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de
Sachverhalt ab Seite 119 BGE 114 V 119 S. 119 A.- Die 1956 geborene Barbara M., ausgebildete Turnlehrerin, begann am 19. Juli 1982 in der Firma J.B. C. eine dreijährige Lehre als Möbelschreinerin und war daher bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch gegen Betriebs- und Nichtbetriebsunfall versichert. Am 18. Juli 1983 erlitt sie anlässlich eines Verkehrsunfalls eine Doppelfraktur des linken Armes, und am 25. Juli 1984 brach sie sich auf einer Bergtour den linken Vorderarm sowie zwei Finger der rechten Hand. Als Folgen blieben Beweglichkeits- und Sensibilitätsdefizite zurück (kreisärztlicher BGE 114 V 119 S. 120 Abschlussbericht des Dr. med. C. vom 23. Oktober 1985). Die Versicherte musste daher die Ausbildung am 2. Juli 1984 abbrechen, setzte sie aber am 15. April 1985 in der Firma M. I. AG fort. Nachdem die SUVA ihre gesetzliche Leistungspflicht anerkannt hatte, gewährte sie Barbara M. rückwirkend ab 1. November 1985 eine Invalidenrente, wobei die Anstalt eine durch beide Unfälle bewirkte Erwerbsunfähigkeit von 15% annahm (Verfügung vom 12. Dezember 1985). Barbara M. liess Einsprache erheben und die Ausrichtung einer "der effektiv erlittenen Beeinträchtigung in der Erwerbsfähigkeit" entsprechenden Invalidenrente beantragen. Sie liess geltend machen, durch die unfallbedingte zweijährige Verzögerung der Ausbildung erhalte sie bis am 14. April 1987 nur den Lehrlingslohn von Fr. 600.-- im ersten und Fr. 900.-- im zweiten Jahr; demgemäss betrage die Erwerbseinbusse bis 15. April 1986 82% und hernach bis 14. April 1987 73%; eine 15%ige Einschränkung liege erst nach dem Lehrabschluss vor. Mit Einspracheentscheid vom 4. April 1986 hielt die SUVA an der angefochtenen Verfügung fest, da die Abgeltung des einem Lehrling durch Verzögerung der Ausbildung entstandenen Schadens gesetzlich nicht vorgesehen sei. B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht von Appenzell A.Rh. mit Entscheid vom 23. Oktober 1986 ab. C.- Die Versicherte lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Begehren auf Festlegung des "zutreffenden Invaliditätsgrades" und Zusprechung einer entsprechenden Invalidenrente. Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichtet.
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Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. a) Streitig und zu prüfen ist vorliegend die Bemessung des Invaliditätsgrades für die Zeit ab 1. November 1985 (Beginn des Rentenanspruchs). b) Gemäss Art. 18 Abs. 2 Satz 2 UVG wird für die Bestimmung des Invaliditätsgrades das Erwerbseinkommen, das der Versicherte nach Eintritt der unfallbedingten Invalidität und nach Durchführung allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihm zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen BGE 114 V 119 S. 121 könnte, in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das er erzielen könnte, wenn er nicht invalid geworden wäre. 2. a) Art. 28 Abs. 1 UVV legt fest, welcher hypothetische, ohne gesundheitliche Einschränkung erzielbare Verdienst (Valideneinkommen) für die Invaliditätsbemessung massgeblich ist, wenn der Versicherte eine geplante Ausbildung unfallbedingt nicht aufnehmen konnte oder abbrechen musste. Dagegen wird der - hier vorliegende - Tatbestand der unfallbedingten Verzögerung bzw. Verlängerung der Ausbildung durch Art. 28 Abs. 1 UVV nicht erfasst. Insoweit diese Bestimmung nicht zur Anwendung gelangt, gilt rechtsprechungsgemäss jener Verdienst als Valideneinkommen, den der Versicherte ohne versicherte gesundheitliche Beeinträchtigung bei sonst gleichen Verhältnissen wahrscheinlich erzielen würde (ZAK 1985 S. 634 Erw. 3, 1980 S. 511 Erw. 4 mit Hinweis und S. 593, 1961 S. 367 Erw. 3; vgl. auch BGE 99 V 29 Erw. 3a und EVGE 1968 S. 92 Erw. 2a). Im Lichte dieses Grundsatzes, der sich unmittelbar aus Art. 18 Abs. 2 UVG ergibt, kann vorliegend entgegen der Auffassung von Vorinstanz und SUVA, wonach eine Verzögerung der Ausbildung von vornherein keine Konsequenzen für die Invaliditätsbemessung habe, nicht der Lehrlingslohn als Valideneinkommen angenommen werden. Denn nach der Aktenlage ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin ohne die erlittenen versicherten Unfälle aller Wahrscheinlichkeit nach seit dem 19. Juli 1985 (dem Datum des geplanten Abschlusses der am 19. Juli 1982 begonnenen Lehre) das Einkommen einer gelernten Schreinerin erzielen würde, welches unbestrittenermassen Fr. 39'773.-- beträgt. b) Es stellt sich weiter die Frage, ob der von der Beschwerdeführerin effektiv erzielte Monatslohn von Fr. 600.-- im ersten und Fr. 900.-- im zweiten Lehrjahr als Invalideneinkommen zu betrachten und der Invaliditätsbemessung zugrunde zu legen ist, was die Vorinstanz mit der Argumentation verneint, es fehle am Erfordernis der stabilen Verhältnisse. Wenn der Verdienst, den ein Versicherter in einem zufälligen Zeitpunkt erzielt, für sich allein grundsätzlich kein genügendes Kriterium für die Bestimmung der Erwerbsunfähigkeit bildet, so kann das Mass der tatsächlichen Erwerbseinbusse mit dem Umfang der Erwerbsunfähigkeit unter Umständen doch übereinstimmen. Dies trifft dann zu, wenn - kumulativ - besonders stabile Arbeitsverhältnisse eine Bezugnahme auf den allgemeinen Arbeitsmarkt praktisch erübrigen, wenn der Versicherte eine Tätigkeit BGE 114 V 119 S. 122 ausübt, bei der anzunehmen ist, dass er die ihm verbleibende Arbeitsfähigkeit in zumutbarer Weise voll ausschöpft ( BGE 109 V 27 Erw. 3c), und wenn das Einkommen aus der Arbeitsleistung als angemessen und nicht als Soziallohn (BGE BGE 104 V 90 ) erscheint. Die am 15. April 1985 aufgenommene zweite Lehre in der Firma M. I. AG kann durchaus als stabiles Arbeitsverhältnis im Sinne dieser Rechtsprechung gelten. Ferner erscheint auch das Arbeitsentgelt von Fr. 600.-- (im ersten Lehrjahr) bzw. Fr. 900.-- (im zweiten Lehrjahr) als angemessener Leistungslohn eines Lehrlings. Zu prüfen ist aber, ob die Beschwerdeführerin durch diese Tätigkeit die ihr verbleibende Arbeitsfähigkeit in zumutbarer Weise voll ausschöpft oder ob ihr eine bessere Verwertung der Restarbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt durch Wiederaufnahme des ursprünglich erlernten Turnlehrerinnenberufes zumutbar ist. Dies ist angesichts der gesundheitlichen Einschränkungen wie auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die am 19. Juli 1982 begonnene Schreinerlehre bereits recht weit vorangeschritten war, als sie unfallbedingt abgebrochen werden musste, zu verneinen. Somit erweist sich die Entlöhnung im Rahmen der am 15. April 1985 neu aufgenommenen Ausbildung von Fr. 600.-- bzw. Fr. 900.-- als zumutbares Invalideneinkommen während der Lehrzeit. Der Invaliditätsgrad ist demnach ab 1. November 1985 durch Vergleich des Lehrlingslohnes mit dem Verdienst eines ausgelernten Schreiners festzulegen. c) Der SUVA bleibt eine revisionsweise Änderung des Invaliditätsgrades gemäss Art. 22 Abs. 1 UVG auf den 15. April 1987, das Datum des Lehrabschlusses, vorbehalten.
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Dispositiv Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Versicherungsgerichts von Appenzell A.Rh. vom 23. Oktober 1986 und der Einspracheentscheid vom 4. April 1986 aufgehoben, und es wird die Sache an die SUVA zurückgewiesen, damit diese im Sinne der Erwägungen über den Rentenanspruch neu verfüge.
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2,024
de
Sachverhalt ab Seite 167 BGE 136 II 165 S. 167 A. Am 22. Mai 2000 kündigte Deutschland die schweizerisch-deutsche Vereinbarung von 1984 über die An- und Abflüge zum bzw. vom Flughafen Zürich über deutschem Hoheitsgebiet. Im Herbst 2001 einigten sich die Parteien auf einen Staatsvertrag, mit dessen Umsetzung - voranwendungs- und schrittweise - sogleich zu beginnen war. So wurde am 19. Oktober 2001 ein neues, den deutschen Luftraum entlastendes Nachtflugregime eingeführt; die Landungen, die bis dahin von Norden erfolgt waren, wurden auf die Piste 28 verlegt, mit Anflug aus Osten. Weitere Ostanflüge wurden eingeführt, als am 27. Oktober 2002 die neue staatsvertragliche Wochenend- und Feiertagsregelung zu greifen begann. Dem bloss vorläufig angewandten, aber noch nicht ratifizierten Staatsvertrag erwuchs im schweizerischen Parlament Widerstand; am 18. März 2003 scheiterte er dort endgültig. Die Beschränkungen des Staatsvertrags entfielen jedoch nicht, da sie von Seiten Deutschlands in einer einseitigen Durchführungsverordnung (DVO) verankert wurden. Die DVO wurde sukzessive verschärft, so dass es zu stets noch mehr Anflügen aus Osten kam, v.a. während der Nachtstunden. B. Seit der Einführung der Ostanflüge im Herbst 2001 meldeten eine Vielzahl von Grundeigentümern aus dem betroffenen Gebiet bei der Flughafen Zürich AG Entschädigungsbegehren an. Diese übermittelte die Gesuche an die Eidgenössische Schätzungskommission, Kreis 10 (ESchK), die ab dem 11. August 2003 - für jede der 24 betroffenen Gemeinden und Städte separat - Enteignungsverfahren einleitete. Auf Antrag der Flughafen Zürich AG beschränkte die ESchK am 2. März 2005 die Verfahren auf die Frage der Unvorhersehbarkeit als eine der Anspruchsvoraussetzungen. (...) C. Am 17. Dezember 2007 kam die ESchK zum Schluss, massgeblicher Stichtag für die Unvorhersehbarkeit sei der 1. Januar 1961. Sie wies daher die Begehren all jener ab, die ihr Grundeigentum nach diesem Datum erworben hatten und die auch nicht von einem BGE 136 II 165 S. 168 direkten Überflug betroffen seien. Dieser Entscheid wurde den Betroffenen in 29 Sammel- und Einzelentscheiden eröffnet. (...) D. Gegen 17 dieser 29 Entscheide gingen beim Bundesverwaltungsgericht (BVGer) vom 20. März bis zum 23. Mai 2008 insgesamt 37 Beschwerden mit 1'093 beschwerdeführenden Parteien ein. Alle Beschwerdeführer beantragten die Aufhebung des sie betreffenden Entscheids sowie - ausdrücklich oder sinngemäss - die Feststellung der Unvorhersehbarkeit der Ostanflüge. Ausserdem wurde bezogen auf viele einzelne Grundeigentümer eine Aufhebung des jeweils fraglichen Entscheids verlangt, weil die ESchK angeblich zu Unrecht ein Erwerbsdatum nach dem 1. Januar 1961 bzw. keinen direkten Überflug angenommen habe. E. Das BVGer vereinigte alle Beschwerdeverfahren in dieser Sache. Am 26. Mai 2009 hiess es die Beschwerden gut, soweit die ESchK die Entschädigungsforderungen wegen Lärmimmissionen abgewiesen hatte. Es (...) wies die Sache an die ESchK zurück mit der Anweisung, für die Frage der Vorhersehbarkeit das Stichdatum 23. Mai 2000 zu berücksichtigen (...).
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Die Beschwerden betreffend Entschädigungsforderungen wegen direkten Überflugs hiess das BVGer überwiegend gut, weil die ESchK die Rechtslage zur horizontalen und vertikalen Umschreibung des eigentlichen Überflugs nicht erläutert und sich nicht genügend mit den tatsächlichen Gegebenheiten auseinandergesetzt habe. Es sei daher nicht nachvollziehbar, weshalb im Einzelfall ein direkter Überflug verneint worden sei. Das BVGer hob daher die (...) angefochtenen Entscheide auf und wies die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Urteilserwägungen an die ESchK zurück (Dispositiv-Ziff. 5.5). Dagegen trat es auf die Beschwerden von A., Eheleute B., C., Eheleute D., E.G. und F.G., H., Eheleute I., Eheleute J., Eheleute K., L.O., M.O. und N.O., Eheleute P., Eheleute Q. sowie von R. nicht ein (Dispositiv-Ziff. 5.1), weil diese erst in der Replik geltend gemacht hatten, dass sie - entgegen den Feststellungen der ESchK - direkt und in einer die Entschädigung nicht ausschliessenden Höhe überflogen würden. F. Die zuvor genannten Beschwerdeführer haben am 29. Juni 2009 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht erhoben und beantragen, Ziff. 5.1 des Erkenntnisses der Vorinstanz sei ersatzlos aufzuheben und sie seien in die in Ziff. 5.5 des BGE 136 II 165 S. 169 vorinstanzlichen Erkenntnisses verfügte Neubeurteilung des direkten Überflugs zu integrieren. (...) Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der angefochtene Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts schliesst das Entschädigungsverfahren nicht ab, sondern weist die Sache zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an die ESchK zurück. 1.1 Allerdings ist das Bundesverwaltungsgericht auf die Beschwerde der Beschwerdeführer nicht eingetreten, soweit diese geltend gemacht hatten, sie würden direkt und in einer die Entschädigung nicht ausschliessenden Höhe überflogen. Dies hat zur Folge, dass die Beschwerdeführer vor der ESchK nicht mehr eine Entschädigung unter dem Titel "eigentlicher Überflug", sondern nur noch wegen übermässiger Lärmimmissionen verlangen können. Zu prüfen ist daher, ob dem angefochtenen Entscheid insofern prozessual die Bedeutung eines End- bzw. eines Teilendentscheids i.S.v. Art. 90 f. BGG zukommt. Ein selbstständig anfechtbarer Teilentscheid i.S.v. Art. 91 BGG liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid nur einen Teil der gestellten Begehren behandelt, und diese unabhängig von den anderen Begehren beurteilt werden können (lit. a), oder wenn es das Verfahren nur für einen Teil der Streitgenossen abschliesst (lit. b). Das BVGer hat das Enteignungsverfahren für die Beschwerdeführer nicht abgeschlossen; vielmehr wurden auch ihre Entschädigungsbegehren an die ESchK zurückgewiesen, mit der Anweisung, sie neu zu beurteilen, wenn auch nur noch unter dem Aspekt der Lärmimmissionen. Die Beschwerdeführer hatten nicht mehrere, sondern nur ein Begehren um Entschädigung für den fluglärmbedingten Minderwert ihrer Liegenschaften gestellt, wenn auch mit zwei alternativen Begründungen (Enteignung von nachbarlichen Abwehransprüchen wegen übermässiger Lärmimmissionen bzw. Überflugs im engeren Sinne). Eine getrennte Entschädigungsbemessung für die Benutzung des zum Grundeigentum gehörenden Luftraums einerseits und für übermässige Lärmimmissionen aus der Nachbarschaft andererseits wurde BGE 136 II 165 S. 170 von den Beschwerdeführern nicht verlangt und wäre auch gar nicht durchführbar gewesen (vgl.MARGRIT SCHILLING, Enteignungsrechtliche Folgen des zivilen Luftverkehrs, ZSR 2006 I S. 26). Mit dem Nichteintreten des BVGer auf die erst in der Replik erhobenen Rügen der Beschwerdeführer betreffend Überflugs entfällt für die Beschwerdeführer die Möglichkeit, sich im neuen Verfahren vor der ESchK auf Überflug zu berufen. Damit wurde jedoch über ihr Entschädigungsbegehren noch nicht (teilweise) entschieden, sondern lediglich eine von zwei möglichen materiellen Anspruchsgrundlagen ausgeschlossen. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind Grundsatzentscheide, die einen Teilaspekt einer Streitsache, z.B. eine von mehreren materiellrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen, beantworten, nach der Systematik des BGG nicht als Teil-, sondern als Zwischenentscheide im Sinne von Art. 93 BGG zu qualifizieren ( BGE 135 II 30 E. 1.3.1 S. 34; BGE 134 II 137 E. 1.3.2 S. 140; BGE 133 V 477 E. 4.1.3 S. 481 mit Hinweisen). Der angefochtene Entscheid ist daher ein Zwischenentscheid i.S.v. Art. 93 BGG . 1.2 Zwischenentscheide i.S.v. Art. 93 Abs. 1 BGG können selbstständig angefochten werden, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken (lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b). Die zweite Alternative kommt nach dem oben (E. 1.1) Gesagten nicht in Betracht. Näher zu prüfen sind die in Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG genannten Eintretensvoraussetzungen. 1.2.1 Nach dieser Bestimmung ist die Beschwerde gegen einen Zwischenentscheid zulässig, wenn dieser einen Nachteil bewirken könnte, der auch durch einen für den Beschwerdeführer günstigen Endentscheid (sei es im kantonalen Verfahren, sei es in einem anschliessenden Verfahren vor Bundesgericht) nicht mehr behoben werden könnte ( BGE 134 III 188 E. 2.1 S. 190 mit Hinweisen). Die blosse Verzögerung oder Verteuerung des Verfahrens genügt generell nicht, um einen sofortigen Entscheid des Bundesgerichts zu erwirken (so schon die Rechtsprechung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde unter dem OG: vgl. BGE 134 II 137 E. 1.3.1 S. 140 mit Hinweisen). BGE 136 II 165 S. 171 Immerhin muss sichergestellt werden, dass das Verfahren insgesamt dem verfassungsrechtlichen Gebot genügt, im Rahmen eines fairen Verfahrens innert angemessener Frist einen wirksamen Rechtsschutz zu gewähren ( Art. 29 Abs. 1 BV ; Art. 6 Ziff. 1 EMRK ). Unter diesem Aspekt kann es ausnahmsweise verfassungsrechtlich geboten sein, bereits auf einen Zwischenentscheid einzutreten, wenn es rechtsstaatlich unzumutbar wäre, die Parteien auf die Anfechtung des Endentscheids zu verweisen (vgl. BGE 134 II 137 E. 1.3.2 und 1.3.3 S. 140 f.; BGE 135 II 30 E. 1.3.4 und 1.3.5 S. 35 ff.; vgl. auch BGE 135 I 261 E. 1.4 S. 263 f.). 1.2.2 Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass die Enteignungsverfahren bereits seit über 6 Jahren hängig sind und noch geraume Zeit bis zum Vorliegen eines vor Bundesgericht anfechtbaren Endentscheids vergehen wird. Unter dem Aspekt der angemessenen Verfahrensdauer ( Art. 29 Abs. 1 BV ; Art. 6 Ziff. 1 EMRK ) erscheint es unzumutbar, die Beschwerdeführer auf eine Anfechtung des Endentscheids zu verweisen, mit der Folge, dass das Verfahren bei Gutheissung der Beschwerde nochmals neu aufgerollt werden müsste. Auch unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs ( Art. 29 Abs. 2 BV ) und des Anspruchs der Parteien auf gleiche und gerechte Behandlung ( Art. 29 Abs. 1 BV ) wäre es (die Begründetheit ihrer Beschwerde unterstellt) fragwürdig, die Beschwerdeführer vom weiteren Verfahren der ESchK auszuschliessen. Diese wurde vom BVGer angewiesen, im neuen Verfahren den Überflugkorridor und die Überflughöhe in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht näher zu definieren. Diese Sach- und Rechtsfragen müssen von der ESchK für alle Beteiligten einheitlich beantwortet werden, in Kenntnis und unter Berücksichtigung der Stellungnahmen aller Betroffenen. Zwar könnte eine Verletzung des rechtlichen Gehörs möglicherweise nachträglich geheilt werden. Unter dem Aspekt der Gewährleistung eines fairen Verfahrens, namentlich der Gleichbehandlung der Beteiligten und der Rechtssicherheit, erscheint es jedoch geboten, in einem komplexen, aufwändigen, viele Beteiligten umfassenden Verfahren wie dem vorliegenden die selbstständige direkte Anfechtung des umstrittenen Zwischenentscheids zuzulassen. 1.3 Da alle übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten. 2. Das BVGer vertrat die Auffassung, die ESchK habe einen Entschädigungsanspruch unter dem Titel des direkten Überflugs BGE 136 II 165 S. 172 verneint. Dies sei für die Beschwerdeführer ohne Weiteres erkennbar gewesen, weshalb die erst in der Replik vorgebrachten Rügen verspätet seien. (...) 2.1 Die Beschwerdeführer machen dagegen geltend, die ESchK habe die Überflugsituation in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht ungenügend erläutert. Für die Enteigneten sei daher nicht ersichtlich gewesen, ob ihre Begehren abgewiesen worden seien, weil sie in zu grosser Höhe überflogen werden, oder weil ihre Grundstücke seitlich ausserhalb des Überflugkorridors liegen. Sie hätten insbesondere keine Kenntnis von den Überflugplänen erhalten, die von der Flughafen Zürich AG im Sommer 2007, lange nach Abschluss des Schriftenwechsels, unaufgefordert eingereicht worden seien. Diese Pläne seien auch in den Schätzungsentscheiden nicht erwähnt worden, weshalb die Beschwerdeführer erst bei der Vorbereitung der Replik darauf gestossen seien. Diese Pläne seien aber notwendig gewesen, um zu entscheiden, ob eine Liegenschaft, bezogen auf ihre Lage zum Leitstrahl des Instrumentenlandesystems für Piste 28 (ILS 28), sich im 1,25°-Korridor des eigentlichen Überflugs befindet oder nicht. Die Beschwerdeführer hätten deshalb erst in der Replik präzisieren können, dass - entgegen der Feststellung der ESchK - auch ihre Liegenschaften direkt überflogen werden. Die Beschwerdeführer räumen ein, dass ihr Anwalt bei der Abfassung der Beschwerdeschrift insofern einen Fehler gemacht habe, als er gewisse Betroffene namentlich identifiziert habe, ohne durch einen Zusatz erkennbar zu machen, dass es sich um eine beispielhafte und nicht um eine abschliessende Auflistung handelte. Dieser Fehler wäre ihm aber nicht unterlaufen, wenn die ESchK die vom eigentlichen Überflug Betroffenen konkret bezeichnet bzw. ihre Entscheidgrundlagen, namentlich den Überflugplan, im Entscheid genannt hätte. (...) 2.2 Die Beschwerdegegnerin ist dagegen der Auffassung, die heutigen Beschwerdeführer hätten in ihren Beschwerden vom 24. April 2008 (Kloten) und vom 7. Mai 2008 (Nürensdorf) in Bezug auf die Überflugproblematik die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids nur für die in der Beschwerdebegründung spezifizierten Personen beantragt. Alle anderen, nicht namentlich genannten Beschwerdeführer hätten somit die Verneinung der direkten Überflüge durch die ESchK akzeptiert. Damit hätten sie den Streitgegenstand festgelegt. Dieser habe nachträglich, in der Replik, nicht mehr erweitert, sondern nur noch eingeschränkt werden können. BGE 136 II 165 S. 173 3. Aus den Akten ergibt sich Folgendes (...) 4. Gemäss Art. 52 Abs. 1 VwVG hat die Beschwerdeschrift an das Bundesverwaltungsgericht die Begehren und deren Begründung mit Angabe der Beweismittel zu enthalten. Sie ist innerhalb der Beschwerdefrist einzureichen ( Art. 50 VwVG ); u.U. kann gemäss Art. 52 Abs. 2 oder Art. 53 VwVG eine Nachfrist zur Beschwerdeverbesserung oder -ergänzung gesetzt werden. Diese Bestimmung schliesst jedoch spätere Vorbringen tatsächlicher oder rechtlicher Art nicht aus (SEETHALER/BOCHSLER, in: VwVG, Praxiskommentar, Waldmann/Weissenberger [Hrsg.], 2009, N. 80-82 zu Art. 52 VwVG ; PATRICK SUTTER, in: Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], 2008, N. 8-10 zu Art. 32 VwVG ). 4.1 Im Beschwerdeverfahren vor Bundesverwaltungsgericht gelten die Untersuchungsmaxime ( Art. 12 VwVG ) und der Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen ( Art. 62 Abs. 4 VwVG ). Das Bundesverwaltungsgericht verfügt über eine umfassende Kognition ( Art. 49 VwVG ) und kann den angefochtenen Entscheid, im Rahmen von Art. 62 VwVG , zugunsten oder zuungunsten einer Partei abändern. 4.2 Art. 32 Abs. 2 VwVG bestimmt zudem ausdrücklich, dass verspätete Parteivorbringen, die ausschlaggebend erscheinen, trotz der Verspätung berücksichtigt werden können. Trotz der "Kann"-Formulierung geht die herrschende Lehre von einer Verpflichtung zur Berücksichtigung verspäteter Parteivorbringen aus, sofern diese ausschlaggebend sind (PATRICK SUTTER, a.a.O., N. 8 zu Art. 32 VwVG ; KÖLZ/HÄNER, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl. 1998, N. 325 und 615; PETER SALADIN, Das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes, 1979, Ziff. 16.232 S. 141; MOSER/UEBERSAX, Prozessieren vor eidgenössischen Rekurskommissionen: Die erstinstanzliche nachträgliche Verwaltungsgerichtsbarkeit im Bund, 1998, N. 2.80; WALDMANN/BICKEL, in: VwVG, Praxiskommentar, N. 16 zu Art. 32 VwVG ; a.A. RHINOW/KOLLER/KISS, Öffentliches Prozessrecht und Justizverfassungsrecht des Bundes, 1996, N. 1352). 4.3 Allerdings wird es im Beschwerdeverfahren überwiegend für zulässig erachtet, Vorbringen ausser Acht zu lassen, die auf nachlässiger Prozessführung beruhen oder der Verschleppung des Prozesses dienen (REKO EVD vom 5. Dezember 1996, in: VPB 61/1997 Nr. 31 E. 3.2.3; SUTTER, a.a.O., N. 11 zu Art. 32 VwVG ; MADELEINE BGE 136 II 165 S. 174 CAMPRUBI, in: Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, 1983, N. 9 in fine zu Art. 62 VwVG ; FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl. 1983, S. 67 f.; einschränkend KÖLZ/HÄNER, a.a.O., N. 615: nur soweit nicht ausschlaggebend). 4.4 Im vorliegenden Fall kann den Beschwerdeführern jedoch keine nachlässige Prozessführung vorgeworfen werden. Es ist unstreitig, dass ihnen der Eingang der von der Flughafen Zürich AG im Sommer 2007 eingereichten "Darstellung der Überflugsituation beim ILS-Anflug auf die Piste 28 des Flughafens Zürich" nicht angezeigt worden war. Diese - für die Beurteilung der Überflugsituation erhebliche Darstellung - wurde auch von der ESchK in ihren Entscheiden nicht erwähnt, wie das BVGer im angefochtenen Entscheid festgehalten hat (vgl. nicht publ. E. 3.6). Die Beschwerdeführer erfuhren somit erst im Verlauf des Beschwerdeverfahrens vor dem BVGer von der Existenz des Überflugsituationsplans und entdeckten erst aufgrund dieses Plans, dass auch ihre Liegenschaften (ganz oder teilweise) im Überflugkorridor liegen. Zwar ist dem BVGer einzuräumen, dass der Anwalt der Beschwerdeführer angesichts der Begründungsmängel der Schätzungsentscheide die Möglichkeit gehabt hätte, diese pauschal für alle von ihm vertretenen Enteigneten anzufechten, ohne die unmittelbar Betroffenen näher zu spezifizieren. Jedoch darf es ihm nicht zum Vorwurf gereichen, wenn er diese Spezifizierung versucht hat, diese aber - aufgrund der fehlenden Planunterlagen - unvollständig war. 5. Neue Vorbringen sind allerdings nur im Rahmen des Streitgegenstands zulässig (WALDMANN/BICKEL, a.a.O., N. 17 zu Art. 32 VwVG ; REKO EVD vom 5. Dezember 1996, in: VPB 61/1997 Nr. 31 E. 3.2.1). Dieser wird durch die Beschwerdeanträge festgelegt, die sich ihrerseits im Rahmen des Anfechtungsobjekts, d.h. des Dispositivs des angefochtenen Entscheids, bewegen müssen. Der Streitgegenstand kann von den Parteien im Lauf des Beschwerdeverfahrens grundsätzlich nicht mehr erweitert werden ( BGE 133 II 30 E. 2 S. 31 f.; CAMPRUBI, a.a.O., N. 5 und 9 zu Art. 62 VwVG ; KÖLZ/HÄNER, a.a.O., N. 405 und 612; MOSER/UEBERSAX, a.a.O., N. 2.13 und 2.85). 5.1 Abweichend von den allgemeinen Grundsätzen des Beschwerdeverfahrens lässt allerdings Art. 77 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG; SR 711) neue Begehren im Beschwerdeverfahren gegen Entscheide über die Festsetzung der Entschädigung zu, soweit sie nachweisbar nicht schon vor der ESchK BGE 136 II 165 S. 175 gestellt werden konnten. Diese Bestimmung übernimmt die schon bisher im Enteignungsrecht des Bundes geltende Regelung (Botschaft des Bundesrats zur Totalrevision der Bundesrechtspflege vom 28. Februar 2001, BBl 2001 4445 zu Art. 77 EntG ) und will dem Enteigneten die Möglichkeit geben, Entschädigungsforderungen für erst nachträglich aufgetretene oder erkennbar gewordene Schäden anzumelden (Urteil E.9/1992 vom 24. Juni 1993 E. 1a; HESS/WEIBEL, Das Enteignungsrecht des Bundes: Kommentar zum Bundesgesetz über die Enteignung, zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen und zur Spezialgesetzgebung des Bundes, Bd. I, 1986, N. 16 zu Art. 77 EntG ). Ob und inwieweit diese Spezialbestimmung eine Ausweitung von Beschwerdebegehren noch in der Replik zulässt, kann im vorliegenden Fall offenbleiben. 5.2 Wie bereits oben (E. 1.1) dargelegt worden ist, verlangten die Beschwerdeführer im Schätzungsverfahren eine Entschädigung für die fluglärmbedingte Wertminderung ihrer Liegenschaften, wobei als Begründung sowohl die Enteignung nachbarlicher Abwehrrechte wegen übermässiger Lärmimmissionen als auch eigentlicher Überflug in Betracht kamen. Streitgegenstand war somit die beantragte Entschädigung. Dass diese unter verschiedenen Voraussetzungen gewährt werden kann, schränkt den Streitgegenstand nicht ein: Die rechtliche Wirkung, nicht die Begründung oder Herleitung definiert den Streitgegenstand ( BGE 131 II 200 E. 3.3 S. 204). In ihrer Beschwerdeschrift ans BVGer hielten die Beschwerdeführer an ihren Entschädigungsbegehren vollumfänglich fest. Insofern erfolgte keine Einschränkung des Streitgegenstands. Die Ausführungen der Beschwerdeführer zu den vom direkten Überflug betroffenen Personen waren lediglich Begründungselemente, die nach dem oben Gesagten (E. 4) nachträglich ergänzt werden konnten. Zudem hat das BVGer innerhalb des Streitgegenstands das Recht von Amtes wegen anzuwenden und grundsätzlich den Sachverhalt zugrundezulegen, wie er sich im Zeitpunkt des Entscheids verwirklicht hat und bewiesen ist (KÖLZ/HÄNER, a.a.O. Rz. 615; CAMPRUBI, a.a.O., N. 10 zu Art. 62 VwVG ; REKO EVD vom 6. April 1995, in: VPB 60/1996 Nr. 48 E. 6 S. 429 f.). 6. Das BVGer hätte somit auf die Beschwerden der Beschwerdeführer insgesamt, auch im Hinblick auf den direkten Überflug, eintreten müssen. In diesem Fall hätte es diese - wie die übrigen Beschwerden betreffend direkten Überflugs - gutheissen, die angefochtenen BGE 136 II 165 S. 176 Entscheide der ESchK insoweit aufheben und die Sache zur Neubeurteilung der Entschädigungsansprüche auch unter dem Blickwinkel des direkten Überflugs an die ESchK zurückweisen müssen. (...)
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Sachverhalt ab Seite 139 BGE 143 IV 138 S. 139 A. X. fuhr am 29. Juni 2012 am Steuer eines Sattelschleppers mit Sattelanhänger auf der Luzernerstrasse in Root in Richtung Dierikon Hinter ihm fuhr auf einem Fahrrad B. Als X. nach rechts in die Neue Perlenstrasse abbog, überrollte er B. Dieser verstarb kurz nach dem Unfall. B. Das Bezirksgericht Z. erklärte X. am 16. Januar 2015 der fahrlässigen Tötung schuldig. Es bestrafte ihn dafür mit einer bedingten Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu Fr. 140.- sowie einer Verbindungsbusse von Fr. 3'300.-. Zusätzlich wurde X. wegen zwei Übertretungen mit einer Busse von Fr. 500.- bestraft. C. Auf Berufung von X. bestätigte das Kantonsgericht Luzern das erstinstanzliche Urteil am 27. Oktober 2015. D. X. führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, er sei vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freizusprechen. Das Kantonsgericht, die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern und A. beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen.
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177
Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Die Vorinstanz erwägt im Wesentlichen, der Beschwerdeführer habe vor dem Abbiegen die Richtungszeiger betätigt. Danach habe er aber rechtsseitig derart viel Raum gelassen, dass der von hinten kommende Velofahrer rechts habe vorbei fahren können. Er habe somit Art. 36 Abs. 1 SVG und Art. 13 Abs. 1 der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 [VRV; SR 741.11] verletzt, wonach wer nach rechts abbiegen wolle, rechts einzuspuren habe. Der Beschwerdeführer könne sich demnach nicht auf den aus Art. 26 Abs. 1 SVG abgeleiteten Vertrauensgrundsatz berufen. Der Beschwerdeführer habe seine Pflicht verletzt, vor dem Abbiegen den BGE 143 IV 138 S. 140 nachfolgenden Verkehr zu beachten und sich so der fahrlässigen Tötung im Sinne von Art. 117 StGB schuldig gemacht. Der Beschwerdeführer rügt, der Unfall habe sich ereignet, obwohl er korrekt eingespurt gewesen sei. B. habe die Verkehrssituation falsch eingeschätzt und sei von hinten in den Lastwagen gefahren. 2. 2.1 Gemäss Art. 117 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht. Fahrlässig begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist ( Art. 12 Abs. 3 StGB ). Ein Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung setzt somit voraus, dass der Täter den Erfolg durch Verletzung einer Sorgfaltspflicht verursacht hat. Dies ist der Fall, wenn der Täter im Zeitpunkt der Tat auf Grund der Umstände sowie seiner Kenntnisse und Fähigkeiten die Gefährdung der Rechtsgüter des Opfers hätte erkennen können und müssen, und wenn er zugleich die Grenzen des erlaubten Risikos überschritten hat. Wo besondere, der Unfallverhütung und der Sicherheit dienende Normen ein bestimmtes Verhalten gebieten, bestimmt sich das Mass der zu beachtenden Sorgfalt in erster Linie nach diesen Vorschriften ( BGE 135 IV 56 E. 2.1 mit Hinweisen). Nach dem aus der Grundregel von Art. 26 Abs. 1 SVG abgeleiteten Vertrauensgrundsatz darf jeder Strassenbenützer, der sich selbst verkehrsgemäss verhält, sofern nicht besondere Umstände dagegen sprechen, darauf vertrauen, dass sich die anderen Verkehrsteilnehmer ebenfalls ordnungsgemäss verhalten, ihn also nicht behindern oder gefährden ( BGE 125 IV 83 E. 2b). 2.2 2.2.1 Nach Art. 35 SVG ist links zu überholen (Abs. 1). Wer überholt, muss auf die übrigen Strassenbenützer, namentlich auf jene, die er überholen will, besonders Rücksicht nehmen (Abs. 3). Fahrzeuge dürfen nicht überholt werden, wenn der Führer die Absicht anzeigt, nach links abzubiegen (Abs. 5). Nach Art. 42 Abs. 3 VRV dürfen Radfahrer rechts neben einer Motorfahrzeugkolonne vorbeifahren, wenn genügend freier Raum vorhanden ist; das slalomartige Vorfahren ist untersagt. Sie dürfen die Weiterfahrt der Kolonne nicht BGE 143 IV 138 S. 141 behindern und sich namentlich nicht vor haltende Wagen stellen. Die Vorschriften zum Überholen sind sinngemäss auch auf das Vorbeifahren im Sinne von Art. 42 Abs. 3 VRV anwendbar (STEFAN MAEDER, in: Basler Kommentar, Strassenverkehrsgesetz, 2014, N. 19 zu Art. 35 SVG ). Das Bundesgericht hat in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass nach Art. 42 Abs. 3 VRV Radfahrer selbst dann an Fahrzeugen rechts vorbeifahren dürfen, wenn diese das rechte Blinklicht eingeschaltet haben ( BGE 127 IV 34 E. 3c/aa; Urteil 6S.293/1999 vom 23. November 1999 E. 4a). Dies ist zu präzisieren. Art. 35 SVG enthält keine Sondervorschrift für das Überholen von Rechtsabbiegern, weshalb dieses Manöver nach Art. 35 Abs. 3 SVG zu beurteilen ist (HANS GIGER, SVG, Kommentar, 8. Aufl. 2014, N. 29 zu Art. 35 SVG ; siehe auch STEFAN MAEDER, a.a.O, N. 80 zu Art. 35 SVG ). Ein Fahrzeugführer, der in einer sich bewegenden Fahrzeugkolonne mittels der entsprechenden Richtungsanzeige die Absicht signalisiert, nach rechts abbiegen zu wollen, wird von einem rechtsvorbeifahrenden Velofahrer behindert, wenn Letzterer nicht vorbeifahren kann, ohne den Weg des abbiegenden Fahrzeugs schneiden zu müssen. In diesem Fall erlaubt Art. 35 Abs. 3 SVG kein rechtsseitiges Vorbeifahren. Nicht geklärt werden muss vorliegend hingegen die Frage, ob Radfahrer an Fahrzeugen mit eingeschalteter rechter Richtungsanzeige in einer stehenden Fahrzeugkolonne bis zu einem Haltebalken vorbeifahren dürfen. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz stellte der Beschwerdeführer den rechten Blinker etwa 20 Meter beziehungsweise 30 bis 40 Meter vor der Kreuzung. Ab diesem Zeitpunkt war es nicht mehr möglich, den abbiegenden Lastwagen zu passieren, ohne dessen Weg schneiden zu müssen. Der Radfahrer hätte daher nicht am Fahrzeug des Beschwerdeführers vorbeifahren dürfen. 2.2.2 Nach dem Vertrauensgrundsatz darf nur auf ordnungsgemässes Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer vertrauen, wer sich selbst verkehrsgemäss verhält. Wer rechts abbiegen will, hat sich nach Art. 36 Abs. 1 SVG an den rechten Strassenrand zu halten. Nach der Rechtsprechung muss sich der nach rechts abbiegende Fahrzeuglenker grundsätzlich durch geeignete Vorkehren nach rückwärts vergewissern, ob er das Manöver gefahrlos durchführen kann. Wo er sich vorschriftsgemäss an den rechten Strassenrand hält und nach rechts abbiegen kann, ohne zuvor brüsk zu bremsen oder nach der Gegenseite ausholen zu müssen, besteht aber keine Veranlassung, ihn vor dem Abbiegen auch zur Beobachtung des nachfolgenden BGE 143 IV 138 S. 142 Verkehrs zu verpflichten. Auf den Vertrauensgrundsatz kann sich hingegen nicht berufen, wer eine für andere Verkehrsteilnehmer unklare oder gefährliche Verkehrslage schafft. So ist, wer einen so weiten Abstand vom rechten Strassenrand einhalten muss, dass er rechts überholt werden kann, zu besonderer Vorsicht verpflichtet und muss alle Vorkehren treffen, um den sich aus diesem Umstand ergebenden Gefahren begegnen zu können. Er darf erst dann nach rechts abbiegen, wenn er die Gewissheit erlangt hat, dass er dabei nicht mit einem anderen Verkehrsteilnehmer kollidieren werde ( BGE 127 IV 34 E. 2b; Urteile 1C_32/2011 vom 4. Juli 2011 E. 2.1; 6B_443/2013 vom 18. Dezember 2013 3.3; je mit Hinweisen). 2.2.3 Zu dem beim Einspuren vom Beschwerdeführer gehaltenen Abstand zum Strassenrand hält die Vorinstanz im Wesentlichen fest, dass die örtlichen Verhältnisse im Bereich des unmittelbar vor der Kreuzung gerade verlaufenden Teils der Luzernerstrasse relativ eng waren. Bei einer Strassenbreite von 3.28 m und einer Lastwagenbreite von 2.5 m sei ein freier Raum von insgesamt 78 cm verblieben. Ausgehend davon, dass der Lastwagen exakt in der Mitte der Fahrbahnhälfte unterwegs war, sei auf der rechten Seite eine Gasse von zirka 39 cm verblieben. Es sei einzuräumen, dass anlässlich der Rekonstruktion - die stattfand, nachdem an der Stelle der zum Unfallzeitpunkt noch bestehenden Kreuzung ein Kreisverkehr gebaut wurde - ein Velofahrer Mühe gehabt habe, bei diesem Abstand zwischen dem stehenden Lastwagen und den Pylonen, die das damalige Trottoir signalisierten, vorbeizufahren. Die Aussagekraft dieser Rekonstruktionsfahrt sei aber eingeschränkt. Einerseits liefere die Nachbildung ein günstigeres Bild als die Realität zum Tatzeitpunkt, zumal es leichter sei, an einem stehenden Lastwagen vorbeizufahren als an einem Fahrzeug, welches sich bewegt. Andererseits sei zu berücksichtigen, dass die beim Augenschein zur Signalisierung des Strassenrandes verwendeten Pylonen um ein Mehrfaches höher gewesen seien als das zum Zeitpunkt des Unfalls noch bestehende Trottoir. Ob um den Lastwagen zu passieren eine Gasse von 39 cm ausreiche oder, wie vom Beschwerdeführer geltend gemacht, eine solche von mindestens 52.5 cm notwendig sei, könne offenbleiben, zumal die Aussage des Beschwerdeführers, er habe vom Randstein einen Abstand von lediglich 20 bis 30 cm gehalten, ohnehin als Schutzbehauptung zu qualifizieren sei. Die Vorinstanz stützt ihre Überlegungen offenbar auf die Annahme, dass der Abstand zwischen dem Lastwagen und dem Randstein BGE 143 IV 138 S. 143 39 cm betragen habe. Sie bezeichnet dieses Mass selbst als Minimalabstand. Dafür, dass der Abstand grösser gewesen sein soll, bestehen aber keine konkreten Hinweise. Es ist deshalb anzunehmen, dass der Abstand beim Einspuren nicht grösser als 39 cm war. Die in Art. 36 Abs. 1 SVG geregelte Pflicht, rechts einzuspuren, dient insbesondere dazu, ein Rechtsvorbeifahren von Zweiradfahrern und damit deren Gefährdung zu verhindern (PHILIPPE WEISSENBERGER, Kommentar Strassenverkehrsgesetz und Ordnungsbussengesetz, 2. Aufl. 2015, N. 9 zu Art. 36 SVG ). Art. 36 Abs. 1 SVG verlangt indes nicht, dass der rechtsabbiegende Fahrzeugführer derart rechts fährt, dass ein Vorbeikommen an der rechten Seite unmöglich ist. Es genügt, wenn der Abstand derart ist, dass vernünftigerweise nicht mehr damit gerechnet werden muss. Dies ist bei einem Abstand von 39 cm zwischen dem Lastwagen und dem Trottoir der Fall. Die Vorinstanz stellt fest, dass bei diesem Abstand ein Radfahrer bei der Rekonstruktion nur mit Mühe am Lastwagen vorbeifahren konnte. Dass die bei Nachbildung verwendeten Pylonen höher gewesen sein sollen, als der damalige Randstein, ist unerheblich, zumal dies an der zur Verfügung stehenden Fläche nichts ändert. Entgegen den Erwägungen der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer seine Pflicht, rechts einzuspuren, nicht verletzt. 2.3 Der Beschwerdeführer durfte gestützt auf Art. 26 Abs. 1 SVG darauf vertrauen, beim Abbiegen nicht rechts überholt zu werden. Ihm ist demnach keine Sorgfaltspflichtverletzung vorzuwerfen, womit er sich der fahrlässigen Tötung nicht schuldig gemacht hat. Nicht relevant ist vorliegend das Urteil 6B_433/2013 vom 18. Dezember 2013, zumal in dem damals zu beurteilenden Fall dem Lastwagenlenker nicht vorgeworfen worden war, den nachfolgenden Verkehr nicht beachtet zu haben, sondern vielmehr, dass er bei einem Lichtsignal bei der Grünphase losfuhr, ohne sich zu vergewissern, dass sich kein anderer Verkehrsteilnehmer vor seinem Lastwagen platziert hatte (Urteil 6B_433/2013 vom 18. Dezember 2013 E. 3.4). Die Sache ist zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Es erübrigt sich, auf die weiteren Rügen des Beschwerdeführers einzugehen. (...)
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Sachverhalt ab Seite 10 BGE 142 II 9 S. 10 A. X., Paris (ci-après: la Société) possède une succursale à Zurich, inscrite au registre du commerce du canton de Zurich depuis octobre 1999 (ci-après: la Succursale ou la Succursale de Zurich). Elle a pour but tous types d'opérations bancaires ou toute affaire en relation avec des opérations bancaires et/ou des participations. En 2008 et 2009, la Société, agissant par l'intermédiaire de la Succursale de Zurich, a demandé à l'Administration fédérale des contributions le remboursement à titre provisoire de l'impôt anticipé pour les années 2008 et 2009. A la suite de ses demandes, la Société a reçu trois acomptes de 4'000'000 fr. à titre d'impôt anticipé à récupérer pour l'année 2008 et deux acomptes de 4'000'000 fr. pour l'année 2009. Les 8 janvier 2009, 25 février 2009 et 3 février 2010, la Société a demandé à l'Administration fédérale des contributions le remboursement définitif de l'impôt anticipé perçu sur les rendements échus en 2008 et 2009. Les demandes portaient sur des montants de 33'502'652 fr. 40 et de 3'595 fr. 57 pour 2008, et sur un montant de 31'298'025 fr. 39 pour 2009. BGE 142 II 9 S. 11 L'Administration fédérale des contributions n'a que très partiellement fait droit aux demandes de remboursement de l'impôt anticipé formées par la Société, admettant de rembourser 399'402 fr. 50 pour 2008 et 768'110 fr. 70 pour 2009. B. Le 1 er avril 2011, l'Administration fédérale des contributions a rendu une décision formelle, dans laquelle elle a réclamé à la Succursale de Zurich le paiement de 18'832'486 fr. 80 à verser dans les trente jours, auquel s'ajoutait un intérêt de 5 %. Statuant sur réclamation, l'Administration fédérale a confirmé cette décision le 7 novembre 2012. A l'encontre de la décision sur réclamation, la Société a interjeté recours auprès du Tribunal administratif fédéral qui, par arrêt du 3 juin 2014, a rejeté celui-ci. Les juges ont estimé que le remboursement n'était pas possible pour deux motifs. D'une part, ils ont considéré que les titres en cause ne pouvaient pas être attribués à l'établissement stable en Suisse, de sorte que l'une des conditions du droit au remboursement fondé sur l'art. 24 al. 3 de la loi fédérale du 13 octobre 1965 sur l'impôt anticipé (LIA; RS 642.21) faisait défaut. D'autre part, sous l'angle de l'évasion fiscale, un tel remboursement était également exclu. C. La Société forme un recours en matière de droit public à l'encontre de l'arrêt du 3 juin 2014. Elle conclut principalement à l'annulation de l'arrêt attaqué et, reprenant les conclusions chiffrées formulées devant le Tribunal administratif fédéral, conclut au remboursement de l'impôt anticipé pour les années 2008 et 2009. Le Tribunal fédéral rejette le recours de la Société dans la mesure où il est recevable. (résumé)
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531
Erwägungen Extrait des considérants: 4. Le litige porte sur le bien-fondé des prétentions de la recourante en remboursement de l'impôt anticipé prélevé sur des revenus de titres détenus dans le cadre d'activités d'arbitrage sur indice (pour une description de ces activités, cf. consid. 3.2 non publié). Le Tribunal administratif fédéral les a refusées parce que, d'une part, les conditions du droit au remboursement prévues à l' art. 24 al. 3 LIA n'étaient pas réunies et que, d'autre part, il y avait évasion fiscale ( art. 21 al. 2 LIA ). La recourante invoque une violation de ces deux dispositions. BGE 142 II 9 S. 12 L'application de l' art. 24 al. 3 LIA par le Tribunal administratif fédéral doit être vérifiée en premier lieu. En effet, l'existence d'une évasion fiscale en lien avec l'impôt anticipé (cf. art. 21 al. 2 LIA ) ne doit être envisagée que si les conditions justifiant le remboursement en vertu de la loi sont réunies (cf. MAJA BAUER BALMELLI, in Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer [VStG], 2 e éd. 2012, n° 35 in fine ad art. 21 VStG). 5. En lien avec l' art. 24 al. 3 LIA , la recourante reproche au Tribunal administratif fédéral de lui avoir refusé le bénéfice de cette disposition au motif que les titres en cause ne faisaient pas partie de la fortune d'exploitation de la Succursale de Zurich. Elle conteste en substance l'application à sa situation de la jurisprudence sur laquelle le Tribunal administratif fédéral s'est fondé; elle soutient que les titres en cause ne doivent pas être considérés comme des "participations", mais, selon leur comptabilisation, comme des actifs faisant partie du stock commercial de la succursale de Zurich. Partant, en application des règles applicables à la répartition intercantonale et internationale du capital des entreprises, elle estime que ces titres appartiennent à sa fortune d'exploitation. 5.1 L'article 24 LIA énumère les catégories de personnes morales et d'entreprises commerciales ayant droit au remboursement si elles remplissent les conditions générales figurant à l' art. 21 LIA . Il prévoit, à son alinéa 3, que les entreprises étrangères qui sont tenues de payer des impôts cantonaux ou communaux sur leurs revenus provenant d'un établissement stable en Suisse ou sur la fortune d'exploitation de cet établissement, ont droit au remboursement de l'impôt anticipé déduit du revenu de cette fortune. 5.2 Dans une jurisprudence rendue en 2008, le Tribunal fédéral s'est interrogé sur la portée de l' art. 24 al. 3 LIA (arrêt 2C_333/2007 du 22 février 2008, in RDAF 2009 II p. 162 et in RF 63/2008 p. 475). Le Tribunal administratif fédéral a fondé sa décision sur les principes posés dans cet arrêt. 5.2.1 La recourante soutient que cette jurisprudence ne lui est pas opposable, car l'état de fait sur lequel elle repose est différent. L'arrêt 2C_333/2007 concernait la détention par une succursale suisse d'une société étrangère de l'entier du capital-actions d'une société anonyme, alors que la succursale de Zurich détenait moins d'un pour cent du capital de diverses sociétés du SMI; de plus, les actions suisses détenues ne pouvaient être considérées comme de BGE 142 II 9 S. 13 véritables "participations" au sens du droit fiscal (impôts directs, TVA, droit de timbre de négociation), mais, tel que cela ressort du reste de leur comptabilisation effective, comme des actifs faisant partie du stock commercial de la succursale de Zurich. Dans la cause 2C_333/2007, le Tribunal fédéral a précisé la portée de l' art. 24 al. 3 LIA et défini les conditions d'application de cette disposition de manière générale. Dès lors que la demande de remboursement litigieux se fonde sur cette même disposition, on ne voit pas que les principes jurisprudentiels posés en lien avec l' art. 24 al. 3 LIA ne seraient pas applicables au motif que le cas d'espèce diffère de celui qui est à son origine. Quant à la définition fiscale ou comptable de la "participation", elle peut avoir une incidence sur l'imposition des titres détenus par la recourante et/ou des rendements s'agissant des lois fiscales citées par celle-ci. En revanche, il est difficile de saisir, et la recourante ne l'explique pas non plus, en quoi cette qualification aurait justifié que le Tribunal administratif fédéral ne tienne pas compte de l'arrêt 2C_333/2007. En outre, la façon dont la recourante a comptabilisé les titres en cause dans les actifs faisant partie du stock commercial de la succursale de Zurich ne saurait jouer un rôle déterminant si celle-ci ne correspond pas à la réalité économique (cf. infra consid. 5.3.1). 5.2.2 Il ressort de l'arrêt 2C_333/2007 que pour avoir droit au remboursement de l'impôt anticipé en vertu de l' art. 24 al. 3 LIA , l'entreprise doit a) être étrangère, b) disposer d'un établissement stable en Suisse, c) être tenue de payer des impôts cantonaux et communaux d) sur les revenus provenant de cet établissement stable ou sur la fortune d'exploitation de cet établissement et enfin e) demander le remboursement de l'impôt anticipé prélevé sur le rendement de cette fortune ("von den Einkünften aus diesem Betriebsvermögen abgezogenen Verrechnungssteuer") (arrêt 2C_333/2007 du 22 février 2008 consid. 6.1, in RDAF 2009 II p. 171). A la suite d'une analyse détaillée, la Cour de céans a considéré que l'appartenance du rendement à la fortune d'exploitation constituait une condition supplémentaire et distincte qui limitait le droit au remboursement de l'impôt anticipé d'une entreprise étrangère fondé sur l'établissement suisse (arrêt 2C_333/2007 précité, consid. 6.2, 7.1-7.3). 5.2.3 Certains auteurs ont critiqué l'approche consistant à faire de l'appartenance à la fortune d'exploitation une condition distincte de l'assujettissement aux impôts cantonaux et communaux, sans véritable motivation (ADRIANO MARANTELLI, Rückerstattung der BGE 142 II 9 S. 14 Verrechnungssteuer bei einer inländischen Betriebsstätte mit ausländischem Stammhaus: das verrechnungssteuerliche "Betriebsstätten-Sandwich", in Entwicklungen im Steuerrecht 2009, 2009, p. 291 ss, 303). Ils relèvent en substance que la fonction de garantie qu'exerce l'impôt anticipé dans les relations internes devrait aussi valoir s'agissant de l' art. 24 al. 3 LIA et que l'approche de la jurisprudence risque d'engendrer des situations de double charge, si une succursale en Suisse, assujettie aux impôts cantonaux et communaux, se voit refuser le remboursement de l'impôt anticipé au motif que les rendements en cause n'appartiennent pas à la fortune d'exploitation de l'entité en Suisse (cf. GRÜNINGER/OESTERHELT, Steuerrechtliche Entwicklungen [insbesondere im Jahr 2008], RSDA 2009 p. 51 ss, 63; BEHNISCH/ OPEL, Die steuerrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2008, RJB 145/2009 p. 572 s.; MARANTELLI, op. cit., p. 303 ss). Ces critiques perdent de vue que la fonction de garantie de l'impôt anticipé s'applique seulement aux personnes qui ont leur domicile ou leur siège en Suisse et qui déclarent correctement les rendements qui en sont frappés (arrêt 2C_939/2011 du 7 août 2012 consid. 8), mais que, pour les bénéficiaires de prestations imposables qui ne sont pas domiciliés en Suisse selon le droit interne suisse, l'impôt anticipé est en principe une charge définitive dans les relations internationales. Ce n'est ainsi qu'à certaines conditions précises que l'impôt anticipé peut être remboursé à une entreprise étrangère, soit en cas de rattachement économique (établissement stable en Suisse) (cf. OBERSON/FALTIN, Impôt anticipé, Fiche juridique suisse 1236 p. 4) ou en vertu d'une convention de double imposition (FILIPPO LURÀ, L'impôt anticipé, 2015, p. 317 s.). L' art. 24 al. 3 LIA apparaît ainsi comme une exception permettant à des sociétés étrangères d'éviter la charge définitive que constitue en principe cet impôt pour elles; on ne peut dans ce contexte parler de fonction de garantie similaire à celle existant pour les sociétés établies en Suisse. Quant au risque de double imposition aussi objecté par la doctrine, il y a lieu de relever que l'Administration fédérale chargée de gérer l'impôt anticipé ne saurait être liée par l'appréciation des autorités fiscales cantonales dans le domaine de l'impôt cantonal et communal sur la fortune et le revenu (cf. PETER LOCHER, Kommentar zum DBG, vol. I, 2001, Vorbem. n° 97); du reste, il est seulement exigé que l'établissement stable soit assujetti aux impôts cantonaux ou communaux, peu importe que celui-ci bénéficie d'un traitement privilégié sous forme d'allégement, voire d'une exonération (BERNHARD BGE 142 II 9 S. 15 ZWAHLEN, in Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer, 2 e éd. 2012, n° 51 ad art. 24 VStG; PFUND/ZWAHLEN, Verrechnungssteuer, vol. II, 1985, n° 6.10 art. 24). Le risque de double charge fiscale doit donc être relativisé. Des situations de "double imposition" peuvent d'ailleurs se produire en lien avec l'impôt anticipé pour un contribuable domicilié en Suisse; si celui-ci s'abstient de déclarer en temps utile le rendement frappé de l'impôt anticipé, il devra alors supporter la double charge de l'impôt anticipé et des impôts directs. Le Tribunal fédéral a récemment souligné que cette conséquence, même si elle peut s'avérer lourde, ne viole aucune norme de droit fédéral (arrêt 2C_620/2012 du 14 février 2013 consid. 3.7, in RDAF 2013 II p. 197, 206 confirmant un arrêt du 25 janvier 1952, in ASA 21 p. 447 ss, spéc. 450). Dans ces circonstances, il n'apparaît pas que les critiques de la doctrine mettent en évidence des motifs pertinents qui justifieraient de revenir sur l'arrêt 2C_333/2007 en tant qu'il exige, comme condition indépendante, l'appartenance du rendement pour lequel le remboursement est demandé à la fortune d'exploitation de l'établissement stable en Suisse (cf. sur les conditions d'un changement de jurisprudence, ATF 136 III 6 consid. 3 p. 8; ATF 133 V 37 consid. 5.3.3 p. 39). 5.3 En l'espèce, la recourante est une entreprise dont le siège principal est en France et qui dispose d'une succursale à Zurich. Selon l'arrêt attaqué, cette dernière est assujettie à l'imposition en Suisse, dans le canton de Zurich; il convient de préciser que le fait qu'elle bénéficie d'une réduction d'impôt (le Tribunal administratif fédéral évoque une réduction de 100 % en ce qui concerne l'impôt sur le bénéfice), n'est pas pertinent sous l'angle de l' art. 24 al. 3 LIA (cf. supra consid. 5.2.3). Le remboursement a par ailleurs été demandé, par l'entremise de la succursale de Zurich, dans les formes prescrites. Seule reste problématique l'appartenance des titres en cause à la fortune d'exploitation de la succursale de Zurich, que l'arrêt attaqué n'a pas admise. 5.3.1 Selon l'arrêt 2C_333/2007, la notion de fortune d'exploitation de l' art. 24 al. 3 LIA est une notion à contenu économique, de sorte que les autorités fiscales peuvent se laisser guider par des considérations économiques et rechercher si la participation en cause sert directement et exclusivement l'activité de l'établissement stable, constituant ainsi une part du capital d'exploitation et un actif nécessaire à l'exploitation de l'établissement ou si l'activité de l'établissement BGE 142 II 9 S. 16 stable a contribué pour une part essentielle à l'acquisition des bénéfices de la société dont la participation est en cause. Cet examen a pour but d'éviter qu'une entreprise étrangère ne transfère une participation dans les comptes de sa succursale suisse que pour des motifs fiscaux, notamment le remboursement de l'impôt anticipé, et non pas pour des motifs commerciaux (arrêt 2C_333/2007 du 22 février 2008 consid. 7.5, in RDAF 2009 II p. 162, 174 et les références doctrinales citées). Selon la pratique de l'Administration fédérale, décrite et confirmée dans l'arrêt précité (cf. consid. 6.2 et 7.3), une participation est rattachée à l'établissement stable en Suisse si elle sert directement et exclusivement l'activité de l'établissement stable, constituant ainsi une part du capital d'exploitation et un actif nécessaire à l'exploitation de l'établissement ("upstream") ou si l'activité de l'établissement stable a contribué pour une part essentielle à l'acquisition des revenus de participation ("downstream"). Tel n'est pas le cas si la participation est détenue dans l'intérêt de l'ensemble de l'entreprise étrangère ou profite à l'ensemble de cette dernière. L'attribution d'une participation à la fortune d'exploitation de l'établissement stable d'une société étrangère doit répondre à des critères objectifs et ne peut dépendre du libre arbitre de l'entreprise étrangère. La doctrine récente reprend cette conception (cf. ZWAHLEN, op. cit., n° 55 s. ad art. 24 VStG). 5.3.2 Il ressort des faits constatés dans l'arrêt attaqué, qui lient le Tribunal fédéral ( art. 105 al. 1 LTF ; cf. consid. 3.1 non publié), que les titres litigieux ont pour la plupart été acquis sur le marché par la recourante au nom de son siège et ont ensuite été transférés à sa succursale dans le cadre d'opérations "back to back". Par ce procédé, le siège "vendait" les actions à sa succursale et achetait les futures émis par cette dernière. Ces transferts étaient de plus financés par le siège au moyen de prêts à court terme, dans la mesure où les opérations d'arbitrage obligent à acquérir un grand volume de titres (cf. consid. 3.2 non publié). Le bilan de la succursale au 31 décembre 2008 s'élevait à 942 millions de francs alors que cet établissement détenait des titres pour une valeur de plusieurs milliards entre février et mai de la même année. La recourante avait elle-même expliqué que la succursale suisse n'avait pas l'envergure nécessaire pour procéder aux opérations en question et que les cocontractants exigeaient de traiter avec le siège, ce qui était habituel dans ce genre d'opérations. Enfin, la plupart des opérations liées à la vente ou à BGE 142 II 9 S. 17 l'achat des titres étaient effectuées depuis le siège, un seul trader se trouvait à Zurich qui était détaché du siège et non engagé par la succursale. Le Tribunal administratif fédéral relève que la recourante avait souligné que les activités dites "post-trade", comprenant par exemple le travail de vérification et de rapprochement pour les opérations de livraison des actions et des mouvements en cash, étaient aussi sous-traitées au siège de Paris sur la base d'un contrat de service, dans un but de maîtrise des coûts et de concentration des connaissances et expertises. Sur la base de ces faits, on ne voit pas que l'on puisse reprocher au Tribunal administratif fédéral d'avoir violé l' art. 24 al. 3 LIA en estimant que les rendements pour lesquels le remboursement était demandé ne faisaient pas partie de la fortune d'exploitation de la succursale. 5.4 La recourante ne formule aucun grief propre à modifier cette conclusion. Comme déjà indiqué, on ne voit pas que la qualification des titres litigieux sous l'angle d'autres lois fiscales justifie l'inapplication de la jurisprudence 2C_333/2007; l'affirmation de la recourante selon laquelle lesdits titres appartiendraient à la fortune commerciale de la Succursale conformément à leur comptabilisation ne saurait être déterminante si cela ne correspond pas à la réalité économique (cf. supra consid. 5.3.1). Il n'y a, au demeurant, pas lieu d'entrer plus avant sur l'interprétation de l' art. 24 al. 3 LIA selon les règles applicables à la répartition intercantonale et internationale du capital des entreprises prônée par la recourante, car le raisonnement suivi dans le recours part de la prémisse erronée qu'il est justifié d'un point de vue économique de considérer que les titres en cause appartiennent à la fortune d'exploitation de la Succursale. Or, il a été vu que les constatations de l'arrêt attaqué ne permettent pas de tirer cette conclusion et la recourante affirme l'inverse en se fondant sur sa propre appréciation des preuves. Le fait que les opérations d'arbitrage sur indice soient en principe organisées de la sorte, avec la mise à contribution de succursales situées dans différents pays n'est pas un élément propre à modifier cette conclusion. Enfin, la recourante s'égare lorsqu'elle invoque une inégalité de traitement contraire aux art. 8 et 127 al. 2 Cst. entre les succursales de sociétés étrangères et les sociétés de capitaux suisses sous l'angle de l'impôt anticipé. En effet, il a déjà été souligné que, pour les sociétés de capitaux étrangères, l'impôt anticipé constitue une charge fiscale définitive. Elles ne peuvent en obtenir le remboursement qu'en BGE 142 II 9 S. 18 vertu d'une convention internationale ou de l' art. 24 al. 3 LIA , par le biais d'un établissement stable en Suisse. Cette situation n'est pas identique à celles des sociétés de capitaux dont le siège est en Suisse et pour lesquelles l'impôt anticipé a en premier lieu une fonction de garantie (cf. supra consid. 5.2.3). 5.5 En conclusion, on ne voit pas que l'arrêt attaqué viole l' art. 24 al. 3 LIA . 6. Dès lors que c'est à juste titre que les autorités précédentes ont considéré que la recourante n'avait pas droit au remboursement de l'impôt anticipé en application de l' art. 24 al. 3 LIA , il n'y a pas lieu d'examiner la problématique sous l'angle, subsidiaire, de l' art. 21 al. 2 LIA (évasion fiscale). Il ne se justifie pas non plus d'analyser en détail les caractéristiques des opérations effectuées pour déterminer si, en fonction de celles-ci, la succursale était ou non le bénéficiaire effectif des dividendes. Du reste, le Tribunal administratif fédéral n'a pas abordé la problématique sous cet angle. 7. A titre alternatif et dans une argumentation nouvelle, la recourante soutient que, en considérant que l'essentiel des montants engagés dans l'activité d'arbitrage sur futures proviennent du siège, le Tribunal administratif fédéral reconnaît indirectement que c'est l'établissement principal de la recourante à Paris (et non la succursale de Zurich) qui aurait dû faire valoir les demandes de remboursement de l'impôt anticipé sur la base de l'art. 11 ch. 2 let. a de la Convention du 9 septembre 1966 entre la Suisse et la France en vue d'éliminer les doubles impositions en matière d'impôts sur le revenu et sur la fortune et de prévenir la fraude et l'évasion fiscales (CDI CH-FR; RS 0.672.934.91). Partant, la recourante invoque, comme ultima ratio , de pouvoir bénéficier de cette disposition et récupérer l'impôt anticipé sur la base du taux conventionnel de 20 % à la place du taux de 35 % applicable aux entreprises suisses. 7.1 Devant le Tribunal fédéral, il est admissible de présenter une argumentation juridique nouvelle, pour autant que celle-ci repose sur les constatations de fait de l'arrêt attaqué ( ATF 138 II 217 consid. 2.4 p. 220 s.; arrêt 2C_941/2012 du 9 novembre 2013 consid. 1.8.3, in ASA 82 p. 375). Par exemple, on peut, si le litige porte sur des prétentions en paiement de nature contractuelle, remettre en cause pour la première fois devant le Tribunal fédéral la qualification juridique du contrat retenue (cf. arrêt 4A_71/2011 du 2 mai 2011 consid. 2.2). En revanche, il n'est pas possible d'étendre l'objet du litige devant le Tribunal fédéral (cf. ATF 136 V 362 consid. 3.4.4 et 4 p. 365 s.). BGE 142 II 9 S. 19 7.2 En l'occurrence, le litige porte sur le droit de la recourante d'obtenir le remboursement de l'impôt anticipé. Avant son recours devant le Tribunal fédéral, la recourante s'était fondée exclusivement sur l' art. 24 al. 3 LIA . A présent, elle demande à titre alternatif que l'on admette son droit au remboursement en application de l'art. 11 ch. 2 let. a CDI CH-FR. L'art. 11 ch. 1 de la Convention prévoit que les dividendes provenant d'un Etat contractant et payés à un résident d'un autre Etat contractant sont imposables dans cet autre Etat. Selon l'art. 11 ch. 2 let. a CDI CH-FR, "les dividendes visés au par. 1 sont aussi imposables dans l'Etat contractant d'où ils proviennent, et selon la législation de cet Etat, mais si le bénéficiaire effectif des dividendes est un résident de l'autre Etat contractant, l'impôt ainsi établi ne peut excéder 15 % du montant brut des dividendes". Il en découle que la demande de remboursement de l'impôt anticipé, selon qu'elle se fonde sur l' art. 24 al. 3 LIA ou sur la CDI CH-FR, repose sur un contexte complètement différent. Elle implique pour la première, l'existence d'un établissement stable en Suisse tenu de payer des impôts cantonaux ou communaux et le remboursement ne porte que sur des rendements en lien direct avec celui-ci, alors que, sous l'angle de la Convention internationale, la société étrangère peut réclamer le remboursement partiel en lien avec des dividendes qui sont imposables en France et qui ont été frappés de l'impôt anticipé en Suisse. Les demandes en remboursement de l'impôt anticipé ont donc un contenu matériel différent, selon qu'elles se fondent sur l' art. 24 al. 3 LIA ou sur l'art. 11 al. 2 CDI CH-FR. Les formulaires officiels prévus à cet effet ne sont du reste pas les mêmes et la recourante n'a fait usage que du formulaire 25, en lien avec l' art. 24 al. 3 LIA . En résumé, le remboursement de l'impôt anticipé selon 24 al. 3 LIA n'a pas le même objet qu'un remboursement de l'impôt anticipé fondé sur l'art. 11 ch. 2 CDI CH-FR et est soumis à des conditions différentes. On ne saurait ainsi considérer qu'il s'agit d'une même prétention issue du même contexte de fait dont seul le fondement juridique différerait. Par conséquent, en formulant pour la première fois devant le Tribunal fédéral une demande de remboursement de l'impôt anticipé sur la base de l'art. 11 ch. 2 let. a CDI CH-FR, la recourante élargit l'objet du litige, ce qui n'est pas admissible. Son argumentation n'est donc pas recevable. 7.3 Si la recourante estime avoir droit à un remboursement partiel sur la base de la CDI CH-FR, il lui appartient de s'adresser dans les BGE 142 II 9 S. 20 formes requises aux autorités compétentes et d'obtenir une décision à ce sujet contre laquelle elle pourra, le cas échéant, recourir. Il convient de rappeler que, comme il l'a été indiqué dans l'arrêt 2C_333/2007 consid. 3 et 8.2, il n'appartient pas à l'Administration fédérale d'examiner cette question d'office. (...)
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Sachverhalt ab Seite 11 BGE 91 I 11 S. 11 A.- Der Beschwerdeführer X. ist Musiker von Beruf und wohnt in Genf. Am 8. November 1961 schloss er mitder BankY., die ihren Sitz in Zürich und in Genf eine Zweigniederlassung hat, einen als "Margin Account Agreement" bezeichneten Vertrag. Das von der Bank in englischer Sprache abgefasste, maschinengeschriebene und mit Matrize vervielfältigte Vertragsformular besteht aus einer einzigen Seite und enthält einen in BGE 91 I 11 S. 12 sechs numerierte Absätze gegliederten Text. Der letzte Absatz steht unmittelbar vor den Unterschriften und lautet: "6. For the present contract Swiss law ist applicable. Venue is Zürich, Switzerland". Auf Grund dieses Vertrages führte die Bank eine Reihe von Börsengeschäften für X. aus. Im Dezember 1963 reichte sie beim Bezirksgericht Zürich eine Klage ein, mit der sie X. auf Bezahlung von Fr. 47'539.75 nebst Zins und Kosten belangte. X. bestritt die örtliche Zuständigkeit des Gerichts. Dieses wies die Einrede mit Beschluss vom 27. August 1964 ab, da der Beklagte mit Ziff. 6 des Vertrages vom 8. November 1961 auf den Wohnsitzgerichtsstand gültig verzichtet und Zürich als Gerichtsstand vereinbart habe. X. rekurrierte hiegegen an das Obergericht des Kantons Zürich, wurde aber durch Entscheid vom 19. Oktober 1964 abgewiesen, im wesentlichen mit folgender Begründung: Die streitige Gerichtsstandsklausel stehe an gut sichtbarer Stelle des Vertrages und sei vom übrigen Text deutlich getrennt, so dass sie in dieser Beziehung den Anforderungen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung genüge und angenommen werden könne, der Verzicht auf den ordentlichen Richter sei bewusst erfolgt. Der Einwand, der Wortlaut der Klausel sei missverständlich und der Beklagte habe infolge mangelhafter Kenntnisse der englischen Sprache nicht gewusst, dass "venue" Gerichtsstand bedeute, sei unbehelflich, da derjenige, der einen fremdsprachigen Vertragstext unterschreibe, sich um dessen Verständnis zu bemühen habe, nötigenfalls unter Beiziehung eines Wörterbuchs oder eines sprachkundigen Dritten. Es verstosse offensichtlich gegen Treu und Glauben, wenn der Beklagte, der einen Vertrag von so erheblicher Bedeutung und Tragweite abgeschlossen habe, sich jetzt, wo er aus dem Vertrag belangt werde, auf Unkenntnis der englischen Sprache berufe. Die Berufung des Beklagten auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung ( BGE 52 I 269 und ZR 1932 Nr. 153) gehe fehl, da in jenen Fällen die Gerichtsstandsklausel sich vom übrigen Vertragstext nicht genügend abgehoben habe. In ZR 1953 Nr. 100 sei die Klausel "Rechtsdomizil für beide Parteien ist Zürich" mangels Eindeutigkeit des Begriffs Rechtsdomizil als ungenügende Gerichtsstandsklausel betrachtet worden. Demgegenüber bedeute der vorliegend verwendete Ausdruck "venue" in der anglo-amerikanischen BGE 91 I 11 S. 13 Rechtssprache den Ort, wo eine Gerichtsverhandlung stattfindet und damit klar und eindeutig den Gerichtsstand, wie sich ohne weiteres aus den einschlägigen Wörterbüchern (die näher genannt werden) ergebe. B.- Gegen diesen Rekursentscheid des Obergerichts hat X. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Art. 59 BV
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525
erhoben. Er beantragt, den angefochtenen Entscheid aufzuheben, die streitige Gerichtsstandsklausel als ungültig und demzufolge die zürcherischen Gerichte als zur Anhandnahme der Klage unzuständig zu erklären. Die Begründung der Beschwerde ist, soweit wesentlich, aus den nachstehenden Erwägungen ersichtlich. C.- Das Obergericht des Kantons Zürich hat auf Vernehmlassung verzichtet. Die beschwerdebeklagte Bank beantragt Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Der Beschwerdeführer macht ausschliesslich eine Verletzung des Art. 59 BV geltend. Diese Garantie kann gegen jede richterliche Handlung, die sich als Ausübung der Gerichtsbarkeit darstellt, angerufen werden ( BGE 87 I 129 mit Verweisungen), ohne vorherige Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges ( Art. 86 Abs. 2 OG ). Die vorliegende, im Anschluss an das Urteil des Obergerichts eingereichte Beschwerde ist daher ohne Rücksicht auf die allfällige Möglichkeit einer kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde gemäss § 344 zürch. ZPO zulässig; sie hätte schon gegen die Vorladung zur Sühneverhandlung erhoben werden können. Auf die Beschwerde ist somit einzutreten, und zwar auch insoweit, als der Beschwerdeführer damit, über die Aufhebung des angefochtenen Entscheids hinaus, beantragt, die streitige Gerichtsstandsklausel als unzulässig und demzufolge die zürcherischen Gerichte als zur Anhandnahme der Klage unzuständig zu erklären, da diese Anträge mit der grundsätzlich kassatorischen Natur der Beschwerde wegen Verletzung des Art. 59 BV vereinbar sind (vgl. BGE 46 I 249 , BGE 52 I 138 , BGE 53 I 136 , BGE 66 I 238 ). Dagegen fallen nur die in der Eingabe an das Bundesgericht erhobenen Einwendungen des Beschwerdeführers in Betracht; die Verweisung auf die kantonalen Eingaben, die zum integrierenden Bestandteil der staatsrechtlichen Beschwerde BGE 91 I 11 S. 14 erklärt werden, ist unbeachtlich ( BGE 86 I 41 und 228 mit Verweisungen). 2. Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer aufrechtstehend ist, dass er in Genf wohnt und dass die gegen ihn erhobene Klage eine persönliche Ansprache im Sinne von Art. 59 BV zum Gegenstand hat. Für diese braucht er sich daher nur dann in Zürich belangen zulassen, wenn er gültig auf den Richter an seinem Wohnort verzichtet hat. Ob ein solcher Verzicht vorliegt, hat das Bundesgericht in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung frei zu prüfen ( BGE 46 I 248 ; BIRCHMEIER, Handbuch des OG S. 329). 3. Die Beschwerdegegnerin behauptet, dass die Parteien in Ziff. 6 des Vertrages vom 8. November 1961 den Gerichtsstand Zürich vereinbart hätten und der Beschwerdeführer dadurch auf den Richter an seinem Wohnort verzichtet habe. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts darf ein solcher Verzicht auf die Garantie des Art. 59 BV nicht leicht angenommen werden; es bedarf dazu einer ausdrücklichen, von andern Vertragsbestimmungen deutlich abgehobenen Erklärung, deren Inhalt unmissverständlich ist und den Willen, einen andern Gerichtsstand zu begründen, klar und deutlich zum Ausdruck bringt ( BGE 84 I 36 /37 und dort zitierte frühere Urteile, BGE 85 I 150 , BGE 87 I 51 Erw. 3 und 56 lit. c). a) Zur Gültigkeit einer in ein Vertragsformular aufgenommenen Gerichtsstandsklausel gehört danach, dass sie an einer für den Verzichtenden gut sichtbaren Stelle angebracht ist und hervortritt (vgl. BGE 49 I 49 , BGE 52 I 268 ). Dass es hieran fehle, wird in der staatsrechtlichen Beschwerde mit Recht nicht mehr behauptet. Die streitige Klausel steht am Ende eines nur 6 kurze Absätze mit insgesamt 18 Zeilen umfassenden, gut lesbar mit Maschine geschriebenen Vertragstextes unmittelbar vor der Unterschrift und konnte daher, obschon weder durch Fettdruck noch sonst hervorgehoben, selbst bei nur flüchtiger Durchsicht nicht übersehen werden (vgl. BGE 57 I 11 /12, BGE 87 I 52 ). b) Dagegen wird geltend gemacht, dass die streitige Klausel sogar für einen der englischen Rechtssprache Kundigen unverständlich sei und jedenfalls vom Beschwerdeführer, der kein Geschäftsmann sei und die englische Sprache lediglich auf dem Gebiete der Musik und allgemeinen Konversation einigermassen beherrsche, nicht als Gerichtsstandsvereinbarung habe verstanden werden können und müssen. BGE 91 I 11 S. 15 Wie die Beschwerdegegnerin in der Klageschrift vom 6. Dezember 1963 anerkannt hat, kann im angelsächsischen Recht der Gerichtsstand nicht von den Parteien vereinbart werden. Die Klausel "venue is Zürich" wird somit von einem Engländer nicht als Gerichtsstandsvereinbarung verstanden. Sie bekommt diese Bedeutung erst durch die Übersetzung ins Deutsche oder Französische. In den Wörterbüchern wird "venue" meist (auch) mit Ort der Gerichtsverhandlung, zuständiger Gerichtsort, Gerichtsstand, lieu du jugement, juridiction und dergleichen übersetzt. Nach diesen Übersetzungen und auf schweizerische Verhältnisse übertragen, kann die an die Bestimmung des auf den Vertrag anwendbaren Rechts anschliessende Klausel "venue is Zürich" von einem Rechtskundigen kaum anders verstanden werden denn als Bezeichnung des Ortes, vor dessen Gerichten im Streitfall der Prozess durchzuführen ist, d.h. als Bezeichnung des Gerichtsstands. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass der Beschwerdeführer mit der Unterzeichnung des diese Klausel enthaltenden Vertrages gültig auf die Garantie des Art. 59 BV verzichtet habe. Nach der erwähnten Rechtsprechung liegt ein solcher Verzicht nur dann in einer Erklärung, wenn deren Inhalt unmissverständlich ist und den Willen, einen anderweitigen Gerichtsstand zu begründen, klar und deutlich zum Ausdruck bringt. Beim Entscheid hierüber hat das Bundesgericht von jeher dem Umstand, dass eine Person geschäftlich unerfahren und nicht rechtskundig ist, besonderes Gewicht beigelegt. So hat es in BGE 34 I 59 , BGE 52 I 269 , ZR 1932 Nr. 153 und BGE 85 I 151 in bezug auf solche Personen keine gültigen Gerichtsstandsklauseln erblickt in Vertragsbestimmungen, welche eine geschäftserfahrene und rechtskundige Person als verbindlich gegen sich hätte gelten lassen müssen. Auch im vorliegenden Falle verhält es sich so. Die Klausel "venue is Zürich" ist nicht ohne weiteres, sondern nur für denjenigen verständlich, der die englische Rechtssprache kennt und dazu mit den schweizerischen Rechtsverhältnissen vertraut ist oder wenigstens Geschäftserfahrung besitzt. Dies trifft beim Beschwerdeführer offenbar nicht zu. Er ist von Beruf Musiker. Wohl hat er sich im vorliegenden Falle auf Börsenspekulationen eingelassen. Dass er sich schon früher mit solchen Geschäften befasst habe oder sonst geschäftliche Erfahrungen besitze, hat die Beschwerdegegnerin indes nicht behauptet und noch weniger dargetan. BGE 91 I 11 S. 16 In der Bestreitung der Gültigkeit der fraglichen Klausel ist auch kein Verstoss gegen Treu und Glauben zu erblicken. Wer einen Vertrag unterschreibt, muss zwar seine Bestimmungen grundsätzlich auch insoweit gegen sich gelten lassen, als er sie nicht gelesen oder nicht verstanden hat (vgl. BGE 76 I 350 und dort zitierte Urteile). Dieser Grundsatz gilt indes, jedenfalls soweit Gerichtsstandsklauseln in Frage stehen, nur in bezug auf Geschäftsleute vorbehaltslos. Bei einer geschäftsunerfahrenen und rechtsunkundigen Person dagegen ist eine Ausnahme zu machen, wenn es, wie hier, als glaubhaft und entschuldbar erscheint, dass sie die Bedeutung der Klausel nicht richtig erfasste und sich nicht bewusst war, damit sich einem auswärtigen Richter zu unterwerfen und auf die Garantie des Art. 59 BV zu verzichten. Gegen die Gutheissung der Beschwerde bestehen umso weniger Bedenken, als in der Beschwerdeantwort nicht angegeben wird, aus welchen Gründen die Beschwerdegegnerin, die nach den Akten sonst in deutscher oder französischer Sprache mit dem Beschwerdeführer verkehrte, den Vertrag vom 8. November 1961 in englischer Sprache mit ihm abgeschlossen hat. Selbst wenn sie es nicht darauf abgesehen haben sollte, dass der Beschwerdeführer die Tragweite der Gerichtsstandsklausel und anderer Vertragsbestimmungen nicht voll erfasse, ist es ein Unfug, wenn eine schweizerische Firma einem in der Schweiz ansässigen Schweizer ein nicht in einer Landessprache abgefasstes Vertragsformular zur Unterzeichnung vorlegt. Dies rechtfertigt es durchaus, die Unklarheit, die sich aus einer so ungebräuchlichen und schwer verständlichen Gerichtsstandsklausel ergeben kann, zu Ungunsten der Beschwerdegegnerin sich auswirken zu lassen.
1,721
1,429
Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird dahin gutgeheissen, dass der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 19. Oktober 1964 aufgehoben und festgestellt wird, dass die zürcherischen Gerichte zur Behandlung der Klage der Beschwerdegegnerin gegen den Beschwerdeführer nicht zuständig sind.
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BGE_91_I_11
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Sachverhalt ab Seite 340 BGE 135 V 339 S. 340 A. F., né en 1980, de nationalité française, domicilié à B. (France), travaille en qualité de conducteur de travaux au service de la société T., à A. En cette qualité, il est obligatoirement assuré contre les accidents professionnels et non professionnels auprès de la Caisse nationale suisse d'assurance en cas d'accidents (CNA). La caisse-maladie Q. l'assure pour la perte de gain en cas de maladie. En ce qui concerne les soins en cas de maladie, il a opté, en tant que travailleur frontalier, pour l'application de la législation française. A ce titre, il était affilié auprès de l'assureur L. du 1 er décembre 2004 au 27 novembre 2005, puis auprès de l'assureur M. depuis le 28 novembre 2005. Le 27 octobre 2005, au cours d'un match de rugby, il a ressenti des douleurs rachidiennes. Il a néanmoins travaillé le lendemain. Le BGE 135 V 339 S. 341 2 novembre suivant, il a consulté son médecin traitant, à B. Par déclaration d'accident-bagatelle LAA, son employeur a annoncé le cas à la CNA, qui lui a remboursé diverses consultations médicales en France. F. a été incapable de travailler dès le 19 novembre 2005. Son médecin traitant, le docteur R., a posé le diagnostic de syndrome radiculaire C7 gauche avec présence d'une hernie discale C6-C7 gauche. Le 16 janvier 2006, en réponse à un questionnaire de la CNA, l'intéressé a fourni des précisions en vue de compléter la déclaration d'accident. Il a précisé qu'au cours du match en question, qu'il a qualifié de "physique", il avait ressenti des douleurs à la fin du match. Celles-ci s'étaient accentuées au fur et à mesure du refroidissement des muscles. Le 15 mars 2006, le Service de neurologie de l'Hôpital X. a communiqué à la CNA divers documents concernant l'assuré en précisant que l'état de celui-ci nécessiterait une intervention neurochirurgicale. Le 21 mars 2006, F. a eu un entretien avec un représentant de la CNA, à W. Il a fourni divers renseignements concernant sa formation, son activité professionnelle, ses antécédents et sa couverture d'assurance en France. Il est revenu sur les circonstances qui avaient provoqué le déclenchement de ses douleurs rachidiennes. Enfin, il a indiqué que l'intervention chirurgicale, qui consisterait en l'ablation du disque et la mise en place d'une prothèse, aurait lieu le 28 mars 2006 à l'Hôpital X. L'intervention a été pratiquée à la date prévue. Par décision du 30 mars 2006, confirmée par décision sur opposition du 20 juin suivant, la CNA a refusé de prendre en charge le cas, au motif que l'événement annoncé ne présentait pas les caractéristiques d'un accident et ne répondait pas non plus à la notion de lésion corporelle assimilée à un accident. Elle a exigé le remboursement de 282,15 euros pour des frais de traitement qu'elle avait assumés. La caisse-maladie Q. a versé les indemnités journalières en raison de l'incapacité de travail. B. Statuant le 24 septembre 2008, le Tribunal des assurances du canton de Vaud a rejeté le recours formé par l'assuré contre la décision sur opposition de la CNA. C. F. a formé un recours en matière de droit public et un recours constitutionnel subsidiaire dans lequel il a conclu à la réforme du BGE 135 V 339 S. 342 jugement cantonal en ce sens que la CNA soit condamnée à prendre en charge les suites de l'événement du 27 octobre 2005 "libre à elle de régler compte, cas échéant, avec des institutions d'assurances françaises concernées". Il a produit un avis de droit de la professeure J. La CNA a conclu au rejet du recours. L'Office fédéral des assurances sociales (OFAS), domaine des affaires internationales, a déposé un préavis dans lequel il a proposé le rejet du recours. Les parties ont maintenu leurs conclusions au terme d'un nouvel échange d'écritures; le recourant a déposé un avis de droit complémentaire. Le Tribunal fédéral a déclaré irrecevable le recours constitutionnel subsidiaire et il a partiellement admis le recours en matière de droit public.
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Erwägungen Extrait des considérants: 3. A l'instar de la CNA, les premiers juges ont retenu que l'atteinte à la santé apparue le 27 octobre 2005 n'était pas consécutive à un accident. Cette atteinte ne pouvait pas non plus être considérée comme une lésion corporelle assimilée à un accident. Ces deux points ne sont plus contestés devant le Tribunal fédéral. Le droit aux prestations litigieuses ne peut donc pas être déduit de la LAA ( art. 6 al. 1 et al. 2 LAA [RS 832.20] en corrélation avec l' art. 9 al. 2 OLAA [RS 832.202]). 4. Le recourant fonde sa prétention, principalement, sur les règles de coordination de l'Accord sur la libre circulation des personnes et sur les règlements communautaires en matière de sécurité sociale. C'est donc sous cet angle qu'il convient, en premier lieu, d'examiner le litige. 4.1 L'Accord sur la libre circulation des personnes (ALCP; RS 0.142.112.681) est entré en vigueur le 1 er juin 2002. Selon l'art. 1 par. 1 annexe II "Coordination des systèmes de sécurité sociale" de l'accord, fondée sur l' art. 8 ALCP et faisant partie intégrante de celui-ci ( art. 15 ALCP ), en relation avec la section A de cette annexe, les Parties contractantes appliquent entre elles, en particulier, le Règlement (CEE) n° 1408/71 du Conseil du 14 juin 1971 relatif à l'application des régimes de sécurité sociale aux travailleurs salariés, aux travailleurs non salariés et aux membres de leur famille qui se déplacent à l'intérieur de la Communauté (Règlement n° 1408/71; BGE 135 V 339 S. 343 RS 0.831.109.268.1), ainsi que le Règlement (CEE) n° 574/72 du Conseil du 21 mars 1972 fixant les modalités d'application du Règlement (CEE) n° 1408/71 relatif à l'application des régimes de sécurité sociale aux travailleurs salariés, aux travailleurs non salariés et aux membres de leur famille qui se déplacent à l'intérieur de la Communauté (Règlement n° 574/72; RS 0.831.109.268.11) ou des règles équivalentes. 4.2 Cette réglementation est applicable au recourant du point de vue personnel: de nationalité française, l'intéressé doit être considéré comme un travailleur qui est ou était soumis à la législation d'un ou de plusieurs Etats membres (art. 2 par. 1 du Règlement 1408/71). Il en va de même de l'applicabilité de l'accord et des règlements cités sous l'angle matériel. Les prestations litigieuses se rapportent à l'un des risques énumérés expressément à l'art. 4 par. 1 du Règlement 1408/71, en l'occurrence la lettre a (prestations de maladie et de maternité). 4.3 S'agissant d'une relation transfrontalière, il faut tout d'abord examiner la question du droit applicable en matière d'assurance-maladie. 4.3.1 Le Titre II du Règlement 1408/71 (art. 13-17 bis ) contient des règles qui permettent de déterminer la législation applicable pour toute la généralité des cas. L'art. 13 par. 1 énonce le principe de l'unicité de la législation applicable en fonction des règles contenues aux art. 13 "par. 2" à 17 bis , dans le sens de l'applicabilité de la législation d'un seul Etat membre. En principe, le travailleur salarié est soumis à la législation de son Etat d'occupation salariée, même s'il réside sur le territoire d'un autre Etat membre ou si l'entreprise ou l'employeur qui l'occupe a son siège ou son domicile sur le territoire d'un autre Etat membre. Le travailleur frontalier est donc soumis, en vertu de ce principe, à la législation de l'Etat où il travaille (principe de la lex loci laboris ); l'Etat compétent est l'Etat d'emploi (art. 13 par. 2 let. a du Règlement 1408/71; ATF 133 V 137 consid. 6.1 p. 143; PRODROMOS MAVRIDIS, La sécurité sociale à l'épreuve de l'intégration européenne: étude d'une confrontation entre libertés du marché et droits fondamentaux, Athènes et Bruxelles 2003, p. 488 n° 473). 4.3.2 Ce principe peut être assorti d'exceptions . En effet, en application de l'art. 89 du Règlement 1408/71, l'annexe VI audit BGE 135 V 339 S. 344 règlement régit les modalités particulières d'application des législations de certains Etats membres. Cette annexe a été complétée par la section A annexe II ALCP "Coordination des systèmes de sécurité sociale". Il en ressort notamment que les personnes soumises aux dispositions légales suisses peuvent, sur demande, être exemptées de l'assurance-maladie obligatoire (LAMal) en tant qu'elles résident dans l'un des Etats suivants et peuvent prouver qu'elles y bénéficient d'une couverture en cas de maladie: Allemagne, Autriche, France, Italie et, dans certains cas, la Finlande et le Portugal (section A par. 1 let. o point 3 b annexe II ALCP, dans sa version modifiée par les décisions n° 2/2003 et 1/2006 du Comité mixte UE-Suisse des 15 juillet 2003 et 6 juillet 2006 [RO 2004 1277 et 2006 5851]). Cette faculté est communément appelée "droit d'option" (cf. aussi KAHIL-WOLFF/PACIFICO, Sécurité sociale, droit du travail et fiscalité: le droit applicable en cas de situations transfrontalières, in: Assujettissement, cotisations et questions connexes selon l'Accord sur la libre circulation des personnes CH-CE, 2004, p. 37 s.). 4.3.3 Cette réglementation sur le droit d'option n'exige pas une couverture équivalente auprès d'un organisme d'assurance de droit public ; il peut également s'agir d'une assurance conclue auprès d'un assureur privé. Il est à relever dans ce contexte que jusqu'au 1 er juin 2002 les relations entre la Suisse et la France en matière de sécurité sociale étaient régies par la Convention de sécurité sociale du 3 juillet 1975 entre la Confédération suisse et la République française (RS 0.831. 109.349.1). Les travailleurs frontaliers n'avaient alors pas l'obligation de s'affilier à la LAMal, faute de domicile en Suisse ( art. 3 LAMal ), mais ils en avaient la faculté ( art. 3 OAMal ; RS 832.102). Lors des négociations de l'ALCP, les autorités françaises n'ont pas souhaité l'introduction d'un droit d'option, car cela revenait à remettre en cause le principe de l'unicité de la législation applicable. Elles sont revenues sur cette position de principe après avoir été saisies par le Groupement transfrontalier européen - dont la vocation est de veiller à l'intérêt des populations transfrontalières - d'un rapport insistant sur l'importance du droit d'option pour les travailleurs frontaliers. Sur la base des conclusions d'une expertise indépendante, le gouvernement français s'est engagé dans un premier temps à accepter un droit d'option, mais en faveur seulement des régimes nationaux (LAMal ou couverture maladie universelle BGE 135 V 339 S. 345 [CMU] selon la loi française du 27 juillet 1999). Comme une majorité de travailleurs frontaliers se trouvait alors au bénéfice d'un contrat d'assurance privé, le gouvernement a finalement admis que le choix pouvait aussi se porter sur des opérateurs privés en cas d'option pour la couverture d'assurance en France (voir à ce sujet: GUYLAINE RIONDEL BESSON, La sécurité sociale des travailleurs frontaliers dans le cadre de l'Accord sur la libre circulation des personnes, signé entre la Suisse et la Communauté européenne: l'exemple de l'assurance-maladie maternité, Cahiers genevois et romands de sécurité sociale [CGSS] 30/2003 p. 25 s.). La législation française a été modifiée en conséquence par l'adjonction dans le code de la sécurité sociale d'un article L. 380-3-1. Cet article pose le principe de l'affiliation obligatoire au régime de base de la sécurité sociale (CMU) des travailleurs frontaliers qui ont demandé à être exemptés de l'affiliation au régime suisse d'assurance-maladie. Il prévoit cependant, pour une période transitoire, se terminant au plus tard le 1 er juin 2014 (selon l'actuelle version de cette disposition), que les intéressés peuvent conserver un contrat d'assurance privé, les couvrant en France, ainsi que leurs ayants droit, pour le risque de maladie et de maternité (voir RIONDEL BESSON, loc. cit., p. 30 s.; de la même auteure , Le droit d'option en matière d'assurance-maladie dans le cadre de l'Accord sur la libre circulation des personnes: difficultés de mise en oeuvre et conséquences pour les assurés, CGSS 42/2009 p. 33 ss). 4.3.4 En fonction de ce droit d'option, les personnes qui résident en France et qui travaillent en Suisse peuvent ainsi être couvertes soit en Suisse soit en France. Elles ont le choix entre le régime d'assurance-maladie suisse selon la LAMal, le régime de la CMU et (pour une période transitoire) l'assurance privée en France. C'est donc en application de la réglementation précitée que le recourant - travaillant en Suisse et résidant en France - a demandé et obtenu l'exemption de l'assurance-maladie obligatoire en Suisse selon la LAMal au profit d'une couverture d'assurance privée. 4.4 La question est maintenant de savoir si le recourant peut déduire un droit au remboursement, même provisoire, par la CNA (ou par une autre institution compétente suisse) des frais de traitement litigieux en se fondant sur les règles générales de coordination européenne en matière d'assurance-maladie. BGE 135 V 339 S. 346 4.4.1 La personne qui - à l'instar du recourant - travaille en Suisse et a opté pour la législation de l'Etat de résidence en ce qui concerne l'assurance-maladie reste assurée aux autres assurances sociales suisses, notamment à la LAA ( art. 1a LAA ). Il est largement admis que les art. 18-36 du Règlement 1408/71 (chap. 1), qui concernent les éventualités maladie et maternité, englobent les prestations pour soins accordées pour les accidents non professionnels (BETTINA KAHIL-WOLFF, La coordination européenne des systèmes nationaux de sécurité sociale, in Soziale Sicherheit, SBVR vol. XIV, 2 e éd. 2007, p. 200 n. 74 [ci-après: SBVR]; GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in SBVR, p. 565 s. n. 494; FRÉSARD/MOSER-SZELESS, L'assurance-accidents obligatoire, in SBVR, p. 927 n. 282 et 283; SERAINA ROHNER, L'Accord et l'assurance-accidents selon la LAA: Accord sur la libre circulation des personnes, Sécurité sociale 2/2002 p. 85 s.; EDGAR IMHOF, Eine Anleitung zum Gebrauch des Personenfreizügigkeitsabkommens und der VO 1408/71: insbesondere eine Darstellung der besonderen Vorschriften der VO 1408/71 über die einzelnen Leistungszweige, in Aktuelles im Sozialversicherungsrecht, 2001, p. 75; contra: PATRICIA USINGER-EGGER, Die Unfallversicherung und ihre Auslandwirkung, RSAS 2008 p. 253 ss, qui considère que les prestations de la LAA pour les accidents non professionnels sont dans l'ensemble soumises au chap. 4 du Règlement 1408/71, relatif aux accidents du travail et aux maladies professionnelles). Par conséquent, si la personne en question est victime d'un accident non professionnel, elle pourrait prétendre des prestations en nature de l'assurance-accidents suisse (au titre de la LAA) et de l'organisme compétent dans son Etat de résidence (au titre de l'assurance-maladie). Dans cette éventualité, les coûts des prestations en nature sont répartis pour moitié entre l'assureur suisse LAA et l'institution de l'assurance-maladie de l'autre Etat (section A par. 1 let. o point 3 bis annexe II ALCP; voir aussi KAHIL-WOLFF, SBVR, p. 206 n. 84). Cette éventualité n'entre pas en considération en l'espèce. Elle suppose un droit à des prestations des deux organismes. Or, le recourant - cela est incontesté - n'a pas droit à des prestations de la CNA en application de la LAA (supra consid. 3). 4.4.2 Le chapitre I ("Maladie et maternité") du Titre III ("Dispositions particulières aux différentes catégories de prestations") du BGE 135 V 339 S. 347 Règlement 1408/71 contient des règles d'entraide visant à faciliter l'accès aux soins et aux prestations en espèces lors du séjour ou de la résidence en dehors de l'Etat compétent (soit l'Etat dans lequel l'intéressé est assuré). En ce qui concerne plus précisément les prestations en nature, qui sont en discussion ici, ces règles prévoient une répartition des tâches entre l'institution de l'Etat de résidence ou de l'Etat de séjour et l'Etat compétent selon les principales modalités suivantes: a) En cas de résidence sur le territoire d'un Etat membre autre que l'Etat compétent, le travailleur (salarié ou non salarié) a droit à des prestations en nature servies - pour le compte de l'institution compétente - par l'institution du lieu de résidence, selon les dispositions de la législation que celle-ci applique (art. 19 par. 1 let. a du Règlement 1408/71). Les travailleurs frontaliers peuvent également obtenir les prestations sur le territoire de l'Etat compétent; ces prestations sont servies par l'institution compétente selon les dispositions de la législation de cet Etat, comme si l'intéressé résidait dans celui-ci (art. 20 du Règlement 1408/71). b) En cas de séjour en dehors de l'Etat compétent, l'intéressé qui satisfait aux conditions requises par la législation de l'Etat compétent et dont l'état vient à nécessiter des prestations en nature nécessaires du point de vue médical a droit aux prestations en nature servies - pour le compte de l'institution compétente - par l'institution du lieu de séjour (art. 22 par. 1 let. a, dans sa version modifiée par le Règlement n° 631/2004, et applicable dans les relations entre la Suisse et l'Union européenne en vertu de la décision précitée n° 1/2006 du Comité mixte UE-Suisse). Cette disposition est aussi applicable aux personnes qui travaillent mais ne résident pas en Suisse et qui sont affiliées à l'assurance-maladie légale de leur Etat de résidence, pour tout état venant à nécessiter des prestations lors d'un séjour en Suisse (section A par. 1 let. o point 3 ter annexe II ALCP introduit par la décision n° 2/2003 du Comité mixte). Il s'agit d'un accès facilité aux soins pour les personnes qui ont fait le choix de s'assurer au régime (légal) de la CMU (RIONDEL BESSON, L'évolution de la prise en charge des soins de santé à l'étranger dans le cadre des relations communautaires, CGSS 32/2004 p. 122 s.). Sous réserve de cette dernière éventualité (état venant à nécessiter des prestations lors d'un séjour en Suisse), qui n'entre pas en BGE 135 V 339 S. 348 considération ici (l'opération en Suisse était programmée et, de surcroît, l'intéressé n'était pas affilié à la CMU), le système d'entraide tel que décrit plus haut est inopérant en l'espèce. Il ne se conçoit en effet que dans le régime ordinaire d'affiliation à la lex loci laboris (cf. KESSLER/LHERNOULD, Code annoté européen de la protection sociale, 3 e éd., Paris 2005, p. 155). De même, selon l'art. 20 précité du règlement, les travailleurs frontaliers assujettis à la LAMal (Etat d'occupation) peuvent aussi obtenir des prestations sur le territoire de l'Etat compétent (en l'occurrence la Suisse). Mais cette disposition est sans pertinence lorsque le travailleur frontalier a opté pour l'assurance de son Etat de résidence. Dans ce cas, en effet, l'Etat compétent et l'Etat de résidence coïncident et il n'y a donc pas matière à coordination des prestations d'assurance-maladie (cf. également EUGSTER, SBVR, p. 423 n. 74). La coordination se limite ici à l'accès facilité aux soins selon la décision susmentionnée n° 2/2003. 4.4.3 En conséquence, les règles de coordination européenne telles que décrites n'imposent pas, en l'espèce, une prise en charge des frais de traitement litigieux par une institution suisse d'assurance. Le recourant, du reste, ne prétend pas le contraire. 5. 5.1 Le recourant fait cependant valoir qu'il pâtit d'un conflit négatif de compétences, quand bien même il a régulièrement payé des cotisations visant à l'assurer contre les conséquences de la maladie et de l'accident, en Suisse comme en France. Le droit d'option instauré par l'ALCP conduit à une lacune en ce qui concerne l'entraide. Le but du règlement, qui est de garantir une prise en charge, au moins provisoire, au profit des travailleurs migrants est totalement manqué si l'assureur LAA et l'assureur-maladie refusent tous les deux, de manière non concertée, de prendre en charge un traitement. Selon lui, il convient d'interpréter les Règlements 1408/71 et 574/72 sous un angle téléologique soit au regard du but de l'ALCP. Sous cet angle il eût appartenu à la CNA, qui est l'organisme de liaison pour l'assurance-accidents, de prendre en charge le traitement litigieux et d'entreprendre au besoin les démarches nécessaires en vue de se faire rembourser par l'assureur privé. 5.2 On relèvera tout d'abord ici que la CNA n'est un organisme de liaison que pour les accidents du travail et les maladies BGE 135 V 339 S. 349 professionnelles. Pour les accidents non professionnels (qui relèvent de la maladie; supra consid. 4.4.1), l'organe de liaison est l'Institution commune LAMal (section A par. 2 let. c point 4 et let. d point 1 annexe II ALCP). Il n'y a cependant pas lieu d'examiner plus avant si le recourant aurait dû en réalité s'adresser à cette institution. Son argumentation tirée d'une lacune dans le système d'entraide européen est, comme on va le voir, de toute façon mal fondée. 5.3 Un mécanisme de coopération judiciaire sous la forme notamment d'un renvoi préjudiciel à la Cour de justice des communautés européennes n'existe pas entre la Suisse et la Communauté européenne et ses Etats membres. Confronté à un problème d'interprétation, le juge suisse n'a donc ni l'obligation ni même la possibilité de se référer à la Cour de justice mais doit le résoudre seul, en se conformant aux règles d'interprétation habituelles déduites de la Convention de Vienne du 23 mai 1969 sur le droit des traités (RS 0.111; ATF 130 II 113 consid. 6.1 p. 120 s.). Pour ce qui est de l'interprétation des accords internationaux, la Convention de Vienne pose des principes directeurs, qui sont relativement semblables aux méthodes d'interprétation valant pour les normes générales et abstraites que la jurisprudence fédérale a consacrées ( ATF 130 I 312 consid. 4.1 in fine p. 326; ATF 130 II 113 consid. 6.1 in fine p. 121). Ainsi, l'art. 31 par. 1 de cette convention prescrit que le traité doit être interprété de bonne foi suivant le sens ordinaire à attribuer aux termes du traité dans leur contexte et à la lumière de son objet et de son but. Quant à l'art. 32 par. 1 in initio, il précise qu'il peut être fait appel à des moyens complémentaires d'interprétation, notamment aux travaux préparatoires, en vue soit de confirmer le sens résultant de l'application de l'art. 31, soit de déterminer le sens lorsque l'interprétation donnée conformément à ces dispositions laisse en particulier le sens ambigu ou obscur (let. a). Il n'appartient toutefois pas au juge de remédier par voie d'interprétation à une éventuelle lacune d'un traité international, en étendant l'application de celui-ci au-delà de son texte. Une telle application extensive n'entrerait en ligne de compte que si l'on pouvait déduire avec certitude du contexte ou de la genèse du traité que l'expression de la volonté des parties à la convention est inexacte (voir ATF 119 V 98 consid. 6a p. 107; ATF 117 V 268 consid. 3b p. 269). 5.4 Tel n'est pas le cas en l'espèce. Comme on l'a vu, l'exercice du droit d'option exclut, par principe, une coordination des prestations BGE 135 V 339 S. 350 de l'assurance-maladie par le biais de l'entraide instituée par les art. 19 ss du Règlement 1408/71 (sous réserve d'un état venant à nécessiter des prestations lors d'un séjour en Suisse). Cette absence de coordination est le corollaire de l'exemption de l'assurance obligatoire en Suisse. Par ailleurs, les parties contractantes admettent une exemption de l'assujettissement à l'assurance-maladie suisse en cas de couverture équivalente non seulement auprès d'un organisme de droit public, mais également auprès d'un assureur privé. Cette dernière faculté comporte, il est vrai, certains risques pour l'intéressé, en ce sens qu'elle peut conduire à des lacunes d'assurance. Ainsi, les contrats d'assurance privés peuvent être résiliés en cas de retard dans le paiement des primes ou encore en cas de réticence. Le contrat d'assurance peut aussi prévoir des clauses d'exclusion qui ne sont généralement pas admissibles dans un régime de couverture d'assurance régi par le droit public (EUGSTER, SBVR, p. 423 n. 74). La présente cause est une illustration de ce risque. Selon une lettre de Y. à l'assuré du 31 août 2006, le refus par l'assurance privée de prendre en charge les frais d'hospitalisation à l'Hôpital X. est motivé par le fait que la prise en charge d'un traitement chirurgical est soumise à "entente préalable", que la prise en charge en Suisse est "hors contrat" et que la hernie discale est considérée par les experts français comme un accident dans les "trois premiers mois". Pour autant, ce n'est pas à l'institution de l'Etat dont la personne, précisément, est exemptée de l'assurance obligatoire, d'assumer les conséquences de ce risque. Cela reviendrait, dans les faits, à créer à la charge de cet Etat une assurance subsidiaire destinée à combler des lacunes de couverture ou à compléter une couverture d'assurance insuffisante ou encore à prendre en charge des prestations pour des affections faisant l'objet d'une réserve. Cette subsidiarité ne relève pas de la coordination des prestations selon le droit communautaire tel qu'il est aménagé dans les relations franco-suisses. Le fait que la CNA a alloué dans un premier temps des prestations avant de les refuser en raison de l'absence d'un événement accidentel ou d'un événement assimilé ne génère pas, à lui seul, une obligation découlant de la réglementation internationale de continuer à verser (même à titre provisoire) des prestations. 5.5 On notera enfin que l'art. 114 du Règlement 574/72 règle le versement provisoire de prestations en cas de contestation de la législation applicable ou de l'institution appelée à servir les BGE 135 V 339 S. 351 prestations. Dans ce cas, l'intéressé bénéficie à titre provisoire des prestations prévues par la législation qu'applique l'institution du lieu de résidence. Dès lors, même en admettant que le cas présent requiert une coordination sous l'angle du droit communautaire, une prise en charge préalable incomberait, en application de cette disposition, à l'institution française et non à la première institution à laquelle l'intéressé s'est adressé. 5.6 En conclusion, il n'y a pas de lacune qu'il incomberait au juge de combler. L'argumentation du recourant est sur ce point mal fondée.
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Sachverhalt ab Seite 220 BGE 141 IV 220 S. 220 A. Y. war im März 2010 und im Juni/Juli 2010 auf verschiedene Art und Weise für einen von A. geführten, von den Niederlanden aus in der Schweiz operierenden Drogenhändlerring tätig, welcher mit Heroin handelte. Sie verkaufte insgesamt mindestens 790 bis 1'060 Gramm Heroingemisch für ca. Fr. 23'100.- bis ca. Fr. 31'200.-. Sie war zudem an der Verteilung von weiteren 455 bis 560 Gramm Heroingemisch durch Dritte beteiligt. Sie nahm Erlöse, die andere Mitglieder des Drogenhändlerrings durch den Verkauf von Heroin erzielt hatten, entgegen und leitete diese an X. weiter. Sie händigte im Auftrag von X. mehrere Mobiltelefone an Drogenkuriere aus. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Y.A. beschaffte sie ein Navigationsgerät, das sie einem Drogenkurier übergab. BGE 141 IV 220 S. 221 B. Das Bezirksgericht Baden sprach Y. am 27. September 2012 der mehrfachen qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Ziff. 1 in Verbindung mit Ziff. 2 lit. a-c aBetmG (in der bis zum 30. Juni 2011 geltenden Fassung), der mehrfachen Gehilfenschaft zu qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie der gewerbs- und bandenmässigen Geldwäscherei im Sinne von Art. 305 bis Ziff. 1 in Verbindung mit Ziff. 2 lit. b und c StGB schuldig. Es bestrafte sie mit einer Freiheitsstrafe von 5 1⁄2 Jahren. Y. erklärte Berufung. In der Berufungsverhandlung stellte sie die Anträge, sie sei von Schuld und Strafe freizusprechen. Eventualiter sei sie wegen mehrfacher qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz und wegen mehrfacher Gehilfenschaft dazu sowie wegen Geldwäscherei zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 20 Monaten zu verurteilen. Das Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, sprach Y. mit Urteil (SST.2013.22) vom 20. März 2014 in teilweiser Gutheissung der Berufung in einzelnen Anklagepunkten frei. Es sprach sie in den übrigen Anklagepunkten der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Ziff. 1 in Verbindung mit Ziff. 2 lit. a-c aBetmG (in der bis zum 30. Juni 2011 geltenden Fassung) sowie der gewerbs- und bandenmässigen Geldwäscherei im Sinne von Art. 305 bis Ziff. 1 in Verbindung mit Ziff. 2 lit. b und c StGB schuldig. Es bestrafte sie mit einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren sowie mit einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu Fr. 10.-, Letztere bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren. C. Y. führt Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt, das Urteil des Obergerichts vom 20. März 2014 sei aufzuheben und sie sei freizusprechen. Eventualiter sei sie zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren zu verurteilen und für die erlittene Überhaft praxisgemäss zu entschädigen. Subeventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Subsubeventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen mit der Anweisung, das Verfahren an die Staatsanwaltschaft zur Wiederholung des Strafverfahrens gegen sie zurückzuweisen. Zudem ersucht sie um unentgeltliche Rechtspflege. Y. stellt ausserdem den prozessualen Antrag, ihre Beschwerde und die Beschwerde des Beschuldigten X. gegen das diesen betreffende Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau BGE 141 IV 220 S. 222 (SST.2013.28) vom 20. März 2014 seien gemeinsam zu beurteilen und die beiden Beschwerdeverfahren seien zu vereinigen. D.
797
582
Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau hat auf eine Vernehmlassung verzichtet und beantragt unter Hinweis auf die vorinstanzlichen Erwägungen die Abweisung der Beschwerde. Das Obergericht des Kantons Aargau hat in seiner Vernehmlassung zur Frage der Verletzung der Teilnahmerechte Stellung genommen. Die Beschwerdeführerin hat sich zu dieser Vernehmlassung geäussert. Ihre Stellungnahme ist dem Obergericht zur Kenntnis zugestellt worden. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 2.1.1 Die Staatsanwaltschaft Baden vertrat während des gesamten Strafverfahrens die Auffassung, dass den Beschuldigten über das Recht auf Konfrontation mit Mitbeschuldigten hinaus keine Informations- und Partizipationsrechte zustehen, also kein Recht auf Teilnahme an den Einvernahmen von Mitbeschuldigten beziehungsweise weiteren Beschuldigten. Der Verteidiger der Beschwerdeführerin stellte mit Schreiben vom 26. August 2011, also nach Vereinigung der Verfahren gegen sie und die Beschuldigten X. und Y.A. am 5. August 2011, unter Hinweis auf Art. 147 Abs. 1 StPO das Gesuch, dass sie über alle weiteren Beweiserhebungen informiert und ihr das Recht auf Anwesenheit und Teilnahme daran eingeräumt werde. Die Staatsanwaltschaft Baden antwortete mit Schreiben vom 8. September 2011, dass den Beschuldigten oder ihren Verteidigern von einer einmaligen Konfrontationseinvernahme abgesehen bis zum Vorliegen eines Bundesgerichtsentscheids über den Anwendungsbereich von Art. 147 Abs. 1 StPO keine Teilnahmerechte an Einvernahmen von mitbeschuldigten Personen gewährt werden. Mit Schreiben vom 16. September 2011 ersuchte der Verteidiger der Beschwerdeführerin um Erlass einer anfechtbaren Verfügung. Am 19. September 2011 wies die Staatsanwaltschaft Baden den Antrag der Beschwerdeführerin auf Teilnahme an Befragungen von Mitbeschuldigten ab. Zur Begründung stellte sich die Staatsanwaltschaft grundsätzlich auf den Standpunkt, es reiche aus, dass einer beschuldigten Person im Verlauf des Verfahrens mindestens einmal die Gelegenheit gegeben werde, den sie belastenden Personen Fragen zu stellen oder stellen zu lassen. Diesem Gebot werde im vorliegenden Verfahren BGE 141 IV 220 S. 223 im Rahmen vorgesehener Konfrontationseinvernahmen Rechnung getragen. Die Staatsanwaltschaft vertrat in der genannten Verfügung vom 19. September 2011 die Ansicht, dass die beschuldigte Person gestützt auf Art. 147 Abs. 1 StPO ein Recht auf Konfrontation mit den mitbeschuldigten Personen besitzt, deren Aussagen sie belasten. Hingegen lasse sich aus Art. 147 Abs. 1 StPO kein Recht auf Anwesenheit bei vorherigen Einvernahmen von mitbeschuldigten Personen ableiten. Ein solches Anwesenheitsrecht würde im Widerspruch zu Art. 146 Abs. 1 StPO stehen, wonach die einzuvernehmenden Personen getrennt einvernommen werden. 2.1.2 Die Beschwerdeführerin erhob gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft Baden Beschwerde. Die Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts des Kantons Aargau wies mit Entscheid (SBK.2011.249) vom 24. Oktober 2011 die Beschwerde ab, soweit sie darauf eintrat. Sie erwog, die Frage, ob Einvernahmen, an welchen die beschuldigte Person oder ihr Verteidiger nicht hätten teilnehmen können, verwertbar seien, sei vom Sachgericht im ordentlichen Strafverfahren zu entscheiden. Die Beschwerdekammer verwies zudem auf ihren Grundsatzentscheid (SBK.2011.91) vom 19. Mai 2011 (teilweise wiedergegeben in: Forum poenale [FP] 2011 S. 208 ff.), wonach Art. 146 Abs. 1 StPO für sämtliche Verfahrensabschnitte den Grundsatz der getrennten Einvernahmen von mehreren Personen statuiere, wodurch die Unbefangenheit der einzuvernehmenden Person gewährleistet und ein kollusives Aussageverhalten erschwert werden sollen. Die Beschwerdekammer erkannte, die Verfügung der Staatsanwaltschaft, wonach zunächst getrennte Einvernahmen und hernach Konfrontationseinvernahmen durchzuführen seien, sei daher nicht zu beanstanden. Die Beschwerdeführerin focht diesen Entscheid der Beschwerdekammer nicht an. Sie erhob mithin keine Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. 2.2 2.2.1 Die Beschwerdeführerin machte an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht Baden vom 20. September 2012 geltend, dass die sie belastenden Aussagen der Mitbeschuldigten zufolge Verletzung ihrer Teilnahmerechte unverwertbar seien und sie daher vollumfänglich freizusprechen sei. Die Staatsanwaltschaft vertrat an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung die gegenteilige Auffassung und verwies zur Begründung auf den unangefochten BGE 141 IV 220 S. 224 gebliebenen Entscheid der Beschwerdekammer des Obergerichts des Kantons Aargau vom 24. Oktober 2011. Das Bezirksgericht Baden erwog in der schriftlichen Begründung seines Urteils vom 27. September 2012 in Sachen der Beschwerdeführerin, in Anbetracht des in der Zwischenzeit in einer anderen Strafsache ergangenen Bundesgerichtsentscheids 1B_264/2012 vom 10. Oktober 2012 ( BGE 139 IV 25 ) stehe fest, dass die Staatsanwaltschaft Baden der Beschwerdeführerin zu Unrecht die Teilnahme an den einzelnen Einvernahmen der Mitbeschuldigten verweigert hat. Die Verletzung von Art. 147 Abs. 1 StPO mache aber das vorliegende Beweisergebnis nicht generell unverwertbar. Gemäss Art. 147 Abs. 4 StPO seien Beweise, die in Missachtung von Art. 147 Abs. 1 StPO erhoben worden seien, bloss gegenüber der nicht anwesenden Partei unverwertbar. Die Beschwerdeführerin habe auch nach Abweisung ihres Gesuchs um Teilnahme an den Einvernahmen sämtlicher Mitbeschuldigter durch Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 19. September 2011 weiter ausgesagt und sich selber belastet. So habe sie in ihrer Schlusseinvernahme vom 3. November 2011 die eigenen während des Verfahrens gemachten Aussagen grösstenteils bestätigt. Das Beweisergebnis stütze sich zum grössten Teil auf diese Aussagen der Beschwerdeführerin. In der Hauptverhandlung vom 20. September 2012 habe diese die Sachverhaltsdarstellung der Staatsanwaltschaft im Grossen und Ganzen nochmals bestätigt. In Bezug auf die Aussagen, durch welche die Beschwerdeführerin sich selbst belaste, sei Art. 147 Abs. 4 StPO logischerweise nicht anwendbar. Das Gericht stütze sich fast ausschliesslich auf die Aussagen der Beschwerdeführerin. Wo es doch auf Aussagen der Mitbeschuldigten X. und Y.A. abstelle, habe die Beschwerdeführerin anlässlich der jeweiligen Konfrontationseinvernahmen sowie an der Hauptverhandlung die Möglichkeit gehabt, zum Sachverhalt Stellung zu nehmen. Die Verletzung von Art. 147 Abs. 1 StPO bleibe deshalb hier unbeachtlich. 2.2.2 Rund zwei Wochen nach Ausfällung des erstinstanzlichen Urteils fällte das Bundesgericht in einer anderen Angelegenheit einen Grundsatzentscheid zur Frage des Rechts zur Teilnahme an Beweiserhebungen gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO ( BGE 139 IV 25 ). Es erwog, dass die beschuldigte Person gestützt auf Art. 147 Abs. 1 StPO grundsätzlich ein Recht auf Teilnahme an den Einvernahmen von mitbeschuldigten Personen hat und dass dieses Recht nicht durch Art. 146 StPO betreffend getrennte Einvernahmen und BGE 141 IV 220 S. 225 Gegenüberstellung eingeschränkt wird. Einschränkungen des Teilnahmerechts können sich aber aus verschiedenen Bestimmungen der StPO ergeben, wobei das Bundesgericht insoweit unter anderem zwischen den Teilnahmerechten von noch nicht einvernommenen beschuldigten Personen einerseits und von bereits einvernommenen beschuldigten Personen andererseits differenziert (siehe im Besonderen BGE 139 IV 25 E. 4 und 5). 2.2.3 Am 20. März 2014 fand die gemeinsame Berufungsverhandlung betreffend die Beschwerdeführerin und die Beschuldigten X. und Y.A. statt. Die Beschwerdeführerin machte auch im Berufungsverfahren geltend, die Staatsanwaltschaft habe es ihr verunmöglicht, ihr Recht auf Teilnahme an den Einvernahmen der mitbeschuldigten Personen sowie von Zeugen und Auskunftspersonen im Sinne von Art. 147 Abs. 1 StPO wahrzunehmen, indem es in der Untersuchung unterlassen worden sei, sie auf die jeweiligen Einvernahmetermine aufmerksam zu machen. Ausserdem sei ihr das Akteneinsichtsrecht in Bezug auf sämtliche Mitbeteiligte verweigert worden. Daher seien alle Einvernahmen unverwertbar und sei sie freizusprechen. 3. 3.1 Die Vorinstanz erwog in ihrem Urteil (SST.2013.22) vom 20. März 2014 in Sachen der Beschwerdeführerin, indem diese den Entscheid der Beschwerdekammer des Obergerichts vom 24. Oktober 2011 nicht angefochten habe, habe sie auf ihre Teilnahmerechte verzichtet. Dies ergehe auch daraus, dass sie sich trotz der Abweisung ihres Gesuchs um Teilnahme an den Einvernahmen der Mitbeschuldigten nicht etwa geweigert habe, weitere Aussagen zu machen, sondern weitere, sich selbst belastende Aussagen gemacht habe. Daher verbiete sich im Berufungsverfahren eine erneute Prüfung der Frage nach dem Umfang der Teilnahmerechte der beschuldigten Person gestützt auf Art. 147 Abs. 1 StPO . Daran vermöge auch nichts zu ändern, dass in der Zwischenzeit das Bundesgericht in einem anderen Fall mit Urteil 1B_264/2012 vom 10. Oktober 2012 ( BGE 139 IV 25 ) in Bezug auf den Umfang der Teilnahmerechte der beschuldigten Person gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO ganz anders entschieden habe als die Beschwerdekammer des Obergerichts im Entscheid vom 24. Oktober 2011 in Sachen der Beschwerdeführerin. 3.2 Dieser Auffassung der Vorinstanz kann nicht gefolgt werden. Aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin den Beschwerdeentscheid des Obergerichts nicht anfocht, kann nicht auf einen BGE 141 IV 220 S. 226 Verzicht auf die Gewährung von Teilnahmerechten gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO geschlossen werden. Die Beschwerdeführerin konnte auf der Grundlage der damaligen bundesgerichtlichen Rechtsprechung und in Anbetracht der Erwägungen im Entscheid der Beschwerdekammer des Obergerichts von einer Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht gegen den Entscheid der Beschwerdekammer des Obergerichts in guten Treuen in der Überlegung absehen, dass die Fragen, ob ihre Rechte auf Teilnahme an Einvernahmen von Mitbeschuldigten verletzt worden seien und welche Konsequenzen sich aus einer allfälligen Verletzung der Teilnahmerechte bezüglich der Verwertbarkeit von belastenden Aussagen ergeben, allein im Hauptverfahren vor dem Sachgericht zur Entscheidung gestellt werden konnten und dass das Bundesgericht auf eine Beschwerde gegen den Zwischenentscheid der Beschwerdekammer des Obergerichts mangels eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils ( Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ) nicht eingetreten wäre (siehe Urteile 1B_61/2012 vom 9. Februar 2012 E. 2 und 1B_441/2011 vom 20. September 2011 E. 2; vgl. auch Urteile 1B_320/2011 vom 29. September 2011 und 1B_291/2011 vom 15. Juli 2011, dazu ANDRÉ VOGELSANG, Art. 147 StPO : Wirksamer Gegenpol zur Allmacht der Staatsanwaltschaft oder bloss toter Buchstabe?, Anwaltsrevue 2012 S. 230 ff., 232 f.). Mit diesem Argument begründete der Verteidiger der Beschwerdeführerin in seinem 2. Vortrag an der Berufungsverhandlung, weshalb von einer Beschwerde in Strafsachen gegen den Entscheid der Beschwerdekammer des Obergerichts abgesehen worden war. Darauf geht die Vorinstanz nicht ein. 3.3 Auch wenn aber davon ausgegangen wird, dass ein Zwischenentscheid zu Fragen der Gewährung und Verweigerung von Teilnahmerechten einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken kann und daher, soweit letztinstanzlich, mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht anfechtbar ist (siehe nun BGE 139 IV 25 E. 1; Urteil 1B_404/2012 vom 4. Dezember 2012 E. 2; ANDREAS NOLL, Das Recht des Beschuldigten zur Teilnahme an Einvernahmen, 2013, S. 91 ff., 106 f.), kann die Verletzung von Teilnahmerechten stattdessen auch mit der Beschwerde in Strafsachen gegen das Endurteil gerügt werden, falls die Voraussetzungen gemäss Art. 93 Abs. 3 BGG erfüllt sind. Ist die Beschwerde nach Art. 93 Abs. 1 und Abs. 2 BGG nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken. BGE 141 IV 220 S. 227 4. 4.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, zentrales Thema und damit Gegenstand der sie gemeinsam mit dem Mitbeschuldigten X. betreffenden Berufungsverhandlung seien die gesetzwidrige Verfahrensführung durch systematische Ausschaltung der Parteiöffentlichkeit und die dadurch geschaffene Situation eines "Gefangenendilemmas" gewesen. Sie wirft der Vorinstanz vor, diese setze sich in ihrem Urteil mit der beanstandeten Verletzung des Anspruchs auf ein gesetzmässiges und faires Verfahren ( Art. 2 Abs. 2 und Art. 3 StPO ), insbesondere durch Verweigerung der Informations- und Partizipationsrechte ( Art. 101 Abs. 1, Art. 107 Abs. 1 und Art. 147 Abs. 1 StPO ), und den möglichen Rechtsfolgen nicht genügend auseinander. Dazu wäre sie aber aufgrund der Offizialmaxime und des Grundsatzes "iura novit curia" sowie ihrer richterlichen Fürsorgepflicht verpflichtet gewesen. Die Beschwerdeführerin macht geltend, ihre Teilnahmerechte im Sinne von Art. 147 Abs. 1 StPO seien systematisch missachtet worden. Die Beweise seien deshalb gemäss Art. 147 Abs. 4 StPO nicht verwertbar. Daher sei sie vollumfänglich freizusprechen. 4.2 Die Strafprozessordnung regelt in Art. 142-146 die Einvernahmen. Art. 146 StPO handelt von der Einvernahme mehrerer Personen und von den Gegenüberstellungen. Nach Art. 146 Abs. 1 StPO werden die einzuvernehmenden Personen getrennt einvernommen. Gemäss Art. 146 Abs. 2 Satz 1 StPO können die Strafbehörden Personen, einschliesslich solcher, die ein Aussageverweigerungsrecht haben, einander gegenüberstellen. Art. 147 f. StPO regeln die Teilnahmerechte bei Beweiserhebungen. Gemäss Art. 147 Abs. 1 Satz 1 StPO haben die Parteien das Recht, bei Beweiserhebungen durch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte anwesend zu sein und einvernommenen Personen Fragen zu stellen. Art. 147 Abs. 1 StPO statuiert damit den Grundsatz der Parteiöffentlichkeit der Beweiserhebungen. 4.3 4.3.1 Das Teilnahme- und Fragerecht gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO hat nichts zu tun mit der Gegenüberstellung im Sinne von Art. 146 Abs. 2 StPO als Ausnahme vom Grundsatz der getrennten Einvernahmen gemäss Art. 146 Abs. 1 StPO . Wer im Sinne von Art. 147 Abs. 1 StPO an der Einvernahme einer anderen Person teilnimmt, wird dadurch weder gemäss Art. 146 Abs. 1 StPO einvernommen BGE 141 IV 220 S. 228 noch im Sinne von Art. 146 Abs. 2 StPO der einvernommenen Person gegenübergestellt (NOLL, a.a.O., S. 25 f., 99; FELIX BOMMER, Zur Einschränkung des Teilnahmerechts des Beschuldigten an der Einvernahme Mitbeschuldigter, recht 30/2012 S. 143 ff., 145 f.; ANDREAS DONATSCH, Erste Erfahrungen mit dem Beweisrecht, FP 2012 S. 235 f.). In Art. 147 Abs. 1 StPO ist allgemein von "Parteien", "Beweiserhebungen" und "einvernommenen Personen" die Rede. Die beschuldigte Person ist Partei in demjenigen Verfahren, in welchem sie beschuldigt wird, und sie kann daher gestützt auf Art. 147 Abs. 1 StPO an den Beweiserhebungen, die in diesem Verfahren durchgeführt werden, teilnehmen, wozu auch die Einvernahmen von im gleichen Verfahren mitbeschuldigten Personen gehören. Die beschuldigte Person hat somit gestützt auf Art. 147 Abs. 1 Satz 1 StPO das Recht, bei Einvernahmen von im gleichen Verfahren mitbeschuldigten Personen durch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte anwesend zu sein und den einvernommenen mitbeschuldigten Personen Fragen zu stellen. Dieses Recht wird durch Art. 146 Abs. 1 und Abs. 2 StPO betreffend getrennte Einvernahmen und Gegenüberstellung in keiner Weise berührt. In diesem Sinne hat das Bundesgericht in seinem Grundsatzentscheid ( BGE 139 IV 25 ) entschieden. Danach gilt der Anspruch der beschuldigten Person auf Teilnahme an Beweiserhebungen grundsätzlich auch für die Einvernahmen von mitbeschuldigten Personen, was sich sowohl aus der Systematik der StPO und dem Wortlaut der massgebenden Bestimmungen als auch aus den Gesetzesmaterialien ergibt (zitierter BGE E. 4, 5.1 und 5.2). Der Gesetzgeber will die Partei- und Teilnahmerechte der beschuldigten Person bei Beweiserhebungen stärken, weil die Stellung der Staatsanwaltschaft im Vorverfahren ausgebaut und die nochmalige Abnahme von (im Vorverfahren ordnungsgemäss erhobenen) Beweisen im Hauptverfahren eingeschränkt worden ist (zitierter BGE E. 5.3). Das Bundesgericht hat diese Rechtsprechung im Urteil 1B_404/2012 vom 4. Dezember 2012 (E. 2.1) bestätigt. 4.3.2 Auch die Lehre vertritt wohl überwiegend die Auffassung, dass die beschuldigte Person gestützt auf Art. 147 Abs. 1 StPO das Recht hat, an den Einvernahmen der mitbeschuldigten Personen teilzunehmen und diesen Personen Fragen zu stellen, und dass dieses Recht durch Art. 146 Abs. 1 und Abs. 2 StPO betreffend getrennte Einvernahmen und Gegenüberstellungen nicht berührt wird (siehe die Literaturhinweise in BGE 139 IV 25 E. 5.1). Auch die neueste Lehre BGE 141 IV 220 S. 229 teilt wohl überwiegend diese Auffassung (vgl. DORRIT SCHLEIMINGER METTLER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 7c zu Art. 147 StPO ; WOLFGANG WOHLERS, Das Anwesenheits- und Fragerecht der Verfahrensparteien bei Einvernahmen im Vorverfahren, FP 2013 S. 160 ff., 163 f.; THOMAS SPRENGER, Teilnahmerechte der Parteien im Strafverfahren - Wird die Ausnahme zum Grundsatz?, FP 2013 S. 167 ff., 170, 172; NOLL, a.a.O., S. 25 ff., 35 ff.; anderer Auffassung FABIEN GASSER, Trois ans de pratique du nouveau CPP, Revue fribourgeoise de jurisprudence [FZR] 2014 S. 1 ff., 5 f.; zweifelnd NIKLAUS SCHMID, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 2. Aufl. 2013, N. 823 Fn. 107). 4.4 Der Grundsatz der Parteiöffentlichkeit bei Einvernahmen von mitbeschuldigten Personen kann allerdings unter Umständen zu Effizienzverlusten und zu gewissen prozessualen Ungleichbehandlungen von Mitbeschuldigten führen. Die Strafprozessordnung enthält indessen mehrere Bestimmungen, durch deren Anwendung das Problem entschärft werden kann (siehe im Einzelnen BGE 139 IV 25 E. 5.4). Das Bundesgericht hat ausserdem in einem "obiter dictum" die Frage aufgeworfen, aber nicht abschliessend beantwortet, ob in Anbetracht des Kontextes zwischen dem Teilnahmerecht bei Beweiserhebungen ( Art. 147 Abs. 1 StPO ) und dem Akteneinsichtsrecht ( Art. 101 Abs. 1 StPO ) quasi in analoger Anwendung von Art. 101 Abs. 1 StPO und in teleologischer Reduktion von Art. 147 Abs. 1 StPO eine beschuldigte Person an der Einvernahme einer mitbeschuldigten Person nur teilnehmen kann, wenn sie selber in einer Einvernahme bereits mit dem Sachverhalt konfrontiert wurde, welcher der mitbeschuldigten Person in der Einvernahme vorgehalten wird ( BGE 139 IV 25 E. 5.5.4; ablehnend ERNST REBER, Das Teilnahmerecht des Beschuldigten an Einvernahmen Mitbeschuldigter, Anwaltsrevue 2012 S. 293 ff., 299; NOLL, a.a.O., S. 46 ff., 100). Ausnahmen von der durch Art. 147 Abs. 1 StPO gewährleisteten Parteiöffentlichkeit von Beweiserhebungen können sich sodann aus verschiedenen Bestimmungen ergeben, im Besonderen aus Art. 108 Abs. 1 lit. a StPO bei begründetem Verdacht des Rechtsmissbrauchs durch eine Partei, aus Art. 146 Abs. 4 lit. a StPO im Falle einer Interessenkollision sowie aus Art. 149 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 lit. b StPO zum Schutz der einzuvernehmenden Person (siehe zum Ganzen im Einzelnen BGE 139 IV 25 E. 5.5.6-5.5.10). 4.5 Das Recht auf Teilnahme an Beweiserhebungen gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO gilt allerdings nur in demjenigen Verfahren, in BGE 141 IV 220 S. 230 welchem die Person, die das Teilnahmerecht beansprucht, Partei ist. Die beschuldigte Person kann mithin an Einvernahmen von anderen beschuldigten Personen gestützt auf Art. 147 Abs. 1 StPO nur teilnehmen, wenn diese anderen Personen im gleichen Verfahren wie sie selbst beschuldigt werden. Der Anspruch der beschuldigten Person auf Teilnahme an Beweiserhebungen gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO gilt hingegen nicht in getrennt geführten Verfahren gegen andere beschuldigte Personen. Dies hat das Bundesgericht in BGE 140 IV 172 E. 1.2 klargestellt und in den Urteilen 6B_1021/2013 vom 29. September 2014 E. 3.2 und 6B_518/2014 vom 4. Dezember 2014 E. 2 bestätigt. In getrennt geführten Verfahren kommt den beschuldigten Personen im jeweils anderen Verfahren keine Parteistellung zu. Die Einschränkung der Teilnahmerechte von beschuldigten Personen in getrennten Verfahren im Vergleich zu mitbeschuldigten Personen im gleichen Verfahren ist vom Gesetzgeber implizit vorgesehen und hinzunehmen ( BGE 140 IV 172 E. 1.2.3). Die beschuldigte Person hat gegenüber in anderen Verfahren beschuldigten Personen nur, aber immerhin das Recht, mindestens einmal Fragen zu stellen. Die Aussagen von in anderen Verfahren beschuldigten Personen können mithin nur dann zulasten einer beschuldigten Person verwertet werden, wenn diese wenigstens einmal angemessene und hinreichende Gelegenheit hatte, die sie belastenden Aussagen in Zweifel zu ziehen und Fragen an die Beschuldigten in den getrennten Verfahren zu stellen, wobei diese Personen gemäss Art. 178 lit. f StPO als Auskunftspersonen einzuvernehmen sind ( BGE 140 IV 172 E. 1.3 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung zum früheren Recht). 5. Die Vorinstanz hätte mithin im Berufungsverfahren prüfen müssen, ob und inwiefern Teilnahmerechte der Beschwerdeführerin gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO verletzt wurden. Diese Prüfung hätte ergeben, dass die Beschwerdeführerin gestützt auf Art. 147 Abs. 1 Satz 1 StPO das Recht hatte, an den Einvernahmen der im gleichen Verfahren mitbeschuldigten Personen teilzunehmen, es sei denn, dass eine Teilnahme aus den aus dem Gesetz resultierenden Gründen (vgl. E. 4 hievor; siehe dazu BGE 139 IV 25 E. 5.4 und 5.5) ausser Betracht fiel. Soweit Teilnahmerechte der Beschwerdeführerin verletzt wurden, sind Aussagen, die sie belasten, nicht verwertbar. Die Sache ist daher in Gutheissung der Beschwerde in diesem Punkt an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese wird prüfen, welche zulasten der Beschwerdeführerin berücksichtigten Aussagen zufolge BGE 141 IV 220 S. 231 Verletzung der Teilnahmerechte nicht verwertet werden dürfen und welche Konsequenzen sich daraus ergeben.
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Sachverhalt ab Seite 76 BGE 109 II 76 S. 76 A.- Mit "Konzessionsvertrag" vom 7. Oktober 1969 erteilte die Munizipalgemeinde Blatten (Kanton Wallis) den Gebrüdern Max und Jakob Zengaffinen das alleinige Recht, im Gebiet "Kühmattgand" das Flussbett der Lonza auszubeuten und das gewonnene Material zu verarbeiten. In den folgenden Jahren räumte die Gemeinde weiteren Bewerbern BGE 109 II 76 S. 77 Ausbeutungsrechte ein. Die Gebrüder Zengaffinen erblickten darin eine Verletzung ihres Konzessionsvertrages. Am 8. März 1976 beschwerten sie sich beim Staatsrat des Kantons Wallis mit dem Rechtsbegehren, es sei festzustellen, dass ihr Kiesausbeutungsrecht das gesamte Gemeindegebiet umfasse; sie verlangten ferner, dass anderweitige Ausbeutungen zu untersagen seien und die Gemeinde ihnen den Schaden zu ersetzen habe. Der Staatsrat fand am 5. Mai 1976, dass die Streitigkeit in die Zuständigkeit der Zivilgerichte falle, weshalb auf die Beschwerde nicht einzutreten sei. B.- Die Gebrüder Zengaffinen, die sich zu einer Kollektivgesellschaft zusammengeschlossen hatten, klagten daraufhin mit analogen Rechtsbegehren beim Zivilrichter. Vor dem Kantonsgericht Wallis beschränkten sie ihre Begehren auf eine Schadenersatzforderung von Fr. 201'843.80 nebst Zins. Mit Urteil vom 1./9. Juni 1982 anerkannte das Kantonsgericht seine Zuständigkeit für Streitigkeiten aus dem vertraglichen Teil der Konzession. Es wies die Klage jedoch mit der Begründung ab, das Ausbeutungsrecht der Klägerin schliesse Bewilligungen an Dritte nicht aus. C.- Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt, mit der sie an ihrem Schadenersatzbegehren festhält. Die Gemeinde Blatten beantragt, die Berufung abzuweisen.
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Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Berufung an das Bundesgericht setzt eine Zivilrechtsstreitigkeit voraus ( Art. 46 OG ). Die Parteien nehmen mit dem Kantonsgericht an, diese Voraussetzung sei gegeben. Die Frage ist von Amtes wegen zu prüfen. 2. Das angefochtene Urteil geht unter Hinweis auf die Rechtsprechung ( BGE 95 I 250 , BGE 65 I 313 E. 2, BGE 57 I 334 f.) zutreffend davon aus, die Konzession sei ein einseitiger staatlicher Hoheitsakt, dessen Inhalt Konzedent und Konzessionär unter Vorbehalt zwingenden öffentlichen Rechts frei vereinbaren könnten; damit werde die Konzession einem vertraglich begründeten Rechtsverhältnis vergleichbar. Mit dem Hinweis auf das vertragliche Element der Konzession sind jedoch, wie die vom Kantonsgericht zitierten Entscheidungen zeigen, die öffentlichrechtlichen Verträge gemeint (vgl. dazu allgemein GRISEL, Droit administratif suisse, S. 219 ff.; BGE 96 I 288 , BGE 93 I 509 ). Das Kantonsgericht BGE 109 II 76 S. 78 wendet denn auch in der Folge zu Recht Grundsätze zur Auslegung verwaltungsrechtlicher Verträge an. Das Kantonsgericht beruft sich zur Begründung seiner Auffassung, dass für den vertraglichen Teil einer Konzession die Zivilgerichte zuständig seien, auf IMBODEN/RHINOW (Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Nr. 47). Diese Autoren behandeln unter der zitierten Nummer indes "privatrechtliche Verträge"; die Konzessionen besprechen sie dagegen im Rahmen der verwaltungsrechtlichen Verträge, über die im Streitfall die Verwaltungsbehörden zu entscheiden haben (Nr. 46 B IV und VIII). Unerheblich ist sodann, dass es den Gemeinden des Kantons Wallis freisteht, den Perimeter der Konzession festzusetzen; diese Freiheit bestätigt nur das ihnen als Konzessionsbehörden zustehende pflichtgemässe Ermessen, den Vertragsinhalt zu bestimmen ( BGE 65 I 313 ). Ihr Ermessen war hier zudem dadurch beschränkt, dass der Kanton nach Darstellung der Beklagten eine Konzession in dem von der Klägerin behaupteten Ausmass gar nicht genehmigt hätte. 3. Das Kantonsgericht prüft sodann die Frage, ob der Konzessionsvertrag rechtsgültig zustande gekommen sei. Es stellt gestützt auf Art. 3 des Gesetzes vom 17. Januar 1933 betreffend das Eigentum an öffentlichen und herrenlosen Gütern fest, dass die Beklagte Eigentümerin des Bachbetts der Lonza ist und dass sie gemäss Art. 10 des Gesetzes vom 6. Juli 1932 über die Wasserläufe auch die Bewilligung zur Materialentnahme aus dem Bachbett erteilt. Dabei sind von der Gemeinde die Weisungen des kantonalen Baudepartements zu beachten, das den vorliegenden Vertrag am 9. November 1971 genehmigt hat. Dagegen ist die Genehmigung des Staatsrats, der eine solche ebenfalls für erforderlich hält, nicht eingeholt worden. Nach dem angefochtenen Urteil wäre eine Zustimmung des Staatsrats Gültigkeitserfordernis, soweit die Gemeinde den Vertrag als Vollzugsorgan der kantonalen Verwaltung geschlossen, anders dagegen, wenn sie als autonomer Herrschaftsverband gehandelt hat. Ob das eine oder andere hier zutrifft, lässt das Kantonsgericht offen, weil nach den anwendbaren zivilrechtlichen Grundsätzen der freiwilligen Erfüllung eines ungültigen Vertrages durch den Schuldner, der den Formmangel kennt, entscheidende Bedeutung zukomme. Die Auffassung der Vorinstanz, das Fehlen der staatsrätlichen Genehmigung sei unerheblich, ist gewagt (vgl. IMBODEN/RHINOW, a.a.O., Nr. 46 B VI), braucht aber nicht geprüft zu werden, zumal die Beklagte den Konzessionsvertrag im entscheidenden streitigen BGE 109 II 76 S. 79 Punkt gerade nicht erfüllt hat, was das Kantonsgericht übersieht. Dagegen macht die Argumentation der Vorinstanz deutlich, dass die Beklagte entweder als Vollzugsorgan der kantonalen Verwaltung oder als autonomer Herrschaftsverband gehandelt hat, das eine wie das andere gehört zum öffentlichrechtlichen Bereich. Nichts anderes ergibt sich nach dem Gegenstand des Vertrages, der für die Zuordnung zum privaten oder öffentlichen Recht entscheidend ist ( BGE 101 II 368 E. 2a; MEIER-HAYOZ, 3. Aufl. N. 99 und 221/222 zu Art. 664 ZGB ). Der Vertrag bezieht sich auf ein Bachbett, das unter der Hoheit des Kantons Wallis steht, vermutungsweise also kein Privateigentum zulässt, weshalb seine Ausbeutung vom kantonalen öffentlichen Recht beherrscht ist ( Art. 664 ZGB ; LIVER, in Schweizerisches Privatrecht V/1, S. 127; MEIER-HAYOZ, N. 2/3 zu Art. 664 ZGB ). Mit der Feststellung des Kantonsgerichts, das streitige Bachgebiet sei Eigentum der Beklagten, ist öffentliches Eigentum gemeint ("domaine public"); das erhellt aus der von ihm zitierten Bestimmung (zum Vorzug der französischen Fassung: VON WERRA, in ZBl 81/1980, S. 2; ebenso MEIER-HAYOZ, N. 58 zu Art. 664 ZGB ; anders BGE 81 II 271 E. 3, aufgrund einer verbindlichen Feststellung des Kantonsgerichts). Es kann daher offen bleiben, wie es sich verhielte, wenn nach kantonalem Recht Privateigentum der Beklagten gegeben wäre (zur Zulässigkeit: BGE 97 II 29 E. b und 378 E. d; vgl. auch MEIER-HAYOZ, N. 50 und 82 zu Art. 664 ZGB ), zumal damit die Berufung an das Bundesgericht nicht ohne weiteres eröffnet würde ( BGE 89 II 294 E. 2). Dem entspricht, dass die Beklagte das Kiesausbeutungsrecht in Form einer Konzession gewährt hat, wie sie das öffentliche Recht für Sondernutzungen an öffentlichem Eigentum vorsieht ( BGE 75 I 14 E. 4; LIVER, a.a.O., S. 131 f.; MEIER-HAYOZ, N. 23 und 189 ff. zu Art. 664 ZGB ; IMBODEN/RHINOW, a.a.O., Nr. 119 B II). Der streitige Vertrag enthält nichts, was die Beklagte nicht einseitig durch Verwaltungsverfügung hätte bestimmen können. Dass sie statt dieses Vorgehens, das ebenfalls Annahme seitens der Klägerin vorausgesetzt hätte, die Vertragsform wählte, ändert am Wesen der Sache nichts. Wie der Vertrag als solcher untersteht daher auch der Rechtsstreit über seine Auslegung ausschliesslich öffentlichem Recht. 4. Die Klägerin wollte den Streit vorerst auf dem Verwaltungsweg austragen. Sie wandte sich an den Staatsrat des Kantons Wallis, der in seinem Entscheid vom 5. Mai 1976 davon ausging, BGE 109 II 76 S. 80 die Beklagte habe der Kollektivgesellschaft "eine Konzession für den aussergewöhnlichen Alleingebrauch eines öffentlichen Eigentums" erteilt. Für die Frage, ob der Rechtsstreit in seine Zuständigkeit oder in jene der Zivilgerichte falle, könne jedoch nicht allein die Natur des umstrittenen Rechts massgebend sein. Vielmehr seien für gewisse öffentlichrechtliche Streitigkeiten, besonders vermögensrechtliche Ansprüche, die Zivilgerichte zuständig; das gehe darauf zurück, dass es früher keine Verwaltungsgerichtsbarkeit gegeben und das Verwaltungsverfahren dem Bürger nur einen beschränkten Rechtsschutz gewährt habe (VON WERRA, Handkommentar zum Walliser Verwaltungsverfahren, S. 25 Ziff. 12). Diese historische Betrachtungsweise dürfte hinfällig geworden sein, nachdem der Kanton Wallis auf den 2. Januar 1978 ein Verwaltungsgericht eingesetzt hat. Sie stimmt aber im Prinzip überein mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu den gemäss Art. 42 OG gegen Kantone gerichteten Zivilklagen, für die das Bundesgericht als einzige Instanz zuständig ist (vgl. BGE 92 II 212 E. 1, 80 I 244 E. 3). Keine Bedeutung kommt ihr hingegen für die Berufung gegen kantonale Urteile nach Art. 43 ff. OG zu ( BGE 92 II 212 E. 1). Die Auffassung des Staatsrates und des Kantonsgerichts, dass im Kanton Wallis die Zivilgerichte Streitigkeiten wie die vorliegende zu behandeln haben, bindet freilich das Bundesgericht im Berufungsverfahren, da sie auf kantonalem Recht beruht. Das heisst indes nicht, dass auch materiell Zivilrecht des Bundes anzuwenden und die Sache als Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne von Art. 46 OG berufungsfähig sei, wie die Vorinstanz anzunehmen scheint (MEIER-HAYOZ, N. 227 zu Art. 664 ZGB ; BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, S. 123).
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Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Auf die Berufung wird nicht eingetreten.
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Erwägungen ab Seite 246 BGE 138 III 246 S. 246 Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Jeder Aktionär kann der Generalversammlung beantragen, bestimmte Sachverhalte durch eine Sonderprüfung abklären zu lassen, sofern dies zur Ausübung der Aktionärsrechte erforderlich ist und er das Recht auf Auskunft oder das Recht auf Einsicht bereits ausgeübt hat ( Art. 697a Abs. 1 OR ). Entspricht die Generalversammlung dem Antrag, so kann die Gesellschaft oder jeder BGE 138 III 246 S. 247 Aktionär innert 30 Tagen den Richter um Einsetzung eines Sonderprüfers ersuchen ( Art. 697a Abs. 2 OR ). Entspricht die Generalversammlung dem Antrag nicht, so können Aktionäre, die zusammen mindestens 10 % des Aktienkapitals oder Aktien im Nennwert von 2 Mio. Franken vertreten, innert dreier Monate den Richter ersuchen, einen Sonderprüfer einzusetzen ( Art. 697b Abs. 1 OR ). Die Gesuchsteller haben Anspruch auf Einsetzung eines Sonderprüfers, wenn sie glaubhaft machen, dass Gründer oder Organe Gesetz oder Statuten verletzt und damit die Gesellschaft oder die Aktionäre geschädigt haben ( Art. 697b Abs. 2 OR ). 3.2 Die Sonderprüfung ist insoweit ein subsidiärer Rechtsbehelf, als vor dem Antrag in der Generalversammlung die anderen Kontrollrechte, gemeint ist das Auskunftsrecht oder das Einsichtsrecht nach Art. 697 OR , ausgeschöpft sein müssen ( Art. 697a Abs. 1 OR ). Dabei genügt die Ausübung in der Generalversammlung. Eine gerichtliche Durchsetzung des Auskunfts- oder Einsichtsanspruchs ( Art. 697 Abs. 4 OR ) wird nicht verlangt ( BGE 133 III 133 E. 3.2 S. 135). 3.3 Als weiterer Schritt ist sodann ein Antrag auf Durchführung einer Sonderprüfung in der Generalversammlung erforderlich, über den die Generalversammlung abzustimmen hat. Antrag und Abstimmung sind unverzichtbar, entscheidet doch die konkrete Beschlussfassung durch die Generalversammlung, welches Verfahren zur Anwendung gelangt: dasjenige nach Art. 697a Abs. 2 OR bei Gutheissung, dasjenige nach Art. 697b OR bei Ablehnung des Antrags. Einen direkten Weg zum Richter gibt es nicht. Vielmehr muss der Aktionär sein Anliegen zuerst der Generalversammlung unterbreiten (WEBER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 3. Aufl. 2008, N. 30 in fine zu Art. 697a OR ; BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 4. Aufl. 2009, § 16 N. 29; PAULI, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. II, 2008, N. 21 zu Art. 697a OR ; PETER V. KUNZ, Der Minderheitenschutz im schweizerischen Aktienrecht, 2001, § 12 N. 67 f.). Der Antrag auf Durchführung einer Sonderprüfung ist nicht traktandierungspflichtig ( Art. 700 Abs. 3 OR ). Er kann auch "überfallartig" erst an der Generalversammlung gestellt werden (WEBER, a.a.O., N. 29 zu Art. 697a OR ; BÖCKLI, a.a.O., § 16 N. 31). Stets gilt indessen die thematische Begrenzung des Sonderprüfungsbegehrens durch den Gegenstand des Auskunftsbegehrens ( BGE 133 III 133 E. 3.2 S. 136; vgl. dazu BGE 123 III 261 E. 3a S. 264 f.). BGE 138 III 246 S. 248 Der Verwaltungsrat ist verpflichtet, den Antrag in der Generalversammlung zur Abstimmung zu bringen. Verweigert er die Abstimmung über den Antrag auf Durchführung einer Sonderprüfung, so wird dies einer Abstimmung mit ablehnendem Ergebnis gleichgesetzt und öffnet den Weg zum Richter nach Art. 697b OR (WEBER, a.a.O., N. 31 zu Art. 697a OR ; BÖCKLI, a.a.O., § 16 N. 38; PAULI, a.a.O., N. 22 zu Art. 697a OR ; KUNZ, a.a.O., § 12 N. 69). Den Aktionär trifft insofern eine Abstimmungsverfolgungspflicht, als er an der Generalversammlung am Antrag festhalten und nötigenfalls auf einer Abstimmung beharren muss. Wenn die Abstimmung bloss faktisch unterbleibt, ohne dass eine Abstimmungsverweigerung vorliegt, gilt der Antrag nicht als abgelehnt, d.h. der Weg zum Richter steht mangels Abstimmung in der Generalversammlung nicht offen (KUNZ, a.a.O., § 12 N. 70; so wohl auch WEBER, a.a.O., N. 31 zu Art. 697a OR ; ablehnend BIANCA PAULI, Le droit au contrôle spécial dans la société anonyme, 2004, S. 109). 4. 4.1 Die Vorinstanz lehnte das Gesuch um richterliche Einsetzung eines Sonderprüfers bei den Beschwerdegegnerinnen bereits deshalb ab, weil der Beschwerdeführer weder gegenüber dem jeweiligen Verwaltungsrat (zuhanden der Generalversammlung) noch in einer Generalversammlung Anträge auf Durchführung von Sonderprüfungen bei den Beschwerdegegnerinnen gestellt habe, welche die Generalversammlungen der Beschwerdegegnerinnen abgelehnt hätten. Sie stellte fest, der Beschwerdeführer habe mit Schreiben vom 15. April 2011 von A., der bei beiden Beschwerdegegnerinnen einziger Verwaltungsrat sei, die Einberufung ausserordentlicher Generalversammlungen der beiden Gesellschaften verlangt. Nachdem er keine Reaktion auf dieses Schreiben erhalten habe, habe er sein Begehren in einem weiteren Schreiben vom 29. April 2011 wiederholt. In keinem der Schreiben habe er zuhanden der Generalversammlungen der Beschwerdegegnerinnen Anträge auf Sonderprüfung gestellt. Auch habe er darauf verzichtet, seine seitens des Verwaltungsrats unerfüllt gebliebenen Forderungen nach Einberufung ausserordentlicher Generalversammlungen gerichtlich durchzusetzen, obschon ihm dies in Anbetracht seiner behaupteten Beteiligungen von 10 % am jeweiligen Aktienkapital der Beschwerdegegnerinnen gestützt auf Art. 699 Abs. 4 OR möglich gewesen wäre. Die Nichterfüllung des vom Beschwerdeführer mit seinen beiden Schreiben vom April 2011 geltend gemachten Anspruchs auf BGE 138 III 246 S. 249 Einberufung einer ausserordentlichen Generalversammlung durch den Verwaltungsrat der Beschwerdegegnerinnen könne nicht ernsthaft mit einer Weigerung des Verwaltungsrats oder der Generalversammlung selbst gleichgesetzt werden, eine Abstimmung über einen Antrag auf Sonderprüfung durchzuführen. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Beschwerdeführer gemäss seinen eigenen Angaben und Unterlagen bis anhin noch gar keinen entsprechenden Antrag gestellt habe. Die direkte Einsetzung eines Sonderprüfers durch den Richter würde der gesetzlichen Ordnung klar widersprechen. 4.2 Der Beschwerdeführer erblickt darin eine Verletzung von Art. 697a und 697b OR . Er ist der Auffassung, dass vom Aktionär nicht verlangt werden könne, die beantragte Einberufung einer ausserordentlichen Generalversammlung gerichtlich zu erzwingen. Dies ergebe sich schon daraus, dass laut Art. 697a Abs. 1 OR jeder Aktionär - unabhängig von der Höhe seiner Beteiligung am Aktienkapital der Gesellschaft - der Generalversammlung eine Sonderprüfung beantragen könne. Demgegenüber könne die Einberufung einer Generalversammlung nur von einem oder mehreren Aktionären verlangt werden, die zusammen mindestens 10 % des Aktienkapitals vertreten ( Art. 699 Abs. 3 OR ). Auch genüge es für die Legitimation zur Anrufung des Richters nach Art. 697b OR , dass die Aktionäre Aktien im Nennwert von 2 Mio. Franken vertreten. Wenn nun bei Weigerung der Einberufung einer Generalversammlung verlangt würde, dass der Aktionär dieselbe gerichtlich durchsetzen muss, um sein Recht auf Antrag einer Sonderprüfung auszuüben, würde eben dieses Recht der Aktionäre mit weniger als 10 %-Beteiligung untergraben, weil diese die Einberufung einer Generalversammlung gar nicht erzwingen könnten. Die Auffassung der Vorinstanz sei zudem systemwidrig. So müsse weder das Erfordernis der vorgängigen Wahrnehmung des Auskunfts- oder des Einsichtsrechts noch dasjenige der Abstimmung über einen Antrag auf Sonderprüfung gerichtlich durchgesetzt werden. Es stehe in einem offenkundigen Wertungswiderspruch, wenn demgegenüber beim zweiten Schritt, der Einberufung einer Generalversammlung, eine gerichtliche Durchsetzung verlangt würde. Ein wirksamer Schutz von Minderheitsaktionären würde in vielen Fällen illusorisch, wenn dem Verwaltungsrat durch die pflichtwidrige Weigerung, eine Generalversammlung durchzuführen, eine Möglichkeit in die Hand gegeben würde, das Institut der Sonderprüfung zu unterminieren. BGE 138 III 246 S. 250 Ferner kritisiert der Beschwerdeführer den Vorwurf der Vorinstanz als haltlos, er habe in seinen Schreiben vom April 2011 keinen Antrag auf Sonderprüfung gestellt. Zum einen sei ein solcher Antrag nicht traktandierungspflichtig. Zum anderen würde es keinen Sinn machen, dem Verwaltungsrat einen solchen Antrag zu stellen, da es nicht in seiner Kompetenz liege, darüber zu entscheiden. 4.3 Es stellt sich demnach die Frage, ob am Erfordernis des Antrags auf Sonderprüfung in der Generalversammlung und der Abstimmung über den Antrag durch die Generalversammlung festzuhalten ist, wenn der Verwaltungsrat dem Begehren eines Aktionärs um Einberufung einer ausserordentlichen Generalversammlung nicht entspricht, bzw. ob ein solcher Fall der Ablehnung eines Antrags auf Sonderprüfung durch die Generalversammlung gleichzusetzen ist, so dass der Weg an den Richter nach Art. 697b OR ohne weiteres offensteht. Die Frage ist mit der Vorinstanz zu verneinen. Das Gesetz verpflichtet den Verwaltungsrat nicht, dem Begehren um Einberufung einer ausserordentlichen Generalversammlung durch einen Aktionär, der das Beteiligungserfordernis nach Art. 699 Abs. 3 OR nicht erfüllt, zu entsprechen. Und trotzdem sieht das Gesetz ausdrücklich vor, dass auch ein solcher Aktionär zwar einen Antrag auf Sonderprüfung stellen kann, dass er dies aber in der Generalversammlung tun muss ( Art. 697a Abs. 1 OR ). Offensichtlich nimmt der Gesetzgeber mit dieser Regelung in Kauf, dass der Aktionär, der das Beteiligungserfordernis nach Art. 699 Abs. 3 OR nicht erfüllt, mit seinem Antrag auf Sonderprüfung bis zur ordentlichen Generalversammlung zuwarten oder sich mit anderen Aktionären zusammentun muss, mit denen er die 10 %-Hürde erreicht, und so die Einberufung einer ausserordentlichen Generalversammlung verlangen und nötigenfalls erzwingen kann. Diese Regelung indiziert demnach entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht, bei verweigerter Einberufung einer Generalversammlung auf das Erfordernis des Antrags auf Sonderprüfung in einer Generalversammlung zu verzichten. Demnach durfte die Vorinstanz vom Beschwerdeführer, der im Übrigen das Beteiligungserfordernis von 10 % erfüllt, verlangen, dass er die beantragte, aber nicht erfolgte Einberufung der ausserordentlichen Generalversammlungen gerichtlich durchsetze. Diese Auffassung ist nicht "systemwidrig", wie der Beschwerdeführer meint. Im Gegenteil: Ein Verzicht auf den Antrag in der Generalversammlung widerspräche dem zentralen Gewicht, das dem BGE 138 III 246 S. 251 Einbezug der Generalversammlung im Verfahren der Sonderprüfung zukommt (dazu BÖCKLI, a.a.O., § 16 Rz. 26 und 29a ff.). So ist die Generalversammlung das Forum, an dem das vorgängig wahrzunehmende Auskunftsrecht ausgeübt wird, das schliesslich den Gegenstand der Sonderprüfung determiniert (vgl. E. 3.2 und 3.3). Ferner ermöglicht die Diskussion des Antrags auf Sonderprüfung in der Generalversammlung dem Verwaltungsrat, seinen Standpunkt in offener Debatte der Gesamtheit der versammelten Aktionäre darzulegen. Sodann wird es der Antrag stellende Aktionär aufgrund der Diskussion leichter haben, die nötige Minderheit zusammenzubringen, die für einen allfälligen Antrag an den Richter erforderlich ist. Schliesslich besteht auch Gelegenheit für einvernehmliche Lösungen, in deren Folge die Gerichte entlastet werden. Da in jedem Fall alljährlich einmal eine Generalversammlung stattfinden muss ( Art. 699 Abs. 2 OR ), trifft auch nicht zu, dass es der Verwaltungsrat in den Händen hätte, das Antragsrecht auf Sonderprüfung zu unterlaufen, indem er es unterlässt, eine Generalversammlung abzuhalten. Der Vorinstanz ist auch beizupflichten, dass die Weigerung des Verwaltungsrats, einem Begehren um Einberufung einer ausserordentlichen Generalversammlung stattzugeben, nicht der Ablehnung eines Antrags auf Sonderprüfung durch die Generalversammlung gleichgesetzt werden kann, zumal wenn - wie vorliegend - im entsprechenden Begehren nicht einmal zuhanden der Generalversammlung ein Antrag auf Sonderprüfung gestellt wurde. Mit letzterer Überlegung wird keineswegs verkannt, dass ein solcher Antrag nicht traktandierungspflichtig wäre. Jedoch kann nicht die Ablehnung eines Antrags unterstellt werden, wenn ein solcher nicht einmal geäussert wurde und deshalb bei der Weigerung zur Einberufung der beantragten ausserordentlichen Generalversammlung auch keine Rolle spielen konnte. Würde der Meinung des Beschwerdeführers gefolgt, könnte selbst ein einzelner Aktionär, der das Quorum nach Art. 699 Abs. 3 OR nicht erreicht, mit einem blossen Begehren um Einberufung einer ausserordentlichen Generalversammlung bei Nichtbefolgen desselben durch den Verwaltungsrat erreichen, dass der direkte Weg an den Richter nach Art. 697b OR geöffnet wird. Dies obwohl der Verwaltungsrat nicht verpflichtet ist, dem Begehren eines solchen Aktionärs um Einberufung einer ausserordentlichen Generalversammlung zu entsprechen, und weder der Verwaltungsrat noch die Generalversammlung Kenntnis davon erhält, dass der Aktionär eine Sonderprüfung anstrebt. Eine solche Lösung würde offensichtlich die BGE 138 III 246 S. 252 gesetzliche Regelung des für die Anordnung einer Sonderprüfung einzuhaltenden Verfahrens, konkret die Phase der Behandlung des Antrags in der Generalversammlung, unterlaufen und kann daher nicht unterstützt werden.
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Sachverhalt ab Seite 476 BGE 132 II 475 S. 476 X. est propriétaire de deux parcelles contiguës à Vernier, dont la surface totale est de 42'671 m 2 . Dès 1952, ces deux parcelles ont été incluses dans la 5 e zone résidentielle (zone de villas). Cette affectation a été confirmée par la loi cantonale genevoise d'application de la loi fédérale sur l'aménagement du territoire du 4 juin 1987 (LaLAT). Ces terrains se trouvent dans les environs de l'aéroport international de Genève. Le 23 octobre 2002, X. a adressé à la Commission fédérale d'estimation du 1 er arrondissement une demande d'indemnité pour expropriation matérielle. Il faisait valoir que les restrictions prévues par la législation fédérale sur la protection de l'environnement (notamment par l'art. 31 de l'ordonnance du 15 décembre 1986 sur la protection contre le bruit [OPB; RS 814.41]), dans cette région exposée au bruit du trafic aérien, avaient rendu ses deux parcelles impropres à la construction de logements. Il se référait au refus, signifié le 30 juin 2000 par le Département cantonal de l'aménagement, de l'équipement et du logement (DAEL; ci-après: le département cantonal), d'une demande préalable qu'il avait déposée en vue d'obtenir l'autorisation de construire sur ses terrains trente-neuf villas mitoyennes et douze villas individuelles. X. avait recouru en vain contre cette décision auprès de la Commission cantonale de recours en matière de constructions, cette autorité ayant considéré qu'en raison des nuisances sonores du trafic aérien, les habitants des villas projetées seraient exposés à des inconvénients graves. Le département cantonal avait ensuite, le 21 janvier 2004, refusé de délivrer l'autorisation de construire définitive requise pour la réalisation du groupe de villas. Ce refus était fondé sur l' art. 31 OPB , à cause du dépassement des valeurs limites d'exposition au bruit des aérodromes civils. Par une décision rendue le 27 mai 2005, la Commission fédérale d'estimation a dit que la demande d'indemnité n'était pas prescrite (l'Etat de Genève avait soulevé cette exception) et que les conditions du droit du demandeur à une indemnité pour expropriation matérielle étaient réunies. Un délai a été fixé à l'Etat de Genève pour se déterminer sur le montant de l'indemnité. La Commission a admis sa compétence en se référant à l'art. 44 de la loi fédérale du 21 BGE 132 II 475 S. 477 décembre 1948 sur l'aviation (LA; RS 748.0), qui prévoit l'application par analogie de la procédure d'estimation dans les cas où "la restriction de la propriété foncière par le plan de zone donne droit à une indemnité [équivalant] dans ses effets à une expropriation". Elle a retenu que l'entrée en vigueur, le 1 er juin 2001, de l'annexe 5 de l'OPB avait eu pour conséquence de supprimer la vocation à bâtir des deux parcelles litigieuses; elle a assimilé cette nouvelle norme du droit fédéral à un changement d'affectation du sol et considéré que, par rapport l'inclusion de ces terrains dans la 5 e zone lors de l'adoption en 1987 des plans annexés à la LaLAT, il s'agissait d'un déclassement constitutif d'expropriation matérielle. Agissant par la voie du recours de droit administratif, l'Etat de Genève a demandé au Tribunal fédéral d'annuler la décision de la Commission fédérale d'estimation et de débouter X. de toutes ses conclusions. Le Tribunal fédéral a admis le recours de droit administratif et annulé la décision de la Commission fédérale d'estimation.
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Erwägungen Extrait des considérants: 1. Conformément à l'art. 77 al. 1 de la loi fédérale du 20 juin 1930 sur l'expropriation (LEx; RS 711), la voie du recours de droit administratif ( art. 97 ss OJ ) est ouverte contre les décisions des commissions d'estimation. La décision attaquée, par laquelle il est statué définitivement sur le principe de l'octroi d'une indemnité, est une décision finale partielle pouvant faire l'objet d'un tel recours, et non pas une décision incidente (cf. ATF 129 II 286 consid. 4.2 p. 291, ATF 129 II 384 consid. 2.3 p. 385 - en relation avec les art. 101 let. a et 106 al. 1 OJ ). L'Etat de Genève, qui a agi en première instance en tant qu'"expropriant", a qualité pour recourir ( art. 78 al. 1 LEx ). Il y a lieu d'entrer en matière. 2. La contestation porte, en l'espèce, sur des conséquences de l'exposition des biens-fonds de l'intimé au bruit du trafic aérien. D'après la décision attaquée, des restrictions de la propriété équivalant à une expropriation résulteraient en l'espèce de l'entrée en vigueur de l'annexe 5 de l'OPB (nouvelle version) le 1 er juin 2001 (modification de l'OPB du 30 mai 2001, RO 2001 p. 1610). Le recourant conteste l'obligation d'indemniser le propriétaire intimé à cause de ces restrictions. 2.1 Dans la procédure de recours de droit administratif, le Tribunal fédéral est en principe lié par les conclusions des parties, mais pas BGE 132 II 475 S. 478 par les motifs qu'elles invoquent ( art. 114 al. 1 OJ ). En l'occurrence, l'Etat de Genève conclut à l'annulation totale de la décision attaquée. Il ne conteste pas la compétence de la Commission fédérale d'estimation mais cette question peut être examinée d'office, dans le cadre des conclusions prises, ce d'autant plus que le Tribunal fédéral est également en cette matière autorité de surveillance ( art. 63 LEx ; cf. ATF 112 Ib 538 consid. 1 p. 540). 2.2 Le droit de l'intimé (demandeur en première instance) à une indemnité pour expropriation matérielle a été reconnu dans le cadre d'une procédure d'estimation régie par la loi fédérale sur l'expropriation ( art. 57 ss LEx ). Cette procédure est en principe prévue dans les cas d'expropriation formelle; les cas d'expropriation matérielle - où il s'agit de statuer sur des prétentions à une indemnité pour des restrictions de la propriété qui équivalent à une expropriation (cf. notamment art. 26 al. 2 Cst. ) - ne sont pas directement visés par la réglementation légale de la procédure d'estimation. Certaines lois fédérales prévoient toutefois expressément la compétence de la commission fédérale d'estimation, et l'application des règles de la procédure d'estimation, dans des cas d'expropriation matérielle. Il en va ainsi, par exemple, pour les restrictions résultant de la création de zones réservées ou de l'adoption de plans d'alignement en vue de la construction de certains ouvrages (cf. art. 18 et 25 de la loi fédérale du 8 mars 1960 sur les routes nationales [LRN; RS 725.11]; art. 18u de la loi fédérale du 20 décembre 1957 sur les chemins de fer [LCdF; RS 742.101]). Dans le domaine de l'aviation, l'application "par analogie" de la procédure d'estimation des art. 57 ss LEx est également prévue, par l' art. 44 LA , au cas où un "plan de zone" - à savoir un plan des zones de sécurité ou un plan des zones de bruit, autour d'un aérodrome public ( art. 42 LA ; cf. ATF 121 II 317 consid. 12 p. 343) - entraînerait des restrictions de la propriété foncière équivalant dans leurs effets à une expropriation. La Commission fédérale d'estimation est ainsi compétente pour statuer "lorsque l'existence ou l'étendue des prétentions sont contestées" ( art. 44 al. 4 LA ); en d'autres termes, elle peut octroyer une indemnité d'expropriation matérielle. 2.3 A Genève, un plan des zones de bruit a été établi dans les années 1970 par le canton, alors concessionnaire et exploitant de l'aéroport. Ce plan a été mis à l'enquête publique en janvier 1979, approuvé par le Conseil fédéral le 8 avril 1987 puis publié le 2 BGE 132 II 475 S. 479 septembre 1987, ce qui lui a donné force obligatoire (cf. ATF 121 II 317 , p. 320 ss). A cette époque, les prescriptions régissant les plans de zones de bruit - prescriptions que le législateur avait chargé le Conseil fédéral d'adopter ( art. 42 al. 1 LA ) - étaient contenues dans l'ancienne ordonnance du 14 novembre 1973 sur la navigation aérienne (ONA). Les deux parcelles de l'intimé avaient été classées en zone de bruit B, où n'étaient pas admis les bâtiments d'habitation, même insonorisés (de tels bâtiments pouvaient en revanche être construits en zone C - cf. art. 62 al. 1 ONA; ATF 121 II 317 , p. 321). Dans sa réponse au recours de droit administratif, l'intimé fait valoir que la charge de bruit n'était en réalité, au moment déterminant, pas si importante qu'un classement en zone B fût prescrit; ses deux parcelles auraient pu être utilisées selon le régime de la zone C. Dans diverses affaires soumises au Tribunal fédéral, il a en effet été donné acte à des propriétaires fonciers voisins de l'aéroport que des terrains classés dans la zone B auraient dû finalement être inclus dans la zone C, où les restrictions imposées par l'art. 62 ONA étaient moins sévères (cf. ATF 121 II 317 consid. 12d p. 346 ss). Quoi qu'il en soit, dans la décision attaquée, la Commission fédérale n'a pas examiné la portée du plan des zones de bruit dans le cas concret; ce ne sont pas les restrictions découlant du régime de la zone B (selon le plan publié en 1987) ou de la zone C (qui, selon toute vraisemblance, auraient été applicables à partir de 1987, en fonction d'une évaluation correcte du niveau de bruit du trafic aérien) qui ont été jugées équivalentes à une expropriation, mais bien des restrictions découlant de l'application de la législation fédérale sur la protection de l'environnement, après une révision récente de l'ordonnance sur la protection contre le bruit. Précisément, l' art. 42 al. 5 LA réserve (depuis 1995) les prescriptions de la législation fédérale sur la protection de l'environnement. L'adoption d'une réglementation complète sur la protection contre le bruit, dans la loi fédérale du 7 octobre 1983 sur la protection de l'environnement (LPE; RS 814.01) puis dans l'ordonnance sur la protection contre le bruit (OPB), a amené le Conseil fédéral à abroger les dispositions qu'il avait édictées, sur la base de l' art. 42 al. 1 LA , au sujet des zones de bruit (cf. ch. III de la modification du 12 avril 2000 de l'ordonnance sur la protection contre le bruit [RO 2000 p. 1388], qui abroge les art. 40 à 47 de l'ordonnance du 23 novembre 1994 sur l'infrastructure aéronautique [OSIA; RS 748.131.1], articles qui correspondaient aux dispositions de l'ancienne ordonnance sur BGE 132 II 475 S. 480 la navigation aérienne [ONA] concernant les zones de bruit). L'exploitant d'un aéroport n'est donc plus tenu, depuis le 1 er mai 2000, d'adopter ou d'actualiser un plan des zones de bruit (cf. à ce propos ATF 130 II 394 consid. 7.2 p. 403). 2.4 Les restrictions invoquées par l'intimé, dans la présente procédure, résultent directement de l'application du droit fédéral. Il n'est pas exclu que l'entrée en vigueur d'une disposition légale, quand elle a pour effet d'empêcher la délivrance d'autorisations de construire sur un terrain classé dans une zone à bâtir par le plan d'affectation cantonal ou communal, puisse être considérée comme une mesure constitutive d'expropriation matérielle. A tout le moins, il importe de donner au propriétaire foncier concerné la possibilité d'ouvrir action et de présenter des conclusions en paiement à ce titre, notamment quand l'inconstructibilité est concrètement démontrée par le refus d'un permis de construire (cf. ATF 105 Ia 330 , où la demande d'indemnité avait été présentée après un refus d'autorisation fondée sur les anciens art. 19 et 20 LPEP ; cf. également arrêt P.312/1978 du 30 mai 1979, publié in ZBl 81/1980 p. 354 consid. 6b, où le Tribunal fédéral estime critiquable la conception selon laquelle le refus d'un permis de construire ne peut pas justifier l'ouverture d'une procédure d'expropriation matérielle; cf. ENRICO RIVA, Hauptfragen der materiellen Enteignung, Berne 1990, p. 220/221). En matière de protection contre le bruit, la législation fédérale impose, pour la construction sur un terrain classé dans la zone à bâtir, des conditions supplémentaires à celles prévues par le plan d'affectation et son règlement (cf. art. 22 al. 3 LAT [RS 700], réservant les autres conditions posées par le droit fédéral et le droit cantonal). L' art. 22 al. 1 LPE dispose que les permis de construire de nouveaux immeubles destinés au séjour prolongé des personnes ne seront en principe délivrés que si les valeurs limites d'immissions ne sont pas dépassées (des exceptions sont prévues à l' art. 22 al. 2 LPE et l' art. 31 OPB reprend cette réglementation en la précisant). Les valeurs limites d'immissions sont fixées dans des annexes à l'OPB, en fonction de la source de bruit. Pour le bruit des aérodromes civils, la fixation des valeurs limites est intervenue assez tardivement (à l'occasion d'une modification de l'OPB en 2001). Depuis lors, les conséquences de l'application des art. 22 LPE et 31 OPB sur les terrains en zone à bâtir dans les environs de l'aéroport de Genève sont en principe assez claires. Dans une zone à vocation exclusivement BGE 132 II 475 S. 481 résidentielle, cela peut rendre impossible la construction des bâtiments prévus par le plan d'affectation. 2.5 L'intimé demande, dans la présente procédure, une indemnité pour expropriation matérielle. Il ne prétend pas à une indemnité pour expropriation formelle des droits de voisinage, qui peut être allouée à certaines conditions prévues par la jurisprudence, qu'il n'y a pas lieu de rappeler ici (cf. en particulier, pour le bruit du trafic aérien autour d'un aéroport, ATF 121 II 317 ). Il faut néanmoins examiner si la possibilité d'une procédure pour expropriation formelle de droits de voisinage - parce que le bruit provient d'un aéroport national construit et exploité par une collectivité disposant du droit d'expropriation en vertu de la législation fédérale - exclut par principe une expropriation matérielle, en raison de restrictions ayant également pour origine le bruit de l'aéroport. Lorsque la législation fédérale sur l'aviation prévoyait encore l'établissement de plans des zones de bruit (cf. supra, consid. 2.3), la jurisprudence retenait que, pour les propriétaires d'immeubles exposés au bruit du trafic aérien - les nuisances entraînant soit une moins-value du bien-fonds, soit des restrictions d'utilisation -, le droit de demander une indemnité pour expropriation (formelle) des droits de voisinage n'excluait pas le droit de faire valoir des prétentions pour expropriation matérielle, sur la base de l' art. 44 LA . Le droit fédéral admettait la coexistence des deux procédures, ce régime juridique excluant toutefois un cumul d'indemnités pour un même préjudice économique (cf. ATF 110 Ib 368 consid. 2d et 2e p. 378). Ultérieurement, le Tribunal fédéral a encore examiné dans quelques arrêts la question de l'expropriation matérielle à la suite du classement d'un bien-fonds dans une zone de bruit; dans les cas qui lui ont été soumis, aucune indemnité n'a été allouée à ce titre (cf. ATF 121 II 317 consid. 11 ss p. 343 ss; ATF 122 II 17 consid. 7b p. 20; ATF 123 II 481 consid. 6 p. 487). Il n'y a cependant pas lieu de revenir dans le présent arrêt sur cette question, dès lors que la restriction litigieuse ne découle pas d'un plan des zones de bruit établi selon les art. 42 ss LA . D'une façon plus générale, la possibilité de demander une indemnité pour expropriation formelle des droits de voisinage, selon la procédure des art. 57 ss LEx , ne doit pas empêcher le propriétaire concerné d'ouvrir action en paiement d'une indemnité d'expropriation matérielle, quand bien même, concrètement, l'origine de la moins-value BGE 132 II 475 S. 482 ou des restrictions est le caractère excessif des nuisances provenant d'un ouvrage public (aéroport, route nationale, voie de chemin de fer, etc.). Cela étant, sur le fond, il faut dans tous les cas éviter un cumul d'indemnités. 2.6 La loi fédérale sur la protection de l'environnement (LPE) contient, en matière de protection contre le bruit, des normes qui doivent être appliquées par les autorités chargées de l'aménagement du territoire, soit dans le cadre de l'établissement ou de la révision des plans d'affectation soit au stade de l'autorisation de construire. Ces normes entraînent, le cas échéant, des restrictions pour les propriétaires des biens-fonds exposés au bruit. Si l'indemnité d'expropriation matérielle est demandée à cause d'une inconstructibilité résultant de l'application de l' art. 22 LPE - restriction qui se concrétise par un refus de permis de construire -, la situation présente une certaine analogie avec un déclassement d'un terrain à bâtir fondé sur l' art. 24 al. 2 LPE , disposition selon laquelle les zones à bâtir existantes mais non encore équipées, qui sont destinées à la construction de logements et dans lesquelles les valeurs de planification sont dépassées, doivent en principe être affectées à une utilisation moins sensible au bruit. En règle générale, lorsque des restrictions du droit de propriété résultent de la modification d'un plan d'affectation (cantonal ou communal), pour mettre en oeuvre la législation sur la protection de l'environnement ou pour d'autres motifs d'aménagement du territoire, il incombe à une juridiction cantonale de statuer sur les demandes d'indemnité pour expropriation matérielle, sur la base de l' art. 5 al. 2 LAT et des règles formelles du droit cantonal. Il doit en aller de même lorsque la "mesure d'aménagement" - soit une interdiction de construire certains bâtiments à usage sensible au bruit - est une conséquence directe de l'application de l' art. 22 LPE ; en pareil cas en effet, on aurait également pu concevoir une modification préalable du plan d'affectation pour adapter la réglementation à la situation concrète, en matière de nuisances. 2.7 Ainsi, d'un côté, il faut admettre en principe la compétence des juridictions cantonales pour statuer sur les prétentions des propriétaires qui soutiennent que l'application de l' art. 22 LPE provoque des restrictions équivalant à une expropriation. D'un autre côté, il y a lieu de constater que dans cette situation - qu'il faut distinguer d'un cas d'expropriation matérielle à cause des restrictions BGE 132 II 475 S. 483 imposées par les anciens plans des zones de bruit -, aucune disposition de la loi fédérale sur l'aviation (LA), de la loi fédérale sur l'expropriation (LEx) ni d'une autre loi fédérale ne prévoit la compétence de la Commission fédérale d'estimation. Or on ne saurait étendre la compétence des Commissions fédérales d'estimation au-delà des limites fixées par la loi fédérale sur l'expropriation ou par les lois spéciales qui prévoient expressément l'application de la procédure d'estimation, soit directement soit par analogie (cf. supra, consid. 2.2). Les règles sur la compétence matérielle des Commissions fédérales d'estimation sont des règles impératives. Hors des cas prévus par la loi, lorsque la contestation ne porte pas sur un cas d'expropriation formelle (dans le cadre fixé par l' art. 64 al. 1 LEx ) mais sur une indemnisation pour expropriation matérielle, la commission saisie par un propriétaire doit décliner sa compétence, nonobstant un éventuel accord des parties pour procéder devant elle (cf. ATF 121 II 436 consid. 3b p. 440; ATF 115 Ib 411 consid. 2b p. 413). Dans la présente affaire, seule la question de la compétence est litigieuse et il n'y a pas lieu d'examiner plus avant à quelles conditions l'application des art. 22 LPE et 31 OPB pourrait éventuellement justifier l'octroi d'une indemnité d'expropriation matérielle (cette question a également été laissée indécise dans d'autres arrêts: cf. ATF 126 II 522 consid. 49 p. 596; arrêt 1A.135/2000 du 1 er mai 2001, consid. 5, publié in DEP 2001 p. 454, 460 s.; cf. néanmoins, avant l'entrée en vigueur de la LAT et de la LPE, l'arrêt P.312/1978 du 30 mai 1979, publié in ZBl 81/1980 p. 354, où le Tribunal fédéral avait refusé de reconnaître un cas d'expropriation matérielle mais réservé l'éventualité d'une expropriation formelle des droits de voisinage, à propos d'un bien-fonds voisin d'une route nationale). Il convient encore de relever que la question de l'expropriation matérielle à cause de l'impossibilité de construire sur un bien-fonds exposé au bruit doit être distinguée de la question de la prise en charge des coûts de murs antibruit ou d'autres ouvrages de protection contre les nuisances, érigés dans le but d'épargner à certains propriétaires fonciers les restrictions découlant des art. 22 LPE et 31 OPB (question se posant du reste plutôt aux abords des routes et des voies de chemin de fer qu'aux environs des aéroports). Cette dernière question a été évoquée dans deux arrêts du Tribunal fédéral ( ATF 120 Ib 76 consid. 5b p. 88; ATF 132 II 371 ). Les considérations à ce sujet, notamment quant à la procédure à suivre (expropriation formelle, expropriation matérielle) ou à la portée du principe de BGE 132 II 475 S. 484 causalité ( art. 2 LPE ), ne sont pas directement pertinentes là où il n'est pas question de réaliser des ouvrages de protection contre le bruit. 2.8 Il résulte des considérants précédents que, dans le cas particulier, c'est en violation du droit fédéral que la Commission fédérale d'estimation a admis sa compétence pour statuer sur les prétentions de l'intimé. Il se justifie donc, conformément aux conclusions du recourant, d'annuler la décision attaquée. Dès lors qu'elle est incompétente, la Commission n'a pas à statuer à nouveau sur les prétentions de l'intimé, ni à transmettre d'office les actes de la procédure à une autre autorité. Il appartient à l'intimé de décider s'il entend ouvrir action devant la juridiction cantonale compétente, en observant les règles formelles du droit cantonal.
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Sachverhalt ab Seite 338 BGE 130 II 337 S. 338 Die Strafjustiz von Serbien und Montenegro ermittelt gegen X. und Mitangeschuldigte wegen Zugehörigkeit zu einer terroristischen Organisation und weiteren Straftaten. Auf Verhaftsersuchen von Interpol Belgrad hin und gestützt auf eine provisorische Haftanordnung des Bundesamtes für Justiz, Abteilung Internationale Rechtshilfe, Sektion Auslieferung (BJ), wurde X. am 14. Januar 2004 an seinem Wohnort im Kanton Glarus verhaftet und in provisorische Auslieferungshaft versetzt. Anlässlich seiner gleichentags erfolgten Befragung widersetzte sich der Verfolgte einer vereinfachten Auslieferung an Serbien und Montenegro. Am 23. Januar 2004 ersuchte die Botschaft von Serbien und Montenegro in Bern um Auslieferung des Verfolgten. Das Ersuchen wurde mit Eingaben vom 9. Februar und 22. März 2004 ergänzt. Mit Entscheid vom 7. April 2004 bewilligte das BJ die Auslieferung des Verfolgten an Serbien und Montenegro. Der Auslieferungsentscheid erging "unter dem Vorbehalt eines allfälligen bundesgerichtlichen Entscheids über die Einsprache des politischen Delikts". BGE 130 II 337 S. 339 Gegen den Auslieferungsentscheid des BJ gelangte X. mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 5. Mai 2004 an das Bundesgericht (Verfahren 1A.116/2004). Mit separater Eingabe vom 7. April 2004 stellte das BJ beim Bundesgericht den Antrag, die Einrede des Verfolgten, wonach er politisch verfolgt werde, sei abzulehnen (Verfahren 1A.80/2004). Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, tritt auf den Antrag, es sei die Einrede des politischen Deliktes abzuweisen, nicht ein und weist die Streitsache zur Neubeurteilung bzw. neuen Antragstellung zurück an das BJ.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Die Beurteilung von Auslieferungsersuchen des Staatenverbundes von Serbien und Montenegro richtet sich nach dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 (EAUe; SR 0.353.1) sowie den beiden Zusatzprotokollen zum EAUe vom 15. Oktober 1975 bzw. 17. März 1978 (SR 0.353.11-12), denen beide Staaten beigetreten sind. Soweit dem Verfolgten die Beteiligung an einer terroristischen Gruppierung vorgeworfen wird, ist sodann das Europäische Übereinkommen vom 27. Januar 1977 zur Bekämpfung des Terrorismus (EÜBT; SR 0.353.3) zu berücksichtigen, welches von beiden Staaten ebenfalls ratifiziert wurde (vgl. BGE 128 II 355 E. 1 S. 357; BGE 125 II 569 E. 9a S. 577). Das EÜBT ist für Serbien und Montenegro seit dem 16. August 2003 in Kraft. Soweit die genannten Staatsverträge bestimmte Fragen nicht abschliessend regeln, ist das schweizerische Landesrecht anwendbar, namentlich das Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG; SR 351.1) und die dazugehörende Verordnung vom 24. Februar 1982 (IRSV; SR 351.11; vgl. Art. 1 Abs. 1 lit. a IRSG ; BGE 128 II 355 E. 1 S. 357). 1.1 Der Verfolgte hat im Auslieferungsverfahren geltend gemacht, er werde aus politischen Gründen strafrechtlich verfolgt. 1.1.1 Über ausländische Auslieferungsersuchen entscheidet das BJ ( Art. 55 Abs. 1 IRSG ). Macht der Verfolgte geltend, er werde eines politischen Deliktes bezichtigt, oder ergeben sich bei der Instruktion ernsthafte Gründe für den politischen Charakter der Tat, so entscheidet das Bundesgericht darüber auf Antrag des Bundesamtes und nach Einholung einer Stellungnahme des Verfolgten ( Art. 55 Abs. 2 IRSG ; vgl. BGE 128 II 355 E. 1.1.1 S. 357 f.). Das Verfahren BGE 130 II 337 S. 340 der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ( Art. 25 IRSG bzw. Art. 97 ff. OG ) ist dabei sinngemäss anwendbar ( Art. 55 Abs. 3 IRSG ). 1.1.2 In BGE 128 II 355 hat das Bundesgericht die Zuständigkeiten für Auslieferungsfälle im Rahmen der Bundesrechtspflege präzisiert. Danach entscheidet das Bundesgericht (nur) über die Einrede des politischen Deliktes als erste und einzige Instanz. Zu den übrigen Auslieferungsvoraussetzungen hat das BJ einen erstinstanzlichen Auslieferungsentscheid zu fällen. Dieser erfolgt unter dem Vorbehalt des bundesgerichtlichen Entscheides über die Einsprache des politischen Deliktes und ist mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht anfechtbar ( BGE 128 II 355 E. 1.1.3-1.1.4 S. 358 f.). Auch in Fällen, bei denen Einreden des politischen Delikts erfolgen oder sich bei der Instruktion entsprechende Fragen stellen, hat das BJ die notwendigen Sachabklärungen hinsichtlich aller Auslieferungsvoraussetzungen vollumfänglich vorzunehmen ( BGE 128 II 355 E. 1.1.2 S. 358). 1.1.3 Im vorliegenden Fall erliess das BJ am 7. April 2004 einen Auslieferungsentscheid. Dieser erfolgte "unter dem Vorbehalt eines allfälligen bundesgerichtlichen Entscheids über die Einsprache des politischen Delikts". Gegen den Auslieferungsentscheid des BJ hat der Verfolgte am 5. Mai 2004 Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Mit separater Eingabe vom 7. April 2004 stellte das BJ beim Bundesgericht den Antrag, die Einrede des politischen Deliktes sei abzulehnen; zur Begründung verweist das BJ auf die Erwägungen des Auslieferungsentscheides. Es erfolgte in beiden Verfahren ein doppelter Schriftenwechsel. 1.1.4 Da im Beschwerdeverfahren und im Verfahren betreffend Einrede des politischen Deliktes inhaltlich konnexe auslieferungsrechtliche Fragen zu behandeln sind, rechtfertigt sich eine gemeinsame Behandlung im Rahmen des vorliegenden Urteils. Die Bestimmungen über die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sind in beiden Verfahren (sinngemäss) anwendbar ( Art. 55 Abs. 3 IRSG ). 1.2 Der Auslieferungsentscheid des BJ kann mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten werden (Art. 55 Abs. 3 i.V.m. Art. 25 Abs. 1 IRSG ). Die Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 97-114 OG sind erfüllt. 1.3 Zulässige Beschwerdegründe sind sowohl die Verletzung von Bundesrecht, inklusive Staatsvertragsrecht (einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens), als auch die Rüge der BGE 130 II 337 S. 341 unrichtigen oder unvollständigen Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts; der Vorbehalt von Art. 105 Abs. 2 OG trifft hier nicht zu ( Art. 104 lit. a-b OG ; vgl. BGE 117 Ib 64 E. 2b/bb S. 72). Soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegeben (und die staatsrechtliche Beschwerde daher ausgeschlossen) ist, kann auch die Verletzung verfassungsmässiger Individualrechte (bzw. der EMRK und des UNO-Paktes II) mitgerügt werden ( BGE 124 II 132 E. 2a S. 137; BGE 123 II 153 E. 2c S. 158 f.; BGE 122 II 373 E. 1b S. 375). 1.4 Das Bundesgericht ist an die Begehren der Parteien nicht gebunden ( Art. 25 Abs. 6 IRSG ). Es prüft die Auslieferungsvoraussetzungen grundsätzlich mit freier Kognition. Im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde befasst es sich jedoch nur mit Tat- und Rechtsfragen, die Streitgegenstand des Verfahrens bilden (vgl. BGE 123 II 134 E. 1d S. 136 f.; BGE 122 II 367 E. 2d S. 372, je mit Hinweisen). 2. Der Verfolgte erhebt die Einrede, er werde aus politischen Gründen verfolgt. Es handle sich um einen "propagandistischen Schuldvorwurf in einem politisch motivierten Prozess". Ziel des serbischen Ersuchens sei es, die kosovo-albanischen Bürgerkriegsgegner (namentlich die Nachfolgeorganisationen der UCK) sowie die durch die UNO und die OSZE eingesetzten "multiethnischen" Polizeikräfte im Kosovo (MEP) als "Terroristen" zu diskreditieren. Auch die Auslieferungsvoraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit sei nicht erfüllt. "Abgesehen von einem diffusen, politisch motivierten und schwammig gehaltenen Terrorismusvorwurf" werde aus dem Ersuchen sowie dessen Ergänzungen und Beilagen "nicht einmal ansatzweise klar, was dem Beschwerdeführer eigentlich zur Last gelegt wird". Zwar werde diesem vorgeworfen, er sei (in den Jahren 1999-2000 sowie 2002-2003) in Südserbien an Straftaten gegen serbische Sicherheitskräfte beteiligt gewesen und anschliessend in die Schweiz geflüchtet. Diesbezüglich habe der Verfolgte jedoch Alibis nachgewiesen. Die Lage in Südserbien sei nach wie vor bürgerkriegsähnlich und sehr angespannt. Dem Beschwerdeführer als Repräsentanten der verhassten und von der serbischen Regierung bekämpften albanischen Minderheit drohe in Serbien eine menschenrechtswidrige Behandlung. Die vom BJ verfügte Auslieferung verstosse gegen verschiedene Bestimmungen der EMRK und des UNO-Paktes II. 3. Die Auslieferung wird nicht bewilligt, wenn die strafbare Handlung, derentwegen sie begehrt wird, vom ersuchten Staat als eine BGE 130 II 337 S. 342 politische oder eine mit einer solchen zusammenhängende strafbare Handlung angesehen wird ( Art. 3 Ziff. 1 EAUe ; vgl. auch Art. 3 Abs. 1 IRSG ). 3.1 Gemäss Art. 2 Ziff. 1 EÜBT kann der ersuchte Staat im Falle von Auslieferungsgesuchen entscheiden, dass eine schwere Gewalttat gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die Freiheit einer Person nicht als politische oder mit einer solchen zusammen hängende Straftat angesehen wird (sofern die Tat nicht ohnehin unter Art. 1 EÜBT fällt). Analoges gilt für den Versuch, eine solche schwere Gewalttat zu begehen, oder für die Beteiligung daran als Mittäter oder Gehilfe ( Art. 2 Ziff. 3 EÜBT ). Keine politische Straftat im Sinne des EÜBT liegt namentlich bei schweren Straftaten vor, die in einem Angriff auf das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die Freiheit völkerrechtlich geschützter Personen einschliesslich Diplomaten bestehen ( Art. 1 lit. c EÜBT ). Das gleiche gilt für Entführungen, Geiselnahmen, schwere widerrechtliche Freiheitsentziehungen oder für Straftaten, bei deren Begehung eine Bombe, eine Handgranate, eine Rakete, eine automatische Schusswaffe oder ein Sprengstoffbrief oder -paket verwendet wird, wenn dadurch Personen gefährdet werden ( Art. 1 lit. d-e EÜBT ). Keine politische Straftat stellt schliesslich der Versuch dar, eine der genannten Straftaten zu begehen, oder die Beteiligung daran als Mittäter oder Gehilfe ( Art. 1 lit. f EÜBT ). 3.2 In der Praxis des Bundesgerichtes wird zwischen so genannt "absolut" politischen und "relativ" politischen Delikten unterschieden. "Absolut" politische Delikte stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit politischen Vorgängen. Darunter fallen namentlich Straftaten, welche sich ausschliesslich gegen die soziale und politische Staatsorganisation richten, wie etwa Angriffe gegen die verfassungsmässige Ordnung, Landes- oder Hochverrat ( BGE 128 II 355 E. 4.2 S. 364; BGE 125 II 569 E. 9b S. 578; BGE 115 Ib 68 E. 5a S. 85, je mit Hinweisen). Ein "relativ" politisches Delikt liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn einer gemeinrechtlichen Straftat im konkreten Fall ein vorwiegend politischer Charakter zukommt. Der vorwiegend politische Charakter ergibt sich aus der politischen Natur der Umstände, Beweggründe und Ziele, die den Täter zum Handeln bestimmt haben und die in den Augen des Rechtshilferichters vorherrschend erscheinen. Das Delikt muss stets im Rahmen eines Kampfes um die Macht im Staat begangen worden sein und in einem engen Zusammenhang mit dem Gegenstand dieses Kampfes stehen BGE 130 II 337 S. 343 ( BGE 128 II 355 E. 4.2 S. 365; BGE 125 II 569 E. 9b S. 578; BGE 124 II 184 E. 4b S. 186 ff.; BGE 117 Ib 64 E. 5c S. 89; BGE 115 Ib 68 E. 5 S. 84 ff., je mit Hinweisen; vgl. CLAUDE ROUILLER, L'évolution du concept de délit politique en droit de l'entraide internationale en matière pénale, ZStrR 103/1986 S. 24 ff.; ROBERT ZIMMERMANN, La coopération judiciaire internationale en matière pénale, 2. Aufl., Bern 2004, Rz. 385). Darüber hinaus müssen die fraglichen Rechtsgüterverletzungen in einem angemessenen Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen, und die auf dem Spiel stehenden politischen Interessen müssen wichtig und legitim genug sein, um die Tat zumindest einigermassen verständlich erscheinen zu lassen ( BGE 128 II 355 E. 4.2 S. 365; BGE 125 II 569 E. 9b S. 578). 3.3 Zu denken ist hier insbesondere an den Einsatz von illegalen Mitteln gegen diktatorische oder systematisch die Menschenrechte verletzende Regimes. Bei schweren Gewaltverbrechen, namentlich Tötungsdelikten, wird der politische Charakter in der Regel verneint. Ausnahmen könnten allenfalls bei eigentlichen offenen Bürgerkriegsverhältnissen gegeben sein, oder wenn das betreffende Delikt (etwa im Falle eines "Tyrannenmordes") das einzige praktikable Mittel zur Erreichung wichtiger humanitärer Ziele darstellen würde ( BGE 128 II 355 E. 4.2 S. 365; BGE 109 Ib 64 E. 6a S. 71 f.; vgl. ROUILLER, a.a.O., S. 31; ZIMMERMANN, a.a.O., Rz. 385 S. 431). Diese Praxis des Bundesgerichtes gilt auch bei der Prüfung der Frage, ob es sich beim Verfolgten um einen mutmasslichen Terroristen oder einen bewaffneten politischen Widerstandskämpfer handelt (vgl. BGE 128 II 355 E. 4 S. 363 f., E. 4.2 S. 365 mit Hinweisen; MARC Forster, Die Strafbarkeit der Unterstützung [insbesondere Finanzierung] des Terrorismus, ZStrR 121/2003 S. 423 ff., 430 f., 438 f.). Der heiklen Unterscheidung zwischen "legitimen" Widerstandskämpfern bzw. Bürgerkriegsparteien und Terroristen hat der Eidgenössische Gesetzgeber auch beim Erlass des neuen Art. 260 quinquies StGB (Terrorismusfinanzierung, in Kraft seit 1. Oktober 2003) Rechnung getragen. So sehen die Absätze 3 und 4 dieser Bestimmung Strafbarkeitsausschlüsse vor bei Personen, welche namentlich (das humanitäre Kriegsvölkerrecht respektierende) Bürgerkriegsparteien finanziell unterstützen oder auch Freiheitskämpfer gegen Unterdrückung und Besatzung bzw. politische Aktivisten, die zur Durchsetzung ihrer ideellen und politischen Anliegen angemessene Mittel des gewalttätigen Widerstands einsetzen (vgl. Botschaft des Bundesrates, BBl 2002 S. 5439; Kommissionspräsident BGE 130 II 337 S. 344 Ständerat Epiney, AB 2002 S S. 1080; URSULA CASSANI, Le train de mesures contre le financement du terrorisme: une loi nécessaire?, SZW 2003 S. 293 ff., 301 f.; FORSTER, a.a.O., S. 444 f.). Auch die Anwendung von Art. 260ter Ziff. 1 StGB (Unterstützung bzw. Beteiligung an einer terroristischen Organisation) verlangt eine analoge Abgrenzung zwischen Terroristen und politischen Widerstandskämpfern (vgl. Forster, a.a.O., S. 438 f., 445). Die vom Gesetzgeber - bewusst - an die Gerichte delegierte Aufgabe, zu bestimmen, was im Einzelfall eine straflose "politisch legitime" Gewaltanwendung darstelle und was nicht, muss allerdings als sehr delikat bezeichnet werden (vgl. CASSANI, a.a.O., S. 299 f., 301 f.; FORSTER, a.a.O., S. 445; s. auch Botschaft, BBl 2002 S. 5439; Ständerat Pfisterer, AB 2002 S S. 1081). 3.4 Da weder das EAUe noch das EÜBT den Begriff des politischen Deliktes näher definieren, verfügen die Vertragsstaaten hier über ein weites Ermessen. Das Bundesgericht prüft die Frage, ob ein politisches Delikt vorliegt, welches eine Auslieferung ausschliesst, mit freier Kognition ( BGE 128 II 355 E. 4.3 S. 365; BGE 125 II 569 E. 9b S. 577 f.). Das schweizerische Strafrecht unterscheidet zwischen kriminellen Organisationen ( Art. 260 ter StGB ), staatsgefährdenden rechtswidrigen Vereinigungen ( Art. 275 ter StGB ) sowie gemeinrechtlichen Formen kollektiver Kriminalität bzw. der Teilnahme an Straftaten. Unter den Begriff der kriminellen Organisationen fallen neben den mafiaähnlichen Verbrechersyndikaten auch hochgefährliche terroristische Gruppierungen. Nicht zu den kriminellen Organisationen gezählt werden hingegen (grundsätzlich) extremistische Parteien, oppositionelle politische Gruppen sowie Organisationen, die mit angemessenen (nicht verbrecherischen) Mitteln um die politische Macht in ihrem Heimatland ringen oder einen Freiheitskampf gegen diktatorische Regimes führen ( BGE 128 II 355 E. 4.3 S. 365 f.; BGE 125 II 569 E. 5c S. 574, je mit Hinweisen). (...) 6. Im vorliegenden Fall stellt sich zunächst die Frage, inwieweit die Sachdarstellung des Ersuchens und die eher knappen Sachabklärungen des BJ es dem Bundesgericht ermöglichen, die Einrede des politischen Deliktes und die übrigen (beschwerdeweise erhobenen) Auslieferungshindernisse ausreichend zu prüfen. Die Abgrenzung zwischen "legitimen" Freiheitskämpfern bzw. Bürgerkriegsparteien und mutmasslichen Terroristen gehört zu den schwierigsten Fragen des internationalen Strafrechts ("one man's terrorist is BGE 130 II 337 S. 345 ano ther man's freedom fighter"; vgl. dazu CASSANI, a.a.O., S. 299 f., 301 f.; FORSTER, a.a.O., S. 430 f., 433 f., 438 f.; LAURENT MOREILLON/ FRÉDÉRIQUE DE COURTEN, La lutte contre le terrorisme et les droits du suspect, ZStrR 121/2003 S. 117 ff., 118 f.; YVES SANDOZ, Lutte contre le terrorisme et droit international: risques et opportunités, RSDIE 2002 S. 319 ff., 353; TOBIAS SCHRADER, Terrorismus und das Problem seiner Definition, Kriminalistik 56/2002 S. 570 ff., 570-572). Dies gilt besonders im vorliegenden Fall bzw. vor dem Hintergrund des serbisch-kosovarischen Bürgerkrieges. Die Zulässigkeit einer allfälligen Auslieferung eines angeblichen "Terroristen" an Serbien-Montenegro, dem vorgeworfen wird, er habe der kosovo-albanischen Widerstandsbewegung UCK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen nahe gestanden und sich dabei an Straftaten gegen serbische Sicherheitskräfte beteiligt, kann nur auf der Basis von eingehenden Sachabklärungen beurteilt werden. 6.1 Im vorliegenden Fall sind höhere Anforderungen an die Verlässlichkeit und Genauigkeit des Ersuchens zu stellen als in den üblichen Fällen der Auslieferung wegen gemeinrechtlichen Straftaten (wie z.B. Drogen- oder Vermögensdelikten) ohne starke politische Konnotation und an Staaten, die keine (nur wenige Jahre zurückliegende) Bürgerkriegsgeschichte zu bewältigen haben. Zwar weist das BJ darauf hin, dass das Bundesgericht bereits im Jahre 2003 eine Auslieferung an Serbien und Montenegro bewilligt habe. Beim zitierten Entscheid handelte es sich allerdings um die Auslieferung eines rechtskräftig verurteilten mehrfachen Vergewaltigers (Urteil 1A.159/2003 vom 15. September 2003). Im Rahmen der Rechtshilfevoraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit muss die Sachdarstellung des Ersuchens namentlich die Prüfung ermöglichen, ob sich die Ermittlungen wegen angeblich "terroristischer" Umtriebe gegen eine terroristische Organisation im Sinne von Art. 260 ter Ziff. 1 StGB richten (vgl. BGE 128 II 355 E. 2.2-2.6 S. 360-363). Der vorliegende Fall verlangt aber auch die Ausleuchtung des politischen und völkerrechtlich-humanitären Kontextes. Weder darf die internationale Rechtshilfe in Strafsachen zu politischen Zwecken missbraucht werden, noch dürfen Hinweise auf den angeblich politischen Charakter einer Strafverfolgung dazu führen, dass Schwerkriminelle oder Terroristen von Strafverfolgung verschont bleiben. 6.2 Im angefochtenen Entscheid wird die Sachverhaltsdarstellung des Ersuchens wie folgt zusammengefasst: In den Jahren 1999-2000 bzw. ab 2002 habe der Verfolgte den "terroristischen BGE 130 II 337 S. 346 Organisationen" OVPMB bzw. ANA ("Albanian National Army"/"Armée nationale albanaise") angehört. Mit den Mitgliedern dieser Organisationen habe er "einen ständigen Telefonkontakt aufrecht erhalten" und "vor allem eine beratende Rolle gespielt". Ausserdem habe er "seine Gesprächspartner zur Ausführung konkreter terroristischer Aktionen gegen Angehörige des Sicherheitsdienstes in Südserbien angestiftet und diese Aktionen vorbereitet bzw. koordiniert". Auch sei der Verfolgte "für die Bereitstellung von Geldmitteln zur Beschaffung von Ausrüstung sowie Waffen und Munition zuständig gewesen". Am 3. Februar 2003 habe die Organisation ANA "in Serbien einen Sicherheitsbeamten getötet". Die Täter hätten sich "danach im Haus des Verfolgten versteckt". Mitglieder der ANA hätten ausserdem am 2. März und 23. September 2003 "in Serbien Sprengkörper an verschiedenen Orten angebracht, welche in der Folge nicht explodiert" seien. Dem Verfolgten werde allerdings "keine direkte Tatbeteiligung" an konkreten terroristischen Straftaten vorgeworfen. (...) 7. Es fragt sich, ob ausreichend abgeklärt ist, in welchem speziellen Kontext die Tatvorwürfe gegen den Verfolgten stehen. 7.1 Bei den Opfern der als "terroristisch" eingestuften "Untergrundaktionen" und Anschläge der ANA handelt es sich (nach Darstellung des Ersuchens) in erster Linie um Angehörige der serbischen Polizei- und Militärstreitkräfte in Südserbien. Angeschuldigt werden von serbischer Seite primär kosovo-albanische Sicherheitskräfte Südserbiens bzw. der "autonomen Provinz" Kosovo, nämlich Angehörige der von UNO/UNMIK, OSZE/OMIK und NATO/KFOR ab Mai 2001 eingesetzten und überwachten "multiethnischen" Polizei (MEP/"UNMIK Police"), die überwiegend aus ethnischen Albanern und teilweise auch aus Serben zusammengesetzt ist. Unbestrittenermassen sind vier der Mitbeschuldigten Angehörige der "multiethnischen" Polizeikräfte. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwieweit die ehemaligen Bürgerkriegsparteien (kosovo-albanischer Widerstand und kosovarische Polizei sowie serbische Sicherheitskräfte) und deren Nachfolgeorganisationen sich gegenseitig gewaltsamer bzw. "terroristischer" Aktivitäten im südserbischen Krisengebiet bezichtigen. Aber auch bei der Prüfung der beidseitigen Strafbarkeit bleiben wesentliche Fragen offen. So ist nicht ausreichend abgeklärt, ob die BGE 130 II 337 S. 347 Organisationen, die der Verfolgte angeblich unterstützte bzw. denen er angehört haben soll (1999-2000 OVPMB bzw. UCPMB, ab 2002 ANA) aufgrund von verlässlichen Informationen überhaupt als "terroristisch" eingestuft werden können. Trotz entsprechenden Nachfragen des BJ haben die serbischen Behörden keine Informationen zum Aufbau und zur Struktur der Organisationen OVPMB und ANA vorgelegt. Nach Angaben des Bundesamtes für Polizei (Dienst für Analyse und Prävention) hat die ANA "keine einheitliche militärisch-operative Führung". Über die Strukturen der OVPMB "liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor". Die ursprüngliche UCK kann kaum als "terroristisch" bezeichnet werden, zumal es sich dabei unbestrittenermassen um eine völkerrechtlich anerkannte Bürgerkriegspartei handelte. Namentlich war die Führung der UCK (zusammen mit anderen Repräsentanten der kosovo-albanischen Bevölkerung) als offizielle Verhandlungspartei an den (fehlgeschlagenen) Friedensgesprächen von Rambouillet im Februar 1999 beteiligt. Auch die Gleichstellung der Nachfolgegruppierungen OVPMB und ANA mit terroristischen Organisationen wie den italienischen "Brigate Rosse" oder der baskischen ETA erscheint problematisch. Zwar verweist das BJ auf einen Bericht des Bundesamtes für Polizei, wonach Politiker der US-Regierung und ein ehemaliger Leiter der UNO-Verwaltung im Kosovo die Nachfolgeorganisation ANA angeblich als "terroristisch" bezeichnet hätten. Es sind zu diesen Fragen jedoch keine Berichte der zuständigen internationalen Gremien (UNO, OSZE, ICTY) bzw. von deren Terrorismusexperten beigezogen worden, welche z.B. über die zuständigen Dienste des EDA eingeholt werden könnten. Verlässliche Informationen zur Struktur und zum Aufbau von OVPMB und ANA liegen wie erwähnt nicht vor. 7.2 Näher zu prüfen ist, ob die Vorwürfe gegen den Verfolgten politisch motiviert sein könnten und ob sie die Beurteilung der beidseitigen Strafbarkeit erlauben. Die im Ersuchen dargelegten Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei den fraglichen albanischen Gruppierungen um terroristische Organisationen im Sinne des schweizerischen und internationalen Strafrechts handelt, müssen als vage bezeichnet werden. Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei den Hauptbetroffenen der als "terroristisch" eingestuften Untergrundaktionen und Anschläge der ANA nach Darstellung des Ersuchens um serbische Sicherheitskräfte. Angeschuldigt werden von serbischer Seite vorwiegend BGE 130 II 337 S. 348 kosovo-albanische Sicherheitskräfte, nämlich Angehörige der ab 2001 von UNMIK und OSZE eingesetzten "multiethnischen" Polizei (MEP). Vier der Mitbeschuldigten (bzw. die Hauptangeschuldigten) sind unbestrittenermassen Angehörige dieser multiethnischen Polizeikräfte. Gemäss dem bei den Akten liegenden Kosovo-Bericht des U.S. State Department vom 25. Februar 2004 sei es vor allem der Einsetzung der "multiethnischen" Polizei zu verdanken, dass es ab 2002 zu einer starken Abnahme von Übergriffen der (ehemals serbischen) Polizei gegen ethnische Albaner in Südserbien gekommen ist. Bei der vorliegenden Strafuntersuchung stehen sich somit faktisch die ehemaligen Bürgerkriegsparteien gegenüber. 7.3 Dem Verfolgten wird sodann keine direkte Tatbeteiligung an konkreten terroristischen Straftaten vorgeworfen (vgl. auch angefochtener Entscheid, S. 7 in fine). Vielmehr habe ein Mitbeschuldigter die Polizistenattentäter am 3. Februar 2003 für einen Tag im Haus des Verfolgten "untergebracht". Unklar erscheint auch, ob das betreffende Haus sich in Bujanovac oder in Veliki Trnovac befindet. Dem Verfolgten wird zwar die logistische Unterstützung der albanischen Organisationen OVPMB und ANA vorgeworfen. Nähere Informationen dazu sind jedoch gemäss den Angaben der serbischen Behörden nicht vorhanden. Dies gilt namentlich für die Art und Weise, die Umstände oder die Zeitpunkte der mutmasslichen Beschaffung von Geldmitteln und Waffen. Die vagen und teilweise widersprüchlichen Angaben im Ersuchen und dessen Ergänzungen kontrastieren mit den Medienmitteilungen der serbischen Regierung, wonach es sich beim (mit vollem Namen genannten) Verfolgten um den "main financier" und "mastermind of terrorism in Southern Serbia" handle. Sachdienliche Angaben dazu oder zum persönlichen, beruflichen und politischen Umfeld des Verfolgten bzw. zu seinem Werdegang und Verhalten in seiner Heimat und in der Schweiz enthält auch der angefochtene Entscheid nicht. Ebenso wenig wurden Informationen (etwa bei der UNMIK/OMIK) über die Hauptangeschuldigten eingeholt, bei denen es sich unbestrittenermassen um Angehörige der MEP handle. 7.4 Art. 12 Ziff. 2 lit. b EAUe bestimmt, dass Zeit, Ort und Umstände der Begehung der fraglichen Delikte "so genau wie möglich" anzugeben seien. Im vorliegenden Fall weisen die dem Verfolgten vorgeworfenen Delikte zweifelsohne einen politischen Konnex auf. Es sind daher erhöhte Anforderungen an die Ausführlichkeit, Widerspruchsfreiheit und Verlässlichkeit des Ersuchens BGE 130 II 337 S. 349 zu verlangen. Zum einen erscheint dies erforderlich, damit die Einrede des politischen Deliktes sachgerecht beurteilt werden kann (vgl. oben, E. 3). Zum andern sind nähere verlässliche Angaben notwendig, um - im Falle einer Auslieferung - gegenüber dem ersuchenden Staat genau festlegen zu können, für welche Straftaten die Auslieferung erfolgt (vgl. BGE 128 II 355 E. 2.2-2.6 S. 360-363). Das vorliegende Ersuchen und seine (sich teilweise widersprechenden) Ergänzungen genügen diesen Anforderungen nicht. Dieser Mangel kann nicht dadurch wettgemacht werden, dass die Auslieferung mit dem Hinweis versehen wird, die serbischen Behörden dürften den Verfolgten wegen allfälliger politischer Hintergründe nicht verfolgen oder bestrafen. Ohne ausreichende Abklärungen zum Sachverhalt ist es im vorliegenden kontroversen Fall nicht möglich, die Einrede des politischen Deliktes zu beurteilen (vgl. BGE 128 II 355 E. 4.2 S. 365, E. 4.3 S. 365 f.). Ebenso wenig kann geprüft werden, inwieweit hier das Rechtshilfeerfordernis der beidseitigen Strafbarkeit erfüllt ist. Dies gilt namentlich für die Tatbestandsmerkmale von Art. 260 ter Ziff. 1 StGB (vgl. BGE 128 II 355 E. 2.2-2.6 S. 360-363) oder Art. 260 quinquies StGB (vgl. dazu FORSTER, a.a.O., S. 443 ff.). 7.5 Im vorliegenden Fall bedürfte auch die Frage des Alibis weiterer Abklärungen. Im Ersuchen wird dem Verfolgten die Beteiligung an "terroristischen" Aktivitäten in Südserbien im Zeitraum von 3. Februar bis 9. März 2003 bzw. 23. September 2003 vorgeworfen. Wie im angefochtenen Entscheid eingeräumt wird, hat der Verfolgte diesbezüglich Alibis geltend gemacht und dokumentiert. Insbesondere will er sich an den fraglichen Daten nicht in Serbien, sondern nachweisbar an seinem Wohn- und Arbeitsort in der Schweiz aufgehalten haben. Das BJ verweist darauf, dass die serbischen Behörden über die Alibihinweise "informiert" worden seien; "ein Rückzug des Auslieferungsersuchens" sei jedoch nicht erfolgt. Das BJ vertritt die Auffassung, selbst wenn sie zuträfen, änderten die Alibis nichts an der Zulässigkeit der Auslieferung, da sie sich nicht auf sämtliche Anklagepunkte bezögen. Diese Argumentation greift zu kurz. Alibis für die Tatvorwürfe im Jahre 2003 könnten zumindest zu einer Begrenzung der Rechtshilfe (auf die allfälligen verbleibenden Anklagepunkte) führen. Im Übrigen ist aufgrund der vorliegenden Akten darauf hinzuweisen, dass BGE 130 II 337 S. 350 bei einem Wegfall der Tatvorwürfe betreffend das Jahr 2003 nur noch sehr vage und strafrechtlich kaum qualifizierbare Vorwürfe gegen den Verfolgten übrig blieben. Nähere Angaben zur angeblichen logistischen Unterstützung (Art und Weise - insbesondere Zeitpunkte und Bezugskanäle - der Beschaffung von Geld und Waffen) werden im Ersuchen und dessen Ergänzungen nicht gemacht. Die ersuchende Behörde hat demgegenüber das Protokoll der untersuchungsrichterlichen Einvernahme eines Mitangeschuldigten vom 1. Oktober 2003 eingereicht. Danach habe es sich beim Verfolgten "sicher nicht" um ein Mitglied der ANA gehandelt. 7.6 Schliesslich ist auch auf alarmierende Berichte des UNHCR, der OSZE und von diversen Menschenrechtsorganisationen aus den Jahren 2003 und 2004 hinzuweisen über verschiedene Fälle von menschenrechtswidriger erniedrigender Behandlung durch serbische Polizeikräfte, namentlich gegen inhaftierte mutmassliche kosovo-albanische Nationalisten und Extremisten. Aus dem Rechtshilfedossier ergeben sich sodann ernsthafte Anhaltspunkte für die Befürchtung, dass im vorliegenden Fall Mitbeschuldigte des Verfolgten im serbischen Polizeigewahrsam massiv misshandelt wurden. Daher ist die Menschenrechtslage in Serbien und Montenegro - im Hinblick auf die politische Relevanz der erhobenen Tatvorwürfe - näher abzuklären. 7.7 Nach dem Gesagten können aufgrund des Ersuchens und der vorliegenden Akten weder die Einrede der politischen Verfolgung noch die übrigen geltend gemachten Auslieferungshindernisse ausreichend geprüft werden. Dies gilt namentlich für die Rechtshilfevoraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit. Was die Einrede des politischen Deliktes betrifft, so hat zwar das Bundesgericht erstinstanzlich darüber zu entscheiden. Es ist jedoch nicht Aufgabe des Bundesgerichtes, in Auslieferungsfällen die notwendigen Sachabklärungen selber zu treffen. Auch in Fällen, bei denen Einreden des politischen Delikts erfolgen oder sich bei der Instruktion entsprechende Fragen stellen, hat daher das zuständige BJ tatsächliche Abklärungen hinsichtlich aller Auslieferungsvoraussetzungen vollumfänglich vorzunehmen (vgl. BGE 128 II 355 E. 1.1.2 S. 358). Wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, drängen sich im vorliegenden Fall weitere Sachabklärungen auf. Die Beschwerde ist daher gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben. Auf den Antrag des BJ, es sei die Einrede des BGE 130 II 337 S. 351 politischen Deliktes abzuweisen, kann zurzeit nicht eingetreten werden. Das Rechtshilfedossier ist zu ergänzenden Sachverhaltsabklärungen, zur Neubeurteilung (betreffend Auslieferungsvoraussetzungen) und zur neuen Antragstellung (betreffend die Einrede des politischen Delikts) an das BJ zurückzuweisen.
