu schaffen, ergibt sich indessen entgegen der Auffassung der Kommunikationskommission, dass ein staatliches Monopol bzw. dasjenige der Swisscom auch für die Mobiltelefonie nicht aufrecht erhalten werden darf. Soweit daher Kapazitäten bei den Funkfrequenzen bestehen, muss die Kommunikationskommission die entsprechenden Konzessionen grundsätzlich an geeignete Bewerber erteilen, ausserordentliche Umstände - namentlich sicherheits- oder versorgungspolitischer Art - vorbehalten. In diesem Zusammenhang verfügt die Kommunikationskommission nicht über (im Ergebnis marktsteuerndes) Entschliessungsermessen, da es ihr nicht frei steht, auch dann keine Konzessionen zu gewähren, wenn Interessenten vorhanden sind, welche die erforderlichen Voraussetzungen an sich erfüllen würden, und wenn es keine ausserordentlichen Umstände gibt, um vom gesetzlichen Wettbewerbsziel abzuweichen. Entschliessungsermessen und jedenfalls technisches Ermessen steht der Kommunikationskommission aber bei der Festsetzung der Zahl der zu vergebenden Konzessionen sowie allenfalls in weiterem Zusammenhang zu, etwa im Hinblick auf die mögliche Erteilung regionaler Konzessionen. Unzweifelhaft verfügt die Kommunikationskommission sodann über Auswahlermessen, wenn nicht genügend Frequenzen vorhanden sind. g) Art. 99 Abs. 1, namentlich lit. d OG, schliesst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Fällen aus, in denen der entscheidenden Behörde ein relativ grosses Ermessen zusteht oder technische Aspekte wesentlich sind (vgl. FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 103 ff., insb. S. 108 ff.; PETER KARLEN, in Geiser/Münch, Prozessieren vor Bundesgericht, 2. Aufl., Basel/Frankfurt a.M. 1998, Rz. 3.26; KÖLZ/HÄNER, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, Rz. 853 ff., insb. 862; RHINOW/KOLLER/KISS, Öffentliches Prozessrecht und Justizverfassungsrecht des Bundes, Basel/Frankfurt a.M. 1996, Rz. 1468 und 1470). Bei Ermessen der Verwaltungsbehörde ist ein Anspruch auf Konzession und damit die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde BGE 125 II 293 S. 309 zu verneinen (ANDRÉ GRISEL, Traité de droit administratif, Bd. II, Neuenburg 1984, S. 984; GYGI, a.a.O., S. 109; CHRISTIAN VOGEL, Einschränkungen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht, Zürich 1973, S. 81 ff.). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung schliesst Entschliessungsermessen einen unbedingten Rechtsanspruch auf Bewilligungserteilung von vornherein aus ( BGE 112 Ib 13 E. 4 S. 17). Nichts anderes kann bei Auswahlermessen gelten: Auch wenn die Konzessionsbehörde grundsätzlich zur Erteilung einer bestimmten Anzahl von Konzessionen verpflichtet ist, steht keinem Bewerber ein unbedingter Rechtsanspruch zu. Im vorliegenden Zusammenhang verfügt die Konzessionsbehörde sowohl über Entschliessungs- als auch über Auswahlermessen; sodann sind für die Konzessionserteilung erhebliche technische Gesichtspunkte beachtlich, was nicht zuletzt daraus hervorgeht, dass der Gesetzgeber mit der Kommunikationskommission bewusst eine besondere, fachkundige Instanz als Konzessionsbehörde eingesetzt hat (vgl. Art. 56 Abs. 1 letzter Satz FMG). Wenn bei einer solchen Ausgangslage der Beschwerdeweg an das Bundesgericht offen stehen sollte, müsste dies der Gesetzgeber ausdrücklich so vorsehen. Andernfalls ist davon auszugehen, dass Art. 99 Abs. 1 lit. d OG seine Ausschlusswirkung entfaltet. Dies trifft im vorliegenden Zusammenhang zu, nachdem aus dem Fernmeldegesetz, wie dargelegt (vgl. E. 3), nicht hervorgeht, Art. 99 Abs. 1 lit. d OG sei nicht anwendbar. Diese Folgerung erscheint im Übrigen nicht als systemwidrig. Zwar trifft die Argumentation der Kommunikationskommission nicht zu, wenn sie nicht als Konzessionsbehörde eingesetzt wäre, käme die entsprechende Kompetenz dem Bundesrat zu, was die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ebenfalls ausschlösse, denn diesfalls würde Art. 61 Abs. 1 FMG keinen Sinn machen bzw. hätte der Rechtsmittelausschluss im Fernmeldegesetz integral erfolgen müssen. Hingegen ist die vorliegende Konstellation namentlich vergleichbar mit Entscheiden im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens, insbesondere Vergabeentscheiden, wo ebenfalls - wegen des behördlichen Ermessens und des fachtechnischen Bezugs - ein Ausschluss der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gilt (vgl. Art. 100 Abs. 1 lit. x OG ). Sodann sieht sogar das Fernmeldegesetz selbst für Fernmeldedienstekonzessionen, auf die grundsätzlich ein Anspruch besteht (vgl. Art. 6 Abs. 3 FMG ), unter bestimmten Umständen (insb. bei fehlendem Gegenrecht) vor, dass d BGE 125 II 293 S. 310 ies nicht gilt, wenn es sich beim Bewerber um eine nach ausländischem Recht organisierte Unternehmung handelt ( Art. 6 Abs. 2 FMG ; ähnlich für die Funkkonzessionen auch Art. 23 Abs. 2 FMG ). In solchen Fällen wäre die Verwaltungsgerichtsbeschwerde somit ebenfalls unzulässig. h) Demnach besteht jedenfalls dann, wenn nicht genügend Frequenzen zur Verfügung stehen, kein Anspruch auf eine Mobilfunkkonzession. Bei den im vorliegenden Zusammenhang massgeblichen Funkkonzessionen ist nicht strittig, dass die Anzahl der verfügbaren Frequenzen nicht für alle Bewerber ausreicht. Der Entscheid der Kommunikationskommission, zwei neue Konzessionen zu vergeben, wird in den vorliegenden Verfahren von keiner Seite in Frage gestellt. Es ist denn auch fraglich, ob er überhaupt je vor Bundesgericht hätte angefochten werden können (vgl. Art. 99 Abs. 1 lit. a und c OG ; dazu RAMSAUER, a.a.O., S. 207) und, selbst wenn dies theoretisch möglich gewesen sein sollte, ob eine Anfechtung im heutigen Verfahrensstadium noch zulässig wäre. Wie es sich damit verhält, kann jedoch offen bleiben, da dieser Vorentscheid gar nicht umstritten ist. Gegen den Entscheid der Kommunikationskommission über die Erteilung bzw. Verweigerung einer Mobilfunkkonzession für Fernmeldedienste ist somit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn nicht genügend Frequenzen für alle Bewerber zur Verfügung stehen. Wie es sich verhielte, wenn die Frequenzen ausreichten, kann im vorliegenden Zusammenhang dahingestellt bleiben. i) Da sich die beiden hier fraglichen Konzessionen für ein Mobiltelefonienetz grundsätzlich aus zwei Bestandteilen zusammensetzen, liesse sich schliesslich erwägen, die beiden Komponenten der Konzession für die Frage der Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu unterscheiden. Auf die Fernmeldedienstekonzession nach Art. 4 Abs. 1 FMG besteht ein Anspruch ( Art. 6 Abs. 3 FMG ), auf die Funkkonzession nach Art. 22 Abs. 1 FMG können die Bewerber wegen der Einschränkungen gemäss Art. 23 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 FMG hingegen keinen Anspruch erheben. Eine solche Unterscheidung im Hinblick auf die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde käme aber höchstens dann in Frage, wenn einzig strittig wäre, ob ein Bewerber die (grundsätzlichen) Voraussetzungen der Fernmeldedienstekonzession erfüllte. Ob das Bundesgericht diesfalls auf eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde in diesem eingeschränkten Rahmen einzutreten hätte, kann im vorliegenden BGE 125 II 293 S. 311 Zusammenhang indessen offen bleiben, da nicht strittig ist, dass alle Bewerber, die an den hängigen Verfahren beteiligt sind, die Voraussetzungen für eine Fernmeldedienstekonzession grundsätzlich erfüllen. Da es somit im Ergebnis einzig um die Funkkonzession geht, greift der Ausschluss von Art. 99 Abs. 1 lit. d OG in den vorliegenden Verfahren um Erteilung bzw. Verweigerung der Funkkonzessionen für Mobiltelefonie (Verfahren 2A.332/1998, 2A.333/1998, 2A.336/ 1998, 2A.337/1998, 2A.347/ 1998, 2A.348/ 1998, 2A.349/1998 und 2A.350/1998) uneingeschränkt. j) In Anwendung des Grundsatzes der Einheit des Verfahrens gemäss Art. 101 OG ( BGE 111 Ib 73 E. 2a S. 75; BGE 122 II 186 E. 1d/aa S. 190) ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde damit auch ausgeschlossen gegen die beiden Verfügungen der Kommunikationskommission, mit denen sie in den Verfahren 2A.326/1998 und 2A.334/1998 einzelnen Beteiligten die Akteneinsicht zumindest teilweise verweigert hat. Zwar handelt es sich nicht im eigentlichen Sinne um Zwischenverfügungen gemäss Art. 101 lit. a OG , da sie nach den Konzessionsentscheiden ergangen sind, und auch nicht um Vollstreckungsverfügungen gemäss Art. 101 lit. c OG , weil es nicht um den Vollzug der Konzessionsverfügungen geht. Dennoch stehen sie in derart engem Zusammenhang mit den fraglichen Konzessionsentscheiden, dass sie nicht als selbständig anfechtbare Verfügungen gelten können, die vom Anwendungsbereich von Art. 99 Abs. 1 lit. d OG ausgenommen wären. Vielmehr unterliegen auch sie dem entsprechenden Ausschluss, da die Akteneinsicht letztlich nur im Hinblick auf die Beschwerdeführung vor Bundesgericht verlangt worden ist und auch nur, wenn überhaupt, für die Konzessionsfrage gewährt werden könnte. Damit teilen die Verfahren um Akteneinsicht das rechtliche Schicksal der Verfahren in der Hauptsache. 