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Sachverhalt ab Seite 410 BGE 98 Ia 409 S. 410 A.- Am 24. September 1971 fand in der Gemeinde Berneck eine ausserordentliche Gemeindeversammlung statt, die von 220 stimmberechtigten Einwohnern besucht wurde. Eines der Traktanden war der Erlass einer neuen Gemeindeordnung; der Gemeinderat legte einen Entwurfvor, der abschnittweise beraten wurde. Art. 3 des Entwurfs enthielt unter der Überschrift "Amtliche Publikationsorgane" folgenden Text: "Amtliche Publikationsorgane sind: a) ,Der Rheintaler' b) ,Rheintaler Volksfreund' (Ostschweiz)." An der Versammlung stellte Lehrer Markus Züst den Antrag, es sei ein gemeindeeigener Anzeiger zu schaffen, damit die amtlichen Publikationen in einem politisch und konfessionell neutralen Blatt veröffentlicht werden könnten. Dieser Gegenantrag wurde aber mit grosser Mehrheit abgelehnt. Die Gemeindeordnung (GO) wurde am Schluss der Beratung mit allen gegen zwei Stimmen angenommen. B.- Markus Züst focht Art. 3 GO mit Kassationsbeschwerde beim Regierungsrat des Kantons St. Gallen an. Er rügte eine Verletzung der Pressefreiheit, der Vereinsfreiheit, der Meinungsfreiheit, der Rechtsgleichheit und der persönlichen Freiheit. Die beiden in Art. 3 GO als einzige amtliche Publikationsorgane bezeichneten Zeitungen hätten politischen Charakter, und zwar sei der "Rheintaler" eine freisinnige und der "Rheintaler Volksfreund" (Kopfblatt der "Ostschweiz") eine der christlichdemokratischen Volkspartei nahestehende Zeitung. Dadurch, dass der Bürger praktisch gezwungen werde, eine dieser beiden Zeitungen zu abonnieren, werde er in den erwähnten verfassungsmässigen Rechten verletzt. C.- Der Regierungsrat wies die Kassationsbeschwerde mit Entscheid vom 25. November 1971 ab. D.- Hiegegen führt Markus Züst staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, Art. 3 GO sowie der Beschwerdeentscheid des BGE 98 Ia 409 S. 411 Regierungsrates seien aufzuheben. Er rügt eine Verletzung der Meinungsfreiheit, der Vereinsfreiheit, der persönlichen Freiheit sowie des Art. 4 BV . In der Beschwerdebegründung weist er u.a. darauf hin, dass er die "Ausschliesslichkeit der Publikation in den beiden Parteiorganen" beanstande. Ein Verstoss gegen Art. 4 BV liesse sich vermeiden, wenn die amtlichen Mitteilungen nicht bloss in den beiden Zeitungen, sondern zusätzlich entweder in einem neutralen Gemeindeblatt oder an einem Anschlagbrett publiziert würden, wobei im letztern Falle die Publikationen jeweils an einem bestimmten Wochentag, etwa am Freitag, zu erscheinen hätten. E.- Nachdem der Regierungsrat des Kantons St. Gallen von der staatsrechtlichen Beschwerde Kenntnis erhalten hatte, wies er die Gemeinde Berneck mit Beschluss vom 1. Februar 1972 an, "amtliche Mitteilungen, die in den amtlichen Publikationsorganen erscheinen, auch durch öffentlichen Anschlag zur allgemeinen Kenntnis zu bringen". Zur Begründung des Beschlusses führte der Regierungsrat aus, zwar werde durch den angefochtenen Art. 3 GO keines der angerufenen Verfassungsrechte verletzt; doch könne die ausschliessliche Publikation amtlicher Mitteilungen in den beiden Publikationsorganen faktisch zu rechtswidrigen Zuständen und Rechtsunsicherheit führen, da die Möglichkeit bestehe, dass im konkreten Falle eine amtliche Mitteilung nicht zur allgemeinen Kenntnis und insbesondere auch nicht zur Kenntnis eines allfällig Betroffenen gelange. Aus diesem Grunde erachte der Regierungsrat die erwähnte Anweisung als zweckmässig. Den Ausführungen in der staatsrechtlichen Beschwerde nach zu schliessen, könne sich auch der Beschwerdeführer mit dieser Lösung einverstanden erklären. In seiner Vernehmlassung an das Bundesgericht stellte der Regierungsrat den Antrag, es sei die staatsrechtliche Beschwerde "mit Rücksichtnahme auf die getroffene Anordnung" abzuweisen. Der Gemeinderat Berneck schloss sich der Stellungnahme des Regierungsrates an. F.- In einer Eingabe vom 16. Februar 1972 nahm der Beschwerdeführer zum regierungsrätlichen Beschluss vom 1. Februar 1972 Stellung und erklärte, dass er an der staatsrechtlichen Beschwerde festhalte, da auch die jetzt geltende Regelung verfassungswidrig sei. BGE 98 Ia 409 S. 412
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Erwägungen Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab aus folgenden Erwägungen: 1. Im kantonalen Verfahren hat der Beschwerdeführer lediglich die durch Art. 3 GO erfolgte Bezeichnung zweier Zeitungen als amtliche Publikationsorgane angefochten, ohne dabei je geltend zu machen, dass die Publikationen am Anschlagbrett ungenügend seien. Für den Regierungsrat bestand daher kein Anlass, diese Frage im Rahmen des Kassationsverfahrens näher zu prüfen. Der Einwand, dass jedenfalls die Publikationen am Anschlagbrett zu vervollständigen seien, wird erstmals in der staatsrechtlichen Beschwerde erhoben, und auch die Mitteilung der Gemeindekanzlei Berneck vom 23. Dezember 1971, aus der hervorgeht, dass gewisse Publikationen bis anhin nur in den Zeitungen erschienen, lag dem Regierungsrat bei der Beurteilung der Kassationsbeschwerde nicht vor. Neue Vorbringen sind im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren nur unter gewissen Voraussetzungen zulässig ( BGE 94 I 132 E. 5, 655 oben, mit Hinweisen). Wie es sich vorliegend verhält, kann indessen dahingestellt bleiben. Entscheidend ist, dass der Regierungsrat selber jenem neuen Einwand Rechnung getragen hat, indem er die Gemeinde nachträglich anwies, alle in den Zeitungen erscheinenden amtlichen Mitteilungen auch am Anschlagbrett zu publizieren. Das hat zur Folge, dass das Bundesgericht nurmehr noch die Rechtslage prüft, wie sie sich nach Erlass dieser Anweisung darbietet. Sie steht mit den erhobenen Verfassungsrügen in einem unmittelbaren Zusammenhang; ob die Wahl der beiden Tageszeitungen als amtliche Publikationsorgane verfassungsrechtlich zulässig war, hängt u.a. davon ab, welche anderen Publikationsmittel der Gemeinde zur Verfügung stehen und von ihr benützt werden. Insoweit führt die ergangene Anweisung wenn nicht zu einer Abänderung, so doch zu einer Ergänzung des angefochtenen Beschwerdeentscheides. Ob dieser auch ohne die zusätzliche Anweisung vor den erhobenen Verfassungsrügen standhalten würde, kann offen bleiben, da der Beschwerdeführer an der Beantwortung dieser Frage kein genügendes aktuelles Interesse mehr hat (BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, S. 376). 2. Den im kantonalen Verfahren erhobenen Vorwurf der Verletzung der Pressefreiheit hält der Beschwerdeführer nicht mehr aufrecht. Hingegen rügt er eine Verletzung der Meinungsfreiheit. BGE 98 Ia 409 S. 413 Als Meinungsbildungsfreiheit schütze dieses Grundrecht den Bürger auch davor, bestimmte Informationen zwangsweise zur Kenntnis nehmen zu müssen. Wer in den beiden Publikationsorganen der Gemeinde Berneck nach amtlichen Mitteilungen suche, komme nicht darum, auch den politischen Teil der Zeitungen oder jedenfalls andere als amtliche Inserate zur Kenntnis zu nehmen. Dies verstosse gegen die Meinungsbildungsfreiheit, die, ebenso wie die Meinungsäusserungsfreiheit, vom Bundesgericht als ungeschriebenes Grundrecht der Bundesverfassung anerkannt werden müsse. Dieser Rüge ist durch die regierungsrätliche Anweisung, wonach alle in den beiden Zeitungen erscheinenden amtlichen Mitteilungen auch öffentlich anzuschlagen sind, der Boden entzogen worden. Der behauptete Zwang, eine politische Zeitung abonnieren und lesen zu müssen, besteht damit nicht mehr. Zwar beanstandet der Beschwerdeführer, dass der Regierungsrat die Gemeinde nicht auch angewiesen habe, die Mitteilungen jeweils an einem bestimmten Wochentag im Anschlagkasten zu publizieren, so dass der interessierte Bürger sich nur einmal je Woche an den Anschlagkasten begeben müsste, was, auch nach Auffassung des Beschwerdeführers, eine zumutbare Belastung wäre. Dieser nachträgliche Einwand ist indessen gegenstandslos. Auch wenn der Regierungsrat bezüglich Zeitpunkt und Dauer der öffentlichen Anschläge keine bestimmte Anweisung gegeben hat, versteht es sich doch von selbst, dass die Anschläge eine gewisse Zeit, jedenfalls mindestens eine Woche, im Anschlagkasten zu belassen sind. In gewissen Fällen ist eine längere Dauer des Anschlags sogar ausdrücklich vorgeschrieben (vgl. z.B. Art. 154 der Zivilstandsverordnung). Daraus folgt, dass ein wöchentlicher Gang an den Anschlagkasten genügt, um von sämtlichen amtlichen Mitteilungen Kenntnis zu erhalten. Dass ihm hiezu die Zeit fehle, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet, und zur Rüge, es werde die Meinungsfreiheit anderer Personen verletzt, fehlt ihm die Legitimation. Unter diesen Umständen besteht für das Bundesgericht kein Anlass, sich zur Frage zu äussern, ob die als ungeschriebenes Grundrecht anerkannte Meinungsfreiheit nicht nur das Recht der freien Meinungsäusserung umfasst, sondern darüber hinaus auch jenen negativen Inhalt hat, den ihr der Beschwerdeführer beilegt (vgl. BGE 97 I 896 E. 4, BGE 96 I 592 E. 6, 224, BGE 91 I 486 , BGE 87 I 117 ; SALADIN, Grundrechte imWandel, S.74 ff.). BGE 98 Ia 409 S. 414 3. Dasselbe gilt sinngemäss für die Rüge der Verletzung der Vereinsfreiheit. Dass der "Rheintaler" eine freisinnige und der "Rheintaler Volksfreund" (Kopfblatt der "Ostschweiz") eine der CVP nahestehende Zeitung ist, ist unbestritten. Der Beschwerdeführer qualifiziert die Abonnementskosten als indirekte Vereinsbeiträge an die politischen Parteien, denen diese Blätter dienen. Er macht geltend, die Vereinsfreiheit umfasse nicht nur das Recht auf freie Vereinsbildung, sondern auch die Freiheit, keinem Verein beitreten und keinen solchen finanziell oder sonstwie in seiner Tätigkeit unterstützen zu müssen. Wie es sich damit verhält, braucht das Bundesgericht nicht weiter zu prüfen, da der Beschwerdeführer, wie dargelegt, weder rechtlich noch tatsächlich gezwungen ist, eine der beiden politischen Zeitungen zu abonnieren oder zu lesen. Der Beschwerdeführer wirft dem Regierungsrat in diesem Zusammenhang eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs vor, da der Einwand, die Abonnementskosten stellten indirekte Vereinsbeiträge dar, in den Erwägungen des angefochtenen Beschwerdeentscheides übergangen worden sei. Die Rüge ist unbegründet. Der Regierungsrat ging im angefochtenen Entscheid davon aus, dass die Vereinsfreiheit lediglich das Recht umfasse, sich mit andern zu einem Verein zusammenzuschliessen; den vom Beschwerdeführer behaupteten negativen Gehalt des Grundrechtes lehnte er ab. Damit war dem Einwand, durch die angeblich erzwungene Unterstützung politischer Parteien werde die Vereinsfreiheit verletzt, zum vornherein der Boden entzogen, so dass sich der Regierungsrat, wenn er die erwähnte Rüge nicht mehr ausdrücklich behandelte, keiner Gehörsverweigerung schuldig machte. Ob die Auffassung des Regierungsrates richtig war, kann nach dem Gesagten offen bleiben. 4. Auch die Rüge der Verletzung der persönlichen Freiheit erweist sich als unbegründet. Von einem unmittelbaren staatlichen Eingriff in die persönliche Integrität des Einzelnen, wie er zum Beispiel bei zwangsweisem Blutentzug, Verhaftung oder Anstaltseinweisung vorliegt, kann hier zum vornherein keine Rede sein, weshalb sich auch die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage der gesetzlichen Grundlage und des öffentlichen Interesses gar nicht stellt. Es könnte sich höchstens fragen, ob die angefochtene Regelung mittelbar oder faktisch einen Zustand zur Folge hat, der mit der Grundidee der persönlichen BGE 98 Ia 409 S. 415 Freiheit unvereinbar wäre (vgl. dazu BGE 97 I 49 ff., BGE 90 I 34 ff.). Auch dies ist ohne weiteres zu verneinen. Der Gemeindeeinwohner, der die amtlichen Mitteilungen erfahren will, ist nicht gezwungen, eine politische Zeitung zu abonnieren; er kann die Mitteilungen auch am Anschlagkasten ablesen, und ein wöchentlicher Gang zur Gemeindekanzlei ist demjenigen, der die amtlichen Bekanntmachungen aus irgendeinem Grunde nicht den beiden Zeitungen entnehmen will, unter dem Gesichtspunkt der persönlichen Freiheit durchaus zumutbar. Der Einzelne kann im übrigen auch darauf verzichten, von den amtlichen Mitteilungen Kenntnis zu nehmen, oder sich über diese nur durch Drittpersonen in Kenntnis setzen lassen, wenn er die damit verbundenen Nachteile in Kauf nehmen will. Eine unzulässige Beeinträchtigung der persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten liegt offensichtlich nicht vor. 5. Zu prüfen ist, ob die angefochtene Regelung vor Art. 4 BV standhält. a) Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, dass sie Sinn und Zweck von Art. 27 Abs. 1 Ziff. 4 des kantonalen Organisationsgesetzes vom 29. Dezember 1947 widerspreche. Durch diese Bestimmung in Verbindung mit Art. 26 Abs. 2 des genannten Gesetzes werden die Gemeinden verpflichtet, die "amtlichen Publikationsorgane" zu bezeichnen. Andere allgemeine Vorschriften über die Form der amtlichen Bekanntmachungen in den Gemeinden bestehen offenbar nicht (Vernehmlassung des Regierungsrates, S. 3); auch der Beschwerdeführer hat keine anderweitige Bestimmung angerufen. Unter diesen Umständen kann von einem offensichtlichen Verstoss gegen übergeordnetes kantonales Recht nicht die Rede sein. Das kantonale Organisationsgesetz setzt zwar voraus, dass die Gemeinden ihre amtlichen Mitteilungen auch auf dem Wege der Presse bekannt geben; es überlässt es jedoch, wie der Regierungsrat mit Grund annehmen durfte, den einzelnen Gemeinden, ob ein neutrales, gemeindeeigenes Mitteilungsblatt geschaffen oder ob die Publikation in bereits bestehenden, d.h. gegebenenfalls auch politischen Zeitungen erfolgen soll. Im übrigen ist es den Gemeinden durch das kantonale Recht keineswegs verwehrt, auch andere Mittel zur Bekanntmachung zu verwenden; für bestimmte Fälle sind anderweitige Arten der Publikation sogar ausdrücklich vorgeschrieben (öffentliche Auflage, öffentlicher Anschlag; vgl. S. 4/5 des angefochtenen BGE 98 Ia 409 S. 416 Beschwerdeentscheides). Wieweit diese besonderen Vorschriften in der Gemeinde Berneck im einzelnen eingehalten worden sind, steht hier nicht in Frage. Wesentlich ist einzig, dass das kantonale Recht den Gemeinden bei der Gestaltung des allgemeinen Publikationssystems einen weiten Spielraum belässt, und dass die in der Gemeinde Berneck geltende Regelung diese positivrechtlich gesetzten Grenzen der Gestaltungsfreiheit nicht überschreitet. b) Zu untersuchen bleibt die Frage, ob die Publikationsordnung der Gemeinde Berneck im Hinblick auf die konkreten Verhältnisse auch materiell vor Art. 4 BV standhält. Dabei ist vorweg zu beachten, dass sich die Beschwerde gegen eine Vorschrift der Gemeindeordnung, also gegen einen gesetzgeberischen Erlass richtet. Ein solcher ist aber mit Art. 4 BV erst dann unvereinbar, wenn er sinn- oder zwecklos ist oder wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund nicht ersichtlich ist. Der Verfassungsrichter hat nicht sein Ermessen an Stelle desjenigen des Gesetzgebers zu setzen, und er kann insbesondere eine gesetzliche Regelung nicht schon deshalb aufheben, weil sie auf Erwägungen beruht, die er für unzutreffend hält ( BGE 97 I 801 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer rügt in erster Linie eine Verletzung der Rechtsgleichheit; er macht geltend, dass durch Art. 3 GO die Abonnenten der beiden fraglichen Zeitungen gegenüber den Nichtabonnenten bevorzugt würden. Dieser Einwand hat durch die nachträgliche Anweisung des Regierungsrates, wonach sämtliche in den Zeitungen erscheinenden Mitteilungen auch am Anschlagbrett zu publizieren sind, zwar stark an Bedeutung verloren. Doch lässt sich nicht von der Hand weisen, dass auch nach der jetzigen Regelung diejenigen Gemeindeeinwohner, die der freisinnigen oder christlichdemokratischen Partei nahestehen und daher ohnehin eine der beiden Zeitungen halten, gegenüber den übrigen Einwohnern, die beide Zeitungen aus politischen Gründen ablehnen, besser gestellt sind. Während die ersten die amtlichen Mitteilungen im Rahmen ihrer ohnehin beabsichtigten täglichen Zeitungslektüre auf bequeme Weise zur Kenntnis nehmen können, steht die zweite Gruppe vor der Wahl, entweder sich periodisch zur Gemeindekanzlei zu begeben, um die Mitteilungen vom Anschlagkasten abzulesen, oder aber - womöglich zusätzlich zu andern Tageszeitungen - eine Zeitung zu abonnieren, die sie aus politischer Überzeugung BGE 98 Ia 409 S. 417 ablehnen. Die Schlechterstellung dieser letzteren Gruppe beruht jedoch auf vernünftigen, sachlichen Gründen. Sicher wäre es wünschbar, dass jeder Gemeindeeinwohner die amtlichen Mitteilungen ohne besonderen Aufwand an Zeit und Geld zur Kenntnis nehmen kann, wie dies der Beschwerdeführer offenbar verlangt, und die ideale Lösung wäre zweifellos die Schaffung eines gemeindeeigenen Mitteilungsblattes, das unentgeltlich an alle Einwohner verteilt wird. Aus Art. 4 BV lässt sich jedoch kein dahingehender Anspruch des Einzelnen ableiten. Die meisten Gemeinden in der Schweiz verfügen über keine eigenen Publikationsorgane, sondern lassen ihre Anzeigen in den am Ort am stärksten verbreiteten Zeitungen erscheinen, welche in der Regel nicht gratis erhältlich sind. Auch die amtlichen Publikationsorgane des Bundes und der Kantone werden nicht unentgeltlich abgegeben; so kostet das Bundesblatt zusammen mit der Sammlung der eidgenössischen Gesetze Fr. 44.- und das Amtsblatt des Kantons St. Gallen mit der Gesetzessammlung Fr. 45.- im Jahr. Es ist somit keineswegs ungewöhnlich, dass dem Bürger, der über die amtlichen Erlasse unterrichtet sein will und es ablehnt, sie in einer Kanzlei, in Wirtschaften, bei Nachbarn oder sonstwie aus zweiter Hand zu vernehmen, ein gewisser finanzieller Aufwand zugemutet wird. In kleineren Gemeinden stellen sich zudem besondere Probleme. Bei der Herausgabe eines gemeindeigenen Mitteilungsblattes sind die Druckkosten wegen der kleinen Auflage unverhältnismässig hoch. Derartige Gemeindeanzeiger erscheinen daher in der Regel nicht täglich oder wöchentlich, sondern nur in grösseren Abständen. Ein einmal im Monat erscheinender Anzeiger, wie zum Beispiel das vom Beschwerdeführer vorgelegte Thaler Gemeindeblatt, vermag indessen den praktischen Bedürfnissen kaum gerecht zu werden, weil gewisse Publikationen dringlich oder sonst zeitlich gebunden sind (z.B. die Ankündung einer Gemeindeversammlung). Bei einem nur in längeren Abständen erscheinenden Anzeiger müssten sich die Termine nach dem Erscheinungsdatum des Blattes richten. Es ist daher in einer kleineren Gemeinde wie Berneck sachlich vertretbar, auf die Herausgabe eines eigenen Gemeindeanzeigers zu verzichten und die amtlichen Mitteilungen stattdessen in den beiden am Ort verbreiteten Tageszeitungen zu publizieren. Auf diese Weise können die Mitteilungen mit geringstmöglichem Aufwand in kürzester Zeit der überwiegenden Mehrzahl der Gemeindeeinwohner BGE 98 Ia 409 S. 418 bekanntgegeben werden. Dass nicht alle Bürger die beiden Tageszeitungen lesen bzw. lesen wollen, ist zwar ein Nachteil dieser Lösung, der jedoch, da jedermann die amtlichen Publikationen auch am Anschlagbrett zur Kenntnis nehmen kann, Art. 4 BV nicht verletzt.
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Sachverhalt ab Seite 515 BGE 131 II 514 S. 515 Die S. verkaufte am 1. Mai 2000 verschiedene Betriebsteile an die P. Im Rahmen dieser Umstrukturierung traten 192 von 374 aktiven Versicherten - rund 50 Prozent - des Pensionsfonds der S. zur Pensionskasse P. über, während sämtliche 650 Rentenbezüger BGE 131 II 514 S. 516 bei Ersterem verblieben. Das vom Stiftungsrat des Pensionsfonds der S. angerufene Amt für berufliche Vorsorge und Stiftungsaufsicht des Kantons Zug stellte fest, dass die Voraussetzungen für eine Teilliquidation gegeben seien, und genehmigte den vorgelegten Teilungsplan (Verfügung vom 18. Juni 2001). Eine Reihe ehemaliger Versicherter des Pensionsfonds der S. widersetzten sich dem Genehmigungsentscheid, weil der Verteilungsplan bzw. die diesem zugrunde liegende Berechnung der freien Mittel ungerechtfertigterweise den Fortbestand (d.h. jene Versicherten, die im Pensionsfonds der S. verblieben) bevorteile. Sie gelangten erfolglos an die Eidgenössische Beschwerdekommission der beruflichen Alters-, Hinterlassenen und Invalidenvorsorge (Entscheid vom 11. Juni 2003) und haben anschliessend mit gemeinsamer Eingabe vom 1. September 2003 beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
508
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Gemäss der ursprünglichen Fassung (vgl. AS 1994 S. 2394) von Art. 23 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 1993 über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (Freizügigkeitsgesetz, FZG; SR 831.42), welche bis zum Inkrafttreten der ersten BVG-Revision bzw. der neu ins Gesetz eingefügten Art. 53a ff. BVG (AS 2004 S. 1688 ff.) am 1. Januar 2005 Geltung hatte, besteht bei einer Teil- oder Gesamtliquidation der Vorsorgeeinrichtung neben dem Anspruch auf die Austrittsleistung ein individueller oder kollektiver Anspruch auf freie Mittel (Abs. 1 Satz 1). Darüber, ob die Voraussetzungen für eine Teil- oder Gesamtliquidation erfüllt sind, entscheidet die Aufsichtsbehörde, welche gegebenenfalls den von der Vorsorgeeinrichtung erstellten Verteilungsplan zu genehmigen hat (Abs. 1 Sätze 2 u. 3). Vermutungsweise erfüllt sind die Voraussetzungen für eine Teilliquidation nach Art. 23 Abs. 4 FZG unter anderem dann, wenn eine erhebliche Verminderung der Belegschaft erfolgt (lit. a) oder eine Unternehmung restrukturiert wird (lit. b). 2.2 Nach dem Gesagten steht den Versicherten, die von einer Teilliquidation ihrer Vorsorgeeinrichtung betroffen sind, wie von Lehre und Praxis schon vor Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes anerkannt (vgl. BGE 128 II 394 E. 3.2 S. 396 f.), neben der BGE 131 II 514 S. 517 eigentlichen Austrittsleistung zusätzlich ein (individueller oder kollektiver) Anspruch auf freie Mittel zu. Die Höhe Letzterer wird dabei grundsätzlich wie folgt bestimmt: Zunächst ist die Vermögenssituation der Vorsorgeeinrichtung am Stichtag zu ermitteln. Zu diesem Zweck sind eine kaufmännische und eine technische Teilliquidationsbilanz mit Erläuterungen zu erstellen, aus denen die tatsächliche finanzielle Lage der Kasse deutlich hervorgeht (Art. 9 der bis Ende 2004 gültigen ursprünglichen Fassung der Freizügigkeitsverordnung vom 3. Oktober 1994 [FZV; SR 831.425]; vgl. auch den seit Anfang 2005 geltenden Art. 27g Abs. 1 bis der Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [BVV 2; SR 831.441.1]). Die Aktiven sind dabei zu Veräusserungswerten einzusetzen ( Art. 23 Abs. 2 FZG in seiner ursprünglichen Fassung; heute: Art. 53d Abs. 2 BVG ). Nach Abzug der Passiven sind dem Nettovermögen der Vorsorgeeinrichtung die reglementarisch gebundenen Mittel gegenüber zu stellen. Aus der Differenz zwischen diesen beiden Grössen sind die (zulässigen) Reserven zu äufnen und allenfalls erforderliche Rückstellungen zu bilden. Was danach an Vermögen verbleibt, stellt freies Vermögen der Vorsorgeeinrichtung dar. 3. 3.1 In der Bilanz, welche dem streitigen Verteilungsplan zugrunde liegt, wies der Beschwerdegegner per 31. Dezember 2000 ein Gesamtvermögen von knapp 890.786 Mio. Franken aus. Nach Abzug der Wertschwankungsreserven von 22.7 Prozent verblieben davon 688.426 Mio. Franken. Von diesem Betrag machten die Freizügigkeitsleistungen der aktiven Versicherten 80.521 Mio. und das Deckungskapital der Rentenbezüger 438.296 Mio. Franken aus. Der Beschwerdegegner hat alsdann dem Fonds "Risikoausgleich" 4.665 Mio. und dem Fonds "Grundlagenverstärkung" (zwecks Berücksichtigung der zunehmenden Lebenserwartung) 42.819 Mio. Franken zugewiesen. Zudem bildete er verschiedene Rückstellungen: Zugunsten künftiger Verpflichtungen gegenüber den aktiven Versicherten 16.416 Mio., für künftige Lohnerhöhungen 21.695 Mio., für künftige Beitragsbefreiung der Arbeitnehmer 6.805 Mio. und für künftige Beitragsbefreiung des Arbeitgebers 3.686 Mio. Franken. Unter Berücksichtigung der beitragsfreien Guthaben in der Höhe von 7.215 Mio. Franken lagen so "Verpflichtungen" von insgesamt 622.118 Mio. Franken vor, womit sich die freien Mittel des Beschwerdegegners auf 66.308 Mio. Franken beliefen. BGE 131 II 514 S. 518 3.2 In der Folge wurden die freien Mittel einerseits und die Reserven und Rückstellungen andererseits - den konkreten Verhältnissen entsprechend - zwischen den beim Beschwerdegegner verbleibenden Versicherten (dem Fortbestand) und den zur Pensionskasse P. übertretenden Versicherten (dem Abgangsbestand) aufgeteilt. Weil es sich bei Letzteren ausschliesslich um aktive Versicherte handelt, wurden sie an den Reserven und Rückstellungen zugunsten der aktiven Versicherten stärker beteiligt als an jenen, die alle bisherigen Destinatäre - inklusive die 650 beim Beschwerdegegner bleibenden Rentner - betreffen. So erhielt der Abgangsbestand beispielsweise vom Fonds "Risikoausgleich" 46 Prozent und von den "Kollektiven Rückstellungen für künftige Verpflichtungen gegenüber den aktiven Versicherten" 54 Prozent; demgegenüber wurden ihm vom Fonds "Grundlagenverstärkung" nur 8.6, von der Wertschwankungsreserven 9.3 und von den freien Mitteln nur knapp 9.6 Prozent überlassen. Dies führte dazu, dass der Beschwerdegegner, ausgehend von einer Freizügigkeitsleistung von 37 Mio. Franken, einen Anspruch des Abgangsbestands von gut 83 Mio. Franken anerkannte. 3.3 Die Rückstellung für künftige Beitragsbefreiung des Arbeitgebers und jene für künftige Lohnerhöhungen, welche zusammen rund 25.4 Mio. Franken ausmachen, hat der Beschwerdegegner aber gänzlich den bei ihm verbleibenden Versicherten vorbehalten. Zur Rückstellung für künftige Lohnerhöhungen führte folgendes Vorgehen: Zunächst hat der Beschwerdegegner die Differenz zwischen der Freizügigkeitsleistung und dem statisch, für den Moment der Teilliquidation berechneten Deckungskapital aller aktiven Versicherten ermittelt (sog. Accumulated Benefit Obligation; ABO) und als "kollektive Rückstellung zugunsten der aktiven Versicherten" ausgewiesen; den entsprechenden Betrag von 16.4 Mio. Franken hat er zwischen Fort- und Abgangsbestand aufgeteilt (vgl. E. 3.2). Nur für den Fortbestand hat er anschliessend zusätzlich die Differenz zwischen dem statischen Deckungskapital und dem dynamischen, mit Blick auf die zukünftige Entwicklung berechneten Deckungskapital (Projected Benefit Obligation; PBO) bestimmt und als "kollektive Rückstellung für künftige Lohnerhöhungen gegenüber verbleibenden aktiven Versicherten" ausgewiesen. Dementsprechend wurden die fraglichen 21.7 Mio. Franken für den Fortbestand reserviert. BGE 131 II 514 S. 519 4. Es ist unstreitig, dass die Voraussetzungen für eine Teilliquidation im vorinstanzlichen Verfahren zu Recht bejaht worden sind. Unbestritten sind weiter sowohl die Bewertung der Aktiven als auch - zumindest in betraglicher Hinsicht - die oben dargestellte Liquidationsbilanz (vgl. E. 3.1). Keinen Anlass zu Diskussionen gab sodann die Art und Weise, in welcher das freie Stiftungsvermögen gemäss Verteilungsplan auf die Rentner sowie die verbleibenden und die scheidenden aktiven Versicherten verteilt werden soll. Die Differenzen zwischen den Parteien beschränken sich allein auf die Frage, ob das Vorgehen des Beschwerdegegners bezüglich der Rückstellungen für künftige Beitragsbefreiung des Arbeitgebers einerseits sowie für künftige Lohnerhöhungen andererseits bundesrechtskonform sind: Die Beschwerdeführer verlangen gestützt auf Gleichbehandlungsüberlegungen, dass auch zugunsten des Abgangsbestands entsprechende Rückstellungen gebildet und auf die Pensionskasse P. übertragen werden. Der Beschwerdegegner lehnt dies ab, weil die betreffenden Rückstellungen die künftige Entwicklung beträfen, für welche der neue Arbeitgeber des Abgangsbestands verantwortlich sei; gleichzeitig sieht er die streitigen Rückstellungen zugunsten der bei ihm verbleibenden aktiven Versicherten durch das Fortbestandsinteresse gerechtfertigt. 5. Es obliegt dem Stiftungsrat der Vorsorgeeinrichtung, die Liquidationsbilanz (nach Veräusserungswerten) zu erstellen, den Verteilungsplan auszuarbeiten und überhaupt die Teilliquidation durchzuführen (vgl. Gemischte Kommission der Treuhand-Kammer und der Schweizerischen Aktuarvereinigung [Hrsg.], Leitfaden zur Teilliquidation, Zürich 2001, S. 14; CARL HELBLING, Personalvorsorge und BVG, 7. Aufl., Bern 2000, S. 263). Im Rahmen der Schranken, welche sich aus Verfassung, Gesetz und Reglement ergeben, übt er dabei sein Ermessen frei aus. 5.1 Kommt es zu einer Teilliquidation einer Vorsorgeeinrichtung, so wird dieser ein so genanntes "Fortbestands- oder Fortführungsinteresse" zugebilligt. Unter diesem Titel bildet die Pensionskasse jene Reserven und Rückstellungen, welche sie mit Blick auf die anlage- und versicherungstechnischen Risiken nach Abwicklung der Teilliquidation benötigt, um die Vorsorge der verbleibenden Destinatäre im bisherigen Rahmen weiterzuführen (vgl. CARL Helbling, Zum Verfahren der Teil- und Gesamtliquidation von Personalvorsorgeeinrichtungen, in: Schmid [Hrsg.], Teilliquidationen BGE 131 II 514 S. 520 von Vorsorgeeinrichtungen, Bern 2000, S. 72; CHRISTINA RUGGLI- WÜEST, Liquidation/Teilliquidation der Vorsorgeeinrichtung, in Schaffhauser/Stauffer [Hrsg.], Neue Entwicklungen in der beruflichen Vorsorge, St. Gallen 2000, S. 162, Fn. 36). Es handelt sich dabei insbesondere um Risikoschwankungsreserven, Wertschwankungsreserven auf den Aktiven, Zinsreserven (im Hinblick auf die Mindestverzinsung der Altersguthaben nach Art. 12 BVV 2 ), Reserven wegen der Zunahme der Lebenserwartung, Reserven für die Anpassung der laufenden Renten an die Teuerung sowie Rückstellungen für latente Steuern und Abgaben (vgl. CARL HELBLING, Personalvorsorge und BVG, 7. Aufl., Bern 2000, S. 267; OLIVIER DEPREZ, Feststellung der freien Mittel, in: Schmid [Hrsg.], Teilliquidationen von Vorsorgeeinrichtungen, Bern 2000, S. 46 ff.; OSKAR LEUTWILER, Teilliquidation einer Pensionskasse, in: der Schweizer Treuhänder [ST] 1999 S. 324; Gemischte Kommission der Treuhand-Kammer und der Schweizerischen Aktuarvereinigung [Hrsg.], a.a.O., S. 18 f.; JACQUES-ANDRÉ SCHNEIDER, Fonds libres et liquidations de caisses de pensions, in: SZS 2001 S. 462 f.). Aus dieser Aufzählung erhellt, dass der Vorsorgeeinrichtung - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer - nicht erst dann die Geltendmachung von Fortbestandsinteressen zusteht, wenn ihr Fortbestehen effektiv gefährdet ist (so im Ergebnis bereits BGE 128 II 394 E. 6.3 S. 404 f.): Die fraglichen Rückstellungen und Reserven dienen gerade dazu, Unwägbarkeiten vorzubeugen und so zu verhindern, dass die Vorsorgeeinrichtung in finanzielle Schwierigkeiten gerät. Sie müssen deshalb notwendigerweise in guten Zeiten gebildet werden können, weil es der Kasse im Zeitpunkt, in dem sich eine Gefährdung abzeichnet, regelmässig bereits an den nötigen Mitteln fehlen dürfte, um die erforderlichen Rückstellungen zu bilden. 5.2 Ungeachtet der Tatsache, dass die Liquidationsbilanz des Beschwerdegegners mehr oder weniger alle Reserven und Rückstellungen ausweist, die gemeinhin mit Fortbestandsinteressen begründet werden, haben die Beschwerdeführer von Anfang an nur gegen die vor Bundesgericht streitigen Posten opponiert. Dies erklärt sich ohne weiteres dadurch, dass sie an sämtlichen übrigen Posten angemessen beteiligt wurden: Der Beschwerdegegner hat grundsätzlich jene Reserven und Rückstellungen gebildet, die er für alle bisherigen Destinatäre zusammen benötigen würde, und diese anschliessend zwischen dem Fort- und dem Abgangsbestand BGE 131 II 514 S. 521 aufgeteilt (vgl. E. 3.2). Mithin steht hier nicht wirklich in Frage, dass sich der Beschwerdegegner auf Fortbestandsinteressen berufen kann, und es ist insoweit letztlich bloss das Verhältnis zwischen diesen und dem von den Beschwerdeführern angerufenen Gleichbehandlungsgebot streitig. 5.3 Bei Letzterem handelt es sich um das zweite zentrale Prinzip, das neben dem Fortbestandsinteresse bei der Teilliquidation einer Vorsorgeeinrichtung zu beachten ist. Dem Gleichbehandlungsgebot kommt seit jeher grosse Bedeutung zu: Bereits vor Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes erachtete das Bundesgericht eine Teilliquidation als erforderlich, wenn wirtschaftliche Veränderungen beim Arbeitgeberbetrieb grössere Personalabgänge zur Folge hatten (vgl. BGE 128 II 394 E. 3.2 S. 396). Aus dem Rechtsgleichheitsgebot sowie aus dem Grundsatz von Treu und Glauben leitete es für solche Fälle die Verpflichtung der Vorsorgeeinrichtung zu einer den konkreten Verhältnissen angepassten Aufteilung des Stiftungsvermögens ab: Das Personalvorsorgevermögen hat den bisherigen Destinatären zu folgen, damit nicht wegen Personalfluktuationen einzelne Gruppen von Versicherten zulasten anderer profitieren ( BGE 119 Ib 46 E. 4c S. 54 mit Hinweisen). Dieser Rechtsprechung folgend hat der Bundesrat in der Botschaft vom 26. Februar 1992 zum Freizügigkeitsgesetz ausdrücklich erklärt, die Vorsorgeeinrichtungen mit Art. 23 FZG gesetzlich zur Gleichbehandlung aller Vorsorgenehmer anlässlich von Teilliquidationen verpflichten zu wollen (BBl 1992 III 600). Die entsprechende Zielsetzung stiess im Parlament auf Zustimmung, wobei die Berichterstatterin der nationalrätlichen Kommission die Bestimmung von Art. 23 FZG ausdrücklich als Kodifizierung der bisherigen Praxis bezeichnete (AB 1992 N 2457; vgl. auch AB 1993 S 571). Die Regelung, welche das Freizügigkeitsgesetz in Art. 23 für die Teilliquidation von Vorsorgeeinrichtungen trifft, beruht demnach auf den dargestellten stiftungsrechtlichen Grundsätzen. Deshalb ist jede Personalvorsorgeeinrichtung anlässlich einer Teilliquidation zur Wahrung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Destinatärsgruppen verpflichtet (vgl. auch BGE 128 II 394 E. 3.2 S. 397). Im auf den 1. Januar 2005 in Kraft getretenen neuen Art. 53d Abs. 1 BVG wird dies nunmehr auch ausdrücklich festgehalten. 5.4 Bei diesen Gegebenheiten lässt sich die Auffassung, eine bewusste Bevorteilung des Fortbestands sei generell zulässig oder gar geboten, wie sie teilweise in der Literatur vertreten wird (so BGE 131 II 514 S. 522 beispielsweise BRUNO LANG, in: Carl Helbling, Personalvorsorge und BVG, Bern 2000, S. 652; derselbe in: SZS 1994 S. 112; vgl. auch JACQUES-ANDRÉ SCHNEIDER, a.a.O., in: SZS 2001 S. 462), nicht halten (vgl. hierzu auch ARMIN STRUB, Zur Teilliquidation nach Art. 23 FZG , in: AJP 1994 S. 1532 f.). Das Fortbestandsinteresse zielt denn auch nicht etwa auf eine Privilegierung der zurückbleibenden Versicherten ab, sondern bezweckt allein die Erhaltung von deren bisherigem Vorsorgeschutz. Der Wahrung von Fortbestandsinteressen kommt demnach gegenüber Gleichbehandlungsanliegen kein Vorrang zu. Indessen verhält es sich - wie die Vorinstanz (entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer) zu Recht ausgeführt hat - auch nicht umgekehrt, sondern es ist von einer grundsätzlichen Gleichwertigkeit der beiden Elemente auszugehen: Die Vorsorgeeinrichtung hat - und dies sowohl bei der Verteilung der freien Mittel als auch bei deren vorgängiger Feststellung (vgl. E. 6.1) - die Fortbestandsinteressen und das Gleichbehandlungsgebot gleichermassen zu berücksichtigen. 6. Nach dem Gesagten haben die Beschwerdeführer Anspruch auf Gleichbehandlung mit den beim Beschwerdegegner verbleibenden Versicherten. Es ist zu prüfen, ob sie deswegen die Übertragung zusätzlicher Rückstellungen auf die neue Pensionskasse des Abgangsbestands verlangen können, bzw. ob die streitigen Rückstellungen zugunsten des Fortbestands ungerechtfertigt sind und deshalb aufgelöst werden müssen. In diesem letzteren Fall wären die frei werdenden Mittel dem freien Stiftungsvermögen zuzuweisen, was den Anteil des Abgangsbestands an diesem nominell erhöhen würde. 6.1 In Art. 23 Abs. 1 FZG findet nur der "Anspruch auf freie Mittel" ausdrückliche Erwähnung. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Vorsorgeeinrichtung bei der Bildung von Reserven und Rückstellungen völlig frei wäre: Das Gleichbehandlungsgebot hat nicht nur für die effektive Verteilung des Vermögens, sondern auch für dessen vorgängige Feststellung Geltung. Die im Falle einer Teilliquidation zu verteilenden "freien Mittel" ergeben sich unmittelbar aus der Liquidationsbilanz, weshalb der Art und Weise, in welcher die Aktiven und Passiven bilanziert werden, mindestens ebenso grosse Bedeutung zukommt wie der anschliessenden Aufteilung des Vermögens. Diesen Zusammenhang hat der Gesetzgeber durchaus erkannt, was sich darin zeigt, dass er - ausdrücklich aufgrund von Rechtsgleichheitsüberlegungen (vgl. BBl 1992 III 600) - die BGE 131 II 514 S. 523 Bilanzierung der Aktiven zu Veräusserungswerten vorgeschrieben hat ( Art. 23 Abs. 2 FZG ). Dadurch wird verhindert, dass allfällige stille Reserven in der Liquidationsbilanz versteckt bleiben und das freie Stiftungsvermögen so zum Nachteil des Abgangsbestands geschmälert wird. 6.2 Weiter schliesst das Gleichbehandlungsgebot aus, dass die Vorsorgeeinrichtung zugunsten des Fortbestands alle erdenklichen Reserven und Rückstellungen bildet, während sie dem Abgangsbestand neben der gesetzlichen oder reglementarischen Freizügigkeitsleistung bloss noch einen Teil des (gegebenenfalls verbleibenden) freien Stiftungsvermögens mitgibt. Ansonsten könnte nämlich auf diese Art und Weise ein grosser Teil des Vorsorgekapitals für den Fortbestand vereinnahmt werden, ungeachtet des Umstands, dass der Abgangsbestand möglicherweise nicht weniger als Ersterer zur Äufnung des Vermögens der Kasse beigetragen hat. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz gewährt das Gleichbehandlungsgebot deshalb dem Abgangsbestand - auch wenn in Art. 23 Abs. 1 FZG nur von "freien Mitteln" die Rede ist - Anspruch auf eine Beteiligung an den Reserven und Rückstellungen der bisherigen Vorsorgeeinrichtung; dies allerdings nur insoweit, als entsprechende anlage- und versicherungstechnische Risiken auf die neue Vorsorgeeinrichtung übertragen werden (so ausdrücklich für das heutige Recht: Art. 27h Abs. 1 BVV 2 ; vgl. auch MARTIN DETTWILER, Die Teilliquidation einer Vorsorgeeinrichtung, in: Schweizer Personalvorsorge [SPV] 1990 S. 115; Art. 10 Abs. 4 lit. c der Statuen der Pensionskasse des Bundes PUBLICA [SR 172.222.034.3]; sowie ferner ULRICH WEHRLI/JÜRG WALTER, Fortbestandsinteressen versus Verteilung freier Mittel, in: SPV 1998 S. 790 f.; vgl. auch BGE 131 II 525 E. 6.2 S. 531). Der Nationalrat hatte denn auch gerade Ungleichbehandlungen im Bereich der Verteilung von Reserven und Rückstellungen vor Augen, als er im neuen Art. 53d Abs. 1 BVG den ausdrücklichen Hinweis auf das Gleichbehandlungsgebot einfügte (vgl. AB 2002 N 553 f.). 6.3 Die vorliegend streitige Rückstellung für künftige Lohnerhöhungen (vgl. E. 3.3) wurde nicht etwa im Hinblick auf die Teilliquidation erstmals gebildet, sondern entspricht der bisherigen Praxis des Beschwerdegegners und damit dem Grundsatz der Stetigkeit (vgl. Kommission der Treuhand-Kammer und der Schweizerischen Aktuarvereinigung, a.a.O., S. 15 f.). Der Beschwerdegegner berechnet sein Deckungskapital bereits seit Jahren dynamisch BGE 131 II 514 S. 524 und vermag sich deshalb insoweit auf das Fortbestandsinteresse zu berufen. Zudem soll die fragliche Rückstellung im Betrag von 21.7 Mio. Franken unbestrittenermassen die erwartete Entwicklung der Löhne jener aktiven Versicherten abdecken, die beim Beschwerdegegner verbleiben. Demnach würde mit einer gleichen Rückstellung zugunsten des Abgangsbestands den künftigen Entwicklungen Rechnung getragen, wie sie sich - ausserhalb des Einflussbereichs des Beschwerdegegners - bei der neuen Vorsorgeeinrichtung des Abgangsbestands und insbesondere aufgrund der vom neuen Arbeitgeber bestimmten Lohnpolitik einstellen. Eine solche Vorfinanzierung allfälliger künftiger Ansprüche, die vorab von den Gegebenheiten bei der neuen Vorsorgeeinrichtung und vom Willen des neuen Arbeitgebers abhängen, kann nicht Sache der bisherigen Vorsorgeeinrichtung sein. Insoweit bestehen zwischen Fortbestand und Abgangsbestand nicht gleiche Verhältnisse, weshalb das Gleichbehandlungsgebot den Beschwerdeführern keine Handhabe gibt, die Übertragung einer Rückstellung für künftige Lohnerhöhungen zu verlangen (welche offenbar rund 18.4 Mio. Franken ausmachen würde). Ebenso wenig verletzt nach dem Gesagten das Gleichbehandlungsgebot, dass der Beschwerdegegner jene Mittel, die er als Rückstellung für künftige Lohnerhöhungen ausgewiesen hat, allein für den Fortbestand verwendet: Es erfolgt insoweit keine Übertragung von Risiken vom Beschwerdegegner auf die neue Vorsorgeeinrichtung des Abgangsbestands. Gegenstand der streitigen Rückstellung bildet unbestrittenermassen die künftige Gehaltsentwicklung, wobei diese für den Abgangsbestand in keiner Weise vom bisherigen Arbeitgeber und dessen Vorsorgeeinrichtung, sondern allein vom neuen Arbeitgeber abhängt. Nichts anderes ergibt sich im vorliegenden Zusammenhang aus dem Verweis der Beschwerdeführer auf Art. 98 des einschlägigen Stiftungsreglements, kann doch dieser Bestimmung für die Beantwortung der sich hier stellenden Fragen nichts entnommen werden. 6.4 6.4.1 Die streitige Arbeitgeberbeitragsreserve in der Höhe von 3.7 Mio. Franken geht auf eine frühere Teilliquidation im Jahre 1999 zurück: In deren Rahmen wurden Rückstellungen für Beitragsferien sowohl der Arbeitnehmer als auch des Arbeitgebers gebildet; sie wurden im Verteilungsplan ausgewiesen und mit diesem von der Aufsichtsbehörde genehmigt. Die dabei zugunsten der Versicherten bereitgestellten Mittel wurden für die BGE 131 II 514 S. 525 vorliegende Teilliquidation zwischen Abgangs- und Fortbestand aufgeteilt. Nur die Rückstellung für Beitragsferien des Arbeitgebers verbleibt gänzlich beim Beschwerdegegner (vgl. E. 3). 6.4.2 Der Abgangsbestand kann nicht unter dem Titel der Gleichbehandlung eine Beteiligung an der Rückstellung für Beitragsferien des Arbeitgebers verlangen: Nach dem Gesagten handelt es sich dabei um eine eigentliche Arbeitgeberbeitragsreserve (vgl. Art. 331 Abs. 3 OR ), welche zur Finanzierung der von der S. geschuldeten Pensionskassenbeiträge bestimmt ist. Diese "Widmung" wird durch die vorliegende zweite Teilliquidation nicht in Frage gestellt und die S. hat grundsätzlich Anspruch darauf, dass die betreffenden Mittel zur Tilgung ihrer Beitragsschuld verwendet werden. An jenen Mitteln, welche das Gegenstück zur Arbeitgeberbeitragsreserve bilden und für Beitragsferien der Versicherten bestimmten sind, wurde der Abgangsbestand bereits anteilmässig beteiligt; auf mehr gibt ihm das Gleichbehandlungsgebot nicht Anspruch. Im Übrigen würde, soweit ersichtlich, von einer kollektiven Übertragung eines Teils der Arbeitgeberbeitragsreserve ohnehin primär der neue Arbeitgeber des Abgangsbestands und nicht die übertretenden Versicherten selbst profitieren.
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Sachverhalt ab Seite 49 BGE 88 IV 49 S. 49 Das Obergericht des Kantons Aargau verurteilte am 13. Oktober 1961 den nach Art. 369 ZGB bevormundeten Schwendimann wegen wiederholten Diebstahls, begangen im Zustand hochgradig verminderter Zurechnungsfähigkeit, zu zehn Monaten Gefängnis und liess an die Stelle der Freiheitsstrafe die Verwahrung nach Art. 42 StGB treten. Schwendimann führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, es sei das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie ein neues psychiatrisches Gutachten über seine Zurechnungsfähigkeit und über die zu treffenden Massnahmen BGE 88 IV 49 S. 50 nach Art. 14, 15 oder 42 StGB einhole und den Straffall neu beurteile.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: Das Obergericht stützte sich bei der Strafzumessung und der Anordnung der Verwahrung auf das von Dr. Janner ausgearbeitete und von Prof. Dukor genehmigte Gutachten der Heil- und Pflegeanstalt Friedmatt vom 28. August 1953 Dieser Begutachtung sind verschiedene andere, auf welche der Expertenbericht der Friedmatt verweist, vorausgegangen, so 1945 in der Anstalt Waldau, 1946 in Königsfelden, 1948 in St. Urban. Das Gutachten der Friedmatt bezeichnet in seinen Schlussfolgerungen den Beschwerdeführer als schizoid-verschrobenen, hyperthymen und geltungssüchtigen Psychopathen mit Neigung zu Arbeitsscheu, hochstaplerischer Lebensführung und Lüge in jeder Form, sowie Querulanz, wobei sich bei allen diesen Abartigkeiten mit der Zeit eine gewisse Automatisierung (Gewohnheitsmässigkeit), insbesondere mit Bezug auf die Delinquenz ausgebildet habe und die Delinquenz darüber hinaus auch gewisse Züge des Rausch- und Suchthaften aufweise, indem sich der Explorand in sie hineinsteigere, sich an ihr berausche, sodass er, einmal angefangen, schliesslich um des Stehlens willen stehle. Sein Geisteszustand habe sich, abgesehen vom Auftreten der Querulanz und der Automatisierung, gegenüber dem Zustand bei früheren Begutachtungen nicht geändert, jedoch sei in den bisherigen Gutachten das Abnorme im Wesen des Exploranden zu gering veranschlagt worden. Die pathologischen Wurzeln seiner Kriminalität überwögen die normalen ganz erheblich, und er müsse deshalb für seine Delikte als hochgradig vermindert zurechnungsfähig beurteilt werden. Was die Prognose betreffe, so sei eine Besserung für absehbare Zeit nicht zu erwarten. Der Explorand könne seiner Tendenz zu sozialen Entgleisungen keine Hemmungen entgegenstellen und wolle es infolge seiner ausgesprochenen Geltungssucht auch gar nicht. Als gewohnheitsmässiger Dieb und Betrüger BGE 88 IV 49 S. 51 müsse er auf unbestimmte Zeit verwahrt werden. Da er in einer psychiatrischen Anstalt nur schwer zu halten sein würde und eine erzieherische Beeinflussung, soweit eine solche überhaupt möglich sei, erfahrungsgemäss besser in einer Verwahrungsanstalt durchgeführt werden könne, die keinen Krankenhauscharakter trage, erscheine es gegeben, ihn wie bisher nach Art. 42 StGB zu verwahren, am zweckmässigsten durch Rückversetzung in eine Verwahrung, andernfalls durch erneute Anordnung einer solchen. Stützt sich somit das Obergericht sowohl in der Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers wie in der angeordneten Massnahme auf das Gutachten der Anstalt Friedmatt, so ist die Vorschrift des Art. 13 insoweit erfüllt. Auch bleibt das Strafmass von zehn Monaten Gefängnis, wenn es auch bei einer hochgradigen Verminderung der Zurechnungsfähigkeit eher hoch erscheint, mit Rücksicht auf das Zusammentreffen mehrerer Diebstahlstatbestände ( Art. 68 Ziff. 1 StGB ) und den Rückfall (Art. 67) im Rahmen des sachlichen Ermessens. Fragen kann sich nur, ob das Gutachten der Anstalt Friedmatt von 1953 im Jahre 1961, als die Vorinstanz zu urteilen hatte, im Sinne von Art. 13 noch schlüssig war oder ob nicht, wie der Beschwerdeführer geltend macht, ein neues Gutachten hätte eingeholt werden sollen. Diese Frage stellt sich regelmässig, wenn seit einer frühern Begutachtung längere Zeit verstrichen ist. Sie ist nach der Vorschrift des Art. 13 selber zu entscheiden. Eine neue Begutachtung ist darnach nur nötig, wenn seit der früheren Umstände eingetreten oder offenbar geworden sind, die den Richter, sei es mit Bezug auf die Zurechnungsfähigkeit, sei es mit Bezug auf die allenfalls zu treffende Massnahme, daran zweifeln lassen, ob auf das frühere Gutachten noch abgestellt werden dürfe, oder wenn sich Zweifel darüber so gebieterisch aufdrängen, dass sie schlechterdings nicht unterdrückt werden können (s. BGE 78 IV 55 und weitere Rechtsprechung). BGE 88 IV 49 S. 52 (Es folgen Ausführungen darüber, dass die älteren Gutachten durch dasjenige der Anstalt Friedmatt überholt sind, dass sich aus dem Vorstrafenverzeichnis eindeutig die Unfähigkeit des Beschwerdeführers ergibt, durch Strafen gebessert zu werden, dass seine Beurteilung als eines Gewohnheitsdelinquenten mit ungehemmter Tendenz zu sozialen Entgleisungen heute noch zu Recht besteht, dass sein Bestreben, für die begangenen Taten Dritte verantwortlich zu machen und die Handlungen als zwangsmässig auszugeben, schon im genannten Gutachten festgestellt und eingehend gewürdigt worden ist und dass die Bereitschaft desjenigen, der auf Diebstahl, und vor allem desjenigen, der auf Gelddiebstahl ausgeht, möglichst viel an Beute an sich zu nehmen, eine durchaus normale Erscheinung ist, die in keiner Weise auf völlige Unzurechnungsfähigkeit hinweist.) Was sich seit 1953 bis zum vorinstanzlichen Urteil ereignet hat, lässt somit nicht darauf schliessen, der Zustand des Beschwerdeführers habe sich inzwischen in einer Weise verändert, dass sich eine neue sachverständige Untersuchung aufdrängen würde. Das trifft umsoweniger zu, als die im Jahre 1953 in der Friedmatt sehr gründlich und sorgfältig geführte Untersuchung ergab, dass der Beschwerdeführer von jeher der gewesen sei, der er jetzt sei, oder dass er zum mindesten anlagemässig alle Voraussetzungen zu seiner künftigen Entwicklung in sich getragen und, abgesehen vom Auftreten der Querulanz und einer gewissen Automatisierung, auch seit den früheren Begutachtungen sich nicht geändert habe. Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer sich wieder, wie schon früher, durch Vermögensdelikte vergangen hat, und zwar durch Diebstähle, also durch diejenige Art von Strafhandlungen, die bereits 1953 hauptsächlichen Anlass zur Begutachtung gegeben hatte. Aus diesen Gründen verstösst das angefochtene Urteil nicht gegen Art. 13 StGB , wenn das Obergericht eine neue Begutachtung nicht für erforderlich erachtet hat.
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Sachverhalt ab Seite 131 BGE 135 IV 130 S. 131 A. Das Obergericht des Kantons Solothurn erklärte X. (Beschwerdegegner 1) mit Urteil vom 8. Juli 2008 in zweiter Instanz der mehrfachen Urkundenfälschung im Amt, begangen am 30. Oktober 1996 und im Herbst 1996, sowie der Anstiftung zur Urkundenfälschung, begangen am 15. November 1996, schuldig. Von einer Bestrafung sah es ab. Vom Vorwurf der Erschleichung einer falschen Beurkundung sprach es X. frei. Ferner erklärte es Y. (Beschwerdegegner 2) der Urkundenfälschung, begangen zwischen dem 20. November 1996 und dem 29. November 1996, schuldig und sah auch in Bezug auf diesen von einer Bestrafung ab. Von der Anklage der Urkundenfälschung, der Gehilfenschaft zur Erschleichung einer falschen Beurkundung, der Gläubigerschädigung durch Vermögensminderung sowie der mehrfachen Urkundenfälschung sprach es Y. frei. Im Weiteren sprach es ihm eine durch die Gerichtskasse auszahlbare Entschädigung für erlittene Nachteile (Genugtuung) von pauschal Fr. 2'000.- zu. Schliesslich entschied es über die Nebenpunkte und die geltend gemachte Zivilforderung. B. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn führt Beschwerde beim Bundesgericht, mit der sie beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Strafsache sei zur Verurteilung von Y. wegen Urkundenfälschung sowie zur Ausfällung einer schuldangemessenen Strafe für X. und Y. an die Vorinstanz zurückzuweisen. C. Das Obergericht des Kantons Solothurn, X. und Y. beantragen in ihren Vernehmlassungen je die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. 5.1 Die Beschwerdeführerin rügt im Weiteren eine unrichtige Anwendung von Art. 52 StGB . Die Vorinstanz habe bei beiden Beschwerdegegnern zu Unrecht von einer Bestrafung abgesehen. BGE 135 IV 130 S. 132 5.1.1 In Bezug auf den Beschwerdegegner 1 macht sie geltend, die Tatbestände der Urkundenfälschung im Amt und der Anstiftung zur Urkundenfälschung, begangen durch einen öffentlichen Notar und Anwalt, stellten von vornherein keine Bagatelldelikte dar, auf welche die Bestimmung von Art. 52 StGB Anwendung finden könnte. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz seien im zu beurteilenden Fall auch die Tatfolgen nicht geringfügig. Durch eine Urkundenfälschung im Amt im Sinne von Art. 317 StGB würden nicht Rechte Dritter tangiert, sondern Treu und Glauben im Rechtsverkehr sowie das besondere Vertrauen, welches die Öffentlichkeit den Amtshandlungen des Staates entgegenbringe. Allein schon die Tatsache, dass ein öffentlicher Notar bei Ausübung seiner Funktion Urkunden fälsche, schädige das Vertrauen in die Verlässlichkeit dieser Berufsgruppe und somit auch das Vertrauen des Bürgers in den Staat in einer Weise, dass der Erfolgsunwert keinesfalls als geringfügig angesehen werden könne. Zudem sei auch das Verschulden des Beschwerdegegners 1 nicht geringfügig. Dies ergebe sich daraus, dass er einen Treuhänder zu einer Urkundenfälschung angestiftet habe, um seine eigene Fälschungshandlung zu vertuschen. Es liege auf der Hand, dass er dabei aus egoistischen Beweggründen gehandelt habe. Selbst die Vorinstanz nehme an, es sei unbegreiflich, weshalb der Beschwerdegegner 1 nicht mit den beiden Generalversammlungen zugewartet habe. Schliesslich komme dem Strafmilderungsgrund von Art. 48 lit. e StGB keine Bedeutung zu. Dass sich das Strafbedürfnis infolge der seit der Tat verstrichenen Zeit verringere, führe lediglich zu einer Milderung der Strafe. Das Mass des Verschuldens werde davon nicht berührt. Dasselbe gelte für allfällige Auswirkungen der Strafe auf das Leben des Beschwerdegegners 1. 5.1.2 Auch in Bezug auf den Beschwerdegegner 2 macht die Beschwerdeführerin geltend, die einzelnen Tathandlungen liessen kein leichtes Verschulden erkennen. Die Vorinstanz habe die Rückdatierung der Prüfungsbestätigung nicht als besonders leichten Fall im Sinne von Art. 251 Ziff. 2 StGB qualifiziert. In denjenigen Fällen, in denen das Gesetz bei einem bestimmten Tatbestand auch eine Tatbestandsvariante im Sinne eines leichten oder besonders leichten Falles vorsehe, bleibe beim Grundtatbestand kein Raum für die Anwendung von Art. 52 StGB . Soweit das Gesetz besonders leichte Fälle bezüglich der Strafzumessung privilegiere, aber dennoch unter Strafe stelle, bringe es zum Ausdruck, dass die normalen Fälle nie BGE 135 IV 130 S. 133 als Bagatelldelikt im Sinne von Art. 52 StGB gelten könnten und daher immer zu bestrafen seien. Im Übrigen sprächen im zu beurteilenden Fall auch die Täterkomponenten nicht in besonderem Masse für den Beschwerdegegner 2. 5.2 5.2.1 Die Vorinstanz beurteilt im Rahmen der Strafzumessung das Verschulden des Beschwerdegegners 1 als eher leicht. Er habe zwar mehrere, teilweise öffentliche Urkunden gefälscht und damit Treu und Glauben im Rechtsverkehr nicht unerheblich verletzt. Doch sei dies mit der Subsumtion des Verhaltens unter den entsprechenden Tatbestand abgegolten. Nachteilige Folgen der Taten für Dritte seien nicht erkennbar, und es habe auch keinerlei entsprechende Gefährdung bestanden. Zudem hätten die Unterlagen im Zeitpunkt der Anmeldung an das Handelsregisteramt vollständig vorgelegen und die Beteiligten seien mit der nachträglichen Änderung der Firmenbezeichnung in F. AG einverstanden gewesen. Dies ändere zwar nichts an der Strafbarkeit des Verhaltens, mindere aber das Verschulden. Die Vorinstanz attestiert dem Beschwerdegegner 1 ferner einen ungetrübten Leumund und mildert die Strafe in Anwendung von Art. 48 lit. e StGB aufgrund der seit den strafbaren Handlungen verstrichenen langen Zeitdauer deutlich. Weiter nimmt die Vorinstanz an, im Quervergleich zu anderen denkbaren Fällen von Urkundenfälschungen im Amt erschienen die zu beurteilenden Delikte vom Verschulden wie von den Tatfolgen her als leicht und unerheblich. Es handle sich geradezu um einen Idealfall einer unter Art. 52 StGB fallenden Delinquenz. Wenn weiter berücksichtigt werde, dass der Beschwerdegegner 1 unter dem seit fünf Jahren dauernden Strafverfahren besonders gelitten habe, da er seine Klienten darüber habe aufklären müssen, sei nebst dem Schuldspruch als Unwerturteil, das beim Beschwerdegegner 1 als Rechtsanwalt und Notar bereits erheblich sanktionierende Auswirkungen habe, kein Strafbedürfnis mehr erkennbar. Dies gelte umso mehr, wenn man die besonderen Folgen für den Beschwerdegegner 1 als Rechtsanwalt bedenke. Denn aufgrund der Bestimmung von Art. 8 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (BGFA; SR 935. 61) hätte ein Eintrag ins Strafregister die Löschung im Anwaltsregister zur Folge, was für den Beschwerdegegner 1 für die Dauer der 2 Jahre dauernden Probezeit faktisch ein weitgehendes Berufsverbot bedeuten würde. Dies erscheine aufgrund der BGE 135 IV 130 S. 134 Geringfügigkeit der Verfehlung in jeder Hinsicht als untragbare Folge der Strafe. Aus diesen Gründen sei auf die Ausfällung einer Strafe zu verzichten, womit auch ein Eintrag des Urteils im Strafregister entfalle ( Art. 366 Abs. 2 lit. b StGB ). 5.2.2 In Bezug auf den Beschwerdegegner 2 nimmt die Vorinstanz im Rahmen der rechtlichen Würdigung zunächst an, die strafbaren Handlungen des Beschwerdegegners 2 erfüllten den privilegierten Tatbestand des besonders leichten Falles gemäss Art. 251 Ziff. 2 StGB nicht. Zwar hätten der Falschbeurkundung keine finanziellen Beweggründe zugrunde gelegen. Angesichts der Bedeutung der Prüfungsbestätigung im Rechtsverkehr und des Ausmasses der Abweichung der Fälschung von der wahren Sachlage könne ein besonders leichter Fall indes nicht bejaht werden. Im Rahmen der Strafzumessung wertet die Vorinstanz das Verschulden des Beschwerdegegners 2 als leicht. Er habe auf Wunsch des Beschwerdegegners 1 gehandelt, ohne eigene Vorteile anzustreben. Ausserdem wiege die Rückdatierung der Prüfungsbestätigung als Straftat im Vergleich mit dem Regelfall als eher leicht. Auch beim Beschwerdegegner 2 berücksichtigt die Vorinstanz den unbelasteten Leumund als strafmindernd und mildert die Strafe aufgrund des Zeitablaufs im Sinne von Art. 48 lit. e StGB seit der Tat erheblich. Aufgrund seines leichten Verschuldens, der fehlenden Nachteile für Dritte und der seit der Tat verstrichenen Zeit sieht sie auch beim Beschwerdegegner 2 von der Ausfällung einer Strafe ab. Auch er sei durch den Schuldspruch als Unwerturteil stark belastet, habe doch aufgrund der Beschreibung in den Medien leicht auf seine Person geschlossen werden können. Schliesslich sei er auch erhöht strafempfindlich, da seine Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer durch einen Eintrag im Strafregister wegen Urkundenfälschung erheblich beeinträchtigt würde. 5.3 5.3.1 Im Rahmen der Strafzumessung steht dem urteilenden Gericht bei der Gewichtung der einzelnen Komponenten gemäss Art. 47 StGB ein erheblicher Spielraum des Ermessens zu. Die Strafrechtliche Abteilung des Bundesgerichts greift in diesen auf Beschwerde in Strafsachen u.a. nur ein, wenn das vorinstanzliche Gericht von rechtlich nicht massgebenden Gesichtspunkten ausgegangen ist oder wenn es wesentliche Komponenten ausser Acht gelassen bzw. in Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch gewichtet BGE 135 IV 130 S. 135 hat ( BGE 134 IV 17 E. 2.1; zum alten Recht: BGE 129 IV 6 E. 6.1; BGE 127 IV 101 E. 2; je mit Hinweisen). 5.3.2 Gemäss Art. 52 StGB sieht die zuständige Behörde von einer Strafverfolgung, einer Überweisung an das Gericht oder einer Bestrafung ab, wenn Schuld und Tatfolgen geringfügig ("de peu d'importance"; "di lieve entità") sind. Die Bestimmung erfasst nach der Botschaft relativ unbedeutende Verhaltensweisen, welche die Schwere und Härte einer Strafe nicht verdienen (Botschaft vom 23. März 1998 zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches [...], BBl 1999 2063 Ziff. 213.31). Die Regelung von Art. 52 StGB ist zwingender Natur. Sind die Voraussetzungen erfüllt, muss die Behörde das Strafverfahren einstellen bzw. von einer Überweisung absehen. Stellt erst das Gericht die Voraussetzungen für das fehlende Strafbedürfnis fest, erfolgt nicht ein Freispruch, sondern ein Schuldspruch bei gleichzeitigem Strafverzicht (Botschaft, a.a.O., 2064 Ziff. 213.31; FRANZ RIKLIN, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. I, 2. Aufl. 2007, N. 20 zu Art. 52 StGB ; ders ., a.a.O., N. 26 vor Art. 56 ff. StGB ; vgl. ferner BGE 135 IV 27 E. 2 zu Art. 53 StGB ). Voraussetzung für die Strafbefreiung und Einstellung des Verfahrens gemäss Art. 52 StGB ist die Geringfügigkeit von Schuld und Tatfolgen. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein (RIKLIN, a.a.O., N. 14 zu Art. 52 StGB ). Die Würdigung des Verschuldens des Täters richtet sich nach den in Art. 47 StGB aufgeführten Strafzumessungskriterien (RIKLIN, a.a.O., N. 13 zu Art. 52 StGB ; DUPUIS UND ANDERE, Code pénal, Bd. I, 2008, N. 4 zu Art. 52 StGB ; DANIEL JOSITSCH, Strafbefreiung gemäss Art. 52 StGB neu und prozessrechtliche Umsetzung, SJZ 100/2004 S. 4). Der Begriff der Tatfolgen umfasst nicht nur den tatbestandsmässigen Erfolg, sondern sämtliche vom Täter verschuldete Auswirkungen der Tat (RIKLIN, a.a.O., N. 13 zu Art. 52 StGB ). Diese müssen stets gering sein. Schwerwiegendere Folgen können nicht durch andere, zu Gunsten des Betroffenen wirkende Komponenten ausgeglichen werden (RIKLIN, a.a.O., N. 13 zu Art. 52 StGB ). 5.3.3 Mit der Regelung von Art. 52 StGB hat der Gesetzgeber nicht beabsichtigt, dass in allen Bagatellstraftaten generell auf eine strafrechtliche Sanktion verzichtet wird. Eine Strafbefreiung ("exemption de peine"; "impunità") kommt nur bei Delikten in Frage, bei denen keinerlei Strafbedürfnis besteht. Auch bei einem Bagatelldelikt kann daher wegen Geringfügigkeit von Schuld und BGE 135 IV 130 S. 136 Tatfolgen eine Strafbefreiung nur angeordnet werden, wenn es sich von anderen Fällen mit geringem Verschulden und geringen Tatfolgen qualitativ unterscheidet. Das Verhalten des Täters muss im Quervergleich zu typischen unter dieselbe Gesetzesbestimmung fallenden Taten insgesamt - vom Verschulden wie von den Tatfolgen her - als unerheblich erscheinen, so dass die Strafbedürftigkeit offensichtlich fehlt. Die Behörde hat sich mithin am Regelfall der Straftat zu orientieren (RIKLIN, a.a.O., N. 15 f. zu Art. 52 StGB ; GÜNTER STRATENWERTH, Strafen und Massnahmen, 2. Aufl. 2006, § 7 N. 5; SCHWARZENEGGER UND ANDERE, Strafrecht II, 8. Aufl. 2007, S. 63; STRATENWERTH/WOHLERS, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Handkommentar, 2007, N. 1 zu Art. 52 StGB ; TRECHSEL/PAUEN BORER, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2008, N. 2 zu Art. 52 StGB ; DUPUIS UND ANDERE, a.a.O., N. 3 zu Art. 52 StGB ; vgl. auch Botschaft, a.a.O., 2064 Ziff. 231.31; ferner für das österreichische Recht HANS VALENTIN SCHROLL, in: Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 2. Aufl., Wien 2000, N. 26 zu § 42 österr. StGB). Für die Anwendung der Bestimmung bleibt somit nur ein relativ eng begrenztes Feld (RIKLIN, a.a.O., N. 19 zu Art. 52 StGB ). 5.3.4 Der Gesetzgeber hat schon vor Inkrafttreten des neuen Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches bei einzelnen Straftaten leichte oder besonders leichte Fälle privilegiert behandelt. So kann das Gericht etwa gemäss Art. 251 Ziff. 2 StGB bei besonders leichten Fällen von Urkundenfälschung die Strafe mildern und gemäss Art. 100 Ziff. 1 Abs. 2 SVG in besonders leichten Fällen von Fahrlässigkeit bzw. gemäss Art. 19a BetMG (SR 812.121) in leichten Fällen des Konsums von Betäubungsmitteln von einer Strafe absehen (vgl. auch aArt. 322 octies Ziff. 1 StGB). Die Rechtsprechung hat an die Bejahung des leichten Falles stets hohe Anforderungen gestellt und von einer Bestrafung nur Umgang genommen, wenn eine noch so geringe Strafe, weil dem Verschulden des Täters nicht angemessen, als stossend erschien ( BGE 114 IV 126 E. 2c [ad aArt. 251 Ziff. 3 StGB]; BGE 117 IV 302 E. 3b/cc; Urteil 6S.123/2007 vom 23.07.2007 E. 4.3 [ad Art. 100 Ziff. 1 Abs. 2 SVG ]; ferner BGE 124 IV 184 E. 3, BGE 124 IV 44 E. 2a; BGE 106 IV 75 E. 2 [ad Art. 19a Ziff. 2 BetmG ]). Diese Rechtsprechung kann für die Anwendung von Art. 52 StGB als Leitlinie herangezogen werden (CÉDRIC PIGNAT, La fixation de la peine avant et après la révision de 2002, in: Droit des sanctions, André Kuhn und andere [Hrsg.], 2004, S. 41). BGE 135 IV 130 S. 137 Der Umstand, dass das Gesetz bei einzelnen Tatbeständen leichte Fälle ausscheidet, bedeutet entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin indes nicht, dass Art. 52 StGB bei diesen Deliktsgruppen nicht zur Anwendung gelangen kann. Denn die Ausdifferenzierung leichter Fälle wirkt sich, worauf in der Lehre zutreffend hingewiesen wird, zugunsten der Täter aus, so dass es als widersprüchlich erschiene, wenn gerade in diesen Fällen die Möglichkeit einer Strafbefreiung im Sinne von Art. 52 StGB entfallen würde. In solchen Fällen ist eine Strafbefreiung gerechtfertigt, wenn die bei der Strafzumessung mit zu berücksichtigenden Täterkomponenten in besonderem Masse zugunsten des Beschuldigten sprechen (RIKLIN, a.a.O., N. 18 zu Art. 52 StGB ). 5.4 Die Bestimmung von Art. 52 StGB trägt dem Umstand Rechnung, dass, auch wenn die Voraussetzungen der Strafbarkeit eines bestimmten Verhaltens an sich erfüllt sind, ein Strafbedürfnis aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen entweder von vornherein fehlen oder nachträglich entfallen kann (STRATENWERTH, a.a.O., § 7 N. 1). Sie erfasst somit auch Fälle, bei denen im Zeitpunkt der Untersuchung oder der gerichtlichen Beurteilung ein Strafbedürfnis nicht mehr besteht. Dies ergibt sich daraus, dass für die Würdigung des Verschuldens nicht ausschliesslich auf die in Art. 47 Abs. 2 StGB aufgeführten konkretisierenden Umstände zu berücksichtigen sind. In die Entscheidung über die Geringfügigkeit der Schuld fliessen vielmehr sämtliche relevanten Strafzumessungskomponenten, mithin auch die Täterkomponenten wie das Vorleben, die persönlichen Verhältnisse oder das Nachtatverhalten, mit ein (RIKLIN, a.a.O., N. 13 zu Art. 52 StGB ; vgl. für das österreichische Recht SCHROLL, a.a.O., N. 10 zu § 42 österr. StGB; für das deutsche Recht EDDA WESSLAU, in: Systematischer Kommentar zur Strafprozessordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz, N. 16 zu § 153 dt. StGB; WERNER BEULKE, in: Die Strafprozessordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Grosskommentar, 26. Aufl., Berlin 2008, N. 24, 27 zu § 153 dt. StGB). Berücksichtigt werden können darüber hinaus etwa auch eine durch überlange Verfahrensdauer bewirkte Verletzung des Beschleunigungsgebots (vgl. schon BGE 117 IV 124 E. 4) und schuldunabhängige Strafmilderungsgründe, wie das Verstreichen verhältnismässig langer Zeit seit der Tat (RIKLIN, a.a.O., N.13 zu Art. 52 StGB ; BEULKE, a.a.O., N. 34 zu § 153 dt. StGB). 5.5 Die Vorinstanz hat das Tatverschulden der Beschwerdegegner als leicht bzw. eher leicht gewertet. Dies ist nicht zu beanstanden. BGE 135 IV 130 S. 138 So wiegen die vom Beschwerdegegner 1 zu verantwortenden Falschbeurkundungen im Zusammenhang mit der Neugründung der A. AG objektiv nicht schwer, zumal er weder einen materiellen Schaden bewirkt noch einen persönlichen Vorteil erlangt oder auch nur angestrebt hat. Dies gilt auch für den Beschwerdegegner 2, der die Falschdatierung des Prüfungsberichts lediglich auf Wunsch des Beschwerdegegners 1 vorgenommen hat. Zwar wendet die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang zu Recht ein, dass die Tatbestände des Urkundenstrafrechts in erster Linie das Vertrauen schützen, welches im Rechtsverkehr einer Urkunde als einem Beweismittel entgegengebracht wird (vgl. BGE 132 IV 12 E. 8.1; BGE 131 IV 125 E. 4.1) und dass dieses Vertrauen beeinträchtigt wird, wenn ein öffentlicher Notar im Zusammenhang mit einer Gesellschaftsgründung in der öffentlichen Urkunde eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet bzw. ein Treuhänder zur Deckung der unzulässigen Gründung eine Prüfungsbestätigung falsch datiert. Auch ist der Vorinstanz beizupflichten, wenn sie feststellt, die beiden Beschwerdegegner hätten aufgrund ihrer Fachkompetenz und ihres beruflichen Hintergrundes ohne weiteres regelkonform handeln können. Die Vorinstanz hat denn auch hinsichtlich des Beschwerdegegners 2 zutreffend einen Bagatellfall im Sinne von Art. 251 Ziff. 2 StGB verneint. Doch erweist sich das Verschulden der Beschwerdegegner im zu beurteilenden Fall im Quervergleich mit Taten gleicher Art immer noch als gering. Zu Recht weist die Vorinstanz auch auf die erhöhte Strafempfindlichkeit der Beschwerdegegner hin, welche bei einer Verurteilung mit disziplinarischen Massnahmen rechnen müssen. Das gilt namentlich für den Beschwerdegegner 1, dem bei einem Eintrag einer Strafe im Strafregister die Löschung aus dem Anwaltsregister drohen würde ( Art. 366 Abs. 2 lit. b StGB ; Art. 9 i.V.m. Art. 8 Abs. 1 lit. b BGFA ; hinsichtlich des Beschwerdegegners 2 vgl. Art. 17 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 lit. a RGA; generell zur Folgenberücksichtigung in der Strafzumessung vgl. HANS WIPRÄCHTIGER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. I, 2. Aufl. 2007, N. 120, 123 f. zu Art. 47 StGB ). Zwar führt auch dieser Gesichtspunkt für sich allein nicht zur Annahme eines fehlenden Strafbedürfnisses, da diese Folgen zwangsläufig mit einem Strafverfahren, das mit einer Verurteilung zu einer Strafe endet, verbunden sind. Doch kommt ihm in Verbindung mit den anderen Faktoren Bedeutung zu. BGE 135 IV 130 S. 139 Schliesslich berücksichtigt die Vorinstanz zu Recht, dass die Strafe aufgrund des Umstands, dass seit den Straftaten nunmehr gut 12 Jahre verstrichen sind und die Beschwerdegegner sich in dieser Zeit wohl verhalten haben, in Anwendung von Art. 48 lit. e StGB erheblich gemildert werden müsste. Dieser Umstand vermindert schon für sich allein das Strafbedürfnis in erheblichem Ausmass. Die Verbindung dieses Strafmilderungsgrundes mit den geringen Tatfolgen, dem geringfügigen Verschulden der Beschwerdegegner und ihrer erhöhten Strafempfindlichkeit führt dazu, dass ein Strafbedürfnis bei beiden Beschwerdegegnern vollends verneint werden muss. Die Vorinstanz hat daher bei beiden Beschwerdegegnern zu Recht von der Aussprechung einer Strafe abgesehen. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass sie sich dabei von rechtlich nicht massgeblichen Gesichtspunkten hätte leiten lassen oder wesentliche Gesichtspunkte nicht berücksichtigt hätte. Sie hat daher ihr Ermessen nicht verletzt. Die Beschwerde erweist sich auch in diesem Punkt als unbegründet.
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Sachverhalt ab Seite 174 BGE 84 II 174 S. 174 A.- L'Union des usines et des exploitations forestières de Nasic SA (en abrégé: Nasic) est une société anonyme qui a son siège à Genève. Ses actions sont au porteur. L'Institut central des sociétés financières, à Budapest (en abrégé: Institut central), est un établissement de l'Etat hongrois. De février à avril 1952, des citoyens hongrois ou leurs curateurs lui ont cédé un grand nombre d'actions de Nasic, sans pouvoir cependant représenter ces titres, qui avaient été perdus pendant la guerre. L'Institut central a demandé au Président du Tribunal de première instance de Genève d'annuler 13874 actions de Nasic. Après avoir procédé selon les art. 983 et suiv. CO, ce magistrat a annulé 11884 actions de Nasic et ordonné BGE 84 II 174 S. 175 à celle-ci de remettre à l'Institut central les titres de remplacement correspondants. Nasic a formé opposition, en alléguant que les cessions invoquées par le requérant étaient en réalité des actes de spoliation contraires à l'ordre public suisse. Statuant sur appel, la Cour de justice civile du canton de Genève a déclaré l'opposition de Nasic recevable, annulé les décisions du Président du Tribunal et renvoyé la cause à ce magistrat pour qu'il statue sur le fond après avoir procédé à une information complémentaire. Elle a considéré notamment que la procédure d'annulation des titres était une procédure contentieuse, où le débiteur intervenait comme défendeur, et que la délivrance de nouveaux titres pouvait être requise en même temps que l'annulation des anciens. L'Institut central a recouru en réforme au Tribunal fédéral, en demandant que l'opposition de Nasic soit déclarée irrecevable et que les titres en cause soient annulés. Il déclarait en outre qu'il était prêt à présenter une seconde requête pour obtenir de nouveaux titres ou le paiement de la dette. Le Tribunal fédéral a statué par arrêt du 27 mars 1956 (RO 82 II 224). La procédure d'annulation - a-t-il exposé en substance - ressortit à la procédure gracieuse, de sorte que personne ne peut intervenir en qualité de défendeur; un droit d'opposition appartient toutefois à ceux qui font valoir sur le titre lui-même des droits qu'ils perdraient s'il était annulé; enfin, ce n'est qu'une fois l'annulation prononcée que le requérant peut demander qu'un nouveau titre lui soit remis ou que la dette lui soit payée; or, en l'espèce, Nasic ne fait valoir aucun droit sur les actions en cause, de sorte que son opposition n'était pas recevable. Par conséquent, tout en donnant acte à l'Institut central de son offre de présenter une seconde requête, le Tribunal fédéral a admis le recours, annulé l'arrêt attaqué et prononcé l'annulation des 11884 actions. B.- Le 11 avril 1957, l'Institut central a présenté au BGE 84 II 174 S. 176 Président du Tribunal de première instance de Genève une demande de mesure provisionnelle dans laquelle il concluait à ce que Nasic se vît ordonner de lui délivrer 11072 titres de remplacement. Il déclarait en effet renoncer provisoirement à obtenir de tels titres pour 812 des actions qui avaient été annulées. Nasic a conclu à l'irrecevabilité de la requête, en déclarant qu'elle contestait les droits de l'Institut central et que le litige devait être tranché par les tribunaux ordi. naires. Par décision du 23 mai 1957, le Président du Tribunal s'est déclaré incompétent pour connaître des questions litigieuses et il a renvoyé les parties à mieux agir. Il a considéré, en bref, que la délivrance de nouveaux titres ne suivait pas automatiquement l'annulation des anciens; que cette mesure touchait au fond du droit et qu'en la prenant le juge statuait définitivement sur les droits du requérant; que, dans cette procédure, il devait donc pouvoir examiner tous les moyens libératoires du débiteur et ordonner au besoin une administration de preuve complète; qu'il s'agissait dès lors d'une procédure contentieuse ressortissant aux tribunaux ordinaires. C.- Contre cette décision, l'Institut central recourt en réforme au Tribunal fédéral en reprenant les conclusions qu'il a formulées dans l'instance cantonale. Nasic propose que le recours soit déclaré irrecevable et, subsidiairement, qu'il soit rejeté.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. Comme le Tribunal fédéral l'a déjà exposé dans son arrêt du 27 mars 1956, l'annulation prononcée selon les art. 971 et 986 al. 1 CO prive le titre de la légitimation formelle qu'il donne à son possesseur. Elle replace le requérant dans la situation où il se trouverait s'il détenait encore le papier-valeur, mais elle ne lui confère pas de nouveau droit envers le débiteur. Celui-ci ne subit aucune atteinte dans sa situation juridique et conserve toutes les BGE 84 II 174 S. 177 exceptions qu'il pouvait opposer à la partie requérante lorsqu'elle possédait encore le titre. Il peut donc contester l'existence même du droit qui était incorporé dans le papier-valeur ou nier que le requérant en soit le titulaire. En particulier, si l'annulation n'est pas demandée par celui qui a perdu le titre mais par un ayant cause, le débiteur peut exciper du fait que le droit n'a pas été transféré valablement. Après l'annulation, il est évident que le débiteur doit être admis à soulever toutes ses exceptions lorsque celui qui a obtenu cette mesure fait directement valoir ses droits envers lui, par exemple en demandant le paiement de la dette exigible. Mais il en est de même si c'est la création d'un nouveau titre qui est requise. En effet, ni l'art. 972 ni l'art. 986 CO ne font de différence entre la faculté pour le requérant d'exercer ses droits et celle de demander la délivrance d'un titre de remplacement. En outre, cette dernière mesure constitue une reconnaissance de dette; or on ne saurait y obliger le débiteur sans qu'il ait pu soulever les exceptions dont il dispose. Bien plus, en transférant le nouveau papier-valeur à un acquéreur de bonne foi, le requérant aurait la possibilité, s'il s'agit d'un titre à ordre ou au porteur, de priver le débiteur des exceptions que celui-ci a contre lui personnellement (art. 979 al. 2 et 1007 CO). Dès lors, il ne suffit pas que le débiteur puisse soulever ses exceptions au moment où la personne qui a obtenu l'annulation ou son ayant cause fait valoir des droits en se fondant sur le titre de remplacement. Il doit pouvoir le faire dès que la délivrance d'un nouveau papier-valeur est demandée. Ainsi, cette dernière mesure ne fait plus partie de la procédure d'annulation, qui est une procédure gracieuse, dans laquelle le débiteur ne peut intervenir en qualité de défendeur ou d'opposant. Si le débiteur refuse de créer un titre de remplacement, celui qui a obtenu l'annulation doit l'actionner en justice, dans une procédure contentieuse qui permette aux deux parties de faire valoir tous leurs BGE 84 II 174 S. 178 droits. C'est du reste ce qu'a dit le Tribunal fédéral en exposant, dans son arrêt du 27 mars 1956, que la délivrance des nouveaux titres ne pouvait être ordonnée dans la même procédure que l'annulation, mais exigeait la présentation d'une seconde requête. 2. En l'espèce, cependant, le Président du Tribunal n'a pas statué sur le fond du droit. Il a, il est vrai, considéré dans ses motifs que la demande de l'Institut central posait des questions de fond qui relevaient du droit fédéral. Mais les considérants ne participent pas, en règle générale, à l'autorité de la chose jugée et, si ce principe souffre des exceptions, aucune d'elles n'est donnée en l'occurrence. Ainsi, le juge genevois s'est en définitive prononcé seulement sur sa compétence; il l'a niée et a renvoyé l'Institut central à mieux agir. Celui-ci conserve donc tous ses droits et la faculté de les faire valoir devant le juge. Dans ces conditions, le jugement attaqué n'est pas une décision finale donnant ouverture au recours en réforme selon l'art. 48 OJ. L'art. 49 OJ permet, il est vrai, de recourir en réforme contre certaines décisions préjudicielles ou incidentes pour violation des prescriptions de droit fédéral au sujet de la compétence à raison de la matière ou du lieu. Toutefois, la question de savoir quelle juridiction genevoise est compétente pour connaître de la demande de l'Institut central ressortit exclusivement à la procédure cantonale. En niant sa compétence, le Président du Tribunal n'a donc pu violer aucune prescription de droit fédéral. Dès lors, le recours est irrecevable.
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Sachverhalt ab Seite 142 BGE 135 V 141 S. 142 A. L. meldete sich am 29. Oktober 2001 zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle Bern sprach ihr mit Verfügung vom 2. Juni 2005 eine ganze Rente ab 1. April 2003, eine halbe Rente ab 1. August 2003 und eine Viertelsrente ab 1. März 2004 zu. Auf Einsprache der Versicherten hin setzte sie den Beginn der ganzen Rente auf 1. November 2001 fest und bejahte den Anspruch auf eine Zusatzrente für den Ehegatten (Entscheid vom 1. November 2005). B. Dagegen liess L. Beschwerde erheben mit dem Antrag, der Einspracheentscheid sei insoweit aufzuheben, als darin die ganze Rente mit Wirkung ab 1. August 2003 herabgesetzt werde, und die IV-Stelle sei zu verpflichten, ihr auch nach dem 31. Juli 2003 eine Rente bei einem 66 2/3 % übersteigenden Invaliditätsgrad auszurichten. Mit Entscheid vom 7. August 2008 hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Bern die Beschwerde insoweit gut, als es feststellte, dass L. für Januar und Februar 2004 Anspruch auf eine Dreiviertelsrente habe, und als es die per 1. März 2004 angeordnete Herabsetzung auf eine Viertelsrente aufhob und die Akten zur weiteren BGE 135 V 141 S. 143
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Abklärung im Sinne der Erwägungen und anschliessendem Erlass einer neuen Verfügung an die IV-Stelle zurückwies; weitergehend wies es die Beschwerde ab. C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erneuert L. das vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Die Beschwerde an das Bundesgericht ist zulässig gegen Endentscheide, das heisst gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen ( Art. 90 BGG ), und gegen Teilentscheide, die nur einen Teil der gestellten Begehren behandeln, wenn diese unabhängig von den anderen beurteilt werden können, oder die das Verfahren nur für einen Teil der Streitgenossen und Streitgenossinnen abschliessen ( Art. 91 BGG ). Gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist hingegen die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Zuständigkeit oder den Ausstand betreffen ( Art. 92 BGG ), einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können ( Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde ( Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG ). Rückweisungsentscheide, mit denen eine Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, sind Zwischenentscheide, die nur unter den genannten Voraussetzungen beim Bundesgericht angefochten werden können ( BGE 133 V 477 E. 4.2 S. 481 f.). Anders verhält es sich nur dann, wenn der unteren Instanz, an welche zurückgewiesen wird, kein Entscheidungsspielraum mehr verbleibt und die Rückweisung nur noch der Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten dient (SVR 2008 IV Nr. 39 S. 131, 9C_684/2007 E. 1.1). 1.2 Die IV-Stelle hat die bis 31. Juli 2003 zugesprochene ganze Rente auf den 1. August 2003 bei einem Invaliditätsgrad von 64 % auf eine halbe und auf den 1. März 2004 bei einem Invaliditätsgrad von 47 % auf eine Viertelsrente herabgesetzt. Die Vorinstanz hat im Ergebnis (bei einem etwas anders ermittelten Invaliditätsgrad von 60 %) die Reduktion auf eine halbe Rente für die Zeit von August bis Dezember 2003 bestätigt und der Versicherten für Januar und Februar 2004 infolge der 4. IV-Revision bei unverändertem BGE 135 V 141 S. 144 Invaliditätsgrad eine Dreiviertelsrente zuerkannt. Sie begründet dies damit, dass bei der Versicherten gemäss dem beweiskräftigen Gutachten des Zentrums S. vom 4. Dezember 2003/5. August 2004 ab Mai 2003 eine Verbesserung der Arbeitsfähigkeit eingetreten und ihr seither eine Tätigkeit von vier Stunden pro Tag zumutbar gewesen sei. In Bezug auf die Zeit ab 1. März 2004 hat sie die Sache an die IV-Stelle zurückgewiesen zur weiteren Abklärung im Sinne der Erwägungen. In den Erwägungen führt sie aus, die von der IV-Stelle angenommene weitere Verbesserung der Arbeitsfähigkeit ab Dezember 2003 sei nicht rechtsgenüglich ausgewiesen; es sei eine umfassende interdisziplinäre Abklärung angebracht, welche Aufschluss über die Entwicklung des Gesundheitszustands in somatischer und psychischer Hinsicht und damit über die Restarbeitsfähigkeit ab Januar 2004 gebe. 1.3 In Bezug auf den Rentenanspruch ab März 2004 ist der angefochtene Akt ein Zwischenentscheid, da er die Sache an die Verwaltung zurückweist. 1.4 In Bezug auf den Rentenanspruch für die Monate August 2003 bis Februar 2004 hat die Vorinstanz einen materiellen Entscheid getroffen und den Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine halbe bzw. eine Dreiviertelsrente festgesetzt. Es stellt sich die Frage, ob der angefochtene Akt diesbezüglich ein selbständig anfechtbarer Teilentscheid ist. 1.4.1 Die Abgrenzung zwischen Teil- und Zwischenentscheid erfolgt auf der Ebene des Streitgegenstandes: Massgebend ist, ob der Entscheid ein Begehren behandelt, das unabhängig von anderen beurteilt werden kann ( Art. 91 lit. a BGG ), d.h. auch Gegenstand eines selbständigen Verfahrens hätte bilden können (Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4332 Ziff. 4.1.4.1); solche Entscheide sind (anders als die Zwischenentscheide) der materiellen Rechtskraft selbständig zugänglich ( BGE 128 III 191 E. 4a S. 194 f.; SEILER/VON WERDT/GÜNGERICH, Bundesgerichtsgesetz [BGG], 2007, N. 6 zu Art. 91 und N. 2 zu Art. 93 BGG ). Wird von mehreren an sich denkbaren, derart unabhängigen Begehren nur eines überhaupt prozessual thematisiert, so bildet einzig dieser Punkt Prozessgegenstand; der darüber ergehende Entscheid ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG . Das zuständige Gericht kann aber auch zur Vereinfachung des Verfahrens von mehreren gleichzeitig gestellten Rechtsbegehren nur einen Teil beurteilen BGE 135 V 141 S. 145 (vgl. Art. 123 lit. a des bundesrätlichen Entwurfs vom 28. Juni 2006 zu einer Schweizerischen Zivilprozessordnung [E-ZPO; BBl 2006 7413]); in diesem Fall handelt es sich um Teilentscheide im Sinne von Art. 91 BGG , welche selbständig anfechtbar sind und später nicht mehr angefochten werden können (HANS PETER WALTER, Neue Zivilrechtspflege, in: Neue Bundesrechtspflege, Berner Tage für die juristische Praxis [BTJP], 2007, S. 113 ff., 132 f.; vgl. Urteile 5A_512/2007 vom 17. April 2008 E. 1.4, nicht publ. in: BGE 134 III 433 ; 4A_85/2007 vom 11. Juni 2007 E. 3.3). Unzulässig ist dies gemäss Art. 91 lit. a BGG dann, wenn solche Teil-Rechtsansprüche nicht unabhängig von den anderen Begehren beurteilt werden können. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach materiellrechtlichen Gesichtspunkten. Ist nach dem materiellen Recht eine unabhängige Beurteilung einzelner Punkte nicht möglich, so ist ein Entscheid, mit dem über diese Punkte befunden wird, ein Zwischenentscheid ( BGE 134 III 426 E. 1.2 S. 428 f.). 1.4.2 Das Rentenverhältnis ist ein Dauerrechtsverhältnis, welches naturgemäss eine längere Zeitspanne beschlägt. Im Rahmen von Dauerrechtsverhältnissen ist es unter dem Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs grundsätzlich möglich, Rechtsansprüche, welche bestimmte Teile der gesamten Dauer betreffen, je zum Gegenstand selbständiger Verfahren zu machen, die zu einem rechtskräftigen Entscheid nur in Bezug auf die betreffende Teilperiode führen. Im Zivilprozess spricht man dabei von einer (individualisierten oder unechten) Teilklage (vgl. Art. 84 E-ZPO; SUTTER-SOMM, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2007, S. 108 Rz. 526; STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 2008, S. 199 f. Rz. 40; LEUCH/MARBACH/KELLERHALS/STERCHI, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 5. Aufl. 2000, N. 1e zu Art. 138 und N. 12c/bb zu Art. 192 ZPO /BE; vgl. Urteil 4C.204/1995 vom 22. Februar 1996 E. 2). Das ist auch im öffentlichen Recht, namentlich in der Sozialversicherung, der Fall: Im Klageverfahren wird der Streitgegenstand durch das klägerische Begehren bestimmt; beschränkt sich dieses beispielsweise im Rahmen einer Klage ( Art. 73 BVG ) auf Rentenleistungen der beruflichen Vorsorge auf einen bestimmten Teil-Zeitraum, so kann nur dieser beurteilt werden. Im Bereich der nachträglichen Verwaltungsgerichtsbarkeit bestimmt die angefochtene Verfügung den möglichen Streitgegenstand: Unter dem Vorbehalt einer ausnahmsweisen Ausdehnung des Streitgegenstands ( BGE 130 V 138 E. 2.1 S. 140 f.) kann die Beschwerdeinstanz nur beurteilen, was BGE 135 V 141 S. 146 verfügt worden ist; ist nur über einen Teil-Zeitraum verfügt worden, so kann auch nur dieser beurteilt werden (vgl. z.B. Urteil 9C_603/2007 vom 8. Januar 2008 E. 2). 1.4.3 Steht eine Dauerleistung während einer längeren Zeitperiode zur Diskussion und hat die Vorinstanz nur für einen Teil dieses Zeitraums in der Sache entschieden, so liegt nach dem Gesagten grundsätzlich ein Teilentscheid vor, der selbständig anfechtbar ist. 1.4.4 In der hier vorliegenden Konstellation einer rückwirkenden Zusprechung einer abgestuften und/oder befristeten Rente hat das Eidg. Versicherungsgericht in BGE 131 V 164 E. 2.3.3 S. 166 erkannt, dass ein zeitlich gestaffelter Verfügungserlass aus materiellrechtlichen Gründen unzulässig ist; die befristete und/oder abgestufte Rentenzusprechung hat aus einem einheitlichen Beschluss der IV-Stelle heraus zu erfolgen und ist zeitgleich zu eröffnen. Daran ist auf Verwaltungsstufe und im kantonalen Prozess mit Blick auf Art. 61 lit. d ATSG (SR 830.1; reformatio in peius vel melius) festzuhalten. Aus dieser Rechtsprechung könnte sich für das bundesgerichtliche Verfahren ergeben, dass der vom Beschwerdeführer angefochtene Entscheid gesamthaft als Zwischenentscheid zu betrachten wäre, also auch soweit er (für die Zeit vom 1. August 2003 bis 29. Februar 2004) über die Rentenberechtigung abschliessend befindet, was zur Folge hätte, dass auf die Beschwerde nur unter den Voraussetzungen des Art. 93 Abs. 1 lit. a oder b BGG eingetreten werden könnte. Diese Konsequenz steht allerdings im Widerspruch zu den bei anderen Dauerrechtsverhältnissen geltenden Grundsätzen (vgl. vorne E. 1.4.2). Zwar können nicht einzelne Teilfragen der Rentenbestimmung (z.B. der Grad der Arbeitsunfähigkeit, die Höhe der Vergleichseinkommen und dergleichen) zum Gegenstand gesonderter (Teil-)Endentscheide gemacht werden; solches sind Zwischenschritte auf dem Weg zu einem Endentscheid. Wird darüber in selbständig eröffneten Entscheiden befunden, so handelt es sich um materielle Zwischenentscheide im Sinne von Art. 92 oder 93 BGG. Wird darüber im Rahmen eines einheitlichen Endentscheids befunden und wird dieser angefochten, so gehören diese Teilfragen zwangsläufig zum Streitgegenstand und können im Rechtsmittelverfahren überprüft werden, auch wenn sie in der Beschwerde nicht in Frage gestellt worden sind ( BGE 125 V 413 ). Davon ist aber der Fall zu unterscheiden, dass eine Dauerleistung während einer längeren BGE 135 V 141 S. 147 Zeitperiode zur Diskussion steht und für einen bestimmten Teil-Zeitraum dieses Dauersachverhalts (hier: für die Zeit vom 1. August 2003 bis 29. Februar 2004) entschieden wird. Ein solcher Teil-Zeitraum kann grundsätzlich unabhängig von einem anderen Teil-Zeitraum (hier: von der Zeit ab 1. März 2004) beurteilt werden und somit Gegenstand eines Teilentscheids im Sinne von Art. 91 lit. a BGG bilden. Insofern steht einem Eintreten auf die Beschwerde nichts entgegen. 1.4.5 Freilich besteht in der Regel ein sachlicher Zusammenhang zwischen den Verhältnissen in den verschiedenen Teil-Zeiträumen eines Rentenverhältnisses, weshalb eine rückwirkende Rentenzusprechung in der Regel in ein und derselben Verfügung, jedenfalls aus einem einheitlichen Beschluss der IV-Stelle heraus zu erfolgen hat ( BGE 131 V 164 E. 2.3.1 S. 166). Indessen schliesst ein solcher Sachzusammenhang die Zulässigkeit von Teilentscheiden im Sinne von Art. 91 BGG nicht aus. Die Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege (BBl 2001 4332 Ziff. 4.1.3.3 ad Art. 86 E-BGG) nennt als Beispiel für solche Entscheide die Klage auf Beseitigung einer bestehenden oder das Verbot einer zukünftigen Störung einerseits, Schadenersatz oder Genugtuung andererseits, also Klagen, die zwangsläufig einen notwendigen Sachzusammenhang in der zugrundeliegenden Störung haben. Auch bei Dauerrechtsverhältnissen liegt es in der Natur der Sache, dass ein Sachzusammenhang zwischen den verschiedenen Perioden besteht. Eine gerichtliche Beurteilung derselben wird mit der Zulassung von Teilentscheiden nicht verunmöglicht, da ja auch diese anfechtbar sind, wobei die gerichtliche Überprüfung zu unterschiedlichen Zeitpunkten stattfindet. Das ist aber bei Dauersachverhalten ohnehin nicht vermeidbar und auch im Bereich der Rentenrevision in der Regel der Fall: Die Rechtsprechung zur gesetzlichen Rentenrevision gemäss Art. 17 ATSG beruht darauf, dass die Rente für den vorangehenden Zeitraum rechtskräftig festgelegt worden ist und im Revisionsverfahren nicht mehr (gegebenenfalls nur unter den erschwerten Voraussetzungen einer Wiedererwägung) überprüft werden kann (vgl. statt vieler BGE 125 V 368 E. 2 S. 369). 1.4.6 Nach dem Gesagten schliesst BGE 131 V 164 auf der Ebene der Bundesrechtspflege nicht aus, dass ein Entscheid, mit welchem eine Vorinstanz des Bundesgerichts eine bestimmte, vorangehende Teil-Periode des Rentenanspruchs materiell abschliessend beurteilt und für eine darauf folgende Teilperiode die Sache zu neuer BGE 135 V 141 S. 148 Beurteilung an die Verwaltung zurückweist, in Bezug auf die materiell abschliessend beurteilte Phase als Teilentscheid im Sinne von Art. 91 lit. a BGG zu qualifizieren ist, der selbständig angefochten werden kann. Der Teilentscheid muss innert der Frist des Art. 100 BGG angefochten werden, wenn der Eintritt der Rechtskraft verhindert werden soll (Urteile 1B_206/2007 vom 7. Januar 2008 E. 3.3; 1C_82/2007 vom 19. November 2007 E. 1.2). 1.4.7 In Bezug auf den Rentenanspruch für die Zeit vom 1. August 2003 bis 29. Februar 2004, über welchen die Vorinstanz materiell entschieden hat, ist der angefochtene Entscheid somit ein Teilentscheid; insoweit ist auf die Beschwerde einzutreten.
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Erwägungen ab Seite 136 BGE 137 I 135 S. 136 Extrait des considérants: 2. 2.1 Les recourants soutiennent que le législateur fédéral a réglementé de manière exhaustive le régime des frais accessoires aux art. 257a et 257b CO (mis à part pour les immeubles ayant bénéficié d'un subventionnement en vertu de la loi fédérale du 4 octobre 1974 encourageant la construction et l'accession à la propriété de logements [LCAP; RS 843]) et que les cantons ne peuvent plus, par des règles de droit public, intervenir dans les relations entre bailleurs et locataires. Ils font grief à la loi fribourgeoise d'élargir la notion de "frais accessoires", l'art. 25 al. 3 de cette loi y incluant, pour des immeubles ne bénéficiant pas de l'aide de la LCAP, des dépenses relatives à l'existence de la chose louée (primes d'assurance et impôt réels); en mettant ces frais à la charge des locataires, la cour précédente aurait, selon les recourants, transgressé le principe de la force dérogatoire du droit fédéral ( art. 49 al. 1 Cst. ) et violé les art. 257a, 257b CO , ainsi que les art. 38 al. 2 LCAP et 25 de l'ordonnance du 30 novembre 1981 relative à la LCAP (OLCAP; RS 843.1). Enfin, ils reprochent à l'autorité précédente d'avoir fait preuve d'arbitraire dans l'application de l' art. 4 CC . 2.2 En l'occurrence, il ne s'agit pas de savoir si la cour cantonale a correctement appliqué le droit cantonal (cette question ne pouvant être revue librement par le Tribunal fédéral), mais uniquement de se demander si l'application qui a été faite par la cour précédente des règles cantonales aboutit à un résultat conforme au principe de la force dérogatoire du droit fédéral ( art. 49 al. 1 Cst. ). Le recourant a désigné de façon précise les normes de droit fédéral qui sont, d'après lui, touchées par la disposition cantonale contestée (sur l'exigence: arrêt 1P.705/2000 du 24 septembre 2001 consid. 2a et les références citées). Cela étant, le Tribunal fédéral peut vérifier librement, sous l'angle de l' art. 49 al. 1 Cst. , la conformité de la règle de droit cantonal avec le droit fédéral ( ATF 126 I 76 consid. 1 p. 78 et les arrêts cités; arrêt 1P.705/2000 déjà cité consid. 2a). BGE 137 I 135 S. 137 2.3 L'art. 25 al. 3 de la loi fribourgeoise du 26 septembre 1985 encourageant la construction de logements à caractère social (RSF 87.2) se présente comme suit: "Les frais accessoires sont fixés conformément à l'art. 38 al. 2 de la loi fédérale du 4 octobre 1974 encourageant la construction et l'accession à la propriété de logements." Il convient de rechercher, à titre préalable, si cette règle constitue du droit cantonal autonome ou, au contraire, fait partie intégrante de simples mesures d'exécution d'une loi fédérale (notamment de la LCAP à laquelle la disposition cantonale renvoie) (sur ces notions, cf. ATF 128 I 46 consid. 1b/aa p. 58 et les arrêts cités; ANDRÉ GRISEL, Traité de droit administratif, vol. II, 1984, p. 857 s.). Dans le premier cas, la Cour de céans pourra effectuer son examen sous l'angle de l' art. 49 al. 1 Cst. ; dans le deuxième, il s'agira avant tout de confronter deux lois fédérales (le Code des obligations et la loi fédérale à l'origine des mesures d'exécution cantonales). La disposition litigieuse s'inscrit dans une loi cantonale poursuivant deux objectifs principaux, à savoir de compléter l'aide fédérale octroyée en vertu de la LCAP (art. 1 let. a) et de faciliter la construction et l'acquisition de logements sociaux par des personnes de l'étranger (art. 1 let. b). Les deux objectifs - et donc les règles permettant de poursuivre ceux-ci - sont clairement séparés. Le premier est concrétisé au Chapitre deuxième ("Aide complémentaire destinée à abaisser les loyers"; art. 5-21). Le Chapitre troisième ("Construction de logements sociaux par des personnes à l'étranger"; art. 22-29) de la loi cantonale, applicable en l'espèce, vise le deuxième objectif; il fait référence à l'art. 9 al. 1 let. a de la loi fédérale du 16 décembre 1983 sur l'acquisition d'immeubles par des personnes à l'étranger (LFAIE; RS 211.412.41). L' art. 9 al. 1 let. a LFAIE donne la faculté aux cantons d'autoriser l'acquisition d'immeuble par des personnes à l'étranger lorsque celui-ci est destiné à la construction, sans aide fédérale, de logements à caractère social au sens de la législation cantonale dans les lieux où sévit la pénurie de logements, ou comprend de tels logements s'ils sont de construction récente. Le législateur fribourgeois a fait usage de cette faculté, reprenant, à l'art. 22 al. 1 de la loi cantonale, l'essentiel des termes de la disposition fédérale. Il a ensuite fixé les conditions de l'autorisation, notamment en définissant la notion de "pénurie de logements" (art. 23), en BGE 137 I 135 S. 138 désignant le service compétent pour examiner les projets et contrôler les loyers (art. 24 et 26) et en déterminant la base de calcul des loyers et des frais accessoires (art. 25). La LFAIE se limite à accorder une faculté aux cantons, laissant ceux-ci libres d'adopter la réglementation adéquate. En particulier, la loi fédérale ne contient aucune règle fixant les frais accessoires. Cette question a été tranchée par le législateur fribourgeois à l'art. 25 al. 3; il a choisi de renvoyer à l' art. 38 al. 2 LCAP , disposition qui, contrairement au Code des obligations, intègre dans la notion de frais accessoires aussi des coûts liés à l'existence de la chose elle-même. Le législateur fribourgeois a donc fait le choix d'appliquer l' art. 38 al. 2 LCAP à titre de droit cantonal supplétif. Il en résulte que l'art. 25 al. 3 de la loi fribourgeoise - comme d'ailleurs l'ensemble du Chapitre 3 - constitue du droit cantonal autonome, et non une simple mesure d'exécution de la LFAIE. Dans l'examen du principe de la force dérogatoire du droit fédéral, il s'agit de rappeler la façon dont les frais accessoires sont réglementés aux art. 257a s. CO (cf. infra consid. 2.4), avant d'examiner si le législateur fribourgeois pouvait également se saisir de cette question à l'art. 25 al. 3 de la loi cantonale (cf. infra consid. 2.5 et 2.6). 2.4 Selon l' art. 257a CO , les frais accessoires sont dus pour les prestations fournies par le bailleur ou un tiers en rapport avec l'usage de la chose (al. 1); ils ne sont à la charge du locataire que si cela a été convenu spécialement (al. 2). Les prestations en rapport avec l'usage de la chose sont énumérées, de façon non exhaustive, à l' art. 257b al. 1 CO . Il s'agit notamment des dépenses effectives du bailleur pour les frais de chauffage, d'eau chaude, d'autres frais d'exploitation, ainsi que des contributions publiques résultant de l'utilisation de la chose. Il résulte de l' art. 257a al. 1 CO (a contrario) que les prestations du bailleur sans lien avec l'usage de la chose louée ne peuvent être facturées comme frais accessoires. C'est le cas des dépenses en rapport avec la propriété ou l'existence même de la chose, soit des frais dus indépendamment de l'occupation de l'immeuble ou de la conclusion d'un contrat de bail (ISABELLE BIERI, in Droit du bail à loyer, 2010, n° 5 ad art. 256b CO , PETER HIGI, Zürcher Kommentar, 1994, n° 40 ad art. 256a-256b CO ). Entrent dans cette catégorie de frais les impôts fonciers et les primes d'assurance du bâtiment (entre autres auteurs: DAVID LACHAT, Le bail à loyer, 2008, p. 332 s.; BIERI, op. cit., BGE 137 I 135 S. 139 n° 10 ad art. 257a-257b CO ). Sont également visées les dépenses consacrées par le bailleur à l'entretien de la chose louée ou à la rénovation des locaux ( ATF 105 II 35 consid. 4 p. 37 ss; LACHAT, op. cit., p. 332 s. et les références; BIERI, op. cit., n° 13 ad art. 257a-257b CO ). Les art. 257a et 257b CO qui définissent les frais accessoires sont impératifs. Le contrat ne peut donc valablement mettre à la charge du locataire, sous la forme de frais accessoires, des dépenses sans relation avec l'usage des locaux (arrêt 4C.82/2000 du 24 mai 2000 consid. 3a; ATF 105 II 35 consid. 4 p. 37 ss; LACHAT, in Commentaire romand, Code des obligations, vol. I, 2003, n° 3 ad art. 256b CO ; BIERI, op. cit., n° 18 ad art. 256b CO et n° 10 ad art. 257a-257b CO ; ROGER WEBER, in Basler Kommentar, Obligationenrecht, vol. I, 4 e éd. 2007, n° 6 ad art. 257a CO ; THOMAS OBERLE, Nebenkosten, Heizkosten, 2 e éd. 2001, p. 33 s.; PHILIPPE RICHARD, Les frais accessoires au loyer dans les baux d'habitations et de locaux commerciaux, in 12 e Séminaire sur le droit du bail, 2002, n° 21 p. 6; RICHARD PERMANN, Mietrecht, 2 e éd. 2007, n° 1 ad art. 257a CO ; HIGI, op. cit., n° 3 ad art. 257a-257b CO ; GIACOMO RONCORONI, Zwingende und dispositive Bestimmungen im revidierten Mietrecht, Mietrechtspraxis [mp] 1990, p. 80 et 93 [selon cet auteur, l' art. 257b al. 2 CO est toutefois de droit semi-impératif]). Si le bailleur entend mettre ces frais à la charge du locataire, il doit alors les prendre en compte dans le calcul du loyer (cf. OBERLE, op. cit., p. 18 et 34; LACHAT, op. cit., ch. 6.4 p. 442 s., et en particulier note de pied 112). 2.5 Le problème de la force dérogatoire du droit fédéral ( art. 49 al. 1 Cst. ; art. 2 Disp. trans. aCst. ) se pose différemment selon qu'il s'agit de droit privé ou de droit public cantonal ( ATF 117 Ia 328 consid. 2a p. 330; ATF 113 Ia 309 consid. 3b p. 311 s.). 2.5.1 En principe, la réglementation de droit civil est exclusive et les cantons ne peuvent adopter des règles de droit privé dans les domaines régis par le droit fédéral que si ce dernier leur en réserve la possibilité ( art. 5 al. 1 CC ; ATF 117 Ia 328 consid. 2b p. 331; ATF 113 Ia 309 consid. 3b p. 311 et l'arrêt cité; sur l'ensemble de la question: STEINAUER, op. cit., n° 169 ss p. 57 ss). En matière de bail, la réglementation fédérale est exhaustive, sous réserve de la compétence laissée aux cantons d'édicter certaines règles de droit privé complémentaires ( art. 257e al. 4, art. 270 al. 2 CO ) ( ATF 117 Ia 328 consid. 2b p. 331). A défaut d'une telle réserve, il est interdit aux BGE 137 I 135 S. 140 cantons d'intervenir dans les rapports directs entre les parties au contrat de bail (cf. ATF 117 Ia 328 consid. 2a et 2b p. 330 s.; ATF 116 Ia 401 consid. 4b/aa p. 408 et les arrêts cités). 2.5.2 Une seule et même matière peut toutefois être saisie à la fois par des règles de droit privé fédéral et par des règles de droit public cantonal. Dans les domaines régis par le droit civil fédéral, les cantons conservent en effet la compétence d'édicter des règles de droit public en vertu de l' art. 6 CC à condition toutefois que le législateur fédéral n'ait pas entendu régler une matière de façon exhaustive (en ce sens qu'il n'entendait laisser aucune place pour du droit public cantonal sur la même matière), que les règles cantonales soient motivées par un intérêt public pertinent et qu'elles n'éludent pas le droit civil, ni n'en contredisent le sens ou l'esprit ( ATF 135 I 106 consid. 2.1 p. 108; ATF 131 I 333 consid. 2.1 p. 336; ATF 130 I 169 consid. 2.1 p. 170; ATF 129 I 330 consid. 3.1 p. 334, ATF 129 I 402 consid. 2 p. 404 et les arrêts cités). Les cantons demeurent par exemple libres d'édicter des mesures destinées à combattre la pénurie dans le secteur locatif dans la mesure où leur finalité n'est pas d'intervenir dans les rapports entre bailleur et preneur ( ATF 89 I 178 consid. 3d p. 184). Le Tribunal fédéral n'a ainsi pas jugé contraire au droit fédéral le fait d'assortir l'octroi de l'autorisation de rénover des appartements soumis au régime de la loi vaudoise du 4 mars 1985 concernant la démolition, la transformation et la rénovation de maisons d'habitation (...) (LDTR; RSV 840.15) à un contrôle des loyers durant une période maximale de dix ans au regard du but d'intérêt public poursuivi par la loi ( ATF 101 Ia 502 consid. 2d p. 510). 2.6 2.6.1 La cour cantonale retient que "les règles cantonales en matière d'encouragement de la construction de logements à caractère social, motivées par un intérêt public pertinent, n'éludent pas les règles fédérales protectrices en matière de bail, ni n'en contredisent le sens ou l'esprit". Elle sous-entend par là que les dispositions formant le Chapitre 3 de la loi fribourgeoise constituent du droit public cantonal (cf. supra consid. 2.5.2). La thèse défendue par les recourants est basée sur le même constat (cf. supra consid. 2.1). Certes, l'objectif général du Chapitre 3 de la loi fribourgeoise vise à encourager la construction de logements à caractère social (cf. supra BGE 137 I 135 S. 141 consid. 2.3); il ne consiste donc pas en soi à réglementer les relations entre bailleur et locataire. La question présentement litigieuse n'est toutefois pas de savoir si l'objectif général de la loi cantonale fait obstacle aux dispositions du droit du bail. Il s'agit de déterminer si un point précis des règles édictées par le législateur fribourgeois (soit la façon de définir les frais accessoires à l'art. 25 al. 3 de la loi cantonale) fait obstacle à la mise en oeuvre des art. 257a s. CO. Cela étant, plusieurs éléments poussent à conclure que la norme cantonale relèverait plutôt du droit privé, en particulier le fait que le renvoi à la LCAP procède d'un choix du législateur fribourgeois tendant à définir les frais à la charge des locataires qui ne sont pas couverts par le loyer. Or, la question du paiement du loyer et celle des frais accessoires ne vise pas à réaliser un intérêt général, mais touche la relation entre bailleur et locataire (sur la théorie des intérêts: ATF 132 I 270 consid. 4.3 p. 273; ATF 128 III 250 consid. 2 p. 253 et les références; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6 e éd. 2010, n° 255 ss p. 56 s.). La norme cantonale intervient directement dans cette relation et constituerait dès lors du droit privé cantonal (cf. ATF 117 Ia 328 consid. 2a p. 331; s'agissant de la fixation du loyer: ATF 113 Ia 126 consid. 9d p. 142). 2.6.2 En l'occurrence, il n'est toutefois pas utile d'approfondir la question et d'apprécier, parmi les différentes théories développées pour délimiter les affaires ressortissant au droit public de celles relevant du droit privé, celle qui est la mieux appropriée pour résoudre la question concrète qui se pose (à ce sujet, cf. récemment: arrêt 4A_503/2010 du 20 décembre 2010 consid. 3.2 et les références). Dans l'hypothèse où l'on retient que la norme cantonale litigieuse est de droit privé, il suffit de constater que les art. 257a et 257b CO ne contiennent aucune réserve maintenant la compétence législative des cantons pour arriver à la conclusion que le législateur fribourgeois ne pouvait légiférer sur cette question (cf. supra consid. 2.5.1). Dans l'hypothèse énoncée par la juridiction précédente (la règle cantonale litigieuse est de droit public), même à considérer que les art. 257a et 257b CO ne règleraient pas la question des frais accessoires de façon exhaustive, il est indéniable que la norme cantonale, qui qualifie de frais accessoires certains coûts liés à l'existence de la chose louée, élude purement et simplement les art. 257a s. CO (cf. supra consid. 2.4). En outre, on ne voit pas quel intérêt public pertinent pourrait poursuivre le canton en militant pour introduire BGE 137 I 135 S. 142 certaines charges du bailleur dans les frais accessoires plutôt que dans le loyer. A cet égard, on relèvera que le législateur fribourgeois ne saurait se prévaloir des considérations à la base de l'adoption de l' art. 38 al. 2 LCAP , norme à laquelle renvoie le droit cantonal. La LCAP a prévu un système dérogeant à celui prévu aux art. 257a s. CO pour les immeubles bénéficiant de l'aide de la Confédération. Le Conseil fédéral a expliqué qu'en intégrant les montants des redevances publiques (notamment impôts réels, taxes d'éclairage et primes d'assurance immobilières) dans le loyer (comme cela est exigé par les art. 257a s. CO), cela pourrait donner l'impression que l'aide des pouvoirs publics "n'est pas toujours la même" puisque les montants des redevances publiques et la façon de les porter en compte varient selon les cas. Il a alors été décidé, pour "rendre plus clair le calcul du loyer", de considérer les redevances publiques comme des frais accessoires que le locataire doit payer séparément, en sus du loyer (Message du 17 septembre 1973 relatif à la loi fédérale encourageant la construction et l'accession à la propriété de logements, FF 1973 II 711 ch. 453.34). En l'espèce, l'intimé n'a bénéficié d'aucune aide financière des pouvoirs publics (cf. art. 22 al. 1 de la loi cantonale) et les situations ne sont donc nullement comparables. Dans les deux hypothèses, la mise à la charge des locataires des postes litigieux mentionnés dans les frais accessoires se heurte au principe de la force dérogatoire du droit fédéral. Il importe donc peu que l'arrêt cantonal rendu par la II e Cour d'appel civil du Tribunal cantonal fribourgeois l'ait été en application correcte du droit cantonal (cf. ATF 120 II 28 consid. 3 p. 29). 2.7 L'argumentation alternative de la cour cantonale - également attaquée par les recourants (sur l'exigence de recevabilité posée par la jurisprudence, cf. ATF 133 IV 119 consid. 6.3 p. 120 s.) - tend à rendre une décision en équité obligeant les locataires à prendre en charge des frais accessoires que l'autorité précédente qualifie elle-même d'"inhabituels". La juridiction cantonale ne désigne pas expressément le fondement juridique de son raisonnement. Il apparaît toutefois qu'elle n'entendait pas indiquer que la décision de première instance heurterait le sentiment de justice et d'équité, soit qu'elle serait arbitraire ( art. 9 Cst. ). On ne voit en effet pas que la décision de première instance, qui vise à régler un litige entre les parties au contrat de bail, serait choquante pour la seule raison que le bailleur a été "trompé" par une BGE 137 I 135 S. 143 disposition cantonale qui se révèle contraire au droit fédéral. Il faut souligner que, de leur côté, les locataires n'en peuvent rien et qu'il n'est pas choquant qu'ils demandent l'application d'une norme impérative de droit fédéral. Par ailleurs, tirer argument de l' art. 9 Cst. reviendrait en l'espèce à empêcher, de façon inadmissible, l'application du principe constitutionnel de la force dérogatoire du droit fédéral (sur lequel repose la décision de première instance). La cour cantonale semble plutôt placer son raisonnement dans la perspective de la conséquence pour les cocontractants de l'application des art. 257a s. CO. Elle souligne que la décision de première instance léserait le bailleur et que la pratique dont se plaignent les locataires n'est pas contraire à leurs intérêts. Elle laisse ainsi entendre que la première instance n'a pas entrepris correctement la pesée des intérêts dans le litige qu'elle a dû trancher, ce qui conduit à se poser la question de l'application de l' art. 4 CC (cf. STEINAUER, op. cit., n° 410 p. 143). C'est donc à bon droit que les recourants invoquent une violation de l' art. 4 CC . Selon l' art. 4 CC , le juge applique les règles du droit et de l'équité, lorsque la loi réserve son pouvoir d'appréciation ou qu'elle le charge de prononcer en tenant compte soit des circonstances, soit de justes motifs. En mentionnant - de façon non exhaustive - trois cas de renvoi au juge, l' art. 4 CC vise à donner à celui-ci une certaine liberté d'action lorsqu'il doit rechercher le sens d'une norme déterminée (cf. STEINAUER, op. cit., n° 409 s. p. 143; HAUSHEER/JAUN, op. cit., n° 1 ad art. 4 CC ). Certes, l'application en l'espèce du principe de la force dérogatoire du droit fédéral a pour conséquence qu'un bailleur est soumis à des règles différentes selon que son immeuble a bénéficié ou non d'un subventionnement public; dans le premier cas, il peut mettre à la charge du locataire, sous la forme de frais accessoires, les dépenses indépendantes de l'usage de la chose; dans le deuxième, cette faculté lui est retirée, alors même que l'on a affaire dans les deux situations à des constructions à caractère social. En ce sens, la remarque de la cour cantonale, qui tend à mettre en évidence que la solution n'est pas satisfaisante, est compréhensible. L' art. 4 CC ne permet cependant pas à la juridiction précédente d'y remédier. En effet, les art. 257a et 257b CO , de nature impérative, prévoient que les frais accessoires doivent être en rapport avec l'usage de la chose. On ne BGE 137 I 135 S. 144 voit donc pas que ces dispositions fassent référence aux règles de l'équité. Ayant retenu que les frais litigieux sont totalement indépendants de l'usage de la chose, la juridiction précédente, en passant à la subsomption, n'avait pas d'autre choix que de conclure que ces dépenses ne constituaient pas des frais accessoires. En tirant la conclusion inverse, la cour cantonale a clairement transgressé les art. 257a s. CO et son raisonnement, basé sur l' art. 4 CC , ne permet pas de justifier la pratique cantonale ancrée à l'art. 25 al. 3 de la loi fribourgeoise. 2.8 A l'issue de cette analyse, le Tribunal fédéral parvient à la conclusion qu'une loi cantonale relative à la construction de logements à caractère social et régissant des immeubles ne bénéficiant pas de l'aide fédérale au sens de la LCAP ne peut déroger aux art. 257a et 257b CO et permettre au bailleur de facturer comme frais accessoires des coûts liés à l'existence de la chose elle-même. C'est donc en violation des art. 257a al. 1 et 257b al. 1 CO que les parties ont mis ces frais à la charge des locataires. Ceux-ci sont en droit de réclamer le montant payé à tort pendant la durée de leur bail (cf. art. 62 ss CO ). Ce montant a été constaté d'une manière qui lie le Tribunal fédéral ( art. 105 al. 1 LTF ). Il s'ensuit qu'en considérant que le bailleur pouvait facturer de tels coûts aux locataires, la cour cantonale a violé le droit fédéral. Par conséquent, le recours doit être admis, l'arrêt entrepris annulé et la demande en remboursement des locataires accueillie.
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Sachverhalt ab Seite 127 BGE 130 I 126 S. 127 Mit Urteil vom 23. August 2001 erkannte das Bezirksgericht Bremgarten X. des Betruges, des Pfändungsbetruges, der Verfügung über mit Beschlag belegte Vermögenswerte in zwei Fällen und des Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen in zwei Fällen für schuldig. Vom ebenfalls erhobenen Vorwurf der Vergewaltigung sprach es den Beschuldigten frei. Das Strafmass wurde auf 4 Monate Gefängnis, unter Anrechnung von 11 Tagen Untersuchungshaft, festgesetzt. Gleichzeitig wurde eine am 16. Dezember 1999 auf Bewährung ausgesprochene Strafe von 15 Monaten Gefängnis für vollstreckbar erklärt. Gegen diesen Entscheid reichte die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau Berufung ein und beantragte unter anderem auch einen Schuldspruch wegen Vergewaltigung. Die Zivilklägerin verlangte ihrerseits die zusätzliche Verurteilung wegen Vergewaltigung zuzüglich einer Genugtuung von Fr. 8'000.-. Der Beschuldigte selber reichte ebenfalls Berufung ein und stellte insbesondere den Antrag, vom Vorwurf des Betruges freigesprochen zu werden. Das Obergericht des Kantons Aargau sprach den Beschuldigten am 21. August 2003 zusätzlich der Vergewaltigung für schuldig und verurteilte ihn zu einer Zuchthausstrafe von 18 Monaten (unter Anrechnung von 11 Tagen Untersuchungshaft, teilweise als Zusatzstrafe zum Urteil des Bezirksgerichts Lenzburg vom 16. Dezember 1999). Für diese Freiheitsstrafe wurde der bedingte Strafvollzug mit einer Probezeit von drei Jahren gewährt. Der Zivilklägerin wurde zu Lasten des Beschuldigten eine Genugtuung von Fr. 4'000.- zugesprochen. Mit Eingabe vom 23. Oktober 2003 erhebt X. staatsrechtliche Beschwerde und beantragt die Aufhebung von Ziff. 1 bis 8 des obergerichtlichen Urteils vom 21. August 2003, unter Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Er macht sinngemäss geltend, bei seinen Einvernahmen sei er - in Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK , Art. 14 Ziff. 3 lit. g des Internationalen Paktes vom 16. Dezember BGE 130 I 126 S. 128 1966 über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II; SR 0.103.2) und Art. 31 Abs. 2 BV - weder von der Polizei noch vom Bezirksamt Bremgarten umfassend über seine Verteidigungsrechte informiert worden. Vor allem sei er nicht darauf aufmerksam gemacht worden, dass er das Recht habe, die Aussage zu verweigern. Seine Aussagen, insbesondere das kurz vor der Haftentlassung abgelegte Geständnis, seien deshalb grundsätzlich nicht verwertbar. Das Obergericht, die Staatsanwaltschaft, wie auch die Beschwerdegegnerin verzichten auf eine Vernehmlassung. Das Bundesgericht heisst die staatsrechtliche Beschwerde gut.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der Beschwerdeführer beruft sich auf Art. 31 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV , Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 14 Ziff. 3 lit. g UNO-Pakt II , wonach er bei den Einvernahmen von der Polizei und vom Bezirksamt auf sein Aussageverweigerungsrecht hätte aufmerksam gemacht werden müssen. Seine Aussagen, insbesondere das Geständnis vom 11. August 2000, seien infolge der unterlassenen Aufklärung nicht verwertbar. 2.1 Als allgemeiner, bisher aus Art. 4 aBV abgeleiteter Grundsatz des Strafprozessrechts ist anerkannt, dass niemand gehalten ist, zu seiner Belastung beizutragen. Der in einem Strafverfahren Beschuldigte ist demnach nicht zur Aussage verpflichtet. Vielmehr ist er aufgrund seines Aussageverweigerungsrechts berechtigt zu schweigen, ohne dass ihm daraus Nachteile erwachsen dürfen (Urteil 8G.55/2000 vom 14. März 2001; BGE 121 II 273 E. 3a S. 281; BGE 109 Ia 166 E. 2b S. 167; BGE 106 Ia 7 E. 4 S. 8; BGE 103 IV 8 E. 3a S. 10; ROBERT HAUSER/ERHARD SCHWERI, Schweizerisches Strafprozessrecht, 5. Aufl., Basel/Genf/München 2002, § 39 N. 15). Eine ausdrückliche Garantie, dass der Beschuldigte nicht gezwungen werden darf, gegen sich selbst als Zeuge auszusagen oder sich schuldig zu bekennen, enthält Art. 14 Ziff. 3 lit. g UNO-Pakt II . Ferner leiten Lehre und Rechtsprechung das Recht des Beschuldigten, zu schweigen und sich nicht selbst belasten zu müssen, auch aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK ab ( BGE 121 II 273 E. 3a S. 282; Urteil i.S. John Murray gegen Grossbritannien vom 8. Februar 1996, Recueil CourEDH 1996-I S. 30 , Ziff. 45 und EuGRZ 1996 S. 587; zur Diskussion in der Lehre siehe etwa JÖRG PAUL MÜLLER, Grundrechte in der Schweiz, 3. Aufl., Bern 1999, S. 561 Fn. 52; dazu auch Urteil 1P.641/2000 BGE 130 I 126 S. 129 vom 24. April 2001, publ. in: Pra 90/2001 Nr. 110, E. 3 S. 642; REGINA KIENER, Die staatsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts in den Jahren 2000 und 2001, in: ZBJV 138/2002 S. 671). Einstweilen kann indessen dahingestellt bleiben, ob das Aussageverweigerungsrecht Ausfluss der Unschuldsvermutung ist ( Art. 32 Abs. 1 BV ; so ANDREAS AUER/GIORGIO MALINVERNI/MICHEL HOTTELIER, Droit constitutionnel suisse, Bd. II, Bern 2000, N. 1323) oder - wie dies der Beschwerdeführer geltend macht - sich aus den Verteidigungsrechten ( Art. 32 Abs. 2 BV ) der angeklagten Person ergibt (vgl. E. 3.3 hiernach). 2.2 Unbestritten ist, dass der verhaftete Beschuldigte weder von der Polizei noch vom Bezirksamt über sein Schweige- und Aussageverweigerungsrecht belehrt worden ist. Offen ist, ob überhaupt eine entsprechende Aufklärungspflicht der Behörden bestand und wenn ja, welche rechtlichen Konsequenzen sich aus deren Nichtbeachtung ergeben. 2.3 Von Bedeutung ist in erster Linie, ob die Untersuchungsbehörden von Gesetzes wegen gehalten waren, den Beschwerdeführer auf sein Aussageverweigerungsrecht aufmerksam zu machen. Der - heute - massgebliche § 62 des Aargauer Gesetzes über die Strafrechtspflege vom 11. November 1958 (Strafprozessordnung, StPO/ AG; AGS 251.100) ist erst am 1. Januar 2003 in Kraft getreten, also nach der beanstandeten Vernehmung. Die zitierte Bestimmung sieht vor, dass der Beschuldigte vor der ersten Einvernahme unter anderem darauf hinzuweisen ist, dass er die Aussage verweigern kann ( § 62 Abs. 1 lit. b StPO /AG). Demgegenüber bestand vor der Revision der Strafprozessordnung jedenfalls nach kantonalem Recht keine Verpflichtung, den Angeschuldigten auf sein Aussageverweigerungsrecht hinzuweisen (NIKLAUS OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, Bern 1994, S. 136). Indes ist am 1. Januar 2000 die neue Bundesverfassung in Kraft getreten. Im Entscheid 8G.55/2000 vom 14. März 2001 (E. 3-5, publ. in: Pra 90/2001 Nr. 94 S. 551 ff.) hat das Bundesgericht die Pflicht der Behörden, den Beschuldigten über sein Aussageverweigerungsrecht aufzuklären, direkt auf Art. 31 Abs. 2 BV gestützt (ebenso Urteil 6P.164/2001 vom 9. Januar 2002). Gemäss Art. 31 Abs. 2 BV hat jede Person, der die Freiheit entzogen wird, unter anderem Anspruch darauf, unverzüglich in einer ihr verständlichen Sprache über ihre Rechte unterrichtet zu werden; sie muss die BGE 130 I 126 S. 130 Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Die Bestimmung gilt für alle Arten des Freiheitsentzuges. Sie lehnt sich, anders als die übrigen Verfahrensgarantien, nicht an die EMRK oder den UNO-Pakt II und die geltende Rechtsprechung dazu oder zu Art. 4 aBV an, sondern geht, wie in der Botschaft zur Nachführung der Bundesverfassung (BBl 1997 I 185) dargelegt, auf frühere Vorentwürfe zur Totalrevision der Bundesverfassung (VE 1977 Art. 21, VE MÜLLER/KÖLZ Art. 15 und Modell-Studie EJPD 1985 Art. 22) zurück. Die Schwere des Eingriffs liess eine Konkretisierung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in der Form eines Informationsanspruchs als gerechtfertigt erscheinen (BBl 1997 I 185), birgt doch die besondere Drucksituation des Freiheitsentzugs eine erhöhte Gefahr in sich, dass der Betroffene seine Rechte nicht oder nur unzureichend wahrzunehmen vermag (Urteil 8G.55/2000 vom 14. März 2001, E. 3b). 2.4 Art. 31 Abs. 2 BV knüpft mit der Wendung "ihre Rechte" an die Ansprüche an, welche die betroffene Person nach der Bundesverfassung, den internationalen Abkommen und der eidgenössischen und kantonalen Gesetzgebung geltend machen kann. Dabei beschränkt sich die Vorschrift aber auf die beispielhafte Erwähnung des Rechts, die nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen. Soweit sich die Lehre dazu äussert, zählt sie auch das Schweige- oder Aussageverweigerungsrecht der in einem Strafverfahren beschuldigten Person zu diesen Rechten (RENÉ RHINOW, Die Bundesverfassung 2000, Basel 2000, S. 220; AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, a.a.O., N. 333; HANS VEST, St. Galler Kommentar zur BV, Rz. 16 ff. zu Art. 31 Abs. 2 BV ; BENJAMIN SCHINDLER, Miranda Warning - bald auch in der Schweiz?, in: Strafrecht als Herausforderung [Hrsg. Jürg-Beat Ackermann], Zürich 1999, S. 467 ff., 472 f.; MARTIN PHILIPP WYSS, "Miranda Warnings" im schweizerischen Verfassungsrecht?, Inhalt und Tragweite von Art. 31 Abs. 2 BV , in: recht 19/2001 S. 132 ff.; STEFAN FLACHSMANN/STEFAN WEHRENBERG, Aussageverweigerungsrecht und Informationspflicht, in: SJZ 97/2001 S. 313 ff.; SVEN ZIMMERLIN, Miranda-Warning und andere Unterrichtungen nach Art. 31 Abs. 2 BV , in: ZStR 121/2003 S. 311 ff., 317 f.; MARC FORSTER, Gefangenenrechte und Polizeigewalt, in: Plädoyer 2003 6 S. 30 ff.). Der Kommentar zur bernischen Kantonsverfassung, dessen vor der neuen BV entstandener Art. 25 Abs. 2 im Wesentlichen gleich wie Art. 31 Abs. 2 BV lautet, nennt als Beispiel für die Rechte, über die zu informieren ist, jenes auf BGE 130 I 126 S. 131 Aussageverweigerung (WALTER KÄLIN/URS BOLZ, Handbuch des bernischen Verfassungsrechts, Bern 1995, S. 295). Im Urteil 6P.164/2001 vom 9. Januar 2002, E. 3e, hat das Bundesgericht diese Auslegung von Art. 31 Abs. 2 BV denn auch bestätigt (siehe dazu FORSTER, a.a.O., S. 33). 2.5 Somit ist vorab festzuhalten, dass sich die Pflicht der Behörde, die festgenommene Person unverzüglich über ihr Aussageverweigerungsrecht aufzuklären, direkt aus dem seit 1. Januar 2000 geltenden Art. 31 Abs. 2 BV ergibt. Da die hier interessierenden Aussagen im August 2000 gemacht worden waren, waren die kantonalen Behörden gestützt auf Art. 31 Abs. 2 BV gehalten, den Beschwerdeführer über sein Schweige- und Aussageverweigerungsrecht zu belehren. Nicht relevant ist - entgegen der Meinung des Obergerichtes -, ob die bundesgerichtliche Praxis zum Zeitpunkt der Einvernahmen bereits bekannt war. Zu prüfen bleibt, ob die unterlassene Unterrichtung zur Folge hat, dass die Aussagen des Beschuldigten unverwertbar sind. 3. 3.1 Die Aufklärungspflicht hat formellrechtlichen Charakter. Daher fragt sich, ob bei deren Verletzung ein Verwertungsverbot bestehe. Diese Frage wird von der Lehre unterschiedlich beantwortet. Einerseits wird die Ansicht vertreten, Aussagen, welche ohne Information über das Schweigerecht gemacht worden seien, seien unverwertbar, da der Hinweis nach Art. 31 Abs. 2 BV Gültigkeitserfordernis sei (SCHINDLER, a.a.O., S. 478; VEST, St. Galler Kommentar zur BV, Rz. 20 zu Art. 31 Abs. 2 BV ; ROBERT HAUSER, Zum Schweigerecht des Beschuldigten, in: ZBJV 131/1995 S. 529 ff., 532; FLACHSMANN/WEHRENBERG, a.a.O., S. 320 f.). Differenzierter sind die Meinungen, wonach zwar grundsätzlich ein Beweisverwertungsverbot bestehe, Ausnahmen jedoch je nach konkretem Einzelfall möglich seien, etwa, wenn der Betroffene sein Schweigerecht kannte oder nach den Umständen des Falles noch kein Anlass bestand, den Befragten als Angeschuldigten zu behandeln (HAUSER/ SCHWERI, a.a.O., § 39 N. 15b; ZIMMERLIN, a.a.O., S. 332, der die Pflicht zur Unterrichtung über die Verfahrensrechte nicht als Folge des Anspruchs auf rechtliches Gehör, sondern als eigenständige Verfahrensgarantie erachtet; KIENER, a.a.O., S. 671, bezeichnet den Informationsanspruch dagegen als Konkretisierung des rechtlichen Gehörs und will in - durch die Rechtsprechung zu entwickelnden - BGE 130 I 126 S. 132 Ausnahmefällen eine Heilung der Gehörsverletzung zulassen; unentschieden: WYSS, a.a.O., S. 144; kritisch zum absoluten Beweisverwertungsverbot bei Verletzung von Gültigkeitsvorschriften auch NIKLAUS SCHMID, Strafprozessrecht, 3. Aufl., Zürich 1997, N. 608 f.). 3.2 Im Urteil 8G.55/2000 vom 14. März 2001 hat das Bundesgericht offen gelassen, ob die mit einem solchen formellen Mangel behafteten Einvernahmeprotokolle als Beweismittel verwertbar sind. Der Sachrichter habe darüber im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung zu befinden. Ein absolutes Verwertungsverbot wurde im zitierten Entscheid indessen ausdrücklich verneint (Urteil 8G.55/2000, E. 3c). Im Fall 6P.164/2001 vom 9. Januar 2002 wurde in E. 3e festgehalten, dass nicht jedes Unterlassen als Verletzung von Art. 31 Abs. 2 BV zu werten sei. Eine Ausnahme sei insbesondere zu machen, wenn die festgenommene Person ihr Schweigerecht gekannt habe. Allerdings müsse diese Kenntnis im konkreten Fall hinreichend erwiesen sein. Davon sei beispielsweise auszugehen, wenn der Beschuldigte in Anwesenheit seines Anwaltes angehört worden sei (siehe dazu auch HAUSER, a.a.O., S. 533). Nach der Rechtsprechung können in Abwägung der entgegenstehenden Interessen auch gewisse unrechtmässig beschaffte Beweise zu Lasten eines Angeschuldigten verwendet werden. Je schwerer die zu beurteilende Straftat ist, umso eher überwiegt das öffentliche Interesse an der Wahrheitsfindung das private Interesse des Angeklagten daran, dass der fragliche Beweis unverwertet bleibt ( BGE 109 Ia 244 E. 2b S. 246; BGE 120 Ia 314 E. 2c S. 320; HAUSER/SCHWERI, a.a.O., § 60 N. 6). Mitzuberücksichtigen ist dabei auch, ob das rechtswidrig erlangte Beweismittel an sich zulässig und auf gesetzmässigem Weg erreichbar gewesen wäre ( BGE 96 I 437 E. 3b S. 440 f.). 3.3 In Bestätigung und Fortführung dieser Rechtsprechung ist bezüglich der Aufklärungspflicht von einer eigenständigen Verfahrensgarantie auszugehen, welche sich nicht nur aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör ableiten lässt (ZIMMERLIN, a.a.O., S. 331). Soweit die festgenommene Person davor bewahrt werden soll, sich selber zu belasten, dient die Information über das Aussageverweigerungsrecht der Gewährleistung der Verteidigungsrechte. Aufgrund des formellrechtlichen Charakters dieser Verfahrensgarantie sind Aussagen, die in Unkenntnis des Schweigerechtes gemacht wurden, grundsätzlich nicht verwertbar. In Abwägung der entgegenstehenden Interessen können Einvernahmen jedoch ausnahmsweise unter den in E. 3.2 genannten Voraussetzungen trotz unterlassener BGE 130 I 126 S. 133 Unterrichtung über das Aussageverweigerungsrecht verwertet werden. 3.4 Im vorliegenden Fall wurde zwar am 7. August 2000 ein amtlicher Verteidiger bestellt. Die umstrittenen Einvernahmen fanden jedoch - aus nicht näher bezeichneten Gründen - nicht in dessen Beisein statt. Es kann darum nicht wie im zitierten Entscheid 6P.164/2001 vom 9. Januar 2002 argumentiert werden, es liege gar keine Verletzung der Informationspflicht vor, weil die Anwesenheit des Verteidigers bei der Einvernahme auf eine Kenntnis des Aussageverweigerungsrechts schliessen lasse. Die aus Art. 31 Abs. 2 BV abgeleitete behördliche Informationspflicht wurde anlässlich der Befragungen durch die Polizei und das Bezirksamt Bremgarten verletzt. Gründe, die eine Ausnahme vom Verwertungsverbot zulassen würden (siehe E. 3.2 hiervor), sind vorliegend keine ersichtlich und wurden auch nicht geltend gemacht. Wie bereits gesehen, ist der Einwand des Obergerichtes, die Praxis des Bundesgerichtes zu Art. 31 Abs. 2 BV sei im Zeitpunkt der Einvernahmen noch nicht bekannt gewesen, unbehelflich. Selbst wenn die Rüge in einem früheren Verfahrensstadium hätte vorgebracht werden können, ändert dies nichts daran, dass den Aussagen, die ohne Hinweis auf das Schweigerecht gemacht wurden, der formelle Mangel dieser behördlichen Pflichtverletzung und damit das grundsätzliche Verwertungsverbot anhaftet. Der Beschwerdeführer hat sein Rügerecht nicht durch Zuwarten verwirkt. Verwertbar sind indessen die Aussagen des Beschwerdeführers vor dem Bezirksgericht Bremgarten und vor Obergericht. Der Beschwerdeführer hat denn anlässlich der Berufungsverhandlung auch beantragt, es sei lediglich auf diese Aussagen abzustellen. Der Verwertung der Zeugenaussagen steht ebenfalls nichts entgegen.
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Sachverhalt ab Seite 590 BGE 143 III 589 S. 590 A. Le 17 janvier 2014, la République X. (ci-après: X.) a engagé une procédure d'arbitrage contre Z. Plc (ci-après: Z.), conformément au Règlement d'arbitrage de la Commission des Nations Unies pour le droit commercial international (CNUDCI). Elle a requis, entre autres conclusions, la constatation de la nullité ab initio du First Amendment to the Shareholders Agreement et du GAS Master Agreement (ci-après: GMA) conclus par elle avec ladite société le 30 janvier 2009. Un Tribunal arbitral de trois membres, comprenant le Professeur émérite N., choisi par X., a été constitué; son siège a été fixé à Genève, ainsi que le prévoyait la convention d'arbitrage figurant dans le Shareholders Agreement (ci-après: SHA) conclu par les mêmes parties le 17 juillet 2003 et dans le GMA. Après avoir instruit la cause, le Tribunal arbitral, par sentence finale du 23 décembre 2016, a débouté X. des fins de sa demande. B. Le 1 er février 2017, X. a formé un recours en matière civile et, subsidiairement, une demande de révision. Elle y a pris des conclusions tendant à l'annulation de la sentence attaquée et à ce qu'ordre soit donné au Professeur N. de se récuser comme arbitre. Le Tribunal fédéral a déclaré irrecevables le recours et la demande de révision. (résumé)
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. La recevabilité du présent recours suppose, entre autres conditions, que les parties n'aient pas exclu la possibilité d'interjeter un recours au sens de l' art. 190 LDIP (RS 291). 2.1 Dans sa version déterminante ( ATF 143 III 55 consid. 3.1), l' art. 192 al. 1 LDIP prévoit que, "[s]i les deux parties n'ont ni domicile, ni résidence habituelle, ni établissement en Suisse, elles peuvent, par une déclaration expresse dans la convention d'arbitrage ou un accord écrit ultérieur, exclure tout recours contre les sentences du BGE 143 III 589 S. 591 tribunal arbitral; elles peuvent aussi n'exclure le recours que pour l'un ou l'autre des motifs énumérés à l' art. 190 al. 2 LDIP ". 2.1.1 La jurisprudence fédérale a dégagé progressivement les principes découlant de la disposition examinée. Il en ressort, en substance, que la pratique n'admet que de manière restrictive les conventions d'exclusion et qu'elle juge insuffisante une renonciation indirecte. Quant à la renonciation directe, elle ne doit pas forcément comporter la mention de l' art. 190 LDIP et/ou de l' art. 192 LDIP . Il suffit que la déclaration expresse des parties fasse ressortir de manière claire et nette leur volonté commune de renoncer à tout recours. Savoir si tel est bien le cas est affaire d'interprétation. C'est le lieu de rappeler que la renonciation au recours vise tous les motifs énumérés à l' art. 190 al. 2 LDIP , y compris celui tiré de la composition irrégulière du tribunal arbitral ( ATF 133 III 235 consid. 4.3.2.2 p. 243 in limine ), à moins que les parties n'aient exclu le recours que pour l'un ou l'autre de ces motifs ( ATF 143 III 55 consid. 3.1 p. 58 et les arrêts cités). 2.1.2 Dans un arrêt de principe du 4 février 2005 publié aux ATF 131 III 173 , la I re Cour de droit civil, alors dénommée I re Cour civile, a procédé à une analyse approfondie du terme "appeal" au regard de l' art. 192 al. 1 LDIP (consid. 4.2.3.2). Jusque-là, elle s'était contentée d'observer incidemment que l'indication d'après laquelle les parties considèrent que la sentence à venir est "sans appel" ne constitue pas une renonciation suffisante à tout recours ( ATF 116 II 639 consid. 2c p. 640). A titre liminaire, la Cour a jugé critiquable, dans son principe, la démarche de la recourante consistant à transposer le terme "appeal" dans le système juridique suisse pour lui donner la signification de "Berufung" ou de "recours ordinaire", par opposition au "Rechtsmittel", s'agissant de parties qui n'avaient aucun lien avec la Suisse et qui avaient choisi l'anglais comme langue aussi bien du contrat que de l'arbitrage. A son avis, la logique voulait que l'on donnât à ce terme la signification que de telles parties, provenant d'horizons juridiques différents et étrangers au droit suisse, lui avaient attribuée - à supposer que leur volonté commune pût être établie - ou avaient pu raisonnablement lui attribuer dans les circonstances et le contexte où elles l'avaient utilisé. Poursuivant son raisonnement, la I re Cour civile a mis en évidence les deux acceptions principales que le mot "appeal" revêt sous l'angle du droit: au sens large, il s'agit d'un terme générique qui embrasse les moyens de droit les plus divers et qui correspond au "recours" ou au "Rechtsmittel" des langues française et allemande (cf., dans ce sens, en plus des exemples cités BGE 143 III 589 S. 592 dans ledit arrêt, Le Grand Robert de la langue française, 2 e éd. 2005, Tome I, ad "appel", p. 462 i.f., pour qui une "décision sans appel" est "sans possibilité de recours"); cependant, le même mot, utilisé dans un sens plus restrictif, sert à désigner l'appel proprement dit, à savoir une voie de recours ordinaire qui est généralement suspensive, dévolutive et réformatoire. Et la Cour de souligner que l'irrecevabilité de cet appel stricto sensu , qui permet à la juridiction étatique de procéder à une révision au fond de la décision dont est appel, constitue la règle en matière d'arbitrage international. Appliquant ces principes à la clause litigieuse, d'après laquelle les parties excluaient "all and any rights of appeal from all and any awards insofar as such exclusion can validly be made", les juges fédéraux ont conclu à l'existence d'une renonciation valable à tout recours contre les sentences du tribunal arbitral en tenant compte de ce que le règlement d'arbitrage choisi par les parties écartait la possibilité d'un éventuel appel interne, du caractère tout à fait exceptionnel d'un appel proprement dit devant le juge étatique en matière d'arbitrage international et, surtout, du fait que l'utilisation du pluriel " rights of appeal" à la suite de l'expression redondante " all and any ", indiquait clairement que les parties avaient en vue tous les moyens de recours possibles et imaginables dont les sentences à venir pourraient être l'objet. Deux ans plus tard, la I re Cour de droit civil a jugé qu'une clause arbitrale se bornant à indiquer que la sentence "[était] définitive et insusceptible ( sic ) d'appel" ne manifestait assurément pas de manière aussi nette la volonté commune des parties de renoncer au recours que ne le faisait la clause dont il était question dans l'arrêt précité, à plus forte raison que l'expression arabe figurant dans la clause litigieuse pouvait être traduite aussi bien par "irrévocable" que par "insusceptible d'appel", ce qui en réduisait encore plus la portée. Elle n'a cependant pas poussé plus avant l'analyse de cette clause dès lors que le recours se révélait de toute façon mal fondé (arrêt 4P.206/2006 du 20 mars 2007 consid. 3.2). En 2011, la clause arbitrale suivante a été soumise à l'examen du Tribunal fédéral: "Neither party shall be entitled to commence or maintain any action in a court of law upon any matter in dispute arising from or concerning this Agreement or a breach thereof except for the enforcement of any award rendered pursuant to arbitration under this Agreement. The decision of the arbitration shall be final and binding and neither party shall have any right to appeal such decision to any court of law". La I re Cour de droit civil y a vu BGE 143 III 589 S. 593 une renonciation valable des parties à recourir contre toute décision du tribunal arbitral. Selon elle, en effet, la dernière phrase de ladite clause faisait ressortir clairement la commune volonté des parties d'exclure tout recours contre une telle décision, volonté encore renforcée et confirmée indirectement par la phrase précédente, laquelle ne conférait aux parties le droit de saisir les tribunaux étatiques qu'à la seule fin d'obtenir l'exequatur d'une sentence rendue par le tribunal arbitral. Au demeurant, toujours selon la Cour, le mot "appeal" devait manifestement être compris en cette affaire dans son acception générique comme dans celle ayant donné lieu à l'arrêt susmentionné, publié in ATF 131 III 173 (arrêt 4A_486/2010 du 21 mars 2011 consid. 2.2). La même clause a été soumise à l'examen du Tribunal fédéral l'année suivante dans un arbitrage opposant les mêmes parties. La I re Cour de droit civil lui a réservé un sort identique, après avoir constaté que, tout comme le droit suisse et à l'inverse du droit anglais, aucune des législations invoquées par le recourant - les droits de procédure civile tunisien, français et new-yorkais - ne permettait d'attaquer une sentence en matière d'arbitrage international par la voie de l'appel ordinaire. Au passage, elle a tenu à préciser, sans trancher définitivement la question, que poser un principe général voulant que le terme anglais "appeal" manifestât suffisamment (ou insuffisamment) la volonté des parties de renoncer au recours ouvert en Suisse contre une sentence arbitrale internationale aurait certes le double mérite de la simplicité et de la prévisibilité, mais constituerait, toutefois, une fiction juridique guère compatible avec les règles générales touchant l'interprétation des manifestations de volonté en matière contractuelle (arrêt 4A_238/2011 du 4 janvier 2012 consid. 2.2.4.2 et les références). La I re Cour de droit civil a, par ailleurs, jugé que la phrase "neither party shall seek recourse to a law court nor other authorities to appeal for revision of this decision" ne pouvait pas être comprise de bonne foi autrement que comme l'expression de la volonté des parties d'exclure toute mise en oeuvre d'une instance étatique pour l'examen de la sentence arbitrale notifiée ("... kann nach Treu und Glauben nur so verstanden werden, dass die Parteien jegliche Anrufung einer staatlichen Instanz zu Überprüfung des eröffneten Schiedsentscheids ausschliessen wollten."). A son avis, malgré l'utilisation disparate de diverses notions relatives aux voies de droit ("recourse", "appeal", "revision"), pareille volonté en ressortait clairement (arrêt 4A_577/2013 du 3 avril 2014 consid. 3.4). BGE 143 III 589 S. 594 Enfin, dans l'arrêt précité, publié aux ATF 143 III 55 , la I re Cour de droit civil a examiné une clause compromissoire ainsi libellée: "The decision of the arbitrator in any such proceeding will be final and binding and not subject to judicial review. Appeals to the Swiss Federal Tribunal from the award of the arbitrator shall be excluded...". Elle a considéré que la clause en question satisfaisait incontestablement aux conditions posées par l' art. 192 al. 1 LDIP et la jurisprudence y relative pour une renonciation valable au recours (consid. 3.2 p. 58). 2.2 Les conventions d'arbitrage pertinentes, insérées dans le SHA du 17 juillet 2003 et dans le GMA du 30 janvier 2009, contiennent le passage suivant: "Awards rendered in any arbitration hereunder shall be final and conclusive and judgment thereon may be entered into any court having jurisdiction for enforcement thereof. There shall be no appeal to any court from awards rendered hereunder ." (texte mis en évidence par le Tribunal fédéral) Considérée à la lumière des principes jurisprudentiels rappelés plus haut et, plus particulièrement, au regard des clauses de renonciation dont le Tribunal fédéral a admis la validité dans ses arrêts, susmentionnés, du 4 février 2005 ( ATF 131 III 173 ), du 21 mars 2011 (cause 4A_486/2010), du 4 janvier 2012 (cause 4A_238/2011) et du 3 avril 2014 (cause 4A_577/2013), la clause citée constitue assurément une renonciation valable au recours, dès lors qu'elle fait indubitablement ressortir la commune volonté des parties de renoncer à tout droit de recourir contre toute décision du Tribunal arbitral devant quelque tribunal étatique que ce soit. Cette volonté-là, qui résulte clairement du texte même du passage reproduit en italique ci-dessus, est encore renforcée et confirmée indirectement par la phrase qui précède ce passage, laquelle, non seulement insiste sur le caractère définitif des sentences à rendre par l'utilisation de deux adjectifs similaires ("final" et "conclusive"), mais encore prévoit que celles-ci pourront faire l'objet d'une procédure d'exequatur devant le tribunal étatique compétent. Il va de soi que le lien établi par la dernière phrase de la convention d'arbitrage entre les termes "appeal" et "awards" permet d'emblée d'exclure que les parties n'aient entendu y proscrire que la voie étatique par rapport à la voie arbitrale pour le jugement de leurs futures prétentions respectives, tant il est vrai que l'exclusion exprimée dans le passage litigieux ne peut concerner qu'une voie de recours ouverte BGE 143 III 589 S. 595 contre les sentences à venir ("from awards rendered"), et non pas le type de juridiction à saisir en première instance. Quant au mot "appeal", il doit manifestement être compris, en l'espèce, dans son acception générique. D'abord, la question d'un éventuel appel interne ne se posait pas puisque l'art. 32 al. 2 du Règlement d'arbitrage de la CNUDCI (version 1976), choisi par les parties, excluait cette possibilité ("[La sentence] n'est pas susceptible d'appel devant une instance arbitrale."). Ensuite, un appel proprement dit, à soumettre àune juridiction étatique jouissant d'une pleine cognition, n'était pas à l'ordre du jour dans la mesure où la faculté d'attaquer une sentence par une telle voie de droit est tout à fait exceptionnelle en matière d'arbitrage international. Semblable faculté est du reste étrangère aux différents droits entrant en ligne de compte in casu : le droit suisse, soit la lex arbitri , l'ignore (cf. art. 190 al. 2 LDIP a contrario); le droit ..., que les parties ont choisi comme lex causae , ne la connaît pas non plus (cf. art. 36 de la loi ... sur l'arbitrage du 19 octobre 2001, qui s'apparente à l'art. 34 de la Loi type de la CNUDCI sur l'arbitrage commercial international du 21 juin 1985); le droit ..., en tant que loi du pays du siège de l'intimée, est sur la même longueur d'onde que le droit ... (art. 54/55 de la loi ... sur l'arbitrage du 8 novembre 1994). Sous l'angle de l'effet utile que l'interprétation objective vise à donner à toute clause contractuelle, on ne voit donc pas quel eût été l'intérêt, pour les parties, d'exclure spécifiquement, dans leur convention d'arbitrage, une voie de recours qui n'existait dans aucune des législations susceptibles d'entrer en considération. Aussi les cocontractantes, en signant, après les avoir négociés avec l'aide d'hommes de loi, les contrats incluant la clause arbitrale où figure la clause d'exclusion, n'ont-elles pu renoncer qu'au seul moyen de droit dont elles disposeraient pour attaquer une éventuelle sentence future, du fait qu'elles fixaient d'ores et déjà en Suisse (Genève) le siège du Tribunal arbitral à constituer, à savoir le recours en matière civile au sens de l' art. 77 al. 1 let. a LTF . A cet égard, il n'est pas interdit d'imaginer, à titre de simple hypothèse d'ailleurs, que la recourante, en sa qualité d'Etat souverain, ait préféré se soumettre d'avance à une sentence rendue par un tribunal arbitral dont elle pourrait désigner directement l'un des membres et indirectement le président (cf. art. 7 du Règlement d'arbitrage de la CNUDCI, version 1976), plutôt que de courir le risque de voir un tribunal d'un autre Etat souverain (en l'occurrence, la Suisse) venir annuler, sur recours de son adverse partie, une sentence qui lui serait favorable. BGE 143 III 589 S. 596 Pour l'essentiel, les arguments avancés par la recourante ont déjà été réfutés, a contrario, par les considérations émises dans le cadre de la subsomption à laquelle il vient d'être procédé. Pour le reste, force est de constater que la formulation de la clause d'exclusion litigieuse est sans commune mesure avec les exemples de déclarations cités par l'intéressée - "sans appel" ( ATF 116 II 639 consid. 2c p. 640); les sentences "sont finales et s'imposent aux deux parties. Les demandes aux tribunaux d'Etat sont exclues." (arrêt 4P.265/1996 du 2 juillet 1997 consid. 1a); la sentence est "définitive et insusceptible d'appel" (arrêt 4P.206/2006, précité) -, comme l'intimée le démontre de manière convaincante sous n. 20 à 22 de sa réponse. Il serait effectivement hasardeux d'extrapoler à partir des deux mots "sans appel", que le Tribunal fédéral a mentionnés dans un considérant théorique de l'arrêt publié précité sans indiquer du reste la teneur de la convention d'arbitrage examinée par lui, ou sur le vu de l'expression "définitive et insusceptible d'appel", dont il n'a pas fait une analyse exhaustive. Quant à la deuxième expression sus-indiquée, elle n'inclut pas le terme "appeal" et ne saurait ainsi être retenue comme point de comparaison. On ne voit pas non plus quelle pourrait être l'incidence de l'absence du mot "right" (au singulier ou ou pluriel) en regard du terme "appeal" (cf. ATF 131 III 173 consid. 4.2.3.2 p. 181) dans la clause envisagée. Enfin, comme il ressort de manière claire et nette de cette clause que les parties ont entendu exclure tout recours contre d'éventuelles sentences futures, la discussion ouverte par la recourante au sujet de la pratique restrictive de la jurisprudence en la matière n'a pas lieu d'être, contrairement à ce qui eût été le cas si l'interprétation de la clause en question avait révélé le caractère ambigu de la clause d'exclusion. 2.3 Il résulte de cet examen que les parties ont valablement exclu tout recours contre les sentences du Tribunal arbitral, en conformité avec l' art. 192 al. 1 LDIP . Le présent recours s'en trouve frappé d'irrecevabilité, qui méconnaît cette volonté commune, manifestée par une déclaration expresse, de ne point soumettre de telles sentences à l'examen de la juridiction étatique compétente du pays du siège de l'arbitrage. Cette volonté concordante des parties, qui n'a pas été restreinte à l'un ou l'autre des motifs énumérés à l' art. 190 al. 2 LDIP , concerne donc l'ensemble de ceux-ci, y compris le grief tiré de la prétendue composition irrégulière du Tribunal arbitral ( art. 190 al. 2 let. a LDIP ). Par conséquent, il n'est pas possible d'entrer en matière. BGE 143 III 589 S. 597 3. A titre subsidiaire, la recourante soutient que, nonobstant une éventuelle renonciation valable des parties à former un recours au sens de l' art. 190 al. 2 LDIP contre la sentence finale rendue par le Tribunal arbitral, elle serait en droit d'invoquer, par la voie de la révision prévue à l' art. 123 al. 2 let. a LTF ( ATF 134 III 286 consid. 2.1 et les arrêts cités), un motif de récusation à l'encontre du Professeur N. A son avis, hormis le fait qu'une partie de la doctrine plaide en faveur de l'inapplicabilité de l' art. 192 LDIP à la révision, les termes utilisés dans la clause de renonciation litigieuse s'opposeraient à ce que l'on étendît celle-ci au recours extraordinaire de la révision exercé subsidiairement par elle. 3.1 Dans un récent arrêt, la I re Cour de droit civil, après avoir procédé à un examen approfondi de la question, a évoqué la nécessité d'admettre que la découverte, postérieurement à l'expiration du délai de recours contre une sentence arbitrale internationale, d'un motif qui eût commandé la récusation de l'arbitre unique ou de l'un des membres du tribunal arbitral peut donner lieu au dépôt, devant le Tribunal fédéral, d'une demande de révision de ladite sentence, à la condition que la partie requérante n'ait pas pu découvrir le motif de récusation durant la procédure arbitrale en faisant preuve de l'attention commandée par les circonstances. Elle a cependant laissé la question ouverte, non seulement parce que la demande de révision soumise à son examen devait de toute façon être rejetée, mais aussi pour tenir compte de ce qu'un toilettage, sinon une refonte, du chapitre 12 de la LDIP était en cours d'exécution ( ATF 142 III 521 consid. 2.3.5). Point n'est besoin non plus de trancher ici cette question. En effet, pour la raison indiquée ci-après, même si l'on y répondait par l'affirmative, il ne serait de toute façon pas possible d'entrer en matière sur la demande de révision déposée par la recourante. 3.2 La sentence finale attaquée a été notifiée à la recourante le 23 décembre 2016, soit pendant les féries judiciaires de fin d'année qui vont du 18 décembre au 2 janvier inclus ( art. 46 al. 1 let . c LTF). En pareille hypothèse, le délai de recours, qui est de 30 jours selon l' art. 100 al. 1 LTF , commence à courir le premier jour suivant les féries, soit le 3 janvier (arrêt 5A_109/2016 du 5 février 2016 et les références). En l'espèce, le dies a quo étant le 3 janvier 2017, le délai de recours a expiré le 1 er février 2017. Or, la recourante déclare avoir appris à la mi-janvier 2017 l'existence du motif de récusation BGE 143 III 589 S. 598 concernant le Professeur N. et rendant irrégulière, à son avis, la composition du Tribunal arbitral. En d'autres termes, elle a découvert, avant la fin du délai de recours, le prétendu cas de récusation entrant à la fois dans les prévisions de l' art. 190 al. 2 let. a LDIP , comme motif de recours, et de l' art. 121 let. a LTF ou de l' art. 123 al. 2 let. a LTF , comme motif - éventuel (cf. consid. 3.1 ci-dessus) - de révision. Selon la jurisprudence, comme la révision revêt en principe un caractère subsidiaire par rapport au recours en matière civile, il paraît difficile d'admettre qu'une partie ayant expressément renoncé à recourir, et donc à se prévaloir du motif prévu à l' art. 190 al. 2 let. a LDIP , puisse néanmoins saisir le Tribunal fédéral par la bande en invoquant le même motif, découvert avant l'expiration du délai de recours, dans le cadre d'une demande de révision, faute de quoi l' art. 192 LDIP deviendrait lettre morte (arrêt 4A_234/2008, précité, consid. 2.1, avant-dernier § i.f.). Telle est exactement la situation qui caractérise la cause en litige. La recourante objecte que le principe posé dans l'arrêt en question l'a été à titre d' obiter dictum . Sans doute est-ce le cas, mais cela n'enlève rien à sa pertinence. Qu'un plaideur, ayant renoncé d'emblée, conjointement avec son adverse partie, à former un éventuel recours afin d'y dénoncer la composition irrégulière du futur tribunal arbitral à raison de tout motif susceptible de la rendre telle, y compris un cas de récusation, puisse contourner cet obstacle en déposant une demande de révision heurte au plus haut point les règles de la bonne foi. La I re Cour de droit civil a d'ailleurs rappelé ledit principe, de manière plus affirmative, à deux reprises au moins (arrêts 4A_570/2011 du 23 juillet 2012 consid. 4.1, dernier §; 4A_247/2014 du 23 septembre 2014 consid. 2.3, dernier §) et plusieurs auteurs lui ont emboîté le pas (PASCAL RUCH, Zum Rechtsmittelverzicht in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 2013, p. 54, dernier §; ANDREAS BUCHER, in Commentaire romand, Loi sur le droit international privé, Convention de Lugano, 2011, n° 5 ad art. 192 LDIP ; MARCO STACHER, Einführung in die internationale Schiedsgerichtsbarkeit der Schweiz, 2015, n. 414 et note de pied 969; KAUFMANN-KOHLER/RIGOZZI, International Arbitration, Law and Practice in Switzerland, 2015, p. 511, note de pied 562; les mêmes , Arbitrage international, Droit et pratique à la lumière de la LDIP, 2 e éd. 2010, p. 545 s., note de pied 681; MATTHIAS LEEMANN, Challenging international arbitration awards in Switzerland on the ground of lack of independence and impartiality of an arbitrator, in BGE 143 III 589 S. 599 Bulletin ASA 2011 p. 10 ss, 26 i.f., 29/30 et note de pied 76; NORA KRAUSZ, Waiver of Appeal to the Swiss Federal Tribunal: Recent Evolution of the Case Law and Compatibility with ECHR, Article 6, in Journal of International Arbitration, 2011, p. 137 ss, 152). Il se justifie, par conséquent, d'entériner ce principe et d'en faire application en l'espèce. Dès lors, la Cour de céans n'entrera pas non plus en matière sur la demande de révision.
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Sachverhalt ab Seite 172 BGE 88 II 172 S. 172 Résumé des faits: Le capital de la société anonyme Jean Spinedi (la société) s'élève à 500 000 fr. Il est divisé en 500 actions au porteur de 1000 fr. chacune. En 1957, les actions étaient réparties entre 5 actionnaires. Georges Spinedi en avait 192, Gérard Spinedi 192, Bloch 50, Bornand 33 et BGE 88 II 172 S. 173 Cavazza 33. Gérard Spinedi, Bornand et Cavazza étaient membres du conseil d'administration de la société. Le 1er décembre 1957, Gérard Spinedi, Bornand et Cavazza signèrent une convention constituant un syndicat d'actionnaires dénommé "le groupe", qui, avec ses 258 actions, détenait plus de la moitié du capital social. L'art. 2 de la convention dispose: "Les membres de ce groupe conservent la pleine propriété de leurs actions ainsi que leur qualité d'actionnaire. Ils s'engagent seulement à exercer leurs droits d'actionnaires dans le sens indiqué et adopté par le groupe." Selon l'art. 5, le groupe prend ses décisions à la majorité absolue, chaque membre possédant une voix, quel que soit le nombre de ses actions. L'art. 18, modifié par un avenant du 28 mai 1959, prescrit: "Les présents signataires déclarent n'avoir pas conclu auparavant d'accords contraires à l'esprit et aux intentions de la présente convention. Ils s'engagent en outre à n'en pas signer d'autres. La violation de cette clause entraînera une pénalité de 1000 fr. (mille francs) par titres détenus par celui qui viole ladite clause, indemnité à verser au ou aux lésés..." Les membres s'engageaient à déposer leurs actions soit dans une banque soit chez un notaire, où elles resteraient bloquées en garantie de l'exécution intégrale de la convention (art. 20). Selon l'art. 23, la convention était conclue pour une durée de 6 ans à compter du 1er décembre 1957. Les parties avaient conclu auparavant une première convention, sous l'empire de laquelle elles se sont interdit de vendre, louer ou céder leurs actions, considérées comme bloquées, bien que n'étant pas encore déposées dans une banque, dès la signature de la convention provisoire du 10 décembre 1956, rendue définitive par l'avenant du 1er juin 1957. D'un commun accord, les membres du groupe ont prolongé au 30 juin 1959 le délai fixé à l'art. 20 pour déposer leurs actions. BGE 88 II 172 S. 174 Le 15 juin 1959, Gérard Spinedi vendit ses 192 actions à Georges Spinedi. Le 19 octobre 1959, Bornand et Cavazza assignèrent Gérard Spinedi en paiement de 192 000 fr. représentant la peine conventionnelle de 1000 fr. par action prévue à l'art. 18 de la convention. Déboutés en première instance, ils obtinrent gain de cause devant la Cour de justice civile du canton de Genève, qui statua le 9 mars 1962. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours en réforme de Gérard Spinedi.
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Erwägungen Extrait des considérants: 1. La convention litigieuse est un accord sur l'exercice des droits de l'actionnaire et plus précisément une convention de vote combinée avec une convention de blocage. De tels accords sont valables dans les limites fixées par l'art. 19 CO (PATRY, Les accords sur l'exercice des droits de l'actionnaire, RDS 1959, II, p. 63 a et 137 a ch. 4; GLATTFELDER, Die Aktionärbindungs-Verträge, RDS 1959, II, p. 243 a ss.). En l'absence d'un acte contraire à la loi ou aux statuts, tout actionnaire est en effet libre de voter suivant les désirs d'un tiers (RO 81 II 542, consid. 4 in fine). Le recourant ne conteste pas, avec raison, que les accords sur l'exercice des droits de l'actionnaire soient valables en principe. Il soutient, en revanche, que la convention conclue en l'espèce est nulle, parce que son objet serait illicite et contraire aux moeurs (art. 20 CO). 2. a) Le recourant invoque plus précisément l'art. 27 al. 2 CC, aux termes duquel "nul ne peut aliéner sa liberté, ni s'en interdire l'usage dans une mesure contraire aux lois ou aux moeurs". Selon la jurisprudence, les engagements de nature pécuniaire ne sont contraires aux moeurs que s'ils mettent en péril l'existence économique du débiteur (RO 40 II 240, 51 II 167 s., 84 II 23, 277, 635). En s'obligeant à voter selon les décisions du groupe et à déposer ses actions en main tierce, pendant une durée de six ans, le recourant ne s'est pas exposé à un tel risque. BGE 88 II 172 S. 175 Administrateur de la société, il était d'ailleurs à même de mesurer exactement la portée de ses engagements. En fait, le recourant n'a jamais été lésé par une décision du groupe. C'est grâce à celui-ci, au contraire, qu'il a présidé le conseil d'administration de la société. Aussi son argumentation repose-t-elle uniquement sur des hypothèses. A ses dires, le groupe aurait pu, par exemple, décider de faire révoquer par l'assemblée générale son mandat d'administrateur. Pareille décision serait toutefois contraire aux règles de la bonne foi. Le recourant n'eût dès lors pas été tenu d'émettre un vote dans ce sens. Il eût été fondé à opposer le moyen pris de l'abus de droit (art. 2 CC), si les autres membres du groupe lui avaient réclamé le paiement de la peine conventionnelle. b) Selon le recourant, la convention serait contraire aux moeurs parce qu'elle annulerait la puissance de vote attachée à ses actions. Certes, il aurait pu se voir obligé par une décision du groupe de voter à l'assemblée générale, avec ses 192 actions, dans le sens désiré par les intimés, qui n'ont ensemble que 66 actions. A l'intérieur du groupe, chaque membre dispose en effet d'une voix, quel que soit le nombre de ses actions. Une règle semblable serait exclue pour le droit de vote à l'assemblée générale de la société anonyme (cf. art. 692 et 693 CO). Mais le groupe est une société simple (art. 530 ss. CO). Or, selon l'art. 534 al 2 CO, lorsque le contrat remet les décisions de la société à la majorité, celle-ci se compte par tête. Peu importe que les apports des membres soient inégaux (cf. art. 531 al. 2 CO), comme en l'espèce. c) Le recourant soutient encore que la convention viole l'art. 693 CO, en créant par un moyen détourné des actions à droit de vote privilégié. S'il est vrai qu'à l'intérieur du groupe, le droit de vote n'est pas proportionnel au nombre des actions détenues par chaque membre, le droit de vote à l'assemblée générale attaché à chaque action n'est pas diminué ni augmenté pour autant. L'accord restreint seulement la liberté des parties dans BGE 88 II 172 S. 176 l'exercice de leurs droits d'actionnaires. Pareille limitation est licite, comme on l'a vu. d) Il ne résulte pas des faits constatés par la juridiction cantonale que la convention soit contraire aux statuts de la société. Le recourant ne le prétend d'ailleurs pas.
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Sachverhalt ab Seite 70 BGE 103 II 69 S. 70 A.- Auf Klage der Lokal-Telefon-Verzeichnis AG traf die Justizkommission des Obergerichts des Kantons Luzern als Instanz nach § 355bis ZPO am 3. Dezember 1976 eine vorsorgliche Massnahme im Sinne der Art. 9 ff. UWG des Inhalts, es werde der Beklagten Permedia AG untersagt, weiterhin folgende Behauptungen aufzustellen und zu verbreiten: a) das Lokal-Telefon-Verzeichnis Region Hochdorf der Klägerin erscheine nicht mehr; b) die Klägerin stehe vor dem Konkurs oder sei bereits in Konkurs gefallen; c) die Klägerin erhalte von der PTT keine Unterlagen über Telefonabonnenten mehr zur Verfügung gestellt. Die Justizkommission drohte der Beklagten für den Fall der Übertretung dieses Verbots gemäss Art. 292 StGB Bestrafung mit Haft oder Busse an. Von der Ansetzung einer Klagefrist an die Klägerin sah sie mit der Begründung ab, eine solche sei gemäss § 357 Abs. 2 ZPO nicht zwingend vorgeschrieben; die Verbreitung unwahrer Behauptungen im wirtschaftlichen Wettbewerb, die dem Konkurrenten schaden könne, bleibe immer unerlaubt; auch habe die Beklagte kaum ein rechtlich schützenswertes Interesse, dass die Klägerin noch den Weg des ordentlichen Prozesses beschreite. Auf eine Kassationsbeschwerde der Permedia AG ist das Obergericht des Kantons Luzern am 9. Februar 1977 mit der Begründung nicht eingetreten, dieses Rechtsmittel sei nur gegen Zivilurteile der beiden obergerichtlichen Kammern, nicht auch gegen Entscheidungen der obergerichtlichen Kommissionen zulässig und zudem habe die Justizkommission nicht über einen materiellen Anspruch endgültig entschieden. B.- Die Permedia AG hat gegen den Entscheid der Justizkommission rechtzeitig staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. BGE 103 II 69 S. 71 Sie beantragt, ihn aufzuheben. Sie macht geltend, die Justizkommission habe Art. 4 BV verletzt, weil die Nichtansetzung einer Frist zur Klage beim Erlass vorsorglicher Massnahmen dem klaren Wortlaut des Art. 12 UWG widerspreche, also willkürlich sei. Auch sei ihr durch die Nichtansetzung der Klagefrist das rechtliche Gehör verweigert worden, denn damit sei ihr die Möglichkeit genommen, in einem ordentlichen Prozess mit vorgeschriebenem Schriftenwechsel und Beweisverfahren ihre Verteidigungsrechte auszuschöpfen, was sie im summarischen Verfahren auf Anordnung vorsorglicher Massnahmen nicht habe tun können. C.- Die Lokal-Telefon-Verzeichnis AG beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden könne. Nach der Auffassung der Justizkommission ist die Beschwerde abzuweisen.
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Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 2. Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger ist nur zulässig, wenn die behauptete Rechtsverletzung nicht sonstwie durch Klage oder Rechtsmittel beim Bundesgericht oder einer anderen Bundesbehörde gerügt werden kann ( Art. 84 Abs. 2 OG ). Massnahmen nach Art. 9 UWG sind vorsorglicher Natur. Über den Anspruch, den sie schützen, wird erst in einem allfälligen Hauptprozess endgültig entschieden. Die Beschwerdeführerin geht denn auch darauf aus, dass der Beschwerdegegnerin zur Anhebung eines solchen gemäss Art. 12 UWG Frist gesetzt werde. Der angefochtene Entscheid ist somit nicht Endentscheid im Sinne des Art. 48 OG ( BGE 101 II 362 E. 1 mit Hinweisen auf weitere Urteile). Er kann nicht mit der Berufung angefochten werden. Die Justizkommission hat der Beschwerdegegnerin nicht Frist zur Anhebung des Hauptprozesses gesetzt, weil § 357 Abs. 2 ZPO die Ansetzung nicht zwingend vorschreibe. In der Vernehmlassung zur Beschwerde gibt sie diese Bestimmung als irrtümlich zitiert aus und erachtet § 354 ZPO als anwendbar. Ob statt der einen oder anderen dieser Normen, die beide dem kantonalen Recht angehören, die eidgenössische Bestimmung des Art. 12 UWG anzuwenden sei, wie die Beschwerdeführerin BGE 103 II 69 S. 72 geltend macht, ist eine Frage, die dem Bundesgericht gemäss Art. 68 Abs. 1 lit. a OG mit der Nichtigkeitsbeschwerde unterbreitet werden kann, da eine Zivilsache vorliegt und die Justizkommission als letzte kantonale Instanz entschieden hat. Die staatsrechtliche Beschwerde ist daher nicht zulässig. Dass die Beschwerdeführerin auch noch den Vorwurf der Verweigerung des rechtlichen Gehörs erhebt, ändert nichts. Sie begründet ihn nicht mit der Behauptung, sie habe im summarischen Befehlsverfahren, in dem die Justizkommission urteilte, die ihr zustehenden Verteidigungsrechte nicht ausüben können. Sie sieht die angeblich formelle Rechtsverweigerung darin, dass der Gegenpartei nicht Frist zur Anhebung des Hauptprozesses angesetzt wurde und damit der Beschwerdeführerin von vornherein verunmöglicht worden sei, sich in einem ordentlichen Prozesse mit dem in den § 95 ff. und 132 ff. ZPO vorgesehenen Schriftenwechsel und Beweisverfahren zu verteidigen. Diese Rüge deckt sich also mit dem Anbringen, die Justizkommission hätte Art. 12 UWG anwenden sollen. Es bleibt daher für eine staatsrechtliche Beschwerde kein Raum. Das eingelegte Rechtsmittel ist deshalb als Nichtigkeitsbeschwerde zu behandeln ( BGE 56 II 2 E. 1). 3. Art. 12 UWG bestimmt, wenn die Behörde eine vorsorgliche Massnahme verfüge, setze sie dem Antragsteller zur Anhebung der Klage Frist bis zu dreissig Tagen (Abs. 1 Satz 1). Im Säumnisfalle fällt die Massnahme dahin; in der Verfügung ist darauf hinzuweisen (Abs. 1 Satz 2). Wird die Klage nicht rechtzeitig angehoben, so kann der Richter den Antragsteller ausserdem zum Ersatz des durch die vorsorgliche Massnahme verursachten Schadens verhalten (Abs. 2 Satz 1). Diese Bestimmungen sind zum Schutze dessen erlassen worden, der in Anwendung des Art. 9 UWG von vorsorglichen Massnahmen betroffen wird (Botschaft des Bundesrates, BBl 1942 708; vgl. VON BÜREN, Kommentar zum UWG, N. 1 zu Art. 9-12). Sie gehen dem kantonalen Prozessrecht vor (Art. 2 ÜbBest. BV). Dieses kann den Schutz des Betroffenen nicht aufheben oder einschränken. Da die Justizkommission unter Berufung auf kantonales Recht von der Ansetzung einer Klagefrist abgesehen hat, muss die Beschwerde gutgeheissen BGE 103 II 69 S. 73 und die Sache zur Anwendung des eidgenössischen Rechts an die Justizkommission zurückgewiesen werden. 4. Die Justizkommission macht in der Vernehmlassung zur Beschwerde geltend, Art. 12 UWG beziehe sich offensichtlich nur auf Fälle, in denen der Gesuchsgegner ein Interesse an der Fristansetzung habe. Im angefochtenen Entscheid sagt sie, die Beschwerdeführerin habe kaum ein rechtlich schützenswertes Interesse, dass die Beschwerdegegnerin noch den Weg des ordentlichen Prozesses beschreite. Damit verkennt sie den Sinn des Art. 12 UWG . Diese Bestimmung will nicht einem angeblichen Interesse des Gesuchsgegners an der Durchführung des Hauptprozesses dienen. Der Betroffene ist in der Regel an einem Hauptprozess überhaupt nicht interessiert, sondern nur daran, dass die vorsorgliche Massnahme nicht unbestimmte Zeit fortbestehe, ohne dass der Gesuchsteller gehalten sei, im ordentlichen Prozess ein endgültiges Urteil zu erstreiten. Nur diesem Interesse will Art. 12 UWG dienen. Inwiefern es im vorliegenden Falle nicht bestehen sollte, ist nicht zu ersehen. Der Einwand der Beschwerdegegnerin, die Beschwerdeführerin könne ja dem Obergerichte ohne weiteres die Aufhebung der vorsorglichen Massnahme beantragen, wenn sie nachweise, dass sie während angemessener Zeit keinerlei unwahre Behauptungen über die Beschwerdegegnerin mehr verbreitet habe und diese im wirtschaftlichen Wettbewerb nicht mehr gefährde, taugt nicht. Es ist nicht Sache des Betroffenen, die vorsorgliche Massnahme vorerst hinzunehmen und später auf deren Aufhebung zu klagen. Nach dem klaren Wortlaut und Sinn des Art. 12 UWG hat vielmehr der Gesuchsteller binnen einer ihm zu setzenden Frist von höchstens dreissig Tagen den ordentlichen Prozess einzuleiten, wenn er vermeiden will, dass die vorsorgliche Massnahme dahinfalle. Die Auffassung der Justizkommission, unwahre Behauptungen im wirtschaftlichen Wettbewerb, die dem Mitbewerber schaden könnten, blieben immer unerlaubt, vermag hieran nichts zu ändern. Art. 12 UWG verlangt die Fristansetzung zur Anhebung des Hauptprozesses, weil das Gesetz das Ergebnis des Verfahrens um vorsorgliche Massnahmen nicht endgültig als massgebend erachtet. Daher darf nicht unterstellt werden, die Äusserungen der Beschwerdeführerin, die vor der Justizkommission glaubhaft gemacht wurden, versetzten die Beschwerdeführerin ein BGE 103 II 69 S. 74 für allemal ins Unrecht. Erst der Hauptprozess wird die Rechtslage endgültig abklären. Die Fristansetzung darf auch nicht mit der in der Vernehmlassung der Justizkommission gegebenen Begründung unterbleiben, die Beschwerdeführerin selber habe ja die Ausgabe ihres Lokal-Telefonbuches als abgeschlossen bezeichnet und den Fortbestand eines Wettbewerbsverhältnisses zur Beschwerdegegnerin bestritten. Die Justizkommission widerspricht damit ihrem eigenen Entscheide. Sie hat der Beschwerdeführerin in diesem entgegengehalten, der Umstand, dass die Inseratenwerbung für ihr TELU-Telefonbuch II abgeschlossen sei, besage keineswegs, dass sie solche nicht für ein neues Verzeichnis betreiben könne. Die Justizkommission hat also die Möglichkeit des Fortbestandes eines Wettbewerbsverhältnisses bejaht und gerade deshalb die vorsorgliche Massnahme getroffen. Im Hinblick auf diese Möglichkeit hat die Beschwerdeführerin ein Interesse an der Fristansetzung, die allenfalls zum Hinfall des gegen sie ausgesprochenen Verbotes und der damit verbundenen Strafandrohung führen kann.
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1,156
Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: 1. Die Beschwerde wird als Nichtigkeitsbeschwerde entgegengenommen. 2. Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid der Justizkommission des Obergerichts des Kantons Luzern vom 3. Dezember 1976 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an diese Behörde zurückgewiesen.