5. a) Es bleibt zu prüfen, ob unmittelbar gestützt auf Art. 6 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK; SR 0.101) Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht geführt werden kann, wie teilweise geltend gemacht wird. Dabei soll Art. 6 Ziff. 1 EMRK ein Recht auf Zugang zu einem Gericht verschaffen, da ein zivilrechtlicher Anspruch in Frage stehe. Da es sich bei der Kommunikationskommission nicht um eine gerichtliche Behörde handle und sonst keine solche angerufen werden könne, müsse die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zur Wahrung der aus der Menschenrechtskonvention abgeleiteten Rechte zulässig sein. BGE 125 II 293 S. 312 b) Art. 6 Ziff. 1 EMRK betrifft nicht nur zivilrechtliche Streitigkeiten im engeren Sinne, d.h. solche zwischen Privaten oder Privaten und dem Staat in seiner Eigenschaft als Subjekt des Privatrechts, sondern auch hoheitliche Akte von Verwaltungsbehörden, sofern diese massgeblich in Rechte und Verpflichtungen privatrechtlicher Natur eingreifen ( BGE 122 II 464 E. 3b S. 466 f.; BGE 121 I 30 E. 5c S. 34; BGE 119 Ia 88 E. 3b S. 92, 321 E. 6a/bb S. 329, mit Hinweisen). Gemäss der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte gilt das Recht auf private Erwerbstätigkeit als zivilrechtlich im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK . Anerkannt wurde ein zivilrechtlicher Anspruch namentlich in Fällen des Entzugs bewilligter Tätigkeiten im Sinne eines Rechts auf Weiterführung einer zugelassenen gewerblichen oder kaufmännischen Tätigkeit und teilweise auch in Fällen der erstmaligen Zulassung (FROWEIN/PEUKERT, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Aufl., Kehl/Strassburg/Arlington 1996, Rz. 21 zu Art. 6; ANDREAS KLEY-STRULLER, Der Anspruch auf richterliche Beurteilung «zivilrechtlicher» Streitigkeiten im Bereich des Verwaltungsrechts sowie von Disziplinar- und Verwaltungsstrafen gemäss Art. 6 EMRK , in AJP 1994, S. 30 f.; MARK E. VILLIGER, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention [EMRK], Zürich 1993, Rz. 379). Bei der Nutzung des Frequenzspektrums handelt es sich um den Zugriff auf eine natürliche Ressource im öffentlichen Besitz (WEBER, a.a.O., S. 14). Es geht bei der Erteilung einer Funkkonzession nicht nur um die Zulassung zu einer wirtschaftlichen Tätigkeit, sondern vor allem auch um die Zuteilung eines beschränkten öffentlichen Guts (BBl 1996 III 1431). Diese Zuteilung steht im Ermessen der Konzessionsbehörde. Auch wenn sie sich bei der Konzessionserteilung an gewisse Regeln zu halten hat, steht den Bewerbern kein Recht auf die Konzession zu. Bestand und Klagbarkeit des Anspruchs sind indessen Voraussetzung für die Annahme eines zivilrechtlichen Anspruchs im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK ; die Anwendbarkeit dieser Bestimmung setzt voraus, dass das Recht innerstaatlich gewährt wird und durchsetzbar ist (ZBl 99/1998 S. 369 E. 3a, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte; FROWEIN/PEUKERT, a.a.O., Rz. 7 ff. und 11 ff. zu Art. 6; KLEY-STRULLER, a.a.O., S. 34 f.; SOYER/SALIVA, Article 6, in Pettiti/Decaux/Imbert, La Convention européenne des droits de l' homme, Commentaire article par article, Paris 1995, S. 250 f.; VELU/ERGEC, La Convention européenne des BGE 125 II 293 S. 313 droits de l' homme, Bruxelles 1990, Rz. 418; VILLIGER, a.a.O., Rz. 377; vgl. auch HERBERT MIEHSLER, Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, Rz. 149 zu Art. 6; CHRISTIAN F. SCHNEIDER, Gesetzlicher Entzug von Rechten und Art. 6 EMRK , in: Grabenwarter/Thienel [Hrsg.], Kontinuität und Wandel der EMRK, Kehl/Strassburg/Arlington 1998, S. 246 ff.). Das trifft im vorliegenden Zusammenhang, wie in E. 4 dargelegt, nicht zu: Die Handels- und Gewerbefreiheit ist bereits auf Verfassungsstufe beschränkt. Das Fernmeldegesetz verschafft ebenfalls keinen innerstaatlichen Anspruch auf die fraglichen Funkkonzessionen. Wo solchermassen ein Ermessensspielraum vorhanden ist, besteht grundsätzlich kein Rechtsanspruch. Eine vergleichbare Schlussfolgerung hat das Bundesgericht im Übrigen in einem kürzlich gefällten Entscheid gezogen, in dem es um eine kantonale Konzession um das ausschliessliche Plakatanschlagerecht auf öffentlichem Grund ging ( BGE 125 I 209 E. 7). Im neueren Schrifttum wird teilweise eine Ausweitung des Anwendungsbereichs von Art. 6 EMRK auf gewisse Ermessensentscheide gefordert, die insoweit einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich gemacht werden sollen, als es sich um Ermessen handelt, dessen Ausübung in sinnvoller Weise kontrollierbar erscheint (vgl. FROWEIN/PEUKERT, a.a.O., Rz. 29 ff., insb. Rz. 30; RUTH HERZOG, Art. 6 EMRK und kantonale Verwaltungsrechtspflege, Bern 1995, S. 76, 82 und 181 f.; KLEY-STRULLER, a.a.O., S. 38; RHINOW/KOLLER/KISS, a.a.O., Rz. 1478 ff.; SCHNEIDER, a.a.O., S. 246 ff.; VILLIGER, a.a.O., Rz. 379). Auch wenn dies allenfalls dort denkbar wäre, wo es einzig um die Zulassung zu einer wirtschaftlichen Tätigkeit geht, rechtfertigt sich eine solche Ausweitung dort nicht, wo wie im vorliegenden Zusammenhang (gleichzeitig) über den Zugriff auf ein beschränktes öffentliches Gut technischer Natur zu entscheiden ist. In diesen Fällen ist die Ermessensausübung einer gerichtlichen Überprüfung noch weniger zugänglich. Das trifft bei den Funkkonzessionen, wo der Behörde nicht nur ein erhebliches Entschliessungs- und Auswahlermessen zusteht, sondern sich auch besondere fachtechnische Fragen stellen, in gesteigertem Masse zu. c) Hinzu kommt, dass ohnehin fraglich ist, wieweit das Bundesgericht unmittelbar gestützt auf Art. 6 Ziff. 1 EMRK eine Sachzuständigkeit dort bejahen könnte, wo das eidgenössische Recht eine solche gerade ausschliesst (vgl. BGE 118 Ia 473 E. 5b S. 479). Anders als in Fällen, in denen das kantonale Recht den Zugang zum Gericht verweigert und in denen das Bundesgericht die BGE 125 II 293 S. 314 Zuständigkeit einer kantonalen gerichtlichen Behörde unmittelbar gestützt auf Art. 6 Ziff. 1 EMRK verlangt hat (vgl. etwa BGE 119 Ia 88 E. 5c S. 95 f. und E. 7 S. 98), ist eine solche Folgerung auf Bundesebene mit Blick auf das Gebot der Anwendung von Bundesgesetzen gemäss Art. 114bis Abs. 3 BV nur dann zu ziehen, wenn die Anwendbarkeit von Art. 6 EMRK an sich eindeutig ist, wie das etwa in BGE 120 Ib 224 E. 1b S. 226 ff. zutraf. Eine Öffnung in den vorliegenden Fällen, die weiter geht als die bisherige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, rechtfertigt sich unter diesen Voraussetzungen nicht. Wenn schon, dann wäre es Sache des Gesetzgebers (gewesen), die Zuständigkeitsordnung entsprechend anzupassen. Nachdem er dies bisher nicht getan hat, obliegt es jedenfalls solange auch nicht dem Bundesgericht, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Abweichung von Art. 99 Abs. 1 lit. d OG unmittelbar gestützt auf Art. 6 Ziff. 1 EMRK zuzulassen, als der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entsprechenden Forderungen des neueren Schrifttums auf Ausweitung des Begriffs des zivilrechtlichen Anspruches ebenfalls noch nicht gefolgt ist. 6. d) Keine Parteientschädigung ist der Kommunikationskommission als obsiegender Behörde zuzusprechen ( Art. 159 Abs. 2 OG ). Sie stellt zwar in einzelnen Verfahren ein entsprechendes Begehren mit der Begründung, der gesetzliche Ausschluss einer Parteientschädigung gelte nur «in der Regel», von welcher hier abzuweichen sei, da die Kommunikationskommission ihre Kosten gemäss Art. 56 Abs. 4 FMG in Verbindung mit Art. 8 der Verordnung vom 6. Oktober 1997 über Gebühren im Fernmeldebereich (GFV; SR 784.106; AS 1997 2895) durch Verwaltungsgebühren finanzieren und insoweit selbsttragend arbeiten müsse; da sie die ihr durch das Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde entstandenen Kosten nicht durch Verwaltungsgebühren abgelten könne, sei sie im Falle des Obsiegens dafür zu entschädigen. Nachdem die Kommunikationskommission den Antrag auf Parteientschädigung erst in der Replik gestellt hat, fragt sich indessen grundsätzlich, ob er nicht verspätet ist, was jedoch offen bleiben kann. Jedenfalls unterscheidet sich die Stellung der Kommunikationskommission - abgesehen von der gesetzlich geregelten Unabhängigkeit, über die aber auch andere Behörden wie kantonale Gerichte oder eidgenössische Rekurskommissionen verfügen - nicht derart von anderen Behörden, dass es sich rechtfertigen würde, vom Grundsatz des Art. 159 Abs. 2 OG abzuweichen. Hätte der Gesetzgeber dies BGE 125 II 293 S. 315 gewollt, hätte er eine entsprechende - die finanzielle Ordnung von Art. 56 Abs. 4 FMG ergänzende - Regelung treffen können, was er indessen nicht getan hat. Im Übrigen steht es der Kommunikationskommission, im Rahmen der rechtlichen Grundsätze über die Gebührenerhebung, frei, mögliche Aufwendungen für Rechtsmittelverfahren bei der Festlegung ihrer Spruchgebühren mit zu berücksichtigen. Ohnehin kommt sie im Hinblick auf ein mögliches Unterliegen nicht umhin, sich entsprechend abzusichern.