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CH_BGE_004
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Federation
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BGE_103_II_69
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Sachverhalt ab Seite 66 BGE 145 IV 65 S. 66 A. Das Regionalgericht Oberland sprach X. am 28. Juni 2013 wegen mehrfacher (teilweise versuchter) sexueller Nötigung, mehrfachen (teilweise versuchten) sexuellen Handlungen mit einem Kind, mehrfacher Erpressung, mehrfacher (teilweise versuchter) Nötigung sowie mehrfacher Pornographie schuldig. Es verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren, abzüglich 425 Tage Polizei- und Untersuchungshaft, und ordnete eine stationäre therapeutische Massnahme nach Art. 59 StGB an. X. befand sich seit dem 24. Oktober 2012 im vorzeitigen Massnahmenvollzug. BGE 145 IV 65 S. 67 B. B.a Die Bewährungs- und Vollzugsdienste des Kantons Bern (BVD) beantragten dem Regionalgericht Oberland am 9. Juni 2017 die Verlängerung der stationären therapeutischen Massnahme um fünf Jahre. B.b
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Das Regionalgericht Oberland verlängerte die stationäre therapeutische Massnahme mit Entscheid vom 26. September 2017 um vier Jahre. Dispositiv-Ziff. 1 des Entscheids lautet wie folgt: "Die mit Urteil vom 28. Juni 2013 angeordnete bis 27. Juni 2018 andauernde stationäre therapeutische Massnahme gemäss Art. 59 StGB wird um vier Jahre verlängert im Sinne des Gutachtens von Dr. med. A. vom 24. März 2017". B.c Dagegen führte X. beim Obergericht des Kantons Bern Beschwerde u.a. mit dem Antrag, der Entscheid vom 26. September 2017 sei aufzuheben und die stationäre therapeutische Massnahme sei lediglich um 15 Monate zu verlängern. Das Obergericht des Kantons Bern wies die Beschwerde mit Beschluss vom 18. Mai 2018 ab. Es stellte im Dispositiv seines Entscheids fest, dass die Vierjahresfrist am 24. Oktober 2017 zu laufen begann. C. Die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, der Entscheid vom 18. Mai 2018 sei bezüglich der Feststellung, dass die Vierjahresfrist am 24. Oktober 2017 zu laufen begann, aufzuheben und es sei festzustellen, dass die Vierjahresfrist am 28. Juni 2018 zu laufen begann. D. Die Vorinstanz und X. stellen Antrag auf Abweisung der Beschwerde. X. ersucht zudem um unentgeltliche Rechtspflege. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. Es hebt den angefochtenen Entscheid insofern auf, als die Vorinstanz darin in Dispositiv-Ziff. 1 feststellt, die Vierjahresfrist gemäss Verlängerungsentscheid des Regionalgerichts Oberland vom 26. September 2017 habe am 24. Oktober 2017 zu laufen begonnen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Die Beschwerdeführerin richtet sich gegen die Feststellung im angefochtenen Entscheid, wonach die Vierjahresfrist am 24. Oktober 2017 zu laufen begann. Sie rügt, die Vorinstanz stelle für die Berechnung der Fünfjahresfrist nach Art. 59 Abs. 4 Satz 1 StGB in Verletzung von Bundesrecht auf den vorzeitigen Massnahmenvollzug ab. Entscheidend sei der Zeitpunkt des Sachurteils. BGE 145 IV 65 S. 68 1.2 Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat ( Art. 81 Abs. 1 lit. a und b BGG ). Der Staatsanwaltschaft steht das Beschwerderecht in Strafsachen nach Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 BGG grundsätzlich ohne Einschränkung zu ( BGE 142 IV 196 E. 1.5 S. 198 ff.; BGE 139 IV 199 E. 2 S. 200; BGE 134 IV 36 E. 1.4 S. 39 ff. mit Hinweisen). Die kantonalen Vollzugsbehörden sind von der Beschwerde demgegenüber ausgeschlossen (vgl. BGE 139 I 51 E. 2.3 S. 53; BGE 133 IV 121 E. 1.1 f. S. 123 ff.). Die Interessen "tangierter Behörden" sind von der Staatsanwaltschaft zu wahren (Urteil 6B_1203/2017 vom 1. November 2017 E. 2 mit Hinweis; siehe auch Urteil 6B_664/2013 vom 16. Dezember 2013 E. 1.2). 1.3 Die Vorinstanz erwägt im angefochtenen Entscheid, im Falle des vorzeitigen Massnahmenvollzugs sei der Eintritt in die Vollzugsanstalt massgebend für die Berechnung der Frist nach Art. 59 Abs. 4 StGB . Der Beschwerdegegner sei am 24. Oktober 2012 im Rahmen des vorzeitigen Massnahmenvollzugs in die Therapieabteilung der heutigen Justizvollzugsanstalt Thorberg eingetreten. Demzufolge habe die Fünfjahresfrist gemäss Art. 59 Abs. 4 StGB am 24. Oktober 2012 zu laufen begonnen und sei am 23. Oktober 2017 abgelaufen. Somit sei über eine Verlängerung der stationären Massnahme ab dem 24. Oktober 2017 zu entscheiden. Die Vorinstanz verlängerte die stationäre therapeutische Massnahme im angefochtenen Entscheid demnach um vier Jahre gerechnet ab dem 24. Oktober 2017, d.h. bis am 23. Oktober 2021. Die Beschwerdeführerin macht demgegenüber geltend, die Massnahme hätte bis am 27. Juni 2022 verlängert werden müssen. Zu dieser Rüge ist sie im Rahmen der vorliegenden Beschwerde berechtigt. Der Antrag auf Verlängerung der stationären Massnahme ging zwar von der Vollzugsbehörde aus (vgl. Art. 59 Abs. 4 Satz 2 StGB ). Die Generalstaatsanwaltschaft hatte im vorinstanzlichen Verfahren jedoch Parteistellung. Auf die Beschwerde ist daher einzutreten. 2. 2.1 Der mit der stationären Behandlung verbundene Freiheitsentzug beträgt in der Regel höchstens fünf Jahre ( Art. 59 Abs. 4 Satz 1 StGB ). Sind die Voraussetzungen für die bedingte Entlassung nach fünf Jahren noch nicht gegeben und ist zu erwarten, durch die BGE 145 IV 65 S. 69 Fortführung der Massnahme lasse sich der Gefahr weiterer mit der psychischen Störung des Täters in Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen begegnen, so kann das Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde die Verlängerung der Massnahme um jeweils höchstens fünf Jahre anordnen ( Art. 59 Abs. 4 Satz 2 StGB ). 2.2 Die neuen Bestimmungen zum Massnahmerecht traten mit der Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs am 1. Januar 2007 in Kraft. Die stationäre therapeutische Massnahme nach Art. 59 StGB ist zeitlich nicht absolut limitiert ( BGE 142 IV 105 E. 5.4 S. 112; BGE 141 IV 49 E. 2.1 S. 51; Urteil 6B_409/2017 vom 17. Mai 2017 E. 1.4.4). Mit der zeitlichen Beschränkung des mit der stationären Behandlung verbundenen Freiheitsentzugs gemäss Art. 59 Abs. 4 Satz 1 StGB wird nach der gesetzgeberischen Zielsetzung dem Verhältnismässigkeitsprinzip Rechnung getragen. Die gerichtliche Überprüfung der Massnahme nach fünf Jahren soll ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Betroffenen und den Sicherheitsinteressen der Öffentlichkeit schaffen ( BGE 142 IV 105 E. 5.3 f. S. 111 f.). Die zeitliche Begrenzung von Art. 59 Abs. 4 StGB stellt sicher, dass ein Gericht regelmässig überprüft, ob die Massnahme und damit letztlich der mit ihr verbundene Freiheitsentzug noch verhältnismässig ist ( BGE 142 IV 105 E. 5.6 S. 113 f.). Bei den Fristen gemäss Art. 59 Abs. 4 Satz 1 und 2 StGB handelt es sich um Höchstfristen. Das Gericht kann sowohl für die Erstanordnung als auch für die Verlängerung gerichtlich eine Frist von weniger als fünf Jahren festlegen ( BGE 135 IV 139 E. 2.4 S. 143 ff.; Urteile 6B_636/2018 vom 25. Juli 2018 E. 4.2; 6B_640/2015 vom 25. Februar 2016 E. 6, nicht publ. in: BGE 142 IV 105 ). Damit wird nicht die Massnahme als solche verkürzt, welche dennoch nach Art. 59 Abs. 4 Satz 2 StGB verlängert werden kann, sondern lediglich die Frist, innert welcher eine erneute gerichtliche Überprüfung derselben zu erfolgen hat, d.h. die gerichtliche Überprüfung der Massnahme wird vorverschoben (Urteil 6B_640/2015 vom 25. Februar 2016 E. 6, nicht publ. in: BGE 142 IV 105 ). 2.3 2.3.1 Das Bundesgericht hatte im Urteil 6B_640/2015 vom 25. Februar 2016, publ. in: BGE 142 IV 105 , zu prüfen, ob für den Beginn der Frist gemäss Art. 59 Abs. 4 Satz 1 StGB auf den Zeitpunkt des Eintritts der betroffenen Person in die Massnahmenvollzugsanstalt bzw. den effektiven Behandlungsbeginn abgestellt werden darf. Es stellte hierfür zunächst klar, dass für die Beantwortung dieser Frage unerheblich ist, ob es sich um eine vom Gericht nach eigenem BGE 145 IV 65 S. 70 Ermessen beschränkte Massnahmendauer handelt oder ob die Massnahme für die gesetzliche Höchstdauer von fünf Jahren angeordnet wurde (BGE, a.a.O., E. 4.2 S. 108). Es wies zudem darauf hin, dass die Frist gemäss Art. 59 Abs. 4 Satz 1 StGB mit dem Eintritt in die Einrichtung zu laufen beginnt, wenn der Betroffene die Behandlung bzw. die Massnahme aus der Freiheit antritt (BGE, a.a.O., E. 4.2 in fine S. 110), was in der dem erwähnten Entscheid zugrunde liegenden Angelegenheit allerdings nicht der Fall war. Ob und inwiefern für den Fristenlauf die vor dem Sachurteil ausgestandene Sicherheitshaft oder ein allfälliger vorzeitiger Massnahmenvollzug zu berücksichtigen ist, liess das Bundesgericht zwar ausdrücklich offen (BGE, a.a.O., E. 4.1 S. 108). Es erwog zusammengefasst aber dennoch, die fünfjährige Dauer von Art. 59 Abs. 4 Satz 1 StGB beginne mit der gerichtlichen Anordnung der Massnahme bzw. mit dem rechtskräftigen und vollstreckbaren Entscheid, in dem die Massnahme angeordnet werde. Dies erscheine auch praktikabel, da in jedem Einzelfall unabhängig von den konkreten Umständen auf den Entscheid abgestellt werde, mit dem die Massnahme angeordnet worden sei (BGE, a.a.O., E. 5.6 S. 114, E. 5.9 S. 118). 2.3.2 Im Urteil 6B_1213/2016 vom 8. März 2017 ging das Bundesgericht ebenfalls explizit davon aus, die Fünfjahresfrist gemäss Art. 59 Abs. 4 Satz 1 StGB habe, trotz der zuvor erstandenen Untersuchungshaft sowie des vorzeitigen Massnahmenvollzugs, rückwirkend mit dem in Rechtskraft erwachsenen Anordnungsentscheid der Berufungsinstanz zu laufen begonnen (Urteil, a.a.O., E. 2.2). 2.3.3 Das Bundesgericht befasste sich auch in weiteren Entscheiden mit der Anrechenbarkeit eines Freiheitsentzugs auf eine Massnahme. Im Urteil 6B_1203/2017 vom 1. November 2017 entschied es, bei der Berechnung der vierjährigen Frist gemäss Art. 60 Abs. 4 Satz 1 und 2 StGB sei die vor dem Anordnungsentscheid erstandene Untersuchungs- und Sicherheitshaft mitzuberücksichtigen (Urteil, a.a.O., E. 4; kritisch dazu: MARIANNE HEER, Die Dauer therapeutischer Massnahmen und die Tücken deren Berechnung [nachfolgend: forumpoenale], forumpoenale 3/2018 S. 185; dies. , Nachverfahren bei strafrechtlichen Massnahmen [nachfolgend: Nachverfahren], in: Wege und Irrwege stationärer Massnahmen nach Rechtskraft des Strafurteils, 2018, S. 61 f.). Der Entscheid betraf allerdings eine Suchtbehandlung nach Art. 60 StGB . Wohl stellt Art. 60 Abs. 4 StGB - wie auch Art. 59 Abs. 4 Satz 1 StGB und Art. 61 Abs. 4 StGB betreffend BGE 145 IV 65 S. 71 Massnahmen für junge Erwachsene - ebenfalls auf den mit der stationären Behandlung bzw. mit der Massnahme "verbundenen Freiheitsentzug" ab. Das Gesetz legt für die Suchtbehandlung ( Art. 60 StGB ) und die Massnahmen für junge Erwachsene ( Art. 61 StGB ) jedoch eine absolute Höchstdauer fest. Die Suchtbehandlung und die Massnahmen für junge Erwachsene sind zeitlich daher befristet. Der mit der stationären Suchtbehandlung verbundene Freiheitsentzug darf in der Regel höchstens drei Jahre betragen ( Art. 60 Abs. 4 Satz 1 StGB ), wobei die Massnahme um maximal ein Jahr verlängert werden kann ( Art. 60 Abs. 4 Satz 2 StGB ). Ausschlaggebend war im Urteil 6B_1203/2017 vom 1. November 2017, dass der betroffenen Person die Freiheit seit mehr als vier Jahren entzogen war und mangels Schuldfähigkeit keine Strafe zu verbüssen war. Die stationäre therapeutische Behandlung von psychischen Störungen gemäss Art. 59 StGB ist - anders als die stationäre Suchtbehandlung nach Art. 60 StGB - zeitlich nicht absolut limitiert (oben E. 2.2). Ihre Dauer hängt vom Behandlungsbedürfnis des Massnahmeunterworfenen und den Erfolgsaussichten der Massnahme (vgl. Art. 56 Abs. 1 lit. b StGB ), letztlich also von den Auswirkungen der Massnahme auf die Gefahr weiterer Straftaten ab. Sie dauert grundsätzlich so lange an, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich eine Zweckerreichung als aussichtslos erweist ( BGE 142 IV 105 E. 5.4 S. 112; BGE 141 IV 236 E. 3.5 S. 240 f., BGE 141 IV 49 E. 2.1 und 2.2 S. 51 f.; je mit Hinweisen; siehe auch BGE 143 IV 445 E. 2.2 S. 447 für die ambulante Massnahme nach Art. 63 StGB ). Die Fristen gemäss Art. 59 Abs. 4 Satz 1 und 2 StGB regeln - anders als Art. 60 Abs. 4 StGB - daher nicht die Höchstdauer der Massnahme, sondern innert welcher Frist ein neuer Gerichtsentscheid über die Weiterführung der Massnahme zu ergehen hat (vgl. oben E. 2.2). Aus dem Urteil 6B_1203/2017 vom 1. November 2017 kann für die Beantwortung der Frage, wann die Fünfjahresfrist gemäss Art. 59 Abs. 4 Satz 1 StGB zu laufen beginnt bzw. wann die stationäre Massnahme nach Art. 59 StGB verlängert werden muss, daher nichts abgeleitet werden. 2.3.4 Im Urteil 6B_385/2014 vom 23. April 2015, publ. in: BGE 141 IV 236 , erwog das Bundesgericht schliesslich, Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft sei an freiheitsentziehende Massnahmen gemäss Art. 56 ff. StGB , konkret an stationäre therapeutische Massnahmen im Sinne von Art. 59 StGB , grundsätzlich anzurechnen (BGE, a.a.O., E. 3 S. 238 ff.). Der erwähnte Entscheid erging allerdings ebenfalls in einem anderen Zusammenhang. Er betraf die Frage, ob ein Täter BGE 145 IV 65 S. 72 für die erstandene Untersuchungs- und Sicherheitshaft zu entschädigen ist, wenn ihm gegenüber zwar eine stationäre therapeutische Massnahme angeordnet wurde, für die der Massnahme zugrunde liegenden Straftaten wegen Schuldunfähigkeit jedoch ein Freispruch erging und die Untersuchungs- und Sicherheitshaft daher grösstenteils auf keine Strafe angerechnet werden konnte. Auch daraus können keine Rückschlüsse gezogen werden für die Frage, wann die Fünfjahresfrist gemäss Art. 59 Abs. 4 Satz 1 StGB zu laufen beginnt. BGE 141 IV 236 ist für die Frage der Dauer einer Massnahme nicht einschlägig (HEER, forumpoenale, a.a.O., S. 183). Stationäre therapeutische Massnahmen nach Art. 59 StGB sind im Unterschied zu Strafen zeitlich relativ unbestimmt. Ihr Ende bestimmt sich nicht durch simplen Zeitablauf ( BGE 141 IV 236 E. 3.5 S. 240 mit Hinweisen; oben E. 2.2 und 2.3.3). Wenn in BGE 141 IV 236 von der "Anrechnung" der Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft an freiheitsentziehende Massnahmen die Rede ist, ist dies daher nicht rechnerisch im Sinne einer Verkürzung der freiheitsentziehenden Massnahme um die Dauer des anzurechnenden Freiheitsentzugs zu verstehen. Dies wäre mit dem präventiven Charakter der Massnahme unvereinbar (FELIX BOMMER, Die strafrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2015, ZBJV 6/2017 S. 408 f.). 2.4 Die Lehre stellt für den Beginn der Fünfjahresfrist gemäss Art. 59 Abs. 4 Satz 1 StGB mehrheitlich auf das Datum des Anordnungsentscheids ab, dies auch dann, wenn sich die betroffene Person zuvor im vorzeitigen Massnahmenvollzug befand (MARIANNE HEER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. I, 3. Aufl. 2013, N. 129 zu Art. 59 StGB ; dies. , Beendigung therapeutischer Massnahmen: Zuständigkeiten und Verfahren[nachfolgend: AJP], AJP 5/2017 S. 598; CHRISTIAN PFENNINGER, Der Beginn der Überprüfungsfrist nach Art. 59 Abs. 4 StGB bei vorzeitigem Massnahmenantritt, SZK 2/2017 S. 33 ff.; TRECHSEL/PAUEN BORER, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 3. Aufl. 2018, N. 15 zu Art. 59 StGB ; BENJAMIN F. BRÄGGER, Aktuelle Entwicklungen im schweizerischen Massnahmenrecht, Jusletter 11. Juni 2018 Rz. 4; CHRIS LEHNER, Freiheitsentziehende Massnahmen im schweizerischen Strafrecht, recht 2/2017 S. 95). Allerdings wird im Schrifttum auch die Auffassung vertreten, für den Beginn der Fünfjahresfrist sei ein allfälliger vorzeitiger Massnahmenvollzug mitzuberücksichtigen (RENATE ANASTASIADIS, in: Das schweizerische Vollzugslexikon, 2014, S. 294 f.; in diesem Sinne wohl auch QUELOZ/MUNYANKINDI, in: Commentaire BGE 145 IV 65 S. 73 romand, Code pénal, Bd. I, 2009, N. 35 zu Art. 59 StGB , obschon nur von der Dauer der Massnahme im Allgemeinen die Rede ist). MARIANNE HEER spricht sich in ihren neueren Publikationen für eine Mittellösung aus: Danach ist für den Beginn des mit der stationären Behandlung verbundenen Freiheitsentzugs der Entscheid über die Bewilligung des vorzeitigen Massnahmenvollzugs gemäss Art. 236 StPO entscheidend. Mit dem Sachurteil soll jedoch eine neue Frist i.S.v. Art. 59 Abs. 4 StGB zu laufen beginnen (HEER, forumpoenale, a.a.O., S. 183 ff.; dies. , Nachverfahren, a.a.O., S. 60 ff.). 2.5 2.5.1 Vorauszuschicken ist zunächst, dass eine Gesetzesauslegung von Art. 59 Abs. 4 Satz 1 StGB nach Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck der Bestimmung (vgl. zur Gesetzesauslegung etwa: BGE 143 I 109 E. 6 S. 118; BGE 142 IV 401 E. 3.3 S. 404) prima vista sowohl ein Abstellen auf den vorzeitigen Massnahmenvollzug als auch auf das Sachurteil zulässt. Nebst Art. 59 Abs. 4 Satz 1, Art. 60 Abs. 4 und Art. 61 Abs. 4 StGB (dazu bereits oben E. 2.3.3) knüpfen auch Art. 57 Abs. 3, Art. 62b Abs. 3, Art. 62c Abs. 2 und Art. 63b Abs. 4 StGB an den mit der Massnahme bzw. der Behandlung "verbundenen Freiheitsentzug" an. Letztere Bestimmungen betreffen die Frage der Anrechnung eines Freiheitsentzugs auf die Strafe. Insofern gelten nicht zwingend die gleichen Regeln wie für die Frage, wann ein Freiheitsentzug im Sinne von Art. 59 Abs. 4 Satz 1 StGB zu laufen beginnt. Auf die Strafe ist nicht nur der mit der Massnahme verbundene Freiheitsentzug (vgl. Art. 57 Abs. 3 StGB ), sondern jede in einem Strafverfahren verhängte Haft anzurechnen (Art. 51 i.V.m. Art. 110 Abs. 7 StGB ). Dass das Gesetz für die Anrechnung des Freiheitsentzugs auf die Strafe ähnliche Formulierungen wie in Art. 59 Abs. 4 Satz 1 StGB verwendet, kann daher nicht als Auslegungskriterium herangezogen werden (vgl. dazu bereits BGE 142 IV 105 E. 5.2 S. 111). 2.5.2 Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann auch aus Art. 236 Abs. 4 StPO nichts für die sich stellende Frage des Fristenlaufs abgeleitet werden. Die erwähnte Bestimmung regelt nur das Vollzugsregime (HEER, forumpoenale, a.a.O., S. 185; dies. , Nachverfahren, a.a.O., S. 61; PFENNINGER, a.a.O., S. 37 f.). Die Bestimmung besagt, dass für den Beschuldigten im vorzeitigen Massnahmenvollzug grundsätzlich das Regime des Massnahmenvollzugs gilt. Gleichzeitig soll aber der Untersuchungszweck mittels Einschränkungen BGE 145 IV 65 S. 74 gesichert werden können (MATTHIAS HÄRRI, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 25 ff. zu Art. 236 StPO ; PFENNINGER, a.a.O., S. 38; HEER, forumpoenale, a.a.O., S. 185; dies. , Nachverfahren, a.a.O., S. 61). 2.5.3 Schliesslich tragen auch die Gesetzesmaterialien nichts zur Gesetzesauslegung bei. Aus dem Gesetzgebungsprozess ergibt sich nicht, ob der der stationären Behandlung vorausgehende Freiheitsentzug bei der fünfjährigen Dauer gemäss Art. 59 Abs. 4 Satz 1 StGB berücksichtigt wird, respektive dass diese Frage im Gesetzgebungsverfahren überhaupt thematisiert wurde ( BGE 142 IV 105 E. 5.3 S. 111). 2.6 2.6.1 Ein Abstellen - in jedem Einzelfall unabhängig von den konkreten Umständen - auf das Datum des Entscheids, mit dem die Massnahme rechtskräftig angeordnet wurde (vgl. BGE 142 IV 105 E. 5.6 S. 114), hat den Vorteil, dass sich die Frist direkt aus dem Anordnungsentscheid ergibt und einfach berechnen lässt. Dies erleichtert die Rechtsanwendung, womit Praktikabilitätsüberlegungen für diese Lösung sprechen. Zugleich wird damit die Rechtssicherheit gewährleistet. Entgegen den vorinstanzlichen Erwägungen werden damit Personen, die in den vorzeitigen Massnahmenvollzug eingewilligt haben, nicht schlechtergestellt (vgl. PFENNINGER, a.a.O., S. 38). Eine Einwilligung in den vorzeitigen Massnahmenvollzug hat nicht zur Folge, dass der betroffenen Person die Freiheit länger entzogen ist oder dass sie sich länger in Behandlung befindet. Das Verhältnismässigkeitsprinzip verlangt nicht nur in Bezug auf die Anordnung der Massnahme bzw. die Massnahmenverlängerung als solche Beachtung, sondern auch hinsichtlich ihrer Dauer ( Art. 56 Abs. 2 StGB ). Das Gericht hat für die Verhältnismässigkeit der stationären therapeutischen Massnahme in zeitlicher Hinsicht einen allfälligen vorzeitigen Massnahmenvollzug mitzuberücksichtigen, dies sowohl bei der Prüfung der Erstanordnung der Massnahme als auch im Zusammenhang mit einem Gesuch um Verlängerung derselben (vgl. HEER, forumpoenale, a.a.O., S. 186; PFENNINGER, a.a.O., S. 37 f). Eine zeitliche Beschränkung der Anordnungsdauer der stationären Massnahme auf weniger als fünf Jahre ist nicht nur bei der Verlängerung der Massnahme, sondern auch bei der Erstanordnung zulässig (oben E. 2.2 mit Hinweisen). Weshalb eine solche gerichtliche Beschränkung nicht BGE 145 IV 65 S. 75 "realistisch" sein soll (vgl. Stellungnahme Vorinstanz), ist nicht ersichtlich, nachdem die Gerichte gemäss der Rechtsprechung dazu verpflichtet sind, wenn das Verhältnismässigkeitsprinzip dies erfordert. 2.6.2 Dies läuft auf die von MARIANNE HEER zuletzt postulierte Lösung hinaus, wonach der vorzeitige Massnahmenvollzug zwar bei der Gesamtdauer der Massnahme zu berücksichtigen ist (insb. bei der zeitlichen Verhältnismässigkeit, vgl. oben), mit dem Sachurteil jedoch eine neue Frist zu laufen beginnt. Entgegen der Vorinstanz erfolgt damit keine Überprüfung der Verhältnismässigkeit der Massnahme über einen "Zeithorizont" von mehr als fünf Jahren hinaus. Die Lösung, wonach für die Frist gemäss Erstanordnungsentscheid auf das Datum des in Rechtskraft erwachsenen Anordnungsentscheids abzustellen ist, wird vielmehr auch dem Zweck gerecht, dass mindestens alle fünf Jahre ein gerichtlicher Entscheid über die Weiterführung der Massnahme zu ergehen hat (vgl. PFENNINGER, a.a.O., S. 37 f.). Das Gericht hat in seinem Anordnungsentscheid die Voraussetzungen für eine stationäre therapeutische Massnahme nach Art. 59 StGB und namentlich den Verhältnismässigkeitsgrundsatz zu prüfen. Mit dem gerichtlichen Anordnungsentscheid wird auch ein allfälliger vorzeitiger Massnahmenvollzug einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen. Dabei darf auch berücksichtigt werden, dass ein vorzeitiger Massnahmenvollzug nur mit Einwilligung bzw. auf Ersuchen der betroffenen Person möglich ist. Der vorzeitige Massnahmenvollzug beruht daher nicht auf einer gerichtlichen Anordnung, sondern auf einem Ersuchen der betroffenen Person, das von der Verfahrensleitung bewilligt wurde ( Art. 236 Abs. 1 StPO ). Würde für den Fristenlauf auf den Beginn bzw. den Entscheid betreffend die Bewilligung des vorzeitigen Massnahmenvollzugs abgestellt, müsste das Gericht bei einem länger andauernden vorzeitigen Massnahmenvollzug unter Umständen bereits relativ kurze Zeit nach dem Anordnungsentscheid erneut über die Voraussetzungen für die stationäre therapeutische Massnahme und deren Verhältnismässigkeit befinden, was zu einer wenig sinnvollen Doppelspurigkeit führen würde (HEER, forumpoenale, a.a.O., S. 185 f.; dies. , Nachverfahren, a.a.O., S. 63; PFENNINGER, a.a.O., S. 38) und nicht im Sinne des Gesetzgebers war. Dieser ging in Art. 59 Abs. 4 Satz 2 StGB vielmehr davon aus, ein neuer gerichtlicher Entscheid habe - mangels gegenteiliger gerichtlicher Anordnungen - erst nach fünf Jahren zu ergehen. 2.6.3 Ebenfalls nicht gefolgt werden kann dem Argument der Vorinstanz, die Vollzugsbehörden würden stärker in die Pflicht genommen, BGE 145 IV 65 S. 76 wenn für den Fristenlauf auf den Zeitpunkt des vorzeitigen Massnahmenvollzugs abgestellt wird (vgl. Stellungnahme). Eine Pflicht, dafür zu sorgen, dass ein Entscheid betreffend die Bewilligung des vorzeitigen Massnahmenvollzugs zeitnah umgesetzt und die betroffene Person in einer geeigneten Einrichtung untergebracht wird sowie die erforderliche Therapie erhält, trifft die Vollzugsbehörde unabhängig davon, ob die Fünfjahresfrist gemäss Anordnungsentscheid bereits mit dem Entscheid über den vorzeitigen Massnahmenvollzug oder erst mit dem Anordnungsentscheid selber zu laufen beginnt. Selbst wenn dieser Pflicht in der Praxis zum Teil nicht genügend nachgelebt wird, hat ein Abstellen auf den Entscheid über den vorzeitigen Massnahmenvollzug keinerlei Einfluss auf die effektive Behandlungsdauer, welche vom Krankheitsbild und vom erforderlichen Behandlungserfolg abhängt. Der Entlassungszeitpunkt wird dadurch nicht bzw. höchstens in Ausnahmefällen nach vorne verschoben (dazu LEHNER, a.a.O., S. 95); allenfalls verschafft die Fehlplatzierung Anspruch auf eine Entschädigung. 2.7 2.7.1 Als Zwischenfazit ist daher Folgendes festzuhalten: Wird der Vollzug der Massnahme aus der Freiheit heraus angetreten, beginnt die Fünfjahresfrist gemäss Art. 59 Abs. 4 Satz 1 StGB bzw. die richterlich festgesetzte Frist mit dem Eintritt in die Massnahmenvollzugseinrichtung zu laufen ( BGE 142 IV 105 E. 4.2 S. 110; HEER, forumpoenale, a.a.O., S. 184; PFENNINGER, a.a.O., S. 34; BRÄGGER, a.a.O., Rz. 3). Wird die Massnahme nicht aus der Freiheit heraus angetreten - was der Regel entspricht -, ist für den Fristenlauf auf das Datum des in Rechtskraft erwachsenen Anordnungsentscheids abzustellen. Dies steht im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts (vgl. BGE 142 IV 105 E. 5.6 S. 114, E. 5.9 S. 118; Urteil 6B_1213/2016 vom 8. März 2017 E. 2.2). Entscheidend ist demnach das Datum des erstinstanzlichen Gerichtsentscheids, wenn dagegen kein Rechtsmittel ergriffen wurde ( Art. 437 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 StPO ), das ergriffene Rechtsmittel zurückgezogen wurde ( Art. 437 Abs. 1 lit. b StPO ; BGE 142 IV 105 E. 5.7 S. 115), die Rechtsmittelinstanz auf das ergriffene Rechtsmittel nicht eintrat (vgl. Art. 437 Abs. 1 lit. c StPO ) oder wenn - bei einer nachträglichen Anordnung der stationären therapeutischen Massnahme (vgl. für den Rechtsmittelweg bei nachträglichen gerichtlichen Entscheiden nach Art. 363 ff. StPO : BGE 141 IV 396 E. 3 f. S. 398 ff.) - die Beschwerde gegen die erstinstanzliche Anordnung abgewiesen BGE 145 IV 65 S. 77 wurde ( Art. 437 Abs. 1 lit. c StPO ). Demgegenüber ist auf den Entscheid der Rechtsmittelinstanz abzustellen, wenn diese einen neuen Entscheid fällt (vgl. Art. 397 Abs. 2 StPO für die Beschwerdeinstanz bzw. Art. 408 StPO für die Berufungsinstanz). Da diese Anordnungsentscheide nicht zwingend sofort vollstreckbar sind, wird die effektive Behandlungsdauer um die Zeit bis zur Vollstreckbarkeit des Entscheids verkürzt, wenn die betroffene Person nicht in den vorzeitigen Massnahmenvollzug einwilligt ( BGE 142 IV 105 E. 5.7 S. 115; Urteil 6B_636/2018 vom 25. Juli 2018 E. 4.2.3). 2.7.2 Die vom Regionalgericht Oberland mit Urteil vom 28. Juni 2013 angeordnete stationäre therapeutische Massnahme lief daher - wie die erste Instanz zu Recht festhielt - ab Datum dieses Entscheids bis am 27. Juni 2018. Daran ändert nichts, dass das frühere Amt für Freiheitsentzug und Betreuung des Kantons Bern in Dispositiv-Ziff. 3 der Verfügung vom 5. August 2013 fälschlicherweise feststellte, der Vollzug der Massnahme habe am 24. Oktober 2012 zu laufen begonnen (vgl. Beschwerde). Eine Entlassung des Beschwerdegegners aus dem Massnahmenvollzug auf den 23. Oktober 2017 kam bereits angesichts der Verlängerung der Massnahme nicht in Betracht. Jedenfalls für die sich stellende Frage des Fristenlaufs der Massnahmenverlängerung ist die erwähnte Vollzugsverfügung nicht verbindlich. Der Beschwerdegegner kann sich entgegen seiner Stellungnahme für die Begründung seines Antrags auf Abweisung der Beschwerde nicht auf die in der Verfügung vom 5. August 2013 zu kurz berechnete Frist berufen. 2.8 2.8.1 Bezüglich der Verlängerung der stationären therapeutischen Massnahme stellt die Vorinstanz indes zu Recht nicht auf das Datum des Verlängerungsentscheids, sondern auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Fünfjahresfrist gemäss Erstanordnung ab (vgl. Urteil 6B_643/2018 vom 5. September 2018 E. 1.7.3). Eine stationäre therapeutische Massnahme, für welche die Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind, ist aufzuheben ( Art. 56 Abs. 6 StGB ). Die Aufhebung hat in jedem Fall durch einen besonderen Rechtsakt zu erfolgen. Die Massnahme fällt - auch wenn nicht rechtzeitig um ihre Verlängerung ersucht wurde - mit Ablauf der Fünfjahresfrist gemäss Art. 59 Abs. 4 Satz 1 StGB nicht einfach dahin (vgl. dazu BGE 141 IV 49 E. 2.2 S. 52 und 3.2 S. 54; Urteile 6B_964/2015 vom 14. Oktober 2015 E. 3.5.4 und 3.5.5; 6B_253/2015 vom 23. Juli 2015 E. 2.1). BGE 145 IV 65 S. 78 Obschon der massnahmenunterworfenen Person in der Zeit bis zum rechtskräftigen Verlängerungsentscheid die Freiheit u.U. unter dem Titel der Sicherheitshaft entzogen ist ( BGE 139 IV 175 E. 1.2 S. 178; Urteil 6B_1432/2017 vom 15. Januar 2018 E. 1.4; je mit Hinweisen), läuft die Massnahme in dieser Zeit weiter. Die laufende Therapie ist nach Möglichkeit daher weiterzuführen und der Verbleib der betroffenen Person in der Massnahmenvollzugsanstalt zu garantieren, dies auch ohne explizite Einwilligung des Eingewiesenen (unzutreffend insofern WEBER/SCHAUB/BUMANN/SACHER, Anordnung und Vollzug stationärer therapeutischer Massnahmen gemäss Art. 59 StGB mit Fokus auf geschlossene Strafanstalten bzw. geschlossene Massnahmeneinrichtungen, Studie vom 28. August 2015 zuhanden der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter [NKVF], S. 64 und 74, wonach ein Verbleib im Massnahmenvollzug während der Sicherheitshaft nur mit Zustimmung des Insassen erfolgt und ohne eine solche Zustimmung ein Institutionswechsel in ein Untersuchungsgefängnis vorzunehmen ist). Die Massnahmenverlängerung beginnt daher am Tag nach Ablauf der Erstanordnung bzw. einer allfälligen vorausgegangenen früheren Verlängerung zu laufen. Dies muss auch dann gelten, wenn der Verlängerungsentscheid vor Ablauf der laufenden Periode erging, d.h. die (Fünfjahres-)Frist gemäss Erstanordnung bzw. der vorausgegangenen Verlängerung im Zeitpunkt des (neuen) Verlängerungsentscheids noch nicht abgelaufen ist. Verlängert das Gericht - wie dies in der Praxis teilweise gehandhabt wird - die Massnahme aufgrund der aktuellen Verhältnisse ausdrücklich für eine beschränkte Dauer gerechnet ab Datum seines Entscheids, kommt dies folglich einer Verlängerung der Massnahme für die Zeit ab Ablauf der Erstanordnung bis zum Datum gemäss Verlängerungsentscheid gleich (vgl. Urteil 6B_643/2018 vom 5. September 2018 E. 1.7.3). Ein solches Vorgehen ist allerdings nur zulässig, wenn die Massnahme damit faktisch nicht für mehr als fünf Jahre verlängert wird, d.h. zwischen Ablauf der Massnahme gemäss Erstanordnung und Ende der Massnahme gemäss Verlängerungsentscheid nicht mehr als fünf Jahre liegen. 2.8.2 Vorliegend datiert der Anordnungsentscheid vom 28. Juni 2013. Die fünfjährige Erstanordnung der stationären therapeutischen Massnahme endete daher am 27. Juni 2018, weshalb die Vierjahresfrist gemäss Verlängerungsentscheid des Regionalgerichts Oberland vom 26. September 2017 am 28. Juni 2018 zu laufen begann. Die BGE 145 IV 65 S. 79 Vorinstanz stellt im angefochtenen Entscheid für den Beginn der Vierjahresfrist gemäss Verlängerungsentscheid demnach zu Unrecht auf den 24. Oktober 2017 ab. 2.9 2.9.1 In diesem Zusammenhang ist zudem in Erinnerung zu rufen, dass die Behörden das Gesuch um Verlängerung der Massnahme (nach Einholung der allenfalls erforderlichen Gutachten) rechtzeitig, d.h. vor Ablauf der Fünfjahresfrist gemäss Art. 59 Abs. 4 Satz 1 StGB stellen müssen. Der Verlängerungsentscheid muss auf einer möglichst breiten und aussagekräftigen Beurteilungsgrundlage basieren ( BGE 141 IV 49 E. 3.2 S. 54; HEER, AJP, a.a.O., S. 598) und den Verhältnissen im Zeitpunkt nach Ablauf der Massnahmendauer gemäss Erstanordnung bzw. der vorangehenden Verlängerung Rechnung tragen (vgl. Art. 59 Abs. 4 Satz 2 StGB ). Nicht zu beanstanden ist nach der Rechtsprechung daher, wenn das Verlängerungsverfahren in der Praxis erst eher gegen Ende der maximal möglichen Dauer der stationären Massnahme eingeleitet wird, auch wenn dies zur Folge hat, dass solche Verfahren mehrheitlich nicht vor Ablauf der fünfjährigen Massnahmendauer rechtskräftig erledigt werden können (vgl. BGE 141 IV 49 E. 3.2 S. 54; a.M. WEBER/SCHAUB/BUMANN/SACHER, a.a.O., S. 74; offengelassen im Urteil 1B_6/2012 vom 27. Januar 2012 E. 2.2.2 f.). 2.9.2 Vorliegend erfolgte der Antrag auf Verlängerung am 9. Juni 2017 und die erstinstanzliche Verlängerung am 26. September 2017, d.h. mehr als ein Jahr bzw. rund 9 Monate vor Ablauf der Fünfjahresfrist gemäss Erstanordnung am 27. Juni 2018. Dies erscheint je nach Umständen eher verfrüht, wenn man berücksichtigt, dass gemäss Art. 59 Abs. 4 Satz 2 StGB mindestens alle fünf Jahre ein gerichtlicher Entscheid über die Weiterführung der Massnahme zu ergehen hat und das Gericht seinem Verlängerungsentscheid die Verhältnisse nach Ablauf der Fünfjahresfrist gemäss Erstanordnung zugrundelegen muss. Dies ist unter den konkreten Umständen indes insofern nicht zu beanstanden, als die Massnahme vom Regionalgericht Oberland nur für vier Jahre verlängert wurde und die Verlängerung im Ergebnis daher nicht über eine Dauer von mehr als fünf Jahre hinaus erfolgte. Da der Beschwerdegegner gegen den Entscheid des Regionalgerichts Oberland Beschwerde erhob, konnte zudem zumindest die Vorinstanz die aktuellen Verhältnisse im Zeitpunkt kurz vor Ablauf der Fünfjahresfrist gemäss Art. 59 Abs. 4 Satz 1 StGB BGE 145 IV 65 S. 80 berücksichtigen. Die Beschwerde ist ein ordentliches, vollkommenes und devolutives Rechtsmittel, welches die Überprüfung des angefochtenen Entscheids mit freier Kognition sowie die Erhebung zusätzlicher Beweismittel inkl. Noven zulässt (vgl. BGE 141 IV 396 E. 4.4 S. 405).
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Sachverhalt ab Seite 310 BGE 135 V 309 S. 310 A. Par trois arrêtés du 22 décembre 2008 et un arrêté du 16 février 2009, le Conseil d'Etat de la République et canton de Neuchâtel a fixé les taxes journalières maximales de la Résidence X., de la Résidence Y., et du home W., respectivement de la Résidence V., applicables aux pensionnaires bénéficiant de prestations complémentaires à l'AVS et à l'AI (PC). Aux termes de ces quatre arrêtés, le Conseil d'Etat a pris les dispositions suivantes: BGE 135 V 309 S. 311 Reconnaissance Article premier. - En application de l'article 4, alinéa 4 LCPC, la Résidence (concernée) est reconnue pour l'année 2009 comme home au sens de la législation en matière de prestations complémentaires à l'AVS et à l'AI (PC). Taxes journalières Art. 2. - En application de l'article premier, alinéa 1 RLCPC et de l'article premier de l'arrêté relatif aux taxes journalières maximales applicables aux pensionnaires bénéficiant de prestations complémentaires à l'AVS et à l'AI (PC) et séjournant en établissement spécialisé pour personnes âgées autorisé au sens de la loi de santé, du 26 mai 2008, le Conseil d'Etat fixe les taxes journalières maximales de la Résidence (concernée) pour ses pensionnaires au bénéfice de PC, valables dès le 1 er janvier 2009, de la façon suivante: Chambres à 1 lit Fr... Chambres à 2 lits Fr... Entrée en vigueur et publication Art. 3. - Le présent arrêté qui entre en vigueur au 1 er janvier 2009, est valable jusqu'au 31 décembre 2009. Il sera publié dans la feuille officielle. Les montants ainsi fixés s'élèvent, pour une chambre à 1 lit / 2 lits, respectivement à 182 fr. / 172 fr. pour la Résidence X. (9C_100/2009); 200 fr. (avec lavabo) et 210 fr. (avec salle de bains) / 195 fr. pour la Résidence Y. (9C_101/2009); 191 fr. comme "prix unique" pour le Home W. (9C_102/2009) et 195 fr. / 165 fr. pour la Résidence V. (9C_266/2009). B. Chacun des quatre homes, tous représentés par Maître Nicolas Pointet, à Neuchâtel, interjette un recours en matière de droit public contre ces arrêtés publiés dans la Feuille officielle du canton de Neuchâtel le 31 décembre 2008, respectivement le 20 février 2009 (dans le cas 9C_266/2009), en prenant les conclusions suivantes: "1. Déclarer recevable et bien fondé le présent recours; 2. Annuler l'article 2 de l'arrêté du Conseil d'Etat de la République et canton de Neuchâtel du 22 décembre 2008 (respectivement 16 février 2009) fixant les taxes journalières maximales du home (concerné) applicables aux pensionnaires bénéficiant de prestations complémentaires à l'AVS et à l'AI (PC). 3. Sous suite de frais et dépens." Le Conseil d'Etat conclut au rejet des recours. L'Office fédéral des assurances sociales (OFAS) se détermine sous l'angle de la base légale de droit fédéral, sans prendre des conclusions. BGE 135 V 309 S. 312 C. Par actes du 30 janvier 2009, la Résidence X. (9C_100/2009), la Résidence Y. (9C_101/2009) et le Home W. (9C_102/2009) ont demandé que leur recours soit doté de l'effet suspensif. Ces requêtes ont été rejetées par ordonnances présidentielles du 23 février 2005.
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653
Erwägungen Extrait des considérants: 1. Le Tribunal fédéral examine d'office sa compétence ( art. 29 al. 1 LTF ). Il contrôle librement la recevabilité des recours qui lui sont soumis ( ATF 134 III 379 consid. 1 p. 381 et la jurisprudence citée). 1.1 D'après l' art. 82 LTF , le Tribunal fédéral connaît des recours contre les décisions rendues dans des causes de droit public (let. a) et contre les actes normatifs cantonaux (let. b). La qualification des arrêtés attaqués comme décisions ou comme actes normatifs est d'importance pour l'ordre de juridiction car dans le premier cas, le recours n'est recevable devant le Tribunal fédéral que s'il existe une voie de droit cantonal devant une autorité judiciaire précédente ( art. 86 al. 1 let . d et al. 2 LTF) alors que dans le deuxième cas, le recours est directement recevable contre les actes normatifs cantonaux qui ne peuvent faire l'objet d'un recours cantonal ( art. 87 al. 1 LTF ). 1.2 Les arrêtés litigieux pourraient être considérés comme des décisions générales; toutefois leur qualification comme actes généraux et abstraits doit l'emporter. En effet, les arrêtés imposent aux quatre recourants, en tant que homes reconnus selon la législation sur les prestations complémentaires, une taxe journalière maximale pouvant être facturée à leurs pensionnaires bénéficiant de prestations complémentaires (PC). Bien que cette injonction soit limitée dans le temps (à savoir pour l'année 2009) et n'oblige qu'un nombre restreint de destinataires (chaque arrêté concerne un home, voir un nombre restreint de pensionnaires bénéficiant de PC), sa portée dépasse celle d'une décision. Si l'on considère les trois arrêtés du 22 décembre 2008 et celui du 16 février 2009 dans leur ensemble, et que l'on tienne compte du fait que le Conseil d'Etat a adopté "63 arrêtés fixant de manière individuelle pour chaque home les taxes journalières maximales applicables aux pensionnaires bénéficiant de PC à l'AVS et à l'AI" (cf. prise de position de l'OFAS), il y a lieu d'admettre que les arrêtés litigieux constituent des composants d'une réglementation sur les taxes applicables aux pensionnaires d'un BGE 135 V 309 S. 313 home bénéficiant de PC et valable pour l'ensemble du canton, laquelle doit être assimilée à un acte normatif de droit cantonal au sens de l' art. 82 let. b LTF . 1.3 Il est constant que les actes attaqués ne peuvent faire l'objet, au plan cantonal, d'un moyen de droit, de sorte que le recours en matière de droit public est directement ouvert ( art. 87 al. 1 LTF ). 1.4 Dans la mesure où les autres conditions de recevabilité des présents recours sont également données en l'espèce, en particulier celle de la qualité pour recourir (art. 89 al. 1 let. b et c LTF), il y a lieu d'entrer en matière sur le recours. Les présentes causes, étroitement liées à la législation fédérale sur les prestations complémentaires, relèvent de la compétence de la II e Cour de droit social du Tribunal fédéral ( art. 35 let . f du règlement du Tribunal fédéral du 20 novembre 2006 [RTF; RS 173.110.131], dans sa version en vigueur depuis le 1 er janvier 2009). (...) 7. 7.1 Les recourants invoquent une violation du droit public fédéral, en particulier de l' art. 10 al. 2 let. a LPC (RS 831.30). Selon eux, le texte de cette disposition légale est clair: l'expression "(...) à prendre en considération (...)" autorise seulement les cantons à déterminer la mesure de la prise en considération du prix de pension dans le calcul des prestations complémentaires établi par la caisse. On ne saurait en revanche nullement inférer du texte légal que ledit montant oblige les homes, à savoir que ceux-ci n'auraient pas le droit de facturer le prix de pension contractuel aux pensionnaires ou à toute personne qui serait d'accord de payer le prix intégral (p. ex. la famille). 7.2 Se fondant sur certains passages du Message du Conseil fédéral du 7 septembre 2005 sur la législation d'exécution concernant la réforme de la péréquation financière et de la répartition des tâches entre la Confédération et les cantons (RPT; FF 2005 5641), le Conseil d'Etat estime que l' art. 10 al. 2 let. a LPC permet sans équivoque aux cantons de fixer les taxes journalières prélevées par les homes pour les personnes au bénéfice de PC et non seulement de fixer le montant des taxes déterminant pour le calcul des PC. Selon le Conseil d'Etat, cette interprétation a été confirmée par le Tribunal fédéral dans un arrêt 2P.99/1999 / 2P.162/1999 / 2P.315/1999 du 19 décembre 2002 à propos de la législation vaudoise d'application BGE 135 V 309 S. 314 des PC. Dans cette affaire, divers homes privés avaient recouru contre des arrêtés cantonaux fixant les tarifs socio-hôteliers applicables aux pensionnaires de homes et bénéficiant des régimes sociaux vaudois. Le Tribunal fédéral avait admis que non seulement la fixation de tels tarifs était admissible à l'égard des pensionnaires bénéficiant de l'aide de l'Etat, mais également, dans une certaine mesure, à l'égard des pensionnaires financièrement indépendants. (...) 7.4 7.4.1 Ainsi que le relève l'OFAS, il ressort de l'interprétation littérale et systématique de l' art. 10 al. 2 let. a LPC que l'autorisation donnée aux cantons de fixer une limite maximale des frais à prendre en considération en raison du séjour dans un home ou dans un hôpital a trait exclusivement à une norme de calcul de la prestation complémentaire, mais non au financement des homes ou aux rapports de droit privé entre les homes et leurs pensionnaires. Cela ressort explicitement des Messages du Conseil fédéral concernant la Réforme de la péréquation financière et de la répartition des tâches entre la Confédération et les cantons (RPT). Dans le premier message, du 14 novembre 2001, le Conseil fédéral explique que malgré le désenchevêtrement partiel, le caractère des PC ne change pas par rapport à la situation actuelle: "Concrètement, le changement signifie ce qui suit: tandis que les personnes qui demeurent chez elles touchent les mêmes PC que celles qui sont versées actuellement, les cantons pourront désormais fixer l'étendue et le montant des frais de maladie et d'infirmité qui sont pris en charge. Pour les personnes habitant dans un home, les cantons fixent, comme ils le font déjà, la taxe imputable pour le séjour et le montant pour les dépenses personnelles." (FF 2002 2297 in fine ch. 6.1.5.3.3). Dans la version allemande du message, la phrase mise en exergue est traduite ainsi: "legen die Kantone (...) die berücksichtigbare Heimtaxe und den Betrag für persönliche Auslagen fest" (BBl 2002 2436). Plus loin, le Conseil fédéral poursuit ainsi: "Les cantons et les communes exercent une influence considérable sur les frais de séjour dans les homes puisqu'ils sont responsables de leur construction et de leur exploitation. Par conséquent, il est logique que les cantons prennent en charge les PC découlant d'un séjour dans un home. Ils ne doivent cependant fournir des prestations que si les frais de séjour dans un home dépassent le montant des besoins vitaux. Pour calculer ce montant, on ajoute le montant des besoins vitaux BGE 135 V 309 S. 315 (16'880 fr.) au loyer maximal possible (13'200 fr.), par souci de simplification, ce qui donne une somme arrondie à 80 fr. par jour (cf. art. 3b et art. 5, al. 1, let. b LPC ). Si le pensionnaire d'un home ne peut pas payer seul 80 fr. par jour, la Confédération (à raison de 5/8) et le canton (à raison de 3/8) versent la différence. On garantit ainsi que les personnes vivant à la maison et celles qui résident dans un home bénéficient du même traitement quant à la couverture des besoins vitaux. Lorsque le montant de la couverture des besoins vitaux et celui des frais du home dépassent ensemble 80 fr., le canton doit financer le surplus. Comme par le passé, ce sont les cantons qui fixent la taxe maximale des homes, si bien qu'ils définissent également la part des PC qu'ils supportent. Les taxes des homes sont définies en fonction des coûts de construction et d'exploitation. Pour calculer les PC des pensionnaires de homes, le revenu est déterminé de la même manière que pour les personnes vivant chez elles. Les cantons ne peuvent exercer une influence que sur la part prise sur la fortune, qui peut être plus ou moins importante. Grâce au nouveau système, un canton peut choisir entre une aide en faveur des personnes (aide individuelle apportée aux personnes) ou en faveur des objets (subvention versée aux institutions). S'il subventionne un home en tant qu'objet, il peut fixer à un niveau inférieur la taxe du home prise en considération lors du calcul de la PC . S'il ne le fait pas, il doit verser des PC plus élevées aux bénéficiaires." (FF 2002 2298 s. ch. 6.1.5.3.3.2). La phrase mise en exergue ci-dessus a la teneur suivante en allemand: "Subventioniert er das Heim als Objekt, kann er die bei der EL-Berechnung berücksichtigbare Heimtaxe tiefer ansetzen." (BBl 2002 2437) Dans son Message du 7 septembre 2005 sur la législation d'exécution concernant la réforme de la péréquation financière et de la répartition des tâches entre la Confédération et les cantons (RPT), le Conseil fédéral a précisé ce qui suit: "Le désenchevêtrement des tâches entre la Confédération et les cantons et la transformation de la loi sur les subventions en une loi sur les prestations requièrent une refonte complète de la loi fédérale du 19 mars 1965 sur les prestations complémentaires à l'assurance-vieillesse, survivants et invalidité (LPC). Le projet accorde aux cantons une marge de manoeuvre minime concernant les tarifs relatifs à la prestation complémentaire annuelle (qui relève de la Confédération), du fait que le calcul des prestations complémentaires pour les pensionnaires de homes est basé sur le même principe que pour les personnes vivant à domicile - bien que le versement des PC reste l'affaire des cantons. Il convient de BGE 135 V 309 S. 316 souligner que le nouveau modèle de PC annuelles ne fixe pas de plafond à ces prestations. Actuellement ce plafond n'a guère de sens pour les personnes qui ne vivent pas dans un home, du fait qu'il est très rarement atteint (cas d'invalidité dans des familles nombreuses). L'abandon du plafond évite par ailleurs tout mélange avec l'aide sociale. Les choses se présentent un peu autrement pour les pensionnaires de homes. La contribution financière de la Confédération se limite au montant destiné à couvrir les besoins vitaux. Si ce montant est dépassé, les PC annuelles sont entièrement à la charge des cantons. Ceux-ci fixent eux-mêmes les taxes prélevées par les homes et exercent ainsi une influence sur la part des PC qu'ils assument. La LPC n'offre cependant de marge de manoeuvre que pour le montant des dépenses personnelles et la prise en compte de la fortune (imputation de la fortune) pour les pensionnaires de homes. D'autres dispositions ne sont admissibles dans le domaine des PC annuelles que dans la mesure où elles sont nécessaires à l'application de la loi. Même pour les pensionnaires, il n'est donc pas utile de fixer un plafond pour les PC annuelles. Il en va autrement pour les frais de maladie et d'invalidité, lesquels sont entièrement pris en charge par les cantons. Il appartient donc aux cantons de déterminer les frais à rembourser aux bénéficiaires de PC." (FF 2005 5831 ch. 2.9.8.2.2) Dans sa réponse aux recours, le Conseil d'Etat se fonde essentiellement sur la phrase mise en exergue ci-dessus pour défendre son point de vue. Or, la version allemande du passage en question est la suivante: "Die Kantone bestimmen selbständig die Höhe der anrechenbaren Heimtaxen und beeinflussen damit auch den von ihnen zu tragenden EL-Teil." (BBl 2005 6224) 7.4.2 Le texte de l'art. 10 al. 2 let. a, 2 e phrase LPC est libellé ainsi en allemand: "die Kantone können die Kosten begrenzen, die wegen des Aufenthaltes in einem Heim oder Spital berücksichtigt werden". En italien, il a la teneur suivante: "i Cantoni possono limitare le spese prese in considerazione a causa del soggiorno in un istituto o in un ospedale". Dans les messages précités, le verbe "berücksichtigen" est traduit en français une fois par le verbe "imputer" et une fois par l'expression "prendre en considération" (expression retenue pour l' art. 10 al. 2 let. a LPC ). Quant à l'expression "taxes prélevées par les homes" (cf. FF 2005 5831), elle est traduite par "anrechenbaren Heimtaxen", à savoir "taxes imputées". La sémantique choisie par le Conseil fédéral implique que l' art. 10 al. 2 let. a LPC autorise seulement les cantons à déterminer le montant de la taxe devant être imputée dans le calcul des prestations complémentaires. S'il entendait autoriser les cantons à fixer les taxes que les homes sont en droit de facturer directement à leurs pensionnaires et BGE 135 V 309 S. 317 intervenir ainsi dans les rapports contractuels de droit privé entre les homes non subventionnés et leurs pensionnaires au bénéfice de PC, le législateur fédéral aurait dû être plus précis. En l'absence d'une volonté claire du législateur ressortant des travaux préparatoires, il n'y a pas lieu de suivre l'interprétation de l' art. 10 al. 2 let. a LPC donnée par le Conseil d'Etat. Le canton de Neuchâtel a décidé de ne pas reconnaître la qualité d'"établissements (...) d'utilité publique" aux homes recourant notamment, et de ne plus leur accorder désormais les subsides spéciaux selon l' art. 19a de la loi cantonale du 21 mars 1972 sur les établissements spécialisés pour personnes âgées (LESPA; RSN 832. 30) . La différence essentielle du présent cas avec l'arrêt 2P.99/ 1999 / 2P.162/1999 / 2P.315/1999 du 19 décembre 2002, sur lequel se fonde le Conseil d'Etat, réside dans l'absence d'autorisation des homes recourants à obtenir des subventions. Dans les cas précités, il s'agissait de homes ayant reçu un mandat de prestations dans le cadre de la planification des homes du canton de Vaud, lequel leur ouvrait droit à des subventions, pour autant que l'institution en question respectât les tarifs fixés par l'Etat à l'égard des pensionnaires au bénéfice de PC ou de l'aide sociale ainsi qu'à l'égard de ceux ne bénéficiant d'aucune aide publique. 7.5 Le fait que l' art. 10 al. 2 let. a LPC n'autorise pas les cantons à limiter les taxes journalières facturées par des homes privés sans mandat de prestations ni subventions étatiques, est confirmé par l'aspect suivant: selon la loi fédérale du 13 juin 2008 sur le nouveau régime de financement des soins, laquelle n'est pas encore entrée en vigueur (FF 2008 5247), il est prévu de compléter la teneur actuelle de l' art. 10 al. 2 let. a LPC par l'ajout de la phrase suivante: "(...); les cantons veillent à ce que le séjour dans un établissement médico-social reconnu ne mène pas, en règle générale, à une dépendance de l'aide sociale;". On doit en déduire que si les cantons étaient autorisés en vertu du seul droit fédéral à limiter le montant des taxes journalières facturées par les homes, cet ajout eût été superflu. 8. Il résulte de ce qui précède que l' art. 10 al. 2 let. a LPC n'est pas, contrairement à l'avis erroné du Conseil d'Etat, une base légale suffisante pour imposer une limite aux tarifs pratiqués par des homes privés à l'égard de leurs pensionnaires au bénéfice de PC. (...) BGE 135 V 309 S. 318 10. Le fait que l' art. 10 al. 2 let. a LPC ne constitue pas une base légale suffisante pour limiter les frais facturés par les homes à leurs pensionnaires ne saurait toutefois conduire à l'admission des recours. En l'espèce, les arrêtés reposent non seulement sur la LPC, mais également, selon leurs préambules, sur diverses autres lois cantonales. La question de savoir s'il existe, parmi celles-ci, une disposition suffisante sous l'angle de l' art. 36 al. 1 Cst. ne doit pas être examinée par le Tribunal fédéral dès lors que les recourants ne discutent pas l'éventualité d'une base juridique indépendante, ancrée dans le droit cantonal. Les recourants ne se plaignent que du fait que la LPC ne constitue pas une base légale suffisante pour restreindre leur liberté économique mais ne font pas valoir que les dispositions de droit cantonal sur lesquelles se fondent également les arrêtés du Conseil d'Etat seraient contraires à la Constitution. Ils ne prétendent pas non plus qu'en adoptant les arrêtés litigieux, le Conseil d'Etat aurait violé le droit cantonal supérieur ou le principe de la séparation des pouvoirs en outrepassant ses compétences (cf. ATF 134 I 322 consid. 2.2 p. 326). Il n'appartient pas au Tribunal fédéral d'examiner d'office une éventuelle violation du droit cantonal si celle-ci n'a pas été alléguée et motivée par les recourants ( art. 106 al. 2 LTF ), de sorte que tous les autres griefs d'ordre constitutionnel sont irrecevables. Dans la mesure où le Tribunal fédéral n'annule les dispositions attaquées que si elles ne se prêtent à aucune interprétation conforme au droit supérieur et qu'il n'est pas exclu, en l'espèce, que la réglementation contestée se fonde sur une base légale suffisante en droit cantonal ou qu'elle puisse être interprétée conformément au droit constitutionnel cantonal, il n'y a pas lieu d'annuler les arrêtés litigieux, dont la portée est limitée jusqu'à la fin de l'année 2009. Succombant, les recourants doivent supporter les frais judiciaires, solidairement entre eux (cf. art. 65 al. 1-3 et art. 66 al. 1 et 5 LTF ), et n'ont pas droit à des dépens (cf. art. 68 al. 1 LTF ).
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Sachverhalt ab Seite 271 BGE 129 IV 271 S. 271 A.- Par jugement du 3 juillet 2002, le Tribunal correctionnel de l'arrondissement de Lausanne a condamné X., pour blanchiment d'argent qualifié, à douze mois d'emprisonnement avec sursis durant deux ans, et à une amende de 3'000 francs, avec délai de radiation de deux ans. Il en ressort notamment les éléments suivants: A.a X., né en 1931, a travaillé depuis 1966 dans le secteur du service de limousines pour une clientèle fortunée. Dès 1981, il a mené son activité dans la région zurichoise. Il parle parfaitement le romanche, l'allemand, le français, l'anglais, l'espagnol et l'italien. Sa situation financière au début des années 1990 est restée floue. A.b Dans le cadre de son activité de chauffeur/interprète, X. a établi dès le début des années 1980 des relations étroites avec des membres du cartel de Medellin, devenant l'ami de plusieurs proches de A. et de la famille de B., principal associé de A. Il est devenu l'homme de confiance de ces deux familles. Il a également entretenu des liens avec C. et son clan, dont D. et son gendre, E. C. avait le contrôle du cartel de la côte nord de la Colombie. Interpellé par les autorités américaines au début 1992, D. a négocié sa liberté contre une collaboration avec la justice; il a admis se livrer au trafic de stupéfiants et a déclaré que la totalité de ses revenus provenait de cette activité; il a reconnu agir pour une organisation criminelle derrière laquelle apparaissaient des trafiquants de haut niveau, tel C.; son rôle consistait à introduire aux Etats-Unis d'Amérique de la cocaïne par bateau des Bahamas en Floride, à collecter et blanchir le produit de BGE 129 IV 271 S. 272 cette drogue. X. a fait la connaissance de D. en 1985 par l'entremise du dénommé F., à qui l'avait présenté G., trafiquant arrêté à Miami pour l'importation de 42,5 tonnes de marijuana. E. a également choisi de collaborer avec les autorités américaines. Il a admis sa participation à un réseau de trafiquants sévissant entre les Bahamas et les Etats-Unis d'Amérique dans l'importation de drogue provenant de Colombie. A.c Les 28 avril et 8 mai 1992, X. a loué, sur les instructions de D., mais en son nom et avec une procuration en faveur de E., deux coffres dans des banques zurichoises. Le but était d'y déposer de l'argent en attente et d'y dissimuler des papiers compromettants pour le compte de D. X. a reconnu lors de l'enquête que de l'argent liquide transitait par les coffres. Il résulte par ailleurs d'une conversation téléphonique qu'il savait que de faux papiers y étaient déposés. A.d D. était en relation bancaire avec deux banques. Ses comptes ont dès leur ouverture à fin 1991 été crédités d'environ 3'300'000 US$. Il s'agissait d'argent provenant du trafic de drogue. Entre le 23 avril et la mi-mai 1992, D. a vidé la totalité des comptes, retirant les montants en espèces et les transportant à l'étranger. D., E. et X. ont ainsi procédé à une dizaine de voyages vers l'Autriche et Andorre pour y déposer cet argent liquide. Huit comptes ont été ouverts au nom de X. dans les deux pays. La quasi-totalité des fonds a de la sorte été déposée sur des comptes ouverts au nom de ce dernier. Pratiquement, X. entrait dans les banques accompagné de E. pour négocier, étant précisé qu'en Autriche, il était le seul à parler l'allemand. D. se bornait à les attendre à l'extérieur. D. a ouvert le 20 avril 1993 des comptes dans cinq banques zurichoises sous un faux nom. Il a ensuite fait rapatrier les avoirs placés en Autriche et à Andorre. X. et E. sont ainsi retournés dans les établissements bancaires concernés et ont signé les ordres de transferts nécessaires. A.e Le 16 juin 1993, sur instructions téléphoniques de D., X. a prélevé 60'000 francs sur un compte bancaire de ce dernier. X. a versé 55'000 francs sur un de ses propres comptes le même jour. Il a envoyé, suivant toujours les instructions de D., 20'000 US$ sur un compte à Panama ouvert sous une fausse identité de D., ce qu'il savait. Il a été arrêté avant d'envoyer le solde sur le même compte. B.- Par arrêt du 25 octobre 2002, dont les considérants écrits ont été envoyés aux parties le 17 juin 2003, la Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal vaudois a rejeté le recours de X. et a confirmé le jugement de première instance. BGE 129 IV 271 S. 273 C.- X. se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral contre cet arrêt. Il conclut à son annulation. Le Tribunal fédéral a rejeté le pourvoi dans la mesure où il était recevable.
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. Le recourant s'en prend à sa condamnation pour blanchiment aggravé en vertu de l' art. 305bis ch. 2 let. a CP . 2.1 L' art. 305bis ch. 1 CP punit de l'emprisonnement ou de l'amende celui qui aura commis un acte propre à entraver l'identification de l'origine, la découverte ou la confiscation de valeurs patrimoniales dont il savait ou devait présumer qu'elles provenaient d'un crime. En l'espèce, les fonds, en particulier les 3'300'000 US$, proviennent du trafic de drogue. Il est incontestable qu'un tel trafic est réprimé pénalement aux Etats-Unis d'Amérique, vers lesquels la drogue a été acheminée, et qu'il constitue un crime en droit suisse ( art. 9 CP ) en vertu de l'art. 19 ch. 1 in fine et 2 LStup (cf. URSULA CASSANI, Commentaire du droit pénal suisse, vol. 9, Berne 1996, art. 305bis CP n. 15). Cet argent a fait l'objet de retraits et de transferts bancaires de Suisse à l'étranger et de l'étranger en Suisse sur divers comptes ouverts sous plusieurs noms, parfois faux. De tels actes sont propres à entraver la confiscation (cf. URSULA CASSANI, op. cit., art. 305bis CP n. 39 ss). Il s'ensuit que l'infraction de blanchiment est objectivement réalisée. Le recourant ne le conteste d'ailleurs pas, mais remet uniquement en cause le cas aggravé de blanchiment retenu à son encontre. 2.2 L' art. 305bis ch. 2 CP prévoit la réclusion pour cinq ans au plus ou l'emprisonnement pour les cas graves, notamment lorsque le délinquant agit comme membre d'une organisation criminelle (let. a). 2.3 Le recourant conteste l'existence d'une organisation criminelle. 2.3.1 La notion d'organisation criminelle au sens de l' art. 305bis ch. 2 let. a CP est la même que celle visée à l' art. 260ter CP (cf. URSULA CASSANI, op. cit., art. 305bis CP n. 56). Il s'agit d'une notion plus étroite que celle de groupe, de groupement au sens de l' art. 275ter CP ou de bande au sens des art. 139 ch. 3 al. 2 et 140 ch. 3 al. 1 CP; elle implique l'existence d'un groupe structuré de trois personnes au minimum, généralement plus, conçu pour durer indépendamment BGE 129 IV 271 S. 274 d'une modification de la composition de ses effectifs et se caractérisant, notamment, par la soumission à des règles, une répartition des tâches, l'absence de transparence ainsi que le professionnalisme qui prévaut aux différents stades de son activité criminelle; on peut notamment songer aux groupes qui caractérisent le crime organisé, aux groupements terroristes, etc. Il faut ensuite que cette organisation tienne sa structure et son effectif secrets. La discrétion généralement associée aux comportements délictueux ne suffit pas; il doit s'agir d'une dissimulation qualifiée et systématique, qui ne doit pas nécessairement porter sur l'existence de l'organisation elle-même mais sur la structure interne de celle-ci et le cercle de ses membres et auxiliaires. En outre, l'organisation doit poursuivre le but de commettre des actes de violence criminels ou de se procurer des revenus par des moyens criminels. S'agissant en particulier de l'enrichissement par des moyens criminels, il suppose que l'organisation s'efforce de se procurer des avantages patrimoniaux illégaux en commettant des crimes; sont notamment visés les infractions constitutives de crimes contre le patrimoine et les crimes prévus par la loi fédérale sur les stupéfiants (arrêt 6S.463/1996 du 27 août 1996, consid. 4b, publié in SJ 1997 p. 1; FF 1993 III 289 ss). 2.3.2 Il ressort du dossier de l'enquête américaine que D. a reconnu agir pour une organisation criminelle derrière laquelle apparaissaient des trafiquants de haut niveau, tel C., lequel avait le contrôle du cartel de la côte nord de la Colombie. D. a déclaré que la totalité de ses revenus provenait du trafic de stupéfiants. Son rôle consistait à introduire aux Etats-Unis d'Amérique de la cocaïne par bateau des Bahamas en Floride, à collecter et blanchir le produit de cette drogue. Le gendre de D., E., a également admis sa participation à un réseau de trafiquants sévissant entre les Bahamas et les Etats-Unis d'Amérique. La Cour de cassation vaudoise a par ailleurs indiqué que l'activité déployée par D. et E. en Suisse, soit l'acheminement et le blanchiment du produit des ventes de drogue, correspondait à une tâche précise et planifiée pour le compte d'une organisation de plus large niveau, dépourvue de transparence. Les éléments précités attestent que l'on a affaire à un réseau de trafiquants de drogue se livrant à un très important trafic. Les déclarations de D. et de E. aux enquêteurs américains ne suscitent aucun doute à propos d'une organisation criminelle. Aussi, faut-il admettre l'existence d'une organisation telle que visée par l' art. 305bis ch. 2 let. a CP . BGE 129 IV 271 S. 275 2.4 Le recourant soutient qu'il ne saurait être considéré comme membre de l'organisation. L' art. 305bis ch. 2 let. a CP exige que le délinquant ait agi comme membre d'une organisation criminelle. Le membre est celui qui est impliqué dans l'organisation et non celui qui fournit simplement une aide à celle-ci. La notion de membre se recoupe avec celle de participant à une organisation criminelle de l' art. 260ter ch. 1 al. 1 CP (cf. JÜRG-BEAT ACKERMANN, Geldwäscherei, in Kommentar Einziehung, organisiertes Verbrechen, Geldwäscherei, vol. I, Zurich 1998, Niklaus Schmid [éd.], § 5 n. 431). Une fonction dirigeante n'est pas requise pour être membre, une fonction subalterne pouvant suffire. Participe comme membre de l'organisation celui qui s'y intègre et y déploie une activité concourant à la poursuite du but criminel de l'organisation. Une participation occasionnelle à une opération précise ne suffit pas. Il faut une coopération avec l'organisation qui dénote l'appartenance à celle-ci (cf. arrêt 6S.463/1996 précité, consid. 4b, publié in SJ 1997 p. 1; BERNARD CORBOZ, Les infractions en droit suisse, vol. II, Berne 2002, art. 260ter CP n. 7; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Bes. Teil II, 5e éd., Berne 2000, § 40 n. 25; HANS BAUMGARTNER, Basler Kommentar, Strafgesetzbuch II, 2003, art. 260ter CP n. 11; GUNTHER ARZT, Organisiertes Verbrechen, in Kommentar Einziehung, organisiertes Verbrechen, Geldwäscherei, vol. I, Zurich 1998, Niklaus Schmid [éd.], § 4 n. 132 ss; JÖRG REHBERG, Strafrecht IV, 2e éd., Zurich 1996, p. 171/172). Le recourant a été l'homme à tout faire, traducteur, agent fiduciaire, représentant en Suisse de D. et E., lesquels avaient une confiance absolue en lui. Il a joué un rôle bien défini dans le but poursuivi par D., soit mettre en sûreté les fonds. Il a fourni un appui logistique durable et indispensable, ce qu'il savait. L'activité reprochée s'étend sur plus d'une année. Il a en particulier ouvert des coffres à son nom. Il a transporté en une dizaine de voyages de l'argent liquide en Autriche et à Andorre et a ouvert dans ces pays des comptes bancaires à son nom pour le recevoir. Il est ensuite de nouveau intervenu pour que cet argent soit viré en Suisse. Il s'est tenu à l'entière disposition de D. et E. et s'est soumis à leur volonté. Pour l'essentiel, le recourant s'écarte des constatations précitées en prétendant que sa seule fonction a été celle de chauffeur de limousine. Dans cette mesure, son argumentation est irrecevable. Sur la base des faits retenus, qui lient le Tribunal fédéral, il n'apparaît pas que le recourant aurait simplement apporté une aide ponctuelle. Au contraire, il a occupé une place décisive dans les différentes opérations BGE 129 IV 271 S. 276 de transfert d'argent qui se sont déroulées sur plus d'une année. Il a ainsi collaboré de manière importante à la poursuite du but criminel de l'organisation. La conclusion selon laquelle il a agi comme membre d'une telle organisation ne viole pas le droit fédéral. 2.5 Le recourant affirme encore que l'élément subjectif de l'infraction n'est pas réalisé. Il n'aurait eu ni l'intention ni la conscience de blanchir de l'argent et soutient avoir agi par négligence. Déterminer ce que l'auteur sait, veut ou l'éventualité à laquelle il consent relève de l'établissement des faits ( ATF 126 IV 209 consid. 2d p. 215; ATF 125 IV 49 consid. 2d p. 56). Selon les constatations cantonales, le recourant connaissait la provenance illicite des fonds; il savait que D. appartenait à un réseau qui vendait de la drogue; il était non seulement conscient de la provenance criminelle des valeurs patrimoniales, mais également des moyens mis en oeuvre pour entraver leur identification. L'argumentation du recourant s'écarte des faits précités ou n'en tient pas compte, de sorte qu'elle apparaît irrecevable. Quoi qu'il en soit, à partir de telles constatations factuelles, c'est sans violer le droit fédéral que la Cour de cassation vaudoise a retenu que le recourant avait agi intentionnellement.
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Sachverhalt ab Seite 281 BGE 131 III 280 S. 281 Le 26 août 2004, le Tribunal de première instance de Genève a prononcé la faillite de A. SA, qui exploitait un commerce d'opticien-lunetier dans des locaux loués. Cette faillite sera liquidée en la forme sommaire, selon jugement dudit tribunal du 26 octobre 2004. Les biens inventoriés de la faillie ont été estimés, avec le concours d'un expert et d'une spécialiste en matériel optique ancien, à 70'009 fr. (pour une vente en bloc). Le 27 septembre 2004, X. et Y. ont fait part à l'Office des faillites de Genève de leur intérêt à reprendre le bail du magasin d'optique de la faillie, le plus rapidement possible, en vue de "continuer à exercer en qualité d'opticiens et préserver une petite partie des emplois existants". L'office les a renvoyés à s'adresser à la régie chargée de gérer l'immeuble abritant le magasin, laquelle s'est déclarée disposée à conclure un nouveau bail, mais à la condition que le loyer soit augmenté de 40 %. Tout au début du mois d'octobre 2004, la société D. SA, qui exploite une agence de voyages dans des locaux adjacents du même immeuble, a également approché BGE 131 III 280 S. 282 l'office afin de lui faire part de son intérêt à une reprise des locaux de la faillie. L'office l'a également renvoyée à s'adresser à la régie. Le 6 octobre 2004, l'office a arrêté avec X. et Y. les conditions d'une entrée de la masse en faillite dans le bail, en vue de cession dans la perspective d'une reprise conjointe du mobilier. Le lendemain, il a écrit à la régie qu'il avait décidé d'entrer dans le bail et d'assumer tous les droits et obligations liés à ce dernier. Considérant que D. SA ne souhaitait pas investir dans l'optique mais agrandir ses locaux et que le bail en question comportait un article 2 prévoyant que "les locaux sont destinés à l'exploitation d'un commerce d'optique à l'exclusion de tout autre commerce", l'office a poursuivi dans la voie désormais empruntée d'entrer dans le bail et de conclure une convention avec des cessionnaires ayant l'intention de rouvrir un magasin d'optique. Le 8 octobre 2004, E. a également fait connaître par téléphone à l'office son intérêt à reprendre le magasin de la faillie. Le 15 octobre 2004, la masse en faillite, d'une part, X. et Y., d'autre part (ci-après: les cessionnaires), ont signé une convention de cession des actifs énumérés dans l'inventaire des biens de la masse, à l'exception des actifs revendiqués par des tiers, des créances de la faillie et de l'argent comptant. Il ressort notamment du préambule de cette convention qu'il s'agissait d'une vente d'urgence au sens de l' art. 243 al. 2 LP , que l'office se devait, en vertu des art. 231 al. 3 ch. 2 et 256 al. 3 LP, de réaliser les actifs "au mieux des intérêts des créanciers" et de "leur" donner préalablement l'occasion de formuler des offres supérieures, et que la masse en faillite communiquerait donc, dès qu'elle en aurait connaissance, l'existence d'une "plainte d'un ou plusieurs créanciers" et/ou l'existence d'une offre supérieure à compter de l'appel aux "créanciers" dans le cadre duquel "ceux-ci" seraient dûment informés de l'existence de la convention, de la possibilité d'en prendre connaissance et de faire des offres supérieures. Le préambule relevait en outre que l'offre des cessionnaires précités avait été retenue "après examen d'autres offres dont les pollicitants n'ont pas réussi à remplir les conditions fixées par l'office pour négocier la présente convention". La convention elle-même fixait notamment le prix de la cession des actifs en question à 100'000 fr. (art. 3) et précisait que les montants de 170'000 fr. et de 50'000 fr. versés par les cessionnaires BGE 131 III 280 S. 283 devaient garantir, respectivement, le paiement du loyer pendant les deux ans durant lesquels la masse serait coresponsable du paiement du loyer selon l' art. 263 al. 4 CO , ainsi que le paiement des arriérés de loyer et des charges d'exploitation (art. 4). Aux termes de son art. 5 dernier alinéa, la convention ne deviendrait définitive qu'après réalisation - à constater au plus tard le 22 décembre 2004 ou à toute autre date ultérieure - des deux conditions cumulatives stipulées à l'art. 8, savoir: premièrement, absence de toute plainte LP contre la décision de l'office de conclure la convention ou présentation d'un jugement définitif déboutant le plaignant de toutes ses conclusions; deuxièmement, absence de toute offre supérieure à 100'000 fr. formulée dans les 20 jours à compter de l'appel aux créanciers dans la FAO. Dans la même disposition, la convention prévoyait la procédure à suivre dans l'hypothèse de la "formulation par un créancier d'une offre supérieure", ce créancier étant désigné ensuite par "l'enchérisseur". L'office devait notamment, après remise par l'enchérisseur de la garantie bancaire ou du montant de l'offre, mettre en oeuvre dans les deux jours "des enchères privées entre les cessionnaires et le ou les enchérisseur(s)" (let. iii). Le 1 er novembre 2004, au cours d'un entretien téléphonique, l'office a informé D. SA de la signature de la convention susmentionnée. Le 3 novembre 2004, l'office a fait publier dans la FAO l'ouverture de la faillite en la forme sommaire et a fixé le délai pour les productions. Il y a ajouté un avis, intitulé "vente d'urgence", rendant les "créanciers" attentifs au fait qu'il avait procédé à une vente d'urgence des actifs de la faillie selon convention précitée, déposée à son bureau et mise à la disposition des intéressés pour consultation. Ledit avis précisait que les "créanciers" pouvaient formuler une offre supérieure dans les vingt jours et que le délai de plainte ( art. 17 LP ) était de dix jours. Aucun créancier n'a formulé d'offre supérieure ni émis d'objection ou de plainte à l'encontre de la convention du 15 octobre 2004. Le 5 novembre 2004, D. SA a informé l'office qu'elle envisageait de lui faire parvenir une offre supérieure. Le 10 du même mois, elle lui a fait savoir qu'elle remplissait les conditions posées à la formulation d'une telle offre, dans la mesure où elle avait fait transférer la somme de 220'000 fr. sur le compte de l'office et obtenu la confirmation de la constitution d'une garantie bancaire de 100'000 fr. Par fax du 15 novembre 2004, l'office a informé D. SA BGE 131 III 280 S. 284 qu'il allait procéder à une vente aux enchères privées le 29 novembre 2004. Le 15 novembre 2004, D. SA a formé une plainte auprès de la Commission cantonale de surveillance contre la convention passée le 15 octobre 2004, dont elle a demandé l'annulation, concluant en outre à ce que l'office procède à une vente aux enchères privées entre elle-même et les cessionnaires. Le 19 novembre 2004, les cessionnaires ont, de leur côté, formé une plainte contre la décision de l'office du 15 novembre 2004 de procéder à une vente aux enchères privées. Ils faisaient valoir qu'aucun créancier n'avait formulé d'offre supérieure et qu'en conséquence l'organisation d'une vente aux enchères privées était dépourvue de base légale et contraire aux termes de la convention du 15 octobre 2004. Par décision du 16 décembre 2004, la Commission cantonale de surveillance a joint les deux plaintes, les a rejetées et a renvoyé la cause à l'office pour l'organisation d'une vente aux enchères privées. Les cessionnaires ont recouru au Tribunal fédéral en concluant à l'admission de leur plainte et à l'annulation de la décision de l'office de tenir une vente aux enchères privées, la décision de la Commission cantonale étant confirmée pour le surplus. Le Tribunal fédéral a admis leurs conclusions.
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. 2.1 La liquidation sommaire de la faillite a lieu selon les règles de la procédure ordinaire, avec toutefois des assouplissements et des simplifications. Ainsi, en règle générale, l'office ne convoque pas d'assemblée des créanciers; au besoin, il peut consulter ces derniers par voie de circulaire; il procède à la réalisation des actifs à l'expiration du délai de production au mieux des intérêts des créanciers et en observant les art. 256 al. 2 à 4 LP; les immeubles ne peuvent cependant être réalisés qu'une fois dressé l'état des charges ( art. 231 al. 3 ch. 1 et 2 LP ; WALTER A. STOFFEL, Voies d'exécution, § 11 n° 38 ss). Dans certaines situations, l'office n'a pas à attendre l'expiration du délai pour les productions: il lui faut en effet réaliser sans retard les biens sujets à dépréciation rapide, dispendieux à conserver ou dont le dépôt occasionne des frais disproportionnés; il peut en outre ordonner la réalisation immédiate des valeurs et objets cotés en BGE 131 III 280 S. 285 bourse ou sur le marché ( art. 243 al. 2 LP ; P.-R. GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, n. 42 ad art. 221 LP ; n. 21 ss ad art. 243 LP ). Une réalisation d'urgence suppose l'existence de circonstances particulières justifiant de déroger au cours ordinaire de la procédure, comme la nécessité de prévenir un dommage, notamment lorsqu'il est établi que les perspectives d'une réalisation favorable d'actifs de la masse se réduisent notablement avec l'écoulement du temps, eu égard à la nature ou aux caractéristiques des biens considérés (GILLIÉRON, op. cit., n. 10 ad art. 238 LP ; MARC RUSSENBERGER, Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, n. 8 ad art. 243 LP ). Une réalisation anticipée peut être décidée pour des motifs économiques; ainsi, un fonds de commerce peut représenter un actif soumis à dépréciation rapide et donc être vendu d'urgence lorsque se présente une occasion favorable de le remettre à un repreneur dans de bonnes conditions, sauvant des emplois et permettant la continuation du bail (RUSSENBERGER, loc. cit., n. 10 ad art. 243 LP ; GEORGES VONDER MÜHLL, Der wirtschaftlich begründete Dringlichkeitsverkauf von Mobilien im Konkurs, in BlSchK 1995 p. 1 ss, spéc. p. 6). Il appartient à l'office de décider librement s'il y a lieu de donner à tous les créanciers l'occasion de faire des offres avant de procéder à une vente de gré à gré ( ATF 76 III 102 consid. 2). Cependant, s'il s'agit de réaliser de gré à gré des biens de valeur élevée ou des immeubles, l'occasion doit avoir été donnée aux créanciers de formuler des offres supérieures (art. 256 al. 3 par renvoi de l' art. 231 al. 3 ch. 2 LP ; FRANCO LORANDI, Der Freihandverkauf im schweizerischen Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, thèse St-Gall 1993, p. 321 s. et 335); selon GILLIÉRON, une telle consultation ne s'imposerait pas s'il y a urgence au sens de l' art. 243 al. 2 LP (GILLIÉRON, op cit., n. 26 in fine ad art. 243 LP ); la question peut toutefois demeurer ouverte en l'espèce. 2.2 Selon les constatations souveraines de la décision attaquée ( art. 63 al. 2 et 81 OJ ), l'office s'est trouvé confronté au problème que les biens inventoriés de la faillie risquaient fort de ne pouvoir être vendus au prix fixé par les experts de 70'009 fr. en cas de vente aux enchères publiques et lot par lot, mais que ce prix pourrait être atteint et même dépassé en cas de vente en bloc dans une perspective de reprise du commerce d'optique de la faillie; aussi a-t-il envisagé très tôt de procéder à une vente de gré à gré de BGE 131 III 280 S. 286 l'ensemble des biens se trouvant dans l'arcade de la faillie, voire à une réalisation d'urgence. L'office s'est donc décidé en faveur d'une réouverture du magasin de la faillie combinée à une vente des actifs inventoriés; à cet égard, il lui importait de ne pas laisser s'échapper une très intéressante offre - celle des recourants - formulée dans la perspective de la reprise du fonds de commerce de la faillie. La Commission cantonale de surveillance en a déduit que l'office avait eu raison d'entrer en matière sur cette offre qui, aux termes du préambule de la convention de cession ainsi conclue par l'office, avait été retenue après examen d'autres offres n'ayant pas rempli les conditions fixées. Selon le procès-verbal d'audition de la Commission cantonale de surveillance du 6 décembre 2004, ces autres offres émanaient d'un opticien français et de D. SA, E. n'ayant alors pas encore pris contact avec l'office. 2.3 Les recourants ne remettent pas en cause la décision attaquée en tant qu'elle rappelle les principes susmentionnés et les applique à la situation de fait qui vient d'être résumée. Ils la contestent uniquement en tant qu'elle interprète la convention de cession de façon contraire à la commune intention de ses signataires, soit en ce sens que la possibilité de formuler des offres supérieures n'y aurait pas été accordée qu'aux seuls créanciers, et qu'elle ordonne en conséquence l'organisation d'une vente aux enchères privées. 3. 3.1 Bien qu'elle soit un acte de droit public ( ATF 106 III 79 consid. 3 et 4 et les références), la convention de cession litigieuse s'interprète selon les principes généraux de l'interprétation des contrats (arrêt 7B.167/1999 du 1 er novembre 1999, consid. 4). Le juge doit recourir en premier lieu à l'interprétation dite subjective, c'est-à-dire rechercher la "réelle et commune intention des parties", le cas échéant empiriquement, sur la base d'indices ( art. 18 al. 1 CO ). S'il ne parvient pas à établir avec sûreté cette volonté effective, ou s'il constate que l'un des contractants n'a pas compris la volonté réelle exprimée par l'autre, il recherchera le sens que les parties pouvaient et devaient donner, selon les règles de la bonne foi, à leurs manifestations de volonté réciproques (application du principe de la confiance; ATF 122 III 118 consid. 2a; ATF 118 II 342 consid. 1a p. 344 et 345; ATF 112 II 245 consid. II/1c p. 253 et 254). Ce faisant, le juge doit partir de la lettre du contrat et tenir compte des circonstances qui ont entouré sa conclusion ( ATF 127 III 444 consid. 1b; ATF 125 III 305 consid. 2b p. 308; ATF 115 II 264 consid. 5a BGE 131 III 280 S. 287 p. 268; en matière de vente de gré à gré, cf. FRANCO LORANDI, op. cit., p. 68). Selon la jurisprudence, il convient de ne pas attacher une importance décisive au sens des mots, même clairs, utilisés par les parties. Il ressort de l' art. 18 al. 1 CO qu'on ne peut ériger en principe qu'en présence d'un texte clair, on doit exclure d'emblée le recours à d'autres moyens d'interprétation; même si la teneur d'une clause contractuelle paraît claire et indiscutable à première vue, il peut résulter du but poursuivi par les parties ou d'autres circonstances que la lettre ne restitue pas exactement le sens de l'accord conclu ( ATF 128 III 212 consid. 2b/bb p. 215, consid. 3c p. 221; arrêt 5C.305/2001 du 28 février 2002, consid. 4b; ATF 127 III 444 consid. 1b). 3.2 C'est le 6 octobre 2004, selon les constatations de fait de la décision attaquée, que les recourants et l'office ont arrêté les conditions de la cession, l'office poursuivant dès lors dans la voie désormais empruntée d'entrer dans le bail de la faillie et de conclure une convention avec des cessionnaires ayant l'intention de rouvrir un magasin d'optique, à savoir principalement les recourants. Dans le préambule de cette convention effectivement signée le 15 octobre 2004, l'office s'est dit toutefois en devoir de "réaliser les actifs de la société faillie au mieux des intérêts des créanciers " et de " leur donner l'occasion de formuler des offres supérieures avant que des actifs importants de la masse en faillite ne soient réalisés de gré à gré" (convention, p. 2). Il lui appartiendrait donc de communiquer, dès qu'il en aurait connaissance, l'existence d'une "plainte d'un ou plusieurs créanciers" et/ou l'existence d'une offre supérieure à compter de "l'appel aux créanciers", dans le cadre duquel "ceux-ci" seraient notamment informés de la possibilité de faire des offres supérieures (id., p. 2/3). L'art. 8 de la convention parle exclusivement de "plainte" ou "offre supérieure formulée par un créancier" (2 e par.) et considère expressément comme "enchérisseur" susceptible de participer à des enchères privées avec les cessionnaires tout "créancier" ayant formulé une offre supérieure (4 e par., let. iii en particulier). Une simple lecture de la convention litigieuse, de son préambule et de son art. 8 en particulier, permet ainsi de se convaincre que, contrairement à ce que retient la décision attaquée, la possibilité de faire des offres supérieures n'a été accordée qu'aux seuls créanciers. L'avis paru dans la Feuille d'avis officielle ne s'adressait qu'aux créanciers. BGE 131 III 280 S. 288 Au demeurant, il ne résulte pas du but poursuivi par les signataires de la convention, tel qu'il a été exposé plus haut, ou d'autres circonstances de la cause que la lettre de la convention ne restituerait pas exactement le sens de l'accord conclu. Il s'ensuit que le grief d'interprétation erronée et arbitraire de la convention de cession en cause par la Commission cantonale de surveillance est bien fondé. 4. Il est constant qu'aucun des créanciers n'a formulé d'offre supérieure ou de plainte dans les délais à eux impartis par l'office. La seule plainte contre la conclusion de la convention de cession a été formée le 15 novembre 2004 par un non-créancier (D. SA). Elle a été jugée recevable par l'autorité cantonale, bien que l'intéressée ait eu connaissance de la signature de la convention le 1 er novembre 2004 déjà. Tardive, elle aurait dû être déclarée irrecevable. La plainte de D. SA a été rejetée, mais la décision de la Commission lui donne satisfaction sur le fond puisqu'elle prévoit des enchères privées. Dans sa réponse, D. SA ne soutient toutefois pas que la convention de cession violerait les art. 256 al. 3 et 231 al. 3 ch. 2 LP puisqu'elle admet que la possibilité de faire des offres supérieures doit être accordée aux créanciers, tout en n'interdisant pas qu'elle le soit aussi à des tiers. Les deux conditions stipulées à l'art. 8 de la convention de cession ayant été satisfaites, celle-ci devenait définitive et constatation devait en être faite dans les locaux de l'office, conformément à l'art. 5 in fine de la convention. Au lieu de cela, l'office a décidé de procéder à une vente aux enchères privées, ce qui constituait une violation claire des engagements pris dans la convention et consacrait du même coup une violation du devoir de l'office d'agir de bonne foi, le principe de la bonne foi étant applicable aussi en droit des poursuites et faillites ( ATF 121 III 18 consid. 2b; ATF 118 III 27 consid. 3e p. 33). En tant qu'elle couvre une telle façon d'agir en recourant à une interprétation erronée et arbitraire de la convention en cause, la décision attaquée viole le droit fédéral. Les conclusions des recourants doivent par conséquent être admises.
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Sachverhalt ab Seite 123 BGE 110 Ia 123 S. 123 Zwischen der Vorarlberger Illwerke AG und der Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk AG sowie der Energie-Versorgung Schwaben AG entstand ein Rechtsstreit darüber, wie ihr Stromlieferungsvertrag von 1952 den veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen anzupassen sei. Das Schiedsgericht mit Sitz in Basel fällte am 23. März 1979 ein Urteil, in welchem es unter anderem bestimmte:
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"3. In teilweiser Gutheissung im Sinne der Erwägungen zu Klagantrag 4 verfügt das Schiedsgericht was folgt: a) die Beträge (abzüglich der jeweiligen Abschreibungen), die die Beklagten der Klägerin ab 1. April 1976 aus den Bauprogrammen BGE 110 Ia 123 S. 124 1960 und 1970 verzinsen bzw. künftig zu verzinsen haben, werden ab 1. April 1976 mit 6,25% verzinst. b) Diese Verzinsung gilt auch für das Bauprogramm Lünersee-Werk." In der Folge ergaben sich Meinungsverschiedenheiten darüber, welches die Kapitalbasis für die Verzinsung ab 1. April 1976 sei, und namentlich, ob auch die vor dem 1. April 1976 vorgenommenen oder nur die späteren Abschreibungen zu berücksichtigen seien. Die Klägerin ersuchte am 28. Mai 1982 das Schiedsgericht diesbezüglich um Erläuterung seines Urteils. Das Schiedsgericht wies das Erläuterungsbegehren am 17. Dezember 1982 als unzulässig zurück, im wesentlichen mit der Begründung, im Schiedsgerichtsverfahren sei eine Erläuterung nur nach Art. 36 lit. h des Konkordats möglich; die Frist dafür sei verpasst und das Mandat der Schiedsrichter damit erloschen. In Gutheissung einer kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde hob das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt am 4. August 1983 den Entscheid des Schiedsgerichts auf und wies dieses an, auf das Erläuterungsgesuch einzutreten. Das Appellationsgericht ging davon aus, dass nach herrschender Lehre die Erläuterung eines Schiedsgerichtsurteils zulässig sei, was auch neben den in Art. 36 lit. h des Konkordats geregelten Fällen möglich sein müsse, allenfalls aufgrund des subsidiär geltenden Art. 145 OG . Sei aber ein Erläuterungsverfahren gegeben, so falle dieses auch noch unter das Mandat der Schiedsrichter. Die Beklagten beantragen mit ihrer staatsrechtlichen Beschwerde, es sei der Entscheid des Appellationsgerichts wegen Verletzung des Konkordats aufzuheben. Die Beschwerdegegnerin ersucht um Abweisung der Beschwerde, soweit auf sie einzutreten sei; die Vorinstanz beantragt Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Zu beurteilen ist die Auslegung von Art. 36 lit. h des Konkordats über die Schiedsgerichtsbarkeit (SR 279), welches unstreitig anwendbar ist. Aufgrund von Art. 84 Abs. 1 lit. b OG prüft das Bundesgericht die Auslegung von Konkordatsrecht frei ( BGE 109 Ia 83 mit Hinweisen). Bei der Auslegung von Konkordaten kommen, soweit nicht nach Bundesrecht, Gewohnheitsrecht oder Vereinbarung etwas anderes gilt, die Grundsätze des Völkerrechts zur Anwendung. Danach sind bei unklarem oder sinnwidrigem Wortlaut die BGE 110 Ia 123 S. 125 Verhandlungen, die zum Abschluss des Konkordats führten, heranzuziehen, soweit sie den Willen der vertragsschliessenden Kantone klar erkennen lassen. Konkordatsbestimmungen sind sodann so auszulegen, dass der angestrebte Vertragszweck erreicht wird. Eine über den Wortlaut hinausgehende, ausdehnende Auslegung kommt dabei nur ausnahmsweise in Betracht (BGE 100 Ia E. 5a mit Hinweisen). Diese Rechtsprechung ist allerdings für rechtsetzende Konkordate zu differenzieren. Diese sind wie Gesetzesrecht auszulegen (WALTER BURCKHARDT, Kommentar der Schweizerischen Bundesverfassung, 3. A., Bern 1931, S. 78 f.; HANSPETER KEHRLI, Interkantonales Konkordatsrecht, Diss. Zürich 1968, S. 55; URS VETSCH, Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Konkordaten, Diss. Bern 1970, S. 41 f.). Das gilt insbesondere für das Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit, bei welchem sich die vertragliche Bindung der Kantone darin erschöpft, die einheitliche Regelung einer Materie zu erreichen, für welche an sich die kantonalen Gesetzgeber zuständig wären. Die Frage braucht indes nicht abschliessend entschieden zu werden, weil vorliegend beide Auslegungsmethoden zum gleichen Ergebnis führen. Damit erübrigt sich auch das Verfahren gemäss Art. 16 OG . 2. Das Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit sieht gegen den Schiedsspruch eine Nichtigkeitsbeschwerde vor, mit der unter anderem gerügt werden kann, "die Spruchformel sei unverständlich oder widersprüchlich" (Art. 36 lit. h). Die Nichtigkeitsbeschwerde ist innert dreissig Tagen nach Zustellung des Schiedsspruchs (Art. 37 Abs. 1) beim oberen ordentlichen Zivilgericht des Sitzkantons einzureichen (Art. 3 lit. f). Die Kassationsinstanz kann, wenn sie es als sachdienlich erachtet, den Schiedsspruch zur Berichtigung oder Ergänzung an das Schiedsgericht zurückweisen (Art. 39). Dass eine Partei direkt beim Schiedsgericht die Erläuterung eines unklaren Schiedsspruchs begehren könnte, sieht das Konkordat dagegen nicht vor. Eine solche Möglichkeit wird auch in der nach Schiedsvertrag und Konstituierungsbeschluss des Schiedsgerichts vorliegend geltenden Verfahrensordnung nicht in Betracht gezogen, welche einfach auf das Konkordat sowie in Anwendung von dessen Art. 24 Abs. 2 auf die Bundeszivilprozessordnung verweist. 3. Das Appellationsgericht nimmt an, eine Gerichtspraxis zur Auslegung von Art. 36 lit. h des Konkordats bestehe nicht. BGE 110 Ia 123 S. 126 Aufgrund spärlicher Hinweise in der Literatur schliesst es sodann, dass nach überwiegender Meinung ein Erläuterungsverfahren vor einem Schiedsgericht nicht ausgeschlossen sei. Soweit die Lehre die Erläuterung eines Schiedsspruchs als zulässig betrachtet, wird das damit begründet, dass nur ein klarer Schiedsspruch das Verfahren beende (GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht, 3. A., S. 535/6 und 615), bzw. dass die Möglichkeit, Unklarheiten und Widersprüche zu beheben, sich aus der Natur der Sache ergebe (STRÄULI/MESSMER/WIGET, Kommentar zur Zürcherischen Zivilprozessordnung, 2. A., N. 3 zu § 255; WENGER, in Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, 1979, S. 72). Diesem allgemeinen Postulat kann indes auch dadurch Rechnung getragen werden, dass die Behebung vorhandener Unklarheiten und Widersprüche auf anderem Weg möglich ist. In der Literatur ist denn auch anerkannt, dass die Nichtigkeitsbeschwerde des Art. 36 lit. h die Funktion der Erläuterung erfüllen kann (LANZ, Das Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit vom 27. März 1969, Diss. Zürich 1971, S. 118 Anm. 1; WENGER, a.a.O., S. 72; DERS. in Die internationale private Schiedsgerichtsbarkeit und die Schweiz, 1976, S. 17; FRÜH, Der Billigkeitsschiedsrichter in der Zürcher Zivilprozessordnung und im Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit, Diss. Zürich 1979, S. 142/3). Nach Auffassung des Appellationsgerichts werden jedoch die Erläuterungsmöglichkeiten mit Art. 36 lit. h nicht abschliessend geregelt. Es beruft sich auf eine Äusserung von PANCHAUD, wonach die Berichtigung und Ergänzung nach Art. 39 des Konkordats in gewissen Fällen das Gesuch um Erläuterung ersetzen könne, das im allgemeinen die staatlichen Gerichte kennen (in Concordat Suisse sur l'arbitrage, S. 52). Dieses Zitat erlaubt indes nicht ohne weiteres den Schluss, für andere Fälle sei es zulässig, nicht nur bei den staatlichen Gerichten, sondern auch bei Schiedsgerichten ein Erläuterungsbegehren zu stellen. Das Appellationsgericht anerkennt denn auch, dass PANCHAUD die Aufzählung der Nichtigkeitsgründe in Art. 36 für abschliessend hält und eine einschränkende Auslegung dieser Bestimmung verlangt, weil die Parteien und der Gesetzgeber den Schiedsrichtern eine grössere Selbständigkeit gewährten als dem staatlichen Richter (a.a.O., S. 50 f.; ebenso BRATSCHI/BRINER in SJZ 72/1976 S. 106). Im Gegensatz zu diesen eher unklaren, interpretationsbedürftigen Literaturstellen ist die Stellungnahme von RÜEDE/HADENFELDT (Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, S. 305) eindeutig; sie BGE 110 Ia 123 S. 127 betrachten die Regelung von Art. 36 lit. h und 39 des Konkordats als abschliessend und verneinen die Möglichkeit, daneben das Schiedsgericht um Erläuterung zu ersuchen (ebenso HAGGER, Die Erläuterung im schweizerischen Zivilprozessrecht unter besonderer Berücksichtigung des Kantons Zürich, Diss. Zürich 1982, S. 65 f.). Die Parteien haben im kantonalen Verfahren drei Rechtsgutachten eingelegt, von denen zwei ein besonderes Erläuterungsverfahren neben der Nichtigkeitsbeschwerde für zulässig halten, während eines das ablehnt. Das angefochtene Urteil geht nicht ausdrücklich auf die Gutachten ein; das erübrigt sich auch für das Bundesgericht, weil alle damit verfochtenen Argumente auch in den Rechtsschriften enthalten sind. 4. Aus der Entstehungsgeschichte des Konkordats ist zur streitigen Frage lediglich eine Erklärung von PANCHAUD in der Justizdirektoren-Konferenz vom 5. März 1969 bekannt. Er äusserte, die von Nidwalden aufgeworfene Frage einer Erläuterung beantworte sich nach dem heutigen Art. 39. Auf den Einwand, das Problem könne sich aber auch ausserhalb einer Nichtigkeitsbeschwerde stellen, entgegnete er, Art. 39 schliesse keineswegs aus, dass die Schiedsrichter "s'ils en sont requis, complètent ou corrigent à l'amiable la sentence". Die Beschwerdeführerinnen fassen dies so auf, dass die Parteien in gegenseitigem Einverständnis dem Schiedsgericht einen solchen Auftrag geben könnten; die Beschwerdegegnerin versteht darunter gegenteils, dass das Schiedsgericht nach Billigkeit über das Gesuch einer Partei zu entscheiden habe. Die sprachliche Bedeutung des Ausdrucks "à l'amiable" und der Zusammenhang, in dem er verwendet wurde, sprechen indes für die Auffassung der Beschwerdeführerinnen. Davon abgesehen kann es bei der Erläuterung eines unklaren Schiedsspruchs nicht um einen Billigkeitsentscheid, sondern nur darum gehen, klarzustellen, was das Schiedsgericht damit gemeint hat. Eine eindeutige Willensäusserung des historischen Gesetzgebers liegt jedenfalls nicht vor. 5. Das Appellationsgericht führt zur Begründung seiner Auslegung insbesondere aus, ein unverständliches oder widersprüchliches Urteil im Sinn von Art. 36 lit. h müsse nicht mit einem unklaren Urteil gleichbedeutend sein. Die in Art. 36 aufgeführten Nichtigkeitsgründe seien gravierende, offenkundige und leicht erkennbare Mängel, was die kurze Beschwerdefrist von dreissig Tagen rechtfertige. Springe dagegen die Unklarheit nicht in die Augen, so sei aus Zweckmässigkeitsgründen die Erläuterung zu BGE 110 Ia 123 S. 128 gewähren, die naturgemäss das Schiedsgericht vorzunehmen habe. Weil jedes Urteil vollstreckbar sein müsse, müssten auch kleinere Unklarheiten, welche die Vollstreckung hinderten, ohne den Entscheid geradezu unverständlich zu machen, behoben werden können. a) Die Beschwerdeführerinnen halten die unterschiedliche Behandlung von offenkundigen und nicht ins Auge springenden Mängeln für nicht gerechtfertigt. Sie machen geltend, die Umschreibung der erläuterungsbedürftigen Schiedssprüche in Art. 36 lit. h als unverständlich und widersprüchlich stimme durchaus mit den Erläuterungstatbeständen der kantonalen Prozessrechte überein. Es sei nicht anzunehmen, dass der Konkordatsgesetzgeber einen weiteren Erläuterungsgrund habe zulassen wollen, der sich sonst nirgends finde. Soweit die kantonalen Prozessgesetze eine Erläuterung von unvollständigen Urteilen vorsehen, enthält das Konkordat mit dem Nichtigkeitsgrund von Art. 36 lit. c eine entsprechende Regelung. Widersprüchliche Schiedssprüche fallen schon nach dem Wortlaut unter Art. 36 lit. h. Raum bliebe deshalb - wie das Appellationsgericht an sich zutreffend festhält - nur für Entscheide, die zwar nicht unverständlich, aber doch unklar sind. Vom Wortlaut des Art. 36 lit. h her lässt sich diese Unterscheidung nicht von vornherein ausschliessen. Das Bundesgericht hat jedenfalls entschieden, ein Schiedsspruch könne ohne Willkür als nicht missverständlich oder widersprüchlich gemäss Art. 36 lit. h erklärt werden, auch wenn er so allgemein gefasst sei, dass er die Möglichkeit zukünftiger Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien nicht verhindere (Urteil vom 17. März 1976 i.S. B. AG gegen M. Co. Ltd. E. 7b). Selbst wenn aber mit dem angefochtenen Urteil und entgegen der Meinung der Beschwerdeführerinnen anzunehmen wäre, Art. 36 lit. h erfasse nicht jede Unklarheit des Schiedsspruchs, bedeutet das keineswegs, dass für solche Fälle ein Erläuterungsverfahren gegeben sein muss. Wenn wie dargelegt das Konkordat mit Art. 36 lit. c und h einen grossen Teil der üblichen Erläuterungstatbestände abdeckt, liegt vielmehr der Schluss nahe, diese hätten damit abschliessend geordnet werden sollen. Es widerspräche der restriktiven Tendenz von Art. 36, die Anfechtung von Schiedssprüchen wegen Unklarheit in lit. h auf gravierende Fälle zu beschränken, für geringfügige Mängel dagegen stillschweigend eine unbefristete Erläuterung zuzulassen. BGE 110 Ia 123 S. 129 b) Die Beschwerdeführerinnen beanstanden auch die Argumentation des Appellationsgerichts, die kurze Beschwerdefrist sei zwar für offenkundige Mängel berechtigt, während kleinere Unklarheiten auch nachträglich noch behoben werden müssten. Die Beschwerdegegnerin unterstützt dagegen die Vorinstanz mit dem Hinweis, die Unklarheit zeige sich häufig erst im Vollzugsstadium nach Fristablauf. Das angefochtene Urteil vermag auch in diesem Punkt nicht zu überzeugen. Die Beschwerdeführerinnen weisen zutreffend darauf hin, dass zahlreiche kantonale Prozessordnungen Erläuterungsbegehren nur innert Fristen von zehn bis dreissig Tagen zulassen. Schon deshalb ist die im Konkordat festgesetzte Befristung durchaus nicht ungewöhnlich. Dass nach Fristablauf eine Erläuterung nicht mehr herbeigeführt werden kann, ist für die betroffene Partei nicht stossender, als wenn sie erst nach Ablauf der Frist von einem andern Nichtigkeitsgrund erfährt. Wie die Beschwerdeführerinnen zu Recht feststellen, ist überdies nicht erklärbar, weshalb eine Partei kleinere Unklarheiten jederzeit, gravierende Unverständlichkeiten dagegen nur innert Frist geltend machen kann; zudem würde das Nebeneinander von fristgebundener Nichtigkeitsbeschwerde und unbefristetem Erläuterungsgesuch zu einer bedenklichen Rechtsunsicherheit führen. c) Die Beschwerdeführerinnen wenden sich sodann mit Recht gegen die Überlegung des Appellationsgerichts, jedes Urteil müsse vollstreckbar sein und Unklarheiten müssten deshalb jederzeit behoben werden können. Wo kantonale Prozessordnungen die Erläuterungsmöglichkeit befristen, lassen sich nachträglich Unklarheiten auch nicht mehr beheben. Nicht anders verhält es sich nach der Konzeption des Appellationsgerichts im Fall, dass die Anfechtung eines im Sinn von Art. 36 lit. h unverständlichen oder widersprüchlichen Urteils unterbleibt. Erst recht gilt gleiches dort, wo eine eigentliche Erläuterung überhaupt ausgeschlossen ist (so Bern: LEUCH, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 3. A., N. 4 zu Art. 402; Appellationshof in ZBJV 116/1980 S. 165). Davon abgesehen hält die Beschwerdegegnerin die Vollstreckung des vorliegenden Schiedsspruchs ausdrücklich deshalb für gefährdet, weil die Nennung eines bestimmten Betrags Voraussetzung der definitiven Rechtsöffnung sei. Das Fehlen einer Bezifferung hätte sie aber ohne weiteres und schon innerhalb der Beschwerdefrist von dreissig Tagen erkennen und geltend machen können. BGE 110 Ia 123 S. 130 d) Schliesslich ist zu bedenken, dass eines der Ziele der Schiedsgerichtsbarkeit die rasche Erledigung des Rechtsstreits ist ( BGE 109 Ia 83 E. 2a mit Hinweisen) und dass dazu auch die Beschränkung der Rechtsmittel und Rechtsbehelfe gehört ( BGE 103 Ia 359 f.). Diesem Zweck dient ebenfalls, dass nach dem Konkordat nicht nur Nichtigkeitsbeschwerden, sondern auch Revisionsgesuche beim oberen kantonalen Zivilgericht einzureichen sind, das Schiedsgericht also selbst beim Vorliegen von Revisionsgründen nicht ohne entsprechenden Rückweisungsentscheid tätig werden darf (Art. 3 lit. f, Art. 39/40 und Art. 43). Es wäre nicht mit diesen Grundsätzen zu vereinbaren, dem Schiedsgericht auf Erläuterungsgesuch hin jederzeit die Neufassung seines Urteilsspruchs zu erlauben und damit - nach Jahr und Tag - eine neue Nichtigkeitsbeschwerde zu ermöglichen. 6. Aus dem Wortlaut und vor allem dem Zweck sowie dem Zusammenhang der Bestimmungen ergibt sich somit, dass die Art. 36 lit. h und 39 die Erläuterung unklarer Schiedssprüche abschliessend ordnen. Das Konkordat enthält insoweit keine Lücke, die mit der Verweisung auf die Bundeszivilprozessordnung zu schliessen wäre. Es kann deshalb offenbleiben, ob die Verweisung in Art. 24 Abs. 2 des Konkordats, welche in die Verfahrensordnung des Schiedsgerichts übernommen wurde, sich nur auf die Verfahrensvorschriften der BZP oder - dank Weiterverweisung in deren Art. 1 Abs. 2 - auch auf Art. 145 OG erstreckt. Dass mit dem Appellationsgericht und entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen dem Erlöschen des Mandats der Schiedsrichter keine selbständige Bedeutung beizumessen ist, vermag den Prozessausgang nicht zu beeinflussen. Wäre ein Erläuterungsverfahren gegeben, so müssten die Schiedsrichter sich damit aufgrund ihres ursprünglichen Mandats zweifellos auch noch nachträglich befassen, wie das bei Gutheissung einer Nichtigkeitsbeschwerde oder einer Revision vorgesehen ist (Art. 39/40 und 43). Damit braucht die Beschwerde insoweit nicht behandelt zu werden, als sie eine Verwirkung des Erläuterungsrechts wegen missbräuchlich langem Zuwarten der Beschwerdegegnerin behauptet und geltend macht, es fehle überhaupt an einem Erläuterungsbedürfnis, weil der Schiedsspruch klar sei. Zugleich wird der diese Vorbringen betreffende Nichteintretensantrag der Beschwerdegegnerin hinfällig. BGE 110 Ia 123 S. 131
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Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Appellationsgerichts (Ausschuss) des Kantons Basel-Stadt vom 4. August 1983 aufgehoben.
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Sachverhalt ab Seite 429 BGE 127 III 429 S. 429 A.- Lors du championnat d'Europe de football organisé par l'Union des Associations Européennes de Football (ci-après: l'UEFA) - qui a son siège à Nyon (VD) - en l'an 2000, un match a opposé, en demi-finale, l'équipe de France à celle du Portugal, le 28 juin 2000, à Bruxelles. BGE 127 III 429 S. 430 A la 116ème minute de jeu, l'arbitre siffla un penalty à l'encontre du Portugal, ce qui provoqua de véhémentes protestations de la part de certains joueurs de cette équipe. La France marqua un but en tirant le penalty, ce qui porta à son comble l'excitation de certains joueurs portugais. L'arbitre affirme que le joueur portugais A., domicilié à Bruxelles, l'a agressé en l'empoignant par le bras et en le griffant. Il a produit un certificat médical, daté du 29 juin 2000, faisant état d'un hématome de trois centimètres sur le bras gauche et de trois traces de lésions épidermiques dues à des ongles. Les témoignages recueillis et le film du match n'ont pas permis de prouver ce geste agressif. Il a cependant été retenu, conformément aux déclarations d'A., que ce dernier avait poursuivi l'arbitre plus d'une fois, allant même jusqu'à le toucher, tenant absolument à lui parler. B.- Lors de sa séance du 2 juillet 2000 à Rotterdam, l'Instance de contrôle et de discipline de l'UEFA prononça la suspension d'A. pour une durée de neuf mois pour tous les matchs de compétition de l'UEFA, lui reprochant des voies de fait sur l'arbitre. Saisie d'un appel d'A. et de son employeur, l'Instance d'appel de l'UEFA, par décision du 4 août 2000, confirma la sanction disciplinaire prononcée contre A. Le litige fut porté devant le Tribunal Arbitral du Sport, ayant son siège à Lausanne. Par sentence du 2 février 2001, le Tribunal Arbitral du Sport a conclu, sur la base des déclarations d'A. lui-même, que ce joueur avait importuné l'arbitre, mais qu'il n'était pas prouvé qu'il se soit livré sur lui à des voies de fait. Tirant les conséquences de ce changement de qualification, il a réduit la durée de la suspension. Ainsi, A. a été suspendu pour tous les matchs de compétition organisés par l'UEFA pour une durée de six mois, soit jusqu'au 31 décembre 2000. C.- A. a formé un recours de droit public au Tribunal fédéral. Soutenant que la sentence arbitrale est contraire à l'ordre public, il a conclu à l'annulation de la décision attaquée. Le Tribunal fédéral a déclaré le recours irrecevable.
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Erwägungen Extrait des considérants: 1. a) Selon l' art. 85 let . c OJ, le recours de droit public au Tribunal fédéral est ouvert contre une sentence arbitrale aux conditions des art. 190 ss LDIP (RS 291). Il convient donc d'examiner en premier lieu si les conditions prévues par ces dispositions sont réunies. BGE 127 III 429 S. 431 Comme le siège du Tribunal Arbitral du Sport se trouve en Suisse et que l'une des parties au moins (en l'occurrence, le recourant) n'avait, au moment de la conclusion de la convention d'arbitrage, ni son domicile, ni sa résidence habituelle en Suisse, les art. 190 ss LDIP sont applicables ( art. 176 al. 1 LDIP ), étant observé que les parties n'en ont pas exclu l'application par écrit en choisissant d'appliquer exclusivement les règles de la procédure cantonale en matière d'arbitrage ( art. 176 al. 2 LDIP ). Le recours au Tribunal fédéral prévu par l' art. 191 al. 1 LDIP est ici ouvert, puisque les parties n'ont pas choisi, en lieu et place, le recours à l'autorité cantonale ( art. 191 al. 2 LDIP ). Comme l'une des parties (l'UEFA) a son siège en Suisse, le recours contre la sentence du Tribunal Arbitral du Sport ne pouvait pas être exclu conventionnellement ( art. 192 LDIP ). Le recours ne peut être formé que pour l'un des motifs énumérés de manière exhaustive à l' art. 190 al. 2 LDIP ( ATF 119 II 380 consid. 3c p. 383). La sentence attaquée étant une décision finale, le recours est ouvert pour tous les motifs prévus par l' art. 190 al. 2 LDIP ( art. 190 al. 3 LDIP a contrario). b) Ayant ainsi constaté que le recours est ouvert, le Tribunal fédéral doit encore examiner si les règles de procédure ont été respectées. Pour le recours en matière d'arbitrage international, la procédure devant le Tribunal fédéral est régie par les dispositions de la loi fédérale d'organisation judiciaire relatives au recours de droit public ( art. 191 al. 1 2 ème phrase LDIP). Le recours est dirigé contre une décision individuelle qui concerne personnellement le recourant (cf. art. 88 OJ ). La jurisprudence a cependant déduit de l' art. 88 OJ l'exigence d'un intérêt pratique actuel ( ATF 127 III 41 consid. 2b et les arrêts cités). L'existence d'un intérêt à recourir est d'ailleurs requise pour l'exercice de toute voie de droit ( ATF 126 III 198 consid. 2b p. 201; ATF 120 II 5 consid. 2a). En l'espèce, le recourant a été suspendu jusqu'au 31 décembre 2000, de sorte que cette mesure a déjà déployé ses effets, étant rappelé que le recours de droit public n'a pas d'effet suspensif et qu'aucune mesure provisionnelle n'a été sollicitée ni accordée (cf. art. 94 OJ ). Le recourant n'établit pas qu'il aurait été effectivement empêché de participer à un match organisé par l'UEFA pendant la période de suspension. On ne parvient donc pas à discerner quel pourrait être encore l'intérêt pratique du recours. BGE 127 III 429 S. 432 Le Tribunal fédéral renonce exceptionnellement à l'exigence d'un intérêt pratique actuel lorsque le recourant soulève une question de principe susceptible de se reproduire dans les mêmes termes, sans que le Tribunal fédéral ne soit jamais en mesure de statuer en temps utile ( ATF 125 I 394 consid. 4b p. 397; ATF 124 I 231 consid. 1b; ATF 123 II 285 consid. 4c p. 287; ATF 121 I 42 consid. 3, 279 consid. 1). Le recourant ne soulève cependant que des griefs étroitement liés au déroulement des faits, de sorte qu'il n'y a pas lieu de renoncer à l'exigence d'un intérêt pratique actuel. Le recours est donc irrecevable.
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Sachverhalt ab Seite 184 BGE 142 II 182 S. 184 A. Die Eheleute A.A. und B.A. geb. C. hatten bis Mitte April 2007 ihren steuerrechtlichen Wohnsitz in U./GR, von da hinweg in V./ZG. Kurze Zeit vor dem Umzug, am 3. Januar 2007, empfing der Ehemann eine Kapitalleistung aus Vorsorge in Höhe von 649'860 Franken. Die Leistung, erbracht von der Versicherungsgesellschaft X., diente dem Ausgleich der Folgen eines Verkehrsunfalls, den A.A. erlitten hatte. B. A.A. und B.A. geb. C. reichten ihre Steuererklärung 2007 zunächst im Kanton Zug ein, dies am 22. August 2008. Auf Seite 7 des Mantels hatten sie unter der Rubrik "Deklaration für allfällige Sondersteuern - Kapitalleistungen aus Vorsorge" folgende Bemerkung angebracht: "Gesamtbetrag Fr. 649'860.-, Auszahlungsdatum: 03.01.2007, Bezahlt durch: Versicherung X., infolge Tod oder für bleibende körperliche oder gesundheitliche Nachteile aus einer Leistung des Arbeitgebers mit Vorsorgecharakter." Am 29. August 2008 reichten sie sodann im Kanton Graubünden eine Steuererklärung für beschränkt Steuerpflichtige ein, dies aufgrund ihres Grundeigentums in zwei bündnerischen Gemeinden. Ihrer Steuererklärung legten sie ein Exemplar der Steuererklärung des Kantons Zug bei. Der Kanton Graubünden setzte die Kantons- und Gemeindesteuer 2007 mit Veranlagungsverfügung vom 1. Oktober 2008 fest, wobei er lediglich Einkommen und Vermögen aus Grundeigentum erfasste. C. Der Kanton Zug setzte seinerseits die Kantons-, Gemeinde- und direkte Bundessteuer 2007 mit Veranlagungsverfügungen vom 11. Juli 2012 fest. Unter den Bemerkungen wies er die Eheleute A.-C. auf Folgendes hin: BGE 142 II 182 S. 185 "Betr. Entschädigung aus Unfallversicherung X.: Die Auszahlung erfolgte am 03.01.2007. Zuzugsdatum in den Kanton Zug ist der 12.04.2007. Kapitalleistungen sind jedoch in dem Kanton steuerbar, in dem der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Fälligkeit seinen Wohnsitz hat. Aus diesem Grund wurden die entsprechenden Unterlagen zur Besteuerung weitergeleitet." Schon zuvor, am 20. Juni 2012, hatte der Kanton Zug dem Kanton Graubünden die streitbetroffene Kapitalleistung aus Vorsorge gemeldet. D. Mit Schreiben vom 7. Februar 2014 gab die Steuerverwaltung des Kantons Graubünden den Eheleuten A.-C. Kenntnis von der Einleitung eines Nachsteuerverfahrens. Sie bezog sich auf die Meldung des Kantons Zug vom 20. Juni 2012 und stellte die Erhebung einer Jahressteuer zum Vorsorgetarif in Aussicht. Die Eheleute A.-C. erhoben am 17. Februar 2014 die Verjährungseinrede, was die Steuerverwaltung mit Schreiben vom 8. April 2014 bestritt. Sie berief sich hierzu auf die Veranlagungsverfügung des Kantons Zug vom 11. Juli 2012 und stellte sich auf den Standpunkt, die Benachrichtigung über die erfolgte Weiterleitung an den Kanton Graubünden habe die Verjährungsfrist rechtsgültig unterbrochen. Mit Datum vom selben Tag (8. April 2014) veranlagte die Steuerverwaltung des Kantons Graubünden die Unfallleistung als Kapitalleistung aus Vorsorge, wobei sie von steuerbarem Einkommen von 469'860 Franken (Fr. 649'860.- abzüglich Fr. 180'000.- für nicht steuerbare Anteile [Haushaltsschaden, Genugtuung und Hilfsmittel]) ausging. Dies führte zu Steuerbetreffnissen von 10'538 Franken (Kanton), 9'033 Franken (Gemeinde) und 9'887.40 Franken (Bund). Einsprache (Einspracheentscheid vom 8. Juli 2014) und Beschwerde (Beschwerdeentscheid A-14-32 des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 4. Kammer, vom 9. Dezember 2014) der Eheleute A.-C. blieben erfolglos. E. Mit Eingabe vom 26. Januar 2015 erheben die Eheleute A.-C. (nachfolgend: die Steuerpflichtigen) beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragen, in Aufhebung des Entscheids des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 9. Dezember 2014 sei der Eintritt der Veranlagungsverjährung festzustellen, eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Vorinstanz, die Steuerverwaltung des Kantons Graubünden und die Eidgenössische Steuerverwaltung schliessen auf Abweisung der Beschwerde. BGE 142 II 182 S. 186
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Erwägungen Aus den Erwägungen: II. Direkte Bundessteuer 2. 2.1 Unter den Verfahrensbeteiligten ist einzig umstritten, ob der Kanton Graubünden mit seiner Veranlagung im Jahr 2014 die streitbetroffene, im Jahr 2007 ausgerichtete Kapitalleistung aus Vorsorge fristgerecht veranlagt hat. Dabei gehen sie diskussionslos davon aus, dass die Steuerhoheit dem Kanton Graubünden zustehe. Ob diese Annahme bundesrechtskonform erfolgt, ist vorab von Amtes wegen zu klären (nicht publ. E. 1.4.1). 2.2 2.2.1 Das Recht bildet Grundlage und Schranke jedes staatlichen Handelns ( Art. 5 Abs. 1 BV ; BGE 140 I 381 E. 4.4 S. 386). Im Abgaberecht ist der Gesetzmässigkeitsgrundsatz besonders streng ausgebildet ( BGE 139 II 460 E. 2.1 S. 463; BGE 136 I 142 E. 3.1; Urteile 2C_334/2014 vom 9. Juli 2015 E. 2.4.2, in: ASA 84 S. 252; 2C_160/2014 vom 7. Oktober 2015 E. 5.2.4, in: ASA 83 S. 301). So verlangt das abgaberechtliche Legalitätsprinzip (auf Bundesebene Art. 164 Abs. 1 lit. d BV ; auf Ebene der Kantone oder Gemeinden Art. 127 Abs. 1 BV nebst dem jeweiligen kantonalen Verfassungsrecht; BGE 139 II 460 E. 2.1 S. 463; BGE 138 V 32 E. 3.1.1 S. 35) zum einen, dass der Abgabetatbestand rechtssatzmässig und formellgesetzlich gefasst ist (Erfordernis der Normstufe bzw. Gesetzesvorbehalt ; BGE 140 I 176 E. 5.2 S. 180; so schon BGE 33 I 689 E. 1 S. 695 f. ; 34 I 15 E. 2 insb. S. 27 f. ; 36 I 497 E. 13 S. 566). Zum andern ruft es nach einer minimalen Ausgestaltung des Rechtssatzes (Erfordernis der Normdichte bzw. Tatbestandsvorbehalt ; BGE 141 V 688 E. 4.2.2 S. 692). Ihm zufolge sind (zumindest) die in Art. 164 Abs. 1 lit. d BV bzw. allgemein in Art. 127 Abs. 1 BV genannten Tatbestandselemente (Abgabesubjekt, Abgabeobjekt, Abgabebemessungsgrundlage, Abgabetarif) rechtssatzmässig zu fassen ( BGE 141 V 509 E. 7.1.1 S. 516; BGE 138 V 32 E. 3.1.1 S. 35; BGE 136 I 142 E. 3.1 S. 145; BGE 136 II 337 E. 5.1 S. 348; ausführlich Urteil 2C_809/2015 vom 16. Februar 2016 E. 5.1). 2.2.2 Mit dem abgaberechtlichen Legalitätsprinzip verbindet der Verfassungsgeber die Absicht, zu verhindern, dass den rechtsanwendenden Behörden ein übermässiger Spielraum verbleibt, und sicherzustellen, dass die möglichen Abgabepflichten absehbar und rechtsgleich sind ( BGE 136 II 149 E. 5.1 S. 157; BGE 135 I 130 E. 7.2 S. 140; BGE 131 II 271 E. 6.1 S. 278; Urteil 2C_138/2014 vom 12. Dezember BGE 142 II 182 S. 187 2014 E. 2.2.6, in: ASA 83 S. 608, StE 2015 B 42.22 Nr. 9, StR 70/2015 S. 353). Mit Blick auf die spezifischeren abgaberechtlichen Normen (Art. 127 Abs. 1 bzw. Art. 164 Abs. 1 lit. d BV ) kommt den allgemeineren Bestimmungen ( Art. 5 Abs. 1 und Art. 36 Abs. 1 BV ) im Abgaberecht keine eigenständige Bedeutung zu (Urteil 2C_809/2015 vom 16. Februar 2016 E. 5.1, in: ASA 84 S. 721). In gleicher Weise gilt, dass im abgaberechtlichen Widerstreit zwischen Legalitätsprinzip und Vertrauensschutzprinzip ( Art. 5 Abs. 3 und Art. 9 BV ) jenes gegenüber diesem in aller Regel vorgeht ( BGE 131 II 627 E. 6.1 S. 636 f.; BGE 118 Ib 312 E. 3b S. 316; BGE 101 Ia 92 E. 3 S. 99; Urteil 2C_1155/2014 vom 1. Februar 2016 E. 2.2.3, in: ASA 84 S. 719; zit. Urteil 2C_334/2014 E. 2.5.3). 2.2.3 Über den in Art. 164 Abs. 1 lit. d BV bzw. Art. 127 Abs. 1 BV niedergelegten Tatbestandsvorbehalt hinaus setzt die Erhebung einer öffentlich-rechtlichen Abgabe allem voran die Zuständigkeit des betreffenden Gemeinwesens voraus. Diese Eigenschaft kommt in den Begriffen "Steuerhoheit" (BLUMENSTEIN/LOCHER, System des schweizerischen Steuerrechts, 7. Aufl. 2016, S. 53) bzw. "Steuererhebungskompetenz" (MARKUS REICH, Steuerrecht, 2. Aufl. 2012, § 5 N. 22 ff.; MICHAEL BEUSCH, Der Untergang der Steuerforderung, 2012, S. 31) zum Ausdruck. Wird eine Verwaltungsbehörde tätig, die in der Sache selbst örtlich, funktionell oder sachlich unzuständig ist, setzt sie damit einen Nichtigkeits- oder zumindest Anfechtungsgrund ( BGE 140 III 651 E. 3 S. 652; BGE 139 II 243 E. 11.2 S. 260; BGE 138 II 501 E. 3.1 S. 503 f.; BGE 138 III 49 E. 4.4.3 S. 56; Urteil 2C_657/2014 vom 12. November 2014 E. 2.2). 2.2.4 Was die direkte Bundessteuer betrifft, verfügt der Bund über die zeitlich befristete (Einzel-)Ermächtigung (Art. 42 Abs. 1 i.V.m. Art. 128 und Art. 196 Ziff. 13 BV ), eine "direkte Steuer" (so Art. 128 BV ) zu erheben. Diese ist aber "von den Kantonen" zu veranlagen und zu beziehen (Art. 128 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Art. 46 Abs. 1 BV ; Art. 104 ff. und Art. 160 DBG ). Der Verfassungsgeber delegiert auf diese Weise die erforderlichen Verwaltungsbefugnisse an die Kantone (PIERRE TSCHANNEN, Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 3. Aufl. 2011, § 22 N. 25). Dadurch erwächst dem betreffenden Kanton eine abgeleitete Rechtsanwendungskompetenz. Im Gegenzug stehen den Kantonen vom Rohertrag der direkten Steuer mindestens 17 Prozent zu ( Art. 128 Abs. 4 Satz 2 BV in der Fassung vom 28. November 2004 [AS 2007 5765] sowie Art. 196 Abs. 1 und Art. 197 DBG , je in der Fassung vom 6. Oktober 2006 [AS 2007 BGE 142 II 182 S. 188 5779]; BGE 141 I 161 E. 3.3 S. 165; dazu VALLENDER/SCHALTEGGER/HUWYLER/ANGELINI, Steuererträge für die Kantone ohne Mitsprache der Kantonsbürgerinnen und Kantonsbürger, AJP 24/2015 S. 1511 ff., insb. 1512-1516). 2.2.5 Obwohl der Steueranspruch überwiegend dem Bund zusteht, gilt praxisgemäss (nur) der Kanton als Steuergläubiger ( BGE 141 I 161 E. 3.3 S. 165; zum Betreibungsverfahren: Urteil 5P.471/2000 vom 19. Februar 2001 E. 5; PETER LOCHER, Kommentar zum DBG, III. Teil [nachfolgend: Kommentar III], 2015, N. 2 der Einführung zu Art. 160 ff. DBG ; RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, Handkommentar zum DBG, 2. Aufl. 2009, N. 9 zu Art. 160 DBG ). Folglich nehmen die Kantone die Veranlagung "aus eigenem Recht" und nicht als "Inkassomandatare" vor (RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, a.a.O., N. 1 zu Art. 2 DBG ; PETER LOCHER, Kommentar zum DBG, I. Teil, 2001, N. 1 zu Art. 2 DBG ; eher kritisch VALLENDER/CAVELTI, in: Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 3. Aufl. 2014, N. 31 zu Art. 128 BV ). 2.2.6 Der herrschende Vollzugsföderalismus wirft die Frage nach der örtlichen Zuständigkeit auf (MARC BUGNON, in: Commentaire romand, Impôt fédéral direct, Yersin/Noël [Hrsg.], 2008, N. 2 zu Art. 216 DBG ; RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, a.a.O., N. 2 zu Art. 216 DBG ). Hierzu bestimmt Art. 216 Abs. 1 DBG in der hier massgebenden Fassung vom 14. Dezember 1990 (AS 1991 1184; nachfolgend: DBG 1990): "Die kantonalen Behörden erheben die direkte Bundessteuer von den natürlichen Personen, die am Ende der Steuerperiode oder der Steuerpflicht ihren steuerrechtlichen Wohnsitz oder, wenn ein solcher in der Schweiz fehlt, ihren steuerrechtlichen Aufenthalt im Kanton haben. Vorbehalten bleiben die Art. 3 Abs. 5 und 107." Mit dieser Formulierung bringt der Gesetzgeber den Grundsatz der Einheit des Veranlagungsortes zum Ausdruck (dazu LOCHER, Kommentar III, a.a.O., N. 2 zu Art. 105 und N. 1 zu Art. 108 DBG 1990). In der Folge folgt das Gesetz dem Grundsatz der Einheit des Bezugsortes . Dies ergibt sich daraus, dass die direkte Bundessteuer durch jenen Kanton bezogen wird, der auch die Veranlagung vornimmt (Art. 160 DBG 1990; zum Ganzen BGE 137 I 273 E. 3.3.1 S. 277). 2.2.7 Von der Einheit des Veranlagungsortes bestehen gemäss Art. 216 Abs. 1 Satz 2 DBG 1990 bloss zwei Ausnahmen. Dabei handelt es sich zum einen um die Besteuerung am Heimatort gemäss Art. 3 Abs. 5 DBG 1990 (Urteil 2C_855/2014 / 2C_856/2014 vom BGE 142 II 182 S. 189 11. September 2015, in: ASA 84 S. 339), zum andern um die "Pro-rata-temporis-Besteuerung" bei Kantonswechsel von Personen, die der Quellenbesteuerung unterliegen ( Art. 107 Abs. 1 lit. a DBG ; Urteil 2C_116/2013 / 2C_117/2013 vom 2. September 2013 E. 4, in: ASA 82 S. 231, StE 2013 B 83 Nr. 1, StR 68/2013 S. 817). Im Umkehrschluss sind Kapitalleistungen aus Vorsorge ( Art. 38 DBG ) einheitlich vom Kanton zu veranlagen und zu beziehen, an welchem die persönlich zugehörige steuerpflichtige Person am Ende der Steuerperiode ihren steuerrechtlichen Wohnsitz oder Aufenthalt hatte ( Art. 3 Abs. 1 DBG ). 2.2.8 Die geschilderte Rechtslage hat mit der Revision vom 22. März 2013 (AS 2013 2397; nachfolgend: DBG 2013) eine Umkehr erfahren. Gemäss Art. 105 Abs. 4 DBG 2013, der am 1. Januar 2014 in Kraft trat und daher vorliegend nicht zum Tragen kommt, werden solche Kapitalleistungen aus Vorsorge nunmehr vom Kanton veranlagt, in welchem die begünstigte Person im Zeitpunkt der Fälligkeit ihren steuerrechtlichen Wohnsitz hat. Seither stimmen die Zuständigkeitsordnungen von DBG und StHG überein: Gemäss Art. 68 Abs. 1 Satz 2 StHG in der Fassung vom 15. Dezember 2000 (AS 2001 1050; nachfolgend: StHG 2000) waren Kapitalleistungen aus Vorsorge (Art. 11 Abs. 3 StHG 1990) schon seit dem 1. Januar 2001 im Fälligkeitskanton zu erfassen. Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2014 ist diese Bestimmung in Art. 4b Abs. 1 Satz 2 StHG in der Fassung vom 22. März 2013 (AS 2013 2397; nachfolgend: StHG 2013) überführt worden. 2.2.9 Die Verwaltungspraxis zur direkten Bundessteuer nahm das Auseinanderfallen von Art. 216 Abs. 1 DBG 1990 und Art. 68 Abs. 1 Satz 2 StHG 2000 schon früh zum Anlass, um eine eigenständige, vertikal harmonisierte Zuständigkeitsordnung zu schaffen. So erliess die Eidgenössische Steuerverwaltung am 9. April 2001 das Kreisschreiben Nr. 5 zur Verordnung über die zeitliche Bemessung der direkten Bundessteuer bei natürlichen Personen (in: ASA 70 S. 143). In Ziff. 7 ("Besteuerung der Kapitalleistungen nach Art. 38 DBG und Wohnsitzwechsel") finden sich folgende Ausführungen: "Laut Art. 38 Abs. 1 DBG sind Kapitalleistungen nach Art. 22 DBG (Einkünfte aus Vorsorge) sowie Zahlungen bei Tod und für bleibende körperliche oder gesundheitliche Nachteile gesondert zu besteuern und unterliegen stets einer vollen Jahressteuer. Diese Bestimmung entspricht jener in Art. 11 Abs. 3 StHG . Die Zuständigkeit für die Besteuerung dieser Einkünfte bei den kantonalen direkten Steuern wird gemäss Art. 68 Abs. 1 StHG dem Wohnsitzkanton des Begünstigten im Zeitpunkt der BGE 142 II 182 S. 190 Fälligkeit der Kapitalleistung zugewiesen. Zum Zweck der Sicherstellung einer Koordination der Zuständigkeiten im Bereich der direkten Steuern wird dieser Kanton auch die Veranlagung für die direkte Bundessteuer vornehmen. (...)" Damit entfernte sich die Verwaltungspraxis zur direkten Bundessteuer offenkundig von der Vorgabe in Art. 216 Abs. 1 DBG 1990. Es stellt sich die Frage nach der Bundesrechtskonformität dieses Vorgehens. 2.3 2.3.1 Rechtsetzungsbefugnisse können durch Bundesgesetz übertragen werden, soweit dies nicht durch die Bundesverfassung ausgeschlossen ist ( Art. 164 Abs. 2 BV ). Die erforderliche Delegationsnorm zum Erlass einer bundesrätlichen Rechtsverordnung findet sich regelmässig im Gesetz (unselbständige Verordnungen mit gesetzesergänzender Funktion), ausnahmsweise unmittelbar in der Verfassung (selbständige Verordnungen mit gesetzesersetzender Funktion; jeweils Art. 182 Abs. 1 BV ). Selbst wenn der Verfassungs- oder Gesetzgeber davon abgesehen hat, der Exekutive ausdrückliche Legislativfunktionen zu übertragen, bleibt es Sache des Bundesrats, die Gesetzgebung zu vollziehen ( Art. 182 Abs. 2 BV ). Hierzu kann er verfassungsunmittelbar die erforderlichen Rechtsverordnungen erlassen (selbständige Verordnungen mit gesetzesvollziehender Funktion; vgl. BGE 141 II 169 E. 3.3 S. 172; BGE 139 II 460 E. 2.1 und 2.2 S. 463 f.; Urteil 2C_423/2014 vom 30. Juli 2015 E. 2.3.1 mit zahlreichen Hinweisen; zur kantonalen Ebene auch BGE 141 V 688 E. 4.2.1 S. 691 f.). 2.3.2 Im Unterschied zu den Rechtsverordnungen finden die ebenfalls generell-abstrakt ausgestalteten Verwaltungsverordnungen keine förmliche gesetzliche Delegation und beruhen daher auf keiner rechtssatzmässigen Grundlage (Urteil 2C_264/2014 vom 17. August 2015 E. 2.2.4, in: ASA 84 S. 324, unter Bezugnahme auf FRITZ GYGI, Verwaltungsrecht, 1986, S. 103). Anders als Bundesgesetze (und Rechtsverordnungen) sind Verwaltungsverordnungen mithin für das Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden nicht massgebend ( BGE 141 V 175 E. 2.1 S. 178; BGE 137 II 284 E. 5.2.2 S. 292; BGE 137 V 181 E. 6.1 S. 187; BGE 117 Ib 358 E. 3 S. 364; BGE 108 Ib 19 E. 4a S. 25; zum Ganzen ausführlich zit. Urteil 2C_264/2014 E. 2.4.1, in: ASA 84 S. 324). Verwaltungsverordnungen richten sich begrifflich an die mit dem Vollzug einer bestimmten öffentlichen Aufgabe betrauten Organe, somit an die Verwaltungsbehörden mit deren BGE 142 II 182 S. 191 Verwaltungspersonal ( BGE 141 II 103 E. 3.5 S. 108, BGE 141 II 199 E. 5.5 S. 205; BGE 141 III 401 E. 4.2.2 S. 404 f.; BGE 139 V 122 E. 3.3.4 S. 125; MICHAEL BEUSCH, in: Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer, Kommentar, Zweifel/Beusch/Glauser/Robinson [Hrsg.], 2015, N. 8 der Ausführungen zur Auslegung). Daher sind Verwaltungsverordnungen zwar (nur) behördenverbindlich, aber auch dies nur insoweit, als ihr Inhalt nicht in Widerspruch zur Rechtsordnung steht (zit. Urteil 2C_264/2014 E. 2.4.1 mit Hinweis; MICHAEL BEUSCH, Was Kreisschreiben dürfen und was nicht, Der Schweizer Treuhänder [ST] 79/2005 S. 613, insb. 614; ders. , in: Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer [DBG], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/2b, Zweifel/Athanas [Hrsg.], 2000, N. 16 zu Art. 102 DBG ). 2.3.3 Wird vor Bundesgericht ein individuell-konkreter Entscheid ( Art. 82 lit. a BGG ) angefochten, der auch oder ausschliesslich auf einer Verwaltungsverordnung beruht, kann höchstrichterlich neben der Rechtmässigkeit der massgebenden Rechtssätze auch jene der betreffenden Verwaltungsverordnung überprüft werden. Die Prüfungsbefugnis ist zwar insoweit unbeschränkt. Dennoch weicht das Bundesgericht an sich nicht von einer Verwaltungsverordnung ab, sofern deren generell-abstrakter Gehalt eine dem individuell-konkreten Fall angepasste und gerecht werdende Auslegung der massgebenden Rechtssätze zulässt, welche diese überzeugend konkretisiert ( BGE 141 V 139 E. 6.3.2 S. 146 f., BGE 141 V 272 E. 4.6-4.9 S. 278 f.; BGE 138 V 475 E. 3 S. 478 ff.; BGE 128 I 167 E. 4.3-4.5 S. 171 ff.; zit. Urteil 2C_264/2014 E. 2.4.2). 2.4 2.4.1 Der Gesetzgeber von 1990 hat im Bereich von Art. 216 Abs. 1 DBG 1990 von einer Delegation im Sinne von Art. 182 Abs. 1 BV abgesehen. Aber auch ein Vorgehen im Wege von Art. 182 Abs. 2 BV fällt ausser Betracht, sprengt das Abweichen vom Gesetzestext doch den Rahmen des blossen Vollzugs. Bestimmungen, welche die auszuführende Gesetzesbestimmung abändern oder aufheben, sind nicht vollziehender Natur und fallen aus dem geschilderten Kompetenzrahmen ( BGE 139 II 460 E. 2.2 S. 463). Bei der streitbetroffenen Regelung in Ziff. 7 des Kreisschreibens Nr. 5 handelt es sich mithin um eine (reine) Verwaltungsverordnung. 2.4.2 Die Regelung in Ziff. 7 des Kreisschreibens Nr. 5 schafft Übereinstimmung mit Art. 68 Abs. 1 Satz 2 StHG 2000 und nimmt im Übrigen Art. 105 Abs. 4 DBG 2013 vorweg. In der Doktrin fand dies weitgehende Zustimmung (BUGNON, a.a.O., N. 16 zu Art. 216 DBG BGE 142 II 182 S. 192 1990; DIETER WEBER, in: Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern [...], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/1, Zweifel/Athanas [Hrsg.], 2. Aufl. 2002, N. 8 zu Art. 68 StHG ; LOCHER, Kommentar III, a.a.O., N. 20 zu Art. 105 DBG ; a.M. aber IVO P. BAUMGARTNER, Koordination und Vereinfachung der Veranlagungsverfahren für die direkten Steuern im interkantonalen Verhältnis, Teil 2, IFF Forum für Steuerrecht [FStR] 2001 S. 222 ff., insb. 226, und CLAUDIA RIHNER BAUMGARTNER, Koordination und Vereinfachung der Veranlagungsverfahren für die direkten Steuern im interkantonalen Verhältnis, StR 56/2001 S. 177 ff., insb. S. 184). Die Befürworter dieser Praxis stellen Praktikabilitätsüberlegungen in den Vordergrund. Selbst wenn diese an sich gerechtfertigt sein sollten, gestattet dies freilich kein delegationsfreies Abkehren von der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung. 2.4.3 Bei Art. 216 Abs. 1 Satz 1 DBG 1990 handelt es sich um eine Weichenstellung im Sinne der Einheit des Veranlagungsortes. Die bundesrechtliche Kompetenzverteilung zu Veranlagung und Bezug der direkten Bundessteuer ist ebenso abschliessender wie ausschliesslicher Natur: Für die steuerliche Erfassung ein und desselben Wirtschaftsguts (Einkommen, Vermögen, Gewinn usw.) ist ein einziger Kanton rechtszuständig. Art. 216 Abs. 1 Satz 2 DBG 1990 sieht lediglich zwei Ausnahmen vor. Kapitalleistungen aus Vorsorge ( Art. 38 DBG ) fallen nicht darunter. Örtlich zuständig ist nach dem Recht von 1990 nicht der Fälligkeits-, sondern der Kanton der persönlichen Zugehörigkeit ( Art. 3 DBG ). Er ist im Sinne eines "Pflichtrechts" ebenso verpflichtet wie berechtigt, die Veranlagung und später den Bezug vorzunehmen, ihm steht hierfür aber auch ein Anteil am Steueraufkommen zu. Für die Zwecke der direkten Bundessteuer hielt der Gesetzgeber hinsichtlich der Kapitalleistungen aus Vorsorge selbst dann noch an der Einheit des Veranlagungsortes fest, als er einen neuen Art. 68 Abs. 1 Satz 2 StHG schuf. Man mag dies als Versehen deuten, jedenfalls hätte aber reichlich Zeit bestanden, die möglicherweise unbeabsichtigte Unterlassung zu beheben. Der Gesetzgeber tat dies erst mit der Revision vom 22. März 2013 (Art. 105 Abs. 4 DBG 2013). Dies ist für das Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden massgebend ( Art. 190 BV ). 2.4.4 Was generell die Sichtweise einer steuerpflichtigen Person betrifft, so soll das abgaberechtliche Legalitätsprinzip sicherstellen, dass die möglichen Abgabepflichten absehbar und rechtsgleich sind. An der Abschätzbarkeit der Steuerfolgen fehlt es aber, wenn eine BGE 142 II 182 S. 193 andere als die gesetzmässige Behörde zur Veranlagung schreitet. Damit soll und muss die steuerpflichtige Person nicht rechnen müssen, geht es doch nicht nur um die Steuerhoheit, es sind damit auch weitere Konsequenzen - wie namentlich die Verjährungsfrage - verbunden. Dies darf ihr nicht zugemutet werden. Praktikabilitätsüberlegungen haben hinter das abgaberechtliche Legalitätsprinzip zurückzutreten. 2.4.5 Die zu prüfende Verwaltungsverordnung (Kreisschreiben Nr. 5 der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 9. April 2001) erweist sich damit insoweit als bundesrechtswidrig, als deren Ziff. 7 dazu führt, dass Kapitalleistungen aus Vorsorge vom Fälligkeitskanton zu erfassen sind. Dies widerspricht Art. 216 Abs. 1 DBG 1990. 2.5 Nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ( Art. 105 Abs. 1 BGG ; nicht publ. E. 1.4.4) befand sich der steuerrechtliche Wohnsitz des Steuerpflichtigen Ende 2007 im Kanton Zug. Dieser vertrat in seiner Veranlagungsverfügung vom 11. Juli 2012 die Auffassung, die Kapitalleistung aus Vorsorge sei vom Kanton Graubünden zu erfassen (vorne Sachverhalt lit. C). Nach dem Gesagten ist dieser Standpunkt bundesrechtswidrig. Soweit der Kanton Graubünden tätig wurde und eine Veranlagungsverfügung erliess, erweist diese sich mangels Zuständigkeit als unzulässig (vorne E. 2.2.3). Die Beschwerde ist mithin begründet und gutzuheissen. III. Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Graubünden 3. 3.1 Nach den für das Bundesgericht verbindlichen vorinstanzlichen Feststellungen ( Art. 105 Abs. 1 BGG ; nicht publ. E. 1.3.4) hat der Kanton Graubünden innert der fünfjährigen Frist (2007 bis 2012) keine Veranlagungstätigkeit entfaltet. Indes macht er geltend, der Kanton Zug habe in seiner - innert Frist ergangenen - Veranlagungsverfügung vom 11. Juli 2012 auf die Kapitalleistung ausdrücklich Bezug genommen; er habe festgestellt, die Abgabehoheit stehe dem Wegzugskanton zu und dadurch sei die Frist zur Vornahme der Veranlagung gewahrt. Es fragt sich daher, ob der Kanton Zug (bzw. allgemein: ein anderer Kanton) harmonisierungsrechtlich in der Lage ist, den Fristenlauf zugunsten des an sich zuständigen Kantons zu unterbrechen. 3.2 3.2.1 Im Unterschied zu Art. 120 DBG ("Veranlagungsverjährung") ist Art. 47 Abs. 1 StHG , der dieselbe Thematik beschlägt, knapp BGE 142 II 182 S. 194 gehalten. Praxisgemäss wird Art. 47 StHG daher entsprechend Art. 120 DBG ausgelegt, was der Verwirklichung der vertikalen Harmonisierung dient (Urteil 2C_999/2014 vom 15. Januar 2015 E. 4.3, in: ASA 83 S. 516). Übereinstimmend verjährt das Recht, die Steuer zu veranlagen, von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen, fünf Jahre nach Ablauf der Steuerperiode. Mit jeder auf Feststellung oder Geltendmachung der Steuerforderung gerichteten Amtshandlung, die einer steuerpflichtigen oder mithaftenden Person zur Kenntnis gebracht wird, beginnt die Frist neu zu laufen ( Art. 120 Abs. 3 lit. a DBG ; Urteile 2C_1098/2014 / 2C_1099/2014 vom 1. Dezember 2015 E. 5.1; 2C_58/2015 / 2C_59/2015 vom 23. Oktober 2015 E. 6.2, in: RDAF 2015 II S. 576). Im öffentlichen Recht ist die Verjährung von Amtes wegen zu berücksichtigen ( BGE 138 II 169 E. 3.1 und 3.2 S. 170 f.). 3.2.2 Aus der Souveränität der Kantone ( Art. 3 BV ) fliesst, dass auch im Bereich der harmonisierten Steuern einzig die örtlich und sachlich kompetente Veranlagungsbehörde eine verjährungsunterbrechende "Amtshandlung" im Sinne von Art. 47 Abs. 1 StHG vornehmen kann. Die Befugnis, individuell-konkrete Anordnungen zu erlassen ("Verfügungsbefugnis") ist einer von mehreren Aspekten der umfassenden Verwaltungsbefugnis, die ihrerseits auf der territorialen Zuständigkeit gründet. Die Rechts anwendungs befugnis steht ausschliesslich der örtlich, sachlich und funktionell zuständigen Verwaltungsbehörde zu (TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2014, § 28 N. 19). Daher muss es einem Drittkanton beispielsweise auch versagt sein, Rulingauskünfte zu erteilen, welche die in einem andern Kanton vorzunehmende Veranlagung betreffen ( BGE 138 II 545 E. 2.1 S. 547). 3.2.3 In der grossen Zahl der harmonisierungsrechtlichen Veranlagungen stellt diese Kompetenzausscheidung keinerlei Schwierigkeiten, zumal sie aufgrund des interkantonalen Steuerrechts ( Art. 127 Abs. 3 BV ) langer Praxis entspricht. In der vorliegenden Konstellation ergibt sich jedoch eine Besonderheit. Gestützt auf Art. 68 Abs. 1 Satz 2 StHG 2000 (bzw. nunmehr Art. 4b Abs. 1 Satz 2 StHG 2013) sind Kapitalleistungen aus Vorsorge (Art. 11 Abs. 3 StHG 1990) seit dem 1. Januar 2001 im Fälligkeitskanton zu erfassen. Liegt eine Wegzugskonstellation vor, bietet dies beträchtliche praktische Schwierigkeiten. Gemäss Art. 42 Abs. 1 StHG muss die steuerpflichtige Person zwar alles tun, um eine vollständige und richtige Veranlagung zu ermöglichen. Dazu zählt fraglos auch das Einreichen der BGE 142 II 182 S. 195 Steuererklärung, wenngleich diese Pflicht unerwähnt bleibt (MARTIN ZWEIFEL, in: Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern [...], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/1, Zweifel/ Athanas [Hrsg.], 2. Aufl. 2002, N. 17 zu Art. 42 StHG ). Adressat der Steuererklärung ist im Fall einer Kapitalleistung aus Vorsorge freilich der Kanton der persönlichen Zugehörigkeit (und nicht etwa der Fälligkeitskanton, würde dies doch eine entsprechende gesetzliche Grundlage voraussetzen). Mit andern Worten erfährt der Wegzugskanton nur "über Umwege" von der Kapitalleistung. Anders als im Fall der üblichen Anknüpfungspunkte, die eine Steuerpflicht aufgrund wirtschaftlicher Zugehörigkeit begründen (Geschäftsbetriebe, Betriebsstätten, Grundstücke; Art. 4 Abs. 1 StHG ) fehlt im Fall von Kapitalleistungen aus Vorsorge jede Anknüpfung, aufgrund deren der Fälligkeitskanton von der Kapitalleistung erfahren könnte. 3.2.4 Hauptsächliches Informationsmittel des Wegzugskantons ist daher die Benachrichtigung durch den Zuzugskanton bzw. Kanton der persönlichen Zugehörigkeit ( Art. 111 Abs. 1 DBG bzw. hier: Art. 39 Abs. 2 StHG ). Sie ist Ausdruck einer bereichsspezifischen bundesstaatlichen Treuepflicht unter den Kantonen ( Art. 44 Abs. 2 BV ; Urteil 2C_817/2014 vom 25. August 2015 E. 4.4.3, in: ASA 84 S. 331 zum interkantonalen Steuerrecht). Danach hat die Veranlagungsbehörde des Wohnsitz- oder des Sitzkantons den Steuerbehörden der anderen Kantone ihre Steuerveranlagung - einschliesslich der interkantonalen Steuerausscheidung und etwaiger Abweichungen gegenüber der Steuererklärung - kostenlos mitzuteilen (so namentlich Art. 2 Abs. 3 der Verordnung vom 9. März 2001 über die Anwendung des Steuerharmonisierungsgesetzes im interkantonalen Verhältnis [SR 642.141]). Wenn praxisgemäss gilt, dass dem Hauptsteuerdomizil (bzw. Zuzugskanton) "faktisch eine Führungsrolle zukommt" ( BGE 139 I 64 E. 3.6 S. 71 f.; ZWEIFEL, a.a.O., N. 29 zu Art. 39 StHG ), so trifft dies in den Fällen von Art. 105 Abs. 4 DBG einerseits und Art. 68 Abs. 1 Satz 2 StHG 2000 (bzw. nunmehr Art. 4b Abs. 1 Satz 2 StHG 2013) anderseits umso stärker zu. Sobald der Zuzugskanton bzw. Kanton der persönlichen Zugehörigkeit von einer andernorts zu erfassenden Kapitalleistung aus Vorsorge erfährt, hat er den Fälligkeitskanton ungefragt ins Bild zu setzen, sodass dieser veranlagend tätig werden kann. 3.2.5 Aus dieser Konzeption - zwingendes Zusammenwirken von Kanton der persönlichen Zugehörigkeit und Fälligkeitskanton - folgt, dass zumindest im Fall von Kapitalleistungen aus Vorsorge von BGE 142 II 182 S. 196 einer "einheitlichen" Vorgehensweise auszugehen ist. Das Bundesrecht würde vereitelt, wollte man die Handlungen des Kantons der persönlichen Zugehörigkeit in dieser besonderen Konstellation nicht als Bestandteil der Veranlagungstätigkeit des Fälligkeitskantons betrachten. Da der Kanton der persönlichen Zugehörigkeit unter Umständen erst spät - kurz vor Eintritt der Veranlagungsverjährung - von der Kapitalleistung aus Vorsorge erfährt, könnte der Steueranspruch verjähren, ohne dass der Fälligkeitskanton überhaupt etwas hätte vorkehren können. Dies ist nicht die Meinung des einheitlichen Steuerraumes Schweiz ( Art. 129 Abs. 1 BV ; dazu Urteile 2C_404/ 2013 vom 2. Mai 2014 E. 3.3.3, in: ASA 83 S. 52 und 250, RDAF 2014 II S. 513, StE 2014 A 24.43.1 Nr. 25; 2C_337/2012 vom 19. Dezember 2012 E. 3.5 mit Hinweisen, in: RDAF 2013 II S. 350, StE 2013 B 42.38 Nr. 36, StR 68/2013 S. 368). 3.3 3.3.1 Die Bemerkung des Kantons Zug in den Veranlagungsverfügungen vom 11. Juli 2012, worin dieser mit Recht darauf hingewiesen hatte, dass (harmonisierungsrechtlich) die Steuerhoheit beim Kanton Graubünden liege, erfolgte im wohlverstandenen Interesse des Fälligkeitskantons. Wenn auch formell als "Unzuständigkeitserklärung" ausgestaltet, diente der Schritt materiell dazu, die Veranlagung im Kanton Graubünden überhaupt erst zu ermöglichen. Verjährungsrechtlich ist ein solches Vorgehen unter den gegebenen Umständen - Kapitalleistung aus Vorsorge im Sinne von Art. 11 Abs. 3 StHG - den "feststellenden" bzw. "geltendmachenden" Amtshandlungen einer zuständigen Veranlagungsbehörde im Sinne von Art. 47 Abs. 1 StHG gleichzusetzen. 3.3.2 Dies führt dazu, dass der Kanton Zug mit seiner "Unzuständigkeitserklärung" vom 11. Juli 2012, die an die Steuerpflichtigen gerichtet war, den Lauf der Verjährung zu unterbrechen vermochte. Die Veranlagungsverfügung des Kantons Graubünden vom 8. April 2014 erfolgte damit rechtzeitig. Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, weshalb sie abzuweisen und der angefochtene Entscheid zu bestätigen ist. Nicht entschieden werden muss, ob der Kanton Graubünden zu Recht ein "Nachsteuerverfahren" eröffnete, nicht aber ein ordentliches Veranlagungsverfahren durchführte. Im Ergebnis ist dies von keiner Bedeutung. (...)
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Sachverhalt ab Seite 203 BGE 141 IV 203 S. 203 A. X. wurde mit zwei Strafbefehlen vom 9. September 2010 und 17. März 2011 zu Geldstrafen von 30 bzw. 150 Tagessätzen verurteilt. Die beiden Geldstrafen wurden am 3. Januar 2012 in eine Ersatzfreiheitsstrafe umgewandelt. Während ihres Vollzugs ordnete das Bezirksgericht Bremgarten am 5. Juli 2012 auf Antrag des Amts für Justizvollzug eine stationäre therapeutische Massnahme im Sinne von Art. 65 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 59 StGB an. Das bezirksgerichtliche Urteil erwuchs unangefochten in Rechtskraft. Die stationäre therapeutische Massnahme wurde in der Justizvollzugsanstalt Lenzburg und im Therapiezentrum Im Schache BGE 141 IV 203 S. 204 vollzogen. Am 15. Juli 2013 verweigerte das Amt für Justizvollzug des Kantons Aargau (AJV) die bedingte Entlassung von X. Am 23. Dezember 2013 ordnete es dessen vorübergehende Unterbringung im Zentralgefängnis Lenzburg an. Am 3. März 2014 wurde X. zum Massnahmenvollzug in die psychiatrische Klinik Königsfelden eingewiesen. B. Am 16. Dezember 2013 ersuchte X. um Aufhebung der stationären therapeutischen Massnahme. Das AJV lehnte das Gesuch am 25. Februar 2014 ab. Die dagegen gerichtete Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau am 4. Juni 2014 ab. C. Mit Beschwerde in Strafsachen vom 18. August 2014 beantragt X., das verwaltungsgerichtliche Urteil vom 4. Juni 2014 und die angeordnete stationäre therapeutische Massnahme seien aufzuheben. Eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. X. ersucht überdies um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. (...) In Gutheissung der Beschwerde weist das Bundesgericht die Angelegenheit zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurück. (Auszug)
409
291
Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.2.1 Grundlage der nachträglichen Massnahmenanordnung bzw. der Massnahmenfortführung und der damit einhergehenden Freiheitsentziehung bilden zwei in eine Ersatzfreiheitsstrafe umgewandelte Geldstrafen. 3.2.2 Art. 65 Abs. 1 StGB regelt die nachträgliche stationäre therapeutische Massnahme. Diese bildet eine sehr eingriffsintensive Intervention zu Lasten des Verurteilten. Damit eine solche Massnahme (überhaupt) angeordnet und - a fortiori - weitergeführt werden kann, setzt die genannte Gesetzesbestimmung in formeller Hinsicht voraus, dass der Täter zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt wurde (vgl. SCHWARZENEGGER/HUG/JOSITSCH, Strafen und Massnahmen, 8. Aufl. 2007, S. 224 f.). Gemeint ist damit eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe im Sinne von Art. 40 StGB . 3.2.3 Eine im Strafbefehlsverfahren ergangene Verurteilung zu einer Geldstrafe gemäss Art. 34 StGB erfüllt diese Voraussetzung offenkundig nicht, auch wenn sie ersatzweise als Freiheitsstrafe vollzogen wird ( Art. 36 StGB ). Denn die Geldstrafe wird in Ersatzfreiheitsstrafe nur umgewandelt, wenn der Verurteilte sie nicht bezahlt und BGE 141 IV 203 S. 205 diese auch auf dem Betreibungsweg uneinbringlich ist. Trotz Umwandlung kann der Verurteilte durch nachträgliche vollständige oder teilweise Bezahlung der Geldstrafe den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe in entsprechendem Umfang vermeiden. Darin zeigt sich, dass die Ersatzfreiheitsstrafe ihrer Natur nach lediglich Geldstrafenvollzug ist. Sie ist mit andern Worten nur Behelf zur Durchsetzung des primär auf Geldleistung gerichteten Strafanspruchs des Staates (siehe BGE 129 IV 212 E. 2.3; BGE 124 IV 205 E 8b; BGE 105 IV 14 E. 2 zur Umwandlungsstrafe bei Nichtbezahlung der Busse unter altem Recht; vgl. ANNETTE DOLGE, Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. I, 3. Aufl. 2013, N. 5 und 16 zu Art. 36 StGB ; SANDRO CIMICHELLA, Die Geldstrafe im Schweizer Strafrecht, 2006, S. 250; YVAN JEANNERET, in: Commentaire romand, Code pénal, Bd. I, 2009, N. 1 zu Art. 36 StGB ). 3.2.4 Eine Ersatzfreiheitsstrafe bildet demnach nicht Freiheitsstrafe im Sinne von Art. 40 StGB . Auf ihrer Grundlage kann eine nachträgliche stationäre therapeutische Massnahme gemäss Art. 65 Abs. 1 StGB damit von vornherein offensichtlich weder angeordnet noch weitergeführt werden. Der hier zu beurteilenden Massnahme fehlt(e) es damit von Anfang an einer Grundvoraussetzung. Sie ist daher im Sinne von Art. 56 Abs. 6 StGB aufzuheben.
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Sachverhalt ab Seite 242 BGE 140 V 241 S. 242 A. Der 1935 geborene A. vermietet seinem Sohn B. seit 1998 die Bäckerei-Konditorei in der Liegenschaft C., welches Geschäft er bis zum 31. März 1998 in dritter Generation betrieben hatte und das durch den Sohn weitergeführt wird. Mit Verfügungen vom 21. Mai 2010 setzte die Ausgleichskasse der SVA Zürich (nachfolgend: Ausgleichskasse) erstmals für die Jahre 2005-2008 AHV/IV/EO-Beiträge für selbstständige Erwerbstätigkeit von A. fest. Die von diesem erhobene Einsprache wies sie mit Entscheid vom 25. April 2012 ab. B. Mit Entscheid vom 14. Oktober 2013 hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die von A. eingereichte Beschwerde gut. Es stellte fest, dass dieser vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2008 für die Erträge aus der Liegenschaft C. nicht beitragspflichtig sei. C. Die Ausgleichskasse führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragt die Aufhebung des kantonalen Entscheides und die Wiederherstellung des Einspracheentscheides vom 25. April 2012. BGE 140 V 241 S. 243 A. lässt beantragen, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventualiter sei sie abzuweisen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) beantragt die Gutheissung der Beschwerde. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
295
224
Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Die Vorinstanz stellte in für das Bundesgericht verbindlicher Weise ( Art. 105 Abs. 1 BGG ) fest, dass der Beschwerdegegner mit Jahrgang 1935 Eigentümer der Liegenschaft ist und darin bis zur Geschäftsaufgabe am 31. März 1998 eine Bäckerei betrieben hatte. Diese vermietet er seither seinem Sohn als alleinigem Mieter und hat daraus den aus den Meldungen des Steueramtes des Kantons Zürich der Jahre 2004-2008 ersichtlichen Ertrag erzielt. Er hat sich auf die Verwaltung beschränkt, um daraus ein regelmässiges Einkommen zur Deckung des Lebensunterhaltes zu erzielen. Die Vermietertätigkeit übersteigt die blosse Gebäudeverwaltung nicht. Hinweise darauf, dass der Beschwerdegegner grössere Investitionen getätigt hätte, um das Objekt zu einem gesteigerten Wert verkaufen zu können, bestehen nicht. Unbestrittenermassen dient die Bäckerei-Liegenschaft der Geschäftstätigkeit bereits der vierten Generation der Familie. Die Vorinstanz schloss daraus, all diese Umstände legten nahe, dass es sich bei der Liegenschaft nicht um ein Spekulationsobjekt handle, was ein Indiz dafür sei, dass der Beschwerdegegner keine auf Erwerb gerichtete Liegenschaftsverwaltung betrieben habe. Daran vermöge auch die am 25. April 2000 unterzeichnete Erklärung des Beschwerdegegners gegenüber der kantonalen Steuerverwaltung zur steuerlichen Zuordnung von Geschäftsliegenschaften nichts zu ändern, wonach die Liegenschaft nur vorübergehend vorwiegend privat genutzt sei und weiterhin als Geschäftsvermögen nach Art. 18 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) gelte. Daraus sei zu schliessen, dass der Beschwerdegegner die Liegenschaft lediglich für Steuerbelange als Geschäftsvermögen deklariert habe. Dies stehe einer anderweitigen sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung nicht entgegen. Dass sie damit gestützt auf Art. 18 Abs. 2 DBG aus steuerrechtlicher Sicht aufgrund des Aufschubtatbestands als Geschäftsvermögen gelte, führe nicht ohne Weiteres auch aus beitragsrechtlicher Sicht zum gleichen Schluss. Der Grundgedanke des Revers sei der BGE 140 V 241 S. 244 Wille zur Aufschiebung des steuerrechtlichen Überführungstatbestandes gewesen. Inwiefern er unter den gegebenen Umständen verpflichtet gewesen wäre, bereits eine Meldung gemäss Art. 125 Abs. 2 DBG zu erstatten, könne im vorliegenden Zusammenhang offenbleiben. Die Liegenschaft stelle Privatvermögen dar und deren Mietertrag hinsichtlich der im Streit liegenden Beitragsjahre 2005-2008 stamme aus privater Vermögensverwaltung. So sei der Beschwerdegegner diesbezüglich nicht als selbstständig Erwerbender AHV-beitragspflichtig. 3.2 Die Beschwerdeführerin stellt sich auf den Standpunkt, gemäss Rz. 4013 f. der Wegleitung des BSV über die Beiträge der Selbstständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen (WSN) in der AHV, IV und EO ( http://www.bsv.admin.ch/vollzug/documents/index/category:22/lang:deu ) gehöre zum Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit namentlich auch der Ertrag der zum Geschäftsvermögen gehörenden Grundstücke und Kapitalanlagen, mit Ausnahme der Einkünfte aus gewillkürtem Geschäftsvermögen. Die Steuerbehörde habe die Liegenschaft als Teil des Geschäftsvermögens gemeldet, was nachvollziehbar sei, da der Beschwerdegegner früher als selbstständigerwerbender Bäcker gearbeitet habe. Seit fünfzehn Jahren vermiete er die Bäckerei seinem Sohn. Die Vermietung einer Bäckerei sei vergleichbar mit der Vermietung einer möblierten Wohnung oder einem möblierten Restaurant, weil neben den bestimmten Räumlichkeiten auch das Inventar, vorliegend namentlich die ausgerüstete Backstube vermietet werde. Dadurch erhalte die Vermietertätigkeit den Charakter einer wirtschaftlichen Unternehmung. Die dem Grundeigentümer zufliessenden Mietzinse stellten den Gegenwert für die Gesamtleistung dar, die auch verschiedene Arbeitsaufwendungen im Interesse der Mieter umfasse. Sie seien deshalb als Erwerbseinkommen zu qualifizieren und unterlägen der AHV-Beitragspflicht. 3.3 Der Beschwerdegegner lässt erklären, sein Sohn habe bei der Betriebsübergabe die gesamten damals vorhandenen Betriebseinrichtungen gekauft. Es gehe allein um die Vermietung der Liegenschaft zur Erzielung eines Einkommens. Kapitalerträge aus dem Privatvermögen seien jedoch AHV-beitragsfrei. 3.4 Das BSV weist darauf hin, dass wenn der Beschwerdegegner sich steuerrechtlich für die Möglichkeit der Aufschiebung der Überführung entschieden habe, gelte diese Wahl mit Blick auf den BGE 140 V 241 S. 245 Grundsatz der steuer- und AHV-rechtlichen Parallelität sowie aus veranlagungspraktischen Gründen auch mit Bezug auf die Belange des AHV-Rechts. Es verweist in diesem Zusammenhang auf BGE 134 V 250 E. 5.2 S. 256. Daraus folgert es, der Beschwerdegegner müsse sich "eine selbstständige Erwerbstätigkeit entgegenhalten lassen", selbst wenn er die ursprüngliche Geschäftstätigkeit als solche nicht mehr weiterführe. Die Erträge aus den sich im Geschäftsvermögen befindenden Liegenschaften unterlägen der AHV-Beitragspflicht. 4. 4.1 Der Beschwerdegegner belegt, dass er bei der Betriebsübergabe die gesamten Betriebseinrichtungen (inkl. der Backöfen) verkauft hat. Die beschwerdeführerische Argumentation zielt deshalb daneben, durch die Vermietung einer Bäckerei mitsamt Backöfen und Mobiliar erhalte die Vermietertätigkeit den Charakter einer wirtschaftlichen Unternehmung. Diese Kontroverse trifft indes nicht den entscheidenden rechtlichen Gesichtspunkt. 4.2 Fragen der beitragsrechtlichen Qualifikation entscheiden sich nach den konkreten wirtschaftlichen Gegebenheiten ( BGE 123 V 161 E. 1 S. 162; SVR 2009 AHV Nr. 9 S. 33 E. 2, 9C_219/2009). Liegenschaften bilden Alternativgüter, das heisst sie können sowohl zum Geschäfts- wie zum Privatvermögen gehören (Urteil 2A.52/2003 vom 23. Januar 2004 E. 2.3). Im zitierten BGE 134 V 250 war die Beitragspflicht von Erben zu beurteilen, welche ererbte Liegenschaften im Geschäftsvermögen beliessen. Sinngemäss gleich zu behandeln ist die Sachlage, in welcher ein Unternehmer ein Geschäft aufgibt, vorerst ohne allfällige Kapitalgewinne aus dem Geschäftsvermögen zu versteuern. Wenn ein Steuerpflichtiger anlässlich der Geschäftsaufgabe mit den Steuerbehörden nicht über die stillen Reserven auf seinen zum Geschäftsvermögen gehörenden Liegenschaften abrechnet, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Liegenschaften im Geschäftsvermögen verbleiben; durch blossen Zeitablauf kann die fragliche Liegenschaft nicht in das Privatvermögen übergehen ( BGE 125 II 113 E. 6c/bb S. 126; DUSS/GRETER/VON AH, Die Besteuerung Selbstständigerwerbender, 2004, S. 41). Mit Blick auf die steuer- und AHV-rechtliche Parallelität sowie aus veranlagungspraktischen Gründen hat vorliegend für den Beitragsbereich der AHV das Gleiche zu gelten. Am Recht steht zwar ein aus dem Erwerbsleben ausgeschiedener Alterspensionär, der sich mit der Vermietung seiner Liegenschaft einen Teil seines BGE 140 V 241 S. 246 Lebensunterhalts verdient. Wenn der Beschwerdegegner sich aber steuerrechtlich für die Möglichkeit der Aufschiebung der Überführung entschieden hat, gilt diese Wahl mit Blick auf den Grundsatz der steuer- und AHV-rechtlichen Parallelität sowie aus durchführungstechnischen Gründen auch mit Bezug auf die Belange des AHV-Rechts. In concreto besteht daher kein Raum für ein Abgehen von der erfolgten Eigendeklaration, solange eine Überführung ins Privatvermögen rechtlich nicht stattgefunden hat. Eine Privatentnahme, d.h. die Umwandlung von Geschäftsvermögen in Privatvermögen, ist jedoch grundsätzlich nicht von den dargelegten abgaberechtlichen Folgen zu trennen. Gleich wie die Steuer auf dem Kapitalgewinn kann auch die AHV-Beitragserhebung auf dem Kapitalgewinn aufgeschoben werden. Hingegen bleiben die laufenden Erträge aus den sich nach wie vor rechtlich im Geschäftsvermögen befindlichen Liegenschaften AHV-beitragspflichtig ( BGE 134 V 250 E. 5.2 S. 256).
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Sachverhalt ab Seite 595 BGE 99 Ia 594 S. 595 A.- La loi vaudoise de 1924 sur la viticulture, modifiée et complétée à plusieurs reprises, prescrit ce qui suit à son art. 53: "L'Etat coordonne les actions collectives ou individuelles ayant pour but d'améliorer les méthodes de vinification, de faciliter une politique rationnelle des prix et d'assurer une propagande fructueuse en faveur des produits du vignoble vaudois. Il le fait entre autres par les moyens indiqués aux articles suivants." Parmi ces moyens, figurent la création d'une Commission cantonale d'économie vinicole, l'encouragement à la création de centrales vinicoles de producteurs, le warrantage d'excédents en stocks, la mise à disposition des centrales vinicoles et des exploitations privées encavant au moins 50 000 litres de moût par an, de conseillers oenologues, d'experts comptables ou commerciaux ( art. 53ter à 53 quinquies). En outre, l'art. 54 prévoit que l'Etat organise et surveille un office central de propagande en faveur des produits du vignoble vaudois. Constitué par arrêté du Conseil d'Etat du 7 mars 1941, sous le nom d'Office de propagande pour les vins vaudois, cet organisme est devenu en 1969 l'Office des vins vaudois. Les dépenses résultant de l'application de la loi sont couvertes par le Fonds vinicole cantonal et par un crédit annuel porté au budget (art. 55). Ce Fonds vinicole cantonal est alimenté comme il suit, selon l'art. 55bis: "... a) par une contribution annuelle des propriétaires de vignes; a bis) par une taxe annuelle à l'encavage; b) par les émoluments prévus à l'art. 53 quinquies; c) par des recettes diverses... d) par des dons ou cotisations volontaires...". L'art. 55quater ajoute que le Fonds vinicole cantonal sert à couvrir en tout ou partie les dépenses résultant de l'application des art. 53quinquies et 54. La taxe à l'encavage a été introduite par la loi du 15 septembre 1971, pour contribuer à couvrir les besoins croissants de l'Office des vins vaudois. A son sujet, l'art. 55ter al. 2 dispose ce qui suit: "La taxe à l'encavage est fixée annuellement par le Conseil d'Etat. Elle est due par la personne qui presse la vendange. Elle est calculée sur le poids de la vendange pressée selon les attestations officielles BGE 99 Ia 594 S. 596 du contrôle de la vendange ou par d'autres moyens d'appréciation si un contrôle satisfaisant n'a pu être effectué. Son montant peut être ajouté au prix de vente ou de revente." B.- Se référant aux art. 55bis et 55ter al. 2 tels qu'ils ont été modifiés par la loi du 15 septembre 1971, le Conseil d'Etat du canton de Vaud, par arrêté du 5 novembre 1971, a fixé la taxe à l'encavage pour l'année 1971 à 1 fr. par quintal de vendange pressée, les éléments nécessaires de calcul de cette taxe étant fournis par le contrôle officiel de la vendange institué par un arrêté du 9 juillet 1954. Chargé du recouvrement de cette taxe, le Service cantonal de la viticulture a notifié aux intéressés les bordereaux y relatifs, en date du 3 décembre 1971. La Section vaudoise de l'Association suisse des vigneronsencaveurs et un certain nombre de viticulteurs-encaveurs ont recouru au Conseil d'Etat, par acte du 13 décembre 1971, en concluant à l'annulation des bordereaux en question. Le Conseil d'Etat a rejeté tous les recours, par décision du 24 janvier 1973, motivée en substance comme il suit: La taxe à l'encavage, telle qu'elle est instituée par l'art. 55bis lit. a bis de la loi sur la viticulture, n'est pas un impôt, mais une charge de préférence. L'Office des vins vaudois est une institution de droit public ayant pour mission de faire de la propagande générale en faveur des produits du vignoble vaudois. Il répond donc aux intérêts généraux de l'économie vaudoise, ce qui permet de considérer ses frais de fonctionnement comme des frais d'installations déterminées réalisées par la corporation pubhique dans l'intérêt général, la notion d'installation pouvant notamment couvrir une activité telle que la publicité en faveur d'une branche de l'économie. Les personnes redevables de la taxe d'encavage tirent certainement un avantage particulier de l'activité de cet office qui, par sa publicité, facilite la commercialisation de leurs vins. Enfin, l'importance de la taxe calculée proportionnellement au poids de la vendange pressée est bien en rapport direct avec les profits particuliers retirés par les encaveurs de la propagande faite, ces profits variant en fonction de la quantité de vin à commercialiser et donc du poids de la vendange pressée. Etant affectée tout entière au paiement d'une part des frais de l'Office des vins vaudois, elle est également calculée sur la base des dépenses prévisibles de cet office. Comme charge de préférence, la taxe contestée n'est pas BGE 99 Ia 594 S. 597 incompatible avec l'art. 32quater al. 4 Cst., lequel ne vise que des impôts spéciaux ou d'autres restrictions, à l'exclusion notamment des charges de préférence. Elle n'est pas davantage incompatible avec l'art. 19 al. 2 Cst. vaud., qui n'a en vue que les impôts proprement dits et non les autres redevances. Certes, les charges de préférence comme les émoluments sont soumis au principe de la légalité, selon la jurisprudence fédérale. Mais il n'est pas certain que celle-ci exclue une délégation législative au gouvernement cantonal pour la détermination du montant de ces contributions. De toute manière, en matière d'émoluments et de charges de préférence, l'exigence d'une base légale formelle ne s'étend pas à la détermination du montant, du taux ou même du chiffre maximum de la contribution, les principes de la proportionnalité et de la couverture des frais assurant des garanties suffisantes aux débiteurs de cette contribution. L'argumentation tirée d'un prétendu défaut de base légale suffisante est donc également infondée. C.- Agissant par la voie du recours de droit public, les encaveurs déboutés, ainsi que la Section vaudoise de l'Association suisse des vignerons-encaveurs, demandent au Tribunal fédéral d'annuler la décision du Conseil d'Etat du 24 janvier 1973 et, en conséquence, les bordereaux notifiés aux recourants pour la taxe à l'encavage 1971. Ils soutiennent que cette taxe constitue un impôt spécial ou d'affectation, dans la mesure où elle est destinée à couvrir d'autres dépenses que celles de l'Office des vins vaudois, en particulier les mesures de l'art. 53quinquies de la loi sur la viticulture ou des subsides à la Fédération vaudoise des vignerons. Dans cette mesure, la taxe incriminée serait contraire aux art. 32quater Cst., 19 al. 2 (légalité de l'impôt) et 30 al. 2 (séparation des pouvoirs) Cst. vaud., subsidiairement 4 Cst. D.- Dans sa réponse, le Conseil d'Etat conclut au rejet du recours de droit public.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. L'Association suisse des vignerons-encaveurs et la Section vaudoise de cette association ont notamment pour but, selon l'art. 3 de leurs statuts, de sauvegarder les intérêts légitimes de leurs membres et de défendre leurs droits constitutionnels. Les autres recourants, tous membres de ladite section vaudoise, sont astreints au paiement de la taxe litigieuse et BGE 99 Ia 594 S. 598 seraient lésés dans leurs intérêts juridiquement protégés si elle était inconstitutionnelle, ainsi qu'ils le soutiennent. L'une et les autres ont qualité pour former un recours de droit public, en vertu de l'art. 88 OJ (cf., en ce qui concerne l'association, RO 94 I 4 ; 93 I 44 , 127). 2. Il n'est pas contesté que le Conseil d'Etat disposait d'un plein pouvoir pour l'examen des recours déposés devant lui. Sa décision a donc remplacé, tout en les confirmant, les bordereaux de taxation notifiés par le Service cantonal de la viticulture. Elle peut seule être attaquée par la voie du recours de droit public, à l'exclusion desdits bordereaux (RO 99 I a 148 consid. 2). Les recourants soutiennent que l'art. 55bis lit. a bis, instituant une taxe à l'encavage, est contraire à la constitution. Ils sont recevables à le faire. Certes, le délai légal étant expiré, la disposition légale incriminée ne peut plus être attaquée comme telle. Mais son inconstitutionnalité peut être invoquée dans un recours formé contre une décision d'application (RO 98 I a 164 ; 97 I 334 , 347). 3. L'autorité cantonale considère que la taxe à l'encavage, instituée en septembre 1971 par la modification de l'art. 55bis de la loi sur la viticulture, constitue une charge de préférence, alors que les recourants soutiennent qu'il s'agit bien davantage d'un impôt spécial. a) L'impôt est la contribution versée par un particulier à une collectivité publique pour participer aux dépenses résultant des tâches générales dévolues à cette dernière en vue de la réalisation du bien commun. Il est perçu sans conditions, non pas comme contrepartie d'une prestation de l'Etat ou d'un avantage particulier, mais en fonction d'une certaine situation économique réalisée en la personne de l'assujetti. En revanche, l'émolument ou taxe se présente comme le prix de droit public imposé unilatéralement au citoyen pour un certain recours à l'administration publique ou à un service public. La quotité d'une taxe doit être directement en rapport avec l'avantage retiré par le redevable. Si et dans la mesure où son montant excède le coût de la prestation étatique, la taxe devient un impôt. Enfin, la "charge de préférence", troisième forme de contribution publique, est une participation aux frais d'installations déterminées réalisées par une corporation publique dans l'intérêt BGE 99 Ia 594 S. 599 général, participation mise à la charge des personnes ou groupes de personnes auxquels ces installations procurent des avantages économiques particuliers. Elle est calculée d'après la dépense à couvrir et mise à la charge de celui qui profite des installations réalisées, dans une proportion correspondant à l'importance des avantages économiques particuliers qu'il en retire. Elle se distingue de l'impôt d'affectation ou de dotation (Zwecksteuer) en ce sens que si celui-ci est, lui aussi, destiné à couvrir des dépenses déterminées, il est perçu en revanche auprès de tous les contribuables et non pas seulement auprès de ceux auxquels les dépenses à payer procurent des avantages (RO 95 I 506/7 et les citations). b) La taxe à l'encavage alimente - avec d'autres ressources - le Fonds vinicole cantonal, lequel doit couvrir, concurremment avec un crédit budgétaire, les dépenses résultant de la loi sur la viticulture (art. 55 et 55bis lit. a bis de ladite loi). Plus précisément (art. 55quater), ce fonds couvre en tout ou partie les dépenses résultant de l'application des art. 53quinquies et 54 de la loi, prévoyant l'un que l'Etat met des experts - oenologues et commerciaux - à la disposition des encaveurs importants, l'autre qu'il est constitué un office de propagande en faveur des produits du vignoble vaudois. Si les experts sont payés par l'Etat, celui-ci perçoit pour leurs services des émoluments versés dans le Fonds vinicole cantonal (art. 53quinquies al. 2). On ignore dans quelle proportion ces émoluments couvrent la rémunération des experts. Mais le Conseil d'Etat affirme dans sa réponse que les frais résultant de l'application de ce dernier article sont supportés par le budget de l'Etat. Il en résulte que la taxe à l'encavage sert essentiellement à couvrir les besoins de l'Office des vins vaudois. Ce sont du reste uniquement les besoins de cet office qui justifiaient, selon l'exposé des motifs de la loi du 15 septembre 1971, l'introduction de cette taxe. Il s'agissait de fournir au fonds les ressources nécessaires pour porter de 480 000 fr. à 700 000 fr. son versement annuel à l'office, afin de permettre à celui-ci d'intensifier sa propagande en faveur des produits du vignoble vaudois. Le Conseil d'Etat ajoute encore qu'en 1971, au taux de 1 fr. par quintal de vendange pressée adopté cette année-là, la taxe à l'encavage a produit 252 045 fr. 95, après déduction des frais de perception, ce qui représente un montant d'environ 1,07 ct. par litre de vin produit dans le canton. BGE 99 Ia 594 S. 600 La viticulture est une branche importante de l'économie vaudoise; en faisant connaître ses produits et en contribuant ainsi à sa prospérité, l'Office des vins vaudois agit dans l'intérêt général du canton. Mais son activité profite aussi et tout d'abord directement aux producteurs et aux commerçants en vins, qui en retirent un avantage économique. On doit en conclure que telle qu'elle a été prélevée pour l'année 1971, la seule en cause en l'espèce, la taxe à l'encavage réunissait tous les caractères de la charge de préférence. Perçue auprès des encaveurs, qui bénéficient de la propagande faite par l'Office des vins vaudois, elle a produit un peu plus du tiers seulement des frais de cet office et ne représente qu'une charge d'un peu plus de 1 ct. par litre de vin produit, ce qui n'est certainement pas supérieur aux avantages d'ordre économique procurés aux encaveurs. Même ceux qui pratiquent surtout la vente directe à une clientèle privée bénéficient dans cette mesure au moins de l'augmentation de la demande qu'entraîne l'activité de l'office. Le critère de répartition apparaît judicieusement choisi, les avantages retirés de l'activité de l'office étant plus ou moins proportionnels à la quantité de vin à mettre dans le commerce. Sans doute ce critère est-il schématique. Mais c'est pratiquement inévitable, si l'on ne veut pas compliquer démesurément la perception (cf. RO 93 I 114 et les citations ; 94 I 278 ). Le montant de la taxe est au demeurant fort modeste - les recourants eux-mêmes l'admettent -, de sorte que des critères de répartition plus différenciés n'auraient guère de raison d'être, supposé qu'ils puissent être définis. Il n'est pas décisif, pour déterminer la nature de la contribution, que l'Office des vins vaudois ne soit pas une installation technique, comme une station d'épuration des eaux (cf. RO 93 I 106 ss. ; 94 I 270 ss.) ou une route (cf. RO 98 I a 169 ss.). Ainsi, le Tribunal fédéral a admis qu'une contribution aux frais de défense contre l'incendie, destinée à couvrir une partie des dépenses résultant de l'entretien d'un corps de sapeurspompiers, était une charge de préférence ((RO 86 I 97 ss.; cf. RO 70 I 124). Enfin il importe peu, pour définir la nature de la taxe à l'encavage, que les encaveurs qui sont en même temps propriétaires de vignes paient en outre une contribution calculée en fonction de la surface viticole et versée dans le même fonds vinicole. BGE 99 Ia 594 S. 601 4. De l'avis des recourants, la taxe à l'encavage viole les droits que leur confère l'art. 32quater al. 3 et 4 Cst. a) Contrairement à ce qu'affirme le Conseil d'Etat dans sa réponse, la disposition invoquée confère bien à l'individu des droits qu'il peut faire valoir par la voie du recours de droit public. Le Tribunal fédéral a certes admis qu'il n'en était rien (cf. RO 83 I 245), mais il se référait uniquement aux al. 1 et 2, ainsi que le démontre la suite des considérants de cet arrêt. En revanche, les al. 3 et 4 s'adressent incontestablement à l'individu comme tel. Leur texte clair ne permet aucun doute sur ce point. b) L'art. 32quater al. 3 Cst. prohibe la perception, sur la vente de boissons spiritueuses non distillées, d'impôts spéciaux autres que les droits de patente. La taxe litigieuse, qui n'a pas le caractère d'un impôt au sens strict, mais bien celui d'une charge de préférence, ne tombe pas sous le coup de cette interdiction. Ce premier moyen est ainsi mal fondé. c) En vertu de l'art. 32quater al. 4 Cst., les producteurs de vm et de cidre peuvent, sans autorisation et sans payer de droit, vendre le produit de leur propre récolte par quantité de deux litres ou plus. Les recourants en déduisent que toute contribution quelconque est contraire à la constitution, et partant que la taxe litigieuse est mconstitutionnelle même si elle constitue une charge de préférence. Cette interprétation ne s'impose nullement. La disposition de l'art. 32quater al. 4, 2e phrase, Cst. doit bien plutôt s'entendre comme une restriction de la compétence que l'art. 32quater al. 2 confère aux cantons. Ainsi que le relève le Message du Conseil fédéral, le régime alors en vigueur, permettant à chacun de vendre sans contrôle vin, bière et cidre, à condition de le faire par quantités non inférieures à 2 litres, prêtait le flanc à des critiques justifiées. On a donc entendu permettre aux cantons de soumettre au régime de l'autorisation la vente par quantités de 2 à 10 litres. Toutefois, pour respecter une coutume bien établie dans les pays de vignobles, ainsi que dans les régions fruitières de Suisse orientale, les producteurs vendant leur propre récolte ont obtenu le droit de le faire par quantité de 2 litres au moins, sans autorisation (FF 1926 I 326-328). En revanche, il n'est nullement question dans ce même message d'une exemption de toute contribution, quelle qu'elle soit, en faveur de ces mêmes producteurs. Il faut en conclure que le BGE 99 Ia 594 S. 602 "droit" dont il est question à l'al. 4 est le "modeste émolument" de l'al. 2, dont les producteurs sont exonérés en même temps que de l'obligation de se munir d'une autorisation. Le texte allemand use du reste dans ces deux alinéas du même mot "Gebühr". Sans doute est-il impropre, comme le relève BURCKHARDT (Kommentar der schweizerischen Bundesverfassung, 3e éd., p. 273): le Message précise que l'émolument d'autorisation "ne devrait pas avoir un caractère fiscal accusé", ce qui signifie déjà qu'il n'est pas nécessairement un pur émolument au sens étroit et peut constituer pour partie un impôt. Mais la reprise du même terme confirme que le constituant n'a pas voulu viser autre chose à l'alinéa 2 et l'alinéa 4. Le texte constitutionnel a donc exclu, en ce qui concerne les producteurs vendant leur propre récolte, les impôts spéciaux (al. 3) d'une part, et le "modeste émolument" d'autorisation ou "droit" (al. 2 et 4) d'autre part. Il ne prohibe pas la contribution sui generis qu'est la charge de préférence. Les recourants soutiennent cependant encore que la perception de la taxe à l'encavage les soumet à un contrôle officiel et de caractère fiscal dont la constitution fédérale doit précisément les exempter. On ne peut les suivre sur cette voie. Sans doute la dispense d'autorisation implique-t-elle que l'autorité de police ne peut exercer de contrôle permanent sur les ventes du producteur (BURCKHARDT, loc.cit.). Mais on ne voit pas en quoi un contrôle à but fiscal de la quantité récoltée serait prohibé. Lors même qu'elle aurait accessoirement un tel but, ce qui n'est nullement démontré, la perception de la taxe à l'encavage ne violerait pas l'art. 32quater al. 4 Cst. Le second moyen déduit de cet article constitutionnel est ainsi mal fondé lui aussi. 5. Les recourants soutiennent qu'en laissant au C nseil d'Etat le soin de fixer le montant de la taxe annuelle à l'encavage, l'art. 55ter al. 2 nouveau, introduit dans la loi sur la viticulture par la modification du 15 septembre 1971, viole le principe de la légalité de l'impôt, consacré tant par l'art. 19 al. 2 Cst. vaud. que par l'art. 4 Cst. a) L'art. 19 al. 2 Cst. vaud. dispose que la loi peut seule instituer les impôts et qu'elle en fixe l'objet et les modalités en fonction des facultés économiques des contribuables. Il en résulte clairement que les impôts proprement dits sont seuls visés, car eux seuls sont fixés en fonction des facultés économiques BGE 99 Ia 594 S. 603 du contribuable. Or la taxe à l'encavage, telle qu'elle a été prélevée en 1971, seule année en cause, est une charge de préférence. La constitution cantonale ne prohibe pas la délégation législative en cette matière. Les recourants, qui s'en prennent à une décision et non à l'acte normatif comme tel, ne peuvent mettre en cause la constitutionnalité de celui-ci que dans la mesure où il leur a été appliqué (RO 93 I 101 ; 92 I 364 ; 91 I 459 s. ; 90 I 79 , 91). N'étant pas frappés d'un impôt au sens strict, ils ne peuvent se plaindre d'une violation de l'art. 19 al. 2 Cst. vaud. b) Le Tribunal fédéral admet que le principe de la légalité s'applique, en vertu de l'art. 4 Cst., à toutes les contributions publiques, à la seule exception des simples émoluments de chancellerie (RO 97 I 804 et les citations). Si la délégation législative n'est pas exclue, la loi formelle doit définir les limites dans lesquelles l'autorité délégataire pourra user de son pouvoir. Elle doit déterminer au moins les conditions générales de la perception et le montant maximum de la contribution (RO 97 I 804, 347). L'art. 55ter al. 2 de la loi vaudoise sur la viticulture ne satisfait pas à cette exigence. S'il détermine la personne du contribuable et l'assiette de la contribution, il ne fixe pas le montant maximum de la taxe. Il ne constitue donc pas une base légale suffisante, même pour la perception d'une charge de préférence. Le Tribunal fédéral s'est demandé il est vrai, dans les deux arrêts précités, s'il ne conviendrait pas d'assouplir l'exigence d'une base légale formelle en matière d'émoluments, soumis de plein droit aux principes de la couverture des frais et de la proportionnalité, qui assurent déjà une protection efficace au contribuable. La même question pourrait se poser en matière de charges de préférence, soumises à des principes semblables. Mais elle peut rester indécise en l'espèce. Il incombait à l'autorité législative elle-même de fixer au moins la proportion dans laquelle les frais de l'Office des vins vaudois devaient être supportés par les encaveurs, par le moyen de la taxe à l'encavage. Or la loi cantonale se borne à prévoir que le Fonds vinicole couvre tout ou partie des frais de cet office et d'autres dépenses encore. Il n'y a donc pas de relation nécessaire entre les frais de l'office et la taxe. Certes, l'exposé des motifs établissait cette relation. Mais elle n'a pas trouvé son expression dans la loi. Le Conseil d'Etat eût pu, sans excéder les limites BGE 99 Ia 594 S. 604 de la délégation, instituer une contribution ayant, en partie en tout cas, le caractère d'un impôt d'affectation. Une délégation aussi vague n'est pas compatible avec le principe de légalité. Des précisions s'imposaient d'autant plus qu'il est difficile de fixer objectivement la valeur des avantages procurés aux encaveurs par l'activité de l'office. De plus, les frais de cette activité peuvent varier dans une mesure beaucoup plus grande que ceux d'une installation technique, de sorte qu'il eût peut-être été opportun de fixer le maximum de la taxe en valeur absolue plutôt qu'en proportion des dépenses de l'office. Il y avait une décision politique à prendre, décision que l'autorité législative pouvait arrêter librement, mais dont elle ne pouvait se décharger en donnant un blanc-seing à l'autorité exécutive. Sans doute celle-ci n'en a-t-elle pas abusé. La décision attaquée n'en repose pas moins sur une base légale insuffisante. Elle doit être annulée dans la mesure où elle concerne les recourants.
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Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Admet le recours dans le sens des considérants et annule la décision attaquée.
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Sachverhalt ab Seite 169 BGE 128 II 168 S. 169 A.- Das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ) reichte am 21. März 2000 beim Eidgenössischen Starkstrominspektorat (EStI) das Plangenehmigungsgesuch ein für den Einbau einer Mobilfunkanlage der Orange Communications SA auf dem bestehenden Hochspannungsmast Nr. 138 ihrer 380/220-kV Leitung Samstagern-Mettlen. Gegen dieses Bauvorhaben erhoben A. und weitere Personen Einsprache. Da keine Einigkeit erzielt werden konnte, überwies das EStI die Sache zur Fortsetzung des Verfahrens an das bei Uneinigkeit zuständige Bundesamt für Energie (BFE). Mit Verfügung vom 7. Juli 2000 entschied das BFE, dass auf verschiedene Einsprachen, darunter auch diejenige von A. und ihren Mitunterzeichnenden, nicht eingetreten werde, da die Parzellen der Einsprecher bzw. deren Wohnort mehr als 100 m von der geplanten Mobilfunkanlage entfernt lägen, der Anlagegrenzwert nach der Verordnung vom 23. Dezember 1999 über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV; SR 814.710) für die geplante Anlage aber nur im Umkreis von 32 m nicht eingehalten sei. B.- Hiergegen erhoben A., B., C. und weitere Personen am 6. September 2000 gemeinsam Beschwerde an die Rekurskommission des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (REKO/UVEK). Am 21. Juni 2001 wies die Rekurskommission die Beschwerde ab, soweit sie darauf eintrat. Sie verneinte die Legitimation der Beschwerdeführenden, weil die Strahlung der geplanten Anlage am Wohn- bzw. Arbeitsort der Beschwerdeführer höchstens 5% des Anlagegrenzwertes betragen und sich kaum vom ohnehin bestehenden Grundpegel an nichtionisierender Strahlung abheben werde. C.- Hiergegen erhoben A., B. und C. am 22. August 2001 Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit darauf einzutreten war.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Gemäss Art. 16f Abs. 1 Satz 1 des Bundesgesetzes vom 24. Juni 1902 betreffend die elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen (Elektrizitätsgesetz, EleG; SR 734.0) ist zur Einsprache berechtigt, wer nach den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes oder des Enteignungsgesetzes Partei ist. Damit verweist Art. 16f EleG (u.a.) auf Art. 48 lit. a VwVG (SR 172.021). Danach ist zur Beschwerde berechtigt und somit Partei i.S.v. Art. 6 VwVG , wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges BGE 128 II 168 S. 170 Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Diese Umschreibung der Beschwerdelegitimation deckt sich mit derjenigen in Art. 103 lit. a OG . 2.1 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind die in der näheren Umgebung einer projektierten Mobilfunkanlage wohnenden Personen durch die von der Anlage ausgehenden Strahlen in besonderer Weise betroffen und daher zur Beschwerde legitimiert. In einem Urteil vom 26. Oktober 2000 (1A.194/2000, publ. in: URP 2001 S. 155 ff.) verneinte das Bundesgericht die Beschwerdelegitimation einer Person, deren Wohnort 800 m vom Antennenstandort entfernt lag. In jenem Fall unterschritt die voraussichtliche Belastung des Beschwerdeführers durch die projektierte Anlage den Immissionsgrenzwert um mehr als das Hundertfache und den Anlagegrenzwert um mehr als das Zehnfache. Das Bundesgericht erachtete deshalb die Einwirkung der vorgesehenen Anlage auf den Wohnort des Beschwerdeführers als minim: Die von der geplanten Anlage ausgehende Strahlung bewirke für den Beschwerdeführer nur eine geringfügige zusätzliche Belastung, die sich kaum vom ohnehin bestehenden Grundpegel nichtionisierender Strahlen abhebe. Sie reiche nicht aus, um eine besondere Betroffenheit und damit die Legitimation des Beschwerdeführers zu begründen. 2.2 In Anlehnung an diesen bundesgerichtlichen Entscheid verneinte die Rekurskommission im vorliegenden Fall die Einspracheberechtigung der Beschwerdeführer, weil die elektrische Feldstärke, die von der geplanten Anlage ausgehen werde, nach den Berechnungen des Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) am Wohnort der Beschwerdeführerin A. nur 0.3 V/m und am Arbeitsort von C. nur 0.2 V/m betragen werde, d.h. 5% bzw. 3.33% des Anlagegrenzwertes gemäss Anh. 1 Ziff. 64 lit. b NISV (6 V/m). Die Einwirkung der geplanten Anlage auf die Wohn- und Arbeitsorte der Beschwerdeführer sei daher minim und genüge nicht zur Begründung ihrer Legitimation. Dieser Schluss dränge sich auch mit Blick auf die im betroffenen Gebiet bereits bestehende, relativ hohe Hintergrundbelastung mit Strahlen aus dem Hochfrequenzbereich auf: Wie das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) mit seinen Messungen festgestellt habe, betrage der Pegel dieser Hintergrundbelastung im betroffenen Gebiet rund 0,5 - 0,7 V/m (± 40 Messunsicherheit), die hauptsächlich vom Mittelwellensender Beromünster herrühre. Damit würde sich die von der geplanten Anlage ausgehende Strahlung kaum vom ohnehin bestehenden Grundpegel an nichtionisierender Strahlung abheben und setze die Beschwerdeführer BGE 128 II 168 S. 171 jedenfalls keiner wesentlich höheren Belastung aus als die ganze Bevölkerung. Sie reiche somit nicht aus, um eine besondere Betroffenheit und damit die Legitimation der Beschwerdeführer zu begründen. 2.3 In einem neueren, die Gemeinde Worb (Bern) betreffenden Fall ( BGE 128 I 59 , nicht veröffentlichte E. 1b) hat das Bundesgericht die Beschwerdelegitimation einer Person anerkannt, deren Wohnort ca. 280 bis 290 m von der geplanten Mobilfunkanlage (drei Antennen im Frequenzbereich 1800 MHz mit einer äquivalenten Strahlungsleistung ERP von je 710 W) entfernt lag. Dabei legte es die von der Berner Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion (BVE) verwendete Berechnungsformel zur Ermittlung des Radius zugrunde, innerhalb dessen die Strahlung noch 10% des Anlagegrenzwerts betragen kann (vgl. Entscheid der BVE vom 12. Dezember 2000, publ. in: BVR 2001 252 E. 2 S. 257 ff.; IRENE GRAF/JEAN-LUC NIKLAUS, Mobilfunkanlagen - Beschwerderecht der Nachbarn, KPG-Bulletin 1/2001 S. 29 ff., insbes. S. 34 ff.). Diese Formel lautet: d = (70 x Quadratwurzel von ERP) : AGW Diese Berechnung berücksichtigt (im Gegensatz zu derjenigen der Rekurskommission im vorliegenden Fall) nur die Strahlung in der Hauptstrahlungsrichtung und ergibt einen Radius d, ausserhalb dessen in jedem Fall eine tiefere Strahlung als 10% des Anlagegrenzwertes (AGW) erzeugt wird. Alle Personen innerhalb dieses Radius werden nach der Praxis der BVE zur Einsprache bzw. zur Beschwerde zugelassen, auch wenn die konkrete Strahlung auf ihrem Grundstück, unter Berücksichtigung der Leistungsabschwächung gegenüber der Hauptstrahlrichtung (in vertikaler und horizontaler Richtung) weniger als 10% des Anlagegrenzwertes beträgt. Im zitierten BGE 128 I 59 hielt das Bundesgericht diese Berechnungsweise für sinnvoll, weil es zunächst darum gehe, den Kreis derjenigen Personen zu bestimmen, die von der Anlage mehr als jedermann betroffen seien; dieser Kreis dürfe nicht zu eng gezogen werden und nicht von komplexen Berechnungen im Einzelfall abhängen. 2.4 Im vorliegenden Fall soll die geplante Mobilfunkanlage im Frequenzbereich 1800 MHz senden; der Anlagegrenzwert (AGW) beträgt somit 6 V/m (Anh. 1 Ziff. 64 lit. b NISV). Die drei Sendeantennen verfügen über eine äquivalente Strahlungsleistung (ERP) von je 710 W. Damit beträgt der Radius ca. 311 m: d = (70 x Quadratwurzel von 710) : 6 = 310.87 BGE 128 II 168 S. 172 Die Beschwerdeführer A. und B., deren Wohnort 190 m vom Antennenstandort entfernt liegt, sowie die Beschwerdeführerin C., deren Arbeitsplatz sich in einem Abstand von 290 m zur geplanten Mobilfunkanlage befindet, sind daher zur Einsprache legitimiert. 2.5 Die Tatsache, dass im betroffenen Gebiet bereits ein relativ hoher Grundpegel an nichtionisierender Strahlung besteht, ist kein Grund, den im genannten Radius wohnenden Personen die Beschwerdelegitimation abzusprechen. Es ist im Gegenteil verständlich, wenn Personen, die bereits den Strahlen eines Rundfunksenders ausgesetzt sind, sich gegen die Installation weiterer Quellen nichtionisierender Strahlung wehren bzw. verlangen, dass neue Installationen die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte strikt einhalten. 2.6 Nach dem Gesagten ist die Einspracheberechtigung der Beschwerdeführer zu bejahen. Diese können im Einsprache- bzw. im Beschwerdeverfahren nicht nur eine Überschreitung der Immissions- oder der Anlagegrenzwerte auf ihren eigenen Grundstücken geltend machen, sondern können generell die Rechtmässigkeit des Bauvorhabens in Frage stellen und somit auch die Überschreitung der Grenzwerte auf anderen Grundstücken rügen (Urteil 1A.316/2000 vom 21. September 2001, E. 1b/cc). Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine allfällig notwendige Reduktion der Sendeleistung auch die auf die Beschwerdeführer entfallende Strahlungsbelastung reduzieren würde (vgl. Entscheid des Verwaltungsgerichts Zürich vom 24. August 2000 E. 11b/bb, publ. in: URP 2001 S. 171).