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Sachverhalt ab Seite 226 BGE 130 III 225 S. 226 A. In der Betreibung Nr. ... (Arrestprosequierung) gegen Y. (Schuldner) stellte das Betreibungsamt Zürich 1 am 20. Januar 2003 der Gläubigerin X. Company nach durchgeführter Verwertung eine Verlustbescheinigung aus. Dabei erhob es gestützt auf Art. 30 der Gebührenverordnung vom 23. September 1996 zum SchKG (GebV SchKG; SR 281.35) eine Gebühr von 2 Promille des Verwertungserlöses (Fr. 102'293'918.10), ausmachend Fr. 204'587.80, zuzüglich Auslagen. B. Ein von der X. Company am 31. Januar 2003 eingereichtes Wiedererwägungsgesuch in Bezug auf die Kostenverfügung lehnte das Betreibungsamt am 12. Februar 2003 ab, und mit Beschluss vom 19. Juni 2003 wies das Bezirksgericht Zürich als untere Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen die gleichzeitig mit dem Wiedererwägungsgesuch erhobene Beschwerde der X. Company gegen die Kostenverfügung ab. Das Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, als obere Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen wies mit Beschluss vom 21. August 2003 die Beschwerde ebenfalls ab. C. Die X. Company gelangte mit Beschwerde vom 1. September 2003 an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts, welche mit Entscheid vom 12. September 2003 die Beschwerde abwies, soweit sie darauf eintrat. D. Noch innert der Beschwerdefrist von 30 Tagen erhob die X. Company zudem am 22. September 2003 staatsrechtliche Beschwerde gegen den ihr am 22. August 2003 zugestellten BGE 130 III 225 S. 227 Beschluss des Obergerichts. Sie beantragt, die Festsetzung der Gebühr des Betreibungsamtes für die Verwertung in der Pfändung Nr. ... des Betreibungsamtes Zürich 1 und der Entscheid der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen vom 21. August 2003 seien aufzuheben. Das Bundesgericht heisst die staatsrechtliche Beschwerde gut und hebt den Entscheid des Obergerichts vom 21. August 2003 auf.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Im Rahmen des Betreibungsverfahrens liess die Beschwerdeführerin gepfändete Geldbeträge in ausländischer Währung im Gegenwert von Fr. 102'293'918.80 verwerten. Auf ihre Anregung hin wurden die gepfändeten Geldbeträge direkt an die Bank der Gläubigerin transferiert. Die Verwertungshandlung des Betreibungsamtes bestand in einer Anweisung an die Bank, bei der sich die Geldbeträge befanden, die Gelder zu überweisen. Das Betreibungsamt Zürich 1 setzte in der Folge die Gebühr hierfür auf 2 Promille des Verwertungserlöses fest, wobei es sich auf den Tarif von Art. 30 GebV SchKG für die freihändige Verwertung von Aktiven stützte: Erlös/Franken Gebühr/Franken bis 500 10.- 500 - 1'000 50.- 1'000 - 10'000 100.- 10'000 - 100'000 200.- über 100'000 2 Promille Nach Massgabe dieser Regelung hat das Betreibungsamt eine Gebühr von Fr. 204'587.80 (zuzüglich Auslagen) verfügt. 2.2 Im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde ist nicht zu prüfen, ob die Anweisung des Betreibungsamtes an die Bank, die Vermögenswerte an die Gläubigerin zu transferieren, als Freihandverkauf zu qualifizieren ist und ob die hierfür erhobene Gebühr zu Recht gestützt auf Art. 30 GebV SchKG erhoben wurde. Ebenso wenig ist zu prüfen, ob Art. 30 GebV SchKG zutreffend angewendet worden ist. In Frage steht ausschliesslich, ob die Gebühr von Fr. 204'587.80 der Höhe nach verfassungswidrig ist, wobei die Beschwerdeführerin vorab geltend macht, Art. 30 GebV SchKG sei mit dem Äquivalenzprinzip insoweit nicht vereinbar, als bei BGE 130 III 225 S. 228 hohem Verwertungserlös mangels oberer Begrenzung des Tarifs die Höhe der Gebühr in keinem vernünftigem Verhältnis mehr zur staatlichen Leistung steht. Demgegenüber geht das Obergericht im angefochtenen Entscheid davon aus, dass das Äquivalenzprinzip nicht verletzt sei, wiewohl zwar die erhobene Gebühr den Kostenaufwand der vom Staat erbrachten Leistung bei weitem übersteige. Jedoch liege der wirtschaftliche Nutzen für die Beschwerdeführerin im erzielten Verwertungserlös, zu welchem die erhobene Gebühr durchaus in einem vernünftigen Verhältnis stehe. 2.3 Das Äquivalenzprinzip konkretisiert das Verhältnismässigkeitsprinzip und das Willkürverbot (Art. 5 Abs. 2 sowie Art. 8 und 9 BV ) für den Bereich der Kausalabgaben ( BGE 128 I 46 E. 4a S. 52; BGE 101 Ib 462 E. 3b S. 468; ADRIAN HUNGERBÜHLER, Grundsätze des Kausalabgaberechts, ZBl 104/2003 S. 522). Es bestimmt, dass eine Gebühr nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zum objektiven Wert der Leistung stehen darf und sich in vernünftigen Grenzen halten muss. Der Wert der Leistung bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Nutzen, den sie dem Pflichtigen bringt, oder nach dem Kostenaufwand der konkreten Inanspruchnahme im Verhältnis zum gesamten Aufwand des betreffenden Verwaltungszweigs ( BGE 101 Ib 462 E. 3b S. 468), wobei schematische, auf Wahrscheinlichkeit und Durchschnittserfahrungen beruhende Massstäbe angelegt werden dürfen. Es ist nicht notwendig, dass die Gebühren in jedem Fall genau dem Verwaltungsaufwand entsprechen; sie sollen indessen nach sachlich vertretbaren Kriterien bemessen sein und nicht Unterscheidungen treffen, für die keine vernünftigen Gründe ersichtlich sind ( BGE 128 I 46 E. 4a S. 52; BGE 126 I 180 E. 3a/bb S. 188, mit Hinweisen; HUNGERBÜHLER, a.a.O., S. 522 f.). Bei der Festsetzung von Verwaltungsgebühren darf deshalb innerhalb eines gewissen Rahmens auch der wirtschaftlichen Situation des Pflichtigen und dessen Interesse am abzugeltenden Akt Rechnung getragen werden ( BGE 126 I 180 E. 3a/bb S. 191; HUNGERBÜHLER, a.a.O., S. 523), und bei Gerichtsgebühren darf namentlich der Streitwert eine massgebende Rolle spielen (BGE 120 la 171 E. 2a S. 174; ALAIN WURZBURGER, De la constitutionnalité des émoluments judiciaires en matière civile, Festschrift für Jean-François Poudret, Lausanne 1999, S. 307 f.), wobei dem Gemeinwesen nicht verwehrt ist, mit den Gebühren für bedeutende Geschäfte den Ausfall in weniger bedeutsamen Fällen auszugleichen (BGE 120 la 171 E. 2a S. 174 und E. 4c S. 177/178; HUNGERBÜHLER, a.a.O., S. 526). BGE 130 III 225 S. 229 In Fällen mit hohem Streitwert und starrem Tarif, der die Berücksichtigung des Aufwandes nicht erlaubt, kann die Belastung allerdings unverhältnismässig werden, namentlich dann, wenn die Gebühr in Prozenten oder Promillen festgelegt wird und eine obere Begrenzung fehlt (WURZBURGER, a.a.O., S. 308; vgl. BGE 126 I 180 E. 3c/cc S. 193). 2.4 Das Obergericht räumt im angefochtenen Entscheid ein, dass die vorliegend verlangte Gebühr von Fr. 204'587.80 den Kostenaufwand bei weitem übersteigt. Als Bemessungsgrundlage für die Gebühr komme nach der Rechtsprechung jedoch nicht nur der Kostenaufwand der konkreten Inanspruchnahme der Verwaltung im Verhältnis zum gesamten Aufwand des betreffenden Verwaltungszweigs in Frage, sondern alternativ dazu der wirtschaftliche Nutzen, den die staatliche Leistung dem Pflichtigen bringe. Dieser wirtschaftliche Nutzen liege im Verwertungserlös von Fr. 102'293'918.10, mit welchem die Gebühr von Fr. 204'587.80 durchaus in einem angemessenen Verhältnis stehe. Das Äquivalenzprinzip verlangt, dass die Gebühr nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zum objektiven Wert der Leistung steht und sich in vernünftigen Grenzen hält. Für den objektiven Wert der Leistung kann auf den Nutzen für den Pflichtigen oder auf den Kostenaufwand abgestellt werden (vgl. E. 2.3 hiervor), wovon das Obergericht zutreffend ausgeht. Beide Kriterien sind indessen nur Hilfsmittel zur Bestimmung des Werts der staatlichen Leistung. Der erzielte Verwertungserlös, den das Obergericht dem Nutzen gleichsetzt, gibt aber jedenfalls nicht den Wert der staatlichen Leistung wieder, sondern hängt in erster Linie von der verwerteten Sache ab, während die staatliche Leistung, für welche die Gebühr erhoben wird, in der Verwertungshandlung liegt, d.h. in der Durchführung der Versteigerung oder des Freihandverkaufs. Der Verwertungserlös ist dennoch ein sachliches Kriterium für die Bemessung der Gebühr, das erlaubt, dem Interesse des Pflichtigen Rechnung zu tragen und einen Ausgleich zwischen mehr und weniger bedeutsamen Geschäften herbeizuführen. Bei hohem Verwertungserlös aber allein hierauf abzustellen und eine Gebühr von 2 Promille ohne jede Plafonierung zu erheben, kann zu einem offensichtlichen Missverhältnis zum objektiven Wert der staatlichen Leistung führen, wenn der Aufwand für die Verwertungshandlung ausgesprochen bescheiden und der Verwertungserlös zudem sehr hoch ist. Eine Gebühr von Fr. 204'587.80 hat im vorliegenden Fall, BGE 130 III 225 S. 230 in dem sich die Verwertungshandlung auf eine Anweisung an eine Bank erschöpfte, offensichtlich nichts mehr mit der erbrachten staatlichen Leistung gemein und verstösst deshalb gegen das Äquivalenzprinzip. 2.5 Es fällt im Übrigen auf, dass in der früheren Gebührenverordnung zum SchKG vom 7. Juli 1971 noch eine obere Grenze für die Gebühr festgelegt war, welche zuletzt Fr. 4'000.- betrug (AS 1994 S. 206). Erst mit der heute massgebenden GebV SchKG vom 23. September 1996 ist die obere Begrenzung weggelassen worden. Beim gesetzgeberischen Entscheid, eine obere Begrenzung der Gebühr wegzulassen, mag der Gedanke mitgespielt haben, dass bei Zwangsverkäufen die öffentliche Beurkundung des Grundstückverkaufs entfällt und damit die entsprechende Abgabe. Zu berücksichtigen ist indessen, dass Art. 30 GebV SchKG nicht nur bei aufwändigen Verwertungen von Grundstücken zur Anwendung gelangt, sondern auch bei Verwertungen, die nur geringen Aufwand verursachen. Sodann kann beim Amtsnotariat der Notariatstarif zulässigerweise den Charakter einer Gemengsteuer annehmen (Urteil des Bundesgerichts 2P.25/1989 vom 8. August 1989, publ. in: ZBGR 72/1991 S. 310 ff.), womit eine Bindung an das Kostendeckungs- und das Äquivalenzprinzip entfällt. Die Zulässigkeit einer Gemengsteuer beruht hier darauf, dass das Bundeszivilrecht die Steuerhoheit der Kantone nicht beschränkt ( BGE 126 I 180 E. 2b/dd S. 186 f.), und es somit auf kantonalrechtlicher Grundlage zulässig ist, eine Abgabe zu erheben, die neben dem Entgelt für die Amtshandlung auch eine Steuerkomponente enthält. Die GebV SchKG beruht demgegenüber auf der bundesrechtlichen Grundlage von Art. 16 SchKG , der den Bundesrat zur Festsetzung eines Gebührentarifs ermächtigt, jedoch nicht zur Erhebung einer Abgabe mit (teilweisem) Steuercharakter. Das bedeutet nicht, dass Art. 30 GebV SchKG in der heutigen Fassung mit der nach oben offenen Promillegebühr per se verfassungswidrig wäre. Jedoch haben die Betreibungsämter im Einzelfall namentlich bei hohem Zuschlagpreis, Kaufpreis oder Erlös dem Äquivalenzprinzip Rechnung zu tragen und die rechnerisch nach Promille ermittelte Gebühr nötigenfalls herabzusetzen ( BGE 119 III 133 E. 3b S. 135).
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Sachverhalt ab Seite 105 BGE 148 I 104 S. 105 A. Der 1986 geborene A. arbeitete ab dem 1. August 2008 im Zentrum B., einer Fachagentur der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK). Ab 1. Januar 2012 war er als Leiter des Vertriebs tätig. Mit Blick auf die mit der Vertriebsleitung verbundenen Aufgaben absolvierte er von 2014 bis 2017 berufsbegleitend eine Weiterbildung. Gestützt auf die Weiterbildungsvereinbarung vom 11. Juni 2014 beteiligte sich das Zentrum B. an den Kurskosten. Zudem leistete es bei einem Arbeitspensum von 80 % Lohnzahlungen im Umfang eines 90 %-Pensums. A. verpflichtete sich im Gegenzug dazu, nach Beendigung der Weiterbildung noch während mindestens dreier Jahre für das Zentrum B. tätig zu bleiben. Am 4. Juni 2018 und damit rund ein Jahr nach Abschluss der Weiterbildung kündigte er das Arbeitsverhältnis auf den 30. September 2018. Mit Verfügung vom 27. Juni 2019 forderte das Zentrum B. zwei Drittel der insgesamt an die Weiterbildung geleisteten Unterstützung, d.h. Fr. 19'039.45, zurück. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Vorstand der EDK mit Beschluss vom 3. September 2020 ab. B. B.a Gegen den Beschluss des Vorstands der EDK vom 3. September 2020 führte A. - entsprechend der Rechtsmittelbelehrung im Beschluss - beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern Beschwerde. Dieses übergab die Beschwerdeschrift zuständigkeitshalber der Rekurskommission der EDK und der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK; im Folgenden: Rekurskommission EDK/GDK) zur weiteren Behandlung. Letztere hielt sich ebenfalls für unzuständig und schickte das Dossier an das Verwaltungsgericht zurück. Nachdem das Verwaltungsgericht den Parteien das rechtliche Gehör zur Frage der Zuständigkeit gewährt und auch ein Meinungsaustausch zur Bereinigung des negativen Kompetenzkonflikts zwischen dem Gericht und der Rekurskommission EDK/GDK keine Einigung gebracht hatte, verneinte das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 16. Februar 2021 seine Zuständigkeit. Gleichzeitig bejahte es die Zuständigkeit der Rekurskommission EDK/GDK und leitete dieser das Dossier zur weiteren Behandlung weiter. Auf die von der EDK hiergegen erhobene Beschwerde trat das Bundesgericht wegen verspäteter Eingabe BGE 148 I 104 S. 106 nicht ein (Urteil 8C_249/2021 vom 12. April 2021). Ein dagegen gerichtetes Revisionsgesuch wies das Bundesgericht ab (Urteil 8F_ 5/2021 vom 15. Juni 2021). B.b Die Rekurskommission EDK/GDK verneinte mit Entscheid vom 20. Oktober 2021 ihre Zuständigkeit und trat auf die Beschwerde des A. nicht ein. C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A. beantragen, es sei der Entscheid der Rekurskommission EDK/GDK vom 20. Oktober 2021 aufzuheben und diese unter Feststellung ihrer Zuständigkeit anzuweisen, das Verfahren unverzüglich an die Hand zu nehmen und ohne weitere Verzögerung zum Abschluss zu bringen. Eventualiter sei die Beschwerde vom 8. Oktober 2020 gegen den Beschluss des Vorstands der EDK vom 3. September 2020 an die zuständige Beschwerdeinstanz weiterzuleiten. Subeventualiter sei ein förmliches Meinungsaustauschverfahren anzuordnen. Die Vorinstanz verzichtete unter Verweis auf die Ausführungen im vorinstanzlichen Urteil auf einen förmlichen Antrag. Die EDK schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Eventualiter sei das Verwaltungsgericht des Kantons Bern als zuständig zu bezeichnen. Subeventualiter sei ein förmliches Meinungsaustauschverfahren anzuordnen. In seiner Replik hält A. an seinen bisherigen Anträgen fest.