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Sachverhalt ab Seite 329 BGE 142 III 329 S. 329 A. A.a Mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 24. Mai 1968 räumte der damalige Grundeigentümer D. der E. (heute: Pensionskasse C.; nachfolgend: Vermieterin, Streitberufene) auf dem Grundstück U.-Gbbl. Nr. x ein selbstständiges und dauerndes Baurecht bis 30. April 2013 ein ( Art. 675 und 779 ZGB ). Für den Fall der Nichteinigung über eine Verlängerung des Baurechtsvertrages wurde die Übernahme der Bauten und Anlagen durch den Grundeigentümer gegen Vergütung zum dannzumaligen Zustandswert vereinbart. Das Baurecht wurde als eigenes Grundstück in das Grundbuch aufgenommen (U.-Gbbl. Nr. y). Die Vermieterin vermietete das im Baurecht auf dem Grundstück U.-Gbbl. Nr. x stehende Ladenlokal mitsamt Nebenräumen und Parkplätzen an der Strasse X. in U. ab 29. September 1980 an die A. AG BGE 142 III 329 S. 330 (Mieterin, Klägerin, Beschwerdeführerin). Der Mietvertrag wurde im Grundbuch vorgemerkt. Das baurechtsbelastete Grundstück U.-Gbbl. Nr. x wurde im Jahre 2012 von B. (Beklagte, Beschwerdegegnerin) erworben. Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 8. April 2013 mit, dass deren Mietverhältnis mit der Vermieterin durch Heimfall per 30. April 2013 dahinfalle, sich die Klägerin deshalb ab 1. Mai 2013 in einem vertragslosen Zustand befinden werde und künftige Zahlungen direkt und als Entschädigung, ausdrücklich aber nicht als Mietzins entgegengenommen würden. Am 23. April 2013 kündigte die Vermieterin den Mietvertrag mit der Klägerin auf den 30. September 2014 mittels amtlichem Formular. B. B.a Mit Eingabe vom 28. August 2013 erhob die Klägerin beim Regionalgericht Bern-Mittelland Klage gegen die Beklagte und beantragte im Wesentlichen, die Kündigung vom 23. April 2013 sei als ungültig zu erklären, eventualiter sei das Mietverhältnis erstmalig um zwei Jahre zu erstrecken. Gleichzeitig verkündete sie der Vermieterin den Streit. Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage und in prozessualer Hinsicht, das Verfahren sei auf die Frage betreffend den Übergang des Mietverhältnisses zu beschränken. Sie verkündete der Streitberufenen ebenfalls den Streit. An der Hauptverhandlung vom 7. Mai 2014 wurde das Verfahren auf die Frage der Passivlegitimation der Beklagten beschränkt und die Streitberufene für diesen ersten Teil des Verfahrens als Intervenientin zugunsten der Klägerin zugelassen. Mit Entscheid vom 2. Februar 2015 wies das Regionalgericht Bern-Mittelland die Klage ab. B.b Dagegen erhob die Klägerin Berufung beim Obergericht des Kantons Bern, welches in Bestätigung des erstinstanzlichen Entscheides die Klage mit Entscheid vom 8. September 2015 abwies. C. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beschwerdeführerin dem Bundesgericht unter Aufrechterhaltung ihrer vorinstanzlichen Begehren die Aufhebung des Entscheids des Obergerichts des Kantons Bern vom 8. September 2015. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. (Zusammenfassung)
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513
Erwägungen BGE 142 III 329 S. 331 Aus den Erwägungen: 4. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass sich einzig die Frage stellt, ob beim Heimfall gemäss Art. 779c ZGB der Mietvertrag von Gesetzes wegen auf die Grundeigentümerin übergeht. Sie bringt wie bereits vor Vorinstanz vor, der Heimfall werde unmittelbar von Art. 261 Abs. 1 OR erfasst, denn Anknüpfungspunkt dieser Bestimmung sei der Eigentumsübergang, nicht das zugrunde liegende Veräusserungsgeschäft. Sie geht also davon aus, sämtliche Formen des Eigentumsübergangs würden von Art. 261 Abs. 1 OR erfasst. Sie macht geltend, bereits der Wortlaut von Art. 261 Abs. 1 OR spreche für diese Auslegung, indem sie den Satzteil "so geht das Mietverhältnis mit dem Eigentum an der Sache auf den Erwerber über" hervorhebt. Damit verkennt sie aber die Struktur der Norm. "So geht das Mietverhältnis mit dem Eigentum (...) über" ist die Rechtsfolge, w enn - und das ist die Voraussetzung - der Vermieter die Sache veräussert. Besonders deutlich wird die wenn/dann-Konklusion im französischen Text der Norm ( Si , [...] le bailleur aliène la chose louée[...], le bail passe à l'acquéreur avec la propriété de la chose"). Nichts anderes ergibt sich aus der von der Beschwerdeführerin zitierten Stelle (S. 1440 Ziff. 421.108) in der Botschaft des Bundesrats vom 27. März 1985 zur Revision des Miet- und Pachtrechts (BBl 1985 I 1389 [nachfolgend: Botschaft]). Zwar heisst es dort, der bisherigeRandtitel "Kauf bricht Miete" sei ungenau, denn nicht der Kauf, sondern der Übergang des Eigentums breche die Miete. Diese Aussage bezieht sich aber einzig auf den Zeitpunkt. Wie bereits die Vorinstanz zutreffend ausführte, wird damit lediglich der Umstand berücksichtigt, dass das Mietverhältnis nicht bereits mit dem Verpflichtungsgeschäft (dem Kaufvertrag), sondern erst zum Zeitpunkt des Verfügungsgeschäfts übergeht. In der Botschaft wird denn auch unmissverständlich festgehalten, Art. 261 OR regle "die Auswirkungen der Veräusserung der Mietsache" (Botschaft, a.a.O.). Aus den Materialien ergeben sich keine Hinweise, dass sich der Gesetzgeber bewusst gewesen wäre, dass ein Zusammenhang der obligationenrechtlichen Regelung mit dem Sachenrecht besteht (BETTINA HÜRLIMANN-KAUP, Grundfragen des Zusammenwirkens von Miete und Sachenrecht, 2008, Rz. 482 ff., v.a. Rz. 499 mit umfassenden Hinweisen). Die Vorinstanz ging somit zu Recht davon aus, dass Art. 261 Abs. 1 OR den Fall des Untergangs des Baurechts und Heimfall gemäss Art. 779c nicht erfasst. Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, ist offensichtlich unbehelflich. BGE 142 III 329 S. 332 5. Es trifft aber zu, dass der Mieter sich in einer ähnlichen Situation befinden kann wie bei einer Veräusserung der Mietsache, wenn der Inhaber eines Baurechts die Sache vermietet und das Recht vor Ablauf des Mietvertrags untergeht. Zu prüfen ist daher, ob Art. 261 Abs. 1 OR in einer solchen Situation analog angewendet werden kann. 5.1 Das Bundesgericht hat diese Frage im Hinblick auf den Heimfall einer im Baurecht erstellten Baute bislang nicht beantwortet. In BGE 113 II 121 (E. 3b) hat es die analoge Anwendung von aArt. 259 Abs. 2 OR beim Untergang der Nutzniessung zufolge Todes des Nutzniessers bejaht. Der Untergang der Nutzniessung wurde also gleich behandelt wie die Veräusserung des Mietobjekts. Dies wurde begründet mit der Interessenlage des Mieters einerseits und jener des Dritten, der zuvor nur das nackte Eigentum innehatte. Der Mieter sei plötzlich und ohne sein Verschulden mit einem Dritten konfrontiert, der nicht sein Vertragspartner sei. Zwar sei es möglich, dass auch der Dritte - anders als der Erwerber im Rahmen eines Kaufvertrages - überrascht werde. Aber viel wahrscheinlicher sei, dass der Erbe, dem zuvor nur das nackte Eigentum zustand, sich um die Vermögenswerte der Erbschaft gekümmert habe und ihm daher das Bestehen eines Mietvertrages betreffend einer Erbschafts-Liegenschaft bekannt sei. Berücksichtigt wurde zudem, dass aArt. 259 Abs. 2 OR die Übernahme des Mietvertrages nur für eine sehr begrenzte Zeit vorsah. 5.2 In der Lehre wird die Frage unterschiedlich beantwortet, ob und wenn ja wieweit Art. 261 OR bei Erlöschen eines beschränkten dinglichen Rechts - wobei es in der Praxis um die Nutzniessung und das Baurecht geht - analog anwendbar ist. Eine analoge Anwendung befürworten: ROGER WEBER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 6. Aufl. 2015, N. 2 zu Art. 261a OR ; Das schweizerische Mietrecht, Kommentar, 3. Aufl. 2008, N. 7 zu Art. 261-261a OR ; PETER HEINRICH, in: Vertragsverhältnisse, Bd. I, 2. Aufl. 2012, N. 2 zu Art. 261-261b OR ; ISLER/GROSS, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 5. Aufl. 2015, N. 4 zu Art. 779c ZGB ; MAX BAUMANN, in: Zürcher Kommentar zum Zivilgesetzbuch, 3. Aufl. 1999, N. 12 zu Art. 751 ZGB und N. 21 zu Art. 758 ZGB (bezieht sich auf die Nutzniessung); PAUL-HENRI STEINAUER, Les droits réels, Bd. III, 4. Aufl. 2012, Rz. 2430a und Rz. 2438c (bezogen auf die Nutzniessung, keine expliziten Ausführungen zum Baurecht); NICOLAS SAVIAUX, Le sort du bail en cas de changement de propriétaire, BGE 142 III 329 S. 333 CdB 2003 S. 65 ff., 73 Fn. 38 (bezogen auf die Nutzniessung); wohl auch DAVID LACHAT, Le bail à loyer, 2008, Ziff. 4.1.2. Diese Autoren begründen indessen ihre Auffassung nicht weiter. Zum Teil verweisen sie einfach auf BGE 113 II 121 , womit nicht klar ist, ob bzw. inwieweit sie auch die analoge Anwendung bei Beendigung des Baurechts zufolge Ablauf der vertraglichen Befristung bejahen. Umgekehrt spricht sich PETER HIGI (in: Zürcher Kommentar zum Obligationenrecht, 1994, N. 7 zu Art. 261-261a OR ) gegen eine analoge Anwendung aus - ebenfalls ohne weitere Begründung. Jener Teil der Lehre, der sich vertieft mit dem Erlöschen des Baurechts befasst, erachtet in Anlehnung an die Wertungen in BGE 113 II 121 als entscheidend, ob die Beendigung des Baurechts für den Mieter voraussehbar war. War sie nicht voraussehbar, sei eine analoge Anwendung des Art. 261 Abs. 1 OR gerechtfertigt wie beim Untergang der Nutzniessung durch Tod. Gehe jedoch das Baurecht unter durch Zeitablauf, sei im Grundsatz ein Übergang des Mietvertrages abzulehnen. In diesem Fall könne der Mieter wissen , wann die Rechte seines Vermieters untergingen. Auch die Interessenlage des Grundeigentümers, dem die Bauwerke heimfallen, sei eine andere als diejenige des Käufers einer Liegenschaft, der - wenn er sich zum Kauf entscheide - um das Bestehen des Mietvertrages wisse. Der Grundeigentümer dürfe vielmehr davon ausgehen, dass er sein Eigentum unbelastet zurückerhalte (PAUL-HENRI STEINAUER, Retour anticipé et extinction du droit de superficie, in: Droit de superficie et leasing immobilier, Bénédict Foëx [Hrsg.], 2011, S. 75). HÜRLIMANN-KAUP erachtet die Interessenlage im Fall des Untergangs durch Zeitablauf nicht als eindeutig, denn der Mieter wisse unter Umständen nicht , dass sein Vermieter lediglich Inhaber eines beschränkten dinglichen Rechts sei, sodass er sich nicht rechtzeitig um ein Ersatzobjekt bemühen könne. Im Gegensatz zu STEINAUER stellt sie also auf das tatsächliche Wissen ab. Namentlich angesichts der Wertungen des Gesetzgebers bei der Untermiete, wo der Anspruch des Untermieters auf Realerfüllung des Untermietvertrages durch die Dauer des Hauptmietvertrages beschränkt sei, lehnt sie aber ebenfalls eine analoge Anwendung von Art. 261 Abs. 1 OR bei Untergang des beschränkten dinglichen Rechts (Nutzniessung und Baurecht) durch Zeitablauf ab (HÜRLIMANN-KAUP, a.a.O., Rz. 695, 697 und 707 f.). Auf den Vergleich mit dem Untermietverhältnis beziehen sich auch PIOTET und ihm folgend HENGGELER, die eine analoge Anwendung von Art. 261 Abs. 1 OR aber vor allem aus BGE 142 III 329 S. 334 dogmatischen Gründen als mit der Eigentümerstellung nicht vereinbar ablehnen (DENIS PIOTET, Le principe "la vente ne rompt pas le bail" et le système général des droits réels, 1993, Rz. 182 i.V.m. Rz. 171 betreffend eine zeitlich vorhersehbare Beendigung der Nutzniessung; BENNO HENGGELER, Die Beendigung der Baurechtsdienstbarkeiten infolge Zeitablaufs und der vorzeitige Heimfall [ Art. 779c ff. ZGB ], 2005, S. 89 f.). 5.3 Analogie ist die teleologisch motivierte Erweiterung des Anwendungsbereichs einer Rechtsnorm jenseits der äusseren Wortlautgrenze (EMMENEGGER/TSCHENTSCHER, in: Berner Kommentar, 2012, N. 376 zu Art. 1 ZGB ). Auf den Theorienstreit, ob es sich dabei um Auslegung ( Art. 1 Abs. 1 ZGB ) oder Lückenfüllung ( Art. 1 Abs. 2 ZGB ) handelt (vgl. EMMENEGGER/TSCHENTSCHER, a.a.O., N. 377 ff. zu Art. 1 ZGB ), muss hier nicht weiter eingegangen werden. Eine teleologisch motivierte Erweiterung von Art. 261 OR setzt auf jeden Fall voraus, dass die Interessenlage der vom Heimfall Betroffenen vergleichbar ist mit jener der Parteien gemäss Art. 261 OR . 5.3.1 Das Bundesgericht rechtfertigte seinen Analogieschluss in BGE 113 II 121 massgeblich damit, dass der plötzliche Tod des Nutzniessers für den Mieter ebenso wenig voraussehbar sei wie der Eigentumswechsel zufolge Veräusserung und daher das Schutzbedürfnis vergleichbar. Entsprechend knüpft denn auch ein Teil der zitierten Lehre bei der Voraussehbarkeit an. Auch die Vorinstanz ging davon aus. Für sie war in der Folge entscheidend, dass es sich um einen ordentlichen Heimfall infolge Zeitablaufs des Baurechts nach Art. 779c ZGB handelt, das betreffende selbstständige und dauernde Baurecht als eigenes Grundstück im Grundbuch aufgenommen und dem Grundbucheintrag die zeitliche Beschränkung bis zum 30. April 2013 zu entnehmen war. Gestützt auf Art. 970 Abs. 4 ZGB bestehe die Fiktion der Kenntnis des Grundbucheintrags. Auf den tatsächlichen Kenntnisstand der Beschwerdeführerin komme es daher nicht an. Habe sie somit jedenfalls fiktiv Kenntnis von der Befristung gehabt, bestehe keine unerwartete Entwicklung im Sinn der bundesrechtlichen Rechtsprechung. Die Beschwerdeführerin rügt, damit verkenne die Vorinstanz die Tragweite von Art. 970 Abs. 4 ZGB . Auch wenn das Grundbuch öffentlich ist, könne nicht vorausgesetzt werden, dass eine Mieterschaft im Grundbuch nachforscht, ob die Vermieterin nur Baurechtsnehmerin oder Eigentümerin ist und wann ein allfälliges Baurecht abläuft. BGE 142 III 329 S. 335 5.3.2 Die Rüge ist grundsätzlich berechtigt. Die Fiktion der Kenntnis des Grundbuchinhalts ( Art. 970 Abs. 4 ZGB ) dient der Verkehrssicherheit im Immobiliarverkehr und bewirkt, dass sich der gutgläubige Erwerber eines dinglichen oder vormerkbaren persönlichen Rechts nicht auf die Unkenntnis der durch das Grundbuch ausgewiesenen Rechtslage berufen kann, angesichts der einschneidenden Rechtsfolgen des Art. 973 ZGB . Die Fiktion hat jedoch nicht die Bedeutung, dass für jedermann der Inhalt des Grundbuchs als bekannt vorausgesetzt werden darf (JÜRG SCHMID, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 5. Aufl. 2015, N. 32 zu Art. 970 ZGB ; ARTHUR HOMBERGER, Zürcher Kommentar, 2. Aufl. 1938, N. 21 Vorbemerkungen zu Art. 942 ff. ZGB i.V.m. N. 1 zu Art. 970 ZGB ; vgl. auch die Einschränkung der Bedeutung im Urteil 4C.458/1996 vom 20. Februar 1997 E. 3, in: ZBGR 79/1998 S. 49). Vorliegend wurde die Beschwerdeführerin aber durch den Mietvertrag ermächtigt, den Mietvertrag im Grundbuch vormerken zu lassen, was zulässig ist (HIGI, a.a.O., N. 8 zu Art. 261b OR mit Hinweisen). Der Mietvertrag wurde denn auch, wie die Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich festgestellt hat, tatsächlich im Grundbuch vorgemerkt auf dem selbstständigen und dauernden Baurechtsgrundstück. Mit diesem Eintrag auf dem entsprechenden Grundbuchblatt war der Beschwerdeführerin - auch ohne Nachforschung - tatsächlich zur Kenntnis gebracht, dass die Vermieterin lediglich Baurechtsinhaberin war. Ob sie sich heute noch daran erinnert, ist nicht von Belang. War der Beschwerdeführerin aber die Tatsache des Baurechts als solches bekannt, hat sie es sich selbst zuzuschreiben, wenn sie sich nicht um die Befristung kümmerte, die aus dem Grundbuch ersichtlich war. Im Ergebnis ging die Vorinstanz daher zu Recht davon aus, dass der Heimfall für die Beschwerdeführerin voraussehbar gewesen wäre, weshalb eine analoge Anwendung von Art. 261 Abs. 1 OR bereits aus diesem Grund nicht in Frage kommt und die Passivlegitimation zu verneinen ist. Aufgrund dieses Ergebnisses kann offenbleiben, ob eine analoge Anwendung von Art. 261 Abs. 1 OR angesichts der übrigen in BGE 113 II 121 erwähnten Gesichtspunkte auf den Untergang des befristeten Baurechts überhaupt gerechtfertigt wäre. (...)
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de
Sachverhalt ab Seite 208 BGE 136 I 207 S. 208 A. Dr. A. (Beschwerdeführerin) erlitt am 7. März 2001 in den Räumlichkeiten der X. AG, Zürich (Beschwerdegegnerin), einen Unfall, bei dem sie die rechte Hand in der Zylinderdrehtüre bzw. Rundschleuse einklemmte. Am 17. Mai 2005 reichte sie beim Handelsgericht des Kantons Zürich gegen die Beschwerdegegnerin Klage auf Bezahlung einer Genugtuung über Fr. 50'000.- ein. Dieses Verfahren ist beim Handelsgericht hängig. B. Am 3. Juni 2009 ersuchte die Beschwerdeführerin die Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich um BGE 136 I 207 S. 209 Feststellung, dass das Handelsgericht des Kantons Zürich zumindest im Prozess über Klagen von nicht im Handelsregister eingetragenen Personen gemäss § 63 Abs. 1 Ziff. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes des Kantons Zürich vom 13. Juni 1976 (GVG/ZH; LS 211.1) kein unabhängiges und unparteiisches Gericht im Sinn von Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK sei. Ferner sei festzustellen, dass Handelsrichter B. ein befangener und parteiischer Richter im Sinn von Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK sei. In einer Eingabe vom 14. Juli 2009 stellte die Beschwerdeführerin die Befähigung der beiden Handelsrichter C. und Dr. D. zur Amtsausübung im Lichte von § § 59 Abs. 2 und 60 GVG /ZH in Frage. Mit Beschluss vom 20. Oktober 2009 wies die Verwaltungskommission das Feststellungsbegehren hinsichtlich der Verfassungs- bzw. Konventionswidrigkeit des Handelsgerichts ab, soweit sie darauf eintrat. Den Anträgen betreffend die Handelsrichter C. und Dr. D. gab sie keine Folge, zumal diese beiden Handelsrichter mit dem Haftpflichtprozess der Beschwerdeführerin nicht befasst sind. Das Ablehnungsbegehren betreffend Handelsrichter B. wies die Verwaltungskommission ab, soweit sie darauf eintrat. Gegen diesen Beschluss erhob die Beschwerdeführerin kantonale Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht des Kantons Zürich, mit der sie am Feststellungsbegehren betreffend Verfassungs- bzw. Konventionswidrigkeit des Handelsgerichts festhielt und ferner beantragte, es sei festzustellen, dass Handelsrichter B. infolge Fehlens der Wählbarkeitsvoraussetzung des zürcherischen Wohnsitzes nicht zur Amtsausübung als Handelsrichter berechtigt und zudem ein befangener und parteiischer Richter im Sinn von Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK sei. Mit Zirkulationsbeschluss vom 9. Februar 2010 wies das Kassationsgericht die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat. C. Die Beschwerdeführerin beantragt dem Bundesgericht, es sei in Aufhebung des Beschlusses des Kassationsgerichts vom 9. Februar 2010 und des Beschlusses des Obergerichts vom 20. Oktober 2009 festzustellen, dass das Handelsgericht des Kantons Zürich zumindest im Prozess gemäss § 63 Abs. 1 Ziff. 1 GVG /ZH (Klagen von nicht im Handelsregister eingetragenen Personen) kein unabhängiges und unparteiisches Gericht im Sinn von Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK ist. Eventuell sei festzustellen, dass B. kein Handelsrichter ist und das Handelsgericht im vorliegenden Verfahren im Sinn von § 60 GVG /ZH ungenügend besetzt war. Ausserdem ersucht sie um BGE 136 I 207 S. 210 Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege unter Beistellung von Rechtsanwalt Dr. R. als unentgeltlichen Rechtsbeistand. Das Bundesgericht verzichtete auf die Einholung von Vernehmlassungen. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
772
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Da die Beschwerdeführerin das genannte Begehren im Rahmen des beim Handelsgericht hängigen Haftpflichtprozesses gestellt hat, kann es in Berücksichtigung der Begründung der Beschwerde immerhin dahingehend interpretiert und entgegengenommen werden, dass die Beschwerdeführerin die Zusammensetzung des Handelsgerichts mit zwei Berufsrichtern und drei Fachrichtern in ihrem konkreten Rechtsstreit als verfassungs- bzw. konventionswidrig rügt. 3.1 Nach Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK , denen in dieser Hinsicht dieselbe Tragweite zukommt, hat der Einzelne Anspruch darauf, dass seine Sache von einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richter ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Ob diese Garantien verletzt sind, prüft das Bundesgericht frei ( BGE 133 I 1 E. 5.2 S. 3; BGE 131 I 31 E. 2.1.2.1 S. 34 f.; je mit Hinweisen). Voreingenommenheit und Befangenheit werden nach der Rechtsprechung angenommen, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu erwecken. Solche Umstände können entweder in einem bestimmten Verhalten des betreffenden Richters oder in gewissen äusseren Gegebenheiten funktioneller und organisatorischer Natur begründet sein. Letzteres betrifft vor allem Konstellationen einer Vorbefassung des Richters. Bei der Beurteilung solcher Umstände ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen. Das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen. Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit erwecken. Für die Ablehnung wird nicht verlangt, dass der Richter tatsächlich befangen ist ( BGE 135 I 14 E. 2; BGE 134 I 238 E. 2.1 S. 240; BGE 133 I 1 E. 6.2; BGE 131 I 24 E. 1.1, BGE 131 I 113 E. 3.4; BGE 114 Ia 50 E. 3b S. 54 f. und E. 3d; je mit Hinweisen). 3.2 Die Befangenheit eines Richters kann sich nicht nur aus der besonderen Konstellation im Einzelfall, sondern auch aus der vom BGE 136 I 207 S. 211 Kanton gewählten Gerichtsorganisation ergeben ( BGE 133 I 1 E. 6.1 S. 6; BGE 125 I 119 E. 3a S. 122 mit Hinweis). Solches macht die Beschwerdeführerin vorliegend geltend. Sie hält das Handelsgericht für verfassungs- und konventionswidrig zusammengesetzt, weil nach § 59 Abs. 2 GVG /ZH nur Firmeninhaber resp. leitende Angestellte als Handelsrichter gewählt werden können und das Handelsgericht dementsprechend nicht paritätisch zusammengesetzt sei. Zudem würden die Handelsrichter in Kammern eingeteilt. Dies habe zur Folge, dass die vom Gerichtspräsidenten für einen konkreten Prozess bestimmten Handelsrichter meistens aus der gleichen Branche stammten. Gerade in der Versicherungsbranche mit den nur wenigen verbleibenden Wettbewerbern, die zudem in der Lobbyorganisation des Schweizerischen Versicherungsverbandes zusammengeschlossen seien, entstehe der Anschein, dass hier besondere Beziehungen bestünden, die im entscheidenden Moment ausgenützt würden. In Haftpflichtprozessen würden regelmässig drei leitende Angestellte von Versicherern als Fachrichter amten. Es bestehe daher von vornherein eine Uniformität in der Grundhaltung und damit auch in der Beurteilungsoptik der drei Fachrichter. Hinzu komme, dass diese drei Fachrichter gegenüber den zwei vollamtlichen Oberrichtern die Mehrheit hätten ( § 60 GVG /ZH), demnach ihre Meinung gegenüber diesen durchsetzen könnten. 3.3 Die Verwaltungskommission des Obergerichts beurteilte dieses Vorbringen der Beschwerdeführerin als rechtsmissbräuchlich bzw. unbegründet. Das Kassationsgericht hielt die Rüge für verwirkt. Es verstosse gegen Treu und Glauben, wenn sich eine Partei in Kenntnis der gesetzlich vorgeschriebenen Zusammensetzung des handelsgerichtlichen Spruchkörpers in Ausübung ihres Wahlrechts (nach § 63 Ziff. 1 GVG /ZH) zunächst für dieses Gericht entscheide, obschon sie frei wäre, stattdessen an den ordentlichen Richter zu gelangen, um (hier: Jahre) später und ohne dass sich diesbezüglich die rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse geändert hätten, eben dieses Gericht wegen fehlender paritätischer Zusammensetzung abzulehnen bzw. seine Verfassungsmässigkeit in Zweifel zu ziehen. 3.4 Wer einen Ablehnungsgrund nicht unverzüglich nach dessen Kenntnisnahme geltend macht, verwirkt den Anspruch auf seine spätere Anrufung ( BGE 135 III 334 E. 2.2; BGE 134 I 20 E. 4.3.1; BGE 132 II 485 E. 4.3). Der Beschwerdeführerin ist zuzugestehen, dass sie das Recht, die Verfassungs- bzw. Konventionswidrigkeit des Handelsgerichts geltend zu BGE 136 I 207 S. 212 machen, nicht bereits deshalb eingebüsst hat, dass sie das Handelsgericht freiwillig in Ausübung der Wahlmöglichkeit nach § 63 Ziff. 1 GVG /ZH angerufen hat. Auch ein gewähltes bzw. prorogiertes Gericht muss die verfassungsrechtlichen Anforderungen an ein unabhängiges und unparteiisches Gericht erfüllen. Indessen ist es mit dem Kassationsgericht als gegen Treu und Glauben verstossend zu werten, dass die Beschwerdeführerin, die ihre Klage im Mai 2005 beim Handelsgericht anhängig machte, über vier Jahre zuwartete, bis sie im Juni 2009 die ihrer Ansicht nach verfassungswidrige Zusammensetzung des Handelsgerichts geltend machte, ohne dass sich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht bezüglich der von ihr angerufenen Umstände etwas geändert hätte. Sie bringt vor, sie sei sich erst durch die Schrift von DANIEL SCHWANDER (Das Zürcher Handelsgericht und die branchenspezifische Zusammensetzung seines Spruchkörpers, Berlin 2009) der Verfassungswidrigkeit des Zürcher Handelsgerichts bewusst geworden. Dies mag möglicherweise zutreffen, soweit sie eine verfassungswidrige Zusammensetzung damit begründet, dass das Wahlprozedere wegen der durch die Kommission für das Handelswesen unterbreiteten Wahlvorschläge nicht korrekt sei (dazu nicht publ. E. 4), was nach den Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Schrift von DANIEL SCHWANDER insbesondere thematisiert werde. Die von ihr beanstandeten, die Gerichtsorganisation betreffenden Gesetzesnormen bestanden hingegen schon bei Klageeinreichung im Jahre 2005. So namentlich die Bestimmungen, wonach als Handelsrichter nur wählbar ist, wer in einer Firma als Inhaber oder in leitender Stellung tätig ist oder während mindestens zehn Jahren eine solche Stellung bekleidet hat ( § 59 Abs. 2 GVG /ZH), und wonach die Handelsrichter im jeweiligen Spruchkörper die Mehrheit bilden ( § 60 Abs. 1 GVG /ZH). Ferner sah das Gesetz auch schon damals vor, dass die Handelsrichter für die Behandlung der einzelnen Rechtssachen nach Möglichkeit unter Berücksichtigung ihrer Sachkunde bezeichnet werden ( § 60 Abs. 2 GVG /ZH), woraus sich die beanstandete "branchenspezifische Zusammensetzung" des Spruchkörpers ergibt. Die Beschwerdeführerin hätte demnach die gerügte institutionelle Verfassungswidrigkeit seit Beginn des Verfahrens unverzüglich geltend machen können und müssen. Daran vermag insbesondere nichts zu ändern, dass das Kassationsgericht des Kantons Zürich in einem Entscheid aus dem Jahre 1996 die Auffassung vertreten hatte, das Handelsgericht sei konventions- und verfassungsrechtlich zulässig, wie die BGE 136 I 207 S. 213 Beschwerdeführerin unter Berufung auf ZR 96/1997 Nr. 20 S. 56 geltend macht. Das Kassationsgericht hatte sich in diesem Entscheid gerade mit den hier kritisierten Bestimmungen des GVG/ZH auseinandergesetzt und befunden, es ergäbe sich daraus keine verfassungs- oder konventionswidrige Gerichtsorganisation. Wenn dieser Entscheid der Beschwerdeführerin, ihren Vorbringen nach zu schliessen, bereits bei Verfahrenseinleitung bekannt war, und sie an seiner Richtigkeit zweifelt, hätte sie ihre abweichende Auffassung sofort einbringen müssen. Statt bei Verfahrensbeginn unverzüglich zu handeln, wartete sie indessen mehr als vier Jahre zu, bis sie im Jahre 2009 die ihrer Ansicht nach institutionelle Verfassungs- und Konventionswidrigkeit des Handelsgerichts geltend machte. Das Kassationsgericht nahm zu Recht an, dass sie in diesem Zeitpunkt mit ihren diesbezüglichen Vorbringen nicht mehr zu hören war, weil sie die entsprechenden Rügen verwirkt hatte. 3.5 Die Rüge wäre ohnehin unbegründet: Das Zürcher Handelsgericht wird durch das GVG/ZH errichtet und zwar für einen bestimmten sachlichen Zuständigkeitsbereich. Dieser umfasst Zivilprozesse mit einem Streitwert von mindestens 30'000 Franken zwischen Parteien, die als Firmen im Handelsregister eingetragen sind, sofern sich der Streit auf das von der Partei betriebene Gewerbe oder auf Handelsverhältnisse überhaupt bezieht ( § 62 Abs. 1 GVG /ZH). Das Zürcher Handelsgericht ist demnach ein auf Gesetz beruhendes Spezialgericht. Solche Spezialgerichte sind zulässig und stellen keine verfassungs- bzw. konventionswidrigen Ausnahmegerichte dar ( BGE 131 I 31 E. 2.1.2.1; BGE 123 I 49 E. 2b; BGE 119 Ia 81 E. 3 S. 83; je mit Hinweisen; GEROLD STEINMANN, in: Die schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, Ehrenzeller und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2008, N. 7 zu Art. 30 BV ; HAUSER/SCHWERI, Kommentar zum zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetz, 2002, N. 2 in Vorbem. zu § § 57 ff. GVG /ZH; vgl. auch Entscheid des Zürcher Kassationsgerichts vom 5. Februar 1996 E. II/1/a, in: ZR 96/1997 Nr. 20 S. 56). Dies bestreitet die Beschwerdeführerin denn auch nicht. Hingegen sieht sie die Unparteilichkeit des Handelsgerichts wegen seiner Zusammensetzung mit drei Fachrichtern und zwei Oberrichtern gefährdet. 3.5.1 Nach § 57 GVG /ZH besteht das Handelsgericht aus mindestens zwei Mitgliedern des Obergerichts und aus den Handelsrichtern. Die Zahl der Ersteren bestimmt das Obergericht, diejenige der BGE 136 I 207 S. 214 Handelsrichter der Kantonsrat. Das Obergericht wählt mit der Bestellung seiner Kammern die von ihm abzuordnenden Mitglieder des Handelsgerichts und aus ihrer Mitte den Präsidenten und den Vizepräsidenten ( § 58 GVG /ZH). Die Handelsrichter werden vom Kantonsrat aus einer von der Kommission für das Handelswesen gebildeten Liste gewählt, die doppelt so viele Vorschläge enthält, als Stellen zu besetzen sind. Wählbar ist nur, wer in einer Firma als Inhaber oder in leitender Stellung tätig ist oder während mindestens zehn Jahren eine solche Stellung bekleidet hat ( § 59 GVG /ZH). Das Handelsgericht wird für die Beurteilung der einzelnen Rechtssachen mit zwei Mitgliedern des Obergerichts und mit drei Handelsrichtern besetzt. Die Handelsrichter werden nach Möglichkeit unter Berücksichtigung ihrer Sachkunde bezeichnet ( § 60 GVG /ZH). 3.5.2 Handelsgerichte bestehen in den vier Kantonen Zürich, Bern, Aargau und St. Gallen, wo sie nach der Beurteilung des Bundesrates eine wichtige Rolle spielen (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], BBl 2006 7261 Ziff. 5.2.1; Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4311 Ziff. 4.1.3.1). Die Kantone, die sich für die Einführung von Handelsgerichten entschieden haben, wollen dem Gewerbe mit diesen eine in Handelssachen spezialisierte und fachkundige Justiz zur Verfügung stellen. Ein charakteristisches Merkmal der Handelsgerichtsbarkeit ist denn auch der Beizug von Fachrichtern (MEIER/RÜEGG, Handelsgerichtsbarkeit in der Schweiz, in: Europäische Handelsgerichtsbarkeit, Alexander Brunner [Hrsg.], 2009, S. 33 ff., 56). Da die Handelsgerichte als einzige kantonale Instanz entscheiden, ein innerkantonaler Instanzenzug somit wegfällt, führt ihre Rechtsprechung in der Regel zu einem raschen Verfahrensabschluss. Überdies zeichnen sich die Handelsgerichte durch eine hohe Vergleichsquote aus (vgl. Botschaft Bundesrechtspflege, a.a.O., S. 4311; ISAAK MEIER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2010, S. 63; MEIER/RÜEGG, a.a.O., 59). Der Bundesgesetzgeber hat in diesen Punkten (Zusammenwirken von Berufsrichtern und Fachrichtern aus den jeweils vom Streit betroffenen Branchen, Beschleunigung des Prozesses, viele Vergleiche) Vorteile der Handelsgerichtsbarkeit gesehen, die ihn beim Erlass des Bundesgerichtsgesetzes ( Art. 75 Abs. 2 lit. b BGG ) und der schweizerischen Zivilprozessordnung ( Art. 6 ZPO ) dazu bewogen haben, den Kantonen die Möglichkeit zu belassen, entsprechende, als einzige kantonale Instanz entscheidende Fachgerichte einzusetzen (vgl. Botschaft Bundesrechtspflege, a.a.O., BGE 136 I 207 S. 215 S. 4311 und Botschaft zur ZPO, a.a.O., S. 7261; CORBOZ, in: Commentaire de la LTF, Corboz und andere [Hrsg.], 2009, N. 34 zu Art. 75 BGG ). 3.5.3 Der Fokus der gesetzlichen Regelung der Zusammensetzung des Zürcher Handelsgerichts liegt vor dieser Zweckgebung auf dem Bemühen, dass Richter mitwirken, die ihrerseits in der Wirtschaft in massgebender Position tätig sind oder waren und daher Branchenkenntnisse mitbringen. Gewährleistet werden sollen Erfahrung und Fachkenntnisse in Handelssachen, zu deren Beurteilung das Handelsgericht institutionalisiert wurde. Hingegen geht es nicht um eine paritätische Zusammensetzung mit Vertretern der Interessengruppen beider Parteien, wie dies etwa bei Miet- und Arbeitsgerichten der Fall ist. Der Beizug von Fachrichtern beim Handelsgericht ist allein durch deren Fachkompetenz motiviert, die beiden Parteien gleichermassen zugutekommt. Meist stammen beide Parteien aus demselben Wirtschaftsbereich, in dem sich der Rechtsstreit abspielt. Gerade in der Mitwirkung der Fachrichter, die in der Regel der gleichen Branche wie die Parteien angehören und damit auch deren "Sprache" sprechen, liegt ein wichtiger Faktor für den Erfolg des Handelsgerichts (MEIER, a.a.O., S. 63). Für diese Konstellation ist die gesetzliche Zusammensetzung des Handelsgerichts konzipiert. 3.5.4 Es wird nicht anders zusammengesetzt, wenn ein Kläger, der nicht im Handelsregister als Firma eingetragen ist, von der Wahlmöglichkeit nach § 63 Ziff. 1 GVG /ZH Gebrauch macht und statt des zuständigen Bezirks-, Arbeits- oder Mietgerichts das Handelsgericht anruft. Wohl sind bei dieser Konstellation nicht beide Parteien im Handelsregister eingetragen. Doch auch hier vertreten die drei Handelsrichter nicht die Interessen der einen Seite, sondern gewährleisten die erforderliche Fachkunde. Diese zusätzliche Qualifikation zur Beurteilung der betreffenden Handelsstreitigkeit kommt auch der "privaten" Partei zugute. Vor allem aus diesem Grund, weil sie von der Fachkompetenz der Fachrichter profitieren will, wird denn auch eine nicht im Handelsregister eingetragene Partei das Handelsgericht wählen, neben dem Wunsch nach einer raschen Prozesserledigung (vgl. MEIER, a.a.O., S. 61). Da die Zusammensetzung des Gerichts auch in Verfahren nach § 63 Ziff. 1 GVG /ZH Fachkunde und nicht Interessenvertretung garantieren soll, schadet es nicht, dass keine paritätische Zusammensetzung Platz greift und dass die BGE 136 I 207 S. 216 drei Fachrichter im Gericht die Mehrheit ausmachen. Denn es kann nicht gesagt werden, diese würden von vornherein die Interessen der einen Partei vertreten, so dass der Spruchkörper aufgrund der Mehrheitsverhältnisse nicht unparteiisch zusammengesetzt sei. Hinzu kommt, dass die Partei, die das Handelsgericht nach § 63 Ziff. 1 GVG /ZH wählt, bewusst auf eine paritätische Zusammensetzung verzichtet, wie sie etwa beim Arbeitsgericht und Mietgericht besteht. Da der Beizug von Fachrichtern die Einbringung von Sachkunde und nicht die Vertretung von Brancheninteressen bezweckt (vgl. § 60 Abs. 2 GVG /ZH), bedeutet die Zusammensetzung des Handelsgerichts mit zwei Berufsrichtern und drei Fachrichtern auch in Prozessen nach § 63 Ziff. 1 GVG /ZH für sich allein noch keine Gefährdung der richterlichen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit (in diesem Sinne HAUSER/SCHWERI, a.a.O., N. 2 in Vorbem. zu §§ 57 ff., N. 3 zu § 61 GVG /ZH; vgl. auch MEIER/RÜEGG, a.a.O., S. 60; kritisch REGINA KIENER, Richterliche Unabhängigkeit, 2001, S. 121/122). Das schliesst nicht aus, dass in einem konkreten Fall hinlängliche Anhaltspunkte bestehen können, die einen bestimmten Fachrichter als befangen erscheinen lassen (für eine grosszügige Ausstandspraxis plädieren MEIER/RÜEGG, a.a.O., S. 60 und 73). Solche bringt die Beschwerdeführerin aber nicht vor. Sie beruft sich auf BGE 133 I 1 . Nach diesem Entscheid kann eine Ausstandspflicht gegeben sein, wenn das Richteramt - ausserhalb paritätisch besetzter Spezialgerichte - von eigentlichen Interessen- bzw. Branchenvertretern ausgeübt wird (E. 6.4.3 S. 7 mit Hinweisen). Auch dieser Entscheid bringt zum Ausdruck, dass eine paritätische Zusammensetzung nicht zwingend ist und ausserhalb einer solchen ein Ausstandsgrund lediglich gegeben sein kann , nicht aber a priori gegeben ist. Ohnehin bedeutet die Tatsache, dass als Handelsrichter nur wählbar ist, wer in einer Firma als Inhaber oder in leitender Stellung tätig ist oder während mindestens zehn Jahren eine solche Stellung bekleidet hat ( § 59 Abs. 2 GVG /ZH), nicht, dass die Handelsrichter als eigentliche Interessen- bzw. Branchenvertreter anzusehen wären. Die gegenteilige Behauptung der Beschwerdeführerin, wonach in Prozessen gegen Versicherungsgesellschaften "reine Interessen- oder Branchenvertreter" entscheiden würden, entbehrt der objektiven Grundlage. Wie dargelegt, vertreten die Handelsrichter auch in den Prozessen nach § 63 Ziff. 1 GVG /ZH nicht die Interessen der Beklagtenseite, die im Handelsregister eingetragen ist, sondern bringen unabhängig von Interessenbindungen ihre Fachkenntnisse BGE 136 I 207 S. 217 ein. Entscheidend ist zudem, dass sie tatsächlich frei von Weisungen ihrer allfälligen Arbeitgeber entscheiden. Objektive Anhaltspunkte für eine Einflussnahme seitens der Arbeitgeber bestehen im vorliegenden Verfahren nicht. Von daher erscheint der Prozess aus Sicht aller Beteiligten als offen. Im gleichen Sinn hat das Bundesgericht mehrfach festgehalten, dass der Umstand allein, dass ein medizinischer Fachrichter ausserhalb seiner richterlichen Funktion als beratender Arzt einer Versicherungsgesellschaft tätig ist, ihn in Beschwerdeverfahren, die andere Versicherer betreffen, nicht als befangen erscheinen lässt (Urteil 8C_837/2008 vom 26. Juni 2009 E. 5.4 mit Hinweisen). Wenn die Beschwerdeführerin allein wegen der Rekrutierung der drei Handelsrichter aus Versicherungskreisen befürchtet, die Meinungen seien schon gemacht und die Handelsrichter würden wegen ihrer Verbindungen z.B. über den Lobbyverein des Schweizerischen Versicherungsverbandes die Interessen der Versicherungskreise wahren, so beruht dies lediglich auf ihrer subjektiven Einschätzung. Sie nennt keine konkreten Anhaltspunkte, aufgrund derer die drei in ihrem Prozess amtierenden Handelsrichter, die sie nicht einmal namentlich bezeichnet, als eigentliche Interessenvertreter der Versicherungswirtschaft zu gelten hätten und in ihrer Meinungsbildung von dieser beeinflusst wären. Der gesetzlich vorgeschriebene Beizug von drei Fachrichtern mit Sachkunde aus dem Gebiet des Rechtsstreits bietet unter diesen Umständen keinen objektiven Grund, der die Handelsrichter als befangen erscheinen liesse. 3.5.5 Die Rüge, das Handelsgericht sei kein unabhängiges und unparteiisches Gericht im Sinn von Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK , müsste daher - wenn sie nicht als verwirkt zu betrachten wäre - als unbegründet abgewiesen werden. (...) 5. Eventuell beantragt die Beschwerdeführerin, es sei festzustellen, dass B. kein Handelsrichter ist und das Handelsgericht im vorliegenden Verfahren im Sinn von § 60 GVG /ZH ungenügend besetzt war. Dabei beruft sie sich auf den Umstand, dass Handelsrichter B. einen ausserkantonalen Wohnsitz habe und demnach die Wählbarkeitsvoraussetzung des Wohnsitzes im Kanton Zürich nicht erfülle. (...) 5.5 Eine andere Frage ist, ob die Möglichkeit der Bewilligung zur Weiterführung des Amtes nur bei Verlust der Wählbarkeitsvoraussetzung während der Amtsperiode gegeben ist, oder auch, um das Fehlen der Wählbarkeitsvoraussetzung bereits im Zeitpunkt der Wahl BGE 136 I 207 S. 218 bzw. Wiederwahl zu legitimieren. Letztere Möglichkeit würde bedeuten, dass der Gesetzgeber das Wahlorgan ermächtigt, auf eine gesetzliche Wählbarkeitsvoraussetzung zu verzichten, was sich rechtfertigen liesse, wenn die Wählbarkeitsvoraussetzung nicht die eigentliche Fähigkeit zur Amtsausübung garantieren soll, sondern anderen, untergeordneten Anliegen dient, wie das Wohnsitzerfordernis der Verbundenheit mit dem Kanton. § 35 des Gesetzes vom 1. September 2003 des Kantons Zürich über die politischen Rechte (GPR/ZH; LS 161) sieht die Möglichkeit der vorzeitigen Entlassung bzw. der Erlaubnis zur Weiterführung des Amtes dem Wortlaut nach nur für denjenigen vor, der die Wählbarkeit verliert . Ob dem Sinn nach eine nachträgliche Erlaubnis zur Ausübung des Amtes auch bei fehlender Wählbarkeitsvoraussetzung im Zeitpunkt der Wahl in Betracht kommt, braucht nicht entschieden zu werden, da nicht festgestellt ist, dass Handelsrichter B. über eine solche Erlaubnis verfügt, und über die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Problematik ohnehin nicht im vorliegenden Verfahren befunden werden kann (vgl. E. 5.7). Festzuhalten bleibt der Grundsatz, dass die Wahl einer Person, die die gesetzlichen Wählbarkeitsvoraussetzungen nicht erfüllt, rechtlich ausgeschlossen ist ( BGE 128 I 34 E. 1d S. 37; REGINA KIENER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 20 zu Art. 5 BGG ; ALAIN WURZBURGER, in: Commentaire de la LTF, Corboz und andere [Hrsg.], 2009, N. 9 zu Art. 5 BGG ; THOMAS SÄGESSER, Die Bundesbehörden, 2000, N. 14 zu Art. 143 BV ; WERNER BEELER, Personelle Gewaltentrennung und Unvereinbarkeit in Bund und Kantonen, 1983, S. 3). 5.6 Die Ungültigkeit der Wahl eines Richters, der bei der Wahl die gesetzlichen Wählbarkeitsvoraussetzungen nicht erfüllte, führt aus Rechtssicherheitsgründen nicht zur Nichtigkeit sämtlicher Entscheide, an denen er mitgewirkt hat. Jedoch sind solche Entscheide anfechtbar mit der Rüge, der Anspruch auf ein auf Gesetz beruhendes Gericht nach Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK sei verletzt. Die genannten Bestimmungen garantieren den Parteien insbesondere den Anspruch auf eine ordnungsgemässe Besetzung des Gerichts. Diese muss den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Der Anspruch auf ein auf Gesetz beruhendes Gericht ist namentlich verletzt, wenn ein Richter an einem Entscheid mitwirkt, nachdem er aus seinem Richteramt ausgeschieden ist (Urteil 1C_235/2008 vom 13. Mai 2009 E. 3.2.1 mit Hinweis auf die Rechtsprechung des EGMR; Urteil 2A.575/2005 vom 17. Januar 2006 E. 2.1.3). Das Gleiche muss BGE 136 I 207 S. 219 gelten, wenn ein Richter mitwirkt, dessen Wahl wegen Fehlens einer Wählbarkeitsvoraussetzung ungültig ist. Auch in diesem Fall ist der Spruchkörper nicht in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorschriften besetzt, indem ein de lege nicht gültig gewählter Richter mitwirkt. 5.7 Die Beschwerdeführerin focht nicht allenfalls bereits getroffene Entscheide im hängigen Haftpflichtprozess an, bei denen Handelsrichter B. mitgewirkt hätte, und beantragte nicht deren Aufhebung wegen Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK . Hingegen machte sie das Fehlen einer Wählbarkeitsvoraussetzung, den ausserkantonalen Wohnsitz von Handelsrichter B., im Rahmen eines Ausstandsverfahrens nach § § 95 ff. GVG /ZH geltend. Sie hat damit das falsche Verfahren beschritten. Da die Verletzung des Wohnsitzerfordernisses, auch in seiner Bedeutung als Wählbarkeitsvoraussetzung, keinen Ausschluss- oder Ablehnungsgrund nach § § 95 ff. GVG /ZH bildet (HAUSER/SCHWERI, a.a.O., N. 3 zu § 3 GVG /ZH; vgl. auch N. 3 Vorbem. zu § § 95 ff. GVG /ZH), ist die Verwaltungskommission des Obergerichts zu Recht auf die entsprechende Rüge nicht eingetreten und hat das Kassationsgericht dies zu Recht geschützt. Auch hat Letzteres zutreffend erkannt, dass aus dem in diesem Zusammenhang stehenden Verhalten von Handelsrichter B. (keine Meldung des ausserkantonalen Wohnsitzes an den Kantonsrat, Festhalten am Handelsrichterstatus) kein Ablehnungsgrund konstruiert werden kann, der im Verfahren nach § § 95 ff. GVG /ZH zu prüfen wäre. Die Beschwerde erweist sich daher in diesem Punkt als unbegründet. Es ist auch nicht Sache des Bundesgerichts als angerufene Beschwerdeinstanz, seinerseits die Rüge betreffend die fehlende Wählbarkeitsvoraussetzung zu beurteilen. Es hat im Rahmen der Beschwerde gegen die angefochtenen Beschlüsse der Verwaltungskommission des Obergerichts und des Kassationsgerichts nur zu prüfen, ob diese Instanzen zu Recht auf die entsprechende Rüge nicht eingetreten sind oder nicht. Ohnehin ist fraglich, ob auf das blosse Feststellungsbegehren, wonach festzustellen sei, "dass B. kein Handelsrichter ist und das Handelsgericht im vorliegenden Verfahren im Sinn von § 60 GVG /ZH ungenügend besetzt war" überhaupt einzutreten wäre. Es ist nicht ersichtlich, worin ein schutzwürdiges Feststellungsinteresse bestehen könnte, nachdem die Beschwerdeführerin ihr Begehren nur auf die Vergangenheit bezieht ("... ungenügend besetzt war"), aber die Aufhebung bereits getroffener Entscheide nicht verlangt.
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Sachverhalt ab Seite 29 BGE 144 III 29 S. 29 A. A.a Le 17 septembre 2004, C.C. et D.D., copropriétaires de la parcelle n° 4760 de la commune de U., ont signé une offre de crédit établie le 13 du même mois par la Banque A. Ce contrat prévoyait BGE 144 III 29 S. 30 qu'ils étaient au bénéfice d'une limite de crédit de construction en compte courant augmentée à hauteur de 715'000 fr. et que le taux des intérêts débiteurs était fixé à 3,65 %. Il imposait, à titre de garantie, la cession en propriété par les copropriétaires d'une cédule hypothécaire au porteur en 1 er rang, à augmenter à 655'000 fr., grevant la parcelle n° 4760. Par acte du même jour, les copropriétaires ont cédé à la Banque A., à titre de garantie, la propriété de la cédule hypothécaire au porteur en 1 er rang de 655'000 fr. en vue d'assurer le remboursement des prétentions que la banque avait ou aurait contre eux "en vertu du crédit/limite d'engagement de 715'000 fr. confirmé par lettre du 13 septembre 2004, ainsi que de ses modifications et renouvellements ultérieurs, et des autres engagements résultant des relations d'affaires entre la Banque A. et le débiteur dont ce dernier pourrait se trouver redevable ou garant en faveur de la Banque A." Le 13 octobre 2004, le conservateur du registre foncier d'Aigle a établi la cédule hypothécaire au porteur n° x/x d'un montant de 655'000 fr. grevant la parcelle n° 4760 de la commune de U. Ce titre prévoyait notamment que, moyennant un préavis de six mois, le créancier ou le débiteur pouvait dénoncer en tout temps le prêt au remboursement total ou partiel, que les intérêts et échéances étaient fixés d'entente entre parties et qu'un taux maximum de 10 % l'an était inscrit au registre foncier. Il était encore précisé que la cédule était de premier rang. A.b A.b.a Par courriers recommandés adressés le 19 mai 2006 aux copropriétaires, la Banque A. a résilié le contrat de prêt et dénoncé au remboursement la cédule hypothécaire n° x/x. Pour le surplus, elle a mis en demeure les débiteurs de lui faire parvenir jusqu'au 24 novembre 2006 le montant de 892'988 fr., représentant le solde de son crédit au 31 mars 2006, plus intérêt au taux de 5,65 % l'an sur 715'000 fr. du 1 er avril au 14 mai 2006, puis de 7,65 % l'an à partir du 15 mai 2006, 10 % l'an sur le surplus, plus la commission trimestrielle de 0,25 % sur le solde débiteur le plus élevé. A.b.b Le 22 février 2007, la Banque A. a fait notifier aux copropriétaires des commandements de payer, poursuites en réalisation de gage immobilier, par lesquels elle a requis le paiement de 655'000 fr. plus intérêt à 10 % l'an dès le 20 février 2004. Les commandements de payer mentionnaient comme cause de l'obligation: "Capital dû sur BGE 144 III 29 S. 31 la cédule hypothécaire n° x/x du registre foncier d'Aigle, grevant en 1 er rang la parcelle décrite, dénoncée au remboursement par lettre recommandée avec accusé de réception du 19.05.2006." Les copropriétaires ont formé opposition totale aux commandements de payer. Ils ont contesté la créance et le droit de gage. A.b.c Le Juge de paix des districts d'Aigle et du Pays-d'Enhaut a prononcé la mainlevée provisoire de l'opposition formée par les débiteurs. Par arrêts du 29 novembre 2007, la Cour des poursuites et faillites du Tribunal cantonal vaudois a rejeté les recours de ceux-ci. Par jugement du 10 octobre 2013, la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois a rejeté l'action en libération de dette ouverte par les débiteurs. Elle les a condamnés, solidairement entre eux, à payer à la Banque A. la somme de 886'334 fr. 80, plus intérêts à 5,65 % l'an du 1 er avril au 14 mai 2006 et à 7,65 % l'an dès le 15 mai 2006, sous déduction de 15'000 fr. valeur au 30 mai 2006, de 18'500 fr. 45 valeur au 24 août 2006, de 247 fr. 35 valeur au 5 janvier 2007 et de 84'500 fr. valeur au 19 novembre 2010. B. B.a B. est au bénéfice d'une hypothèque légale des artisans et entrepreneurs sur la parcelle n° 4760 de la commune de U. Par courrier du 4 avril 2014, il a requis de l'Office des poursuites du district d'Aigle (ci-après: office) la vente de cette parcelle. B.b Suite à la publication de la vente aux enchères agendée le 22 octobre 2014, la Banque A. a demandé à l'office l'inscription de sa créance à hauteur de 942'982 fr. 85, qu'elle a rectifiée par la suite en la réduisant à 892'613 fr. 35. Elle a détaillé les sommes dues au jour des enchères à raison de 655'000 fr. en paiement du capital du titre hypothécaire n° x/x du Registre foncier d'Aigle, 231'433 fr. 55 en paiement des intérêts au taux de 10 % du 10 avril 2011 au 22 octobre 2014, et 6'180 fr. en paiement des frais de poursuite et de mainlevée. L'office a établi l'état des charges de la parcelle et a inscrit la créance de la Banque A. dans les termes correspondant à sa production. Par courrier du 18 août 2014, B. a requis de l'office la rectification de l'état des charges concernant le gage conventionnel produit par la Banque A., en ce sens que seuls les intérêts conventionnels sur trois années fussent retenus. Le 19 août 2014, l'office lui a imparti un délai de 20 jours pour ouvrir action en contestation de l'état des charges. BGE 144 III 29 S. 32 B.c Statuant sur l'action en contestation de l'état des charges introduite par B. contre la Banque A., la Chambre patrimoniale cantonale vaudoise a dit que le montant du gage conventionnel de la Banque A. porté à l'état des charges établi le 11 août 2014 dans les poursuites en réalisation de gage n os y et z par l'Office des poursuites du district d'Aigle s'élève à 655'000 fr., plus intérêt au taux conventionnel de 7,65 % l'an du 9 avril 2011 au 22 octobre 2014 et que l'état des charges doit être modifié en ce sens. B.d Par arrêt du 22 août 2016, notifié en expédition complète le 10 octobre 2016, la Cour d'appel civile du Tribunal cantonal vaudois a rejeté l'appel de la Banque A. contre ce jugement. C. Délibérant le 26 octobre 2017 en séance publique, le Tribunal fédéral a admis le recours interjeté par la Banque A. Il a renvoyé la cause à l'autorité cantonale pour qu'elle détermine le taux de l'intérêt cédulaire et applique ce taux au capital de la créance cédulaire. (résumé)
2,351
1,265
Erwägungen Extrait des considérants: 4. La question qui se pose est de savoir si les intérêts effectivement dus, qui sont garantis au créancier aux termes de l' art. 818 al. 1 ch. 3 CC , se réfèrent à ceux de la créance de base ou à ceux de la créance cédulaire (cf. infra consid. 4.4). Pour y répondre, il faut tout d'abord déterminer si l' art. 818 CC s'applique à la présente cause dans sa teneur issue de la révision du Code civil du 11 décembre 2009, entrée en vigueur le 1 er janvier 2012 (cf. infra consid. 4.1). Il y a lieu ensuite de rappeler les principes relatifs à l'utilisation de la cédule hypothécaire aux fins de garantie fiduciaire (cf. infra consid. 4.2) et à la fixation d'un intérêt (cf. infra consid. 4.3). 4.1 Le droit de la cédule hypothécaire a été modifié lors de la révision du Code civil du 11 décembre 2009, entrée en vigueur le 1 er janvier 2012 (RO 2011 4637 ss, 4657). Suite à cette modification, l' art. 818 al. 1 ch. 3 CC prévoit que le gage immobilier garantit au créancier les intérêts de trois années échus au moment de l'ouverture de la faillite ou de la réquisition de vente et ceux qui ont couru depuis la dernière échéance; la cédule hypothécaire ne garantit au créancier que les intérêts effectivement dus. Dans sa version antérieure, il ne contenait pas cette limitation relative aux intérêts. BGE 144 III 29 S. 33 La cédule hypothécaire remise en garantie avant l'entrée en vigueur du nouveau droit est soumise à l'ancien droit (art. 1 al. 1 et 26 al. 1 Tit. fin. CC). En revanche, pour le calcul des intérêts, le nouvel art. 818 al. 1 ch. 3 CC est applicable immédiatement aux cédules hypothécaires existantes ( art. 26 al. 2 Tit. fin. CC ; ATF 140 III 180 consid. 3 et 5.1.2; cf. entre autres: STAEHELIN, in Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, vol. II, 5 e éd. 2015, n° 19 ad art. 846 CC et les références). Le nouveau droit s'applique dès lors à la présente cause. 4.2 Sous l'empire du droit antérieur à la révision comme sous le nouveau droit, la cédule hypothécaire est une créance personnelle garantie par un gage immobilier ( art. 842 al. 1 CC ). Elle incorpore à la fois la créance et le droit de gage immobilier, qui en est l'accessoire ( ATF 140 III 180 consid. 5.1 et les références). Le premier élément constitutif d'une cédule hypothécaire est une créance nouvelle, qui prend naissance avec la constitution de la cédule. La loi oppose cette (nouvelle) créance cédulaire à la créance issue du rapport de base entre le créancier et le débiteur, c'est-à-dire la créance que les parties veulent garantir au moyen de la cédule hypothécaire; mais seule la créance reconnue dans la cédule hypothécaire est garantie par le gage immobilier, dont il est l'accessoire. La relation entre ces deux créances dépend du mode d'utilisation de la cédule que les parties sont libres de choisir. L' art. 842 al. 2 CC présume toutefois l'utilisation en garantie fiduciaire (STEINAUER, Les droits réels [ci-après: Droits réels], tome III, 4 e éd. 2012, n. 2927, 2936 s., 2954). Lorsque les parties conviennent - par contrat de fiducie - que la cédule hypothécaire est remise au créancier en propriété à titre fiduciaire aux fins de garantie (garantie fiduciaire), il n'y a pas novation de la créance garantie; la créance incorporée dans la cédule se juxtapose à la créance garantie en vue d'en faciliter le recouvrement. On distingue alors la créance abstraite (ou créance cédulaire) garantie par le gage immobilier, incorporée dans la cédule hypothécaire, et la créance causale (ou créance garantie ou encore créance de base) résultant de la relation de base, en général un contrat de prêt, pour laquelle la cédule a été remise en garantie. Ces deux créances sont indépendantes l'une de l'autre ( ATF 140 III 180 consid. 5.1.1 et les références). La créance abstraite incorporée dans la cédule hypothécaire doit faire l'objet d'une poursuite en réalisation de gage immobilier; la BGE 144 III 29 S. 34 créance causale doit faire l'objet d'une poursuite ordinaire ( ATF 140 III 180 consid. 5.1.1 et les références). Le créancier qui introduit la poursuite en réalisation de gage immobilier poursuit la créance abstraite incorporée dans le titre ( Schuldbriefforderung ), et non la créance garantie ( Grundforderung ; arrêt 5A_226/2007 du 20 novembre 2007 consid. 5.1). Dans ce cas, si la créance causale (en capital et intérêts) est d'un montant inférieur à la créance abstraite, le débiteur poursuivi peut opposer les exceptions personnelles dont il dispose contre le poursuivant (propriétaire fiduciaire), conformément au contrat de fiducie, en particulier celle consistant à exiger la limitation de la somme réclamée au montant de la créance causale ( ATF 140 III 180 consid. 5.1.2; ATF 136 III 288 consid. 3.2). 4.3 La créance cédulaire porte intérêt seulement si les parties l'ont prévu expressément ( art. 795 CC ; DÜRR/ZOLLINGER, Zürcher Kommentar, Das Grundpfand, vol. IV 2b/2, 2 e éd. 2013, n os 60 et 91 ad art. 818 CC ; STAEHELIN, op. cit., n° 16 ad art. 846 CC ; STEINAUER, Droits réels, op. cit., n. 2645 et 2646). Le taux d'intérêt, fixe ou variable, peut être convenu librement entre les parties, dans les limites de l' art. 795 CC . Les parties peuvent décider d'appliquer à la créance cédulaire un taux différent de celui prévu pour la créance de base (STEINAUER, La cédule hypothécaire, 2016, n os 47 s. ad art. 846 CC ). Ce taux convenu entre les parties pour l'intérêt cédulaire ne doit toutefois pas être confondu avec le taux maximal de ce même intérêt, inscrit au Registre foncier ( art. 101 al. 2 let . e de l'ordonnance du 23 septembre 2011 sur le registre foncier [ORF; RS 211.432.1];STAEHELIN, op. cit., n os 16 et 28 ad art. 846 CC ; STEINAUER, op. cit., n° 46 ad art. 846 CC ). La créance d'intérêt bénéficie de la garantie du droit de gage, dans les limites de l' art. 818 al. 1 ch. 3 CC (DÜRR/ZOLLINGER, op. cit., n° 56 ad art. 818 CC ). 4.4 4.4.1 La loi s'interprète en premier lieu selon sa lettre (interprétation littérale). Si le texte n'est pas absolument clair, si plusieurs interprétations de celui-ci sont possibles, le juge recherchera la véritable portée de la norme au regard notamment de la volonté du législateur telle qu'elle ressort notamment des travaux préparatoires (interprétation historique), du but de la règle, de son esprit, ainsi que des valeurs sur lesquelles elle repose, singulièrement de l'intérêt protégé (interprétation téléologique), ou encore de sa relation avec d'autres BGE 144 III 29 S. 35 dispositions légales (interprétation systématique). Lorsqu'il est appelé à interpréter une loi, le Tribunal fédéral adopte une position pragmatique en suivant ces différentes interprétations, sans les soumettre à un ordre de priorité ( ATF 143 II 202 consid. 8.4; ATF 143 I 109 consid. 6 in initio). 4.4.2 L'interprétation littérale de l'art. 818 al. 1 ch. 3, 2 e phrase, CC ne permet pas de circonscrire clairement ce qu'il faut comprendre par l'expression "intérêts effectivement dus" ("die tatsächlich geschuldeten Zinsen" / "interessi effettivamente dovuti"). La doctrine s'est largement saisie de cette question au regard des débats parlementaires qui ont été menés à ce sujet (cf. infra consid. 4.4.3.7). En effet, lorsque la cédule hypothécaire est utilisée à des fins de garantie, deux créances produisant des intérêts coexistent. Cette phrase peut donc être lue comme signifiant que les intérêts en cause sont ceux portés par la créance de base, mais peut aussi être comprise comme étant ceux portés par la créance cédulaire. 4.4.3 4.4.3.1 Sous l'angle de l'interprétation historique, pour comprendre les débats qui ont eu lieu au sujet de la modification de l' art. 818 al. 1 ch. 3 CC (cf. infra consid. 4.4.3.3 ss), il faut exposer la jurisprudence que le Tribunal fédéral a rendue en application de cet article dans son ancienne teneur (cf. infra 4.4.3.2). 4.4.3.2 Dans l'arrêt publié aux ATF 115 II 349 , le Tribunal fédéral a jugé que, si l'accord le prévoit, la cédule hypothécaire garantit toute prétention découlant du rapport de base, à concurrence du montant de son capital ainsi que de l'intérêt courant et des intérêts de trois ans. Cela vaut même si les intérêts produits par la créance de base sont payés et que la cédule hypothécaire a été constituée depuis moins de trois ans. En d'autres termes, le Tribunal fédéral a admis la couverture d'intérêts purement comptables qui n'existent pas matériellement et permettent ainsi d'augmenter le montant du capital garanti par le gage. Il a qualifié cette situation de "Maximalhypothek im Kleide einer Kapitalhypothek". Il a justifié cette solution en retenant que les créanciers gagistes de rang postérieur n'en subissent aucun inconvénient puisqu'ils doivent de toute manière partir du principe que l' art. 818 al. 1 CC trouvera application. Cette jurisprudence fédérale n'a, à l'époque, pas donné lieu à de grandes discussions. Un auteur souligne que le système de l'ancienne loi n'interdisait d'ailleurs pas le paiement d'un intérêt théorique BGE 144 III 29 S. 36 (PIOTET, La nouvelle cédule de registre, Not@lex 2010 p. 1 ss [10 s.]). Les quelques critiques émises au sujet de l' ATF 115 II 349 ne portaient, en majorité, que sur le droit du créancier de faire valoir trois années d'intérêts abstraits et d'étendre le montant garanti par le gage, et non directement sur le fait que les intérêts cédulaires pouvaient alors servir à obtenir le paiement du capital de la créance de base (STAEHELIN, in Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, vol. II, 3 e éd. 2007, n° 26 ad art. 854 CC ; ZOBL, Die Ablösung von durch Grundpfandverschreibung sichergestellten Forderungen, in Der Allgemeine Teil und das Ganze, Liber Amicorum für Hermann Schulin, 2002, p. 195 ss [199]; le même , déjà avant la publication de l'arrêt précité: Zur Sicherungsübereignung von Schuldbriefen, RNRF 68/1987 p. 281 ss [292]; le même , Probleme bei der Verpfändung von Eigentümerschuldbriefen, RNRF 59/1978 p. 193 ss [220]; voir aussi MOSER, Die Verpfändung von Grundpfandtiteln, 1989, p. 160). 4.4.3.3 Dans leur rapport du 22 novembre 2002, les experts mandatés par l'Office fédéral de la justice ont souligné que la jurisprudence précitée faisait l'objet de critiques mais qu'elle était claire et ne créait pas d'incertitude juridique. Ils ont néanmoins proposé, si les besoins de la pratique l'exigeaient, que l' art. 818 al. 1 ch. 3 CC soit modifié de façon à ce que le droit de gage sur les intérêts ne couvre que les intérêts depuis la naissance matérielle de la créance hypothécaire. Ils ont ainsi suggéré que le chiffre 3 soit formulé ainsi: "für die drei zur Zeit der Konkurseröffnung oder des Pfandverwertungsbegehrens verfallene effektiv geschuldete Jahreszinse und den seit dem letzten Zinstage laufenden effektiven Zins. Beim Schuldbrief beginnt der Zins frühestens mit der materiellen Entstehung der Schuldbriefforderung." (WIEGAND/BRUNNER, Vorschläge zur Ausgestaltung des Schuldbriefes als papierloses Registerpfand, 2003, p. 42 ss, 45). 4.4.3.4 Dans son rapport explicatif de mars 2004 relatif à l'avant-projet (p. 39 s.), la Commission d'experts mandatée par le Conseil fédéral a critiqué le fait que les intérêts de la cédule hypothécaire puissent être réclamés pour couvrir la créance en capital, même si la créance des intérêts proprement dits découlant du rapport de base a déjà été acquittée, et que la convention de sûretés puisse déployer ses effets même si la cédule hypothécaire a été établie depuis moins de trois ans. Elle a considéré, contrairement à l'avis du Tribunal fédéral, que les créanciers gagistes subséquents doivent pouvoir se fier à ce que le cours des intérêts ne commence qu'au moment de la naissance de la créance de la cédule hypothécaire et non pas, de BGE 144 III 29 S. 37 manière fictive, avant la constitution de la cédule hypothécaire. Dits créanciers devraient également pouvoir compter sur le fait que le droit de gage sur intérêts ne peut être utilisé que pour des intérêts réellement échus. Pour ces motifs, la Commission d'experts a complété le chiffre 3 de l' art. 818 al. 1 CC par une deuxième phrase qui précise que la cédule hypothécaire garantit au créancier uniquement les intérêts effectivement dus (jusqu'à hauteur du taux d'intérêt maximal inscrit au registre foncier). 4.4.3.5 Dans son Message, le Conseil fédéral a retenu, pour des motifs identiques à ceux énoncés par la Commission d'experts, que la conception du Tribunal fédéral, qui admet des intérêts comptables, ne devait pas être suivie (Message du 27 juin 2007 concernant la révision du Code civil suisse [Cédule hypothécaire de registre et autres modifications des droits réels], FF 2007 5015 ss, 5049 s. ch. 2.2.2.1). 4.4.3.6 Le texte proposé aux Chambres fédérales, repris par le Conseil fédéral de celui de la Commission d'experts, a été rejeté par le Conseil des Etats, accepté par le Conseil national, puis accepté par les deux Chambres. Lors de la session d'été 2008, la Commission juridique du Conseil des Etats a, sur intervention du Conseiller aux Etats Rolf Schweiger, proposé de biffer la deuxième phrase du chiffre 3 de l' art. 818 al. 1 CC pour aider les banques à obtenir une masse supplémentaire de crédit avec laquelle elles pouvaient conserver une certaine latitude. Cette proposition a été adoptée. Toutefois, lors de la session d'automne 2009, la Commission juridique du Conseil des Etats a proposé de suivre le vote du Conseil national; elle a souligné que la Commission juridique du Conseil national avait exposé que seuls devaient être garantis les intérêts qui trouvaient leur origine dans l'accord concret auquel la cédule hypothécaire était soumise et que si une banque voulait obtenir une meilleure garantie, elle devait établir une cédule hypothécaire d'un montant plus élevé. La Commission a aussi relevé qu'il était abusif de considérer des intérêts forfaitaires de trois ans comme une couverture supplémentaire pour n'importe quelle prétention. Suite à l'exposé de l'avis de la Commission, le Conseiller aux Etats Schweiger est à nouveau intervenu. Il a soutenu que la solution consacrée par le Tribunal fédéral correspondait aux besoins concrets des milieux immobiliers où il était pratique courante que le montant du prêt ne corresponde pas au montant du gage et que plusieurs cédules hypothécaires servent à garantir un BGE 144 III 29 S. 38 prêt. Cette solution permettait d'éviter que les cédules hypothécaires soient constamment modifiées, sans pour autant que le débiteur soit menacé de devoir payer un montant plus élevé que ce qu'il devait réellement au total. La Conseillère fédérale Eveline Widmer-Schlumpf s'est déterminée sur cette intervention. Elle a souligné qu'il était courant qu'une cédule hypothécaire garantisse n'importe quelle prétention jusqu'au montant total en capital et intérêts, même si, en réalité, la dette d'intérêts était éteinte. Cela conduisait à ce qu'un gage serve à couvrir une somme en capital augmentée du montant d'intérêts purement comptables. La proposition du Conseil fédéral visait ainsi à mettre un terme à cette pratique par laquelle le gage constitué pour les intérêts puisse couvrir une prétention autre que d'intérêts; seuls les intérêts effectivement dus devaient être garantis par le gage ("Mit der vorgeschlagenen Präzisierung soll inskünftig die zweckwidrige Verwendung des sogenannten Zinsenpfandrechts zur Sicherung von anderen Forderungen als Zinsforderungen ausgeschlossen werden. Es sollen nur noch effektiv geschuldete Zinsen pfandgesichert sein."). Suite à ces débats, le Conseil des Etats a adhéré à la proposition de la Commission. 4.4.3.7 Il ressort de ce qui précède que la volonté parlementaire expressément affichée est de modifier l'ATF 115 précité dans deux paramètres: premièrement, le créancier hypothécaire ne peut faire valoir que les intérêts cédulaires effectivement dus, au maximum de trois années jusqu'à l'ouverture de la faillite ou de la réquisition de vente et ceux qui ont couru depuis la dernière échéance, à l'exclusion d'intérêts purement abstraits sur trois années; secondement, le créancier hypothécaire ne peut pas utiliser ces intérêts cédulaires pour obtenir le paiement du capital de la créance de base en additionnant ceux-ci au capital de la créance cédulaire, au cas où ils seraient plus élevés que les intérêts dus sur la créance de base. 4.4.3.8 La solution retenue par le Parlement peut, selon le montant des créances d'intérêts qui coexistent, priver le créancier gagiste d'une partie de son gage, soit des intérêts cédulaires pourtant dus en vertu du contrat de gage. Le créancier gagiste ne peut plus, au moyen de la cédule hypothécaire, obtenir le paiement de l'entier des dettes issues du rapport de base, même si le montant total de cette cédule, en capital et intérêts effectivement dus, ne dépasse pas le montant total de la créance de base, en capital et intérêts. Si le Parlement avait mis uniquement un terme à la pratique autorisant le BGE 144 III 29 S. 39 créancier gagiste à étendre, de façon abstraite, le montant (total) garanti par le gage, la position des créanciers gagistes postérieurs aurait déjà été suffisamment protégée. Ceux-ci auraient eu l'assurance que le créancier gagiste antérieur n'aurait pu ni augmenter fictivement le capital de la créance cédulaire, ni obtenir plus que le montant total de la créance de base, en capital et intérêts, étant donné que, de jurisprudence constante, le débiteur poursuivi peut exiger la limitation du montant réclamé à celui de la créance de base garantie (art. 842 al. 3 et 849 al. 1 CC; ATF 140 III 180 consid. 5.1.2; ATF 136 III 288 consid. 3.2; arrêt 5A_226/2007 du 20 novembre 2007 consid. 5.1). Ils auraient pu s'attendre à ce que le gage immobilier couvre l'entier des intérêts cédulaires effectifs sur trois ans au maximum au moment de l'ouverture de la faillite ou de la réquisition de vente et ceux qui ont couru depuis la dernière échéance; qu'importe en revanche si ceux-ci auraient permis, en fin de compte, de payer le capital ou les intérêts issus de la créance de base. Ce seul changement aurait suffi à mettre un terme à l'utilisation d'une hypothèque en capital comme hypothèque maximale: le montant de la créance est déterminé, celui des montants accessoires restant en revanche variable, dans les limites imposées par l' art. 818 CC . La doctrine a, elle aussi, critiqué ce changement qui met un terme à la conception selon laquelle la garantie se comprend comme un tout et doit permettre au créancier gagiste d'obtenir le paiement de l'entier de sa créance, en capital et intérêts. Elle a relevé qu'il est paradoxal de consacrer une présomption d'utilisation en garantie fiduciaire de la cédule hypothécaire ( art. 842 al. 2 CC ; supra consid. 4.2), d'une part, mais de porter atteinte à ce système fondé sur une stricte séparation entre la créance cédulaire et celle issue du rapport de base, d'autre part. Elle a aussi fait remarquer qu'une telle conception entraîne des problèmes pratiques lorsque la cédule hypothécaire garantit plusieurs créances du rapport de base qui porte des intérêts différents ou lorsque, dans un contrat de compte courant, les intérêts sont ajoutés au capital (DÜRR/ZOLLINGER, op. cit., n os 86 ss ad art. 818 CC ; GAMMETER, Der Register-Schuldbrief und die Sicherungsübereignung, Jusletter 21 février 2011 p. 5; STAEHELIN, op. cit., n os 21 et 24 ad art. 846 CC ; le même , Der sicherungseingetragene vinkulierte zinstragende Register-Schuldbrief mit separaten Nebenvereinbarungen [ci-après: Register-Schuldbrief],in Innovatives Recht, Festschrift für Ivo Schwander, 2011, p. 209 ss [221];WEISS, Die gesetzliche Verankerung der Sicherungsübereignung - eine kritische BGE 144 III 29 S. 40 Auseinandersetzung mit dem bundesrätlichen Entwurf zum neuen Schuldbriefrecht, RJB 2/2009 p. 125 ss [128 s.]). Enfin, elle a souligné qu'ilallait de soi que seuls les intérêts effectivement dus pour la créance de base peuvent donner lieu à la mise en oeuvre de la cédule hypothécaire (STEINAUER, op. cit., n° 210 ad art. 842 CC ). Malgré ces critiques, il faut s'en tenir à la volonté clairement exprimée par le législateur qui interdit désormais d'utiliser les intérêts cédulaires pour couvrir une créance en capital fondée sur le rapport de base (STAEHELIN, op. cit., n° 24 ad art. 846 CC ). En effet, lorsque la loi est récente, les travaux préparatoires constituent un élément de compréhension important auquel il faut essentiellement recourir pour interpréter une norme ( ATF 137 III 470 consid. 6.5.2). Ces travaux revêtent dans tous les cas une place particulière lorsque les circonstances ne se sont pas modifiées et que les conceptions juridiques n'ont pas évolué ( ATF 140 III 206 consid. 3.5.4 et les références). Dans une telle situation l'interprétation historique se confond avec l'interprétation téléologique (EMMENEGGER/TSCHENTSCHER, Berner Kommentar, Einleitung, vol. I, 2012, n° 177 ad art. 1 CC ). 4.4.4 A l'occasion des discussions qui portaient sur l'étendue temporelle du gage, objet de l' art. 818 al. 1 ch. 3 CC , les parlementaires ont également débattu de l'utilisation des intérêts cédulaires - sans doute parce que ces deux questions étaient traitées dans l'ATF 115 précité. Toutefois, l'utilisation des intérêts cédulaires est un problème distinct de celui de l'étendue de la garantie, soit le montant à hauteur duquel le gage peut garantir la créance si la réalisation aboutit à un résultat suffisant (cf. entre autres: EIGENMANN, Les modifications des dispositions générales sur les gages immobiliers, in La réforme des droits réels immobiliers, 2012, p. 81 ss [86];SCHMID-TSCHIRREN, in ZGB, Kommentar, 3 e éd. 2016, n° 1 ad art. 818 CC ). Cette manière dont le législateur a abordé les questions a d'ailleurs amené certains auteurs à soutenir que l' art. 818 al. 1 ch. 3 CC a pour objet les intérêts portés par la créance de base (DUBOIS, in Commentaire romand, Code civil, vol. II, 2016, n° 22 ad art. 818 CC ; DÜRR, Der neue Register-Schuldbrief und sein Einsatz, RSJ 108/2012 p. 133 ss [137];FOËX, Nouveautés en matière de droits de gages immobiliers, in Journée 2011 de droit bancaire et financier, 2012, p. 77 ss [93];THIER, in ZGB, Kurzkommentar, 2012, n° 5 ad art. 818 CC ). Pour les motifs évoqués ci-dessus, il faut s'en tenir à la volonté du législateur selon laquelle les intérêts cédulaires ne peuvent servir à BGE 144 III 29 S. 41 couvrir que les intérêts de la créance de base, et non le capital de celle-ci. En revanche, il n'en demeure pas moins que l' art. 818 al. 1 ch. 3 CC règle, comme sous l'ancien droit, les intérêts cédulaires. L'avis des auteurs précités ne doit donc pas être suivi. Premièrement, d'un point de vue historique, le but de protection énoncé dans les travaux préparatoires se rapporte aux intérêts cédulaires (STEINAUER, op. cit., n° 210 ad art. 842 CC ). Secondement, d'un point de vue systématique, l' art. 818 CC se trouve dans les dispositions générales sur le gage immobilier et règle l'étendue de la garantie procurée par le gage immobilier. Il s'applique donc tant à l'hypothèque qu'à la cédule hypothécaire ( art. 793 CC ). S'agissant de la garantie des intérêts, son interprétation ne pose problème qu'en lien avec la cédule hypothécaire, utilisée aux fins de garantie fiduciaire, qui donne lieu à la coexistence de deux créances. La deuxième phrase de l' art. 818 al. 1 ch. 3 CC ne fait d'ailleurs mention que de la cédule hypothécaire. La cédule hypothécaire peut certes être constituée pour garantir une créance de base. En revanche, par définition, le droit de gage garantit la créance cédulaire ( art. 842 al. 2 CC ) dont il est l'accessoire, et non la créance de base (STEINAUER, op. cit., n° 32 ad art. 842 CC ; ATF 140 III 180 consid. 5.1.4; arrêt 5A_295/2012 du 9 octobre 2012 consid. 4.2.1, in Pra 46/2013 p. 354 et in SJ 2013 I p. 417). Il s'agit d'une créance nouvelle qui prend naissance avec la constitution de la cédule, indépendante de la créance de base que les parties veulent garantir et dont les intérêts suivent un régime propre, distinct de celui de la créance de base (cf. supra consid. 4.2 et 4.3). Faute d'une convention sur les intérêts cédulaires, la créance cédulaire n'en porte pas, même si, en cas d'utilisation fiduciaire, les parties ont prévu un intérêt pour la créance de base. En effet, la cause de la créance cédulaire n'est pas le rapport juridique de base (STEINAUER, op. cit., n° 45 ad art. 846 CC ). Les deux créances font du reste l'objet de poursuites de nature différente, l'une en réalisation du gage et l'autre ordinaire ( ATF 140 III 180 consid. 5.1.1; ATF 136 III 288 consid. 3.1). Admettre que l' art. 818 al. 1 ch. 3 CC règle les intérêts de la créance de base conduit à retenir de manière incohérente que les intérêts dont cette norme fait état sont ceux de la créance de base lorsque la cédule est utilisée aux fins de garantie fiduciaire, mais ceux de la créance cédulaire lorsque la cédule est utilisée selon un autre mode. 4.4.5 En résumé, l' art. 818 al. 1 ch. 3 CC a pour objet les intérêts cédulaires (DÜRR/ZOLLINGER, op. cit., n° 90 ad art. 818 CC ; STEINAUER, BGE 144 III 29 S. 42 op. cit., n° 210 ad art. 842 CC ; Droits réels, op. cit., n. 2795a). Toutefois, selon la volonté du législateur, le créancier ne peut utiliser ceux-ci que pour obtenir le paiement des intérêts de la créance de base (STAEHELIN, op. cit., n os 21 et 24 ad art. 846 CC ; le même , Sicherungsübereignung und Sicherungseintragung von Schuldbriefen, in Immobilienfinanzierung, SBT 2012, p. 139 ss [149 s.]; le même , Register-Schuldbrief, op. cit., p. 222). Les intérêts cédulaires sont calculés sur la base du taux convenu par les parties pour leur sûreté. Ils doivent être effectivement échus dans les trois ans précédant l'ouverture de la faillite ou la réquisition de vente; sont ensuite également couverts les intérêts qui courent depuis la dernière échéance, soit le moment où le dernier intérêt est arrivé à échéance avant l'ouverture de la faillite ou la réquisition de vente (SCHMID-TSCHIRREN, in Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, vol. II, 5 e éd. 2015, n° 9 ad art. 818 CC ). Ce montant constitue la garantie que le créancier gagiste peut utiliser pour couvrir les intérêts dus en vertu du rapport de base. 4.4.6 La garantie hypothécaire prend fin le jour de la réalisation forcée (STEINAUER, Droits réels, op. cit., n. 2795). Les intérêts cédulaires qui courent depuis la dernière échéance sont donc arrêtés à la date des enchères qui figure dans la publication des enchères par voie édictale et par la communication des avis spéciaux (art. 138 s. LP, 48 ORFI; BRAND, Die betreibungsrechtliche Zwangsverwertung von Grundstücken im Pfandverwertungsverfahren, 2008, p. 102; GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, vol. II, 2000, n° 53 ad art. 140 LP ; SCHMID-TSCHIRREN, op. cit., loc. cit.). Au stade de la réalisation, si les intérêts dus en vertu du rapport de base sont inférieurs aux intérêts cédulaires, les créanciers gagistes postérieurs peuvent soulever une exception de droit matériel fondée sur l' art. 842 al. 2 CC . Ils peuvent alors exiger que, à l'état des charges, la somme réclamée à titre d'intérêts cédulaires soit limitée au montant des intérêts produits par la créance de base. Il appartient donc à l'office de faire figurer à l'état des charges le montant des intérêts cédulaires, d'une part, et celui des intérêts dus en vertu du rapport de base, d'autre part. 4.5 Il suit de là que l'autorité cantonale a violé l' art. 818 al. 1 ch. 3 CC en calculant le montant des intérêts de la créance cédulaire au taux d'intérêt de la créance de base. Elle aurait dû déterminer le taux de l'intérêt cédulaire et l'appliquer au capital de la créance cédulaire BGE 144 III 29 S. 43 pour déterminer le montant des intérêts cédulaires. Au cas où ce montant aurait excédé celui des intérêts dus en vertu du contrat de prêt au jour de la vente, elle aurait dû faire figurer à l'état des charges ce dernier montant uniquement. Dite autorité n'a pas établi quel était le taux convenu pour l'intérêt cédulaire et la recourante se plaint d'arbitraire dans la constatation des faits à ce sujet. Elle reproche aux juges précédents d'avoir qualifié d'ambigüe la clause qui, selon elle, prévoit clairement que ce taux est de 10 %. Il y a donc lieu de leur renvoyer la cause afin de trancher cette question, conformément à l' art. 18 CO ( ATF 132 III 268 consid. 2.3.2, ATF 131 III 626 consid. 3.1; ATF 131 III 606 consid. 4.1, ATF 131 III 280 consid. 3.1; arrêt 4A_98/2016 du 22 août 2016 consid. 5.1 et les références).
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Sachverhalt ab Seite 192 BGE 102 IV 191 S. 192 A.- Das amerikanische Marinedepartement schloss in den Jahren 1962 bis 1967 mit der Chromcraft Corporation Missouri verschiedene Verträge über die Lieferung von Raketenlafetten ab. Anfangs 1963 kamen Andrew L. Stone, Hauptaktionär und Chefhandlungsbevollmächtigter, und Francis N. Rosenbaum, Direktor und Spezialanwalt der Lieferfirma, überein, den amerikanischen Staat im Rahmen dieser Verträge zu betrügen, und zwar dadurch, dass durch fiktive Rechnungen über angebliche Zulieferungen höhere Gestehungskosten vorgetäuscht werden sollten. Rosenbaum gelangte zu diesem Zweck 1964 an Johann Senn, Mitglied des Verwaltungsrates und der Geschäftsleitung sowie Teilhaber der Bank für Handel und Effekten in Zürich, der in der Folge nach dessen Weisungen auf Geschäftspapier verschiedener Firmen 184 fiktive Rechnungen und 20 Briefe ausstellte, nach welchen mit angeblichen Zulieferfirmen Geschäftsbeziehungen bestanden hätten, bei diesen Zahlungen eingegangen seien oder nächstens erfolgen würden usw. Er fertigte ferner 3 Bankerklärungen aus, nach denen von verschiedenen der angeblichen Zulieferfirmen Checks zum Inkasso übergeben und bestimmte Zahlungen ausgeführt worden seien. Senn bezog hiefür 1% des Gesamtfakturabetrages, ca. Fr. 150'000.--, als Vergütung für seine Tätigkeit. B.- Das Obergericht des Kantons Zürich (II. Strafkammer) verurteilte Senn am 20. Juni 1975 wegen wiederholter und fortgesetzter Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 StGB zu einer bedingt vollziehbaren Strafe von 18 Monaten Gefängnis. C.- Senn führt gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, dieses sei wegen Verletzung der Art. 110 und 251 StGB zu kassieren. BGE 102 IV 191 S. 193 D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
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293
Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Das Obergericht wirft dem Beschwerdeführer materielle Urkundenfälschung vor, indem er Fakturen und Geschäftsbriefe auf den Namen anderer Firmen (Alwatra AG, Etablissement Macoba, Exporttechnik, Infina AG, Finax AG) ausgestellt habe, ohne dazu rechtsgültig ermächtigt worden zu sein. Eine Täuschung über die Identität des Ausstellers läge indessen nur vor, wenn der Beschwerdeführer die Urkunden mit einer falschen Unterschrift versehen hätte, um vorzutäuschen, sie stamme von einer andern Person als dem wirklichen Aussteller ( BGE 75 IV 168 ). Dies trifft aber nicht zu. Im Falle Finax AG handelte der Beschwerdeführer als berechtigtes Organ dieser Gesellschaft, und in den andern Fällen stellte er die Fakturen und Schreiben unter Verwendung der entsprechenden Geschäftspapiere mit Wissen und im Einverständnis des zur Vertretung dieser Firmen befugten Brunschwiler aus. Handelte somit der Beschwerdeführer mit Einwilligung der angeblichen Lieferfirmen in deren Namen, so bewirkte die Verwendung ihres Geschäftspapiers keine falsche Herkunftsangabe oder eine Täuschung über den wirklichen Aussteller. Die Urkunden waren daher echt im Sinne des Art. 251 StGB . Daran ändert nichts, dass ihr Inhalt nicht der Wahrheit entsprach und nicht ernst gemeint war und dass der Beschwerdeführer und Brunschwiler ihre Vertretungsmacht missbrauchten oder die von diesem erteilte Ermächtigung zivilrechtlich ungültig gewesen sein sollte. Dagegen hat der Beschwerdeführer insoweit eine Urkundenfälschung im engern Sinne begangen, als er die fiktiven Fakturen und Geschäftsbriefe zurückdatierte. Die Beschwerde verkennt, dass die Herstellung einer falschen Urkunde sich nicht in der Täuschung über die Person des Ausstellers erschöpft. Auch der Aussteller kann eine Urkunde fälschen, so z.B. wenn er eine nicht mehr vorhandene Originalschrift nachträglich nachahmt und die Kopie als scheinbar echte Urkunde ausgibt ( BGE 88 IV 31 ). Ebenso begeht nicht nur eine Falschbeurkundung, sondern eine Fälschung, wer eine neue Urkunde schafft und sie zurückdatiert, um z.B. eine angeblich BGE 102 IV 191 S. 194 frühere Rechnungsstellung vorzutäuschen, die nie erfolgt ist (SCHWANDER, S. 457 Nr. 697). 2. Soweit der Beschwerdeführer gewisse Fakturen und Briefe nicht zurückdatierte, um ihnen den Schein echter Urkunden zu verleihen, fallen sie entgegen der Auffassung der Vorinstanz auch nicht als Falschbeurkundungen in Betracht. Rechnungen und gewöhnliche Briefe sind zwar insofern Urkunden im Sinne des Art. 110 Ziff. 5 StGB , als sie die darin niedergelegten Erklärungen festhalten; sie sind jedoch im allgemeinen nicht, wie der Tatbestand der Falschbeurkundung voraussetzt, dazu geeignet, gerade die Wahrheit der darin behaupteten rechtserheblichen Tatsachen zu beweisen ( BGE 88 IV 35 mit Verweisungen, BGE 96 IV 152 Erw. 2a). Insbesondere kann im vorliegenden Fall nicht auf den Grundsatz zurückgegriffen werden, dass einer Parteiäusserung dann erhöhte Beweiseignung zukomme, wenn sie für den Erklärenden ungünstig ist ( BGE 96 IV 152 ). Für eine solche Überlegung besteht nur Raum, wo die Abwicklung eines geordneten Rechtsgeschäfts in Frage steht, nicht aber in Fällen wie dem vorliegenden, in denen schriftliche Erklärungen gänzlich erfunden sind. Der Beschwerdeführer ist daher insoweit, als er fingierte Fakturen und Geschäftskorrespondenzen nicht zum Zwecke der Täuschung zurückdatierte, von der Anklage der Urkundenfälschung freizusprechen. 3. Der Beschwerdeführer bestreitet, dass hinsichtlich der drei Bankbescheinigungen eine Falschbeurkundung vorliege, jedoch zu Unrecht. Ob eine schriftliche Erklärung inhaltlich falsch sei oder nicht, ist Tatfrage, die vom Sachrichter für den Kassationshof verbindlich festgestellt wird und mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht angefochten werden kann ( Art. 273 Abs. 1 lit. b und Art. 277bis Abs. 1 BStP ). Es ist daher davon auszugehen, dass die Bank für Handel und Effekten tatsachenwidrig vorgab, die in den Erklärungen genannten Firmen hätten ihr eine Anzahl Checks der Western Molded zum Inkasso übergeben und die Bestätigung der ausgeführten Zahlungen erfolge auf Veranlassung dieser Firmen. Die Beweisbestimmung der fraglichen Bankbescheinigungen ist unbestritten. Auch ihre Beweiseignung kann aus den von der Vorinstanz angeführten Gründen nicht in Frage gestellt werden. Bankbescheinigungen wird im Geschäftsverkehr ein BGE 102 IV 191 S. 195 erhöhtes Vertrauen entgegengebracht, weil die Geschäftstätigkeit der Banken den Anforderungen des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen zu entsprechen hat, die damit betrauten Personen einen guten Ruf geniessen und Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstüchtigkeit bieten müssen und der Betrieb einer besondern Aufsicht und Kontrolle untersteht. Die Beweiseignung der fraglichen Bankbescheinigungen ist umsomehr gegeben, als die darin enthaltenen Erklärungen unter das Bankgeheimnis fallen, also an Dritte nur mit Ermächtigung des Auftraggebers bekanntgegeben werden dürfen, und die Verletzung dieser Geheimnispflicht von Amtes wegen mit Strafe verfolgt wird. 4. In subjektiver Hinsicht ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil, dass der Beschwerdeführer die fingierten Rechnungen, Schreiben und falschen Bescheinigungen mit Wissen und Willen, also vorsätzlich ausgestellt hat. Die Vorinstanz stellt ferner fest, der Beschwerdeführer habe gewusst, dass die ausgestellten Schriftstücke zur Täuschung Dritter bestimmt waren, um Rosenbaum unrechtmässige Vorteile zu verschaffen, und dass er die rechtswidrige Zweckbestimmung in Kauf nahm. Damit ist erstellt, dass er zum mindesten in der Eventualabsicht gehandelt hat, für einen andern einen unrechtmässigen Vorteil zu erlangen. Worin dieser konkret bestehe, brauchte er nicht zu wissen. Fehl geht schliesslich auch die Berufung darauf, dass anstelle des Art. 251 StGB das Steuerstrafrecht hätte angewendet werden müssen; der Zweck der Urkundenfälschungen stand nicht zum vornherein fest und hat auch in Wirklichkeit nicht ausschliesslich der Hinterziehung von Steuern gedient (vgl. BGE 101 IV 57 mit Verweisungen).
1,253
983
Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise dahin gutgeheissen, dass das Urteil der II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 20. Juni 1975 aufgehoben und die Sache im Sinne der Erwägungen zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.
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Sachverhalt ab Seite 76 BGE 123 III 76 S. 76 A.- a) Par contrat du 6 juillet 1984, T. a remis à bail à W. un local commercial (cabinet médical) sis au premier étage d'un immeuble dont il est propriétaire. Le bail était conclu pour une durée de dix ans, soit du 1er juillet 1984 au 30 juin 1994, et sa durée était prolongée d'une année s'il n'était pas dénoncé par écrit douze mois avant son échéance. Le loyer initial se montait à 1'500 fr. par mois; le bailleur se réservait le droit de l'adapter en fonction de la variation de l'indice suisse des prix à la consommation, moyennant observation d'un délai d'avertissement de trois mois. Durant la période initiale de dix ans, le bailleur a notifié à son locataire plusieurs majorations de loyer fondées sur la variation de l'indice suisse des prix à la consommation et, parfois, sur la hausse du taux hypothécaire. A quelques reprises, les parties se sont retrouvées devant l'autorité de conciliation en raison de litiges relatifs à ces augmentations de loyer. b) Par avis de majoration du 3 juin 1994, T. a notifié à W. une hausse de loyer pour le 1er juillet 1995, qui faisait passer celui-ci de 2'030 fr. par mois à 3'065 fr., montant auquel venait s'ajouter la somme de 210 fr. à titre d'acompte pour charges. Ladite hausse était BGE 123 III 76 S. 77 motivée en ces termes: "loyer permettant après paiement de tous les frais un rendement des fonds propres de 6%; voir ma lettre du 28 avril 1994 avec étude détaillée du HBV (Hausbesitzerverein) Bâle datée du 26.4.94". Le locataire a contesté cette majoration de loyer et la tentative de conciliation a échoué. B.- Le 17 novembre 1994, T. a ouvert action contre W. en vue de faire constater le caractère non abusif du loyer mensuel de 3'275 fr., provision pour charges incluse. Le défendeur a conclu au rejet de la demande. Par jugement du 6 mars 1996, le Tribunal des baux à loyer et à ferme du district de Porrentruy a débouté le demandeur de toutes ses conclusions. Statuant le 14 mai 1996, sur appel de l'intéressé, la Cour civile du Tribunal cantonal du canton du Jura a confirmé ce jugement. En bref, elle a dénié au bailleur le droit de réclamer l'application de la méthode absolue pour calculer le montant du loyer à payer par le locataire postérieurement à l'expiration de la durée de validité de la clause d'indexation; cela fait, elle a constaté que le demandeur ne contestait pas la compensation opérée par les premiers juges entre les facteurs de majoration (renchérissement) et de diminution (baisse du taux hypothécaire) du loyer, et elle en a déduit, comme eux, que la majoration en cause n'était pas justifiée. C.- Le demandeur recourt en réforme au Tribunal fédéral. Il conclut, en substance, à l'annulation du jugement de la Cour civile et à la fixation du loyer litigieux à 3'275 fr., acompte pour charges compris, à partir du 1er juillet 1995. A titre subsidiaire, il sollicite le renvoi de la cause à la cour cantonale pour qu'elle procède aux calculs nécessaires selon la méthode absolue. Le défendeur propose le rejet du recours. Le Tribunal fédéral admet le recours, annule le jugement attaqué et renvoie la cause à la cour cantonale pour nouveau jugement dans le sens des considérants.
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Erwägungen Extrait des considérants: 4. a) Sous l'ancien ( art. 9 AMSL ), comme sous le nouveau droit ( art. 269b CO ), les clauses d'indexation n'étaient valables que si le bail était conclu - par le bailleur en tout cas (cf. l' ATF 112 II 69 consid. 3) - pour une durée minimale de cinq ans. En cas de reconduction tacite du bail d'année en année, le bailleur ne pouvait plus se prévaloir de la clause d'indexation ( ATF 109 II 55 consid. 2b, a contrario, p. 58; arrêt genevois du 10 janvier 1977 cité in: SJ 1979 BGE 123 III 76 S. 78 p. 592 no 177; GMÜR/CAVIEZEL, Mietrecht-Mieterschutz, 2e éd., p. 91; BARBEY, L'arrêté fédéral instituant des mesures contre les abus dans le secteur locatif, p. 106 ch. 4 et note de pied 348; LACHAT/MICHELI/DUPERTUIS, La fixation du loyer, p. 65, ch. 1.2; TRACHSEL, Leitfaden zum Mietrecht, p. 170, note de pied no 567; GMÜR/THANEÏ, Rechtsprechung des Bundesgerichtes zur Mietzinserhöhung, p. 43; d'un autre avis: RAISSIG/SCHWANDER, Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen, 4e éd., p. 94). De lege lata, il ne peut pas non plus le faire (LACHAT/MICHELI, Le nouveau droit du bail, 2e éd., p. 251, ch. 2; LACHAT/STOLL, Das neue Mietrecht für die Praxis, 3e éd., p. 257, ch. 2.2; PORTNER, Wegleitung zum neuen Mietrecht, 2e éd., p. 135 in fine; JEANPRÊTRE PITTET/GUINAND/WESSNER, FJS no 362 p. 17; Commentaire de l'USPI, n. 5 ad art. 269b CO ; GRATZ, Mietzinsgestaltung, p. 111; WEBER/ZIHLMANN, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Bâle, Obligationenrecht I, 2e éd., n. 2 ad art. 269b CO ). Aussi bien, le Conseil fédéral a renoncé à donner aux parties la faculté de stipuler l'applicabilité de la clause d'indexation pour la période de reconduction tacite du bail, fût-elle inférieure à cinq ans, après avoir envisagé dans un premier temps, dans le cadre de la révision partielle de l'OBLF entrée en vigueur le 1er août 1996 (RO 1996 p. 2120 ss), d'ajouter un troisième alinéa allant dans ce sens à l' art. 17 OBLF (ROHRER, in: MietRecht aktuell [MRA] 1996 p. 143 ss, 147 in fine/148). Se pose, dès lors, la question de savoir quelle est la méthode de calcul applicable pour juger de l'admissibilité d'une majoration de loyer notifiée pour la date d'échéance de la clause d'indexation ou, comme en l'espèce, pour une date postérieure, après reconduction tacite du bail. b) Dans le domaine voisin du bail à loyers échelonnés, le Tribunal fédéral a rendu, le 15 novembre 1995, un arrêt sur le même sujet ( ATF 121 III 397 consid. 2b/bb p. 403/404)... Pour la cour cantonale, les arguments développés dans cet arrêt ne peuvent pas être transposés du bail à loyers échelonnés au bail à loyers indexés. En effet, si le premier comporte un élément aléatoire, dans la mesure où il anticipe la variation des facteurs de hausse et de baisse jusqu'à l'expiration du bail, il n'en va pas de même du second, étant donné que le loyer initial fixé dans le bail indexé est présumé apporter au bailleur un rendement suffisant de la chose louée et que l'indexation permet de maintenir un tel rendement tout au long de la durée fixe du contrat. A cet égard, les juges précédents soulignent que les clauses d'indexation sont plus favorables au bailleur qu'au locataire, notamment parce qu'elles l'autorisent à BGE 123 III 76 S. 79 compenser périodiquement la totalité du renchérissement, alors que, selon les règles ordinaires, l'augmentation de loyer fondée sur ce motif ne peut dépasser le 40% de la hausse de l'indice ( art. 269a let . e CO, art. 16 OBLF ). A leur avis, il y a donc lieu de présumer que, à l'expiration de la période d'application de la clause d'indexation, le bailleur obtient un rendement suffisant de la chose louée, si bien qu'il ne peut réclamer l'application directe de la méthode absolue pour déterminer le montant du loyer à l'occasion de la reconduction du bail. Seul le locataire, s'il estime abusive la majoration de loyer qui lui est notifiée en vue du renouvellement du bail, peut se prévaloir de la méthode absolue, conformément à l' art. 270b CO . Quant au bailleur, il ne peut prétendre à l'application de cette méthode de calcul que dans l'hypothèse où le locataire demande la diminution du loyer ( art. 270a CO ) ou s'il a lui-même formulé antérieurement des réserves valables. Or, selon les juges cantonaux, le demandeur n'a émis aucune réserve, ni en ce qui concerne le montant prétendument insuffisant du loyer initial, ni lors des adaptations de celui-ci en cours de bail. Aussi convient-il d'appliquer en l'espèce la méthode relative pour décider si le loyer résultant de la majoration litigieuse est abusif. Tel est bien le cas, dès lors que le renchérissement enregistré depuis la dernière fixation du loyer, à fin 1992, a été largement compensé par la baisse du taux hypothécaire durant la même période. Contrairement à l'opinion exprimée par les juges cantonaux, le demandeur est d'avis que les principes jurisprudentiels que le Tribunal fédéral a posés dans l'arrêt précité s'appliquent également aux baux à loyers indexés. Selon lui, le loyer indexé comporte, en effet, un élément aléatoire aussi marqué que le loyer échelonné, même s'il est quelque peu tempéré par la clause d'indexation, dans la mesure où l'indice du coût de la vie n'est pas l'élément principal qui influe sur le loyer, le taux hypothécaire constituant le facteur essentiel à cet égard. De ce fait, il n'est pas possible d'attribuer à l'entrée en vigueur du dernier loyer indexé une importance décisive pour l'application de la méthode relative. Au demeurant, le fondement même de cette méthode, à savoir la protection de la bonne foi du locataire, fait défaut en pareille hypothèse, car celui-ci sait dès le départ que, pendant la durée fixe du bail, le loyer n'évoluera qu'en fonction d'un seul facteur de hausse (le renchérissement), ce qui l'empêche d'admettre de bonne foi que son bailleur a épuisé tous les autres facteurs lors de la dernière majoration de loyer fondée sur la clause d'indexation. Dans ce contexte, le demandeur soutient BGE 123 III 76 S. 80 qu'une réserve de hausse n'est pas admissible, et apparaît en tout cas superflue, en matière de bail à loyers indexés, du moment que le bailleur ne peut pas justifier une majoration de loyer par d'autres facteurs que celui qui est prévu par la clause d'indexation. D'où il suit, selon lui, que seule la méthode absolue entrait en ligne de compte pour l'examen de la majoration de loyer contestée. Emboîtant le pas à la cour cantonale, le défendeur plaide, pour sa part, en faveur de l'application exclusive de la méthode relative. Il conteste, en outre, que l'avis de notification de la majoration de loyer litigieuse ait été suffisamment motivé. c) La Cour civile dénie tout caractère aléatoire au bail à loyers indexés et considère que la présomption selon laquelle le précédent loyer est censé procurer un rendement suffisant de la chose louée reste valable dans ce type de bail. Semblable opinion ne saurait être suivie. Sans doute le caractère aléatoire du bail à loyers indexés ne réside-t-il pas, comme c'est le cas pour le bail à loyers échelonnés, dans les pronostics faits par le bailleur et le locataire à la conclusion du bail quant à l'évolution des facteurs de hausse et de baisse jusqu'à l'expiration de celui-ci; il n'en existe pas moins et trouve son origine dans l'interdiction qui est faite au bailleur, pour cinq ans au moins, de répercuter sur le loyer de son locataire d'autres facteurs de majoration que le renchérissement, en particulier la hausse du taux hypothécaire qui influe de manière prépondérante sur le niveau des loyers. A cet égard, les exemples chiffrés donnés par GRATZ (op.cit., p. 114 à 117) - il convient de les corriger légèrement pour tenir compte de ce qu'ils s'appliquent, non pas à des locaux commerciaux, mais à des locaux d'habitation pour lesquels la majoration de loyer ne pouvait pas dépasser 4/5 de la hausse de l'indice, ce qui n'est plus le cas depuis l'entrée en vigueur, le 1er août 1996, de l' art. 17 al. 1 OBLF révisé (RO 1996 p. 2120) - illustrent on ne peut mieux les aléas inhérents à l'évolution du loyer dictée par la seule variation de l'indice suisse des prix à la consommation. Ainsi, au terme de la période comprise entre le 1er avril 1988 et le 31 mars 1993, un loyer initial de 1'000 fr. majoré en fonction dudit indice se serait monté à 1'188 fr.40 (+ 18,84%), tandis qu'il se serait élevé à 1'389 fr.55 (+ 38,96%) si la méthode relative lui avait été appliquée, soit une différence de 20,12% en faveur du locataire. Inversement, si le bail avait pris effet le 1er avril 1990 pour échoir le 31 mars 1995, le même loyer, calculé au moyen de la clause d'indexation, se serait établi à 1'199 fr.75 (+ 19,97%) au terme de cette période, alors qu'il n'aurait été que de 1'038 fr.10 (+ 3,81%) s'il avait été fixé selon les BGE 123 III 76 S. 81 règles ordinaires, la différence de 16,16% étant à l'avantage du bailleur dans cette seconde hypothèse. C'est dire l'incidence essentielle que revêt l'évolution du taux hypothécaire sur le montant du loyer, ce qui exclut de poser une quelconque présomption - dans un sens ou dans l'autre - quant au rendement de la chose louée à l'expiration de la durée minimale du bail à loyers indexés puisque ce facteur n'est pas pris en considération pendant toute cette durée (dans le même sens, ROHRER, op.cit., p. 148). La méthode relative sert à déterminer, en fonction du contrat et du principe de la confiance, si une adaptation du loyer intervenant en cours de bail est admissible ou non. En d'autres termes, son application suppose que l'on examine si une modification du loyer est compatible avec la volonté manifestée antérieurement par celui qui la réclame. Ladite méthode, qui a pour fondement la confiance éveillée chez le cocontractant, interdit, en définitive, au bailleur d'adopter une attitude contradictoire. Cette confiance repose elle-même sur les relations spéciales existant entre le bailleur et son locataire, c'est-à-dire sur la manière dont ceux-ci ont aménagé leurs rapports contractuels et les ont développés jusque-là. Seul peut dès lors se prévaloir de la protection basée sur la confiance le locataire en la personne duquel celle-ci a été éveillée ( ATF 120 II 240 consid. 2). Rapportés au bail à loyers indexés, ces principes commandent le rejet de la méthode relative, en tout cas dans la mesure où elle se fonderait sur la présomption voulant que le loyer issu de la dernière indexation effectuée pendant la durée minimale du bail procure au bailleur un rendement suffisant de la chose louée. En effet, comme le demandeur le souligne à juste titre, le locataire ne peut pas admettre de bonne foi, à l'occasion d'une majoration de son loyer fondée sur la clause d'indexation, que le bailleur a épuisé tous les facteurs de hausse, puisqu'aussi bien il savait, au moment où il avait conclu le bail à loyers indexés, que ce loyer ne pourrait varier qu'en fonction d'un seul facteur - le renchérissement - jusqu'à l'expiration de la durée minimale du bail. Telle est du reste la raison qui a amené la Chambre d'appel en matière de baux et loyers du canton de Genève à poser, dans un arrêt du 28 mars 1994 (Cahiers du bail 1995 p. 113 ss), qu'à l'issue de la période pendant laquelle le loyer était indexé, c'est le taux hypothécaire appliqué lors de la conclusion du contrat qui est déterminant pour le calcul de la hausse de loyer. L'opinion contraire, professée par ROGER WEBER et PETER ZIHLMANN (op.cit., ibid.), qui invoquent à son appui l'effet obligatoire de la clause d'indexation, néglige la spécificité du bail à loyers indexés et repose sur la BGE 123 III 76 S. 82 fiction selon laquelle les parties ont renoncé d'emblée à la possibilité de se prévaloir, postérieurement à l'échéance de la durée fixe d'un tel bail, des variations conjoncturelles et, partant, imprévisibles que pourraient enregistrer - à la hausse comme à la baisse - les autres facteurs pendant cette durée. Quant à l'argument de la cour cantonale, tiré du fait que le demandeur n'a pas formulé une quelconque réserve de hausse à l'occasion des majorations de loyer qu'il a notifiées successivement au défendeur, il tombe à faux. La réserve présuppose que le bailleur renonce provisoirement à utiliser, en tout ou en partie, un facteur de hausse qu'il serait en droit de répercuter sur le loyer de son locataire. Or, s'agissant d'un bail à loyers indexés, le seul facteur de hausse admissible pendant la durée minimale du bail - hormis l'hypothèse de prestations supplémentaires du bailleur (sur ce point, cf. LACHAT/MICHELI, op.cit., p. 253, note de pied 12; GRATZ, op.cit., p. 112 en haut) - réside dans la variation de l'indice suisse des prix à la consommation. Par conséquent, une réserve n'est concevable tout au plus qu'à l'égard de ce facteur-là (p. ex., si le bailleur n'entend pas répercuter immédiatement sur le loyer l'intégralité du renchérissement révélé par la hausse de l'indice), mais en aucun cas vis-à-vis des facteurs que le bailleur n'a pas la possibilité d'invoquer pour justifier une majoration du loyer indexé (cf. ROHRER, op.cit., p. 148 in fine/149). En définitive, les arguments avancés par la cour cantonale pour exclure l'application analogique de la jurisprudence concernant le bail à loyers échelonnés au bail à loyers indexés n'apparaissent pas convaincants. Aussi convient-il de s'en tenir, mutatis mutandis, aux principes énoncés dans l' ATF 121 III 397 pour juger du caractère abusif ou non d'une majoration de loyer notifiée pour la date d'échéance de la clause d'indexation ou pour une date postérieure. Toutefois, les particularités inhérentes au bail à loyers indexés - facteur de hausse déterminé et exclusion des autres facteurs - et la nécessité de ne pas dicter leur comportement aux parties lorsque la situation ne l'impose pas justifient de laisser au bailleur le choix entre la méthode absolue et la méthode relative - la première date de référence étant alors celle de la conclusion du bail - pour fixer le loyer que devra payer le locataire durant la période de reconduction tacite du bail (dans ce sens, cf. ROHRER, op.cit., p. 148). Les différents cas de figure envisageables peuvent, dès lors, être résumés comme il suit: le bailleur pourra solliciter une majoration du dernier loyer indexé pour le terme de résiliation, sur la base de l' art. 269d CO , et le locataire invoquer l' art. 270a CO à l'appui d'une BGE 123 III 76 S. 83 demande de diminution de son loyer. Dans ce cadre-là, le nouveau loyer admissible devra être déterminé, en fonction des facteurs mentionnés dans l'avis de majoration, soit au moyen de la méthode absolue, soit à l'aide de la méthode relative, la première date de référence étant celle de la conclusion du bail dans cette dernière hypothèse. Il va de soi que le locataire pourra se prévaloir, de son côté, de la première méthode pour s'opposer à une majoration justifiée au regard de la seconde, mais qu'il estimerait abusive ( ATF 121 III 163 consid. 2d/aa p. 165). Si, à l'expiration de la durée déterminée du bail "congéable", le bail est reconduit tacitement sans modification du loyer, de même que dans l'hypothèse d'une reconduction tacite d'un bail de durée déterminée proprement dit ( art. 266 al. 2 CO ), on pourra inférer de l'inaction du bailleur qu'il estimait suffisant le loyer en vigueur au moment où il aurait pu soit résilier le bail ou majorer le loyer (i.e. à l'échéance du bail "congéable"), soit, s'agissant d'un bail de durée déterminée stricto sensu, exiger le départ du locataire. Il en ira de même dans le cas d'une demande de baisse de loyer fondée sur la méthode relative, après reconduction tacite du bail à loyers indexés. Toutefois, si, dans ces deux variantes de reconduction tacite d'un tel bail, le bailleur ou le locataire réclamait l'application de la méthode absolue, il y aurait lieu de donner suite à sa demande (cette nuance semble avoir échappé à J. MÜLLER, qui critique à tort l' ATF 121 III 397 sur ce point [MRA 1996 p. 62], de même qu'à ROHRER [op.cit., p. 148]). En effet, le mode de fixation du loyer indexé, étant donné son caractère aléatoire, rend admissible le recours à la méthode absolue - par exception à la règle jurisprudentielle imposant de relativiser les motifs de hausse absolus ( ATF 121 III 163 consid. 2c) - même si les circonstances ne se sont pas modifiées depuis la date d'expiration de la durée initiale pour laquelle le bail à loyers indexés a été conclu. En bref, quel que soit le cas de figure, chacune des parties pourra toujours exiger du juge qu'il vérifie au moyen de la méthode absolue si le nouveau loyer devant entrer en vigueur postérieurement à l'expiration de la durée minimale du bail à loyers indexés est abusif ou non.
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Sachverhalt ab Seite 208 BGE 143 V 208 S. 208 A. A.a Die Anlagestiftungen A., B., C. und D. sind Anlagestiftungen im Sinne des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge. Alle vier sind - je in unterschiedlicher Höhe - an der E. AG beteiligt, wobei sie zusammen 100 % des Aktienkapitals halten. Die E. AG ihrerseits hält zu 100 % das Aktienkapital der F. AG (ebenfalls Vermögensverwalterin eines Immobilienfonds) und ist an verschiedenen regionalen Bewirtschaftungsunternehmen mit dem gemeinsamen Namen G. beteiligt. Sämtliche genannten Gesellschaften gehören zur Gruppe H. A.b Mit Verfügung vom 23. Mai 2014 stellte die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (nachfolgend: OAK) fest, dass die gegenwärtige Struktur der Gruppe H. gegen die Verordnung vom 10. und 22. Juni 2011 über die Anlagestiftungen verstosse, und wies die Anlagestiftungen A., B., C. und D. an, innert sechs Monaten ab BGE 143 V 208 S. 209 Rechtskraft der Verfügung bezüglich ihrer Beteiligungen den verordnungskonformen Zustand herzustellen. B. Die dagegen erhobene Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wies dieses mit Entscheid vom 16. März 2016 ab. C. Die A., B., C. und D. gelangen mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht und beantragen, der Entscheid vom 16. März 2016 sei aufzuheben. Die OAK schliesst in ihrer Vernehmlassung auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf eine Stellungnahme. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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270
Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Das Bundesgericht prüft unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht grundsätzlich nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind ( BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht ( Art. 106 Abs. 2 BGG ). Ausserdem legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie die Vorinstanz ihn festgestellt hat ( Art. 105 Abs. 1 BGG ), und kann diesen - soweit entscheidrelevant - bloss berichtigen oder ergänzen, falls er offensichtlich unrichtig ist oder in Verletzung wesentlicher Verfahrensrechte ermittelt wurde ( Art. 105 Abs. 2 BGG ). 3. 3.1 Gemäss Art. 32 Abs. 1 der Verordnung vom 10. und 22. Juni 2011 über die Anlagestiftungen (ASV; SR 831.403.2) sind Tochtergesellschaften im Anlagevermögen Unternehmen mit Anlagecharakter, welche die Stiftung durch Kapital- und Stimmenmehrheit oder durch Alleineigentum beherrscht. 3.2 Ausgangspunkt der vorliegenden Beurteilung sind die für das Bundesgericht verbindlichen Tatsachen (vgl. E. 2 vorne), dass - einerseits - die vier Beschwerdeführerinnen ihre Beteiligungen an der E. AG im Anlagevermögen halten, ohne dass eine von ihnen über eine Kapital- und Stimmenmehrheit oder Alleineigentum verfügt, und - anderseits - die E. AG keinen Anlagecharakter aufweist. Dabei ist unbestritten, dass in Anbetracht dieser tatsächlichen Verhältnisse die E. AG keine zulässige Tochtergesellschaft gemäss Art. 32 Abs. 1 ASV BGE 143 V 208 S. 210 darstellt. Im Streit liegt viel Grundsätzlicheres, nämlich die Gesetzes- und Verfassungsmässigkeit der besagten Verordnungsbestimmung. 3.3 Die OAK hatte in ihrer Verfügung vom 23. Mai 2014 zusätzlich erwogen, dass selbst, wenn die Beteiligungen der Anlagestiftungen an der E. AG ins Stammvermögen umgeschichtet würden, das von der Gruppe H. betriebene Geschäftsmodell nicht mit den Bestimmungen der ASV, insbesondere nicht mit Art. 24 f. ASV, die von Tochtergesellschaften im Stammvermögen handeln, vereinbar wäre. Das Bundesverwaltungsgericht ging auf diese (hypothetische) Situation nicht weiter ein. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ( Art. 29 Abs. 2 BV ) ist dadurch - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen - nicht gegeben: Die vorliegende Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten richtet sich gegen einen konkreten Einzelakt. Mit ihr kann auch die vorfrageweise Überprüfung von Verordnungen des Bundesrats auf deren Verfassungs- und Gesetzmässigkeit verlangt werden. Diese sogenannte konkrete resp. akzessorische Normenkontrolle beschränkt sich auf die im Einzelfall zur Anwendung gelangende Norm, soweit sie für den Fall massgeblich ist (Urteil 2C_1149/2015 vom 29. März 2016 E. 4.1 u.a. mit Hinweis auf BGE 136 I 65 E. 2.3 S. 69 f.). Nachdem sich die fraglichen Beteiligungen an der E. AG klarerweise im Anlagevermögen befinden (vgl. E. 3.2 vorne), verbleibt kein Raum für eine Ausdehnung der Rechtmässigkeitsprüfung auf eine hier nicht realisierte Konstellation. Dazu kommt, dass die Art. 24 und 25 ASV auch nicht durch den Rügegrund der rechtsungleichen Behandlung gegenüber selber anlegenden Vorsorgeeinrichtungen in die Falllösung miteinbezogen werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher zu Recht einzig Art. 32 Abs. 1 ASV einer Geltungskontrolle unterzogen. 4. 4.1 Anlagestiftungen gelten weder als Personalvorsorgeeinrichtungen im Sinne von Art. 48 f. BVG noch als Personalvorsorgestiftungen im Sinne von Art. 89a ZGB . Ihr Zweck besteht in der Anlage von Vorsorgevermögen der beruflichen Vorsorge, weshalb die Anlagestiftungen als Hilfsstiftungen der beruflichen Vorsorge bezeichnet werden. Begünstigte der Anlagestiftungen sind nicht die Arbeitnehmer, sondern die ihr angeschlossenen Vorsorgeeinrichtungen. Eine Anlagestiftung erbringt keine Leistungen an die Versicherten der angeschlossenen Vorsorgeeinrichtungen, sondern schüttet an BGE 143 V 208 S. 211 diese Kapitalerträge aus und leistet zu deren Gunsten Kapitalrückzahlungen (vgl. Art. 53g BVG sowie Art. 21 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 der Verordnung vom 10. und 22. Juni 2011 über die Aufsicht in der beruflichen Vorsorge [BVV 1; SR 831.435.1] ; ALINE KRATZ-ULMER, Die Anlagestiftung, Entwicklungen eines Rechtsinstituts zwischen beruflicher Vorsorge und Stiftungsrecht, 2016, S. 10 f. und S. 17; ARMIN KÜHNE, Recht der kollektiven Kapitalanlagen in der Praxis, unter Berücksichtigung von Anlagestiftungen und strukturierten Produkten, 2. Aufl. 2015, S. 473 f. Rz. 1332-1334; PETRA CAMINADA, Staatliche Aufsicht in der beruflichen Vorsorge, Neuregelung infolge der Strukturreform, Schriften zum Sozialversicherungsrecht Bd. 28, 2012, S. 187 f.; MARC HÜRZELER, Neue Regelungen über die Anlagestiftungen [Investmentstiftungen], HAVE 3/2012 S. 335; UTTINGER/ULMER, Die Anlagestiftung, AJP 11/2012 S. 1517; DÜRR/MEZ, Die Anlagestiftung im schweizerischen Recht, Ein Gebilde der Praxis und seine Beziehung zum Recht, SZW/RSDA 6/1998 S. 265 f.). 4.2 Im Rahmen der Strukturreform (vgl. dazu Botschaft vom 15. Juni 2007 zur Änderung des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge; BBl 2007 5669 ff.) wurde die Anlagestiftung in das BVG aufgenommen und in den Art. 53g-53k BVG - zum ersten Mal - gesetzlich geregelt. Die Kodifikation beruht auf einem Vorschlag der Kommission des Ständerates; in der Botschaft des Bundesrates war eine solche noch nicht vorgesehen (AB S vom 16. September 2008 S. 561 erste Spalte und S. 576 zweite Spalte; AB N vom 16. September 2009 S. 1582 erste Spalte ganz oben). Für die hier zu beurteilende Streitfrage (vgl. E. 3 vorne) sind dabei vor allem Art. 53i und Art. 53k BVG von Relevanz: Erstere Bestimmung definiert das Stiftungsvermögen, das zum einen das Stammvermögen und zum andern das Anlagevermögen umfasst ( Art. 53i Abs. 1 BVG ): Das Stammvermögen entspricht dem Widmungsvermögen ( Art. 22 BVV 1 ); das Anlagevermögen besteht aus den von Anlegern zum Zwecke der gemeinsamen Vermögensanlage eingebrachten Geldern ( Art. 53i Abs. 2 Satz 1 BVG ). Art. 53k BVG zählt die Themenkreise auf, deren nähere Regelung dem Bundesrat übertragen wurde, und zwar betreffend: a. den Anlegerkreis; b. die Äufnung und Verwendung des Stammvermögens; c. die Gründung, Organisation und Aufhebung; d. die Anlage, Buchführung, Rechnungslegung und Revision; e. die Anlegerrechte. Die diesbezügliche Regelungskompetenz setzte der Bundesrat durch den Erlass der ASV um. BGE 143 V 208 S. 212 4.3 Bei unselbständigen Verordnungen - eine solche die ASV unstreitig darstellt (es kann auf die zutreffenden vorinstanzlichen Erwägungen 4.3, 4.4 und 6.2 verwiesen werden; vgl. auch KRATZ-ULMER, a.a.O., S. 25 f. unten) - ist insbesondere zu untersuchen, ob sich der Bundesrat an die Grenzen der ihm im Gesetz eingeräumten Befugnisse gehalten hat ( BGE 138 II 281 E. 5.4 S. 289 f.; BGE 137 III 217 E. 2.3 S. 220 f. mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung). Soweit das Gesetz den Bundesrat nicht ermächtigt, von der Verfassung abzuweichen, befindet das Gericht auch über die Verfassungsmässigkeit der unselbständigen Verordnung. Wird dem Bundesrat durch die gesetzliche Delegation ein sehr weiter Ermessensspielraum für die Regelung auf Verordnungsstufe eingeräumt, so ist dieser Spielraum nach Art. 190 BV für das Bundesgericht verbindlich; es darf in diesem Falle bei der Überprüfung der Verordnung nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen, sondern es beschränkt sich auf die Prüfung, ob die Verordnung den Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen offensichtlich sprengt oder aus anderen Gründen gesetz- oder verfassungswidrig ist. Es kann dabei namentlich prüfen, ob sich eine Verordnungsbestimmung auf ernsthafte Gründe stützen lässt oder ob sie Art. 9 BV widerspricht, weil sie sinn- und zwecklos ist, rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den tatsächlichen Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die richtigerweise hätten getroffen werden müssen. Für die Zweckmässigkeit der angeordneten Massnahme trägt der Bundesrat die Verantwortung; es ist nicht Aufgabe des Bundesgerichts, sich zu deren wirtschaftlicher oder politischer Sachgerechtigkeit zu äussern ( BGE 140 II 194 E. 5.8 S. 198; BGE 136 II 337 E. 5.1 S. 348 f. mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung). 5. 5.1 In Übereinstimmung mit der Vorinstanz ist der Wortlaut von Art. 53k lit. c und d BVG offen. Er gibt lediglich vor, dass der Bundesrat Bestimmungen über u.a. die Organisation und die Anlage zu erlassen hat. Leitplanken werden im Gesetzestext keine mit auf den Erlass-Weg gegeben (vgl. E. 4.2 vorne). Die Beschwerdeführerinnen berufen sich auf die Materialien und machen geltend, dem Gesetzgeber sei es darum gegangen, den bestehenden Anlagestiftungen eine gesetzliche Grundlage (im BVG) zu geben und eine unabhängige Aufsichtsbehörde zu schaffen. Das Bestehende strukturell zu ändern sei nicht Regelungsabsicht gewesen. BGE 143 V 208 S. 213 5.2 5.2.1 Sowohl die Kreation der Rechtsfigur einer Anlagestiftung als auch ihre Fortentwicklung in der Praxis ergingen ohne rechtliche Grundlage (vgl. E. 4.2 vorne). Die Lehre qualifizierte die Anlagestiftung als Doppelorganisation, bestehend aus einer Stiftung nach ZGB und einem Investmentclub in der Form einer einfachen Gesellschaft gemäss Art. 530 ff. OR . Damit waren - vor allem im Fall von Anlageschäden - verschiedene Unsicherheiten verbunden. So war mangels entsprechender Gerichtsurteile die Frage nach dem Schadensträger resp. nach der Verantwortlichkeit neben der Stiftung nicht gänzlich klar (vgl. KÜHNE, a.a.O., S. 471 Rz. 1326; DÜRR/MEZ, a.a.O., S. 270 Ziff. 3.1.2; Bericht "Anlagestiftungen: Rechtliche Regelung, Unterstellung und Aufsicht" des BSV zuhanden der ständerätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit [kurz: SGK-S] für deren Sitzung vom 13. Mai 2008, S. 2 oben). Das Bedürfnis wuchs, dass die Rechtsform der Anlagestiftung in der Gesetzgebung aufgeführt sowie die Haftung zwischen den einzelnen Anlagegruppen bzw. diejenige der Stiftung gegenüber den Anlagegruppen und die Aufsicht eindeutig geregelt werden (vgl. Protokoll der SGK-S vom 14./15. April 2008 S. 7 sowie vom 13. Mai 2008 S. 3). In einem ersten Schritt entfachte sich die Diskussion zur Frage, in welchem Rechtsgebiet die Anlagestiftung Fuss fassen sollte: im Kollektivanlagerecht oder in der beruflichen Vorsorge (KRATZ-ULMER, a.a.O., S. 1; vgl. dazu auch SGK-S vom 14./15. April 2008 S. 1 f., vom 13. Mai 2008 S. 3 und vom 26./27. August 2008 S. 8 f.). Eine Aufnahme in das Bundesgesetz vom 23. Juni 2006 über die kollektiven Kapitalanlagen (Kollektivanlagegesetz, KAG; SR 951.31) wurde letztlich abgelehnt, weil die Anlagestiftung mit der beruflichen Vorsorge rechtlich näher verbunden ist als mit der Kapitalanlage. Ausserdem bedürfen die entsprechenden Investoren, die allesamt resp. ausschliesslich Einrichtungen der beruflichen Vorsorge und damit der BVG-Aufsicht unterstellt sind, nicht desselben Anlegerschutzes wie ein Kleinanleger (AB S vom 16. September 2008 S. 576 f. unten; vgl. auch BBl 2007 5690 f. Ziff. 1.3.2). 5.2.2 Ziel der Anlagestiftungen ist es, den Vorsorgeeinrichtungen BVV 2-konforme Anlagen resp. den Freizügigkeitsstiftungen Freizügigkeitsverordnungs-konforme und den Säule-3a-Stiftungen BVV 3-konforme Anlagen anzubieten. Solche Einrichtungen wollen sich beim Kauf darauf verlassen, dass die Anlagen den entsprechenden rechtlichen Vorschriften entsprechen. Mit anderen Worten BGE 143 V 208 S. 214 stellen die Anlagestiftungen für Vorsorgeeinrichtungen im Vergleich zu anderen kollektiven Kapitalanlagen einen Mehrwert für die Anlagetätigkeit dar. Sie erleichtern den Vorsorgeeinrichtungen, die sich innerhalb des Rahmens der Anlagebestimmungen von Art. 53 ff. der Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2; SR 831.441.1) bewegen, ihre Anlagetätigkeit. Es liegt somit auf der Hand, dass sich die Anlagetätigkeit der Anlagestiftungen grundsätzlich ebenfalls nach Art. 49-56a BVV 2 ausrichtet (vgl. Art. 26 Abs. 1 ASV ; vgl. auch Erläuternder Bericht des BSV vom Juni 2011 zu den Änderungen der Verordnungen im Rahmen der Strukturreform in der beruflichen Vorsorge sowie der Finanzierung von Vorsorgeeinrichtungen öffentlich-rechtlicher Körperschaften, in: Mitteilungen Nr. 123 des BSV vom 19. Juli 2011 über die berufliche Vorsorge S. 90 f. unten). Ständerat Hermann Bürgi wies ausdrücklich darauf hin, dass die Anlagevorschriften nicht neu erfunden werden müssten. Aus den BVV 2-Vorschriften (vgl. E. 6.3.1 hinten) ergebe sich ohne Weiteres, was und wie Anlagestiftungen anlegen dürften (AB S vom 16. September 2008 S. 561 erste Spalte unten). Ständerätin Forster-Vannini betonte zudem in der Eintretensdebatte, dass es sich bei den Anlagestiftungen um einfache, kostengünstige und erfolgreiche Anlageinstrumente handle, die sich zu einem sicheren, praxisbewährten und erfolgreichen Konstrukt im Dienste der Anlage von Mitteln der beruflichen Vorsorge entwickelt hätten. Daran zu rütteln wäre sicher nicht im Sinne der Vorsorge und der grossen Zahl von Versicherten (AB S vom 16. September 2008 S. 559 zweite Spalte). 5.2.3 Die Strukturreform, in welchen Kontext die Gesetzgebung zu den Anlagestiftungen eingebettet wurde, bezweckte hauptsächlich die Stärkung der Aufsicht , u.a. durch Schaffung einer eidgenössischen Oberaufsichtskommission. Zusätzlich sollten - vor dem Hintergrund der Vorgänge rund um Swissfirst und First Swiss - Bestimmungen über Verhaltensregeln für die Verwaltung von Vorsorgeeinrichtungen (Governance und Transparenz) geschaffen werden (vgl. BBl 2007 5671 f. Übersicht; KRATZ-ULMER, a.a.O., S. 13 unten). Dabei ging der Gesetzgeber davon aus, dass mit einer Aufsicht, die den Anforderungen der Good Governance gerecht wird, der nötige Rahmen für die Anlagestiftungen geschaffen werde, ohne dass diese an und für sich als risikobehaftet bezeichnet wurden. Ständerat Bürgi stellte im Sinne einer abschliessenden Bemerkung fest: "Den Anlagestiftungen, welche nur schweizerischen Einrichtungen der zweiten BGE 143 V 208 S. 215 Säule und der Säule 3a sowie patronalen Wohlfahrtsfonds offenstehen, kommt im Rahmen der Anlage und Verwaltung von Vorsorgegeldern eine wichtige Rolle zu. Die Kosteneffizienz der Anlagestiftungen, der klar umschriebene Anlegerkreis, das Ausmass des Selbsthilfegedankens sowie die gut ausgebauten Mitwirkungsrechte der Anleger sind die wichtigsten Merkmale der Anlagestiftungen. Die Sicherung des Bestandes dieser Anlagestiftungen mit der nun vorgeschlagenen gesetzlichen Regelung sowie die Schaffung einer zweckmässigen Aufsicht über diese Anlageinstrumente liegen im wohlverstandenen Interesse sowohl der Arbeitgeber als auch der Versicherten und der Rentner" (AB S vom 16. September 2008 S. 561 zweite Spalte). Ausdrücklich beibehalten wurde dabei einzig der Einanlegerfonds (vgl. Art. 53i Abs. 3 BVG ). 5.3 Nach dem Gesagten gehen die Debatten in Parlament und (vorberatenden) Kommissionen wohl dahin, dass der Gesetzgeber im Wesentlichen die herrschende Praxis legiferieren und grundsätzlich die Lücken in der Rechtsanwendung schliessen wollte. Zusätzlich sollten die Anforderungen, die neu an die Integrität und Loyalität aller mit der Verwaltung einer Vorsorgeeinrichtung oder deren Vermögen betrauten Personen gestellt werden, inklusive der Aufsicht über deren Handeln, auch in Bezug auf die Anlagestiftungen gelten. Insbesondere hat sich der Gesetzgeber für einen relativen Schutzbedarf der Anleger ausgesprochen. Eindeutige Anhaltspunkte, dass er die Anlagestiftungen strukturell nicht antasten wollte, fehlen jedoch. Hätte er die gelebten Strukturen tel quel bewahren wollen, hätte er dies, wie hinsichtlich des Einanlegerfonds, leicht im Gesetzestext festhalten können. Indes hat er eine im Wortlaut klare, im Inhalt nicht weiter einschränkende Delegationsnorm erlassen, die keinen Raum für widersprechende Auslegungen bietet (vgl. E. 5.1 vorne). Den Gesetzesmaterialien kann daher keine entscheidende Rolle zukommen ( BGE 134 V 170 E. 4.1 S. 174 f.). Dass der Bundesrat resp. das BSV gegenüber Tochtergesellschaften von Anlagestiftungen eine kritische Haltung eingenommen hat, mag betreffend das Modell H., das wirtschaftlich von erheblichem Nutzen ist, was auch die OAK selber einräumt, als unnötig empfunden werden. Und auch wenn der Verordnungsgeber mit der hier streitigen Lösung ein hohes Mass an Regulierung eingeführt hat und damit renditestarke Anlagestiftungen augenscheinlich einengt, lässt sich trotzdem nicht sagen, er sei über die Kompetenz hinausgegangen, die ihm übertragen wurde. Es ist und bleibt Tatsache, dass der Gesetzgeber einen widerspruchsfreien BGE 143 V 208 S. 216 und - schier endlos - weiten Delegationsrahmen abgesteckt hat. Art. 32 Abs. 1 ASV ist demnach nicht gesetzeswidrig. Ob er ohne Not stipuliert wurde, ist nicht vom Bundesgericht zu beurteilen (vgl. E. 4.3 in fine). 6. Zu prüfen bleibt die Frage nach der Verfassungsmässigkeit. Die Beschwerdeführerinnen berufen sich auf die Wirtschaftsfreiheit und die Eigentumsgarantie. Ferner machen sie eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots, des Verhältnismässigkeitsprinzips sowie des Erfordernisses des öffentlichen Interesses geltend. 6.1 6.1.1 Gemäss Art. 27 BV ist die Wirtschaftsfreiheit gewährleistet (Abs. 1). Sie umfasst insbesondere die freie Wahl des Berufes sowie den freien Zugang zu einer privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit und deren freie Ausübung (Abs. 2). Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein ( Art. 36 Abs. 1 Satz 2 BV ). 6.1.2 Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit durch Art. 32 Abs. 1 ASV bejaht, einen schweren Eingriff demgegenüber verneint. Eine nähere Erörterung dieser Auffassung fehlt. Der Verweis auf die (vorinstanzliche) Erwägung 5.2 hilft nicht weiter, da sich dort lediglich generell-abstrakte Ausführungen zur Wirtschaftsfreiheit und ein "klassisches" Beispiel eines schweren Eingriffs (in Form des Verbots oder der Einführung einer Bewilligungspflicht zur Ausübung einer Erwerbs- oder Geschäftstätigkeit) finden. Weiterungen zu diesem (formellen) Mangel erübrigen sich jedoch: Eine Betätigung, die eine Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen, aber an Private übertragenen Aufgabe darstellt, bildet nicht Schutzobjekt von Art. 27 BV ( BGE 142 II 369 E. 6.2 S. 386 mit weiteren Hinweisen). Vorsorgeeinrichtungen sind mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betraute Organisationen (vgl. statt vieler SVR 2014 BVG Nr. 3 S. 8, 9C_944/2012 E. 3). Die Anlagestiftungen stehen unmittelbar und ausschliesslich in deren Dienst (vgl. Art. 53g BVG und Art. 1 ASV ; vgl. auch E. 4.1 vorne und KRATZ-ULMER, a.a.O., S. 10 f.). Wenn sie auch keine Vorsorgerisiken gegenüber den Anspruchsberechtigten übernehmen, besteht die Funktion ihrer Verrichtungen einzig und allein in der Miterfüllung einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe. Die Beschwerdeführerinnen können sich im hier fraglichen Bereich somit von vornherein nicht auf die Wirtschaftsfreiheit berufen. BGE 143 V 208 S. 217 6.2 6.2.1 Art. 32 Abs. 1 ASV bedingt unbestrittenermassen eine Umorganisation der Gruppe H. (vgl. E. 3.2 vorne). Gemäss Aktennotiz der OAK vom 21. März 2012 kann eine solche wie folgt aussehen: "Die E. AG ist raufzunehmen (Anlagestiftungen), ebenso müssen sich die G. neu oben organisieren und der öffentliche Immobilienfonds ist zu veräussern". 6.2.2 Soweit sich die Beschwerdeführerinnen in Bezug auf den (mittelbaren) Zwang, Eigentum zu veräussern, auf die Bestandesgarantie berufen, die eine Ausprägung der in Art. 26 Abs. 1 BV gewährleisteten Eigentumsgarantie verkörpert (KLAUS A. VALLENDER, in: Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 2. Aufl. 2008, N. 29 zu Art. 26 BV ), lassen sie ausser Acht, dass ihr Anlagevermögen als solches unangetastet bleibt. Art. 32 Abs. 1 ASV zwingt sie nicht, auch nur einen einzigen Franken an den Enteigner resp. Staat zu übertragen, weshalb die Vorinstanz zu Recht den Tatbestand einer formellen Enteignung negiert hat. Wie sie zudem ebenfalls richtig erkannt hat, werden "nur" bestimmte Strukturen untersagt. Von einer Auswirkung wie im Falle einer formellen Enteignung kann dabei nicht die Rede sein: Die Beschwerdeführerinnen können ihr gesamtes Anlagevermögen nicht nur behalten, sondern weiterhin auch nutzen und darüber verfügen. Dass ihnen keine Alternative verbleibt, das Anlagevermögen zu denselben - niedrigen - Kosten zu verwalten wie bisher, stellt keine wesentliche, aus dem Eigentum fliessende Befugnis dar. Dieser Umstand berührt die Zweckmässigkeit, für die der Bundesrat die Verantwortung trägt (vgl. E. 4.3 in fine). 6.3 6.3.1 Das Bundesverwaltungsgericht erwog im Weiteren, dass Art. 32 Abs. 1 ASV restriktiver als die Ausnahmeregelung gemäss Art. 50 Abs. 4 BVV 2 i.V.m. Art. 53 Abs. 1 lit. d BVV 2 (Anlage in unkotierte Gesellschaften [hier massgebende, bis Ende Juni 2014 in Kraft gewesene Fassung]) sei, was zu einer Ungleichbehandlung von Vorsorgeeinrichtungen, die ihr Vermögen über Anlagestiftungen investierten, gegenüber solchen, die direkt anlegten, führe. Es erachtete diese Ungleichbehandlung jedoch als sachlich gerechtfertigt, da mit Art. 32 Abs. 1 ASV die Transparenz erhöht werde, indem Verschachtelungen der Anlagen entgegengewirkt und klare Verhältnisse sichergestellt würden. BGE 143 V 208 S. 218 6.3.2 Art. 32 Abs. 1 ASV stellt eine allgemeine (Aktienanlage-)Bestimmung zu Tochtergesellschaften im Anlagevermögen dar. Wie die Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich festgestellt hat (vgl. E. 2 vorne), geht es hier ausschliesslich um Immobilienanlagen, welche die verschiedenen Vorsorgeeinrichtungen durch die Beschwerdeführerinnen tätigen lassen. Dass sich auch selber anlegende Vorsorgeeinrichtungen an unkotierten Managementgesellschaften beteiligen können, blieb wohl unbestritten. Dass selber anlegende Vorsorgeeinrichtungen ihre Immobilienanlagen (zu den Anlagekategorien vgl. Art. 55 BVV 2 ) über eine unkotierte Managementgesellschaft abwickeln dürfen, wird seitens der Beschwerdeführerinnen aber nicht behauptet. Eine Ungleichbehandlung in der vorliegenden Konstellation ist nicht dargetan und auch nicht ersichtlich. Dazu kommt, dass die Beschwerdeführerinnen sich in ihrer Beschwerde darauf beschränken, dem vorinstanzlichen Argument entgegenzutreten, wegen der dazwischengeschalteten Anlagestiftung lägen bereits grundsätzlich kompliziertere Strukturen vor. Mit der übrigen Rechtfertigung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. E. 6.4.1 des angefochtenen Entscheids) setzen sie sich nicht substanziiert auseinander. Sie stellen ihr bloss ihre eigene Sicht der Dinge gegenüber, was nicht genügt (vgl. E. 2 vorne). Das Bundesgericht hat deshalb so oder anders keine Veranlassung, von der vorinstanzlichen Verneinung eines Verstosses gegen das Gleichbehandlungsgebot von Art. 8 BV abzuweichen. 6.4 Schliesslich bemängeln die Beschwerdeführerinnen, dass das Bundesverwaltungsgericht eine Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips (vgl. Art. 5 Abs. 2 BV ) nicht geprüft hat. Dabei belassen sie im Dunkeln, wo und inwieweit sie eine entsprechende Rüge überhaupt vorgetragen haben. Zwar ist es möglich, mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten rechtlich Neues vorzubringen ( BGE 136 V 362 E. 4.2 S. 367). Das Dargelegte zielt indessen - sowohl in Bezug auf den Grundsatz der Verhältnismässigkeit als auch betreffend das ebenfalls in Art. 5 Abs. 2 BV statuierte Erfordernis des öffentlichen Interesses - im Wesentlichen auf die Kostengünstigkeit der bestehenden Organisationsstruktur, was es zum Vorteil der Versicherten zu erhalten gelte. Dabei übersehen die Beschwerdeführerinnen, dass sich die wirtschaftliche Sachgerechtigkeit einer Regelung der Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts entzieht (vgl. E. 4.3 in fine). BGE 143 V 208 S. 219 6.5 Zusammenfassend lässt sich auch kein verfassungsrechtlicher Aspekt ausmachen, der es gebieten würde, Art. 32 Abs. 1 ASV in concreto die Anwendung zu versagen. (...)
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it
Sachverhalt ab Seite 247 BGE 129 IV 246 S. 247 A.- Il 15 giugno 1983 la Corte delle assise criminali in Lugano ha condannato il cittadino turco A., ora titolare anche di un passaporto greco, a 10 anni di reclusione e all'espulsione dalla Svizzera per 15 anni per violazione aggravata della legge federale sugli stupefacenti. Il 19 aprile 1990 il Consiglio di vigilanza sull'esecuzione delle pene gli ha concesso la liberazione condizionale e la sospensione a titolo di prova per 5 anni della pena accessoria dell'espulsione. Il 25 ottobre 1990 l'Ufficio federale degli stranieri (UFDS) ha disposto un divieto di entrata di durata illimitata considerando che A., a seguito della condanna penale, era persona indesiderata. Il provvedimento è stato confermato su ricorso con decisione 5 dicembre 1991 del Dipartimento federale di giustizia e polizia (DFGP). B.- Con decreto di accusa del 31 luglio 1991 il Procuratore pubblico sottocenerino ha riconosciuto A. autore colpevole di violazione della legge federale del 26 marzo 1931 concernente la dimora e il domicilio degli stranieri (LDDS; RS 142.20) per essere entrato in Svizzera nonostante il divieto d'entrata: la pena proposta, sospesa condizionalmente, è stata di 15 giorni di detenzione. Il 14 gennaio 1992 il Pretore del distretto di Lugano, statuendo su opposizione, ha prosciolto l'interessato dall'accusa perché il fatto non costituiva reato. Fondandosi su questa sentenza A. ha chiesto la revoca del divieto di entrata. La richiesta è stata respinta con decisione 3 marzo 1992 dell'UFDS, confermata su ricorso il 12 marzo 1993 dal DFGP. C.- Con decreto di accusa del 22 gennaio 2001 il Procuratore pubblico riconosceva nuovamente A. autore colpevole di infrazione all' art. 23 cpv. 1 LDDS per essere ripetutamente entrato illegalmente in Svizzera dal 1995 in poi e per avere soggiornato in diverse località BGE 129 IV 246 S. 248 ticinesi: proponeva la detenzione di 15 giorni sospesa condizionalmente per 2 anni. La successiva opposizione sfociava nella sentenza 13 settembre 2001 del Pretore del distretto di Lugano, che proscioglieva di nuovo l'accusato. Il Procuratore pubblico insorgeva davanti alla Corte di cassazione e di revisione penale del Tribunale d'appello ticinese (CCRP), la quale respingeva il ricorso, nella misura in cui era ammissibile, con sentenza del 31 ottobre 2002. D.- Il Procuratore generale del Cantone Ticino insorge davanti al Tribunale federale con ricorso per cassazione datato 18 dicembre 2002. Chiede che la sentenza impugnata sia annullata e che il procedimento sia rinviato all'autorità cantonale per nuovo giudizio. Con scritto del 30 dicembre 2002 la CCRP dichiara di rinunciare a presentare osservazioni. Nella sua risposta del 13 maggio 2003 l'opponente domanda che il ricorso venga respinto. Il Tribunale federale ha accolto il ricorso per cassazione.
1,035
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Erwägungen Considerandi: 1. Il ricorso per cassazione può essere proposto unicamente per violazione del diritto federale ( art. 269 cpv. 1 PP ). La Corte di cassazione penale del Tribunale federale è vincolata dagli accertamenti di fatto dell'autorità cantonale (art. 277bis cpv. 1 seconda e terza frase PP). Essa deve pertanto fondare il proprio giudizio sui fatti accertati dall'ultima istanza cantonale oppure su quelli considerati dall'autorità inferiore, ma solo nella misura in cui quest'ultimi siano ripresi perlomeno implicitamente nella decisione impugnata ( DTF 118 IV 122 consid. 1). Il ricorrente non deve criticare accertamenti di fatto né proporre eccezioni ed impugnazioni nuove ( art. 273 cpv. 1 lett. b PP ). 2. La CCRP ha premesso che le decisioni 5 dicembre 1991 e 12 marzo 1993 con le quali il DFGP ha confermato i divieti di entrata erano definitive. Ne ha dedotto, con richiamo alla dottrina ed alla giurisprudenza, che il Pretore poteva vagliare pregiudizialmente con pieno potere cognitivo la legittimità del divieto di entrata; esame che andava eseguito sulla base della situazione di fatto vigente nel momento in cui la decisione è stata presa. Il Procuratore generale riconosce tale facoltà del giudice penale, ma rimprovera alla Corte cantonale di avere effettuato un esame di opportunità invece che di legalità. BGE 129 IV 246 S. 249 2.1 In una sentenza di principio risalente al 1972 il Tribunale federale ha modificato la propria giurisprudenza in merito alla facoltà del giudice penale di esaminare pregiudizialmente la legalità delle decisioni amministrative che stanno alla base dell'infrazione penale (per la vecchia giurisprudenza cfr. DTF 71 IV 219 e DTF 73 IV 254 consid. 2). Disturba infatti l'idea che si possa venire puniti perché si è disubbidito ad una decisione illegale dell'autorità (in questo senso già JOHANN CASPAR BLUNTSCHLI, Allgemeines Staatsrecht, 6a ed., Stoccarda 1885, pag. 366, n. 5). In DTF 98 IV 106 sono state quindi definite tre ipotesi. La prima si verifica quando un tribunale amministrativo si è già pronunciato: in tale caso il giudice penale non può più rivedere la legalità della decisione amministrativa. Nella seconda ipotesi un ricorso al tribunale amministrativo sarebbe stato possibile ma l'accusato non lo ha proposto oppure, se lo avesse fatto, la decisione non è ancora stata emanata: in questo caso, secondo la citata giurisprudenza, l'esame della legalità da parte del giudice penale è possibile, ma è limitato alla violazione manifesta della legge e all'abuso del potere di apprezzamento. Infine il giudice penale sindaca liberamente la legalità, e quindi anche l'abuso del potere d'apprezzamento, quando nessun ricorso ad un tribunale amministrativo è ammesso contro la decisione amministrativa ( DTF 121 IV 29 consid. 2a pag. 31; DTF 98 IV 106 consid. 3). 2.2 Questa costruzione a tre livelli non è priva di difetti. In particolare vanno rilevate talune frizioni logiche nella transizione fra il secondo ed il terzo livello. Non vi è infatti corrispondenza tra il controllo della legalità da un lato e del potere d'apprezzamento dall'altro. Se il passaggio dalla terza alla seconda costellazione comporta giustamente una restrizione del potere d'esame sulla legalità, lo stesso non vale in ambito di potere d'apprezzamento, dove invece il potere d'esame resta invariato. Vi è in questo senso un'incoerenza del sistema da rettificare adottando anche in ambito d'apprezzamento una parallela restrizione del potere d'esame. Per fare questo va rivisto il secondo livello introducendo una cognizione limitata all'abuso manifesto del potere d'apprezzamento. Al terzo livello resta invece sempre possibile un esame del semplice abuso del potere d'apprezzamento, quale emanazione del controllo pieno della legalità. Tale correzione è quanto mai opportuna anche in considerazione del fatto che la precedente giurisprudenza affondava le proprie radici in un contesto storico-giuridico in cui la giurisdizione dei tribunali amministrativi era molto meno sviluppata, per cui l'esigenza di un controllo da parte del giudice penale era più urgente rispetto ad oggi. BGE 129 IV 246 S. 250 2.3 Nella fattispecie si tratta di un caso del terzo livello. A questo proposito dottrina e giurisprudenza sono concordi sul fatto che l'esame non può venire in alcun modo esteso all'opportunità o all'adeguatezza della decisione (v. DTF 100 IV 68 ; DTF 98 IV 108 ; CHRISTOF RIEDO, Commentario basilese, n. 65 all' art. 292 CP ; BERNARD CORBOZ, Les principales infractions, vol. II, Berna 2002, n. 12 all' art. 292 CP ; JÖRG REHBERG, Strafrecht IV, 2a ed., Zurigo 1996, pag. 308; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, BT II, 5a ed., Berna 2000, § 51 n. 6). Il giudice penale non può godere di un potere d'esame più ampio del giudice amministrativo, il quale nemmeno in materia d'espulsione degli stranieri ha la facoltà di sindacare l'adeguatezza della decisione dell'amministrazione cantonale (art. 104 lett. c OG; DTF 125 II 105 consid. 2a). Esamina se la decisione d'espulsione è conforme alla legge ed al principio di proporzionalità, ma non può sostituire l'apprezzamento dell'autorità amministrativa con il proprio ( DTF 104 Ib 1 consid. 1b). Si tratta dunque di un esame di legalità ma non di opportunità o adeguatezza. È per tanto corretta la tesi del Procuratore generale, secondo la quale il giudizio penale non poteva rivedere l'opportunità delle decisioni amministrative che stanno alla base dell'infrazione. 3. Nella decisione del 12 marzo 1993 il DFGP ha confermato il divieto di entrata contro A. in applicazione dell' art. 13 cpv. 1 LDDS , considerando determinante la condanna penale del 15 giugno 1983. La Corte cantonale ha ritenuto che l'autorità amministrativa, così facendo, avrebbe dato "prova di esagerato rigore” trascurando in particolare di valutare le circostanze favorevoli all'accusato. Tra queste circostanze l'autorità cantonale ha menzionato le relazioni personali, lo stato di salute e il ravvedimento. Il Procuratore generale limita l'oggetto del ricorso all'accusa di ripetuta entrata illegale; rinuncia invece ad ogni contestazione concernente l'imputazione di ripetuto soggiorno illegale. Egli sostiene che per l'applicazione dell' art. 13 cpv. 1 LDDS basta l'adempimento della condizione oggettiva della condanna per crimine o delitto. Ciò premesso, a suo avviso, rimarrebbe da esaminare soltanto se la durata indeterminata del divieto di entrata rispetti i principi di proporzionalità e di uguaglianza nonché il divieto di arbitrio. Quesito a cui risponde affermativamente ribadendo la pericolosità dell'opponente e contestando il di lui legame con la Svizzera. Il Procuratore generale si sofferma anche sulle finalità diverse perseguite dall'espulsione BGE 129 IV 246 S. 251 penale per rispetto a quella amministrativa e sulla conseguente indipendenza di giudizio delle autorità che la pronunciano. 3.1 Per l'art. 13 cpv. 1 prima frase LDDS l'autorità federale può vietare l'entrata in Svizzera agli stranieri indesiderabili. Si tratta di una misura di polizia degli stranieri, come tale da distinguere dalla pena accessoria dell'espulsione dal territorio svizzero ex art. 55 CP . Infatti secondo la giurisprudenza del Tribunale federale le misure di polizia degli stranieri perseguono scopi differenti rispetto a quelle di natura penale. In questo senso il fatto che l'espulsione penale sia stata sospesa in virtù dell' art. 55 cpv. 2 CP non costituisce un ostacolo per un'eventuale espulsione di polizia ( DTF 125 II 105 consid. 2b). In un'ottica giuspenalistica è determinante la questione del possibile reinserimento sociale del reo, mentre per l'autorità di polizia degli stranieri è centrale l'interesse della sicurezza e dell'ordine pubblici. Quello della risocializzazione è in questo ambito soltanto un fattore accanto a molti altri, da prendere in considerazione in maniera più severa rispetto all'autorità penale o di esecuzione delle pene, tenuto conto di una esaustiva ponderazione degli interessi di polizia (sentenza 2A.531/1996 del 18 febbraio 1997, consid. 2b; DTF 114 Ib 1 consid. 3a pag. 3 e seg.; DTF 120 Ib 129 consid. 5b pag. 132). 3.2 L'opponente ha commesso una grave infrazione contro la legge federale sugli stupefacenti avendo organizzato l'importazione di 4,180 kg di eroina dalla Turchia alla Svizzera. La gravità del reato giustifica già di per sé l'espulsione di polizia. Secondo la giurisprudenza amministrativa del DFGP è infatti da considerarsi indesiderabile ai sensi dell'art. 13 cpv. 1 prima frase LDDS lo straniero che è stato condannato da un'autorità giudiziaria per un crimine o un delitto (GAAC 63/1999 n. 1 consid. 12a pag. 23 e rinvii). La ratio della norma è di ordine pubblico: occorre impedire l'entrata ed il soggiorno agli stranieri i cui antecedenti permettono di concludere ch'essi non vogliono o non sono capaci di rispettare l'ordine stabilito né di tenere il comportamento che ci si deve attendere da chi desideri soggiornare anche solo temporaneamente in Svizzera (GAAC 63/1999 n. 1 consid. 12a pag. 24; 60/1996 n. 4 consid. IV/2 pag. 45). Solamente circostanze particolari possono indurre a prescindere dal vietare l'entrata di uno straniero, sebbene egli sia stato condannato per un crimine o un delitto. Si pone dunque la questione di sapere se nella fattispecie siano date circostanze particolari tali da rendere sproporzionata e quindi illegittima la misura dell'espulsione. Tali circostanze vanno esaminate sulla base della situazione di fatto al momento dell'emanazione della decisione, ovvero in data 12 marzo BGE 129 IV 246 S. 252 1993. Tutto ciò che è accaduto dopo non può essere oggetto dell'esame del giudice penale, ma potrà tutt'al più essere preso in considerazione a fronte di un'eventuale istanza di riesame amministrativo presso le autorità federali competenti (cfr. ANDREAS ZÜND, Beendigung der Anwesenheit, Entfernung und Fernhaltung, in: Uebersax/Münch/Geiser/Arnold, Ausländerrecht, n. 6.84). 3.3 L'opponente, nato nel 1946, era in Svizzera dal 1979 e ha commesso le infrazioni in questione tre anni più tardi. È impossibile dunque parlare di legami particolari con la Svizzera. Effettivamente dopo la sua condanna e fino all'emanazione delle contestate misure di polizia degli stranieri, egli non ha commesso nuovi reati, ma ciò non è molto indicativo visto che il periodo in questione l'ha passato principalmente in carcere. Egli era sì legato sentimentalmente ad una cittadina di nazionalità svizzera, conosciuta nel 1988 durante il regime di semilibertà, come non ha mancato di prendere in considerazione il DFGP nella sua decisione 12 marzo 1993, ma questo non è sufficiente per rovesciare l'impatto negativo dei reati commessi in precedenza. Come ha pertinentemente sottolineato l'autorità amministrativa federale i crimini commessi da quest'ultimo sono di una gravità estrema, in quanto atti a mettere in pericolo la vita di un numero molto alto di persone. La perniciosità di questo genere di reati per l'ordine e la salute pubblici è stata sottolineata anche dalla Corte europea dei diritti dell'uomo, la quale, chiamata a giudicare il caso di un cittadino algerino espulso dalla Francia, dove viveva dall'età di due anni, ossia dal 1967, in seguito ad una condanna a tre anni di detenzione (di cui due sospesi condizionalmente) per traffico di stupefacenti, ha negato che tale misura violasse l' art. 8 CEDU (sentenza nella causa Baghli contro Francia del 30 novembre 1999, Recueil CourEDH 1999-VIII pag. 189, n. 36, 37, 39, 40 e 45-49). Date simili circostanze non si può certo sostenere che il rapporto tra l'opponente ed il nostro Paese fosse, al momento dell'emanazione della decisione, così profondo da far apparire il divieto d'entrata in Svizzera come sproporzionato nei confronti dell'interesse pubblico tutelato. Questo vale anche tenuto conto della grave malattia che ha colpito l'opponente durante l'esecuzione della pena, ma da cui sembrava essere guarito già nell'aprile 1992 e per la quale non risulta che egli dovesse seguire ancora un particolare trattamento in Svizzera. In questo senso gli elementi che si opponevano all'espulsione erano molto tenui e non assolutamente paragonabili alla gravità dell'infrazione commessa, per cui l'autorità amministrativa BGE 129 IV 246 S. 253 non ha abusato del suo potere d'apprezzamento confermando l'espulsione dell'opponente dalla Svizzera. 3.4 Da tutto questo discende che l'autorità cantonale, prosciogliendo l'opponente dall'accusa di ripetuta entrata illegale ai sensi dell' art. 23 cpv. 1 LDDS , ha violato il diritto federale per cui il ricorso va accolto.
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Sachverhalt ab Seite 131 BGE 135 I 130 S. 131 Le 23 juin 2008, le Conseil d'Etat de la République et canton de Neuchâtel a adopté l'arrêté relatif à la facturation des frais de sécurité publique des manifestations sportives exposées à la violence (ci-après: l'arrêté), lequel a été publié dans la Feuille officielle neuchâteloise du 27 juin 2008. Dans son préambule, l'arrêté se réfère à la loi fédérale du 21 mars 1997 instituant des mesures visant au maintien de la sûreté intérieure (LMSI; RS 120) ainsi qu'à son ordonnance d'application, du 27 juin 2001 (OMSI; RS 120.2), à la loi cantonale du 20 février 2007 sur la police neuchâteloise (LPol; RSN 561.1) et à la loi cantonale du 10 novembre 1920 concernant les émoluments (RSN 152.150). L'arrêté contient notamment les dispositions suivantes: "Champ d'application Article premier .- Le présent arrêté s'applique aux manifestations sportives au cours desquelles des comportements violents ou actes de violence justifiant un important service de maintien de l'ordre, sont à craindre. Principe Art. 2.- 1 Les organisateurs de telles manifestations versent à l'Etat un émolument pour couvrir les frais engagés pour garantir la sécurité publique. 2 Cet émolument correspond à tout ou partie des frais engagés par la police neuchâteloise pour le renforcement de la sécurité. Définitions Art. 3.- Dans le présent arrêté, on entend par: a) comportements violents ou actes de violence: tout comportement ou actes de violence tels que ceux qui sont notamment définis à l'article 21a de l'ordonnance sur les mesures visant au maintien de la sûreté intérieure (OMSI), du 27 juin 2001, et qui se déroulent à l'occasion de manifestations sportives. BGE 135 I 130 S. 132 b) important service de maintien de l'ordre: l'engagement des effectifs supplémentaires de la police conduisant notamment à la révocation des congés, à la suppression des vacances voire à l'appel de renforts provenant d'autres cantons, ceci en vue d'assurer la sécurité publique. Participation des organisateurs Art. 4.- 1 La participation des organisateurs est fixée à 80 % du coût effectif des frais engagés pour garantir la sécurité publique. 2 Le montant des frais peut être réduit en fonction des mesures prises par les organisateurs pour éviter les comportements violents ou les actes de violence. 3 La Police neuchâteloise définit les critères de réduction. 4 La participation minimale des organisateurs est fixée à 60 % du coût effectif des frais engagés. Procédure a) évaluation et information Art. 5.- 1 La Police neuchâteloise procède à l'évaluation des risques et des frais de sécurité pour chacune des rencontres. 2 Elle informe les organisateurs du montant relatif à chaque manifestation. b) établissement et transmission de la facture Art. 6.- Une facture est établie pour chaque manifestation et adressée directement aux organisateurs par la Police neuchâteloise. c) titre exécutoire Art. 7. - Les factures établies par la Police neuchâteloise valent titre exécutoire en faveur de l'Etat, au sens de l'art. 80 de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite (LP), du 11 avril 1889. d) voies de recours Art. 8.- 1 Les factures établies en vertu du présent arrêté peuvent faire l'objet d'un recours auprès du Département de la justice, de la sécurité et des finances (ci-après: le département). 2 Les décisions du département peuvent faire l'objet d'un recours au Tribunal administratif. 3 Au surplus, la loi sur la procédure et la juridiction administratives (LPJA), du 27 juin 1979, est applicable." Par acte du 25 août 2008, les sociétés anonymes HCC La Chaux-de-Fonds SA, de siège à La Chaux-de-Fonds, et Neuchâtel Xamax SA, sise à Neuchâtel, ont interjeté un recours en matière de droit public à l'encontre de l'arrêté, dont elles demandent l'annulation. Elles se plaignent que cet arrêté porterait atteinte à leur liberté BGE 135 I 130 S. 133 économique et aux principes de l'encouragement du sport, de l'égalité ainsi que de la légalité. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. Parmi les contributions publiques, la doctrine récente distingue entre les impôts, les contributions causales et les taxes d'orientation (BLUMENSTEIN/LOCHER, System des schweizerischen Steuerrechts, 6 e éd. 2002, p. 5 s.; XAVIER OBERSON, Droit fiscal suisse, 3 e éd., 2007, § 1 n. 3; RYSER/ROLLI, Précis de droit fiscal suisse, 4 e éd., 2002, p. 3). Les impôts représentent la participation des citoyens aux charges de la collectivité; ils sont dus indépendamment de toute contre-prestation spécifique de la part de l'Etat. Les contributions causales, en revanche, constituent la contrepartie d'une prestation spéciale ou d'un avantage particulier appréciable économiquement accordé par l'Etat. Elles reposent ainsi sur une contre-prestation étatique qui en constitue la cause (BLUMENSTEIN/LOCHER, op. cit., p. 2, 4 s.; HÖHN/WALDBURGER, Steuerrecht, vol. I, 9 e éd., 2000, § 1 n. 3 s.; ADRIAN HUNGERBÜHLER, Grundsätze des Kausalabgabenrechts, ZBl 2003 p. 505 ss, 507; OBERSON, op. cit., § 1 n. 5, 6, 10). Généralement, les contributions causales se subdivisent en trois sous-catégories: les émoluments, les charges de préférence et les taxes de remplacement (BLUMENSTEIN/LOCHER, op. cit., p. 2; OBERSON, op. cit., § 1 n. 6). L'émolument représente la contrepartie de la fourniture d'un service par l'Etat - émolument administratif - ou de l'utilisation d'une infrastructure publique - émolument d'utilisation. Il en existe d'autres sortes, telles que les taxes régaliennes (BLUMENSTEIN/LOCHER, op. cit., p. 2 s.; OBERSON, op. cit., § 1 n. 7). Les différents types de contributions causales ont en commun d'obéir au principe de l'équivalence - qui est l'expression du principe de la proportionnalité en matière de contributions publiques -, selon lequel le montant de la contribution exigée d'une personne déterminée doit être en rapport avec la valeur objective de la prestation fournie à celle-ci (rapport d'équivalence individuelle). En outre, la plupart des contributions causales - en particulier celles dépendant des coûts, à savoir celles qui servent à couvrir certaines dépenses de l'Etat, telles que les émoluments et les charges de préférence - doivent respecter le principe de la couverture des frais. Selon ce principe, le produit global des contributions ne doit pas dépasser, ou BGE 135 I 130 S. 134 seulement de très peu, l'ensemble des coûts engendrés par la subdivision concernée de l'administration (BLUMENSTEIN/LOCHER, op. cit., p. 2 s.; HUNGERBÜHLER, op. cit., p. 512; cf. aussi ATF 129 I 346 consid. 5.1 p. 354). 3. 3.1 Intitulé "Remboursement de frais", l'art. 62 de la loi cantonale sur la police neuchâteloise dispose ce qui suit: " 1 Les organisateurs et organisatrices de manifestations nécessitant un important service d'ordre ou de protection peuvent être tenu-e-s de verser un émolument dont le montant correspond à tout ou partie des frais engagés. 2 Les manifestations politiques autorisées sont exemptes d'émoluments. 3 Le Conseil d'Etat arrête les modalités d'exécution, sur préavis du Conseil cantonal de sécurité publique". 3.2 Dans ses déterminations des 22 octobre 2008 et 14 janvier 2009, le Conseil d'Etat a précisé comment l'arrêté est mis en oeuvre. La police neuchâteloise détermine les effectifs à engager pour assurer la sécurité de telle manifestation sportive sur la base d'une évaluation du risque effectuée par le Service d'analyse et de prévention de l'Office fédéral de la police. Pour un match à "risque zéro", le dispositif de base, à savoir douze patrouilles de deux hommes, est considéré comme suffisant. Ces patrouilles assurent la sécurité sur les lieux de la rencontre, en plus d'assumer les tâches habituelles de maintien de l'ordre sur l'ensemble du territoire cantonal. Un effectif supplémentaire de 15 hommes est déployé pour un match à faible risque; cet effectif est porté à 30 hommes pour une rencontre à risque moyen et à 45 policiers pour un match à haut risque. Ces forces de police supplémentaires sont spécialement affectées au maintien de l'ordre durant le match. Les frais liés à leur engagement sont facturés aux organisateurs dans la proportion déterminée par l'arrêté, alors que ceux-ci n'ont pas à supporter de frais pour le dispositif de base. 4. 4.1 Les recourantes soutiennent que l'arrêté porte atteinte à la liberté économique garantie par l' art. 27 Cst. et l'art. 26 de la Constitution neuchâteloise du 24 septembre 2000 (Cst./NE; RS 131.233). Elles font valoir que l'arrêté donne un "blanc-seing" à la police, qui aurait toute latitude quant au principe et aux modalités de son intervention et s'agissant de la quote-part des coûts pouvant être mis à BGE 135 I 130 S. 135 leur charge. De leur côté, elles n'auraient "pratiquement aucune marge de manoeuvre" pour augmenter leurs recettes de manière à pouvoir assumer ces coûts supplémentaires. Leur survie économique serait ainsi menacée par l'arrêté. En outre, celui-ci aurait pour effet de les "pénaliser" sans présenter la "densité normative" requise pour qu'une restriction à un droit fondamental soit admissible et sans qu'il existe pour cela un intérêt public. 4.2 Il n'est ni allégué ni démontré que l'art. 26 de la Constitution neuchâteloise aurait une portée plus large que l' art. 27 Cst. , de sorte que le grief soulevé doit être examiné exclusivement à la lumière de cette dernière disposition. Selon l' art. 27 al. 1 Cst. , la liberté économique est garantie. Elle comprend notamment le libre choix de la profession, le libre accès à une activité économique lucrative privée et son libre exercice ( art. 27 al. 2 Cst. ). Cette liberté protège toute activité économique privée, exercée à titre professionnel et tendant à la production d'un gain ou d'un revenu ( ATF 128 I 19 consid. 4c/aa p. 29). Elle peut être invoquée tant par les personnes physiques que par les personnes morales ( ATF 131 I 223 consid. 4.1 p. 230 s.). Le Tribunal fédéral a eu l'occasion de se prononcer sur la question de savoir si des mesures fiscales constituent une restriction de la liberté économique. A la différence de l'interdiction d'exercer une activité économique ou du fait de la soumettre à autorisation, le prélèvement de contributions ne constitue pas une restriction juridique, mais il peut de fait influer sur l'exercice de la liberté économique. Toute mesure ayant une incidence sur la liberté en question ne constitue toutefois pas une limitation de celle-ci et il y a lieu de se montrer restrictif pour admettre l'existence d'une telle limitation ( ATF 125 I 182 consid. 5b p. 198). Il faut au demeurant distinguer selon le type de contribution en cause. Les impôts spéciaux ( Gewerbesteuern ) ne sont admissibles au regard de la liberté économique que pour autant qu'ils ne soient pas prohibitifs. Une telle contribution est prohibitive si son montant "empêche la réalisation d'un bénéfice convenable dans le commerce ou la branche en question, en rendant impossible ou excessivement difficile l'exercice de la profession" ( ATF 87 I 29 consid. 3 p. 32; ATF 128 I 102 consid. 6b p. 110). Tel n'est pas le cas si "elle peut être transférée à l'acheteur, c'est-à-dire si, ajoutée au prix de vente, elle n'empêche pas l'entreprise de soutenir la concurrence" ( ATF 87 I 29 consid. 4 p. 36). A la BGE 135 I 130 S. 136 différence des impôts spéciaux, les impôts généraux n'interfèrent pas avec la liberté économique. Il en va de même des contributions causales telles que les émoluments d'utilisation ou d'administration, pour autant qu'elles respectent le principe de la couverture des coûts. Une taxe causale d'orientation dépendant des coûts - il s'agissait en l'occurrence d'une redevance d'atterrissage comportant une surtaxe sur les émissions - ne constitue pas davantage une restriction de la liberté économique ( ATF 125 I 182 consid. 5b p. 198 s. et les arrêts cités; cf. aussi arrêt 2P.224/1998 du 27 juillet 1999 consid. 3c/bb, in RDAT 2000 I n. 50 p. 484). En doctrine, GRISEL considère que la question de savoir si une contribution publique est admissible au regard de la liberté économique dépend en premier lieu de son rapport avec l'activité économique considérée: c'est seulement lorsque la contribution frappe directement cette activité qu'elle entre dans le champ d'application de l' art. 27 Cst. et doit se concilier avec lui. Il en irait ainsi, d'une part, des impôts spéciaux et, d'autre part, des contributions causales qui touchent particulièrement une activité lucrative en tant que telle, comme la taxe pour l'admission au stage d'avocat ou la taxe de surveillance des films et des séances de cinéma. En revanche, les impôts généraux et les contributions causales qui ne portent pas spécifiquement sur une activité économique seraient licites sans égard à la liberté économique (ETIENNE GRISEL, Liberté économique, 2006, n os 934 ss). OBERSON estime au contraire que le champ d'application de la liberté économique s'étend à l'ensemble des contributions. A cet égard, le critère déterminant ne serait pas la nature de la contribution, mais le but et les effets de l'imposition, examinée d'ailleurs de façon globale, c'est-à-dire en prenant en compte l'ensemble des charges de l'entreprise (XAVIER OBERSON, Fiscalité et liberté économique, in Problèmes actuels de droit économique, Mélanges en l'honneur du Professeur Charles-André Junod, 1997, p. 343 ss, spécialement 350, 352; le même , Droit fiscal suisse, 3 e éd. 2007, § 3 n° 47). 4.3 En l'occurrence, il n'est pas contesté que les recourantes exercent une activité économique leur permettant de se prévaloir de la liberté économique. L'émolument litigieux étant une contribution causale, plus précisément un émolument administratif (cf. STEFAN LEUTERT, Polizeikostentragung bei Grossveranstaltungen, 2005, p. 108; STEFAN WEHRENBERG, Polizeieinsätze bei Sportgrossveranstaltungen, in Sport und Recht, 2006, p. 183 ss, 233; arrêt du Tribunal fédéral 5A_45/2007 du 6 décembre 2007 consid. 5.2.3), il ne BGE 135 I 130 S. 137 constitue pas une restriction de ce droit fondamental, selon la jurisprudence exposée ci-dessus. Si, compte tenu du fait que cet émolument peut représenter des sommes relativement importantes, l'on devait tout de même admettre l'existence d'une restriction (dans ce sens: LEUTERT, op. cit., p. 127), la question de sa compatibilité avec l' art. 27 Cst. dépendrait du point de savoir s'il est prohibitif, au sens de la jurisprudence relative aux impôts spéciaux, applicable par analogie à l'émolument litigieux. Les recourantes l'affirment en substance, lorsqu'elles prétendent que l'arrêté compromet leur survie économique, mais cela n'est pas établi. Le caractère prohibitif d'un tel émolument apparaît d'ailleurs d'autant moins probable qu'en Suisse certaines collectivités publiques répercutent déjà, depuis plusieurs années, tout ou partie des coûts de l'engagement de la police sur les organisateurs de manifestations sportives (LEUTERT, op. cit., p. 104 ss, cite notamment le canton de Genève, la ville de St-Gall [où la part des coûts de l'engagement supplémentaire de la police mis à la charge du FC St-Gall durant les années 2003 et 2004 ne se montait il est vrai qu'à 20 % en moyenne] et la ville de Zurich; concernant la pratique de cette dernière, voir aussi l'arrêt 5A_45/2007, précité). Ainsi, à supposer même que l'émolument litigieux représente une restriction de la liberté économique, il n'apparaît pas inconciliable avec celle-ci. Le grief de violation de ce droit fondamental doit ainsi être rejeté. (...) 6. 6.1 Les recourantes se plaignent d'inégalité, en faisant valoir que l'arrêté met les coûts de l'intervention de la police à la charge des organisateurs des seules manifestations sportives, alors que des actes de violence peuvent survenir à l'occasion d'autres rassemblements, tels que des événements musicaux ou festifs - comme la Fête des Vendanges de Neuchâtel, la Braderie de La Chaux-de-Fonds ou les Promos du Locle -, des manifestations à caractère politique ou encore des rave parties , gay pride ou techno parades . Le fait de traiter les manifestations sportives différemment des autres rassemblements ne serait pas justifié et constituerait une "violation grossière" du principe d'égalité. 6.2 Un arrêté de portée générale viole le principe de l'égalité de traitement lorsqu'il établit des distinctions juridiques qui ne se justifient par aucun motif raisonnable au regard de la situation de fait à réglementer ou lorsqu'il omet de faire des distinctions qui BGE 135 I 130 S. 138 s'imposent au vu des circonstances, c'est-à-dire lorsque ce qui est semblable n'est pas traité de manière identique et ce qui est dissemblable ne l'est pas de manière différente; cela suppose que le traitement différent ou semblable injustifié se rapporte à une situation de fait importante ( ATF 131 I 377 consid. 3 p. 382-383; ATF 130 V 18 consid. 5.2 p. 31; ATF 129 I 1 consid. 3 p. 3). La question de savoir s'il existe un motif raisonnable pour une distinction peut recevoir des réponses différentes suivant les époques et les idées dominantes. Le législateur dispose toutefois d'un large pouvoir d'appréciation dans le cadre de ces principes et de l'interdiction de l'arbitraire ( ATF 131 I 1 consid. 4.2 p. 6, ATF 131 I 313 consid. 3.2 p. 317; ATF 127 I 185 consid. 5 p. 192). 6.3 L'arrêté s'applique aux manifestations sportives lors desquelles peuvent se produire des comportements violents ou actes de violence - tels que ceux définis à l'art. 21a OMSI - justifiant un important service de maintien de l'ordre, ce qui nécessite l'engagement d'effectifs supplémentaires de la police (art. 1 en relation avec l'art. 3). Les organisateurs de telles manifestations sont tenus de prendre à leur charge, sous la forme d'un émolument, 80 % des coûts effectifs de l'engagement de la police neuchâteloise pour le renforcement de la sécurité, part qui peut être réduite jusqu'à 60 % en fonction des mesures prises à titre préventif (art. 2 et 4). S'agissant d'autres manifestations sportives ou d'événements d'un autre genre - à l'exception des manifestations politiques autorisées -, les frais occasionnés par l'engagement de la police peuvent également être mis à la charge des organisateurs en vertu de l'art. 62 LPol et de l'arrêté d'exécution de la loi du 10 novembre 1920 concernant les émoluments du 7 janvier 1921 (RSN 152.150.10). Sous la rubrique "Mise à disposition de personnel pour des activités spécifiques facturées à l'heure", l'art. 2b de l'arrêté en question prévoit en effet un tarif de 80 fr. par heure/homme notamment pour des "services spéciaux effectués pour circulation, manifestations à caractère intercantonal (sportives, festives, etc.)" et pour des "services spéciaux exécutés sur demande, pour des manifestations cantonales, notamment circulation, surveillances, compétitions sportives, autres manifestations". Selon le Conseil d'Etat, les organisateurs de manifestations telles que le Tour de Romandie, le Tour de Suisse, la Brocante du Landeron, Trans VTT, Méga Bike ou des courses cyclistes régionales sur routes se sont vu facturer "la totalité des charges sécuritaires" sur la base de ces dispositions. BGE 135 I 130 S. 139 L'arrêté institue toutefois un régime particulier, différent de celui qui découle de l'art. 62 LPol et de l'arrêté d'exécution de la loi concernant les émoluments. C'est ainsi, notamment, qu'il prévoit le versement d'un émolument par les organisateurs, alors que l'art. 62 LPol énonce seulement qu'ils peuvent y être tenus. En outre, l'arrêté dispose que l'émolument représente une part comprise entre 80 et 60 % des coûts effectifs, alors que l'art. 62 LPol et l'arrêté d'exécution ne fixent pas de proportion. L'arrêté contient donc une réglementation particulière pour les manifestations sportives "à risques", telles que définies ci-dessus. Cette inégalité de traitement se justifie par le fait que les actes de violence commis dans le cadre de manifestations sportives (hooliganisme) posent des problèmes particuliers qui appellent des solutions spécifiques. Il est notoire que certaines rencontres sportives - notamment dans le domaine du football et du hockey sur glace - présentent un risque important d'actes de violence en raison de la dynamique de groupe qui s'instaure au sein des supporters des deux équipes. Ce phénomène d'antagonisme entre les deux groupes de supporters, accentué par la consommation d'alcool ou d'autres substances psychotropes et par l'utilisation d'objets produisant du bruit ou d'engins pyrotechniques (LEUTERT, op. cit., p. 18), et le risque de débordements qui en résulte, sont propres aux rencontres sportives, notamment dans les sports précités. Les genres de manifestations cités par les recourantes ne présentent généralement pas un risque de violence comparable et nécessitent par conséquent des mesures de sécurité moindres. Dans ces conditions, un traitement différencié des manifestations sportives "à risques", comme cela découle de l'arrêté, apparaît justifié. D'ailleurs, au plan fédéral, la loi instituant des mesures visant au maintien de la sûreté intérieure - à laquelle l'arrêté se réfère dans son préambule - contient des dispositions particulières destinées à combattre la violence lors de manifestations sportives (Section 5a, art. 24a ss LMSI , dispositions en vigueur depuis le 1 er janvier 2007). Au vu de ce qui précède, le grief de violation du principe d'égalité est mal fondé et doit être rejeté. 7. 7.1 Les recourantes se plaignent d'une violation du principe de la légalité. Elles n'auraient, en effet, aucune emprise sur les effectifs policiers engagés ni sur le mode de calcul de l'émolument, la police neuchâteloise ayant à cet égard toute latitude. En outre, en adoptant l'arrêté, le Conseil d'Etat aurait excédé à plusieurs égards les limites BGE 135 I 130 S. 140 de la délégation contenue à l'art. 62 LPol: d'une part, l'arrêté définirait le cercle des personnes appelées à verser un émolument différemment de la loi; d'autre part, il prévoirait de manière systématique la perception de l'émolument, alors que, selon la formulation potestative de la base légale, il s'agirait seulement d'une possibilité. 7.2 Le principe de la légalité gouverne l'ensemble de l'activité de l'Etat (cf. art. 36 al. 1 Cst. ). Il revêt une importance particulière en droit fiscal où il est érigé en droit constitutionnel indépendant à l' art. 127 al. 1 Cst. Cette norme - qui s'applique à toutes les contributions publiques, tant fédérales que cantonales ou communales - prévoit en effet que les principes généraux régissant le régime fiscal, notamment la qualité de contribuable, l'objet de l'impôt et son mode de calcul, doivent être définis par la loi. Si cette dernière délègue à l'organe exécutif la compétence d'établir une contribution, la norme de délégation ne peut constituer un blanc-seing en faveur de cette autorité; elle doit indiquer, au moins dans les grandes lignes, le cercle des contribuables, l'objet et la base de calcul de cette contribution. Sur ces points, la norme de délégation doit être suffisamment précise (exigence de la densité normative; ATF 131 II 271 consid. 6.1 p. 278). Il importe en effet que l'autorité exécutive ne dispose pas d'une marge de manoeuvre excessive et que les citoyens puissent cerner les contours de la contribution qui pourra être prélevée sur cette base ( ATF 126 I 180 consid. 2a/bb p. 183). Ces exigences valent en principe pour les impôts (cf. art. 127 al. 1 et 164 al. 1 let. d Cst.) comme pour les contributions causales. La jurisprudence les a cependant assouplies en ce qui concerne la fixation de certaines contributions causales. La compétence d'en fixer le montant peut être déléguée plus facilement à l'exécutif, lorsqu'il s'agit d'une contribution dont la quotité est limitée par des principes constitutionnels contrôlables, tels que ceux de la couverture des frais et de l'équivalence. Le principe de la légalité ne doit toutefois pas être vidé de sa substance ni, inversement, être appliqué avec une exagération telle qu'il entre en contradiction irréductible avec la réalité juridique et les exigences de la pratique ( ATF 126 I 180 consid. 2a/bb p. 183; ATF 128 II 112 consid. 5a p. 117; ATF 129 I 346 consid. 5.1 p. 354; HUNGERBÜHLER, op. cit., p. 516). Le Tribunal fédéral examine librement si la norme de délégation en cause satisfait aux exigences précitées ( ATF 122 I 305 consid. 5a p. 311 et les références). 7.3 Les recourantes ne s'en prennent pas à la base légale constituée par l'art. 62 LPol en tant que telle, mais soutiennent que l'arrêté BGE 135 I 130 S. 141 excède les limites de celle-ci. S'agissant du cercle des personnes appelées à verser un émolument, elles relèvent que l'arrêté introduit deux notions ne figurant pas dans la base légale, à savoir celles de manifestations sportives et de comportements violents (ou actes de violence). Les deux notions en cause concrétisent l'expression "organisateurs et organisatrices de manifestations nécessitant un important service d'ordre ou de protection" de l'art. 62 al. 1 LPol de manière restrictive, de sorte qu'à cet égard, on ne saurait dire que l'arrêté excède les limites de sa base légale. S'agissant en particulier de la limitation aux seuls organisateurs de manifestations sportives, il peut pour le reste être renvoyé à ce qui a été dit ci-dessus en relation avec le principe d'égalité (consid. 6.3). Au demeurant, la notion d'"important service d'ordre", qui est commune à l'art. 62 al. 1 LPol et à l'art. 1 de l'arrêté, est définie comme un service d'ordre nécessitant "l'engagement des effectifs supplémentaires de la police conduisant notamment à la révocation des congés, à la suppression des vacances voire à l'appel de renforts provenant d'autres cantons" (art. 3 let. b de l'arrêté). Il s'agit là d'une autre définition restrictive, qui indique bien que seuls les engagements de la police sortant de l'ordinaire doivent être mis à la charge des organisateurs, alors que ses activités ordinaires doivent être financées par l'impôt. En cela, l'arrêté paraît conforme à la volonté du législateur, telle qu'elle ressort des travaux préparatoires de la loi sur la police neuchâteloise, auxquels les recourantes se réfèrent. Quant au fait que l'art. 62 al. 1 LPol dispose seulement que les organisateurs de manifestations nécessitant un important service d'ordre peuvent être tenus de verser un émolument, il aurait certes empêché le Conseil d'Etat d'introduire, dans les dispositions d'exécution, une règle prévoyant de mettre, de manière systématique, les coûts de l'engagement de la police à la charge du même cercle de personnes. En revanche, cela ne l'empêchait pas de définir, à l'intérieur de ce cercle, une catégorie de personnes à qui il se justifie de manière particulière de faire supporter les coûts en question et de mettre ceux-ci de manière systématique à la charge des personnes en question. En procédant de la sorte, le Conseil d'Etat a fait usage lui-même, en adoptant les dispositions (générales et abstraites) d'exécution, de la liberté d'appréciation accordée par l'art. 62 al. 1 LPol. Cette disposition ne devant pas nécessairement être interprétée en BGE 135 I 130 S. 142 ce sens qu'il appartient à la police d'apprécier, dans chaque cas particulier, s'il y a lieu de répercuter les frais d'engagement sur les organisateurs, l'arrêté ne sort pas non plus, à cet égard, du cadre de sa base légale. S'agissant du manque d'"emprise" des recourantes sur les effectifs policiers engagés et, en définitive, sur le montant de l'émolument mis à leur charge, il faut relever que la police doit, préalablement à chaque manifestation, procéder à une évaluation des risques et des frais de sécurité et en informer les organisateurs (art. 5 de l'arrêté). On peut partir de l'idée que cette évaluation se fera en collaboration avec les organisateurs - même si elle a lieu sur la base de l'évaluation des risques par le Service d'analyse et de prévention de l'Office fédéral de la police -, de sorte que ceux-ci seront consultés au préalable. Il leur sera de toute manière loisible de contester la facture établie par la police en formant un recours au Département de la justice, de la sécurité et des finances puis au Tribunal administratif cantonal (art. 8 de l'arrêté). A cet égard, il conviendra d'ailleurs que la facture revête une transparence suffisante quant au mode de calcul. Au demeurant, il ressort de l'art. 4 al. 1 et 4 de l'arrêté que l'émolument correspond à une part comprise entre 60 et 80 % des coûts effectifs de l'engagement de la police. L'arrêté ne pourra donc servir au canton de Neuchâtel à réaliser un bénéfice en se procurant des recettes supplémentaires; il lui permettra tout au plus de reporter, d'ailleurs seulement de manière partielle, ses charges liées à la sécurité lors de manifestations sportives "à risques" sur les organisateurs de celles-ci. La situation n'est donc pas comparable à la multiplication des contrôles de stationnement ou à l'engagement accru des radars de circulation - activités permettant de dégager des bénéfices - aux fins de se procurer des recettes supplémentaires. Au demeurant, les problèmes notoires posés par l'engagement des forces de police en dehors des horaires ordinaires devraient conduire à éviter que la police neuchâteloise fasse un usage abusif de la liberté d'appréciation que l'arrêté lui accorde. Les craintes que les recourantes expriment à cet égard sont ainsi largement infondées. Au vu de ce qui précède, le grief de violation du principe de la légalité est mal fondé et doit être rejeté.
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Sachverhalt ab Seite 18 BGE 125 II 18 S. 18 Die Elektrizitätswerke Wynau AG (EWW AG) reichte im Jahre 1981 beim Regierungsrat des Kantons Bern ein Konzessionsgesuch BGE 125 II 18 S. 19 für den Abbruch und Neubau ihres an der Aare bei Wynau betriebenen Wasserkraftwerks und Wehrs ein. Das Bundesgericht hiess am 6. Dezember 1983 aus Gründen des Landschaftsschutzes eine Beschwerde verschiedener Umweltschutzorganisationen gut, die sich gegen die im Hinblick auf die Neukonzessionierung erteilte fischereirechtliche Bewilligung richtete ( BGE 109 Ib 214 ff.). Die EWW AG erarbeitete in der Folge ein abgeändertes, zweiteiliges Neubauprojekt. Einerseits soll gestautes Wasser über eine Turbine geleitet und gleich unterhalb des Wehrs wieder in die Aare eingeleitet werden. Anderseits sollen bis zu 220 m3 Wasser pro Sekunde über eine zweite Turbine geführt werden, wobei das nutzbare Gefälle gegenüber der Turbine 1 um ca. 5,25 m vergrössert wird. Das in der Turbine 2 genutzte Wasser soll über einen 3240 m langen unterirdischen Stollen abgeführt und an der Gemeindegrenze zu Murgenthal wieder in die Aare zurückgegeben werden. Der Grosse Rat des Kantons Bern erteilte der EWW AG am 13. September 1988 auf Antrag des Regierungsrates die für dieses Projekt erforderliche Konzession. Auch der Kanton Solothurn erteilte der EWW AG eine entsprechende Konzession. Mehrere Umweltschutzorganisationen gelangten hiergegen an das Bundesgericht und an den Bundesrat. Nach einem Meinungsaustausch mit dem Bundesrat trat das Bundesgericht am 15. Juni 1989 auf die Beschwerde nicht ein. Der Bundesrat stellte mit Entscheid vom 24. November 1993 zwar koordinationsrechtliche Mängel des Verfahrens fest, vor allem weil die Konzession erteilt worden war, ohne dass eine fischereirechtliche Bewilligung vorlag. Er betrachtete diese Mängel aber als heilbar und wies die Beschwerde ab. Bereits während des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesrat trafen die Parteien eine Vereinbarung, welche es der EWW AG gestattete, das Bewilligungsverfahren für die erste, unumstrittene Bauetappe des neuen Kraftwerks weiterzuführen. Dieser Projektteil ist inzwischen realisiert. Die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern (BVE) bewilligte am 22. April 1997 den Bau der zweiten Etappe des Kraftwerkneubaus (Ergänzung des Maschinenhauses/Wasserschloss, Unterwasserstollen, Auslaufbauwerk in die Aare). Der Gesamtentscheid der BVE umfasst u.a. die erforderlichen Bewilligungen nach Art. 29 des Bundesgesetzes vom 24. Januar 1991 über den Schutz der Gewässer (GSchG; SR 814.20), nach Art. 24 des Bundesgesetzes vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (RPG; SR 700) sowie nach Art. 18 ff. des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1966 BGE 125 II 18 S. 20 über den Natur- und Heimatschutz (NHG; SR 451) . Das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) erteilte am 18. April 1997 die Bewilligung für die Rodung von insgesamt 19'570 m2 Waldareal. Gegen den Gesamtentscheid der BVE gelangten die Aqua Viva und fünf weitere Umweltschutzorganisationen an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern. Dieses trat mit Urteil vom 15. Dezember 1997 auf die Beschwerde nicht ein, soweit damit eine mangelnde Koordination im Konzessionsverfahren gerügt und beantragt worden war, das Bauvorhaben einer vorbehaltlosen Gesamtinteressenabwägung im Sinne von Art. 6 NHG
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zu unterziehen. Im Übrigen hiess das Gericht die Beschwerde teilweise gut, hob den Gesamtentscheid der BVE vom 22. April 1997 auf und wies die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück. Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 15. Dezember 1997 erhoben sowohl die EWW AG als auch die Aqua Viva, die Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Aare, die Pro Natura und die Pro Natura Bern Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Das Bundesgericht wies die Beschwerde der EWW AG ab; die Beschwerde der Umweltschutzorganisationen hiess es gut, soweit es darauf eintrat. Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Wie schon im kantonalen Beschwerdeverfahren verlangen die Umweltschutzorganisationen eine vom Gericht vorzunehmende umfassende Interessenabwägung, welche dem Umstand Rechnung zu tragen habe, dass es sich bei der betroffenen Restwasserstrecke um eine Landschaft von nationaler Bedeutung im Sinne von Art. 6 NHG handle. Das Verwaltungsgericht hat demgegenüber erwogen, der Bundesrat habe im Rahmen des Konzessionierungsverfahrens mit dem Beschwerdeentscheid vom 24. November 1993 bereits eine umfassende Würdigung und Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen vorgenommen und dabei festgestellt, dass das Projekt mit all seinen Teilen umwelt- und landschaftsverträglich sei. Somit stelle die generelle Zulässigkeit des Projektes res iudicata dar, auf die nicht zurückgekommen werden könne. Zwar müsse die für die Erteilung der Gewässerschutzbewilligung zuständige Behörde gemäss Art. 29 ff. GSchG eine umfassende Interessenabwägung vornehmen; ihr Ermessen sei jedoch in dem Sinne begrenzt, dass sie die BGE 125 II 18 S. 21 Bewilligung weder versagen noch Auflagen und Bedingungen festsetzen dürfe, welche die Realisierung des Werkes rechtlich oder faktisch (durch wirtschaftlich untragbare Bedingungen) in Frage stellen. Das Verwaltungsgericht nahm somit an, die Interessenabwägung unterliege - nicht hinsichtlich des Abwägungsmaterials, wohl aber hinsichtlich des Abwägungsergebnisses - einem Vorbehalt und der Rechtsmittelentscheid des Bundesrats im Konzessionsverfahren präjudiziere auch die nachfolgenden kantonalen Bewilligungsverfahren. Zu beantworten ist mithin die Frage, ob der Entscheid des Bundesrates über die Konzession den Entscheid über die spezialgesetzlichen Bewilligungen, namentlich jene nach Art. 29 ff. GSchG , in dem vom Verwaltungsgericht angenommenen Sinne präjudiziert. Eine derartige Bindungswirkung muss auf einem Rechtsgrund beruhen. Fehlt ein solcher Rechtsgrund, ist das Ergebnis der Interessenabwägung in den nachfolgenden Bewilligungsverfahren rechtlich nicht vorgegeben; diesfalls wäre dem angefochtenen Nichteintretensentscheid der Boden entzogen. Dies ist im Folgenden zu untersuchen. a) Gemäss der bis Ende 1993 gültigen Fassung von Art. 99 lit. d OG war die Verwaltungsgerichtsbeschwerde generell unzulässig gegen die Erteilung oder Verweigerung von Konzessionen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt. Inzwischen ist Art. 99 (Abs. 1) lit. d OG dahingehend geändert worden, dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht gegen die Erteilung oder Verweigerung von Konzessionen u.a. für die Nutzung von Wasserkräften für zulässig erklärt wird (Änderung durch Art. 27 Ziff. 3 des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1991 über die Fischerei [BGF, SR 923.0], in Kraft seit 1. Januar 1994, AS 1991 2267 f.; heute Art. 99 Abs. 2 lit. a OG ). aa) Weil das Bundesrecht auf die von der EWW AG angestrebte Konzession zum Neubau ihres Wasserkraftwerkes keinen Anspruch einräumt, war im Zeitpunkt der Einreichung der Beschwerde gegen die Neukonzessionierung - wie auch im Moment des Entscheides - allein der Bundesrat zur Beurteilung der Konzession zuständig. In seinem Entscheid hatte der Bundesrat eine Abwägung der für und gegen das Vorhaben sprechenden Interessen vorzunehmen (siehe insbesondere Art. 22, 23 und 39 des Bundesgesetzes über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte vom 22. Dezember 1916 [WRG, SR 721.80]). bb) Wie der Bundesrat im Beschwerdeentscheid vom 24. November 1993 zutreffend ausgeführt hat und von allen Beteiligten anerkannt BGE 125 II 18 S. 22 ist, bedarf das umstrittene Wasserkraftprojekt neben der Konzession einer Bewilligung zur Wasserentnahme gemäss Art. 29 GSchG (vgl. im gleichen Sinn BGE 120 Ib 233 E. 3a/b S. 237). Gleichzeitig entfällt die Pflicht, eine Bewilligung für technische Eingriffe gemäss Art. 8 BGF einzuholen, da diese in der (umfassenderen) Bewilligung gemäss Art. 29 GSchG enthalten ist ( Art. 8 Abs. 4 BGF ; diese Bestimmung entspricht Art. 24 Abs. 3 des Fischereigesetzes vom 14. Dezember 1973 [FG] in der Fassung gemäss Art. 75 Ziff. 1 GSchG ; vgl. dazu die Botschaft des Bundesrates vom 29. April 1987 zur Volksinitiative "zur Rettung unserer Gewässer" und zur Revision des Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer, BBl 1987 II 1061 ff., 1167). Wie bereits Art. 25 Abs. 2 FG (heute Art. 9 Abs. 2 BGF ) macht Art. 33 GSchG die Bewilligung von Wasserentnahmen gemäss Art. 29 GSchG von einer Gesamtabwägung der dafür und dagegen sprechenden Interessen abhängig ( BGE 120 Ib 233 E. 7c S. 245 f.). Die Abs. 2 und 3 von Art. 33 GSchG zählen nicht abschliessend auf, welche Interessen dabei in Rechnung zu stellen sind. Zu würdigen ist namentlich die Bedeutung des Gewässers als Landschaftselement (Abs. 3 lit. a). Gemäss Art. 67 GSchG können Verfügungen aufgrund dieses Gesetzes nach dem VwVG und dem OG angefochten werden, womit letztinstanzlich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht gegeben ist. Gleiches galt schon nach altem Recht für die fischereirechtliche Bewilligung (und zwar selbst dann, wenn der angefochtene Entscheid sowohl gewässernutzungs-, d.h. konzessionsrechtliche wie gewässerschutz- bzw. fischereirechtliche Anordnungen enthielt, ohne zwischen diesen zu unterscheiden: vgl. BGE 117 Ib 178 E. 1a S. 184 mit Hinweisen). cc) Nach der dargelegten Rechtsordnung sind in zwei verschiedenen Verfahren mit unterschiedlichen Rechtsmittelwegen umfassende Interessenabwägungen vorzunehmen. Diese (teilweise) Übereinstimmung in den Tatbestandsvoraussetzungen genügt jedoch für sich allein noch nicht, um eine Bindung der einen Rechtsmittelbehörde an das Ergebnis der Interessenabwägung der anderen anzunehmen. Im Folgenden ist daher zunächst zu untersuchen, ob einem der beiden Rechtsmittelentscheide von Gesetzes wegen Vorrang zukommt. b) aa) Normalerweise sind, aus koordinationsrechtlichen Gründen, die spezialrechtlichen Bewilligungen vor oder gleichzeitig mit dem erstinstanzlichen Konzessionsentscheid einzuholen. Zwischen der gewässerschutzrechtlichen Bewilligung und der Konzessionserteilung BGE 125 II 18 S. 23 besteht in geradezu prototypischer Weise ein derart enger Sachzusammenhang, dass sie nicht getrennt und unabhängig voneinander erteilt werden können, sondern inhaltlich abgestimmt werden müssen. Dies vor allem deshalb, weil die Bestimmung der nutzbaren Wassermenge, welche in Art. 30 ff. GSchG geregelt wird, zu den wesentlichen Bestandteilen der Wasserrechtsverleihung gehört (BGE BGE 119 Ib 254 E. 5a S. 267 mit Hinweis; BGE 120 Ib 233 E. 8a S. 247; grundsätzlich zur Verfahrenskoordination: BGE 116 Ib 50 E. 4 S. 56 ff.; BGE 122 II 81 E. 6d/aa S. 87 f.). Der Bundesrat hat denn auch in seinem Entscheid vom 24. November 1993 mit überzeugenden Erwägungen und unter Hinweis auf seine Praxis (VPB 52/1988 Nr. 8) sowie auf die gleichlautende Praxis des Bundesgerichts ( BGE 107 Ib 140 E. 3a S. 144 und E. 6a S. 148 f.; BGE 117 Ib 178 E. 2a S. 185) festgehalten, es sei unzulässig, eine Konzession unter Vorbehalten zu erteilen und damit in Zusammenhang stehende wesentliche Fragen wie z.B. die Restwassermenge ( Art. 29 ff. GSchG ) erst nachfolgend zu prüfen. bb) Eine derartige koordinierte Bewilligungserteilung eröffnet den Parteien die Möglichkeit, in jenen Fällen, in denen wie hier das Bundesrecht eine Gabelung des Rechtsweges (Beschwerde an den Bundesrat/Beschwerde an das Bundesgericht) vorsieht, gleichzeitig an die zuständigen Rechtsmittelinstanzen zu gelangen. Diese haben die Möglichkeit, ihre Entscheidfindung zumindest zeitlich zu koordinieren. Hingegen ist schon aus prozessualen Gründen bzw. aus Gründen der Zuständigkeit eine weitergehende Koordination grundsätzlich nicht möglich (vgl. ARNOLD MARTI, Bewilligung von Bauten und Anlagen - Koordination oder Konzentration der Verfahren?, AJP 1994 S. 1535 ff., 1541 f.); vorbehalten bleibt allenfalls die Beurteilung der Beschwerde nur durch eine Instanz kraft Kompetenzattraktion (dazu hinten lit. d). Verlangen wie hier die einschlägigen Vorschriften, dass eine im Wesentlichen gleiche Fragestellung (umfassende Interessenabwägung) sowohl vom Bundesrat als auch vom Bundesgericht nach den jeweils massgeblichen (unterschiedlichen) verfahrens- und materiellrechtlichen Normen zu beurteilen ist, so lassen sich vorbehältlich einer klaren gesetzlichen Regelung über die Priorität des einen über den anderen Rechtsmittelentscheid oder einer Abrede zwischen den beiden Instanzen widersprüchliche Ergebnisse nicht ausschliessen. Dies läuft darauf hinaus, dass das Vorhaben nur unter der Voraussetzung verwirklicht werden kann, dass ihm beide Rechtsmittelinstanzen zustimmen. BGE 125 II 18 S. 24 Davon scheint auch der Bundesrat ausgegangen zu sein, wenn er in E. 2.4.5 seines Entscheides vom 24. November 1993 ausführt, der Konzessionsentscheid sei ein Sachentscheid, der einzig aufgrund des vollständigen rechtserheblichen Sachverhalts und der "in Rechtskraft erwachsenen Nebenbewilligungen" auszufällen sei. c) Unzulässig erscheint es demgegenüber, rein aus der Tatsache, dass der eine Rechtsmittelentscheid vor dem anderen ergangen ist, eine inhaltliche Bindung der später entscheidenden Instanz abzuleiten. aa) Dies gilt jedenfalls, wenn es - wie hier - an einer gesetzlichen Prioritätenordnung fehlt. Anders als z.B. beim Nationalstrassenbau, wo das Gesetz ein zeitlich gestaffeltes, mehrstufiges Bewilligungsverfahren vorschreibt und damit auch eine gewisse Bindungswirkung der vorangegangenen für die nachfolgenden Entscheide statuiert (vgl. hierzu BGE 118 Ib 206 E. 8 S. 212 ff.), ist im vorliegenden Fall, wie dargelegt wurde, von einem Nebeneinander von Konzession und spezialgesetzlichen Bewilligungen mit ihrem jeweils eigenen Rechtsmittelweg auszugehen. bb) Derartige Doppelspurigkeiten mögen zwar unerwünscht sein, sind aber nicht singulär und können letztlich nur vom Gesetzgeber beseitigt werden. So erfolgt unter Umständen auch die kraft Art. 99 lit. c OG letztinstanzlich vom Bundesrat zu beurteilende Genehmigung von Plänen für im Bundesrecht geregelte Anlagen, für welche das Enteignungsrecht beansprucht werden kann, vor und unabhängig von dem enteignungsrechtlichen Verfahren. In diesem kann anschliessend auch noch die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht ergriffen werden. Dabei können die Einsprecher (nochmals) die selben Rügen erheben wie die Teilnehmer am Plangenehmigungsverfahren (Urteil des Bundesgerichts vom 7. Oktober 1997 i.S. B. c. BKW, ZBl 99/1998 S. 391 ff. E. 1; vgl. auch BGE 124 II 219 ff.). cc) Wäre die zeitlich später entscheidende Behörde an das Ergebnis des früher ergangenen Entscheids gebunden, hätte es der Gesuchsteller in der Hand, das Konzessionsverfahren vor dem Spezialbewilligungsverfahren (oder umgekehrt) einzuleiten und dadurch die materielle Entscheidkompetenz der Rechtsmittelbehörden im jeweils zeitlich nachfolgenden Verfahren zu beeinflussen; Bundesrat oder Bundesgericht wären zur Zustimmung gezwungen, selbst wenn die Voraussetzungen gemäss den für sie massgeblichen Vorschriften (aus ihrer Sicht) nicht erfüllt sind. Das kann nicht der Sinn der gesetzlich vorgesehenen Rechtsweggabelung sein. BGE 125 II 18 S. 25 Es besteht eine Parallele zur Frage, welchen Einfluss die Beteiligten auf die Wahl des Rechtsmittels gegen einen Plan ausüben können. Nach der Praxis des Bundesgerichts können Nutzungspläne trotz der Regelung von Art. 34 Abs. 1 und 3 RPG ausnahmsweise mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde statt mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden, sofern ein solcher Plan Anordnungen enthält, die sich auf Bundesverwaltungsrecht stützen (oder stützen sollten) und Verfügungen im Sinne von Art. 5 VwVG darstellen, soweit kein Ausschlussgrund nach Art. 99 ff. OG oder der Spezialgesetzgebung des Bundes vorliegt ( BGE 123 II 289 E. 1b S. 291 mit Hinweisen). Soweit eine Nutzungsplanung auch Verfügungen im Sinne von Art. 5 VwVG einschliesst, geht es gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht an, dass die kantonalen Behörden durch Aufnahme oder Nichtaufnahme eines bundesrechtlich geregelten Gegenstandes in einen Nutzungsplan das zulässige bundesrechtliche Rechtsmittel festlegen können, derart, dass bei Regelung in einer separaten Verfügung die Verwaltungsgerichtsbeschwerde, bei Aufnahme in einen Nutzungsplan aber die staatsrechtliche Beschwerde zu ergreifen wäre (Urteil vom 23. Mai 1995 i.S. SBB c. Einwohnergemeinde Sissach, ZBl 97/1996 S. 373 ff. E. 1a, mit Hinweisen). d) Schliesslich kann auch ausgeschlossen werden, dass der Bundesrat mit dem Beschwerdeentscheid vom 24. November 1993 auf dem Weg der Kompetenzattraktion (vgl. dazu ALFRED KÖLZ/ISABELLE HÄNER, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, Zürich 1993, Rz. 328, 334 und 336; PETER SCHMID, Die Verwaltungsbeschwerde an den Bundesrat, Diss. Bern 1996, Bern/Stuttgart/Wien 1997, S. 66 ff.) die Beurteilung der gewässerschutzrechtlichen Fragen an sich gezogen bzw. vorweggenommen hätte.