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581
Erwägungen Erwägungen: 1. 1.1 Mit der (rechtzeitig) gegen den Nichteintretensentscheid der Rekurskommission EDK/GDK vom 20. Oktober 2021 eingereichten Beschwerde gilt auch das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 16. Februar 2021, mit welchem dieses seine Zuständigkeit verneinte, als (rechtzeitig) angefochten (vgl. Art. 100 Abs. 1 und 5 BGG ; vgl. BGE 143 V 363 E. 2; BGE 139 V 127 E. 5.3; BGE 135 V 153 E. 1.1 und 1.2; vgl. auch BGE 138 III 471 E. 6; Urteil 8C_750/2018 vom 6. Mai 2019 E. 1, nicht publ. in: BGE 145 V 247 , aber in: SVR 2019 UV Nr. 32 S. 119; Urteile 8C_652/2021 vom 26. Januar 2022 E. 1; 9C_293/2013 vom 12. August 2013 E. 1). Entsprechend ist bei Verneinung der Zuständigkeit in einem Nichteintretensentscheid des zweiten Gerichts im Rahmen des dagegen eingeleiteten Beschwerdeverfahrens die Zuständigkeit beider in Frage kommenden Gerichte BGE 148 I 104 S. 107 vom Bundesgericht ohne Bindung an den Nichteintretensentscheid des ersten kantonalen Gerichts zu prüfen. Da bei fehlender Zuständigkeit des zweiten Gerichts keine Instanz zur Verfügung stünde, kann bei einer solchen Verfahrenskonstellation der Nichteintretensentscheid des ersten kantonalen Gerichts nicht rechtskräftig werden (vgl. BGE 143 V 363 E. 2 mit Hinweisen). 1.2 Sowohl das Verwaltungsgericht des Kantons Bern als auch die Rekurskommission EDK/GDK verneinten ihre Zuständigkeit. Bei ihren Entscheiden handelt es sich um Endentscheide im Sinne von Art. 90 BGG . Dagegen ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig ( Art. 82 lit. a und Art. 90 BGG ; BGE 143 V 363 E. 1 mit Hinweisen). 1.3 Mit Verfügung vom 27. Juni 2019 forderte das Zentrum B. vom Beschwerdeführer einen Betrag von Fr. 19'039.45 zurück. Der Beschwerdeführer anerkannte bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht einen Rückforderungsbetrag von Fr. 7'617.60. Der Streitwert beläuft sich demnach auf Fr. 11'421.85 (vgl. Art. 51 Abs. 1 lit. a BGG ) und unterschreitet den Betrag von Fr. 15'000.- gemäss Art. 85 Abs. 1 lit. b BGG , was auch der Beschwerdeführer einräumt. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist folglich nur zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt ( Art. 85 Abs. 2 BGG ). Der Beschwerdeführer rügt ausschliesslich Verfassungsverletzungen. Insoweit entspricht die Kognition des Bundesgerichts bei der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten derjenigen bei der subsidiären Verfassungsbeschwerde ( Art. 116 BGG ), weshalb der Beschwerdeführer insoweit nicht auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten angewiesen ist, und es liegt bei dieser Konstellation auch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor ( BGE 134 I 184 E. 1.3.3; Urteil 8C_177/2012 vom 20. März 2012 E. 1.4). Damit kann die Beschwerde als subsidiäre Verfassungsbeschwerde behandelt werden (vgl. Urteile 8C_595/2020 vom 15. Februar 2021 E. 1.3; 8C_20/2017 vom 19. Juni 2017 E. 1.2; 8C_769/2012 vom 30. April 2013 E. 1.2). 1.4 Beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern handelt es sich um eine letzte kantonale Instanz gemäss Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 BGG . Desgleichen erfüllt die Rekurskommission EDK/GDK grundsätzlich die Anforderungen an ein oberes Gericht im Sinne der genannten Bestimmungen ( BGE 136 II 470 E. 1.1; Urteil 2C_399/2018 vom 26. März 2021 E. 1.2). BGE 148 I 104 S. 108 1.5 Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und von kantonalem sowie interkantonalem Recht gilt eine qualifizierte Rügepflicht ( Art. 106 Abs. 2 BGG [i.V.m. Art. 117 BGG ]; BGE 138 I 274 E. 1.6 mit Hinweisen). Das Bundesgericht untersucht nicht von sich aus, ob solche Rechtsverletzungen vorliegen, sondern prüft nur rechtsgenügend vorgebrachte, klar erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen. Auf ungenügend begründete Rügen und bloss allgemein gehaltene, appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid geht es nicht ein ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ; BGE 141 IV 249 E. 1.3.1; BGE 140 III 264 E. 2.3; Urteil 8C_444/2020 vom 23. März 2021 E. 2.1.2). 2. 2.1 Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern verneinte mit Urteil vom 16. Februar 2021 seine Zuständigkeit mit der Begründung, es bestehe keine hinreichende Rechtsgrundlage, um sich mit der Beschwerde vom 8. Oktober 2020 zu befassen. Vielmehr sei die Rekurskommission EDK/GDK dazu berufen, das Rechtsmittel an die Hand zu nehmen. Sie sei zwar ursprünglich nicht dazu eingesetzt worden, um personalrechtliche Streitigkeiten zu beurteilen. Nichtsdestotrotz sollten Auseinandersetzungen mit dem eigenen Personal von Organen behandelt werden, die der jeweiligen Hoheitsstufe zugehören würden, im vorliegenden Fall also von Rechtspflegebehörden der interkantonalen und nicht der kantonalen Ebene. Daran ändere auch die grössere Sachnähe des Verwaltungsgerichts zum bernischen Personalrecht nichts. 2.2 Die Rekurskommission EDK/GDK verneinte ihre Zuständigkeit demgegenüber mit der Begründung, dass sie bei Angelegenheiten der EDK allein auf dem Gebiet der Diplomanerkennungen und der Liste der Unterrichtsverbote zuständig sei, wie sich aus dem klaren Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen ergebe. Entsprechend bestehe die Rekurskommission zum überwiegenden Teil aus Fachrichterinnen und Fachrichtern. Für die hier im Raum stehenden personalrechtlichen Fragen existiere denn auch keine Praxis. 3. 3.1 Der Beschwerdeführer rügt zunächst in Bezug auf den Entscheid der Rekurskommission EDK/GDK vom 20. Oktober 2021 eine Verletzung der Begründungspflicht und damit des rechtlichen Gehörs ( Art. 29 Abs. 2 BV ). Mit Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 16. Februar 2021 habe dieses verbindlich entschieden, dass die Rekurskommission EDK/GDK zur Behandlung seiner BGE 148 I 104 S. 109 Beschwerde zuständig sei. Die Rekurskommission EDK/GDK habe nicht begründet, weshalb sie nicht an das Urteil des Verwaltungsgerichts gebunden sein soll. 3.2 Damit dringt der Beschwerdeführer nicht durch. Die Rekurskommission EDK/GDK begründete die fehlende Bindungswirkung damit, dass das Verwaltungsgericht nicht die Kompetenz habe, über die Zuständigkeit einer auf gleicher Stufe stehenden anderen Instanz zu entscheiden. Eine sachgerechte Anfechtung des vorinstanzlichen Entscheids war somit möglich und eine Verletzung der Begründungspflicht ist demnach zu verneinen (vgl. BGE 142 III 433 E. 4.3.2 mit Hinweisen; Urteil 9C_255/2020 vom 13. August 2020 E. 3.1). Im Übrigen ist der Rekurskommission EDK/GDK in der Sache darin beizupflichten, dass das Verwaltungsgericht nicht mit bindender Wirkung über die Zuständigkeit einer anderen ihm nicht untergeordneten Justizbehörde entscheiden kann. Die Gerichte haben ihre (eigene) Zuständigkeit von Amtes wegen zu prüfen (vgl. Art. 3 Abs. 4 des Gesetzes des Kantons Bern vom 23. Mai 1989 über die Verwaltungsrechtspflege [VRPG; BSG 155.21]: "Die Behörden prüfen ihre Zuständigkeit von Amtes wegen."). Insoweit war auch die Rekurskommission EDK/GDK berechtigt, ihre Zuständigkeit - ohne Bindung an das Urteil des Verwaltungsgerichts - zu prüfen. 4. Weiter macht der Beschwerdeführer eine Verletzung der Rechtsweggarantie ( Art. 29a BV ) geltend. Seine darüber hinaus erhobene Willkürrüge ( Art. 9 BV ) bezieht sich auf die Rechtsweggarantie, weshalb ihr keine eigenständige Bedeutung zukommt. 4.1 Die Rechtsweggarantie nach Art. 29a BV zählt zu den Verfahrensgrundrechten. Sie vermittelt einen individualrechtlichen Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz, mithin auf Beurteilung durch eine richterliche Behörde mit voller Sachverhalts- und Rechtskontrolle, und zwar unter der Voraussetzung, dass eine Rechtsstreitigkeit vorliegt. Das Bundesgericht legt den Begriff der Rechtsstreitigkeit dahin aus, dass sie im Zusammenhang mit einer individuellen, schützenswerten Rechtsposition stehen muss ( BGE 144 I 181 E. 5.3.2.1 mit Hinweisen; vgl. auch Urteil 8D_5/2017 vom 20. August 2018 E. 7.2 f. hinsichtlich Mitarbeiterbeurteilung). 4.2 Art. 30 Abs. 1 BV garantiert den Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Zur Verhinderung von Missbrauch und Manipulation bzw. zum Ausschluss jeglichen entsprechenden Anscheins oder Verdachts sollen BGE 148 I 104 S. 110 Gerichte und ihre Zuständigkeiten (in persönlicher, zeitlicher, örtlicher und sachlicher Hinsicht) durch generell-abstraktes Verfahrensrecht im Voraus bestimmt sein. Nach dem Wortlaut der Verfassungsbestimmung muss sich die Gerichtsorganisation auf ein formelles Gesetz stützen (vgl. auch Art. 164 BV ). Untergeordnete Fragen können aber der Exekutive oder der Justizbehörde zur Regelung delegiert werden ( BGE 134 I 125 E. 3.3 mit Hinweisen; Urteil 2C_381/ 2010 vom 17. November 2011 E. 2.2, in: ZBl 113/2012 S. 268 f.). 5. 