2,974
2,278
aa) Der Entscheid des Bundesrates beschränkt sich darauf, die Beschwerde gegen die Konzessionserteilung abzuweisen (vgl. Ziff. 1 des Dispositivs). Damit bestätigte der Bundesrat den Beschluss des Grossen Rats des Kantons Bern vom 13. September 1988, der rechtskräftig wurde. Dieser behält aber ausdrücklich die fischereipolizeiliche Bewilligung und die weiteren, nach eidgenössischer und kantonaler Gesetzgebung erforderlichen besonderen Bewilligungen vor (Ziff. 5 und 7). bb) Auch in seinen Erwägungen hat der Bundesrat die Prüfung und Erteilung der gewässerschutzrechtlichen Bewilligung ausdrücklich vorbehalten. So führte er wörtlich aus: "Ob und inwieweit das BGE 125 II 18 S. 26 projektierte Bauvorhaben landschaftsverträglich ist, wird daher einzig noch im Rahmen der Erteilung der Gewässerschutzbewilligung nach Artikel 29 ff. GSchG separat zur Sprache kommen; es versteht sich dabei von selbst, dass die Beschwerdeführer in diesem Nebenbewilligungsverfahren ein weiteres Mal Gelegenheit erhalten werden, sich für ihre Anliegen des Landschafts- und Umweltschutzes zur Wehr zu setzen" (E. 3.2.2). Er erwog anschliessend, die Wasserentnahme dürfe höchstens so gross sein, dass dadurch das bestehende Landschaftsbild nicht erheblich beeinträchtigt werde, und stellte unter Hinweis auf die (das Projekt ablehnende) Stellungnahme der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission vom 22. Dezember 1987 fest, dass die noch offenen Fragen in Sachen Landschaftsgestaltung im Rahmen der Gewässerschutzbewilligung behandelt werden könnten. Schliesslich fasste er zusammen, die mit dem Kraftwerkneubau zusammenhängenden Fragen bezüglich Landschafts- und Umweltschutzverfahren seien in den bisherigen Verfahren umfassend geprüft worden, "soweit nicht noch eine ergänzende Prüfung unter dem Gesichtspunkt der Wasserentnahme für das Stollenprojekt bei der Erteilung der Gewässerschutzbewilligung vorzunehmen sein wird." cc) Zwar hat der Bundesrat aufgrund einer summarischen Würdigung der Akten angenommen, es lägen keine Mängel vor, die der Erteilung der noch ausstehenden Nebenbewilligungen im Wege stehen würden. Diese Vermutung ersetzt aber eine eigentliche Prüfung der Bewilligungsvoraussetzungen gemäss Art. 29 ff. GSchG nicht. Es handelt sich vielmehr um eine rechtlich unverbindliche positive Prognose, welche den Bundesrat dazu veranlasste, trotz des Nichtvorliegens der spezialgesetzlichen Bewilligungen die Konzessionserteilung zu schützen und damit das - aus seiner Sicht - geringe Risiko widersprechender Entscheide einzugehen. e) Der vom Bundesrat geschützte Konzessionsbeschluss des Grossen Rates des Kantons Bern vom 13. September 1988 legt in Dispositiv-Ziff. 3.1 das konzedierte Wasserregime fest. Gemäss Ziff. 5 bleiben jedoch die Bedingungen der fischereipolizeilichen Bewilligung vorbehalten und bilden einen integrierenden Bestandteil des Konzessionsbeschlusses. Ziff. 7 enthält einen Vorbehalt zugunsten weiterer, nach eidgenössischer und kantonaler Gesetzgebung erforderlicher besonderer Bewilligungen. Es fragt sich, welche Tragweite diesem Vorbehalt zukommt, ob mit anderen Worten die EWW AG aus dieser Konzession ein wohlerworbenes Recht ableiten kann, das einer erneuten Gesamtinteressenabwägung im BGE 125 II 18 S. 27 Rahmen der fischereirechtlichen bzw. inzwischen der gewässerschutzrechtlichen Bewilligung entgegensteht. aa) Das Bundesgericht hatte mehrfach die Frage zu beurteilen, ob auf Konzessionen, die Jahre früher erteilt, aber noch nicht beansprucht worden waren, in späteren Verfahren Art. 25 oder Art. 26 FG anzuwenden sei (vgl. BGE BGE 107 Ib 140 ; Entscheid i.S. SBN vom 16. September 1987, ZBl 89/1988 S. 273; BGE BGE 119 Ib 254 ). Der für Neuanlagen geltende Art. 25 des Fischereigesetzes vom 14. Dezember 1973 stellte strengere Anforderungen auf als der auf bestehende Anlagen anzuwendende Art. 26. Das Bundesgericht gelangte zum Schluss, der in den betreffenden Konzessionen enthaltene Vorbehalt künftigen Rechtes könne selbst dann, wenn er nicht bloss formelhaft angebracht worden sei, nur so verstanden werden, dass trotz des Vorbehaltes gestützt auf neues Recht keine so weit gehenden Anordnungen getroffen werden dürften, dass die Nutzung der Wasserkraft zu wirtschaftlich tragbaren Bedingungen verunmöglicht werde (zuletzt BGE 119 Ib 254 E. 5a S. 268). bb) Die hier zu beurteilende Situation lässt sich indessen mit den soeben erwähnten Fällen nicht vergleichen. Dort ging es wie erwähnt um Konzessionen, welche viele Jahre früher erteilt, aber noch nicht ausgenützt worden waren. Im vorliegenden Fall geht es um eine Konzession, bei welcher der Gesuchstellerin aufgrund des ersten, missglückten Versuches, eine neue Konzession zu erhalten, mit aller Deutlichkeit bewusst sein musste, dass für die angestrebte Gewässernutzung die Anforderungen des damals noch massgeblichen Art. 25 FG zu erfüllen waren. Ferner waren bereits Anfang der Achtzigerjahre die Urteile des Bundesgerichts in Sachen Kraftwerke Ilanz ( BGE 107 Ib 140 und 151) publiziert worden, aus denen hervorgeht, dass es unzulässig ist, die Konzession zu erteilen und dabei die fischereirechtliche Bewilligung bloss vorzubehalten, u.a. weil dadurch Sachzwänge geschaffen werden können, die nur schwer zu korrigieren sind ( BGE 107 Ib 151 E. 3b S. 152 f.). Wenn sich die EWW AG dennoch entschieden hat, für ihr zweites Projekt zunächst lediglich eine Konzession anzubegehren und das fischereirechtliche Bewilligungsverfahren auf eine spätere Phase zu verschieben, so hat sie die damit verbundenen Nachteile in Kauf zu nehmen. Den Vorbehalt in Ziff. 5 der Konzession vom 13. September 1988 musste sie jedenfalls nach Treu und Glauben verstehen (vgl. Entscheid i.S. SBN vom 16. September 1987, ZBl 89/1988 S. 273 E. 5c), was bedeutet, dass sie nicht von der Erteilung eines wohlerworbenen Rechtes ausgehen durfte, bis nicht auch die BGE 125 II 18 S. 28 rechtskräftige fischereirechtliche Bewilligung vorlag. Insbesondere war ihr aufgrund des Urteils des Bundesgerichts vom 6. Dezember 1983 bekannt, dass bereits Art. 25 Abs. 2 FG eine umfassende Abwägung der Gesamtinteressenlage verlangte. Die EWW AG kann sich daher nicht darauf berufen, dass Art. 33 GSchG diesbezüglich die Rechtslage gegenüber 1988 zu ihrem Nachteil verändert habe. f) Zusammenfassend ergibt sich, dass der Entscheid des Bundesrates vom 24. November 1993 einer umfassenden Interessenabwägung in den nachfolgenden - insbesondere gewässerschutzrechtlichen - Bewilligungsverfahren nicht im Wege steht. Es lässt sich kein gesetzlicher Vorrang des Konzessionsverfahrens mit Bindungswirkung für allenfalls nachfolgende Bewilligungsverfahren begründen. Der Bundesrat hat über die in der Konzession vorbehaltenen besonderen Bewilligungen (namentlich nach Art. 29 ff. GSchG ) nicht entschieden, so dass auch keine res iudicata vorliegt. Der Umstand, dass in beiden Verfahren eine umfassende Interessenabwägung vorgenommen werden muss, bedeutet nur eine Übereinstimmung in den Tatbestandsvoraussetzungen, begründet aber keine Bindung der für die gewässerschutzrechtliche Bewilligung zuständigen Behörden an das Ergebnis der Interessenabwägung des Bundesrats. Die unkoordinierte Rechtsanwendung vermag erst recht keine rechtliche Bindungswirkung zu rechtfertigen; anders zu entscheiden hiesse, das Grundanliegen der Verfahrenskoordination zu unterlaufen. Das Verwaltungsgericht ist daher auf die entsprechenden Rügen der Umweltschutzorganisationen zu Unrecht nicht eingetreten, was zur Aufhebung des angefochtenen Entscheides wegen materieller Rechtsverweigerung führen muss, ohne dass die weiteren Rügen der Beschwerdeführerinnen geprüft werden müssen.
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de
Sachverhalt ab Seite 163 BGE 141 II 161 S. 163 A. A., geb. 1987, absolvierte von Dezember 2011 bis Juli 2013 eine Zweitausbildung zur Betreuungsfachfrau. Ende November 2011 stellte sie beim Amt für Jugend und Berufsberatung (AJB) des Kantons Zürich ein Gesuch um Ausbildungsbeiträge für das Ausbildungsjahr 2011/2012. Das Amt hiess das Gesuch gut und richtete A. Stipendien in der Höhe von Fr. 5'541.- aus. Am 21. August 2012 stellte A. betreffend Ausrichtung von Stipendien für das Jahr 2012/2013 ein Wiederholungsgesuch. Dieses wies das Amt für Jugend und Berufsberatung mit Verfügung vom 14. Februar 2013 und Einspracheentscheid vom 25. April 2013 ab, weil es aufgrund des gestiegenen Einkommens und Vermögens der Eltern einen höheren Elternbeitrag anrechnete. Ein Rekurs an die Bildungsdirektion wurde am 13. Februar 2014 ebenfalls abgewiesen. B. A. erhob gegen den Direktionsentscheid Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Dieses hiess mit Urteil vom 18. Juli 2014 die Beschwerde gut und verpflichtete das Amt für Jugend und Berufsberatung, an A. Fr. 5'700.- zu bezahlen. C. Der Kanton Zürich, vertreten durch die Bildungsdirektion, erhebt mit Eingabe vom 11. September 2014 beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, in Aufhebung des angefochtenen Urteils seien die Verfügung und der Einspracheentscheid des AJB sowie der Rekursentscheid der Bildungsdirektion zu bestätigen und es sei festzustellen, dass A. für das Jahr 2012/2013 keinen Anspruch auf Stipendien habe. (...) Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein. (Auszug)
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Zu prüfen ist die Legitimation des Beschwerdeführers. Dieser beruft sich zu Recht nicht auf einen Legitimationsgrund nach Art. 89 Abs. 2 BGG . Er macht aber geltend, er sei nach Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde legitimiert. BGE 141 II 161 S. 164 2.1 Nach Art. 89 Abs. 1 BGG ist zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat. Diese Regelung ist in erster Linie auf Privatpersonen zugeschnitten, doch kann sich auch das Gemeinwesen darauf stützen, falls es durch einen angefochtenen Entscheid gleich oder ähnlich wie ein Privater oder aber in spezifischer, schutzwürdiger Weise in der Wahrnehmung einer hoheitlichen Aufgabe betroffen wird, namentlich wenn einem Entscheid präjudizielle Bedeutung für die öffentliche Aufgabenerfüllung zukommt. Die Beschwerdebefugnis zur Durchsetzung hoheitlicher Anliegen setzt eine erhebliche Betroffenheit in wichtigen öffentlichen Interessen voraus. Das allgemeine Interesse an der richtigen Rechtsanwendung begründet keine Beschwerdebefugnis im Sinne dieser Regelung. Gestützt auf die allgemeine Legitimationsklausel von Art. 89 Abs. 1 BGG sind Gemeinwesen nur restriktiv zur Beschwerdeführung zuzulassen (kürzlich bestätigt im Urteil 8C_918/2014 vom 27. Januar 2015, E. 3.2.2.1, vgl. BGE 140 V 328 E. 4.1 S. 329 f.; BGE 138 II 506 E. 2.1.1 S. 508 f. mit Übersicht über die Rechtsprechung). Insbesondere ist die im Rechtsmittelverfahren unterlegene Vorinstanz nicht berechtigt, gegen den sie desavouierenden Entscheid an das Bundesgericht zu gelangen ( BGE 140 V 321 E. 2.1.1 S. 323 mit Hinweisen). 2.2 Besondere Zurückhaltung ist geboten, wenn sich Organe desselben Gemeinwesens gegenüberstehen, namentlich die kantonalen Exekutivbehörden und das kantonale Verwaltungsgericht: Der Vorschlag des Bundesrats, die Kantonsregierungen in gewissen Fällen zur Anfechtung der Entscheide kantonaler Gerichte zu berechtigen, wurde in den Räten gestrichen (s. zur Entstehungsgeschichte BGE 140 V 328 E. 5.2 S. 331 f.; Urteil 8C_1025/2009 vom 19. August 2010 E. 3.3.4.1; MICHAEL PFLÜGER, Die Legitimation des Gemeinwesens zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, 2013, S. 203 ff.). Entscheidend für diese Streichung des Beschwerderechts war dabei der Wille des Gesetzgebers, dass Streitigkeiten zwischen der obersten Exekutivbehörde und der obersten Justizbehörde eines Kantons nicht vom Bundesgericht entschieden werden sollen (PFLÜGER, a.a.O., S. 205). Eine kantonale Exekutive, deren Verfügung von der kantonal letztinstanzlichen Justizbehörde aufgehoben wurde, ist BGE 141 II 161 S. 165 daher grundsätzlich nicht befugt, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zur Wiederherstellung ihrer Verfügung zu führen, erst recht dann nicht, wenn es um die Auslegung und Anwendung von kantonalem Recht geht ( BGE 136 II 383 E. 2.5 und 2.6 S. 387 f.; BGE 136 V 346 E. 3.5 S. 350; BGE 134 V 53 E. 2.3.3 S. 58 ff.; Urteil 8C_1025/2009 vom 19. August 2010 E. 3.3.4.2 und 3.4; PFLÜGER, a.a.O., S. 136 f., 146 f., 162 f. und 205 ff.). 2.3 Geht es um Entscheide mit finanziellen Auswirkungen, hat die Rechtsprechung zwar in verschiedenen Konstellationen die Legitimation von Kanton oder Gemeinde bejaht (vgl. Hinweise in BGE 138 II 506 E. 2.1.2 S. 509 f.). Doch ist die Legitimation nicht schon dann zu bejahen, wenn ein Entscheid Auswirkungen auf das Vermögen des Gemeinwesens hat: Zur Begründung des allgemeinen Beschwerderechts genügt nicht jedes beliebige, mit der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe direkt oder indirekt verbundene finanzielle Interesse des Gemeinwesens ( BGE 136 II 274 E. 4.2 S. 279, BGE 136 II 383 E. 2.4 S. 387; BGE 134 II 45 E. 2.2.1 S. 47 mit Hinweisen). So wurde die Legitimation des Gemeinwesens etwa verneint in seiner Eigenschaft als Schuldner von Entschädigungen nach Opferhilfegesetz ( BGE 123 II 425 E. 4 S. 429 ff.), im Falle der Festlegung des Steuerwohnsitzes ( BGE 136 II 274 E. 4.3 S. 280), aufgrund der Befürchtung, als Folge eines Entscheids haftpflichtig zu werden ( BGE 133 II 400 E. 2.4.2 S. 407) oder der Tangierung des Kantons als Schuldner von (kantonalrechtlichen) Ergänzungsleistungen ( BGE 134 V 53 E. 2.3.3 S. 58 f.). Auch eine Gemeinde kann sich nicht auf Art. 89 Abs. 1 BGG berufen, wenn sie die willkürliche Anwendung von kantonalen und kommunalen Bestimmungen über Beihilfen und Gemeindezuschüsse durch das kantonale Gericht rügt (Urteil 8C_918/2014 vom 27. Januar 2015 E. 3.2.2.2). Ebenfalls nicht legitimiert ist das Gemeinwesen, wenn ihm in Beschwerdeentscheiden gegen seine Verfügungen Verfahrens- oder Parteikosten auferlegt werden ( BGE 134 II 45 E. 2.2.2 S. 47 f.; BGE 133 II 400 E. 2.4.2 S. 407; Urteil 1C_79/2011 vom 10. März 2011 E. 1.4, in: JdT 2011 I S. 39). Verneint wurde die Legitimation auch in einem Fall, in welchem der Kanton die Erbschaftssteuer für Nachkommen abgeschafft hatte und die Auslegung der übergangsrechtlichen Regelung streitig war; der Kanton hatte mit der Abschaffung der Steuer dargetan, dass es für ihn nicht mehr um einen wichtigen Regelungsbereich ging, dies obwohl ein Steueraufkommen von insgesamt rund 30 Mio. Franken auf dem Spiel stand ( BGE 136 II 383 E. 2.5 S. 387). BGE 141 II 161 S. 166 Bejaht wird die Legitimation in Konstellationen, in denen es um finanzielle Leistungen aus Rechtsverhältnissen geht, die zwar öffentlich-rechtlich geregelt sind, aber Analogien haben zu entsprechenden privatrechtlichen Instituten wie etwa das öffentliche Dienstrecht, das Staatshaftungsrecht oder das Enteignungsrecht. Im Übrigen ist das Gemeinwesen in seinen fiskalischen Interessen aber grundsätzlich nicht wie ein Privater betroffen, sondern in seiner Eigenschaft als Hoheitsträger ( BGE 138 II 506 E. 2.3 S. 511 f.; BGE 136 II 274 E. 4.2 S. 279; BGE 135 II 156 E. 3.3 S. 160). Die Fälle, in denen diesbezüglich die Legitimation bejaht wurde, betreffen in der Regel Konstellationen, in welchen es um einen Konflikt zwischen verschiedenen Gemeinwesen geht, die einander nicht hoheitlich gegenüberstehen oder in denen ein Gemeinwesen Adressat einer von einem anderen Gemeinwesen getroffenen Verfügung ist, namentlich bei Streitigkeiten zwischen Kanton und Gemeinde oder zwischen Gemeinden unter sich (Hinweise in BGE 138 II 506 E. 2.1.2 S. 509 f.). Auch dann ist eine Gemeinde gegen einen kantonalen Entscheid, der ihr finanzielle Lasten auferlegt, nach Art. 89 Abs. 1 BGG nur zur Beschwerde legitimiert, wenn sie in qualifzierter Weise in zentralen hoheitlichen Interessen berührt ist ( BGE 140 I 90 E. 1.2.2 S. 93 f.). Eine solche Betroffenheit wird in der Regel bejaht in Bezug auf Leistungen der Sozialhilfe ( BGE 140 V 328 E. 6 S. 333 ff.) sowie den interkommunalen Finanzausgleich und ähnliche Regelungen ( BGE 140 I 90 E. 1.2.2 S. 93 f.; BGE 135 I 43 E. 1.3 S. 47; BGE 135 II 156 E. 3.3 S. 160) und im Übrigen dann, wenn die streitigen finanziellen Leistungen eine beträchtliche Höhe erreichen und die Beantwortung der Streitfrage eine über den Einzelfall hinausgehende präjudizielle Wirkung für die öffentliche Aufgabenerfüllung mit insgesamt wesentlicher finanzieller Belastung hat (Urteil 2C_949/2013 vom 24. März 2014 E. 2.2.2 [bejaht bez. kommunale Beiträge an kantonale Schulen]), nicht aber dann, wenn es bloss um eine einzelfallbezogene Beurteilung ohne Grundsatzfragen geht ( BGE 140 I 90 E. 1.2.6 S. 95 [kommunaler Kostenanteil an einer Busverbindung]). Verneint wird die Legitimation, wenn es einzig um die finanziellen Folgen der Verwaltungstätigkeit geht, welche das Gemeinwesen in seiner Stellung als hoheitlich verfügende Behörde treffen ( BGE 138 II 506 E. 2.3 S. 511 f.; Urteile 1C_670/2013 vom 10. Februar 2014 E. 4.2; 1C_220/2009 vom 26. April 2010 E. 2.2.2, nicht publ. in: BGE 136 II 204 ; 1C_79/2011 vom 10. März 2011 E. 1.4, in: JdT 2011 I S. 39). In solchen Fällen deckt sich das finanzielle Interesse des BGE 141 II 161 S. 167 Gemeinwesens mit der Frage der richtigen Rechtsanwendung, was zur Legitimation nicht genügt, auch dann nicht, wenn der angefochtene Entscheid Präzedenzwirkung für weitere Fälle mit Auswirkungen auf die Kantonsfinanzen hat ( BGE 138 II 506 E. 2.4 S. 512; BGE 134 II 45 E. 2.2.1 S. 46 f.). 2.4 Vorliegend wehrt sich der Kanton gegen ein Urteil seines eigenen Verwaltungsgerichts, welches in Auslegung des kantonalen Rechts zu einem Ergebnis gekommen ist, welches von der Rechtsauffassung der Exekutivbehörden abweicht. Der Streitwert beträgt Fr. 5'700.-. Der Beschwerdeführer bringt jedoch vor, die rechtliche Betrachtung der Vorinstanz habe zur Folge, dass bei einem beträchtlichen Teil von Personen in Ausbildung entgegen der bisherigen Praxis keine Elternbeiträge mehr angerechnet werden dürften, was Mehrkosten von jährlich rund 3,8 Mio. Franken zur Folge habe. Im Rahmen einer Maximalprognose müsste sogar mit Mehraufwendungen von nahezu 37 Mio. Franken pro Jahr gerechnet werden. Damit ist - anders als in den in BGE 138 II 506 E. 2.1.1 zitierten Entscheiden - nicht ersichtlich, inwiefern es hier um über das rein Finanzielle hinausgehende Interessen an der öffentlichen Aufgabenerfüllung gehen könnte. Dass das angefochtene Urteil einen zentralen Aspekt des Stipendienwesens beträfe und dessen System als Ganzes selber in Frage stellen würde (vgl. betreffend den Finanzausgleich BGE 140 I 90 E. 1.2.2 S. 93 f. mit Hinweisen), ist mit dieser Argumentation jedenfalls nicht dargetan. Sowohl im konkreten Fall als auch in Bezug auf die Präzedenzwirkung des angefochtenen Urteils geht es vorliegend vielmehr einzig um die Auswirkungen auf die Kantonsfinanzen. In dieser Konstellation ist nach dem Gesagten die Legitimation des Kantons zu verneinen. Es verhält sich anders als in den vom Beschwerdeführer zitierten Entscheiden ( BGE 135 II 156 ; BGE 136 V 346 ), in denen sich Gemeinden wehren konnten gegen kantonale Entscheide über die Aufgaben- und Kostenverteilung zwischen Kanton und Gemeinden oder die Kostentragung von Gemeinden. Der Kanton wehrt sich hier nicht gegen einen Entscheid, mit dem ihm eine hierarchisch höher stehende Körperschaft eine finanzielle Belastung direkt auferlegt (vgl. BGE 140 I 90 E. 1.2.3 und 1.2.4 S. 94), sondern es bleibt bei einer Organstreitigkeit zwischen der kantonalen Exekutive und der kantonalen Judikative, für deren Beurteilung durch das Bundesgericht die vorne genannten Voraussetzungen BGE 141 II 161 S. 168 fehlen. Damit ist es Sache des Kantons, den Konflikt selber zu schlichten (vgl. PFLÜGER, a.a.O., S. 204), beispielsweise auf dem Wege einer Gesetzesrevision.
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Sachverhalt ab Seite 40 BGE 135 III 40 S. 40 Über die A. GmbH & Co. KG mit Sitz in Frankfurt am Main wurde mit Beschluss des dortigen Amtsgerichts vom 19. März 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet. X. wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Am 29. April 2002 eröffnete der Konkursrichter des Bezirksgerichts Bülach den Konkurs über die B. AG mit Sitz in Wallisellen. X. meldete in diesem Verfahren eine Forderung der A. GmbH & Co. KG von 639'936.42 EURO an. Der ausseramtliche Konkursverwalter der B. AG in Liquidation erliess am 30. April 2007 die Kollokationsverfügung Nr. 12. Er trat BGE 135 III 40 S. 41 auf die Forderungseingabe von X. nicht ein, eventualiter wies er sie wegen fehlender Aktivlegitimation ab. Die angemeldete Forderung wurde zum Wert der Konkurseröffnung in Fr. 932'771.35 umgerechnet und eventualiter nach Bestand, Höhe und Rang bestritten und daher abgewiesen. Der Kollokationsplan der B. AG in Liquidation wurde im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) vom 4. Mai 2007 publiziert. Mit Verfügung des Konkursrichters des Bezirksgerichts Bülach vom 2. August 2007 wurde der Insolvenzeröffnungsbeschluss über die A. GmbH & Co. KG mit Sitz in Frankfurt für die ganze Schweiz anerkannt und zugleich über das hier gelegene Vermögen der Konkurs gemäss Art. 166 ff. IPRG (SR 291) eröffnet. Die Publikation im SHAB erfolgte am 17. August 2007. Das IPRG-Konkursverfahren wird vom Konkursamt Wallisellen durchgeführt. Das Bezirksgericht Bülach als untere kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen wies die von X. gegen die Kollokationsverfügung Nr. 12 erhobene Beschwerde am 6. November 2007 ab. Der gegen den bezirksgerichtlichen Beschluss von X. daraufhin erhobene Rekurs wurde vom Obergericht des Kantons Zürich als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen am 18. März 2008 ebenfalls abgewiesen. Über die von der Insolvenzmasse A. GmbH & Co. KG, Frankfurt am Main, und X. als Insolvenzverwalter am 23. Mai 2007 beim Bezirksgericht Bülach gegen die B. AG in Liquidation eingereichte Kollokationsklage ist bisher kein Entscheid ergangen. X. ist mit Beschwerde in Zivilsachen vom 9. April 2008 an das Bundesgericht gelangt. Der Beschwerdeführer beantragt, den Beschluss der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde aufzuheben, den Kollokationsplan der B. AG in Liquidation dahingehend abzuändern, dass auf seine Forderungsanmeldung eingetreten werde, und die angefochtene Kollokationsverfügung Nr. 12 im Übrigen aufzuheben. Der ausseramtliche Konkursverwalter sei zu verpflichten, die Forderungsanmeldung materiell zu prüfen, den Kollokationsplan neu aufzulegen und eine allfällige Abweisung der Forderung zu begründen. Eventualiter sei dem Konkursamt Wallisellen Frist anzusetzen zur Erklärung, ob es in das vorliegende Beschwerdeverfahren eintreten wolle. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. BGE 135 III 40 S. 42
654
463
Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Anlass der vorliegenden Beschwerde bildet die Frage nach dem Vorgehen, welches im Hinblick auf Anmeldung einer Forderung einer ausländischen Gesellschaft (als Gläubigerin), über die an ihrem Sitz ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, im Konkursverfahren gegen einen Schuldner in der Schweiz zu wählen ist. 2.1 Die Vorinstanz hat auf die unterschiedlichen Folgen einer direkten (durch den ausländischen Insolvenzverwalter erfolgenden) Forderungsanmeldung im schweizerischen Konkursverfahren und derjenigen einer Forderungsanmeldung durch die (schweizerische) Konkursverwaltung in einem Anschlusskonkurs gemäss Art. 166 ff. IPRG im Hinblick auf eine allfällige Dividende hingewiesen. Die damit verbundenen Fragen seien schwerpunktmässig materiell-rechtlicher Natur und daher ausschliesslich im Rahmen der Kollokationsklage zu beantworten. Nicht strittig sei vorliegend die ausschliesslich im Verfahrensrecht geregelte Rechtsstellung des ausländischen Insolvenzverwalters. Die obere Aufsichtsbehörde hat geschlossen, dass auf die Beschwerde an die Erstinstanz daher nicht einzutreten gewesen wäre. 2.2 Der Beschwerdeführer gesteht zwar "gewisse Bezüge" der Zulässigkeit einer direkten Forderungsanmeldung zum materiellen Recht ein, verneint indes die Zuständigkeit des Kollokationsrichters zu deren Prüfung. Zumindest vorfrageweise hätte die obere Aufsichtsbehörde über diese Frage befinden müssen, zumal der Kollokationsrichter hierüber noch nicht entschieden habe. 2.3 Im vorliegenden Fall wurde der Kollokationsplan der B. AG in Liquidation von der Gläubigerin sowohl mit einer Kollokationsklage nach Art. 250 Abs. 1 SchKG als auch mit einer Beschwerde nach Art. 17 SchKG angefochten. Angesichts der im Vordergrund stehenden Rechtsfragen materieller Natur sah die Vorinstanz die Kollokationsklage als das einzig zutreffende Vorgehen. Ihre Überlegungen zur Anmeldung einer ausländischen Forderung im schweizerischen Konkurs im Vergleich mit einer solchen im Anschlusskonkurs entsprechen der bundesgerichtlichen Auslegung des Verfahrens nach Art. 166 ff. IPRG (vgl. BGE 134 III 366 E. 9.2.4 S. 377). Zwar hat die Vorinstanz auf die Anerkennung des ausländischen Konkursdekretes und die Eröffnung eines Anschlusskonkurses für das in der Schweiz gelegene Vermögen Bezug genommen. Sie hat BGE 135 III 40 S. 43 darauf hingewiesen, dass jedenfalls ab Eröffnung des Anschlusskonkurses in der Schweiz der ausländische Insolvenzverwalter keine direkte Forderungsanmeldung mehr vornehmen darf. Hingegen ist sie auf die Auswirkungen dieses während des Beschwerdeverfahrens ergangenen Entscheides auf das vor ihrer Instanz hängige Verfahren nicht eingegangen. Die Erstinstanz hatte die Frage aufgeworfen und dann offengelassen, ob nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Insolvenzverwalter die Prozessführungsbefugnis zustehe und dieser in der Schweiz auch ausserhalb des Anschlusskonkurses selbständig eine Forderung geltend machen könne. Es gehe vorliegend gerade nicht um ein Zivilverfahren, sondern um eine Forderungsanmeldung in einem Konkurs. Der ausländische Konkursverwalter könne im Hinblick auf ein schweizerisches Zwangsvollstreckungsverfahren nur den Antrag auf Anerkennung des ausländischen Konkurses und zur Anordnung sichernder Massnahmen stellen und im Falle eines Anschlusskonkurses eine Anfechtungsklage erheben. Im Übrigen habe er stets ein Verfahren nach Art. 166 ff. IPRG einzuleiten, was der ausländische Insolvenzverwalter nicht getan habe. Daher fehle ihm vorliegend die Legitimation zur Geltendmachung von Forderungen. Die Erstinstanz stützte sich bei ihrer Argumentation auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung und die massgebende Lehre. 2.4 Zu entscheiden ist vorliegend nicht, ob der ausländische Insolvenzverwalter in einem schweizerischen Konkurs eine Forderung anmelden kann oder ob er zuerst einen Anschlusskonkurs erwirken muss. Diese Fragen sind zudem von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bereits geklärt worden. Demnach darf der ausländische Konkursverwalter in der Schweiz keine Betreibungshandlungen vornehmen und keine Forderungsklagen einreichen, sofern er nicht zuerst die Anerkennung des ausländischen Konkursdekretes erwirkt hat ( BGE 134 III 366 E. 9.2.3 und 9.2.5 S. 376 ff. mit Hinweisen). Im konkreten Fall ist das ausländische Konkursdekret in der Schweiz anerkannt und ein Anschlusskonkurs eröffnet worden. Der entsprechende Gerichtsentscheid erging nach Anfechtung der Kollokationsverfügung Nr. 12 durch den Beschwerdeführer. Die schweizerische Konkursverwaltung hat grundsätzlich die Möglichkeit, die Forderung im Konkurs eines Schuldners verspätet einzugeben ( Art. 251 SchKG ). Ob der Beschwerdeführer als ausländischer Insolvenzverwalter zur einstweiligen Beschwerdeführung (und zur Einreichung der Kollokationsklage) dennoch berechtigt war, da BGE 135 III 40 S. 44 ansonsten die Verfügung in Rechtskraft erwachsen wäre, ist an dieser Stelle nicht zu befinden. 2.5 Hingegen ist zu prüfen, ob der ausländische Insolvenzverwalter nach der Anerkennung des ausländischen Konkurses und der Aussprechung des Anschlusskonkurses seine Aufgaben in der Schweiz wahrnehmen kann. 2.5.1 Die Anerkennung eines ausländischen Konkurses zieht, soweit das Gesetz nichts anderes vorsieht, für das in der Schweiz gelegene Vermögen des Schuldners die konkursrechtlichen Folgen des schweizerischen Rechts nach sich ( Art. 170 Abs. 1 IPRG ; BERTI/BÜRGI, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 2. Aufl. 2007, N. 4 zu Art. 170 IPRG ). Dabei handelt es sich nicht um die unmittelbare Erstreckung des ausländischen Konkurses auf das schweizerische Territorium, sondern um eine Form von Rechtshilfe zu Gunsten eines im Ausland durchgeführten Verfahrens. Die Durchführung des Anschlusskonkurses liegt in der Zuständigkeit des schweizerischen Konkursamtes (VOLKEN, in: Zürcher Kommentar zum IPRG, 2. Aufl. 2004, N. 5 ff. zu Art. 172, N. 35 zu Art. 169 IPRG ). Dieses ist ausschliesslich befugt, die zur ausländischen Konkursmasse gehörenden Rechte auszuüben, soweit es um in der Schweiz gelegenes Vermögen geht (BRACONI, La collocation des créances en droit international suisse de la faillite, 2005, S. 29 f.; LORANDI, Handlungsspielraum ausländischer Insolvenzmassen in der Schweiz, AJP 2008 S. 562; DANIEL STAEHELIN, Konkurs im Ausland, Drittschuldner in der Schweiz, in: Festschrift für Karl Spühler, 2005, S. 407 f.). Damit bleiben für den ausländischen Konkursverwalter in einem Anschlusskonkurs grundsätzlich keine Befugnisse. Er kann höchstens subsidiär Anfechtungsansprüche nach Art. 285 ff. SchKG geltend machen, d.h. solche, auf welche das schweizerische Konkursamt und die kollozierten Gläubiger verzichtet haben (VOLKEN, a.a.O., N. 21 zu Art. 171 IPRG ; STEPHEN V. BERTI, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 2. Aufl. 2007, N. 10 zu Art. 171 IPRG ). 2.5.2 Im vorliegenden Fall hat das Konkursamt Wallisellen - als Konkursverwaltung der Partikularmasse der A. GmbH & Co. KG - am 31. Oktober 2007 die Forderung im Konkursverfahren über die B. AG in Liquidation angemeldet. Dieser Umstand wurde von den kantonalen Instanzen nicht berücksichtigt. Sie hätten sich die Frage stellen müssen, ob an der Weiterführung des Verfahrens durch BGE 135 III 40 S. 45 die Partikularmasse überhaupt ein Interesse besteht, zumal die Weiterführung durch den ausländischen Konkursverwalter - wie dargelegt - ausser Betracht fällt. Das Konkursamt Wallisellen hat mit der Forderungsanmeldung nicht nur die Interessen der Partikularmasse gewahrt, sondern auch zum Ausdruck gebracht, dass es an einer Übernahme des Beschwerdeverfahrens nicht interessiert ist und offensichtlich auf dem Erlass einer an die Partikularmasse gerichteten (und durch diese selbst anfechtbaren) Kollokationsverfügung besteht. Ob die kantonalen Aufsichtsbehörden das Konkursamt Wallisellen nicht "in analoger Anwendung von Art. 207 SchKG " zur Stellungnahme über einen allfälligen Verfahrenseintritt auffordern hätten sollen, wie der Beschwerdeführer meint, ist damit nicht zu erörtern. 2.6 War der Beschwerdeführer zur Beschwerde gegen die Kollokationsverfügung Nr. 12 nicht berechtigt, so besteht kein Interesse an der Prüfung seiner weiteren Rügen. Die obere kantonale Aufsichtsbehörde durfte seine Beschwerde im Ergebnis abweisen, ohne Bundesrecht zu verletzen.
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Sachverhalt ab Seite 27 BGE 134 IV 26 S. 27 A. Am 31. Oktober 2000 spielte Kevin Miller (Beschwerdegegner) für den HC Davos in einer Eishockey Nationalliga A Meisterschaftspartie gegen die ZSC Lions. Dabei foulte er Andrew McKim (Beschwerdeführer) grob. Die bei diesem Foul erlittenen gesundheitlichen Schäden zwangen Andrew McKim, seine Profikarriere zu beenden. Zum Foulspiel kam es in der zehnten Minute des ersten Spieldrittels. Der ZSC-Spieler Andrew McKim gelangte unmittelbar hinter dem Tor des HC Davos in Puckbesitz. Er nutzte seine vorhandene Bewegung aus und setzte seine Fahrt in einem Bogen fort, um in eine günstige Torschussposition zu gelangen. 0.38 Sekunden nach der Schussabgabe wurde er durch Kevin Miller von hinten in den Rücken gecheckt. Durch den Check fiel er vornüber und schlug mit seinem Kopf auf dem Eis auf. B. Kevin Miller wurde für dieses Foul vom Schiedsrichter für die gesamte Spieldauer des Feldes verwiesen ("Spieldauerdisziplinarstrafe"). Im verbandsinternen Disziplinarverfahren wurde er vom Einzelrichter der Nationalliga am 15. November 2000 für die nächsten 8 Meisterschaftsspiele gesperrt und mit einer Busse von Fr. 3'000.- belegt. Dieser Entscheid wurde am 16. Dezember 2000 von der Rekurskammer des schweizerischen Eishockeyverbands bestätigt. C. Am 20. September 2005 wurde Kevin Miller vom Bezirksgericht Zürich der einfachen Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB sowie der fahrlässigen schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 2 StGB für schuldig befunden und mit 3 Monaten Gefängnis bestraft. Der Vollzug wurde bedingt aufgeschoben. Auf seine Berufung hin wurde er vom Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 23. März 2007 vollumfänglich freigesprochen. D. Gegen diesen Freispruch erhebt Andrew McKim Beschwerde in Strafsachen. Er verlangt unter anderem die Aufhebung des obergerichtlichen und die Bestätigung des bezirksgerichtlichen Urteils. E. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich verzichtet mit Schreiben vom 7. September 2007 auf eine Vernehmlassung. Mit Schreiben vom 1. Oktober 2007 hat der Beschwerdegegner seine BGE 134 IV 26 S. 28 Vernehmlassung eingereicht, mit der er im Wesentlichen ein Nichteintreten auf die Beschwerde resp. deren Abweisung beantragt. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit darauf einzutreten ist.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Der Beschwerdeführer rügt zusammenfassend, der Freispruch vom Vorwurf der Körperverletzung sei bundesrechtswidrig. 3.1 Der Beschwerdegegner schliesst sich im Wesentlichen den Ausführungen der Vorinstanz an. Soweit er die Überprüfung des Freispruchs vom Fahrlässigkeitsvorwurf für unzulässig hält, verkennt er, dass das Bundesgericht die Anwendung von Bundesrecht im Rahmen der gestellten Anträge von Amtes wegen überprüft ( Art. 106 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht [BGG; SR 173.110] ). Der Beschwerdeführer beanstandet den vorinstanzlichen Freispruch von den Körperverletzungsvorwürfen als bundesrechtswidrig und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Urteils. Im Rahmen dieses Antrags ist sowohl der Freispruch von der eventualvorsätzlichen als auch von der fahrlässigen Körperverletzung zu überprüfen. 3.2 3.2.1 Nach Art. 122 StGB wird unter anderem mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe nicht unter 180 Tagessätzen bestraft, wer vorsätzlich einen Menschen bleibend arbeitsunfähig macht oder eine andere schwere Schädigung des Körpers oder der körperlichen oder geistigen Gesundheit verursacht. Für einfache Körperverletzungen droht nach Art. 123 StGB , auf Antrag, eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Der gleichen Strafandrohung untersteht die fahrlässige Körperverletzung ( Art. 125 StGB ). 3.2.2 Vorsätzlich begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt ( Art. 12 Abs. 2 Satz 1 StGB ). Vorsätzlich handelt bereits, wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt ( Art. 12 Abs. 2 Satz 2 StGB ). Nach ständiger Rechtsprechung ist Eventualvorsatz gegeben, wenn der Täter den Eintritt des Erfolgs beziehungsweise die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält, aber dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt, sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein. Für den Nachweis des Vorsatzes kann sich das Gericht - soweit der Täter nicht geständig ist - BGE 134 IV 26 S. 29 regelmässig nur auf äusserlich feststellbare Indizien und auf Erfahrungsregeln stützen, die ihm Rückschlüsse von den äusseren Umständen auf die innere Einstellung des Täters erlauben. Zu den äusseren Umständen, aus denen der Schluss gezogen werden kann, der Täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen, zählt auch die Grösse des dem Täter bekannten Risikos der Tatbestandsverwirklichung und die Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung. Je grösser dieses Risiko ist und je schwerer die Sorgfaltspflichtverletzung wiegt, desto eher darf gefolgert werden, der Täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen ( BGE 131 IV 1 E. 2.2; BGE 130 IV 58 E. 8.2). 3.2.3 Fahrlässig begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist ( Art. 12 Abs. 3 StGB ). Ein Schuldspruch wegen fahrlässiger Körperverletzung setzt somit voraus, dass der Täter den Erfolg durch Verletzung einer Sorgfaltspflicht verursacht hat. Wo besondere Normen ein bestimmtes Verhalten gebieten, bestimmt sich das Mass der dabei zu beachtenden Sorgfalt in erster Linie nach diesen Vorschriften ( BGE 127 IV 34 E. 2a mit Hinweisen). 3.2.4 Das Bundesgericht hatte in BGE 121 IV 249 bereits einmal Foulspiele mit Verletzungsfolgen beim Eishockey zu beurteilen. Ob Eventualvorsatz oder bewusste Fahrlässigkeit vorliegt, hängt unter anderem von der Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung und von der dem Täter bekannten Nähe des Verletzungsrisikos ab. Bei der Festlegung des zulässigen Verhaltens und der zu respektierenden Sorgfaltspflichten sind nebst dem allgemeinen Grundsatz "neminem laedere" insbesondere auch die Spielregeln des Internationalen Eishockey Verbands (IIHF) zu beachten. Diese Regeln dienen nicht nur dem geordneten Spielverlauf, sondern vor allem auch der Unfallverhütung und der Sicherheit der Spieler (E. 3, a.a.O.). Wird eine den Schutz der Spieler vor Verletzungen bezweckende Spielregel absichtlich oder in grober Weise missachtet, so darf keine stillschweigende Einwilligung in das der sportlichen Tätigkeit innewohnende Risiko einer Körperverletzung angenommen werden (E. 4, a.a.O.; Bestätigung von BGE 109 IV 102 E. 2). In casu war der Spieler seinem Gegenspieler mit vorgestrecktem Knie und hoher Geschwindigkeit in die Beine gefahren ("Kniestich"). Von der hohen, dem Spieler BGE 134 IV 26 S. 30 bekannten Verletzungswahrscheinlichkeit bei dieser klar regelwidrigen Aktion durfte auf die Inkaufnahme der Verletzungsfolgen geschlossen werden (E. 3, a.a.O). 3.2.5 In der Lehre wird die Auffassung vertreten, dass körperkontaktintensiven Mannschaftssportarten wie dem Eishockey ein Verletzungsrisiko inhärent ist, das von den Spielern in Kauf genommen werde. Allerdings würden grundsätzlich nur Risiken gebilligt, welche durch regelkonformes oder leicht davon abweichendes Verhalten von Gegenspielern drohten. Absichtliche und grobe Verletzung von Spielregeln, welche dem Schutz der Spieler dienen, seien von dieser stillschweigenden Einwilligung nicht erfasst (vgl. ANDREAS A. ROTH/ANNE BERKEMEIER, Basler Kommentar, 2. Aufl., N. 21 f. vor Art. 122 StGB ; HANS FELIX VÖGELI, Strafrechtliche Aspekte der Sportverletzungen, Zürich 1974, S. 175 ff.; STEFAN TRECHSEL/PETER NOLL, Schweizerisches Strafrecht, Allg. Teil I, 6. Aufl., S. 142). Dagegen wird von verschiedener Seite eingewendet, dass nicht unbesehen von der Inkaufnahme des Risikos auf die Einwilligung in die Verletzung geschlossen werden sollte, zumal die Spieler ja gerade darauf vertrauten, nicht verletzt zu werden. In Sportarten, bei denen das Beibringen von Verletzungen nicht das eigentliche Ziel (wie z.B. Boxen), sondern bloss eine mehr oder weniger häufige Nebenfolge des Wettkampfs ist (Fussball, Eishockey, Handball etc.), könne deshalb nicht von einer Einwilligung ausgegangen werden. Auch mache es keinen Sinn, die Gültigkeit der Einwilligung von der Regelkonformität der Attacke abhängig zu machen, zumal dem Spieler regelkonform und regelwidrig beigebrachte Verletzungen gleichermassen unwillkommen seien. Nach diesen Lehrmeinungen sind Verletzungen bei Mannschaftssportwettkämpfen strafrechtlich nicht über die Einwilligung des Betroffenen zu lösen, sondern ein Problem der Tatbestandseinschränkung nach den Grundsätzen der Sozialadäquanz, des erlaubten Risikos oder des selbstverantworteten Handelns auf eigene Gefahr (vgl. ANDREAS DONATSCH, Gedanken zum strafrechtlichen Schutz des Sportlers, ZStrR 107/1990 S. 420 ff.; JÖRG REHBERG, Verletzung beim Fussballspiel, BGE 109 IV 102 , recht 2/1984 S. 56 ff.; DOROTHE SCHERRER, Strafrechtliche Sanktionen nach Sportverletzungen, Causa Sport 2006 S. 31 ff., 34; KURT SEELMANN, Basler Kommentar, 2. Aufl., N. 15 vor Art. 14 StGB ; JEAN-MARC SCHWENTER, De la faute sportive à la faute pénale, ZStrR 108/1991 S. 325 ff.; PHILIPPE WEISSENBERGER, Die Einwilligung des Verletzten bei Delikten gegen Leib und Leben, Bern 1996, S. 169 ff.). In der neueren BGE 134 IV 26 S. 31 Literatur werden Zurechnungseinschränkungen von Sportverletzungen auch unter dem Gesichtspunkt der objektiven Zurechnung diskutiert (vgl. MELANIE BERKL, Der Sportunfall im Lichte des Strafrechts, Baden-Baden 2007, S. 79 ff.). Die Teilnahme an einem Eishockeyspiel könnte danach als einverständliche Fremdgefährdung gewertet werden. Die Spieler setzen sich im Bewusstsein des Verletzungsrisikos der Gefährdung durch die Gegenspieler aus. Eine Fremd- und nicht eine Eigengefährdung liegt vor, da in der Regel der foulende Spieler das rechtsgutsverletzende Kausalgeschehen beherrscht. Kommt es zu einer Schädigung, so stellt sich die Frage, inwieweit dem foulenden Spieler die verursachten Verletzungsfolgen aufgrund des gegnerischen Gefährdungseinverständnisses nicht zugerechnet werden können. Nach DONATSCH (a.a.O., S. 420) sind sorgfaltspflichtwidrige Fremdgefährdungen insoweit strafrechtsrelevant, als sie das sportspezifische Grundrisiko überschreiten. Auch hier muss bei der Frage, mit welchen Fremdgefährdungen sich ein Spieler (noch) einverstanden erklärt, letztlich auf die einschlägigen Regelwerke zurückgegriffen werden, wobei insbesondere auf den Schutzzweck der verletzten Spielregel abzustellen ist. Unabhängig davon, ob Foulspiele mit Verletzungsfolgen strafrechtlich über die unrechtsausschliessende Risiko- oder Schädigungseinwilligung, über tatbestandseinschränkende Lehren des erlaubten Risikos oder der Sozialadäquanz oder über objektive Zurechnungseinschränkungen abgehandelt werden, ist für die Abgrenzung unerlaubter von noch tolerierten Risiken auf die im jeweiligen Wettkampf anwendbaren Spielregeln zurückzugreifen, weshalb sich die verschiedenen Lehrmeinungen zusammenfassend mehr in der dogmatischen Begründung als im Ergebnis unterscheiden. Gemeinsam ist den Lösungsvorschlägen, dass bei Realisierung des sportartspezifischen Grundrisikos von strafrechtlicher Ahndung abgesehen werden sollte. Zu diesem Grundrisiko gehören auch die mit körperkontaktbetonten Mannschaftssportwettkämpfen zwangsläufig einhergehenden "normalen" Fouls und Verletzungen. Je krasser indes Regeln verletzt werden, die dem körperlichen Schutz der Spieler dienen, desto weniger kann von der Verwirklichung eines spieltypischen Risikos gesprochen werden und desto eher rückt eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Spielers ins Blickfeld (SCHERRER, a.a.O., S. 36; SCHWENTER, a.a.O., S. 334; BERKL, a.a.O., S. 174 f.). Mit dieser Einschätzung liegt die herrschende Lehre auf der Linie der ständigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung. BGE 134 IV 26 S. 32 3.3 Der vorinstanzliche Freispruch vom Vorwurf der eventualvorsätzlichen Körperverletzung ist bundesrechtswidrig. 3.3.1 Fest steht, dass der Beschwerdegegner die eingetretenen Verletzungen durch sein Handeln verursacht hat. Ebenso unbestritten ist, dass er dabei in grober Weise Eishockeyregeln verletzt hat. Für sein Foul wurde er vom Schiedsrichter umgehend vom Spiel ausgeschlossen. Die Schwere des Regelverstosses wurde sowohl vom Einzelrichter der Nationalliga (vgl. Entscheid vom 15. November 2000, S. 3: "derbes Foul") als auch von der Rekurskammer des Eishockeyverbands (Entscheid vom 16. Dezember 2000, S. 16: "sehr grobes Foul") bestätigt. Zwar sah die Vorinstanz den Vorwurf des Ellenbogenchecks gegen die Halspartie als nicht zweifelsfrei erwiesen an. Die Verneinung dieses einen Regelverstosses bleibt indes ohne entscheidende Bedeutung, zumal auch die Vorinstanz davon ausgeht, dass gleichzeitig noch andere Regeln verletzt wurden. Sie verweist diesbezüglich auf die Entscheide der verbandsinternen Disziplinarinstanzen, welche klar festhielten, dass in grober Weise dem Schutz der Spieler dienende Regeln verletzt wurden (vgl. Regel Nr. 523 - "Checking from Behind" [Check von hinten] und Regel Nr. 522 - "Charging" [unerlaubter Körperangriff] des im Zeitraum von 1998-2002 geltenden Regelwerks des Internationalen Eishockey-Verbands). Mit dem Verbot, Gegenspieler von hinten zu checken, soll genau das verhindert werden, was im vorliegenden Fall eingetreten ist, nämlich dass der gefoulte Spieler vornüber fällt und mit dem Kopf auf dem Eis aufprallt. Es ist somit erstellt, dass sich die Körperverletzung auf ein objektiv krass regelwidriges Verhalten des Beschwerdegegners zurückführen lässt. Zu Recht geht auch die Vorinstanz von objektiv regelwidrigem Verhalten aus. 3.3.2 In subjektiver Hinsicht kommt die Vorinstanz zum Schluss, dass es dem Beschwerdegegner darum gegangen sei, den Beschwerdeführer am Torschuss oder Passgeben zu hindern. Er sei deshalb auf diesen zugefahren, um ihn zu checken. Ein gezielter Ellenbogen-Check gegen den Nacken sei nicht erwiesen. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass der Beschwerdegegner seine Schlittschuhe unmittelbar vor dem Check quergestellt habe, verkantet und während des Umfallens in den Rücken des Beschwerdeführers geprallt sei. Dieser habe sich in einer relativ langen Drehbewegung befunden und erst in den letzten Sekundenbruchteilen, nach erfolgter Schussabgabe mit dem Rücken zum Beschwerdegegner gewandt. Weil zwischen der Schussabgabe und der Kollision lediglich 0.38 Sekunden BGE 134 IV 26 S. 33 vergangen seien, sei eine willentliche Reaktion nicht mehr möglich gewesen. Zu seinen Gunsten sei anzunehmen, dass er zu einem zulässigen Bodycheck ansetzte, dabei um Sekundenbruchteile zu spät kam und so mit dem Beschwerdeführer zusammenprallte, als dieser ihm in nicht sicher vorhersehbarer Weise den Rücken zuwandte. Bei dieser Sachlage lasse sich eine eventualvorsätzliche Inkaufnahme der zugefügten Verletzungen nicht nachweisen. 3.3.3 Die vorinstanzliche Begründung des Freispruchs ist widersprüchlich. Es lässt sich nicht sagen, dass ein Spieler zu einem zulässigen Bodycheck ansetzte, wenn das Verhalten seines Gegenspielers für ihn "zu keinem Zeitpunkt klar vorhersehbar und kalkulierbar" war. Nach verbindlicher Feststellung hat der Beschwerdegegner beim Ansetzen zum Bodycheck insbesondere nicht genau wissen können, welche Position der Geschädigte einnehmen werde. Wer sich trotz der Ungewissheit um die genaue Position seines Gegenspielers entschliesst, diesen zu checken, der mag zwar hoffen, dass ihm eine regelkonforme Attacke gelingt, der nimmt aber gleichzeitig auch den regelwidrigen Check von hinten in Kauf. Dass der Beschwerdegegner als professioneller Hockeyspieler den Torschuss nicht habe vorhersehen können, will indes nicht richtig einleuchten. Viel wahrscheinlicher - aber eben nicht festgestellt - ist, dass der Beschwerdegegner die Drehbewegung durchaus richtig antizipierte und hoffte, den Beschwerdeführer noch rechtzeitig durch einen regelkonformen Check am Torschuss hindern zu können, mit seiner Zufahrt aber gleichzeitig auch in Kauf nahm, zu spät zu kommen und den Beschwerdeführer nur noch nach abgeschlossener Schuss- und Drehbewegung von hinten zu erwischen. Wie es sich mit den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz im Einzelnen verhält, kann jedoch offenbleiben. Selbst wenn man mit der Vorinstanz davon ausgeht, dass der Beschwerdegegner nicht bewusst zu einem regelwidrigen Ellenbogenschlag (Regel Nr. 526 - "Elbowing") gegen den Kopf und Nacken ansetzte, sondern im letzten Moment verkantete und in den Rücken des Beschwerdeführers prallte, entlastet ihn dies entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil nicht. Wie die erste Instanz zutreffend ausführt, hat sich ein Eishockeyspieler immer so auf dem Eis zu bewegen, dass er auf gefährliche Situationen reagieren und notfalls noch bremsen oder einem Gegenspieler ausweichen kann. Mit seiner riskanten Zufahrt begab sich der Beschwerdegegner aller Ausweich- oder Bremsmöglichkeiten. Wer aber in hohem Tempo auf einen Gegenspieler zufährt, in der Absicht diesen zu BGE 134 IV 26 S. 34 checken, und sich dabei in eine unkontrollierbare Situation manövriert, in der es nur noch vom Zufall abhängt, ob der Check noch regelkonform durchgeführt werden kann, der kann sich nicht darauf berufen, dass er den regelwidrigen Check nicht mehr verhindern konnte. Dass er im letzten Moment noch vergeblich zu bremsen versuchte, macht die Verursachung des Zusammenpralls nicht zu einer fahrlässigen Handlung. Wie erläutert, hat er sich willentlich in eine Situation manövriert, in der ihm die Verhinderung eines regelwidrigen Checks nicht mehr möglich war. Er hat mithin die Möglichkeit eines Checks von hinten in den Rücken in Kauf genommen und die daraus resultierenden Verletzungen als mögliche, wenn auch unerwünschte Folgen, seinem vorrangigen Ziel untergeordnet, den Beschwerdeführer um jeden Preis am Abschuss zu hindern. Ausser Zweifel steht nach den getroffenen Tatsachenfeststellungen, dass er als professioneller Hockeyspieler um die mit einem Bodycheck in den Rücken verbundenen Verletzungsrisiken wusste. Es ist nicht ersichtlich und ergibt sich auch nicht aus dem angefochtenen Urteil, inwiefern er bei dieser waghalsigen Aktion auf das Ausbleiben von Verletzungsfolgen hätte vertrauen dürfen. Wie bereits in BGE 121 IV 249 kann auch im vorliegenden Fall aus dem hochgradig risikoträchtigen Vorgehen des Beschwerdegegners auf die Inkaufnahme von Verletzungsfolgen geschlossen werden. Der Freispruch von der eventualvorsätzlichen Körperverletzung verletzt daher Bundesrecht. Die Beschwerde ist insoweit gutzuheissen und das angefochtene Urteil aufzuheben. 4. Die Vorinstanz sprach den Beschwerdegegner auch vom Vorwurf der fahrlässigen schweren Körperverletzung frei. Nach ihrer Auffassung entspricht die Kombination von einfacher vorsätzlicher und fahrlässiger schwerer Körperverletzung im erstinstanzlichen Urteil dem früheren "erfolgsqualifizierten" Tatbestand von Art. 123 Ziff. 1 aStGB. Ob diese Verbindung zulässig sei, könne offenbleiben. Dem Beschwerdegegner werde nur vorsätzliches Handeln mit einer unvorhergesehenen Verletzungsfolge, nicht aber eine fahrlässige Körperschädigung vorgeworfen. Der Schuldspruch für das Fahrlässigkeitsdelikt hänge somit vom damit verknüpften Vorsatzdelikt ab. Der Freispruch von der vorsätzlichen müsse daher auch zum Freispruch von der fahrlässigen Körperverletzung führen. Zur Eventualbegründung wird ausgeführt, dass die schweren Kollisionsfolgen dem Beschwerdegegner mangels Voraussehbarkeit der Drehbewegung nicht vorgeworfen werden könnten. BGE 134 IV 26 S. 35 4.1 Der Freispruch vom Vorwurf der fahrlässigen schweren Körperverletzung hält vor Bundesrecht nicht stand. In Bezug auf die Eventualerwägung wurde bereits erläutert, dass es den Beschwerdegegner belastet und nicht entlastet, sich willentlich in eine Situation manövriert zu haben, in der er weder die korrekte Ausführung des Checks kontrollieren noch dessen schwere Verletzungsfolgen absehen konnte. Auch die Auffassung, dass die Verurteilung wegen fahrlässiger von derjenigen wegen vorsätzlicher Körperverletzung abhängen soll, erweist sich als unzutreffend. Nach Art. 123 Ziff. 2 StGB in der Fassung vor der Revision der Körperverletzungsdelikte durch das Bundesgesetz vom 23. Juni 1989 (in Kraft seit 1. Januar 1990; AS 1989 S. 2449, 2456) wurde wegen vorsätzlicher Körperverletzung bestraft, wer anstelle der gewollten einfachen eine schwere Körperverletzung bewirkte und dies voraussehen konnte. Diese Tatbestandsvariante wurde anlässlich der Revision ersatzlos gestrichen, weil sich die ihr zu Grunde liegende Erfolgsqualifizierung mit den Grundsätzen des Schuldstrafrechts nicht vereinbaren lässt. Wer eine einfache Körperverletzung beibringen will, versehentlich aber eine schwere verursacht, darf für den nicht von seinem Willen erfassten Erfolg nicht wegen vorsätzlicher Tatbegehung bestraft werden. Die Vorinstanz geht zwar zu Recht davon aus, dass das vorliegende Unfallgeschehen vor 1990 wohl als erfolgsqualifizierte Körperverletzung im dargestellten Sinne eingestuft worden wäre. Sie zieht indes unrichtige Schlüsse aus der Streichung dieser Tatbestandsvariante. Der Wegfall der Erfolgsqualifikation führt nicht dazu, dass die über die gewollte einfache Köperverletzung hinausgehenden, versehentlich verursachten Verletzungsfolgen gar nicht mehr bestraft werden. Vielmehr soll nach dem Willen des Gesetzgebers in diesen Fällen die vorsätzliche einfache Körperverletzung in echte (Ideal-)Konkurrenz zu der fahrlässigen Verursachung des schweren Verletzungserfolgs nach Art. 125 Abs. 2 StGB treten (Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches - Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben etc. vom 26. Juni 1985, BBl 1985 II S. 1027 f.; ebenso GÜNTER STRATENWERTH/ GUIDO JENNY, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 6. Aufl., Bern 2003, § 3 N. 31 und 32). In Bezug auf den Fahrlässigkeitsvorwurf ist mit der Anklagebehörde und der ersten Instanz davon auszugehen, dass die über die einfache Körperverletzung hinausgehenden Schädigungsfolgen für den Beschwerdegegner als professionellen Hockeyspieler vorhersehbar und bei sorgfältigerem BGE 134 IV 26 S. 36 Vorgehen zweifellos auch vermeidbar gewesen wären. Der vorinstanzliche Freispruch vom Vorwurf der fahrlässigen schweren Körperverletzung ist somit ebenfalls aufzuheben.
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de
Ersatz der vom Gemeinwesen bezahlten Kosten der stationären Behandlung in der Klinik für Suchtkranke; Begriff der Notlage (E. 5.1). Beweislast (E. 5.2). Keine Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Ergänzung des Sachverhalts und zu neuem Entscheid trotz Untersuchungsmaxime (E. 5.4). Sachverhalt ab Seite 507 BGE 133 III 507 S. 507 A. A., die leibliche Tochter von X. und M., bezieht seit dem 1. Dezember 1994 materielle Hilfe von der Einwohnergemeinde Y. Sie absolvierte vom 4. Februar bis 24. Februar 2003 einen Drogenentzug in der Klinik für Suchtkranke K. Anschliessend trat sie in das sozialtherapeutische Übergangsprogramm der Klinik K. und ab dem 28. April 2003 zur Fortsetzung einer stationären Langzeittherapie BGE 133 III 507 S. 508 ins Reha-Zentrum für Drogenabhängige in L. über, wo sie sich bis ca. Ende 2003 aufhielt. Während der Aufwand des Drogenentzuges bis auf einen Selbstbehalt von 10 % von der Krankenversicherung übernommen wurde, deckte die Einwohnergemeinde die ungedeckten Kosten der stationären Behandlung in den Kliniken K. und L. im Umfang von Fr. 72'170.-. B. Die Einwohnergemeinde Y. klagte gegen X. und M. gestützt auf Art. 328/329 ZGB auf Zahlung von Fr. 72'170.- zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 5. Januar 2004. Das Bezirksgericht Aarau hiess die Klage gut. Das Obergericht des Kantons Aargau gab einer Appellation der Eltern teilweise statt, verneinte die solidarische Haftbarkeit von M. und wies die gegen sie erhobene Klage ab; demgegenüber hiess es die Klage gegen X. gut. C. X. hat gegen das obergerichtliche Urteil beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts aufzuheben, soweit es ihn betrifft, und die Klage abzuweisen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die gegen X. erhobene Klage ab.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Wie der Beschwerdeführer zu Recht bemerkt, entscheidet sich allein gestützt auf Art. 328 bzw. 329 ZGB, ob ein Anspruch auf Verwandtenunterstützung und ein allfälliger Rückerstattungsanspruch der Beschwerdegegnerin besteht, welche Leistungen an die Therapie der Tochter des Beschwerdeführers erbracht hat. Dabei kann es entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin nicht darauf ankommen, ob die Therapieeinrichtung im Sinne von § 15 des Gesetzes des Kantons Aargau vom 6. März 2001 über die öffentliche Sozialhilfe und die soziale Prävention (SPG; SAR 851.200) bewilligt und anerkannt worden ist. Soweit das Obergericht unter Berufung auf BGE 132 III 97 E. 2.4 davon ausgeht, dass bei der Verwandtenunterstützung hinsichtlich der Therapiekosten auf den Bedarf abgestellt werden dürfe, der anhand der Sozialhilfe berechnet werde, kann ihm nicht beigepflichtet werden. Im zitierten Urteil hat das Bundesgericht erkannt, dass sich der zu Unterstützungszahlungen gemäss Art. 328 ZGB Verpflichtete nicht einen höheren Bedarf des Ansprechers anrechnen lassen muss als das Gemeinwesen, und hat damit seine frühere Rechtsprechung ( BGE 81 II 427 ) aufgegeben, wonach die Verwandtenunterstützung weiter gehe als die Sozialhilfe ( BGE 132 III 97 BGE 133 III 507 S. 509 E. 2.4 S. 102 f.). Aus dem publizierten Entscheid ergibt sich aber nicht, dass das Gemeinwesen die den Kriterien entsprechende und gewährte Sozialhilfe ohne weiteres von den unterstützungspflichtigen Verwandten erhältlich machen kann. 5. 5.1 Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden ( Art. 328 Abs. 1 ZGB ). Nach der Rechtsprechung befindet sich in einer Notlage im Sinne dieser Bestimmung, wer sich das zum Lebensunterhalt Notwendige nicht mehr aus eigener Kraft verschaffen kann ( BGE 121 III 441 E. 3 S. 442). Der Unterstützungsanspruch geht in der Regel auf die Verschaffung von Nahrung, Kleidung, Wohnung sowie ärztlicher Betreuung und Heilmitteln bei Krankheit ( BGE 106 II 287 E. 3a S. 292; BGE 132 III 97 E. 2.2 S. 100), aber auch auf Beschaffung der Mittel, welche zur Deckung der Kosten des Aufenthalts und der Behandlung Suchtabhängiger in einer Anstalt nötig sind (JUDITH WIDMER, Verhältnis der Verwandtenunterstützungspflicht zur Sozialhilfe in Theorie und Praxis, Zürich 2001, S. 49). Im Lichte der aufgezeigten Grundsätze kann keine Unterstützung verlangen, wem ausreichende Sozialversicherungsleistungen zustehen (HEGNAUER, Grundriss des Kindesrechts, 5. Aufl. 1999, Rz. 29.09, S. 241), liegt doch diesfalls keine Notlage vor. Mit Bezug auf die Kosten des Aufenthalts und der Behandlung Suchtabhängiger ist für die Beantwortung der Frage, ob eine Notlage vorliegt, nicht massgebend, ob die für die Behandlung der Betroffenen gewählte Einrichtung der kantonalen Sozialhilfegesetzgebung entspricht; nicht von Bedeutung ist ferner, dass das nunmehr gegen die unterstützungspflichtigen Verwandten klagende Gemeinwesen gestützt auf die kantonale Sozialhilfegesetzgebung die Behandlungskosten eines nach Art. 328 ZGB Unterstützungsberechtigten getragen hat. Eine Notlage im Sinne des Gesetzes liegt vor, wenn kein dem Behandlungsbedürfnis des Suchtkranken entsprechendes und anerkanntes Angebot an Behandlungsanstalten besteht, dessen Kosten vom obligatorischen Krankenversicherer getragen werden; ebenso dürfte sie zu bejahen sein, wenn zwar eine solche Einrichtung besteht, die entsprechenden Kosten aber vom obligatorischen Krankenversicherer - etwa aufgrund eines Selbstbehalts des Versicherten - nicht voll übernommen werden. BGE 133 III 507 S. 510 5.2 Die Beweislast dafür, dass eine Notlage vorliegt, die einen Anspruch aus Art. 328 ZGB begründet, obliegt dem Ansprecher ( BGE 60 II 266 E. 4 S. 268; KUMMER, Berner Kommentar, N. 148 zu Art. 8 ZGB ; KOLLER, Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 3. Aufl. 2006, N. 13 zu Art. 328/329 ZGB; ALBERT BANZER, Die Verwandtenunterstützungspflicht nach Art. 328/329 ZGB, Diss. Zürich 1979, S. 196; WIDMER, a.a.O., S. 54). Klagt das Gemeinwesen, welches aufgrund erbrachter Leistungen kraft gesetzlicher Subrogation in die Rechte des Ansprechers eingetreten ist (Art. 329 Abs. 3 i.V.m. Art. 289 Abs. 2 ZGB ), obliegt ihm der Beweis der Notlage (vgl. KOLLER, a.a.O., N. 20 zu Art. 328/329 ZGB). 5.3 Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze oblag der Beschwerdegegnerin als Gemeinwesen, welches aufgrund erbrachter Leistungen in die Rechtsstellung der Tochter des Beschwerdeführers eingetreten ist, der Beweis dafür, dass die obligatorische Krankenversicherung der Tochter für die Langzeitbehandlung nicht oder nicht voll aufkommt bzw. dass die angebotene Leistung der Versicherung dem Behandlungsbedürfnis der suchtkranken Tochter nicht entspricht. Im kantonalen Appellationsverfahren hatten die appellierenden Eltern gerügt, die Beschwerdegegnerin habe weder behauptet noch bewiesen, dass ihre Tochter in eine von der Krankenkasse nicht anerkannte Institution habe eintreten müssen, so dass die Beschwerdegegnerin den Nachweis der Notlage schuldig geblieben sei. Das Obergericht hat nicht abgeklärt, ob überhaupt Krankenkasseneinrichtungen für die Langzeittherapie von Suchtkranken bestehen, die den Bedürfnissen der Drogenkranken entsprechen und deren Kosten vom Krankenversicherer der Tochter des Beschwerdeführers übernommen werden; die Beschwerdegegnerin hat ihrerseits in diesem Zusammenhang keine Tatsachen vorgebracht und auch keine Beweise angetragen. Indem das Obergericht der Beschwerdegegnerin ohne weiteres den Ersatz des geleisteten Betrages der von der Krankenversicherung nicht übernommenen Behandlungs- und Therapiekosten zugesprochen hat, verletzte es sowohl Art. 8 ZGB als auch die Bestimmung über die Verwandtenunterstützung ( Art. 328 ZGB ). Das angefochtene Urteil ist somit aufzuheben, soweit es die Parteien des vorliegenden Beschwerdeverfahrens betrifft. 5.4 Indes erübrigt es sich, die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zwar wird das die BGE 133 III 507 S. 511 Verwandtenunterstützung betreffende kantonale Verfahren laut den obergerichtlichen Ausführungen von der Untersuchungsmaxime beherrscht, die grundsätzlich auch im Appellationsverfahren kein Novenverbot kennt (BÜHLER/EDELMANN/KILLER, Kommentar zur aargauischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 1998, N. 7 zu § 321 ZPO ). Aber auch die Untersuchungsmaxime entbindet die Parteien nicht von ihrer Mitwirkungspflicht (BÜHLER/EDELMANN/KILLER, a.a.O., N. 43 zu § 75 ZPO ; BGE 128 III 411 E. 3.2.1 S. 413), aufgrund derer es an der Beschwerdegegnerin gelegen wäre, die erforderlichen tatsächlichen Grundlagen zur Bejahung einer Notlage im Sinne des Gesetzes darzutun und auch die Beweise für die vorgebrachten Tatsachen anzutragen. Da die Beschwerdegegnerin ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist, bleibt die Notlage unbewiesen. Bei diesem offenen Beweisergebnis ist die Klage abzuweisen, soweit sie die Kosten der beiden Kliniken (Fr. 72'170.-) betrifft.
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de
Sachverhalt ab Seite 167 BGE 132 I 167 S. 167 A. ist türkische Staatsangehörige, wurde in Basel geboren, besuchte in Muttenz die Primarschule, absolvierte in Istanbul eine vierjährige Mittelschule und liess sich dort als Religionslehrerin ausbilden. Heute wohnt sie in Muttenz und übt eine freiwillige Tätigkeit als Religionslehrerin sowie Gelegenheitsarbeiten aus. Zusammen mit ihren Eltern (B. und C.) und ihrem Bruder (D.) stellte A. im Herbst 2002 in Muttenz ein Gesuch um Einbürgerung; das Gesuch der Mutter, C., ist später zurückgezogen worden. Die Bürgergemeindeversammlung von Muttenz entsprach dem Gesuch um Aufnahme in das Bürgerrecht und erteilte A., B. und D. das Gemeindebürgerrecht. Das Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung (IMES) erteilte die eidgenössische Einbürgerungsbewilligung. BGE 132 I 167 S. 168 Im Hinblick auf die Erteilung des Kantonsbürgerrechts beriet die Petitionskommission des Landrates des Kantons Basel-Landschaft die Einbürgerungsgesuche der Familie einlässlich und hörte A. an. Sie beantragte dem Landrat mit knapper Mehrheit die Ablehnung des Ersuchens von A.; die Mehrheit der Petitionskommission hegte in ihrem Bericht an den Landrat Zweifel an der Integration von A. Demgegenüber befürwortete sie einstimmig die Gutheissung der Gesuche von B. und D. Der Landrat behandelte die Einbürgerungsgesuche an seiner Sitzung vom 7. April 2005. Nach ausführlicher Diskussion lehnte der Landrat das Einbürgerungsgesuch von A. mit 46 zu 34 Stimmen ab. Die Gesuche von B. und D. wurden unter Erteilung des Kantonsbürgerrechts gutgeheissen. Gegen diesen Entscheid des Landrates hat A. beim Bundesgericht wegen Verletzung von Art. 8 Abs. 2 und 3 sowie von Art. 15 BV und Art. 9 EMRK staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, dass sie nach dem kantonalen Bürgerrechtsgesetz einen Anspruch auf Einbürgerung habe. Für die Bejahung ihrer Legitimation muss sie daher in unmittelbar durch die Bundesverfassung geschützten Interessen betroffen sein. 2.1 Als Partei im kantonalen Verfahren kann die Beschwerdeführerin die Verletzung bundesverfassungsrechtlicher Verfahrensgarantien rügen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt. Das gilt für Rügen der Verletzung des rechtlichen Gehörs gemäss Art. 29 Abs. 2 BV und trifft namentlich zu, wenn das gänzliche Fehlen einer Begründung des angefochtenen Entscheides beanstandet wird ( BGE 129 I 217 E. 1.4 S. 222; BGE 131 I 18 ). Hingegen legitimiert diese Parteistellung nicht zur Rüge, ein Entscheid sei mangelhaft begründet, d.h. die Begründung sei unvollständig, zu wenig differenziert oder materiell unzutreffend ( BGE 129 I 217 E. 1.4 S. 222). Eine solche setzt die Legitimation in der Sache selbst voraus, die sich bei Anrufung spezieller Verfassungsrechte bereits aus der Grundrechtsträgerschaft und dem Inhalt der als verletzt gerügten Verfassungsrechte ergibt ( BGE 129 I 217 E. 1.1 S. 220). Das trifft auf die Rügen zu, der angefochtene Beschluss verletze das BGE 132 I 167 S. 169 Diskriminierungsverbot und das Gebot der Geschlechtergleichbehandlung gemäss Art. 8 Abs. 2 und 3 BV bzw. der Beschluss halte vor der Religionsfreiheit nach Art. 15 BV und Art. 9 EMRK nicht stand. Bei dieser Sachlage kommt der Anrufung von Art. 13 EMRK in Verbindung mit Art. 9 EMRK keine selbständige Bedeutung zu. In diesem Rahmen ist die Beschwerdeführerin zur Beschwerde legitimiert. 2.2 Im vorliegenden Fall rügt die Beschwerdeführerin nicht eigentlich das Fehlen einer Begründung überhaupt. Sie macht vielmehr geltend, die Motive des Landrates und damit der angefochtene Beschluss als solcher stützten sich letztlich auf Überlegungen, die gegen das Diskriminierungsverbot sowie gegen die Religionsfreiheit verstiessen. 3. Die Beschwerdeführerin macht eine Verletzung des Diskriminierungsverbots nach Art. 8 Abs. 2 und Abs. 3 BV sowie der Religionsfreiheit gemäss Art. 15 BV und Art. 9 EMRK geltend. Gemäss Art. 8 Abs. 2 BV darf niemand diskriminiert werden, namentlich nicht wegen seiner Herkunft, Rasse und der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung. Eine Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person ungleich behandelt wird aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, welche historisch oder in der gegenwärtigen sozialen Wirklichkeit tendenziell ausgegrenzt oder als minderwertig behandelt wird. Die Diskriminierung stellt eine qualifizierte Ungleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Situationen dar, indem sie eine Benachteilung von Menschen bewirkt, die als Herabwürdigung oder Ausgrenzung einzustufen ist, weil sie an Unterscheidungsmerkmalen anknüpft, die einen wesentlichen und nicht oder nur schwer aufgebbaren Bestandteil der Identität der betroffenen Personen ausmacht. Eine indirekte oder mittelbare Diskriminierung liegt demgegenüber vor, wenn eine Regelung, die keine offensichtliche Benachteiligung von spezifisch gegen Diskriminierung geschützte Gruppen enthält, in ihren tatsächlichen Auswirkungen Angehörige einer solchen Gruppe besonders benachteiligt, ohne dass dies sachlich begründet wäre ( BGE 129 I 217 E. 2.1 S. 223 mit Hinweisen auf Rechtsprechung und Doktrin). Art. 15 Abs. 1 BV gewährleistet die Glaubens- und Gewissensfreiheit; nach Art. 15 Abs. 2 BV hat jede Person das Recht, ihre Religion und ihre weltanschauliche Überzeugung frei zu wählen und BGE 132 I 167 S. 170 allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen. Einen entsprechenden Schutz gewährt Art. 9 Ziff. 1 EMRK , welchem für den vorliegenden Zusammenhang keine über Art. 15 BV hinausgehende Tragweite zukommt (vgl. BGE 123 I 296 E. 2b/aa S. 301). Im vorliegenden Fall kommt der Berufung auf Art. 15 BV und Art. 9 EMRK keine eigenständige Bedeutung zu. Der Beschwerdeführerin wird durch den angefochtenen Entscheid in keiner Weise versagt, ihre Religion frei zu wählen und auszuüben oder sie durch religiös bedingte Gewohnheiten wie das Verhalten im gesellschaftlichen Umfeld oder das Tragen von Kopftuch und langen Gewändern zu bekennen. Einen Eingriff in die Religionsfreiheit erblickt die Beschwerdeführerin im Umstand, dass sie wegen ihres Bekenntnisses zum Islam und den daraus folgenden Gewohnheiten nicht eingebürgert worden ist bzw. für eine erfolgreiche Einbürgerung ihre Religion aufgeben müsste. Dieser behauptete Eingriff wäre indessen ein indirekter. Er bedeutete, dass die Beschwerdeführerin wegen ihres religiösen Bekenntnisses im Einbürgerungsverfahren benachteiligt worden sei. Eine derartige Benachteiligung wäre indessen typischerweise dem Diskriminierungsverbot gemäss Art. 8 Abs. 2 BV zuzuordnen. Die Beschwerde ist daher unter diesem Gesichtswinkel zu beurteilen. Dabei zeigen die vorliegenden Gegebenheiten, dass sich nicht bloss die Frage einer diskriminierenden Behandlung wegen einer religiösen Überzeugung nach Art. 8 Abs. 2 BV stellt. Denn mit Entscheiden vom gleichen Tag hat der Landrat dem Vater und dem Bruder der Beschwerdeführerin, die sich gleichermassen zum Islam bekennen, das Kantonsbürgerrecht erteilt. Die Beschwerdeführerin macht daher zusätzlich geltend, dass sie wegen ihrer religiösen Überzeugung spezifisch als Frau benachteiligt werde. Aus dem Koran werde für Musliminnen das Gebot abgeleitet, das Kopftuch und lange Gewänder zu tragen und fremden Männern nicht die Hand zu reichen. Die Befolgung dieser Regeln habe sie im Einbürgerungsverfahren zusätzlich als Frau in diskriminierender Weise benachteiligt. Diese Rüge weist damit einen zusätzlichen Zusammenhang mit dem Verbot der Geschlechterdiskriminierung auf und ist daher auch unter dem Gesichtswinkel von Art. 8 Abs. 3 BV zu beurteilen. 4. 4.1 Für die Beurteilung der von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Rüge, der Landratsbeschluss bzw. die Begründung lasse sich BGE 132 I 167 S. 171 vor dem Diskiminierungsverbot nicht halten, ist in erster Linie auf den offiziellen Antrag der (Mehrheit der) Petitionskommission und die von ihr dargelegten Motive abzustellen (vgl. BGE 131 I 18 E. 3.1 S. 20; Urteil 1P.516/2005 vom 19. Januar 2006). Gleichermassen sind die Diskussionsvoten im Landrat, mit denen der Antrag der Kommission unterstützt wurde, mitzuberücksichtigen. Im bundesgerichtlichen Verfahren ist schliesslich die Vernehmlassung des Rechtsdienstes, welche die Begründung der Petitionskommission präzisiert und zu der die Beschwerdeführerin hatte Stellung nehmen können, von Bedeutung. Demgegenüber tragen die Voten von Landräten, die dem Antrag der Petitionskommission entgegentraten und sich für die Gutheissung des Einbürgerungsgesuchs einsetzten, den angefochtenen Landratsbeschluss gerade nicht mit und sind für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde grundsätzlich ausser Acht zu lassen. Immerhin ist im Einzelfall nicht auszuschliessen, dass Minderheitsvoten gewisse Rückschlüsse auf Haltung und Begründung der Mehrheit zulassen und insoweit die Auffassung der Mehrheit in fragwürdigem Licht erscheinen lassen können. Im Einzelfall sind die verschiedenen, allenfalls voneinander abweichenden Begründungen miteinander in Beziehung zu setzen und entsprechend zu gewichten. Dabei ist für das bundesgerichtliche Verfahren von Bedeutung, dass ein kantonaler Entscheid auf staatsrechtliche Beschwerde hin nicht schon allein wegen einzelner Begründungselemente, sondern nur dann aufgehoben wird, wenn er sich auch im Ergebnis als verfassungswidrig erweist ( BGE 131 I 217 E. 2.1 S. 219; BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9; BGE 127 I 54 E. 2b S. 56; BGE 126 I 50 E. 4d S. 60). 4.2 Die Petitionskommission hielt in ihrem schriftlichen Bericht und Antrag auf Abweisung des Einbürgerungsgesuches Folgendes fest: Einschätzung der Integrationswilligkeit Obwohl A. sich an diversen Orten um eine Arbeitsstelle bemüht hatte, musste sie immer wieder Absagen hinnehmen. So hatte sie sich in den letzten zwei Jahren nicht mehr um Arbeit und um bessere Deutsch-Sprachkenntnisse bemüht. Nach ihrer Meinung müsse jeder (Schweizer) selber entscheiden, wie er leben möchte. Sie lebe jedoch so, wie es der Koran vorschreibe. Ein Indiz für die Integration ist nicht die äussere Erscheinung, sondern die allmähliche Annäherung und Angleichung an die Kultur der BGE 132 I 167 S. 172 Bevölkerung des Aufnahmelandes. Diese Integrationswilligkeit sollte vor einer Einbürgerung klar ersichtlich sein. Im Zweifel muss ein Dossier gründlich hinterfragt werden. Wenn ein Zweifel beim Bund und Kanton nicht ausgeräumt werden kann, muss ein Nein zur Einbürgerung resultieren. Während eine Kommissionsminderheit der Meinung war, die Integrationserfordernisse seien erfüllt, verneinte dies eine knappe Mehrheit. Die Antragstellerin hat jederzeit die Möglichkeit, in einem späteren Zeitpunkt ein neues Gesuch zu stellen. In der mündlichen Berichterstattung im Landrat ist gleichermassen davon ausgegangen worden, dass eine Einbürgerung eine hinreichende Integration erfordere bzw. einen hinreichenden Integrationswillen bereits im Zeitpunkt der Gesuchstellung voraussetze. Als Indiz eines fehlenden bzw. ungenügenden Integrationswillens ist darauf hingewiesen worden, dass sich die Beschwerdeführerin in den letzten Jahren um keine Arbeitsstelle bemüht habe, dass sie über keinen (genügenden) Arbeitserwerb verfüge und damit von ihrem Vater bzw. ihren Verwandten abhängig sei. In gleicher Weise wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin in den letzten Jahren keine Anstrengungen zur Verbesserung ihrer Deutschkenntnisse unternommen habe. Es wird Gewicht darauf gelegt, dass die Beschwerdeführerin den Willen einer allmählichen Annäherung und Angleichung an die Kultur der schweizerischen Bevölkerung im Lichte einer tatsächlichen Integration bekunden müsste. Schliesslich wird in der Vernehmlassung des Rechtsdienstes darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin jeglichen Kontakt mit der Schweizer Bevölkerung meide, sich ganz überwiegend im Kreise ihrer Familie und mit muslimischen Landsfrauen aufhalte und keinerlei Wille zeige, auf die hiesige Bevölkerung zuzugehen. 4.3 Die Beschwerdeführerin zieht das Fehlen der für eine Einbürgerung erforderlichen Integration bzw. eines entsprechenden Integrationswillens in ihrer Beschwerde nicht in Frage. Insbesondere macht sie nicht geltend, dass die entsprechenden Vorbringen der Petitionskommission und der Mehrheit des Landrates sowie die Erwägungen in der Vernehmlassung des Rechtsdienstes unzutreffend seien. Sie bringt auch nichts vor, was auf ihre tatsächliche Integration schliessen liesse. Für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde kommt entscheidendes Gewicht dem Umstand zu, dass sich die Beschwerdeführerin vorab im Kreise ihrer Familie bzw. im Kreise von muslimischen BGE 132 I 167 S. 173 Landsfrauen und der Moschee in Basel aufhält, nicht auf die hiesige Bevölkerung zugeht und diese gar meidet. Darin kann eine mangelnde Integration, ein unzureichender Integrationswille und eine ungenügende allmähliche Annäherung und Angleichung an die schweizerische Kultur und die hiesigen Gewohnheiten erblickt werden. Die Religion verbietet, soweit ersichtlich, den Kontakt mit der schweizerischen Bevölkerung und eine entsprechende Integration nicht. Der der Beschwerdeführerin vorgehaltene Mangel an Integration, an Integrationswille und Anpassung steht nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer Religion, mit dem tatsächlichen Beachten und Leben des Islam und mit den aus dem Koran abgeleiteten Verhaltens- und Bekleidungsweisen. Er ist vielmehr Ausdruck der Auffassung, dass Personen nicht eingebürgert werden sollen, die sich von der schweizerischen Bevölkerung fernhalten und bewusst und freiwillig nicht in näheren Kontakt mit den Leuten des aufnehmenden Landes treten wollen. All diese Vorbringen sind, für sich genommen, neutral gehalten und lassen keine auf Religion, Rasse oder Herkunft beruhende Diskriminierung erkennen. Bei dieser Sachlage ist im bundesgerichtlichen Verfahren nicht darüber zu befinden, ob die einzelnen Begründungselemente in jeder Hinsicht materiell zutreffen, allenfalls von der bisherigen Praxis abweichen oder gar neue Kriterien einführen. Es ist daher unerheblich, wenn in der Debatte von Seiten der Befürworter des Einbürgerungsgesuches darauf hingewiesen worden ist, dass das Bemühen um eine Arbeitsstelle in der bisherigen Einbürgerungspraxis keine Rolle gespielt habe und dass auch Personen eingebürgert worden seien, die, soweit sie nicht der Öffentlichkeit zur Last fielen, über keine Arbeitsstelle verfügten und von Eltern oder Verwandten unterhalten wurden. Unerheblich ist desgleichen, dass die mündlichen Deutschkenntnisse der Beschwerdeführerin vom Kommissionssprecher als gut bezeichnet worden sind. Vor diesem Hintergrund kann nicht von einem Verstoss gegen Art. 8 Abs. 2 BV gesprochen werden. Das zeigt sich denn auch darin, dass der Vater und der Bruder der Beschwerdeführerin, die sich gleichermassen zum Islam bekennen, in Anbetracht ihrer Integration bzw. ihres Integrationswillens tatsächlich eingebürgert worden sind. Es kann auch nicht davon gesprochen werden, dass die Beschwerdeführerin wegen der aus dem Koran abgeleiteten Bekleidungsvorschriften spezifisch als Frau diskriminiert würde, da, wie der Rechtsdienst ausführt, in der Vergangenheit auch muslimische BGE 132 I 167 S. 174 Frauen, welche sich nach den Gepflogenheiten ihrer Religion kleiden, tatsächlich eingebürgert worden sind. Daran vermag der Einwand der die Einbürgerung unterstützenden Minderheit in der Kommission und im Landrat nichts zu ändern, wonach die Beschwerdeführerin nur dann Chancen auf eine Einbürgerung hätte, wenn sie ihr Kopftuch ablegen und somit ihrer religiösen Überzeugung entsagen würde. Auch die von Seiten der Minderheit in Kommission und Landrat mit Blick auf das Beachten der muslimischen Bekleidungsvorschriften emotional geführte Debatte vermochte nicht aufzuzeigen, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich integriert sei, zumindest einen hinreichenden Integrationswillen an den Tag lege und letztlich bereit sei, in einen für eine Einbürgerung erforderlichen Kontakt mit der hiesigen Bevölkerung zu treten. Es kann daher, wie von den Befürwortern einer Einbürgerung vorgebracht, auch nicht gesagt werden, es fehle an einer tatsächlichen Begründung, worin die allmähliche Angleichung an schweizerische Gewohnheiten erblickt werde. Diese ist vielmehr darin zu sehen, dass die einbürgerungswillige Person tatsächlich in einen eigentlichen Kontakt mit der Bevölkerung des aufnehmenden Gemeinwesens trete und hierfür ein entsprechender Integrationswille bezeuge. Darin liegt weder eine (direkte oder indirekte) Benachteiligung wegen eines religiösen Bekenntnisses noch eine geschlechterspezifische Benachteiligung. Bei dieser Sachlage kann von einer Diskriminierung und von einem Verstoss gegen Art. 8 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 3 BV nicht gesprochen werden. Demnach erweist sich die Beschwerde als unbegründet.
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Sachverhalt ab Seite 289 BGE 139 III 288 S. 289 A. Das Betreibungsamt Bern-Mittelland, Dienststelle Mittelland, stellte in der Betreibung Nr. x der Stiftung Auffangeinrichtung BVG gegen die X. GmbH, mit Sitz in A., für ausstehende Beiträge in der Höhe von Fr. 2'963.10 (zuzüglich 5 % Zins seit 31. März 2011 und Mahn- und Inkassokosten von insgesamt Fr. 150.-) am 11. Juni 2012 den Zahlungsbefehl zu. Die Betreibungsschuldnerin erhob Rechtsvorschlag. Mit Verfügung vom 17. August 2012 verpflichtete die Stiftung Auffangeinrichtung BVG die X. GmbH zur Zahlung der Beiträge und Kosten und beseitigte den Rechtsvorschlag. Am 18. Oktober 2012 verlangte die Stiftung Auffangeinrichtung BVG unter Beilage der Rechtskraftbescheinigung die Fortsetzung der Betreibung. Am 5. November 2012 stellte das Betreibungsamt der X. GmbH die Konkursandrohung zu. B. Gegen die Konkursandrohung erhob die X. GmbH betreibungsrechtliche Beschwerde und machte geltend, dass für die betriebene Forderung die Konkursbetreibung ausgeschlossen sei. Mit Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, vom 8. Januar 2013 wurde die Beschwerde abgewiesen. C. Mit Eingabe vom 18. Januar 2013 ist die X. GmbH an das Bundesgericht gelangt. Die Beschwerdeführerin verlangt die Aufhebung des Entscheides der kantonalen Aufsichtsbehörde vom 8. Januar 2013 und beantragt, die Betreibung (der Stiftung Auffangeinrichtung BVG als Beschwerdegegnerin) sei auf dem Weg der Pfändung fortzusetzen. (...) Das Bundesgericht weist die Beschwerde in Zivilsachen ab. (Auszug)
357
258
Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt die Konkursandrohung in der angehobenen Betreibung. Es steht ausser Frage, dass BGE 139 III 288 S. 290 das Begehren zur Fortsetzung der Betreibung fristgemäss ist, sich auf einen rechtskräftigen Zahlungsbefehl stützt und gegen eine im Handelsregister (als GmbH) eingetragene Schuldnerin richtet (vgl. Art. 39 Abs. 1 Ziff. 8 und Art. 88 SchKG ). Einziger Streitpunkt ist, ob eine Ausnahme von der Konkursbetreibung im Sinne von Art. 43 Ziff. 1 SchKG vorliegt. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin rechtfertigt die privatrechtliche Rechtsform der Beschwerdegegnerin nicht, für die in Frage stehende Forderung die Ausnahme von der Konkursbetreibung zu verneinen. Zu prüfen ist, auf welchem Weg die Zwangsvollstreckung für Beitragsforderungen der Stiftung Auffangeinrichtung BVG durchzuführen ist. 2.1 Gemäss Art. 43 SchKG ist die Konkursbetreibung in jedem Fall ausgeschlossen für (erstens) Steuern, Abgaben, Gebühren, Sporteln, Bussen und andere im öffentlichen Recht begründete Leistungen (zweitens) an öffentliche Kassen oder an Beamte (Ziff. 1). Nach der Rechtsprechung müssen zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein, damit sich ein Schuldner auf diese Bestimmung berufen kann: Einerseits muss die Forderung ihren Rechtsgrund im öffentlichen Recht haben, und andererseits muss der Gläubiger eine Anstalt des öffentlichen Rechts, z.B. eine öffentlichrechtliche Körperschaft sein ( BGE 129 III 554 E. 3; BGE 125 III 250 E. 1 S. 251; BGE 118 III 13 E. 2 S. 14; vgl. bereits BGE 54 III 223 E. 2 S. 224). 2.1.1 Dieser Vorschrift liegt der Gedanke zugrunde, dass ein Schuldner für öffentlichrechtliche Forderungen, die von der öffentlichen Hand betrieben werden, nicht der Generalexekution und damit der allgemeinen Liquidation seines Vermögens unterliegen soll ( BGE 77 III 37 S. 39); umgekehrt muss der öffentlichrechtliche Gläubiger dank der Ausnahme nicht mit den privaten Gläubigern konkurrieren (GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. I, 1999, N. 27 f. zu Art. 43 SchKG mit Hinw.). Mit Art. 43 SchKG wird vom ordentlichen Vollstreckungsverfahren abgewichen, weshalb die systemwidrige Bestimmung nach ständiger Rechtsprechung eng ausgelegt wird ( BGE 118 III 13 E. 2 S. 14; BGE 94 III 65 E. 3 S. 71/72; GILLIÉRON, a.a.O., N. 10 zu Art. 43 SchKG mit Hinw.). Rechtssubjekte des Privatrechts (wie zur Durchführung der obligatorischen Krankenversicherung) fallen nicht unter die Ausnahmebestimmung ( BGE 125 III 250 E. 2 S. 251). 2.1.2 Nach Auffassung in der Lehre vermag der Anwendungsbereich, insbesondere der Begriff der "öffentlichen Kasse" in der heutigen Zeit, in welcher öffentliche Aufgaben auch von privaten BGE 139 III 288 S. 291 Rechtsträgern ausgeführt werden, kaum (mehr) zu überzeugen. Als problematisch wird weiter erachtet, dass die privaten Rechtsträger oft zusammen mit der Festlegung des geschuldeten Betrages gleichzeitig die Rechtsöffnung verfügen können (hierzu KREN KOSTKIEWICZ/WALDER, SchKG Kommentar, 18. Aufl. 2012, N. 10 zu Art. 79 SchKG mit Hinw.). Aus diesen und weiteren Gründen wird die Aufhebung der Bestimmung bzw. eine Reform von Art. 43 SchKG vorgeschlagen (vgl. Kritik von ACOCELLA, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 4a a.E. zu Art. 43 SchKG ; RIGOT, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 16 zu Art. 43 SchKG ; REISER, Zu den Ausnahmen von der Konkursbetreibung gemäss Art. 43 SchKG , BlSchK 2005 S. 62, 65; KARLEN, Privilegien des Staates bei der Vollstreckung öffentlichrechtlicher Geldforderungen, in: Festschrift Spühler, 2005, S. 158). 2.2 Der Beschwerdeführer stellt nicht in Frage, dass die Betreibungsforderung (Beiträge des Arbeitgebers für pflichtversicherte Arbeitnehmer gemäss BVG) "gesetzlich vorgeschrieben" ist bzw. ihren Rechtsgrund im öffentlichen Recht hat. Die Aufsichtsbehörde hat verneint, dass die Beschwerdegegnerin - als Auffangeinrichtung gemäss Art. 60 BVG - ein Rechtssubjekt des öffentlichen Rechts sei. Es handelt sich unstrittig um eine privatrechtliche Stiftung im Sinne von Art. 80 ff. ZGB . Die Vorinstanz hat (unter Hinw. auf ACOCELLA, a.a.O., N. 6 zu Art. 43 SchKG ) geschlossen, dass die Ausnahme gemäss Art. 43 SchKG nicht greife, und die Konkursandrohung bestätigt. 2.3 Das Bundesgericht hat bereits in einem Urteil aus dem Jahr 1992 entschieden, dass ein Schuldner, welcher der Konkursbetreibung unterliegt, sich nicht auf Art. 43 SchKG berufen kann, wenn er zwecks Ablieferung von Arbeitgeberbeiträgen von der Stiftung Auffangeinrichtung BVG betrieben wird. Ausschlaggebend war die Rechtsnatur der Betreibungsgläubigerin als privatrechtliche Stiftung. Im Übrigen könne die Beschwerdegegnerin einen Rechtsvorschlag, den der Arbeitgeber in einer für die Beiträge eingeleiteten Betreibung erhoben hat, nicht selber beseitigen ( BGE 118 III 13 E. 3 S. 15). In diesem Punkt hat sich die Rechtslage allerdings geändert. Durch die Revision des BVG vom 3. Oktober 2003 (in Kraft seit dem 1. Januar 2005) sind die Verfügungen der Beschwerdegegnerin den vollstreckbaren Urteilen im Sinne von Art. 80 SchKG gleichgestellt worden ( Art. 60 Abs. 2 bis BVG ), und sie kann den Rechtsvorschlag BGE 139 III 288 S. 292 mit der Festsetzung des Beitrages im Verwaltungsverfahren selber beseitigen ( Art. 79 Abs. 1 SchKG ; BGE 134 III 115 E. 3.1 S. 120). Es rechtfertigt sich, die für die Beschwerdegegnerin massgebende bisherige Praxis ( BGE 118 III 13 ) zu überprüfen. 2.3.1 Mit der parlamentarischen Initiative Baumgartner (98.411) wurde in den eidgenössischen Räten die Frage behandelt, ob sämtliche öffentlichrechtliche Forderungen von der Konkursbetreibung ausgenommen werden sollen, unabhängig davon, ob der Gläubiger eine öffentlich- oder privatrechtliche Person ist. Der entsprechende Vorschlag der Kommissionsminderheit (BBl 2002 7715) wurde jedoch nicht Gesetz. Entscheidend dafür war, dass eine derartige Privilegierung der öffentlichrechtlichen Forderungen zu Lasten der übrigen, insbesondere privatrechtlichen Gläubiger nicht gefördert werden soll (vgl. Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 27. Mai 2002, BBl 2002 7107, 7112 Ziff. 3.1; Stellungnahme des Bundesrates vom 4. September 2002, BBl 2002 7116, 7118 Ziff. 2.2; AB 2003 N 825 f., Voten Thanei und Cina für die Kommission). Der Katalog der Ausnahmen in Art. 43 SchKG wurde durch die Änderung des SchKG vom 3. Oktober 2003 (in Kraft seit 1. Juli 2004) einzig für die Prämien der obligatorischen Unfallversicherung erweitert (Ziff. 1 bis ). 2.3.2 Die Revision lässt klar erkennen, dass die Beseitigung der Ungleichbehandlung betreffend Betreibungsart auf die obligatorische Unfallversicherung, welche sowohl von der SUVA als "öffentlicher Kasse" als auch von den Privatversicherungen angeboten wird ( Art. 58 und 60 Abs. 1 UVG ), beschränkt wurde. Dass private Träger der obligatorischen Unfallversicherung den Rechtsvorschlag ebenso beseitigen können ( Art. 99 UVG i.V.m. Art. 54 Abs. 2 ATSG ; Urteil 8C_809/2011 vom 12. Dezember 2011 E. 2) wie z.B. diejenigen der obligatorischen Krankenversicherung ( BGE 119 V 323 E. 2b S. 331), bildete keinen Grund zur Erfassung anderer Bereiche. Vielmehr wurde im Rahmen der Revision festgehalten, dass die Prämien, welche der Arbeitgeber für die berufliche Vorsorge der gemäss BVG pflichtversicherten Arbeitnehmer zu zahlen hat, "namhafte Beträge" darstellen könnten. Hätten die privaten Vorsorgeeinrichtungen nicht mehr die Möglichkeit, zur Einforderung den Konkurs anzudrohen, so würde deren Position erheblich geschwächt und die Finanzierung der zweiten Säule gefährdet, weshalb sich die Erweiterung nicht aufdränge (Bericht der Kommission, a.a.O.). BGE 139 III 288 S. 293 2.3.3 Das Begehren des Beschwerdeführers läuft darauf hinaus, auf dem Wege der Rechtsprechung den diskutierten, aber verworfenen parlamentarischen Gesetzesvorschlag einzuführen. Es gibt keinen Grund, über die vom Gesetz geforderten Voraussetzungen hinwegzusehen (vgl. Art. 190 BV ), wenn mit der Revision von 2003 die Vermeidung weitergehender Ungleichbehandlung zwischen (privaten und öffentlichrechtlichen) Forderungen (vgl. BGE 120 III 20 E. 2 S. 23) und die restriktive Auslegung von Art. 43 Ziff. 1 SchKG (vgl. BGE 125 III 250 E. 2 S. 252) bestätigt wurde. 2.4 Nach dem Dargelegten ist mit Art. 43 Ziff. 1 SchKG vereinbar, wenn die Aufsichtsbehörde - wie es kantonaler Praxis entspricht (Revue valaisanne de jurisprudence [RVJ] 2007 S. 206) - die Konkursandrohung des Betreibungsamtes bestätigt hat. Die Beschwerde ist unbegründet.
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fr
Sachverhalt ab Seite 58 BGE 130 V 57 S. 58 A. Par décision du 20 mai 1999, l'Office de l'assurance-invalidité pour les assurés résidant à l'étranger (ci-après: OAI) a refusé d'allouer une rente d'invalidité à D., ressortissant belge domicilié en France, au motif que les dispositions conventionnelles entre la Suisse et la Belgique ne permettaient pas le paiement d'une rente d'invalidité à un ressortissant belge domicilié dans un Etat tiers. Cette décision n'a pas été attaquée. Le 31 octobre 2002, l'OAI a alloué au prénommé une rente entière d'invalidité à partir du 1er juin 2002, date de l'entrée en vigueur de l'Accord du 21 juin 1999 entre la Confédération suisse, d'une part, et la Communauté européenne et ses Etats membres, d'autre part, sur la libre circulation des personnes (Accord sur la libre circulation des personnes [ALCP]). Le début de l'invalidité (et du droit théorique à la rente) a été fixé au 6 décembre 1997. B. Par jugement du 15 mai 2003, la Commission fédérale de recours en matière d'assurance-vieillesse, survivants et invalidité pour les personnes résidant à l'étranger a rejeté le recours formé par D. contre cette décision. C. Ce dernier interjette recours de droit administratif contre ce jugement dont il requiert l'annulation, en concluant au versement de la rente précitée avec effet rétroactif au 6 décembre 1997. L'OAI conclut au rejet du recours, tandis que l'Office fédéral des assurances sociales a renoncé à se déterminer.
559
273
Erwägungen Extrait des considérants: 2. 2.1 Sur le fond du litige, les premiers juges exposent à juste titre que les rapports dans le domaine de la sécurité sociale entre la Suisse et la Belgique étaient régis, avant l'entrée en vigueur de l'Accord sur la libre circulation des personnes (ALCP), par la Convention de sécurité sociale entre la Confédération suisse et le Royaume de Belgique du 24 septembre 1975. Le point 4 du protocole final à ladite convention prévoit qu'en dérogation au BGE 130 V 57 S. 59 principe de l'égalité de traitement énoncé à l'art. 3 de la convention, les rentes de l'assurance-invalidité suisse ne sont versées aux titulaires de nationalité belge qu'en Suisse et en Belgique. Cette limitation s'explique par le fait que l'Etat belge n'a pas été en mesure d'assurer la réciprocité en ce qui concerne le droit des ressortissants suisses domiciliés dans un Etat tiers (voir FF 1976 II 823). 2.2 Cette situation juridique s'est modifiée avec l'entrée en vigueur de l'ALCP. Selon l'art. 1 er par. 1er de l'annexe II - intitulée "Coordination des systèmes de sécurité sociale", fondée sur l'art. 8 de l'accord et faisant partie intégrante de celui-ci ( art. 15 ALCP ) - en relation avec la Section A de cette annexe, les Parties contractantes appliquent entre elles en particulier le Règlement (CEE) n° 1408/71 du Conseil, du 14 juin 1971, relatif à l'application des régimes de sécurité sociale aux travailleurs salariés, aux travailleurs non salariés et aux membres de leur famille qui se déplacent à l'intérieur de la Communauté (ci-après: règlement n° 1408/71), ainsi que le Règlement (CEE) n° 574/72 du Conseil, du 21 mars 1972, fixant les modalités d'application du règlement (CEE) n° 1408/71 relatif à l'application des régimes de sécurité sociale aux travailleurs salariés, aux travailleurs non salariés et aux membres de leur famille qui se déplacent à l'intérieur de la Communauté (ci-après: règlement n° 574/72). L' art. 80a LAI , entré en vigueur le 1er juin 2002, renvoie à ces deux règlements de coordination. Par ailleurs, l' art. 20 ALCP stipule que, sauf disposition contraire découlant de l'annexe II, les accords de sécurité sociale bilatéraux entre la Suisse et les Etats membres de la Communauté européenne sont suspendus dès l'entrée en vigueur de l'accord, dans la mesure où la même matière est régie par l'accord. Ainsi, le règlement n° 1408/71 se substitue à toute convention de sécurité sociale liant, soit exclusivement deux ou plusieurs Etats membres, soit au moins deux Etats membres et un ou plusieurs autres Etats (art. 6 du règlement n° 1408/71). Son application souffre toutefois quelques exceptions (voir p. ex. BETTINA KAHIL-WOLFF, L'Accord sur la libre circulation des personnes Suisse-CE et le droit des assurances sociales, in: SJ 2001 II p. 115). En particulier, un certain nombre de dispositions conventionnelles liant des Etats entre eux restent applicables à condition d'être énumérées à l'annexe III du règlement. A ce propos, on relève que selon la Section A ch. 1 let. i de BGE 130 V 57 S. 60 l'annexe II de l'accord, l'annexe III partie A du règlement n° 1408/71 relative aux dispositions de sécurité sociale qui restent applicables, maintient en vigueur le point 4 du protocole final de la Convention entre la Suisse et la Belgique en ce qui concerne le paiement de prestations en espèces à des personnes résidant dans un Etat tiers. Par Etat tiers, il faut désormais entendre un Etat qui n'est pas considéré comme un Etat membre au sens de l'art. 1er par. 2 de l'annexe II de l'accord (voir p. ex. JAN MICHAEL BERGMANN, Überblick über die Regelungen des APF betreffend die Soziale Sicherheit, in: Schaffhauser/ Schürer [Hrsg.], Rechtsschutz der Versicherten und der Versicherer gemäss Abkommen EU/CH über die Personenfreizügigkeit [APF] im Bereich der Sozialen Sicherheit, Saint-Gall 2002, p. 27; ROLAND A. MÜLLER, Soziale Sicherheit, in: THÜRER/WEBER/ZÄCH [éd.], Bilaterale Verträge Schweiz-EG, Zurich 2002, p. 157 note 68; cf. également GÉRARD LYON-CAEN/ANTOINE LYON-CAEN, Droit social international et européen, 8 ème édition, Paris 1993, p. 198 ch. 250). Dans la mesure où le recourant est domicilié dans un Etat membre, le point 4 du protocole relatif à la Convention entre la Confédération suisse et la Belgique ne lui est donc pas opposable. 2.3 L'art. 10 par. 1er du règlement n° 1408/71, qui pose le principe de la levée de la clause de résidence, prévoit que sauf disposition contraire du règlement, les prestations en espèces, notamment d'invalidité, ne peuvent subir aucune réduction, ni modification, ni suspension, ni suppression, ni confiscation du fait que le bénéficiaire réside sur le territoire d'un Etat membre autre que celui où se trouve l'institution débitrice. C'est donc en application de cette disposition que le recourant peut désormais se voir allouer une rente de l'assurance-invalidité suisse. Cependant, comme l'a également rappelé la commission de recours, une application rétroactive des normes de coordination introduites en matière de sécurité sociale par l'accord est exclue. L'art. 94 du règlement n° 1408/71 et l'art. 118 du règlement n° 574/72 contiennent des dispositions transitoires pour les travailleurs salariés alors que l'art. 95 du règlement n° 1408/71 et l'art. 119 du règlement n° 574/72 renferment de telles règles pour les travailleurs non salariés. Selon les art. 94 par. 1 er et 95 par. 1 er du règlement n° 1408/71, le règlement ne crée aucun droit à la rente pour une période antérieure à sa mise en application dans l'Etat concerné (voir ATF 128 V 317 consid. 1b/aa). BGE 130 V 57 S. 61 2.4 Il résulte de ce qui précède, que le recourant a droit à une rente à partir du 1 er juin 2002, comme l'ont retenu avec raison l'administration et les premiers juges. Le recours se révèle ainsi mal fondé.
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Sachverhalt ab Seite 383 BGE 128 III 383 S. 383 A.- Le 6 août 1998, à la requête de Y. AG, l'Office des poursuites de Nyon a notifié à S. un commandement de payer no x, en paiement des montants de 6'134'000 fr., 386'802 fr. 45, 23 fr. et 15'335 fr., plus intérêts, le titre et la cause de l'obligation étant un contrat de garantie du 30 septembre 1996. Cette poursuite a fait l'objet d'une décision de mainlevée d'opposition provisoire, rendue le 13 novembre 1998 par le Président du Tribunal du district de Nyon et confirmée par arrêt de la Cour des poursuites et faillites du Tribunal cantonal vaudois du 28 octobre 1999. Par demande du 18 novembre 1999, le poursuivi a ouvert action en libération de dette devant le Tribunal civil du district de Nyon. La poursuivante ayant requis la saisie provisoire ( art. 83 al. 1 LP ), l'office a ordonné cette mesure le 17 novembre 1999 sur divers meubles et objets, en la complétant par une saisie de revenus de 52'000 fr. par mois dès le 1er septembre 2000, puis de 51'800 fr. dès BGE 128 III 383 S. 384 le 1er mars 2001. Le poursuivi ne s'est toutefois pas acquitté des montants imposés par la saisie. Celle-ci a pris fin le 5 septembre 2001. En octobre 2001, la poursuivante a sollicité une nouvelle saisie. L'office lui a fait savoir que cela n'était pas possible et il l'a invitée à envisager l'introduction d'une nouvelle poursuite. B.- Sur réquisition de la poursuivante, un commandement de payer no y a donc été notifié le 21 novembre 2001 au poursuivi. Le montant réclamé dans cette poursuite, sur la base du même contrat de garantie, s'élevait à 5'368'700 fr. 65, déduction faite de la somme de 631'433 fr. 35, objet de la saisie de revenus non payée par le poursuivi. Celui-ci a fait opposition audit commandement de payer et a déposé plainte contre la décision de l'office de lui notifier un second commandement de payer pour la même créance, concluant à l'annulation de cette seconde poursuite. Sa plainte ayant été rejetée par l'autorité cantonale inférieure de surveillance, le poursuivi a recouru à la Cour des poursuites et faillites du Tribunal cantonal, autorité cantonale supérieure de surveillance. Par arrêt du 4 juin 2002, celle-ci a rejeté le recours et maintenu le prononcé de l'autorité inférieure de surveillance. C.- Le poursuivi a recouru le (lundi) 17 juin 2002 à la Chambre des poursuites et des faillites du Tribunal fédéral afin de faire annuler la seconde poursuite, avec suite de frais et dépens. La poursuivante et l'office ont conclu au rejet du recours, avec suite de frais et dépens. L'effet suspensif a été attribué au recours par décision du 25 juin 2002. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
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529
Erwägungen Extrait des considérants: 1. 1.1 La question fondamentale, posée en l'espèce, de savoir s'il est admissible de mener de front deux ou plusieurs poursuites au sujet d'une seule et même créance a été soumise à plusieurs reprises au Tribunal fédéral, qui l'a résolue de la manière suivante: une seconde poursuite pour la même créance n'est inadmissible que si, dans la première poursuite, le créancier a déjà requis la continuation de la poursuite ou est en droit de le faire. Ce n'est en effet que dans ces cas qu'il y a un risque sérieux que le patrimoine du débiteur fasse l'objet d'une exécution à plusieurs reprises. En revanche, si la première poursuite a été arrêtée à la suite d'une opposition ou qu'elle est devenue caduque en raison d'une renonciation du créancier, il BGE 128 III 383 S. 385 n'y a pas de motif d'empêcher ce dernier d'engager une nouvelle poursuite pour la même créance ( ATF 100 III 41 et les arrêts cités; arrêt B.54/1981 du 6 mai 1981, publié in BlSchK 1983 p. 128 ss). Comme le précise le premier de ces deux arrêts (p. 43), le débiteur ne pâtit pas du fait que le créancier soit en droit de mener plusieurs poursuites de front pour une seule et même créance. En effet, la loi protège le poursuivi qui a payé sa dette et l'empêche de devoir payer une seconde fois le montant objet de la poursuite en lui donnant la possibilité de faire opposition à la créance ou d'exiger l'annulation de la poursuite conformément à l'art. 85 [et 85a] LP. En revanche, s'il n'a pas encore payé la dette et si la poursuite a déjà atteint le stade où le créancier peut requérir la continuation de la poursuite, le poursuivi peut faire opposition à un nouveau commandement de payer relatif à la même créance et, si l'identité des créances est certaine et non contestée, la voie de la plainte lui est également ouverte. Cette jurisprudence est approuvée par la doctrine (cf. GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, n. 121 ad art. 67 LP ; le même, in JdT 1993 II p. 53; AMONN/GASSER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6e éd., Berne 1997, § 16 n. 2; ROLAND RUEDIN, Poursuite pour dettes et faillite, La réquisition de poursuite, FJS 978, ch. 5.1.2.; SABINE KOFMEL EHRENZELLER, in Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Staehelin/Bauer/Staehelin, n. 8 ad art. 67 LP ). 1.2 Dans un arrêt du 18 janvier 1991 ( ATF 117 III 26 ), le Tribunal fédéral a certes affirmé qu'un créancier non entièrement désintéressé sur le produit d'une saisie de salaire ne peut introduire une nouvelle poursuite pour le solde de sa créance tant que l'action en libération de dette est pendante (consid. 1 p. 28). En l'espèce, toutefois, il s'agissait de la possibilité de requérir une saisie complémentaire dans le cadre d'une saisie provisoire, et si le Tribunal fédéral a jugé que la saisie complémentaire ne pouvait avoir lieu, ce n'est pas sur la base de l'affirmation qu'il venait de prononcer, mais parce que le créancier n'était pas au bénéfice d'un acte de défaut de biens ou d'un procès-verbal de saisie valant acte de défaut de biens conformément à l' art. 115 LP (consid. 2). L'affirmation susmentionnée du Tribunal fédéral revêtait donc, in casu, le caractère d'un obiter dictum et a été critiquée à juste titre par GILLIÉRON (JdT 1993 II p. 53). De manière convaincante celui-ci expose, en effet, que lorsqu'une première poursuite est arrêtée par une opposition et, cette opposition ayant été levée provisoirement, par une instance en libération de dette, rien BGE 128 III 383 S. 386 n'empêche le poursuivant de requérir pour la même créance une seconde poursuite en offrant d'imputer le dividende consigné dans la première; tant que la mainlevée et la saisie dans la première poursuite ne sont pas devenues définitives, la saisie exécutée dans cette première poursuite n'est encore que conservatoire: le créancier ne peut pas requérir la réalisation, et le dividende afférent à sa créance ne peut lui être distribué. Toujours selon l'auteur précité, lorsque dans la première poursuite une saisie de salaire a été exécutée, refuser au créancier le droit de requérir une seconde poursuite à l'expiration du délai d'un an durant lequel la saisie de salaire était en force, reviendrait à lui refuser de s'en prendre au salaire du débiteur, comme peut le faire n'importe quel autre créancier, cependant que son commandement de payer n'est pas exécutoire dans la première poursuite. Cela ne répond à aucun besoin de protection du débiteur (voir en outre le commentaire LP du même auteur, n. 137 ad art. 93 LP ). Le Tribunal fédéral se rallie à cette opinion. 2. La cour cantonale a décidé de s'en tenir, sur la question litigieuse, à l' ATF 100 III 41 qui n'exclut une seconde poursuite que si le créancier a déjà requis la continuation de la première poursuite ou s'il est en droit de le faire. Elle a clairement écarté l'application de l' ATF 117 III 26 , parce que cet arrêt traitait d'un objet différent et affirmait, en obiter dictum, le principe de l'interdiction d'une nouvelle poursuite tant que la précédente poursuite est en cours, en se référant à un arrêt ( ATF 98 III 12 ) qui ne permettait pourtant pas de prononcer une telle affirmation. Dans ces conditions, c'est en vain que le recourant reproche à l'autorité cantonale une mauvaise interprétation de l' ATF 117 III 26 , jugé non déterminant. Il ne conteste d'ailleurs ni la différence d'objet d'une cause à l'autre, ni l'obiter dictum en question. 3. Au dire du recourant, c'est à tort qu'une seconde poursuite a été notifiée en l'espèce, car la première avait fait l'objet d'une continuation de poursuite. Il ne peut être suivi. En effet, comme le relève avec raison l'arrêt attaqué, la saisie provisoire prévue à l' art. 83 LP , même si elle doit être exécutée de la même façon que la saisie définitive ( ATF 117 III 26 consid. 1 et arrêt cité), n'est pas une opération de continuation de la poursuite proprement dite au sens de l' art. 88 LP , l'action en libération de dette pendante y faisant obstacle. Il s'agit d'une mesure conservatoire antérieure à cette phase d'exécution, qui intervient BGE 128 III 383 S. 387 précisément parce qu'une continuation de la poursuite aux fins de réalisation ne peut pas encore être requise (GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, Lausanne 1993, p. 153; le même, Commentaire LP, n. 14 ad art. 88 LP ). 4. Le recourant fait valoir par ailleurs que la coexistence de deux poursuites pour la même créance a des conséquences inadmissibles sous trois aspects, qui sont abordés successivement ci-après. 4.1 Premièrement, la même créance pourrait être recouvrée deux fois. Contrairement à ce que soutient le recourant, la cour cantonale a répondu de façon convaincante à cet argument, en s'appuyant sur l' ATF 110 III 41 : soit le poursuivi a déjà payé, partiellement ou totalement, le montant de sa dette dans le cadre de la première poursuite et il pourra s'opposer avec succès, dans la mesure de son paiement, à la seconde poursuite; soit la première poursuite en est au stade de la continuation de la poursuite et une seconde poursuite n'est alors pas possible, le poursuivi pouvant y faire obstacle par la voie de l'opposition ou de la plainte. 4.2 Deuxièmement, les deux poursuites pourraient aboutir à deux actes de défaut de biens, alors que le montant de la créance n'est dû qu'une seule fois. L'arrêt attaqué retient à juste titre, sur ce point, que cette situation ne serait pas différente de celle où, à l'issue d'une poursuite infructueuse, le poursuivant tente une seconde poursuite pour l'impayé, qui aboutirait elle aussi à la délivrance d'un acte de défaut de biens. Comme le relève l'office dans ses observations, l'acte de défaut de biens délivré dans la première poursuite serait annulé à la suite de la délivrance de l'acte de défaut de biens dans la seconde poursuite pour la même créance. Il devrait en aller de même dans l'hypothèse, avancée par le recourant, où l'office serait appelé à délivrer, non pas successivement, mais simultanément les deux actes de défaut de biens pour la même créance, l'acte délivré dans la première poursuite l'étant comme "premier acte de défaut de biens", celui délivré dans la seconde poursuite l'étant comme "nouvel acte de défaut de biens qui remplace le précédent" (cf. formulaires LP 7b et 36; GILLIÉRON, Commentaire LP, n. 39 ss ad art. 149 LP ; UELI HUBER, in Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Staehelin/Bauer/Staehelin, n. 36 ad art. 149 LP ). 4.3 Troisièmement, la question de l'action en libération de dette serait insoluble: une seconde action en libération de dette se heurterait en effet à la litispendance et serait irrecevable, de sorte que la BGE 128 III 383 S. 388 seconde poursuite pourrait continuer faute pour le poursuivi de pouvoir agir en libération de dette, alors que la créance fait l'objet d'une action en libération de dette dans la première poursuite. Avec l'autorité cantonale de surveillance et GILLIÉRON (JdT 1993 II p. 53/54; Commentaire LP, n. 137 ad art. 93 LP ), il y a lieu d'admettre que le poursuivi n'a pas, dans ce cas, à ouvrir une seconde action en libération de dette; il lui suffira de se prévaloir, dans la seconde poursuite, de l'action en libération de dette pendante dans la première poursuite, comme il le ferait de toute action ouverte antérieurement à la mainlevée définitive. Ainsi que l'a déjà jugé le Tribunal fédéral, une action en libération de dette ouverte avant le commencement du délai de l' art. 83 al. 2 LP a les mêmes effets qu'une action ouverte dans ce délai: la poursuite demeure suspendue et ne peut donc être continuée ( ATF 117 III 17 et les références).
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Sachverhalt ab Seite 209 BGE 134 V 208 S. 209 A. G. und L. heirateten im Jahre 1966. Mit Urteil vom 13. Dezember 1990 wurde die Ehe geschieden und die Ehescheidungskonvention genehmigt, worin sich L. verpflichtete, G. eine lebenslängliche indexierte Rente nach aArt. 151 ZGB von Fr. 1'200.- monatlich zu bezahlen. In der Folge bezahlte er offenbar den Betrag von Fr. 1'400.- monatlich. Ab 1. November 2002 bezog L. - vorzeitig pensioniert - von der Versicherungskasse für das Staatspersonal des Kantons St. Gallen (im Folgenden: Versicherungskasse) eine überobligatorische Altersrente von zuletzt Fr. 3'490.10 pro Monat. G. bezieht seit 1. Juli 2004 eine ordentliche Altersrente der AHV im Betrag von Fr. 1'739.- monatlich. Am 9. August 2004 verstarb L., worauf G. die Versicherungskasse am 25. August 2004 um Ausrichtung einer Hinterlassenenrente ersuchte. Mit Schreiben vom 5. Januar 2005 bejahte die Versicherungskasse einen Rentenanspruch der geschiedenen Ehegattin gemäss Art. 20 Abs. 1 der Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsoge (BVV 2; SR 831.441.1) und sprach eine Rente von monatlich Fr. 787.45 zu, berechnet nach Massgabe des BVG-Obligatoriums. B. Am 11. April 2006 erhob G. Klage beim Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und beantragte eine monatliche Rente in BGE 134 V 208 S. 210 der Höhe der bisherigen scheidungsrechtlichen Unterhaltsrente von Fr. 1'400.- pro Monat, replikweise erhöht auf Fr. 1'530.40. Die Versicherungskasse beantragte Abweisung der Klage; sie anerkannte grundsätzlich einen Rentenanspruch in der Höhe der obligatorischen Witwenrente, machte aber geltend, diese Rente sei gemäss Art. 20 Abs. 2 BVV 2 vollumfänglich zu kürzen, weil die AHV-Altersrente von G. höher sei als der Unterhaltsanspruch aus dem Scheidungsurteil. Mit Urteil vom 7. August 2007 hiess das Versicherungsgericht die Klage gut und verpflichtete die Versicherungskasse, G. eine monatliche Rente von Fr. 1'530.40 (abzüglich bereits geleisteter Rentenzahlungen) nebst Zins zu 5 % seit 11. April 2006 zu bezahlen. C. Der Kanton St. Gallen, Finanzdepartement, erhebt Beschwerde mit dem Antrag, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils sei festzustellen, dass die Beschwerdegegnerin ab 1. Oktober 2004 Anspruch auf eine monatliche Rente von Fr. 552.70 habe, diese jedoch zufolge vollständiger Kürzung solange nicht zur Auszahlung gelange, als die Beschwerdegegnerin von anderen Versicherungen, insbesondere der AHV, Renten von gesamthaft mehr als Fr. 1'400.- ausgerichtet erhalte. Eventuell sei die Rente auf Fr. 1'400.- festzusetzen unter Vorbehalt allfälliger Kürzungen. Zudem beantragt der Kanton die Erteilung der aufschiebenden Wirkung. Die Beschwerdegegnerin schliesst auf Abweisung der Beschwerde und ersucht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf Vernehmlassung. Mit Verfügung des Instruktionsrichters vom 20. November 2007 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung erteilt. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
734
495
Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der Beschwerdeführer stellt im Haupt- und Eventualstandpunkt ein Feststellungsbegehren, das indessen im Lichte der Beschwerdebegründung (vgl. Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 138/02 vom 27. Oktober 2003, E. 3.2.1 nicht publ. in BGE 130 V 61 mit weiteren Hinweisen) als Leistungsbegehren auf Abweisung der Klage zu interpretieren und als solches zulässig ist. BGE 134 V 208 S. 211 2. 2.1 Ausser Frage steht, dass die Beschwerdegegnerin Anspruch auf Hinterlassenenleistungen im obligatorischen Umfang gemäss Art. 20 BVV 2 (in der bis 31. Dezember 2004 gültig gewesenen Fassung; vgl. Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts B 89/05 vom 13. Februar 2006, E. 1.1) hat, welche Norm der Bundesrat gestützt auf die gesetzliche Delegation in Art. 19 Abs. 3 BVG (SR 831.40; in der bis 31. Dezember 2004 gültig gewesenen Fassung) erlassen hat. Streitig und zu prüfen ist, ob allenfalls ein weitergehender Leistungsanspruch gestützt auf Art. 46 der st. gallischen Verordnung vom 5. September 1989 über die Versicherungskasse für das Staatspersonal (VVK/SG; sGS 143.7) besteht. Die Auslegung dieser kantonalen Bestimmung des öffentlichen Berufsvorsorgerechts prüft das Bundesgericht - auf qualifizierte Rüge hin ( Art. 106 Abs. 2 BGG ) - frei (vgl. BGE 134 V 199 E. 1.2). 2.2 Da es sich bei der Versicherungskasse um eine öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtung handelt ( Art. 1 Abs. 2 VVK /SG), hat die Auslegung der einschlägigen Bestimmungen der VVK/SG - anders als die Auslegung der Vorsorgereglemente privatrechtlicher Versicherungsträger - nach den gewöhnlichen Regeln der Gesetzesauslegung zu erfolgen ( BGE 133 V 314 E. 4.1 S. 316 f. mit Hinweisen). Danach ist das Gesetz in erster Linie nach seinem Wortlaut auszulegen. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Auslegungen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente, namentlich von Sinn und Zweck sowie der dem Text zu Grunde liegenden Wertung. Wichtig ist ebenfalls der Sinn, der einer Norm im Kontext zukommt. Vom klaren, d.h. eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, u.a. dann nämlich, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Grund und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit andern Vorschriften ergeben ( BGE 130 II 65 E. 4.2 S. 71; BGE 130 V 229 E. 2.2 S. 232, BGE 130 V 294 E. 5.3.1 S. 295, 424 E. 3.2 S. 428 f., 472 E. 6.5.1 S. 475, 479 E. 5.2 S. 484; BGE 129 V 283 E. 4.2 S. 284 f.). 3. 3.1 Art. 46 VVK /SG lautet: "Die Ansprüche der geschiedenen Ehegatten richten sich in Voraussetzung und Höhe nach den Vorschriften des BVG über die Ansprüche der BGE 134 V 208 S. 212 geschiedenen Frau. Die Leistungen werden im Umfang des nach den Vorschriften des BVG Zulässigen gekürzt." 3.1.1 Gemäss Vorinstanz und Beschwerdegegnerin bezieht sich der in Art. 46 Satz 1 VVK /SG enthaltene Verweis auf die "Vorschriften des BVG über die Ansprüche der geschiedenen Frau" lediglich auf die Anspruchsvoraussetzungen und den Prozentsatz der Anspruchshöhe, d.h. 60 % der Altersrente ( Art. 21 Abs. 2 BVG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 BVV 2 [je in der bis 31. Dezember 2004 gültig gewesenen Fassung]; vgl. Urteil B 89/05 vom 13. Februar 2006, E. 2.4.1); deren konkrete Höhe dagegen bemesse sich nicht nach dem "Quantitativ der BVG-Altersguthaben", sondern nach den weitergehenden Bestimmungen der VVK/SG. Das kantonale Gericht hat diesen Standpunkt im Wesentlichen damit begründet, die Versicherungskasse begrenze ihre Leistungen - als eine sog. "umhüllende" Vorsorgeeinrichtung - nicht auf das BVG- Minimum, sondern decke allgemein weitergehende (vor- und überobligatorische) Ansprüche ab. Grundlage der Leistungsberechnung bilde die versicherte Besoldung in Verbindung mit einem nach dem Alter abgestuften Rentensatz; die Bemessung der einzelnen Leistungen (Invalidenrente, Ehegattenrente, Kinderrente) erfolge in den Art. 40, 45 und 51 VVK /SG immer in Relation zur (überobligatorischen) Altersrente. Würde für die Rente der geschiedenen Ehefrau eine ganz andere Berechnungsbasis gelten, so hätte der Verordnungsgeber dies ausdrücklich anordnen müssen. Es entspreche jedoch nicht dem Sinn der VVK/SG, geschiedene Ehegatten schlechter zu behandeln als verwitwete Ehegatten, mit Ausnahme der Kürzungsmöglichkeit nach Art. 20 Abs. 2 BVV 2 . Basis und Bezugsgrösse für die Berechnung der Rentenleistungen - auch der Hinterlassenenrente des geschiedenen Ehegatten - bleibe stets die Altersrente gemäss VVK/SG. 3.1.2 Nach Auffassung des Beschwerdeführers dagegen verweist Art. 46 Satz 1 VVK /SG integral auf die BVG-Minimalleistungen; die Rente der Beschwerdegegnerin gemäss Art. 46 VVK /SG sei mithin auf der Grundlage des BVG-Altersguthabens (des Verstorbenen) zu berechnen. Dies ergebe sich namentlich aus den letztinstanzlich beigelegten Gesetzesmaterialien. 3.2 Der Wortlaut des Art. 46 VVK /SG lässt nach den zutreffenden vorinstanzlichen Erwägungen beide genannten Lesarten zu, weshalb der Norminhalt unter Berücksichtigung weiterer Auslegungselemente zu ermitteln ist (vgl. E. 2.2 hievor und E. 3.3 ff. hiernach). BGE 134 V 208 S. 213 Bereits aus dem Verordnungstext wird aber deutlich, dass die Bemessungsbasis für die Ansprüche des geschiedenen Ehegatten einerseits und für die Kinder-, Ehegatten- und Invalidenrenten andererseits entgegen der Argumentation der Vorinstanz (E. 3.1.1 hievor) nicht die gleiche ist: Während Art. 40 (Kinderrente), Art. 45 (Ehegattenrente) und Art. 51 VVK /SG (Invalidenrente) ausdrücklich die - vorstehend in Art. 34 VVK /SG geregelte - "Altersrente" als Bemessungsbasis nennen, verweist Art. 46 VVK /SG gerade nicht auf die Altersrente gemäss VVK/SG, sondern sowohl in Bezug auf die Voraussetzungen als auch die Höhe der Ansprüche auf das BVG. 3.3 Die gesetzessystematisch klare Abgrenzung der Ehegattenrente gemäss Art. 45 VVK /SG ("70 Prozent der Alters- oder der Invalidenrente") vom Anspruch des geschiedenen Ehegatten gemäss Art. 46 VVK /SG ("richten sich ... nach den Vorschriften des BVG") spricht für eine vom Verordnungsgeber beabsichtigte Ungleichbehandlung von verwitweten und geschiedenen Ehegatten. Eine solche ist denn auch bereits insofern vorgesehen, als die Rente des verwitweten Ehegatten 70 % der Altersrente ( Art. 45 VVK / SG), diejenige des geschiedenen Ehegatten jedoch - entsprechend der Regelung des BVG ( Art. 46 VVK /SG in Verbindung mit Art. 21 Abs. 2 BVG und Art. 20 Abs. 1 BVV 2 ) - nur 60 % beträgt. Ungeachtet der hier umstrittenen Frage, worauf sich diese 60 % beziehen, steht mithin ausser Frage, dass der Verordnungsgeber die verwitweten und die geschiedenen Ehegatten bezüglich der Höhe der Hinterlassenenrenten nicht gleich behandeln wollte. 3.4 Die unterschiedliche Behandlung der geschiedenen und verwitweten Ehegatten ist weder gesetz- noch verfassungswidrig. Im Gegenteil trägt sie sachlich dem Umstand Rechnung, dass mit der Scheidung grundsätzlich (unter Vorbehalt der scheidungsrechtlich festgelegten Unterhaltsleistungen) die Beziehungen zwischen den Ehegatten beendet werden (Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts B 112/05 vom 22. Dezember 2006, E. 4.2 und 4.3; B 85/04 vom 20. Dezember 2005, E. 3.2 und 3.4.2; B 87/04 vom 21. Dezember 2005, E. 5.5), welcher Gesichtspunkt für die Auslegung von Vorsorgereglementen herangezogen werden kann (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts B 9/04 vom 28. Dezember 2005, E. 2.4.2). Sie lässt sich übrigens auch versicherungstechnisch rechtfertigen, riskiert doch die Vorsorgeeinrichtung, dass sie bei wiederholter Verheiratung einer versicherten Person mehrere Hinterlassenenrenten ausrichten muss. Es ist daher nicht ungewöhnlich, dass ein BGE 134 V 208 S. 214 Reglement die Ansprüche der geschiedenen Hinterlassenen auf das BVG- Minimum beschränkt, auch wenn im Übrigen weitergehende Leistungen gewährt werden ( BGE 119 V 289 E. 6b S. 295, dt. Übersetzung publ. in: Pra 83/1994 Nr. 100 S. 346). 3.5 3.5.1 Das Bundesgericht hat in ständiger Rechtsprechung Reglementsbestimmungen, wonach die geschiedene Witwe Anspruch auf die Mindestleistungen gemäss BVG hat, so ausgelegt, dass dieser Anspruch die nach BVG tiefstmöglichen Leistungen gewährt ( BGE 119 V 289 E. 6b S. 294 f.; Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts B 85/04 vom 20. Dezember 2005, E. 3.2; B 87/04 vom 21. Dezember 2005, E. 5; B 112/05 vom 22. Dezember 2006, E. 4.1; vgl. auch Urteil B 10/93 vom 28. Februar 1994, E. 3b, publ. in: SVR 1994 BVG Nr. 8 S. 21). Es hat in diesem Zusammenhang namentlich auch festgehalten, die meisten registrierten Vorsorgeeinrichtungen würden in den einschlägigen Reglementen den Anspruch der geschiedenen Frau auf das gesetzliche Minimum beschränken, auch wenn für die Witwen "im eigentlichen Sinn" günstigere Leistungen vorgesehen seien ( BGE 119 V 289 E. 6b S. 294 f., dt. Übersetzung publ. in: Pra 83/1994 Nr. 100 S. 346). 3.5.2 Im Unterschied zu den in den zitierten Urteilen massgebenden Reglementen spricht Art. 46 VVK /SG allerdings nicht ausdrücklich von Mindestleistungen. Im Urteil B 89/05 vom 13. Februar 2006, auf das sich die Vorinstanz beruft, hat das Eidg. Versicherungsgericht eine Reglementsbestimmung, wonach die geschiedene Frau Anspruch auf eine "Witwenrente gemäss BVG" hat, so ausgelegt, dass damit auf den Prozentsatz gemäss Art. 21 BVG verwiesen, dieser aber nach der (weitergehenden) reglementarischen Altersrente bemessen werde. Ebenso hat es die in den (damaligen) Pensionskassenregelungen des Bundes enthaltene Bestimmung, wonach die Ehegattenrente der Witwenrente nach BVG entspricht, als Verweis auf den Prozentsatz der Hinterlassenenrente für den geschiedenen Ehegatten nach Art. 21 BVG ausgelegt; Bezugsgrösse sei aber die reglementarische Alters- oder Invalidenrente (Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts B 59/99 vom 22. Mai 2002, E. 3b; B 52/00 vom 15. Januar 2001, E. 2b). Diese Urteile wurden ausser mit dem Hinweis auf den (im hier zu beurteilenden Fall freilich nicht eindeutigen, vgl. vorne E. 3.2) Wortlaut einerseits damit begründet, dass der Formulierung sonst auch eine zeitliche Bedeutung zukäme (weil die vorobligatorisch erworbenen BGE 134 V 208 S. 215 Altersgutschriften unberücksichtigt blieben), was Gegenstand spezifischer Übergangsbestimmungen hätte sein müssen (Urteil B 89/05 vom 13. Februar 2006, E. 2.4.2). Andererseits erwog das Eidg. Versicherungsgericht, bei der Hinterlassenenleistung an geschiedene Personen handle es sich um eine eigenständige, vom BVG losgelöste Leistung, was sich bereits daraus ergebe, dass sie im Unterschied zum BVG ( Art. 19 Abs. 3 BVG in Verbindung mit Art. 20 BVV 2 [je in der bis 31. Dezember 2004 gültig gewesenen Fassungen]) auch dem geschiedenen Ehemann zukommen könne (Urteile B 59/99 vom 22. Mai 2002, E. 3b; B 52/00 vom 15. Januar 2001, E. 2b). Zu diesen Begründungselementen ist jedoch festzuhalten, dass auch diejenigen Regelungen, welche die Leistungen der geschiedenen Ehegatten ausdrücklich auf das BVG-Minimum beschränken (s. vorne E. 3.5.1), sich in ihren Übergangsbestimmungen nicht zum zeitlichen Aspekt dieser Beschränkung äussern. Sodann ist die in der hier massgebenden Fassung der VVK/SG - anders als in der ursprünglichen Fassung der VVK/SG (vom 11. Dezember 1984) und des BVG (vom 25. Juni 1982) - enthaltene Ausweitung des Rentenanspruchs auf den geschiedenen Ehemann darauf zurückzuführen, dass eine anderslautende Regelung verfassungswidrig wäre ( Art. 8 Abs. 3 BV ; BGE 123 V 189 E. 4f S. 192; BGE 116 V 198 E. II.2 S. 207 ff.) und daher vom kantonalen Verordnungsgeber anzupassen war ( Art. 2 ÜbBest. aBV [ Art. 49 Abs. 1 BV ]; vgl. E. 3.6 hiernach); demgegenüber stand einer Korrektur der analogen Regelung von aArt. 19 Abs. 3 BVG durch das Bundesgericht Art. 190 BV (bzw. aArt. 191 BV und Art. 114 bis Abs. 3 aBV ) entgegen. Dass gemäss Art. 46 VVK /SG auch der geschiedene Ehegatte eine Hinterlassenenrente beanspruchen kann, bedeutet mithin nicht, dass der st. gallische Verordnungsgeber damit eine eigenständige, vom BVG völlig losgelöste Leistung schaffen wollte; eine solche Annahme stünde vielmehr im Gegensatz zum ausdrücklichen Verweis auf das BVG in Art. 46 VVK /SG. 3.6 3.6.1 Zu beachten sind schliesslich die Materialien zur VVK/SG, welche der Beschwerde beigelegt sind (vgl. E. 3.1.2 hievor). Dabei handelt es sich entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin nicht um unzulässige Noven ( Art. 99 Abs. 1 BGG ): Das Novenverbot gilt für neue Tatsachen und Beweismittel, bezieht sich mithin auf die Sachverhaltsebene (ULRICH MEYER, in: Niggli/Uebersax/ Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar zum BGG, Basel 2008, BGE 134 V 208 S. 216 N. 19 ff. zu Art. 99 BGG ). Materialien betreffen demgegenüber die Auslegung von Rechtsbegriffen; sie gehören somit zur Rechtsanwendung und können deshalb auch erst letztinstanzlich vorgebracht werden (vgl. MEYER, a.a.O., N. 23 zu Art. 99 BGG ). 3.6.2 In der Botschaft vom 11. Dezember 1984 zur Verordnung über die Versicherungskasse für das Staatspersonal wies der Regierungsrat darauf hin, dass infolge des Inkrafttretens des BVG die (alte) Verordnung über die Versicherungskasse für das Staatspersonal anzupassen sei (S. 1). Zu den wesentlichen Postulaten des BVG gehörten Ansprüche der geschiedenen Frau auf Vorsorgeleistungen (S. 4). Dementsprechend führte der kantonale Verordnungsgeber einen neuen Art. 27 bis ein mit dem Wortlaut: "Die Ansprüche der geschiedenen Frau richten sich nach den Vorschriften des BVG." Nach den Erläuterungen des Regierungsrates handelte es sich dabei um eine "Anpassung an Art. 19 Abs. 2 BVG und Uebernahme von Art. 20 BVV 2 " (a.a.O., S. 17). Mit der späteren Totalrevision von 1989 wurden u.a. die "vollständige Gleichstellung von Mann und Frau als Auswirkung von Art. 4 Abs. 2 der Bundesverfassung" (u.a. gleiche Witwen- und Witwerrente) und die Herstellung der Konformität mit den zwingenden Vorschriften des BVG beabsichtigt (Botschaft des Regierungsrates vom 5. September 1989 zur Verordnung über die Versicherungskasse für das Staatspersonal, S. 3). Diese Materialien lassen zwar nicht auf den konkreten Willen des historischen Verordnungsgebers zu Art. 46 VVK /SG schliessen, bestärken aber doch die Darstellung des Beschwerdeführers, wonach mit den Änderungen bezüglich der Leistungen an den geschiedenen Ehegatten das kantonale Recht gezielt an die übergeordneten Bestimmungen des Bundesrechts (BVG sowie Art. 4 Abs. 2 aBV ) angepasst werden sollte. Ursprünglich zu Gunsten der geschiedenen Ehegatten ins Auge gefasste Verbesserungen (vgl. Erster Bericht des Finanzdepartements an den Regierungsrat zur Revision der Verordnung über die Versicherungskasse für das Staatspersonal, Entwurf vom 24. Februar 1989, S. 33) wurden in der Folge nicht realisiert. Anhaltspunkte dafür, dass für die geschiedenen Ehegatten überobligatorische Leistungen beabsichtigt gewesen wären, ergeben sich aus den Materialien keine, entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin namentlich auch nicht daraus, dass in einer Fussnote zu Art. 46 VVK /SG auf Art. 19 Abs. 3, Art. 21 und 24 BVG sowie Art. 20 BVV 2 hingewiesen wird (s. Botschaft des Regierungsrates vom 5. September 1989, S. 42, Fn. 18); die damals BGE 134 V 208 S. 217 geltende Fassung des Art. 21 Abs. 2 BVG sah eine Witwenrente in der Höhe von 60 % der "Altersrente" vor, womit - insbesondere bei systematischer Auslegung - auf die nach den Art. 14 ff. BVG berechnete Altersrente (mithin auf das Obligatorium) Bezug genommen wird. 3.7 Im Lichte der verschiedenen Auslegungselemente ergibt sich, dass Art. 46 VVK /SG der Beschwerdegegnerin einen Rentenanspruch im Umfang von 60 % der obligatorischen BVG-Rente ihres geschiedenen Ehemannes einräumt. 4. Umstritten ist weiter die Tragweite des Art. 46 Satz 2 VVK / SG, wonach die Leistungen "im Umfang des nach den Vorschriften des BVG Zulässigen" gekürzt werden. Ausser Frage steht dabei, dass sich der Verweis in Art. 46 Satz 2 VVK /SG auf den einschlägigen Art. 20 Abs. 2 BVV 2 bezieht. 4.1 Gemäss Art. 20 Abs. 2 BVV 2 kann die Leistung der Vorsorgeeinrichtung um jenen Betrag gekürzt werden, um den sie zusammen mit den Leistungen der übrigen Versicherungen, insbesondere AHV und IV, den Anspruch aus dem Scheidungsurteil übersteigt. Nach Auffassung des Beschwerdeführers fällt unter die anrechenbaren Leistungen auch die der Beschwerdegegnerin ausgerichtete, den Unterhaltsanspruch aus dem Scheidungsurteil betragsmässig übersteigende AHV-Altersrente mit der Folge, dass kein vorsorgerechtlicher Rentenanspruch bestünde. Die Vorinstanz hat eine entsprechende Anrechnung unter Berufung auf das Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts B 6/99 vom 11. Juni 2001 (publ. in: SVR 2001 BVG Nr. 19 S. 73 = SZS 2003 S. 52) abgelehnt. In jenem Urteil erwog das Eidg. Versicherungsgericht, Art. 20 BVV 2 , einschliesslich der Kürzungsmöglichkeit gemäss Abs. 2, bezwecke den Ersatz des Versorgerschadens, den die geschiedene Frau durch den Tod des früheren Ehegatten und den damit verbundenen Wegfall der Unterhaltsbeiträge erleide. Solange die geschiedene Ehefrau eine Witwenrente der AHV beziehe, habe die Vorsorgeeinrichtung nur den zufolge des Wegfalls der Unterhaltsbeiträge allenfalls verbleibenden Versorgerschaden auszugleichen. Für die Beurteilung des Anspruchs auf eine Witwenrente der beruflichen Vorsorge sei daher entscheidend, ob der durch den Tod des früheren Ehemannes erlittene Versorgerschaden durch neu entstandene Leistungsansprüche gegenüber anderen Versicherungen ausgeglichen werde. Dementsprechend wurde im genannten Urteil die (bereits vor dem BGE 134 V 208 S. 218 Todesfall ausgerichtete und durch diesen nicht beeinflusste) AHV- Altersrente im Rahmen von Art. 20 Abs. 2 BVV 2 nicht berücksichtigt. Das Eidg. Versicherungsgericht beschränkte damit die Anrechenbarkeit implizit auf kongruente Leistungen (vgl. HANS MICHAEL RIEMER/GABRIELA RIEMER-KAFKA, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, 2. Aufl., Bern 2006, S. 155). 4.2 Der Beschwerdeführer kritisiert den zitierten Entscheid. Ausgangspunkt der nach Art. 20 Abs. 2 BVV 2 allenfalls bestehenden Leistungspflicht der beruflichen Vorsorge sei der zugesprochene scheidungsrechtliche Unterhaltsanspruch. Leistungen der beruflichen Vorsorge könnten nicht höher sein als das damit geschützte berufliche Einkommen bzw. - im Fall der geschiedenen Frau - die scheidungsrechtliche Unterhaltsverpflichtung des Verstorbenen. Deren Umfang könne bei erheblicher Änderung der finanziellen Verhältnisse angepasst werden (Art. 128 f. ZGB; aArt. 153 Abs. 2 ZGB). Zu einer solchen Änderung trage namentlich auch die Auszahlung einer AHV-Altersrente an die unterhaltsberechtigte Person bei. Sei aber die AHV-Altersrente für die Höhe des scheidungsrechtlichen Unterhaltsanspruchs (mit-)massgebend, müsse sie auch im Rahmen von Art. 20 Abs. 2 BVV 2 Berücksichtigung finden, andernfalls der "koordinationsrechtliche" Zweck dieser Norm verfehlt werde. Die bundesgerichtliche Auffassung, wonach die Altersrente nicht anzurechnen sei, widerspreche dem Wortlaut von Art. 20 Abs. 2 BVV 2 und führe zu einer Ungleichbehandlung der geschiedenen Person je nachdem, ob sie beim Tod ihres ehemaligen Ehegatten vor oder nach dem AHV-Rentenalter steht: Im ersten Fall werde ihr der auf dem Scheidungsurteil beruhende Versorgerschaden über die AHV-Witwen-/Witwerrente ausgeglichen, jedoch ohne oder mit reduzierter Rente aus beruflicher Vorsorge. Nach dem AHV-Alter dagegen würde sie den Versorgerschaden durch die Rente der beruflichen Vorsorge vollständig ausgeglichen erhalten, zusätzlich aber auch die AHV-Altersrente beziehen. 4.3 4.3.1 Nach dem - insoweit klaren - Wortlaut von Art. 20 Abs. 2 BVV 2 werden die "Leistungen der übrigen Versicherungen, insbesondere AHV und IV" angerechnet. Eine Einschränkung auf AHV- Hinterlassenenrenten unter Ausschluss der AHV-Altersrenten ist dem Wortlaut nicht zu entnehmen. Vom klaren Wortlaut einer Vorschrift kann indessen abgewichen werden, wenn dafür triftige Gründe bestehen. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte BGE 134 V 208 S. 219 der Bestimmung, aus ihrem Grund und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit andern Vorschriften ergeben ( BGE 133 III 497 E. 4.1 S. 499; BGE 132 III 18 E. 4.1 S. 20; BGE 132 V 321 E. 6.1 S. 326). 4.3.2 Der Beschwerdeführer erblickt eine Bestärkung der wörtlichen Auslegung darin, dass in Art. 20 Abs. 2 BVV 2 nebst den AHV- auch die IV-Leistungen genannt sind. Da die Invalidenversicherung keine Hinterlassenenrenten kennt, kann es sich bei deren Leistungen von vornherein nur um solche handeln, die dem geschiedenen Ehegatten aus eigenem Recht zustehen. Indessen ist nicht ausgeschlossen, dass die IV-Rente durch den Tod des ehemaligen Ehegatten beeinflusst wird ( Art. 43 Abs. 1 IVG , Art. 24b AHVG ). Dass in Art. 20 Abs. 2 BVV auch die IV-Leistungen erwähnt sind, schliesst daher eine Auslegung nicht aus, wonach Leistungen nur anzurechnen sind, soweit sie durch den Todesfall beeinflusst werden (vgl. Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts B 1/06 vom 2. Juni 2006; URS ENGLER, Unterhaltsbeitrag und BVG-Leistungen an geschiedene Frauen, in: BJM 1991 S. 169 ff., 176). 4.3.3 Der Beschwerdeführer verweist sodann darauf, dass nach der Rechtsprechung zu Art. 24 Abs. 2 BVV 2 (Urteil B 91/06 vom 29. Juni 2007, E. 3.1, und Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts B 14/01 vom 4. September 2001, E. 7) auch die AHV-Altersrente angerechnet wird, obwohl nach dem Wortlaut dieser Bestimmung ausdrücklich nur die Leistungen anzurechnen sind, die "aufgrund des schädigenden Ereignisses ausgerichtet werden". Diesbezüglich ist jedoch der unterschiedliche systematische Kontext des Art. 24 BVV 2 zu beachten: Art. 24 BVV 2 steht im Abschnitt betreffend Überentschädigung und Koordination mit anderen Sozialversicherungen. Die Überentschädigungsregelungen wollen vermeiden, dass der Versicherte nach dem versicherten Ereignis insgesamt besser dasteht als vorher, dies nicht zuletzt im Lichte der verfassungsrechtlichen Vorgaben, wonach die Leistungen der 1. und 2. Säule zusammen (nur) die Fortführung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise ermöglichen sollen ( Art. 113 Abs. 2 lit. a BV ); die Überentschädigungsregelung greift denn auch dann, wenn die Hinterlassenenleistungen (oder Invalidenleistungen) zusammen mit den andern anrechenbaren Einkünften 90 % des (gesamten) mutmasslich entgangenen Verdienstes übersteigen ( Art. 24 Abs. 1 BVV 2 ). Art. 20 BVV 2 steht demgegenüber im vorangehenden Abschnitt, welcher die grundsätzliche Höhe der Versicherungsleistung regelt, was einer allfälligen Kürzung wegen BGE 134 V 208 S. 220 Überentschädigung logisch vorangeht. Die Leistungen gemäss Art. 20 BVV 2 sind dabei von vornherein auf die Höhe des scheidungsrechtlichen Anspruchs begrenzt und damit in den meisten Fällen relativ bescheiden, so dass sich die Frage der Überentschädigung in aller Regel nicht stellt. Sollte dies doch einmal vorkommen, so wären selbstverständlich auch die nach Art. 20 BVV 2 berechneten Leistungen gegebenenfalls zusätzlich nach den Regeln von Art. 24 BVV 2 zu kürzen. 4.3.4 Art. 20 BVV 2 stützt sich auf Art. 19 Abs. 3 BVG . Aus der Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung in der ursprünglichen Fassung geht hervor, dass damit einerseits eine Anlehnung an die Regelung der AHV, andererseits eine Verhinderung von Missbräuchen infolge mehrmaliger Verheiratung und daheriger mehrfacher Leistungspflicht der beruflichen Vorsorge beabsichtigt war (BBl 1976 I 230; AB 1981 N 1048-1053; AB 1982 S 7f.; AB 1982 N 200). Der Bundesversammlung ging es darum, bei der AHV offenbar vorgekommene Missbräuche im Bereich der beruflichen Vorsorge zu vermeiden und eine echte Versorgerschadenregelung einzuführen (MARKUS MOSER, Die zweite Säule und ihre Tragfähigkeit, Basel 1993, S. 147 f.; HANS MICHAEL RIEMER, Familienrechtliche Beziehungen als Leistungsvoraussetzungen gemäss AHVG/IVG, BVG-Obligatorium und freiwilliger beruflicher Vorsorge, in: SZS 1986 S. 169 ff., 181). Die Neufassung von Art. 19 Abs. 3 BVG im Rahmen der 1. BVG-Revision bezweckte nur die Gleichstellung geschiedener Ehemänner und Ehefrauen, brachte sonst aber keine Änderung (BBl 1999 S. 2691). Entsprechend dieser gesetzgeberischen Absicht beschränkte der Bundesrat in Art. 20 Abs. 2 BVV 2 den Anspruch der geschiedenen Frau auf den Versorgerschaden, der in der Regel tiefer liegt als die Leistung, welche die nicht geschiedene Witwe erhalten würde. 4.4 Vor diesem Hintergrund ist das Urteil B 6/99 vom 11. Juni 2001 zu bestätigen, wonach es sich bei der Leistung gemäss Art. 20 BVV 2 um einen Ersatz für den Versorgerschaden handelt (vgl. E. 4.1 hievor), betragsmässig beschränkt auf den scheidungsrechtlich zugesprochenen Anspruch (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts B 30/93 vom 21. April 1994, E. 3a, publ. in: SZS 1995 S. 137). Auf dieser Grundlage ist es systemgerecht, die AHV-Altersrente nicht anzurechnen bzw. - so auch das Urteil B 1/06 vom 2. Juni 2006, auf das sich der Beschwerdeführer beruft - nur BGE 134 V 208 S. 221 insoweit, als sie durch den Eintritt des versicherten Ereignisses in der Höhe beeinflusst wird: Idealtypisch setzt sich das Einkommen des geschiedenen, unterhaltsberechtigten Ehegatten aus den Unterhaltsleistungen des ehemaligen Ehegatten und aus dem eigenen Erwerbseinkommen zusammen. Stirbt der unterhaltspflichtige ehemalige Ehegatte vor dem Pensionierungsalter des unterhaltsberechtigten, so erhält dieser allenfalls eine AHV-Hinterlassenenrente ( Art. 24a AHVG ), welche den Wegfall der Unterhaltsleistung kompensiert (und bei der Berechnung der Rente aus beruflicher Vorsorge entsprechend anzurechnen ist); daneben kann weiterhin eine eigene Erwerbstätigkeit ausgeübt werden. Anders verhält es sich, wenn die geschiedene Person im Zeitpunkt des Todes ihres ehemaligen Ehegatten das AHV-Alter erreicht hat: Die ab jenem Zeitpunkt ausgerichtete AHV-Altersrente ersetzt (im Unterschied zur AHV-Hinterlassenenrente) nicht den Wegfall des Unterhaltsanspruchs, sondern den altersbedingten Verlust des eigenen Erwerbseinkommens; sie steht der geschiedenen Person auch dann zu, wenn sie keinen Anspruch auf scheidungsrechtliche Unterhaltsleistungen hat. Ist aber die Altersrente kein Ersatz für den weggefallenen Versorgerschaden, muss dieser durch die Hinterlassenenleistungen der beruflichen Vorsorge abgedeckt werden (vgl. Urteil B 6/99 vom 11. Juni 2001, E. 3c). Dass die geschiedene Person nebst dem Ausgleich des Versorgerschadens die Altersrente erhält und insoweit versicherungsrechtlich anders gestellt ist als vor Erreichen des AHV-Alters, stellt keine systemwidrige Besonderheit dar; die Altersrente wird allen Versicherten an Stelle des weggefallenen Erwerbseinkommens und zusätzlich zu allfälligen anderen Einkommen ausgerichtet. 4.5 Im Sinne vorstehender Erwägungen haben auch der Bundesrat bzw. das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) immer den Standpunkt vertreten, Art. 20 Abs. 2 BVV gelte nur für kongruente Leistungen, d.h. Leistungen, die durch den Tod des ehemaligen Ehegatten ausgelöst werden; nicht dazu gehöre die auf einem anderen Versicherungsfall basierende Altersrente der AHV, es sei denn, diese erfahre durch den Tod des geschiedenen Mannes eine Erhöhung (Mitteilungen des BSV über die berufliche Vorsorge Nr. 1 vom 24. Oktober 1986, Ziff. 2.; Botschaft des Bundesrates vom 15. November 1995 über die Änderung des ZGB, BBl 1996 I 101). Gleicher Auffassung ist die mehrheitliche Lehre (ENGLER, a.a.O., S. 176; MOSER, a.a.O., S. 153; a.M. GERHARD BGE 134 V 208 S. 222 GERHARDS, Grundriss 2. Säule, Bern 1990, S. 76, allerdings ausgehend von unzutreffenden Grundlagen), ebenso die von der Kommission für Soziale Fragen der Schweizerischen Vereinigung privater Lebensversicherer herausgegebene BVG-Fibel (2. Aufl., 1991, S. 66 f.). Es trifft zwar zu, dass damit die Vorsorgeeinrichtung möglicherweise für den gleichen Versicherten Hinterlassenenrenten für mehrere Ehegatten bezahlen muss, doch hat der Gesetzgeber diese Doppelbelastung offenbar als zumutbar erachtet (AB 1981 N 1051 f., Berichterstatter Barchi). Sie ist zudem insofern beschränkt, als von Bundesrechts wegen kein Anspruch auf mehr als das BVG-Obligatorium besteht (vgl. vorne E. 3). An der Rechtsprechung gemäss Urteil B 6/99 vom 11. Juni 2001 ist daher entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers festzuhalten. 5. Der Beschwerdeführer beanstandet schliesslich die Höhe der scheidungsrechtlichen Unterhaltsrente; diese betrage richtigerweise nicht Fr. 1'530.40, sondern nur Fr. 1'400.- pro Monat. Höchstens bis zum letztgenannten Betrag könne daher eine Rente der beruflichen Vorsorge geschuldet sein. Es ist unbestritten, dass der geschiedene Ehemann der Beschwerdegegnerin verpflichtet war, ihr eine indexierte Rente von Fr. 1'200.- (Indexstand 31. Dezember 1989) zu bezahlen, und dies per 1. Januar 2004 einer Rente von Fr. 1'530.40 entspricht. Ebenfalls unbestritten ist, dass der geschiedene Ehemann in der Zeit vor seinem Tod im Jahre 2004 lediglich eine Rente von Fr. 1'400.- bezahlt hatte. Der Beschwerdeführer macht geltend, durch stillschweigende Übereinkunft zwischen den geschiedenen Eheleuten sei die Rente auf diese Höhe plafoniert worden. Die Vorinstanz hat indessen festgestellt, dass die ehemaligen Ehegatten den Anspruch nicht einvernehmlich auf Fr. 1'400.- gekürzt hatten, sondern seitens der Klägerin lediglich darauf verzichtet wurde, rechtliche Schritte gegen die Missachtung der Indexierung einzuleiten. Diese Sachverhaltsfeststellung ist für das Bundesgericht verbindlich ( Art. 105 BGG ). Massgebend für den Umfang des Anspruchs ist der im Scheidungsurteil oder allenfalls in einem Abänderungsurteil festgelegte Betrag, ungeachtet allenfalls davon abweichender tatsächlicher Zahlungen (Urteil B 30/93 vom 21. April 1994, E. 3a, publ. in: SZS 1995 S. 137). 6. Zusammenfassend ergibt sich, dass der Beschwerdeführer der Beschwerdegegnerin eine Rente in der Höhe des BGE 134 V 208 S. 223 BVG-Obligatoriums, höchstens aber Fr. 1'530.40 pro Monat schuldet, wovon die AHV-Altersrente der Beschwerdegegnerin nicht abzuziehen ist. Die Höhe der obligatorischen BVG-Rente ist nicht liquid: Mit Schreiben vom 4. Januar 2005 hatte der Beschwerdeführer eine Rente von monatlich Fr. 684.50 in Aussicht gestellt. Mit Schreiben vom 5. Januar 2005 war diese auf Fr. 787.45 korrigiert worden. In der vorinstanzlichen Klageantwort errechnete er alsdann eine Rente von Fr. 6'632.55 pro Jahr bzw. Fr. 552.70 pro Monat, welche Berechnung von der heutigen Beschwerdegegnerin replikweise bestritten wurde. Die Vorinstanz hatte aufgrund ihrer Rechtsauffassung keinen Anlass, die Höhe im Einzelnen zu überprüfen. Gestützt auf das heutige Urteil wird sie dies vorzunehmen haben. 7. (Kosten- und Entschädigungsfolgen)
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Sachverhalt ab Seite 59 BGE 133 IV 58 S. 59 Am 23. April 2003 ersuchte die türkische Botschaft in Bern um Verhaftung und Auslieferung des türkischen Staatsangehörigen X. (geb. 26. Juni 1979). Das Ersuchen stützt sich auf einen Haftbefehl vom 27. Mai 1996 und eine Anklageschrift vom 3. Juli 1996, in welcher dem Verfolgten die Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation vorgeworfen wird. Mit Schreiben vom 8. Mai 2003 wies das Bundesamt für Justiz (BJ) die ersuchende Behörde auf verschiedene Lücken und Widersprüche in ihrer Sachdarstellung hin und forderte sie auf, das Ersuchen zu präzisieren. Am 8. August 2003 wurde das türkische Rechtshilfegesuch ergänzt. Gemäss den Beilagen zum Ersuchen werden dem Verfolgten Straftaten vorgeworfen, die er im September und Oktober 1995 in der BGE 133 IV 58 S. 60 Türkei begangen habe. In der Folge blieb das Auslieferungsersuchen etwa zwei Jahre lang beim BJ "vorläufig unbehandelt". Mit Note vom 28. Oktober 2005 bekräftigte die türkische Botschaft das Ersuchen und erkundigte sich nach dem Stand des Verfahrens. Am 25. Januar 2006 erliess das BJ einen Auslieferungshaftbefehl. Gestützt darauf wurde der seit 1996 in der Schweiz wohnhafte Verfolgte am 21. Februar 2006 verhaftet und in provisorische Auslieferungshaft versetzt. Anlässlich seiner Befragungen widersetzte sich der Verfolgte einer Auslieferung. Insbesondere machte er geltend, er und seine Familie seien kurdischer Abstammung und würden in der Türkei politisch verfolgt. Mit Entscheid vom 16. August 2006 bewilligte das BJ die Auslieferung des Verfolgten an die Türkei. Gegen den Auslieferungsentscheid des BJ gelangte X. mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Er beantragt im Hauptstandpunkt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Abweisung des Auslieferungsersuchens. Mit separater Eingabe an das Bundesgericht beantragte das BJ, die Einrede des politischen Delikts sei abzulehnen.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. (...) 1.1 Der Verfolgte hat im Auslieferungsverfahren geltend gemacht, er sei kurdischer Abstammung und werde aus politischen Gründen strafrechtlich verfolgt. Da der Auslieferungsentscheid, die Einrede des politischen Delikts und der betreffende Antrag des BJ vor dem 1. Januar 2007 erfolgt sind, ist hier das bisherige Verfahrensrecht anwendbar ( Art. 110b IRSG [SR 351.1]). (...) 4. Das inkriminierte Verhalten ist im Lichte der konkreten Verhältnisse im Zeitpunkt der mutmasslichen Delikte zu beurteilen. Dies gilt besonders für Gewalttaten im Rahmen von Bürgerkriegen und bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen (vgl. BGE 131 II 235 E. 2.13 S. 242 f.). Dem Verfolgten wird vorgeworfen, er habe im Herbst 1995 als kurdischstämmiges Mitglied der radikalen Widerstandsorganisation DHKP-C Delikte begangen. Davon betroffen sei ein sogenannter "Dorfwächter" (Anklagesachverhalt vom 23. September 1995) sowie ein türkischer Polizist (Sachverhalt vom 2. Oktober 1995). BGE 133 IV 58 S. 61 4.1 In seinem Bericht vom 11. April 2006 an das BJ weist der Dienst für Analyse und Prävention des Bundesamtes für Polizei (DAP) darauf hin, dass die DHKP-C Ende 1992/Anfang 1993 aus einer Spaltung der Organisation "Devrimci Sol" ("Revolutionäre Linke") hersei. Ziel der DHKP-C es, mit terroristischen Methoden in der Türkei die geltende Staatsordnung zu beseitigen. Als Beispiele von Gewalt erzeugenden und terroristischen Aktionenvon türkisch-kurdischen Gruppen nennt der DAP Streik, Boykott, Aufstand in Fabriken und Gefängnissen, Anschläge, Attentateund Selbstmordattentate. Von Anschlägen betroffen worden seien hauptsächlich Repräsentanten von Staat, Armee, Polizei, Justiz undPolitik. Angaben zu konkreten Aktionen der DHKP-C im fraglichen Deliktszeitraum (1995) enthält der Bericht des DAP nicht. 4.2 Diverse Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sowie Berichte des Europarates, der EU-Kommission, des Europäischen Folterschutzausschusses und internationaler Menschenrechtsorganisationen dokumentieren, dass besonders in den Jahren 1992 bis 1997 in den von Kurden bewohnten Gebieten der Türkei schwerste Menschenrechtsverletzungen erfolgt sind,für die zum einen militante separatistische Widerstandsorganisationen (namentlich die PKK) verantwortlich waren, zum anderen aber auch die türkischen Sicherheitskräfte. Der Europäische Folterschutzausschuss (CPT) hat zwischen 1990 und 1997 sechs Besuchsreisen in der Türkei unternommen, um die damalige Menschenrechtssituation (insbesondere die Haftbedingungen für Gefangene) zu untersuchen. Mit Ausnahme des Berichtes vom Oktober 1997 wurden die Inspektionsberichte zu Händen der türkischen Regierung nicht öffentlich gemacht. Der CPT hat aber am 15. Dezember 1992 und 6. Dezember 1996 zwei öffentliche Verlautbarungen über die Resultate der ersten fünf Untersuchungen publiziert. Der CPT hielt fest, dass im damaligen Zeitraum namentlich bei der Bekämpfung mutmasslicher Terroristen durch die türkischen Sicherheitskräfte systematisch gefoltert worden sei (vgl. Urteil des EGMR i.S. N.A. gegen die Türkei vom 10. Oktober 2000, Recueil CourEDH 2000-X S. 439 ff., Ziff. 53-58; s. auch BGE 122 II 373 E. 2b S. 377 f. mit Hinweisen). 4.3 Gemäss den vorliegenden Berichten lässt sich die völkerrechtlich-humanitäre Situation zwischen 1994 und 1995 (inkriminierter Tatzeitraum) wie folgt zusammenfassen: Im März 1994 habe das türkische Parlament die strafrechtliche Immunität von mehreren Abgeordneten der kurdischen "Demokratischen Partei" (DEP) BGE 133 IV 58 S. 62 aufgehoben. Der türkische Oberste Gerichtshof habe die DEP verboten, und gegen sieben kurdische Abgeordnete sei Anklage wegen Hochverrates und Separatismus erhoben worden. Für 1994 seien zahlreiche Fälle von Folter gegen mutmassliche separatistische Widerstandskämpfer, summarische Exekutionen, Vergewaltigungen, Brandstiftungen gegen kurdische Wohnhäuser und andere Gewaltübergriffe bei Polizeiaktionen gemeldet und dokumentiert worden. Militante kurdische Aktivisten hätten ihrerseits mutmassliche Kollaborateure verfolgt sowie Tötungsdelikte und andere Verbrechen gegen türkische Sicherheitskräfte und politische Gegner (insbesondere sogenannte "Dorfwächter") verübt. Von den ca. 13'000 Menschen, die zwischen 1984 und 1994 im Bürgerkriegskonflikt getötet wurden, sei etwa die Hälfte zwischen 1992 und 1994 gestorben. In der Bürgerkriegszeit seien Hunderttausende Kurden aus ihren Dörfern vertrieben worden. Bis Mitte der 1990er-Jahre sei insgesamt die Zahl von zwei Millionen Flüchtlingen erreicht worden. Zwar habe es 1995 erste Bemühungen der Regierung gegeben, die Menschenrechtssituation auf gesetzlicher Ebene zu verbessern. Das gewaltsame Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte gegen den separatistischen Widerstand habe jedoch 1995 weiter zur Entvölkerung kurdischer Dörfer geführt. Auch die systematische Anwendung von Folter gegen mutmassliche Widerstandskämpfer sei nach wie vor ein grosses Problem gewesen. Zwischen 1992 und 1995 seien zudem mehr als 1'300 Personen den Exekutionen durch "Todesschwadronen" zum Opfer gefallen, 89 solcher Tötungen seien allein im September 1995 erfolgt (vgl. Berichte und Verlautbarungen des Europäischen Folterschutzausschusses 1990-1997, Council of Europe/European Committee for the Prevention of Torture, Reports to the Turkish Government on the Visits to Turkey, Strassburg; Urteil N.A. , a.a.O.; Regelmässige Berichte der EU-Kommission 1998-2006 über die Fortschritte der Türkei auf dem Weg zum Beitritt; Human Rights Watch Reports Turkey 1994/1995). 4.4 Zahlreiche dieser Menschenrechtsverletzungen sind durch den EGMR beurteilt worden. Die meisten Urteile betrafen Zivilpersonen, die als Aktivisten und Sympathisanten der PKK verdächtigt worden waren, darunter auch mehrere junge Frauen. In einigen Fällen waren mutmassliche Anhänger der DHKP-C bzw. ihrer Vorgängerorganisation ("Dev Sol") betroffen. Gemäss einem solchen Entscheid des EGMR vom 11. Juli 2000 sei der Geschädigte im Februar 1992 von Beamten einer "Antiterroreinheit" ("Brigade BGE 133 IV 58 S. 63 Anti-Dev Sol") der Sicherheitspolizei gefoltert worden (vgl. Urteil des EGMR i.S. M.D. gegen die Türkei vom 11. Juli 2000, Recueil CourEDH 2000-VIII S. 181 ff., Ziff. 11 ff.; ähnlich auch Urteil des EGMR i.S. Z.A. gegen die Türkei vom 18. Dezember 1996, Recueil CourEDH 1996-VI S. 2260 ff., Ziff. 10 ff.). Der EGMR musste für die Zeit zwischen 1992 und Herbst 1995 zahlreiche schwere Verstösse gegen die Menschenrechte feststellen, darunter Vergewaltigungen, Folterungen und Tötungen. Die einschlägigen Urteile sind grösstenteils publiziert. Neben kurdischen Separatisten und türkischen Sicherheitskräften seien auch bewaffnete sogenannte "Dorfwächter" an den Gewalttätigkeiten beteiligt gewesen (in chronologischer Reihenfolge der untersuchten Sachverhalte vgl. z.B. Urteile des EGMR gegen die Türkei i.S. B.S. vom 27. Juni 2000, Recueil CourEDH 2000-VII S. 425 ff., Ziff. 6 ff.; i.S. S.T. vom 9. Juni 1998, Recueil CourEDH 1998-IV S. 1504 ff., Ziff. 8 ff.; i.S. N.I. vom 27. Juni 2000, Recueil CourEDH 2000-VII S. 315 ff., Ziff. 10 ff.; i.S. M.K. vom 28. März 2000, Recueil CourEDH 2000-III S. 195 ff., Ziff. 8 ff.; i.S. M.T. vom 13. Juni 2000, Recueil CourEDH 2000-VI S. 349 ff., Ziff. 15 ff.; i.S. K.K. vom 25. Mai 1998, Recueil CourEDH 1998-III S. 1152 ff., Ziff. 8 ff.; i.S. S.A. vom 25. September 1997, Recueil CourEDH 1997-IV S. 1866 ff., Ziff. 13 ff.; i.S. I.C. vom 8. Juli 1999, Recueil CourEDH 1999-VI S. 657 ff., Ziff. 14 ff.; i.S. K.S. et al. vom 24. April 1998, Recueil CourEDH 1998-II S. 891 ff., Ziff. 8 ff.; i.S. A., E. und Y. vom 22. Juli 2003; i.S. Y. vom 24. Juli 2003; i.S. N.A. vom 10. Oktober 2000, Recueil CourEDH 2000-X S. 439 ff., Ziff. 53-58; i.S. G. vom 19. Juni 2003; i.S. A. vom 24. April 2003; i.S. K. et al. vom 24. Oktober 2006). 5. Nachfolgend ist zu prüfen, ob sich aus der Sachdarstellung des ergänzten Ersuchens und seiner Beilagen ausreichend verlässliche Anhaltspunkte für eine internationalstrafrechtlich verfolgungswürdige Beteiligung an einem Tötungsdelikt bzw. an terroristischen Straftaten ergeben (vgl. Art. 12 Ziff. 2 lit. b des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 [EAUe; SR 0.353.1]). Dabei ist namentlich den Umständen Rechnung zu tragen, dass die untersuchten Delikte mehr als 11 Jahre zurückliegen, der Verfolgte im damaligen Zeitpunkt erst 15 bis 16 Jahre alt war, und dass die fraglichen Straftaten in einem engen Kontext zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen standen. Bei Bürgerkriegen gehört die Abgrenzung zwischen Terroristen und Schwerverbrechern einerseits und Konfliktparteien bzw. BGE 133 IV 58 S. 64 separatistischen Widerstandskämpfern anderseits zu den schwierigsten Fragen des internationalen Strafrechts ( BGE 130 II 337 E. 6 S. 344 f.). In entsprechenden Fällen sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes besonders sorgfältige Abklärungen nötig und erhöhte Anforderungen an die Ausführlichkeit, Widerspruchsfreiheit und Verlässlichkeit des Ersuchens zu verlangen. Dabei können sich auch Abklärungen zum Bürgerkriegshintergrund der inkriminierten Delikte aufdrängen. Bei Anhängern von separatistischen Widerstandsorganisationen, die sich gegen ethnische Verfolgung und Unterdrückung wehren, kann nach der Praxis des Bundesgerichtes nicht ohne weiteres auf internationalstrafrechtlich verfolgungswürdige "terroristische" Schwerverbrechen geschlossen werden ( BGE 130 II 337 E. 7.1 S. 346 f.). Bei der notwendigen Abgrenzung ist den konkreten Aktivitäten der fraglichen Organisation im Zeitpunkt der verfolgten Straftaten Rechnung zu tragen ( BGE 131 II 235 E. 2.13 S. 242 f.). Spezifische Anzeichen für den terroristischen Charakter von Delikten wären schwere Gewaltverbrechen insbesondere gegen Zivilpersonen, mit denen die Bevölkerung systematisch eingeschüchtert bzw. Staaten oder internationale Organisationen genötigt werden sollen ( BGE 131 II 235 E. 3.5 S. 246 f.). 5.1 Mit Schreiben vom 8. Mai 2003 wies das BJ die ersuchende Behörde auf verschiedene auffällige Lücken und Widersprüche in ihrer Sachdarstellung hin und forderte sie auf, das Ersuchen vom 23. April 2003 zu präzisieren. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar, dass die Täterschaft die spätere Tatwaffe erst am 23. September 1995 einem Dritten entwendet, aber schon am 2. Mai 1995 für ein Tötungsdelikt verwendet haben soll. 5.1.1 Im ergänzenden Ersuchen vom 8. August 2003 wird auf die Sachdarstellung des Vorsitzenden des 4. Schwurgerichts für die Staatssicherheitlichen Strafsachen in Istanbul vom 20. Juni 2003 hingewiesen. Danach habe sich der damals 16 Jahre alte Verfolgte zusammen mit A. und B. am 23. September 1995 gegen 22.00 Uhr zu einem Café begeben. Der Dorfwächter Y. sei Stammgast dieses Lokals gewesen. Als der Dorfwächter aus dem Café herausgetreten sei, seien ihm der Verfolgte und seine beiden Begleiter gefolgt. A. habe eine "imitierte Pistole" (Pistolenattrappe) auf den Kopf des Dorfwächters gerichtet, worauf der Verfolgte die Pistole (Marke Kirikkale, Durchmesser: 9 mm) aus dem Gürtel des Bedrohten herausgenommen habe. Nach dieser Tat hätten die Angeschuldigten mit dem (inhaftierten) mutmasslichen Anführer der separatistischen BGE 133 IV 58 S. 65 Gruppe, C., in der Strafanstalt Gespräche geführt und von ihm die Weisung erhalten, "eine Tat" mit dieser Pistole auszuführen. Am 2. Oktober 1995 hätten A. und der Verfolgte einen Polizisten gesucht, um ihn zu töten. Gegen 19.20 Uhr hätten sie einen Polizisten namens Z. gesehen, der in einer Telefonzelle telefoniert habe. A. habe mit der vom Dorfwächter entwendeten Waffe ein erstes Mal von hinten auf den Kopf des Polizisten geschossen. Nachdem der am Kopf getroffene Polizist auf den Boden gestürzt sei, habe der Verfolgte die Pistole des Polizisten weggenommen. Daraufhin habe A. ein zweites Mal auf den Polizisten geschossen. Nachdem die beiden Beteiligten den am Tatort anwesenden Passanten gesagt hätten, dass sie die DHKP-C unterstützten, hätten sie sich entfernt. 5.1.2 Laut ergänzendem Ersuchen seien die zeitlichen Angaben in der Anklageschrift vom 3. Juli 1996 unzutreffend. Die Tötung des Polizisten sei nicht (wie dort angegeben) am 2. Mai 1995 erfolgt, sondern erst am 2. Oktober 1995. Auch zu den in der Türkei bereits freigesprochenen Personen enthielten das ursprüngliche Ersuchen und dessen Beilagen - laut ersuchender Behörde - fehlerhafte Angaben. So sei der Verfolgte weder in dessen Abwesenheit beurteilt noch freigesprochen worden. Dieser Fehler sei aus einer Falschschreibung von Namen entstanden. Entgegen der Auffassung des BJ handle es sich (laut ersuchender Behörde) bei der Gruppierung, welcher der Verfolgte angehört habe, auch nicht um eine "politische Partei oder Anstalt", sondern um eine illegale und terroristische Organisation, welche bewaffnete Aktivitäten "zur Vernichtung und Änderung der Verfassung und des begründeten Staats" ausgeübt habe. 5.1.3 Für ihre neue Sachdarstellung verweist die ersuchende Behörde nun ausdrücklich auf ein Verhörprotokoll vom 9. Mai 1997. Darin werden die Aussagen des mutmasslichen Täters und Kronzeugen A., der die tödlichen zwei Schüsse abgegeben haben soll, vom befragenden Polizeikommissar wie folgt wiedergegeben: 5.1.3.1 A. und der Verfolgte seien im Jahre 1994 von Verantwortlichen der DHKP-C angeworben worden. Nach einer "Ausbildung" von fast fünf Monaten habe der Verfolgte die Gruppierung verlassen, da er nicht mehr habe dazugehören wollen. In der Folge habe der Verfolgte an zwei versuchten Straftaten der Gruppe nicht teilgenommen. Nach der Verhaftung von drei Gruppenmitgliedern sei der Verfolgte im Jahre 1995 von einem älteren BGE 133 IV 58 S. 66 Gruppenmitglied wieder mitgebracht worden. Beim anschliessenden Versuch, die Polizeistation Cibali zu überfallen, habe der Verfolgte erneut nicht partizipiert. Zum nächsten Treffen (bei einer Likörfabrik) im Sommer 1995 habe er, A., den Verfolgten mitgebracht. Die bewaffnete Einheit "K." habe damals, im Frühsommer 1995, aus fünf Personen bestanden. Ihr Anführer sei D. gewesen. Die "Waffenkraft" der Gruppe habe zwei Pistolen im Durchmesser 7,65 mm umfasst. Nachdem die Gruppe etwas zusammengearbeitet habe, sei sie für kurze Zeit wieder auseinandergebrochen. Als E., der jüngere Bruder von A., bei bewaffneten Auseinandersetzungen mit türkischen Sicherheitskräften im Sommer 1995 in Gazi getötet worden sei, seien die Gruppenmitglieder zwar sehr betroffen gewesen; sie hätten aber zunächst keine Gewalttaten ausgeübt und auch die Beziehungen zu D. abgebrochen. 5.1.3.2 Im August/September 1995 habe ihre neu nach dem getöteten Bruder benannte "bewaffnete Einheit E." noch aus A., dem Verfolgten und (eine kurze Zeit lang) F. bestanden. Damals habe diese Gruppe über keine Waffen verfügt. Sie hätten sich über aktuelle politische Themen unterhalten. A. und der Verfolgte hätten damals den Kontakt zu F. abgebrochen, weil dieser eine intime Beziehung mit einem Mädchen aus dem gleichen Ort gepflegt habe. Anschliessend habe der Verfolgte eine kaputte Waffe bzw. Pistolenattrappe mitgebracht. Der Plan, einem Dorfwächter in einem Café in Küçükköy die Waffe zu rauben, sei zunächst nicht verwirklicht worden. Einige Tage später, am 23. September 1995, sei das Vorhaben jedoch mit der Pistolenattrappe umgesetzt worden. Laut Verhörprotokoll habe A. das Pistolenimitat gegen den Kopf des Dorfwächters gerichtet. Der Verfolgte habe die Waffe des Bedrohten entwendet. Sie hätten diesem gesagt, dass ihm nichts geschehe, wenn er ruhig bleibe. Sie seien Anhänger der DHKP-C und wollten seine Pistole wegnehmen. Der Dorfwächter habe erwidert, dass er auf ihrer Seite sei. Sie hätten ihn dann aufgefordert: "Warte ein bisschen hier; wir gehen weg." 5.1.3.3 Gemäss diesem (mit dem ergänzendem Ersuchen) zur Klärung und Präzisierung des Sachverhaltes eingereichten Protokoll sei dann am "02.10.1997" der Polizist in der Telefonzelle getötet worden. Die Anweisung zu dieser Tat habe der im Gefängnis befindliche C. gegeben. An anderer Stelle des Protokolls wird das fragliche Datum von den türkischen Behörden mit "02.10.1995" bezeichnet. A. habe auf den Kopf des Polizisten BGE 133 IV 58 S. 67 geschossen. Der konkrete Beitrag des Verfolgten habe darin bestanden, dass er die Pistole des bereits am Kopf Getroffenen weggenommen habe, nachdem dieser auf den Boden gefallen sei. A. habe dann ein zweites Mal auf dessen Kopf geschossen. Danach seien sie beide geflohen. Die Tatwaffe habe A. etwas später dem Verfolgten übergeben. Als dem damals 16-jährigen Verfolgten nach Gesprächen klar geworden sei, dass solche Gewaltaktivitäten nicht beendet würden, habe er sich bald darauf entschlossen, die "Gruppe E." definitiv zu verlassen. 5.2 Zu prüfen ist, ob sich aus der Sachdarstellung des (ergänzten) Ersuchens und seiner Beilagen ausreichend klare, widerspruchsfreie und verlässliche Anhaltspunkte für eine strafbare Beteiligung an einem Tötungsdelikt ergeben und ob die Auslieferungsvoraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit erfüllt ist. 5.2.1 Zunächst ist dem Zeitablauf und der aussergewöhnlich langen Verfahrensdauer Rechnung zu tragen: Die untersuchten Delikte aus den Jahren 1994-1995 liegen mehr als 11 Jahre zurück. Das Auslieferungsersuchen wurde erst neun Jahre nach den inkriminierten Ereignissen gestellt. Seither sind wiederum mehr als dreieinhalb Jahre verstrichen. Nach Angaben des BJ sei das Auslieferungsdossier während etwa zwei Jahren "vorläufig unbehandelt" geblieben, was allenfalls auf das parallel laufende Asylverfahren und die damit zusammenhängenden Abklärungen zurückgeführt werden könnte. Sodann fällt auf, dass auch das ergänzte Ersuchen weiterhin Mängel und Widersprüche enthält. Schon am 8. Mai 2003 hatte das BJ die ersuchende Behörde auf offensichtliche Unstimmigkeiten (namentlich in der zeitlichen Darstellung der inkriminierten Vorgänge sowie in prozessualer Hinsicht) aufmerksam gemacht. Auch in den zur Klärung nachgereichten Unterlagen finden sich immer noch Widersprüche und Unklarheiten, die zentrale Fragen betreffen (wie den Zeitpunkt des untersuchten Tötungsdeliktes). Weiter ist zu berücksichtigen, dass die verfolgten Delikte an einem sogenannten Dorfwächter (Entwendung einer Pistole) und an einem Polizisten (Tötungsdelikt) in einem Zeitpunkt erfolgten, als bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen mit schwersten Menschenrechtsverletzungen stattfanden (vgl. oben, E. 4.2-4.4). Wie sich den Beilagen zum Ersuchen entnehmen lässt, sei der jüngere Bruder des mutmasslichen Todesschützen kurz vor der Tat von türkischen Sicherheitskräften erschossen worden. Zu diesen Zusammenhängen und Hintergründen des untersuchten Tötungsdeliktes finden sich im BGE 133 IV 58 S. 68 ergänzten Ersuchen keine Angaben. Wenig Informationen enthält das Ersuchen auch zur Gruppe "E." (die im fraglichen Zeitpunkt aus dem damals 15- bis 16-jährigen Verfolgten und zwei weiteren Personen bestanden habe) bzw. zu deren Eingliederung in die DHKP-C. Schon im Schreiben des BJ vom 8. Mai 2003 an die ersuchende Behörde war die Frage aufgeworfen worden, ob es sich dabei um eine politische separatistische Widerstandsorganisation bzw. eine entsprechende Splittergruppe gehandelt haben könnte. Diese Frage wird im ergänzenden Ersuchen verneint mit der Behauptung, es handle sich hier um eine illegale und terroristische Organisation. Die ersuchende Behörde legt jedoch keine Sachinformationen vor, aufgrund derer sich juristisch prüfen liesse, ob es sich um eine Gruppierung handelte, die im internationalstrafrechtlichen Sinne als terroristisch bzw. verbrecherisch einzustufen wäre (vgl. dazu unten, E. 5.3). 5.2.2 Sodann setzt Art. 2 Ziff. 1 EAUe voraus, dass dem Verfolgten - sowohl nach dem Recht des ersuchenden als auch nach dem des ersuchten Staates - eine Freiheitsstrafe oder die Freiheit beschränkende sichernde Massnahme im Höchstmass von mindestens einem Jahr droht. Laut Ersuchen sei das Tötungsdelikt Anfang Oktober 1995 erfolgt. Zum Tatzeitpunkt wäre der (unbestrittenermassen am 26. Juni 1979 geborene) Verfolgte somit erst 16 Jahre alt gewesen. Bei einer Beurteilung nach schweizerischem Recht im Sinne der beidseitigen Strafbarkeit ist daher das Jugendstrafrecht anwendbar (Art. 89 aStGB; ebenso Art. 1 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes vom 20. Juni 2003 über das Jugendstrafrecht [Jugendstrafgesetz, JStG; SR 311.1], in Kraft seit 1. Januar 2007). Übergangsrechtlich ist hier das sanktionenrechtlich mildere bisherige Jugendstrafrecht massgeblich, zumal auch der angefochtene Entscheid noch nach altem Recht gefällt wurde ( Art. 46 JStG ; BGE 129 II 462 E. 4.3 S. 465 mit Hinweisen). Zunächst erscheint fraglich, ob eine allfällige Jugendstrafe nach schweizerischem Recht überhaupt als auslieferungswürdige Sanktion im Sinne von Art. 2 Ziff. 1 EAUe angesehen werden kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das schweizerische Jugendstrafrecht der urteilenden Behörde die Möglichkeit gibt, von jeder Strafe oder Massnahme abzusehen, wenn seit der Tat ein Jahr verstrichen ist (Art. 98 Abs. 4 aStGB). Damit soll im Einzelfall vermieden werden können, dass eine sich abzeichnende günstige Entwicklung des fehlbaren Jugendlichen durch strafrechtliche Sanktionen beeinträchtigt BGE 133 IV 58 S. 69 würde. Der Jugendrichter hat dabei insbesondere einem Wohlverhalten während einer längeren Zeit Rechnung zu tragen ( BGE 100 IV 17 E. 2a S. 20; Urteil 1P.329/2004 vom 13. Oktober 2004, E. 2.3; s. auch Art. 21 Abs. 1 lit. f JStG ). Im vorliegenden Fall sind seit den untersuchten Delikten mehr als 11 Jahre verstrichen. Der Verfolgte hat sich - soweit aus den Akten ersichtlich - seither nicht strafbar gemacht. Das EAUe regelt die Problematik von jugendstrafrechtlichen Fällen nicht. Im internationalen Auslieferungsrecht gilt der Grundsatz, dass bei Jugendlichen, die im Tatzeitpunkt noch nicht 18 Jahre alt waren und welche ihren gewöhnlichen Aufenthalt im ersuchten Staat haben, zu prüfen ist, ob aus Gründen der besseren Integration und Sozialisierung von einer Auslieferung abzusehen ist (so ausdrücklich Art. I Abs. 2 des Vertrages vom 13. November 1969 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über die Ergänzung des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 und die Erleichterung seiner Anwendung [SR 0.353.913.61]; vgl. auch STEFAN HEIMGARTNER, Auslieferungsrecht, Diss. Zürich 2002, S. 102 f.). Im vorliegenden besonderen Fall drängt sich in diesem Sinne bei der Anwendung des EAUe eine Lückenfüllung auf. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Auslieferungsentscheid nicht zu einem stossenden und den Sinn und Geist des genannten Übereinkommens verletzenden Ergebnis führen darf. Nach türkischem Strafrecht und Darlegung der ersuchenden Behörde droht dem zur Tatzeit erst 16-jährigen Verfolgten eine lebenslange Freiheitsstrafe. Der Verfolgte ist im Mai 1996 als 17-jähriger Bürgerkriegsflüchtling in die Schweiz emigriert und lebt hier seit mehr als 10 Jahren. Das Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) hat ihm am 3. November 1999 die vorläufige Aufnahme gewährt und seine Wegweisung als unzumutbar bezeichnet. Am 14. September 2006 trat das Bundesamt für Migration (BFM) zwar auf das Gesuch des Verfolgten, es sei ihm (wiedererwägungsweise) Asyl zu gewähren, nicht ein. Eine vom Verfolgten dagegen erhobene Beschwerde hiess die Schweizerische Asylrekurskommission (ARK) mit Urteil vom 7. Dezember 2006 jedoch gut; die ARK wies das Asylgesuch zur materiellen Prüfung zurück an das BFM. Den vorliegenden Akten lässt sich nicht entnehmen, dass der Verfolgte sich in den mehr als 10 Jahren seines Aufenthaltes in der Schweiz etwas hätte zuschulden kommen lassen. Schliesslich ist auch noch mitzuberücksichtigen, dass er sich schon seit Februar BGE 133 IV 58 S. 70 2006 in Auslieferungshaft befindet; die bisherige Haftdauer rückt damit in grosse Nähe der nach dem massgeblichen bisherigen schweizerischen Jugendstrafrecht maximal zulässigen Einschliessungsstrafe (Art. 95 Ziff. 1 Abs. 1 aStGB). Nach dem Gesagten widerspräche eine Auslieferung des Verfolgten dem Sinn und Geist des EAUe. 5.2.3 Zur Frage, ob der Verfolgte unter dem Vorwurf eines Tötungsdeliktes ausgeliefert werden kann, ergibt sich folgendes Zwischenergebnis: Das ergänzte Ersuchen erscheint weiterhin mangelhaft und enthält für den zeitlich sehr weit zurückliegenden Tatvorwurf keine ausreichend klaren, widerspruchsfreien und verlässlichen Anhaltspunkte. Zudem sind in diesem Zusammenhang besondere persönliche Umstände zu beachten, welche eine internationalstrafrechtliche Verfolgung im konkreten Fall als mit dem Sinn und Zweck des EAUe nicht vereinbar erscheinen lassen. 5.3 Zu prüfen bleibt, ob der Beschwerdeführer unter dem Vorwurf des Terrorismus an die Türkei ausgeliefert werden kann. Dem Verfolgten wird vorgeworfen, er sei von 1994 bis im Herbst 1995 Mitglied einer terroristischen Organisation gewesen. 5.3.1 Gemäss Art. 260 ter Ziff. 1 StGB wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft, wer sich an einer Organisation beteiligt, die ihren Aufbau und ihre personelle Zusammensetzung geheim hält und die den Zweck verfolgt, Gewaltverbrechen zu begehen oder sich mit verbrecherischen Mitteln zu bereichern. Ebenso macht sich strafbar, wer eine solche Organisation in ihrer verbrecherischen Tätigkeit unterstützt. Unter den Begriff der kriminellen Organisationen fallen neben den mafiaähnlichen Verbrechersyndikaten auch hochgefährliche terroristische Gruppierungen. Nicht zu den kriminellen Organisationen gezählt werden hingegen (grundsätzlich) extremistische Parteien, oppositionelle politische Gruppen sowie Organisationen, die mit angemessenen (nicht verbrecherischen) Mitteln um die politische Macht in ihrem Heimatland ringen oder einen Freiheitskampf gegen diktatorische Regimes führen ( BGE 131 II 235 E. 2.12 S. 241; BGE 130 II 337 E. 3.4 S. 344; BGE 128 II 355 E. 4.3 S. 365 f.; BGE 125 II 569 E. 5c S. 574, je mit Hinweisen). Nach der Praxis des Bundesgerichtes stellen insbesondere die italienischen "Brigate Rosse", die baskische ETA oder das internationale Netzwerk Al-Qaïda terroristische verbrecherische Organisation im Sinne von Art. 260 ter Ziff. 1 StGB dar ( BGE 131 II 235 E. 2.12 S. 241; BGE 128 II 355 E. 2.2 S. 361; BGE 125 II 569 E. 5c-d S. 574 f.). BGE 133 IV 58 S. 71 Als Beteiligte im Sinne von Art. 260 ter Ziff. 1 Abs. 1 StGB sind alle Personen anzusehen, welche funktionell in die kriminelle Organisation eingegliedert sind und im Hinblick auf deren verbrecherische Zweckverfolgung Aktivitäten entfalten. Diese Aktivitäten brauchen (für sich allein) nicht notwendigerweise illegal bzw. konkrete Straftaten zu sein. Es genügen namentlich auch logistische Vorkehren, die dem Organisationszweck unmittelbar dienen (wie z.B. Auskundschaften, Planen oder Bereitstellen der operativen Mittel, insbesondere Beschaffen von Fahrzeugen, Waffen, Kommunikationsmitteln oder Finanzdienstleistungen usw.). Die Beteiligung setzt auch keine massgebliche Funktion innerhalb der Organisation voraus. Sie kann informeller Natur sein oder auch geheim gehalten werden ( BGE 131 II 235 E. 2.12.1 S. 241; BGE 128 II 355 E. 2.3 S. 361 mit Hinweisen). Bei Personen, die nicht in die Organisationsstruktur integriert sind, kommt die Tatvariante der Unterstützung in Frage. Diese verlangt einen bewussten Beitrag zur Förderung der verbrecherischen Aktivitäten der kriminellen Organisation. Im Gegensatz zur Gehilfenschaft zu spezifischen Straftaten ( Art. 25 StGB ) ist für die Unterstützung nach Art. 260 ter Ziff. 1 Abs. 2 StGB der Nachweis von kausalen Tatbeiträgen im Hinblick auf ein konkretes Delikt nicht erforderlich. So können namentlich das blosse Liefern von Waffen an eine terroristische oder mafiaähnliche Organisation, das Verwalten von Vermögenswerten oder andere logistische Hilfeleistungen von Aussenstehenden unter den Organisationstatbestand von Art. 260 ter Ziff. 1 Abs. 2 StGB fallen. Dementsprechend besteht zwischen der Beihilfe zu konkreten Straftaten und dem Organisationstatbestand auch grundsätzlich echte Konkurrenz ( BGE 131 II 235 E. 2.12.2 S. 241 f.; BGE 128 II 355 E. 2.4 S. 362 mit Hinweisen). Der subjektive Tatbestand von Art. 260 ter Ziff. 1 Abs. 2 StGB verlangt jedoch, dass der Unterstützende weiss oder zumindest in Kauf nimmt, dass sein Beitrag der verbrecherischen Zweckverfolgung der kriminellen Organisation dienen könnte. Blosse Sympathisanten oder "Bewunderer" von terroristischen oder mafiaähnlichen Vereinigungen fallen demgegenüber nicht unter den Organisationstatbestand ( BGE 131 II 235 E. 2.12.2 S. 242; BGE 128 II 355 E. 2.4 S. 362 mit Hinweisen). 5.3.2 Zunächst ist zu prüfen, ob die fragliche Organisation (DHKP-C) im Zeitpunkt der untersuchten Beteiligung bzw. Unterstützung als terroristisch einzustufen war (vgl. BGE 131 II 235 E. 2.13 S. 242 f.). Dem Verfolgten wird vorgeworfen, er sei im September und Oktober 1995 (als 16-Jähriger kurdischer Abstammung) aktives Mitglied dieser separatistischen Gruppierung gewesen. BGE 133 IV 58 S. 72 Der angefochtene Entscheid enthält keine konkreten Angaben da zu, ob diese Organisation im Herbst 1995 terroristisch tätig war und worin im relevanten Zeitraum die verbrecherischen Aktivitäten bestanden hätten. Auch dem Bericht des DAP lassen sich dazu keine Informationen entnehmen: In zeitlicher Hinsicht wird lediglich ausgeführt, dass die DHKP-C seit Oktober 1997 auf der Liste der terroristischen Organisationen stehe und mit Beschluss vom 2. Mai 2002 in die vom EU-Rat geführte Liste der terroristischen Organisationen aufgenommen worden sei. Dem Verfolgten wird jedoch nicht vorgeworfen, er sei im Oktober 1997 bzw. Mai 2002 noch aktives Mitglied der Organisation gewesen. Gemäss Ersuchen habe er kurz nach den untersuchten Vorfällen vom Herbst 1995 die Gruppe "E." definitiv verlassen (vgl. oben, E. 5.1.3.3). Seit Mai 1996 befindet sich der Verfolgte in der Schweiz. Weder die hiesigen noch die türkischen Behörden machen geltend, er habe ab 1996 an strafbaren Handlungen teilgenommen. Ebenso wenig wird behauptet, die Staatengemeinschaft habe die Widerstandsaktivitäten der DHKP-C schon ab Herbst 1995 als terroristisch eingestuft. Schwere Anschläge im fraglichen Zeitraum werden nicht erwähnt. Im angefochtenen Entscheid fehlt es sodann an jeglicher Bezugnahme zur bürgerkriegsähnlichen Situation in der fraglichen Region im Zeitpunkt der untersuchten Vorgänge. Der historisch-völkerrechtliche Kontext bzw. der Bürgerkriegshintergrund bleiben völlig ausgeblendet. Bei der Beurteilung von Gewaltaktionen militanter Widerstandsorganisationen wäre auch der Art und Weise Rechnung zu tragen, wie die türkische Armee und Polizei in den 1990er-Jahren gegen die kurdische Zivilbevölkerung und gegen Vertreter radikaler Widerstandsbewegungen vorging. Wie der Rechtsprechung des EGMR zu entnehmen ist, sind gewaltsame Auseinandersetzungen bzw. Anschläge separatistischer Organisationen auf türkische Sicherheitskräfte zumindest teilweise auch auf ethnische Verfolgung bzw. auf schwere Menschenrechtsverletzungen durch die türkische Armee und Polizei zurückzuführen. Dies gilt besonders für den hier fraglichen Zeitraum von 1994-1995 (vgl. oben, E. 4.2-4.4). Im angefochtenen Entscheid wird weder geprüft, inwiefern die DHKP-C in diesem Sinne als Bürgerkriegspartei im türkisch-kurdischen Konflikt anzusehen war ( BGE 130 II 337 E. 7.1 S. 346 f.), noch wird dargelegt, gegen wen genau sich die nicht näher spezifizierten Anschläge gerichtet haben bzw. wann und wo diese erfolgten. Im vorliegenden Zusammenhang wäre es von entscheidender Bedeutung, BGE 133 IV 58 S. 73 ob einzelne Gewaltakte im Kontext gegenseitiger Menschenrechtsverletzungen bzw. eines akuten Bürgerkrieges begangen wurden, oder ob es sich um schwere Anschläge, namentlich gegen Zivilisten, in Zeiten relativen Friedens oder ausserhalb der Konfliktregion handelte (vgl. BGE 131 II 235 E. 2.13 S. 242 f., E. 3.5 S. 246 f.; MARC FORSTER, Zur Abgrenzung zwischen Terroristen und militanten "politischen" Widerstandskämpfern im internationalen Strafrecht, ZBJV 141/2005 S. 213 ff., 236-238 [im Folgenden: ZBJV 141/2005]; derselbe , Terroristischer Massenmord an Zivilisten als "legitimer Freiheitskampf" [im Sinne von Art. 260 quinquies Abs. 3 StGB ] kraft "Analogieverbot"?, ZStrR 124/2006 S. 331 ff., 333; HANS VEST, Berner Kommentar StGB, Bern 2007, N. 15 f. zu Art. 260 ter StGB ). Im Bericht des DAP wird immerhin präzisiert, dass sich die Anschläge der DHKP-C hauptsächlich gegen Repräsentanten von Staat, Armee, Polizei, Justiz und Politik gerichtet hätten. In akuten Bürgerkriegen würde eine klare Fokussierung der Widerstands- und Gewaltaktivitäten auf gegnerische Sicherheitskräfte und staatliche Funktionäre eher gegen eine terroristische Natur der Gewaltaktionen sprechen (vgl. BGE 131 II 235 E. 3.5 S. 246 f.; FORSTER, ZBJV 141/2005 S. 237 f.). Weder im angefochtenen Entscheid noch im Ersuchen wird behauptet, dass die Organisation gegen zivile Ziele Sprengstoff- oder Brandanschläge verübt hätte. Ebenso wenig wird erläutert, welcher Art die politischen Forderungen an die türkische Regierung waren und ob sich diese damals auf das Ziel der politisch-kulturellen Autonomie der kurdischen Bevölkerungsgruppe bzw. der Wahrung ihrer Menschenrechte konzentrierten. Ohne minimale Angaben zum Kontext des bewaffneten Konflik tes zwischen militanten separatistischen Gruppierungen und türkischen Sicherheitskräften im Herbst 1995 lässt sich die terroristische Natur der beteiligten Organisationen im strafrechtlichen Sinne nicht prüfen. Insbesondere wäre es unzulässig, Konfliktparteien eines Bürgerkrieges ohne jede Differenzierung als terroristisch einzustufen und internationalstrafrechtlich zu verfolgen ( BGE 130 II 337 E. 7.1 S. 346 f.; vgl. URSULA CASSANI, Le train de mesures contre le financement du terrorisme: une loi nécessaire?, SZW 75/2003 S. 293 ff., 299 f.; FORSTER, ZBJV 141/2005 S. 236 ff.; VEST, a.a.O., N. 22-26 zu Art. 260 quinquies StGB ). 5.3.3 Angesichts der mangelnden Tatsachengrundlagen kann vom Bundesgericht nicht beurteilt werden, ob die DHKP-C für den hier BGE 133 IV 58 S. 74 massgeblichen Zeitraum (Herbst 1995) als terroristische Organisation einzustufen ist. 5.3.4 Neben einer kriminellen Organisation verlangt Art. 260 ter StGB auch noch den Nachweis einer Unterstützung oder Beteiligung an der Organisation. Auch dazu enthält das Ersuchen wenig Angaben. Zwar wird dem Verfolgten eine "Mitgliedschaft" bei der DHKP-C vorgeworfen. Es fehlen jedoch konkrete Hinweise, die auf eine funktionale Eingliederung in die Organisation schliessen liessen. Besonders bei einem damals 16-jährigen Jugendlichen wäre die Mitgliedschaft in einer angeblich terroristischen Organisation näher zu begründen und darzulegen, weshalb der Jugendliche nicht bloss als Mitläufer, als lose assoziierter Gehilfe bei einzelnen Delikten oder als aktiver Sympathisant einzustufen ist. 5.3.5 Auch die Abklärungen des BJ erscheinen in diesem Zusammenhang lückenhaft. So enthält der angefochtene Entscheid keine näheren Angaben zur Person des Verfolgten. Es wird lediglich erwähnt, er sei am 26. Juni 1979 geboren, kurdischer Abstammung und am 19. Mai 1996 in die Schweiz eingereist. Namentlich die Fakten, welche das BFF am 3. November 1999 dazu bewogen, dem Verfolgten die vorläufige Aufnahme zu gewähren und eine Wegweisung als unzumutbar zu bezeichnen, werden nicht erörtert. Ebenso wenig legt das BJ dar, wie sich der Verfolgte in den mehr als 10 Jahren seines bisherigen Aufenthaltes in der Schweiz verhalten hat, ob er beispielsweise straffällig (oder in anderer Weise polizeilich auffällig) geworden ist. Nach eigenen Angaben hat er am 7. August 2006 ein Asylgesuch gestellt, das noch hängig ist (vgl. dazu oben, E. 5.2.2). 5.3.6 Die ersuchende Behörde stützt sich für ihre Sachdarstellung ausdrücklich auf das Verhörprotokoll des Hauptangeklagten vom 9. Mai 1997. Die betreffenden Beweisergebnisse (vgl. ausführlich E. 5.1.3) sprechen allerdings gegen eine terroristische Aktivität des Verfolgten im Sinne von Art. 260 ter StGB : Danach sei der Verfolgte im Jahre 1994 von Verantwortlichen der DHKP-C angeworben worden. Nach einer Ausbildung sei er einer separatistischen Aktivistengruppe zugewiesen worden, die er aber im gleichen Jahr wieder verlassen habe. Dementsprechend habe er an verschiedenen Aktionen dieser Gruppe nicht mehr teilgenommen. Ab 1995 hätten ältere Mitglieder den knapp 16-Jährigen wieder an Treffen der Gruppe mitgebracht. Die Beziehungen zu deren BGE 133 IV 58 S. 75 Anführer seien abgebrochen worden. Nachdem der jüngere Bruder eines Gruppenmitgliedes von türkischen Sicherheitskräften in Gazi getötet worden sei, habe sich die (nach dem Erschossenen benannte) Aktivistengruppe im August/September 1995 noch aus dem Bruder des Getöteten, dem Verfolgten und eine kurze Zeit lang aus einem dritten Mitglied zusammengesetzt. Über funktionierende Waffen habe die Gruppe bis zum 23. September 1995 (Entwendung der Pistole eines Dorfwächters) nicht verfügt. Bald nach dem Tötungsfall vom 2. Oktober 1995 habe der Verfolgte die Gruppe (und später auch die Türkei) endgültig verlassen. 5.3.7 Diese Sachdarstellung lässt weder auf eine funktionale Eingliederung in eine straff organisierte terroristische Gruppierung im Sinne von Art. 260 ter StGB schliessen noch auf eine systematische Unterstützung von verbrecherischen Aktivitäten einer terroristischen Organisation. Im Zeitraum von 1994 bis Spätsommer 1995 ist der Verfolgte gemäss den Unterlagen der ersuchenden Behörde als eher zögerlicher jugendlicher Mitläufer bzw. aktiver Sympathisant aufgetreten. Die Angaben des Ersuchens zu den beiden Vorfällen vom 23. September und 2. Oktober 1995 lassen sein Verhalten noch nicht als Terrorismus im strafrechtlichen Sinne erscheinen. Der Tatbestand der Unterstützung einer kriminellen Gruppierung würde nicht nur das Vorliegen einer Organisation im Sinne von Art. 260 ter StGB voraussetzen. Der Täter müsste der Organisation zudem gezielt und systematisch bei ihrer verbrecherischen bzw. terroristischen Zweckverfolgung geholfen haben. Insofern ist der Unterstützungstatbestand von der Beihilfe an konkreten Verbrechen, von der entfernten Gehilfenschaft (Beihilfe zur Gehilfenschaft) und vom aktiven Sympathisantentum juristisch abzugrenzen ( BGE 131 II 235 E. 2.12.2 S. 242; BGE 128 II 355 E. 2.4 S. 362 mit Hinweisen). 6. Zusammenfassend ist Folgendes festzuhalten: Im vorliegenden Fall bestehen keine ausreichend klaren, widerspruchsfreien und verlässlichen Verdachtsgründe dafür, dass der Verfolgte sich eines Tötungsdeliktes bzw. der Unterstützung oder Mitgliedschaft bei einer kriminellen Organisation strafbar gemacht hat. Zudem widerspräche eine Auslieferung des zur Tatzeit 15- bis 16-jährigen Verfolgten, der im Rahmen bürgerkriegsähnlicher Auseinandersetzungen einer separatistischen Widerstandsgruppe lose angehörte, 1996 mit 17 Jahren als Flüchtling in die Schweiz emigrierte, 1999 asylrechtliche vorläufige Aufnahme fand und seit mehr als 10 Jahren hier ohne Beanstandungen lebt, dem Sinn und Zweck des EAUe. BGE 133 IV 58 S. 76 7. Es stellt sich die Frage, ob sich im vorliegenden Fall eine nochmalige Ergänzung des Ersuchens rechtfertigt. Dabei ist namentlich zu berücksichtigen, dass die untersuchten Vorkommnisse mehr als 11 Jahre zurückliegen und nach derart langer Zeit kaum wesentliche und verlässliche Ergänzungen des Sachverhaltes erwartet werden können. Das Ersuchen wurde ausserdem bereits vor mehreren Jahren ergänzt. Wie dargelegt, enthält es dennoch weiterhin Mängel und Widersprüche. Es kommt hinzu, dass sich hier noch zusätzliche Abklärungen (zur Menschenrechtssituation und zur Frage der politischen Natur des Deliktes) sowie weitere förmliche Zusicherungen der ersuchenden Behörde aufdrängen würden. Aufgrund der Rechtshilfeakten kann nicht erwartet werden, dass die notwendigen zusätzlichen Abklärungen und Garantien innert angemessener Frist erhältlich wären. Das Ersuchen wurde vor mehr als dreieinhalb Jahren eingereicht, und der Verfolgte befindet sich seit fast einem Jahr in Auslieferungshaft. Bei dieser Sachlage rechtfertigt sich keine weitere Verzögerung des Auslieferungsverfahrens und keine Fortdauer der Auslieferungshaft. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und das Auslieferungsersuchen abzuweisen.
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Sachverhalt ab Seite 66 BGE 93 IV 66 S. 66 A.- Im Zusammenhang mit Verbilligungsaktionen des Bundes zur Verwertung von Butterüberschüssen und Förderung des Butterabsatzes wurde vor Jahren eine besondere Buttersorte geschaffen, eine Mischung von Käsereibutter und Importbutter, zeitweise auch schweizerischer Tafelbutter. Sie wird verbilligte Frischkochbutter (FKB) genannt und von der Butyra (Schweizerische Zentralstelle für Butterversorgung) in Originalpackungen zu 250 g und 1 kg geliefert, beide in Aluminiumfolien mit dem mehrfachen grünen Aufdruck "Kochbutter". Die FKB war zunächst ausschliesslich bestimmt für den direkten Konsum durch private und kollektive Haushaltungen, für das Bäcker- und Konditoreigewerbe sowie für die Kochfettindustrie. Damit die Schachtelkäseindustrie (SKI) als weitere Buttergrossverbraucherin, für welche aber die FKB anfänglich nicht bestimmt war, konkurrenzfähig blieb, richtete ihr der Bund über die Butyra Verbilligungsbeiträge an die andern von ihr zu beziehenden Buttersorten aus. Den Massnahmen lagen folgende Bestimmungen zu Grunde: 1. - Der BRB vom 26. April 1957 betreffend die Verbilligungsbeiträge und die Handelspreise für Butter (AS 1957 362); er setzt in Art. 2 die Bedingungen fest, zu denen die Butyra an BGE 93 IV 66 S. 67 die Grossisten verbilligte Kochbutter liefert, und Art. 3 Abs. 1 nennt die für den Weiterverkauf von verbilligter Kochbutter geltenden Festpreise, die weder über-noch unterschritten werden dürfen. Art. 3 bestimmt ferner; 2 Die verbilligte Kochbutter wird von der Butyra in Original-Kleinpackungen geliefert. Es ist allen Handelsstufen verboten, verbilligte Kochbutter ohne Originalpackung zu verkaufen oder mit andern Sorten zu vermischen. 3 Detaillisten dürfen mit verbilligter Kochbutter nur Handel treiben, wenn sie sich gegenüber ihren Lieferanten und der Butyra schriftlich verpflichten, diese Kochbutter weder direkt noch über Zwischenhändler an die Kochfett- und Schachtelkäseindustrie zu liefern und für den Fall der Verletzung dieser Verpflichtung der Butyra eine von ihr festzusetzende Konventionalstrafe bis zum anderthalbfachen Betrag der Verbilligungsbeiträge auf den rechtswidrig verkauften Buttermengen zu bezahlen. Grossisten dürfen nur an Detaillisten liefern, die ihnen gegenüber eine solche Verpflichtung eingegangen sind. Mit bezug auf die Schachtelkäseindustrie bestimmt Art. 5: 1 Der Bund leistet den Schachtelkäsefabriken über die Butyra Verbilligungsbeiträge von 1.03 Franken per kg Butter, die zur Herstellung von Schachtelkäse bezogen wird. 2 Diese Verbilligungsbeiträge werden nur an Schachtelkäsefabrikanten ausgerichtet, die sich der Butyra gegenüber verpflichten, keine verbilligte Kochbutter im Sinne von Art. 2-4 zuzukaufen und für den Fall der Verletzung dieser Verpflichtung der Butyra eine von ihr festzusetzende Konventionalstrafe bis zum anderthalbfachen Betrag der Verbilligungsbeiträge auf den rechtswidrig bezogenen Buttermengen zu bezahlen. Nach Art. 6 unterliegt, wer seiner Verpflichtungserklärung zuwiderhandelt, der von der Butyra festzusetzenden Konventionalstrafe; unabhängig davon hat die Abteilung für Landwirtschaft des EVD die Rückerstattung zu Unrecht bezogener Beiträge zu verlangen, sie kann zudem Vermögensvorteile einfordern, die auf Grund rechtswidriger Handlungen erlangt wurden. 2. Diesem BRB folgte auf den 1. November 1960 der BRB gleichen Titels vom 28. Oktober 1960 (AS 1960 1204). Eine Verpflichtungserklärung ist nicht mehr vorgesehen. Indessen ist sowohl das Verkaufen von FKB ohne Originalpackung wie das Mischen mit andern Sorten nach wie vor verboten (Art. 4 Abs. 4). Der Verbilligungsbeitrag des Bundes an die SKI für Käsereibutter bleibt sich mit 1.03 Franken je kg gleich BGE 93 IV 66 S. 68 (Art. 6). Eine Konventionalstrafe steht mangels Verpflichtungserklärung nicht mehr in Frage. Dagegen hat die Abteilung für Landwirtschaft nach wie vor zu Unrecht bezogene Beiträge zurück- und unrechtmässig erlangte Vermögensvorteile einzufordern (Art. 8 Abs. 2). Der BRB enthält nunmehr eine besondere Strafnorm (Art. 10), welche für Widerhandlungen gegen seine Bestimmungen die in Art. 9 Abs. 1 des Bundesbeschlusses vom 19. Juni 1959 über zusätzliche wirtschaftliche und finanzielle Massnahmen auf dem Gebiete der Milchwirtschaft (Milchwirtschaftsbeschluss AS 1959 907) und in Art. 112 des Landwirtschaftsgesetzes vom 3. Oktober 1951 (AS 1953 1073) vorgesehenen Strafen androht, d.h. einerseits Busse bis zu Fr. 300.-- für vorsätzliche oder fahrlässige Widerhandlung gegen die Vorschriften und anderseits Haft oder Busse bis zu Fr. 1000.-- für vorsätzlich bzw. bis Fr. 300.-- für fahrlässig unwahre oder täuschende Angaben in einem Beitragsverfahren, sofern nicht eine schwerere strafbare Handlung vorliegt. 3. Dieser Regelung folgt auch der BRB gleichen Titels vom 28. April 1961 (AS 1961 345), in Kraft vom 1. Mai bis 31. Oktober 1961 bzw. für FKB-Preise vom 1. Juni bis 30. November 1961. 4. Der BRB gleichen Titels vom 31. Oktober 1961 (AS 1961 949), in Kraft seit 1. November 1961 (für FKB-Preise seit 1. Dezember 1961), regelt die Preise und Bezugsbedingungen teilweise neu. Die SKI darf nun FKB beziehen, jedoch nur zu den für die Kochfettindustrie geltenden Bedingungen (Art. 7 Abs. 2), mithin nur von anerkannten Butter-Grossisten (Art. 2 Abs. 2); für andere Butter als FKB leistet der Bund der SKI über die Butyra noch Verbilligungsbeiträge von Fr. 0.73 je kg (Art. 7 Abs. 1). Zum Verbot, FKB ohne Originalpackung zu verkaufen oder mit anderer Butter zu mischen, tritt das ebenfalls an alle Handelsstufen gerichtete Verbot, FKB überhaupt auszupacken (Art. 2 Abs. 1). Hinsichtlich der vermögensrechtlichen Sanktionen (Art. 9) und der Strafbestimmung (Art.11) übernimmt der BRB die bereits im BRB vom 28. Oktober 1960 getroffene Regelung. B.- Der Beschwerdeführer Fritz Wüthrich, Käser und Butterdetaillist, hatte sich am 28. Mai 1957 durch Unterzeichnung der in Art. 3 Abs. 3 BRB vom 26. April 1957 vorgesehenen Verpflichtungserklärung verpflichtet, den Bestimmungen des BGE 93 IV 66 S. 69 BRB in allen Teilen nachzuleben, somit auch keine FKB an die SKI zu liefern. Anderseits hatte auch die Schachtelkäsefabrik AG Liebefeld-Bern, mit der Wüthrich in Geschäftsbeziehungen stand, am 13. Mai 1597 durch Unterzeichnung einer Verpflichtungserklärung gemäss Art. 5 BRB vom 26. April 1957 eine entsprechende Verpflichtung übernommen, insbesondere nur für solche Butter Verbilligungsbeiträge zu verlangen, für welche sie die Normalpreise hatte zahlen müssen; auch hatte sie bestätigt, davon Kenntnis zu haben, dass es ihr untersagt sei, FKB für die Verarbeitung in Schmelzkäse zu beziehen. Dessen ungeachtet belieferte Wüthrich vom Juni 1957 bis Juli 1962, also während der Gültigkeitsdauer des BRB vom 26. April 1957 wie der nachfolgenden Bundesratsbeschlüsse, die Schachtelkäsefabrik mit vom Bund verbilligter Frischkochbutter. Er kaufte diese nur in Packungen von 1 kg und 250 g erhältliche Butter an verschiedenen Orten und in unterschiedlichen Mengen, packte sie in seinem Betrieb, der Käserei Belpberg, aus ihrer Originalhülle und verkaufte sie, zu grössern Ballen umgemodelt, der Schachtelkäsefabrik als "Butter" zum höheren Preis frischer Käsereibutter. Die Abnehmerin forderte für diese angebliche Käsereibutter ihrerseits vom Bund gutgläubig die Verbilligungsbeiträge ein. Nach den Berechnungen der Vorinstanz muss Wüthrich insgesamt 72 240 kg oder rund 70 Tonnen FKB zum Käsereibutterpreis vorschriftswidrig an die Schachtelkäsefabrik verkauft und dadurch einen unrechtmässigen Gewinn von Fr. 103 595.66 abzüglich der von ihm bei andern Käsern zugekauften Käsereibutter im Betrag von Fr. 7 491.--, ergebend Fr. 96 104.66, oder zu seinen Gunsten auf Fr. 90 000.-- abgerundet, erzielt haben. C.- Die II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern als Berufungsinstanz erklärte mit Urteil vom 18. Mai 1966 Fritz Wüthrich des Betruges schuldig, fortgesetzt begangen vom Juni 1957 bis Juli 1962 in Belpberg zum Nachteil der Schachtelkäsefabrik Liebefeld AG im Deliktsbetrag von ca. Fr. 90 000.--, und verurteilte ihn zu 15 Monaten Gefängnis. D.- Wüthrich führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung, eventuell zur Neubeurteilung unter Annahme eines Schadensbetrags von ca. Fr. 15 000.-- an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er bestreitet die Anwendbarkeit des StGB; BGE 93 IV 66 S. 70 anwendbar seien lediglich die Strafbestimmungen des Landwirtschaftsgesetzes, die Strafverfolgung sei deshalb verjährt. Eventuell fehle es zur Annahme des Betruges am Tatbestandsmerkmal der Vermögensschädigung, diese sei jedenfalls nicht in dem von der Vorinstanz angenommenen Betrag erwiesen.
2,007
1,431
Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Der BRB vom 26. April 1957 enthält keine Strafnorm. Eine solche erscheint erstmals im BRB vom 28. Oktober 1960, der in Art. 10 bestimmt (ohne die hier wie in den folgenden Bestimmungen vorgenommene Hervorhebung der für das Verfahren massgeblichen Stellen): Widerhandlungen gegen die Artikel 1, 2 und 4 bis 7 werden gemäss Artikel 9, Absatz 1 des Bundesbeschlusses vom 19. Juni 1959 über zusätzliche wirtschaftliche und finanzielle Massnahmen auf dem Gebiete der Milchwirtschaft und, soweit unwahre oder täuschende Angaben in einem Beitragsgesuch gemacht werden, gemäss Art. 112 des Landwirtschaftsgesetzes vom 3. Oktober 1951 bestraft... Die gleiche Strafbestimmung wird im BRB vom 31. Oktober 1961 übernommen. Art. 112 LWG bestimmt: 1 Mit Haft oder mit Busse bis zu 1000 Franken wird bestraft, sofern nicht eine schwerere strafbare Handlung vorliegt: wer vorsätzlich in einem Beitragsgesuch unwahre oder täuschende Angaben macht. 2 Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Busse bis zu 300 Franken. Gleicherweise bestimmt der in Art. 10 BRB hievor nicht angeführte Abs. 2 von Art. 9 des Milchwirtschaftsbeschlusses: Wer vorsätzlich in einem Beitragsverfahren (also nicht nur in einem Beitragsgesuch) unwahre oder täuschende Angaben macht, wird, sofern nicht eine schwerere strafbare Handlung vorliegt, mit Haft oder mit Busse bis zu 1000 Franken bestraft... 2. Wie der Kassationshof in BGE 87 IV 98 ausgeführt hat, enthält Art. 112 Abs. 1 LWG eine Kollisionsnorm, wonach die Strafbestimmungen dieses Gesetzes nur anwendbar sind, sofern die Handlung nicht unter eine andere schwerere Strafbestimmung fällt. Dieser Vorbehalt bedeutet nach seinem Wortlaut, dass die Strafbestimmungen des Strafgesetzbuches den Vorrang BGE 93 IV 66 S. 71 haben und diejenigen des Landwirtschaftsgesetzes nicht Anwendung finden, wenn der Täter durch die gegen das LWG verstossende Handlung zugleich ein Verbrechen oder Vergehen des gemeinen Strafrechts erfüllt. Wer daher vorsätzlich durch unwahre oder täuschende Angaben einen Bundesbeitrag erschleicht oder zu erlangen sucht, ist nach Art. 148 Abs. 1 StGB und nicht nach Art. 112 Abs. 1 LWG strafbar. Letzteres bedroht selbst die schwersten Tatbestände, die es in Art. 112 umschreibt, nur mit Haft bis zu drei Monaten als Höchststrafe, kennt infolgedessen nur Übertretungen. Eine blosse Haftstrafe, wie sie das Landwirtschaftsgesetz vorsieht, könnte wohl in verschuldensmässig leichten Fällen ausreichen, wäre aber in schweren Fällen ungenügend, um das zugleich begangene Verbrechen des Betruges abzugelten, für welches Art. 148 Abs. 1 StGB Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängnis bis zu drei Jahren vorsieht (vgl. BGE 86 IV 95 für das KUVG). Die ausschliessliche Anwendung des Landwirtschaftsgesetzes hätte zudem zur Folge, dass Gehilfenschaft und Versuch gemäss Art. 104 Abs. 1 StGB straflos bleiben müssten, was namentlich in schwereren Fällen stossend wäre. Was für den Vorbehalt des gemeinen Strafrechts gegenüber Art. 112 LWG gilt, trifft erst recht gegenüber Art. 111 LWG zu, der auf die darin erwähnten Widerhandlungen lediglich Busse (bis zu 300 Franken) androht, was schlechterdings die Annahme ausschliesst, damit werde auch die Strafe des Betruges abgegolten. Dass der Vorbehalt der schwereren Strafbestimmung (des StGB) nicht auch hier, wie in Art. 112 LWG , ausdrücklich angebracht ist, ändert nichts; entscheidend ist allein, dass die auf die Widerhandlungen angedrohte Busse die Strafe auf den Betrug nicht abzugelten vermag. Art. 148 StGB erheischt im übrigen auch Anwendung auf die Betrugshandlungen, die während der Geltungsdauer des BRB vom 26. April 1957 zugleich mit Widerhandlungen gegen die Vorschriften des BRB begangen wurden. Dieser Erlass enthält, worauf die Vorinstanz mit Recht hinweist, keinerlei Strafnormen, auch keinen Ausschluss des gemeinen Strafrechts; dessen Anwendung ist daher ohne weiteres gegeben. 3. Betrug begeht, wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch BGE 93 IV 66 S. 72 dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt. Dass die Tatbestandsmerkmale der Absicht unrechtmässiger Bereicherung, der arglistigen Täuschung und der dadurch bewirkten Vermögensdisposition erfüllt sind, bestreitet der Beschwerdeführer nicht. Er macht lediglich geltend, die Schachtelkäsefabrik AG Liebefeld sei entgegen der Annahme der Vorinstanz nicht geschädigt worden. Die Vorinstanz verkenne die rechtlichen und tatbeständlichen Voraussetzungen, unter denen die Verbilligungsbeiträge an die Kochfettindustrie durch die Butyra ausbezahlt würden. Die Butterverbilligung sei eine Massnahme der staatlichen Wirtschaftspolitik und nicht eine Sache der Qualität. Für die Frage, ob die Schachtelkäsefabrik Anspruch auf Verbilligungsbeiträge hatte, spiele die Herkunft dieser Butter keine Rolle, und zwar deshalb, weil diese für die Schachtelkäsefabrik, nachdem die Verpackung entfernt war, gar nicht mehr feststellbar gewesen sei. Wesentlich für das Bestehen des Rückvergütungsanspruches sei einzig, dass die Schachtelkäsefabrik dafür den normalen Preis bezahlt und sie nicht als verbilligte Frischkochbutter eingekauft habe. Daher habe sich die Butyra bei ihren Kontrollen auch in keiner Weise für die Qualität der Butter interessiert. Gleicherweise ergebe sich aus den in Frage stehenden BRB 1957, 1960, 1961, dass die Ausrichtung von Verbilligungsbeiträgen nur voraussetze, dass die Schachtelkäsefabrik in gutem Glauben den normalen Preis für die Butter bezahlt habe; an irgendeine andere Voraussetzung sei sie nicht geknüpft. Die Schachtelkäsefabrik, die Wüthrich gutgläubig den normalen Butterpreis bezahlt habe, habe somit durchaus rechtmässig Verbilligungsbeiträge bezogen und riskiere daher nicht, diese Beiträge zurückerstatten zu müssen; sie sei soweit auch nicht geschädigt. Der Einwand geht fehl. Nicht zu entscheiden ist, ob die Schachtelkäsefabrik auf Rückerstattung (objektiv) zu Unrecht bezogener Verbilligungsbeiträge belangt werden kann. Deren Geltendmachung erscheint nach dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 2 BRB 1957 und den entsprechenden Sanktionsbestimmungen der folgenden BRB sowie des Art. 105 LWG jedenfalls nicht ausgeschlossen. Geschädigt war die Schachtelkäsefabrik schon dadurch, dass sie, von Wüthrich irregeführt, den höhern Preis für Käsereibutter bezahlte, hiefür aber bloss bereits verbilligte FKB erhielt, mag diese den verlangten Preis wert BGE 93 IV 66 S. 73 gewesen sein oder nicht ( BGE 76 IV 106 ). Geschädigt ist der Getäuschte immer schon dann, wenn Leistung und Gegenleistung in einem für ihn ungünstigeren Wertverhältnis stehen, als sie nach der vorgespiegelten Sachlage stehen müssten ( BGE 72 IV 130 ). Wie die Vorinstanz mit Recht bemerkt, war übrigens die FKB für die Schachtelkäsefabrik, die hiefür gleichviel wie für Käsereibutter bezahlte, weniger wert, denn sie gab ihr nicht wie diese Anspruch auf Verbilligungsbeiträge. Dass sich die Schachtelkäsefabrik dessen nicht bewusst wurde, ist für die Annahme einer Schädigung, die objektiv, nicht nach dem subjektiven Empfinden des Betroffenen, gegeben sein muss, bedeutungslos ( BGE 72 IV 131 ; BGE 76 IV 96 , 230). 4. Nach Auffassung der Vorinstanz ist der Schachtelkäsefabrik nicht nur Schaden entstanden durch die besondere wirtschaftspolitische Beschaffenheit der irrtümlich gekauften Butter, die den Verlust des Verbilligungsanspruches bedeutet, sondern auch durch deren qualitative Verschiedenheit von der gewünschten Käsereibutter. Zwar sei die FKB der Käsereibutter in allgemeiner Hinsicht mindestens gleichwertig, aber sie weise im allgemeinen einen geringern Fettgehalt als jene auf (minus ca 2%); das sei gerade für die Schachtelkäsefabrikation von Bedeutung, da die Verwendung von Butter vor allem bezwecke, dem Schachtelkäse den gesetzlich vorgeschriebenen Fettgehalt zu vermitteln. Um diesen zu erreichen, habe die Schachtelkäsefabrik daher mehr FKB verwenden müssen als sie Käsereibutter gebraucht hätte, was ihr bei gleichem Preis je kg ebenfalls Schaden gebracht habe; oder sie hätte bei gleichem Anteil Butter im Schachtelkäse eine fettreichere und daher voller mundende Qualität erzielen können, was sich auf den Ruf und Absatz ihres Käses günstig ausgewirkt hätte. Was der Beschwerdeführer hiegegen vorbringt, ist zu wesentlichem Teile Kritik an der Tatsachenfeststellung der Vorinstanz, womit er nicht gehört werden kann ( Art. 273 Abs. 1 lit. b; Art. 277 bis Abs. 1 BStP ). Gleiches gilt für die Aussetzungen an der Schadensberechnung und der Feststellung vorsätzlichen Handelns. Wie die Vorinstanz ausführt, übersteigt der entstandene Schaden den Betrag von Fr. 70 000.-- noch um einiges, dürfte aber mit der unrechtmässigen Bereicherung in der Höhe von rund Fr. 90 000.-- auf Seiten des Beschwerdeführers nicht übereinstimmen, ohne dass damit das Prinzip der Stoffgleichheit BGE 93 IV 66 S. 74 verlassen wäre. Die Differenz zwischen unrechtmässiger Bereicherung und Schaden, so bemerkt sie weiter, "erklärt sich aus der Tatsache, dass der Angeschuldigte durch sein widerrechtliches Tun sich nicht nur einen den Verbilligungsbeiträgen entsprechenden Geldbetrag verschafft, sondern einen darüber hinausgehenden Gewinn erzielt hat durch den Verkauf von Butter, die er nicht nur zu einem tiefern Preis, sondern der Schachtelkäsefabrik überhaupt nicht hätte verkaufen dürfen und auch nicht anderweitig hätte verkaufen können." Das scheint eher wohlwollend, auf jeden Fall nicht übertrieben gerechnet zu sein.
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Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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Sachverhalt ab Seite 129 BGE 139 IV 128 S. 129 A. Die stark alkoholisierte X., eine brasilianische Staatsangehörige, wurde am 28. Januar 2011, um 07.15 Uhr, durch die Kantonspolizei Zürich in der "A.-Bar", einer "Kontaktbar" im Kerngebiet des Stadtzürcher Milieus, angehalten. Da sie sich nicht ausweisen konnte (und wollte) und die Polizeibeamten in ihrer Handtasche keine Ausweispapiere fanden, wurde sie auf den Polizeiposten geführt. Im Zuge der auf dem Posten durchgeführten Durchsuchung wurden ein "Chip der Swisscom" und ein "I-Phone" gefunden sowie "offensichtliche Freier-Adressen", die darauf hinwiesen, X. sei ohne Bewilligung als Prostituierte erwerbstätig. Gestützt auf diese Daten kontaktierten die Polizeibeamten den späteren Zeugen B. Dieser gab an, mit X. Sexualverkehr gegen Geld gehabt zu haben. B. Das Obergericht des Kantons Zürich sprach X. zweitinstanzlich am 9. März 2012 des rechtswidrigen Aufenthalts und der Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung gemäss Art. 115 Abs. 1 lit. b und c des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG; BGE 139 IV 128 S. 130 SR 142.20) schuldig. In Bezug auf den Freispruch vom Vorwurf der Widerhandlung gegen Art. 115 Abs. 1 lit. a AuG (Verletzung von Einreisevorschriften) stellte es die Rechtskraft des Urteils des Bezirksgerichts Zürich vom 7. März 2011 fest. Es bestrafte X. mit 45 Tagen Freiheitsstrafe (wovon alle Tage durch Untersuchungs- und Sicherheitshaft erstanden sind). Den Vollzug der Freiheitsstrafe schob es nicht auf. Das Obergericht sprach X. keine Genugtuung zu und auferlegte ihr die Kosten des Berufungsverfahrens. Die erstinstanzliche Kostenregelung bestätigte es. C. Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X., sie sei vom Vorwurf der mehrfachen Widerhandlung gegen das Ausländergesetz freizusprechen und die Kosten des kantonalen Verfahrens seien auf die Gerichtskasse zu nehmen. Für die erlittene Untersuchungs- und Sicherheitshaft sei ihr eine Genugtuung von mindestens Fr. 4'500.- zuzusprechen. Eventuell sei das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. X. ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. D. Das Obergericht und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich haben auf eine Stellungnahme zur Beschwerde verzichtet. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Die Vorinstanz ist der Auffassung, dass die "offensichtlichen Freier-Adressen" im Rahmen der bei der Anhaltung durchgeführten polizeilichen Effektenkontrolle "ermittelt" wurden, welche ohne vorgängige Bewilligung der Staatsanwaltschaft in Form eines Durchsuchungsbefehls vorgenommen werden durfte, und zwar unabhängig davon, ob die fraglichen "Adressdaten" in Papierform oder aufgrund einer Durchsuchung des Telefons gefunden wurden. Eine nachträgliche Information der Staatsanwaltschaft sei - soweit eine solche notwendig sei - spätestens mit der Aktenzustellung an die Staatsanwaltschaft zur formellen Verfahrenseröffnung erfolgt. Die entdeckten Beweise seien verwertbar. Die Vorinstanz stützt ihre Ansicht insbesondere auf Art. 215 Abs. 2 lit. c und d i.V.m. Art. 241 Abs. 3 StPO . Die Beschwerdeführerin rügt eine unrichtige Anwendung von Art. 215 StPO respektive von Art. 241 Abs. 1 i.V.m. Art. 246 bzw. 250 StPO. BGE 139 IV 128 S. 131 Die Polizei habe Aufzeichnungen durchsucht, ohne dass die Verfahrensleitung diese Zwangsmassnahme vorgängig mündlich oder schriftlich angeordnet oder nachträglich bewilligt hätte. Da sie - die Beschwerdeführerin - in die polizeiliche Durchsuchung auch nicht eingewilligt habe, habe die Strafbehörde die "Freierliste" in Verletzung einer Gültigkeitsvorschrift gemäss Art. 141 Abs. 2 StPO erlangt. Die "offensichtlichen Freier-Adressen" und die in der Folge erhobenen Zeugenaussagen von B. seien nicht verwertbar. 1.2 Die polizeiliche Anhaltung im Sinne von Art. 215 StPO dient der Ermittlung einer allfälligen Verbindung zwischen der angehaltenen Person und einer Straftat. Gemäss Art. 215 Abs. 1 StPO kann die Polizei eine Person anhalten, um ihre Identität festzustellen (lit. a), sie kurz zu befragen (lit. b), abzuklären, ob sie eine Straftat begangen hat (lit. c) oder ob sich in ihrem Gewahrsam Gegenstände befinden, nach denen gefahndet wird (lit. d). Die angehaltene Person ist nach Art. 215 Abs. 2 StPO verpflichtet, ihre Personalien anzugeben (lit. a), Ausweispapiere vorzulegen (lit. b), mitgeführte Sachen vorzuzeigen (lit. c) und Behältnisse oder Fahrzeuge zu öffnen (lit. d). Ziel der Anhaltung ist, die Identität zu überprüfen und festzustellen, ob nach den Umständen der konkreten Situation ein Zusammenhang der betreffenden Person mit Delikten als möglich erscheint (NIKLAUS SCHMID, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts[nachfolgend: Handbuch], 2009, S. 432 Rz. 1002; ders. , Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar [nachfolgend: Praxiskommentar], 2009, N. 6 zu Art. 215 StPO ). Ein konkreter Tatverdacht wird nicht vorausgesetzt (NIKLAUS OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, 3. Aufl. 2012, S. 323 N. 884). Können die Abklärungen nach Art. 215 StPO nicht vor Ort erfolgen, ist die Polizei gemäss Abs. 1 der Bestimmung befugt, die angehaltene Person auf den Polizeiposten zu führen. Zur Anhaltung benötigt die Polizei keine vorgängige Anordnung oder Bewilligung der Staatsanwaltschaft im Sinne von Art. 198 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 241 StPO (vgl. JONAS WEBER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 9 zu Art. 198 StPO ). Kommt die angehaltene Person ihrer Pflicht nach Art. 215 Abs. 2 lit. c und d StPO zur Vorlage von Ausweispapieren und Gegenständen sowie zum Öffnen von Behältnissen und Fahrzeugen nicht nach, darf die Polizei Kleider, mitgeführte Gegenstände, Behältnisse oder Fahrzeuge ohne staatsanwaltschaftlichen Durchsuchungsbefehl unter den BGE 139 IV 128 S. 132 Voraussetzungen von Art. 241 Abs. 3 i.V.m. Art. 250 StPO durchsuchen (siehe Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1085 ff., 1225 zu Art. 214; ALBERTINI/AMBRUSTER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 16 zu Art. 215 StPO ; vgl. OBERHOLZER, a.a.O., S. 323 N. 885). Diese Durchsuchungen sind auf die Sicherung der Ziele der Anhaltung nach Art. 215 Abs. 1 StPO beschränkt (SCHMID, Praxiskommentar, a.a.O., N. 17 zu Art. 215 StPO ). Ebenfalls in eigener Kompetenz darf die Polizei die angehaltene Person aus Sicherheitsgründen - zum Zwecke der Gefahrenabwehr - gestützt auf Art. 241 Abs. 4 StPO durchsuchen. 1.3 Die Polizei führte die Beschwerdeführerin nach erfolglos gebliebener Ausweiskontrolle vor Ort auf den Polizeiposten, weil Anhaltspunkte für Widerhandlungen gegen das Ausländergesetz bestanden (Antreffen der stark alkoholisierten Beschwerdeführerin in einer einschlägigen "Kontakt-Bar" im Stadtzürcher Rotlichtmilieu; Weigerung, sich auszuweisen; keine Ausweispapiere). Die auf dem Polizeiposten durchgeführte Kontrolle der Beschwerdeführerin förderte u.a. "offensichtliche Freier-Adressen" zu Tage. Wie die Polizeibeamten auf diese Daten stiessen, geht aus den Akten nicht klar hervor. Auszugehen ist davon, dass die Beamten das mitgeführte I-Phone der Beschwerdeführerin bzw. - genauer - die darin gespeicherten Adressen durchsuchten. Darauf deuten verschiedene Hinweise im Polizeirapport vom 28. Januar 2011 hin. Eine solche Durchsuchung von Unterlagen - seien sie auf einem Datenträger gespeichert oder physisch im Sinne eines Schriftstücks ("Adressbüchlein") vorhanden - geht über den Zweck der Anhaltung hinaus. Die Befugnis der Polizei, mitgeführte Sachen sowie Behältnisse und Fahrzeuge ohne Befehl zu kontrollieren, geht nach Art. 215 Abs. 2 lit. c und d StPO nicht weiter als die Verpflichtung der angehaltenen Person, diese Sachen vorzuzeigen sowie Behältnisse und Fahrzeuge zu öffnen. Für eine weitergehende Durchsuchung der Effekten bietet die Anhaltung keine Rechtsgrundlage. Der Sache nach handelt es sich bei der zu beurteilenden Durchsuchung des I-Phones entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht (mehr) um eine zulässige Effektenkontrolle im Sinne von Art. 215 Abs. 2 lit. c und d i.V.m. Art. 250 StPO (und ebenso wenig um eine Sicherheitsdurchsuchung der angehaltenen Person zur Gefahrenabwehr gemäss Art. 215 i.V.m Art. 241 Abs. 4 StPO ), sondern um eine Durchsuchung von Aufzeichnungen im Sinne von Art. 246 StPO . BGE 139 IV 128 S. 133 1.4 Von einer Durchsuchung von Aufzeichnungen gemäss Art. 246 StPO wird gesprochen, wenn die Schriftstücke oder Datenträger im Hinblick auf ihren Inhalt oder ihre Beschaffenheit durchgelesen bzw. besichtigt werden, um ihre Beweiseignung festzustellen, sie allenfalls zu beschlagnahmen und zu den Akten zu nehmen (vgl. zu Art. 50 VStrR [SR 313.0] BGE 109 IV 154 E. 1). Solche Durchsuchungen von Unterlagen und Datenträgern sind nach Art. 198 i.V.m. Art. 241 Abs. 1 StPO grundsätzlich von der Staatsanwaltschaft (allenfalls vom Sachgericht) anzuordnen bzw. vorzunehmen (vgl. Botschaft, a.a.O., BBl 2006 1238). Es ist der Staatsanwaltschaft aber unbenommen, die Polizei im Rahmen von Art. 312 StPO damit zu beauftragen, die auf die Amtsstelle verbrachten bzw. entsiegelten Aufzeichnungen nach bestimmten Kriterien zu durchsuchen bzw. auszuwerten (ANDREAS J. KELLER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], 2010, N. 4 zu Art. 246 StPO ). Sofern im Sinne von Art. 241 Abs. 3 StPO "Gefahr in Verzug" vorliegt, kann die Polizei Unterlagen und Aufzeichnungen auch ohne besonderen Befehl der Staatsanwaltschaft durchsuchen. Das polizeiliche Handeln muss sich dann allerdings - wie bei einer allfälligen Delegation von der Staatsanwaltschaft an die Polizei nach Art. 312 StPO - angesichts der besonderen Relevanz des Eingriffs in die Privatsphäre der betroffenen Person (oder Dritter) auf einfache Sachverhalte beschränken (SCHMID, Handbuch, a.a.O., S. 474 Rz. 1074; ders. , Praxiskommentar, a.a.O., N. 3 zu Art. 246 StPO ; DIEGO R. GFELLER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 32 ff. zu Art. 241 StPO ; vgl. CATHERINE CHIRAZZI in: Commentaire romand, Code de procédure pénale, 2010, N. 28 und 33 zu Art. 241 StPO ). 1.5 Inwiefern vorliegend "Gefahr in Verzug" war, welche die Polizei zu selbständigem Handeln im Sinne von Art. 241 Abs. 3 StPO ermächtigte, ist nicht erkennbar. Der Umstand, dass die Anhaltung nach Art. 215 StPO und die damit einhergehende Beschränkung der Bewegungsfreiheit der angehaltenen Person nur kurze Zeit dauern darf (vgl. Botschaft, a.a.O., BBl 2006 1224; SCHMID, Handbuch, a.a.O., S. 433 Rz. 1003), vermag jedenfalls keine Dringlichkeit im Sinne von Art. 241 Abs. 3 StPO zu begründen. Andernfalls wäre die Polizei bei einer Anhaltung unter Hinweis auf die engen zeitlichen Grenzen stets und ohne weiteres befugt, Durchsuchungen nach Art. 246 StPO selbständig anzuordnen und durchzuführen. Das entspricht nicht dem Sinn des Gesetzes. Art. 241 Abs. 3 StPO kommt BGE 139 IV 128 S. 134 (nur) zum Tragen, wenn ohne sofortige Durchsuchung ein Beweisverlust zu befürchten ist (GFELLER, a.a.O., N. 33 zu Art. 241 StPO ; SCHMID, Handbuch, a.a.O., S. 468 f. Rz. 1064). Das ist hier nicht der Fall. Die "offensichtlichen Freier-Adressen" waren auf dem I-Phone gespeichert und konnten ohne Manipulation des Geräts nicht verloren gehen. Zwar durften die Polizeibeamten das I-Phone - ohne entsprechende Beschlagnahme - nur so lange (zurück-)behalten, als es der Beschwerdeführerin selber untersagt war, sich vom Ort der Massnahme zu entfernen. Das begründet aber für sich allein keine dringliche Situation im Sinne von Art. 241 Abs. 3 StPO , zumal nicht erstellt und angesichts des Zeitpunkts der Kontrolle auch nicht wahrscheinlich ist, dass die Staatsanwaltschaft für eine (mindestens mündliche) Anordnung der Durchsuchung des I-Phones nicht erreichbar war (KELLER, a.a.O., N. 23 zu Art. 241 und N. 4 zu Art. 246 StPO , welcher Dringlichkeit bei Durchsuchungen von Aufzeichnungen praktisch für ausgeschlossen hält). Das selbständige Handeln der Polizei ohne staatsanwaltschaftlichen Befehl war regelwidrig. Es stellt sich die Frage nach den prozessualen Folgen dieses Verstosses. 1.6 Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweise ist in Art. 141 StPO geregelt. Für Beweise, die durch verbotene Beweiserhebungsmethoden erlangt werden, sieht Art. 141 Abs. 1 Satz 1 StPO ein absolutes Beweisverwertungsverbot vor. Dasselbe gilt, wenn das Gesetz einen Beweis als unverwertbar bezeichnet ( Art. 141 Abs. 1 Satz 2 StPO ). Beweise, die Strafbehörden in strafbarer Weise oder unter Verletzung von Gültigkeitsvorschriften erhoben haben, dürfen nach Art. 141 Abs. 2 StPO grundsätzlich nicht verwertet werden, es sei denn, ihre Verwertung sei zur Aufklärung schwerer Straftaten unerlässlich. Beweise, bei deren Erhebung lediglich Ordnungsvorschriften verletzt wurden, sind dagegen gemäss Art. 141 Abs. 3 StPO verwertbar. Ob im Einzelfall eine Gültigkeits- oder eine Ordnungsvorschrift vorliegt, bestimmt sich (sofern das Gesetz die Norm nicht selber als Gültigkeitsvorschrift bezeichnet) primär nach dem Schutzzweck der Norm: Hat die Verfahrensvorschrift für die Wahrung der zu schützenden Interessen der betreffenden Person eine derart erhebliche Bedeutung, dass sie ihr Ziel nur erreichen kann, wenn bei Nichtbeachtung die Verfahrenshandlung ungültig ist, liegt eine Gültigkeitsvorschrift vor (zum Ganzen vgl. Botschaft, a.a.O., BBl 2006 1183 f.). 1.7 Dass die Polizeibeamten das I-Phone der Beschwerdeführerin bzw. die darin gespeicherten Adressen ohne die grundsätzlich BGE 139 IV 128 S. 135 erforderliche Bewilligung der Staatsanwaltschaft durchsuchten, führt nicht zu einem Verbot der Verwertung der erwähnten Freier-Adressen. Die Voraussetzungen für die Durchsuchung des (offenkundig nicht mittels eines Codes verschlossenen) I-Phones waren an sich erfüllt. Die Durchsuchung als solche war auch nicht unverhältnismässig. Die Polizeibeamten beschränkten sich offenbar darauf, (nur) Einsicht in die im Gerät abgelegten Adressen zu nehmen (vgl. hierzu Hinweis im Polizeirapport vom 28. Januar 2011, wonach "über die Agenda" eventuell noch weitere Freier ermittelt werden könnten). Anhaltspunkte dafür, dass sich die Beamten vorsätzlich und rechtsmissbräuchlich über die gesetzliche Zuständigkeitsordnung im Sinne von Art. 198 StPO hinwegsetzten bzw. den staatsanwaltschaftlichen Durchsuchungsbefehl bewusst nicht einholten, bestehen nicht. Das gilt umso mehr, als selbständiges polizeiliches Handeln im Rahmen von Art. 246 StPO nicht kategorisch ausgeschlossen, sondern bei Dringlichkeit ( Art. 241 Abs. 3 StPO ) möglich ist. Die Zuständigkeiten sind hier in einer gewissen Hinsicht "fliessend". Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände stellt das Erfordernis des staatsanwaltschaftlichen Durchsuchungsbefehls im vorliegenden Fall eine blosse Ordnungsvorschrift im Sinne von Art. 141 Abs. 3 StPO dar (vgl. insoweit auch GFELLER, a.a.O., N. 10 zu Art. 246 StPO mit Hinweisen). Demnach sind die ermittelten "offensichtlichen Freier-Adressen" und die gestützt darauf erlangten Aussagen des Zeugen B. verwertbar. 2. Die Beschwerdeführerin rügt einen Verstoss gegen Art. 243 StPO . Die angebliche Ermittlung von "offensichtlichen Freier-Adressen" habe nicht im Zusammenhang mit der ursprünglich abzuklärenden Straftat (rechtswidrige Einreise, allenfalls rechtswidriger Aufenthalt) gestanden, sondern auf eine "andere Straftat" im Sinne von Art. 243 StPO (Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung) hingewiesen. Die vorinstanzliche Schlussfolgerung, aufgrund des Kontrollorts und der starken Alkoholisierung der Beschwerdeführerin habe der Verdacht der Schwarzarbeit nicht von Beginn weg ausgeschlossen werden können, sei willkürlich. Die "Freierliste" hätte als Zufallsfund behandelt werden müssen. Sie sei - ebenso wie die in der Folge durchgeführte Befragung des Zeugen B. - nach Art. 141 StPO nicht verwertbar. 2.1 Unter Zufallsfunden nach Art. 243 StPO versteht man die bei der Durchführung von Zwangsmassnahmen allgemein und bei Durchsuchungen und Untersuchungen im Besonderen zufällig entdeckten BGE 139 IV 128 S. 136 Beweismittel, Spuren, Gegenstände oder Vermögenswerte, die mit der abzuklärenden Straftat in keinem direkten Zusammenhang stehen und den ursprünglichen Verdacht weder erhärten noch widerlegen, aber auf eine weitere Straftat hinweisen (GFELLER/THORMANN, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 6 zu Art. 243 StPO ; SCHMID, Praxiskommentar, a.a.O., N. 1 zu Art. 243 StPO ; ders. , Handbuch, a.a.O., S. 470 Rz. 1066; KELLER, a.a.O., N. 1 zu Art. 243 StPO ). Kein Zufallsfund liegt dagegen vor, wenn eine Spur bzw. ein Gegenstand in einem direkten Zusammenhang mit der abzuklärenden Straftat steht. Abzugrenzen sind Zufallsfunde von unzulässigen Beweisausforschungen, sogenannten "Fishing-Expeditions". Eine solche besteht, wenn einer Zwangsmassnahme kein genügender Tatverdacht zugrunde liegt, sondern aufs Geratewohl Beweisaufnahmen getätigt werden. Aus Beweisausforschungen resultierende Ergebnisse sind nicht verwertbar (siehe BGE 137 I 218 E. 2.3.2 mit zahlreichen Hinweisen auf Rechtsprechung und Lehre). 2.2 Gemäss Polizeirapport vom 28. Januar 2011 wurde gegen die Beschwerdeführerin wegen Verletzung von Art. 115 Abs. 1 lit. a und c AuG ermittelt. Es bestand der Verdacht der illegalen Einreise in die Schweiz zur Ausübung der Prostitution ohne Bewilligung. Die Polizei führte die Beschwerdeführerin gemäss Rapport zwar primär deshalb auf den Polizeiposten, weil sich diese nicht ausweisen konnte und Anhaltspunkte dafür bestanden, sie sei ohne gültige Ausweispapiere in der Schweiz anwesend. Damit stand für die Polizei nach Ansicht der Vorinstanz anfänglich zwar ein allfälliger Verstoss gegen Einreisevorschriften im Sinne von Art. 115 Abs. 1 lit. a AuG im Vordergrund, ohne dass aber Widerhandlungen gegen Art. 115 Abs. 1 lit. b und c AuG (rechtswidriger Aufenthalt, Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung) ausgeschlossen werden konnten. Solche Verstösse schienen vielmehr ebenso wahrscheinlich. Dieser Schluss der Vorinstanz ist nicht willkürlich. Er folgt aus der Gesamtsituation anlässlich der Kontrolle der Beschwerdeführerin (Einsatzörtlichkeit der Polizei in einer einschlägigen "Kontakt-Bar" im Kerngebiet des Stadtzürcher Milieus; starke Alkoholisierung der Beschwerdeführerin; Weigerung, sich auszuweisen; keine Ausweispapiere). Deren Einwand, nicht jede Frau, die sich im "Chreis Cheib" die "Nacht um die Ohren schlage", sei ein "leichtes Mädchen", ist nicht geeignet, den vorinstanzlichen Schluss in Frage zu stellen. Mit der Vorinstanz kann ohne Willkür davon ausgegangen werden, gegenüber der BGE 139 IV 128 S. 137 Beschwerdeführerin habe von Anbeginn an ein (Anfangs-)Verdacht bestanden, sie weile ohne gültige Papiere in der Schweiz und übe eine nicht bewilligte Erwerbstätigkeit aus. Die ermittelten Adressdaten von Freiern stehen demnach in direktem Zusammenhang mit den abzuklärenden Straftaten und stellen keinen Zufallsfund dar.
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Sachverhalt ab Seite 395 BGE 99 Ia 394 S. 395 A.- Der Grosse Rat des Kantons Basel-Stadt beschloss am 30. Juni 1972 ein "Gesetz betreffend den Betrieb von Taxis und Gesellschaftswagen im Kanton Basel-Stadt" (im folgenden: Taxi-Gesetz). Durch Referendum wurde die Volksabstimmung verlangt. Mit 37 898 Ja gegen 36 023 Nein haben die Stimmberechtigten das Gesetz in der Volksabstimmung vom 1. bis 3. Dezember 1972 angenommen. B.- Das Taxi-Gesetz unterstellt den Betrieb von Taxis auf dem Gebiet des Kantons Basel-Stadt der Bewilligungspflicht (§ 3). Es werden zwei Bewilligungsarten unterschieden (§ 4): a) Taxihalterbewilligungen A für den Betrieb von Taxis mit Inanspruchnahme öffentlicher Standplätze. b) Taxihalterbewilligungen B für den Betrieb von Taxis ohne Inanspruchnahme öffentlicher Standplätze. § 5 umschreibt die allgemeinen Bewilligungsvoraussetzungen. Unter anderm wird verlangt, dass der Bewerber den Geschäftssitz oder eine Zweigniederlassung im Kanton Basel-Stadt hat (Abs. 1 Ziff. 4). Voraussetzung für die Taxihalterbewilligung A BGE 99 Ia 394 S. 396 ist gemäss Abs. 1 Ziff. 8, dass der Bewerber "selbständig oder auf Grund eines gesellschaftsrechtlichen Zusammenschlusses Gewähr für einen 24-stündigen Bestell- und Fahrdienst während des ganzen Jahres bietet". C.- Werner Geiger und Alfred Abt, zwei selbständig erwerbende Taxihalter, sowie der Verband Unabhängiger Taxihalter und Grossrat Hansjürg Weder haben gemeinsam staatsrechtliche Beschwerde eingereicht mit dem Antrag, es seien die Ziff. 4 und 8 von § 5 Abs. 1 des Taxi-Gesetzes aufzuheben. D.- Namens des Regierungsrates des Kantons Basel-Stadt beantragt das Polizeidepartement Abweisung der Beschwerde.
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Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. a) Zur Anfechtung allgemeinverbindlicher Erlasse ist jeder legitimiert, auf den die angefochtenen Rechtssätze zur Zeit anwendbar sind oder künftig angewendet werden könnten; es genügt ein virtuelles Betroffensein ( BGE 99 Ia 264 E.I, BGE 97 I 915 E. 4a, BGE 88 I 175 E. 1, BGE 85 I 52 E. 2, BGE 82 I 98 E. 1b). Die Legitimation der beiden Taxihalter Geiger und Abt ist zum vornherein gegeben. Zur Beschwerde ist aber auch Hansjürg Weder befugt. Zwar ist er nicht Taxihalter; doch wäre er, wenn er sich je als Taxihalter betätigen möchte, von den angefochtenen Gesetzesbestimmungen betroffen. Die Beschwerde ist auch insoweit zulässig, als sie sich gegen die in § 5 Abs. 1 Ziff. 4 des Taxi-Gesetzes enthaltene Domizilklausel richtet. Obschon offenbar alle Beschwerdeführer im Kanton Basel-Stadt niedergelassen sind, ist diese Vorschrift auf sie virtuell anwendbar; denn sie hätte konkrete Auswirkungen, sobald einer der Beschwerdeführer inskünftig sich um eine Taxihalterbewilligung bewerben wollte, ohne seinen Geschäftssitz oder eine Zweigniederlassung im Kanton Basel-Stadt zu haben. b) Verbänden wird die Beschwerdelegitimation zur Wahrung der Interessen ihrer Mitglieder zugestanden, wenn die beschwerdeführende Organisation eine juristische Person ist, die einzelnen Mitglieder zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert wären und die Wahrung der durch ein verfassungsmässiges Recht geschützten Interessen zu den statutarischen Aufgaben der Organisation gehört ( BGE 81 I 121 , 88 1175, BGE 93 I 175 und 516, BGE 94 I 4 ). Der Verband Unabhängiger Basler Taxihalter ist ein Verein und bezweckt laut § 2 der Statuten "die Sicherung BGE 99 Ia 394 S. 397 und Verbesserung der Existenzgrundlagen seiner Mitglieder". Die Mitglieder wären zur Anfechtung des Taxi-Gesetzes mit staatsrechtlicher Beschwerde befugt. Dass der Verband diese Interessen der Mitglieder vertritt, entspricht seinem statutarischen Zweck. Die Voraussetzungen für die Beschwerdelegitimation des Verbandes sind somit erfüllt. 2. Entgegen dem ursprünglichen Antrag des Regierungsrates hat die Grossratskommission in dem in der Folge vom Grossen Rat und vom Volk angenommenen Gesetzestext sowohl für die A- als auch für die B-Bewilligungen das Erfordernis aufgestellt, dass der Bewerber den Geschäftssitz oder eine Zweigniederlassung im Kanton Basel-Stadt haben müsse (§ 5 Abs. 1 Ziff. 4). Diese Vorschrift wird zunächst damit begründet, dass die erforderliche Beaufsichtigung des Taxibetriebes ein "Domizil" im Kantonsgebiet notwendig mache; im übrigen rechtfertige auch "die Knappheit der auf der Allmend zur Verfügung stehenden Standplätze eine Einschränkung der Zahl ihrer Benützer auf diejenigen Taxihalter, die in Basel den Geschäftssitz oder wenigstens eine Zweigniederlassung haben" (vgl. Bericht der Grossratskommission S.9 und 11). a) Das Fehlen eines Geschäftssitzes oder einer Zweigniederlassung im Kantonsgebiet bildet an sich kein Hindernis für die Kontrolle der eingesetzten Fahrzeuge und die Beaufsichtigung der im Kanton Basel-Stadt ausgeübten beruflichen Tätigkeit. Die in der Vernehmlassung aufgezeigte Möglichkeit einer Meinungsverschiedenheit zwischen den Experten, welche das Fahrzeug im Standortkanton prüfen, und den Experten des Kantons Basel-Stadt, vermag auf jeden Fall das Erfordernis eines baselstädtischen Domizils nicht zu begründen. Selbst beim Bestehen eines Geschäftssitzes oder einer Zweigniederlassung im Kanton Basel-Stadt ist an sich die Verwendung von Fahrzeugen, die ausserhalb des Kantons immatrikuliert sind, nicht ausgeschlossen; anderseits könnte ein Unternehmen ohne Basler Geschäftsdomizil seine Taxifahrzeuge in Basel unterbringen und dementsprechend auch in Basel-Stadt immatrikulieren (SVG Art. 22 Abs. 1). Die abstrakte Gefahr einer interkantonalen Meinungsverschiedenheit der Experten wird also nicht durch das Fehlen eines baselstädtischen Geschäftsdomizils hervorgerufen, sondern ergibt sich bei ausserkantonaler Immatrikulation des in Basel verwendeten Taxifahrzeuges. BGE 99 Ia 394 S. 398 Eine eigentliche Betriebskontrolle mit Prüfung der Unterlagen über die Geschäftstätigkeit während eines längern Zeitraumes ist mit gewissen Schwierigkeiten verbunden, wenn das Taxi-Unternehmen weder seinen Geschäftssitz noch eine Zweigniederlassung im Kantonsgebiet hat. Zwar könnte der Bewilligungsinhaber verpflichtet werden, seine Bücher und Aufzeichnungen der zuständigen Instanz des Kantons Basel-Stadt auf entsprechende Aufforderung hin vorzulegen. Eine überraschende, unangemeldete Kontrolle in den ausserhalb des Kantons gelegenen Geschäftsräumen wäre jedoch nur auf dem Wege der Rechtshilfe oder mit Zustimmung der Behörden des andern Kantons möglich. Diese Schwierigkeiten lassen sich aber durch entsprechende Abmachungen weitgehend beseitigen. Die Domizilklausel im Sinne von § 5 Abs. 1 Ziff. 4 ist als Mittel zur Erleichterung der gewerbepolizeilichen Aufsicht unverhältnismässig. Wohl müssen Taxi-Unternehmungen dauernd beaufsichtigt werden. Diese Aufsicht dürfte sich aber doch vorwiegend im Tätigkeitsgebiet abspielen (Kontrolle der Fahrzeuge, der Taxuhren und der Tarifberechnung) und eher selten eine Kontrolle in den Betriebsräumen erfordern. Die geltend gemachten polizeilichen Gründe vermögen daher die Einschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit, die sich aus dem Erfordernis einer geschäftlichen Niederlassung ergibt, nicht zu rechtfertigen. b) Es bleibt zu prüfen, ob und inwiefern das in der Vernehmlassung nicht erwähnte, aber aus dem Bericht der Grossratskommission sich ergebende Argument, auch die Knappheit der auf der Allmend vorhandenen Standplätze rechtfertige den Ausschluss ausserkantonaler Taxihalter, für die Verfassungsmässigkeit der angefochtenen Domizilklausel von Belang ist. aa) Die A-Taxihalter sind berechtigt, ihre Fahrzeuge auf den öffentlichen Taxi-Standplätzen, die gemäss §lo des Taxi-Gesetzes vom Polizeidepartement bestimmt werden, aufzustellen. Die Benützung öffentlicher Taxi-Standplätze stellt einen gesteigerten Gemeingebrauch dar, und nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtes gibt Art. 31 BV keinen Anspruch auf die Benützung öffentlichen Bodens zu gewerblichen Zwecken ( BGE 97 I 655 ; BGE 81 I 18 /19 mit Hinweisen auf frühere Urteile). Diese Rechtsprechung, welche jede Auswirkung der Handels- und Gewerbefreiheit im Bereich der Verfügungen über öffentlichen Grund und Boden ausschliesst, wurde BGE 99 Ia 394 S. 399 von einzelnen Autoren kritisiert (MARTI, Handels- und Gewerbefreiheit S. 141, SALADIN, Grundrechte im Wandel, S. 250/52). Saladin fordert, dass die Handels- und Gewerbefreiheit auf staatliche Verfügungen über Grund und Boden ausstrahlen müsse (a.a.O. S. 251). Diese Kritik kann wohl nur in dem Sinne verstanden werden, dass die gewerbliche Tätigkeit auf öffentlichem Grund nicht willkürlich und ohne dass dies im öffentlichen Interesse notwendig wäre, eingeschränkt werden soll. Bei der Benützung öffentlicher Taxi-Standplätze ergibt sich aus den räumlichen Verhältnissen von vornherein eine gewisse Einschränkung. Die Zahl der Standplätze kann nicht beliebig vermehrt werden, und zur Vermeidung von Verkehrsstörungen und Auseinandersetzungen darf die Zahl der benützungsberechtigten Taxihalter nicht unbegrenzt erhöht werden ( BGE 97 I 657 ). Im Kanton Basel-Stadt ist zwar zur Zeit noch kein "numerus clausus" der A-Bewilligungen vorgesehen, d.h. die Behörden möchten nach Möglichkeit alle Bewerber, welche die Voraussetzungen erfüllen, zur Benützung der öffentlichen Standplätze zulassen; die faktisch notwendige Beschränkung soll sich offenbar aus den gesetzlichen Voraussetzungen (§ 5) ergeben, ohne dass mit problematischen individuellen Erwägungen einzelne Bewerber abgelehnt werden müssen. Die angefochtene Vorschrift in § 5 Abs. 1 Ziff. 4 des Taxi-Gesetzes dient diesem Zweck. Ist bei der Erteilung von Bewilligungen zur gewerblichen Benützung öffentlichen Bodens eine Auswahl notwendig, weil die Zahl der Bewerber grösser ist als die Zahl der nach den konkreten Verhältnissen möglichen Bewilligungen, so muss das Gemeinwesen bei dieser unvermeidlichen Auswahl auch Kriterien berücksichtigen dürfen, die nicht polizeilicher Natur sind. Nur willkürliche, sachlich nicht vertretbare Gesichtspunkte sind verfassungsrechtlich unzulässig (GRISEL, Droit administratif suisse S. 301). Dass ein Kanton den nicht unbeschränkt möglichen gesteigerten Gemeingebrauch öffentlichen Strassenareals in erster Linie denjenigen Unternehmungen einräumt, die in seinem Gebiet niedergelassen sind und als Steuerzahler die öffentlichen Lasten tragen helfen, ist nicht willkürlich; es handelt sich dabei um einen zwar nicht polizeilich begründeten, aber sachlich vertretbaren Gesichtspunkt, dessen Beachtung bei einer notwendigen Limitierung der Bewilligungsträger im Bereich der Verfügungen über öffentlichen Grund und Boden keine Verfasserungsnorm verletzt. BGE 99 Ia 394 S. 400 Wenn auch im Kanton Basel-Stadt zur Zeit kein "numerus clausus" der A-Bewilligungen besteht, so ist doch offensichtlich, dass diese problematische Massnahme nur vermieden werden kann, wenn der Kreis der möglichen Bewilligungsempfänger durch gesetzliche Voraussetzungen begrenzt wird. Im Rahmen dieses Systems erscheint es nicht als verfassungswidrig, eine Reduktion des Kreises der möglichen Bewerber dadurch zu erreichen, dass durch Gesetz ausserkantonale Taxiunternehmungen ohne Niederlassung im Kanton Basel-Stadt von der Benützung der nur in beschränkter Zahl vorhandenen öffentlichen Standplätze ausgeschlossen werden. bb) Diese Überlegung trifft auf die B-Bewilligungen nicht in gleichem Masse zu. Auf Grund des Taxi-Gesetzes könnte man sogar annehmen, Inhaber von B-Bewilligungen seien überhaupt nicht berechtigt, durch Aufstellen auf öffentlichem Grund Kunden anzuwerben, sie müssten sich einen privaten Standplatz beschaffen oder seien auf telephonische Bestellungen angewiesen. Wenn dem so wäre, so gäbe die B-Bewilligung keinen Anspruch auf gesteigerten Gemeingebrauch, und das Argument, wegen der räumlichen Verhältnisse sei eine Beschränkung der Zahl der Bewilligungen anzustreben, wäre in bezug auf diese Bewilligungskategorie verfehlt. Aus der Verordnung des Regierungsrates vom 9. April 1973 zum Taxi-Gesetz ergibt sich, dass auch B-Taxis zur Kundenwerbung auf öffentlichem Grund aufgestellt werden dürfen. Sie sind zwar ausgeschlossen von der Benützung der speziell bezeichneten öffentlichen Taxistandplätze, aber es ist ihnen gestattet, ausserhalb einer bestimmten Zone (Stadtzentrum) allgemein zugängliche öffentliche Parkflächen für gewerbliche Zwecke zu benützen (§ 1 der Verordnung). Auch diese Art der Benützung des Strassenareals ist nach der Praxis des Bundesgerichtes eine Form des gesteigerten Gemeingebrauchs ( BGE 97 I 655 ; BGE 81 I 19 ). Die B-Bewilligung enthält also ebenfalls eine Verfügung über öffentlichen Grund und Boden, nämlich die Erlaubnis, vorhandene Parkierungsmöglichkeiten zur Kundenwerbung zu benützen und damit vorübergehend dem allgemeinen Gebrauch zu entziehen. Die Notwendigkeit, die Zahl dieser Bewilligungen im öffentlichen Interesse zu beschränken, ist hier nicht so offensichtlich wie bei den A-Bewilligungen. Immerhin sollte im öffentlichen Interesse auch die temporäre Beanspruchung von Parkflächen durch wartende Taxis ein BGE 99 Ia 394 S. 401 gewisses, allerdings objektiv schwer bestimmbares Mass nicht überschreiten. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts ist auch diese Form der Bewilligung gesteigerten Gemeingebrauchs vom Verfassungsrichter nur unter dem Gesichtswinkel von Art. 4 BV zu prüfen. Doch selbst wenn im Sinne der erwähnten Kritik eine gewisse Ausstrahlung von Art. 31 BV in den Bereich der Verfügungen über öffentlichen Grund und Boden angenommen wird, so hindert die Handels- und Gewerbefreiheit das Gemeinwesen nicht, einen gesteigerten Gemeingebrauch von Strassen und Plätzen zu gewerblichen Zwecken den in seinem Gebiet niedergelassenen Unternehmungen vorzubehalten, um durch diese objektive Bedingung die erforderliche Begrenzung der Zahl der möglichen Bewerber zu erreichen. Auch für die B-Bewilligungen erscheint somit die Domizilklausel nicht als verfassungswidrig. Zwar lässt sie sich mit dem geltend gemachten polizeilichen Zweck nicht hinreichend begründen; als Mittel, um den Kreis der möglichen Bewerber für die nicht in unbegrenzter Zahl erteilbaren Taxi-Bewilligungen einzuschränken, ist sie jedoch haltbar. 3. Die Gewähr für einen 24-stündigen Bestell- und Fahrdienst ist gemäss § 5 Abs. 1 Ziff. 8 des Taxi-Gesetzes eine zusätzliche Voraussetzung, welche vom A-Taxihalter erfüllt werden muss. Mit der A-Bewilligung wird dem Inhaber die Befugnis erteilt, die in beschränkter Zahl vorhandenen öffentlichen Taxi-Standplätze zu benützen. Wie bereits dargelegt wurde, kann diese offenbar sehr begehrte Erlaubnis eines gesteigerten Gemeingebrauchs qualifizierter Art nicht unbegrenzt vielen Bewerbern erteilt werden. Die unvermeidliche Limitierung soll nach sachlichen Kriterien, nicht willkürlich erfolgen. Weitergehende verfassungsmässige Ansprüche der Bewerber können weder aus Art. 4 noch aus Art. 31 BV abgeleitet werden. Das Erfordernis der Gewähr für einen 24-stündigen Bestell- und Fahrdienst während des ganzen Jahres knüpft den wirtschaftlichen Vorteil einer Benützung der öffentlichen Taxistandplätze an eine im öffentlichen Interesse liegende Bedingung. Wenn der Staat auf diese Weise dafür besorgt ist, dass jederzeit - auch während "unbeliebter" Stunden - Taxis zur Verfügung stehen, so ist dies sachlich begründet. Dass derjenige, der nicht bereit oder nicht in der Lage ist, einen 24-stündigen BGE 99 Ia 394 S. 402 Bestell- und Fahrdienst zu gewährleisten, keine A-Bewil ligung erhalten kann, verletzt kein verfassungsmässiges Recht. Es ist zwar nicht notwendig, dass sämtliche Taxi-Unterneh mungen einen 24-stündigen Betrieb garantieren, aber eine genügende Anzahl solcher Taxis ist unerlässlich. Dass ein Kanton oder eine Gemeinde die Erfüllung dieses Bedürfnisses durch eine entsprechende Bedingung mit der Bewilligung zur Benützung öffentlicher Standplätze verknüpft, ist sachgemäss und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
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Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
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Sachverhalt ab Seite 405 BGE 129 III 404 S. 405 A.- M., brasilianische Staatsangehörige, ist die Mutter des am 22. Dezember 1998 in Zürich geborenen S., brasilianischer Staatsangehöriger. Sie reichte - nach dem am 8. Juni 2000 eingeleiteten und erfolglos verlaufenen Sühneverfahren - für ihren Sohn am 19. Juli 2000 beim Bezirksgericht Zürich Klage gegen V., schweizerisch-italienischer Doppelbürger, betreffend Vaterschaft und Unterhalt ein. Der Beklagte erhob gegenüber dem Gericht die Unzuständigkeitseinrede. Mit Beschluss vom 5. Juli 2001 trat das Bezirksgericht mangels Zuständigkeit auf die Klage nicht ein. Dagegen rekurrierten die Mutter und das Kind an das Obergericht des Kantons Zürich (II. Zivilkammer), welches mit Beschluss vom 23. Januar 2002 in Gutheissung des Rekurses auf die Klage eintrat und den Prozess zur Ergänzung des Verfahrens sowie zu neuem Entscheid an das Bezirksgericht zurückwies. B.- Mit eidgenössischer Berufung beantragt V. dem Bundesgericht, den Beschluss des Obergerichts aufzuheben und auf die Klage mangels internationaler Zuständigkeit nicht einzutreten. Hilfsweise stellt er den Antrag, das Verfahren zwecks Ergänzung des Beweisverfahrens betreffend Zuständigkeit an die erste, eventuell an die zweite Instanz zurückzuweisen. Strittig ist vor Bundesgericht die für die internationale Zuständigkeit erhebliche Bestimmung des Wohnsitzes des Beklagten und die Frage, in welchem Zeitpunkt - falls überhaupt - der Wohnsitzgerichtsstand fixiert worden ist. C.- Das Obergericht des Kantons Zürich (II. Zivilkammer) hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. Eine Berufungsantwort ist nicht eingeholt worden, weil sich ein zweiter Schriftenwechsel erübrigt. D.- Gegen den Beschluss des Obergerichts hat V. auch Nichtigkeitsbeschwerde beim Kassationsgericht des Kantons Zürich geführt, welches am 12. November 2002 die Beschwerde abwies, soweit darauf eingetreten wurde. Das Bundesgericht weist die Berufung ab, soweit es darauf eintritt.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. 4.3 Der Beklagte rügt weiter, die Vorinstanz habe für die Bestimmung seines Wohnsitzes auf einen falschen Zeitpunkt abgestellt, nämlich auf das Datum des Sühnebegehrens (8. Juni 2000). BGE 129 III 404 S. 406 Richtigerweise komme es aber auf das Datum der Klageeinreichung beim Gericht, somit auf den 19. Juli 2000 an, als der Beklagte - wovon die Vorinstanz selber ausgegangen sei - ohnehin Wohnsitz in Italien hatte. Die Frage der perpetuatio fori stelle sich daher nicht. 4.3.1 Während eines Zivilverfahrens gilt der Grundsatz der perpetuatio fori. Wenn zu Beginn des Verfahrens die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts vorliegt, bleibt diese bestehen und entfällt nicht dadurch, dass später während des Verfahrens durch Veränderung von Tatsachen - wie die Verlegung des Wohnsitzes - die Zuständigkeit nicht mehr gegeben wäre. Bei der internationalen Zuständigkeit gilt grundsätzlich dasselbe ( BGE 116 II 209 E. 2b/bb S. 212; vgl. aber im Bereich des Minderjährigenschutzes BGE 123 III 411 E. 2a/bb S. 413; KELLER/SIEHR, Allgemeine Lehren des internationalen Privatrechts, S. 584; BUCHER, Droit international privé suisse, Bd. I/1: Partie générale - Conflits de juridictions, S. 44 Rz. 96; SCHWANDER, Einführung in das internationale Privatrecht, Bd. I: Allgemeiner Teil, 3. Aufl., S. 316 f. Rz. 650 und 652). 4.3.2 Die Vorinstanz hat erwogen, mit der Einleitung des Sühneverfahrens am 8. Juni 2000 sei die Statusklage am Wohnsitz des beklagten Vaters ( Art. 66 IPRG ) anhängig gemacht worden. In diesem Zeitpunkt sei die Ausschlusswirkung gegenüber späteren identischen Klagen eingetreten sowie die schweizerische internationale Zuständigkeit fixiert worden. Daher sei unerheblich, dass der bei Prozessbeginn noch vorhandene Wohnsitz des Beklagten später mit der Abmeldung per 6. Juli 2000 allenfalls nach Italien verlegt worden sei. Das Obergericht hat in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf Art. 9 Abs. 1 und 2 IPRG verwiesen und die Anwendbarkeit von § 16 ZPO /ZH stillschweigend ausgeschlossen. 4.3.3 Art. 9 Abs. 2 IPRG setzt den Zeitpunkt fest, wann in internationalen Verhältnissen in der Schweiz eine Klage anhängig gemacht worden ist: Massgebend ist die erste, für die Klageeinleitung notwendige Verfahrenshandlung, wobei die Einleitung des Sühneverfahrens genügt. Abs. 1 von Art. 9 IPRG befasst sich allerdings mit der Ausschlusswirkung der Rechtshängigkeit im Ausland auf ein inländisches Verfahren. Ob Abs. 2 von Art. 9 IPRG den Zeitpunkt des Eintritts der übrigen Rechtshängigkeitswirkungen bestimme, wird nicht einheitlich beantwortet. Ein Teil der Lehre scheint dies zu bejahen (WALDER, Einführung in das Internationale Zivilprozessrecht der Schweiz, S. 195, § 8 Rz. 5), während andere Autoren die Auffassung vertreten, die in Art. 9 IPRG umschriebene Rechtshängigkeit beziehe sich nur auf die Sperrwirkung, wogegen BGE 129 III 404 S. 407 die übrigen Rechtshängigkeitswirkungen und auch der Zeitpunkt ihres Eintrittes nach wie vor vom kantonalen Recht bestimmt würden (OSCAR VOGEL, Rechtshängigkeit und materielle Rechtskraft im internationalen Verhältnis, SJZ 86/1990 S. 78 ff.; VOLKEN, in: IPRG Kommentar, N. 18 zu Art. 9 IPRG ; BERTI, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, N. 2 zu Art. 9 IPRG ). Der Wortlaut von Art. 9 Abs. 2 IPRG lässt jedenfalls keine klare Aussage darüber zu, ob der in dieser Bestimmung genannte Zeitpunkt sich nur auf die Ausschlusswirkung der Rechtshängigkeit bezieht oder ob dieser Zeitpunkt auch für die perpetuatio fori - als hier in Frage stehender Rechtshängigkeitswirkung - massgebend ist. Die systematische Stellung der Norm spricht dagegen, dass der darin festgelegte Zeitpunkt sich auf Weiteres als die im unmittelbar vorausgehenden Absatz normierte Ausschlusswirkung bezieht. Dass der Gesetzgeber die verschiedenen Wirkungen der Rechtshängigkeit explizit dem Bundesrecht oder dem kantonalen Recht zugeordnet hätte, ist nicht ersichtlich (vgl. AB 1985 S 130; AB 1986 N 1302). Folglich fehlt im Gesetz, das im internationalen Verhältnis die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte regeln soll ( Art. 1 Abs. 1 lit. a IPRG ), die für den massgebenden Zeitpunkt der perpetuatio fori erforderliche Anordnung (vgl. BGE 126 II 71 E. 6d S. 80). Intention des Gesetzgebers war indessen, im internationalen Zivilprozess den für den Eintritt der Rechtshängigkeit massgebenden Zeitpunkt zu vereinheitlichen und im Interesse der Rechtssicherheit möglichst früh anzusetzen (BBl 1983 I 305). Aus diesem Grunde, aber auch wegen der Praktikabilität bestimmt der in Art. 9 Abs. 2 IPRG festgelegte Zeitpunkt in analoger Anwendung auch den für die perpetuatio fori massgebenden Zeitpunkt (vgl. MARTINA WITTIBSCHLAGER, Rechtshängigkeit in internationalen Verhältnissen, Diss. Basel 1994, S. 52 f.). Das Obergericht hat folglich kein Bundesrecht verletzt, wenn es vom Grundsatz ausgegangen ist, dass die Vaterschaftsklage mit der Einleitung des Sühneverfahrens am 8. Juni 2000, als der Beklagte Wohnsitz in Zürich hatte, rechtshängig geworden und damit die internationale Zuständigkeit fixiert worden ist. 4.4 Schliesslich beanstandet der Beklagte im Wesentlichen, das Obergericht habe durch das Festhalten am Grundsatz der perpetuatio fori für die konkrete Klage auf Feststellung des Kindesverhältnisses Art. 66 IPRG falsch ausgelegt und damit gegen Bundesrecht verstossen. 4.4.1 Das Obergericht ist dem Grundsatz gefolgt, dass die Rechtshängigkeitswirkung der perpetuatio fori auch im internationalen BGE 129 III 404 S. 408 Verhältnis gilt. Es hat unter Berufung auf die Lehre (SCHWANDER, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, N. 21 zu Art. 66 IPRG ; BUCHER, Droit international privé suisse, Bd. II: Personnes, Famille, Successions, S. 209 Rz. 602) keinen Anlass gesehen, weder für Klagen auf Feststellung des Kindesverhältnisses im Allgemeinen noch wegen der Verhältnisse des konkreten Prozesses vom Grundsatz abzuweichen. Die Lehrmeinung von SIEHR (in: IPRG Kommentar, N. 33 zu Art. 66 IPRG ), der für das internationale Kindesrecht den Grundsatz der perpetuatio fori ablehnt mit der Begründung, dass insbesondere für die Beweisaufnahme (z.B. serologisches Gutachten, Beurteilung des Kindeswohls) ein gewisser Mindestkontakt zum Inland bestehen und deshalb die inländische Zuständigkeit auch noch zur Zeit der Sachentscheidung gegeben sein müsse, sei vorliegend nicht relevant. Der Beklagte habe ungeachtet seines allfälligen neuen Wohnsitzes in Italien als schweizerisch-italienischer Doppelbürger immer noch erhebliche Beziehungen zur Schweiz, wo er aufgewachsen sei und wo seine Eltern und Kollegen wohnen würden. Zudem stelle die Distanz von seinem allfälligen Wohnsitz in Italien nach Zürich kein wirkliches Hindernis für seine Mitwirkung in einem Beweisverfahren dar, in welchem es hauptsächlich um die Abgabe einer Blutprobe gehe. Nachdem er bis Juli 2000 fast jedes Wochenende von Italien in die Schweiz zurückgekehrt sei, müsse es ihm auch jetzt möglich sein, an einem DNA-Gutachten in der Schweiz mitzuwirken. 4.4.2 Soweit der Beklagte lediglich beansprucht, dass die Argumente der Lehrmeinung von SIEHR sorgfältig gewichtet und geprüft werden, ist sein Vorbringen unbehelflich. Er legt insoweit nicht dar, inwiefern die Vorinstanz zu Unrecht angenommen habe, ein gewisser Mindestkontakt zum schweizerischen Forum sei gewährleistet, selbst wenn der Beklagte zwischenzeitlich seinen Wohnsitz nach Italien verlegt haben sollte, weil es für ihn möglich und zumutbar sei, zwecks Mitwirkung am Beweisverfahren in die Schweiz zu reisen. Ebenso wenig legt der Beklagte dar, dass das schweizerische Gericht, falls es im Rahmen des Sachentscheides zum Kindesverhältnis bzw. des dafür anwendbaren Rechts die Interessenlage des Kindes zu beurteilen hätte (vgl. Art. 69 Abs. 2 IPRG ), dazu aufgrund des vorliegenden Sachverhalts nicht in der Lage wäre. Insoweit erweist sich der Vorwurf einer Verletzung von Bundesrecht nicht als hinreichend substantiiert ( Art. 55 Abs. 1 lit. c OG ). 4.4.3 Der Beklagte argumentiert weiter, die perpetuatio fori mache vorliegend keinen Sinn, weil das schweizerische Urteil bei BGE 129 III 404 S. 409 der gegebenen Sachverhaltskonstellation weder in Italien noch Brasilien anerkenn- und vollstreckbar sei und dem Kläger ein schweizerisches Vaterschaftsurteil nichts nütze. Er beruft sich in diesem Zusammenhang auch auf die in der Literatur vertretene Meinung, dass bei Statusangelegenheiten der internationale Entscheidungseinklang besonders erwünscht ist und daher die Möglichkeit offen stehen sollte, eine Sachentscheidung nicht zu treffen, wenn diese von der lex causae bzw. in dem Staat, wo sie Wirkungen entfalten sollte, nicht anerkannt wird (BERTI, a.a.O., N. 10 zu Art. 2 IPRG ; MARCO LEVANTE, Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt im internationalen Privat- und Zivilprozessrecht der Schweiz, Diss. St. Gallen 1998, S. 67, 168 f.; WITTIBSCHLAGER, a.a.O., S. 144, je mit Hinweis auf KROPHOLLER, in: Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Tübingen 1982, Bd. I, S. 292, Kap. III Rz. 233). Die Vorbringen des Beklagten sind unbehelflich. Zum einen ist die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte, nach Art. 66 IPRG einen Entscheid fällen zu dürfen und müssen, nicht an die Voraussetzung geknüpft, dass der schweizerische Gerichtsstand im Heimatstaat bzw. Ausland anerkannt wird (vgl. BUCHER, a.a.O., Bd. II, S. 25 Rz. 16). Zum anderen zweifelt der Beklagte zu Unrecht daran, dass das in der Schweiz am perpetuierten Wohnsitzgerichtsstand des Beklagten ergangene Urteil auf Feststellung des Kindesverhältnisses in Italien - wohin der Beklagte seinen Wohnsitz verlegt hat - oder in Brasilien - wo der Kläger heute zumindest laut Adresse lebt - nicht anerkannt würde und der Kläger deshalb kein Interesse am schweizerischen Vaterschaftsurteil haben soll. Im Abkommen vom 3. Januar 1933 zwischen der Schweiz und Italien über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen (SR 0.276.194.541) ist die indirekte Zuständigkeit am Wohnsitz des Beklagten vorgesehen (Art. 2 Ziff. 1 und Art. 12 Ziff. 1 des Abkommens), wobei auf die Wohnsitzverhältnisse im Zeitpunkt der Klageanhängigmachung abzustellen ist (DOMENICO ACOCELLA, Internationale Zuständigkeit sowie Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivilsachen im schweizerisch-italienischen Rechtsverkehr, Diss. St. Gallen 1989, S. 288 f., 294). Sodann gilt auch nach italienischem Recht (das für die Wirkungen der Rechtshängigkeit gemäss Art. 8 des Abkommens massgebend ist), dass im internationalen Verhältnis der Grundsatz der perpetuatio fori zu beachten ist (Art. 8 und 64 lit. a IPR-Gesetz von Italien [Legge 31 maggio 1995, n. 218], in: Riering [Hrsg.], IPR-Gesetze in Europa, München 1997, S. 43 ff.; CAMPEIS/DE PAULI, La procedura BGE 129 III 404 S. 410 civile internazionale, 2. Aufl., Padua 1996, S. 151 f.). Was die Anerkennung ausländischer Urteile in Brasilien anbelangt, so wird diese grundsätzlich verweigert, wenn brasilianische Gerichte insbesondere bei Wohnsitz des Beklagten in Brasilien zuständig waren. Folglich dürfte der Anerkennung des schweizerischen Urteils, das am fixierten Wohnsitzgerichtsstand des Beklagten in der Schweiz ergeht, nichts entgegenstehen, zumal auch nach brasilianischem Recht für die ausländische Zuständigkeit der Zeitpunkt der Klageerhebung massgebend ist und ohnehin keine nachträgliche Wohnsitzbegründung des Beklagten in Brasilien vorliegt (SAMTLEBEN, in: Bülow/Böckstiegel/ Geimer/Schütze, Der internationale Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Bd. IV, Länderbericht Brasilien [Ziff. 1023], S. 4, 15 und Fn. 134). Vor diesem Hintergrund kann von sicheren Anhaltspunkten, dass das schweizerische Vaterschaftsurteil keine Wirkungen entfalten oder das (allfällige) Kindesverhältnis nur im einen, aber nicht im anderen Staat anerkannt würde, nicht gesprochen werden. Daher besteht kein Anlass, die perpetuatio fori und insbesondere das Interesse des Klägers an der Fortdauer der einmal begründeten Gerichtszuständigkeit in Frage zu stellen. Wenn die Vorinstanz angenommen hat, dass kein Grund für den Wegfall der mit Einleitung des Sühneverfahrens am 8. Juni 2000 begründeten internationalen Zuständigkeit des Bezirksgerichts bestehe, ist dies von Bundesrechts wegen nicht zu beanstanden.
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Sachverhalt ab Seite 105 BGE 118 IV 105 S. 105 Am 3. September 1990 sprach das Obergericht des Kantons Zürich N. schuldig des gewerbs- und bandenmässigen Diebstahls, des versuchten einfachen Diebstahls, der wiederholten Sachbeschädigung, des wiederholten Hausfriedensbruchs, der fortgesetzten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie der einfachen Verkehrsregelverletzung und bestrafte ihn mit viereinhalb Jahren Zuchthaus, abzüglich 408 Tage Untersuchungshaft. Anstelle des Vollzugs der Strafe ordnete es gemäss Art. 42 Ziff. 1 StGB seine Verwahrung an. B. - Dagegen erhebt N. eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben; dieses sei anzuweisen, ein psychiatrisches Gutachten über ihn anzuordnen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde, soweit es darauf eintritt, teilweise gut.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. a) Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt, indem sie seine Verwahrung angeordnet habe, ohne ein Gutachten über ihn eingeholt zu haben. Vor einer Verwahrung nach Art. 42 StGB sei stets eine Begutachtung erforderlich. b) Die Vorinstanz legt dar, nach der Lehre bedürfe es keines Gutachtens zur Beurteilung der Frage, ob ein Täter im Sinne von Art. 42 Ziff. 1 StGB einen Hang zu Verbrechen oder Vergehen aufweise; das habe allein der Richter zu entscheiden. Aufgabe des Gutachters könne es nur sein abzuklären, ob die Voraussetzungen einer Massnahme gemäss Art. 43 oder 44 StGB gegeben seien. Zwar BGE 118 IV 105 S. 106 werde von einigen Autoren gefordert, dass vor einer Verwahrung in jedem Fall ein Gutachten eingeholt werden müsse. Diese Auffassung widerspreche jedoch dem Gesetzestext. Es gebe keine Hinweise dafür, dass der Beschwerdeführer an einer Geisteskrankheit leide, insbesondere an einer Krankheit, welche die Anordnung einer stationären Massnahme nach Art. 43 StGB verlange. Aus seinen Aussagen gehe zwar hervor, dass er - wie zeitweise bereits früher - Ende 1988/anfangs 1989 Kokain geschnupft und mit Medikamenten Missbrauch getrieben habe. Es könne indessen nicht davon gesprochen werden, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen über lange Zeit schwer süchtigen Täter handle, bei dem eine Behandlung gestützt auf Art. 44 Ziff. 1 und 6 StGB im Rahmen einer spezialisierten Drogenklinik notwendig wäre. Das ergebe sich auch aus dem Bericht der kantonalen Strafanstalt Lenzburg. Soweit der Beschwerdeführer während des Straf- bzw. Verwahrungsvollzuges einer Betreuung bedürfe, seien entsprechende Schritte bereits eingeleitet worden. Für die Einholung eines Gutachtens bestehe kein Anlass. c) Gemäss Art. 42 Ziff. 1 StGB kann der Richter an Stelle des Vollzuges einer Zuchthaus- oder Gefängnisstrafe Verwahrung anordnen, wenn der Täter schon zahlreiche Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich verübt hat und ihm deswegen durch Zuchthaus- oder Gefängnisstrafen oder eine Arbeitserziehungsmassnahme die Freiheit während insgesamt mindestens zwei Jahren entzogen wurde, oder wenn er an Stelle des Vollzuges von Freiheitsstrafen bereits als Gewohnheitsverbrecher verwahrt war, und er innert fünf Jahren seit der endgültigen Entlassung ein neues vorsätzliches Verbrechen oder Vergehen begeht, das seinen Hang zu Verbrechen oder Vergehen bekundet (Abs. 1). Der Richter lässt den geistigen Zustand des Täters soweit erforderlich untersuchen (Abs. 2; vgl. auch Art. 13 Abs. 1 StGB ). d) Nach der einhelligen Ansicht des Schrifttums ist der Richter bei seinem Urteil über die Voraussetzungen der Verwahrung gemäss Art. 42 StGB nicht an psychiatrische Gutachten gebunden; ob ein Hang zu Verbrechen oder Vergehen bestehe, habe er selber zu entscheiden; die Medizin verfüge insoweit über keine besseren Erkenntnismittel (STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allg. Teil II, § 10 N 26 ; TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, Art. 42 N 12 ; REHBERG, ZStR 93 (1977), S. 214 f.; REHBERG, Strafrecht II, 5. Aufl., S. 107; VOSSEN, ZStR 89 (1973), S. 117 f.). Die Begutachtung könne sich, was die Verwahrung nach Art. 42 BGE 118 IV 105 S. 107 StGB betreffe, daher nur in negativer Form zur Frage äussern, ob die Massnahme angezeigt sei, indem sie die Zweckmässigkeit aller andern strafrechtlichen Massnahmen ausschliesse (STRATENWERTH, a.a.O., § 10 N 43 ; TRECHSEL, a.a.O.; REHBERG, a.a.O.; VOSSEN, a.a.O.). Wenigstens vor der erstmaligen Anordnung der Verwahrung nach Art. 42 StGB sei eine Begutachtung grundsätzlich unumgänglich (SCHULTZ, Einführung in den allgemeinen Teil des Strafrechts, 2. Band, 4. Aufl., S. 194; REHBERG, ZStR 89 (1973), S. 284; REHBERG, Strafrecht II, S. 107; ALBRECHT, Die allgemeinen Voraussetzungen zur Anordnung freiheitsentziehender Massnahmen gegenüber erwachsenen Delinquenten, Basel 1981, S. 84). e) Art. 42 Ziff. 1 Abs. 2 StGB verlangt eine Untersuchung des geistigen Zustands des Täters, soweit das erforderlich ist. Anders als bei der Anordnung einer Massnahme gegenüber einem geistig Abnormen ( Art. 43 Ziff. 1 Abs. 3 StGB ) ist die Begutachtung nicht zwingend vorgeschrieben. Dem Richter muss daher beim Entscheid darüber, ob vor einer Verwahrung nach Art. 42 StGB ein Gutachten einzuholen sei, ein Beurteilungsspielraum zustehen. Eine Begutachtung des Täters vor seiner Verwahrung nach Art. 42 StGB ist dann entbehrlich, wenn sich ein in einem früheren Verfahren erstattetes und noch schlüssiges Gutachten über ihn bei den Akten befindet. Bereits der Bundesrat, der die Untersuchung des Täters vor der Verwahrung gemäss Art. 42 StGB zwingend vorschreiben wollte, äusserte sich in seiner Botschaft über eine Teilrevision des Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 1. März 1965 dahingehend, dass in diesem Fall von einer Begutachtung Umgang genommen werden könne (BBl 1965 I, S. 573/4). Das ist auch in den Räten, die von der vom Bundesrat vorgesehenen Begutachtungspflicht abgewichen sind, unbestritten geblieben (Votum Zellweger, Amtl. Bull. 1967 S 60). Auch dann, wenn sich kein brauchbares Gutachten bei den Akten befindet, kann der Richter angesichts des Gesetzeswortlautes ("soweit erforderlich") nicht gehalten sein, vor der Verwahrung nach Art. 42 StGB stets ein Gutachten einzuholen. Fälle, in denen eine Untersuchung des Täters hier entbehrlich ist, werden allerdings die Ausnahme sein. Denn die Verwahrung ist eine ausserordentlich einschneidende Massnahme. Ihre Mindestdauer beträgt drei Jahre, im Falle der Rückversetzung in der Regel fünf Jahre ( Art. 42 Ziff. 4 StGB ). Ein Vollzugsziel ist mit ihr nicht verbunden. Sie ist das letzte Mittel für einen besserungsunfähigen rückfälligen Rechtsbrecher. In Betracht kommt sie daher erst, wenn vom Vollzug der Freiheitsstrafe BGE 118 IV 105 S. 108 eine Wirkung nicht mehr zu erwarten ist und die Anordnung einer bessernden Massnahme gemäss den Art. 43, 44 oder 100bis StGB ausscheidet (vgl. BGE 86 IV 204 ). Ob das der Fall ist, kann der Richter in der Regel ohne gutachterliche Hilfe nicht entscheiden. f) Angezeigt ist eine Begutachtung namentlich dann, wenn beim Täter Anzeichen für eine Alkohol- oder Drogensucht oder für eine geistige Abnormität bestehen. Der Beschwerdeführer ist 51 Jahre alt. Ein Gutachten wurde über ihn bisher nie erstellt. Nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid schnupfte er Ende 1988/anfangs 1989 - wie zeitweise bereits früher - Kokain und trieb mit Medikamenten Missbrauch. Die Vorinstanz nimmt denn auch an, dass seine Einsichts- und Willensfähigkeit bei den im Februar 1989 verübten Einbruchdiebstählen wegen Kokain-, Medikamenten- und Alkoholkonsums vermindert war. Anzeichen für eine Alkohol- und Drogensucht und damit auch für psychische Schwierigkeiten waren somit gegeben. Eine Massnahme nach Art. 43 oder 44 StGB fiel folglich nicht von vornherein ausser Betracht. Die Vorinstanz hätte demnach eine Begutachtung anordnen müssen. Indem sie das nicht tat, verletzte sie Bundesrecht. Die Beschwerde ist in diesem Punkt gutzuheissen.
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Sachverhalt ab Seite 40 BGE 84 III 40 S. 40 A.- Im Konkurs über die Cintela AG verlangten die Rekurrenten als rechtskräftig kollozierte Gläubiger beim Konkursamt Abtretung eines Guthabens der Masse gegen Carlo Guffanti & Cie, Mailand, im Betrage von Fr. 734.70, auf dessen Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet hatte. Das Konkursamt stellte die Abtretungsurkunde den Rekurrenten am 8. Februar 1958 aus. Am 11. Februar ging dem Konkursamt eine vom 10. Februar datierte Gutschriftsanzeige über den Betrag ein, der von der Mailänder Firma am 7. Februar über den Credito Italiano an den Schweizerischen Bankverein überwiesen worden, hier am 8. Februar eingetroffen und am 11. Februar der Gemeinschuldnerin Cintela AG gutgeschrieben worden war und in der Folge vom Schweizerischen Bankverein an das Konkursamt ausbezahlt wurde. Mit Schreiben vom 19. Februar 1958 widerrief das Konkursamt gegenüber den Zessionaren die Abtretung unter Hinweis auf den EntscheidBGE 40 III 22ff. B.- Hiegegen führten die Abtretungsgläubiger Beschwerde mit dem Antrag, der Widerruf sei aufzuheben BGE 84 III 40 S. 41 und das Konkursamt anzuweisen, den von der Firma Guffanti eingegangenen Betrag gemäss Art. 260 SchKG zur teilweisen Deckung der Forderungen der Beschwerdeführer zu verwenden. Sie machten geltend, die Zahlung von Guffanti sei erst am 11. Februar 1958, also nach Ausstellung der Abtretungsurkunde vom 8. Februar, erfolgt, d.h. in einem Zeitpunkt, da der einseitige Widerruf der Abtretung nicht mehr möglich gewesen sei; dieser sei daher gesetzwidrig. C.- Die Aufsichtsbehörde hat die Beschwerde abgewiesen mit folgender Begründung: Die Abtretung gemäss Art. 260 SchKG charakterisiere sich nach der vom Bundesgericht geteilten Auffassung des Kommentars JAEGER (Art. 260 N. 3, S. 258) als konkursrechtlicher Auftrag an die Abtretungsgläubiger, sich als Vertreter der Konkursmasse zu bemühen, die "abgetretene" Forderung auf dem Prozesswege einzubringen. Dieser Auftrag lasse sich nicht ohne weiteres unter die bezüglichen Vorschriften des OR subsumieren; er kennzeichne sich durch die in BGE 57 III 100 dargelegten Besonderheiten, namentlich eine im Vergleich zu Art. 404 OR erschwerte Widerruflichkeit. Die sich in casu stellende Frage, ob und bis wann die gemäss Art. 260 SchKG erfolgte, ein Prozessmandat darstellende Abtretung von der Konkursmasse widerrufen werden konnte, lasse sich nur unter Berücksichtigung der Besonderheiten dieses Mandates beantworten. Wohl sei gemäss dem zitierten Entscheid der freie Widerruf ausgeschlossen. Das besage aber nicht, dass ein Widerruf überhaupt unzulässig sei. Nach dem früheren Entscheid ( BGE 40 III 27 ) sei die Ausstellung einer Abtretung begrifflich nicht mehr möglich, wenn der Anspruch vom Dritten anerkannt werde, bevor gegen ihn überhaupt prozessuale Schitte unternommen wurden, weil es dann eben an einem Streitgegenstand und folglich auch an der notwendigen Vorbedingung für eine Prozessvollmacht mangle. Es liege daher nahe, einen Schritt weiter zu gehen und für BGE 84 III 40 S. 42 den Fall, dass die Anerkennung des Anspruchs (z.B. durch Zahlung) erst nach der Abtretung erfolge, jedoch noch bevor die Abtretungsgläubiger zu seiner Eintreibung irgendwelche (prozessuale oder ausserprozessuale) Vorkehren getroffen hätten, durch Widerruf der Abtretung nach aussen zu dokumentieren, dass die durch die Abtretung begründete Prozessvollmacht überflüssig und gegenstandslos geworden sei. Jedenfalls widerspräche es dem Sinn des Art. 260 SchKG , wenn den Abtretungsgläubigern das als Ausgleich für ihre erfolgreichen Bemühungen um die Eintreibung der streitigen Forderung zugedachte "Privileg der Vorwegbefriedigung" selbst dann zustände, wenn die Forderung schon vor dem Stattfinden solcher Bemühungen getilgt sein sollte. Dies treffe hier zu. Selbst wenn das Konkursamt die Abtretung nicht widerrufen hätte, wäre die Berufung der Beschwerdeführer auf dieselbe und das mit ihr verbundene Privileg offenbar rechtsmissbräuchlich und daher nicht zu schützen. D.- Mit dem vorliegenden Rekurs halten die Beschwerdeführer an ihrem Begehren um Aufrechterhaltung der Abtretung fest. Sie führen aus, als Zahlung könne jedenfalls nicht schon die am 7. Februar erfolgte Anweisung der Mailänder Firma an ihre Bank, sondern erst die am 10. Februar vom Schweizerischen Bankverein der Cintela AG geleistete Gutschrift in Betracht kommen ( Art. 467 Abs. 1 und Art. 74 OR ). Nach den allgemeinen Grundsätzen über die Abtretung von Forderungen wäre der Zedent (die Konkursmasse) trotz der kurzen Frist zwischen Abtretung und Zahlung verpflichtet gewesen, den bei ihm eingegangenen Betrag den Zessionaren zur Verfügung zu stellen, und dürfe sich nicht darauf berufen, er hätte die Abtretung nicht vorgenommen, wenn er gewusst hätte, dass der Debitor cessus so rasch bezahlen werde. Die Abtretung nach Art. 260 SchKG sei kein frei widerrufliches Prozessmandat, sondern begründe einen unwiderruflichen Anspruch des Zessionars auf Vorwegbefriedigung BGE 84 III 40 S. 43 aus dem abgetretenen Anspruch. Nachdem die Abtretung einmal erfolgt sei, spiele es für die Widerruflichkeit keine Rolle mehr, ob der Abtretungsgläubiger auf prozessualem Wege gegen den Schuldner vorgehen müsse oder ob er auf anderem Wege Zahlung erhalte. In casu habe der Anwalt des Rekurrenten mit Schreiben vom 10. Februar 1958 die Mailänder Firma zur Zahlung aufgefordert, was sich freilich nachträglich als unnötig erwiesen habe, weil die Zahlung bereits unterwegs war. Das dürfe aber keine Rolle spielen; es wäre sehr wohl denkbar gewesen, dass die Firma sofort nach Empfang der Zahlungsaufforderung bezahlt hätte, und dann wäre nach der Auffassung der Aufsichtsbehörde ein Widerruf nicht in Frage gekommen. Es wäre nun aber willkürlich, zwischen diesem Fall und dem vorliegenden eine Unterscheidung zu machen und die Widerruflichkeit von einem derart zufälligen Moment abhängen zu lassen. Von Rechtsmissbrauch könne nicht die Rede sein.
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Erwägungen Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: Die Abtretung von Masseansprüchen gemäss Art. 260 SchKG ist ein betreibungs- und prozessrechtliches Institut sui generis, auf das die Regeln der ihm am nächsten verwandten zivilrechtlichen Rechtsgeschäfte, der Abtretung gemäss Art. 164 ff. und des Auftrags gemäss Art. 394 ff. OR , grundsätzlich nur mit Vorbehalt, nämlich soweit sie mit dem exekutionsrechtlichen Sinn und Zweck des Instituts vereinbar sind, angewendet werden können (vgl. J. FLACHSMANN, Die Abtretung der Rechtsansprüche nach Art. 260 SchKG , zürch. Diss. 1927; MARCEL BRIDEL, Contributions à l'étude de l'art. 260 LP, in Journal des tribunaux 1939 II, S. 98 ff., bes. 100). In Ansehung der konkursrechtlichen Funktion der "Abtretung" nach Art. 260, die Einbringung zweifelhafter Masseforderungen durch einzelne Gläubiger BGE 84 III 40 S. 44 auf deren eigene Kosten und Gefahr gegen die Belohnung der Überlassung des Prozessgewinns zu ermöglichen, muss den Erwägungen der Vorinstanz beigepflichtet werden. Als das Konkursamt am 8. Februar 1958 den Rechtsanspruch der Masse gegen Guffanti & Cie den Rekurrenten abtrat, war dieser Anspruch, als Objekt rechtlicher Eintreibung, bereits gegenstandslos, da Guffanti schon am Tage vorher, am 7. Februar, den Forderungsbetrag bei seiner Bank zwecks Überweisung einbezahlt hatte. Ob die Tilgung der Schuld im zivilrechtlichen Sinne - gemäss Art. 74 oder 467 Abs. 1 OR - mit dieser Handlung des Drittschuldners schon perfekt war, ist unter dem Gesichtspunkt des Art. 260 SchKG ohne Belang; wesentlich ist nur, dass die Voraussetzung für eine Abtretung nach Art. 260, die Notwendigkeit, ja die Möglichkeit rechtlicher Schritte zur Geltendmachung des Anspruchs, und damit anderseits auch jede Berechtigung der Überlassung der von selbst eingegangenen Forderungssumme an einen einzelnen Konkursgläubiger als Belohnung, infolge der vom Drittschuldner von sich aus vollzogenen Zahlung dahingefallen war. Das Konkursamt hatte die Abtretung in Unkenntnis dieser Tatsache vorgenommen, also irrtümlich, und musste sie daher widerrufen. Nur aus dieser Erwägung freilich ist der Widerruf als zulässig zu betrachten. Die allgemein angenommene Befugnis des Betreibungs- bzw. Konkursamtes, innerhalb der für den Betroffenen laufenden Beschwerdefrist seinerseits auf eine Verfügung zurückzukommen ( BGE 67 III 163 ), würde hinsichtlich einer Abtretung gemäss Art. 260 SchKG angesichts der Zweiseitigkeit dieser Verfügung für sich allein zum Widerruf nicht genügen. Hätten die Abtretungsgläubiger seit der Abtretung bereits Schritte zur Eintreibung der noch ausstehenden Forderung unternommen gehabt und diese Schritte, wenn auch an sich erst präliminarer, noch nicht rechtlicher Natur, sich als für den Erfolg kausal erwiesen, so würde der Widerruf der Abtretung BGE 84 III 40 S. 45 gegen Treu und Glauben verstossen (vgl. FLACHSMANN, 1.c. S. 92). In casu jedoch erwies sich auch der Aufforderungsbrief des Vertreters der Rekurrenten an die Mailänder Firma vom 10. Februar als ein Stoss ins Leere, nachdem diese schon drei Tage vorher den Betrag überwiesen und die Überweisung am Tage der Abtretung die schweizerische Korrespondenzbank erreicht hatte.
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Dispositiv Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer: Der Rekurs wird abgewiesen.
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kann sich die Verbeiständung durch einen Rechtsanwalt als notwendig erweisen, wenn der Sachverhalt oder die sich stellenden Fragen komplex sind, wenn die Rechtskenntnisse des Gesuchstellers unzureichend sind oder wenn bedeutende Interessen auf dem Spiele stehen (Präzisierung der Rechtsprechung). Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gestützt auf Art. 152 Abs. 2 OG . Sachverhalt ab Seite 392 BGE 122 III 392 S. 392 Créancière participant à une saisie, dame A. a requis l'Office des poursuites de Genève/Rive-Droite, le 16 octobre 1995, de procéder à la vente d'un immeuble saisi. Le 1er mars 1996, elle a versé l'avance de frais demandée, par 5'000 fr. Le 4 juin, elle a invité l'office à réaliser l'immeuble dans les plus brefs délais. Le 24 du même mois, elle a porté BGE 122 III 392 S. 393 plainte à l'autorité cantonale de surveillance pour retard injustifié, tout en rappelant que sa créance (45'983 fr. 40 plus intérêts) représentait des salaires impayés pour la période du 6 novembre 1992 au 6 août 1993, alors qu'elle travaillait au service de la débitrice en qualité d'employée domestique. Dans son rapport à l'autorité cantonale de surveillance, l'office a exposé que, compte tenu des 50 réquisitions de vente déposées antérieurement à celle de dame A. et devant être traitées avant elle, il ne pourrait pas fixer la vente de l'immeuble en cause avant 1997. Dans sa plainte, dame A. alléguait que l'office lui avait fait savoir verbalement que la vente ne pourrait avoir lieu "avant fin 1997". Sa plainte ayant été rejetée, dame A. a recouru à la Chambre des poursuites et des faillites du Tribunal fédéral en lui demandant notamment d'inviter l'office à procéder sans délai à la vente requise. Elle a également sollicité l'octroi de l'assistance judiciaire. La Chambre des poursuites et des faillites a admis le recours, annulé la décision attaquée et invité l'office à procéder à la vente requise dans les plus brefs délais. Elle a également accordé à la recourante l'assistance judiciaire au sens de l' art. 152 al. 2 OJ .
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Erwägungen Extrait des Considérants: 3. A l'appui de sa demande d'assistance judiciaire, la recourante fait valoir qu'elle a été mise au bénéfice d'une telle mesure en instance cantonale, qu'elle est employée domestique, qu'elle a dû retourner au Togo et qu'il est notoire que dans ce pays elle ne peut pas gagner suffisamment d'argent pour payer les frais d'un avocat en Suisse. a) Il convient de souligner d'emblée que l'octroi de l'assistance judiciaire et en particulier d'un avocat d'office dans la procédure devant l'autorité cantonale ne vaut pas automatiquement pour le recours au Tribunal fédéral, qui prend sa propre décision en application de l' art. 152 OJ (POUDRET/SANDOZ-MONOD, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, vol. V, Berne 1992, p. 117 n. 2.3). b) L'alinéa 1 de l' art. 152 OJ subordonne l'octroi de l'assistance judiciaire à deux conditions: le dénuement du requérant et l'existence de chances de succès du recours. L'alinéa 2 permet au tribunal d'accorder en outre à la partie qui répond aux deux conditions précitées l'assistance d'un avocat d'office, mais seulement s'il existe un besoin d'assistance ou de protection juridique. Selon la jurisprudence développée en matière civile, pénale et administrative, l'assistance d'un avocat peut s'avérer indispensable à BGE 122 III 392 S. 394 cause de la complexité de l'affaire ou des questions à résoudre, des connaissances juridiques insuffisantes du requérant ou encore de l'importance des intérêts en jeu ( ATF 112 Ia 14 consid. 3a; ATF 111 Ia 5 consid. 2 et arrêts cités; cf. POUDRET/SANDOZ-MONOD, op.cit., p. 125; CHRISTIAN FAVRE, L'assistance judiciaire gratuite en droit suisse, thèse Lausanne 1989, p. 123 ss, et les références citées par ces auteurs). c) Selon la jurisprudence récente ( ATF 122 I 8 ), le droit à l'assistance judiciaire découlant de l' art. 4 Cst. n'est pas exclu par principe dans la procédure de plainte des art. 17 ss LP , pour le motif que, selon les art. 67 s. OFLP (RS 281.35), il ne peut être perçu de frais ni alloué de dépens; mais, dans la mesure où la procédure de plainte est régie par la maxime d'office, l'assistance d'un avocat n'est en général pas nécessaire. Il est cependant des cas où l'assistance par un avocat s'avère nécessaire en dépit de la maxime d'office ( ATF 115 Ia 103 consid. 4 p. 105; ATF 110 Ia 27 et les références; POUDRET/SANDOZ-MONOD, loc.cit.; FAVRE, op.cit., p. 125). Aussi convient-il d'admettre que, dans ces cas, soit - comme mentionné plus haut sous lettre b - lorsqu'il y a complexité de l'affaire ou des questions à résoudre, connaissances juridiques insuffisantes et intérêts importants en jeu, l'octroi de l'assistance judiciaire au sens de l' art. 152 al. 2 OJ se justifie également pour la procédure de plainte des art. 17 ss LP . d) Il ne fait pas de doute, dans le cas particulier, que les conditions posées par l'alinéa 1 de l' art. 152 OJ sont réunies. La présente espèce démontre en outre que l'assistance d'un avocat était nécessaire, car ce n'était pas chose évidente et aisée, surtout pour une personne partageant la condition et la situation de la recourante, que de faire prévaloir, dans les circonstances données, une exception au principe d'égalité entre les créanciers dans le traitement des réquisitions de vente immobilière. Il y a donc lieu d'accorder à la recourante l'assistance judiciaire au sens de l' art. 152 al. 2 OJ .
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Zur vollständigen Sachverhaltsermittlung gehört die Quantifizierung des Risikos der verschiedenen Störfallszenarien hinsichtlich Schadensausmass (Störfallwert) und Eintretenswahrscheinlichkeit in Form einer Risikosummenkurve (E. 5a-c). Eine absolute Schadenobergrenze darf jedenfalls nicht schon bei Störfallwerten von 0.5-0.6 angenommen werden (E. 5d). Überprüfung der Grundannahmen der Risikoermittlung (E. 5e-h). Sachverhalt ab Seite 19 BGE 127 II 18 S. 19 Die X. AG betreibt in Pfäffikon/SZ eine grosse Badeanlage. Die Desinfektion des Badewassers erfolgt mit Chlorgas, welches in zwei 500 kg-Druckfässern in flüssiger Form gelagert wird. Gestützt auf Art. 10 des Bundesgesetzes vom 7. Oktober 1983 über den Umweltschutz (USG; SR 814.01) und Art. 6 der Verordnung vom 27. Februar 1991 über den Schutz vor Störfällen (Störfallverordnung, StFV; SR 814.012) forderte das Amt für Feuer- und Zivilschutz des Kantons Schwyz (AFZ) am 28. Juni 1994 die X. AG auf, eine quantitative Risikoermittlung gemäss Anhang 4 StFV vorzunehmen. In der Folge reichte die X. AG die vom Ingenieurbüro A. und Partner AG erstellte Risikoermittlung vom 2. März 1995 ein. Das AFZ zog zur Beurteilung das Ingenieurbüro B. AG bei. Gestützt auf dessen Überprüfungsbericht verfasste das AFZ am 12. Februar 1996 einen Kontrollbericht gemäss Art. 7 StFV . Darin gelangte es zum Schluss, das mit der Lagerung des verflüssigten Chlorgases verbundene Risiko sei zu gross, und setzte der X. AG Frist bis Ende 1996, um den Betrieb auf ein alternatives Desinfektionsverfahren umzurüsten und das Risiko damit auf ein akzeptables Mass zu senken. Nachdem der X. AG mehrere Fristerstreckungen gewährt worden waren, forderte das Militär- und Polizeidepartement (MPD) die X. AG mit Verfügung vom 30. September 1996 dazu auf, bis Ende 1997 die erforderlichen Massnahmen zu treffen, um die Risiken in den akzeptablen Bereich zu bringen, und setzte ihr Frist bis Ende 1996 an, um einen eigenen, fachmännisch ausgearbeiteten Lösungsvorschlag einzureichen. Mangels eines solchen Vorschlags gelte eines der im Bericht B. aufgezeigten Verfahren als verbindlich, bei welchem auf die Lagerung von Chlor in Druckbehältern verzichtet wird. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der X. AG wies der Regierungsrat des Kantons Schwyz am 29. September 1998 ab. Auch die Beschwerde der X. AG an das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz blieb erfolglos. Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes vom 21. Mai 1999 erhob die X. AG Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht. Sie beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Angelegenheit sei soweit notwendig zur Ergänzung des Beweisverfahrens, zum Verzicht auf ein Chlorgasverbot und zur Neubeurteilung an die Vorinstanzen zurückzuweisen. Das Bundesgericht hat die Beschwerde gutgeheissen, soweit darauf einzutreten war, und die Sache zu erneuter Beurteilung an das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz zurückgewiesen. BGE 127 II 18 S. 20
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. a) Es ist unbestritten, dass die Anlage der Beschwerdeführerin aufgrund der gelagerten Menge Chlor der Störfallverordnung untersteht und der Verpflichtung zur Erstellung einer Risikoermittlung gemäss Art. 6 Abs. 4 StFV unterliegt. Art. 7 Abs. 2 StFV bestimmt, dass die Wahrscheinlichkeit eines Störfalls umso kleiner sein muss, je schwerer die Schutzbedürfnisse von Bevölkerung und Umwelt wiegen und/oder je grösser das Ausmass der möglichen Schädigungen derselben ist. Das BUWAL hat - gestützt auf Art. 22 StFV - mit dem Handbuch I zur Störfallverordnung 1991 (im Folgenden zitiert als "Handbuch I"), ergänzt bzw. abgeändert durch die Beurteilungskriterien I zur Störfallverordnung vom September 1996 (nachfolgend zitiert als "Beurteilungskriterien I"), quantifizierte Kriterien für das Verhältnis von Störfallausmass (Störfallwert) und Störfallwahrscheinlichkeit pro Betrieb und Jahr festgelegt. Entsprechend dem Handbuch I (Anhang G S. 45 ff.) ist das von der Anlage ausgehende Risiko in einem Wahrscheinlichkeits-Ausmass-Diagramm (W-A-Diagramm) darzustellen. Das aus den verschiedenen untersuchten Störfallszenarien resultierende Risiko wird darin als Risikosummenkurve dargestellt. Das Diagramm unterscheidet drei Risikobereiche: akzeptabel, Übergangsbereich und nicht akzeptabel. Gemäss der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Risikoermittlung vom 2. März 1995 liegt das von den Chlordruckfässern im "Ist-Zustand" ausgehende Risiko (als Summenkurve dargestellt) deutlich im Übergangsbereich (auch unter Berücksichtigung der Änderungen gemäss Beurteilungskriterien I), erreicht indessen nie den Bereich des inakzeptablen Risikos. Das hat zur Folge, dass in Anwendung von Art. 7 StFV die Tragbarkeit des Risikos im Rahmen einer Interessenabwägung zu beurteilen ist; erscheint das Risiko als untragbar, ist über zusätzliche risikomindernde Massnahmen zu entscheiden ( Art. 8 StFV ; Handbuch I S. 36 f. und Anhang G S. 51 ff.; Beurteilungskriterien I S. 10 f.). Das MPD hat das Risiko, das aktuell (im "Ist-Zustand") von der Lagerung von bis zu 1000 kg druckverflüssigtem Chlor auf dem Areal der Beschwerdeführerin ausgeht, als nicht tragbar im Sinne von Art. 7 StFV qualifiziert und die Beschwerdeführerin aufgefordert, die erforderlichen Massnahmen zu treffen, um die Risikosummenkurve in den akzeptablen Bereich nach Handbuch I zu bringen. Der Beschwerdeführerin wurde Gelegenheit gegeben, einen eigenen Lösungsvorschlag, der die gesetzten Werte einhält, zur Genehmigung BGE 127 II 18 S. 21 einzureichen. Für den Fall, dass innert der gesetzten Frist kein Vorschlag oder eine Lösung mit ungenügenden Werten eintreffen sollte, wurde die Umstellung auf ein Desinfektionsverfahren angeordnet, bei dem auf die Lagerung von Chlor in Druckbehältern verzichtet wird. Streitig ist im Wesentlichen der zweite Teil dieser Verfügung: Die Beschwerdeführerin behauptet, die von ihr vorgeschlagenen zusätzlichen baulichen und betrieblichen Massnahmen genügten, um das Risiko - auch unter Beibehaltung der Lagerung von Chlor in Druckbehältern - in den akzeptablen Bereich zu verlegen und damit der Zielvorgabe des MPD zu entsprechen. Es sei daher unverhältnismässig, die Umstellung auf ein alternatives Desinfektionsverfahren zu verlangen, welches für Grossanlagen noch nicht erprobt sei und mit hohen Kosten verbunden wäre. Hierzu hat die Beschwerdeführerin im kantonalen Verfahren mehrere Berichte vorgelegt: die Risikoermittlung vom 2. März 1995, den Zusatzbericht vom 19. Dezember 1996, die ergänzenden Untersuchungen zur Risikoermittlung vom 20. Januar 1998 und die ergänzenden Untersuchungen zur Anlieferung vom 4. November 1998, alle verfasst vom Ingenieurbüro A. und Partner AG. b) aa) Bereits in der Risikoermittlung vom 2. März 1995 wurden gewisse risikomindernde Massnahmen vorgeschlagen (Anpassung des Chlorraums an die geltende SIA-Norm; Anlieferung von Chlor nur noch vor Betriebsöffnung); unter Berücksichtigung dieser zusätzlichen Massnahmen verläuft die Risikosummenkurve (gemäss der Berechnung des Ingenieurbüros A. und Partner AG) allerdings weiterhin im Übergangsbereich. Im Zusatzbericht vom Dezember 1996 werden zusätzliche Schutzmassnahmen untersucht; dabei gelangt die günstigere Beurteilungsweise zum Zuge, welche die Beurteilungskriterien I (vom September 1996) eingeführt haben. Gemäss den Beurteilungskriterien I gelten Risiken mit einem Störfallwert bis zu 0,3 ungeachtet ihrer Eintretenswahrscheinlichkeit als akzeptabel. Auch unter Berücksichtigung dieser Änderung der Richtlinie und der zusätzlichen Sicherheitsmassnahmen verläuft die Risikosummenkurve beim vorhandenen Chlorraum (Chlorraum 1) im Übergangsbereich. Indessen schlägt der Zusatzbericht erstmalig auch die Errichtung eines neuen Chlorraumes (Chlorraum 2) vor. Der Zusatzbericht gelangt zum Schluss, dass mit dem Chlorraum 2 die Risikosummenkurve gemäss den Beurteilungskriterien I vollständig im akzeptablen Bereich liegt, während sie nach dem alten Massstab gemäss BGE 127 II 18 S. 22 Handbuch I in einem kleinen Abschnitt durch den Übergangsbereich geführt hätte. Die ergänzenden Untersuchungen vom Januar 1998 befassen sich mit der Wirkung weiterer Massnahmen zur Erhöhung der Sicherheit, nämlich dem erdbebensicheren und druckfesten Ausbau des Chlorraums 2. Die Risikosummenkurve würde gemäss den ergänzenden Untersuchungen vollständig im akzeptablen Bereich verlaufen, und zwar auch unter Anwendung der strengeren Kriterien des Handbuchs I. In den ergänzenden Untersuchungen zur Anlieferung vom November 1998 wird schliesslich ein weiteres Potential für eine Risikosenkung darin erkannt, dass die Anlieferungen der Chlorfässer ausschliesslich zwischen 01.00 und 06.00 Uhr erfolgen würden. bb) Gestützt auf die bei der B. AG eingeholte Überprüfung gelangte das AFZ in seinem Kontrollbericht vom 12. F-ebruar 1996 zum Ergebnis, die Risikoermittlung sei vollständig. Indessen werde bei einem Chlorgasleck die Flucht von Personen im Nahbereich (bis 100 m) durch Reizungen von Augen und Schleimhäuten stark erschwert. Die angenommenen Fluchtfaktoren für die einzelnen Freisetzungsszenarien seien daher mit oder ohne Massnahmen nicht nachvollziehbar. Das MPD wies in seiner Verfügung vom 30. September 1996 ergänzend darauf hin, dass die Literaturangaben zur Gefährlichkeit von Chlor uneinheitlich seien. Je nach Annahme der Chlorkonzentration, welche zum Tode führe, liege die Risikosummenkurve im Übergangsbereich oder gar im nicht akzeptablen Bereich. Im anschliessenden Beschwerdeverfahren vor dem Regierungsrat erklärte das MPD, die in den Zusatzberichten vorgeschlagenen Massnahmen genügten unter anderem deshalb nicht, weil alle Zusatzberichte wie schon die Risikoermittlung auf unrealistischen Annahmen hinsichtlich der Personendichte im betroffenen Gebiet und des Anteils an Personen, die rechtzeitig flüchten könnten, beruhten. Dieser Kritik schlossen sich der Regierungsrat und das Verwaltungsgericht an. cc) Die Feststellungen des Verwaltungsgerichts betreffend Personendichte in der Umgebung des Chlorlagers und betreffend Fluchtverhalten bei einem Störfall sind Sachverhaltsfeststellungen, an die das Bundesgericht im Rahmen von Art. 105 Abs. 2 OG gebunden ist. Dasselbe gilt für Feststellungen über die lokalen räumlichen Gegebenheiten. Weiter ist Tatfrage, mit welcher Häufigkeit bzw. Wahrscheinlichkeit ein definiertes Störfallszenarium zu erwarten ist. Hingegen ist es Rechtsfrage, ob das Risiko tragbar ist oder nicht. BGE 127 II 18 S. 23 c) Die Beschwerdeführerin rügt, das Verwaltungsgericht habe nicht geprüft, zu welchen Ergebnissen die von ihm befürworteten negativeren Grundannahmen führen würden; hierfür hätte der genaue Verlauf der Summenkurve festgestellt werden müssen. Zudem habe das Verwaltungsgericht nicht beachtet, dass bei Szenarien mit höherem Störfallwert die Häufigkeit entsprechend tiefer angesetzt werden müsse, weshalb der akzeptable Bereich nicht überschritten werde. Schliesslich sei die vom Verwaltungsgericht und den Behörden geübte Kritik an den in der Risikoermittlung zugrundegelegten Personendichten, Fluchtfaktoren und Schadenauswirkungen offensichtlich nicht stichhaltig. Das Verwaltungsgericht hat aufgrund seiner Erwägungen zu den Personendichten im betroffenen Gebiet, der Ausbreitung des bei einem Störfall freigesetzten Chlorgases, dem Bereich mit letalen Konzentrationen, den Fluchtfaktoren, dem Störfallwert im schlimmsten Fall und der Häufigkeit "angenommen", dass nicht nur beim Ist-Zustand, sondern auch bei Berücksichtigung der verschiedenen vorgeschlagenen zusätzlichen Sicherheitsmassnahmen, die Risikosummenkurve teilweise im Übergangsbereich liege. Es hat allerdings das Risiko, das sich bei Verwendung der ihm als zutreffend erscheinenden Ausgangsdaten ergeben würde, nicht in Form einer Summenkurve aufgezeichnet oder die in den Akten liegende, vom AFZ am 27. Januar 1999 erstellte "voraussichtliche Summenkurve bei einer Risikoermittlung nach BUWAL-Grundsätzen" für massgeblich erklärt. Eine Quantifizierung des Risikos ist jedoch erforderlich, um zu beurteilen, ob die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen Massnahmen genügen, d.h. geeignet sind, das Risiko auf ein tragbares Mass i.S. des Handbuchs I und den Beurteilungskriterien I zu reduzieren. Im Folgenden ist daher zu prüfen, ob aufgrund der vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen der Verlauf der Summenkurve ermittelt und der Sachverhalt insofern vervollständigt werden kann. d) aa) Das Verwaltungsgericht hat für die von ihm erwarteten "worst cases" eine gewisse Quantifizierung vorgenommen, indem es im schlimmsten Fall einen Störfallwert von 0,5 bis 0,6 (mit 50 bis 100 Todesopfern) mit einer Eintretenswahrscheinlichkeit im Bereich 10-9 bis 10-7 rechnete. Dabei legte es die Wahrscheinlichkeitsberechnungen der Beschwerdeführerin für die spontane Freisetzung bei Expositionsdichtekombination Spitze zugrunde. Damit hat das Verwaltungsgericht verkannt, dass die Risikoermittlung nicht von absoluten Spitzenzeiten, sondern von einer durchschnittlichen BGE 127 II 18 S. 24 Spitzenbetriebszeit (an Feiertagen, Wochenenden, Abenden und während der Schulferien) ausgeht, mit einem prozentualen zeitlichen Anteil von immerhin 34%. Geht man dagegen vom Eintritt eines Störfalls zu einem Zeitpunkt mit stark erhöhter Personendichte aus (z.B. 100 Personen, die gleichzeitig aus zwei vollbesetzten Bussen aussteigen), so erhöht sich zwar die Zahl der Todesopfer, zugleich verringert sich aber zwangsläufig die Eintretenswahrscheinlichkeit. Die Übernahme der vom Ingenieurbüro A. und Partner AG für andere Szenarien berechneten Häufigkeiten auch für die "worst-case"-Szenarien führt damit offensichtlich zu einem zu hohen Gesamtrisiko. bb) Allerdings ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass eine Interessenabwägung bei katastrophalem Schadenausmass selbst dann zulässig sei, wenn das Risiko gemäss W-A-Diagramm im akzeptablen Bereich liege, d.h. dass Risiken mit erheblichem Schadenspotential in jedem Fall unzulässig seien, unabhängig von der Eintretenswahrscheinlichkeit. Würde diese Rechtsauffassung zutreffen, wäre die fehlende (bzw. zu hohe) Eintretenswahrscheinlichkeit für die "worstcase"-Szenarien unerheblich. Die Frage, ob gewisse katastrophale Schadenspotentiale in jedem Fall unzulässig sind, unabhängig von der Eintretenswahrscheinlichkeit, wird in der Literatur unterschiedlich beantwortet (Übersicht zum Diskussionsstand in: HANSJÖRG SEILER, Recht und technische Risiken, Zürich 1997, S. 258; derselbe, Staats- und verwaltungsrechtliche Fragen der Bewertung technischer Risiken, insbesondere am Beispiel des Vollzugs von Art. 10 USG , in: ZBJV 130/1994 S. 1 ff., insbes. S. 15). USG und Störfallverordnung enthalten keine ausdrückliche maximale Schadenobergrenze. Das Handbuch I (S. 36) hält es für möglich, dass es ein Mass an Schädigungen gebe, das durch die privaten und öffentlichen Interessen nicht mehr aufgewogen werden könne und unabhängig von der Eintretenswahrscheinlichkeit als untragbar zu bezeichnen sei. Es hat in Anhang G Fig. G.4 S. 52 eine solche Grenze bei Störfallwert 1.0 gezogen. In den Beurteilungskriterien (S. 8) wurde die Frage dagegen offen gelassen: Ausmassachse und Akzeptabilitätslinie enden beim Störfallwert 1.0, da bei den in der Schweiz vorhandenen Betrieben nicht mit Ereignissen mit grösserem Schadenausmass zu rechnen sei. Grundsätzlich sind die Kantone, denen der Vollzug der Störfallverordnung obliegt, daher berechtigt, eine derartige maximale Schadenobergrenze festzulegen (SEILER, Bewertung technischer Risiken, a.a.O., S. 15). Dabei kann es aber nur um Schadenausmasse gehen, die wirklich Grosskatastrophen BGE 127 II 18 S. 25 darstellen, nicht aber schon um Störfallwerte von 0.5 oder 0.6 (ca. 50-100 Tote). Ein Gefährdungspotential in dieser Grössenordnung haben sehr viele Anlagen (z.B. Tankstellen, Tanklastwagen, Eisenbahn- oder Strassentunnels, Chemiebetriebe, usw.). Würde man bereits bei solchen Schadenspotentialen ungeachtet der Wahrscheinlichkeit Betriebsverbote zulassen, könnte fast jede gewerbliche, industrielle oder kulturelle Tätigkeit gestützt auf die Störfallverordnung verboten werden. Dies kann nicht der Sinn von Art. 10 USG und von Art. 7 f. StFV sein. cc) Nach dem Gesagten müssen auch den Risiken mit Störfallwerten von 0.5-0.6 Wahrscheinlichkeitswerte zugeordnet werden. Da gesicherte Berechnungen hierzu fehlen und auf die Annahmen des Verwaltungsgerichts nicht abgestellt werden kann, ist der Sachverhalt insofern ergänzungsbedürftig. Eine Rückweisung könnte daher allenfalls unterbleiben, wenn feststünde, dass die Risikosummenkurve im Übrigen (für Störfallwerte zwischen 0.3 und 0.5) eindeutig im Übergangsbereich verläuft. Die kantonalen Instanzen haben dies angenommen, weil die Risikoermittlung von einer zu geringen Personendichte und zu hohen Fluchtraten ausgegangen sei. Die Beschwerdeführerin hält diese Kritik für unberechtigt. e) Für die Berechnung der möglicherweise im Freien von einem Störfall betroffenen Personenzahl nimmt die Risikoermittlung an, dass sich auf einem Parkplatz von 0,007 km2 (d.h. 7000 m2) in der Spitzenzeit 20 und im Durchschnitt 5 Personen aufhalten; auf dem Schulhausgelände (ca. 0.01 km2 bzw. 10'000 m2) 50 Personen während der Pausen und 5 Personen während der Unterrichtszeit, und im Eingangsbereich des Bades (0,002 km2 bzw. 2000 m2) 20 Personen an einem Spitzentag und 2 Personen an einem normalen Tag. Die Risikoermittlung begründet diese Annahmen nicht näher. Namentlich wird nicht behauptet, dass sie auf einer entsprechenden Erhebung an Ort und Stelle beruhen. Auf der Basis dieser Zahlen haben die Autoren Personendichten im Personen/km2 errechnet, welche der Risikoermittlung und allen Zusatzberichten zu Grunde gelegt wurden. aa) Das Verwaltungsgericht hielt diese Werte für unrealistisch tief. Umgerechnet auf eine Parkplatzfläche von 1000 m2 ergäben sich an einem Spitzentag ganze 3 Personen, an Durchschnittstagen 0,75 Personen; auf 100 m Zufahrtsstrasse zum benachbarten Einkaufszentrum würden tagsüber 0,03 Personen geschätzt. Diese Zahlen würden der Personendichte auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums offensichtlich nicht gerecht, ebensowenig der Tatsache, dass BGE 127 II 18 S. 26 die Zubringerstrasse zum Einkaufszentrum und zum Bad in Spitzenzeiten sehr stark befahren sei. Während dieser Zeiten sei mit etwa 3 Personen pro 100 m Strasse zu rechnen, also dem Hundertfachen dessen, was in der Risikoermittlung angenommen worden sei. Den 50 Personen, die sich gemäss Risikoermittlung während der Pausen auf dem Schulhaus aufhalten sollen, stehe gegenüber, dass sich in der Kantons- und Berufsschule 600 bis 700 Personen (Schülerinnen und Schüler sowie Lehrpersonen) aufhielten. Schliesslich seien auch für den Eingangsbereich und den Carparkplatz eindeutig zu tiefe Personendichten angenommen worden. bb) Die Beschwerdeführerin macht nur geltend, das Verwaltungsgericht habe es bei seinen Berechnungen zu Unrecht unterlassen, eine Flächengewichtung vorzunehmen, d.h. in Rechnung zu stellen, dass die Werte Durchschnittswerte je km2 seien, während sich die Personendichten auf den Strassen konzentrierten und die Grünflächen menschenleer blieben. Dieser Einwand übersieht allerdings, dass das Verwaltungsgericht lediglich die Grundannahmen der Risikoermittlung (vor Umrechnung auf km2) auf besser vorstellbare kleinere Flächen umgerechnet hat. Die Umrechnungsmethode ist soweit ersichtlich dieselbe, die auch in der Risikoermittlung angewendet wurde. Berechtigt ist der Einwand dagegen möglicherweise für die Strassen: Diese wurden vom Ingenieurbüro A. und Partner AG mit "übrigen Gebäuden" zu einer Zone zusammengefasst und eine Personendichte von 20 P/km2 (sowohl für Spitzentage als auch an normalen Tagen) zugrundegelegt, ohne nähere Erläuterung zur Berechnungsweise. Es mag sein, dass darin auch Frei- und Grünflächen berücksichtigt und eine Flächengewichtung vorgenommen worden ist. Das ist jedoch nicht überprüfbar, weil Lage, Art, Ausmass und Abgrenzung dieser Zone unbekannt sind. Rechnet man mit P/km2 (anstatt mit absoluten Zahlen, d.h. Todesfällen je Szenarium), muss dies auf transparente, nachvollziehbare Weise geschehen. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass es sich bei der Personenzahl bzw. -dichte um Durchschnittszahlen handelt. Dies fällt für kurze Zeiträume (z.B. Pause im Schulhof) weniger ins Gewicht, sehr stark aber für die Expositionsdichtekombination Spitze mit einem zeitlichen Anteil von immerhin 34%. Insofern darf nicht unbesehen auf die maximale Zahl der Personen auf der Zufahrtsstrasse, dem Parkplatz und dem Eingangsbereich des Bades zu Stosszeiten abgestellt werden, sondern es muss von der Zahl von Personen ausgegangen werden, die sich durchschnittlich, während BGE 127 II 18 S. 27 34% der gesamten Zeit, in diesen Bereichen aufhalten. Stellt man dagegen auf Situationen mit höherer Personendichte aber kleinerem zeitlichen Anteil ab (z.B. Staulage auf der Strasse), muss auch die damit verbundene niedrigere Eintretenswahrscheinlichkeit berücksichtigt werden. cc) Zusammenfassend gibt es zwar gewichtige Einwände gegen die vom Ingenieurbüro A. und Partner AG zugrunde gelegten Personendichten; es fehlen jedoch zuverlässige quantifizierte Feststellungen der kantonalen Instanzen, die es zulassen würden, die Ausmassberechnungen vom Ingenieurbüro A. und Partner AG verlässlich zu überprüfen. f) Unklar ist ferner, ob und wie stark Personen im Innern der Gebäude betroffen sind. Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass die bestehenden und geplanten Gebäude eindringende Gase nicht völlig zurückhalten könnten, zumal Türen und Fenster vielfach geöffnet seien; auch wenn in den Gebäuden keine tödliche Chlorgaskonzentration erreicht werde, müsse im Falle eines Panikausbruchs mit Todesopfern gerechnet werden. Diese Einwände erscheinen berechtigt; die kantonalen Instanzen haben jedoch das Risiko von Todesfällen aufgrund von Panikreaktionen (hinsichtlich Ausmass und Wahrscheinlichkeit) nicht quantifiziert. Diese Risikoeinschätzung wird noch erschwert durch die in der Umgebung des Bades geplanten neuen Anlagen (u.a. Aufstockung des bestehenden Einkaufscenters; Neuerstellung eines Migros-Fachmarktes und Gartencenter; Aufstockung der Parkplatzzahl auf insgesamt 2070), deren Auswirkungen auf die Risikosituation zusätzlicher Abklärung bedarf. g) Streitig sind schliesslich die der Risikoermittlung zugrundezulegenden Fluchtfaktoren, d.h. die Annahmen dazu, wie viele betroffene Personen sich bei einem Störfall in Sicherheit bringen können. Diese Fluchtfaktoren wurden in der ursprünglichen Risikoermittlung je nach angenommenem Störfallszenarium auf 60 bis 95% angesetzt. In den nachfolgenden Untersuchungen wurden teilweise noch günstigere Annahmen (70 bis 99%) getroffen. aa) Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass nach einer Freisetzung von Chlor die Flucht von Personen im Nahbereich der Quelle (bis ca. 100 m) dadurch stark erschwert werde, dass das Chlor zu Reizungen von Augen und Schleimhäuten führe und Panik auslösen könne. Weiter stellte es fest, dass in diesem Bereich innerhalb von drei Minuten Chlorkonzentrationen von >1000 ppm (parts per million) auftreten, die zum sofortigen Tod führen. Es erwog, bei dieser BGE 127 II 18 S. 28 Ausgangslage sei es zu optimistisch anzunehmen, dass sich bei spontanen Chlorfreisetzungen 60 bzw. 70% und bei kontinuierlichen Freisetzungen (bei denen eine kleinere Menge Chlor pro Zeiteinheit freigesetzt wird) gar 80 bzw. 90% der Betroffenen retten könnten. Dabei sei in Rechnung zu stellen, dass sich unter den Betroffenen auch Kinder und Betagte oder aus anderen Gründen nicht ohne weiteres fluchtfähige Personen befinden könnten. bb) Die Beschwerdeführerin hält dem bloss entgegen, die Fluchtfaktoren beruhten auf anerkannten Modellrechnungen; laienhafte Annahmen vermöchten dagegen nicht aufzukommen. Gleichzeitig legt sie eine Stellungnahme ihrer Gutachterin ins Recht (Stellungnahme zu den Grundannahmen, 1. Juli 1999), in welcher ausgeführt wird, die Annahme von Fluchtfaktoren stelle im Rahmen von Risikoanalysen eine anerkannte Modelltechnik dar. Die eingesetzten Werte seien Ermessenssache unter Berücksichtigung des zu erwartenden Ablaufs des abgebildeten Ereignisses. Die Letalität sei eine Funktion von Konzentrationsverlauf und Dauer der Einwirkung. Innerhalb von drei Minuten könne der Mensch bei normalem Schritttempo eine Strecke von 240 m zurücklegen. Bei Annahme einer zufälligen Fluchtrichtung könne davon ausgegangen werden, dass sich mindestens 75% in eine günstige Richtung, d.h. vom Gefahrenherd weg, bewegten. Der Bereich, in dem mit 100 %-iger Letalität gerechnet werden müsse, sei somit im Durchschnitt bedeutend geringer als vom Verwaltungsgericht angenommen worden sei. cc) Diese Ausführungen vermögen jedoch nicht darüber hinweg zu täuschen, dass offenbar gesicherte Erfahrungswerte über die Fluchtfaktoren bei Chlorgas- oder vergleichbaren Unfällen fehlen und damit jede Annahme mit Unsicherheiten behaftet ist. Auch wenn zahlreiche Betroffene theoretisch die Möglichkeit haben, sich innert nützlicher Frist aus dem Gefahrenbereich zu retten, so muss doch ernsthaft damit gerechnet werden, dass die starken Reizungen, welche das Gas auslöst, eine erfolgreiche Flucht erschweren oder verunmöglichen. Ferner können Personen zu Tode kommen, die an sich flüchten könnten, aber anderen zu helfen versuchen, Flüchtende können sich gegenseitig behindern, usw. Die Risikoermittlung beruht überdies auf der Annahme, dass sich bei einem Störfall keine Personen von Aussen in das Gefahrengebiet bewegen. Diese Annahme ist ebenfalls fragwürdig. Wie die kantonalen Instanzen geltend gemacht haben und auch die Beauftragte der Beschwerdeführerin grundsätzlich anerkennt, ist nicht auszuschliessen, dass Chlorgas in benachbarte Gebäude, namentlich das BGE 127 II 18 S. 29 Einkaufszentrum, eindringt. Auch wenn dabei keine letalen Konzentrationen auftreten, ist doch zu erwarten, dass ein Teil der in diesem Gebäude befindlichen Personen nach Draussen flieht und sich dort erhöhter, ja sogar Todesgefahr aussetzt. Dies gilt erst recht für gewisse, in der Risikoermittlung berücksichtigte Szenarien (z.B. starke Erdbeben), bei denen mit einer allgemeinen Flucht aus den Gebäuden ins Freie zu rechnen ist. dd) Es liegt somit, wie das Verwaltungsgericht zu Recht erwogen hat, im Rahmen des behördlichen Ermessens, die Fluchtfaktoren, welche der Risikoanalyse zu Grunde liegen, als zu optimistisch anzusehen. Dies entbindet die Behörden jedoch nicht davon, ihrerseits ihre Annahmen zu quantifizieren, d.h. die zugrundezulegenden Fluchtraten zu beziffern (evtl. nach Szenarien differenziert) und deren Auswirkungen auf das Gesamtrisiko zu berechnen. h) Schliesslich macht die Beschwerdeführerin geltend, dass das Risiko durch den Bau eines neuen Chlorraums in der Nähe des Carparkplatzes in den akzeptablen Bereich gesenkt werden könnte. aa) In den ergänzenden Untersuchungen vom Januar 1998 hatte die Beschwerdeführerin vorgeschlagen, den neuen Chlorraum so zu gestalten, dass er dem Gasdruck bei der Freisetzung eines vollen Behälters standhalte. Dadurch hätten Freisetzungen bei geschlossener Türe keine Auswirkungen. Die Tür des neuen Chlorraums würde dieselbe Drucksicherheit aufweisen wie das restliche Gebäude und schliesse bei Gasalarm selbständig. Zudem seien bauliche Massnahmen vorzusehen, so dass Erdbeben bis und mit einer Stärke VIII (MSK-1964-Skala) keine Lecks zur Folge hätten. Durch diese bauliche Massnahmen könne das Risiko einer Chlorgasfreisetzung aufgrund eines Störfalls im Chlorraum (z.B. Behälterbersten, Armaturenleck) wesentlich gesenkt werden. In den ergänzenden Untersuchungen zur Anlieferung vom 4. November 1998 schlägt die Beschwerdeführerin darüber hinaus vor, die Anlieferung der Chlorfässer auf den Zeitraum 01.00 bis 06.00 Uhr zu beschränken (während in den ergänzenden Untersuchungen vom Januar 1998 noch angenommen worden war, dass 10% aller Anlieferungen in der Betriebszeit erfolgen. Dies hätte zur Folge, dass sich bei Freisetzungen im Rahmen von Umschlaghandlungen nur sehr wenige Personen im gefährdeten Bereich befänden. bb) Das Verwaltungsgericht hat dem entgegengehalten, die Machbarkeit und Verlässlichkeit einer druckfesten Abschottung bzw. eines innenüberdrucksicheren Chlorraumes am Alternativstandort sei nicht nachvollziehbar erstellt. Nach den Berechnungen BGE 127 II 18 S. 30 der Beschwerdeführerin, denen das Verwaltungsgericht insoweit nicht widerspricht, beträgt der Innenüberdruck, den der Chlorraum aushalten müsste, jedoch (je nach Raumgrösse) nur 1 bis 2 bar. Es ist nicht ersichtlich, weshalb dies technisch nicht realisierbar sein soll. Die am Augenschein vom 3. Februar 1999 geäusserten Bedenken des kantonalen Störfallkoordinators betrafen denn auch nur die Druckfestigkeit der automatisch schliessenden Türen. Diese Massnahme (Kopplung der Türe mit Gaswarnern, welche die Tür bei Alarm automatisch schliessen) wurde jedoch bei der Risikoabschätzung im Sinne einer konservativen Betrachtungsweise nicht berücksichtigt. Zwar sind weitere kritische Punkte denkbar (z.B. Nichtverschliessen der druckfesten Türe durch Fehlverhalten des Personals, Mängel beim Bau des druckfesten Chlorraums bzw. der Tür); dies ist aber kein Grund, die vorgeschlagenen zusätzlichen Massnahmen von vornherein, ohne nähere Überprüfung, als ungenügend abzutun und in die Risikoabschätzung nicht einzubeziehen. cc) Es erscheint plausibel, dass die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen Massnahmen (druckfester Raum und Umschlag ausschliesslich zwischen 01.00 und 06.00 Uhr) geeignet wären, das Risiko wesentlich abzusenken: Den grössten Beitrag zum Gesamtrisiko der bestehenden Anlage liefern nämlich gemäss Risikoermittlung die Szenarien "spontane Freisetzung durch Behälterversagen im Gebäude" (Störfallwert von mehr als 0,3 mit Wahrscheinlichkeit von ca. 4 x 10-7) und "spontane Freisetzung im Freien durch Schäden an Behälter/Ventil bei Umschlag" (Störfallwert von mehr als 0,3 mit Wahrscheinlichkeit von ca. 1,3 x 10-6), mithin gerade diejenigen Szenarien, deren Risiko sich durch die vorgeschlagenen Massnahmen plausibel reduziert. Durch die dichte Ausgestaltung des Lagerraums würde zwar nicht das maximale Schadenausmass, wohl aber die Wahrscheinlichkeit einer Freisetzung von Chlorgas aus dem Gebäude erheblich gesenkt: Behälterbersten und Armaturenleck hätten nämlich ausserhalb des Chlorraums nur Auswirkungen, wenn gleichzeitig die Türe offensteht (d.h. vor allem bei Anlieferungen, die jedoch grundsätzlich nicht mehr in den Betriebszeiten stattfinden würden). Im Übrigen wäre eine Ausbreitung von Chlorgas aus dem Gebäude ins Freie nur noch im Fall eines starken Erdbebens oder Sabotagehandlungen möglich, wenn auch die Baute selbst zerstört würde. Die kantonalen Behörden wären deshalb verpflichtet gewesen, diese zusätzlichen Massnahmen näher zu prüfen. Dabei durften sie sich nicht - wie im Beschwerdeentscheid des Regierungsrates geschehen - mit BGE 127 II 18 S. 31 dem Hinweis auf das nach wie vor bestehende hohe Schadenpotential begnügen, sondern mussten auch die Reduktion der Eintretenswahrscheinlichkeit würdigen. dd) Allerdings hatten Regierungsrat und Verwaltungsgericht Bedenken hinsichtlich des vorgeschlagenen Standorts des 2. Chlorraums. Dieser soll in unmittelbarer Nähe des kommunalen Chemiewehrstützpunkts errichtet werden, mit der Folge, dass die Chemiewehr bei einem Störfall durch das Chlorgas allenfalls daran gehindert werden könnte, zu ihren Gerätschaften zu gelangen. Diese - durchaus erheblichen - Bedenken befreiten das Verwaltungsgericht jedoch nicht davor, die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen Massnahmen zur Risikominderung ernsthaft zu prüfen und allenfalls zu überlegen, ob ein anderer Standort für die Errichtung eines druckfesten Chlorraums in Betracht kommt bzw. ob die Standortnachteile aufgrund einer erheblichen Minderung der Eintretenswahrscheinlichkeit in Kauf genommen werden können. i) Nach dem Gesagten ist es nicht möglich, den Sachverhalt im bundesgerichtlichen Verfahren zu ergänzen; vielmehr ist die Sache zu erneuter Abklärung an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen.
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Sachverhalt ab Seite 246 BGE 99 IV 246 S. 246 A.- X. wurde am 15. Dezember 1972 von der Zivilschutzstelle der Gemeinde Dübendorf zu einem am 10./11. Januar 1973 in Kloten stattfindenden Gebäudechef-Grundkurs aufgeboten. Am fraglichen Tage rückte er zu diesem Kurse nicht ein. Statt dessen meldete er sich telefonisch krank mit der Begründung, er könne wegen plötzlich aufgetretener starker Schmerzen, die von einem Bandscheibenschaden herrührten, das Haus nicht verlassen. Ein ärztliches Zeugnis reichte er trotz Aufforderung durch die Zivilschutzorgane nicht ein. B.- Mit Strafverfügung vom 21. Februar 1973 belegte das Statthalteramt des Bezirkes Uster X. in Anwendung von Art. 84 Ziff. 1 lit. a des Bundesgesetzes über den Zivilschutz vom 23. März 1962 (ZSG) mit einer Busse von Fr. 60.-. Der Gebüsste verlangte gerichtliche Beurteilung, worauf der Einzelrichter BGE 99 IV 246 S. 247 in Strafsachen des Bezirkes Uster am 25. April 1973 die Strafverfügung aufhob und X. von Schuld und Strafe freisprach. Eine vom Statthalteramt Uster gegen dieses Urteil gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich am 16. Oktober 1973 ab. C.- Das Statthalteramt des Bezirkes Uster führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt Bestrafung von X. wegen Übertretung von Art. 85 ZSG .
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Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Uster ist in seinem Entscheid zum Schluss gekommen, X. habe am 10. Januar 1973 tatsächlich wegen starker Schmerzen, also aus gesundheitlichen Gründen, nicht zum fraglichen Kurs einrücken können. Die dagegen vom Statthalteramt erhobenen Einwände hat das Obergericht als unbegründet zurückgewiesen. Die vorliegende Beschwerde bestreitet nicht mehr, dass X. einen triftigen Grund hatte, dem Kursaufgebot nicht Folge zu leisten. Sie behauptet jedoch, der Angeklagte wäre zur Einreichung eines ärztlichen Zeugnisses verpflichtet gewesen; da er dies trotz Aufforderung durch die Zivilschutzorgane unterlassen habe, werde sein Verhalten von Art. 85 ZSG erfasst. Nachdem das Statthalteramt dem Angeklagten im kantonalen Verfahren durchwegs eine Widerhandlung gegen Art. 84 ZSG zur Last gelegt hat, will es nun Art. 85 ZSG angewendet wissen. Nach dieser Bestimmung wird mit Busse bis Fr. 200.-- - in schweren Fällen oder bei Rückfall überdies mit Haft - bestraft, wer vorsätzlich den in Ausführung des genannten Gesetzes vom Bundesrat erlassenen Vorschriften zuwiderhandelt. Das Statthalteramt vertritt die Auffassung, die Pflicht zur Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses für den Fall, dass ein zu einem Zivilschutzkurs Aufgebotener wegen seines besonderen Gesundheitszustandes (Reiseunfähigkeit etc.) nicht einrücken könne, sei in den Richtlinien des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 1. Juli 1964, die aufgrund von Art. 66 der Verordnung über den Zivilschutz vom 24. März 1964 erlassen wurden, festgelegt. Ob das genannte Departement, dem die Ausarbeitung von Richtlinien bezüglich körperlicher und geistiger Tauglichkeit für Zivilschutzdienste übertragen worden ist, überhaupt ermächtigt war, vom Dienstpflichtigen in gewissen Fällen die Emreichung eines ärztlichen Zeugnisses zu verlangen BGE 99 IV 246 S. 248 und ob es gegebenenfalls auch Strafbestimmungen erlassen durfte, kann offen bleiben. Die genannten Richtlinien bilden ohnehin keine Grundlage für die hier zu beurteilende Frage der Pflicht zur Einreichung eines ärztlichen Zeugnisses. Art. 66 der Verordnung über den Zivilschutz steht unter dem Marginale "Einteilungs-, Entlassungs- und Ausschlussverfahren". Sein Gegenstand deckt sich nicht mit der zur Entscheidung gestellten Frage, was der bereits im Zivilschutz Eingeteilte, der wegen Krankheit nicht zu einem Kurs einrücken kann, vorzukehren hat.
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Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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fr
Sachverhalt ab Seite 204 BGE 129 III 203 S. 204 Le 14 juin 2002, la société X., à Moscou (ci-après: la créancière) a obtenu, à Genève, une ordonnance de séquestre contre Y., à Jeddah, portant sur "Toutes espèces, valeurs, titres, créances, droits, biens meubles et autres valeurs de quelque nature que ce soit, propriété de Y., au nom de ce dernier ou sous toute autre désignation. Toutes espèces, valeurs, titres, créances, droits, biens meubles et autres valeurs de quelque nature que ce soit, propriété d'Hôtel Z. SA (appartenant à Y.), au nom de cette dernière ou sous toute autre désignation. Notamment: L'Hôtel Z., comprenant les murs, le fonds de commerce et tous les meubles qu'il contient, parcelle no x, Genève Plainpalais Tous les comptes bancaires d'A. Ltd (appartenant à Y.) et d'Hôtel Z. SA (appartenant à Y.) auprès de la banque B. Les actions d'Hôtel Z. SA détenues par Y., en ses mains, en mains de la banque B. (créancière-gagiste) ou au siège de l'Hôtel Z. Les actions d'A. Ltd détenues par Y., en ses mains, en mains de la banque B. (créancière-gagiste) ou au siège de l'Hôtel Z. La cédule hypothécaire grevant la parcelle no x sise à Genève Plainpalais en mains de Y., en mains de la banque B. (créancière-gagiste) ou au siège de l'Hôtel Z.". Le même jour, la créancière a obtenu, toujours à Genève, une seconde ordonnance de séquestre contre A. Ltd, à l'Ile de Man, portant sur "Toutes espèces, valeurs ... propriété d'A. Ltd, au nom de cette dernière ou sous toute autre désignation. Toutes espèces, valeurs ... propriété d'Hôtel Z. SA (appartenant à A. Ltd), au nom de cette dernière ou sous toute autre désignation. Notamment: L'Hôtel Z. ... BGE 129 III 203 S. 205 Tous les comptes bancaires d'A. Ltd et d'Hôtel Z. SA (appartenant à A. Ltd) auprès de la banque B. ... La cédule hypothécaire ... en mains de Y., ... de la banque B. ... ou au siège de l'Hôtel Z.". L'Office des poursuites Arve-Lac a immédiatement exécuté lesdites ordonnances par les séquestres nos ... et ..., en expédiant des avis à Hôtel Z. SA, au Registre foncier et à la banque B. (pour les agences de la banque situées dans son arrondissement). La première ordonnance a également été exécutée par l'Office des poursuites Rive-Droite (séquestre no ...) et par l'Office des poursuites Rhône-Arve (séquestre no ...), qui ont expédié des avis correspondants à la banque B. pour les agences de celle-ci situées dans leurs arrondissements respectifs. Hôtel Z. SA a déposé quatre plaintes contre l'exécution desdits séquestres, en faisant valoir que les biens visés par ceux-ci (notamment l'hôtel, les comptes bancaires et la cédule hypothécaire) étaient sa propriété et non pas celle du débiteur séquestré, même aux dires de la créancière. Estimant pour sa part avoir satisfait aux exigences d'un séquestre valable, la créancière s'est prévalue du principe de la transparence ("Durchgriff"), voire de l'interdiction de l'abus de droit, en cas d'identité économique. Selon elle, l'hôtel et son fonds de commerce appartenaient en réalité au débiteur séquestré, au travers de sa société A. Par décisions du 30 août 2002, l'Autorité de surveillance des offices de poursuites et de faillites du canton de Genève a admis les plaintes, constaté la nullité des séquestres et ordonné leur levée en tant qu'ils portaient sur les biens propriété de la plaignante (l'hôtel, les comptes bancaires de la plaignante et la cédule hypothécaire). La créancière a recouru à la Chambre des poursuites et des faillites du Tribunal fédéral en concluant à la confirmation de la validité des séquestres en question et de leur exécution par les offices de poursuite concernés. La plaignante (ci-après: l'intimée) a conclu au rejet des recours dans la mesure de leur recevabilité.
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. 2.1 L'autorité cantonale de surveillance a constaté la nullité des séquestres litigieux en se fondant sur la jurisprudence antérieure à l'entrée en vigueur, le 1er janvier 1997, de la LP révisée (RO 1995 p. 1227 et 1309). Selon cette jurisprudence, les autorités de BGE 129 III 203 S. 206 poursuite étaient habilitées à refuser l'exécution d'une ordonnance de séquestre, notamment, lorsque les biens à séquestrer n'appartenaient à l'évidence pas au débiteur ( ATF 114 III 88 consid. 2a; ATF 107 III 33 consid. 4; ATF 105 III 140 ) ou lorsqu'il y avait abus de droit manifeste ( ATF 120 III 42 consid. 5a p. 47; ATF 112 III 47 consid. 1; ATF 110 III 35 ; ATF 107 III 33 consid. 4 p. 38; ATF 105 III 18 ). Selon la décision attaquée, la désignation des biens dans les ordonnances de séquestre était équivoque et résultait de déclarations contradictoires et inconciliables de la créancière; celle-ci désignait des biens qui, selon ses propres dires, n'appartenaient pas, selon les règles du droit civil, à son débiteur, mais à une société tierce, et souhaitait faire appréhender les biens de cette société en raison de son identité économique avec le débiteur, voire avec une autre débitrice, nullement visée par les séquestres; elle n'alléguait toutefois aucun élément de fait démontrant à l'évidence l'existence d'un abus de droit de la part du débiteur. L'autorité cantonale de surveillance a ainsi statué sur une question d'appartenance et de désignation des biens à séquestrer au sens de l' art. 272 al. 1 ch. 3 LP ; elle a tranché également celle d'un éventuel abus de droit. 2.2 La jurisprudence sur laquelle l'autorité cantonale de surveillance s'est appuyée se justifiait sous l'ancien droit en raison de l'exclusion de tout recours contre l'ordonnance de séquestre, à l'exception du recours de droit public ainsi que, dans certains cas, d'une voie de recours extraordinaire de droit cantonal ( ATF 107 III 29 consid. 1). Elle ne se justifie plus sous le nouveau droit, dès lors que celui-ci, en introduisant la procédure d'opposition à l'ordonnance de séquestre ( art. 278 LP ), permet désormais le contrôle de cette dernière par le juge quant aux conditions de fond du séquestre, y compris la désignation "des biens appartenant au débiteur" ( art. 272 al. 1 ch. 3 LP ) qui fait partie de l'ordonnance en vertu de l' art. 274 al. 2 ch. 4 LP (GILLIÉRON, Le séquestre dans la LP révisée, in BlSchK 1995 p. 140; W. STOFFEL, Le séquestre, in La LP révisée, publication Cedidac, Lausanne 1997, p. 301; BERTRAND REEB, Les mesures provisoires dans la procédure de poursuite, in RDS 116/1997 II p. 487 ss; SchKG-STOFFEL, n. 28 ad art. 274 LP ; YVONNE ARTHO VON GUNTEN, Die Arresteinsprache, Zurich 2001, p. 156 s.). Les griefs qui concernent la propriété ou la titularité des biens à séquestrer doivent donc être invoqués dans la procédure d'opposition; celui d'abus de droit également (STOFFEL, Le séquestre, p. 302/303; REEB, op. cit., p. 488; ARTHO VON GUNTEN, op. cit., p. 158). BGE 129 III 203 S. 207 2.3 Dès lors que, sous l'empire du nouveau droit, l'autorisation de séquestre selon l' art. 272 LP peut faire l'objet d'un réexamen, voire encore d'un recours, dans de brefs délais ( art. 278 LP ), un contrôle intermédiaire par l'office ne se justifie plus de la même manière qu'auparavant. Les compétences des autorités de poursuite doivent ainsi être circonscrites aux mesures proprement dites d'exécution du séquestre, soit notamment, en vertu du renvoi de l' art. 275 LP , à celles concernant la saisissabilité des biens ( art. 92 ss LP ), l'ordre de la saisie ( art. 95 ss LP ), la sauvegarde des biens saisis ( art. 98 ss LP ) et la procédure de revendication ( art. 106 ss LP ) (cf. GILLIÉRON, loc. cit.). L'office conserve bien entendu, et principalement, le droit de contrôler la régularité formelle de l'ordonnance de séquestre (STOFFEL, Le séquestre, p. 301), ce pouvoir d'examen entrant par définition dans les attributions d'un organe d'exécution qui ne peut donner suite à un ordre lacunaire ou imprécis, ni exécuter un séquestre entaché de nullité (REEB, op. cit., p. 489; ARTHO VON GUNTEN, op. cit., p. 157). Selon le droit actuellement en vigueur, la plainte à l'autorité de surveillance est ainsi recevable notamment pour les griefs suivants: l'exécution d'un séquestre par une autorité incompétente ou l'exécution d'un séquestre ordonné par une autorité incompétente; l'exécution tardive ou incorrecte d'une ordonnance de séquestre; l'exécution d'une ordonnance de séquestre insuffisante au plan formel, par exemple parce qu'elle ne contient pas toutes les indications exigées par l' art. 274 al. 2 LP ou parce qu'elle ne désigne pas les biens à séquestrer avec suffisamment de précision; la mise sous séquestre d'objets insaisissables; les défauts manifestes de l'ordonnance de séquestre, tels que l'indication d'objets à séquestrer inexistants ou la procédure de séquestre engagée contre une personne déjà décédée (STOFFEL, Le séquestre, p. 302; SchKG-STOFFEL, n. 22 ss ad art. 274 LP et les références de jurisprudence). 2.4 Comme on l'a relevé plus haut (consid. 2.1), l'autorité cantonale de surveillance a été saisie de griefs concernant la propriété ou la titularité des biens à séquestrer et l'abus de droit, griefs qui relèvent de la compétence du juge de l'opposition selon le nouveau droit. La plainte étant exclue chaque fois qu'une action judiciaire est donnée (PFLEGHARD, in Geiser/Münch, Prozessieren vor Bundesgericht, n. 5.30; REEB, op. cit., p. 489; ARTHO VON GUNTEN, op. cit., p. 157), c'est à bon droit que la recourante fait valoir que l'autorité cantonale de surveillance a violé l' art. 17 al. 1 LP en ne déclarant pas la plainte irrecevable. Elle relève au demeurant avec raison le BGE 129 III 203 S. 208 risque de décisions inconciliables qui, en l'état et sous réserve du sort du recours cantonal pendant, s'est réalisé dans le cas particulier: sur la base du même complexe de faits, en effet, l'autorité de surveillance a levé les séquestres, alors que le juge les a confirmés en rejetant les requêtes en opposition. Le fait, invoqué par l'intimée, que le Tribunal fédéral a déjà statué, sous le nouveau droit, dans une affaire semblable sans remettre en cause la recevabilité de la plainte (arrêt 7B.130/2001 du 4 juillet 2001, partiellement publié in SJ 2001 I p. 616) ne saurait avoir d'incidence sur la présente décision. D'ailleurs, à la différence de la présente espèce, il n'a alors pas du tout été reproché à l'autorité cantonale de surveillance d'être entrée en matière sur la plainte. Le Tribunal fédéral ne pouvait remédier à l'absence de toute conclusion ou moyen sur ce point (cf. GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, n.101 ad art. 19 LP ). 3. Il résulte de ce qui précède que les recours doivent être admis et les décisions attaquées annulées, sans qu'il soit besoin d'examiner les autres griefs articulés, qui relèvent du reste, pour l'essentiel, de la compétence du juge de l'opposition.
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Sachverhalt ab Seite 219 BGE 105 Ia 219 S. 219 Die Einwohnergemeinde der Stadt Thun stimmte am 13. März 1977 dem Überbauungsplan "Strandweg (Lindermatte-Hechtweg)" BGE 105 Ia 219 S. 220 zu. Dieser Plan setzt die Baulinien für ein Projekt fest, wonach am linken unteren Thunerseeufer das fehlende Strandwegstück Lindermatte-Hechtweg eingefügt werden soll, um einen durchgehenden Wanderweg vom Lachengebiet bis in den Bonstettenpark zu schaffen. Der vorgesehene Strandweg soll in einer Entfernung von 30-40 m von der heutigen Uferlinie über künstlich aufgeschüttete Inseln, die durch Steg- und Brückenbauten miteinander verbunden sind, von der Lindermatte bis zum Hechtweg führen. Gegen den Überbauungsplan hatten Dr. E. Blaser und 12 weitere Seeanstösser gemeinsam Einsprache erhoben, da die Seezufahrt zu ihren Grundstücken durch den geplanten Strandweg eingeschränkt werde. Die Baudirektion des Kantons Bern genehmigte mit Beschluss vom 31. Januar 1978 den Überbauungsplan "Strandweg (Lindermatte-Hechtweg)" und wies die Einsprache ab. Die 13 Grundeigentümer erhoben dagegen ohne Erfolg Verwaltungsbeschwerde. Der Regierungsrat wies diese am 17. Januar 1979 ab, soweit er darauf eintrat, und genehmigte den genannten Überbauungsplan. Mit staatsrechtlicher Beschwerde gestützt auf Art. 4 und 22ter BV beantragen Dr. E. Blaser und Konsorten, der Entscheid des Regierungsrates sei aufzuheben. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der Thunersee gehört als öffentliches Gewässer zu den öffentlichen Sachen und unterliegt daher dem Gemeingebrauch. Den Anstössern ist wegen der besonderen Lage ihrer Liegenschaften die Ausübung des Gemeingebrauchs erleichtert. Gemäss Art. 664 ZGB wird die Benutzung öffentlicher Sachen durch das kantonale Recht geregelt. Dieses kann den Gemeingebrauch aufheben oder beschränken ( BGE 100 Ia 136 E. 5b); es kann aber auch den Anstössern eine bessere Rechtsstellung einräumen. Der Kanton Bern hat von dieser Möglichkeit zugunsten der Strassenanstösser Gebrauch gemacht. Nach Art. 50 Abs. 5 des bernischen Gesetzes über den Bau und Unterhalt der Strassen vom 2. Februar 1964 hat der Anstösser im Falle des Entzuges seiner Verbindung mit der öffentlichen Strasse Anspruch auf eine andere Verbindung oder allenfalls auf Entschädigung. Hinsichtlich der öffentlichen Gewässer fehlt indes eine gesetzliche Regelung, die den Anstössern gewisse Vorrechte BGE 105 Ia 219 S. 221 verleihen würde. Welche Rechte ein privates, im Grundbuch eingetragenes Ländterecht dem Anstösser zu verschaffen vermöchte, kann dahingestellt bleiben. Die Beschwerdeführer machen zwar unter Art. 5 ihrer Rechtsschrift geltend, das unwiderrufliche Kanalbenützungsrecht der Erben Zbinden stehe seit ca. 1930 fest, und bezüglich der Parzelle Hoffmann wird ein Zitat ohne Quellenangabe angeführt, wonach der Gemeinderat 1943 ein privates Ländterecht gegenüber dem Grundbuchamt anerkannt haben soll. Diese Ausführungen entbehren jedoch der notwendigen Klarheit. Die Beschwerdeführer legen nicht dar, wo diese Rechte festgehalten sein sollen und wie sie im einzelnen umschrieben seien. Es wird auch nicht ausgeführt, worin in diesem Zusammenhang die Verletzung eines verfassungsmässigen Rechtes liegen soll. Die Beschwerdebegründung genügt insoweit den Anforderungen des Art. 90 OG nicht. Die Beschwerdeführer weisen darauf hin, ihre Grundstücke seien in den Katasterplänen und im Grundbuch ausdrücklich als "an den See anstossend" bezeichnet. Sie leiten daraus offenbar ein Recht auf Fortbestand des Seeanstosses und Erhaltung der uneingeschränkten Seezufahrt zu ihren Grundstücken ab. Diese Ansicht ist unzutreffend. Die erwähnte Bezeichnung im Grundbuch ist Teil der Liegenschaftsbeschreibung im Sinne von Art. 942 Abs. 2 ZGB und Art. 4 der Verordnung des Bundesrates betreffend das Grundbuch (HOMBERGER, Komm. zu Art. 942 ZGB , N. 8) . Die Liegenschaftsbeschreibung hat dem jeweiligen Zustand des Grundstückes zu entsprechen; wesentliche Veränderungen sind nachzutragen. Es kommt ihr jedoch nur deskriptive und nicht konstitutive Bedeutung zu (HOMBERGER, a.a.O., N. 12). Aufgrund von Art. 973 ZGB in Verbindung mit der Liegenschaftsbeschreibung gemäss Art. 942 Abs. 2 ZGB werden dem Erwerber keine Rechte gegenüber dem Staat eingeräumt. Art. 973 ZGB hat lediglich die zivilrechtliche Bedeutung, den gutgläubigen Erwerber eines Grundstückes vor Beeinträchtigungen durch Dritte zu schützen, die sich auf nicht im Grundbuch eingetragene dingliche Rechte stützen würden (nichtveröffentlichte Urteile des Bundesgerichts vom 22. Dezember 1972 i.S. Hochuli und vom 24. Juni 1976 i.S. Hutmacher E. 2b). Es stellt sich somit nur noch die Frage, ob Lehre und Rechtsprechung dem Gewässeranstösser auch ohne entsprechende kantonale Vorschriften ein Recht auf Fortbestand der Anstössereigenschaften und damit auf ungehinderte Seezufahrt zu BGE 105 Ia 219 S. 222 ihren Grundstücken zubilligen. Das ist nicht der Fall. Nach Lehre und Rechtsprechung begründet der Anstoss eines Grundstückes an ein öffentliches Gewässer nicht einen Rechtsanspruch; er bildet lediglich einen für den Eigentümer günstigen tatsächlichen Zustand, der im öffentlichen Interesse geändert werden kann. Die tatsächliche Vorzugsstellung verschafft dem Anstösser kein unter dem Schutz der Eigentumsgarantie stehendes Recht. Er ist daher im Falle der Aufhebung oder Einschränkung des Seeanstosses nicht berechtigt, die Wiederherstellung oder eine Entschädigung zu verlangen (MEIER-HAYOZ, Komm. zu Art. 664 ZGB , N. 166; HAAB/SIMONIUS/SCHERRER/ZOBL, Komm. zu Art. 664 ZGB , N. 21; HANSJÖRG STEINER, Die Rechtsstellung des Anstössers an öffentlichen Gewässern, Europäische Hochschulschriften, 1974, Reihe II Bd. 89, S. 171 ff., BGE 100 Ia 137 E. 5d mit Hinweisen). Die Beschwerdeführer berufen sich zu Unrecht auf BGE 56 I 268 . Das Bundesgericht hat bereits in jenem Entscheid festgestellt, der Eigentümer eines Ufergrundstückes besitze zwar tatsächlich eine grössere Leichtigkeit, den Gemeingebrauch auszuüben, eine rechtliche Vorzugsstellung oder gar Abwehrrechte andern gegenüber stünden ihm jedoch in dieser Hinsicht nicht zu. Werden demnach die Beschwerdeführer durch das dem Überbauungsplan zugrundeliegende Strandwegprojekt bloss in ihren tatsächlichen Interessen, nicht aber in ihrer Rechtsstellung als Grundeigentümer berührt, so können sie sich nicht auf die Eigentumsgarantie berufen. Die Rüge, der angefochtene Entscheid verstosse gegen Art. 22ter BV , ist daher unbegründet. 3. Die Beschwerdeführer beklagen sich ausserdem über eine Verletzung der Rechtsgleichheit. Auch dieser Vorwurf geht fehl. Es wird in keiner Weise dargetan, dass die kantonale Behörde einen andern, ebenfalls vom Überbauungsplan betroffenen Anstösser ohne sachlichen Grund anders als die Beschwerdeführer behandelt hätte. Sofern sie eine rechtsungleiche Behandlung darin erblicken, dass jenen Anstössern, deren Grundstücke nicht im Bereich Lindermatte-Hechtweg gelegen sind, die freie Seezufahrt weiterhin zustehe, ist das unzutreffend. Da sich die Liegenschaften dieser Anstösser in einem Uferabschnitt befinden, der nicht vom Überbauungsplan betroffen ist, sind die Verhältnisse nicht die selben wie bei den BGE 105 Ia 219 S. 223 Beschwerdeführern, so dass von einer rechtsungleichen Behandlung nicht die Rede sein kann. Die Beschwerdeführer machen mit ihren Vorbringen unter Art. 9 ihrer Rechtsschrift zwar nicht ausdrücklich, wohl aber sinngemäss geltend, das vom Regierungsrat genehmigte Strandwegprojekt verstosse gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Die Rüge dringt nicht durch. Das fragliche Projekt liegt ohne Zweifel im öffentlichen Interesse, denn mit der Errichtung eines Strandweges im Bereich Lindermatte-Hechtweg wird ein weiterer Teil des Seeufers der Allgemeinheit zugänglich gemacht und für diese ein durchgehender Spazierweg grösstenteils dem Seeufer entlang vom Lachengebiet bis in den Bonstettenpark geschaffen. Das öffentliche Interesse überwiegt die privaten Interessen der Anstösser. Die Beschwerdeführer werden durch das Strandwegprojekt insoweit betroffen, als die freie Zufahrt vom offenen See her zu ihren Liegenschaften und umgekehrt mit Segelbooten nicht mehr möglich sein wird, während dagegen Boote ohne Mast in der Regel unter der im Überbauungsplan vorgesehenen Brücke werden durchfahren können. Die Zufahrt mit Segelbooten ist jedoch für die Beschwerdeführer nicht eine Frage des Zugangs zu ihren Grundstücken an sich - sind diese doch von der Strasse her erreichbar -, sondern lediglich eine Frage der bequemeren Ausübung des Segelsports. Die Schaffung eines Strandweges dem bestehenden Ufer entlang gemäss den Baulinien von 1929 würde die Beschwerdeführer wesentlich härter treffen. Das mit dem angefochtenen Entscheid genehmigte Strandwegprojekt Lindermatte-Hechtweg kann nach dem Gesagten nicht als unverhältnismässig bezeichnet werden. Die Beschwerde erweist sich damit auch insoweit als unbegründet.
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Sachverhalt ab Seite 385 BGE 126 V 384 S. 385 A.- M. bezog während einer ersten Rahmenfrist für den Leistungsbezug ab 3. November 1997 Taggelder der Arbeitslosenversicherung. Vom 1. Februar bis 13. August 1998 war er bei der Firma H. AG erwerbstätig. Danach bezog er wiederum Taggelder. Mit Verfügung vom 9. Dezember 1999 verneinte die Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Solothurn einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab Beginn der am 3. November 1999 zu eröffnenden zweiten Rahmenfrist, weil M. weder die Mindestbeitragszeit von 12 Monaten mit 6,493 Beitragsmonaten erfüllt habe noch von der Erfüllung der Beitragszeit befreit sei. B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn ab (Entscheid vom 30. März 2000). C.- M. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides seien ihm ab 3. November 1999 Taggelder der Arbeitslosenversicherung zuzusprechen. Das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Staatssekretariat für Wirtschaft reicht keine Vernehmlassung ein.
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Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. a) Nach Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG hat Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, wer die Beitragszeit erfüllt hat oder von der Erfüllung der Beitragszeit befreit ist. Die Beitragszeit hat laut Art. 13 Abs. 1 AVIG erfüllt, wer innerhalb der dafür vorgesehenen Rahmenfrist für die Beitragszeit (zwei Jahre vor dem ersten Tag, für den sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind; Art. 9 Abs. 2 und 3 AVIG ) während mindestens sechs Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat (Satz 1). Wird eine versicherte BGE 126 V 384 S. 386 Person innert dreier Jahre nach Ablauf der Rahmenfrist für den Leistungsbezug erneut arbeitslos, so muss sie eine Mindestbeitragszeit von zwölf Monaten aufweisen (Satz 2, in Kraft seit 1. Januar 1998). Diese längere Mindestbeitragszeit haben auch versicherte Personen zu erfüllen, die bei Ablauf der ersten Rahmenfrist für den Leistungsbezug arbeitslos sind ( BGE 125 V 355 ). b) Der Beschwerdeführer, welchem ab 3. November 1997 eine erste Rahmenfrist für den Leistungsbezug eröffnet worden war, hat in der vom 3. November 1997 bis 2. November 1999 dauernden Rahmenfrist für die Beitragszeit lediglich vom 1. Februar bis 13. August 1998 als kaufmännischer Angestellter (Buchhaltung/Inkasso) bei der Firma H. AG eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt. Mangels anrechenbarer Zeiten ohne Beschäftigung gemäss Art. 13 Abs. 2 AVIG haben Vorinstanz und Verwaltung demnach zu Recht festgestellt, dass die hier massgebliche ausserordentliche Mindestbeitragszeit von zwölf Monaten nicht erfüllt ist. Insofern der Beschwerdeführer einwendet, er habe vor dem Beginn der Frist für den Beitragsbezug am 3. November 1997 während Jahren Beiträge geleistet, ist dies irrelevant. 2. Zu prüfen bleibt, ob allenfalls ein Befreiungstatbestand im Sinne von Art. 14 AVIG vorliegt. Diesbezüglich bringt der Beschwerdeführer letztinstanzlich erstmals vor, gemäss Schreiben der IV-Stelle des Kantons Aargau (vom 30. März 2000) werde ihm voraussichtlich eine ganze Invalidenrente zugesprochen, und zwar rückwirkend ab 1. November 1998. a) Nach Art. 14 Abs. 1 lit. b AVIG ist von der Erfüllung der Beitragszeit befreit, wer innerhalb der Rahmenfrist während insgesamt mehr als zwölf Monaten wegen Krankheit, Unfall oder Mutterschaft nicht in einem Arbeitsverhältnis stand und deshalb die Beitragszeit nicht erfüllen konnte. Ebenfalls von der Erfüllung der Beitragszeit befreit sind Personen, die wegen Trennung oder Scheidung ihrer Ehe, wegen Invalidität oder Todes des Ehegatten oder aus ähnlichen Gründen oder wegen Wegfalls einer Invalidenrente gezwungen sind, eine unselbstständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen oder zu erweitern. Diese Regel gilt nicht, wenn das betreffende Ereignis mehr als ein Jahr zurückliegt ( Art. 14 Abs. 2 AVIG ). b) Gemäss der in BGE 121 V 336 publizierten Rechtsprechung bezieht sich Art. 14 Abs. 1 AVIG dem Wortlaut nach auf versicherte Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis standen und deshalb durch die dort genannten Gründe an der Ausübung einer beitragspflichtigen BGE 126 V 384 S. 387 Beschäftigung gehindert worden sind. Es muss somit ein Kausalzusammenhang zwischen der Nichterfüllung der Beitragszeit und dem gesetzlich umschriebenen Hinderungsgrund bestehen. Um kausal für die fehlende Beitragszeit zu sein, muss das Hindernis zudem während mehr als zwölf Monaten bestanden haben. Denn bei kürzerer Verhinderung bleibt der versicherten Person während der zweijährigen Rahmenfrist genügend Zeit, um eine ausreichende beitragspflichtige Beschäftigung auszuüben. Da eine Teilzeitbeschäftigung hinsichtlich der Erfüllung der Beitragszeit einer Vollzeitbeschäftigung gleichgestellt ist ( Art. 11 Abs. 4 Satz 1 AVIV ), liegt die erforderliche Kausalität zudem nur vor, wenn es der versicherten Person aus einem der in Art. 14 Abs. 1 lit. a-c AVIG genannten Gründe auch nicht möglich und zumutbar ist, ein Teilzeitarbeitsverhältnis einzugehen. Denn bei genügender Beitragszeit, d.h. wenn die versicherte Person innerhalb der Rahmenfrist während der gesetzlich geforderten Zeit eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat ( Art. 13 Abs. 1 AVIG ), kommt die Befreiungsregelung grundsätzlich nicht zum Zuge ( BGE 121 V 342 f. Erw. 5b). Nach der Rechtsprechung (ARV 1995 Nr. 29 S. 169 f. Erw. 4b/bb) können sich jene Personen auf den Befreiungsgrund des Wegfalls einer Invalidenrente nach Art. 14 Abs. 2 AVIG berufen, die bisher als Invalide nicht arbeitsfähig waren, deren Zustand sich aber derart verbessert hat, dass ihre Rente gestrichen oder wesentlich reduziert werden muss, wodurch der Betroffene zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gezwungen ist (Botschaft des Bundesrates zu einem neuen Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (AVIG) vom 2. Juli 1980, BBl 1980 III 565; GERHARDS, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz, Bd. I, N 39 zu Art. 14). Grundsätzlich kann somit lediglich der Wegfall oder die Herabsetzung einer Invalidenrente als für eine wirtschaftliche Notlage kausal anerkannt werden. c) Hinsichtlich der Rechtswirkungen der unveränderten Ausrichtung einer ganzen Invalidenrente über den Beginn der zweiten zu eröffnenden Rahmenfrist für den Beitragsbezug hinaus ist nach den Regeln über die Auslegung der Gesetze zu verfahren. Demnach ist das Gesetz in erster Linie nach seinem Wortlaut auszulegen. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Auslegungen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente, namentlich des Zwecks, des Sinnes und der dem Text zu Grunde liegenden Wertung. Wichtig ist ebenfalls der Sinn, der einer Norm im Kontext zukommt. BGE 126 V 384 S. 388 Vom klaren, d.h. eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, u.a. dann nämlich, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Grund und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit andern Vorschriften ergeben ( BGE 125 II 196 Erw. 3a, 244 Erw. 5a, BGE 125 V 130 Erw. 5, 180 Erw. 2a, je mit Hinweisen). aa) Der Wortlaut des Art. 14 Abs. 1 AVIG weist in allen drei amtssprachlichen Fassungen (Art. 9 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 21. März 1986 über die Gesetzessammlungen und das Bundesblatt; SR 170.512) nach dem gewöhnlichen Sprachverständnis darauf hin, dass der Tatbestand der Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit gegeben ist, wenn die versicherte Person aus einem der dort genannten Gründe mit Blick auf die zweite zu eröffnende Rahmenfrist während insgesamt mehr als zwölf Monaten nicht in einem Arbeitsverhältnis stand und deshalb die Beitragszeit nicht erfüllen konnte. Einer rentenbegründenden Invalidität liegt sehr oft lang andauernde Krankheit zu Grunde (Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG ; BGE 111 V 21 ). Die in Art. 14 Abs. 1 lit. b AVIG umschriebenen Hinderungsgründe Krankheit und Unfall sprechen so besehen eher dafür, die unveränderte Ausrichtung einer Invalidenrente über den Beginn einer zweiten zu eröffnenden Rahmenfrist hinaus ebenfalls als Befreiungsgrund zu qualifizieren. Mit Blick darauf, dass der Gesetzestext an Hinderungsgründen wohl Krankheit und Unfall erwähnt, nicht aber Invalidität oder die Ausrichtung einer Invalidenrente, liegt kein klarer und eindeutiger Wortlaut vor, weshalb die Auslegung fortzusetzen ist. bb) Sinn und Zweck des Art. 14 AVIG besteht darin, bestimmten Personengruppen aus sozialen Gründen angesichts der fehlenden freiwilligen Versicherungsmöglichkeit auch ohne vorgängige Beitragszeit Versicherungsschutz zu gewähren (THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Bd. Soziale Sicherheit, Rz 194; GERHARDS, a.a.O., N 5 zu Art. 14). Dies wird durch die bundesrätliche Botschaft zum AVIG vom 2. Juli 1980 bestätigt (BBl 1980 III 564 f.), welche ihrerseits hervorhebt, dass gewisse Personengruppen ohne vorgängige Beitragszeit gedeckt werden, wenn sie vor Eintritt der Arbeitslosigkeit an der Ausübung einer Arbeitnehmertätigkeit verhindert waren. Im Vergleich zum ersten Entwurf sei der Kreis der so Begünstigten weiter umschrieben worden, weil die Möglichkeit einer freiwilligen BGE 126 V 384 S. 389 Versicherung nicht mehr vorgesehen sei. Wird einer Person wegen ihrer Erwerbsunfähigkeit über den Beginn der zweiten zu eröffnenden Rahmenfrist für den Leistungsbezug hinaus unverändert eine ganze Invalidenrente zugesprochen, fehlt es mit Blick auf den Normzweck an einem sachlichen Grund, diese von der Erfüllung der Beitragszeit zu befreien, zumal die durch die Invalidenversicherung rentenmässig entschädigte Erwerbsunfähigkeit arbeitslosenversicherungsrechtlich Vermittlungsunfähigkeit zur Folge haben kann ( Art. 15 Abs. 3 AVIG in Verbindung mit Art. 15 AVIV ): Die beiden Versicherungszweige sind nicht komplementär in dem Sinne, dass sich die vom Erwerbsleben ausgeschlossene versicherte Person in jedem Fall entweder auf Invalidität oder aber auf Arbeitslosigkeit berufen könnte. Wer trotz eines schweren Gesundheitsschadens invalidenversicherungsrechtlich nicht in rentenbegründendem Masse erwerbsunfähig ist, kann gleichwohl arbeitslosenversicherungsrechtlich gesehen vermittlungsunfähig sein. Andererseits schliesst der Bezug einer ganzen Invalidenrente die Vermittlungsfähigkeit nicht grundsätzlich aus (ARV 1998 Nr. 5 S. 28). cc) Die normunmittelbaren Auslegungskriterien führen daher zum Schluss, dass eine Person, die wegen Krankheit, Unfall oder Mutterschaft während insgesamt mehr als zwölf Monaten nicht in einem Arbeitsverhältnis stand, sich dennoch nicht auf den Befreiungsgrund von Art. 14 Abs. 1 lit. b AVIG berufen kann, sofern und soweit sie über den Beginn der zweiten zu eröffnenden Rahmenfrist für den Leistungsbezug hinaus unverändert eine vorher entstandene Invalidenrente bezieht. War in der Rahmenfrist für die Beitragszeit eine erhebliche, verwertbare Restarbeitsfähigkeit verblieben, hat die versicherte Person sich insoweit (in der Rahmenfrist für die Beitragszeit) über eine entsprechende beitragspflichtige Beschäftigung auszuweisen. 3. Mit Blick auf die im Raum stehende rückwirkende Zusprechung einer ganzen Invalidenrente ab 1. November 1998 ergibt sich Folgendes: Auf Grund der Akten ist davon auszugehen, dass im massgebenden Zeitpunkt der zu eröffnenden (zweiten) Rahmenfrist (3. November 1999) weiterhin und unverändert eine ganze Invalidenrente ausgerichtet wird. Insoweit scheidet nach dem Gesagten ein Befreiungsgrund gemäss Art. 14 Abs. 1 lit. b oder Abs. 2 AVIG aus. Soweit andererseits der Beschwerdeführer in der Rahmenfrist für die Beitragszeit (von 3. November 1997 bis 2. November 1999), sei es während der invalidenversicherungsrechtlichen Wartefrist ( Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG ), sei es ab BGE 126 V 384 S. 390 Rentenbeginn am 1. November 1998 ( Art. 29 Abs. 2 IVG ), über eine Restarbeitsfähigkeit verfügt haben sollte, hätte er die Beitragszeit nach Art. 13 AVIG zu erfüllen. Das trifft, wie dargetan (Erw. 1b), ebenfalls nicht zu. Es ist daher im Ergebnis rechtens, wenn Arbeitslosenkasse und kantonales Gericht den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab 3. November 1999 verneint haben.
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BGE_126_V_384
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Sachverhalt ab Seite 163 BGE 81 IV 163 S. 163 A.- Karl Marti verliess am Morgen des 15. Juli 1954 am Steuer eines Personenwagens das Wallis, um über Lausanne nach Derendingen zug elangen. Unterwegs trank er wiederholt Alkohol, letztmals zwischen 20 und 22 Uhr in einem Gasthof in Dotzigen. Da an letzterem Orte die 2,1 Volumenpromille Alkohol, die er schliesslich im Blute hatte, sich in seinem Verhalten offenbarten, benachrichtigten die Wirtsleute die Polizei. Als er kurz vor 22 Uhr schwankenden Schrittes den Gasthof verliess, verbot ihm Landjäger Läderach, den Wagen zu führen. Marti antwortete, von einem "Tschugger" lasse er sich nichts befehlen. Während der Landjäger den Bezirkschef telephonisch um Weisungen ersuchen wollte, setzte Marti sich an das Steuer und fuhr weg. In Büren a.A. wurde er angehalten. B.- Am 11. Februar 1955 verurteilte das Obergericht des Kantons Bern Marti wegen Führens in angetrunkenem Zustande (Art. 59 Abs. 2 MFG) zu dreissig Tagen Gefängnis und wegen unanständigen Benehmens (Art. 15 bern. EG zum StGB) und Erschwerung der Aufgabe der Polizei (§§ 44, 52 bern. Vo. über die Strassenpolizei und Strassensignalisation vom 31. Dezember 1940/15. Juli 1949) zu Fr. 40.- Busse. BGE 81 IV 163 S. 164 C.- Marti führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben. Er macht geltend, die angewendeten Bestimmungen der bernischen Verordnung über die Strassenpolizei und Strassensignalisation verletzten Bundesrecht. Statt nach dieser Verordnung hätte sein Verhalten nach Art. 285 und 286 StGB beurteilt werden sollen, deren Tatbestandsmerkmale jedoch nicht erfüllt seien.
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Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 2. Der Beschwerdeführer behauptet mit Recht nicht, dass er sich durch sein Verhalten gegenüber Landjäger Läderach gegen Art. 285 oder 286 StGB vergangen habe. Beide Bestimmungen setzen voraus, dass der Täter einen Beamten an einer Handlung hindere, die innerhalb seiner Amtsbefugnisse liegt. Nach Art. 285 geschieht es mit Gewalt oder Drohung, nach Art. 286 ohne diese Mittel. Die innerhalb der Amtsbefugnisse liegende Handlung des Landjägers bestand indessen lediglich darin, dem Beschwerdeführer die Weiterfahrt zu verbieten. An der Aussprechung dieses Verbotes hinderte der Beschwerdeführer den Landjäger nicht, weder gewaltsam, noch durch Drohung, noch sonstwie. Er gab lediglich seinem Willen Ausdruck, dem Verbot nicht zu gehorchen, und missachtete es denn auch, indem er während einer kurzen Abwesenheit des Landjägers wegfuhr. Das war nur Ungehorsam, und solcher erfüllt die erwähnten Bestimmungen nicht ( BGE 69 IV 1 ). Auch Art. 292 StGB , der den Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen mit Strafe bedroht, trifft nicht zu, da der Landjäger sein Verbot nicht mit dem Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels begleitet hat und übrigens auch nicht feststeht, dass er das hätte tun dürfen. 3. Art. 335 Ziff. 1 StGB behält den Kantonen die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht soweit vor, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist (Abs. 1), BGE 81 IV 163 S. 165 und erklärt sie ausserdem befugt, die Übertretung kantonaler Verwaltungs- und Prozessvorschriften mit Strafe zu bedrohen (Abs. 2). Nach der Rechtsprechung des Kassationshofes ( BGE 68 IV 41 , 110, BGE 70 IV 85 , 132, BGE 71 IV 47 ) dürfen die Kantone nicht schon dann eine Handlung zur Übertretung erheben, wenn sie nicht vom eidgenössischen Recht mit Strafe bedroht ist. Die Nichtaufnahme eines Tatbestandes in das Strafgesetzbuch kann bedeuten, dass er überhaupt straflos bleibe, also auch nicht als kantonale Übertretung zu ahnden sei. Diesen Sinn hat das Schweigen des Strafgesetzbuches dann, wenn dieses Gesetz die Angriffe auf ein Rechtsgut durch ein geschlossenes System von Normen regelt. Behandelt es dagegen ein bestimmtes strafrechtliches Gebiet überhaupt nicht, oder stellt es nur einige wenige Tatbestände daraus unter Strafe, um den von Kanton zu Kanton wechselnden Ansichten über die Strafwürdigkeit oder Straflosigkeit einer Handlung Rechnung zu tragen, so bleibt Raum für kantonales Übertretungsstrafrecht. Die eidgenössische Ordnung betreffend die strafbaren Handlungen gegen die öffentliche Gewalt ( Art. 285 ff. StGB ) ist nicht abschliessend. Der Entwurf des Bundesrates sah ausser den "Vergehen gegen die Staatsgewalt" (Art. 255 ff. = StGB Art. 285 ff.) sieben "Übertretungen gegen die Staatsgewalt" vor (Art. 337-343). Sie waren in Bestimmungen umschrieben, die als blosse Aushilfsnormen allfälligen in anderen kantonalen oder eidgenössischen Gesetzen enthaltenen Strafbestimmungen über die Nichtbefolgung amtlicher Anordnungen nachgehen sollten (Botschaft des Bundesrates zum Entwurf S. 74). Die Bundesversammlung erhob drei dieser Tatbestände (Art. 337, 338, 343) zu Vergehen ( Art. 286, 292, 293 StGB ) und strich die anderen vier zusammen mit weiteren Übertretungsnormen "in der Meinung, dass es Sache des kantonalen Polizeistrafrechts sei, hier zum Rechten zu sehen" (StenBull, Sonderausgabe, NatR 506 ff.; vgl. BGE 71 IV BGE 81 IV 163 S. 166 105 f.). Der Wille des eidgenössischen Gesetzgebers, das Feld für kantonales Übertretungsstrafrecht zum Schutze der öffentlichen Gewalt freizugeben, kam damit klar zum Ausdruck. Das gilt insbesondere auch in bezug auf den Tatbestand des Ungehorsams gegen die Polizei, der in Art. 339 des Entwurfes wie folgt umschrieben war: "Wer der Anordnung oder Aufforderung nicht nachkommt, die ein Polizeibeamter innerhalb seiner Befugnisse erlässt, wird mit Haft bis zu acht Tagen oder mit Busse bestraft." Hatte diese Bestimmung im Entwurf neben Art. 337 betreffend die Hinderung einer Amtshandlung und neben Art. 338 betreffend den Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen Platz, so verstösst eine entsprechende kantonale Übertretungsnorm weder gegen Art. 286 noch gegen Art. 292 StGB . Der Kassationshof hat übrigens in BGE 69 IV 208 schon entschieden, dass letztere Bestimmung auch in anderer Hinsicht nicht ausschliessliche Geltung beansprucht. Indem das Obergericht den Beschwerdeführer wegen seines Ungehorsams gegenüber Landjäger Läderach in Anwendung der §§ 44 und 52 der bernischen Verordnung über die Strassenpolizei und Strassensignalisation vom 31. Dezember 1940/15. Juli 1949 verurteilte, verletzte es daher das eidgenössische Recht nicht.
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Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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CH_BGE_006
CH_BGE
CH
Federation
CH_BGE_006_BGE-81-IV-163_1955
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BGE_81_IV_163
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de
Sachverhalt ab Seite 60 BGE 121 III 60 S. 60 X. arbeitete seit dem 15. Juni 1979 als Mütterberatungsschwester für den Verein Y. bzw. dessen Vorgängerorganisation. Mit Schreiben vom 2. März 1993 kündigte die Vereinsleitung das Arbeitsverhältnis auf den 30. Juni 1993. Dem Schreiben lag die von der vorinformierten X. verlangte Begründung der Kündigung bei. Danach soll es ihr Mühe bereitet haben, den Richtlinien für die Tätigkeit der Mütterberatungsschwester im Verein Y. zu folgen und das Weisungsrecht des Arbeitgebers zu akzeptieren; sie habe in den letzten Jahren die Anforderungen an eine Mütterberatungsschwester nicht mehr erfüllt, die Situation sei untragbar geworden. X. erhob am 22. Juni 1993 BGE 121 III 60 S. 61 Einsprache gegen die Kündigung und erklärte insbesondere, mit der gelieferten Begründung könne sie nichts anfangen. Der nachfolgende Briefwechsel brachte keine Einigung zwischen den Parteien. Am 23. bzw. 26. November 1993 klagte X. beim zuständigen Arbeitsgericht auf Zahlung einer Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung, unter Vorbehalt des Nachklagerechts. Das Arbeitsgericht wies mit Urteil vom 26. Januar 1994 die Klage vollumfänglich ab. Gleich entschied das Kantonsgericht St. Gallen mit Urteil vom 3. August 1994. Die von der Klägerin erhobene Berufung weist das Bundesgericht ab, soweit es darauf eintritt.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. a) Die Vorinstanz verwarf im angefochtenen Entscheid die Auffassung der Klägerin, Rechtsmissbrauch sei bereits gegeben, wenn die vom Arbeitgeber angeführten Kündigungsgründe nicht richtig seien. Im Verfahren betreffend Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung sei einzig entscheidend, ob der ausschlaggebende Kündigungsgrund missbräuchlich sei. Die vom Beklagten genannten Gründe liessen indessen keine Missbräuchlichkeit erkennen. Die Klägerin halte diese Gründe zwar für falsch, behaupte aber selbst nicht, es liege ein vom Beklagten nicht genannter, missbräuchlicher Kündigungsgrund vor. Auch wenn im vorliegenden Verfahren der Untersuchungsgrundsatz gelte ( Art. 343 Abs. 4 OR ) und an den Nachweis eines missbräuchlichen Kündigungsgrundes reduzierte Anforderungen gestellt würden, hätte die Klägerin den aus ihrer Sicht tatsächlichen Kündigungsgrund substantiiert darlegen und Indizien für dessen Gewicht anführen müssen. Die Klägerin stellt sich demgegenüber auf den Standpunkt, das von ihr verlangte Beweisverfahren über die Frage der Richtigkeit der vom Beklagten angegebenen Kündigungsgründe hätte gezeigt, dass diese nicht stimmten. Aus der Unrichtigkeit der angegebenen Kündigungsgründe folge unmittelbar die Missbräuchlichkeit der Kündigung, wofür ihr ein Entschädigungsanspruch zustehe. b) Grundsätzlich kann ein unbefristetes Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungsfrist frei gekündigt werden ( Art. 335 Abs. 1 OR ). Unter der Marginalie "missbräuchliche Kündigung" werden in Art. 336 OR die Gründe aufgezählt, derentwegen nicht gekündigt BGE 121 III 60 S. 62 werden darf. Diese Aufzählung ist nicht abschliessend (BK-REHBINDER, N. 10 zu Art. 336 OR ; STREIFF/VON KAENEL, Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht, 5. A., Zürich 1992, N. 3 zu Art. 336 OR ). Die Beweislast für die Missbräuchlichkeit der Kündigung trägt der Gekündigte ( Art. 8 ZGB ; BK-REHBINDER, N. 11 zu Art. 336 OR ; STREIFF/VON KAENEL, a.a.O., N. 16 zu Art. 336 OR ). Steht fest, dass das Arbeitsverhältnis missbräuchlich gekündigt wurde, hat der Gekündigte einen Entschädigungsanspruch nach Art. 336a OR . Gemäss Art. 335 Abs. 2 OR muss der Kündigende die Kündigung schriftlich begründen, wenn die andere Partei dies verlangt. Die Kündigung entfaltet ihre Wirkung jedoch unabhängig davon, ob der Begründungspflicht nachgekommen wird oder nicht (STREIFF/VON KAENEL, a.a.O., N. 14 zu Art. 335 OR ; VISCHER, Der Arbeitsvertrag, SPR VII/1/III, S. 162). Sie ist mithin auch bei fehlender, unwahrer oder unvollständiger Begründung wirksam (BK-REHBINDER, N. 9 zu Art. 335 OR ). Die Begründungspflicht bezweckt in erster Linie, dem Gekündigten eine Prüfung der Kündigung auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes nach Art. 337 OR bzw. auf ihre Missbräuchlichkeit nach Art. 336 OR zu ermöglichen; sie dient damit der Verhinderung unnötiger Prozesse (BK-REHBINDER, N. 9 zu Art. 335 OR , mit Hinweisen auf die Materialien). Eine Verletzung dieser Pflicht soll nach der Botschaft des Bundesrats vom 9. Mai 1984 (BBl 1984 II 596) bloss zu indirekten Sanktionen im Prozess um den Kündigungsschutz führen, so im Rahmen der Beweiswürdigung und bei der Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen. Aber auch jener Teil der Lehre, welcher die Erfüllung der Begründungspflicht für rechtlich erzwingbar hält, will für den Ungehorsamsfall bloss eine Strafe nach Art. 292 StGB angedroht haben (STREIFF/VON KAENEL, a.a.O., N. 14 zu Art. 335 OR ; VISCHER, a.a.O., S. 163; GEISER, Der neue Kündigungsschutz im Arbeitsrecht, in BJM 1994, S. 176; neuerdings auch BK-REHBINDER, N. 9 zu Art. 335 OR ). Andere gleichfalls denkbare Sanktionen für die Verletzung der Begründungspflicht, etwa die Unwirksamkeit der Entlassung, einen selbständigen Entschädigungsanspruch analog Art. 336a OR oder die gesetzliche Vermutung der Missbräuchlichkeit einer Kündigung, hat der Gesetzgeber nicht statuiert (vgl. dazu BK-REHBINDER, N. 10 zu Art. 335 OR ). c) Mit der Einführung der Begründungspflicht wollte der Gesetzgeber dem Gekündigten zwar den schwierigen Nachweis der Missbräuchlichkeit einer Kündigung erleichtern, ihn jedoch nicht davon befreien (STREIFF/VON KAENEL, BGE 121 III 60 S. 63 a.a.O., N. 17 zu Art. 336 OR ). Deshalb konnte sich die Klägerin im vorliegenden Fall nicht mit der Behauptung der Unwahrheit der vom Beklagten angegebenen Kündigungsgründe begnügen, ohne ihrerseits den tatsächlichen und missbräuchlichen Kündigungsgrund zu benennen. Mangels gesetzlicher Vermutung für die Missbräuchlichkeit einer Kündigung in Fällen fehlender, unwahrer oder unvollständiger Begründung, hat es auch in solchen Fällen bei dieser Behauptungs- und Beweislast sein Bewenden. Die Vorinstanz konnte bei dieser Sachlage entgegen dem Antrag der Klägerin und ohne Verletzung von Bundesrecht auf die Durchführung eines Beweisverfahrens über die Richtigkeit der vom Beklagten angegebenen Kündigungsgründe verzichten. Einen Beweisführungsanspruch hat die beweisbelastete Partei von vornherein nur für rechtserhebliche Tatsachen ( BGE 118 II 365 E. 1 und 441 E. 1; BGE 114 II 289 E. 2a mit Hinweis). d) Die Klägerin macht ferner geltend, die Abgabe einer falschen Begründung durch den Beklagten sei rechtsmissbräuchlich und ziehe die Ungültigkeit seiner Kündigung nach sich. Rechtsmissbrauch im Sinne von Art. 2 Abs. 2 ZGB hat jede Instanz von Amtes wegen zu beachten, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von einer Partei in der vom Prozessrecht vorgeschriebenen Weise vorgetragen worden sind und feststehen. Einer besonderen Einrede bedarf es nicht ( BGE 116 III 107 E. 6c; BGE 105 III 80 E. 2; BGE 104 II 99 E. 2b mit Hinweisen). Der Auffassung der Klägerin ist indessen nicht zu folgen. Die Unwahrheit der vom Beklagten angegebenen Kündigungsgründe als solche hätte nach der angeführten Lehre nicht die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge. Die Klägerin kritisiert zwar die bereits von der Vorinstanz dazu zitierten Literaturstellen - so STREIFF/VON KAENEL, a.a.O., N. 14 zu Art. 335 OR , und BK-REHBINDER, N. 9 f. zu Art. 335 OR - als "nicht massgeblich oder nicht zutreffend"; sie vermag im Gegenzug jedoch keine überzeugenden Argumente für ihre Auffassung anzugeben. Insbesondere steht dem von ihr eingenommenen Standpunkt, wonach die Abgabe einer falschen Begründung rechtsmissbräuchlich sei und die Kündigung ungültig mache, entgegen, dass Art. 2 Abs. 2 ZGB nicht allgemein für bestimmte Arten von Fällen die Bestimmungen des Zivilrechts ausser Kraft setzt, sondern den Richter bloss anweist, besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung zu tragen ( BGE 111 II 242 E. 2a mit Hinweis). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts bleibt für die Anwendung des allgemeinen Rechtsmissbrauchsverbots neben den BGE 121 III 60 S. 64 gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen, wie sie seit der Revision von 1988 auch in Art. 336 OR enthalten sind, wenig Raum ( BGE 111 II 242 E. 2a). Besondere Umstände, welche die angeblich falsch begründete Kündigung als offenbaren Rechtsmissbrauch erscheinen lassen, hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Von einer Verletzung ihres Beweisführungsanspruchs kann auch unter diesem Gesichtswinkel keine Rede sein.
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CH_BGE_005
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CH
Federation
CH_BGE_005_BGE-121-III-60_1995
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2,011
de
Sachverhalt ab Seite 209 BGE 137 IV 208 S. 209 A. Anlässlich eines Ermittlungsverfahrens wurden bei X. diverse alte Videofilme, Fotos und Hefte sowie vierzig elektronische Dateien im temporären Internetspeicher gefunden, welche unter anderem sexuelle Handlungen mit Tieren zeigen. B. Das Kreisgericht III Aarberg-Büren-Erlach verurteilte X. am 19. November 2009 wegen Pornographie zu einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 140.- und zu einer Busse von Fr. 350.-. Das Obergericht des Kantons Bern sprach ihn im Berufungsverfahren vom Vorwurf der Pornographie in Bezug auf die im temporären Internetspeicher befindlichen Dateien frei. Es bestrafte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 5 Tagessätzen zu Fr. 130.- und einer Busse von Fr. 260.-. C. Gegen dieses Urteil erhebt der Generalprokurator des Kantons Bern Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern vom 22. April 2010 sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. D. X. beantragt, die Beschwerde sei vollumfänglich abzuweisen. Das Obergericht des Kantons Bern verzichtete auf eine Vernehmlassung.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Nach Art. 197 StGB macht sich strafbar, wer pornographische Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen, Abbildungen, andere Gegenstände solcher Art oder pornographische Vorführungen einer Person unter 16 Jahren anbietet, zeigt, überlässt, zugänglich macht oder durch Radio oder Fernsehen verbreitet (Ziff. 1). Wer Gegenstände oder Vorführungen im Sinne von Ziffer 1, die sexuelle Handlungen mit Kindern oder mit Tieren, menschlichen Ausscheidungen oder Gewalttätigkeiten zum Inhalt haben, herstellt, einführt, lagert, in Verkehr bringt, anpreist, ausstellt, anbietet, zeigt, überlässt oder zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder BGE 137 IV 208 S. 210 mit Geldstrafe bestraft (Ziff. 3). Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer Gegenstände oder Vorführungen im Sinne von Ziffer 1, die sexuelle Handlungen mit Kindern oder Tieren oder sexuelle Handlungen mit Gewalttätigkeiten zum Inhalt haben, erwirbt, sich über elektronische Mittel oder sonstwie beschafft oder besitzt (Ziff. 3 bis ). 2.2 Die Herstellung elektronischer Dateien pornographischen Inhalts nach Art. 197 Ziff. 3 StGB ist vom blossen Besitz nach Art. 197 Ziff. 3 bis StGB sowie vom straflosen Konsum abzugrenzen. Ein gezieltes Herunterladen pornographischer Dateien aus dem Internet auf den eigenen Computer oder einen anderen Datenträger (sogenannter "download") gilt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung als Herstellen im Sinne von Art. 197 Ziff. 3 StGB , da mit dem Kopiervorgang eine weitere, identische Datei entsteht. Vorausgesetzt wird dabei eine bewusste Beschaffungshandlung, indem der Täter einen entsprechenden Befehl in den Computer eingibt, um den Kopiervorgang zu starten (vgl. BGE 131 IV 16 E. 1.4 und 1.5 S. 21 ff. mit Hinweisen). Diese Rechtsprechung wurde bestätigt im Urteil 6B_289/2009 vom 16. September 2009, in welchem sich das Bundesgericht mit der in der Lehre erwachsenen Kritik zum Herstellen auseinandersetzte. Im Gegensatz zum bewussten Download fällt das automatische Speichern verbotener pornographischer Informationen im Cache, welches ohne Zutun des Internetbenutzers beim Betrachten von Webseiten erfolgt, nicht unter den Tatbestand des Herstellens nach Art. 197 Ziff. 3 StGB . Es unterscheidet sich in subjektiver Hinsicht vom bewussten Herstellen. Auch wenn im Cache-Speicher eine identische Kopie des auf dem Internet vorhandenen Abbilds auf der Festplatte angelegt wird, handelt es sich nicht um einen Produktionsvorgang, auf welchen der Täter wissentlich und willentlich einwirkt (vgl. BGE 131 IV 16 E. 1.4 und 1.5 S. 21 f. mit Hinweisen). 2.3 In seiner bisherigen nicht publizierten Praxis verneinte das Bundesgericht grundsätzlich den Besitz des durchschnittlichen Internetbenutzers an Daten im temporären Internetspeicher (vgl. Urteile 6B_289/2009 vom 16. September 2009 E. 1.4.5; 6S.254/2006 vom 23. November 2006 E. 3.3). Den Usern komme zwar faktisch die Herrschaftsmacht über die Cache-Daten ihrer Computer zu, da sie darauf auch ohne Internetverbindung zurückgreifen könnten. Viele würden aber auf die Entstehung, Speicherdauer sowie BGE 137 IV 208 S. 211 Löschung der Cache-Dateien keinen Einfluss nehmen und diese im Offline-Modus nicht nutzen. Deshalb fehle es ihnen am Herrschaftswillen, unabhängig davon, ob sie um die technische Funktionsweise des Cache-Speichers Bescheid wüssten. Hingegen liege strafbarer Besitz nach Art. 197 Ziff. 3 bis StGB vor, wenn ein Internetbenutzer den temporären Cache-Speicher so einstelle ("fait de sorte que"), dass die Daten mindestens für eine gewisse Zeit nicht gelöscht würden und es ihm möglich sei, ohne Internetverbindung darauf zuzugreifen (zit. Urteil 6S.254/2006 E. 3.3 mit Hinweisen). 3. 3.1 Die bisherige Rechtsprechung und Literatur zeigen, dass die Abgrenzung zwischen straflosem Konsum und strafbarem Besitz harter Pornographie insbesondere bei elektronisch gespeicherten Daten Schwierigkeiten bereitet. Anhand des vorliegenden Falls ist zu prüfen, ob an der Rechtsprechung, dass das Vorhandensein verbotener pornographischer Daten im Cache-Speicher grundsätzlich keinen strafrechtlich relevanten Besitz darstellt, festgehalten werden kann. 3.2 Der Gesetzgeber wollte die Medien, über welche pornographische Darstellungen verbreitet werden, vollständig erfassen, weshalb sich die Strafbarkeit auch auf Daten in elektronischer Form sowie neue Speicherungsformen erstreckt (Botschaft vom 10. Mai 2000 über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes betreffend strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität, die Verjährung bei Sexualdelikten an Kindern und das Verbot des Besitzes harter Pornographie, BBl 2000 2943 ff. Ziff. 2.2.1 am Ende). Der blosse Konsum harter Pornographie soll nach Auffassung des Bundesrats nicht strafbar sein, weil dadurch allein kein Herrschaftsverhältnis bezüglich des Tatobjekts aufrechterhalten werde. Im Internetbereich liege strafrechtlich relevanter Besitz vor, wenn der Benutzer pornographische Darstellungen auf eigene Datenträger, z.B. seine Festplatte, herunterlade und sie in seinen Herrschaftsbereich aufnehme. Er gebe damit zu erkennen, dass er gegebenenfalls wieder auf diese Bilder zurückgreifen wolle. Nehme hingegen der Browser in temporären Dateien (d.h. im Cache) eine Zwischenspeicherung vor, so stelle das Vorhandensein solcher temporärer Dateien, auf deren Entstehung viele Internetbenutzer keinen Einfluss nehmen könnten, noch keine als Besitz zu qualifizierende Sachherrschaft dar (Botschaft, a.a.O., Ziff. 2.2.4.3). BGE 137 IV 208 S. 212 3.3 Gewisse Autoren lehnen, teilweise unter Hinweis auf die Botschaft des Bundesrates, einen strafrechtlich relevanten Besitz am Inhalt des Cache-Speichers ab. Das Aufrufen einer Webseite sei straflos (so etwa JOSÉ HURTADO POZO, Droit Pénal, Partie spéciale, 2009, § 107 Rz. 3234 ff.; ANDREAS DONATSCH, Delikte gegen den Einzelnen, 9. Aufl. 2008, S. 514; TRECHSEL/BERTOSSA, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2008, N. 16 zu Art. 197 StGB ; MENG/SCHWAIBOLD, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 2. Aufl. 2007, N. 57 zu Art. 197 StGB ; FAVRE/PELLET/STOUDMANN, Code pénal, 3. Aufl. 2007, N. 3.7 zu Art. 197 StGB ; MARIO BRANDA, Pornografia infantile e internet: aspetti di responsabilità penale e elementi processuali, in: RtiD 2005 I S. 512). Andere gehen davon aus, dass derjenige, der seinen Cache-Speicher mit verbotenen pornographischen Daten nicht lösche bzw. den Browser nicht entsprechend einstelle, sich einer möglichen Strafbarkeit aussetze (MARCO BUNDI, Der Straftatbestand der Pornographie in der Schweiz, 2008, Rz. 318). Nach TIRELLI kann das Wissen um die Funktionsweise des Cache zu strafbarem Besitz von Pornographie führen (LUDOVIC-ADRIEN TIRELLI, La répression pénale des consommateurs de pédopornographie à l'heure de l'Internet, 2008, S. 381). KOLLER vertritt die Auffassung, dass der geübte Internetbenutzer, welcher um die Funktionsweise des Cache wisse, Herrschaftsmacht sowie -willen an den dort gespeicherten Daten und damit strafbaren Besitz erlange (DANIEL KOLLER, Cybersex, 2007, S. 298). WIPRÄCHTIGER bejaht den strafbaren Besitz an den Daten im Cache, sofern jemand mit einer gewissen Regelmässigkeit verbotene Pornographie im Internet konsumiere. Denn der Erhalt der Cache-Dateien für einen gewissen Zeitraum entspreche den Standardeinstellungen, ohne dass der Benutzer daran etwas ändern müsste ("faire de sorte que"), wie im zit. Urteil 6S.254/2006 (E. 3.3 und 3.4) suggeriert werde (HANS WIPRÄCHTIGER, Das geltende Sexualstrafrecht - eine kritische Standortbestimmung, ZStrR 125/2007 S. 312 f. Fn. 102). CASSANI/WERLY erachten die in der Botschaft des Bundesrates vorgenommene Unterscheidung zwischen dem Computernutzer, der die Bilder herunterlädt, und dem blossen Betrachter für unbefriedigend, da auch im zweiten Fall eine automatische Kopie im Cache erstellt werde (CASSANI/WERLY, Pornographie dure et représentations de la violence: deux nouvelles incriminations, Medialex 2001 S. 191 f.). 4. 4.1 Der Begriff des Besitzes an elektronischen Daten unterteilt sich in objektive und subjektive Komponenten. Er orientiert sich am BGE 137 IV 208 S. 213 strafrechtlichen Gewahrsamsbegriff. In objektiver Hinsicht wird tatsächliche Sachherrschaft vorausgesetzt (vgl. Botschaft, a.a.O., Ziff. 2.2.4.2; ULRICH WEDER, in: StGB, Kommentar, 18. Aufl. 2010, N. 23 zu Art. 197 StGB ; HURTADO POZO, a.a.O., § 107 Rz. 3233; DONATSCH, a.a.O., S. 514; TIRELLI, a.a.O., Ziff. 649 ff. und 654 ff.; BUNDI, a.a.O., Rz. 304 ff.; KOLLER, a.a.O., S. 286 ff.; MENG/SCHWAIBOLD, a.a.O., N. 56 zu Art. 197 StGB ; FAVRE/PELLET/STOUDMANN, a.a.O., N. 3.7 zu Art. 197 StGB ; FREY/OMLIN, "Genesis" - Pornographie & Internet, AJP 2003 S. 1381). Hingegen ist eine Beschaffungshandlung nicht erforderlich. Strafbar macht sich auch derjenige, welcher zunächst unvorsätzlich in den Besitz von unerlaubtem pornographischem Material gelangt ist und dieses nach Kenntnisnahme seines Inhalts weiter aufbewahrt ( BGE 131 IV 64 E. 11.4 S. 76 f. mit Hinweisen; vgl. auch STRATENWERTH/WOHLERS, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Handkommentar, 2. Aufl. 2009, N. 11 zu Art. 197 StGB ; WEDER, a.a.O., N. 25 zu Art. 197 StGB ). Die Herrschaftsmöglichkeit an Daten kommt demjenigen zu, welcher diese auf seinem eigenen Computer oder andern Datenträgern (externe Festplatte, DVD, CD, Diskette, Memory Stick u.a.) gespeichert hat. Er kann wie ein Besitzer eines physischen Gegenstandes darüber verfügen, sie verändern, löschen, kopieren usw. Aber auch bei verbotenen pornographischen Darstellungen auf einem fremden Web-Server kann Sachherrschaft vorliegen, etwa wenn auf eine passwortgeschützte Internetseite mit vertraglich garantiertem Inhalt zugegriffen wird (vgl. Botschaft, a.a.O.; zit. Urteil 6S.254/2006 E. 3.4). In subjektiver Hinsicht bedarf es des Herrschaftswillens (vgl. Botschaft a.a.O.; TIRELLI, a.a.O.; BUNDI, a.a.O.; KOLLER, a.a.O.; WEDER, a.a.O.; MENG/SCHWAIBOLD, a.a.O.). Hinsichtlich der Speicherung mittels technischer Geräte wird erwartet, der Täter habe Kenntnis um die Funktionsweise und den Inhalt der Speicherung (FREY/OMLIN, a.a.O., zum Zwischenspeicher). Denn wer eine Sache beherrschen will, weiss um ihre Existenz. 4.2 4.2.1 Hinsichtlich der Daten im Cache-Speicher verfügt der Computer-/Internetbenutzer aus objektiver Sicht über die Herrschaftsmacht, da ihm auf der Festplatte eine Kopie der im Internet besuchten Seiten zur Verfügung steht. Er hat die Möglichkeit, mittels geeigneter Programme ohne Internetverbindung auf deren Inhalt zuzugreifen und damit nach Belieben zu verfahren. Die Cache-Dateien bleiben für eine gewisse Zeitdauer gespeichert, bis sie automatisch überschrieben oder manuell gelöscht werden. Die begrenzte BGE 137 IV 208 S. 214 zeitliche Sachherrschaft spricht nicht gegen Besitz (vgl. Urteil 6S.254/2006 E. 3.3; WIPRÄCHTIGER, a.a.O.). Zudem können die Daten selbst nach dem Überschreiben oder Löschen mittels handelsüblicher Software in vielen Fällen wiederhergestellt werden (vgl. DOMINIC RYSER, "Computer Forensics", eine neue Herausforderung für das Strafprozessrecht, in: Internet-Recht und Strafrecht, 2005, S. 567 und 581 f.). Insoweit ist die Auffassung, wonach die Vergänglichkeit der Cache- Dateien gegen Besitz spreche (Botschaft, a.a.O., Ziff. 2.2.1.3 betreffend "temporäre" Dateien), jedenfalls bei Benutzern, die über entsprechende Kenntnis verfügen (vgl. dazu nachfolgend), nach dem heutigen Stand der Technik zu relativieren. 4.2.2 Ist der objektive Tatbestand erfüllt, muss der subjektive geprüft werden. Bestimmt es das Gesetz nicht ausdrücklich anders, so ist nur strafbar, wer ein Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich begeht ( Art. 12 Abs. 1 StGB ). Vorsätzlich begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt. Vorsätzlich handelt bereits, wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt ( Art. 12 Abs. 2 StGB ). Bei der Bejahung des subjektiven Tatbestandes des Besitzes von pornographischen Dateien im Cache-Speicher ist Zurückhaltung geboten. Ein ungeübter Computer-/Internetbenutzer, der von der Existenz des Cache-Speichers und den darin enthaltenen Daten nichts weiss, fällt als Täter nach Art. 197 Ziff. 3 bis StGB ausser Betracht. Ob er von den Daten Kenntnis hat, ist nach den konkreten Umständen im Einzelfall zu entscheiden. Hinweise darauf können sich beispielsweise aus der Änderung der automatischen Internet-Einstellungen, dem Vorhandensein von Programmen wie Cache-Viewer bzw. Cache-Reader, der manuellen Löschung des Cache-Speichers, dem Nachweis eines Offline-Zugriffs oder aus seinen allgemeinen Fachkenntnissen im Zusammenhang mit Computern und Internet ergeben. Wer hingegen um die automatische Speicherung der strafbaren pornographischen Daten weiss und diese im Nachgang an eine Internetsitzung nicht löscht, manifestiert dadurch seinen Besitzwillen, selbst wenn er darauf nicht mehr zugreift. Er ist genauso strafwürdig wie der Täter, der ein entsprechendes physisches Dokument aufbewahrt, welches ihm unwillentlich zugekommen ist (vgl. BGE 131 IV 64 E. 11.4 S. 76 f. mit Hinweisen). Das bewusste Belassen von verbotenen pornographischen Daten im Cache fällt somit unter den Tatbestand des Besitzens nach Art. 197 Ziff. 3 bis StGB . Insoweit kann an der bisherigen unpublizierten Rechtsprechung, welche den BGE 137 IV 208 S. 215 Besitz an Daten im Cache-Speicher ungeachtet der objektiven und subjektiven Komponenten des Besitzes grundsätzlich verneinte (zit. Urteil 6S.254/2006), nicht festgehalten werden.