5.1 Vorliegend geht es um den Rechtsschutz gegen die Verfügung des Zentrums B. vom 27. Juni 2019 resp. den Entscheid des Vorstands der EDK vom 3. September 2020. Das Zentrum B. ist eine Fachagentur der EDK. Es erbringt im Auftrag der Kantone Vollzugs- und Entwicklungsaufgaben in den Bereichen Berufsbildung und Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung. Bei der EDK handelt es sich um ein interkantonales Organ (zur Entstehung und Entwicklung der EDK vgl. JÜRG MARCEL TIEFENTHAL, Die Erziehungsdirektorenkonferenz [EDK], Jusletter 24. Januar 2005). Sie fördert eine gesamtschweizerische Bildungspolitik und vollzieht im Besonderen die Aufgaben, die ihr in interkantonalen Vereinbarungen zugeteilt werden (vgl. Art. 2 des Statuts der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren [EDK-Statut] vom 3. März 2005). Die Zusammenarbeit der Kantone im Bildungsbereich und die EDK beruhen auf dem Konkordat vom 29. Oktober 1970 über die Schulkoordination (im Folgenden: Schulkonkordat), dem der Kanton Bern mit Beschluss des Grossen Rates vom 22. November 1988 beigetreten ist (BSG 439.13; vgl. für den Konkordatstext BSG 439.13-1). Dabei handelt es sich um eine interkantonale Vereinbarung im Sinne von Art. 48 Abs. 1 BV . Derartige Verträge dürfen den Rechten anderer Kantone sowie dem Recht und den Interessen des Bundes nicht zuwiderlaufen ( Art. 48 Abs. 3 Satz 1 BV ). In diesem Rahmen können sie interkantonale Organe durch interkantonalen Vertrag zum Erlass rechtsetzender Bestimmungen ermächtigen, die einen interkantonalen Vertrag umsetzen, sofern der Vertrag nach dem gleichen Verfahren, das für die Gesetzgebung gilt, genehmigt worden ist ( Art. 48 Abs. 4 lit. a BV ) und sofern er die inhaltlichen Grundzüge der Bestimmungen festlegt ( Art. 48 Abs. 4 lit. b BV ). Anfang der 1990er-Jahre wurde das Schulkonkordat mit weiteren interkantonalen Vereinbarungen ergänzt, die sich mit der gesamtschweizerischen Anerkennung von Diplomen befassen und eine BGE 148 I 104 S. 111 gesamtschweizerische Bildungsmobilität gewährleisten sollen (so z.B. die Interkantonale Vereinbarung vom 14. Juni 2007 über die Harmonisierung der Volksschule [HarmoS-Konkordat], für den Kanton Bern in Kraft seit dem 1. August 2009; BSG 439.60 resp. 439.60-1). 5.2 Die einschlägigen interkantonalen Verträge sehen keine Zuständigkeit des Berner Verwaltungsgerichts vor, die der kantonalen Ordnung vorginge (vgl. Art. 1 Abs. 2 VRPG). Sie enthalten zudem keine Bestimmungen zu den Anstellungsbedingungen des mit den Verwaltungsaufgaben betrauten Personals oder zum Rechtsschutz bei Hoheitsakten der EDK oder ihrer Agenturen. Das Schulkonkordat weist lediglich darauf hin, dass bei Streitigkeiten, die sich aus dem Konkordat zwischen den Kantonen ergeben, auf Klage hin das Bundesgericht entscheidet (Art. 7 EDK-Statut). Gestützt auf Art. 12 Abs. 2 lit. d des EDK-Statuts hat der Vorstand der EDK das Personalreglement der EDK vom 6. September 2012 erlassen (Rechtssammlung EDK Nr. 2.1.3). Danach richten sich die Dienstverhältnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter anderem des Zentrums B. grundsätzlich nach den Bestimmungen des Personalrechts des Kantons Bern, sofern und soweit das Reglement keine anderslautenden Regelungen enthält (Art. 1 Personalreglement). Bei Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis erlässt die zuständige Behörde eine Verfügung, sofern keine Einigung zustande kommt (Art. 8 Abs. 2 Personalreglement). Das Personalreglement äussert sich aber nicht zum Rechtsschutz und zum Instanzenzug. Durch den Verweis auf das Personalrecht des Kantons Bern kommt das bernische Personalgesetz vom 16. September 2004 (PG; BSG 153.01) als interkantonales Recht zur Anwendung. Das PG verweist seinerseits für die Rechtspflege auf das VRPG, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt ( Art. 108 Abs. 1 PG ). 5.3 Zu prüfen ist zunächst die Zuständigkeit der Rekurskommission EDK/GDK. 5.3.1 Die Interkantonale Vereinbarung vom 18. Februar 1993 über die Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen (Diplomanerkennungsvereinbarung; BSG 439.18-1) sieht vor, dass die EDK das Anerkennungsreglement erlässt (Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 2). Weiter regelt Art. 10 Abs. 2 der Diplomanerkennungsvereinbarung den Rechtsschutz. Danach können Privatpersonen gegen Entscheide der Anerkennungsbehörden innert 30 Tagen seit Eröffnung bei einer vom Vorstand der jeweiligen Konferenz eingesetzten BGE 148 I 104 S. 112 Rekurskommission Beschwerde erheben. Der Vorstand der jeweiligen Konferenz regelt die Zusammensetzung und die Organisation der Rekurskommission in einem Reglement (Art. 10 Abs. 3). Gestützt auf diese Delegationsnorm haben die beiden Vorstände der EDK und der GDK das Reglement vom 6. September 2007 über die Rekurskommission EDK/GDK erlassen (Rechtssammlung EDK 4.1.1.2). Die Rekurskommission entscheidet insbesondere über Beschwerden gegen Entscheide der GDK und der Anerkennungsbehörden der EDK betreffend die Anerkennung von ausländischen Ausbildungsabschlüssen sowie über Beschwerden gegen Zulassungs- und Prüfungsentscheide der interkantonalen Prüfungskommission für Osteopathinnen und Osteopathen. Sie ist zuständig für Beschwerden gegen andere Entscheide im Sinne der Diplomanerkennungsvereinbarung, sofern diese beschwerdefähig sind (Art. 1 Abs. 2 des Reglements über die Rekurskommission EDK/GDK). Bei der Diplomanerkennungsvereinbarung handelt es sich um einen interkantonalen Vertrag, der von den Kantonen nach dem gleichen Verfahren, das für die Gesetzgebung gilt, genehmigt worden ist. Die inhaltlichen Grundzüge betreffend Diplomanerkennung und Rechtsschutz sind darin geregelt. Insoweit sind im Bereich der Diplomanerkennung die Anforderungen von Art. 48 Abs. 4 BV erfüllt. Die Bundesverfassung sieht denn auch ausdrücklich vor, dass die Kantone gemeinsame richterliche Behörden einsetzen können (vgl. Art. 191b Abs. 2 BV ). Das Bundesgericht hat im Zusammenhang mit Streitigkeiten betreffend Diplomanerkennung wiederholt bestätigt, dass die Rekurskommission EDK/GDK den Anforderungen an eine letztinstanzliche obere gerichtliche Behörde im Sinne von Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 BGG genügt ( BGE 136 II 470 E. 1.1; Urteile 2C_775/2018 vom 21. März 2019 E. 1.1; 2C_345/2014 vom 23. September 2014 E. 1.3.2; 2C_654/2011 vom 2. Dezember 2011 E. 1; 2C_332/2011 vom 22. Juli 2011 E. 1). 5.3.2 Im Gegensatz zum Bereich der Diplomanerkennung findet sich für den Bereich des Personalrechts in den interkantonalen Vereinbarungen keine Rechtsetzungskompetenz der EDK. Auch eine vergleichbare Regelung zum Instanzenzug fehlt komplett. Die Grundsätze über Zuständigkeit, Stellung, Organisation und Wahl der Rechtspflegebehörde müssten aber in einer wenigstens von den Parlamenten genehmigten interkantonalen Vereinbarung festgeschrieben sein (vgl. Art. 48 Abs. 4 BV ; AUGUST MÄCHLER, BGE 148 I 104 S. 113 Individualrechtsschutz bei interkantonaler Aufgabenerfüllung, in: Individuum und Verband, Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 2006, S. 468). Damit genügt die Rekurskommission EDK/GDK im Bereich der personalrechtlichen Auseinandersetzungen den Anforderungen von Art. 30 Abs. 1 BV nicht (vgl. E. 4.2 hiervor). 5.4 Damit gelangt die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern in den Blick. 5.4.1 Für Beschwerden gegen Entscheide interkantonaler Organisationen ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts im VRPG nicht vorgesehen. Das Verwaltungsgericht erkannte insoweit willkürfrei, dass es sich bei der EDK resp. beim Vorstand der EDK nicht um eine kantonale Behörde im Sinne von Art. 2 Abs. 1 lit. a VRPG handelt. Die Generalklausel in Art. 74 VRPG, wonach das Verwaltungsgericht als letzte kantonale Instanz Beschwerden gegen Verfügungen und Entscheide beurteilt, die sich auf öffentliches Recht stützen, vermag die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts somit nicht zu begründen. Dessen Zuständigkeit müsste sich demnach aus dem interkantonalen Recht ergeben. 5.4.2 Das vom Vorstand der EDK erlassene Personalreglement mit Verweis auf das Personalrecht des Kantons Bern und den darin geregelten Rechtsschutz erfüllt die Anforderungen von Art. 48 Abs. 4 BV nicht (vgl. auch E. 5.3.2 hiervor). Vorausgesetzt ist nämlich zum einen, dass die inhaltlichen Grundzüge der Bestimmungen im interkantonalen Vertrag selbst festgelegt sind (vgl. Art. 48 Abs. 4 lit. b BV ; vgl. auch HÄFELIN/HALLER/KELLER/THURNHERR, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 10. Aufl. 2020, S. 399; UHLMANN/ZEHNDER, Rechtsetzung durch Konkordate, LeGes 2011/1 S. 23; VITAL ZEHNDER, Die interkantonale öffentlich-rechtliche Körperschaft als Modellform für die gemeinsame Trägerschaft, Luzerner Beiträge zur Rechtswissenschaft [LBR], 2007, S. 312). Das ist vorliegend nicht der Fall. Zum anderen muss die Ermächtigung eines interkantonalen Organs zum Erlass rechtsetzender Bestimmungen im gleichen Verfahren beschlossen werden, das nach kantonalem Recht auch für den Erlass von Gesetzen zur Anwendung kommt (vgl. Art. 48 Abs. 4 lit. a BV ; URSULA ABDERHALDEN, Verfassungsrechtliche Überlegungen zur interkantonalen Rechtsetzung, LeGes 2006/1 S. 11). Auch diese Voraussetzung ist hier in Bezug auf den Rechtsschutz bei hoheitlichen Akten der EDK oder dessen Agenturen im Bereich des Personalrechts nicht erfüllt. Mithin ergibt sich die Zuständigkeit des BGE 148 I 104 S. 114 Verwaltungsgerichts des Kantons Bern auch nicht aus einem den Anforderungen von Art. 48 Abs. 4 BV genügenden interkantonalen Vertrag. 6. 6.1 Ein negativer Kompetenzkonflikt, wie er vorliegend zur Beurteilung steht, läuft für den betroffenen Rechtssuchenden auf eine formelle Rechtsverweigerung ( Art. 29 Abs. 1 BV ) hinaus (vgl. Urteil 1B_141/2020 und 1B_142/2020 vom 20. August 2020 E. 7.1). Überdies wird dem Beschwerdeführer die Rechtsweggarantie gemäss Art. 29a BV verweigert. Diese verlangt die gerichtliche Beurteilung von Rechtsstreitigkeiten auch in der interkantonalen Zusammenarbeit (ZEHNDER, a.a.O., S. 310 f.). Die Rüge des Beschwerdeführers auf Verletzung seines verfassungsmässigen Anspruches auf gerichtliche Beurteilung des Rechtsstreits ist somit begründet. 6.2 Damit ist freilich noch nicht darüber entschieden, welche (inter)kantonale Behörde bzw. welches kantonale Gericht als bundesgerichtliche Vorinstanz für die Beurteilung des Streits betreffend Rückerstattung von Weiterbildungsbeiträgen zuständig sein soll. Es ist zu betonen, dass es Sache der Konkordatskantone ist, den Rechtsschutz gegen Entscheide der EDK oder ihrer Agenturen verfassungskonform (vgl. Art. 48 Abs. 4 BV ) auszugestalten und ein Gericht einzusetzen, das den Vorgaben von Art. 30 Abs. 1 BV gerecht wird. Im hier zu beurteilenden Fall ist der Rechtsweggarantie dadurch zum Durchbruch zu verhelfen, dass im Sinne einer unpräjudiziellen Übergangsregelung eine Justizbehörde zu bestimmen ist, die bis zur Klärung der Rechtslage durch die Konkordatskantone die Einhaltung des Verfassungsrechts zu gewährleisten hat (vgl. BGE 123 II 193 E. 4c; Urteile 1B_141/2020 vom 20. August 2020 E. 7.3; 6B_1313/2019 vom 29. November 2019 E. 4.3; zum provisorischen Charakter richterlicher Ersatznormierung vgl. BERNHARD RÜTSCHE, Rechtsfolgen von Normenkontrollen, ZBI 6/2005 S. 290 f.). Für die Beurteilung von personalrechtlichen Streitigkeiten der hier gegebenen Art drängt es sich auf, das Verwaltungsgericht des Kantons Bern als zuständige Justizbehörde zu betrachten. Dies rechtfertigt sich im Wesentlichen aus folgenden Gründen: Obschon das Personalreglement des Vorstands der EDK auf keiner hinreichenden formellgesetzlichen Grundlage beruht, ergibt sich daraus, dass sich die Dienstverhältnisse nach dem Personalrecht des Kantons Bern richten sollen (vgl. Art. 1, Art. 4 und Art. 6 ff. des BGE 148 I 104 S. 115 Personalreglements). Entsprechend stützte sich das Zentrum B. bei seiner Verfügung vom 27. Juni 2019 auf das bernische Personalrecht. Die Berechnung des Rückforderungsbetrags erfolgte sodann durch das Personalamt des Kantons Bern. Gemäss Art. 108 Abs. 1 PG gilt für die Rechtspflege das VRPG, sofern das PG nichts anderes bestimmt. Nach der Generalklausel von Art. 74 Abs. 1 VRPG beurteilt das Verwaltungsgericht als letzte kantonale Instanz Beschwerden gegen Verfügungen und Entscheide, die sich - wie hier - auf öffentliches Recht stützen. Diese Zuständigkeit im Sinne einer Übergangsregelung rechtfertigt sich auch aufgrund der Sachnähe des Verwaltungsgerichts zum bernischen Personalrecht. Ferner hat die EDK ihren Sitz in Bern (Art. 1 Abs. 3 EDK-Statut), was ebenfalls für die Anwendung des bernischen (Verfahrens)rechts und die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts spricht. So geht auch BERNHARD RÜTSCHE davon aus, dass - sollte kein den Anforderungen von Art. 86 Abs. 2 BGG genügendes interkantonales Rechtspflegeorgan bestehen - das Verwaltungsgericht des Sitzkantons ersatzweise als Beschwerdeinstanz für zuständig zu erklären sei (vgl. BERNHARD RÜTSCHE, Bemerkungen zum Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 16. Februar 2021, BVR 2021 S. 354). Eine solche Konstellation liegt hier vor: Da die Rekurskommission EDK/ GDK in keinem interkantonalen Vertrag für die Beurteilung personalrechtlicher Streitigkeiten vorgesehen ist, genügt sie in diesem Bereich - anders als im Bereich der Diplomanerkennung (vgl. E. 5.3.1 hiervor) - den Anforderungen an eine letzte kantonale Instanz im Sinne von Art. 86 Abs. 1 lit. d i.V.m. Art. 86 Abs. 2 BGG nicht. 7. Zusammenfassend ist die Beschwerde wegen Verletzung der Rechtsweggarantie begründet. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern hat auf die Beschwerde vom 8. Oktober 2020 einzutreten und in der Sache zu entscheiden. Die Konkordatskantone sind indessen gehalten, den oben gezeigten Unzulänglichkeiten Abhilfe zu schaffen. 8. Der Beschwerdeführer obsiegt, weshalb der Kanton Bern ihn für das Verfahren vor Bundesgericht zu entschädigen hat (Art. 68 Abs. 4 i.V.m. Art. 66 Abs. 3 BGG ; vgl. Urteil 8C_750/2018 vom 6. Mai 2019 E. 6, nicht publ. in: BGE 145 V 247 , aber in: SVR 2019 UV Nr. 32 S. 119; Urteil 4A_405/2015 vom 26. Januar 2016 E. 5, nicht publ. in: BGE 142 III 96 , mit Hinweis auf BGE 138 III 471 E. 7 a.E.; Urteil 9C_18/2017 vom 28. November 2017 E. 6). Gerichtskosten werden keine erhoben ( Art. 66 Abs. 4 BGG ).
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Sachverhalt ab Seite 120 BGE 83 I 119 S. 120 A.- Le 15 juin 1892, la direction du service des eaux de la ville de Neuchâtel a édicté un "règlement pour les abonnements d'eau au compteur". Ce règlement a été approuvé par le Conseil communal de Neuchâtel dans sa séance du 1er juillet 1892. Il prévoit que celui qui est au bénéfice d'un abonnement d'eau au compteur paie une location pour le compteur et en outre une certaine somme par mètre cube d'eau consommé. Il institue, en son art. 6, un tarif minimum et dispose, en son art. 14 que "le présent règlement et tarifs pourra être revisé en tout temps par l'administration". De fait, la direction du service des eaux n'applique plus le tarif prévu par l'art. 6 du règlement. Elle explique qu'elle l'a modifié depuis plusieurs années et qu'elle se conforme à un nouveau barème. Ce barème a pour effet d'augmenter les taxes minimales. B.- En 1953, l'entrepreneur Dominique Manfrini a construit à Neuchâtel trois maisons locatives, qui sont alimentées en eau par la commune au moyen d'un abonnement au compteur. D'après le règlement, la taxe minimale aurait été de 180 fr. par immeuble. En vertu du nouveau barème, la direction du service des eaux a fixé ces taxes à 250 fr. pour deux des immeubles et à 300 fr. pour le dernier.
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Contestant toute valeur à ce barème, Manfrini a intenté action à la commune de Neuchâtel en demandant au Tribunal cantonal de Neuchâtel, devant lequel l'affaire avait été portée, de dire notamment que les taxes minimales fixées par la défenderesse étaient arbitraires. Par jugement du 7 janvier 1957, le Tribunal cantonal a admis cette conclusion, en bref par les motifs suivants: BGE 83 I 119 S. 121 Pour les trois immeubles qu'il a construits, Manfrini est soumis au régime de l'abonnement au compteur. Toutefois, quand elle calcule la taxe minimale, la commune applique non pas le règlement de 1892 mais une autre méthode qui conduit à fixer une taxe minimale plus élevée. Cette façon de procéder n'est pas admissible. La commune est en effet liée par ses propres règlements. Elle est tenue de les appliquer et, si elle les juge insuffisants, elle peut les modifier. En revanche, tant qu'ils sont en vigueur, elle doit les observer, sinon elle agit de manière illégale et arbitraire. C.- La commune de Neuchâtel attaque cet arrêt par la voie du recours de droit public. Elle requiert le Tribunal fédéral de l'annuler et de renvoyer la cause à l'autorité cantonale pour nouvelle décision dans le cadre des conclusions des parties et dans le sens des motifs de l'arrêt du Tribunal fédéral à intervenir. Elle se plaint d'un empiétement dans son autonomie et d'une violation de l'art 4 Cst. Le Tribunal cantonal déclare ne pas avoir d'observations à formuler et s'en réfère à son jugement. Manfrini conclut à l'irrecevabilité et au rejet du recours. Erwägungen Considérant en droit: 1. En sa qualité de juridiction constitutionnelle, le Tribunal fédéral ne peut en principe qu'annuler les décisions cantonales contraires à la constitution (RO 81 I 14, 146, 195, 345, 359). Dans la mesure où elles excèdent ce pouvoir, les conclusions de la recourante sont irrecevables. 2. Le recours de droit public de l'art. 84 litt. a OJ, qui est celui interjeté en l'espèce, n'est ouvert que pour violation de droits constitutionnels des citoyens. En sa qualité de détenteur de la puissance publique, l'Etat ne peut être sujet de droits constitutionnels, car ceux-ci sont destinés à protéger les particuliers, personnes physiques ou morales, contre les abus du pouvoir et sont ainsi dirigés contre l'Etat. Il s'ensuit que le titulaire de la puissance publique n'est pas légitimé à former un recours de droit BGE 83 I 119 S. 122 public. En revanche, l'Etat a qualité au sens de l'art. 88 OJ quand il s'est placé sur le terrain du droit privé, qu'il traite avec un particulier d'égal à égal et que la décision ou l'arrêté l'atteint juridiquement de même manière qu'une personne privée. Ces principes sont applicables non seulement aux cantons mais aussi aux communes. Celles-ci n'ont donc pas qualité pour interjeter un recours de droit public quand elles agissent comme titulaires de la puissance publique. Il n'y a d'exception à cette règle que lorque les communes entendent défendre à l'égard de l'Etat l'autonomie qui leur est garantie. Bien qu'elles agissent alors comme titulaires de la puissance publique, la jurisprudence leur reconnaît néanmoins la qualité pour interjeter un recours de droit public (RO 74 I 52 ; 72 I 21 ; 70 I 76 , 155 ; 68 I 86 ; 66 I 74 , 261 ; 65 I 132 ). En l'espèce, le litige a pour objet la taxe que la commune réclame à l'intimé pour la distribution de l'eau dans les immeubles construits par ce dernier. La question de savoir si la commune est légitimée à former un recours de droit public dépend tout d'abord de la qualité en laquelle elle agit quand elle distribue l'eau aux particuliers. A cet égard, il n'est pas contestable que la fourniture de l'eau par les soins de la commune constitue un service public. En assumant cette distribution, la recourante ne poursuit en effet pas un but fiscal mais remplit une tâche d'intérêt général. D'ailleurs la loi neuchâteloise du 24 mars 1953 sur les eaux définit expressément l'alimentation en eau potable par la commune comme un service public (cf. art. 67 et 68). Sans doute le fait que la distribution de l'eau constitue un service public ne signifie-t-il pas nécessairement que, dans l'exploitation de ce service, la commune agit à l'égard