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Sachverhalt ab Seite 93 BGE 138 IV 92 S. 93 A. Am Donnerstag, 14. Juli 2011 um ca. 16.00 Uhr, hielt die Gemeindepolizei Binningen den mazedonischen Staatsangehörigen X. zusammen mit Y. an, da der dringende Verdacht bestand, dass sie Betäubungsmittel konsumiert hatten. Die darauf herbeigerufene Polizei Basel-Landschaft unterzog die beiden einer Personenkontrolle. Dabei stellte sie bei Y. insbesondere ca. 58 Gramm Heroin und 5 Gramm Kokain sicher. X. trug keine Betäubungsmittel auf sich. Hingegen verlief der bei ihm durchgeführte Drogentest positiv auf Kokain und Opiate. X. wurde darauf zusammen mit Y. auf den Polizeiposten Binningen verbracht, das erste Mal einvernommen und noch am Abend des 14. Juli 2011 in das Untersuchungsgefängnis Liestal überführt. Am 16. Juli 2011 führte die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft mit X. die Hafteröffnungseinvernahme durch. Gleichentags beantragte sie dem Zwangsmassnahmengericht des Kantons Basel-Landschaft die Anordnung von Untersuchungshaft für die vorläufige Dauer von drei Monaten. Am 18. Juli 2011, um 12.15 Uhr, wies das Zwangsmassnahmengericht den Antrag der Staatsanwaltschaft ab und entliess X. unverzüglich und unabhängig vom Einlegen eines Rechtsmittels gleichentags, spätestens um 12.30 Uhr, aus der Haft. Die von der Teilnahme an der Verhandlung des Zwangsmassnahmengerichts dispensierte Staatsanwaltschaft erfuhr von der Entlassung von X. am 18. Juli 2011 um 14.21 Uhr. Mit Beschwerde vom 19. Juli 2011 gelangte die Staatsanwaltschaft an das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit folgenden Anträgen: "1. Es sei der Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts vom 18. Juli 2011 aufzuheben. 2. Es sei für die vorläufige Dauer von drei Monaten die Untersuchungshaft anzuordnen. 3. (...) 4. Es sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen. BGE 138 IV 92 S. 94 5. Es sei für die Dauer des Verfahrens die Untersuchungshaft anzuordnen. 6. (...)." Mit Verfügung vom 20. Juli 2011 räumte der Präsident des Kantonsgerichts, Abteilung Strafrecht, dem Zwangsmassnahmengericht und X. Frist ein bis zum 25. Juli 2011 zur Stellungnahme zu den Anträgen 4 und 5 der Staatsanwaltschaft. Nach Eingang der Stellungnahmen des Zwangsmassnahmengerichts und von X. wies der Kantonsgerichtspräsident mit Verfügung vom 27. Juli 2011 die Anträge 4 und 5 der Staatsanwaltschaft ab. B. Die Staatsanwaltschaft führt mit Eingabe vom 29. August 2011 Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, es sei festzustellen, dass der Kantonsgerichtspräsident mit Erlass der Verfügung vom 27. Juli 2011 eine Rechtsverzögerung begangen habe. Die Verfügung des Kantonsgerichtspräsidenten sei aufzuheben, soweit dieser den Antrag auf Anordnung der Untersuchungshaft für die Dauer des Verfahrens abgewiesen habe, und die Sache zur neuerlichen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. C. Das Kantonsgericht beantragt mit Eingabe vom 6. September 2011 die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Es weist darauf hin, dass es die Beschwerde der Staatsanwaltschaft in der Sache selber mit Beschluss vom gleichen Tag abgewiesen hat. (...) Das Bundesgericht schreibt die Beschwerde als gegenstandslos ab. (Auszug)
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Gegen die angefochtene Verfügung ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde in Strafsachen gegeben. Ein kantonales Rechtsmittel steht nicht zur Verfügung. Die Beschwerde ist somit nach Art. 80 BGG zulässig. Die Staatsanwaltschaft ist gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a i.V.m. lit. b Ziff. 3 BGG zur Beschwerde befugt ( BGE 137 IV 22 E. 1 S. 23 und BGE 137 IV 87 ). 1.2 Die angefochtene Verfügung stellt einen Zwischenentscheid nach Art. 93 BGG dar. Die Vorinstanz hat es abgelehnt, den Beschwerdegegner für die Dauer des Beschwerdeverfahrens in Haft zu versetzen. Damit bestand die Gefahr der Erschwerung oder gar Vereitelung des Strafverfahrens, da der Beschwerdegegner die von der Staatsanwaltschaft geltend gemachte Flucht-, Kollusions- und BGE 138 IV 92 S. 95 Wiederholungsgefahr verwirklichen konnte. Dies stellt für die Staatsanwaltschaft einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG dar ( BGE 137 IV 237 E. 1.1 S. 240). Die Beschwerde ist auch insoweit zulässig. 1.3 Die Vorinstanz hat mit Beschluss vom 6. September 2011 die Beschwerde der Staatsanwaltschaft in der Sache selber abgewiesen. Der Entscheid wurde nicht weitergezogen. Das vorinstanzliche Beschwerdeverfahren ist somit abgeschlossen, weshalb über vorsorgliche Massnahmen für dessen Dauer nicht mehr zu befinden ist. Die Beschwerdeführerin hat zufolge Gegenstandslosigkeit kein aktuelles praktisches Interesse an der Behandlung der Beschwerde in Strafsachen mehr. Angesichts der Verfahrensumstände rechtfertigen sich jedoch die nachfolgenden Ausführungen. 2. Ausser der Gegenstandslosigkeit steht noch ein anderer Grund der materiellen Behandlung der Beschwerde entgegen: Rekurriert die Staatsanwaltschaft nach einem abschlägigen Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts bei der Beschwerdeinstanz und verlangt sie - superprovisorisch oder provisorisch - die Inhaftierung des Beschuldigten, so kann sie einen (für sie) negativen Massnahmenentscheid nach Art. 388 lit. b StPO (SR 312.0) - sei er superprovisorisch oder provisorisch - nicht beim Bundesgericht anfechten. Denn vor Bundesgericht würde diesfalls die gleiche Rechtsfrage anhängig gemacht, die vor der Beschwerdeinstanz noch zum (definitiven) Entscheid ansteht, und dies nicht während eines nicht absehbaren, unbestimmten Zeitraums, sondern nach den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorgaben sofort, d.h. innert wenigen Tagen. Bei dieser prozessualen Konstellation würde ein Weiterzug des Massnahmenentscheids an das Bundesgericht zu einer doppelten, konkurrierenden Zuständigkeit verschiedener Gerichtsinstanzen für die gleiche Streitfrage mit der Gefahr unkoordinierter und widersprüchlicher Entscheide und von Verfahrensverzögerungen führen. Dies verstiesse gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Einheit und Widerspruchsfreiheit des Verfahrens ( Art. 9 BV ; BGE 117 Ib 35 E. 3e S. 39) sowie gegen das Beschleunigungsgebot in Haftsachen ( Art. 5 Abs. 2 StPO ). Hinzu käme, dass das Bundesgericht auf diese Weise aufgerufen würde, auf provisorischem Weg als erste gerichtliche Instanz die Inhaftierung eines Beschuldigten anzuordnen, was mit seiner Rolle als höchstes Gericht des Landes kaum vereinbar wäre und einer sinnvollen Gerichtsorganisation und Aufgabenteilung zuwiderliefe. Überdies müsste die Beurteilung eines BGE 138 IV 92 S. 96 Massnahmenentscheids durch das Bundesgericht auf der Grundlage bloss rudimentärer Informationen erfolgen, da die knappe zur Verfügung stehende Zeit zur Begründung des Massnahmenentscheids und zu seiner Anfechtung eine vollständige Darlegung der massgebenden Umstände in der Regel nicht erlaubt. Ausserdem wären praktische Schwierigkeiten bei der Verfahrensinstruktion unausweichlich, zumal die Akten, insbesondere das Hauptdossier, gleichzeitig anderweitig benötigt würden und rasch bearbeitet werden müssen ( Art. 31 Abs. 4 BV ). Mit Blick auf diese prozessualen Besonderheiten muss es der Staatsanwaltschaft verwehrt bleiben, die Verweigerung einer vorsorglichen Inhaftierung des Beschuldigten durch die Beschwerdeinstanz beim Bundesgericht anzufechten. Sie muss den Sachentscheid der Beschwerdeinstanz abwarten und kann nur gegen diesen Beschwerde beim Bundesgericht einlegen, sofern sie dannzumal noch über ein aktuelles praktisches Rechtsschutzinteresse verfügt (vgl. dazu BGE 137 IV 87 ). 3. 3.1 Die Staatsanwaltschaft hat argumentiert, nach einem die Inhaftierung ablehnenden Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts müsse sie die Möglichkeit haben, mit einer Beschwerde bei der Rechtsmittelinstanz umgehend einen Antrag auf Anordnung von vorsorglicher Haft gemäss Art. 388 lit. b StPO zu stellen. In Anbetracht der Dringlichkeit bei Haftverfahren sei darüber superprovisorisch, d.h. ohne vorgängige Anhörung der beschuldigten Person, zu entscheiden. Das habe die Vorinstanz nicht getan. Vielmehr habe sie dem Zwangsmassnahmengericht und dem Beschwerdegegner eine Vernehmlassungsfrist von fünf Tagen eingeräumt und die angefochtene Verfügung erst sieben Tage nach Eingang der Beschwerde erlassen. Damit habe sie eine Rechtsverzögerung begangen. 3.2 Nach der Rechtsprechung ist die Staatsanwaltschaft gestützt auf Art. 222 StPO i.V.m. Art. 80, 81 Abs. 1 und Art. 111 Abs. 1 BGG befugt, einen Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts bei der Beschwerdeinstanz anzufechten ( BGE 137 IV 87 und BGE 137 IV 22 ). Dieses Beschwerderecht muss die Staatsanwaltschaft wirksam wahrnehmen können. Das Bundesgericht hat dazu festgehalten, dass eine beschuldigte Person gemäss Art. 226 Abs. 5 StPO unverzüglich freizulassen ist, wenn das Zwangsmassnahmengericht die Untersuchungshaft nicht anordnet. Dieses Recht auf unverzügliche Freilassung ergibt sich aus dem Grundrecht der persönlichen Freiheit ( Art. 10 Abs. 2 BV ), BGE 138 IV 92 S. 97 welches gestützt auf die Art. 31 BV und Art. 5 EMRK in strafrechtlichen Verfahren unter bestimmten Voraussetzungen eingeschränkt werden kann (s. auch Art. 36 BV ). Verfügt das Zwangsmassnahmengericht die sofortige Freilassung, obwohl nach Auffassung der Staatsanwaltschaft ein Haftgrund nach Art. 221 StPO besteht, kann das die Fortführung des Strafverfahrens indessen erschweren oder gar vereiteln. Um dies zu verhindern, besteht ein Interesse, dass die Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer Beschwerde an die Beschwerdeinstanz nach Art. 393 StPO zumindest vorübergehend die Freilassung verhindern kann ( BGE 137 IV 230 E. 2.1 S. 233, BGE 137 IV 237 E. 2.1 S. 241). Strafprozessuale Rechtsmittel haben nach Art. 387 StPO keine aufschiebende Wirkung. Vorbehalten bleiben abweichende Bestimmungen der StPO oder Anordnungen der Verfahrensleitung der Rechtsmittelinstanz. Diese trifft in Anwendung von Art. 388 StPO die notwendigen und unaufschiebbaren verfahrensleitenden und vorsorglichen Massnahmen. Hierzu gehört nach ausdrücklicher Vorschrift von Art. 388 lit. b StPO die Anordnung von Haft. Diese Bestimmungen sind grundsätzlich geeignet, die Untersuchungshaft während des Beschwerdeverfahrens betreffend die Haftentlassung aufrechtzuerhalten. Gewiss steht die lückenlose Weiterführung der Untersuchungshaft in einem gewissen Gegensatz zur Pflicht, die beschuldigte Person unverzüglich freizulassen, wenn das Zwangsmassnahmengericht die Untersuchungshaft nicht anordnet ( Art. 226 Abs. 5 StPO ; BGE 137 IV 237 E. 2.2 S. 241). Dennoch ist es zur Gewährleistung des Beschwerderechts der Staatsanwaltschaft erforderlich, die Freilassung des Beschuldigten aufzuschieben, bis die Beschwerdeinstanz über die Fortdauer der Haft während des Beschwerdeverfahrens im Sinne von Art. 388 lit. b StPO wenigstens superprovisorisch entscheiden kann ( BGE 137 IV 237 E. 2.4 S. 244). 3.3 Vor dem Hintergrund des Anspruchs des Beschuldigten auf unverzügliche Freilassung gemäss Art. 226 Abs. 5 StPO muss die Staatsanwaltschaft ihre Beschwerde vor dem Zwangsmassnahmengericht unmittelbar nach Kenntnis des Haftentlassungsentscheids ankündigen und im Anschluss daran schriftlich einreichen. In der Beschwerde sind auch die notwendigen und unaufschiebbaren verfahrensleitenden und vorsorglichen Massnahmen zu beantragen ( Art. 388 StPO ). Aus diesen Erfordernissen ergibt sich, dass die Staatsanwaltschaft in Verfahren nach Art. 225 Abs. 1 StPO persönlich vertreten sein muss und sich nicht mit schriftlichen Anträgen begnügen kann BGE 138 IV 92 S. 98 (vgl. Art. 225 Abs. 3 StPO ). Ist für die Anordnung von Untersuchungshaft ausnahmsweise keine mündliche Verhandlung vorgesehen (vgl. Art. 225 Abs. 5 StPO ), so muss die Staatsanwaltschaft, wenn sie die Freilassung des Beschuldigten gegebenenfalls auf dem Beschwerdeweg verhindern will, einen Antrag auf mündliche Verhandlung stellen (was im Übrigen bereits im schriftlichen Haftantrag gemäss Art. 224 Abs. 2 StPO geschehen kann). Nur bei mündlicher Verhandlung eröffnet das Zwangsmassnahmengericht den Entscheid über die Inhaftierung auch mündlich ( Art. 226 Abs. 2 StPO ), was die Staatsanwaltschaft - wenn sie anwesend ist - in die Lage versetzt, die Beschwerde am Schluss der Verhandlung anzukündigen (vgl. Urteil 1B_630/2011 vom 16. Dezember 2011 E. 1). Die Ankündigung hat zur Folge, dass die Haft nach dem Freilassungsentscheid des Zwangsmassnahmengerichts bis zur sofortigen Beschwerdeerhebung durch die Staatsanwaltschaft fortbesteht ( BGE 137 IV 237 E. 2.4 S. 244). Um dem Erfordernis der unverzüglichen Beschwerdeerhebung im Anschluss an die Ankündigung nachzukommen, muss die Staatsanwaltschaft spätestens drei Stunden nach der Ankündigung beim Zwangsmassnahmengericht eine (wenigstens kurz) begründete Beschwerdeschrift einreichen und darin die Aufrechterhaltung der Haft beantragen. Diesfalls ist das Zwangsmassnahmengericht gehalten, den Beschuldigten weiter in Haft zu belassen und die Beschwerde mit dem Dossier und seiner allfälligen Stellungnahme verzugslos der Beschwerdeinstanz zu übermitteln. Wie die Behörden bei der Beurteilung von Haftverlängerungsgesuchen (vgl. Art. 227 StPO ) und Haftentlassungsbegehren (vgl. Art. 228 StPO ) vorzugehen haben, ist im vorstehenden Zusammenhang nicht zu erörtern. 3.4 Nach dem Eingang der Beschwerde bei der Beschwerdeinstanz hat deren Verfahrensleitung - wie das Bundesgericht bereits ausgeführt hat ( BGE 137 IV 237 E. 2.4 f. S. 245) - die erforderlichen Anordnungen im Sinne von Art. 388 StPO zu erlassen. Solche Anordnungen müssen aus Gründen der Dringlichkeit meist ohne Anhörung der betroffenen Person als superprovisorische Verfügung ergehen. Sie sind anschliessend nach Gewährung des rechtlichen Gehörs zu bestätigen oder zu ändern. Eine von der Staatsanwaltschaft unmittelbar nach Kenntnis des Haftentlassungsentscheids, aber vor der tatsächlichen Entlassung des Beschuldigten eingereichte Beschwerde hat somit zur Folge, dass die Untersuchungshaft vorläufig weiterbesteht, bis die zuständige Verfahrensleitung der Beschwerdeinstanz BGE 138 IV 92 S. 99 (superprovisorisch) über weitere Massnahmen im Sinne von Art. 388 StPO entscheiden kann. Es handelt sich dabei in der Regel um eine Verlängerung der Haft um einige Stunden, was im Interesse der Erreichung des Untersuchungszwecks bei bestehenden Haftgründen und zur Gewährleistung eines wirksamen Beschwerderechts der Staatsanwaltschaft mit Art. 226 Abs. 5 StPO vereinbar erscheint. Da dieser Aufschub der Freilassung zur Gewährleistung des vom Gesetz vorausgesetzten wirksamen Beschwerderechts der Staatsanwaltschaft unabdingbar ist, steht ihm auch Art. 387 StPO nicht entgegen. In diesem Sinne ist die genannte aufschiebende Wirkung Teil des Beschwerderechts der Staatsanwaltschaft. Sie ist zeitlich eng begrenzt, bis die Verfahrensleitung der Beschwerdeinstanz in der Lage ist, über Massnahmen nach Art. 388 StPO zu entscheiden ( BGE 137 IV 237 E. 2.4 f. S. 245 mit Hinweis). Eine längere Fortdauer der Haft kann sich in begründeten Ausnahmefällen wie beispielsweise an Wochenenden ergeben. Um solche Situationen zu vermeiden, empfiehlt sich, dass das Zwangsmassnahmengericht Haftentlassungsentscheide an Vortagen von arbeitsfreien Tagen möglichst am Vormittag trifft. Danach kann die Staatsanwaltschaft ihre Beschwerde noch rechtzeitig einreichen, damit die Beschwerdeinstanz am selben Tag gestützt auf ein entsprechendes Gesuch der Staatsanwaltschaft aufgrund der Akten über die Anordnung der Haft superprovisorisch entscheiden kann ( Art. 388 lit. b StPO ). 3.5 Das Vorgehen der kantonalen Behörden hat diesen Leitlinien in verschiedener Hinsicht nicht entsprochen. Das Zwangsmassnahmengericht entschied am 18. Juli 2011 um 12.15 Uhr, der Beschwerdegegner werde gleichentags spätestens um 12.30 Uhr entlassen, was dann auch geschah. Die Staatsanwaltschaft war in der Verhandlung nicht vertreten und damit auch nicht in der Lage, sofort eine Beschwerde anzukündigen und dadurch eine einstweilige Haftverlängerung zu bewirken. Der Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts gelangte ihr erst um 14.21 Uhr des 18. Juli 2011 zur Kenntnis. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Beschwerdegegner bereits seit ca. zwei Stunden in Freiheit. Erst am 19. Juli 2011 erhob die Staatsanwaltschaft bei der Vorinstanz Beschwerde und beantragte die aufschiebende Wirkung. Damals gab es aber bereits nichts mehr aufzuschieben; es hätte gegebenenfalls eine neue Haftanordnung ergehen müssen. Über eine derartige Massnahme entschied die Vorinstanz schliesslich auch nicht superprovisorisch, BGE 138 IV 92 S. 100 sondern lud am 20. Juli 2011 das Zwangsmassnahmengericht und den Beschwerdegegner zur Stellungnahme zu den Verfahrensanträgen der Staatsanwaltschaft bis zum 25. Juli 2011 ein. Erst am 27. Juli 2011 erliess die Vorinstanz die angefochtene Verfügung. Zu diesem Zeitpunkt konnte eine Inhaftierung des Beschuldigten wegen Flucht- und Kollusionsgefahr ( Art. 221 Abs. 1 lit. a und b StPO ) vernünftigerweise nicht mehr in Frage stehen. Nur die (ebenfalls geltend gemachte) Wiederholungsgefahr ( Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO ) konnte noch in Betracht fallen und ein Rechtsschutzinteresse der Staatsanwaltschaft an der Beurteilung der Beschwerde fortbestehen lassen. Die geschilderten Vorgehensweisen haben somit eine wirksame Beschwerdeerhebung durch die Staatsanwaltschaft verhindert und auch dem Beschleunigungsgebot gemäss Art. 5 StPO nicht hinreichend Rechnung getragen.
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Sachverhalt ab Seite 55 BGE 91 I 55 S. 55 A.- Die Genossenschaft Migros Bern verkauft in ihren Geschäften eine als M-Drink bezeichnete pasteurisierte bezw. uperisierte Magermilch mit einem auf 2,8% herabgesetzten Fettgehalt. Mit Entscheid vom 13. November 1964 stellte das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement (EVD) fest, dass der Verkauf des von der Genossenschaft in Verkehr gebrachten M-Drinks der Bewilligungspflicht gemäss Art. 21 des Milchbeschlusses der Bundesversammlung (des Milchstatutes) vom 29. September 1953 (MB) unterstehe. Es verpflichtete die Genossenschaft, den Verkauf dieses Produktes in denjenigen Filialen einzustellen, für welche keine Bewilligung zum Verkauf pasteurisierter Milch erteilt ist. B.- Die Genossenschaft erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, diesen Entscheid aufzuheben und BGE 91 I 55 S. 56 festzustellen, dass der Verkauf des M-Drinks der Bewilligungspflicht gemäss Art. 21 MB nicht unterstehe. Sie macht geltend, der M-Drink sei Magermilch im Sinne des Art. 74 der Lebensmittelverordnung (LMV) und dürfe daher im Verkehr nicht als Milch im Sinne des Art. 39 ebenda bezeichnet werden. In Art. 27 des Landwirtschaftsgesetzes vom 3. Oktober 1951 (LandwG) werde an die Begriffsumschreibungen der Lebensmittelverordnung angeknüpft. Magermilch falle weder unter dieses Gesetz noch unter den auf ihm beruhenden Milchbeschluss. Dass dies gewollt sei, ergebe sich auch aus dem BRB vom 10. November 1964 betreffend Änderung der Lebensmittelverordnung, welcher zwischen der pasteurisierten Milch und der pasteurisierten Magermilch unterscheide. Magermilch sei nicht Konsummilch im Sinne des Art. 27 LandwG und des Art. 21 MB , d.h. nicht das Ergebnis des vollen Gemelkes (Vollmilch). Bezeichnenderweise seien auch alle Milchmischgetränke dem Milchbeschluss nicht unterstellt. Der angefochtene Entscheid verletze Art. 27 LandwG und Art. 21 MB . C.- Das EVD beantragt die Abweisung der Beschwerde.
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Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 107 lit. a LandwG und Art. 38 Abs. 2 MB ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig gegen Entscheide des EVD betreffend die Verweigerung von Bewilligungen, die auf Grund dieser Erlasse nachgesucht werden. Im vorliegenden Falle richtet sich die Beschwerde zwar nicht gegen die Verweigerung einer solchen Bewilligung, sondern gegen die Unterstellung des Verkaufs des M-Drinks unter die Bewilligungspflicht gemäss Art. 21 MB . Gleichwohl ist das Bundesgericht zuständig. Die Frage der Bewilligungspflicht kann sich als Vorfrage für den Entscheid über die Erteilung oder Verweigerung einer Bewilligung, aber auch unabhängig hievon stellen. Im ersten Falle ist klar, dass die zum Entscheid über die Bewilligung zuständige Behörde auch über die Vorfrage zu befinden hat. Aber auch wenn die Frage der Bewilligungspflicht selbständig zu entscheiden ist, kommt dafür eine andere Zuständigkeit nicht in Betracht und müssen auch die gleichen Rechtsmittel gegeben BGE 91 I 55 S. 57 sein. So hat das Bundesgericht bei der Anwendung von Art. 11 Abs. 1 des Uhrenstatuts vom 22. Juni 1951 in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass das EVD, welches für die Erteilung der dort genannten Bewilligungen zuständig war, auch über die Frage der Bewilligungspflicht zu entscheiden habe, sei es vorfrageweise oder selbständig, und dass auch gegen diese Entscheide die Verwaltungsgerichtsbeschwerde offenstehe ( BGE 85 I 188 , BGE 79 I 105 ). Dasselbe muss auch für den Streit über die Bewilligungspflicht nach Art. 21 MB gelten. Danach ist hier die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig und infolgedessen gemäss Art. 126 lit. a OG die - von der Beschwerdeführerin ebenfalls erhobene - Beschwerde an den Bundesrat ausgeschlossen. Das Bundesgericht hat daher dem Bundesrat mitgeteilt, dass es die Beurteilung übernimmt. 2. Die Beschwerdeführerin will ihre als M-Drink bezeichnete Magermilch gewerbsmässig in ihren Verkaufsgeschäften dem Verbrauch zuführen. Hiefür ist nach Art. 21 MB eine Bewilligung erforderlich, wenn es sich um Konsummilch im Sinne dieser Bestimmung handelt. Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass diese Voraussetzung erfüllt sei; sie macht geltend, dass unter Art. 21 MB nur die Vollmilch im Sinne der Lebensmittelverordnung falle. a) Der Milchbeschluss knüpft nirgends ausdrücklich an Definitionen der Lebensmittelverordnung an. Er präzisiert in Art. 1 Abs. 1, dass er unter Milch nur Kuhmilch versteht. Die in den Verkehr gebrachte Kuhmilch, die er Verkehrsmilch nennt, teilt er ein in Konsummilch und Verarbeitungsmilch (Art. 1 Abs. 2, Art. 5 usw.). Art. 21 MB unterstellt der Bewilligungspflicht den Verkauf von "Konsummilch jeder Art". Es ist offensichtlich, dass mit dieser Umschreibung nicht nur Vollmilch im Sinne des Art. 39 Abs. 1 LMV - "Kuhmilch mit unverändertem Gehalt, wie sie von richtig genährten Kühen durch regelmässiges, ununterbrochenes und vollständiges Ausmelken gewonnen wird" - gemeint sein kann; denn sonst wären die Worte "jeder Art" sinnlos. Der Wortlaut des Art. 21 MB erhält dagegen einen guten Sinn, wenn angenommen wird, dass darunter alle Kuhmilch fällt, die zum Konsum verkauft, d.h. nicht zu Milchprodukten verarbeitet wird. Danach ist nicht der Fettgehalt der Milch massgebend, sondern die Art ihrer Verwendung: Wird Milch dem Konsum zugeführt, so ist BGE 91 I 55 S. 58 sie Konsummilch im Sinne des Art. 21 MB , gleichgültig, ob sie nach dem Fettgehalt unter Art. 39 Abs. 1 LMV (Vollmilch) oder unter Art. 74 daselbst (Magermilch) fällt. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ergibt sich aus Art. 27 LandwG nichts anderes. Nach dieser Vorschrift gelten als Milch und Milchprodukte im Sinne der vorstehenden Bestimmungen (des Art. 26, welcher Massnahmen im Bereich der Milchwirtschaft vorsieht) "Konsummilch, Konsumrahm, Milch für die Butter- und Käsefabrikation, Butter, Käse, Trocken- und Kondensmilch". Hier wird also, wie im Milchbeschluss, nicht an die Definitionen des Art. 39 Abs. 1 und des Art. 74 LMV angeknüpft. Wie der Milchbeschluss, so unterscheidet auch Art. 27 LandwG zwischen Konsum- und Verarbeitungsmilch. Hier wie dort wird demnach auf die Verwendung der Milch und nicht auf deren Fettgehalt abgestellt. Der Wortlaut des Art. 21 MB ("Konsummilch jeder Art") steht im Einklang mit demjenigen des Art. 27 LandwG. Die Fassung dieser beiden Bestimmungen spricht mithin eindeutig gegen die Meinung der Beschwerdeführerin, dass Konsummilch im Sinne des Art. 21 MB identisch mit Vollmilch im Sinne des Art. 39 Abs. 1 LMV sei. b) Die von der Beschwerdeführerin angefochtene Auslegung des Art. 21 MB wird auch gestützt durch Überlegungen, welche die Ziele der Lebensmittelverordnung und des Milchstatutes einander gegenüberstellen. Die Lebensmittelverordnung ist polizeilicher Natur. Ihre Aufgabe ist der Schutz der Bevölkerung vor gesundheitsschädlichen Produkten und vor Täuschung im Verkehr mit Produkten. Ihre Bestimmungen, insbesondere auch in den Abschnitten über die Milch und die Milchprodukte, haben diesen Zwecken zu dienen und sind dementsprechend gefasst. So wird vorgeschrieben, dass bestimmte Manipulationen mit der Milch, die zwar nicht gesundheitsschädlich sind und daher nicht untersagt werden, doch in der Bezeichnung des Produktes zum Ausdruck kommen müssen, weil sonst der Verbraucher über den Wert der Ware getäuscht werden könnte. Entrahmte Milch - und als solche gilt jede, deren natürlicher Fettgehalt vermindert worden ist - muss als Magermilch bezeichnet werden. Geschieht dies, so ist auch diese Milch vom Gesichtspunkte der Lebensmittelpolizei aus unbedenklich und darf dem Konsum zugeführt werden ( Art. 74 LMV ). BGE 91 I 55 S. 59 Dagegen ist das Milchstatut im wesentlichen nicht polizeilicher, sondern wirtschaftspolitischer Natur. Das ergibt sich schon aus seiner Grundlage in Art. 26 LandwG, der die Bundesversammlung ermächtigt, "zur Sicherung einer geordneten Versorgung des Landes mit Milch und Milchprodukten und zur Förderung des Absatzes von Milch zu Preisen, die nach den Grundsätzen dieses Gesetzes angemessen sind", u.a. Anordnungen "über Erzeugung, Qualität, Ablieferung und Verwertung von Milch und Milchprodukten" zu treffen und Vorschriften "über die zweckmässige und kostensparende Sammlung und Verteilung der Konsummilch" zu erlassen, "insbesondere auch durch Verhinderung einer übersetzten Zahl von Milchgeschäften". Der Art. 21 MB selbst wird mit einem entsprechenden Hinweis auf den Zweck der Regelung eingeleitet: "Im Interesse einer zweckmässigen und kostensparenden Versorgung der Verbraucher..." Hat somit das in Art. 21 MB für Milchverkaufsstellen aufgestellte Erfordernis der Bewilligung völlig anderen Zwecken zu dienen als die Lebensmittelverordnung, so sind die Unterscheidungen, welche diese macht, für die Regelung jener Bewilligungspflicht nicht ohne weiteres tauglich. Um eine wirksame Marktordnung für die Milch zu erreichen, d.h. eine Regelung, die dem Produzenten einen genügenden Ertrag seiner Arbeit sichert und durch Tiefhaltung der Zwischenhandelsmarge doch noch einen tragbaren Konsumpreis zu erzielen erlaubt, will der Milchbeschluss den Verteilungsapparat nach Möglichkeit konzentrieren. In diesem Zusammenhang steht die Bewilligungspflicht für Milchverkaufsstellen. Dass es dabei nicht auf die Art der vertriebenen Milch ankommen kann, sondern nur auf den Verwendungszweck, d.h. darauf, dass möglichst der ganze Konsummilchvertrieb erfasst wird, ergibt sich aus dem Ziel der Bewirtschaftung. Die Wirksamkeit der staatlichen Intervention auf Grund des Milchstatutes wäre von vornherein in Frage gestellt, wenn es möglich wäre, durch jede auch geringfügige Herabsetzung des Fettgehalts der Milch die Anwendung des Statutes auszuschliessen. Dass ein solches Vorgehen nicht ausserhalb jeder Möglichkeit liegt, ergibt sich, abgesehen vom Beispiel des M-Drinks, aus der Tatsache, dass in manchen Staaten für den Konsum einzig eine Milch mit herabgesetztem, standardisiertem Fettgehalt, also "Magermilch" nach der Begriffsumschreibung unserer Lebensmittelverordnung, BGE 91 I 55 S. 60 vertrieben wird. Der Zweck des Milchbeschlusses verbot es daher von vornherein, an die Definitionen der verschiedenen Milcharten anzuknüpfen, wie sie zu ganz anderen Zwecken in der Lebensmittelverordnung enthalten sind. Vielmehr waren im Milchbeschluss selbständige, seinen Zielen angepasste Bezeichmungen zu wählen. c) Diese Situation war dem Bundesrat nicht unbekannt, als er der Bundesversammlung den Entwurf des Milchstatutes unterbreitete. In der Botschaft (BBl 1953 I S. 422) wies er darauf hin, dass "in vielen Staaten die Pasteurisierung und der Flaschenmilchvertrieb mit einer teilweisen Entrahmung der Milch verbunden wird, um mit dem so gewonnenen Butterfett einen wesentlichen Teil der zusätzlichen Kosten decken zu können". Er fügte bei: "Für schweizerische Verhältnisse käme dieses Verfahren in allgemeiner Form nicht in Betracht, da unsere Bevölkerung ein grosses Misstrauen gegen auch nur teilweise entrahmte Milch hat und wir auch kein Interesse daran haben, noch eine neue zusätzliche Quelle für die Vermehrung der Butterproduktion zu schaffen." Damit hat aber der Bundesrat die Anwendung des Milchstatutes auf die teilweise entrahmte pasteurisierte Milch keineswegs abgelehnt. Er hat bloss deren Vertrieb als wirtschaftlich wenig aussichtsreich und inopportun bezeichnet. Er kann keinen Anlass gehabt haben, damit die Absicht zu verbinden, den Vertrieb einer Milch, der in der damaligen Sicht als unerwünscht erschien, von den Einschränkungen des Milchstatutes zu befreien, also zu privilegieren. Gerade weil der Bundesrat die Möglichkeit einer Umstellung des Milchvertriebes, insbesondere auf den Verkauf pasteurisierter Milch, durchaus kannte, bestand für ihn ein guter Grund, durch Verwendung der Worte "Konsummilch jeder Art" die Wirksamkeit der wirtschaftspolitischen Massnahmen des Milchstatutes auch in dieser Richtung sicherzustellen. Dabei kam es nicht auf die Qualität der Milch, sondern einzig darauf an, dass diese für den Konsum bestimmt ist. Übrigens ist ohne Bedeutung, ob beim Erlass des Milchstatutes vorausgesehen wurde, dass einmal pasteurisierte Magermilch auf den Markt gebracht werden könnte. Ein Gesetz gilt nicht bloss für jene Fälle, an welche die an der Gesetzgebung beteiligten Personen gedacht haben, sondern für alle, auf welche sein Wortlaut und Sinn zutrifft. Dies ist hinsichtlich der Unterstellung des Verkaufs pasteurisierter Magermilch unter die in BGE 91 I 55 S. 61 Art. 21 MB vorgesehene Bewilligungspflicht zweifellos der Fall. d) Unerheblich ist, dass das Milchlieferungsregulativ vom 29. Dezember 1954, das gemäss Art. 3 MB von der Schweizerischen Milchkommission im Einvernehmen mit dem Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten und dem Schweizerischen Milchkäuferverband erlassen und vom Bundesrat genehmigt wurde, in Art. 48 Abs. 1 Qualitätsanforderungen aufstellt, die mit denjenigen des Art. 39 Abs. 1 LMV identisch sind. Dieses Regulativ nimmt eine Mittelstellung zwischen der Gesetzgebung über die Lebensmittelpolizei und der wirtschaftspolitischen Ordnung des Milchstatutes ein. Es richtet sich vor allem an die Produzenten und Verwerter der Milch. Dass unabhängig von der Art des Verkaufs der Milch an den Konsumenten der Produzent in jedem Falle Vollmilch nach den Vorschriften des Art. 39 Abs. 1 LMV in Verkehr zu bringen hat, ist selbstverständlich. Erst in einer späteren Phase kann die Vollmilch in Magermilch umgewandelt werden. Soweit das Regulativ Qualitätsanforderungen aufstellt, musste es naturgemäss von den Vorschriften der Lebensmittelverordnung ausgehen. Es kann für die Auslegung des Milchstatutes, das von der Bundesversammlung erlassen ist, keine Anhaltspunkte bieten. e) Schliesslich hilft der Beschwerdeführerin auch der Einwand nicht, dass das Milchstatut die sogenannten Milchmischgetränke nicht erfasse. Es kann offen bleiben, ob das Statut nicht erlauben würde, auch solche Getränke der Marktordnung zu unterstellen. Offenbar sind sie durch die Praxis freigegeben worden, weil ihre wirtschaftliche Bedeutung gering ist und sie wegen ihrer Andersartigkeit auch die Milch nicht konkurrenzieren. Mit dem M-Drink verhält es sich anders. Er unterscheidet sich kaum von der Vollmilch, und es ist zu erwarten, dass er wie die übrige pasteurisierte Milch vorzugsweise nicht zusätzlich zu offen ausgemessener Milch, sondern an deren Stelle konsumiert werden wird. Die Unterstellung des Verkaufs des M-Drinks unter die Bewilligungspflicht verstösst somit nicht gegen das Bundesrecht.
2,589
2,120
Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
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Sachverhalt ab Seite 27 BGE 110 III 27 S. 27 Die Petro-Gas Industrieanlagen GmbH & Co. Betriebs KG in Düsseldorf erwirkte am 30. Juni 1980 beim Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirkes Zürich einen Arrestbefehl gegen den damals in Paris inhaftierten X. (Arrest Nr. 125/80). Der sich auf Vermögenswerte bei den Zürcher Niederlassungen der American Express Bank (Switzerland) AG (im folgenden Amexco genannt) und der Algemene Bank Nederland (Schweiz) sowie bei weiteren Banken erstreckende Arrestbefehl wurde am 1. Juli 1980 vollzogen. In Gutheissung der von der Petro-Gas hierauf erhobenen Arrestprosequierungsklage verpflichtete das Bezirksgericht Zürich (3. Abteilung) am 21. Februar 1983 X. zur Zahlung von 10,54 Millionen Franken nebst verschiedenen Zinsen. Das Urteil erwuchs in Rechtskraft. Am 11. April 1983 wurden die arrestierten Vermögenswerte in der Betreibung Nr. 2563/80 des Betreibungsamtes Zürich 1 zu einem Schätzungswert von insgesamt rund 2,97 Millionen Franken gepfändet. BGE 110 III 27 S. 28 Am 17. März 1981 hatte die Contruck Industriegüter GmbH & Co. Betriebs KG in Neu-Isenburg (Bundesrepublik Deutschland) gegen den gleichen Schuldner ihrerseits einen Arrestbefehl des Einzelrichters im summarischen Verfahren des Bezirkes Zürich erwirkt, und zwar für eine Forderung von 19,1 Millionen Franken (Arrest Nr. 48/81). Der Arrest bezog sich auf Guthaben bei den Zürcher Niederlassungen der Schweizerischen Bankgesellschaft, der Schweizerischen Volksbank sowie der Bank of America und wurde am 18. März 1981 vollzogen. Durch Urteil vom 21. Februar 1983 hiess das Bezirksgericht Zürich (3. Abteilung) die entsprechende Arrestprosequierungsklage der Contruck gut. Auch dieser Entscheid erwuchs in Rechtskraft. In der von der Contruck zur Arrestprosequierung eingeleiteten Betreibung Nr. 1391/81 vollzog das Betreibungsamt Zürich 1 in der Folge eine Pfändung. Für die erwähnte Forderung gegen X. erwirkte die Contruck am 6. Mai 1983 einen zweiten Arrestbefehl, wobei als Arrestobjekte die Guthaben des Schuldners bei der Amexco und der Algemene Bank Nederland sowie bei weiteren Zürcher Bankniederlassungen angeführt wurden (Arrest Nr. 86/83). Auch dieser Arrest wurde vollzogen. Nachdem sie am 21. März 1983, d.h. vor Erlass des zweiten Arrestbefehls, in der Betreibung Nr. 1391/81 ein erstes Fortsetzungsbegehren gestellt hatte, reichte die Contruck am 9. Mai 1983 nochmals ein gleichlautendes Begehren ein. Sie strebte damit einen Anschluss an die von der Petro-Gas erwirkte Pfändung (Betreibung Nr. 2563/80) und eine entsprechende Gruppenbildung an, soweit von jener Pfändung die gleichen Vermögenswerte erfasst worden waren wie vom Arrest Nr. 86/83. Durch Verfügung vom 13. Mai 1983 wies das Betreibungsamt Zürich 1 das Fortsetzungsbegehren vom 9. Mai 1983 ab. Gleichzeitig wurde der Contruck aufgegeben, den Arrest Nr. 86/83 gestützt auf Art. 278 SchKG zu prosequieren. Gegen diese Verfügung erhob die Contruck Beschwerde beim Bezirksgericht Zürich als untere Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen. Das Bezirksgericht Zürich (2. Abteilung) wies die Beschwerde am 7. September 1983 ab, und mit Beschluss vom 25. Januar 1984 schützte das Obergericht (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich diesen Entscheid. Unter Erneuerung der im kantonalen Verfahren gestellten Anträge hat die Contruck gegen den Beschluss der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts rekurriert. BGE 110 III 27 S. 29
1,335
589
Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Das Obergericht hat festgehalten, der Anschluss an die Pfändung der Rekursgegnerin könne der Rekurrentin nicht gewährt werden, weil sie den Arrest Nr. 86/83 nicht prosequiert habe und weil in der Betreibung Nr. 1391/81 andere Vermögenswerte erfasst worden seien als in der von der Rekursgegnerin eingeleiteten Betreibung Nr. 2563/80. Was die Rekurrentin hiergegen vorbringt, ist nicht geeignet, den vorinstanzlichen Entscheid als bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen: a) Ihr Hinweis auf BGE 101 III 78 ff. ist von vornherein unbehelflich. Wohl hielt das Bundesgericht in jenem Entscheid fest, dass ein Arrestgläubiger, der einen bereits gepfändeten Gegenstand arrestieren lasse, zur Teilnahme an der entsprechenden Pfändung berechtigt sei, sofern er innert der dreissigtägigen Frist gemäss Art. 110 Abs. 1 SchKG das Fortsetzungsbegehren stelle (a.a.O. S. 81 E. 2). Der Sachverhalt, der jenem Urteil zugrunde gelegen hatte, unterschied sich indessen wesentlich vom vorliegenden, hatte doch dort der Arrestgläubiger die Pfändung in einem zur Arrestprosequierung eingeleiteten Betreibungsverfahren verlangt. Unter Hinweis auf frühere Urteile hat das Bundesgericht in BGE 101 III 81 E. 2 denn auch ausdrücklich festgehalten, dass die Arrestierung als solche dem Arrestgläubiger keinen Anspruch auf Teilnahme an einer bereits vor der Arrestnahme vollzogenen Pfändung verleihe. b) Die Rekurrentin geht davon aus, dass angesichts der nach wie vor hängigen, zur Prosequierung des Arrestes Nr. 48/81 eingeleiteten Betreibung Nr. 1391/81 auch der Arrest Nr. 86/83 als rechtsgenügend prosequiert zu gelten habe; die Einleitung einer neuen Betreibung sei deshalb nicht nötig. Dem ist nicht beizupflichten. Nach ständiger Rechtsprechung können im Rahmen einer Arrestbetreibung gemäss Art. 52 SchKG nur die arrestierten Vermögenswerte gepfändet werden ( BGE 90 III 80 ; AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 3. A., § 10 N. 19, S. 86). Anders verhält es sich nur dann, wenn der Arrestort mit dem (schweizerischen) Wohnsitz des Schuldners, d.h. mit dem allgemeinen Betreibungsort, zusammenfällt, was bei einem Arrest gegen einen im Ausland wohnenden Schuldner von vornherein ausgeschlossen ist. Die Betreibung Nr. 1391/81 konnte nach dem Gesagten nur zur Pfändung der im Arrest Nr. 48/81 mit Beschlag belegten Vermögenswerte führen. Um eine Pfändung der vom Arrest Nr. 86/83 BGE 110 III 27 S. 30 erfassten Vermögenswerte und den Anschluss an die Pfändung in der Betreibung Nr. 2563/80 der Rekursgegnerin zu erwirken, hätte die Rekurrentin eine neue Betreibung im Sinne von Art. 278 Abs. 1 SchKG einleiten müssen. Dass die Arrest- bzw. Betreibungsforderung in beiden Fällen die gleiche ist und dass diese Forderung der Rekurrentin durch rechtskräftiges Urteil zugesprochen worden ist, vermag daran nichts zu ändern. Unerheblich ist ferner auch die Tatsache, dass die Arrestorte identisch sind. Wenn das Bundesgericht in BGE 54 III 226 ff. entschied, bei mehreren Arresten sei je eine eigene Betreibung einzuleiten, so lag dies letztlich nicht darin begründet, dass in jenem Fall die Arreste an verschiedenen Orten, sondern dass sie nicht am Wohnort des Schuldners als dem allgemeinen Betreibungsort vollzogen worden waren. ...
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Sachverhalt ab Seite 389 BGE 99 II 388 S. 389 A.- Olivier Aymon a exécuté comme sous-traitant des travaux de peinture dans un chalet construit en 1969/1970 à Anzère. Ce chalet est soumis au régime de la propriété par étages. Il comprend divers studios et appartements qui ont été acquis par Daniel Paratte, Antoine Bagnoud, Charles et Jeanne Durand, Monique Springwell, Josiane Chabbey, Frieda Fellay, Georges Dussex et Jeanine Morard. B.- Le 8 juillet 1970, Olivier Aymon a obtenu, pour un solde de créances de 33 864 fr. 20, une ordonnance d'inscription provisoire d'une hypothèque légale. Cette décision, qui n'a apparemment pas été notifiée aux parties, ne déterminait pas la durée et les effets de l'inscription ni ne fixait le délai dans lequel le requérant aurait à demander l'inscription définitive. L'annotation a été faite le même jour au registre foncier de Sion. Par décision du 3 septembre 1970 prise après l'audition des parties, le juge de première instance a confirmé l'inscription provisoire; il l'a accordée pour une durée de deux ans et a imparti à Olivier Aymon un délai de six mois dès la notification pour demander l'inscription définitive de l'hypothèque légale. Cette décision a été notifiée aux parties, mais n'a pas été communiquée au bureau du registre foncier. Aymon a ouvert action en temps utile. Le 18 avril 1972, la durée de l'inscription provisoire de l'hypothèque légale a été prolongée de deux ans. Cette décision a été notifiée aux parties et au bureau du registre foncier. C.- Par jugement notifié le 18 septembre 1973, le Tribunal cantonal du Valais a rejeté les conclusions d'Olivier Aymon et ordonné la radiation de l'inscription provisoire d'hypothèque légale. D.- Olivier Aymon a formé un recours de droit public et un recours en réforme contre ce prononcé. BGE 99 II 388 S. 390 Dans son recours en réforme, il a conclu principalement au renvoi de l'affaire à l'autorité cantonale pour nouveaujugement; subsidiairement à ce que Josiane Chabbey, Jeanine Morard, Frieda Fellay et Georges Dussex soient reconnus ses débiteurs solidaires pour le montant de la créance en litige, soit 33 864 fr. 20, et à ce qu'une hypothèque légale soit inscrite définitivement sur la parcelle de base et sur toutes les propriétés par étages, chaque appartement étant grevé pour un montant égal à celui de la créance, soit 33 864 fr. 20, ou pour une part proportionnelle à leur importance. Les époux Durand ont conclu au rejet du recours dans la mesure où il est recevable. Les intimés Paratte, Bagnoud et Springwell se sont référés aux considérants du jugement cantonal. Georges Dussex, Josiane Chabbey, Frieda Fellay et Jeanine Morard n'ont pas déposé de réponse.
1,013
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Erwägungen Considérant en droit: 1. et 2. - (...) 3. Selon l'art. 961 al. 3 CC, le juge détermine exactement la durée et les effets de l'inscription et fixe, le cas échéant, un délai dans lequel le requérant fera valoir son droit en justice. Cette obligation de déterminer la durée de validité de l'inscription découle du fait que le système du registre foncier et la foi publique attachée aux inscriptions s'opposent à ce que des inscriptions provisoires, créant une situation incertaine, subsistent sans limitation de durée. Le conservateur du registre foncier est tenu de vérifier si la réquisition contient les indications exigées par la loi et si le droit est susceptible d'être inscrit (cf. RO 71 I 457 consid. 2 ; 78 I 448 ; ANDERMATT, Die grundbuchliche Anmeldung nach schweiz. Recht, p. 64; AUER, Die Prüfungspflicht des Grundbuchverwalters, p. 32). Or, en principe, un droit dont la portée et les effets ne sont que provisoires n'est pas susceptible d'inscription dans le registre foncier, si la durée n'est pas fixée. Lorsque le juge omet de fixer la durée de l'inscription, le conservateur du registre foncier peut soit rejeter en l'état la demande d'inscription défectueuse, soit surseoir à statuer et demander que l'ordonnance soit complétée (RO 90 I 313/314, 98 I 244; OSTERTAG, n. 9 et HOMBERGER, n. 16 à l'art. 961 CC). Mais on ne saurait déduire de ce droit qu'une inscription provisoire, effectuée sans indication de durée, soit sans autre frappée de mullité (cf., sur la nullité d'une BGE 99 II 388 S. 391 inscription en général, GULDENER, Grundzüge der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Schweiz, p. 76). En effet. le but de la disposition de l'art. 961 al. 3 CC est d'éviter qu'une inscription provisoire ne figure indéfiniment au registre foncier, sans faire place à une inscription définitive ou sans être radiée. La jurisprudence a ainsi admis que le juge peut ordonner l'inscription provisoire du droit de gage pour un temps indéterminé. même avant l'expiration du délai de l'art. 839 al. 2 CC, pourvu que l'action en reconnaissance de ce droit soit déjà pendante ou. si elle ne l'est pas encore, doive être introduite dans un délai convenable et déterminé (RO 66 II 108). En l'espèce. l'inscription de l'hypothèque légale provisoire portée au registre foncier en vertu de la décision du 8 juillet 1970 a été effectuée sans limite de durée; mais dans son ordonnance du 3 septembre, le juge a fixé au recourant un délai pour ouvrir action et demander l'inscription définitive de l'hypothèque; il a également limité la durée de l'inscription à deux ans. Certes, ces précisions n'ont pas été notifiées au conservateur du registre foncier; en outre, la décision qui a prolongé la durée de validité de l'inscription a été prise après l'expiration du délai de l'art. 839 al. 2 CC. Cependant, le recourant a ouvert action dans le délai fixé par le juge. La procédure est pendante. Le 18 avril 1972, la durée de validité de l'inscription provisoire d'hypothèque légale a été prolongée pour deux ans; cette décision a été communiquée au bureau du registre foncier. Dans ces conditions, on ne saurait priver le recourant du bénéfice de l'hypothèque légale, sous prétexte que l'inscription provisoire, intervenue régulièrement dans le délai péremptoire de l'art. 839 al. 2 CC, ne contient aucune limitation de durée. Le but visé par la loi, soit mettre fin à l'incertitude, protéger les intérêts du propriétaire inscrit et des tiers de bonne foi, est en effet pleinement sauvegardé par l'introduction des actions en inscription de l'hypothèque définitive dans le délai fixé par le juge (SIMOND, L'hypothèque légale de l'entrepreneur, p. 152). 4. Le fait que la durée de validité de l'inscription provisoire, dans la mesure où elle a été effectuée dans le délai péremptoire de l'art. 839 al. 2 CC, n'a pas été fixée d'entrée de cause ne s'oppose pas non plus à l'inscription définitive de l'hypothèque. En effet, d'une part le recourant a ouvert action en inscription définitive dans le délai fixé par le juge. D'autre part, on ne saurait voir dans la présente espèce un cas d'application de BGE 99 II 388 S. 392 l'art. 76 ORF; dans l'hypothèse visée par cette disposition, le conservateur du registre foncier est tenu de radier d'office une inscription provisoire qui a perdu toute justification, soit parce que le délai pour requérir l'inscription définitive est écoulé, soit parce que celle-ci a été effectuée. Ces circonstances ne sont pas réalisées. La procédure en inscription définitive est pendante et l'inscription provisoire est appelée à disparaître dès que le procès au fond aura été jugé. Peu importe, dès lors, que la date de radiation de l'inscription provisoire ne soit pas déterminée ou déterminable de manière précise. La jurisprudence a admis que la durée d'une inscription provisoire peut ne pas être limitée d'une manière fixe. Il est loisible au juge de décider que l'inscription sera valable, par exemple, jusqu'à la solution définitive du procès (RO 98 I 244/245). Une prorogation de la durée doit certes être annotée avant l'échéance du terme originaire, mais cela ne signifie pas qu'une inscription provisoire, dont la durée n'a pas été limitée, soit nulle ou inefficace, si le bénéficiaire fait valoir son droit en justice, en vue de l'inscription définitive, dans le délai fixé par le juge. 5. à 7. - (...)
2,082
1,027
Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Admet le recours, annule le jugement attaqué et renvoie l'affaire à l'autorité cantonale pour nouvelle décision dans le sens des motifs.
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Sachverhalt ab Seite 72 BGE 89 III 72 S. 72 A.- In der Betreibung Nr. 26111 (Baumgartner gegen Widlake) für Fr. 200. - nebst Zins liess das Betreibungsamt BGE 89 III 72 S. 73 St. Gallen ein in der Garage Moderne SA in Territet stehendes Automobil Vauxhall durch das Betreibungsamt Montreux pfänden. An diesem auf Fr. 1000. - geschätzten Fahrzeug machte die erwähnte Garageunternehmung ein "Pfandrecht" für Reparaturen und Bestandteile im Forderungsbetrage von Fr. 153.35 und ein Retentionsrecht für die Garagebenutzung von monatlich Fr. 45.- seit 9. Februar 1963 geltend. Am 20. Juni 1963 ersteigerte sie selbst den Wagen für Fr. 400.--; ihre vorzugsberechtigten Ansprüche waren in der Steigerungsankündigung auf Fr. 378.35 beziffert worden (die erwähnten Fr. 153.35 und eine Garagemiete für fünf Monate im Betrag von Fr. 225.--). Diese Ansprüche blieben im Widerspruchsverfahren unbestritten. B.- In der Abrechnung vom 13. August 1963 brachte das Betreibungsamt St. Gallen vom Zuschlagspreis von Fr. 400. - die Verwertungskosten in Abzug, betragend: a) diejenigen des Betreibungsamtes Montreux Fr. 77.95 b) die eigenen " 44.35 Fr. 122.30 und überwies der Garage Moderne SA den Restbetrag von Fr. 277.70 C.- Mit rechtzeitig eingereichter Beschwerde verlangte die Garage Moderne SA die Zuweisung des ganzen Betrages ihrer durch Pfand- bzw. Retentionsrecht gesicherten Forderungen von Fr. 378.35. Sie hält dafür, die Verwertungskosten seien, soweit durch den Überschuss von Fr. 21.65 nicht gedeckt, vom betreibenden Gläubiger zu tragen. D.- Beschwerde und Rekurs wurden in den kantonalen Instanzen abgewiesen. Der Entscheid der obern kantonalen Aufsichtsbehörde vom 26. September 1963 geht davon aus, dass die "durch Faustpfand" gesicherte Forderung der Rekurrentin für Reparaturen und Bestandteile von Fr. 153.35 auch nach Abzug der Verwertungskosten voll gedeckt sei, dass dagegen für die "Mietzinsforderung" BGE 89 III 72 S. 74 von Fr. 225.-- nach ständiger Rechtsprechung das Deckungsprinzip des Art. 126 SchKG nicht gelte. Somit habe der Zuschlag zum Preise von Fr. 400.-- erfolgen dürfen ohne Rücksicht darauf, ob auch diese zweite Forderung durch den Reinerlös gedeckt sei. Nach Art. 144 Abs. 3 SchKG habe das Betreibungsamt dem Roherlös die sämtlichen Verwertungskosten vorweg entnehmen dürfen. E.- Diesen Entscheid hat die Beschwerdeführerin an das Bundesgericht weitergezogen. Sie hält am Beschwerdebegehren fest. Zur Begründung führt sie aus, ihren beiden Forderungen komme in gleicher Weise der Vorrang vor den Forderungen des betreibenden Gläubigers zu. Es gehe nicht an, sie für die zweite Forderung als mitbetreibend zu betrachten und infolgedessen an den Verwertungskosten teilnehmen zu lassen. Das führe zum unhaltbaren Ergebnis, dass beide Forderungen mit diesen Kosten belastet würden. Im übrigen seien die "frais de garde" gar nicht Mietzinse, wie denn kein Mietvertrag abgeschlossen worden sei. Die Aufbewahrung des Wagens in der Garage der Rekurrentin sei einfach eine Nebenwirkung ("accessoire") des Retentionsrechtes für den Werklohn. Von der Pfändung an habe die Rekurrentin den Gewahrsam übrigens kraft dieser amtlichen Verfügung ausgeübt. Handle es sich somit nicht um Mietzins, so müsse die Regel des Art. 126 SchKG voll und ganz zur Geltung kommen. Infolgedessen sei ihr der ganze Betrag ihrer Forderungen aus dem Verwertungsergebnis zuzuweisen.
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Erwägungen Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 37 Abs. 2 SchKG begreift der Ausdruck "Faustpfand" auch das Retentionsrecht. Das gilt wie für das Retentionsrecht des Art. 895 ZGB so auch für das Retentionsrecht des Vermieters und des Verpächters nach Art. 272 und Art. 286 Abs. 3 OR . Art. 898 Abs. 1 ZGB gibt dem in jenem ersten Sinne Retentionsberechtigten ausdrücklich das Recht, die Sache wie ein Faustpfand zu verwerten, und nach Art. 283 Abs. 3 SchKG wird auch BGE 89 III 72 S. 75 das Retentionsrecht der zweiten Art durch Betreibung auf Pfandverwertung geltend gemacht. Indessen hat die Praxis hinsichtlich des Retentionsrechts des Vermieters oder Verpächters eine gewisse Ausnahme Platz greifen lassen bei Geltendmachung als Drittanspruch in einer von anderer Seite gegen den Mieter oder Pächter angehobenen Betreibung: In diesem Falle soll nämlich das Deckungsprinzip des Art. 126 SchKG nicht angewendet werden, sondern die Verwertung ohne Rücksicht darauf geschehen können, ob die durch das Retentionsrecht gesicherten Forderungen des Vermieters oder Verpächters gedeckt sind oder nicht. So hat bereits der Bundesrat am 13. März 1894 entschieden mit der Begründung, da der Vermieter oder Verpächter sein Retentionsrecht auf dem Betreibungswege zu realisieren habe, sei er in jenem Falle jedenfalls für verfallenen Miet- oder Pachtzins als mitbetreibend anzusehen; daher entfalle das Deckungsprinzip, während das pfandähnliche Vorzugsrecht als solches zu berücksichtigen sei. Bei Verteilung des Erlöses sei daher in folgender Reihenfolge vorzugehen: In erster Linie seien die Kosten der Verwertung und Verteilung zu decken ( Art. 144 Abs. 3 SchKG ), dann die retentionsgesicherten Forderungen (soweit möglich) und zuletzt die Forderungen der pfändenden Gläubiger (soweit auf sie noch etwas entfalle). Das Bundesgericht ist dieser Betrachtungsweise beigetreten ( BGE 42 III 221 ). Es hat ferner entschieden, der Streit über ein solches Retentionsrecht sei erst nach Verwertung der angesprochenen Gegenstände auszutragen, weil sich der Zeitraum des Retentionsschutzes vorher noch gar nicht umgrenzen lasse ( BGE 54 III 5 ff.). Und hieran anknüpfend hat das Bundesgericht jene Ausnahme vom Deckungsprinzip auf das Retentionsrecht für laufenden Miet- oder Pachtzins ausgedehnt und sie in neuer Weise begründet: Weil das Widerspruchsverfahren über ein Retentionsrecht solcher Art erst nach geschehener Verwertung eingeleitet werden darf, ist bei der Verwertung noch gänzlich ungewiss, ob und in welchem Umfang ein solches Retentionsrecht besteht; somit kann dieses Recht für die Bestimmung BGE 89 III 72 S. 76 des Mindest-Zuschlagspreises schlechterdings keine Rolle spielen ( BGE 65 III 6 ff.). Die Rekurrentin zieht die Begründetheit dieser im Gesetze nicht vorgesehenen, von der Praxis jedoch aus den erwähnten Gründen anerkannten Ausnahme vom Deckungsprinzip in Zweifel, ohne sich damit des nähern auseinanderzusetzen. Dieses Problem kann hier auf sich beruhen bleiben, weil der Zuschlag zu Fr. 400.-- auch bei Anwendung des Deckungsprinzips hätte erfolgen können; denn dieser Preis überstieg beide retentionsgesicherten Forderungen. Übrigens hat die Rekurrentin - als Erwerberin des Wagens an der Steigerung - die Verwertung als solche nicht angefochten. Unter diesen Umständen ist es auch ohne Belang, ob das für die zweite Forderung geltend gemachte Retentionsrecht überhaupt auf einem Mietverhältnis oder vielmehr wie dasjenige für die Werklohnforderung auf Art. 895 ZGB beruhe. Laut der Pfändungsurkunde hatte die Rekurrentin eine "location" von Fr. 45.- monatlich geltend gemacht, während sie sich später (im Schreiben vom 20. Juli 1963) auf ein einheitliches (auf Art. 895 ZGB gestütztes) Retentionsrecht für beide Forderungen berief. Wie es sich auch mit der Rechtsgrundlage dieses Anspruchs verhalten mag, ist bei der Verteilung des Erlöses das im vollen Umfang anerkannte Retentionsrecht für beide Forderungen zu berücksichtigen. 2. Bei der Verteilung des Reinerlöses nach Art. 144 Abs. 3 SchKG bleiben die retentionsgesicherten Forderungen teilweise ungedeckt. Die Rekurrentin glaubt dies angesichts ihres Vorzugsrechtes nicht hinnehmen zu müssen. Sie hält dafür, die Regel des Art. 144 Abs. 3 SchKG , wonach die Kosten der Verwertung und der Verteilung vorab aus dem Erlöse zu decken sind, dürfe nicht zu ihrem Nachteil angewendet werden. Mit Recht haben jedoch die Vorinstanzen die auf dieser Norm beruhende Abrechnung des Betreibungsamtes bestätigt. Auch wenn man die Rekurrentin nicht als mitbetreibende Gläuberin (im Sinne der erwähnten Rechtsprechung) betrachtet, gehört sie zu den gemäss Art. 144 Abs. 4 SchKG an der Verteilung des BGE 89 III 72 S. 77 Erlöses "beteiligten" Gläubigern, da ihr Retentionsrecht eben bei der Zwangsverwertung zu einem in bar zu erlegenden Preis realisiert worden ist (vgl. JAEGER, N. 5 zu Art. 144 SchKG ; BLUMENSTEIN, Handbuch, S. 482; FRITZSCHE, SchKRecht I S. 270). Nach dieser Vorschrift kommt zur Verteilung unter die beteiligten Gläubiger nur der Reinerlös (ebenso in der Betreibung auf Pfandverwertung nach Art. 157 SchKG und Art. 113 VZG , entgegen der Darstellung der Rekurrentin). Freilich erwähnt das Gesetz in Art. 144 die Pfandgläubiger nicht ausdrücklich, und es erhebt sich denn auch die Frage, inwieweit der Abzug der Verwertungs- und Verteilungskosten zu deren Lasten gehen dürfe, da sie doch nur am Erlös aus den Pfand- bzw. Retentionsgegenständen beteiligt sind. Mit Recht beantwortet JAEGER (N. 4 zu Art. 144 SchKG ) diese Frage mit dem Hinweis auf die im Konkurs geltende Regel des Art. 262 Abs. 2 SchKG , welche die Stellung der Pfandgläubiger ins Auge fasst. Danach werden auf den Erlös von Pfandgegenständen nur die Kosten ihrer Verwaltung und Verwertung verlegt. So ist es auch zu halten, wenn in einer Betreibung auf Pfändung Dritten verpfändete Gegenstände verwertet worden sind. Die Rekurrentin hat also bloss Anspruch auf den aus ihrem Pfand erzielten Reinerlös, wobei indessen nur die Kosten der Verwertung dieses Gegenstandes und der Verteilung des darauf entfallenden Erlöses abgezogen werden dürfen. Mit diesen Grundsätzen steht die vorliegende Abrechnung im Einklang. Es war nichts anderes als der von der Rekurrentin retinierte Wagen gepfändet, und die angefochtene Abrechnung umfasst nicht etwa Kosten früherer Verfahrensstadien, sondern bezieht sich nur auf die Verwertung und Verteilung, wie sich aus den Akten ergibt und die Vorinstanzen - übrigens ohne Widerspruch der Rekurrentin - feststellen.
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Dispositiv Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- u. Konkurskammer: Der Rekurs wird abgewiesen.
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Sachverhalt ab Seite 307 BGE 127 II 306 S. 307 Die Alpine Segelflugschule Schänis AG (ASSAG) betreibt in der Nähe von Schänis (SG) ein Flugfeld. Gemäss der Betriebsbewilligung vom 22. März 1972 ist die Benützung des Flugfeldes in der Zeit zwischen Abenddämmerung und Morgendämmerung unzulässig. Die Durchführung von Flügen mit Motorflugzeugen ist nur zum Zwecke des Segelflugschlepps und der Ausbildung von Flugschülern im Rahmen des fliegerischen Nachwuchses gestattet. Nach Art. 4 des am 19. April 1983 vom Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) genehmigten Betriebsreglementes bleibt das Flugfeld am Karfreitag, Ostersonntag, Pfingstsonntag, Eidg. Bettag sowie am ersten Weihnachtstag geschlossen. Mit Eingabe vom 15. November 1995 ersuchten sechs Anwohner das BAZL, für das Flugfeld Schänis sämtliche betriebliche Einschränkungen anzuordnen, die im Lichte des Vorsorgeprinzips gemäss Umweltschutzgesetz zur Lärmverminderung geboten seien. Gefordert wurden insbesondere gewisse Sperrzeiten (Morgen-, Mittag- und Abendsperrzeiten), zusätzliche motorflugfreie Tage, die Festlegung von Flugrouten und Schutzzonen, eine Beschränkung der Gesamtzahl der Flugbewegungen sowie Kontroll- und Ausbildungsmassnahmen. Nach Durchführung mehrerer Schriftenwechsel, einer unangemeldeten Ortsschau sowie einer Augenscheins- und Parteiverhandlung hiess das BAZL das Gesuch um Änderung des Betriebsreglementes für das Flugfeld Schänis mit Verfügung vom 2. März 1999 teilweise gut. Es ergänzte Artikel 4 des Betriebsreglementes mit folgenden Bestimmungen: BGE 127 II 306 S. 308 "An Sonntagen dürfen Motorflugzeuge nicht vor 09.00 Uhr starten. In der Zeit zwischen 09.00 und 11.00 Uhr sowie 12.30 und 14.00 Uhr dürfen nur Schleppflüge durchgeführt werden, die im Zusammenhang mit Leistungsflügen von Segelflugzeugen stehen, welche über eine geplante Distanz von mindestens 50 km führen. Andere Schleppflüge, Schulungsflüge, Ausbildungsflüge, Trainingsflüge sowie Flüge im Zusammenhang mit Einweisungen und Umschulungen sind während dieser Zeit nicht zulässig. Von den Einschränkungen am Sonntagmorgen darf für Flüge abgewichen werden, die im Zusammenhang mit in Schänis stattfindenden nationalen oder internationalen Meisterschaften stehen. Motorflüge zu Aus- oder Weiterbildungszwecken sind an Sonntagen verboten. Für Motorsegler mit laufendem Motor gelten dieselben Einschränkungen." Im Übrigen wurden die Begehren der Anwohner abgewiesen. Gegen die Verfügung des BAZL vom 2. März 1999 erhoben die sechs Anwohner beim Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) Beschwerde. Die Beschwerdeführer verlangten, dass der angefochtene Entscheid aufgehoben werde und die im vorinstanzlichen Verfahren geforderten weiteren betrieblichen Einschränkungen ebenfalls angeordnet würden; eventuell sei die Sache zur Neuüberprüfung an das BAZL zurückzuweisen. Die Verfügung des BAZL wurde ebenfalls von der ASSAG angefochten. Die Flugfeldhalterin stellte Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Eventualiter schlug sie im Sinne eines Vergleiches den Rückzug der Beschwerde vor, falls die Gegenpartei ihre Beschwerde ebenfalls zurückziehe und Art. 4 des Betriebsreglementes neu formuliert werde. Das UVEK wies die beiden Beschwerden mit zwei separaten Entscheiden vom 25. Januar 2001 ab. Gegen diese Entscheide haben sowohl die Anwohner als auch die ASSAG Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Das Bundesgericht weist die beiden Beschwerden im Wesentlichen ab.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. Die beschwerdeführenden Anwohner verlangen "unter Hinweis auf die EMRK" die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung, ohne dieses Gesuch näher zu begründen. Es ist daher fraglich, ob die Verwaltungsgerichtsbeschwerde insofern den formellen Anforderungen von Art. 108 Abs. 2 OG entspricht. Selbst wenn dies noch zu bejahen wäre, müsste das Begehren indes abgewiesen werden. BGE 127 II 306 S. 309 Gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK (SR 0.101), auf den sich die Beschwerdeführer wohl berufen, hat jedermann Anspruch darauf, dass seine Sache in Streitigkeiten über zivilrechtliche Ansprüche ("civil rights") und Verpflichtungen in billiger Weise öffentlich von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht gehört wird. Diese Verfahrensgarantie umfasst demnach auch den Anspruch auf eine öffentliche Verhandlung. Es stellt sich mithin die Frage, ob die vorliegende Streitsache "civil rights" der beschwerdeführenden Anwohner betreffe. Das Bundesgericht hat in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass Streitigkeiten über übermässige, die nachbarlichen Abwehrrechte verletzende (Lärm-)Immissionen in den Geltungsbereich von Art. 6 EMRK fallen. Das trifft nicht nur zu, wenn die Anwendung von Art. 684 und 679 ZGB umstritten ist, sondern auch, wenn die Durchsetzung dieser zivilen nachbarlichen Abwehransprüche ausgeschlossen ist und es im Enteignungsverfahren - das nach schweizerischer Gesetzgebung zum öffentlichen Recht zählt - nur noch um eine Entschädigung geht (vgl. BGE 111 Ib 227 E. 2e S. 231 f.; BGE 112 Ib 176 ; BGE 116 Ib 249 E. 2b S. 253, je mit Hinweisen). Da die Übermässigkeit von Lärmimmissionen heute auch in der eidgenössischen Umweltschutzgesetzgebung umschrieben wird, müssen die Verfahren zur Durchsetzung dieser Normen ebenfalls den prozessualen Anforderungen von Art. 6 Ziff. 1 EMRK genügen (s. Art. 13 und 15 des Bundesgesetzes vom 7. Oktober 1983 über den Umweltschutz [USG; SR 814.01] ; vgl. sinngemäss BGE 119 Ib 348 E. 6c; BGE 126 II 522 Sachverhalt lit. D S. 532). Weiter geht das Bundesgericht in seiner neueren Rechtsprechung auf dem öffentlichrechtlichen Bereich des Bau- und Planungswesens auch dann von zivilrechtlichen Ansprüchen aus, wenn der Grundeigentümer durch bau- oder planungsrechtliche Massnahmen in der Ausübung seiner Eigentumsrechte direkt betroffen wird. Beklagt sich daher der Grundeigentümer als Nachbar über die Verletzung von Normen, die dem Schutz der Nachbarn dienen und diesen damit ein subjektives Abwehrrecht verleihen, so können ebenfalls "civil rights" im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK im Streite liegen. Dagegen findet Art. 6 EMRK keine Anwendung, wenn die Einhaltung rein öffentlichrechtlicher Bestimmungen verfolgt oder eine bloss faktische oder potenzielle Beeinträchtigung von Nutzungsmöglichkeiten geltend gemacht wird (vgl. BGE 127 I 44 E. 2c S. 45 f. mit zahlreichen Hinweisen). Die beschwerdeführenden Anwohner ersuchen um Anordnung vorsorglicher Emissionsbegrenzungen, die gemäss Art. 11 Abs. 2 BGE 127 II 306 S. 310 USG unabhängig von der bestehenden Umweltbelastung zu treffen sind. Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, dass im Bereiche ihrer Liegenschaften die Belastungsgrenzwerte gemäss Anhang 5 der Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1986 (LSV; SR 814.41) eingehalten sind. In der Beschwerde wird dementsprechend auch nicht geltend gemacht, dass die vom Flugfeld Schänis ausgehenden Lärmeinwirkungen im Sinne von Art. 13 Abs. 1 und Art. 15 USG schädlich oder lästig wären oder schädlich oder lästig zu werden drohten (siehe auch Art. 1 Abs. 2 USG ). Ebenso wenig behaupten die Anwohner, dass sich der Fluglärm negativ auf den Wert ihrer Grundstücke auswirke. Sie berufen sich damit insofern auf das Vorsorgeprinzip, als dieses im öffentlichen Interesse - zum Schutze der Allgemeinheit - im Umweltschutzrecht verankert worden ist. Demnach fehlt es hier an der nach Art. 6 EMRK erforderlichen Betroffenheit der Beschwerdeführer in eigenen subjektiven Rechten. Kann aber aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK kein Anspruch auf Durchführung einer öffentlichen Verhandlung hergeleitet werden, ist hier von einer solchen abzusehen. 6. Die ASSAG rügt in erster Linie eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs, die darin liege, dass sich die Beschwerdeinstanz mit den materiellen Vorbringen der Beschwerdeführerin überhaupt nicht auseinander gesetzt habe. Insbesondere habe sich das UVEK mit den Aussagen, wonach das Vorsorgeprinzip gemäss Art. 11 USG eingehalten sei und deshalb die angeordneten Massnahmen als unverhältnismässig und unzulässig erschienen, in keiner Weise befasst. a) Die ASSAG hat im Verfahren vor dem UVEK eine in französischer Sprache verfasste Beschwerde eingereicht. In diesem "recours" hat sie zunächst bestritten, dass sich die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse seit der Genehmigung des Betriebsreglementes derart verändert hätten, dass sich dessen Überprüfung und Änderung aufgedrängt hätten. Das BAZL hätte daher nach Meinung der Beschwerdeführerin auf das Gesuch der Anwohner gar nicht eintreten dürfen. Weiter hat die ASSAG ausgeführt, dass die gesuchstellenden Anwohner weder ein schutzwürdiges noch ein aktuelles Interesse am Erlass der von ihnen verlangten Verfügung gehabt und ein solches auch nicht dargetan hätten. Das BAZL habe sich daher zu Unrecht auf Art. 25 VwVG (SR 172.021) gestützt. Dies gelte umso mehr, als im vorliegenden Zusammenhang nicht auf das Verfahrensrecht, sondern auf Art. 26 der Verordnung vom 23. November 1994 über die Infrastruktur der Luftfahrt (VIL; SR 748.131.1) abzustellen sei. Nach dieser Bestimmung könne das BGE 127 II 306 S. 311 BAZL das Betriebsreglement ändern, wenn der Betrieb mit wesentlichen Anforderungen des Umweltschutzes nicht mehr vereinbar sei ("si l'exploitation n'est plus compatible avec les exigences essentielles de la protection de l'environnement"). Der Betrieb auf dem Flugplatz Schänis sei jedoch mit den Umweltschutzvorschriften und insbesondere Art. 11 USG durchaus vereinbar. Art. 26 VIL könne daher nicht als gesetzliche Grundlage für den angefochtenen Entscheid beigezogen werden. Diese Bestimmung könne nach dem Willen des Bundesrates nur angerufen werden, wenn eine gewisse Schwelle überschritten sei, was sich aus der Verwendung der Ausdrücke "Unvereinbarkeit" ("incompatibilité") und "wesentliche" Anforderungen des Umweltschutzes (exigences "essentielles") ergebe. Da diese Schwelle im vorliegenden Fall nicht erreicht sei, sei die Behörde zur Vornahme von Retuschen nicht befugt gewesen, auch wenn sie diese für die ASSAG als tragbar erachtet habe. Schliesslich hat sich die ASSAG zu einem Vergleich bzw. zum Beschwerderückzug bereit erklärt, falls auch die Anwohner ihre Beschwerde zurückzögen und das BAZL den Text von Art. 4 des Betriebsreglementes im Einvernehmen mit den Parteien korrigieren würde. Die Beschwerdeführerin erklärt in diesem Zusammenhang, wie und weshalb diese Bestimmung neu zu formulieren wäre. Dementsprechend hat sie folgenden Eventualantrag gestellt: "La décision querellée est modifiée dans le sens de l'offre en procédure ci-dessus". b) Das UVEK hat in den Erwägungen zu seinem Entscheid Nr. 512/257-2 vom 25. Januar 2001 ausgeführt, die ASSAG bestreite das Rechtsschutzinteresse an der umstrittenen Änderung des Betriebsreglementes. Der Begriff des schutzwürdigen Interesses an einer Verfügung sei - ob es sich um eine Feststellungs- oder eine andere Verfügung handle - gemäss Art. 48 lit. a VwVG auszulegen und könne nach der Rechtsprechung rechtlicher oder tatsächlicher Natur sein. Zudem müsse es sich um ein besonderes, unmittelbares und aktuelles Interesse handeln. Die Gesuchsteller müssten durch den Entscheid stärker als jedermann betroffen sein und in einer besonderen, beachtenswerten und nahen Beziehung zur Streitsache stehen. Die gesuchstellenden und beschwerdeführenden Anwohner hätten eine besondere Beziehungsnähe zum Flugplatz. Zwei von ihnen wohnten nur 1,5 km vom Flugplatz entfernt, also in dessen näheren Umgebung. Insbesondere sei die Gesuchstellerin Nr. 1 durch den Schleppbetrieb betroffen, da die Flugzeuge in einer Distanz von 400 m in einer Volte an ihrem Haus vorbeiflögen. Ob BGE 127 II 306 S. 312 die übrigen Gesuchsteller ebenfalls legitimiert seien, könne offen gelassen werden, da alle dasselbe Gesuch eingereicht hätten. Im Weiteren legt das UVEK dar, die ASSAG äussere die Meinung, dass die Betriebsbewilligung des BAZL aus dem Jahre 1972 eine rechtsgültige Verfügung darstelle, welche nach Lehre und Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen nachträglich abgeändert werden dürfe. Es stelle sich somit die Frage, ob das BAZL zur Überprüfung des Betriebsreglementes ermächtigt gewesen sei. Das BAZL habe seinen Entscheid mit Hinweis auf Art. 25 lit. c VIL begründet und festgehalten, dass die Betriebsbewilligung und das Betriebsreglement für den Flugplatz Schänis vor dem Inkrafttreten des USG erteilt bzw. genehmigt worden sei; die beiden Verwaltungsakte dürften daher auf die Übereinstimmung mit dem in Art. 11 USG umschriebenen Vorsorgeprinzip überprüft werden. Es treffe zu, dass die Betriebsbewilligung und die Genehmigung des Betriebsreglementes des Flugplatzes Schänis formell rechtskräftige Verfügungen seien. Falls das Gesetz die Voraussetzungen des Widerrufs einer Verfügung nicht ausdrücklich regle, müsse eine Abwägung der auf dem Spiele stehenden Interessen vorgenommen werden. Nach der Praxis des Bundesgerichts könne eine formell rechtskräftige Verfügung abgeändert werden, wenn sie dem geltenden schweizerischen Recht nicht mehr entspreche. Das Bundesgesetz über den Umweltschutz habe zu wichtigen Änderungen in der schweizerischen Umweltgesetzgebung geführt. Gemäss Art. 25 lit. c VIL könnten Änderungen des Betriebsreglementes genehmigt werden, falls sich die Anforderungen des Umweltschutzes gewandelt hätten. Art. 26 VIL ermächtige zudem das BAZL zur Anpassung der Betriebsreglemente, falls veränderte rechtliche Verhältnisse dies erforderten. Daraus ergebe sich, dass das BAZL zu Recht auf das Gesuch eingetreten sei. Die Beschwerde der ASSAG müsse daher vollumfänglich abgewiesen werden. c) Aus diesen Darlegungen geht hervor, dass sich das UVEK mit den beiden von der ASSAG vorgetragenen Rügen - es habe einerseits an einem schützenswerten, aktuellen Interesse der Anwohner und andererseits an einem Rechtsgrund für die Änderung des Betriebsreglementes gefehlt - sehr wohl auseinander gesetzt hat. Mit dem im Zusammenhang mit dem Vergleichsangebot Vorgetragenen brauchte sich das Departement dagegen nicht zu befassen: Der sich auf dieses Angebot beziehende, an Bedingungen geknüpfte Eventualantrag durfte, da Prozesshandlungen bedingungsfeindlich sind, als unzulässig betrachtet werden und unbehandelt bleiben BGE 127 II 306 S. 313 (vgl. BGE 101 Ib 216 mit Hinweisen; ALFRED KÖLZ/JÜRG BOSSHART/MARTIN RÖHL, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2.Aufl. 1999, N. 8 zu § 23, mit weiteren Hinweisen). Aus dem Gesagten ergibt sich ebenfalls, dass die ASSAG im Verfahren vor dem UVEK nicht dargelegt hat, weshalb und inwiefern die vom BAZL verfügte Betriebseinschränkung unverhältnismässig und daher unzulässig sei. Soweit die Beschwerdeführerin nun im bundesgerichtlichen Verfahren Unverhältnismässigkeit rügt, läuft dies auf eine - verpönte - Erweiterung des Streitgegenstandes hinaus. Auf die entsprechenden Vorbringen ist nicht einzutreten. 7. In materieller Hinsicht bestreitet die ASSAG vor Bundesgericht erneut, dass für die Änderung des genehmigten Betriebsreglementes eine Rechtsgrundlage bestehe. Gemäss Art. 22 lit. c VIL dürfe die Betriebsbewilligung nur geändert oder entzogen werden, wenn der Betrieb mit den Anforderungen des Umweltschutzes "nicht mehr" vereinbar sei. Das bedeute erstens, dass eine wesentliche Verschlechterung der Gesamtsituation stattgefunden haben müsse. Zweitens dürften Betriebseinschränkungen nur dann ins Auge gefasst werden, wenn gesetzliche Vorschriften - hier das Vorsorgeprinzip gemäss Art. 11 Abs. 2 USG - nicht oder nicht genügend beachtet würden. Beides treffe jedoch im vorliegenden Fall nicht zu. Zum einen gehe aus den Flugbewegungszahlen der Jahre 1990 bis 1999 hervor, dass der Flugbetrieb und damit auch die Lärmbelastung geringer geworden seien. Zum andern habe das BAZL bei der Genehmigung des heute noch gültigen Betriebsreglementes im April 1983 dem Vorsorgeprinzip bereits Rechnung getragen. In der Folge habe die ASSAG selbst alle erforderlichen Lärmbekämpfungsmassnahmen getroffen. Somit lägen die vom Gesetzgeber geforderten Voraussetzungen für eine Überprüfung und Änderung der Betriebsbewilligung nicht vor. Diese Argumentation vermag jedoch nicht zu überzeugen. a) Die Genehmigung eines Betriebsreglementes durch die luftfahrtrechtliche Aufsichtsinstanz ergeht in Form einer Verfügung. Verfügungen werden nach unbenutztem Ablauf der Rechtsmittelfrist oder nach Abschluss des Rechtsmittelverfahrens formell rechtskräftig und grundsätzlich unabänderlich. Gemäss Lehre und Rechtsprechung kann jedoch unter bestimmten Voraussetzungen auch auf solche Verfügungen wieder zurückgekommen werden. Insbesondere können Verfügungen über Dauerrechtsverhältnisse wegen unrichtiger Sachverhaltsfeststellung, fehlerhafter Rechtsanwendung BGE 127 II 306 S. 314 oder nachträglicher Änderung der Sach- oder Rechtslage widerrufen werden, sofern wichtige öffentliche Interessen berührt sind. Wo besonders wichtige öffentliche Interessen, wie Polizeigüter, auf dem Spiele stehen, kann sogar eine blosse Praxisänderung Anlass zur Umgestaltung von dauernden Rechtsverhältnissen geben. Fehlen positivrechtliche Bestimmungen über die Möglichkeit der Änderung einer Verfügung, so ist über diese anhand einer Interessenabwägung zu befinden, bei welcher das Interesse an der richtigen Anwendung des objektiven Rechts dem Interesse an der Rechtssicherheit bzw. dem Vertrauensschutz gegenüberzustellen ist (vgl. FRITZ GYGI, Verwaltungsrecht, Bern 1986, S. 307 ff., 314; ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 3. Aufl. 1998, Rz. 806 ff., 810a, 813, 831 f., mit Hinweisen; BGE 101 Ia 328 E. 6c; BGE 107 Ia 193 E. 3e; BGE 107 Ib 35 E. 4c; BGE 121 II 273 E. 1/aa; BGE 121 V 157 E. 4a, je mit Verweisungen). Sind dagegen die Voraussetzungen über die Aufhebung oder Änderung einer Verfügung in der massgeblichen Gesetzgebung geregelt, so bestimmt sich die Zulässigkeit des nachträglichen Eingreifens der Behörde in erster Linie nach dieser. b) Was die hier anwendbare spezialrechtliche Regelung betrifft, so sah die Verordnung vom 14. November 1973 über die Luftfahrt (LFV; SR 748.01; AS 1973 S. 1856) für Flugfelder vor, dass die Bewilligung für die Anlage und den Betrieb nur erteilt werde, wenn dadurch keine öffentlichen Interessen - beispielsweise des Umweltschutzes - beeinträchtigt würden ( Art. 43 Abs. 4 LFV ). Nach Art. 45 LFV konnte die Betriebsbewilligung entzogen werden, wenn der Betrieb mit den Anforderungen des Umweltschutzes nicht mehr vereinbar war. Allerdings waren bei der Erteilung der Betriebsbewilligung für den Flugplatz Schänis im Jahre 1972 und der Genehmigung des Betriebsreglementes im Jahre 1983 die heute geltenden umweltschutzrechtlichen Bestimmungen noch nicht erlassen. Erst mit dem Inkrafttreten des Umweltschutzgesetzes am 1. Januar 1985 und der Lärmschutz-Verordnung am 1. April 1987 wurden auch die Flugplätze - das heisst die Flughäfen und Flugfelder - den lärmbegrenzenden Vorschriften für Verkehrsanlagen und damit auch den Bestimmungen von Art. 11 Abs. 2 USG und Art. 3 Abs. 1 LSV über vorsorgliche Emissionsbegrenzungen unterstellt. Flugfelder mit mehr als 15'000 Bewegungen pro Jahr bedingen zudem eine Umweltverträglichkeitsprüfung, welche heute im Plangenehmigungsverfahren oder anlässlich der Genehmigung des Betriebsreglementes vorzunehmen ist (vgl. Anhang 1/14 zur BGE 127 II 306 S. 315 Verordnung vom 19. Oktober 1988 über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der Fassung vom 2. Februar 2000 [UVPV; SR 814.011]). Im Zusammenhang mit der Revision des Luftfahrtgesetzes im Jahre 1993 wurden die Bestimmungen über den Bau und Betrieb von Flugplätzen in die neue Verordnung über die Infrastruktur der Luftfahrt vom 23. November 1994 (VIL; SR 748.131.1; AS 1994 S. 3050) überführt. Gemäss Art. 11 Abs. 1 lit. c in der ursprünglichen Fassung (aVIL) erstellt der Flugplatzhalter ein Betriebsreglement und hält darin unter anderem die konkrete Ausgestaltung der in der Betriebsbewilligung vorgegebenen Rahmenbedingungen, namentlich auch hinsichtlich des Umweltschutzes, fest. Art. 26 aVIL ermächtigte das Bundesamt, die - grundsätzlich unbefristete - Betriebsbewilligung zu ändern, einzuschränken oder zu entziehen, wenn sich der Betrieb mit wesentlichen Anforderungen des Umweltschutzes nicht mehr vereinbaren lässt. Diese Bestimmungen der VIL sind im Rahmen der Gesetz- und Verordnungsgebung über die Koordination und Vereinfachung von Entscheidverfahren erneut geändert worden. Seit der Revision vom 2. Februar 2000 (in Kraft seit 1. März 2000) ist die Ausgestaltung des Betriebes eines Flugfeldes nicht mehr Gegenstand der Betriebsbewilligung, sondern ausschliesslich des Betriebsreglementes ( Art. 17 und 23 VIL ). Nach Art. 26 VIL hat das Bundesamt Änderungen des Betriebsreglementes zur Anpassung an den rechtmässigen Zustand zu verfügen, sofern veränderte rechtliche oder tatsächliche Verhältnisse dies erfordern. Das Bundesamt kann gemäss Art. 22 Abs. 1 lit. c VIL auch die Betriebsbewilligung ändern oder entziehen, wenn der Betrieb mit den Anforderungen des Umweltschutzes nicht mehr vereinbar ist. c) Demnach sind die Rechtsgrundlagen für die Änderung von Betriebsreglementen für Flugfelder nicht nur seit der Genehmigung des hier umstrittenen Reglementes, sondern auch noch während des Beschwerdeverfahrens vor dem UVEK überarbeitet worden. Das UVEK hat sich mit der Frage des anwendbaren Rechts im angefochtenen Entscheid nicht auseinander gesetzt, geht indessen - wie dargelegt (E. 6b) - davon aus, Art. 25 und 26 VIL könnten in ihrer heute geltenden Fassung vom 2. Februar 2000 angewendet werden. Nun ist die Rechtmässigkeit eines Verwaltungsakts grundsätzlich nach der Rechtslage zur Zeit seines Erlasses zu beurteilen. Bei der Prüfung der Frage, ob die für eine Baute oder Anlage erteilte Bewilligung oder deren Änderung bundesrechtmässig sei, ist daher BGE 127 II 306 S. 316 vom Rechtszustand auszugehen, der im Zeitpunkt der Verfügung galt. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens eingetretene Rechtsänderungen sind an sich unbeachtlich, es sei denn, zwingende Gründe sprächen für die Berücksichtigung des neuen Rechts. Das trifft nach bundesgerichtlicher Praxis vor allem dann zu, wenn Vorschriften um der öffentlichen Ordnung willen oder zur Durchsetzung erheblicher öffentlicher Interessen erlassen worden und daher auch in hängigen Verfahren sofort anwendbar sind. Im Weiteren führte es zu nichts, eine Bewilligung oder deren Änderung aufzuheben, weil sie dem alten Recht widerspricht, während sie nach neuem Recht auf Gesuch hin oder von Amtes wegen zu erteilen bzw. zu verfügen wäre (s. zum Ganzen BGE 126 II 522 E. 3b/aa S. 534 f. und die dort angeführten Entscheide; siehe auch VPB 2001/65 III Nr. 87). Nach diesen in der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätzen darf hier die Zulässigkeit der Betriebsreglements-Änderung tatsächlich nach den neuen Normen beurteilt werden: Einerseits dient die neue Verfahrensordnung auch der erleichterten Durchsetzung des Umweltschutzrechts und damit erheblichen öffentlichen Interessen. Andererseits machte es wenig Sinn, die im März 1999 angeordnete Ergänzung des Betriebsreglementes aufzuheben, um sie aufgrund der seit Februar 2000 geltenden Vorschriften sofort wieder anzuordnen. Das UVEK hat sich mithin zu Recht auf die heute geltenden Bestimmungen der VIL gestützt. d) Wie erwähnt enthält die heutige VIL nicht nur Bestimmungen über die Änderung und den Entzug der Betriebsbewilligung, sondern mit Art. 26 auch eine Vorschrift über die Anpassung des Betriebsreglementes. Während die Betriebsbewilligung nach Art. 22 lit. c VIL nur geändert oder entzogen werden kann, wenn der Betrieb mit den Anforderungen des Umweltschutzes "nicht mehr vereinbar" ist, beauftragt Art. 26 VIL das BAZL, die Betriebsreglemente anzupassen, wenn "veränderte rechtliche oder tatsächliche Verhältnisse" dies erfordern. Die Ausführungen der ASSAG über die in Art. 22 lit. c VIL umschriebenen Voraussetzungen stossen daher ins Leere. Muss aber nach Art. 26 VIL die Änderung der rechtlichen Verhältnisse zur Überprüfung und allfälligen Anpassung der Betriebsreglemente führen, so hat das BAZL auch das letztmals im Jahre 1983 genehmigte Betriebsreglement für das Flugfeld Schänis auf seine Vereinbarkeit mit den inzwischen erlassenen Umweltschutznormen prüfen und an diese anpassen dürfen. Ob die vorgenommene Anpassung an Art. 11 Abs. 2 USG bzw. die Einschränkung des sonntäglichen Betriebes unverhältnismässig sei, ist aus den bereits BGE 127 II 306 S. 317 genannten Gründen (E. 6c) nicht zu untersuchen. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der ASSAG ist daher abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist. 8. Die beschwerdeführenden Anwohner machen vorweg geltend, BAZL und UVEK hätten im Lichte von Art. 11 Abs. 2 USG den Sachverhalt nur ungenügend abgeklärt und insbesondere die wirtschaftliche Tragbarkeit weiterer betriebsbeschränkender Massnahmen nicht mit der nötigen Sorgfalt untersucht. Im angefochtenen Entscheid fehle jegliche Quantifizierung der zu erwartenden wirtschaftlichen Folgen und mangle es auch an Erwägungen darüber, ob solche Kosten oder Einbussen für die ASSAG konkret tragbar wären. Zu dieser Rüge ist zunächst festzuhalten, dass die Frage der wirtschaftlichen Tragbarkeit von vorsorglichen emissionsbegrenzenden Massnahmen im Sinne von Art. 11 Abs. 2 USG nicht nur Sach-, sondern in erster Linie Rechtsfrage ist. Gemäss Lehre und Rechtsprechung weist die in Art. 11 Abs. 2 USG enthaltene Anforderung der wirtschaftlichen Tragbarkeit von vorsorglichen Massnahmen eine enge Beziehung zum Verhältnismässigkeitsgebot auf, ohne mit diesem deckungsgleich zu sein (ANDRÉ SCHRADE/THEO LORETAN, Kommentar zum Umweltschutzgesetz, N. 35 zu Art. 11; ALEXANDER ZÜRCHER, Die vorsorgliche Emissionsbegrenzung nach dem Umweltschutzgesetz, Zürich 1996, S. 175, 241 ff.; BGE 124 II 517 E. 4a S. 521). Die wirtschaftliche Tragbarkeit gilt als Konkretisierung der Zumutbarkeit (Verhältnismässigkeit im engeren Sinne), welche dann zu bejahen ist, wenn ein angemessenes Verhältnis zwischen dem Nutzen der Massnahme und der Schwere der damit verbundenen Nachteile besteht (SCHRADE/LORETAN, a.a.O.; vgl. BGE 123 I 112 E. 4e S. 121; Entscheid vom 24. Oktober 1997 i.S. B., E. 4a, publ. in: ZBl 99/1998 S. 441 ff., zusammengefasst in URP 1998 S. 59 f.). Dem Verhältnismässigkeitsprinzip unterstehen allerdings auch die verschärften Emissionsbegrenzungen, die aufgrund von Art. 11 Abs. 3 USG zu treffen sind, wenn feststeht oder zu erwarten ist, dass die Einwirkungen unter Berücksichtigung der bestehenden Umweltbelastung schädlich oder lästig werden. Verschärfte Emissionsbegrenzungen sind zwar unabhängig von der wirtschaftlichen Tragbarkeit anzuordnen, doch wird auch für sie vorausgesetzt, dass zwischen dem angestrebten Ziel und der Schwere des Eingriffs ein angemessenes Verhältnis besteht; dabei dürfen die finanziellen Konsequenzen des Eingriffs mitberücksichtigt werden (vgl. BGE 125 II 129 E. 9d S. 148 mit Hinweisen; BGE 126 II 522 E. 22b BGE 127 II 306 S. 318 S. 552). Somit kommt dem nach dem Gesetzestext bestehenden Unterschied zwischen den vorsorglichen Massnahmen ( Art. 11 Abs. 2 USG ) und den verschärften Vorkehren ( Art. 11 Abs. 3 USG ) in der Praxis keine grosse Bedeutung zu. Immerhin ist dem Willen des Gesetzgebers derart Rechnung zu tragen, dass darauf zu achten ist, bei der Anordnung bloss vorsorglicher Massnahmen die wirtschaftliche Zumutbarkeit nicht zu überdehnen. Weiter ist in Betracht zu ziehen, dass das Kriterium der wirtschaftlichen Tragbarkeit auf Unternehmungen zugeschnitten ist, die nach marktwirtschaftlichen Prinzipien, d.h. gewinnorientiert, betrieben werden. In der bundesrätlichen Botschaft wurde hiezu ausgeführt, dass für die Beurteilung der wirtschaftlichen Tragbarkeit auf die in den einzelnen Branchen gegebenen Verhältnisse abzustellen sei und in der Regel der mittlere gut geführte Betrieb als Massstab dienen soll (Botschaft zu einem Bundesgesetz über den Umweltschutz vom 31. Oktober 1979, BBl 1979 III 749ff., 790). Gehen jedoch die zu bekämpfenden Emissionen von anderen Quellen als von Unternehmen aus, die (nur) nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen betrieben werden, so fällt die wirtschaftliche Tragbarkeit im genannten Sinn als Beurteilungskriterium dahin und sind allfällige wirtschaftliche Gesichtspunkte im Rahmen der allgemeinen Verhältnismässigkeitsprüfung zu beachten. Das trifft etwa für lärmerzeugende öffentliche Werke - vor allem Infrastrukturanlagen - zu. Solches gilt aber auch für mit Lärm verbundene Anlässe sportlicher oder kultureller Art und andere Tätigkeiten im Freien. Dementsprechend prüft das Bundesgericht auf Art. 11 Abs. 2 USG gestützte Begehren um zusätzliche Lärmschutzvorkehren an Strassenbauten in der Regel "bloss" im Lichte des Verhältnismässigkeitsprinzips. In diesem Rahmen hat es auch erklärt, falls die massgebenden Planungswerte eingehalten seien, liessen sich weitergehende Emissionsbegrenzungen nur dann rechtfertigen, wenn mit relativ geringem Aufwand eine wesentliche zusätzliche Reduktion der Emissionen erreicht werden könne ( BGE 124 II 517 E. 5a S. 522 f.). Weiter stellt das Bundesgericht bei der Beurteilung von Beschwerden gegen lärmige Freizeitbeschäftigungen oder Festanlässe im Wesentlichen darauf ab, ob das Ruhebedürfnis der Bevölkerung das Interesse an der lärmverursachenden Tätigkeit überwiege ( BGE 126 II 300 E. 4c/cc, dd S. 318). Wickeln sich solche Aktivitäten im üblichen Rahmen insbesondere während der Tagesstunden ab, so vermag der Umstand, dass sich einige wenige Nachbarn durch den Lärm belästigt fühlen, lärmbegrenzende BGE 127 II 306 S. 319 Massnahmen in der Regel noch nicht zu rechtfertigen (vgl. BGE 123 II 74 E. 5a S. 86). Der vorliegende Streit dreht sich um das Segelflugfeld Schänis, das im Wesentlichen der Ausübung des Segelflugsports als Freizeitbeschäftigung dient. Handelt es sich demnach bei der fraglichen Anlage nicht um ein gewinnorientiertes, nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten geführtes Unternehmen, so kann die "wirtschaftliche Tragbarkeit" im oben dargelegten Sinn auch kein Kriterium für mögliche Emissionsbegrenzungen sein. Daran ändert nichts, dass hier eine Aktiengesellschaft Flugplatzhalterin ist, da Aktiengesellschaften auch für andere als wirtschaftliche Zwecke gegründet werden können ( Art. 620 Abs. 3 OR ). Über das richtige Mass von lärmbegrenzenden Vorkehren ist vielmehr anhand einer Interessenabwägung zu befinden, in die einerseits das Ruhebedürfnis der beschwerdeführenden Anwohner und andererseits das Interesse der ASSAG daran einbezogen werden, auch in Zukunft annehmbare Bedingungen für die Ausübung des Segelflugsports bieten zu können. Da gegenüber den beschwerdeführenden Anwohnern die Planungswerte eingehalten werden, lassen sich wie dargelegt zusätzliche Betriebsbeschränkungen nur rechtfertigen, wenn mit relativ geringem Aufwand eine wesentliche Lärmreduktion erreicht werden kann. Ob dies der Fall sei, durften die Entscheidbehörden aufgrund ihres Fachwissens und der durchgeführten Instruktion beurteilen, ohne zunächst Abklärungen über mögliche Umsatzeinbussen und Gewinnverminderungen der ASSAG zu treffen. Der Vorwurf der unvollständigen Feststellung des Sachverhaltes geht daher fehl. Zu prüfen bleibt, ob die von den Vorinstanzen vorgenommene Interessenabwägung und die Weigerung, zusätzliche Massnahmen zu ergreifen, vor dem Bundesrecht standhalten. 9. Die beschwerdeführenden Anwohner haben im Verfahren vor dem Departement in erster Linie verlangt, dass der lärmverursachende Flugbetrieb an sämtlichen Wochentagen auf die Zeit von 9 Uhr bis 16 Uhr, unterbrochen durch eine 75-minütige Mittagspause, beschränkt werde. Zudem seien Flüge mit Motorflugzeugen an einem Sonntag pro Monat gänzlich zu untersagen und sei die Anzahl der jährlichen Flugbewegungen auf maximal 18'000 zu begrenzen. Im Weiteren haben die Beschwerdeführer um Verbesserung der Kontrollmassnahmen sowie der Ausbildung und der Information der Piloten ersucht. Schliesslich sei die ASSAG zu verpflichten, anstelle der heute eingesetzten Schleppflugzeuge leisere Maschinen, insbesondere Ecolight-Schleppflugzeuge, einzusetzen, BGE 127 II 306 S. 320 sobald entsprechende Maschinen in der Schweiz zugelassen seien; allenfalls sei auf elektrische Starts umzustellen. a) Das UVEK hat im angefochtenen Entscheid darauf hingewiesen, dass die Segelflieger zur Ausübung ihres Sports auf thermische Aufwinde angewiesen sind, welche sich durch die Sonneneinstrahlung ergeben, die um die Mittagszeit am stärksten ist. Für einen ausschliesslich dem Segelflug dienenden Flugplatz seien daher die Betriebszeiten über Mittag von grösster Bedeutung. Ein generelles Flugverbot über Mittag am Sonntag oder sogar an allen Wochentagen würde den Flugbetrieb in Schänis - der unter anderem auch der fliegerischen Ausbildung diene - ernsthaft gefährden. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Flugbetrieb in den Monaten März, April, September und Oktober durch die späten bzw. frühen Dämmerungszeiten ohnehin eingeschränkt sei. In den Wintermonaten November bis Februar falle er völlig aus. An Regentagen oder bei anderen ungünstigen Wetterverhältnissen fänden ebenfalls keine Flüge statt. Schliesslich sei anlässlich des Augenscheins festgestellt worden, dass sich der Motorenlärm, den die Schleppflugzeuge beim Start entwickelten, in die bestehende Geräuschkulisse einfüge und diese nicht stärker übertöne als andere Geräusche wie Eisenbahnlärm oder Kuhglockengeläut. Die verlangten zusätzlichen Einschränkungen der Betriebszeiten wären daher unverhältnismässig. An dieser Interessenabwägung lässt sich aus der Sicht des Bundesrechts nichts aussetzen. Wohl ist der Einwand der Beschwerdeführer verständlich, der Fluglärm sei vor allem deshalb störend, weil er bei schönem Wetter und an Wochenenden - also gerade dann, wenn ein Bedürfnis nach Erholung im Freien bestehe - gehäuft auftrete. Es ist heute jedoch Tatsache, dass an Wochenenden und insbesondere bei schönem Wetter in den Siedlungsgebieten und selbst auf dem Lande grosse Betriebsamkeit herrscht, sei es im Zusammenhang mit Einkäufen, mit Reisetätigkeit, mit Freizeitaktivitäten oder auch nur mit dem Unterhalt von Haus und Garten. Den damit verbundenen Lärm muss die Bevölkerung bis zu einem gewissen Grad, der hier nicht überschritten ist, hinnehmen. Immerhin sind für das Flugfeld Schänis betriebliche Beschränkungen zur Gewährleistung der Sonntagsruhe angeordnet worden. b) Das BAZL hat die Begehren der Beschwerdeführer um verbesserte Kontrollmassnahmen, um zusätzliche Ausbildung und Information der Piloten sowie um Einrichtung einer Meldestelle für Anwohnerklagen mit der Begründung zurückgewiesen, dass Art. 11 BGE 127 II 306 S. 321 Abs. 2 USG nicht als Rechtsgrundlage für solche Massnahmen dienen könne und auch das Luftfahrtrecht keine entsprechenden Normen enthalte. Die Beschwerdeführer kritisieren diese Argumentation zu Recht. Zumindest gewisse dieser Vorkehren liessen sich ohne weiteres auf Art. 11 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 12 USG abstützen. Das gilt etwa für die Kontrollen der Start- und Landeverfahren wie auch für eine intensivere Information der Piloten (vgl. BGE 125 II 129 E. 5c/d S. 134 ff.; BGE 126 II 522 E. 35a S. 558 f.). Nun hat das UVEK zwar den Überlegungen des BAZL zugestimmt, gleichzeitig aber unterstrichen, dass das BAZL Aufsichtsbehörde sei und als solche auch zu überwachen habe, ob sich der Flugbetrieb vorschriftsgemäss abwickle. Die Anwohner, welche Verstösse gegen Auflagen des Betriebsreglementes feststellten, könnten sich daher an das Bundesamt wenden. Dagegen könne die Flugplatzhalterin nicht, und schon gar nicht durch Änderung des Betriebsreglementes, verpflichtet werden, fehlbare Piloten zu bestrafen oder eine zusätzliche Pilotenausbildung zu betreiben. Diesen Erwägungen ist grundsätzlich zuzustimmen. Gemäss Art. 3b Abs. 1 und 2 VIL in der Fassung vom 2. Februar 2000 hat das BAZL bei den Infrastrukturanlagen der Luftfahrt die Einhaltung der luftfahrtspezifischen, der betrieblichen und der baupolizeilichen Anforderungen des Umweltschutzes zu überwachen oder lässt sie durch Dritte überwachen; es führt die erforderlichen Kontrollen durch oder lässt sie durch Dritte durchführen. Ebenso trifft es die notwendigen Massnahmen zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes. Gemäss diesen neuen Bestimmungen wird also das BAZL oder der von ihm beauftragte Dritte, sofern die betrieblichen Vorschriften nicht eingehalten werden, auf die Beanstandungen der Anwohner reagieren und die nötigen Anordnungen zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes treffen müssen. Diese Massnahmen müssen sich nicht notwendigerweise im Betriebsreglement niederschlagen, doch sind künftige Änderungen nicht ausgeschlossen, falls sich ein vorschriftsgemässer Betrieb nicht auf andere Weise gewährleisten liesse. In diesem Sinne kann den Überlegungen des UVEK zugestimmt werden. c) Was schliesslich die Verpflichtung der Flugfeldhalterin zur Anschaffung von Ecolight-Flugzeugen und eigenstartfähigen Elektro-Segelflugzeugen anbelangt, so räumen die Beschwerdeführer selbst ein, dass diese heute in der Schweiz noch nicht zugelassen sind. Eine derartige Änderung des Betriebsreglementes fällt daher zur Zeit ausser Betracht.
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Sachverhalt ab Seite 167 BGE 143 III 167 S. 167 A. A.a Am 30. April 2010 wurde über die E. AG, mit Sitz in U., der Konkurs eröffnet. Im Jahr vor der Konkurseröffnung hatte die E. AG mit der D. SA (bzw. deren Rechtsvorgängerinnen), mit Sitz in Belgien, 13 Versicherungsverträge für Kreditversicherung abgeschlossen. Mit diesen Kreditversicherungsverträgen gewährte die D. SA gegen Bezahlung der Versicherungsprämien im Umfang von insgesamt rund 3,6 Mio. Fr. Versicherungsschutz für Ausfälle von Forderungen der Versicherungsnehmerin gegenüber 13 Kunden der E. AG aus Herstellung und Lieferung von Metallpressen. A.b Am 27. März 2012 trat die ausseramtliche Konkursverwaltung den Konkursgläubigerinnen A. AG, Bank B. SA und Bank C. AG gestützt auf Art. 260 SchKG den inventarisierten "Forderungsanspruch gegen die D. Kreditversicherungs-AG, Zweigniederlassung V., aus Prämienrückforderung Kreditversicherung (CHF 20'432'000.00) (Inv. Nr. x)" ab. A.c Am 2. Oktober 2012 erhoben die Abtretungsgläubigerinnen A. AG, Bank B. SA und Bank C. AG Klage beim Bezirksgericht Luzern. Sie beantragten, die D. SA sei zu verpflichten, ihnen Fr. 3'616'657.-, BGE 143 III 167 S. 168 eventuell Euro 2'386'098.- zu bezahlen, jeweils zuzüglich 5 % Zins seit 30. April 2012. Zu Begründung brachten die Klägerinnen im Wesentlichen vor, die bei Versicherungsabschluss von der E. AG vorgelegten 13 Kaufverträge über Metallpressen und angeblichen Forderungen gegenüber Kunden seien fingiert gewesen. Den von der D. SA erwirkten Versicherungsschutz für Kreditausfall gegenüber den Kunden habe die E. AG dazu benutzt, um den Banken (darunter die Abtretungsgläubigerinnen) solide Geschäftsverhältnisse vorzutäuschen und diese zur Finanzierung zu bewegen. Wohl könne der D. SA keine Mitwirkung vorgeworfen werden. Die 13 mit der D. SA abgeschlossenen Kreditversicherungsverträge seien jedoch nichtig und die ohne Rechtsgrund erbrachten Prämienzahlungen daher unentgeltliche Verfügungen im Sinne von Art. 286 SchKG und anfechtbar. B. Mit Urteil vom 2. Oktober 2014 wies das Bezirksgericht die Klage ab. Die A. AG, Bank B. SA und Bank C. AG gelangten mit Berufung an das Kantonsgericht Luzern. Mit Urteil vom 26. August 2015 wies das Kantonsgericht die Klage ebenfalls ab. C. Mit Eingabe vom 21. Oktober 2015 erhoben die A. AG, Bank B. SA und Bank C. AG Beschwerde in Zivilsachen. Die Beschwerdeführerinnen beantragen, das kantonsgerichtliche Urteil sei aufzuheben und die D. SA (Beschwerdegegnerin) sei zu verpflichten, ihnen Fr. 3'616'657.-, eventuell Euro 2'386'098.- zu bezahlen, jeweils zuzüglich 5 % Zins seit 30. April 2012. (...) Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. (Auszug)
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt die Anfechtungsklage gemäss Art. 286 SchKG (Schenkungspauliana) der Beschwerdeführerinnen, mit welcher sie als Abtretungsgläubigerinnen die von der Schuldnerin vor Konkurseröffnung vorgenommene Bezahlung von Versicherungsprämien an die Beschwerdegegnerin (als Versicherungsgesellschaft) als anfechtbar erklärt haben wollen. Die kantonalen Instanzen haben die Schenkungspauliana abgewiesen, währenddem sich die Beschwerdeführerinnen im Wesentlichen auf die Nichtigkeit der Versicherungsverträge und damit rechtsgrundlose Prämienbezahlung berufen, welche als unentgeltliche Zuwendung nach Art. 286 SchKG anfechtbar sei. BGE 143 III 167 S. 169 3.1 Das Bezirksgericht hat mit Blick auf das Domizil der Beschwerdegegnerin in einem Vertragsstaat des Lugano-Übereinkommens festgehalten, dass die Anfechtungsklage nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommens falle und die in der Schweiz erhobene Anfechtungsklage sich nach schweizerischem Recht richte (vgl. BGE 131 III 227 E. 3.3, BGE 131 III 4 und 5 S. 232 ff.). Sodann sei auf die umstrittenen Versicherungsverträge schweizerisches Recht anwendbar. Insoweit ist die Ausgangslage unstrittig, ohne dass etwas anzufügen wäre. 3.2 Mit der Anfechtung sollen Vermögenswerte der Zwangsvollstreckung zugeführt werden, die ihr durch eine Rechtshandlung nach den Art. 286-288 entzogen worden sind ( Art. 285 Abs. 1 SchKG ). Mit der Schenkungsanfechtung gemäss Art. 286 SchKG sind mit Ausnahme üblicher Gelegenheitsgeschenke alle Schenkungen und unentgeltlichen Verfügungen, die der Schuldner innerhalb des letzten Jahres vor der Pfändung oder Konkurseröffnung vorgenommen hat, anfechtbar (Abs. 1). Den Schenkungen sind Rechtsgeschäfte, bei denen der Schuldner eine Gegenleistung angenommen hat, die zu seiner eigenen Leistung in einem Missverhältnis steht, gleichgestellt (Abs. 2 Ziff. 1). 3.3 Streitpunkt ist der Schluss des Kantonsgerichts, welches in der Bezahlung der Versicherungsprämien weder eine unentgeltliche Verfügung noch ein Missverhältnis zwischen Leistung bzw. Gegenleistung und daher keine Anfechtbarkeit nach Art. 286 SchKG erblickt hat. 3.3.1 Die Vorinstanz hat die 13 Kreditversicherungsverträge mit der Begründung, dass infolge fingierter Kaufpreisforderungen keine Gefahr des Kreditausfalls bestand und nicht entstehen konnte, zufolge anfänglicher objektiver Unmöglichkeit nichtig im Sinne von Art. 20 OR erachtet (wie das Bezirksgericht unter Hinweis auf NEF, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag [VVG], 2001, N. 14 zu Art. 9 VVG ). Sie hat unter Hinweis auf FUHRER (Schweizerisches Privatversicherungsrecht, 2011, Rz. 5.29 f.) geschlossen, dass die Versicherungsverträge erst nachträglich, d.h. als faktische Vertragsverhältnisse mit Wirkung ex nunc dahingefallen und daher gültig seien. 3.3.2 Die Beschwerdeführerinnen halten fest, dass die Nichtigkeit ex tunc (auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses) wirke. Ihre darauf gestützte Argumentation, dass eine rechtsgrundlose Zahlung von Versicherungsprämien jedenfalls (sowohl in materiell- als auch in BGE 143 III 167 S. 170 anfechtungsrechtlicher Hinsicht) eine unentgeltliche Verfügung sei, ist im Folgenden zu prüfen. 3.3.3 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen sind die Versicherungsverträge selbst bei Nichtigkeit ex tunc (im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses) nicht unentgeltliche Geschäfte. In materiellrechtlicher Hinsicht kann eine rechtsgrundlose Leistung nicht einer unentgeltlichen Leistung gleichgestellt werden, die nach dem Vertragswillen unentgeltlich sein soll (vgl. ERNST, Entgeltlichkeit, in: Festschrift für Eduard Picker [...], 2010, S. 153 f.). Dass aber die Unentgeltlichkeit von Versicherungsverträgen üblich oder im konkreten Fall mit dem Vertragsabschluss vereinbart sein soll, wird zu Recht nicht behauptet. Eine nicht unentgeltliche, aber rechtsgrundlose Leistung kann hingegen nach dem Bereicherungsrecht ( Art. 62 ff. OR ) zurückgefordert werden (SCHÜPBACH, Droit et action révocatoires, 1997, N. 22 zu Art. 286 SchKG ). Nach der Rechtsprechung kann als Gegenleistung zur Versicherungsprämie die Gewährung einer bestimmten Sicherheit als Dauerleistung erblickt werden ( BGE 140 III 115 E. 6.4.2 S. 129, betreffend Rückversicherung). Weiter kann nach der Literatur ein an sich nichtiger Versicherungsvertrag, auf dessen Bestand gerade Dritte vertraut haben (FUHRER, a.a.O., Rz. 5.30), wie hier offenbar gewisse Finanzinstitute mit Bezug auf die Solidität des Geschäftsganges der E. AG, als faktisches Vertragsverhältnis Bestand haben. Diese materiellrechtlichen Fragen brauchen indes nicht abschliessend erörtert zu werden, wie sich aus dem Folgenden ergibt. 3.3.4 Die paulianische Anfechtung ist nicht ein Institut des materiellen, sondern des Zwangsvollstreckungsrechts ( BGE 33 I 254 E. 1 S. 256; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat [nachfolgend: Poursuite], 5. Aufl. 2012, Rz. 2924). Die zivilrechtliche Gültigkeit des Rechtsgeschäfts wird durch die Anfechtung nicht berührt ( BGE 98 III 44 E. 3 S. 46; BGE 135 III 265 E. 3 S. 268; GILLIÉRON, Poursuite, a.a.O., Rz. 2863), und die - oft umstrittene - zivilrechtliche Gültigkeit oder Ungültigkeit ist keine Voraussetzung für die paulianische Anfechtung eines Rechtsgeschäfts ( BGE 73 III 142 S. 144; GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite [nachfolgend: Commentaire], Bd. IV, 2003, N. 11 zu Art. 285 SchKG ; A. STAEHELIN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. II, 2. Aufl. 2010, N. 13 und 20 zu Art. 285 SchKG ; KREN KOSTKIEWICZ, SchKG Kommentar, 19. Aufl. 2016, N. 5 zu Art. 285 SchKG ). Der BGE 143 III 167 S. 171 Anfechtungsprozess beschränkt sich grundsätzlich darauf, eine vorgefundene zivilrechtliche Gestaltung auf ihre vollstreckungsrechtliche Zulässigkeit zu überprüfen ( BGE 141 III 527 E. 2.3.3 S. 532). Die paulianische Anfechtung kommt u.a. erst dann nicht mehr in Betracht, wenn die Nichtigkeit gerichtlich (durch materielles Urteil) festgestellt worden ist (A. STAEHELIN, a.a.O., N. 13 zu Art. 285 SchKG ), was hier nicht der Fall ist. Vorliegend haben die Beschwerdeführerinnen keine materiellrechtliche Klage erhoben, um die allfälligen und umstrittenen Rechte der Gemeinschuldnerin festzustellen (vgl. SCHÜPBACH, a.a.O., N. 27 zu Art. 286 SchKG ), sondern eine paulianische Anfechtungsklage. Entscheidend ist damit, ob die Voraussetzungen des Anfechtungstatsbestandes gemäss Art. 286 SchKG erfüllt sind. 3.4 Zu prüfen ist der Streitpunkt, ob die Prämienzahlungen für die 13 Versicherungsverträge "unentgeltliche Verfügungen" im Sinne von Art. 286 Abs. 1 SchKG gleichkommen, welche neben Schenkungen ebenfalls anfechtbar sind. 3.4.1 Unter einer Verfügung im Sinne von Art. 286 Abs. 1 SchKG ist jeder Akt zu verstehen, durch den über das Vermögen des Schuldners verfügt wird. Eine Verfügung ist unentgeltlich im Sinne von Art. 286 Abs. 1 SchKG , wenn der Schuldner eine Zuwendung macht, m.a.W. ohne eine Gegenleistung zu erhalten, eine Leistung erbringt, zu deren Vornahme er nicht rechtlich (oder aus sittlichen Gründen) verpflichtet ist ( BGE 95 III 47 E. 2 S. 51; u.a. A. STAEHELIN, a.a.O., N. 5 zu Art. 286 SchKG ; KREN KOSTKIEWICZ, a.a.O., N. 2 und 3 zu Art. 286 SchKG ). Es sind ausschliesslich die objektiven Umstände massgebend; auf die subjektiven Beweggründe der Beteiligten kommt es nicht an ( BGE 95 III 47 E. 2 S. 52; GILLIÉRON, Commentaire, a.a.O., N. 8 zu Art. 286 SchKG ; A. STAEHELIN, a.a.O., N. 3 zu Art. 286 SchKG ). 3.4.2 Mit der Zahlung der E. AG (Gemeinschuldnerin) für die Versicherungsprämien wurde über ihr Vermögen verfügt. Diese Geldzahlung kann nicht als unentgeltlich im Sinne der massgebenden Bestimmung bezeichnet werden. Ein Versicherungsvertrag und die Versicherungsprämien sind für die Versicherungsgesellschaft keine Freigebigkeit (Liberalität), da der Vertrag entgeltlich ist, der Umfang der sich gegenüberstehenden Leistungen feststeht und die Versicherungsprämien zur Erfüllung der Verbindlichkeit aus dem Vertrag geleistet werden (SCHÜPBACH, a.a.O., N. 47 zu Art. 286 SchKG ). Der Umstand, dass die kreditversicherten Forderungen der E. AG gegenüber den Kunden, wie sich später herausgestellt hat, angeblich BGE 143 III 167 S. 172 nicht bestanden haben, vermag nichts daran zu ändern, dass die Beschwerdegegnerin für die bezahlten Versicherungsprämien zugunsten der Gemeinschuldnerin (E. AG) objektiv eine Gegenleistung - das Versprechen der Geldleistung im Versicherungsfall bzw. die Risikoübernahme für Kreditausfall - vorgesehen hat. Die Prämienzahlung ist anfechtungs- bzw. zwangsvollstreckungsrechtlich unbedenklich. Sie lässt sich z.B. nicht mit der Auszahlung eines (durch "Schneeballsystem") herbeigeführten Scheingewinnes vergleichen, weil dort der Zahlung keine Gegenleistung des Empfängers gegenübersteht, so dass derartige Scheingewinne nach Art. 286 SchKG anfechtbar sein können (vgl. Urteil 2C_776/2012 vom 19. Februar 2013 E. 3.3). Die Schenkungsanfechtung für Prämienzahlungen wäre denkbar, wenn die Zahlung einer "Versicherungsprämie" an eine als "Versicherung" auftretende Person oder Gesellschaft erfolgt wäre, welche zur Hauptleistung des Versicherers objektiv gar nicht fähig wäre, so dass keine relevante Gegenleistung gegenüberstehen würde. Derartige oder ähnliche Umstände, welche zur Annahme der Anfechtbarkeit der Prämienzahlung und der Beschwerdegegnerin als Anfechtungsbeklagte führen würden, liegen im konkreten Fall nicht vor. Die rein subjektiven Beweggründe der Beteiligten sind nicht ausschlaggebend. Selbst wenn die Vorstellungen der Beteiligten über die Unentgeltlichkeit der Verfügung auseinandergehen, liegt keine unentgeltliche Verfügung vor, nur weil die Gemeinschuldnerin die Verfügung allenfalls als unentgeltliche wollte, um (wie hier) den Eindruck eines soliden Geschäftsgangs zu erwecken. Mangels Unentgeltlichkeit im Sinne von Art. 286 Abs. 1 SchKG scheidet die Schenkungsanfechtung aus. 3.4.3 Die Beschwerdeführerinnen führen zutreffend aus, dass unentgeltliche Verfügungen sich dadurch auszuzeichnen, dass der Schuldner keine Gegenleistung "erhält" (u.a. mit Hinweis auf BGE 95 III 47 E. 2 S. 51). So ist z.B. das Eingehen einer Bürgschaft durch den Schuldner anfechtbar, wenn ihm dafür eine (Regress-) Forderung gegeben wird, die in Wirklichkeit keinen oder nur einen geringen Wert hat ( BGE 31 III 350 E. 4 S. 353). Eine Gegenleistung ist damit - objektiv - nicht vorgesehen, was auf eine Freigebigkeit hinausläuft. Aus der Formulierung kann nicht geschlossen werden, dass das Nichterhalten bzw. effektive Ausbleiben einer Gegenleistung bereits zur Unentgeltlichkeit im Sinne von Art. 286 SchKG führe. Entscheidend für die Annahme einer relevanten Gegenleistung ist, dass eine solche in angemessenem Verhältnis vorgesehen ist, BGE 143 III 167 S. 173 andernfalls wäre allgemein die Un- bzw. Entgeltlichkeit davon abhängig, ob der Vertragspartner seine Gegenleistung effektiv erbringt, was nicht zutrifft (SCHMID, Die paulianische Anfechtung von Darlehensrückzahlungen und Darlehensbesicherungen, 2014, Rz. 203). Da die Beschwerdegegnerin für die bezahlten Versicherungsprämien eine Gegenleistung vorgesehen hat, besteht kein Grund, die Unentgeltlichkeit und damit Anfechtbarkeit der Prämienzahlungen gemäss Art. 286 Abs. 1 SchKG anzunehmen. 3.5 Nach dem Dargelegten stellt im Ergebnis keine Rechtsverletzung dar, wenn die Vorinstanz die Unentgeltlichkeit im Sinne von Art. 286 Abs. 1 SchKG der Prämienzahlungen der E. AG an die Beschwerdegegnerin und damit die Anfechtbarkeit verneint hat. Ob die Schenkungsanfechtung (wie die Erstinstanz angenommen hat) rechtsmissbräuchlich ist, ist nicht zu erörtern, da die Vorinstanz die Frage offengelassen hat. Eine Überschuldungs- oder Absichtsanfechtung (Art. 287 bzw. Art. 288 SchKG ) sind schliesslich nicht Gegenstand der Klage und daher nicht zu erörtern. (...)
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Sachverhalt ab Seite 506 BGE 130 V 505 S. 506 A. A partir du 1 er décembre 1995, J., né en 1935, a été mis au bénéfice d'une rente entière simple d'invalidité, assortie d'une rente complémentaire pour son épouse, E., et de deux rentes pour les enfants du couple, A. et B. (décision de l'Office de l'assurance-invalidité du canton du Jura [ci-après: l'office AI] du 29 octobre 1996). Ces prestations ont été remplacées, à partir du 1 er décembre 2000, par une rente simple de vieillesse et deux rentes complémentaires pour enfant (décision de la Caisse de compensation du canton du Jura du 17 novembre 2000). B. Entre-temps, le 7 octobre 1997, E. avait déposé une demande de prestations de l'assurance-invalidité. Par décision du 10 mars 2000, l'office AI lui a alloué un quart de rente simple d'invalidité, ainsi que deux rentes complémentaires simples pour enfant, fondées sur un degré d'invalidité de 46 pour cent. A la suite de recours successifs de l'intéressée, qui ont abouti à un arrêt du Tribunal fédéral des assurances du 9 octobre 2001, l'office AI a repris l'instruction du cas. Le 15 novembre 2002, il a rendu quatre décisions, par lesquelles il a alloué à l'assurée un quart de rente du 1 er mai 1997 au 31 juillet 1997, une demi-rente du 1 er août 1997 au 31 décembre 1999 et une rente entière dès le 1 er janvier 2000. Du fait que le mari avait bénéficié pour la même période d'une rente d'invalidité, puis d'une rente de vieillesse, l'office AI a revu le calcul des rentes qui lui avaient été allouées, en tenant compte des éléments suivants: - la rente d'invalidité accordée à l'épouse excluait le versement simultané d'une rente complémentaire pour l'épouse à raison de l'invalidité du mari; BGE 130 V 505 S. 507 - à partir du moment où l'épouse bénéficiait d'une rente entière d'invalidité, la somme des deux rentes pour le couple s'élevait au plus à 150 pour cent du montant maximum de la rente de vieillesse; - les rentes pour enfant étaient également plafonnées lorsque les deux époux avaient droit à des rentes de cette nature. L'office AI, par ces mêmes décisions du 15 novembre 2002, a compensé l'excédent des rentes versées au mari avec une partie des rentes allouées rétroactivement à l'épouse. C. E. a recouru contre les quatre décisions mentionnées, en contestant le droit de l'office AI de compenser les rentes perçues indûment par son mari avec les rentes qui lui avaient été allouées rétroactivement. Statuant le 27 janvier 2004, le Tribunal cantonal de la République et canton du Jura, Chambre des assurances, a rejeté le recours. D. E. interjette un recours de droit administratif dans lequel elle conclut à l'annulation de ce jugement et demande au Tribunal fédéral des assurances d'ordonner à l'office AI de lui verser les montants de 1791 fr., 24'409 fr., 11'412 fr. et 18'473 fr. L'office AI conclut au rejet du recours, ce que propose également l'Office fédéral des assurances sociales (OFAS).
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Erwägungen Extrait des considérants: 1. 1.1 Selon l' art. 34 al. 1 LAI (dans sa version en vigueur du 1 er janvier 1997 au 31 janvier 2002), les personnes mariées qui peuvent prétendre une rente ont droit, si elles exerçaient une activité lucrative immédiatement avant la survenance de l'incapacité de travail, à une rente complémentaire pour leur conjoint, pour autant que ce dernier n'ait pas droit à une rente de vieillesse ou d'invalidité (première phrase). D'autre part, conformément à l' art. 35 al. 1 LAI , les hommes et les femmes qui peuvent prétendre une rente d'invalidité ont droit à une rente pour chacun des enfants, qui, au décès de ces personnes, aurait droit à la rente d'orphelin de l'assurance-vieillesse et survivants. Conformément à l' art. 38 al. 1 LAI (dans sa version en vigueur jusqu'au 31 décembre 2003), la rente complémentaire s'élève à 30 pour cent et la rente pour enfant à 40 pour cent de la rente d'invalidité correspondant au revenu annuel moyen déterminant. Si les deux parents ont droit à une rente pour enfant, les deux rentes pour BGE 130 V 505 S. 508 enfants sont réduites dans la mesure où leur montant excède 60 pour cent de la rente d'invalidité maximale. L' art. 35 LAVS est applicable par analogie au calcul de la réduction. L' art. 35 LAVS a la teneur suivante: 1. La somme des deux rentes pour un couple s'élève au plus à 150 pour cent du montant maximum de la rente de vieillesse si: a. Les deux conjoints ont droit à une rente de vieillesse; b. Un conjoint a droit à une rente de vieillesse et l'autre à une rente de l'assurance-invalidité. 2. Aucune réduction des rentes n'est prévue au détriment des époux qui ne vivent plus en ménage commun suite à une décision judiciaire. 3. Les deux rentes doivent être réduites en proportion de leur quote- part à la somme des rentes non réduites. Le Conseil fédéral règle les détails concernant notamment la réduction des deux rentes allouées aux assurés dont la durée de cotisation est incomplète. 1.2 Le fait que la recourante a été mise au bénéfice d'une rente d'invalidité (par paliers successifs) justifiait un nouvel examen de la situation des rentes accordées précédemment au mari. Conformément aux dispositions susmentionnées, leur examen justifiait la suppression rétroactive de la rente complémentaire pour épouse et une réduction rétroactive de la rente principale et des rentes pour enfants, conformément à l' art. 35 LAVS (cf. ATF 129 V 1 , ATF 127 V 119 , 361; RDAT 2001 I n° 56 p. 235). Il en résultait une obligation de restituer les prestations indûment touchées par le mari (ancien art. 47 al. 1 LAVS , voir aussi l' art. 25 LPGA ). L'obligation de restituer comme telle n'est pas contestée. Est litigieux, en revanche, le point de savoir si l'office intimé était en droit de compenser sa créance en restitution à l'encontre du mari par des arrérages de rentes versés à l'épouse. 2. 2.1 Certaines lois spéciales en matière d'assurances sociales règlent la compensation des créances (par exemple: art. 20 al. 2 LAVS [ ATF 115 V 342 sv. consid. 2b], art. 50 LAI , art. 50 LAA ). En l'absence d'une réglementation particulière, le principe de la compensation des créances de droit public est admis comme règle générale ( ATF 128 V 228 consid. 3b et les références citées, ATF 111 Ib 158 consid. 3; RÜEDI, Allgemeine Rechtsgrundsätze des Sozialversicherungsprozesses, in: SCHLUEP et al. [éd.], Recht, Staat und Politik am Ende des zweiten Jahrtausends, Festschrift zum 60. Geburtstag von Bundesrat Arnold Koller, St. Gallen Studien zum Privat-, BGE 130 V 505 S. 509 Handels- und Wirtschaftsrecht, Berne 1993, p. 454 et note n° 16). Dans ce cas, les dispositions du code des obligations qui en fixent les conditions ( art. 120 ss CO ) sont applicables par analogie ( ATF 128 V 228 consid. 2b; VSI 1994 p. 217 consid. 3). Bien que la LPGA ne soit en l'espèce pas applicable ratione temporis ( ATF 129 V 4 consid. 1.2 et les arrêts cités), la situation décrite ci-dessus n'a pas été modifiée par son entrée en vigueur, le 1 er janvier 2003. La compensation reste réglée par les lois spéciales ou les principes généraux, sous réserve de l' art. 20 al. 2 LPGA (cf. UELI KIESER, ATSG-Kommentar: Kommentar zum Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000, Zurich 2003, Remarques préliminaires, n. 22; cf. ATF 125 V 323 consid. 5b/bb). Cette disposition règle le problème particulier - qui n'est pas en discussion ici - de la compensation d'une créance d'un tiers qualifié ou d'une autorité dans le contexte de la garantie d'un emploi des prestations conforme à leur but (voir à ce sujet DUC, Assurance sociale et assurance privée, Rapport du Groupe de travail de la Société suisse du droit de la responsabilité civile et des assurances institué pour examiner les tâches dévolues à l'assurance privée, d'une part, et celles incombant à l'assurance sociale, d'autre part, Berne 2003, p. 139 ss). 2.2 Selon l' art. 20 al. 2 let. a LAVS , peuvent être compensées avec des prestations échues, notamment, les créances découlant de la présente loi et de la LAI. Cette disposition est applicable dans le domaine de l'assurance-invalidité en vertu de l' art. 50 LAI . Selon la pratique administrative, les prestations versées à tort à l'un des conjoints ne peuvent être compensées avec des prestations échues revenant à l'autre conjoint. Une exception est possible s'il existe un lien étroit, sous l'angle du droit des assurances sociales, entre les prestations revenant à chacun des époux. Cette condition est réalisée, par exemple, lorsqu'à la suite de la réalisation du deuxième risque assuré, la rente du premier conjoint doit être diminuée en raison du plafonnement ou lorsque la rente complémentaire déjà versée au conjoint invalide doit être restituée en raison de l'octroi rétroactif d'une rente AI à son conjoint (ch. 10907 et 10908 des Directives de l'OFAS concernant les rentes [DR]). 2.3 La recourante conteste la légalité de ces directives administratives, dans la mesure où elles autorisent - dans les situations envisagées - la compensation de créances entre des sujets de droit qui ne sont pas réciproquement créancier et débiteur. Une telle BGE 130 V 505 S. 510 compensation n'est pas prévue par la loi. Par ailleurs, il serait contraire à l'esprit et au but du système législatif qu'une épouse doive rembourser des montants versés à son mari - montants dont elle n'a pas la libre disposition - alors que la LAVS, depuis sa dixième révision, introduit un droit individuel à la rente. Il serait au surplus arbitraire que le montant revenant personnellement à l'épouse dépende du moment auquel l'assurance-invalidité a statué sur ses droits. Dans le cas particulier, la recourante serait privée de sa rente par le seul fait que l'office AI a tardé à statuer. 2.4 La jurisprudence en matière d'assurances sociales soumet la compensation à l'exigence que cette mesure ne mette pas en péril les moyens d'existence du débiteur (voir par exemple ATF 115 V 343 consid. 2c, ATF 111 V 103 consid. 3b). Cette exigence est à rapprocher de l' art. 125 ch. 2 CO , aux termes duquel ne peuvent être éteintes par compensation les créances dont la nature spéciale exigent le paiement effectif entre les mains du créancier, telles que des aliments ou le salaire absolument nécessaires à l'entretien du débiteur et de sa famille ( ATF 108 V 47 consid. 2). De manière générale, la compensation, en droit public - et donc notamment en droit des assurances sociales - est subordonnée à la condition que deux personnes soient réciproquement créancières et débitrices l'une de l'autre conformément à la règle posée par l' art. 120 al. 1 CO (voir NICOLAS JEANDIN, Commentaire romand, Code des obligations I, n° 5 ss ad art. 120 CO ; ATF 128 V 228 consid. 3b; VSI 1994 p. 217 consid. 3). Cette règle n'est cependant pas absolue. Il a toujours été admis, en effet, que l' art. 20 LAVS y déroge dans une certaine mesure pour prendre en compte les particularités relatives aux assurances sociales en ce qui concerne précisément cette condition de la réciprocité des sujets de droit posée par l' art. 120 al. 1 CO (THEO KÜNDIG, Die Verrechnung im Sozialversicherungsrecht, thèse Berne 1960, p. 87 ss; MICHEL VALTERIO, Commentaire de la loi sur l'assurance-vieillesse et survivants, tome II [Les prestations], Lausanne 1988, p. 237 sv.; HANS MICHAEL RIEMER, Berührungspunkte zwischen Sozialversicherungs- und Privatrecht, insbesondere die Bedeutung des Privatrechtes bei der Auslegung des Sozialversicherungsrechtes durch das EVG, in: Mélanges pour le 75e anniversaire du TFA, Berne 1992, p. 161, note de bas de page 95; KIESER, Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung, Zurich 1996, p. 127 sv. ad art. 20). La possibilité de compenser s'écarte de l' art. 120 al. 1 CO quand les créances BGE 130 V 505 S. 511 opposées en compensation se trouvent en relation étroite, du point de vue de la technique d'assurance ou du point de vue juridique: dans ces situations, il n'est pas nécessaire que l'administré ou l'assuré soit en même temps créancier et débiteur de l'administration ( ATF 115 V 343 consid. 2b, ATF 111 V 2 consid. 3a, ATF 104 V 7 consid. 3b). Une relation étroite de cette nature existe, par exemple, entre les cotisations personnelles dues par le père décédé et la rente d'orphelin de père (ATFA 1956 p. 190 consid. 1, 1961 p. 29 sv.). La faculté d'opérer compensation a aussi maintes fois été affirmée en ce qui concerne les cotisations personnelles du mari décédé et la rente ou l'allocation unique revenant à sa veuve (ATFA 1969 p. 93, 1953 p. 285, 1951 p. 39). Une créance de cotisations à l'encontre d'un débiteur décédé peut aussi être compensée avec les rentes de survivants revenant à ses héritiers, quand bien même ceux-ci ont répudié la succession (ATFA 1969 p. 95 let. g, 1956 p. 190 consid. 1). Il a également été jugé admissible de compenser des cotisations personnelles (y compris les frais d'administration et de poursuites) dues par l'ancien mari décédé et produites dans la procédure de bénéfice d'inventaire, avec une rente de veuve revenant à la femme divorcée ( ATF 115 V 341 ). De même, la moitié de la rente pour couple réclamée par l'épouse pouvait être compensée avec une créance en réparation du dommage ( art. 52 LAVS ) contre l'époux dans la mesure, bien entendu, où - comme dans les autres cas cités - il n'en résultait pas une atteinte au minimum vital des intéressés ( ATF 107 V 72 ). Quand les deux créances opposées en compensation portent sur des prestations, la jurisprudence a considéré que la dette d'une mère nourricière tenue à restitution d'une rente de veuve touchée indûment ne pouvait pas être compensée avec la rente d'orphelin revenant à l'enfant recueilli, faute de connexité juridique entre les deux rentes (ATFA 1956 p. 60). Une rente pour enfant versée par erreur au père ne peut pas davantage être compensée avec la rente d'invalidité à laquelle peut prétendre ultérieurement l'enfant (arrêt non publié S. du 6 juin 1988 [I 121/87]). La compensation a été admise, en revanche, dans l'affaire qui a fait l'objet de l'ATFA 1969 p. 211. Dans cette affaire, l'assuré, bénéficiaire d'une rente simple de vieillesse, n'avait pas annoncé tout de suite son mariage à l'administration de l'AVS et les époux avaient continué à percevoir deux rentes simples ordinaires de vieillesse, en lieu et place d'une rente pour couple. Par la suite, le mari avait renoncé à percevoir BGE 130 V 505 S. 512 une rente pour couple, pour permettre le versement d'une rente ordinaire, d'un montant plus élevé, en faveur de son épouse. La possibilité de compenser une créance en restitution de la caisse à l'endroit de l'époux avec la rente plus élevée revenant à l'épouse constituait une condition sine qua non de validité de renonciation à une rente pour couple. 2.5 Il est constant, en l'espèce, que le mari était lui-même titulaire de la rente complémentaire pour épouse qui lui a été accordée en raison de son invalidité, en plus de la rente principale sujette à plafonnement en raison de la mise à l'invalidité de son épouse. Il était de même titulaire des rentes pour enfants qui ont fait l'objet d'une réduction. C'est dire que la créance en restitution de la caisse porte sur les prestations accordées au mari. Il se pose, dès lors, le problème de savoir s'il existait entre cette créance et les arriérés de rente allouée à l'épouse un lien suffisant pour que la compensation fût opposable à la recourante. 2.6 Ainsi qu'on l'a vu, le droit du mari à la rente complémentaire pour épouse était subordonné à la condition que celle-ci n'ait pas droit à une rente. Les deux prestations en cause sont ainsi exclusives l'une de l'autre. En outre, le droit de l'épouse à des rentes pour enfants impliquait nécessairement une réduction des rentes de même nature accordées au mari. La même interdépendance existe, enfin, entre la réduction de la rente principale du mari et l'allocation d'une rente entière en faveur de l'épouse. Dans ces trois éventualités, les prestations versées au mari n'étaient pas indues tant et aussi longtemps qu'un deuxième cas d'assurance n'était pas survenu en la personne de l'épouse. Elles le sont devenues automatiquement ou ipso iure lors de la réalisation de cette deuxième éventualité assurée. C'est dire que les créances en restitution de l'office AI sont, tant d'un point de vue juridique que sous l'angle des rapports d'assurance en présence, indissociablement liées aux prestations allouées à l'épouse. 2.7 Il est vrai que le passage du régime de la rente pour couple à la rente individuelle indépendante de l'état civil a constitué l'un des axes fondamentaux de la dixième révision de l'AVS ( ATF 126 V 59 consid. 4). Le principe de la répartition des revenus des époux et de leur attribution pour moitié à chacun d'entre eux est l'élément marquant du nouveau système de calcul des rentes (art. 29 quinquies al. 3 à 5 LAVS). Mais l'interdépendance des rentes individuelles est mise en évidence par les effets du plafonnement des rentes ( art. 35 LAVS ), le législateur ayant posé ici une limite à une pleine BGE 130 V 505 S. 513 individualisation des rentes accordées aux conjoints, en lieu et place de la rente pour couple de l'ancien droit. Ce plafonnement s'explique, aux yeux du législateur, par le fait que le couple représente en soi une unité économique, dont les besoins financiers sont censés être inférieurs à ceux de deux personnes vivant seules (JÜRG BRECHBÜHL, Le modèle du splitting du Conseil national - une nouvelle voie pour l'AVS et l'AI, Sécurité sociale [CHSS] 3/1993, p. 9; KIESER, Alters- und Hinterlassenenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, ch. 120). 2.8 Au demeurant, sous l'angle économique, les rentes allouées au mari (rente principale, rente complémentaire pour épouse et rente pour enfant) ont le même but que les rentes accordées ensuite à l'épouse avec effet rétroactif (rente d'invalidité, rente pour enfant), à savoir procurer au couple - en tant qu'entité économique - un revenu de remplacement destiné à couvrir les besoins vitaux de la famille. Les rentes versées ultérieurement à l'autre conjoint prennent, pour une part, la place des prestations versées précédemment en trop à l'autre conjoint. De ce point de vue également, il existe un rapport nécessaire de connexité entre les prestations revenant au couple. 2.9 Sur le vu de ces éléments, les directives en cause de l'OFAS - bien qu'elles ne lient pas le juge ( ATF 129 V 204 consid. 3.2) - s'inscrivent néanmoins dans le prolongement du régime particulier de compensation instauré par l' art. 20 al. 2 LAVS . Elles n'établissent donc pas des normes qui ne soient pas conformes aux dispositions légales applicables ( ATF 129 V 205 consid. 3.2). Admettre le contraire pourrait, dans les faits, empêcher une application effective du droit quand le montant des prestations revenant à l'un des conjoints doit être revu lors de la réalisation d'une deuxième éventualité assurée dans le couple. La demande de restitution à l'encontre du titulaire des prestations se révélerait inopérante en cas de remise de l'obligation de restituer. Une telle remise serait fréquemment accordée, dès lors que la condition de la bonne foi serait toujours réalisée et que seule devrait alors être examinée la question de la situation difficile ( art. 25 LPGA et art. 5 OPGA ; ancien art. 47 al. 1 LAVS ). Dans nombre de cas, cette dernière condition serait également remplie, ce qui, en définitive, conduirait à un cumul injustifié de prestations, comme conséquence inévitable d'une application pourtant correcte de la loi. Cette conséquence inévitable BGE 130 V 505 S. 514 résulte elle-même du fait qu'il existe forcément un certain décalage dans le temps de décisions interdépendantes. En conséquence, il faut admettre que l'office intimé était en droit de compenser la créance en restitution avec des arriérés de rente dus à l'épouse.
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BGE_130_V_505
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Sachverhalt ab Seite 42 BGE 140 V 41 S. 42 A. A.a Der 1952 geborene B. war bei der G. als Regional Sales Manager tätig und damit bei der Generali Allgemeine Versicherungen AG (nachfolgend: Generali) unter anderem gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 16. Juli 1999 erlitt er während einer Bootsfahrt bei hohem Wellengang wegen wiederholtem Aufschlagen auf dem Wasser eine Kompressionsfraktur der Wirbelkörper Th 12 und L1. Die Unfallversicherung erbrachte Leistungen in Form von Heilbehandlung und Taggeld. Ab dem 16. April 2000 war er wieder voll arbeitsfähig. Im Frühjahr 2003 erlitt B. einen ersten Rückfall. Wegen Rückenschmerzen war er vom 9. April an vorerst vollständig, danach zu 50 % arbeitsunfähig. Ab 1. Juli 2003 konnte er die Arbeit wieder vollumfänglich aufnehmen. Mit Verfügung vom 28. Februar 2005 sprach die Generali dem Versicherten wegen der bleibenden Unfallfolgen eine Integritätsentschädigung aufgrund eines Integritätsschadens von 20 % zu. A.b Am 27. September 2006 liess B. erneut einen Rückfall melden. Nach Abklärungen in Form von medizinischen Gutachten sprach die Unfallversicherung B. mit Verfügung vom 21. Juli 2011 ab 1. Dezember 2010 eine Invalidenrente aufgrund eines Invaliditätsgrades von 38 % und eines versicherten Verdienstes von Fr. 106'800.- im Betrage von Fr. 2'706.- pro Monat zu. Auf Einsprache hin anerkannte die Generali einen Rentenbeginn ab 1. Januar 2008 und einen BGE 140 V 41 S. 43 Invaliditätsgrad von 43 %, ermittelte den monatlichen Rentenbetrag von Fr. 2'786.- jedoch neu aufgrund eines versicherten Verdienstes von Fr. 97'200.- (Entscheid vom 31. August 2012). B. Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau hiess die dagegen erhobene Beschwerde in dem Sinne teilweise gut, als sie einen Invaliditätsgrad von 52 % ermittelte. Die entsprechende Rente sei ab 1. Januar 2008 basierend auf einem versicherten Verdienst von Fr. 97'200.- auszurichten. C. C.a Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt B. beantragen, es sei ihm ab 1. Januar 2008 eine Invalidenrente basierend auf einem Invaliditätsgrad von 80 % und einem versicherten Verdienst von Fr. 106'800.- zu gewähren (Verfahren 8C_340/2013). C.b Die Generali führt ihrerseits Beschwerde und stellt den Antrag, es sei dem Versicherten ab 1. Januar 2008 eine Invalidenrente aufgrund eines Invaliditätsgrades von 46 % und eines versicherten Verdienstes von Fr. 97'200.- zu gewähren. Zudem sei ihrer Beschwerde aufschiebende Wirkung zu erteilen (Verfahren 8C_298/2013). Das Bundesgericht heisst die Beschwerden teilweise gut. (Zusammenfassung)
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 6. Umstritten ist weiter die Höhe des anrechenbaren versicherten Verdienstes. 6.1 6.1.1 Taggelder und Renten werden gemäss Art. 15 Abs. 1 UVG nach dem versicherten Verdienst bemessen. Als versicherter Verdienst gilt für die Bemessung der Renten der innerhalb eines Jahres vor dem Unfall bezogene Lohn ( Art. 15 Abs. 2 UVG ). In Anwendung von Art. 15 Abs. 3 UVG setzt der Bundesrat einen Höchstbetrag des versicherten Verdienstes fest (vgl. auch Art. 18 ATSG [SR 830.1]) und erlässt Bestimmungen über den versicherten Verdienst in Sonderfällen. Der Höchstbetrag des versicherten Verdienstes belief sich gemäss Art. 22 Abs. 1 UVV (SR 832.202) in der vom 1. Januar 1991 bis zum 31. Dezember 1999 in Kraft gestandenen Fassung auf Fr. 97'200.- im Jahr. Mit Verordnungsänderung vom 28. September 1998, in Kraft vom 1. Januar 2000 bis 31. Dezember 2007, hatte der Bundesrat den Höchstbetrag des versicherten Verdienstes auf Fr. 106'800.- im Jahr festgesetzt, seit dem 1. Januar 2008 beträgt dieser Fr. 126'000.- im Jahr. BGE 140 V 41 S. 44 6.1.2 Gemäss Abs. 3 des Art. 15 UVG erlässt der Bundesrat Bestimmungen über den versicherten Verdienst in Sonderfällen. Gestützt darauf hat der Bundesrat in Art. 24 UVV unter dem Titel "massgebender Lohn für Renten in Sonderfällen" ergänzende Vorschriften erlassen. Absatz 2 dieser Bestimmung lautet: "Beginnt die Rente mehr als fünf Jahre nach dem Unfall oder dem Ausbruch der Berufskrankheit, so ist der Lohn massgebend, den der Versicherte ohne den Unfall oder die Berufskrankheit im Jahre vor dem Rentenbeginn bezogen hätte, sofern er höher ist als der letzte vor dem Unfall oder dem Ausbruch der Berufskrankheit erzielte Lohn." Nach der Rechtsprechung ist Art. 24 Abs. 2 UVV auch bei Rückfällen (oder Spätfolgen) anwendbar, die mehr als fünf Jahre nach dem Unfall eingetreten sind (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts U 427/99 vom 10. Dezember 2001 E. 3a, nicht publ. in: BGE 127 V 456 , aber in: RKUV 2002 S. 61 ff.). 6.2 Gemäss Unfallmeldung vom 23. Juli 1999 bezog der Versicherte damals inklusive Gratifikation Fr. 106'556.- pro Jahr; im Jahre vor Rentenbeginn per 1. Januar 2008 Fr. 138'879.- (Lohn 2006: Fr. 136'011.- x Nominallohnindex Kreditgewerbe für 2007:125.9/123.3). Der tatsächliche Verdienst war somit sowohl im Unfallzeitpunkt als auch in jenem der Berentung - welcher mehr als fünf Jahre nach dem Unfall liegt - höher als der jeweilige versicherte Höchstbetrag. Während die Unfallversicherung in der Verfügung vom 21. Juli 2011 für die Rentenberechnung noch von einem versicherten Verdienst von Fr. 106'800.- ausging, korrigierte sie diesen Bemessungsfaktor im Einspracheentscheid vom 31. August 2012 auf Fr. 97'200.-, entsprechend dem maximal versicherbaren Verdienst am Tag des Unfalls. Das kantonale Gericht schützte diesen Standpunkt. Demgegenüber argumentiert der Versicherte, da der für die Rente in Anwendung von Art. 24 Abs. 2 UVV massgebende versicherte Verdienst sich nach den Verhältnissen im Jahre vor Rentenbeginn richte, käme auch der dannzumal geltende Höchstbetrag gemäss Art. 22 Abs. 1 UVV - mithin Fr. 106'800.- - zum Tragen. 6.3 6.3.1 Der von der Vorinstanz angerufene, allgemein gültige intertemporalrechtliche Grundsatz besagt, dass zur Beurteilung einer Sache jene Rechtsnormen zugrunde zu legen sind, die in Geltung standen, als sich der zu den materiellen Rechtsfolgen führende und somit rechtserhebliche Sachverhalt verwirklichte ( BGE 129 V 1 BGE 140 V 41 S. 45 E. 1.2 S. 4; BGE 126 V 134 E. 4b S. 136 mit Hinweisen). Dieser Grundsatz gilt sowohl für Bundesgesetze und kantonale Erlasse als auch für bundesrechtliche Verordnungen ( BGE 126 V 134 E. 4a S. 135 mit Hinweisen). Gemäss kantonalem Gericht gälte nach dem klaren Wortlaut der auch im Zeitpunkt des Rentenbeginns (hier: 1. Januar 2008) geltenden Grundregel von Art. 15 Abs. 2 UVG und Art. 22 Abs. 4 Satz 1 UVV der innerhalb eines Jahres vor dem Unfall erzielte Lohn als versicherter Verdienst für die Rentenberechnung. Massgebender Zeitpunkt für die Beantwortung der Frage, welcher Höchstbetrag im konkreten Fall zur Anwendung gelangt, sei mithin der Unfalltag ( BGE 123 V 133 ). 6.3.2 In der Literatur wird die Ansicht vertreten, der Höchstbetrag richte sich in Fällen, in denen die Sonderregelungen gemäss Art. 23 oder 24 UVV Anwendung finden, nach dem im Zeitpunkt des Rentenbeginns geltenden Wert. So führt ALFRED MAURER ohne Relativierung als Selbstverständlichkeit aus: "Die Sonderregel (von Art. 24 Abs. 2 UVV ) ist sinngemäss auch bei der Bestimmung des Höchstbetrages des versicherten Verdienstes nach Art. 22 Abs. 1 UVV zu beachten. Massgebend ist beim Vorliegen des besprochenen Sonderfalles somit der Höchstbetrag zur Zeit des Rentenbeginns" (MAURER, Das Schweizerische Unfallversicherungsrecht, 2. Aufl. 1989, S. 331 f.). Auch ANDRÉ PIERRE HOLZER hält dafür, im Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 2 UVV den jeweiligen aktuellen Höchstbetrag des versicherten Verdienstes zu berücksichtigen, da das Festhalten am Wert zum Unfallzeitpunkt in Zeiten rascher Geldentwertung vor allem in Fällen, in denen die Rente erst viele Jahre nach dem Unfall geschuldet wird, zu stossenden Ergebnissen führe, was der Verordnungsgeber durch die Sonderregelungen gerade verhindern wollte (HOLZER, Der versicherte Verdienst in der obligatorischen Unfallversicherung, SZS 2010 S. 206). 6.3.3 Das Bundesgericht hat in BGE 118 V 293 entschieden, bei einer durch einen Rückfall (Spätfolge) bewirkten Erhöhung des Invaliditätsgrades (einer unter der Herrschaft des KUVG zugesprochenen altrechtlichen Rente) handle es sich nicht um einen neuen Rentenanspruch, weshalb weiterhin der vor dem Unfall erzielte Jahresverdienst als versicherter Verdienst gelte. Zu Handen des Gesetzgebers hielt das Gericht ausdrücklich fest, dieses Ergebnis sei höchst unbefriedigend, weshalb für Fälle, bei denen die Revisionstatbestände längere Zeit nach dem Grundfall eintreten, de lege ferenda eine bessere Lösung zu finden sei ( BGE 118 V 293 E. 2f S. 298). Da der BGE 140 V 41 S. 46 Gesetzgeber seither nicht tätig geworden ist, wurde in einem jüngs-ten Urteil (8C_257/2013 vom 25. September 2013) wiederum gleich entschieden. In BGE 127 V 456 hielt das Bundesgericht fest, der Höchstbetrag des versicherten Jahresverdienstes am Unfalltag bilde die Berechnungsgrundlage für die infolge eines Rückfalles oder einer Spätfolge zugesprochene Integritätsentschädigung, mithin finde Art. 24 Abs. 2 UVV für die Integritätsentschädigung nicht analog Anwendung (E. 4b S. 458). Im Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts U 384/01 vom 2. Dezember 2004 (in: RKUV 2005 S. 137) prüfte das Gericht die Frage, ob das laufende Taggeld bei einer Revision des Art. 22 Abs. 1 UVV und der damit verbundenen Heraufsetzung des Höchstbetrages in Anwendung von Art. 23 Abs. 7 UVV angepasst werden soll, und verneinte diese. Schliesslich hatte das damalige Eidg. Versicherungsgericht (heute: Bundesgericht) im Urteil U 50/86 vom 18. Dezember 1987 für einen unter der Herrschaft des KUVG erlittenen Unfall, bei dem es im Juni 1984 und damit im Anwendungsbereich des UVG zu einem Rückfall kam, der den Anspruch auf eine Invalidenrente auslöste, entschieden, der (neurechtliche) Art. 24 Abs. 2 UVV finde Anwendung. Es bejahte einen Rentenanspruch auf der Basis eines versicherten Verdienstes von Fr. 53'250.-, obwohl im Unfallzeitpunkt (24. April 1979) ein versicherbarer Höchstbetrag von Fr. 46'800.- galt ( Art. 78 Abs. 5 KUVG in der im Jahre 1979 geltenden Fassung). 6.4 6.4.1 Nach dem vom Bundesgericht in seiner Rechtsprechung immer wieder bestätigten intertemporalrechtlichen Grundsatz sind der Beurteilung einer Sache jene Rechtsnormen zugrunde zu legen, die in Geltung standen, als sich der zu den materiellen Rechtsfolgen führende und somit rechtserhebliche Sachverhalt verwirklichte ( BGE 129 V 4 E. 1.2; BGE 126 V 136 E. 4b mit Hinweisen). Bei dieser Regel handelt es sich um eine Richtlinie, die nicht stereotyp anzuwenden ist. Vielmehr entscheidet sich auch die Frage nach der intertemporalrechtlichen Geltung einer Norm primär nach den allgemeinen, anerkannten Auslegungsgrundsätzen ( BGE 126 V 136 E. 4c; BGE 123 V 29 E. 3b; Urteil U 384/01 vom 2. Dezember 2004 E. 5.1, in: RKUV 2005 S. 141). 6.4.2 6.4.2.1 Vorliegend geht es um eine in einem Rückfall erstmals zugesprochene Rente und damit um einen neuen Rentenanspruch. Die Bestimmung von Abs. 2 des Art. 24 UVV lautet wie folgt: "Beginnt BGE 140 V 41 S. 47 die Rente mehr als fünf Jahre nach dem Unfall oder dem Ausbruch der Berufskrankheit, so ist der Lohn massgebend, den der Versicherte ohne den Unfall oder die Berufskrankheit im Jahre vor dem Rentenbeginn bezogen hätte, sofern er höher ist als der vor dem Unfall oder dem Ausbruch der Berufskrankheit erzielte Lohn." Der Rentenanspruch beginnt am 1. Januar 2008 und damit mehr als fünf Jahre nach dem Unfall im April 1999. Art. 24 Abs. 2 UVV findet daher Anwendung. Wie dieser Lohn (versicherte Verdienst) zu bestimmen ist, ergibt sich aus den zu diesem Zeitpunkt geltenden Regeln. Darunter fällt auch der jeweilige geltende Höchstbetrag gemäss Art. 22 Abs. 1 UVV . Das ergibt sich nicht nur aus der Literatur (E. 6.3.2), sondern entspricht auch einer Empfehlung der Ad-hoc-Kommission Schaden UVG. Danach ist in Fällen von Art. 24 Abs. 2 UVV der am Tage vor Rentenbeginn gültige Höchstbetrag für die Berechnung der Rente massgebend (Empfehlung der Ad-hoc-Kommission Schaden UVG Nr. 1/2008, in der Fassung nach der Revision vom 20. März 2012). Empfehlungen der Ad-hoc-Kommission Schaden UVG stellen zwar keine Weisungen an die Durchführungsorgane der obligatorischen Unfallversicherung dar und sind insbesondere für die Gerichte nicht verbindlich. Sie sind jedoch geeignet, eine rechtsgleiche Praxis sicherzustellen ( BGE 138 V 140 E. 5.3.6 S. 146). 6.4.2.2 Sinn der Sonderregelung gemäss Art. 24 Abs. 2 UVV ist es, Versicherte, denen erst viele Jahre nach dem Unfall eine Rente zugesprochen wird, vor den Folgen der Geldentwertung zu schützen. Würde dem angefochtenen Entscheid gefolgt, käme es in verschiedener Hinsicht zu unbilligen Resultaten. Art. 24 Abs. 2 UVV würde für alle Versicherten, die bereits im Unfallzeitpunkt mehr als den Höchstbetrag gemäss Art. 22 Abs. 1 UVV verdienen, keine Anwendung finden. Hätte der Verordnungsgeber diese restriktive Auslegung der Norm gewollt, hätte er die Bestimmung entsprechend formuliert. Versicherte, die ein über dem maximal versicherten Verdienst liegendes Einkommen erzielen, könnten aber nicht nur nicht profitieren, sie würden sogar bestraft. Gemäss Art. 44 Abs. 2 UVV wird für die erstmalige Berechnung der Teuerungszulagen zu einer Rente, die seit dem Inkrafttreten des Gesetzes oder seit der letzten Gewährung einer Teuerungszulage entstanden ist, auf den Septemberindex im Unfalljahr abgestellt, in den Fällen nach Art. 24 Abs. 2 UVV hingegen auf jenen im Vorjahr des Rentenbeginns. Über dem Höchstbetrag Verdienende würden demgemäss netto einen kleineren Rentenbetrag erhalten, wenn der Rentenbeginn mehr als fünf Jahre nach BGE 140 V 41 S. 48 dem Unfall liegt, weil ihr versicherter Verdienst auf den Höchstbetrag am Unfalltag eingefroren würde, die Teuerungszulage aber erst ab Rentenbeginn berechnet würde. Das widerspricht der Intention der Sonderregelung des Art. 24 UVV . Dort wird sowohl in Absatz 2 als auch in Absatz 4 darauf verwiesen, dass die Bestimmung nur zu Gunsten der versicherten Person wirken soll. 6.4.3 Zusammenfassend hat die Vorinstanz die Rente zu Unrecht auf der Basis eines versicherten Verdienstes von Fr. 97'200.- bemessen. Soweit aus E. 5.3 des von der Vorinstanz zitierten Urteils U 384/01 vom 2. Dezember 2004, in: RKUV 2005 S. 137 oder aus dem Urteil 8C_660/2012 vom 23. März 2013 etwas anderes gefolgert werden könnte, kann daran nicht festgehalten werden. Damit ist vorliegend der am Tage vor Rentenbeginn (31. Dezember 2007) geltende Höchstbetrag des versicherten Verdienstes, somit Fr. 106'800.-, für die Berechnung des Rentenbetrages massgebend.
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Sachverhalt ab Seite 294 BGE 133 II 292 S. 294 Vom 5. bis 26. November 2001 lag das Baugesuch der Einwohnergemeinde Würenlos für eine Sportanlage auf den Parzellen Nrn. 1630, 1629 und 3094 auf. Die geplante Anlage besteht aus einem Rasen- und einem Hartplatz, einer Laufbahn, einem Wegesystem, Böschungen mit Stehrampen, einer Wasserrückgewinnungsanlage, Parkplätzen und Werkleitungen. Gegen das Vorhaben erhob eine Vielzahl von Anwohnern Einsprache. Mit Beschluss vom 11. März 2002 erteilte der Gemeinderat Würenlos die Baubewilligung mit zahlreichen Nebenbestimmungen. Die Einsprachen wurden teilweise gutgeheissen. Einige Einsprecher erhoben dagegen Beschwerde ans Baudepartement des Kantons Aargau (heute Departement Bau, Verkehr und Umwelt) und verlangten die Aufhebung der Baubewilligung. Eventualiter forderten sie verschiedene Auflagen im Zusammenhang mit dem Betrieb des Sportplatzes und den zu erwartenden Lärmimmissionen. Zudem ersuchten sie um gewisse Änderungen des Projektes und des Verkehrskonzeptes. Das Baudepartement hiess die Beschwerde am 25. Juni 2003 teilweise gut und verfügte verschiedene Nebenbestimmungen zum Betrieb der Sportanlage, insbesondere zur Benützung von Megaphonen, elektrischen Verstärkern, zur Lautsprecheranlage etc. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab. Gegen diesen Entscheid gelangten sowohl die Gemeinde Würenlos wie die beschwerdeführenden Anwohner ans Verwaltungsgericht des Kantons Aargau. Das Verwaltungsgericht beauftragte hierauf einen Experten der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) mit der Erstellung eines Lärmgutachtens. Zudem führte es am 6. Juli 2004 einen Augenschein vor Ort durch. Nach Abschluss zweier Messkampagnen erstattete der Experte am 27. April 2005 seinen Bericht. Die beschwerdeführenden Anwohner reichten daraufhin eine "Plausibilitätsprüfung" des Lärmgutachtens ein, welche in verschiedener Hinsicht Kritik am Expertenbericht übte. Der Experte nahm dazu mit Schreiben vom 13. April 2006 Stellung. In der Folge hiess das Verwaltungsgericht sowohl die Beschwerde der Gemeinde als auch diejenige der privaten Beschwerdeführer teilweise gut, hob verschiedene Ziffern des Entscheiddispositivs des Baudepartementes auf, formulierte sie zum Teil neu und wies die Beschwerden im Übrigen ab. Mit Eingabe vom 13. September 2006 erhob die Gemeinde Würenlos (Beschwerdeverfahren 1A.195/2006) BGE 133 II 292 S. 295 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht gegen das vorinstanzliche Urteil vom 23. Mai 2006. Sie beantragte in erster Linie eine Abänderung des Entscheiddispositivs in dem Sinne, dass die Heimspiele (insbesondere Meisterschafts- und Cupspiele) der Würenloser Sportvereine ausserhalb der Benützungszeiten auch am Samstag bis 22.00 Uhr zuzulassen seien. Zugleich forderte sie längere Benützungszeiten der Sportplätze. Die vom Verwaltungsgericht auf 21.00 Uhr terminierte Zeitschaltuhr wollte die Gemeinde erst um 22.00 Uhr automatisch ausschalten lassen, während die Bestimmung über die bewilligten Grossanlässe gemäss Antrag der Gemeinde gestrichen oder eventualiter umformuliert werden sollte. Weiter wollte die Gemeinde vereinzelte, jährlich nicht wiederkehrende, sport- oder nicht sportbezogene Grossanlässe als bewilligt erklären lassen. Am 14. September 2006 erhob auch das Ehepaar D. (private Beschwerdeführer, Beschwerdeverfahren 1A.201/2006, Eigentümer der Parzelle Nr. 4060) Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Die Ehegatten beantragten, sowohl das vorinstanzliche Urteil vom 23. Mai 2006 als auch den Entscheid des Baudepartementes vom 25. Juni 2004 und die Baubewilligung des Gemeinderates Würenlos vom 11. März 2002 aufzuheben. Eventualiter sei das Urteil des Verwaltungsgerichts dahingehend zu ergänzen, dass Wettkämpfe auf der Sportanlage Ländli verboten werden, zumindest soweit sie zur Überschreitung der Immissionsrichtwerte nach der deutschen Sportanlageverordnung beitragen. Subeventualiter sei das Verfahren zur neuen Beurteilung an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde der Gemeinde Würenlos gut und hebt das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 23. Mai 2006 auf. Die Angelegenheit wird zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau zurückgewiesen. Die Beschwerde der privaten Beschwerdeführer weist das Bundesgericht ab, soweit es darauf eintritt. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Die Lärmschutzverordnung vom 15. Dezember 1986 (LSV; SR 814.41) soll die Bevölkerung vor schädlichem und lästigem Lärm schützen, der beim Betrieb neuer und bestehender Anlagen nach Art. 7 USG (SR 814.01) erzeugt wird (Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a LSV). Von diesem Schutzzweck her erscheint es angemessen, alle BGE 133 II 292 S. 296 einem Betrieb zurechenbaren Lärmemissionen in die Betrachtung miteinzubeziehen, d.h. alle Geräusche, die durch die bestimmungsgemässe Nutzung der Anlage verursacht werden ( BGE 123 II 74 E. 3b S. 79), unabhängig davon, ob sie innerhalb oder ausserhalb des Gebäudes bzw. des Betriebsareals verursacht werden ( BGE 123 II 325 E. 4a/bb S. 328 mit zahlreichen Hinweisen). Über den technischen Eigenlärm hinaus ist einer Sportanlage also derjenige Lärm zuzurechnen, der von ihren Benützern bei bestimmungsgemässer Nutzung innerhalb und ausserhalb der Anlage erzeugt wird. Dazu gehört der bei der Sportausübung selber erzeugte Lärm. Auch der Schall von Lautsprecheranlagen und ähnlichen Einrichtungen ist zum Betriebslärm zu rechnen, genauso wie der von Trainern, Sportlern und Zuschauern durch Rufe, Schreie und Pfiffe etc. verursachte Lärm (siehe zum Ganzen THOMAS WIDMER DREIFUSS, Planung und Realisierung von Sportanlagen: raumplanerische, baurechtliche und umweltrechtliche Aspekte beim Bau und der Sanierung von Sportanlagen, Diss. Zürich 2002, S. 326 ff.). 3.2 Die LSV enthält jedoch nicht für alle Lärmarten Belastungsgrenzwerte. Solche fehlen insbesondere für so genannten "untechnischen" Alltagslärm, wie er Sportanlagen immanent ist (WIDMER DREIFUSS, a.a.O., S. 332). Während der Schall als physikalische Grösse exakt messbar ist, ist dessen unerwünschte Auswirkung - der Lärm - nicht messbar, sondern wird nach den Reaktionen der Betroffenen beurteilt. Für einige häufige, oft als besonders störend empfundene Schall- bzw. Lärmquellen (Strassenverkehr, Regionalflughäfen und Flugfelder, Industrie- und Gewerbebetriebe, Schiessanlagen) hat der Bundesrat gestützt auf Art. 13 Abs. 1 USG in den Anhängen 3 bis 7 der LSV mit den Belastungsgrenzwerten (Planungs-, Immissionsgrenz- und Alarmwerte; Art. 2 Abs. 5 LSV ) objektive Beurteilungskriterien aufgestellt, die auf die durchschnittliche Reaktion normal lärmempfindlicher Personen abgestützt sind (Urteil 1A.282/1993 vom 1. Dezember 1994, E. 3b, publ. in: URP 1995 S. 31 ff.). 3.3 Fehlen Belastungsgrenzwerte, so beurteilt die Vollzugsbehörde die Lärmimmissionen nach Art. 15 USG , unter Berücksichtigung der Art. 19 und 23 USG ( Art. 40 Abs. 3 LSV ; BGE 126 II 300 E. 4c/aa S. 307; BGE 123 II 74 E. 4a und b S. 82 f.; BGE 118 Ib 590 E. 3b S. 596). Nach Art. 15 USG sind die Immissionsgrenzwerte für Lärm so festzulegen, dass nach dem Stand der Wissenschaft oder der Erfahrung Immissionen unterhalb dieser Werte die Bevölkerung in ihrem BGE 133 II 292 S. 297 Wohlbefinden nicht erheblich stören. Im Rahmen dieser Einzelfallbeurteilung sind der Charakter des Lärms, Zeitpunkt und Häufigkeit seines Auftretens sowie die Lärmempfindlichkeit bzw. Lärmvorbelastung zu berücksichtigen ( BGE 123 II 74 E. 5a S. 86, BGE 123 II 325 E. 4d/bb S. 335; BGE 118 Ib 590 E. 4a S. 598). Dabei ist nicht auf das subjektive Lärmempfinden einzelner Personen abzustellen, sondern eine objektivierte Betrachtung unter Berücksichtigung von Personen mit erhöhter Empfindlichkeit ( Art. 13 Abs. 2 USG ) vorzunehmen ( BGE 126 II 366 E. 2c S. 368, BGE 123 II 300 E. 4c/aa S. 307; BGE 123 II 74 E. 5a S. 86, BGE 123 II 325 E. 4d/bb S. 334; Urteil des Bundesgerichts 1A.282/1993 vom 1. Dezember 1994, E. 4c, publ. in: URP 1995 S. 31). Unter Umständen können fachlich genügend abgestützte ausländische bzw. private Richtlinien eine Entscheidungshilfe bieten, sofern die Kriterien, auf welchen diese Unterlagen beruhen, mit denjenigen des schweizerischen Lärmschutzrechtes vereinbar sind. Als grundsätzlich problematisch muss hingegen die "sinngemässe" Anwendung von Grenzwerten, namentlich der Grenzwerte für Industrie- und Gewerbelärm, beurteilt werden. Belastungsgrenzwerte setzen typisierbare Situationen voraus, die sich auf einfache Weise durch akustische Beschreibungsgrössen zuverlässig erfassen lassen ( BGE 123 II 325 E. 4d/bb S. 334 mit Hinweisen). Für die Beurteilung von Sportlärm bietet sich insbesondere die deutsche Sportanlagenlärmschutzverordnung (Achtzehnte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 18. Juli 1991 [18. BImSchV]) an, deren Regelungen diejenigen des deutschen Bundesimmissionsschutzgesetzes ergänzen und den besonderen Charakteristiken von Sportgeräuschen speziell Rechnung tragen (WIDMER DREIFUSS, a.a.O., S. 335; CHRISTOPH ZÄCH/ROBERT WOLF, Kommentar USG, N. 44 zu Art. 15 USG ). Der deutsche Verordnungsgeber hat den Sportlärm in seiner Gesamtheit berücksichtigt und an den bestimmungsgemäss ermittelten Lärmbeurteilungspegeln Korrektive in Form von Zuschlägen angebracht (siehe dazu Ziff. 1.3.2.3 und 2.4 des Anhangs zur BImSchV). 3.4 Der vom Verwaltungsgericht beauftragte Experte hat denn bei seiner Beurteilung auch die 18. BImSchV berücksichtigt. Die Vorinstanz stimmt dem Experten darin zu, dass die deutsche Verordnung die Anforderungen an eine geeignete, den Stand der Technik wiedergebende Beurteilungsgrundlage eher erfülle als der Anhang 6 der LSV. BGE 133 II 292 S. 298 3.5 Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) hält dazu in seiner Stellungnahme fest, die Systematik der 18. BImSchV unterscheide sich von der in der LSV üblicherweise verwendeten Systematik, welche auf jahresdurchschnittliche Beurteilungspegel abstellt, wohingegen sich die deutschen Beurteilungspegel auf sehr kleine Mittelungszeiten beziehen. Zusammen mit den ebenfalls strengen Richtwerten - insbesondere innerhalb der festgelegten Ruhezeiten - würden die Anwohner gestützt auf die deutsche Verordnung einen erheblichen Schutzanspruch erhalten, welcher deutlich über dem sonst üblichen Schutzanspruch vor Lärm in Deutschland liege. Demgegenüber würden den Anwohnern auch Lasten auferlegt: Es gibt eine Regelung für seltene Ereignisse, bei denen die Immissionsrichtwerte um nicht mehr als 10 dB überschritten werden bzw. keinesfalls gewisse Höchstwerte erreichen dürfen. Solche seltenen Ereignisse werden auf 18 Kalendertage pro Jahr beschränkt (siehe Ziff. 1.5 des Anhangs der 18. BImSchV). Die jeweilige Ermittlungsmethode und die Belastungsgrenz- bzw. Richtwerte hängen gemäss Ausführungen des BAFU aufgrund ihres Zweckes und der gemeinsamen Erarbeitung eng miteinander zusammen, weshalb das Bundesamt die Anwendung der Verordnung nur als "ganzes Paket" empfiehlt, also sowohl hinsichtlich der Lärmermittlung wie auch in Bezug auf die Anwendung der Richtwerte. Das BAFU weist indes darauf hin, dass seines Erachtens die Immissionsrichtwerte der 18. BImSchV Richtwerte darstellen und keine Belastungsgrenzwerte. Der deutsche Verordnungsgeber überlasse den Vollzugsbehörden somit einen Ermessensspielraum. Dieser könne u.a. dazu genutzt werden, die Vorbelastung eines Wohngebietes zu berücksichtigen, was in der Schweiz durch die Zuordnung der Lärm-Empfindlichkeitsstufen (ES) geschehe. Weiter gälten die Immissionsrichtwerte gemäss § 1 Abs. 1 der 18. BImSchV für die Errichtung und den Betrieb von neuen Anlagen. Für Betriebe, welche vor Inkrafttreten der Verordnung baurechtlich genehmigt resp. bereits errichtet waren, gälten gemäss § 5 Abs. 4 der 18. BImSchV erhöhte Immissionsrichtwerte. Diese erhöhten Richtwerte entsprächen in ihrer Funktion den Immissionsgrenzwerten nach schweizerischem System, wohingegen die deutschen Immissionsrichtwerte ihrer Funktion nach den schweizerischen Planungswerten gleichzusetzen seien. 3.5.1 Sodann kenne die 18. BImSchV mehr Empfindlichkeitsstufen als das schweizerische Recht. Das BAFU macht darauf aufmerksam, dass bei der Übertragung auf hiesige Verhältnisse deshalb nicht BGE 133 II 292 S. 299 nur auf die Beschreibung der Nutzung in den Wohngebieten abzustellen sei. Vielmehr sei sowohl die Praxis bei der Ausscheidung bzw. Bezeichnung solcher Gebiete in Deutschland als auch diejenige bei der schweizerischen ES-Zuordnung zu beachten. Gestützt auf diese Überlegungen empfiehlt das BAFU, die Werte für die allgemeinen Wohngebiete und Kleinsiedlungsgebiete (§ 2 Abs. 2 Ziff. 3 der 18. BImSchV) als massgebende Richtwerte für die ES II anzuwenden. Die Werte für die reinen Wohngebiete in Deutschland (§ 2 Abs. 2 Ziff. 4 der 18. BImSchV) müssten als Zwischenstufe zwischen der ES I und II betrachtet werden. Das BAFU erstellt dazu ein Beurteilungsschema und leitet in Anlehnung an die 18. BImSchV Richtwerte ab, welche in ihrer Funktion den schweizerischen Planungs- und Immissionsgrenzwerten entsprechen sollen. 3.5.2 Auf diese Grundlagen abstellend, kommt das BAFU zum Schluss, das Lärmgutachten der EMPA vom 27. April 2005 und die Ergänzungen vom 13. April 2006 würden den Anforderungen der 18. BImSchV nicht gerecht; sie seien für die Beurteilung des Projekts unvollständig. Demgegenüber entspreche das von den privaten Beschwerdeführern beim Lärmkontor in Hamburg neu in Auftrag gegebene Gutachten der deutschen Verordnung und lasse eine störungsgerechte Beurteilung der Situation im Prinzip zu. Die Quellenwerte, welche der Lärmkontor seinen Berechnungen zu Grunde gelegt habe, könnten im vorliegenden Fall als gute Ausgangswerte bezeichnet werden. Hinsichtlich der Beurteilung kurzzeitiger Geräuschspitzen könne zudem auf die Messungen der EMPA abgestellt werden. Das BAFU zieht darum für seine Beurteilung beide Gutachten bei, was ihm seines Erachtens eine störungsgerechte Beurteilung der Lärmsituation erlaubt. Nach seinen neuen Berechnungen wären folgende Benützungszeiten der Anlage "Ländli" möglich: - Montag-Freitag von 6.00-8.00 Uhr (morgendliche Ruhezeit): Schulsport ist möglich. - Montag-Freitag von 8.00-20.00 Uhr: jeglicher Trainingsbetrieb, Ligaspiele ohne Zuschauerrampe sowie Turntraining mit Musik sind BGE 133 II 292 S. 300 möglich. Eine Mittagspause muss nicht eingelegt werden. - Montag-Freitag von 20.00-22.00 Uhr: jeglicher Trainingsbetrieb, Ligaspiele ohne Zuschauerrampe sowie Turntraining mit Musik sind möglich. - Samstag von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr: jeglicher Trainingsbetrieb, zwei Ligaspiele mit Zuschauerrampe sowie Turntraining mit Musik sind möglich. Der Einsatz der mobilen Beschallungsanlage mit plombierter Pegelbegrenzung ist ebenfalls möglich. Eine Mittagspause muss nicht eingelegt werden. - Samstag von 20.00-22.00 Uhr: jeglicher Trainingsbetrieb, Ligaspiele ohne Zuschauerrampe sowie Turntraining mit Musik sind möglich. - Sonntag: Eine Nutzung ist grundsätzlich nicht ausgeschlossen, müsste sich jedoch auf maximal vier Stunden beschränken. Zusätzlich hält das BAFU fest, kurzzeitige Geräuschspitzen während dieses Betriebs würden gemäss der Messungen der EMPA die einzuhaltenden Immissionsgrenzwerte nicht überschreiten. Als so genannte "seltene Ereignisse" könnten insgesamt an 18 Kalendertagen sportliche oder nicht sportliche Grossanlässe (z.B. auch weitere Ligaspiele mit Zuschauerrampe) unter Einhaltung der speziell dafür vorgesehenen Immissionsgrenzwerte stattfinden. Die Berechnungen des BAFU lassen demzufolge einerseits eine grosszügigere Nutzung der Anlage zu als die vom Verwaltungsgericht errechnete. Andererseits lässt das BAFU unter der Woche und samstags von 20.00-22.00 Uhr bei Ligaspielen keine Zuschauerrampe zu. Nach Auffassung des BAFU kommt Art. 11 Abs. 3 USG (die verschärfte Emissionsbegrenzung) als Grundlage für die vom Verwaltungsgericht verfügten Einschränkungen nicht in Frage. Indessen seien strengere Betriebszeiten im Rahmen des Vorsorgeprinzips gestützt auf Art. 11 Abs. 2 USG i.V.m. Art. 8 Abs. 1 LSV allenfalls zu rechtfertigen. Da eine Prüfung unter diesem Aspekt bis anhin nicht stattgefunden hat, lässt das BAFU diese Frage offen. 3.6 Die Gemeinde wendet sich grundsätzlich gegen die Anwendung der 18. BImSchV. Es sei nicht angängig, die Systematik der deutschen Verordnung derjenigen des schweizerischen Rechts anzugleichen. Insbesondere kenne das USG weder spezielle Ruhezeiten noch Spezialwerte für Sonn- und Feiertage. Sodann stellt sie Detailfragen zu der vom BAFU vorgeschlagenen Nutzungsregelung. 3.7 Die privaten Beschwerdeführer qualifizieren das Vorhaben als Neuanlage. Zudem erachten sie die Auslegung der 18. BImSchV durch das BAFU in verschiedener Hinsicht als fehlerhaft. 3.8 Nachfolgend ist zu prüfen, ob das vom BAFU vorgeschlagene Vorgehen zur Klärung der Lärmsituation sachgerecht und rechtmässig ist und welche Konsequenzen sich gegebenenfalls daraus ergeben. BGE 133 II 292 S. 301 4. 4.1 Die 18. BImSchV stellt zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb (immissionsschutzrechtlich) nicht genehmigungsbedürftiger Sportanlagen. Zu diesem Zweck konkretisieren die Richtwerte verbindlich die Zumutbarkeit (so das deutsche Bundesverwaltungsgericht [BVwGer] in der Neuen Zeitschrift für Verwaltungsrecht [NVwZ] 2000 S. 1050, 1051; BVerwG, NVwZ 1995 S. 993; NVwZ 2000 S. 550). Umstritten ist, ob die Richtwerte zugleich eine absolute Zumutbarkeitsschwelle markieren, die unter keinen Umständen unterschritten werden darf (GERD KETTELER, Die Sportanlagenlärmschutzverordnung in Rechtsprechung und behördlicher Praxis, NVwZ 2002 S. 1072 mit Hinweisen). Die von den privaten Beschwerdeführern gerügte Feststellung des Bundesamtes, wonach der deutsche Gesetzgeber den Vollzugsbehörden bei der Anwendung der Richtwerte einen Ermessensspielraum zugestehe, ist nicht entscheidrelevant; das BAFU hat die vorgegebenen Richtwerte bei seiner Beurteilung des Sportlärms herangezogen, was grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. 4.2 Weiter erscheint die Interpretation von § 5 Abs. 4 der 18. BImSchV, wie sie das BAFU vorgenommen hat, missverständlich. Gemäss der zitierten Norm soll die zuständige Behörde bei Sportanlagen, die vor Inkrafttreten dieser Verordnung baurechtlich genehmigt oder - soweit eine Baugenehmigung nicht erforderlich war - errichtet waren, von einer Festsetzung von Betriebszeiten absehen, wenn die Immissionsrichtwerte an den in § 2 Abs. 2 genannten Immissionsorten jeweils um weniger als 5 dB(A) überschritten werden; dies gilt nicht an den in § 2 Abs. 2 Nr. 5 genannten Immissionsorten. Indes bedeutet dies nichts anderes, als dass bei einer Lärmüberschreitung von mehr als 5 dB(A) Betriebszeiten festgelegt werden sollen, welche den Immissionen Rechnung tragen. Gemäss deutscher Praxis bezieht sich die Privilegierung von Altanlagen nur auf die Festsetzung von Betriebszeiten und beinhaltet keine generelle Erhöhung der Richtwerte, so dass alle anderen (technischen, baulichen, organisatorischen) Massnahmen, die der Einhaltung der Immissionsrichtwerte dienen, angeordnet werden können (KETTELER, a.a.O., S. 1074 mit Hinweisen). Grundsätzlich gelten demnach im deutschen Recht bei Altanlagen dieselben Richtwerte wie bei neu erstellten Anlagen. Die Feststellung des BAFU ist dennoch nicht schlechthin falsch, wenn es davon ausgeht, bei Altanlagen gälten um BGE 133 II 292 S. 302 5 dB(A) erhöhte Richtwerte. Altanlagen werden gegenüber neuen Anlagen immerhin in gewissem Umfang privilegiert. Zumindest eine Ähnlichkeit zwischen den schweizerischen Planungs- und Immissionsgrenzwerten einerseits und den Richtwerten für Neuanlagen und den erhöhten Richtwerten, welche bei Altanlagen zur Festlegung von Betriebszeiten führen, andererseits, ist damit nicht von der Hand zu weisen. Im Sinne des Ermessens, welches dem Richter bei der lärmrechtlichen Beurteilung aufgrund von Art. 15 USG mangels vorgegebener Belastungsgrenzwerte zukommt, scheint das Vorgehen des BAFU nicht bundesrechtswidrig, sondern nachvollziehbar. 4.3 Die Verordnung kann dem Richter als Entscheidhilfe dienen, soweit deren Kriterien mit dem schweizerischen Lärmschutzsystem vereinbar sind. Zu beachten ist dabei konkret, dass das deutsche Recht die Störwirkung von an sich nicht messbaren Faktoren mit einem Korrekturzuschlag von einer bestimmten Anzahl dB(A) auf die technisch ermittelten Werte erfasst. WIDMER DREIFUSS weist denn auch darauf hin, dass das deutsche System die Gefahr bergen könnte, Sportgeräusche zu starr zu beurteilen (WIDMER DREIFUSS, a.a.O., S. 352). Hinzu kommt, dass die 18. BImSchV Ruhezeiten kennt (an Werktagen morgens von 6.00-8.00 Uhr und abends von 20.00-22.00 Uhr; an Sonn- und Feiertagen von 7.00-9.00 Uhr, von 13.00-15.00 Uhr und von 20.00-22.00 Uhr; § 2 Abs. 5 der 18. BImSchV), welche dem schweizerischen System grundsätzlich fremd sind. Indes regelt die LSV wie gesehen den Sportlärm überhaupt nicht, weshalb eine Anlehnung an die deutsche Regelung auch in diesem Bereich möglich ist. Allenfalls lassen sich solche Einschränkungen unter dem Aspekt des Vorsorgeprinzips gemäss Art. 11 Abs. 2 USG begründen. Das BAFU hat nach Parallelen gesucht und einen gangbaren Weg aufgezeigt. Insbesondere scheint die von ihm vorgenommene tabellarische Umdeutung der deutschen Lärmzuteilung je nach besonderer Wohnsituation auf die schweizerischen Empfindlichkeitsstufen als praktikabel. Indes geht aus seiner Stellungnahme nicht mit hinreichender Deutlichkeit hervor, in welcher Hinsicht die Lärmmessungen des vom Gericht beauftragten Experten fehlerhaft sein sollen. Ebenso wenig zeigt das angefochtene Urteil auf, inwiefern die deutschen Richtwerte an die schweizerischen Planungs-, resp. Immissionsgrenzwerte angepasst wurden. Auch das Gutachten der EMPA hilft nicht weiter, wenn dort festgestellt wird, die Richtwerte BGE 133 II 292 S. 303 könnten im Sinne von schweizerischen Immissionsgrenzwerten interpretiert werden. Hinzu kommt, dass das zweite Gutachten des Lärmkontors, auf welches das BAFU sich massgeblich abgestützt hat, erst im bundesgerichtlichen Verfahren eingereicht wurde, dem Verwaltungsgericht mithin noch nicht zur Verfügung stand. 4.4 Insgesamt lässt sich die Bundesrechtskonformität des umstrittenen Projekts aufgrund der heute zur Diskussion stehenden Betriebszeiten und verschiedenen vorgeschlagenen Lärmschutzmassnahmen nicht abschliessend beurteilen. Es ist nicht Aufgabe des Bundesgerichts, dies als erste und einzige Instanz zu tun, weshalb dem detaillierten Antrag der Gemeinde in dieser Form nicht Folge gegeben werden kann. Die Berechnungen des BAFU legen indes nahe, dass die vom Verwaltungsgericht festgelegten Benutzungszeiten zu restriktiv sind, weshalb die Gemeinde mit ihrem Hauptanliegen sinngemäss obsiegt. In Gutheissung ihrer Beschwerde und in Aufhebung des angefochtenen Entscheids hat das Verwaltungsgericht das Projekt im Sinne der Erwägungen nochmals zu beurteilen. Es wird aufgrund der Ausführungen des BAFU zu prüfen haben, ob es das zweite Gutachten des Lärmkontors zu Rate ziehen oder ein zusätzliches Gutachten einholen will; desgleichen hat es darzulegen, ob und inwiefern es bei seiner Beurteilung auf die 18. BImSchV abstellt. Legt es seinen Betriebsvorschriften und den von ihm verhängten baulichen Massnahmen die eigene Erfahrung zugrunde, hat es darzulegen, von welchen Überlegungen es sich leiten liess und inwiefern es allenfalls zusätzlich dem Vorsorgegedanken Rechnung getragen hat. Die privaten Beschwerdeführer dringen demgegenüber mit ihren Anliegen nicht durch, auch wenn sie in ihrem Subeventualantrag um Rückweisung an das Verwaltungsgericht ersuchen. Sie bezwecken damit strengere Vorgaben, welche aufgrund der Berechnungen des BAFU und der gesamten Interessenabwägung nicht zu erwarten sind.
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Sachverhalt ab Seite 353 BGE 136 I 352 S. 353 Im Hinblick auf die Wahl des Landrates des Kantons Nidwalden von 2010 legte der Regierungsrat des Kantons Nidwalden mit Beschluss vom 24. März 2009 die Zahl der in jeder politischen Gemeinde zu wählenden Mitglieder des Landrates fest (NG 132.12; Amtsblatt Nr. 14 vom 1. April 2009 S. 489 ff.). Er stützte sich dabei auf Art. 65 der Kantonsverfassung und Art. 53 des Wahl- und Abstimmungsgesetzes. Der Beschluss hat folgenden Wortlaut: "1. Aufgrund der kantonalen Einwohnerstatistik vom 31. Dezember 2008 haben in den Landrat des Kantons Nidwalden zu wählen: Politische Gemeinde Einwohner Landratsmitglieder Stans 7'775 11 Ennetmoos 2'035 3 Dallenwil 1'771 3 Stansstad 4'460 6 Oberdorf 3'133 5 Buochs 5'296 8 Ennetbürgen 4'259 6 Wolfenschiessen 2'018 3 Beckenried 3'229 5 Hergiswil 5'402 8 Emmetten 1'215 2 Diese Mandatsverteilung findet bei der Gesamterneuerungswahl des Landrates im Jahre 2010 Anwendung. (...)" BGE 136 I 352 S. 354 Diesen Regierungsratsbeschluss fochten die "Grünen Nidwalden" und zwei Stimmbürger beim Verfassungsgericht des Kantons Nidwalden wegen Verletzung der Bundes- und der Kantonsverfassung an. Dieses wies die Beschwerde am 27. Oktober 2009 ab. Es kam zum Schluss, dass die Wahlkreiseinteilung mit stark voneinander abweichenden Mandatszahlen den Anforderungen von Art. 34 i.V.m. Art. 8 BV an sich nicht genüge, indessen in Anbetracht der historischen Verhältnisse mit der Verfassung im Einklang stehe. Gegen diesen Entscheid haben die Abgewiesenen beim Bundesgericht in der Form von Art. 82 lit. c BGG Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben. Sie beantragen die Aufhebung des angefochtenen Urteils und ersuchen um entsprechende Feststellung und um Vorkehren für die Gesamterneuerungswahl des Landrates von 2014. Sie machen geltend, das bestehende Wahlverfahren mit sehr unterschiedlich grossen Wahlkreisen verletze die Verfassung und werde durch keine historischen Verhältnisse gerechtfertigt.