du particulier comme titulaire de la puissance publique. Cette question doit bien plutôt être résolue au regard des circonstances du cas particulier. Dans le canton de Neuchâtel, les propriétaires d'immeubles qui n'ont pas leur propre source ou des droits sur une eau qui se trouverait dans le BGE 83 I 119 S. 123 voisinage - et tel paraît être le cas de l'intimé - ont l'obligation de prendre l'eau au réseau de distribution publique (art. 72 de la loi de 1953). En pratique donc, ils sont tenus d'accepter les conditions faites par l'autorité. En ce qui concerne la commune de Neuchâtel, ces conditions sont fixées unilatéralement et d'une manière complète et autoritaire par l'administration. Ainsi, dans l'abonnement au compteur, le système et le calibre du compteur sont choisis par le service des eaux (art. 3 et 10 du règlement de 1892). Le compteur est loué à l'abonné moyennant une taxe imposée. L'eau est vendue à un prix qui est également imposé et le consommateur est tenu de payer une taxe minimale qu'il n'est pas en droit de discuter quand elle reste dans les limites légales. Enfin, lorsque l'abonné enfreint ses obligations, il peut être frappé de sanctions pénales. Il apparaît ainsi que, même si le service des eaux passe des "contrats" avec les particuliers, ceux-ci ne traitent pas avec lui sur pied d'égalité. Ils sont au contraire envers lui dans un état de subordination. Ils sont soumis dès lors à la contrainte de la commune qui se présente à leur égard comme la puissance publique. Du moment que la commune recourante a agi en l'espèce en sa qualité de titulaire de la puissance publique, elle n'est pas recevable à se plaindre d'une violation de l'art. 4 Cst. Conformément aux principes rappelés plus haut, elle n'a qualité qu'en tant qu'elle se plaint d'une atteinte à son autonomie. 3. La jurisprudence du Tribunal fédéral définit l'autonomie communale comme la faculté, pour les communes, de régler leurs affaires de façon indépendante dans les limites de la constitution et de la loi (RO 65 I 131). Ainsi, le problème de l'autonomie communale est un problème de compétences. La commune est autonome dans la mesure où soit la constitution soit la loi lui confèrent à elle seule et à l'exclusion des autorités cantonales le droit de prendre certaines décisions, d'ordonner certaines mesures, d'administrer BGE 83 I 119 S. 124 certains biens dans des matières qui relèvent de sa sphère propre. Etant donné cette définition, une autorité cantonale ne peut violer l'autonomie communale que lorsque, excédant ses pouvoirs et empiétant sur ceux de la commune, elle intervient dans un domaine exclusivement réservé à cette dernière. La recourante voudrait aller plusloin. Se fondant sur l'avis du professeur IMBODEN (Gemeindeautonomie und Rechtsstaat, dans Demokratie und Rechtsstaat, Festgabe zum 60. Geburtstag von Z. Giacometti, Zurich, 1953, p. 103), elle affirme qu'une autorité cantonale viole aussi l'autonomie communale quand, dans un cas particulier, elle doit appliquer le droit communal et lui donne à cette occasion une interprétation inexacte ("unrichtige Auslegung"). Cette opinion ne tient toutefois pas compte de l'essence même de l'autonomie communale, problème des compétences et pouvoirs propres à la commune. Elle suppose en effet que, dans le cas particulier où le droit communal a reçu une interprétation inexacte, l'autorité cantonale avait, en vertu de la constitution ou d'une loi cantonale, le pouvoir d'intervenir et d'appliquer la norme qu'elle a mal interprétée. Or, si l'autorité cantonale peut ainsi agir, il est clair qu'elle n'empiète pas sur les compétences de la commune et, partant, ne viole pas son autonomie. Du reste, s'il fallait admettre que l'autonomie communale est violée chaque fois que le droit communal est interprété de manière inexacte, il faudrait, par voie de conséquence, considérer aussi que le Tribunal fédéral pourrait rechercher le sens exact de ce droit communal, ce qui supposerait qu'il juge librement. Cette déduction serait cependant difficilement conciliable avec la règle selon laquelle le Tribunal fédéral ne revoit l'application du droit cantonal que sous l'angle étroit de l'arbitraire. Dans le système suggéré par la recourante, le recours de droit public, qui est destiné à protéger le citoyen contre les abus du pouvoir, risquerait d'ailleurs de devenir entre les mains de la commune BGE 83 I 119 S. 125 l'instrument de la puissance publique contre le citoyen. Le problème ne se présenterait pas différemment si, au lieu d'admettre que l'autonomie communale est violée déjà lorsque le droit communal est appliqué de manière inexacte, on exigeait que l'autorité cantonale ait donné à ces normes juridiques une interprétation arbitraire, c'est-à-dire absolument insoutenable, ou qu'elle en ait purement et simplement omis d'essentielles. En effet, même avec ces exigences accrues, la nature du conflit demeurerait la même. Il ne s'agirait pas d'une question relative aux compétences propres de la commune, qui sont définies par le droit cantonal, mais uniquement d'une question d'interprétation du droit communal. Si l'application d'un texte constitue parfois une violation de l'autonomie communale, il ne saurait s'agir en principe que d'un texte de droit cantonal définissant l'étendue de l'autonomie communale à l'égard de l'Etat. On pourrait, il est vrai, imaginer des cas où l'interprétation fausse ou arbitraire d'une règle communale constituerait une violation de l'autonomie communale, dans l'hypothèse par exemple où, par son interprétation de la disposition appliquée, l'autorité cantonale aboutirait à la conclusion erronée que la tâche incombant en propre à la commune n'aurait pas été accomplie et où, en lieu et place de celle-ci, elle ordonnerait les mesures nécessaires. Mais pareille décision reviendrait en fait à un excès de pouvoir de la part de l'autorité cantonale. Dans ces conditions, il convient de s'en tenir à l'idée traditionnelle selon laquelle il n'y a violation de l'autonomie communale que lorsqu'une autorité cantonale s'arroge une compétence qui, d'après la constitution ou une loi cantonale, appartient en propre à la seule commune. En revanche, l'autonomie communale n'est pas violée quand une autorité cantonale, qui a le pouvoir d'appliquer le droit communal, fait de sa compétence un usage inexact en appliquant mal ce droit (RO 65 I 132). BGE 83 I 119 S. 126 4. La recourante soutient que son autonomie a été violée. En effet, dit-elle, en interprétant comme il l'a fait le règlement pour les abonnements d'eau au compteur, le Tribunal cantonal a "pratiquement annulé" le nouveau barème des taxes remplaçant l'art. 6 du règlement sans se rendre compte que l'administration avait modifié cette disposition en vertu d'un pouvoir qui lui est expressément accordé par l'art. 14 du même règlement. La recourante a sans doute raison d'affirmer qu'elle jouit de l'autonomie communale (RO 40 I 278, consid. 2). Elle a raison aussi de penser que la gestion du service communal de distribution d'eau rentre dans ses compétences propres. Cependant, il ne s'ensuit pas nécessairement que l'arrêt attaqué viole son autonomie. A cet égard, il faut observer tout d'abord qu'en vertu de l'art. 81 litt. d de la loi de 1953 sur les eaux, les tribunaux neuchâtelois sont compétents pour s'occuper des "différends survenant... entre une commune et des particuliers en raison des droits et des obligations fondées sur une vente ou une distribution publique... d'eau". Le présent litige, qui a pour objet le montant des taxes minimales prélevées par la commune de Neuchâtel pour la distribution de l'eau, rentre incontestablement dans les termes très larges de cette définition. D'autre part, le Tribunal cantonal - cela n'est pas contesté - était la juridiction compétente in casu, d'après les règles de la procédure neuchâteloise (art. 82 al. 2 de la loi de 1953 sur les eaux). Dès lors, saisi par Manfrini d'une action tendant essentiellement à faire constater le caractère arbitraire des taxes prélevées et à fixer le montant réellement dû à ce titre, le Tribunal cantonal avait la compétence de dire quelle était la taxe minimale que la commune de Neuchâtel était en droit d'exiger. Etant donné la manière dont le problème se posait devant la juridiction cantonale, cette compétence impliquait le pouvoir de dire s'il fallait fixer les taxes minimales conformément au nouveau barème ou selon les règles contenues à l'art. 6 du règlement. Le Tribunal cantonal pouvait donc aussi, BGE 83 I 119 S. 127 sans excéder ses compétences, arriver à la conclusion que seul l'art. 6 du règlement était applicable. Si cette solution a sans doute pour effet d'annuler le nouveau barème, elle ne constitue cependant pas une violation de l'autonomie communale car elle est la conséquence nécessaire des pouvoirs attribués par la loi au Tribunal cantonal. Autre chose est évidemment de savoir si le Tribunal cantonal a rendu un jugement exact, si en particulier, il a bien vu la portée de l'art. 14 du règlement ou s'il n'a pas omis cette disposition. Toutefois, ainsi que cela ressort des principes exposés au considérant 3 ci-dessus, le fait qu'en interprétant le droit communal, le Tribunal cantonal se serait trompé ou aurait même transgressé les principes découlant de l'art. 4 Cst. ne saurait ouvrir la voie à un recours de droit public pour violation de l'autonomie communale.
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Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Rejette le recours en tant qu'il est recevable.
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