473
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde im Sinne der Erwägungen teilweise gut und stellt fest, dass das Proporzwahlverfahren des Kantons Nidwalden für die Wahl des Landrates vor der Bundesverfassung nicht standhalte. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die Kantone sind in der Ausgestaltung ihres politischen Systems und des Wahlverfahrens weitgehend frei. Art. 39 Abs. 1 BV hält fest, dass die Kantone - entsprechend ihrer Organisationsautonomie - die Ausübung der politischen Rechte in kantonalen und kommunalen Angelegenheiten regeln. Diese Zuständigkeit wird ausgeübt im Rahmen der bundesverfassungsrechtlichen Garantie von Art. 34 BV sowie nach den Mindestanforderungen gemäss Art. 51 Abs. 1 BV (vgl. ANDREAS KLEY, in: Die Schweizerische Bundesverfassung - Kommentar, 2. Aufl. 2008, N. 2 und 5 zu Art. 39 BV ). Art. 34 Abs. 1 BV gewährleistet die politischen Rechte (auf Bundes- sowie Kantons- und Gemeindeebene) in abstrakter Weise und ordnet die wesentlichen Grundzüge der demokratischen Partizipation im Allgemeinen. Der Gewährleistung kommt Grundsatzcharakter zu. Sie weist Bezüge auf zur Rechtsgleichheit sowie zur BGE 136 I 352 S. 355 Rechtsweggarantie. Der konkrete Gehalt der politischen Rechte mit ihren mannigfachen Teilgehalten ergibt sich nicht aus der Bundesverfassung, sondern in erster Linie aus dem spezifischen Organisationsrecht des Bundes bzw. der Kantone (vgl. zum Ganzen BGE 134 I 199 E. 1.2 S. 201; BGE 131 I 74 E. 3.1 S. 78, BGE 135 I 442 E. 3.1 S. 446; BGE 129 I 185 E. 3.1 S. 190 und E. 7.2 S. 199; BGE 125 I 21 E. 3d/dd S.32; BGE 124 I 55 E. 5a S. 62; Urteil 1P.537/2001 vom 26. Februar 2002 E. 2, in: ZBl 103/2002 S. 537; je mit Hinweisen; GEROLD STEINMANN, in: Die Schweizerische Bundesverfassung - Kommentar, 2. Aufl. 2008, N. 4 ff. zu Art. 34 BV ). Die in Art. 34 Abs. 2 BV verankerte Wahl- und Abstimmungsfreiheit gibt den Stimmberechtigten Anspruch darauf, dass kein Abstimmungsergebnis anerkannt wird, das nicht den freien Willen der Stimmberechtigten zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt. Es soll garantiert werden, dass jeder Stimmberechtigte seinen Entscheid gestützt auf einen möglichst freien und umfassenden Prozess der Meinungsbildung treffen und entsprechend mit seiner Stimme zum Ausdruck bringen kann. Die Wahl- und Abstimmungsfreiheit gewährleistet die für den demokratischen Prozess und die Legitimität direktdemokratischer Entscheidungen erforderliche Offenheit der Auseinandersetzung ( BGE 135 I 292 E. 2 S. 293, BGE 135 I 19 E. 2.1 S. 21; je mit Hinweisen). Vor diesem Hintergrund ist zu prüfen, welche politischen Rechte die Nidwaldner Rechtsordnung gewährt und wie diese vor den Grundsätzen der Bundesverfassung zu beurteilen sind. 3. 3.1 Die Verfassung und die Gesetzgebung des Kantons Nidwalden enthalten zur Frage der Wahl des Landrates folgende Bestimmungen: Verfassung des Kantons Nidwalden (KV/NW; SR 131.216.2): Art. 42 Wahlen Die Wahlen sind als Mehrheitswahlen durchzuführen, soweit durch das Gesetz nicht die Verhältniswahl eingeführt wird. Art. 50 Ausübung des Stimm- und Wahlrechts 1 Die Aktivbürgerinnen und Aktivbürger üben ihr Stimm- und Wahlrecht in den Politischen Gemeinden aus. (...) Art. 51 Wahlen Die Stimmberechtigten wählen: 1. den Landrat; (...) BGE 136 I 352 S. 356 Art. 57 Zusammensetzung (des Landrates) Der Landrat besteht aus 60 Mitgliedern. Art. 58 Wahlkreise 1 Für die Wahlen in den Landrat bildet jede politische Gemeinde einen Wahlkreis. 2 Jeder Wahlkreis wählt nach den Vorschriften des Gesetzes die Mitglieder, die ihm aufgrund der Einwohnerzahl zukommen; (...) 3 Jeder Wahlkreis hat Anspruch auf mindestens zwei Sitze. Gesetz über die Verhältniswahl des Landrates vom 26. April 1981 (NG 132.1; im Folgenden: Proporzgesetz): Art. 1 Grundsatz 1 Die Wahlen in den Landrat sind nach Massgabe der Gesetzgebung durch die Politischen Gemeinden durchzuführen. 2 Die Wahlen in den Landrat erfolgen durch die Urnenabstimmung getrennt von der Gemeindeversammlung nach dem Verhältniswahlverfahren. Art. 22 Verteilung der Sitze auf die Listen 1 Die Zahl der gültigen Listenstimmen aller Listen wird durch die um eins vermehrte Zahl der zu vergebenden Sitze geteilt; das Ergebnis, auf die nächste ganze Zahl aufgerundet, bildet die massgebende Verteilungszahl. 2 Jeder Liste werden so viele Sitze zugeteilt, als die Verteilungszahl in ihrer Stimmenzahl enthalten ist. 3 Die verbliebenen Sitze werden wie folgt verteilt: die Stimmenzahl jeder Liste wird durch die um eins vermehrte Zahl der ihr schon zugewiesenen Sitze geteilt; der Liste, die dabei die grösste Zahl erreicht, wird ein weiterer Sitz zugeteilt; dieses Verfahren wird wiederholt, bis alle Sitze verteilt sind. Vollzugsverordnung vom 13. November 1981 zum Gesetz über die Verhältniswahl des Landrates (Proporzverordnung; NG 132.11): § 1 Wahlkreis Jede politische Gemeinde bildet einen Wahlkreis. Gesetz vom 26. März 1997 über die politischen Rechte im Kanton (Wahl- und Abstimmungsgesetz; NG 132.2): Art. 53 Wahlkreis (für die Wahl des Landrates) Die Einteilung der Wahlkreise richtet sich nach Art. 58 der Kantonsverfassung. Art. 56 Sitzzahl 1 Jeder Wahlkreis erhält zunächst so viele Sitze, als die Wahlzahl in der Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner des Wahlkreises enthalten ist. BGE 136 I 352 S. 357 2 Die auf diese Weise nicht zugeteilten Sitze fallen den Wahlkreisen mit den grössten Restzahlen zu; bei gleichen Restzahlen entscheidet das vom Landammann zu ziehende Los über die Zuteilung des betreffenden Restmandates. 3 Jeder Wahlkreis hat Anspruch auf mindestens zwei Sitze; Wahlkreise, die sonst nicht mindestens auf zwei Sitze kommen, erhalten die letzten Restmandate. 4 Der Regierungsrat stellt in dem der Wahl vorausgehenden Kalenderjahr durch Beschluss fest, wie viele Mitglieder des Landrates in jedem Wahlkreis zu wählen sind. 3.2 Im Ausgangspunkt ergibt sich aus diesen Bestimmungen, dass die Kantonsverfassung keine Proporzwahl vorschreibt, sondern im Grundsatz von Majorzwahlen ausgeht und überdies die politischen Gemeinden als Wahlkreise mit einer Mindestgarantie von zwei Sitzen bezeichnet. Sie behält indes mit Art. 42 die Einführung der Verhältniswahl durch Gesetz vor, ohne hierfür Näheres zu bestimmen. Davon hat der Gesetzgeber mit dem Proporzgesetz Gebrauch gemacht (Art. 1 Abs. 2 und Art. 22 Proporzgesetz). Jeder Wahlkreis wählt nach den Vorschriften des Gesetzes die Mitglieder, die ihm aufgrund der Einwohnerzahl zukommen ( Art. 58 Abs. 2 KV/NW ). Die Wahlzahl ergibt sich, indem die Zahl der Kantonseinwohner durch die Mandatszahl 60 geteilt und das Ergebnis auf die nächste Zahl aufgerundet wird (Art. 55 Wahl- und Abstimmungsgesetz). Das in den Art. 21-23 Proporzgesetz niedergelegte Wahlverfahren folgt der Methode "Hagenbach-Bischoff" (siehe dazu BGE 129 I 185 E. 7.1.1 S. 197). 3.3 Es zeigt sich im vorliegenden Fall, dass das auf Gesetzesstufe im Kanton Nidwalden eingeführte Wahlverfahren kein reines Proporzverfahren darstellt. Ein reines Verhältniswahlrecht würde voraussetzen, dass der Kanton entweder in möglichst grosse und gleiche Wahlkreise mit vielen Sitzen eingeteilt, der Kanton ohne Unterteilung gar einen Einheitswahlkreis bilden oder weitere, nachfolgend zu erläuternde Massnahmen auf Gesetzesstufe vorgekehrt würden (vgl. BGE 131 I 74 E. 3.3 S. 79 f.; BGE 125 I 21 E. 3d/dd S. 33; Urteil 1P.537/2001 vom 26. Februar 2002 E. 3.4, in: ZBl 103/2002 S. 537). 3.4 Ein Proporzverfahren zeichnet sich dadurch aus, dass es den verschiedenen Gruppierungen eine Vertretung ermöglicht, die weitgehend ihrem Wähleranteil entspricht ( BGE 107 Ia 217 E. 3a S. 220; Urteil 1P.671/1992 vom 8. Dezember 1993 E. 3, in: ZBl 95/1994 S. 479). Die Realisierung des Verhältniswahlrechts hängt u.a. von BGE 136 I 352 S. 358 der Grösse der Wahlkreise ab. Je mehr Mandate einem Wahlkreis zustehen, desto tiefer ist das natürliche Quorum, d.h. der Stimmenanteil, den eine Liste benötigt, um bei der ersten Sitzverteilung einen Sitz zu erhalten. Ein tiefes natürliches Quorum trägt dazu bei, dass alle massgeblichen politischen Kräfte nach Massgabe ihrer Parteistärke im Parlament Einsitz nehmen können. Umgekehrt gilt, dass je weniger Mandate einem kleinen Wahlkreis zugeteilt werden, desto höherer Wähleranteile es bedarf, um ein Mandat zu erreichen ( BGE 131 I 74 E. 3.3 S. 80; vgl. zum Begriff des natürlichen Quorums BGE 129 I 185 E. 7.1 S. 197 f.). Hohe natürliche Quoren bewirken, dass nicht bloss unbedeutende Splittergruppen, sondern auch Minderheitsparteien mit einem gefestigten Rückhalt in der Bevölkerung von der Mandatsverteilung ausgeschlossen bleiben ( BGE 129 I 185 E. 7.6.1 S. 201). Unterschiedlich grosse Wahlkreise bewirken zudem, dass im Vergleich unter den Wahlkreisen nicht jeder Wählerstimme das gleiche politische Gewicht zukommt. Je kleiner ein Wahlkreis - im Vergleich mit einem Wahlkreis mit vielen Sitzen - ist, desto grösser ist das natürliche Quorum und damit die Zahl der Wähler, die mit der Wahl nicht vertreten sind und deren Stimmen gewichtlos bleiben ( BGE 131 I 74 E. 3.3 S. 80). 3.5 Gestützt auf den massgeblichen Zeitpunkt ermittelte der Regierungsrat mit dem zugrunde liegenden Beschluss für die Landratswahlen 2010 die Verteilung der Mandate auf die Gemeinden folgendermassen (vgl. Sachverhalt): Politische Gemeinde Einwohner Landratsmitglieder Stans 7'775 11 Ennetmoos 2'035 3 Dallenwil 1'771 3 Stansstad 4'460 6 Oberdorf 3'133 5 Buochs 5'296 8 Ennetbürgen 4'259 6 Wolfenschiessen 2'018 3 Beckenried 3'229 5 Hergiswil 5'402 8 Emmetten 1'215 2 BGE 136 I 352 S. 359 Daraus ergeben sich je Gemeinde die nachfolgenden natürlichen Quoren: Politische Gemeinde Stimmenanteil in % für 1 Sitz Stans 8,3 Ennetmoos 25,0 Dallenwil 25,0 Stansstad 14,3 Oberdorf 16,6 Buochs 11,1 Ennetbürgen 14,3 Wolfenschiessen 25,0 Beckenried 16,6 Hergiswil 11,1 Emmetten 33,3 Die natürlichen Quoren liegen - abgesehen vom Wahlkreis Stans - durchwegs über 10 %. In der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind vorerst natürliche Quoren von 33,33 %, 20 % bzw. 16,66 % als verfassungswidrig qualifiziert worden. In Fortführung dieser Rechtsprechung und um der Rechtssicherheit willen hat das Bundesgericht festgehalten, dass natürliche Quoren (wie auch direkte, gesetzliche Quoren), welche die Limite von 10 % übersteigen, mit einem Verhältniswahlrecht grundsätzlich nicht zu vereinbaren sind. Dieser Wert gilt als Zielgrösse. Er ist allenfalls in Beziehung zu setzen zu überkommenen Gebietsorganisationen, die namentlich dem Schutz von Minderheiten dienen ( BGE 131 I 74 E. 5.4 S. 83 mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall zeigt sich, dass in der Gemeinde Stans mit 11 Sitzen eine Liste eines Stimmenanteils von nur 8,3 % bedarf, um einen Sitz zu erhalten. Umgekehrt beträgt der für einen Sitz erforderliche Stimmenanteil in der Gemeinde Emmetten mit bloss 2 Sitzen 33,3 %. Der Durchschnitt für alle Gemeinden liegt bei 18,2 % und überschreitet bereits die genannte kritische Grösse von 10 %. Schon in dieser Hinsicht kann nicht gesagt werden, dass das vom Gesetzgeber eingeführte Wahlverfahren einem echten Proporzverfahren entspricht. Auch im Vergleich unter den Wahlkreisen kann nicht gesagt werden, dass die Erfolgswertgleichheit hinreichend gewahrt sei. Die 60 Landratssitze werden auf 11 Wahlkreise verteilt. In den einzelnen Wahlkreisen schwankt die Zahl der zu Wählenden zwischen 2 und 11. Der theoretische Durchschnitt von 5,45 Sitzen pro BGE 136 I 352 S. 360 Wahlkreis wird in Stans mit 11 Sitzen massiv überschritten, in Emmetten mit 2 Sitzen massiv unterschritten. In der Doktrin wird gefordert, dass die einzelnen Wahlkreise nur wenig bzw. um höchstens ein Drittel vom Mittelwert abweichen sollen (vgl. PIERRE TSCHANNEN, Stimmrecht und politische Verständigung, 1995, S. 499 N. 749; ALFRED KÖLZ, Probleme des kantonalen Wahlrechts, in: ZBl 88/1987 S. 1 und 31). Es ist im vorliegenden Verfahren nicht erforderlich, eine zulässige Abweichung von einem Mittelwert abstrakt festzulegen. Es genügt die Feststellung, dass die unterschiedliche Grösse der Wahlkreise im vorliegenden Fall der Wahlfreiheit nicht hinreichend gerecht wird. Gesamthaft zeigt sich, dass einerseits die hohen natürlichen Quoren mit einem echten Verhältniswahlrecht nicht vereinbar sind. Andererseits stehen die grossen Differenzen der für einen Sitzgewinn erforderlichen Stimmenanteile mit der Erfolgswertgleichheit im Widerspruch. Damit wird das Wahlverfahren der sich aus Art. 34 Abs. 2 BV ergebenden Wahlfreiheit nicht gerecht, wonach kein Wahlergebnis anerkannt werden soll, das nicht den freien Willen der Wählenden zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt. Die sich aus der verfassungsrechtlichen Garantie der politischen Rechte ergebenden Vorgaben werden deutlich verfehlt. Auch gewichtige politische Minderheiten sind vom Landrat ausgeschlossen und eine grosse Anzahl von Wählerstimmen bleibt unbeachtlich. Darin liegt ein schwerwiegender Mangel, der mit den Grundsätzen des Verhältniswahlrechts unvereinbar ist, wie auch das Verfassungsgericht des Kantons Nidwalden festgestellt hat. 4. Damit stellt sich die Frage, ob das vorliegende Wahlsystem aus Gründen überkommener Gebietsorganisation gerechtfertigt werden kann. Das Verfassungsgericht hat dies angenommen. Die Beschwerdeführer bestreiten das Vorliegen hinreichender historischer Gründe. 4.1 Das Bundesgericht anerkennt im Grundsatz, dass Gründe überkommener Gebietsorganisation proporzfremde Elemente und somit ein Abweichen vom Verhältniswahlrecht rechtfertigen können. Es kann sich dabei um historische, föderalistische, kulturelle, sprachliche, ethnische oder religiöse Gründe handeln, welche kleine Wahlkreise als eigene Identitäten und als "Sonderfall" erscheinen lassen und ihnen - auf Kosten des Proporzes - im Sinne eines Minderheitenschutzes einen Vertretungsanspruch einräumen. Die Rechtsprechung hat allerdings betont, dass es hierfür ausreichender BGE 136 I 352 S. 361 sachlicher Gründe bedürfe ( BGE 129 I 185 E. 3.1 S. 190; BGE 131 I 74 E. 3.2 S. 79, BGE 131 I 85 E. 2.2 S. 87 mit Hinweisen). Je grösser die Abweichungen vom Proporzverfahren und von der Erfolgswertgleichheit sind, desto gewichtiger müssen sich die rechtfertigenden Gründe erweisen. 4.2 Nach den Feststellungen des Verfassungsgerichts bildeten die Kirchgemeinden Stans, Buochs und Wolfenschiessen seit dem Mittelalter die für die Militärorganisation und untersten Gerichtsinstanzen massgebenden territorialen Einheiten. Seit dem 14. Jahrhundert bestanden die sog. Uerten, aus deren Mitte die Landräte gewählt wurden. Von 1815 bis 1850 existierten 13 Uerten (Stans, Ennetmoos, Dallenwil-Wisenberg, Stansstad/Obbürgen/Kersiteh, Oberdorf/Waltersberg, Büren nid dem Bach, Buochs, Ennetbürgen, Wolfenschiessen, Büren ob dem Bach, Beggenried, Hergiswil und Emmetten). Die Kantonsverfassung von 1850 schuf die 11 (heute noch als sog. politische Gemeinden existierenden) Bezirksgemeinden, denen die Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten oblag und welche die Aufgaben der bis dahin bestehenden Uerten übernahmen. Die Wahl der Landräte oblag ab 1850 der Landsgemeinde und wurde mit der Revision von 1877 auf die Bezirksgemeinden übertragen. Die heutigen politischen Gemeinden sind Nachfolgerinnen der früheren Uerten, vorbehältlich gewisser untergeordneter Anpassungen der Gebietsgrenzen. Bei dieser Sachlage handle es sich, so das Verfassungsgericht, um historisch gewachsene Wahlkreise, für die es lediglich zwischen 1850 und 1877 einen Unterbruch gab. Als politische Einheiten ermöglichten sie den Einwohnern eine gewisse Identifikation. Sie bildeten seit jeher Einheiten mit erheblicher und im schweizerischen Vergleich aussergewöhnlich weitgehender organisatorischer, wirtschaftlicher und politischer Autonomie und entsprechendem Zusammengehörigkeitsgefühl. Die Gemeinden führten noch heute grösstenteils ein eigenes gesellschaftliches und kulturelles Leben. Die Beschwerdeführer anerkennen, dass die mittelalterlichen Kirchgemeinden und Uerten als Wurzeln der heutigen Gemeinden betrachtet werden können, auch wenn sie mit den heutigen Gemeinden weder hinsichtlich der Aufgaben noch gebietsmässig identisch waren. Sie machen allerdings geltend, der Umstand, dass sich die Gemeinden bereits im Mittelalter herausgebildet hätten, bedeute keinen Sonderfall, sondern sei vielmehr eine allgemeine geschichtliche und in der Schweiz weitverbreitete Tatsache. Im Übrigen hätten die Gemeinden in den letzten Jahrzehnten dauernd an BGE 136 I 352 S. 362 Eigenständigkeit, Einfluss und Wirksamkeit gegenüber dem Kanton eingebüsst und unterstünden einer ausgeprägten Aufsicht seitens des Kantons. Die marginale Zuständigkeit in Bezug auf Gerichtssachen bzw. das gemeindeweise organisierte Friedensrichteramt sei von untergeordneter Bedeutung und werde überdies mit Inkrafttreten der eidgenössischen Zivilprozessordnung per 2011 entfallen. Dass sich Gemeinden eines gewissen Vereins- und kulturellen Eigenlebens erfreuten, sei ein allgemeines Charakteristikum schweizerischer Gemeinden und keine Spezialität Nidwaldens. Schliesslich sei heute ein hoher Mobilitätsgrad zu beobachten und wiesen alle Gemeinden eine mehr oder weniger hohe Durchmischung mit Zugezogenen auf, was das Zusammengehörigkeitsgefühl auch ehedem eher abgeschotteter ländlicher Gemeinden relativiere. 4.3 Das Verfassungsgericht beschränkt sich beim Hinweis auf besondere rechtfertigende Umstände weitgehend auf die Wiedergabe der sich in verschiedenen Bundesgerichtsurteilen findenden abstrakten Formel. Es hebt die historischen Gegebenheiten hervor. Die Gemeinden werden als mit erheblicher und im schweizerischen Vergleich besonders weitgehender organisatorischer, wirtschaftlicher und politischer Autonomie ausgestattete politische Einheiten mit entsprechendem Zusammengehörigkeitsgefühl dargestellt. Das Gericht unterlässt es indes, im Einzelnen auszuführen, welche konkreten Umstände diese Attribute rechtfertigen sollen und inwiefern - im Vergleich zu Gemeinden anderer Kantone - ein Sonderfall vorliege. Letztlich begnügt es sich mit dem Argument, dass die die Wahlkreise bildenden politischen Gemeinden historisch gewachsen sind. Dieser Umstand stellt indes kein besonderes Charakteristikum dar und dürfte über den Kanton Nidwalden hinaus auf die meisten Kantone zutreffen. Das rein historische Argument vermag daher für sich allein keinen hinreichenden Grund für die erheblichen Einbrüche in das Proporzverfahren und die Erfolgswertgleichheit abzugeben. Darüber hinaus sind für die politischen Gemeinden kaum erhebliche Besonderheiten ersichtlich. Sprachliche oder religiöse Gründe, welche die oder zumindest einzelne Gemeinden als besondere Identitäten erscheinen liessen, werden nicht namhaft gemacht. Es wird nicht aufgezeigt, dass einzelne Gemeinden aufgrund ihrer besonderen Struktur oder Lage auf eine spezielle Vertretung im Landrat im Sinne eines Minderheitenschutzes angewiesen wären. Schliesslich kann nicht gesagt werden, dass die Gemeindeautonomie und die den Gemeinden übertragenen Aufgaben ein Mass BGE 136 I 352 S. 363 annähmen, das sich auf das Wahlverfahren auswirken könnte. Dem bisher gemeindeweise organisierten Friedensrichteramt kommt keine Bedeutung zu. 4.4 Zusammenfassend ergibt sich entgegen der Auffassung des Verfassungsgerichts, dass keine Gründe im Sinne der genannten Kriterien gegeben sind, welche die politischen Gemeinden als besondere Identitäten erscheinen liessen und die genannten erheblichen Eingriffe ins Verhältniswahlrecht rechtfertigen könnten. 5. 5.1 Wie dargelegt, überlässt es die Kantonsverfassung dem Gesetzgeber, anstelle des Majorzwahlverfahrens die Verhältniswahl einzuführen. Entschliesst sich der Gesetzgeber wie hinsichtlich der Wahl des Landrates für das Proporzwahlverfahren, gebietet die Bundesverfassung, den Grundentscheid konsequent umzusetzen. Es obliegt dem Gesetzgeber, im Rahmen der Kantonsverfassung die für eine echte Proporzwahl erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen und den ihm eingeräumten Gestaltungsspielraum im Sinne des Proporzgedankens zu nutzen. Dem Gesetzgeber stehen unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung, das Bekenntnis zum Proporz bundesverfassungskonform umzusetzen. Zum einen könnten auf Gesetzesstufe Wahlkreisverbände geschaffen werden, welche im Sinne des Verhältniswahlrechts einen Ausgleich unter den unterschiedlich grossen Wahlkreisen bewirken würden (vgl. BGE 131 I 74 ; Urteil P.918/1986 vom 9. Dezember 1986, in: ZBl 88/1987 S. 367). Zum andern liesse sich durch eine zentrale Verteilung der Parteimandate nach der doppeltproportionalen Methode "Doppelter Pukelsheim" ein wahlkreisübergreifender Ausgleich realisieren (vgl. zu dieser Methode PUKELSHEIM/SCHUHMACHER, Das neue Zürcher Zuteilungsverfahren für Parlamentswahlen, AJP 2004 S. 505). Anzufügen ist, dass eine Stärkung des Proporzgedankens auch durch eine Wahlkreisreform auf Verfassungsstufe erreicht werden könnte, entweder durch die Festlegung neuer Wahlkreise oder durch die Schaffung eines Einheitswahlkreises. Der Gesetzgeber hat von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch gemacht und daher ein Verhältniswahlverfahren geschaffen, das mit den aus der Bundesverfassung fliessenden Anforderungen nicht im Einklang steht. 5.2 Damit erweist sich die Beschwerde in diesem Punkte als begründet. Die Aufhebung des zugrunde liegenden BGE 136 I 352 S. 364 Regierungsratsbeschlusses bzw. der in der Zwischenzeit erfolgen Landratswahl fällt ausser Betracht (nicht publ. E. 1). Im Sinne der Beschwerdeanträge ist die Verfassungswidrigkeit des geltenden Verfahrens für die Wahl des Landrates förmlich festzustellen. Es obliegt dem Kanton Nidwalden, Abhilfe zu schaffen und unter verschiedenen Möglichkeiten eine Wahl zu treffen. Die zuständigen Behörden des Kantons Nidwalden sind daher im Sinne eines Appellentscheides aufzufordern, im Hinblick auf die nächste Wahl des Landrates unter Beachtung der vorstehenden Erwägungen eine verfassungskonforme Wahlordnung zu schaffen (vgl. BGE 131 I 74 E. 6.1 S. 84). (...)
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Sachverhalt ab Seite 215 BGE 141 IV 215 S. 215 A. X. verfasste am 22. März 2012 unter Benützung seines Computers den folgenden Text und veröffentlichte diesen auf seiner Profilseite der Online-Plattform "Facebook": "FREUT SICH HÜT NIEMERT, DASS ICH GEBORE WORDE BIN... ICH SCHWÖR, ICH ZAHLS EU ALLNE ZRUG!!! ES ISCH NÖD E FRAG VO DE HÖFLICHKEIT, SONDERN VOM RESPEKT UND EHRE. ICH VERNICHTE EUI ALLI, IHR WERDET ES BEREUE, BGE 141 IV 215 S. 216 DASS IHR MIR NÖD IM ARSCH KROCHE SIND, DENN JETZT CHAN EU NIEMERT ME SCHÜTZE... POW!!!!POW!!!!POW!!!!" Dieser Text war für diejenigen Personen einsehbar, welche über die Online-Plattform "Facebook" ein eigenes Profil erstellt und in Bezug auf das Profil von X. den Freundschaftsstatus innehatten. Es handelte sich um zirka 290 Personen, was X. wusste. B. B.a Die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl sprach X. mit Strafbefehl vom 4. Oktober 2012 der Schreckung der Bevölkerung ( Art. 258 StGB ) schuldig und bestrafte ihn mit einer unbedingten Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu Fr. 30.-, wobei 21 Tagessätze durch Haft erstanden waren. X. erhob Einsprache. Die Staatsanwaltschaft hielt am Strafbefehl fest und überwies die Akten dem erstinstanzlichen Gericht. B.b Der Einzelrichter des Bezirks Zürich sprach X. am 4. Dezember 2012 der versuchten Schreckung der Bevölkerung im Sinne von Art. 258 in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB schuldig und bestrafte ihn mit einer unbedingten Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu Fr. 10.-, wovon 21 Tagessätze durch Haft erstanden waren. X. erklärte Berufung. B.c Das Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, sprach X. am 25. November 2013 der versuchten Schreckung der Bevölkerung (Art. 258 in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB ) schuldig und bestrafte ihn mit einer teilbedingten Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu Fr. 10.-, unbedingt vollziehbar im Umfang von 21 Tagessätzen, wobei die Strafe durch die anzurechnenden 21 Tage Haft bereits erstanden war, und bedingt vollziehbar im Umfang von 24 Tagessätzen bei einer Probezeit von drei Jahren. C. X. erhebt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich sei aufzuheben und er sei vom Vorwurf der versuchten Schreckung der Bevölkerung freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege. D. Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich haben auf Vernehmlassung verzichtet. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. BGE 141 IV 215 S. 217
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.3 2.3.1 Art. 258 StGB ist nur anwendbar, wenn die "Bevölkerung" (la "population", la "popolazione") in Schrecken versetzt beziehungsweise zu versetzen versucht wird. Die Vorinstanz befasst sich mit diesem Tatbestandsmerkmal nicht im Einzelnen. Sie prüft stattdessen, ob der Beschwerdeführer die inkriminierte Äusserung "öffentlich" tat. Sie bejaht dies unter Berufung auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum Merkmal der Öffentlichkeit beim Tatbestand der Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261 bis StGB ( BGE 130 IV 111 E. 5 f.). Die inkriminierte Äusserung habe von den rund 290 "Facebook"-Freunden des Beschwerdeführers gelesen werden können. Diese seien nicht alle miteinander bekannt oder durch persönliche Beziehungen verbunden gewesen. Sie hätten zudem durch Drücken des "like-button" die Äusserung ihren Freunden zur Kenntnis geben können, worüber der Beschwerdeführer keine Kontrolle gehabt habe. Die inkriminierte Äusserung sei daher nicht im privaten Rahmen, sondern öffentlich erfolgt. 2.3.2 Unter welchen Voraussetzungen Äusserungen im "Facebook" an "Facebook"-Freunde als "öffentlich" im Sinne des Tatbestands der Rassendiskriminierung ( Art. 261 bis StGB ) zu qualifizieren sind und ob die inkriminierten Äusserungen in diesem Sinne öffentlich waren, ist hier nicht zu entscheiden, da vorliegend nicht Art. 261 bis StGB zur Diskussion steht. Den Tatbestand der Schreckung der Bevölkerung gemäss Art. 258 StGB erfüllt nicht schon, wer durch öffentliche Äusserungen andere Personen in Schrecken versetzt. Der Tatbestand setzt vielmehr voraus, dass der Täter die Bevölkerung (la population, la popolazione) in Schrecken versetzt. Die Lehre nimmt an, dass mit dem Begriff der "Bevölkerung" im Sinne von Art. 258 StGB ein grösserer Personenkreis, eine unbestimmte Vielzahl von Personen gemeint ist (GERHARD FIOLKA, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 3. Aufl. 2013, N. 20, 24 zu Art. 258 StGB ; STRATENWERTH/BOMMER, Besonderer Teil II: Straftaten gegen Gemeininteressen, 7. Aufl. 2013, § 38 N. 2, 5). Unter "Bevölkerung" im Sinne dieser Bestimmung sei nicht die Gesamtheit der Einwohner eines Gebiets zu verstehen. Vielmehr reiche aus, dass eine grössere Anzahl von Personen (beispielsweise Angehörige bestimmter Konfessionen, Rassen oder Bevölkerungsschichten) betroffen sei (HANS BGE 141 IV 215 S. 218 VEST, in: Delikte gegen den öffentlichen Frieden [...], 2007, N. 16 zu Art. 258 StGB ; DONATSCH/WOHLERS, Delikte gegen die Allgemeinheit, 4. Aufl. 2011, S. 184 f.; VITAL SCHWANDER, Das schweizerische Strafgesetzbuch, 2. Aufl. 1964, S. 411). Das Merkmal der "Bevölkerung" ist auch im Straftatbestand der Finanzierung des Terrorismus gemäss Art. 260 quinquies StGB enthalten. Die Botschaft zu dieser Strafbestimmung hält unter Hinweis auf eine Meinungsäusserung in der Lehre fest, unter "Bevölkerung" sei - wie bei Art. 258 StGB - ein grösserer Personenkreis, eine unbestimmte Vielzahl von Personen zu verstehen (Botschaft vom 26. Juni 2002 betreffend die Internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus und zur Bekämpfung terroristischer Bombenanschläge sowie die Änderung des Strafgesetzbuches und die Anpassung weiterer Bundesgesetze, BBl 2002 5390 ff., 5440 Ziff. 4.5.5). Das österreichische Recht enthält einen Straftatbestand, welcher dem Tatbestand der Schreckung der Bevölkerung gemäss Art. 258 StGB ungefähr entspricht. Gemäss § 275 A-StGB ("Landzwang") wird bestraft, wer die Bevölkerung oder einen grossen Personenkreis durch eine Drohung mit einem Angriff auf Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, Freiheit oder Vermögen in Furcht und Unruhe versetzt. Aus diesem Gesetzeswortlaut ergibt sich, dass ein "grosser Personenkreis" nicht ohne weiteres als "Bevölkerung" zu qualifizieren ist. Nach Rechtsprechung und Lehre zu dieser Strafbestimmung ist unter "Bevölkerung" die Einwohnerschaft eines bestimmten Gebiets zu verstehen und somit für den Begriff primär die räumliche Verbundenheit durch Wohnen innerhalb eines bestimmten Gebiets massgebend. Demgegenüber ist ein "grosser Personenkreis" bei einer Vielzahl von Menschen gegeben, die so erheblich sein muss, dass deren Bedrohung eine Störung des öffentlichen Friedens bedeutet (PLÖCHL, in: Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 2. Aufl. 2014, N 3 ff. zu § 275 österr. StGB). 2.3.3 Unter der "Bevölkerung" sind nach dem allgemeinen Sprachgebrauch "alle Bewohner, Einwohner eines bestimmten Gebietes" zu verstehen (Duden, Das Bedeutungswörterbuch, 4. Aufl. 2010). "Bevölkerung" meint "die Gesamtheit aller Personen, die in einem bestimmten Gebiet leben. Je nach Fragestellung kann ein solches die gesamte Erde umfassen (Welt-B.) oder sehr eng eingegrenzt sein (Stadtteil)" (Brockhaus Enzyklopädie, 21. Aufl. 2006). Entsprechend werden die Begriffe "population" und "popolazione" in der französischen und in der italienischen Sprache definiert. "Population" meint BGE 141 IV 215 S. 219 "ensemble des personnes qui habitent un espace, une terre. La population du globe, de la France, d'une ville" (Le Petit Robert, Aufl. 2011). "Popolazione" bedeutet "la quantità delle persone che vivono in un determinato territorio: la p. della Francia, di Milano" (Dizionario della Lingua Italiana, Aufl. 2004-2005). Der Begriff der "Bevölkerung" wird aber mitunter auch in einem weiteren Sinne definiert. Gemeint ist danach die "Gesamtheit von Personen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt durch ihren Wohnsitz, ihre Arbeitsstätte oder ihre Staatsbürgerschaft einem bestimmten Gebiet zuzuordnen sind (räuml. Abgrenzung) oder die zu einer Gruppe gehören, die durch andere Kriterien (z.B. Sprache, Erwerbstätigkeit, ethn. Zugehörigkeit) definiert ist" (Meyers Enzyklopädisches Lexikon in 25 Bänden, 9. Aufl. 1972). 2.3.4 Der Begriff der "Bevölkerung" im Sinne von Art. 258 StGB erfasst nach seinem allgemeinen Sprachgebrauch zweifellos die Gesamtheit der Bewohner eines bestimmten, mehr oder weniger grossen Gebietes. Der Begriff der "Bevölkerung" im Sinne von Art. 258 StGB ist aber in Anbetracht der Einordnung dieser Strafbestimmung bei den Delikten "gegen den öffentlichen Frieden" weiter zu fassen. Eine "Bevölkerung" in diesem Sinne bildet auch die Gesamtheit der Personen, die sich, als Repräsentanten der Allgemeinheit, eher zufällig und kurzfristig gleichzeitig an einem bestimmten Ort befinden, beispielsweise in einem Kaufhaus, in einem öffentlichen Verkehrsmittel oder in einem Sportstadion. Hingegen kann der Personenkreis, mit welchem der Urheber einer Äusserung durch Freundschaft oder Bekanntschaft im realen oder virtuellen Leben verbunden ist, nicht als "Bevölkerung" im Sinne von Art. 258 StGB angesehen werden, zumal hier ein Bezug zu einem bestimmten Ort fehlt. 2.3.5 Indem der Beschwerdeführer die inkriminierte Äusserung an seine rund 290 "Facebook"-Freunde adressierte und darin im Besonderen diejenigen Freunde ansprach, die ihm nicht zum Geburtstag gratuliert hatten, richtete er sich nicht an die "Bevölkerung" im Sinne von Art. 258 StGB .
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Sachverhalt ab Seite 137 BGE 131 III 136 S. 137 A. Das Betreibungsamt A. schätzte am 3. September 2003 in der Betreibung auf Grundpfandverwertung Nr. 1 das Grundstück in der Gemeinde B., Grundbuchblatt ..., Kat. Nr. ... / Plan ..., auf Fr. 1'960'000.-. Auf Begehren des Schuldners und Pfandeigentümers X. hin ordnete das Bezirksgericht Horgen als untere Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen am 13. Oktober 2003 die Neuschätzung durch einen Sachverständigen an. Der Sachverständige Y. schätzte das Grundstück mit Gutachten vom 5. Dezember 2003 auf Fr. 1'685'000.- und mit Ergänzungsgutachten vom 18. März 2004 auf Fr. 1'750'000.-. B. Mit Beschluss vom 9. Juli 2004 setzte die untere Aufsichtsbehörde den Schätzwert auf Fr. 1'885'000.- (Schätzungswert gemäss Ergänzungsgutachten plus Fr. 135'000.- für Abbruchkosten) und auferlegte X. die Gutachterkosten sowie eine pauschale Spruchgebühr von Fr. 500.-. Gegen diesen Beschluss erhob X. Beschwerde, welche das Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, als obere kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen mit Beschluss vom 1. Oktober 2004 abwies. C. X. hat den Beschluss der oberen Aufsichtsbehörde mit Beschwerdeschrift vom 22. Oktober 2004 (rechtzeitig) an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts weitergezogen und beantragt sinngemäss, der angefochtene Beschluss und die Sachverständigenschätzung sowie die erstinstanzliche Spruchgebühr seien aufzuheben. Die obere Aufsichtsbehörde hat anlässlich der Aktenüberweisung auf Gegenbemerkungen ( Art. 80 OG ) verzichtet. Mit Eingabe vom 5. November 2004 hat die untere Aufsichtsbehörde zur Spruchgebühr Stellung genommen. Weitere Vernehmlassungen sind nicht eingeholt worden.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Die obere Aufsichtsbehörde hat weiter die von der unteren Aufsichtsbehörde für den Beschluss über den massgebenden Schätzwert der Liegenschaft erhobene pauschale Spruchgebühr von Fr. 500.- geschützt. Sie hat im Wesentlichen erwogen, der Entscheid nach Art. 9 Abs. 2 (i.V.m. Art. 99 Abs. 2) der Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über die Zwangsverwertung von BGE 131 III 136 S. 138 Grundstücken (VZG; SR 281.42) stelle keinen Entscheid im grundsätzlich kostenlosen Beschwerdeverfahren dar ( Art. 20a Abs. 1 SchKG ); der Kostenspruch stütze sich vielmehr auf Art. 1 Abs. 2 der Gebührenverordnung vom 23. September 1996 zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (GebV SchKG; SR 281.35), wonach eine nicht besonders tarifierte Verrichtung wegen besonderer Umstände erhöht werden könne. Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, beim Verfahren nach Art. 9 Abs. 2 VZG handle es sich um ein kostenloses Beschwerdeverfahren, da das Begehren um Neuschätzung innert der Beschwerdefrist nach Art. 17 Abs. 2 SchKG zu stellen sei und die obere Aufsichtsbehörde das erstinstanzliche Verfahren als "Beschwerde" bezeichnet habe. Im Übrigen gebe es keinen Grund zur Annahme besonderer Umstände, welche die Erhöhung einer Gebühr zu seinen Lasten rechtfertigen würden. 3.1 Nach Art. 16 Abs. 1 SchKG setzt der Bundesrat den Gebührentarif fest. Dabei ist in erster Linie an die Gebühren der Betreibungs- und Konkursämter sowie der Aufsichtsbehörden zu denken, sodann an solche der Gerichte in betreibungsrechtlichen Verfahren (vgl. BGE 54 I 161 E. 2 S. 162; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. I, § 15 Rz. 2 f. und 6; STRAESSLE/KRAUSKOPF, Erläuterungen zum Gebührentarif, 1972, S. 10). Nach Art. 1 Abs. 1 GebV SchKG findet die Gebührenverordnung ausdrücklich Anwendung auf die Gebühren und Entschädigungen der Ämter, Behörden und übrigen Organe, die in Anwendung des SchKG oder anderer Erlasse des Bundes im Rahmen der Zwangsvollstreckung, eines Nachlassverfahrens oder einer Stundung Verrichtungen vornehmen. Soweit weder das SchKG noch die Gebührenverordnung Ausnahmen vorsehen, unterstehen alle erfassten Verrichtungen der Gebührenpflicht ( Art. 1 Abs. 2 GebV SchKG ; EMMEL, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, N. 6 zu Art. 16 SchKG ). 3.2 Im Pfandverwertungsverfahren ist gemäss Art. 99 Abs. 2 VZG das Ergebnis der Schätzung dem Gläubiger, der die Verwertung verlangt hat, sowie dem Schuldner und einem allfälligen Dritteigentümer mit der Anzeige mitzuteilen, dass sie innerhalb der Beschwerdefrist bei der Aufsichtsbehörde eine neue Schätzung durch Sachverständige im Sinne des Art. 9 Abs. 2 VZG verlangen können. Es ist zu Recht unbestritten, dass es sich beim Entscheid der BGE 131 III 136 S. 139 unteren Aufsichtsbehörde über den nach Neuschätzung einzusetzenden massgebenden Schätzwert des Grundstückes um eine Verrichtung im Sinne von Art. 1 Abs. 1 GebV SchKG handelt, weil diese von einer Behörde in Anwendung des SchKG bzw. eines Erlasses des Bundes im Rahmen der Zwangsvollstreckung vorgenommen worden ist. Strittig ist einzig, ob die fragliche Verrichtung unter die Ausnahme von Art. 20a Abs. 1 erster Satz SchKG bzw. Art. 61 Abs. 2 lit. a GebV SchKG fällt, wonach das Beschwerdeverfahren unentgeltlich ist. 3.2.1 Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist die blosse Bezeichnung des Verfahrens durch die Vorinstanz für die erkennende Kammer nicht verbindlich. Sodann gibt der Wortlaut von Art. 99 Abs. 2 und Art. 9 Abs. 2 VZG keine klare Antwort, ob es sich beim Recht auf Neuschätzung um eine Beschwerde im Sinne von Art. 17 i.V.m. Art. 20a SchKG handle, da einzig von der massgeblichen Frist die Rede ist. Die Beschwerde nach Art. 17 Abs. 1 SchKG bezweckt indessen die Aufhebung oder Abänderung von gesetzwidrigen oder unangemessenen Verfügungen (vgl. Art. 21 SchKG ). Damit lässt sich der Anspruch auf Neuschätzung durch Sachverständige nicht vergleichen. Dieser Anspruch dient gerade nicht der Nachprüfung der betreibungsamtlichen (Sachverständigen-) Schätzung bzw. der Aufsichtsbehörde ist eine Nachprüfung untersagt ( BGE 60 III 189 S. 190; BGE 110 III 69 E. 3 S. 71 f.). Er trägt vielmehr dem Umstand Rechnung, dass die Ansichten über den Verkaufswert eines Grundstücks - selbst unter Sachverständigen - nicht selten erheblich auseinander liegen können (vgl. BGE 120 III 79 E. 2b S. 81). Vor diesem Hintergrund erscheint - wie die Vorinstanz zu Recht gefolgert hat - der Entscheid der unteren Aufsichtsbehörde über den massgeblichen Schätzwert nicht als Rechtsmittelentscheid, sondern als weitere amtliche Tätigkeit eines Vollstreckungsorganes (vgl. FRITZSCHE/WALDER, a.a.O., § 31 Rz. 25 Anm. 46), dessen besondere Inanspruchnahme ohne weiteres der Gebührenpflicht unterliegt. 3.2.2 Die GebV SchKG bestimmt abschliessend, welche Gebühren und Auslagen im Einzelfall zu belasten und wie sie zu bemessen sind ( BGE 128 III 476 E. 1 S. 478; EMMEL, a.a.O., N. 4 zu Art. 16 SchKG ). Der Entscheid der unteren Aufsichtsbehörde über den massgeblichen Schätzwert nach Neuschätzung durch Sachverständige stellt keinen gerichtlichen Entscheid in betreibungsrechtlichen Summarsachen dar, sodass eine "pauschale Spruchgebühr" BGE 131 III 136 S. 140 gemäss Art. 48 und 49 GebV SchKG ausser Betracht fällt. Ebenso wenig lässt sich die Gebühr für den fraglichen Entscheid auf Art. 28 GebV SchKG stützen, welche nur für die Schätzung von Pfändern durch das Betreibungsamt erhoben werden kann (vgl. Art. 16-42 GebV SchKG im 2. Kapitel "Gebühren des Betreibungsamtes"). Bei der Veranlassung einer Neuschätzung und Festlegung des massgeblichen Schätzwertes durch die untere Aufsichtsbehörde handelt es sich - wie die obere Aufsichtsbehörde zu Recht erkannt hat - vielmehr um eine nicht besonders tarifierte Verrichtung, für welche nach Art. 1 Abs. 2 erster Satz GebV SchKG eine Gebühr von bis zu Fr. 150.- erhoben werden kann. Höhere Gebühren können durch die Aufsichtsbehörde nur festgesetzt werden, wenn die Schwierigkeit der Sache, der Umfang der Bemühungen oder der Zeitaufwand es rechtfertigt (Art. 1 Abs. 2 zweiter Satz GebV SchKG). Für eine derartige höhere (ausserordentliche) Gebühr sind indessen die nähere Bezeichnung der Art der Verrichtung sowie Angaben über den Zeitaufwand notwendig; eine Pauschale ohne Substantiierung ist unzulässig (vgl. BGE 107 III 43 E. 4b S. 46; STRAESSLE/ KRAUSKOPF, a.a.O., S. 19). Weder aus dem angefochtenen Beschluss noch aus dem Beschluss der unteren Aufsichtsbehörde gehen hinreichende Angaben hervor, die eine höhere Gebühr ausweisen würden. Vor diesem Hintergrund ist nicht haltbar, wenn die obere Aufsichtsbehörde die erstinstanzliche "pauschale Spruchgebühr" von Fr. 500.- geschützt hat, sondern es muss bei der Erhebung einer Gebühr von höchstens Fr. 150.- sein Bewenden haben. Die Beschwerde ist insoweit begründet. Ob die Gebühr - wie der Beschwerdeführer offenbar meint - tiefer als Fr. 150.- sein soll, ist hingegen eine Ermessensfrage, welche mit Beschwerde gemäss Art. 19 SchKG nicht überprüft werden kann ( BGE 120 III 97 E. 2 S. 100). 3.3 Nach dem Dargelegten ist die Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden kann, teilweise gutzuheissen, und die Gebühr für den Beschluss der unteren Aufsichtsbehörde ist auf Fr. 150.- festzusetzen. Im Übrigen ist die Beschwerde abzuweisen.
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Erwägungen ab Seite 491 BGE 139 V 490 S. 491 Aus den Erwägungen: 2. 2.2 Laut Art. 38 Abs. 4 lit. a in Verbindung mit Art. 60 Abs. 2 ATSG (SR 830.1) steht die 30-tägige Beschwerdefrist vom siebten Tag vor Ostern bis und mit dem siebten Tag nach Ostern still (du septième jour avant Pâques au septième jour après Pâques inclusivement; dal settimo giorno precedente la Pasqua al settimo giorno successivo alla Pasqua incluso). In allen drei Sprachfassungen (praktisch) wörtlich dieselbe Fristenstillstandsregelung findet sich in Art. 46 Abs. 1 lit. a BGG , Art. 22a Abs. 1 lit. a VwVG (SR 172.021) und Art. 34 Abs. 1 lit. a des auf Ende 2006 hin aufgehobenen Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege (Bundesrechtspflegegesetz [OG]; AS 1969 768). Unter "Ostern" ("Pâques"; "Pasqua") im Sinne dieser Bestimmungen verstehen Rechtsprechung und Lehre seit jeher ausschliesslich den Ostersonntag und nicht etwa - wie der Beschwerdeführer geltend macht - Ostersonntag und Ostermontag zusammen oder gar den Zeitraum von Karfreitag bis und mit Ostermontag (hinsichtlich Art. 38 Abs. 4 lit. a ATSG : Urteil 9C_413/2011 vom 15. Mai 2012 E. 5.3; MELCHIOR VOLZ, in: Gesetz über das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Zünd/Pfiffner Rauber [Hrsg.], 2. Aufl. 2009, N. 104 in fine zu § 13 GSVGer; bezüglich Art. 46 Abs. 1 lit. a BGG : Urteile 1C_581/2013 vom 25. Juni 2013 E. 2 und 5A_144/2007 vom 18. Oktober 2007 E. 1; JEAN-MAURICE FRÉSARD, in: Commentaire de la LTF, Corboz und andere [Hrsg.], 2009, N. 6c in fine zu Art. 46 BGG ; für Art. 22a Abs. 1 lit. a VwVG : Urteil 2C_429/2007 vom 4. Oktober 2007 E. 1 am Anfang; URS PETER CAVELTI, in: Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, Auer und andere [Hrsg.], 2008, N. 6 zu Art. 22a VwVG ; mit Bezug auf Art. 34 Abs. 1 lit. a OG : Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 156/70 vom 8. September 1970 E. 1a in fine, nicht publ. in: BGE 96 V 129 , aber in: ZAK 1971 S. 215; vgl. auch das Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts C 243/97 vom 30. Oktober 1997 zu § 13 Abs. 3 lit. a des Gesetzes vom 7. März 1993 über das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich [GSVGer; LS 212.81], dessen Wortlaut mit den hievor angeführten bundesrechtlichen Normen übereinstimmt). Für ein Abrücken von der bisherigen Betrachtungsweise besteht kein Anlass.
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Sachverhalt ab Seite 146 BGE 110 V 145 S. 146 A.- A la suite d'un accord intervenu en 1966 entre l'Office fédéral des assurances sociales et la Délégation permanente de la BGE 110 V 145 S. 147 Commission des Communautés européennes auprès des organisations internationales, à Genève (ci-après la Délégation), plusieurs employés de nationalité étrangère travaillant au service de celle-ci ont été affiliés à la Caisse cantonale genevoise de compensation en qualité d'assurés dont l'employeur n'est pas tenu de payer des cotisations au sens de l' art. 6 LAVS . Ultérieurement, en juillet 1976, un "compte collectif" fut ouvert auprès de ladite caisse, au nom de la Délégation, sur lequel les cotisations des salariés concernés furent versées par l'intermédiaire de cette dernière. Par décision du 1er juillet 1982, la caisse de compensation précitée a signifié à la Délégation qu'à l'occasion d'une révision du "compte collectif", elle avait constaté que trois ressortissants étrangers, dont Liliane Rastello, au bénéfice de privilèges et d'immunités diplomatiques ou d'exemptions fiscales particulières n'étaient, en réalité, pas soumis à l'obligation d'assurance. En conséquence, les cotisations versées pour leur compte depuis 1976 devaient leur être restituées. Pour ces trois personnes, le montant total à rembourser s'élevait à Fr. ... Le 1er juillet 1982 également, la caisse de compensation rendit une autre décision par laquelle elle notifia à Liliane Rastello, qui est de nationalité française, qu'elle n'était pas assujettie à l'AVS en vertu de l' art. 1er al. 2 let. a LAVS et qu'un montant de Fr. ... versé en 1975 au titre de cotisations AVS/AI/APG lui serait restitué, tandis que les cotisations indûment payées pour les années 1976 à 1980 seraient remboursées directement à son employeur, avec lequel l'intéressée était invitée à "prendre contact". En réalité, Liliane Rastello n'était plus au service de la Délégation, son engagement - qui avait débuté en 1975 - ayant pris fin en 1980. B.- Par jugements séparés du 4 novembre 1982, la Commission cantonale genevoise de recours en matière d'AVS a rejeté les recours formés par la Délégation d'une part et Liliane Rastello d'autre part contre les décisions du 1er juillet 1982. Elle a considéré, en bref, que c'était à la suite d'une erreur administrative que les employés en question avaient été affiliés à l'AVS, nonobstant le texte clair de l' art. 1er al. 2 let. a LAVS , de sorte que la caisse de compensation avait à juste titre décidé de leur restituer les cotisations correspondantes, le principe de la bonne foi devant, par ailleurs, céder le pas à une réglementation spéciale résultant impérativement et directement de la loi. C.- La Délégation et Liliane Rastello interjettent recours de droit administratif. La première conclut à l'annulation du BGE 110 V 145 S. 148 jugement entrepris et prend des conclusions qui tendent à faire reconnaître la qualité d'assurés aux membres de la Délégation titulaires du statut diplomatique, subsidiairement à maintenir leurs droits acquis et plus subsidiairement à faire restituer par la caisse de compensation la totalité des cotisations versées à tort. Quant à Liliane Rastello, elle conclut également à l'annulation du prononcé cantonal et au maintien de son affiliation à l'AVS durant la période pendant laquelle elle a cotisé. L'Office fédéral des assurances sociales propose d'admettre le recours interjeté par Liliane Rastello et d'en faire de même pour celui formé par la Délégation, mais seulement dans la mesure où les cotisations versées jusqu'à la décision du 1er juillet 1982 doivent être reconnues formatrices de rentes. L'autorité fédérale de surveillance est d'avis, en effet, que les intéressés doivent être protégés dans leur bonne foi. D.- En cours d'instruction, le juge délégué a invité la Direction des organisations internationales du Département fédéral des affaires étrangères à le renseigner sur le statut, en Suisse, de la Délégation et de ses employés, du point de vue du droit international public, et les parties ont eu l'occasion de se déterminer sur la réponse du Département.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. Etant donné que les deux recours concernent des faits de même nature et posent les mêmes questions matérielles, il se justifie de les joindre et de les trancher par un seul arrêt ( ATF 105 V 129 consid. 2b; voir également ATF 108 V 192 consid. 1). 2. a) Aux termes d'une décision prise le 14 juillet 1964 par le Conseil fédéral, dans le cadre de ses compétences constitutionnelles ( art. 102 ch. 8 Cst. ), pièce produite par le Département fédéral des affaires étrangères en procédure fédérale, la Délégation est assimilée aux délégations permanentes des Etats membres des organisations internationales et bénéficie, par conséquent, des mêmes privilèges et immunités que lesdites délégations permanentes (voir en outre MÉNÉTREY, Le statut fiscal des représentations diplomatiques et consulaires et de leur personnel, RDAF 34/1978 p. 4 ch. 124). Sous l'angle de l'AVS, elle n'est donc, en principe, pas soumise à l'obligation de payer des cotisations en tant qu'employeur ( art. 12 al. 3 LAVS et 33 RAVS). Ce point n'est d'ailleurs pas contesté puisqu'il ressort clairement de la décision BGE 110 V 145 S. 149 signifiée le 1er juillet 1982 à la Délégation par la caisse intimée que les cotisations litigieuses ont été calculées au taux applicable aux cotisations des assurés dont l'employeur n'est pas tenu d'en payer ( art. 6 LAVS , 3 LAI, 27 al. 2 LAPG et 23a RAPG), soit 8,9% de 1976 à 1978 et 9,4% pour 1979 et 1980. Ne sont donc pas en cause, dans la présente procédure, des cotisations paritaires dont la moitié aurait été payée par la Délégation en vertu de son obligation légale d'employeur ( art. 13 LAVS ), mais des cotisations individuelles versées par les employés de cette dernière. Peu importe à cet égard que, pour des raisons administratives, la caisse de compensation ait ouvert un "compte collectif" sur lequel la Délégation payait les contributions prélevées sur le salaire des intéressés; celles-ci n'en devenaient pas pour autant des cotisations paritaires au sens de la loi. Il en va de même de la circonstance que la Délégation versait, semble-t-il, une "part patronale", comme cela paraît résulter du mémoire de recours de Liliane Rastello. Les arrangements existant à ce sujet relèvent du droit privé et ne modifient en rien la nature juridique des versements qui ont été effectués. De toute évidence, la Délégation n'a agi en l'espèce qu'en qualité de mandataire de ses employés de nationalité étrangère que la caisse de compensation tenait pour assurés obligatoires. C'est donc à tort que la caisse intimée à considéré la Délégation comme destinataire de la décision du 1er juillet 1982, dès lors que celle-ci n'avait pas pour objet de régler un rapport juridique entre l'administration de l'AVS et la Délégation (voir DTA 1983 No 9 p. 38 ss; GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2e éd., p. 132-133). Cet acte administratif était destiné, en réalité, à Liliane Rastello et aux deux autres ressortissants étrangers concernés. C'est pourquoi la caisse de compensation devait notifier à chaque intéressé personnellement une décision lui indiquant le montant des cotisations qu'elle entendait lui restituer avec, en raison des circonstances, une copie pour information à la Délégation. Mais, en l'espèce, seule Liliane Rastello a reçu une telle décision à titre personnel, ce qui s'explique par le fait que, dans son cas, la caisse entendait lui rembourser, en sus des cotisations versées de 1976 à 1980 par l'intermédiaire de son employeur, celles qu'elle avait payées personnellement pour l'année 1975. b) Le problème se pose donc de savoir si la Délégation, qui n'avait pas qualité pour recevoir la décision litigieuse, était néanmoins habilitée, en tant que tiers, à recourir contre celle-ci et, par conséquent, si c'est à juste titre que les premiers juges sont BGE 110 V 145 S. 150 entrés en matière sur son recours. Bien que cette question n'ait pas été abordée par la juridiction cantonale et qu'elle ne soit soulevée ni par les parties ni par l'autorité fédérale de surveillance, le Tribunal fédéral des assurances examine d'office les conditions dont dépend la qualité pour recourir; si l'autorité de première instance a ignoré qu'une condition mise à l'examen du fond du litige par le juge faisait défaut et a statué sur le fond, c'est un motif pour le tribunal, saisi de l'affaire, d'annuler d'office le jugement en question (voir GYGI, op.cit., p. 73, et les arrêts cités par cet auteur, notamment ATF 107 Ib 229 , ATF 104 Ib 312 , ATF 103 Ib 150 , ATF 102 V 152 consid. 4). c) Selon l' art. 84 al. 1 LAVS , les décisions prises par les caisses de compensation en vertu de la LAVS peuvent être attaquées par les intéressés, par voie de recours, dans les trente jours à partir de leur notification; le même droit appartient aux parents en ligne ascendante et descendante ainsi qu'aux frères et soeurs de celui qui prétend avoir droit à la rente. Les intéressés au sens de cette disposition sont les personnes atteintes par la décision attaquée et qui ont un intérêt digne de protection à ce qu'elle soit modifiée ou annulée, conformément à l' art. 103 let. a OJ , en principe applicable, par analogie, à la procédure cantonale de recours dans le domaine de l'AVS (cf. ATF 101 V 123 , 99 V 167, 98 V 54; RCC 1979 p. 124). La jurisprudence considère comme intérêt digne de protection, au sens de l' art. 103 let. a OJ , tout intérêt pratique ou juridique à demander la modification ou l'annulation de la décision attaquée que peut faire valoir une personne atteinte par cette dernière. L'intérêt digne de protection consiste ainsi en l'utilité pratique que l'admission du recours apporterait au recourant ou, en d'autres termes, dans le fait d'éviter un préjudice de nature économique, idéale, matérielle ou autre que la décision attaquée lui occasionnerait ( ATF 109 V 59 et les arrêts cités). Dans le cas particulier, on ne voit pas quel préjudice la restitution des cotisations versées par les employés visés par la décision litigieuse occasionnerait à la Délégation. En tant que telle, celle-ci ne possède, pas plus que les communautés d'Etats qu'elle représente auprès des organisations internationales, aucun droit, même virtuel, contre les trois institutions d'assurance auxquelles des cotisations ont été versées. Seuls les employés concernés ont des prétentions à faire valoir dans ces trois régimes et ce sont eux seulement qui sont fondés à demander l'intervention du juge des BGE 110 V 145 S. 151 assurances sociales s'ils estiment que la mesure prise à leur encontre les lèse, notamment en leur faisant perdre le bénéfice de l'assurance qu'ils croyaient avoir acquis. Mais un intérêt digne de protection n'existe pas pour la Délégation, même si le remboursement des cotisations en question est de nature à lui causer des "difficultés" dans ses relations avec les agents intéressés, comme l'a écrit le 22 juillet 1982 à la caisse intimée le Directeur général du personnel et de l'administration de la Commission des Communautés européennes. A cet égard, la présente affaire diffère de l'espèce jugée dans l'arrêt publié aux ATF 106 V 219 , où le Tribunal fédéral des assurances a admis la qualité pour recourir de l'employeur d'un travailleur victime d'un accident et auquel la Caisse nationale suisse d'assurance en cas d'accidents contestait la qualité d'assuré. Certes, il s'agissait également d'un problème concernant l'affiliation à une assurance sociale, mais, dans ce cas, les cotisations légales de l'employeur étaient aussi en cause (cf. ATF 106 V 224 consid. 4). On relèvera en outre, à ce sujet, que l'assurance-accidents obligatoire libère l'employeur, ainsi que ses parents et auxiliaires, de leur responsabilité civile à l'égard de l'assuré victime d'un accident que son auteur n'a pas causé intentionnellement ou par faute grave ( art. 44 al. 2 LAA et ancien art. 129 al. 2 LAMA ), alors que les régimes AVS/AI/APG ont été institués dans l'intérêt des seuls assurés et non pas dans le but de décharger leurs employeurs d'une quelconque obligation juridique. Dès lors, s'il est possible que la restitution décidée par l'administration soit de nature à provoquer des désagréments pour la Délégation, cela ne suffit pas à conférer à celle-ci la qualité pour recourir au sens des principes ci-dessus exposés. Les premiers juges n'auraient donc pas dû entrer en matière sur son recours et le jugement qu'ils ont rendu à son endroit doit être annulé d'office. d) Pour autant, cela ne signifie pas que la décision notifiée le 1er juillet 1982 à la Délégation soit valide. En effet, lorsque l'autorité administrative notifie une décision à une personne ou à un organisme qui n'avait pas qualité pour la recevoir, ou qu'elle omet de la communiquer à l'un des intéressés à un rapport de droit bilatéral, le vice qui affecte sa décision sur le plan formel est si fondamental qu'il conduit à admettre la nullité absolue de cette décision ( ATF 101 II 152 ; KNAPP, Précis de droit administratif, 2e éd., No 570, p. 135). Tel est bien le cas en l'espèce. Non seulement, ainsi qu'on l'a vu, la Délégation n'avait aucune qualité pour BGE 110 V 145 S. 152 recevoir la décision litigieuse, sinon à titre de pure information, mais de plus, à l'exception de Liliane Rastello, les autres personnes à qui cette décision s'adressait en vérité ne l'ont pas reçue et n'ont pu en avoir connaissance que d'une manière indirecte, ce qui les a empêchées, notamment, d'exercer leur droit de recours. Le fait que ces personnes ont été appelées à se déterminer en qualité d'intéressés en procédure fédérale n'est pas de nature à guérir le vice originaire de l'acte administratif en cause. Par conséquent, il y a lieu d'en constater, également d'office, la nullité (cf. ATF 107 V 248 consid. 1b). 3. Liliane Rastello (ci-après: la recourante) a, pour sa part, un intérêt digne de protection à obtenir l'annulation ou la modification du jugement entrepris ( art. 103 let. a OJ ; ATF 109 V 59 ). Il convient donc d'entrer en matière sur son recours et d'examiner en premier lieu si c'est à juste titre qu'elle a été soumise à l'AVS pendant la période durant laquelle elle a été au service de la Délégation, soit entre 1975 et 1980. a) Selon l' art. 1er al. 2 let. a LAVS , ne sont pas assurés les ressortissants étrangers qui bénéficient de privilèges et d'immunités diplomatiques ou d'exemptions fiscales particulières. L' art. 1er let . c RAVS considère comme tels les membres des délégations étrangères auprès des organisations internationales ayant leur siège en Suisse, ainsi que les familles de ces personnes. b) Bien que la Convention de Vienne sur les relations diplomatiques, du 18 avril 1961, en vigueur pour la Suisse depuis le 24 avril 1964 (RS 0.191.01), ne lie pas les Communautés européennes en tant que telles, pas plus que d'autres institutions interétatiques, car elle n'est ouverte qu'à la signature des Etats (art. 48; voir également MÉNÉTREY, Les privilèges fiscaux des fonctionnaires internationaux, RDAF 29/1973 p. 233), il résulte de la décision du Conseil fédéral du 14 juillet 1964 déjà mentionnée que les membres des délégations permanentes des Etats ou de certaines institutions, telles que les Communautés européennes, auprès des organisations internationales ayant leur siège en Suisse, bénéficient des mêmes privilèges et immunités et des mêmes exemptions fiscales que les agents diplomatiques qui sont membres des missions des Etats signataires de la Convention de Vienne (cf. également MÉNÉTREY, RDAF 29/1973 p. 310 ss). c) L'art. 33 de ladite convention dispose ce qui suit: "1. Sous réserve des dispositions du paragraphe 3 du présent article l'agent diplomatique est, pour ce qui est des services rendus à l'Etat BGE 110 V 145 S. 153 accréditant, exempté des dispositions de sécurité sociale qui peuvent être en vigueur dans l'Etat accréditaire. 2. L'exemption prévue au paragraphe 1 du présent article s'applique également aux domestiques privés qui sont au service exclusif de l'agent diplomatique, à condition: a. qu'ils ne soient pas ressortissants de l'Etat accréditaire ou n'y aient pas leur résidence permanente; et b. qu'ils soient soumis aux dispositions de sécurité sociale qui peuvent être en vigueur dans l'Etat accréditant ou dans un Etat tiers. 3. L'agent diplomatique qui a à son service des personnes auxquelles l'exemption prévue au paragraphe 2 du présent article ne s'applique pas doit observer les obligations que les dispositions de sécurité sociale de l'Etat accréditaire imposent à l'employeur. 4. L'exemption prévue aux paragraphes 1 et 2 du présent article n'exclut pas la participation volontaire au régime de sécurité sociale de l'Etat accréditaire pour autant qu'elle est admise par cet Etat. 5. Les dispositions du présent article n'affectent pas les accords bilatéraux ou multilatéraux relatifs à la sécurité sociale qui ont été conclus antérieurement et elles n'empêchent pas la conclusion ultérieure de tels accords." Il est constant que la recourante était titulaire, pendant la durée de son engagement au service de la Délégation, de la carte de légitimation délivrée par le Département fédéral des affaires étrangères aux membres du personnel diplomatique (carte "C", dite aussi "carte rose"; cf. MÉNÉTREY, RDAF 29/1973 p. 232, et BOURGNON, FJS 831b, Statut juridique des missions et des membres des missions diplomatiques étrangères en Suisse, p. 5). Il n'est dès lors pas douteux qu'en vertu de l' art. 1er al. 2 let. a LAVS et de l' art. 1er let . c RAVS, elle ne pouvait, durant la période litigieuse, être affiliée à l'AVS, car elle jouissait du statut assimilé à celui d'un agent diplomatique et était au surplus expressément exemptée, à ce titre, des dispositions de sécurité sociale en vigueur en Suisse, cela en vertu de l'art. 33 précité, qui lui était applicable par analogie. Il convient de rappeler en outre que la possibilité, réservée par le paragraphe 4 de la disposition susmentionnée, d'une participation volontaire au régime de la sécurité sociale de l'Etat accréditaire n'existe pas s'agissant de la Suisse. En effet, la seule forme d'assurance volontaire que connaît le droit de l'AVS est l'assurance facultative des ressortissants suisses résidant à l'étranger, aux conditions fixées par l' art. 2 LAVS . Par ailleurs, la recourante ne pouvait pas non plus être admise à cotiser à l'AVS en vertu de conventions bilatérales de sécurité sociale réservées par le paragraphe 5 de l'art. 33 de la Convention de Vienne. Lorsqu'elle est entrée au service de la Délégation, en BGE 110 V 145 S. 154 1975, les relations franco-suisses dans le domaine de la sécurité sociale étaient encore régies par la convention entre la Suisse et la France relative à l'AVS, conclue le 9 juillet 1949 et entrée en vigueur le 1er janvier 1948. Par la suite, à dater du 1er novembre 1976, cet accord international a été remplacé par la convention de sécurité sociale franco-suisse conclue le 3 juillet 1975. La première de ces conventions partait du principe de la soumission à la législation du pays du lieu de travail, qui découlait des art. 3 et 4 et qui fut confirmé par l'art. 4bis, introduit par un avenant du 14 avril 1961 (RO 1961, 666). Ce principe fut repris aux art. 3 et 7 al. 1 de la convention de 1975; de même que sous l'empire de l'accord précédent, il souffre des exceptions, notamment en ce qui concerne les agents diplomatiques. Certes, une semblable exception n'entre en l'occurrence pas en considération - sous le nouveau régime conventionnel en tout cas - du moment que Liliane Rastello était au service d'une organisation internationale et non de son pays d'origine (cf. art. 9 al. 1 de la convention de 1975). Il n'en reste pas moins vrai que la règle générale de la soumission à la législation du lieu de travail ne saurait aller à l'encontre de la réglementation applicable. C'est pourquoi le ressortissant français soumis à la législation suisse en vertu d'une telle règle n'est assuré que dans le cadre de cette législation. Or, on a vu plus haut que, selon l' art. 1er al. 2 let. a LAVS , ne sont pas assurés les ressortissants étrangers qui bénéficient de privilèges et d'immunités diplomatiques ou d'exemptions fiscales particulières, ce qui était précisément le cas en l'espèce. d) En conclusion, c'est à tort que la recourante a été affiliée à l'AVS durant son engagement au service de la Délégation. C'est donc avec raison que les juges cantonaux ont considéré qu'elle avait, pendant cette période, versé indûment, soit directement, soit par l'intermédiaire de son employeur, des cotisations AVS/AI/APG à la caisse intimée. 4. a) Les cotisations versées indûment par des personnes qui ne sont pas tenues de cotiser doivent être restituées à celui qui les a payées; la créance en restitution est prescriptible; le délai de la prescription absolue est de dix ans, par analogie avec la solution du droit civil, un délai plus long étant réservé en cas d'abus de droit ( ATF 101 V 182 consid. 1b, ATF 97 V 144 ; RCC 1976 p. 91 consid. 2b). Ce délai a été institué par la jurisprudence, afin de combler une lacune de la loi, car l' art. 16 al. 3 LAVS , aux termes duquel le droit à la restitution de cotisations versées indûment se prescrit dans BGE 110 V 145 S. 155 tous les cas par cinq ans à compter de la fin de l'année civile au cours de laquelle le paiement indu a eu lieu, n'est pas applicable lorsqu'il s'agit de cotisations payées à tort par des personnes non assujetties à l'AVS ( ATF 97 V 149 ss). En l'espèce, il est constant qu'à la date du 1er juillet 1982 la créance de la recourante en restitution des cotisations versées à tort à la caisse intimée n'était pas prescrite. La recourante fait cependant valoir que cette restitution lèse gravement ses intérêts, dans la mesure où elle aurait pour effet de créer rétroactivement une lacune de cotisations de six ans dans sa carrière d'assurée (elle avait, en effet, cotisé régulièrement aux assurances sociales suisses, alors qu'elle travaillait dans le secteur privé avec le statut de frontalière, du 1er juin 1969 au 31 janvier 1975). Elle excipe de sa bonne foi pour s'opposer au remboursement des cotisations litigieuses et pour demander que celles-ci soient reconnues formatrices de rentes. b) Le principe de la bonne foi régit les rapports entre administration et administrés. C'est ainsi qu'un renseignement ou une décision erronés peuvent obliger l'administration à consentir à un administré un avantage contraire à la loi, si les conditions suivantes sont réunies: 1. que l'autorité soit intervenue dans une situation concrète à l'égard de personnes déterminées; 2. qu'elle ait agi ou soit censée avoir agi dans les limites de sa compétence; 3. que l'administré n'ait pu se rendre compte immédiatement de l'inexactitude du renseignement obtenu; 4. qu'il se soit fondé sur celui-ci pour prendre des dispositions qu'il ne saurait modifier sans subir un préjudice; 5. que la loi n'ait pas changé depuis le moment où le renseignement a été donné ( ATF 109 V 55 consid. 3a et les arrêts cités). En l'occurrence, la recourante remplit les cinq conditions énumérées ci-dessus. En effet, elle était fondée, au vu de l'attitude de la caisse intimée, à se croire assurée et n'avait aucune raison de penser qu'elle était, en réalité, exclue de l'assurance de par la loi. L'Office fédéral des assurances sociales l'admet d'ailleurs sans réserve, tout en rappelant que c'est à la suite de son intervention que les employés de la Délégation ont pu être affiliés "à titre exceptionnel" à l'AVS et en soulignant, d'autre part, que la recourante aurait certainement "pris les mesures nécessaires" si BGE 110 V 145 S. 156 elle avait su d'emblée qu'elle ne pouvait, en raison de son statut, cotiser à l'AVS. En ce qui concerne plus particulièrement la quatrième des conditions précitées, il y a lieu d'ajouter qu'elle est également réalisée lorsque l'administré omet, sur la base d'un renseignement ou d'une décision erronés de l'administration, un acte qu'il n'est plus en mesure d'accomplir sans subir de préjudice (voir p.ex. ATF 109 V 56 consid. 3c, ATF 106 V 72 ). A cet égard, on peut, selon l'expérience de la vie, admettre que la recourante - qui allègue en procédure fédérale qu'elle ne pouvait bénéficier du régime de prévoyance des fonctionnaires internationaux en poste à Genève, ni de celui des fonctionnaires européens, faute d'avoir passé un concours de recrutement - aurait néanmoins été amenée à prendre des mesures de prévoyance privée si elle n'avait pas été induite en erreur par l'administration (cf. ATF 106 V 72 consid. 3b). c) Le Tribunal fédéral des assurances a cependant jugé que le principe de la bonne foi devait céder le pas à une réglementation spéciale résultant impérativement et directement de la loi ( ATF 106 V 143 consid. 3 et les arrêts cités) et il a vu une telle réglementation dans l' art. 16 al. 3 LAVS ( ATF 101 V 180 ; RCC 1977 p. 279 consid. 4b non publié aux ATF 102 V 206 ). Dans l' ATF 101 V 180 , auquel se sont référés les juges cantonaux, il a admis, quand bien même l' art. 16 al. 3 LAVS n'était pas applicable, que le principe de la légalité devait aussi l'emporter sur celui de la bonne foi lorsqu'il s'agissait de cotisations payées par des personnes non assujetties à l'AVS, eu égard au fait que, dans un tel cas, la restitution découlait de principes semblables à ceux posés par l' art. 16 LAVS . Par conséquent, "l'assuré" ne pouvait s'opposer à la restitution de cotisations non prescrites et obtenir qu'elles deviennent formatrices de rentes. Ultérieurement, dans un arrêt non publié en la cause Neinhaus, du 9 juin 1976, la Cour de céans n'a toutefois pas suivi ce raisonnement: elle a considéré, sans se référer à l' art. 16 al. 3 LAVS , que l'intéressé pouvait, dans une situation semblable, se prévaloir de sa bonne foi et elle a ainsi préconisé une solution tendant à éviter toute lacune dans la couverture d'assurance du fait de la restitution de cotisations versées indûment par une personne induite en erreur par l'administration. Par la suite, une solution identique a été retenue s'agissant d'un ressortissant suisse domicilié à l'étranger et qui avait été affilié à tort à l'AVS en vertu de l' art. 1er al. 1 let . c LAVS ( ATF 106 V 65 , plus spécialement 72 consid. 3b). BGE 110 V 145 S. 157 Cette dernière jurisprudence doit être confirmée. En effet, on a vu que la créance en restitution de cotisations indûment versées par une personne qui n'était pas tenue d'en payer ne se fonde pas, en réalité, sur l' art. 16 al. 3 LAVS - qui parle de "personne tenue de payer des cotisations" - et l'obligation de l'administration de rembourser des cotisations qu'elle a encaissées sans droit découle, dans un tel cas, des principes de la légalité de l'activité administrative et de la bonne foi. On ne saurait donc affirmer, contrairement à ce qui est dit dans l' ATF 101 V 180 , que l'on se trouve, dans des situations de ce genre, en présence d'une "réglementation spéciale résultant impérativement et directement de la loi". d) Il résulte de ce qui précède que la bonne foi de la recourante doit être protégée, de sorte qu'il n'y a pas lieu de lui restituer les cotisations litigieuses, qui doivent en conséquence être reconnues formatrices de rentes.
8,794
4,517
Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral des assurances prononce: I. Le recours de la Délégation permanente de la Commission des Communautés européennes auprès des organisations internationales est admis, dans la mesure où il est recevable, et le jugement du 4 novembre 1982, rendu à son endroit par la Commission cantonale genevoise de recours en matière d'AVS, est annulé. II. La décision de la Caisse cantonale genevoise de compensation du 1er juillet 1982, signifiée à la Délégation, est nulle. III. Le recours de Liliane Rastello est admis et le jugement du 4 novembre 1982, rendu à son endroit par la Commission cantonale genevoise de recours en matière d'AVS, ainsi que la décision de la Caisse cantonale genevoise de compensation, signifiée à la prénommée le 1er juillet 1982, sont annulés.
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Sachverhalt ab Seite 628 BGE 136 III 627 S. 628 Nachdem die X. AG (nachfolgend: Schuldnerin) in der von der Bank Y. (nachfolgend: Bank) eingeleiteten Betreibung über Fr. 2'400'000.- Rechtsvorschlag erhoben hatte, verlangte Letztere provisorische Rechtsöffnung, welche das Kreisgericht ablehnte. Es erwog, dass der Kreditvertrag vom 4. Mai 2004, den die Bank ursprünglich als Rechtsöffnungstitel angerufen hatte, mangels gültiger Unterzeichnung nicht zustande gekommen sei, was schliesslich auch die Bank anerkannt habe. Einen weiteren Vertrag vom 29. März 2005, auf den sich die Bank ebenfalls berufen habe, sei nie eingereicht worden, weil die Bank ihn nicht mehr habe auffinden können. Es bleibe mithin der Rahmenvertrag vom 21. Dezember 2005, mit welchem der Schuldnerin ein Rahmenkredit über Fr. 20 Mio. eingeräumt worden sei. Dieser Vertrag vermöge aber den Anforderungen an eine Schuldanerkennung im Sinn von Art. 82 Abs. 1 SchKG nicht gerecht zu werden, weshalb das Rechtsöffnungsgesuch abzuweisen sei. Demgegenüber erteilte das Kantonsgericht St. Gallen die provisorische Rechtsöffnung. Es erwog, es könne davon ausgegangen werden, dass die Schuldnerin drei Kreditverträge unterzeichnet habe. Sodann habe sie weder auf die Bestätigung des festen Vorschusses seitens der Bank noch auf die Fälligkeitserinnerungen und Kündigungsschreiben reagiert, weshalb sie jetzt nicht einfach die Auszahlung der Summe von Fr. 2'400'000.- bestreiten könne. Vielmehr sei die Zurverfügungstellung dieses Betrages als erwiesen zu erachten, auch wenn die Bank hierfür keinen Auszahlungsbeleg vorlegen könne, und es sei davon auszugehen, dass die Auszahlung im Sinn einer Teilsumme der im Rahmenkreditvertrag anerkannten Gesamtsumme von Fr. 20 Mio. erfolgt sei. Gegen den Entscheid des Kantonsgerichts hat die Schuldnerin Beschwerde in Zivilsachen eingereicht, welche vorliegend gutgeheissen wird. (Zusammenfassung) BGE 136 III 627 S. 629
419
315
Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Eine Schuldanerkennung im Sinn von Art. 82 Abs. 1 SchKG liegt vor, wenn daraus der vorbehalts- und bedingungslose Wille des Betriebenen hervorgeht, dem Betreibenden eine bestimmte oder leicht bestimmbare Geldsumme zu zahlen. Dabei kann sich die Schuldanerkennung auch aus einer Gesamtheit von Urkunden ergeben, sofern die notwendigen Elemente daraus hervorgehen. Dies bedeutet, dass die unterzeichnete Urkunde auf die Schriftstücke, welche die Schuld betragsmässig ausweisen, klar und unmittelbar Bezug nehmen bzw. verweisen muss ( BGE 132 III 480 E. 4.1 S. 481). Ein Darlehensvertrag über eine bestimmte Summe taugt grundsätzlich als Rechtsöffnungstitel für die Rückzahlung des Darlehens, solange der Schuldner die Auszahlung nicht bestreitet ( BGE 132 III 480 E. 4.2 S. 481). Tut er dies, so hat der Gläubiger überdies die Auszahlung nachzuweisen (STAEHELIN, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 1998, N. 119, 120 und 122 zu Art. 82 SchKG ; STÜCHELI, Die Rechtsöffnung, 2000, S. 371), denn der Darlehensvertrag begründet zunächst eine Verpflichtung zur Hingabe der Darlehensvaluta, und die Rückzahlungspflicht der Gegenseite kann sich selbstredend erst dann aktualisieren, wenn der Hingabepflicht nachgelebt wurde (und überdies das Darlehen zur Rückzahlung fällig ist). Im Unterschied zum Darlehensvertrag anerkennt der Schuldner beim Kontokorrentvertrag mit der darin genannten Limite keinen festen oder doch wenigstens leicht bestimmbaren Betrag, weil mit dem Kontokorrent lediglich ein gegenseitiges Abrechnungsverhältnis mit schwankendem Saldo begründet wird ( BGE 132 III 480 E. 4.2 S. 481). Bei einem Rahmenkreditvertrag verhält es sich insofern ähnlich, als auch hier nicht die verbindliche Hingabe einer bestimmten oder leicht bestimmbaren Summe vereinbart wird, sondern ein Höchstbetrag (Limite), bis zu welchem der Bankkunde innerhalb der vereinbarten Modalitäten nach seinen Wünschen Kredit beanspruchen kann. So wurde vorliegend in Ziff. 2 des Rahmenkreditvertrages vereinbart, dass der Rahmenkredit in Form von festen Vorschüssen und Rollover-Darlehen, von variablen Darlehen und Fest-Darlehen, von Margenlimiten (Devisentermingeschäften) oder Kautionslimiten sowie in laufender Rechnung (Kontokorrentkredit) in Schweizer Franken oder frei konvertierbaren Fremdwährungen beansprucht werden könne. BGE 136 III 627 S. 630 Soweit gestützt auf den Rahmenkreditvertrag fixe Darlehenssummen beansprucht werden, kann Rechtsöffnung selbstredend aufgrund des gegengezeichneten betreffenden Darlehensvertrages erteilt werden. Wird ein Darlehen direkt gestützt auf den Rahmenvertrag, d.h. ohne Abschluss eines separaten schriftlichen Darlehensvertrages gewährt, kann der Rahmenkreditvertrag allenfalls dann selbständig als Rechtsöffnungstitel in Betracht kommen, wenn der Gläubiger die darauf beruhende Auszahlung der Darlehenssumme (und damit die betreffende Ausschöpfung der Kreditlimite) zweifelsfrei nachzuweisen vermag. 3. Wie das Kantonsgericht richtig erfasst hat, ist Angelpunkt für die Rechtsöffnung der am 21. Dezember 2005 abgeschlossene und in den Akten liegende Rahmenkreditvertrag über Fr. 20 Mio. Sinngemäss hat das Kantonsgericht auch anerkannt, dass dieser für sich genommen kein genügender Rechtsöffnungstitel ist, sondern dass es weiterer geeigneter Dokumente bedarf. 3.1 Das Kantonsgericht hat zunächst erwogen, die Schuldnerin habe den Betrag von Fr. 2,4 Mio. in dem auf die betreffende Summe lautenden Kreditvertrag vom 4. Mai 2005 anerkannt. Wie die Schuldnerin mit rechtsgenüglich begründeten Ausführungen dartut, ist die betreffende Sachverhaltsfeststellung offensichtlich unrichtig und damit willkürlich (Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4338 zu Art. 92; BGE 133 II 249 E. 1.2.2 S. 252; BGE 133 III 393 E. 7.1 S. 398): Wie aus dem bereits im erstinstanzlichen Verfahren eingereichten und bei den Akten liegenden Handelsregisterauszug ersichtlich und vom erstinstanzlichen Richter zutreffend festgestellt worden ist, war Z., welcher den betreffenden Vertrag für die Schuldnerin in Eigenregie unterzeichnet hat, nur kollektiv unterschriftsberechtigt. Das heisst, dass der betreffende Vertrag nie zustande gekommen ist, wie die Bank denn auch im erstinstanzlichen Verfahren anerkannt hat; überdies bedeutet das aber auch, dass Z. die betreffende Schuld für die Schuldnerin nicht rechtsgültig anerkennen konnte und diese sich keine Anerkennung entgegenhalten lassen muss. Die gegenteilige Annahme des Kantonsgerichts, die Schuldnerin habe mit der Vertragsunterzeichnung eine Schuldanerkennung über Fr. 2,4 Mio. abgegeben, erweist sich als willkürlich, und der mangels gültiger Unterzeichnung nie zustande gekommene Vertrag vom 4. Mai 2004 fällt auch als Teil einer zusammengesetzten Urkunde ausser Betracht. BGE 136 III 627 S. 631 3.2 Das Kantonsgericht ist sodann davon ausgegangen, dass der Betrag von Fr. 2,4 Mio. von der Schuldnerin auch im Vertrag vom 29. März 2005 anerkannt worden sei. Die Bank habe diesen zwar nicht einreichen können, aber in Ziff. 13 des Rahmenkreditvertrages sei vereinbart worden, dass der Vertrag vom 29. März 2005 als aufgehoben gelte, womit dessen Existenz nachgewiesen sei. Abgesehen davon, dass es in rechtlicher Hinsicht widersprüchlich ist, einen aufgehobenen Vertrag als Rechtsöffnungstitel (selbständig oder als Teil einer zusammengesetzten Urkunde) anzusehen, kritisiert die Schuldnerin mit zutreffenden Willkürrügen, dass mit der betreffenden Aufhebungsklausel kein rechtsgültiges Zustandekommen des (mangels Auffindbarkeit bei der Bank nicht in den Akten liegenden) Vertrages vom 29. März 2005 und noch viel weniger dessen Inhalt nachgewiesen sei. Der angefochtene Entscheid äussert sich denn auch nicht im Ansatz zum Inhalt dieses Vertrages; er ist schlichtweg unbekannt. Vor diesem Hintergrund kann der (unbekannte) Vertrag weder selbständig oder im Sinn einer zusammengesetzten Urkunde als Rechtsöffnungstitel in Betracht kommen, und entsprechend erweist sich die Feststellung, die Schuldnerin habe den Betrag, für den Rechtsöffnung verlangt wird, in drei verschiedenen Verträgen anerkannt, als willkürlich. Für die weiteren Ausführungen ist mithin von der Sachverhaltsbasis auszugehen, dass einzig der Rahmenkreditvertrag vom 21. Dezember 2005 als gültig geschlossener Vertrag in den Akten liegt und potentiell als Rechtsöffnungstitel in Frage kommen kann. 3.3 Das Kantonsgericht hat massgeblich darauf abgestellt, dass die Schuldnerin weder auf die Bestätigung des festen Vorschusses seitens der Bank noch auf deren Kreditverlängerungen, Fälligkeitserinnerungen und Kündigungsschreiben reagiert habe. Was für eine Bedeutung der fehlenden Reaktion seitens der Schuldnerin beizumessen ist, kann allein im ordentlichen Anerkennungsprozess eine Rolle spielen. Eigentümlichkeit des provisorischen Rechtsöffnungsverfahrens ist, dass es nicht reicht, die Schuld mit irgendwelchen Dokumenten zu plausibilisieren, sondern diese in einer vom Schuldner unterzeichneten Urkunde anerkannt sein muss, wobei sich die Schuldanerkennung auch aus einer Mehrheit von Urkunden ergeben kann. Blosses Stillschweigen zu Dokumenten der Gegenseite kann jedoch nicht zu einer Schuldanerkennung führen, BGE 136 III 627 S. 632 auch nicht im Sinn einer zusammengesetzten Urkunde ( BGE 132 III 480 E. 4.3 S. 482). Nach der in E. 2 wiedergegebenen Definition ist vielmehr erforderlich, dass die unterzeichnete Urkunde auf die Schriftstücke, welche die Schuld betragsmässig ausweisen, klar und unmittelbar Bezug nimmt. Dies trifft auf die einseitig von der Bank stammenden Schreiben - gleich wie bei Kontoauszügen ( BGE 132 III 480 E. 4.3 S. 482) - nicht zu. Sie beinhalten auch keine anerkennende Willensäusserung des Schuldners und können deshalb nicht Teil einer zusammengesetzten Schuldanerkennung sein. 3.4 Vorliegend verlangt die Bank Rechtsöffnung für einen festen Vorschuss, den sie nach ihren Ausführungen gestützt auf den Rahmenkreditvertrag gewährt hat. Nach dem in E. 2 Gesagten könnte der Rahmenkreditvertrag diesbezüglich allenfalls dann als Rechtsöffnungstitel in Betracht kommen, wenn zweifelsfrei die Auszahlung eines sich auf den betreffenden Vertrag stützenden Darlehens nachgewiesen ist. Damit wird vom Gläubiger nichts Unmögliches, sondern Selbstverständliches verlangt. Soweit es sich um eine buchführungspflichtige Firma handelt, ist diese im Übrigen von Gesetzes wegen verpflichtet, die betreffenden Buchungsbelege während mindestens zehn Jahren aufzubewahren ( Art. 962 Abs. 1 OR ; vgl. auch die Verordnung vom 24. Februar 2002 über die Führung und Aufbewahrung der Geschäftsbücher [Geschäftsbücherverordnung, GeBüV; SR 221.431]). Es darf von einer am Markt auftretenden Geschäftsbank erwartet werden, dass sie eine ordnungsgemässe Geschäfts- und Buchführung pflegt und Auszahlungsbelege aufbewahrt, umso mehr als es vorliegend um Millionenbeträge geht. Wie bereits vor den kantonalen Instanzen verweist die Bank auch im bundesgerichtlichen Verfahren nur auf allgemeine Korrespondenz, obwohl die Schuldnerin die Auszahlung von Anfang an bestritten hat. In dieser Situation ist der blosse Rahmenkreditvertrag nach dem Gesagten als Rechtsöffnungstitel unzureichend und die Bank hat die Konsequenzen zu tragen, wenn sie die Auszahlung nicht nachzuweisen vermag.
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Sachverhalt ab Seite 414 BGE 144 II 412 S. 414 A. A. (nachfolgend: der Gebührenpflichtige) hat Wohnsitz in U./BE. Er ist nicht unternehmerisch tätig und daher auch nicht mehrwertsteuerpflichtig. Am 1. Juli 2011 stellte ihm die Billag AG in ihrer Eigenschaft als Schweizerische Erhebungsstelle für Radio- und Fernsehgebühren die rundfunkrechtliche Empfangsgebühr für die Abgabeperiode vom 1. Juni 2011 bis zum 31. Mai 2012 in Rechnung. Der Betrag von Fr. 462.40 setzte sich aus der Gebühr (Fr. 451.12) und der Mehrwertsteuer von 2,5 Prozent (Fr. 11.28) zusammen. Die Angelegenheit führte bereits zu zwei amtlich publizierten Entscheiden. In BGE 140 II 80 erwog das Bundesgericht hauptsächlich, im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Verhältnisses zwischen der Erhebungsstelle für Radio- und Fernsehempfangsgebühren und den Gebührenpflichtigen müsse entgegen dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 2 MWSTG 2009 auch über die damit verbundenen Mehrwertsteuerfragen im dafür vorgesehenen öffentlich-rechtlichen Verfahren entschieden werden. In BGE 141 II 182 erkannte das Bundesgericht, Streitgegenstand sei einzig die Mehrwertsteuer für die Zeit vom 1. Juni 2011 bis zum 31. Mai 2013 , nicht aber die Frage einer Rückerstattung der zuvor geleisteten Zahlungen. Auf den Antrag auf Rückerstattung sei daher nicht einzutreten. Im Übrigen hiess es die Beschwerde gut und hob es das angefochtene Urteil auf, da die rundfunkrechtliche Empfangsgebühr keiner objektiven Mehrwertsteuerpflicht unterstehe. B. Mit Schreiben vom 9. Juli 2015 ersuchte der Gebührenpflichtige die Billag AG um Rückerstattung der von ihm ab Ende Januar 2007 auf der rundfunkrechtlichen Empfangsgebühr bezahlten Mehrwertsteuer. Diese betrug insgesamt Fr. 45.35 nebst Zins. Mit Verfügung vom 30. Oktober 2015 wies die Billag AG das Begehren ab. Dagegen erhob der Gebührenpflichtige am 30. November 2015 Beschwerde an das BAKOM, welches das Rechtsmittel als Sprungbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht weiterleitete. Mit Urteil A-7678/2015 vom 25. Januar 2017 hiess dieses die Beschwerde gut. BGE 144 II 412 S. 415
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Es hob die Verfügung der Billag AG vom 30. Oktober 2015 auf und verpflichtete das BAKOM, dem Gebührenpflichtigen den von ihm unter dem Titel "Mehrwertsteuer" bezahlten Betrag von Fr. 45.35 zuzüglich Zins im Sinne der Erwägungen zurückzuerstatten. Das Bundesverwaltungsgericht prüfte im Wesentlichen, ob im streitbetroffenen Zeitraum zwischen dem BAKOM und dem Gebührenpflichtigen ein mehrwertsteuerlicher Leistungsaustausch vorgelegen habe. Es verneinte dies mit Blick auf BGE 141 II 182 und schloss, dass das BAKOM nicht verpflichtet gewesen wäre, Mehrwertsteuern zu erheben (E. 8.2). Entsprechend habe es an einem Rechtsgrund gefehlt, die Mehrwertsteuern auf den Gebührenpflichtigen zu überwälzen. Folglich habe dieser die streitbetroffenen Mehrwertsteuern von Fr. 45.35 ohne Rechtsgrund erbracht (E. 8.3). Der Gebührenpflichtige habe Vertrauen in die Rechnungstellung haben dürfen, weshalb von ihm nicht zu verlangen sei, dass er sich über die Schuldpflicht im Irrtum befunden habe ( Art. 63 OR ; E. 9.1). Die vom BAKOM vorgebrachte Entreicherungseinrede ( Art. 64 OR ) greife zu kurz. Das BAKOM als Verwaltungseinheit der zentralen Bundesverwaltung könne nicht mit Recht geltend machen, der Bund sei nicht bereichert worden (E. 9.2). Eine Verjährungseinrede seitens des BAKOM sei unterblieben ( Art. 67 OR ; E. 9.3). Entsprechend sei das BAKOM gehalten, dem Gebührenpflichtigen den streitbetroffenen Betrag von Fr. 45.35 zu erstatten (E. 10), und dies unter Zinsfolgen (E. 11). C. Das UVEK, vertreten durch das BAKOM, erhebt mit Eingabe vom 24. Februar 2017 beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Es beantragt, das Urteil A-7678/2015 vom 25. Januar 2017 sei aufzuheben und die Verfügung der Billag AG vom 30. Oktober 2015 zu bestätigen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. Das Urteil A-7678/2015 des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Januar 2017 wird bezüglich des Zeitraums bis und mit dem 31. Dezember 2009 aufgehoben, im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. Das BAKOM hat dem Beschwerdegegner die von diesem seit dem 1. Januar 2010 entrichteten Mehrwertsteuern zu erstatten. (Zusammenfassung) BGE 144 II 412 S. 416 Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Die Mehrwertsteuer wird als Netto-Allphasensteuer mit Vorsteuerabzug erhoben ( Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des Bundesgesetzes vom 12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer [MWSTG 2009; SR 641.20] ; Erhebungskonzeption) und zielt, ausgestaltet als Verbrauchssteuer, auf den "nicht unternehmerischen Endverbrauch im Inland" ab (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 MWSTG 2009; Belastungskonzeption; BGE 142 II 488 E. 2.2 S. 491 f.). Steuerobjekt der Inlandsteuer sind die im Inland von steuerpflichtigen Personen gegen Entgelt erbrachten Leistungen. Sie sind objektiv steuerbar, soweit das Gesetz keine Ausnahme vorsieht (Art. 1 Abs. 2 lit. a in Verbindung mit Art. 18 ff. MWSTG 2009; BGE 142 II 488 E. 2.3.1 S. 492 f.). Das eigentliche Steuerobjekt der Inlandsteuer erfordert mithin ein Leistungsverhältnis; dieses bildet das "Hauptsteuerobjekt" (BAUMGARTNER/CLAVADETSCHER/KOCHER, Vom alten zum neuen Mehrwertsteuergesetz, 2010, Titel zu § 4 und § 4 N. 1). 2.2 2.2.1 In der vorliegenden Konstellation sind zwei unterschiedliche abgaberechtliche Verhältnisse auseinanderzuhalten. Das erste Regelungsverhältnis betrifft die Beziehung zwischen der mehrwertsteuerpflichtigen Person (hier: BAKOM) und der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV). Die steuerpflichtige Person schuldet der ESTV im Bereich der Inlandsteuer (Art. 10 ff. MWSTG 2009) die Umsatzsteuer, die sich aus der Multiplikation des massgebenden Entgelts mit dem anwendbaren Steuersatz ergibt (Art. 24, 24a, 25 MWSTG 2009). Im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit kann die steuerpflichtige Person davon die anrechenbaren Vorsteuern zum Abzug bringen (Art. 28 ff. MWSTG 2009). Die Nettogrösse, die sich aus der Differenz von Umsatz- und Vorsteuer ergibt, bildet die Steuerforderung (Art. 36 Abs. 2 MWSTG 2009). Insgesamt kann, in Anlehnung an die formell-rechtlichen Pflichten der mehrwertsteuerpflichtigen Person (Art. 71 und 86 MWSTG 2009), bildlich von der Abrechnungsbeziehung gesprochen werden. 2.2.2 Das zweite Verhältnis ordnet die Beziehung zwischen der mehrwertsteuerpflichtigen Person (hier: BAKOM) und der leistungsempfangenden Person (hier: Gebührenpflichtiger), auf welche die Steuer (gegebenenfalls) überwälzt wird (Art. 1 Abs. 3 lit. c MWSTG 2009). Dieses Verhältnis stellt sich als Überwälzungsbeziehung dar. BGE 144 II 412 S. 417 Im Regelfall wird diese Beziehung vom Privatrecht beherrscht (Art. 6 Abs. 1 MWSTG 2009). Daraus ergibt sich, dass die Zivilgerichte zur Beurteilung von Streitigkeiten über die Steuerüberwälzung zuständig sind (Art. 6 Abs. 2 MWSTG 2009). Die Zivilgerichte entscheiden diesfalls auch vorfrageweise über die objektive Steuerbarkeit (Art. 1 Abs. 2 lit. a in Verbindung mit Art. 18 ff. MWSTG 2009) einer bestimmten Leistung, falls die leistungsempfangende Person diese bestreitet und sie sich aus diesem Grund weigert, die von der mehrwertsteuerpflichtigen Person fakturierte Umsatzsteuer zu entrichten ( BGE 140 II 80 E. 2.4.1 und 2.4.2 S. 84 f.). 2.2.3 Anders als im Regelfall untersteht die Überwälzungsbeziehung vorliegend dem öffentlichen Recht, was sich daraus ergibt, dass das (rundfunkrechtliche) Grundverhältnis zwischen BAKOM und gebührenpflichtiger Person öffentlich-rechtlicher Natur ist. Die Grundlage der hier streitbetroffenen Empfangsgebühren findet sich in Art. 68 ff. des Bundesgesetzes vom 24. März 2006 über Radio und Fernsehen (RTVG; SR 784.40) in der ursprünglichen Fassung vom 24. März 2006 (AS 2007 737). Soweit die Mehrwertsteuer zu erheben ist, ist diese akzessorischer Natur . Aus diesem Grund ist auch über die Überwälzung und gegebenenfalls über die Rückerstattung eines zu Unrecht überwälzten Betrags nach öffentlich-rechtlichen Grundsätzen zu entscheiden ( BGE 140 II 80 E. 2.5 S. 86 ff.). Ebenso in diesem Verfahren ist vorfrageweise über die objektive Steuerbarkeit einer Leistung zu befinden, was das Bundesgericht in BGE 141 II 182 getan hat. Der leistungsempfangenden Person (hier: der Gebührenpflichtige) ist es dagegen benommen, die objektive Steuerbarkeit der Leistung (auch) im Verhältnis zwischen der mehrwertsteuerpflichtigen Person (hier: BAKOM) und der ESTV zu beanstanden. Hierzu fehlt ihr im dortigen Verfahren die Legitimation ( BGE 140 II 80 E. 2.4.3 und 2.4.4 S. 85 f.). 2.3 Streitig und zu prüfen ist nach dem Gesagten ausschliesslich die Überwälzungsbeziehung zwischen dem BAKOM und dem Gebührenpflichtigen. Die Abrechnungsbeziehung (und eine etwaige Rückerstattung im Verhältnis zwischen ESTV und BAKOM) liegt im vorliegenden Verfahren ausserhalb des Streitgegenstandes. Konkret ist der Frage nachzugehen, ob der Gebührenpflichtige einen Anspruch gegenüber dem BAKOM auf Rückerstattung der von diesem auf ihn überwälzten Mehrwertsteuern hat. Er beansprucht die Rückerstattung der Mehrwertsteuer für den Zeitraum vom 1. Januar 2007 (richtig wohl: 1. April 2007) bis zum 30. Mai 2011, ausmachend BGE 144 II 412 S. 418 Fr. 45.35. Über den Zeitraum vom 1. Juni 2011 bis zum 31. Mai 2013 hat das Bundesgericht bereits rechtskräftig entschieden ( BGE 141 II 182 ), wobei der Gebührenpflichtige bezüglich dieser Abgabeperioden ohnehin keine Mehrwertsteuer entrichtet hatte. 3. 3.1 Die Vorinstanz begründet ihren Entscheid im Wesentlichen damit, dass die streitbetroffenen Zahlungen (Mehrwertsteuern über mehrere Perioden von insgesamt Fr. 45.35) rechtsgrundlos erbracht worden seien. Wie sie insoweit zutreffend ausführt, gilt auch im allgemeinen Verwaltungsrecht - analog zu den privatrechtlichen Regeln über die ungerechtfertigte Bereicherung ( Art. 62 ff. OR ) - als allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass die aus einem nicht verwirklichten oder nachträglich weggefallenen Grund erfolgten Zuwendungen bzw. rechtsgrundlos erbrachten Leistungen von der öffentlichen Hand zurückzuerstatten sind ( BGE 139 V 82 E. 3.3.2 S. 86 f.; BGE 138 V 426 E. 5.1 S. 430 f.; BGE 135 II 274 E. 3.1 S. 276). Als ungerechtfertigt erweisen sich namentlich Leistungen, auf welche die öffentliche Hand materiell-rechtlich keinen Anspruch hat ( BGE 124 II 570 E. 4b S. 578 f.; BGE 98 V 274 E. I.2 S. 275 f.). Demgegenüber ist eine Zahlung insbesondere dann nicht rechtsgrundlos erbracht, wenn sie zum einen aufgrund einer zwar materiell-rechtlich unzutreffenden, aber rechtskräftigen Verfügung erfolgt ist und zum andern kein Grund besteht, auf diese Verfügung zurückzukommen ( BGE 143 II 37 E. 6.3.1 S. 47 f.; BGE 141 II 447 E. 8.5.1; BGE 135 II 274 E. 3.1 S. 276 f.; BGE 124 II 570 E. 4c S. 579; BGE 111 V 329 E. 1 S. 332). 3.2 3.2.1 Diese Grundsätze gelten praxisgemäss auch im Bereich der Rückerstattung zu Unrecht bezahlter Mehrwertsteuern. Dabei bestehen jedoch Besonderheiten, die sich hauptsächlich aus dem für die Mehrwertsteuer typischen Selbstveranlagungsprinzip ergeben ( BGE 143 II 646 E. 2.2.1 S. 650). Diese Eigenheiten haben sich im gefestigten Grundsatz " impôt facturé = impôt dû " niedergeschlagen. Das Prinzip gilt namentlich auch, falls die Steuer fälschlicherweise oder durch eine nicht mehrwertsteuerpflichtige Person fakturiert wurde (dazu unter anderem Urteil 2A.546/2000 vom 31. Mai 2002 E. 5b, in: ASA 72 S. 727, zu Art. 28 Abs. 4 der Verordnung vom 22. Juni 1994 über die Mehrwertsteuer [MWSTV 1994; AS 1994 1464]; BGE 131 II 185 E. 5 S. 190 und Urteil 2C_334/2014 vom 9. Juli 2015 E. 3.5.2, in: ASA 84 S. 252, StR 70/2015 S. 775 zu BGE 144 II 412 S. 419 Art. 37 Abs. 4 MWSTG 1999; Urteil 2C_411/2014 vom 15. September 2014 E. 2.2.3, in: ASA 83 S. 407, RDAF 2016 II S. 204 zu Art. 27 Abs. 2 ff. MWSTG 2009). 3.2.2 Das Mehrwertsteuerrecht von 2009 kodifiziert das Prinzip "fakturierte Mehrwertsteuer gleich geschuldete Mehrwertsteuer" erstmals auf Gesetzesebene (REGINE SCHLUCKEBIER, in: MWSTG Kommentar [nachfolgend: HK MWSTG], Geiger/Schluckebier[Hrsg.], 2012, N. 4 zu Art. 27 MWSTG ;CAMENZIND/HONAUER/VALENDER/JUNG/PROBST, Handbuch zum Mehrwertsteuergesetz, 3. Aufl. 2012, N. 1607). Die positivrechtliche Regel findet sich in Art. 27 Abs. 2-4 MWSTG 2009 . Aufgrund der Teilrevision des Gesetzes vom 30. September 2016 hat Art. 27 mit Wirkung ab 1. Januar 2018 teils einen neuen Wortlaut erhalten (AS 2017 3575). Im hier interessierenden Zusammenhang ist noch die ursprüngliche Fassung vom 12. Juni 2009 massgebend (Art. 112 Abs. 1 MWSTG 2009). Entsprechend lautet Art. 27 MWSTG 2009 ("Unrichtiger oder unberechtigter Steuerausweis") wie folgt: " 1 Wer nicht im Register der steuerpflichtigen Personen eingetragen ist oder wer das Meldeverfahren nach Art. 38 anwendet, darf in Rechnungen nicht auf die Steuer hinweisen. 2 Wer in einer Rechnung eine Steuer ausweist, obwohl er zu deren Ausweis nicht berechtigt ist, oder wer für eine Leistung eine zu hohe Steuer ausweist, schuldet die ausgewiesene Steuer, es sei denn: a. es erfolgt eine Korrektur der Rechnung nach Abs. 4; oder b. er oder sie weist nach, dass dem Bund kein Steuerausfall entstanden ist; kein Steuerausfall entsteht namentlich, wenn der Rechnungsempfänger oder die Rechnungsempfängerin keinen Vorsteuerabzug vorgenommen hat oder die geltend gemachte Vorsteuer dem Bund zurückerstattet worden ist. 3 Die Rechtsfolgen von Abs. 2 treten auch bei Gutschriften ein, soweit der Gutschriftsempfänger oder die Gutschriftsempfängerin einem zu hohen Steuerbetrag nicht schriftlich widerspricht. 4 Die nachträgliche Korrektur einer Rechnung kann innerhalb des handelsrechtlich Zulässigen durch ein empfangsbedürftiges Dokument erfolgen, das auf die ursprüngliche Rechnung verweist und diese widerruft." 3.2.3 Aus dem insoweit klaren Wortlaut von Art. 27 Abs. 2 MWSTG 2009 ergibt sich ohne Weiteres, dass die Norm grammatikalisch auf die Abrechnungsbeziehung zwischen der mehrwertsteuerpflichtigen Person (hier: BAKOM) und der Eidgenössischen BGE 144 II 412 S. 420 Steuerverwaltung (ESTV) zugeschnitten ist (vorne E. 3.1). Denn angesprochen ist, "wer in einer Rechnung eine Steuer ausweist". Zur Faktura berechtigt ist die leistungserbringende Person. Rechnung ist dabei "jedes Dokument, mit dem gegenüber einer Drittperson über das Entgelt für eine Leistung abgerechnet wird" (Art. 3 lit. k MWSTG 2009). Fakturiert die leistungserbringende Person die Mehrwertsteuer, ohne hierzu berechtigt zu sein ("unberechtigter Steuerausweis"), oder weist sie eine zu hohe Steuer aus ("unrichtiger Steuerausweis"), indem sie beispielsweise eine zu hohe Bemessungsgrundlage heranzieht oder einen zu hohen Steuersatz anwendet (Art. 24 und 25 MWSTG 2009), schuldet sie die Mehrwertsteuer an sich dennoch (Ingress zu Art. 27 Abs. 2 MWSTG 2009). Von keiner Bedeutung ist dabei, ob die leistungserbringende bzw. rechnungsstellende Person bereits subjektiv steuerpflichtig ist (MOLLARD/OBERSON/TISSOT BENEDETTO, Traité TVA, 2009, Annex 3, N. 165 zu Art. 27 MWSTG S. 1127). Ist die rechnungstellende Person nicht ohnehin schon subjektiv steuerpflichtig, wird sie aufgrund des unberechtigten Steuerausweises beschränkt steuerpflichtig (BAUMGARTNER/CLAVADETSCHER/KOCHER, a.a.O., § 5 N. 10, 13, 15). 3.2.4 Das eigentliche Steuerobjekt der Inlandsteuer setzt nach dem Gesagten ein Leistungsverhältnis voraus. Der entgeltliche Leistungsaustausch bildet das "Hauptsteuerobjekt" (vorne E. 2.1). Hier setzt Art. 27 Abs. 2 MWSTG 2009 an, indem er den unrichtigen oder unberechtigten Steuerausweis zum "ergänzenden Steuerobjekt" bzw. "Hilfssteuerobjekt" erklärt (BAUMGARTNER/CLAVADETSCHER/KOCHER, a.a.O., Titel zu § 5 und § 4 N. 1 und N. 3; so auch BÉATRICE BLUM, in: Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer [nachfolgend: Komm. MWSTG], Zweifel/Beusch/Glauser/Robinson [Hrsg.], 2015, N. 9 zu Art. 27 MWSTG ). Die objektive Steuerbarkeit des Vorgangs ergibt sich dabei ausschliesslich aus dem Prinzip "impôt facturé = impôt dû" (vorne E. 3.2.1), denn "jede in einer Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer ist an die Eidgenossenschaft abzuliefern" (BAUMGARTNER/CLAVADETSCHER/KOCHER, a.a.O., § 5 N. 1). Unter dem Steuerausweis ist das offene Überwälzen der inländischen Mehrwertsteuer in der Handelsrechnung zu verstehen (vorne E. 3.2.3). 3.2.5 Die fakturierende Person hat gegenüber der ESTV über die ausgewiesene Steuer abzurechnen, weil die Rechnung oder Gutschrift eine unberechtigte oder überhöhte Steuer ausweist und dies eine abstrakte Gefährdung des Steuersubstrats bewirkt (formelle BGE 144 II 412 S. 421 Synchronisierung; Urteil 2C_411/2014 vom 15. September 2014 E. 2.3.2). Denn eine Rechnung, in welcher eine Mehrwertsteuer ausgewiesen wird, berechtigt die rechnungsempfangende steuerpflichtige Person selbst dann zum Vorsteuerabzug, wenn die Umsatzsteuer nicht abgeliefert oder zu hoch ausgewiesen wird. Die rechnungsempfangende Person trifft an sich keine Verpflichtung zur Prüfung, ob die Mehrwertsteuer zu Recht eingefordert wird (Art. 59 Abs. 2 der Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 2009 [MWSTV 2009; SR 641.201]; BLUM, Komm. MWSTG, a.a.O., N. 1 zu Art. 27 MWSTG ; SCHLUCKEBIER, HK MWSTG, a.a.O., N. 24 zu Art. 27 MWSTG ). Es handelt sich bei Art. 27 MWSTG 2009 um einen Gefährdungstatbestand (SCHLUCKEBIER, HK MWSTG, a.a.O., N. 2 zu Art. 27 MWSTG ). 3.2.6 Eine Abrechnungs- und Ablieferungspflicht der fakturierenden Person tritt nur dann nicht ein oder entfällt, wenn sie ihre Handelsrechnung korrigiert (Art. 27 Abs. 2 lit. a in Verbindung mit Abs. 4 MWSTG 2009) oder nachweist, dass dem Bund durch den unberechtigten oder unrichtigen Steuerausweis kein Nachteil entstanden ist (Art. 27 Abs. 2 lit. b MWSTG 2009 in der ursprünglichen Fassung; Urteil 2C_411/2014 vom 15. September 2014 E. 2.3.4 und 2.3.5). 3.3 3.3.1 Art. 27 MWSTG 2009 hat die Abrechnungsbeziehung zwischen der mehrwertsteuerpflichtigen Person und der Eidgenössischen Steuerverwaltung im Auge (vorne E. 3.2.3). Im vorliegenden Fall betrifft dies das Verhältnis zwischen BAKOM und ESTV, während die gebührenpflichtige Person scheinbar nicht betroffen ist. Das BAKOM hat im streitbetroffenen Zeitraum (Ende April 2007 bis Ende Mai 2011) durch die Billag AG Mehrwertsteuern von insgesamt Fr. 45.35 in Rechnung stellen lassen. Der Gebührenpflichtige ist der Zahlungspflicht bis Ende Mai 2011 nachgekommen. Er ersucht im vorliegenden Verfahren um Rückerstattung des besagten Betrags von Fr. 45.35. 3.3.2 Es fragt sich, ob die Zahlungen rechtsgrundlos erfolgt seien, sodass ein Rückerstattungsanspruch aufgrund rechtsgrundloser Bezahlung ( Art. 62 ff. OR per analogiam ) infrage kommen könnte (vorne E. 3.1). Auszugehen ist zunächst davon, dass im streitbetrofenen Zeitraum für die Erhebung der rundfunkrechtlichen Empfangsgebühr eine hinreichende gesetzliche Grundlage bestand ( Art. 68 ff. RTVG BGE 144 II 412 S. 422 in der hier massgebenden Fassung vom 24. März 2006; vorne E. 2.2.3). Aus dem gesetzeskonformen Art. 59 Abs. 1 der Radio- und Fernsehverordnung vom 9. März 2007 (RTVV; SR 784.401) in der hier noch anwendbaren ursprünglichen Fassung (AS 2007 787) ergibt sich sodann, dass die Empfangsgebühren für den privaten Empfang "monatlich exklusive Mehrwertsteuer" zu entrichten seien. Dies verdeutlicht, dass die Gebührenpflichtigen die (allfällige) Mehrwertsteuer zusätzlich zur eigentlichen Empfangsgebühr zu entrichten haben. Für die Überwälzung der Mehrwertsteuer vom BAKOM auf die gebührenpflichtigen Personen bestand insoweit eine gesetzliche Grundlage. 3.3.3 Eine andere Frage ist, ob die vom BAKOM überwälzte Steuer auch tatsächlich als vom BAKOM geschuldete Steuer zu betrachten ist. Die Vorinstanz verwirft dies und bezieht sich dabei auf BGE 141 II 182 . Der Tenor dieses Urteils ging dahin, mangels Vorliegens eines Leistungsaustauschs (E. 6.4-6.8) unterstehe die rundfunkrechtliche Empfangsgebühr keiner objektiven Mehrwertsteuerpflicht (E. 6.9). Streitbetroffen waren indes die Abgabeperioden vom 1. Juni 2011 bis zum 31. Mai 2013, für welche der Gebührenpflichtige gerade keine Mehrwertsteuer entrichtet hatte. Nicht zu klären war, wie es sich mit früheren Abgabeperioden verhalte. In den heute streitbetroffenen Abgabeperioden von Ende April 2007 bis Ende Mai 2011 hat der Gebührenpflichtige unstreitig Mehrwertsteuern von insgesamt Fr. 45.35 entrichtet. Wie in BGE 141 II 182 vorfrageweise geklärt, ist die Fakturierung der Mehrwertsteuer in Verstoss gegen das Mehrwertsteuerrecht erfolgt. Dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Überwälzung rechtsgrundlos erfolgt sei. Gegenteils ergibt sich aus dem Gesagten, dass das BAKOM die Mehrwertsteuer trotz an sich bundesrechtswidriger Erhebung an die ESTV abzuliefern hatte. Dies folgt für den Zeitraum bis zum 1. Januar 2010 aus dem bis dahin ungeschriebenen Prinzip "impôt facturé = impôt dû" und für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2010 aus Art. 27 Abs. 2 MWSTG 2009. Die Belastung mit Mehrwertsteuer ist insofern nicht rechtsgrundlos erfolgt. 3.3.4 Wenngleich ein qualifizierender mehrwertsteuerlicher Leistungsaustausch fehlte (Art. 5 ff. MWSTG 1999 bzw. Art. 1 Abs. 2 lit. a in Verbindung mit Art. 18 ff. MWSTG 2009) und daher kein "Hauptsteuerobjekt" vorliegen konnte (vorne E. 2.1), bestand aufgrund des unrichtigen oder unberechtigten Steuerausweises ein BGE 144 II 412 S. 423 "ergänzendes Steuerobjekt" bzw. "Hilfssteuerobjekt" (vorne E. 3.2.4). Die von der Billag AG namens und auftrags des BAKOM erhobene Mehrwertsteuer war damit vom BAKOM geschuldet. Die gesetzliche Schuldpflicht des BAKOM gegenüber der ESTV beläuft sich im vorliegenden Fall auf Fr. 45.35 und betrifft bei grammatikalischer Auslegung nur die Abrechnungsbeziehung (vorne E. 3.2.3). Aus der gesetzlichen Belastungskonzeption folgt indessen, dass die Mehrwertsteuer als Verbrauchssteuer ausgestaltet ist und auf den "nicht unternehmerischen Endverbrauch im Inland" abzielt (vorne E. 2.1). Dies trifft klarerweise auf das Hauptsteuerobjekt zu, Gleiches muss aber gelten, wenn die Steuerpflicht auf dem Hilfssteuerobjekt beruht. Das vorliegend bedeutsame öffentlich-rechtliche Verhältnis zwischen BAKOM und gebührenpflichtigen Personen steht ausserhalb der Privatautonomie. Es wird dahingehend vom Gesetzmässigkeitsprinzip beherrscht, dass das BAKOM die von ihm geschuldete Mehrwertsteuer zwingend auf die Gebührenpflichtigen zu überwälzen hat, soweit kein Fall von Art. 27 Abs. 2 lit. a und b MWSTG 2009 gegeben ist. 3.3.5 Die Vorinstanz verwirft die reflexweise Ausdehnung von Art. 27 Abs. 2 MWSTG 2009 auf die Überwälzungsbeziehung mit der Begründung, dass die gebührenpflichtige Person ausserhalb der Abrechnungsbeziehung mit der ESTV stehe. Dies ist formal richtig, entspricht aber nicht der Belastungskonzeption der Mehrwertsteuer. Die leistungsempfangende Person steht in jedem Fall ausserhalb der Abrechnungsbeziehung, und zwar ungeachtet dessen, ob ein Hauptsteuerobjekt oder "nur" ein Hilfssteuerobjekt vorliegt. Der Unterschied zwischen dem Ersatztatbestand nach Art. 27 MWSTG 2009 und Hauptsteuerobjekt gemäss Art. 18 ff. MWSTG 2009 beschränkt sich darauf, dass bei diesem die objektive Steuerbarkeit aus dem Leistungsverhältnis fliesst, während bei jenem ein unrichtiger oder unberechtigter Steuerausweis ausschlaggebend ist. Was den Rückerstattungspunkt betrifft, erscheint eine unterschiedliche Behandlung danach, ob das Haupt- oder das Hilfssteuerobjekt vorliege, ungerechtfertigt. Wie ausgeführt, erweisen sich die Zahlungen des Gebührenpflichtigen gerade nicht als rechtsgrundlos (vorne E. 3.3.3). Mit Blick auf den unrichtigen oder unberechtigten Steuerausweis hatte das BAKOM einerseits die Steuer abzuliefern und musste es sie, da ein öffentlich-rechtliches Grundverhältnis ohne Handlungsspielraum besteht, auf den Gebührenpflichtigen überwälzen. BGE 144 II 412 S. 424 3.3.6 Das Bundesgericht hat bereits festgestellt, dass zwischen BAKOM und gebührenpflichtigen Personen, was die rundfunkrechtliche Empfangsgebühr betrifft, keinerlei Leistungsverhältnis im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. a MWSTG 2009 besteht ( BGE 141 II 182 ). Rückblickend zeigt sich mithin, dass die objektive Steuerbarkeit nicht auf Art. 18 ff., sondern auf Art. 27 MWSTG 2009 beruht. Folglich steht die Schuldpflicht des BAKOM gegenüber der Eidgenossenschaft unter dem Vorbehalt, dass eine Korrektur der Rechnung erfolgt oder das BAKOM nachzuweisen vermag, dass dem Bund kein Steuerausfall entstanden ist (Art. 27 Abs. 2 lit. a und b MWSTG 2009; vorne E. 3.2.2 und 3.2.6). Wenn dem Gebührenpflichtigen die auf dem unrichtigen Steuerausweis beruhende Steuerschuld entgegengehalten werden kann, muss ihm aber auch gestattet sein, die Korrekturen nach Art. 27 Abs. 2 lit. a und b MWSTG 2009 in Anspruch zu nehmen. 3.3.7 Der Gebührenpflichtige ersuchte die Billag AG, die für das BAKOM tätig wird, mit Schreiben vom 9. Juli 2015 um Rückerstattung der ihm ab Ende Januar 2007 (richtigerweise wohl Ende April 2007) überwälzten und von ihm entrichteten Mehrwertsteuern. Einen dahingehenden Antrag hatte er zwar bereits in seiner Beschwerde vom 17. März 2013 gestellt, doch konnte dies nicht Gegenstand des damaligen Beschwerdeverfahrens bilden, weil hierzu keine Verfügung vorlag. Massgebend muss damit der 9. Juli 2015 sein. Bei bundesrechtskonformer Auslegung und Anwendung des Mehrwertsteuerrechts von 2009 häte das BAKOM vor dem Hintergrund dieses Gesuchs erkennen können bzw. müssen, dass die rundfunkrechtliche Empfangsgebühr bis dahin bundesrechtswidrig besteuert worden war. Das BAKOM hätte daher spätestens zu diesem Zeitpunkt in Anwendung von Art. 27 Abs. 2 MWSTG 2009 an die ESTV gelangen müssen und seinerseits um Rückerstattung zu ersuchen gehabt. Was den im vorliegenden Fall interessierenden Gebührenpflichtigen betrifft, ist unstreitig, dass dieser unternehmerisch nicht tätig wird und daher auch nicht subjektiv mehrwertsteuerpflichtig sein kann (Art. 10 MWSTG 2009). Entsprechend hätte das BAKOM der ESTV gegenüber ohne Weiteres den Tatbestand von Art. 27 Abs. 2 lit. b MWSTG 2009 anrufen können. Der Gebührenpflichtige war nie vorsteuerabzugsberechtigt. 3.4 3.4.1 Nach dem Gesagten ist das Begehren des Gebührenpflichtigen um Erstattung der Mehrwertsteuer (Fr. 45.35 nebst Verzugszins) BGE 144 II 412 S. 425 dem Grundsatze nach klarerweise gutzuheissen. Dabei bleibt freilich zu beachten, dass auch ein Rückerstattungsanspruch verjähren kann. Dem Mehrwertsteuerrecht von 2009 lässt sich keine ausdrückliche Verjährungsregel rückerstattungsrechtlicher Natur entnehmen. Es bleibt daher bei den allgemeinen verjährungsrechtlichen Bestimmungen. 3.4.2 Die mehrwertsteuerliche Inlandsteuer wird je Steuerperiode erhoben, wobei das Kalenderjahr als Steuerperiode gilt (Art. 34 Abs. 1 und 2 MWSTG 2009). Periodische Leistungen verjähren gemeinhin mit Ablauf von fünf Jahren ( Art. 128 Ziff. 1 OR ). Entsprechend verjährt das Recht der ESTV, die mehrwertsteuerliche Steuerforderung festzusetzen, fünf Jahre nach Ablauf der Steuerperiode, in der die Steuerforderung entstanden ist (relative Verjährung; Art. 42 Abs. 1 MWSTG 2009). Die Differenz von Umsatz- und Vorsteuer bildet die Steuerforderung (Art. 36 Abs. 2 MWSTG 2009; vorne E. 2.2.1). Wenn somit der Vorsteueranspruch der steuerpflichtigen Person gegenüber der Eidgenossenschaft innerhalb von fünf Jahren verjährt, ist auch die Rückforderung entsprechend begrenzt. Dies kann sinngemäss Art. 43 Abs. 2 MWSTG 2009 entnommen werden, wonach die steuerpflichtige Person die "eingereichten und bezahlten Abrechnungen" bis zum Eintritt der Rechtskraft "korrigieren" kann, also längstens bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung (Art. 43 Abs. 1 lit. c MWSTG 2009). 3.4.3 Das bedeutet, dass aufgrund des Prinzips "fakturiert - geschuldet" der Rückerstattungsanspruch in der Überwälzungsbeziehung durch die Möglichkeit begrenzt wird, im Abrechnungsverhältnis die Mehrwertsteuer verjährungsrechtlich zurückzuverlangen, dies allerdings unabhängig davon, ob die steuerpflichtige Person die Korrektur tatsächlich vornimmt und zurückfordert oder nicht. Die Möglichkeit dazu muss sie aber zumindest haben. Bezogen auf den vorliegenden Fall heisst dies, dass das BAKOM, wäre es (spätestens) mit dem Gesuch des Gebührenpflichtigen vom 9. Juli 2015 tätig geworden, befugt gewesen wäre, seine Abrechnungen der Jahre 2010, 2011, 2012, 2013 und 2014 (nebst dem angebrochenen Jahr 2015) zu korrigieren. In diesem Umfang wäre die Festsetzungsverjährung bis dahin noch nicht eingetreten gewesen, wohl aber bezüglich der von Ende April 2007 bis Ende 2009 bezahlten Mehrwertsteuern des Gebührenpflichtigen. 3.4.4 Von der Verjährung in der Abrechnungsbeziehung zwischen dem BAKOM und der ESTV, welche die Rückerstattung insoweit BGE 144 II 412 S. 426 begrenzt, als das BAKOM seinerseits die zu viel abgelieferte Mehrwertsteuer nicht zurückfordern könnte , zu unterscheiden ist die Verjährung des Anspruchs auf Rückerstattung rechtsgrundlos erbrachter Zahlungen in der Überwälzungsbeziehung. Für diesen Anspruch, welcher als öffentlichrechtlicher Rechtsgrundsatz der privatrechtlichen Regelung über die ungerechtfertigte Bereicherung ( Art. 62 ff. OR ) nachgebildet ist (vorne E. 3.1), stellt die Rechtsprechung mangels spezialgesetzlicher Bestimmungen auf die Verjährungsregeln von Art. 67 OR ab ( BGE 135 III 289 E. 7.1 S. 294; BGE 132 V 404 E. 3 S. 407; BGE 129 III 503 E. 3.4 S. 505). Danach verjährt der Anspruch mit Ablauf eines Jahres, nachdem die verletzte Person von ihrem Anspruch Kenntnis erhalten hat, in jedem Fall aber mit Ablauf von zehn Jahren seit der Entstehung des Anspruchs. Weil nach dem Gesagten der Rückerstattungsanspruch auch insoweit begrenzt ist, als aufgrund des Prinzips "fakturiert - geschuldet" mehr als fünf Jahre zurückliegende Abgaben geschuldet sind und nicht rechtsgrundlos erbracht wurden, ist die Frist von zehn Jahren hier nicht von Bedeutung. Hingegen ist die einjährige Verjährungsfrist seit Kenntnis des Anspruchs einzuhalten. Diese Kenntnis erlangte der Gebührenpflichtige spätestens mit dem Urteil 2C_882/2014 vom 13. April 2015. Die einjährige Frist ist eingehalten, ersuchte der Gebührenpflichtige das BAKOM doch unmittelbar nach diesem Urteil um Rückerstattung der Mehrwertsteuer. 3.4.5 Vorliegend ist über die Abgabeperioden vom 1. Juni 2011 bis zum 31. Mai 2013 bereits rechtskräftig entschieden worden ( BGE 141 II 182 ). Darauf ist nicht zurückzukommen, zumal der Gebührenpflichtige in dieser Zeit die Mehrwertsteuer ohnehin nicht (mehr) entrichtet hatte. Streitig ist der Zeitraum von Ende April 2007 bis Ende Mai 2011, wobei sich zeigt, dass alle Ansprüche, die den Zeitraum vor dem 1. Januar 2010 betreffen, verjährt sind. Zusammenfassend hat der Gebührenpflichtige gegenüber dem BAKOM einen Anspruch pro rata temporis auf Erstattung der Mehrwertsteuer für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis und mit dem 30. Mai 2011. In diesem zeitlichen Umfang ist der vorinstanzlichen Sichtweise im Ergebnis zu folgen und die Beschwerde des UVEK unbegründet. Soweit weitergehend, ist sie gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben.
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Sachverhalt ab Seite 147 BGE 128 III 146 S. 147 Die Volkswagen AG (Klägerin 1) und die Audi AG (Klägerin 2) vertreiben ihre Fahrzeuge in der Schweiz über die Generalimporteurin AMAG Automobil- und Motoren AG, welche ihrerseits Händlern den Status einer offiziellen AMAG-Vertretung verleiht. Einen entsprechenden Vertrag schloss die AMAG mit der Garage X. AG (Beklagte) im Februar 1965. Diesen Vertrag kündigte sie auf den 31. Dezember 1996. Die Beklagte betreibt ihren Garagenbetrieb weiterhin für Fahrzeuge der Marken VW und Audi. Sie entfernte nach Beendigung des Vertrages mit der AMAG vertragsgemäss die offizielle Beschilderung, liess jedoch durch die Firma Y. AG eine neue Leuchtreklame fertigen, die sie auf dem Dach ihres Garagebetriebes montieren liess. Die Klägerinnen stellten beim Handelsgericht des Kantons Zürich folgende Rechtsbegehren: "1. Es sei der Beklagten zu verbieten, die Zeichen "VW" und "Audi" im Geschäftsverkehr, insbesondere zur Kennzeichnung ihres Geschäftslokals, als Bestandteil der Geschäftsbezeichnung, auf Firmenschilder, Briefpapier, auf Service-Stempel, in der Werbung, in Nachschlagverzeichnissen, elektronischen Verzeichnissen oder sonstwie zu gebrauchen; 2. Es sei die Beklagte zu verpflichten, sämtliche zur Kennzeichnung ihres Geschäftslokals dienenden Schilder () mit der Aufschrift "VW"/"Audi" Spezialist bzw. "VW"/"Audi" gemäss den Abbildungen in Beilage 20 zu entfernen und sämtliche Drucksachen wie Broschüren, Briefschaften, Service-Stempel, Werbematerial usw., auf welchen die Zeichen "VW" und "AUDI" angebracht sind, zu vernichten; BGE 128 III 146 S. 148 3. Es sei das Verbot und Gebot gemäss Ziffer 1 und Ziffer 2 vorstehend mit der Androhung der Bestrafung der Organe der Beklagten mit Haft oder Busse wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung im Sinne von Art. 292 StGB zu verbinden." Zur Begründung ihrer Begehren beriefen sich die Klägerinnen namentlich auf ihre diversen, international hinterlegten Wort- und Wort-/Bildmarken "VW" und "AUDI". Das Handelsgericht wies die Klage mit Urteil vom 29. März 2001 ab. Das Kassationsgericht des Kantons Zürich wies eine dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Klägerinnen am 22. September 2001 ab, soweit es darauf eintrat. Die Klägerinnen haben eidgenössische Berufung eingereicht mit den Anträgen, es sei das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 29. März 2001 aufzuheben und ihre Klage sei vollumfänglich gutzuheissen, eventuell sei die Sache zur Durchführung des Beweisverfahrens und Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Berufung ab, soweit es darauf eintritt.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die Klägerinnen rügen, die Vorinstanz habe eine Verletzung ihrer Markenrechte sowie ein unlauteres Verhalten der Beklagten zu Unrecht verneint. Sie berufen sich auf Art. 3 des Bundesgesetzes vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG; SR 232.11), auf Art. 3 lit. d des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 1986 über den unlauteren Wettbewerb (UWG; SR 241) sowie insbesondere auf Art. 13 Abs. 2 lit. e MSchG . a) Art. 3 Abs. 1 MSchG schliesst jüngere Zeichen vom Markenschutz aus, wenn sie einer älteren Marke derart ähnlich sind, dass sich daraus eine Verwechslungsgefahr ergibt. Die Gefahr der Verwechslung bedeutet, dass ein Kennzeichen in seinem Schutzbereich durch gleiche oder ähnliche Zeichen in seiner Funktion der Individualisierung bestimmter Personen oder Gegenstände gefährdet wird. Dabei können schlechter berechtigte, gleiche oder ähnliche Zeichen Fehlzurechnungen derart verursachen, dass die Adressaten die gekennzeichneten Gegenstände (unmittelbar) für jene halten, die mit den besser berechtigten Zeichen individualisiert werden. Ferner BGE 128 III 146 S. 149 können die schlechter berechtigten Zeichen eine mittelbare Verwechslungsgefahr schaffen, indem die Adressaten die Zeichen zwar auseinander zu halten vermögen, aber falsche Zusammenhänge vermuten ( BGE 127 III 160 E. 2a S. 165 f.). Eine Verwechslungsgefahr und damit auch eine Verletzung des Prioritätsrechts gemäss Art. 3 MSchG entfällt dagegen, wenn Kennzeichen der Individualisierung von Waren oder Dienstleistungen dienen, die vom Markenberechtigten oder mit seinem Einverständnis in Verkehr gebracht worden sind. Soweit die Kennzeichen Originalprodukte individualisieren, entfällt die Gefahr von Fehlzurechnungen von vornherein. Da die Beklagte im vorliegenden Fall unbestritten Waren zum Verkauf anbietet und für Reparaturen an Fahrzeugen wirbt, die mit dem Einverständnis der Klägerinnen als Originalmarkenprodukte in Verkehr gesetzt worden sind, besteht insofern keine Gefahr von Verwechslungen. Der Streit der Parteien dreht sich vielmehr um den Gebrauch der klägerischen Marken im Zusammenhang mit der Werbung für die eigene Geschäftstätigkeit der Beklagten, namentlich um die Leuchtreklame und die Anpreisung der Beklagten als "Spezialist". b) Nach Art. 13 Abs. 2 lit. e MSchG kann der Markeninhaber anderen verbieten, ein Zeichen zu gebrauchen, das nach Artikel 3 Abs. 1 vom Markenschutz ausgeschlossen ist, so insbesondere das Zeichen auf Geschäftspapieren, in der Werbung oder sonstwie im geschäftlichen Verkehr zu gebrauchen. aa) Verwendet ein Geschäftsinhaber die fremde Marke für sein Angebot an Original-Markenartikeln oder zur Werbung für Reparatur- und Servicearbeiten, die Originalmarkenartikel zum Gegenstand haben, so verletzt er das Markenrecht nicht, wenn seine Werbung sich deutlich auf seine eigenen Angebote bezieht. Angaben zur Beschreibung eigener Warenangebote oder Dienstleistungen darf vielmehr jedermann verwenden, auch wenn davon Marken Dritter berührt werden ( BGE 126 III 322 E. 3b S. 325 mit Hinweis; vgl. auch Urteil 4C.354/1999 vom 12. Januar 2000, publ. in: sic! 4/2000 S. 310 ff. als "Chanel IV", E. 2a und b). Diesen Grundsatz stellen die Klägerinnen zwar nicht ausdrücklich in Frage. Sie machen auch zu Recht nicht geltend, der Beklagten könne verwehrt werden, ihre Reparatur- und Serviceleistungen speziell für Fahrzeuge der klägerischen Marken zu erbringen und auch ihre Wiederverkaufstätigkeit besonders auf Gebrauchtwagen der klägerischen Marken auszurichten. Sie sehen indessen im Schutz des Werbeauftritts der Beklagten durch die Vorinstanz einen Widerspruch zum klaren BGE 128 III 146 S. 150 Wortlaut von Art. 13 Abs. 2 lit. e MSchG und vertreten die Ansicht, es werde damit eine neue Schranke des Markenrechts und eine Art unentgeltlicher Zwangslizenz eingeführt. bb) Die Marke dient der Individualisierung der Produkte eines Unternehmens und deren Abgrenzung gegenüber Konkurrenzprodukten. Allfällige weitere wirtschaftliche Funktionen wie Werbung, Profilierung oder Kommunikation der Markeninhaber im Wettbewerb geniessen keinen selbständigen Schutz ( BGE 122 III 469 E. 5f S. 479; Botschaft des Bundesrates vom 21. November 1990 zu einem Bundesgesetz über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben, BBl 1991 I 19; MARBACH, Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Bd. III, Kennzeichenrecht, S. 5 f.; vgl. auch DAVID, Basler Kommentar, Markenschutzgesetz, Muster- und Modellgesetz, 2. Aufl., N. 7 zu Art. 1 MSchG ). Die Markeninhaber können den Weiterverkäufern oder Dienstleistern ihrer Markenprodukte daher weder vorschreiben, wie sie mit diesen umzugehen haben noch welche Werbemassnahmen sie treffen dürfen (Urteil 4C.354/1999 vom 12. Januar 2000 ["Chanel IV"], a.a.O., E. 2b; MARBACH, a.a.O., S. 202; DAVID, a.a.O., N. 16 zu Art. 13 MSchG ). Allerdings bleibt den Markenberechtigten die allgemeine Bewerbung der Marke, die ohne Bezug auf ein bestimmtes Warensortiment oder konkrete Dienstleistungen dem Ansehen und dem Ruf der Marke beim Publikum im Allgemeinen gilt, vorbehalten ( BGE 126 III 322 E. 3a; Urteil 4C.354/1999 vom 12. Januar 2000 ["Chanel IV"], a.a.O., E. 2b; DAVID, a.a.O., N. 7 zu Art. 1, N. 23 zu Art. 13). Auch findet die Werbung mit einer Drittmarke ihre Grenze dort, wo beim Publikum der unzutreffende Eindruck einer besonderen Beziehung des mit der Marke werbenden Anbieters zum Markeninhaber erweckt wird. Eine derartige Täuschung der Adressaten ist unbesehen darum rechtswidrig, ob darin eine Berühmung an (der Nutzungsberechtigung) der Marke und damit ein Verstoss gegen den Markenschutz zu sehen wäre oder auch unter dem geltenden MSchG ein unlauteres Verhalten und damit ein Verstoss gegen das UWG vorliegt (vgl. BGE 104 II 58 E. 4 S. 60 f.; Urteil 4C.354/1999 vom 12. Januar 2000 ["Chanel IV"], a.a.O., E. 2c; DAVID, a.a.O., Vorbem. zum 1. Titel N. 3). cc) Die Vorinstanz hat diese Grundsätze bundesrechtskonform angewendet, indem sie davon ausging, dass der Gebrauch einer Drittmarke in der Werbung jedenfalls rechtmässig ist, solange er klar auf die eigenen Leistungen bezogen bleibt und das Publikum nicht über die Verhältnisse des Werbenden zum Markeninhaber getäuscht BGE 128 III 146 S. 151 wird. Diese Abwägung der Interessen der Markenrechtsinhaber einerseits und nicht am Kennzeichen berechtigter Wettbewerber mit Originalmarkenprodukten anderseits entspricht im Ergebnis derjenigen des Europäischen Gerichtshofs in Auslegung des einschlägigen Rechts der EU (vgl. dessen Urteil vom 23. Februar 1999 i.S. BMW c. Deenik, Rs. C-63/97, auszugsweise publ. in: sic! 2/1999 S. 183). c) Ob die Adressaten bestimmte Anpreisungen auf die konkrete Geschäftstätigkeit für mit Drittmarken gekennzeichnete Originalprodukte beziehen oder ob sie diese der Marke als solcher bzw. dem Markeninhaber zurechnen, beurteilt sich nach dem Gesamteindruck, den sie beim Publikum erwecken (Urteil 4C.354/1999 vom 12. Januar 2000 ["Chanel IV"], a.a.O., E. 2d). Die Vorinstanz hat in dieser Hinsicht zutreffend geprüft, wie das Publikum die Werbung der Beklagten versteht. aa) Die umstrittene Leuchtreklame ist nach den Feststellungen der Vorinstanz augenfällig auf dem Dach des Garagenbetriebs der Beklagten montiert und hat die Form eines hochgestellten Rechtecks. Auf dem hellen Hintergrund der Reklamefläche sind drei gleich grosse, farbige, abgerundete Rechtecke parallel übereinander angeordnet. Das obere Rechteck ist dunkelblau gehalten und trägt in gleicher Farbe weissumrandet das Zeichen "VW", das mittlere Rechteck ist rot und enthält in gleichfarbiger, weissumrandeter Schrift das Zeichen "Audi" und das untere Rechteck ist hellblau und trägt den gelben Schriftzug "Spezialist". Die Klägerinnen beanstanden insofern die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz nicht. bb) Die Beklagte bietet ihre Dienste besonders für Fahrzeuge der klägerischen Marken an, weshalb ihr erlaubt sein muss, zu diesem Zweck die klägerischen Zeichen zu gebrauchen. Die Vorinstanz hat festgestellt, dass das Anbringen einer Leuchtreklame auf dem Garagendach dem branchenüblichen Werbeverhalten entspricht und von den Adressaten als Hinweis auf den Garagenbetrieb und dessen Leistungen - nicht darüber hinaus als Bewerbung der Marken - verstanden wird, zumal die Beklagte das Logo der klägerischen Zeichen nicht gebraucht. Das verwendete Schriftbild kann nach den Feststellungen der Vorinstanz als nüchtern bezeichnet werden und grenzt sich sowohl von der prägnanten "Audi"-Schreibweise wie von den übereinander stehenden Buchstaben "V" und "W" ab. Ob diese Abgrenzung zur Klarstellung des Gegenstands der Werbung erforderlich ist oder der Bezug ausschliesslich auf die Tätigkeit der Beklagten auch auf andere Weise klar herausgehoben werden BGE 128 III 146 S. 152 könnte, sei dahingestellt. Die klägerischen Marken werden jedenfalls in der Weise gebraucht, dass die Adressaten diese Werbung als Anpreisung des eigenen Angebots der Beklagten verstehen. Der Eindruck einer nicht (mehr) vorhandenen Vertragsbeziehung zwischen dieser und den Markeninhaberinnen wird nicht erweckt. Insbesondere weist der Ausdruck "Spezialist" nicht auf eine besondere Vertragsbeziehung zu den Klägerinnen als Markenberechtigte hin. Die Klägerinnen bringen denn auch für ein derartiges Verständnis des Publikums nichts vor. cc) Aufgrund der Feststellungen der Vorinstanz kann nicht angenommen werden, die Beklagte habe den Eindruck erweckt, sie würde statt für ihre eigene Geschäftstätigkeit für die Marken der Klägerinnen werben oder täusche das Publikum über ein nicht vorhandenes Verhältnis zu den Klägerinnen als Markeninhaberinnen. Die Vorinstanz hat eine Täuschung der Adressaten über den Gegenstand der Werbung bundesrechtskonform verneint. Inwiefern im Übrigen für die vorliegend umstrittenen Fragen das Firmenrecht den Klägerinnen gegenüber der Beklagten mehr Rechte verschaffen sollte als Markenrecht und UWG, ist nicht ersichtlich und lässt sich der Berufung der Klägerinnen nicht entnehmen.
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Sachverhalt ab Seite 178 BGE 96 I 177 S. 178 A.- L'A.I.I. Growth Fund est un fonds de placement au sens de la loi fédérale du 1er juillet 1966 (en abrégé: LFP). Sa direction est assumée par la SA A.I.I. Management, à Genève; la banque dépositaire est la Banque Romande, à Genève. Les personnes qui veulent acquérir des parts doivent payer au moins 100 fr. à ladite banque. Le prix d'émission se calcule d'après la valeur vénale des placements au jour du paiement. Le fonds existait déjà avant le 1er février 1967, jour où la loi du 1er juillet 1966 est entrée en vigueur; son règlement date du 6 janvier 1967. Sa direction et la banque dépositaire ont donc dû l'adapter au droit nouveau et le soumettre à l'approbation de l'autorité de surveillance, ce qui fut fait le 13 mai 1969. Le 6 juin suivant, les requérantes produisirent, de plus, un mémoire sur l'admissibilité de la clause du règlement, qui prévoit l'émission de fractions de parts. Le 3 septembre 1969, la Commission fédérale des banques a approuvé le règlement sous deux réserves. La première concernait les rémunérations accordées à la direction et à la banque dépositaire; elle n'est pas en cause aujourd'hui. La seconde concerne les clauses réglementaires suivantes: " Art. 3 al. 1: Les parts sont représentées par des certificats au porteur, incorporant une ou plusieurs parts. Lorsque le nombre de parts n'est pas un nombre entier, il est indiqué avec trois décimales. Art. 17 al. 3: L'acquisition d'une part ou fraction de part du Fonds entraîne pour le porteur l'adhésion au présent règlement." Dans son approbation, la Commission fédérale des banques excepta ces deux clauses; elle contestait qu'il fût licite de créer des fractions de parts. Elle argumentait comme il suit: Selon l'art. 20 al. 2 LFP, les droits du porteur de parts doivent être incorporés dans des papiers-valeurs sans valeur nominale (certificats) représentant une ou plusieurs parts, créées au porteur ou au nom d'une personne déterminée; les parts sont, en vertu de la loi, des papiers-valeurs négociables; des fractions de parts, cependant, n'auraient qu'une valeur comptable. BGE 96 I 177 S. 179 B.- La SA A.I.I. Management a formé un recours de droit administratif. Elle conclut à l'annulation de la réserve formulée par la Commission fédérale des banques touchant les fractions de parts. Son argumentation se résume comme il suit: Le titulaire d'un compte en banque, en Suisse, peut, par l'intermédiaire de sa banque, acquérir des parts à peu près de la même manière que des actions. La direction du fonds calcule la valeur des parts et établit le décompte avec la banque. Les personnes qui n'ont pas de compte en banque ne peuvent agir de même. Car elles ne connaissent pas d'avance le prix d'une ou de plusieurs parts. Elles envoient simplement à la banque dépositaire une certaine somme d'argent et lui donnent mandat, pour cette somme, d'acquérir autant de parts que possible. Si l'émission de fractions de parts n'était pas possible, il faudrait ou bien renvoyer à l'acquéreur le surplus de son versement, ou bien le lui placer sur un compte courant. L'une comme l'autre de ces opérations serait impraticable et, du reste, génératrice de frais et de risques. Or c'est précisément cette petite et nouvelle clientèle que la loi du 1er juillet 1966 a voulu protéger. Même interprété littéralement, l'art. 20 al. 2 LFP n'exclut pas l'émission de fractions de parts. Ce que la loi n'interdit pas est autorisé. Au cours des dix ans qu'ont duré les travaux préparatoires de la loi, le fractionnement des parts n'a jamais été discuté. A tort, la Commission fédérale des banques conclut du silence du législateur à une interdiction. C'est le contraire qui serait juste. A l'époque, l'émission de fractions de parts était usuelle aux Etats-Unis d'Amérique. La Commission fédérale des banques estime que l'on ne peut acquérir qu'un nombre entier de parts et non pas investir dans un fonds de placement une somme certaine; c'est là une vue toute théorique qui n'a aucune justification objective. On ne conteste pas que la part constitue une unité; mais on n'en saurait rien conclure du point de vue de son indivisibilité. Comme on le voit par l'exemple des Etats-Unis d'Amérique, même les fonds de placement qui, contrairement à l'A.I.I. Growth Fund, distribuent leurs bénéfices au lieu de les placer, pourraient fort bien émettre des parts fractionnaires. L'interdiction, en Allemagne, est sans conséquence pour la Suisse; du reste le droit allemand admet l'émission indirecte de parts fractionnaires. Le noeud de la question réside donc dans l'interprétation de l'art. 20 al. 2 LFP. Le seul argument donné en faveur d'une BGE 96 I 177 S. 180 interdiction d'émettre des fractions de parts, c'est que, dans le cas du fractionnement, il ne resterait plus, de la valeur mobilière des parts, qu'une valeur comptable. Mais le caractère négociable des parts dépend, pour l'essentiel, de l'existence d'un marché, pour elles. La loi n'exige pas qu'il en existe un. Elle n'exige pas non plus que le nombre des parts pour lesquelles on émet un certificat corresponde à un chiffre "rond" (5, 20, 50); elle n'exclut pas l'émission de 19, 31 parts, etc. Aucune disposition ne garantit l'échange de tels certificats contre d'autres qui représenteraient un "nombre rond" de parts. Les certificats portant sur un nombre impair de parts sont aussi difficilement négociables que ceux qui incorporent des fractions de parts. Cependant, l'art. 3 al. 2 du règlement du fonds garantit au participant le droit d'échanger en tout temps ses certificats contre d'autres coupures. La loi ne fixe pas non plus de prix d'émission minimal. Des parts de dix centimes ne seraient pas exclues; elles ne seraient pas plus aisément négociables que des fractions de parts. Ce qui importe pour le détenteur, c'est le droit de révocation prévu par l'art. 21 LFP. Du reste, plusieurs fonds de placement des grandes banques suisses attribuent à leurs clients des fractions de parts, correspondant aux paiements faits. Toutefois, ils ne reçoivent point de certificat pour ces fractions; ils acquièrent seulement des droits contractuels contre une société intermédiaire entre eux-mêmes et le fonds; cette société reçoit les certificats et les conserve dans un dépôt collectif. Il est vraiment paradoxal que la Commission fédérale des banques admette que l'auteur d'un versement - contrairement au texte clair de l'art. 20 LFP - ne reçoive aucun titre quelconque et qu'elle veuille, en même temps, interdire l'émission de certificats portant sur des fractions de parts. C.- La Commission fédérale des banques conclut au rejet du recours.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. Selon l'art. 20 al. 2 LFP, les droits des porteurs de parts doivent être incorporés dans des papiers-valeurs sans valeur nominale (certificats), représentant une ou plusieurs parts, créés au porteur ou au nom d'une personne déterminée; les certificats créés au nom d'une personne déterminée sont, de par la loi, des titres à ordre. BGE 96 I 177 S. 181 Il suit de là que le certificat concrétise l'unité des créances du porteur de parts contre la direction pour sa participation à la fortune et aux revenus du fonds de placement (al. 1), mais qu'il peut porter sur une ou plusieurs parts. De cette règle, en elle-même, on ne saurait rien inférer touchant la question litigieuse. 2. La lettre de l'art. 20 al. 2 LFP est plutôt favorable à la solution adoptée par l'intimée. L'expression "une ou plusieurs parts" ne permet guère d'admettre qu'il puisse s'agir de fractions, tout au moins de fractions seules, c'est-à-dire qui ne s'ajoutent pas à une ou plusieurs unités (par exemple 0,5 par opposition à 1,5 ou 4,5 parts). On en peut tout au moins conclure que le législateur aurait choisi une autre rédaction, s'il avait voulu permettre que les certificats puissent aussi porter sur des fractions de parts. Durant l'élaboration de la loi, du reste, il n'a jamais été question de l'admettre; on n'en a pas parlé. 3. L'interprétation du texte, cependant, pourrait conduire à une solution différente de celle que suggère sa lettre à première vue (RO 88 I 156 s.). Les opinions exprimées par les personnes qui ont participé à l'élaboration du texte ne sont pas non plus nécessairement décisives (RO 92 I 308 s.). On examinera donc si les arguments de la recourante trouvent un fondement dans le but de la loi ou dans ses autres dispositions. a) La recourante allègue tout d'abord que si l'on n'admet que l'acquisition de parts entières, on ne pourra donner satisfaction aux personnes qui, ne possédant pas de compte en banque, font un versement et demandent à acquérir une participation correspondant à la somme ainsi payée. Cet argument n'est pas convaincant. Les circonstances sont les mêmes pour l'achat de n'importe quel titre. Celui qui veut en acquérir doit s'informer du prix et le payer; s'il dispose d'une somme supérieure ou même la verse au moment où il donne l'ordre d'achat, il lui incombe de prendre les mesures nécessaires pour l'emploi du surplus. La recourante n'a cité aucune disposition de la loi qui permette de conclure que l'on aurait voulu créer, à cet égard, en faveur de celui qui veut participer à un fonds de placement, une situation particulière. b) La recourante admet que le législateur suisse aurait connu l'usage qui permet, aux Etats-Unis d'Amérique, d'émettre des BGE 96 I 177 S. 182 fractions de parts; elle en conclut que s'il avait voulu exclure cette pratique, il l'aurait dit clairement dans la loi. L'institution des "trusts", telle qu'elle est apparue dans le droit anglo-saxon, est connue par les rapports présentés, en 1954, au congrès de la Société suisse des juristes par MM. Claude REYMOND (Le trust et le droit suisse) et T. GUBLER (Besteht in der Schweiz ein Bedürfnis nach Einführung des Instituts der angelsächsischen Treuhand (trust)?; RDS 1951 p. 121 à et 217 a). Le message du Conseil fédéral aux Chambres fédérales s'y réfère aussi (FF 1965 III 266). Mais nulle part, dans ces documents, on ne trouve mention du point de détail, aujourd'hui litigieux. On ne saurait donc affirmer que le législateur en ait eu connaissance. Supposé même qu'il en eût été autrement, il faudrait alors conclure de la lettre du texte, comme on l'a montré, que la loi exclut la pratique américaine. c) L'art. 20 al. 2 LFP - la recourante l'admet - tend à procurer au porteur de parts un papier-valeur négociable. Cependant elle conteste la conséquence qu'on en tire, à savoir que l'on ne peut incorporer dans ce titre que des parts entières. C'est, dit-elle tout d'abord, que la loi du 1er juillet 1966 ne garantit pas l'existence d'un véritable marché de parts. Mais le caractère de papier-valeur négociable, s'agissant du certificat, ne dépend pas de cette existence, pas plus qu'il n'en dépend pour n'importe quel titre non côté en bourse ou qui, pour toute autre raison, ne change pas de main pendant de longues années. L'art. 20 al. 2 LFP crée les conditions nécessaires pour un marché de certificats de fonds de placement. Le développement d'un tel marché dépend de la loi économique de l'offre et de la demande et non pas des mesures prises par le législateur. De même, la difficulté qu'il peut y avoir à négocier les certificats portant sur des nombres impairs de parts n'exclut pas la solution adoptée par la Commission fédérale des banques. Les certificats qui portent sur plusieurs parts peuvent être échangés contre d'autres portant sur des nombres de parts inférieurs. Mais, dans cette opération, il n'est pas question du fractionnement de parts. L'intimée déclare que l'émission de certificats portant sur des fractions de parts dénaturerait la part comme valeur mobilière "pour ne plus lui laisser qu'une valeur comptable". Même si l'on ne prend pas cette déclaration à la lettre, si l'on entend que de tels certificats seraient particulièrement difficiles à négocier et par conséquent moins appropriés BGE 96 I 177 S. 183 au but que se proposait le législateur, le Tribunal fédéral doit considérer qu'il s'agit là d'un avis d'experts sur une question économique, avis auquel il ne saurait, lui-même, en substituer un autre, qui soit mieux fondé (RO 87 I 438; 89 I 340 ). Comme le relève la recourante, la loi du 1er juillet 1966 n'interdit pas l'émission de certificats ne portant que sur des valeurs très faibles, par exemple dix centimes. Mais cette particularité n'apporte aucun soutien à sa thèse; au contraire. Car on en conclut qu'il n'est nul besoin de fractionner les parts. Il est vrai qu'en accordant le droit à la révocation (art. 21), la loi accorde au porteur de parts un moyen de porter remède au défaut d'un marché pour les parts lorsqu'il a besoin d'argent et ne trouve point d'acquéreur. Normalement et abstraction faite de la question des frais, cette possibilité pallie les difficultés auxquelles on pourrait se heurter lorsqu'on voudrait réaliser un certificat portant sur une fraction de part, mais ce moyen ferait défaut en cas de sursis selon l'art. 21 al. 4 ou d'autres circonstances extraordinaires. Au surplus, l'existence d'un palliatif n'est pas encore une raison de renoncer à la suppression radicale d'une difficulté. d) La recourante conteste que l'A.I.I. Growth Fund soit, en Suisse, le seul fonds de placement qui émette des fractions de parts; elle se réfère aux pratiques de certaines grandes banques suisses, pratiques qui permettraient effectivement de réaliser l'émission de telles fractions. Mais, dans ce processus, il ne s'agit nullement, du point de vue juridique, de l'émission de fractions de parts. On crée une société de plan d'investissement, laquelle souscrit des parts, dont elle est seule titulaire; elle y fait participer ses membres au prorata de leurs versements, sans qu'ils acquièrent jamais, personnellement, aucun certificat. C'est seulement du point de vue économique qu'ils peuvent, le cas échéant, bénéficier de fractions de parts; le fonds luimême n'en émet pas; cela n'est pas contesté. 4. Dans son ensemble, par conséquent, l'argumentation de la recourante ne permet pas d'admettre que la décision attaquée viole l'art. 20 al. 2 LFP. Il suffit d'ajouter encore les remarques suivantes: a) Si aucun fonds de placement, en Suisse, n'a encore cherché à émettre des fractions de parts, c'est sans doute que, du point de vue économique, le besoin ne s'en fait pas sentir. Il ne s'ensuit pas, toutefois, qu'une telle émission soit interdite. BGE 96 I 177 S. 184 b) Selon l'art. 17 al. 2 de la loi de la République fédérale d'Allemagne, du 16 avril 1967, sur les sociétés de placement de capitaux, on peut émettre des certificats pour une ou plusieurs parts d'un fonds individualisé. D'après un avis expriméle 1er juillet 1969 par le Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (Office fédéral de surveillance des opérations de crédit), ce texte exclut l'émission de fractions de parts. Cet avis ne saurait être décisif, du point de vue du droit suisse; il peut cependant constituer un indice pour l'interprétation de l'art. 20 al. 2 LFP. c) Dans un mémoire daté du 20 août 1968, l'Association suisse des banquiers arrive à la conclusion qu'il n'existe, pour le moment tout au moins, aucun besoin d'émettre des papiersvaleurs portant sur des fractions de parts. L'association affirme, mais sans motiver cette opinion, que l'art. 20 LFP ne contient aucune interdiction d'en émettre. On a montré que l'opinion contraire, soutenue par l'intimée, n'était pas contraire au droit fédéral.
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Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Rejette le recours.
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BGE_96_I_177
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Sachverhalt ab Seite 10 BGE 104 Ia 9 S. 10 August Herzog reichte durch einen Anwalt gegen eine Gemeindeabstimmung der Ortsgemeinde Fruthwilen Beschwerde ein, die der Bezirksrat Steckborn abwies. Gegen diesen Entscheid liess Herzog durch seinen Anwalt Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Thurgau einreichen, wobei er Gutheissung "unter Kosten- und Entschädigungsfolge für beide Instanzen" verlangte. Der Regierungsrat hiess die Beschwerde gut. Er sah davon ab, Verfahrenskosten zu erheben. Das Entschädigungsbegehren wies er mit der Begründung ab, gemäss konstanter Praxis werde auch im Fall der Gutheissung einer Beschwerde nur bei Vorliegen ausserordentlicher Umstände von der in § 5 Abs. 2 des Gesetzes über die Administrativstreitigkeiten vorgesehenen Möglichkeit, eine Parteientschädigung zuzusprechen, Gebrauch gemacht; ein solcher Fall liege hier nicht vor. August Herzog führt gegen den Entscheid des Regierungsrates, soweit damit die Zusprechung einer Parteientschädigung verweigert wird, wegen Verletzung von Art. 4 BV staatsrechtliche Beschwerde. Das Bundesgericht weist diese ab aus folgenden
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Erwägungen Erwägungen: 1. Der Beschwerdeführer erklärt, grundsätzlich ergebe sich ein Anspruch auf Ausrichtung einer Parteientschädigung schon direkt aus Art. 4 BV , und zwar auch im Verwaltungsverfahren BGE 104 Ia 9 S. 11 und ohne entsprechende kantonale Bestimmung. Die Behauptung trifft in dieser allgemeinen Form keineswegs zu. Es ist an sich denkbar, dass das Bundesgericht im Einzelfall den eine Parteientschädigung ablehnenden Entscheid einer kantonalen Verwaltungsbehörde selbst dann wegen Verletzung des Art. 4 BV aufheben könnte, wenn keine kantonale Vorschrift die Ausrichtung einer Parteientschädigung vorsieht, nämlich dann, wenn die Ablehnung des Entschädigungsbegehrens in stossender Weise dem Gerechtigkeitsempfinden zuwiderliefe. Hingegen hat das Bundesgericht nie aus Art. 4 BV den allgemeinen Satz abgeleitet, im Rechtsmittelverfahren vor der Verwaltungsbehörde müsse der obsiegenden Partei, wenn sie durch einen Anwalt vertreten gewesen sei, eine Parteientschädigung zugesprochen werden. Nach Art. 64 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren (VwVG) , auf den sich der Beschwerdeführer unter Hinweis auf ein Urteil des Bundesgerichts ( BGE 98 Ia 506 ) beruft, kann die Beschwerdeinstanz der ganz oder teilweise obsiegenden Partei von Amtes wegen oder auf Begehren eine Entschädigung für ihr erwachsene notwendige und verhältnismässig hohe Kosten zusprechen. Der Bundesgesetzgeber sieht demnach nicht vor, dass im Verwaltungsbeschwerdeverfahren der obsiegenden Partei, die durch einen Anwalt vertreten war, stets eine Parteientschädigung zugesprochen werden müsste. Zunächst liegt es in der Natur der sogenannten Kann-Vorschrift, dass der Behörde beim Entscheid, ob eine Parteientschädigung zuzusprechen sei oder nicht, ein erheblicher Spielraum des Ermessens zusteht. Zudem brauchen nicht immer "verhältnismässig hohe" Kosten zu entstehen, wenn ein Anwalt tätig wird. Da der Bundesgesetzgeber in einem Erlass aus neuerer Zeit - das VwVG wurde 1968 geschaffen - nicht vorschreibt, im Verwaltungsbeschwerdeverfahren müsse der obsiegenden Partei bei Beizug eines Anwalts eine Entschädigung zugesprochen werden, scheint die These des Beschwerdeführers, ein solcher Anspruch lasse sich direkt aus Art. 4 BV herleiten, bereits erschüttert. Es ist freilich einzuräumen, dass sich in der neuern kantonalen Gesetzgebung über die Verwaltungsrechtspflege eine gewisse Tendenz abzeichnet, wonach auch im Verfahren vor den Verwaltungsbehörden der obsiegenden, durch einen Anwalt BGE 104 Ia 9 S. 12 vertretenen Partei im allgemeinen eine Entschädigung zukommen soll. Doch enthalten auch neuere Gesetze ganz wesentliche Vorbehalte. So bestimmt das Luzerner Gesetz über die Organisation des Verwaltungsgerichts und die Verwaltungsrechtspflege vom 3. Juli 1972 in § 201 Abs. 2 für Fälle, in denen nicht Parteien mit gegensätzlichen Interessen beteiligt sind: "Wenn der Vorinstanz grobe Verfahrensfehler oder offenbare Rechtsverletzungen zur Last fallen, wird der obsiegenden Partei zu Lasten des Gemeinwesens, dem die Vorinstanz angehört, eine angemessene Vergütung für ihre Vertretungskosten zugesprochen". Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist somit eine Parteientschädigung nicht zuzusprechen, wenn der Vorinstanz nicht einer der genannten groben Fehler zur Last fällt. Nach Art. 41 des Beschlusses des Walliser Staatsrates vom 11. Oktober 1966 über das Verwaltungsverfahren vor dem Staatsrat und seinen Departementen kann dem obsiegenden Beteiligten, "wo besondere Verhältnisse es rechtfertigen", eine angemessene Entschädigung zugesprochen werden. Nach Art. 98 des St. Galler Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 16. Mai 1965 besteht "in Klagefällen, in Beschwerdeverfahren vor Verwaltungsgericht und wenn das Bundesrecht es vorschreibt", Anspruch auf Ersatz der ausseramtlichen Kosten; in den übrigen Fällen - also auch und vorab im Verwaltungsbeschwerdeverfahren - werden in der Regel keine ausseramtlichen Kosten zugesprochen. Nach § 17 des Zürcher Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen (Verwaltungsrechtspflegegesetz) vom 24. Mai 1959 werden im Verfahren vor den Verwaltungsbehörden keine Parteientschädigungen zugesprochen. Im Rekursverfahren (und im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht) kann indessen die unterliegende Partei oder Amtsstelle zu einer angemessenen Entschädigung für die Umtriebe des Gegners verpflichtet werden, wenn ihre Rechtsbegehren oder die angefochtene Verfügung offensichtlich unbegründet waren. Nach § 36 Abs. 2 des aargauischen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 9. Juli 1968 ist dem Obsiegenden im Verwaltungsbeschwerdeverfahren eine angemessene Entschädigung für Anwaltskosten zuzusprechen, sofern der Beizug eines Anwalts nicht offensichtlich unbegründet war. Am weitesten scheint Art. 19 der Verordnung des Urner Landrats über die Gebühren und Entschädigungen in der Verwaltung vom 12. Dezember 1973 BGE 104 Ia 9 S. 13 zu gehen, der lautet: "Dem teilweise oder ganz obsiegenden Beschwerdeführer, dem im Verwaltungsverfahren Anwaltskosten entstanden sind, ist eine Parteientschädigung zuzuerkennen" (vgl. dazu BGE 104 Ia 6 ). Diese durchaus unvollständige Übersicht zeigt, dass sich bis jetzt in der Schweiz kein allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz herausgebildet hat, wonach im Verwaltungsbeschwerdeverfahren der obsiegenden, durch einen Anwalt vertretenen Partei eine Parteientschädigung zugesprochen werden muss. Es wäre nicht angängig, einen derartigen Anspruch unmittelbar aus Art. 4 BV herzuleiten. Die Kantone können im Rahmen der ihnen zustehenden gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit die Lösung wählen, die sie für richtig und angemessen halten. Das thurgauische Recht sieht die Möglichkeit, im Verwaltungsbeschwerdeverfahren eine Parteientschädigung zuzusprechen, vor, und das Bundesgericht hat nur zu prüfen, ob der Regierungsrat die betreffende kantonalrechtliche Vorschrift willkürlich angewendet hat. 2. Nach § 5 Abs. 2 des thurgauischen Gesetzes über die Administrativstreitigkeiten vom 14. März 1866 "kann" der obsiegenden Partei eine "angemessene Kostenentschädigung" zugesprochen werden. Da es sich bei diesem Gesetz nicht um einen modernen, sondern um einen aus dem letzten Jahrhundert stammenden Erlass handelt, ist es nicht unhaltbar, wenn die thurgauischen Behörden die Kann-Vorschrift des § 5 Abs. 2 eng auslegen, nämlich in dem Sinne, dass eine Parteientschädigung nur zuzusprechen ist, wenn ausserordentliche Umstände vorliegen. Diese Auslegung entspricht unbestrittenermassen einer langjährigen gefestigten Praxis. Der Wortlaut der Vorschrift schliesst eine solche zurückhaltende Auslegung nicht aus, und es ist auch nicht nachgewiesen, dass die Praxis der thurgauischen Behörden klarerweise dem Willen des historischen Gesetzgebers widerspricht. Die Annahme, nach dem Sinn von § 5 Abs. 2 sei eine Parteientschädigung nur ausnahmsweise zuzusprechen, erscheint vertretbar. Es bleibt einzig zu prüfen, ob der Regierungsrat im konkreten Fall das Vorliegen ausserordentlicher Umstände, welche die Zusprechung einer Parteientschädigung aufdrängen, ohne Willkür verneinen durfte. Die Arbeit, die der Anwalt vor den beiden kantonalen Instanzen zu leisten hatte, ist zwar nicht gering einzuschätzen. Es lässt sich aber nicht sagen, die Beschwerdesache BGE 104 Ia 9 S. 14 sei überdurchschnittlich kompliziert oder umfangreich gewesen oder sie habe einen aussergewöhnlichen Zeit- und Arbeitsaufwand erfordert. Der Regierungsrat verfiel daher nicht in Willkür, wenn er die Zusprechung einer Parteientschädigung ablehnte.
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Sachverhalt ab Seite 302 BGE 119 Ib 302 S. 302 Das Eidgenössische Departement des Innern hat am 21. Juli 1993 nach einem längeren vorangehenden Verfahren für eine Reihe von Grundstücken im Gebiet Larets in der Gemeinde St. Moritz eine Waldfeststellungsverfügung getroffen. Dagegen hat die Schweizerische Stiftung für Landschaftsschutz und Landschaftspflege (SL) eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht BGE 119 Ib 302 S. 303 eingereicht. Sie verlangt die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und eine neue Waldfeststellung. Überdies beantragt sie, es sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Gegen dieses letztere Begehren haben die übrigen Verfahrensbeteiligten innert der Vernehmlassungsfrist keine Einwendungen erhoben. Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) ist der Auffassung, es sei unnötig, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu gewähren, da ihr diese bereits nach Art. 47 des Bundesgesetzes über den Wald vom 4. Oktober 1991 (WaG; SR 921.0) zukomme.
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Erwägungen Erwägungen: Nach Art. 111 Abs. 2 OG haben Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen, die nicht zu einer Geldleistung verpflichten, nur aufschiebende Wirkung, wenn der Präsident der urteilenden Abteilung sie von Amtes wegen oder auf Begehren einer Partei anordnet. Vorbehalten bleiben abweichende Bestimmungen des Bundesrechts. Gemäss Art. 47 WaG werden Bewilligungen und Anordnungen nach dem Waldgesetz erst wirksam, wenn sie in Rechtskraft erwachsen sind. Schon Art. 25bis Abs. 5 der früheren Verordnung betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei vom 1. Oktober 1965 sah vor, dass Rodungen erst nach unbenütztem Ablauf der Beschwerdefrist in Angriff genommen werden dürfen. Der Wortlaut von Art. 47 WaG ist indessen gegenüber dieser früheren Regelung und auch gegenüber der vom Bundesrat beantragten Fassung (vgl. BBl 1988 III 235) durch die vorberatende Kommission des Ständerats erweitert worden und bezieht sich nicht mehr allein auf Rodungsbewilligungen, sondern auf alle Anordnungen, die gestützt auf das Waldgesetz ergehen (vgl. Amtl.Bull. StR 1989 276). Auch die Feststellung von Wald oder des Nichtbestehens von Wald wird von Art. 47 WaG erfasst. Dementsprechend sind die von der angefochtenen Waldfeststellungsverfügung betroffenen Grundeigentümer schon von Gesetzes wegen gehalten, vor Eintritt der Rechtskraft auf alle Veränderungen zu verzichten, welche bei Bestehen von Wald auf Ihrer Parzelle unzulässig wären. Das Begehren der Beschwerdeführerin um Anordnung vorsorglicher Massnahmen erweist sich demzufolge als gegenstandslos.
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Sachverhalt ab Seite 624 BGE 131 III 623 S. 624 A. A.a Par contrat de travail de durée indéterminée du 1 er novembre 2002, X. Sàrl (la défenderesse), entreprise spécialisée dans la fabrication, le commerce et la distribution de matières premières dans l'industrie du textile, a engagé A. (la demanderesse) à partir du 3 mars 2003 en qualité d'agent commercial, moyennant un salaire mensuel brut de 7'000 fr., plus un treizième salaire dépendant de l'évolution du chiffre d'affaires. Si le contrat, à son art. 1 er , BGE 131 III 623 S. 625 instaurait un temps d'essai d'un mois, à savoir du 3 mars au 3 avril 2003, il ne réglait pas la question du délai de congé ( art. 64 al. 2 OJ ). A teneur de l'art. 5 de l'accord, la travailleuse devait être assurée "contre les accidents professionnels et non professionnels ainsi que sur la perte de gain accident et maladie, selon les lois régies par la LAA et LPP". Selon deux certificats médicaux établis les 7 avril et 5 mai 2003 par le Dr B., médecin traitant de la demanderesse, celle-ci a été totalement incapable de travailler pour cause d'accident dès le 7 avril 2003. Le praticien précité a dressé un troisième certificat médical le 6 juin 2003, dont il résulte que l'incapacité, imputée cette fois à une maladie, était prolongée jusqu'au 1 er juin 2003. Il a été retenu que l'incapacité de travail a été provoquée par une douleur au niveau du dos qui est apparue lorsque la travailleuse s'est levée de son lit le 7 avril 2003; le diagnostic de déchirure musculaire dorso-lombaire a été posé. A.b Le 7 mai 2003, la défenderesse a résilié le contrat de travail de la demanderesse pour le 30 juin 2003. En mai 2003, l'employeur a fait savoir à la travailleuse qu'il n'avait pas souscrit en sa faveur d'assurance couvrant la perte de gain en cas de maladie. La travailleuse a été libérée de l'obligation de travailler dès le 2 juin 2003. La défenderesse a payé à la demanderesse le salaire dû pour le mois d'avril 2003. A.c Le 8 juillet 2003, A. a ouvert action devant le Tribunal des prud'hommes de Genève contre X. Sàrl, concluant au paiement de ses salaires de mai et juin 2003, par 14'000 fr., et d'une indemnité pour vacances non prises, par 2'232 fr. 40, plus intérêts. La défenderesse a conclu à libération. Par décision du 19 août 2003, la compagnie d'assurances Y. a informé la demanderesse qu'elle refusait de prendre en charge le sinistre, au motif qu'il résultait d'une maladie et non d'un accident. Ce prononcé est entré en force, faute d'avoir été attaqué. Par jugement du 24 octobre 2003, le Tribunal des prud'hommes a alloué à la demanderesse 14'000 fr. à titre de salaires pour les mois de mai et juin 2003, plus 1'749 fr. 30 pour les vacances non BGE 131 III 623 S. 626 prises. Saisi d'une demande en révision, le Tribunal des prud'hommes, par jugement du 28 juin 2004, a complété son premier jugement en condamnant la défenderesse à payer à la demanderesse le montant total précédemment accordé, soit 15'749 fr. 30, mais assorti d'intérêts moratoires au taux de 5 % l'an dès le 1 er juillet 2003. B. La défenderesse a formé un appel devant la Cour d'appel de la juridiction des prud'hommes du canton de Genève. Admettant n'être redevable envers la demanderesse à titre de salaire que du montant brut de 1'646 fr. 10 pour la période du 1 er avril au 4 avril 2003 ainsi que de la somme de 7'000 fr. pour le mois de juin 2003, et tenant compte que celle-ci avait déjà perçu 7'000 fr. pour le mois d'avril 2003, la défenderesse a invoqué la compensation et conclu à ce qu'il lui soit donné acte qu'elle s'engageait à verser à la travailleuse un reliquat de 1'646 fr. 10, sous déduction des charges sociales et légales usuelles, la demanderesse étant déboutée de toutes autres conclusions. Par arrêt du 28 avril 2005, la cour cantonale a confirmé le jugement du 24 octobre 2003, complété le 28 juin 2004 à l'issue de la procédure de révision. En substance, l'autorité cantonale a considéré que l'employeur, qui, comme la défenderesse, omet de souscrire une assurance pour le risque maladie ou accident au profit du travailleur, est responsable du dommage subi par ce dernier. Elle en a déduit que la défenderesse est redevable à tout le moins de la perte de gain de la demanderesse à concurrence du 80 % du salaire, sans qu'il faille déterminer si l'incapacité de travail était due à un accident ou à une maladie. Comme la cour cantonale n'a pu obtenir aucune information fiable lui permettant de déterminer le taux réel de la perte de gain assurée, elle a retenu que l'employeur devait la totalité du salaire convenu, et non pas seulement les 80 % de celui-ci, à savoir 14'000 fr. brut pour mai et juin 2003, étant précisé que le paiement du salaire de juin 2003 n'est plus contesté. Enfin, comme le délai de résiliation du contrat de la demanderesse n'a pas excédé en l'occurrence deux mois, la Cour d'appel a jugé que la travailleuse ne s'était pas trouvée en mesure de bénéficier de ses jours de vacances en nature, si bien que c'était à bon droit que le Tribunal des prud'hommes lui avait alloué 1'749 fr. 30 pour 5 jours de vacances non pris, correspondant à 8.33 % de 21'000 fr. (salaires de mars, avril et mai 2003). BGE 131 III 623 S. 627 C. X. Sàrl exerce un recours en réforme contre l'arrêt cantonal. Elle requiert principalement qu'il lui soit donné acte qu'elle reconnaît devoir à son adverse partie la somme brute de 1'646 fr. 10, la demanderesse devant être déboutée de toutes autres ou contraires conclusions. Subsidiairement, elle conclut au renvoi de la cause à la cour cantonale pour nouvelle décision. L'intimée propose le rejet du recours et la confirmation de l'arrêt déféré.
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. 2.1 A l'appui de son premier moyen, la recourante prétend que, dès l'instant où l'intimée a été victime d'une maladie et non d'un accident, la cour cantonale aurait dû faire application de l' art. 324a CO . Elle affirme que l'accord dérogatoire au régime de base institué par l'art. 324a al. 1 à 3 CO, accord qui était prévu à l'art. 5 du contrat de travail conclu par les parties, n'était pas valable, car il ne respectait pas l'exigence de la forme écrite de l' art. 324a al. 4 CO au sens où l'entend la doctrine. A propos de l'application de l' art. 324a al. 1 CO , la recourante expose que, selon l'opinion majoritaire, un contrat conclu pour une durée indéterminée n'est pas un contrat devant durer plus d'un trimestre. Comme l'intimée n'avait travaillé qu'un peu plus d'un mois avant d'en être empêchée, la recourante est d'avis qu'elle n'avait pas droit à son salaire durant son incapacité du 7 avril au 1 er juin 2003. La défenderesse déclare vouloir compenser le salaire qu'elle doit à la travailleuse pour le mois de juin 2003 avec le salaire qu'elle lui a versé en avril 2003. A supposer qu'il faille admettre que la demanderesse a été victime d'un accident, la défenderesse allègue que le droit au salaire de l' art. 324b CO est également soumis à l'exigence de la durée minimale des rapports de travail instituée par l'art. 324a al. 1 in fine CO. 2.2 A teneur de l' art. 324a CO , si le travailleur est empêché de travailler sans faute de sa part pour des causes inhérentes à sa personne, telles que maladie, accident, accomplissement d'une obligation légale ou d'une fonction publique, l'employeur lui verse le salaire pour un temps limité, y compris une indemnité équitable pour le salaire en nature perdu, dans la mesure où les rapports de travail ont duré plus de trois mois ou ont été conclus pour plus de trois mois (al. 1); sous réserve de délais plus longs fixés par BGE 131 III 623 S. 628 accord, contrat-type de travail ou convention collective, l'employeur paie pendant la première année de service le salaire de trois semaines et, ensuite, le salaire pour une période plus longue fixée équitablement, compte tenu de la durée des rapports de travail et des circonstances particulières (al. 2); en cas de grossesse et d'accouchement de la travailleuse, l'employeur a les mêmes obligations (al. 3). Ces normes instituent un régime légal de base, correspondant à un seuil minimal de protection auquel il n'est pas possible de déroger en défaveur du travailleur (RÉMY WYLER, Droit du travail, Berne 2002, p. 149; JÜRG BRÜHWILER, Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, 2 e éd., note introductive ad art. 324a CO , p. 143 in medio; MARIANNE FAVRE MOREILLON, Droit du travail, Bâle 2004, p. 37). Eu égard à la protection qu'elles confèrent, elles complètent le droit suisse des assurances sociales (cf. MANFRED REHBINDER, Commentaire bernois, n. 1 ad art. 324a CO ; ADRIAN STAEHELIN, Commentaire zurichois, n. 2 ad art. 324a CO ). La loi fédérale, dans le régime de base, subordonne à une durée minimale du contrat de travail le droit au salaire du travailleur en cas d'incapacité non fautive pour des causes inhérentes à sa personne. L'employeur ne doit ainsi verser le salaire, pour une période de temps déterminée, que dans la mesure où les rapports de travail ont duré plus d'un trimestre ou ont été conclus pour plus d'un trimestre (art. 324a al. 1 in fine CO). 2.3 La durée de plus de trois mois des rapports de travail au sens de la disposition précitée correspond à la période pendant laquelle le travailleur exécute personnellement les services que l'employeur attend de lui. Autrement dit, elle débute le jour de la prise d'emploi. Partant, le droit au salaire ne naît que le lendemain du dernier jour du premier trimestre durant lequel le travailleur s'est trouvé au service de l'employeur. Pour calculer la durée de trois mois, il y a lieu, en application de l' art. 77 al. 1 ch. 3 CO , de rechercher, dans le troisième mois civil qui suit celui pendant lequel les rapports de travail ont débuté, le quantième correspondant au premier jour de travail (cf. sur tous ces points GABRIEL AUBERT, Commentaire romand, n. 5 et n. 6 ad art. 324a CO ; WYLER, op. cit., p. 150; FAVRE MOREILLON, op. cit., p. 39; PHILIPPE GNAEGI, Le droit du travailleur au salaire en cas de maladie, thèse Neuchâtel 1995, p. 44/45). BGE 131 III 623 S. 629 En l'espèce, la demanderesse, qui a été engagée par la défenderesse à compter du 3 mars 2003, est devenue totalement incapable de travailler dès le 7 avril 2003 en raison d'une atteinte à sa santé. Partant, l'incapacité de travail de l'intimée est survenue alors que son contrat individuel de travail n'avait duré que 5 semaines. La condition d'application de l' art. 324a al. 1 CO reposant sur la durée minimale des rapports de travail n'est donc pas remplie in casu. Ce point n'est d'ailleurs pas contesté. 2.4 Selon la seconde hypothèse visée à l' art. 324a al. 1 CO , le travailleur, en cas d'incapacité non fautive de travailler, a droit à son salaire si les rapports de travail ont été conclus pour plus de trois mois. Pour bien comprendre le système institué par le législateur, il faut envisager les diverses situations susceptibles de se présenter dans la pratique et les conséquences qui en découlent quant au droit au salaire du travailleur empêché. 2.4.1 Lorsqu'un contrat a été conclu pour une durée déterminée égale ou inférieure à trois mois, le Tribunal fédéral a déjà jugé que, à défaut d'accord contraire, l'employeur n'est pas tenu de rémunérer son employé pendant son incapacité non fautive de travailler ( ATF 126 III 75 consid. 2d et les nombreuses références doctrinales). Dans ce précédent, qui concernait une cantatrice russe engagée entre le 10 septembre 1996 et le 3 novembre 1996, répétitions incluses, pour chanter dans un opéra donné à Genève, la juridiction fédérale a expliqué que le législateur n'avait pas souhaité que l'employeur doive payer le salaire dans un cas où, du fait de la brièveté des relations de travail, ce dernier n'avait pratiquement reçu aucune prestation du travailleur empêché. 2.4.2 Si un contrat est conclu pour une durée déterminée supérieure à trois mois, il s'agit bien évidemment d'un contrat conclu pour plus de trois mois, ce qui signifie que le droit au salaire en cas d'empêchement non fautif de travailler prend naissance dès le début de l'engagement (AUBERT, op. cit., n. 10 ad art. 324a CO ; JEAN-LOUIS DUC/OLIVIER SUBILIA, Commentaire du contrat individuel de travail, n. 21 ad art. 324a CO ; ULLIN STREIFF/ADRIAN VON KAENEL, Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht, 5 e éd., n. 2 ad art. 324a/b CO p. 149; WYLER, op. cit., p. 152). 2.4.3 Si un contrat de durée indéterminée est conclu avec un délai de résiliation de plus de trois mois, les rapports de travail sont BGE 131 III 623 S. 630 d'emblée passés pour une durée supérieure à trois mois. Il suit de là que le droit au salaire naît dès le jour de l'entrée en service (REHBINDER, op. cit., n. 17 ad art. 324a CO , p. 339; STAEHELIN, op. cit., n. 34 ad art. 324a CO ; AUBERT, op. cit., n. 10 ad art. 324a CO ; BRÜHWILER, op. cit., n. 16 ad art. 324a CO ; FRANK VISCHER, Der Arbeitsvertrag, 3 e éd., Schweizerisches Privatrecht, vol. VII/4, p. 130). 2.4.4 Un contrat de durée indéterminée prévoyant un délai de congé égal ou inférieur à trois mois doit-il être considéré comme un contrat conclu pour plus de trois mois au sens de l' art. 324a al. 1 CO ? Il convient de procéder à l'interprétation de la norme susrappelée. Selon la jurisprudence, la loi s'interprète en premier lieu selon sa lettre (interprétation littérale). Si le texte légal n'est pas absolument clair, le juge recherchera la véritable portée de la norme, en la dégageant de sa relation avec d'autres dispositions légales et de son contexte (interprétation systématique), du but poursuivi, singulièrement de l'intérêt protégé (interprétation téléologique), ainsi que de la volonté du législateur telle qu'elle ressort notamment des travaux préparatoires (interprétation historique) ( ATF 131 III 314 consid. 2.2; ATF 129 II 114 consid. 3.1 p. 118). Si plusieurs interprétations sont possibles, il convient de choisir celle qui est conforme à la Constitution ( ATF 130 II 65 consid. 4.2 p. 71). Lorsqu'il est appelé à interpréter une loi, le Tribunal fédéral adopte une position pragmatique en suivant une pluralité de méthodes, sans soumettre les différents éléments d'interprétation à un ordre de priorité ( ATF 131 III 314 consid. 2.2 in fine et les références). 2.4.4.1 Le libellé du texte légal n'est pas très clair. Pour savoir si ledit contrat de durée indéterminée est conclu pour plus de trois mois au sens où l'entend l' art. 324a al. 1 CO , il n'est pas possible, à la seule lecture de cette disposition, de déterminer s'il faut seulement tenir compte de la volonté des parties le jour de la conclusion ou s'il convient de prendre en compte la durée déjà écoulée des rapports de travail au moment de l'empêchement et de l'additionner au délai de résiliation entrant en ligne de compte. 2.4.4.2 Dans son Message du 25 août 1967 concernant la révision des titres dixième et dixième bis du code des obligations (FF 1967 II p. 249 ss), le Conseil fédéral a déclaré que l' art. 324a al. 1 CO , en mettant sur le même pied les rapports de travail conclus pour plus de trois mois et ceux qui ont duré plus d'un trimestre, ne BGE 131 III 623 S. 631 pourrait pas s'appliquer à des travailleurs que la nature de leurs rapports de service contraint à changer fréquemment d'emploi, à l'instar des musiciens (FF 1967 II p. 340). Lors des débats aux Chambres fédérales, le conseiller aux Etats Borel, rapporteur, a relevé que le délai de trois mois et un jour est la durée minimum qui donne droit à une prestation de salaire en cas d'empêchement au travail subséquent (BO 1970 CE p. 326). Il ressort donc des travaux préparatoires une volonté certaine de lier l'obligation pour l'employeur de verser le salaire au travailleur empêché à l'accomplissement par ce dernier des prestations de travail pendant une durée déterminée. 2.4.4.3 Cette conclusion n'est pas démentie si l'on met en regard de l' art. 324a al. 1 CO d'autres dispositions du titre dixième du code des obligations. Ainsi l'al. 2 de la norme précitée prévoit expressément que la durée de versement du salaire en cas d'empêchement non fautif du travailleur est proportionnelle au temps passé dans l'entreprise. De même, la période de protection au cours de laquelle l'employeur ne peut pas résilier le contrat de travail d'un employé en incapacité de travail causée par une maladie ou un accident augmente, par paliers, avec les années de service (cf. art. 336c al. 1 let. b CO ). 2.4.4.4 La question évoquée au considérant 2.4.4 ci-dessus divise la doctrine en trois courants. L'opinion majoritaire admet qu'un contrat de travail conclu pour une durée indéterminée comportant un délai de résiliation inférieur ou égal à trois mois n'est pas d'entrée de jeu conclu pour une durée de plus de trois mois. Si un cas d'incapacité non fautive de travailler se présente avant que le contrat du salarié n'ait duré trois mois, ce dernier n'a pas droit au salaire. En d'autres termes, les trois premiers mois de travail constituent un délai de carence, le droit au salaire en cas d'empêchement de travailler ne naissant que le premier jour du quatrième mois (AUBERT, op. cit., n. 10 à 13 ad art. 324a CO ; BRÜHWILER, op. cit., n. 15 ad art. 324a CO ; FAVRE MOREILLON, op. cit., p. 38/39; GNAEGI, op. cit., p. 49 s., spéc. p. 51; STREIFF/VON Kaenel, op. cit., n. 2 ad art. 324a/b CO; PIERRE TERCIER, Les contrats spéciaux, 3 e éd., n. 3187, p. 460/461; WYLER, op. cit., p. 152; CHRISTIAN FAVRE/CHARLES MUNOZ/ROLF A. TOBLER, Le contrat de travail, Lausanne 2001, n. 1.1 ad art. 324a CO ). Un courant minoritaire est d'avis que doit être considéré comme conclu pour plus de trois mois le contrat de durée indéterminée, BGE 131 III 623 S. 632 qui, compte tenu de la durée écoulée des rapports de service lors de la survenance de l'incapacité de travail et de la longueur du délai de congé ordinaire entrant en considération, ne peut être résilié que pour un terme tombant après que le travailleur a accompli trois mois de service (MANFRED REHBINDER/WOLFGANG PORTMANN, Commentaire bâlois, n. 8 ad art. 324a CO ; REHBINDER, op. cit., n. 17 ad art. 324a CO , p. 339/340; STAEHELIN, op. cit., n. 35 ad art. 324a CO ; WOLFGANG PORTMANN, Individualarbeitsrecht, Zurich 2000, ch. 455, p. 110; peu clair: FRANK VISCHER, op. cit., p. 130 in medio et la note 44). Un avis isolé estime que les rapports de travail sont automatiquement conclus pour plus de trois mois dans chaque cas où les parties contractantes ont entendu se lier par un contrat d'une durée indéterminée (CHRISTIANE BRUNNER/JEAN-MICHEL BÜHLER/JEAN-BERNARD WAEBER/CHRISTIAN BRUCHEZ, Commentaire du contrat de travail, 3 e éd., n. 13 ad art. 324a CO ). 2.4.4.5 L'avis isolé susmentionné ne convainc pas. La loi prévoit explicitement qu'un contrat de durée indéterminée, sauf accord contraire, peut être résilié par chacune des parties pendant le temps d'essai, soit le premier mois de travail, moyennant un délai de congé de sept jours (cf. art. 335b al. 1 CO ). Et après le temps d'essai, il est possible de résilier le contrat de durée indéterminée pendant le deuxième mois de service moyennant le délai de congé d'un mois conformément à l' art. 335c al. 1 CO . A considérer la précarité des relations contractuelles au cours des premières semaines de service, il n'est pas possible de présumer que tout contrat de durée indéterminée est conclu nécessairement pour plus de trois mois. L'opinion minoritaire, qui apparaît motivée par de louables considérations sociales, ne saurait être suivie. Elle s'écarte en effet du texte légal qui a érigé, comme condition d'application de l' art. 324a al. 1 CO , le fait que les parties aient voulu, le jour de la conclusion du contrat, qu'il dure plus de trois mois. La circonstance qu'il conviendrait également de prendre en compte, le cas échéant, la durée acquise de l'emploi lors de la survenance de l'empêchement et la durée du délai de congé ne trouve du reste aucune assise dans les travaux préparatoires. De plus, ce système n'est consacré par aucune autre norme des art. 319 ss CO , en sorte qu'il semble étranger au droit suisse du travail. Il convient donc de se rallier à la doctrine majoritaire et d'admettre que si un contrat, comportant un délai de congé égal ou inférieur à BGE 131 III 623 S. 633 trois mois, est conclu pour une durée indéterminée, le travailleur, devenu incapable de travailler sans faute de sa part au cours des trois premiers mois d'emploi, n'a pas droit au salaire, ce dernier ne naissant que le premier jour du quatrième mois des rapports de travail. Il n'en reste pas moins que l'on peut déplorer avec AUBERT (op. cit., n. 12 ad art. 324a CO ) et BRUNNER/BÜHLER/WAEBER/BRUCHEZ (op. cit., n. 13 ad art. 324a CO ) qu'il y ait une inégalité de traitement entre des situations très semblables, à savoir entre le salarié engagé par un contrat de quatre mois, qui bénéficie dès la prise d'emploi - certes pour un temps limité - de son salaire en cas d'incapacité de travail et celui engagé avec un contrat de durée indéterminée prévoyant un délai de congé inférieur à un trimestre, qui doit supporter un délai de carence de trois mois avant d'avoir droit à son salaire s'il est empêché de travailler sans faute pour une cause inhérente à sa personne. Toutefois, c'est là la volonté du législateur et le Tribunal fédéral est tenu d'appliquer les lois fédérales ( art. 191 Cst. ). 2.5 A considérer l'art. 5 du contrat liant les plaideurs, il reste à examiner si ceux-ci ont entendu, dans le cas présent, déroger au régime de base institué par l'art. 324a al. 1 à 3 CO en adoptant un régime conventionnel. 2.5.1 L' art. 324a al. 4 CO confère à l'employeur et au travailleur la faculté de déroger au régime de base susmentionné. Ainsi, il est possible, par accord écrit, contrat-type de travail ou convention collective, de prévoir des prestations qui ont une valeur globalement équivalente à celles découlant dudit régime de base (cf., sur cette notion d'équivalence, arrêt 4C.419/1993 du 17 novembre 1994, consid. 4, publié in SJ 1995 p. 784, et arrêt P.1523/1981 du 4 février 1982, publié in SJ 1982 p. 574). La dérogation au régime de base doit être convenue en la forme écrite. Mais, comme les droits minimums du salarié sont en cause, le législateur n'a pas voulu que soit reconnue une convention stipulée sous n'importe quelle forme (AUBERT, op. cit., n. 53 ad art. 324a CO ; STREIFF/VON KAENEL, op. cit., n. 28 ad art. 324a/b CO). L'accord comportera donc clairement les points essentiels du régime conventionnel (pourcentage du salaire assuré, risques couverts, durée des prestations, modalité de financement des primes d'assurance, le cas échéant durée du délai de carence); il pourra toutefois BGE 131 III 623 S. 634 renvoyer aux conditions générales de l'assurance ou à un autre document tenu à la disposition du travailleur (AUBERT, op. cit., n. 54 ad art. 324a CO ; BRÜHWILER, op. cit., n. 23 ad art. 324a CO , p. 163/ 164; BRUNNER/BÜHLER/WAEBER/BRUCHEZ, op. cit., n. 21 ad art. 324a CO ; STREIFF/VON KAENEL, n. 28 ad art. 324 a/b CO; GNAEGI, op. cit., p. 104/105). En l'occurrence, l'art. 5 du contrat conclu le 1 er novembre 2002 dispose simplement que la travailleuse devait être assurée contre les accidents, professionnels et non professionnels, "ainsi que sur la perte de gain accident et maladie, selon les lois régies par la LAA et LPP". Il est totalement exclu de voir dans le libellé d'une telle clause la description précise des prestations prévues par un régime conventionnel. En conséquence, aucun accord dérogatoire tel que l'entend l' art. 324a al. 4 CO n'a été conclu par les parties, faute pour elles d'avoir respecté les exigences de forme particulières admises en doctrine. 2.5.2 Les al. 1 et 3 de l' art. 324a CO sont des normes relativement impératives ( art. 362 CO ). L' art. 324a al. 2 CO prévoit que le délai pendant lequel l'employeur paie le salaire au travailleur empêché peut être prolongé notamment par un accord, par quoi il faut entendre un simple accord, même oral, soumis à aucune forme spéciale, dès l'instant où il s'agit d'une dérogation en faveur du travailleur expressément autorisée par le code des obligations (STAEHELIN, op. cit., n. 55 ad art. 324a CO ; STREIFF/VON KAENEL, op. cit., n. 35 ad art. 324 a/b CO; PORTMANN, op. cit., ch. 464, p. 112; AUBERT, op. cit., n. 51 ad art. 324a CO ; BRUNNER/BÜHLER/WAEBER/BRUCHEZ, op. cit., n. 19 ad art. 324a CO ). La doctrine récente déduit à juste titre de ce système qu'un régime conventionnel plus favorable, qui ne fait qu'étendre le droit au salaire, peut être convenu sans respecter une quelconque forme, c'est-à-dire par exemple par actes concluants. Il est ainsi permis d'assurer la couverture des empêchements de travailler survenant durant les trois premiers mois de travail, lorsque les rapports de travail ont été conclus pour moins de trois mois (STAEHELIN, op. cit., n. 55 ad art. 324a CO , p. 240; BRUNNER/BÜHLER/WAEBER/BRUCHEZ, op. cit., n. 19 ad art. 324a CO ; DUC/SUBILIA, op. cit., n. 24 ad art. 324a CO ). En l'espèce, il a été retenu définitivement que la recourante n'a pas souscrit en faveur de l'intimée d'assurance couvrant la perte de gain en cas de maladie, comme elle s'était obligée à le faire à BGE 131 III 623 S. 635 teneur de l'art. 5 du contrat passé entre les parties. Toutefois, la violation de cette obligation ne saurait porter préjudice à la demanderesse. En effet, l'attitude de l'employé, qui était susceptible de bonne foi d'admettre que l'employeur avait conclu une assurance couvrant l'incapacité en question, doit être protégée (WYLER, op. cit., p. 178; REHBINDER, op. cit., n. 31 ad art. 324a CO ; GNAEGI, op. cit., p. 152). Or, il apparaît indubitablement qu'à la seule lecture de l'art. 5 de son contrat individuel de travail, l'intimée pouvait partir de l'idée que le risque maladie était couvert, selon le régime de base, dès son entrée en fonction. Il ne change rien à l'affaire que la clause en question se référait improprement à la LAA et à la LPP. Il n'a pas été constaté que la travailleuse disposât de connaissances juridiques susceptibles d'éveiller le doute dans son esprit quant à la couverture proposée. Au vu de ce qui précède, la demanderesse, qui était dans sa première année de service lorsqu'elle a été incapable de travailler, a droit à trois semaines de salaire ( art. 324a al. 2 CO ). Comme elle a été empêchée de travailler pour cause de maladie dès le 7 avril 2003, elle doit recevoir son salaire jusqu'au 30 avril 2003, compte tenu des jours fériés de la période pascale de l'année 2003. Il résulte de l'état de fait déterminant que la demanderesse a déjà perçu l'intégralité de sa rémunération pour le mois d'avril 2003. En revanche, elle ne peut élever aucune prétention de salaire en ce qui concerne le mois de mai 2003. La Cour d'appel a erré à ce propos. S'agissant du salaire de juin 2003, la recourante ne conteste plus en devoir le paiement intégral à l'intimée. La défenderesse, qui n'est titulaire d'aucune créance contre la demanderesse à opposer en compensation, doit ainsi lui verser la rémunération convenue pour ce mois, soit 7'000 fr., déduction devant être faite des charges sociales. Dans les conclusions de son mémoire de recours en réforme, la recourante s'est reconnue débitrice de sa partie adverse de 1'646 fr. 10 pour la rémunération échue entre le 1 er avril et le 4 avril 2003. Le Tribunal fédéral, qui ne peut accorder plus que ce qui est demandé, est lié par cette conclusion ( art. 55 al. 1 let. b OJ ; ne ultra petita). Partant, le moyen doit être partiellement admis, ce qui entraînera la réforme de l'arrêt déféré dans le sens qui précède.
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Sachverhalt ab Seite 59 BGE 117 Ia 59 S. 59 Der Kantonsrat Zürich fasste am 4. Dezember 1989 nach Einsichtnahme in einen Antrag des Regierungsrats einen Beschluss über die Bewilligung eines Kredits für eine erste Erweiterungsetappe der Frachtanlagen und über die Sicherstellung des Bahnanschlusses Fracht des Flughafens Zürich mit folgendem Wortlaut: "I. Für den Anteil des Kantons an der ersten Etappe der Erweiterung der Frachtanlagen und über die Sicherstellung des Bahnanschlusses Fracht des Flughafens Zürich wird ein Kredit von Fr. 9'350'000.-- bewilligt. II. Die Kreditsumme erhöht oder ermässigt sich entsprechend der Entwicklung der Baukosten zwischen der Aufstellung des Kostenvoranschlages (Preisbasis 1. April 1988) und der Bauausführung. III. Dieser Beschluss untersteht dem fakultativen Referendum. IV. Veröffentlichung im Amtsblatt, Textteil. V. Mitteilung an den Regierungsrat zum Vollzug." Mit gleichlautenden Eingaben führen B. und weitere Mitbeteiligte gegen diesen Beschluss staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht und stellen die folgenden Rechtsbegehren: "1. Ziffer III. des Beschlusses des Kantonsrats über die Bewilligung eines Kredites für eine erste Erweiterungsetappe der Frachtanlagen und über die Sicherstellung des Bahnanschlusses Fracht des Flughafens Zürich vom 4. Dezember 1989 sei aufzuheben und der Kantonsrat sei anzuweisen, den Beschluss dem obligatorischen Referendum zu unterstellen. BGE 117 Ia 59 S. 60 2. Der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen. Unter Kostenfolge zu Lasten des Kantons Zürich."
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Am 13. April 1987 stimmte der Zürcher Kantonsrat einem Antrag des Regierungsrats für den Kredit im Betrag von 57 Mio. Franken als Kantonsanteil für die Erweiterungen der Frachtanlagen im Flughafen Zürich zu. Der Beschluss des Kantonsrats unterstand gemäss Art. 30 Abs. 1 Ziff. 2 KV dem obligatorischen Referendum. Er wurde in der Volksabstimmung vom 6. September 1987 verworfen. Am 6. Juli 1988 unterbreitete der Regierungsrat dem Kantonsrat eine neue Vorlage für einen Kredit im Betrag von 8,55 Mio. Franken für eine erste Erweiterungsetappe der Frachtanlagen des Flughafens Zürich. Diese sieht die Ergänzung der Frachthalle "Ost" durch einen zweistöckigen Sortierbereich, ein mehrgeschossiges Lagersystem sowie ein Hochregallager vor. In einer späteren zweiten Etappe soll sodann nach der Verlegung der Flughafenstrasse ein Neubau erstellt und mit Transportbrücken und speziellen Fördersystemen mit den bestehenden Bauten verbunden werden. Die Kosten der zur Diskussion stehenden ersten Etappe belaufen sich insgesamt auf rund 160 Mio. Franken. Dabei tragen die gemischtwirtschaftliche Flughafen-Immobilien-Gesellschaft (FIG) die Kosten für die Hochbauten (ca. 100 Mio. Franken) und die Swissair jene für die Lager und die Fördereinrichtungen sowie die Steuerungs- und Überwachungssysteme (ca. 50 Mio. Franken). Der Kostenanteil des Kantons bezieht sich auf den Landerwerb, die Tiefbauten und Betriebseinrichtungen (Antrag und Weisung des Regierungsrats vom 6. Juli 1988, Amtsblatt 1988, S. 1193 ff.). Der Kantonsrat stockte den vom Regierungsrat beantragten Kredit um Fr. 800'000.-- auf, um den Bahnanschluss Fracht des Flughafens Zürich sicherzustellen. Am 4. Dezember 1989 bewilligte er daher einen Kredit für den kantonalen Kostenanteil in der Höhe von 9,35 Mio. Franken. Diesen Beschluss unterstellte er dem fakultativen Referendum. Gegen diesen Beschluss des Kantonsrats richten sich die vorliegenden Beschwerden. 4. a) Die Beschwerdeführer bringen vor, der angefochtene Kreditbeschluss sei im Zusammenhang mit den durch ihn notwendigerweise bedingten jährlich wiederkehrenden Folgekosten in der Grössenordnung von 9,2 Mio. Franken (8 Mio. Franken BGE 117 Ia 59 S. 61 Mietkosten, 0,8 Mio. Franken Kapitalkosten und 0,4 Mio. Franken Personalkosten) zu betrachten. Der Betrieb der erweiterten Frachtanlagen obliege dem Kanton Zürich. Da nicht der Kanton, sondern die gemischtwirtschaftliche Flughafen-Immobilien-Gesellschaft (FIG) die Hochbauten erstelle, müsse der Kanton die Gebäude und damit auch die Fracht-Räumlichkeiten von der FIG mieten. Würde der Kanton die Hochbauten selbst erstellen, so unterläge die dafür notwendige Kreditvorlage zweifellos dem obligatorischen Referendum. Das gleiche müsse gelten, wenn die Investitionen von dritter Seite getragen würden und für den Kanton daraus jährlich wiederkehrende Mietkosten von rund 8 Mio. Franken entstünden. Wenn jährlich wiederkehrende Ausgaben in der hier zur Diskussion stehenden Höhe schon für sich allein dem obligatorischen Referendum unterstünden, so müsse dies auch dann gelten, wenn sie sich als notwendige Folge aus einem Kreditbeschluss für einmalige Ausgaben ergäben, deren Höhe lediglich das fakultative Referendum verlange. Die gesamte Vorlage müsse so behandelt werden, wie derjenige Teil, der referendumsrechtlich die höchsten Anforderungen zu erfüllen habe. Dem könne nicht entgegengehalten werden, die Folgekosten würden nicht Gegenstand der Abstimmungsvorlage bilden. Mit der Bewilligung des Kantonsanteils an die Kosten der Erweiterung der Frachtanlagen würden diese Folgekosten zwingend verursacht. Insofern lägen die Verhältnisse anders als im Fall des Börsengebäudes in Zürich ( BGE 112 Ia 221 ff.). Dessen teilweise Erstellung durch die Beamtenversicherungskasse des Kantons habe nicht automatisch und zwingend die Vermietung an den Kanton zur Folge gehabt. Die Miete der Büroräumlichkeiten durch den Kanton habe in jenem Fall einem späteren Entscheid vorbehalten werden können. Die Frachtanlagen im Flughafen würden dagegen unmittelbar zum Zweck der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben des Kantons erstellt. Die Ausgaben für den Kantonsanteil betreffend die Erweiterung der Frachtanlagen seien nicht denkbar ohne die sich daraus ergebenden Folgekosten für Miete, Personal usw.; das bei der Kreditgenehmigung einzuschlagende Verfahren müsse sich daher nach den Gesamtaufwendungen richten ( BGE 112 Ia 229 ). An dieser Rechtslage vermöge die Tatsache nichts zu ändern, dass die jährlich anfallenden Kosten auf die Luftverkehrsgesellschaften überwälzt werden könnten. Anders wäre dies nur, wenn Beiträge Dritter in ihrer Höhe rechtskräftig zugesichert wären oder BGE 117 Ia 59 S. 62 der Kredit vorbehältlich bestimmter Leistungen Dritter bewilligt würde. b) Gegen diese Argumentation wendet das Büro des Kantonsrates ein, es entspreche der festen zürcherischen Verfassungspraxis zu Art. 30 Abs. 1 Ziff. 2 KV, die auch in das Finanzhaushaltsgesetz vom 2. September 1979 (FHG) aufgenommen worden sei, dass nur die Erstellung der für den staatlichen Raumbedarf nötigen Bauten, nicht aber die Eingehung von Mietverhältnissen einen dem Finanzreferendum unterstehenden Kreditbeschluss erfordere. Zudem gehe es hier nicht darum, das obligatorische Referendum zu umgehen und den Raumbedarf für eine staatliche Aufgabe auf dem Wege über ein Mietverhältnis statt mit einer Eigenbaute zu decken. Aus der bereits dargelegten Aufgabenteilung zwischen der FIG und dem Kanton Zürich in bezug auf Bau und Betrieb des Flughafens Zürich ergibt sich, dass die Darstellung des Kantonsrats zutrifft. c) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts gelten Ausgaben dann als gebunden und damit als nicht referendumspflichtig, wenn sie durch einen Rechtssatz prinzipiell und dem Umfang nach vorgeschrieben oder zur Erfüllung der gesetzlich geordneten Verwaltungsaufgaben unbedingt erforderlich sind. Gebunden ist eine Ausgabe ferner, wenn anzunehmen ist, die Stimmberechtigten hätten mit einem vorausgehenden Grunderlass auch die aus ihm folgenden Aufwendungen gebilligt, falls ein entsprechendes Bedürfnis voraussehbar war oder falls es gleichgültig ist, welche Sachmittel zur Erfüllung der vom Gemeinwesen mit dem Grunderlass übernommenen Aufgaben gewählt werden. Es kann aber selbst dann, wenn das "ob" weitgehend durch den Grunderlass präjudiziert ist, das "wie" wichtig genug sein, um die Mitsprache des Volkes zu rechtfertigen. Immer dann, wenn der entscheidenden Behörde in bezug auf den Umfang der Ausgabe, den Zeitpunkt ihrer Vornahme oder andere Modalitäten eine verhältnismässig grosse Handlungsfreiheit zusteht, ist eine neue Ausgabe anzunehmen ( BGE 115 Ia 142 E. 2c mit Hinweisen). Indessen besteht kein für die Kantone verbindlicher bundesrechtlicher Begriff der neuen oder gebundenen Ausgabe. Von der oben umschriebenden bundesgerichtlichen Begriffsbestimmung darf deshalb dort abgewichen werden, wo sich nach Auslegung des kantonalen Rechts oder aufgrund einer feststehenden und unangefochtenen Rechtsauffassung und Praxis der zuständigen kantonalen Organe eine andere Betrachtungsweise aufdrängt; dies deshalb, BGE 117 Ia 59 S. 63 weil das Finanzreferendum ein Institut des kantonalen Verfassungsrechtes ist und das Bundesgericht als Verfassungsgericht lediglich über die Einhaltung der dem Bürger durch die Verfassung zugesicherten Mitwirkungsrechte zu wachen hat ( BGE 116 Ia 2 E. 3b mit Hinweis). In Ausübung dieser Funktion obliegt dem Bundesgericht die Kontrolle darüber, dass das Finanzreferendum, soweit es im kantonalen Verfassungsrecht vorgesehen ist, sinnvoll, d.h. unter Berücksichtigung seiner staatspolitischen Funktion gehandhabt und nicht seiner Substanz entleert wird ( BGE 115 Ia 141 E. 2b mit Hinweisen). d) Für den Nachweis einer von der bundesgerichtlichen Begriffsbestimmung der neuen Ausgabe abweichenden kantonalen Verfassungspraxis genügt die blosse Aussage des Kantonsparlaments und des Regierungsrats nicht ( BGE 112 Ia 232 ). Eine solche Verfassungspraxis wird erst anerkannt, wenn der Kanton sie im einzelnen nachweist, z.B. aus den letzten eineinhalb Jahrzehnten nicht weniger als zehn Kredite dieser Art angibt, die in referendumspflichtiger Höhe bewilligt wurden (nicht publiziertes Urteil vom 25. April 1990 i.S. F. L., Kanton Schwyz; vgl. BGE 95 I 530 , BGE 105 Ia 388 E. 2, BGE 100 Ia 372 f. E. 3d). Gelegentlich liess sich das Bundesgericht auch schon von weniger Anwendungsfällen überzeugen (nicht publiziertes Urteil vom 3. Dezember 1975 i.S. Gurtner, E. 4c). Im Urteil vom 14. August 1989 i.S. Jungliberale Bewegung des Kantons Solothurn c. Kantonsrat Solothurn hielt das Bundesgericht den Nachweis für erfüllt, weil die Praxis durch zwölf Mietverträge belegt wurde und erstellt war, dass der Kantonsrat davon Kenntnis hatte (ZBl 91/1990 S. 138 f. E. 5). In einem nicht publizierten Urteil vom 25. April 1990 i.S. F. L. betreffend das Museum "Panorama der Schweizer Geschichte" hat der Kanton Schwyz elf Mietverträge nachgewiesen, wobei der jährliche Mietzins bei vier Verträgen über der in der Kantonsverfassung festgelegten Grenze der Referendumspflicht für neue wiederkehrende Ausgaben lag. Der Regierungsrat des Kantons Schwyz hat die Mietverträge für den Kanton abgeschlossen und den Mietzins in das vom Kantonsrat zu genehmigende Budget aufgenommen. Bei diesem Schwyzer Fall war von Bedeutung, dass gemäss § 3 lit. c der kantonalen Finanzhaushaltsverordnung eine Ausgabe als gebunden gilt, wenn sie "der Beschaffung der für die Verwaltungstätigkeit erforderlichen personellen und sachlichen Mittel und deren Erneuerung dient, vorbehältlich der Neubauten" (Urteil vom 25. April 1990 i.S. F. L., E. 3b). BGE 117 Ia 59 S. 64 Was im Kanton Zürich unter einer gebundenen Ausgabe im Sinne von Art. 30 Abs. 1 Ziff. 2 KV zu verstehen ist, wird durch das Finanzhaushaltsgesetz (FHG) näher bestimmt. Nach dessen § 3 lit. b bedarf eine Ausgabe des Kantons einer gesetzlichen Grundlage. Eine solche liegt insbesondere dann vor, wenn eine Ausgabe "die unmittelbare oder voraussehbare Anwendung von Gesetzen und Kreditbeschlüssen ist und namentlich der Beschaffung der für die Verwaltungstätigkeit erforderlichen personellen und sachlichen Mittel und deren Erneuerung, vorbehältlich Neubauten, dient". Nach Auffassung des Büros des Kantonsrats ist mit dem Finanzhaushaltsgesetz der Begriff der gebundenen und der neuen Ausgabe im Sinne von Art. 30 Abs. 1 Ziff. 2 KV in dem Sinne näher bestimmt worden, dass die Erstellung von Neubauten einen dem Finanzreferendum unterliegenden Kreditbeschluss voraussetzt und die betreffenden Ausgaben somit als neu gelten, der Abschluss von Mietverträgen dagegen durch den Grunderlass der Errichtung einer kantonalen Verwaltung und die einzelnen Gesetze, die dem Staat eine bestimmte Aufgabe zuweisen, oder die Kreditbeschlüsse, die unmittelbar und voraussehbar Raumbedarf zur Folge haben, gedeckt sind und die betreffenden Ausgaben damit als gebunden gelten. Der kantonale Gesetzgeber als das zur Auslegung der kantonalen Verfassung in erster Linie berufene Organ habe also Art. 30 Abs. 1 Ziff. 2 KV klar in dem Sinne näher bestimmt, dass einzig die für die Erfüllung staatlicher Raumbedürfnisse notwendigen Neubauten, nicht aber Mietverträge dem Finanzreferendum zu unterstellen seien. Das Büro des Kantonsrats belegt diese Ausführungen mit verschiedenen Hinweisen auf die Materialien zu § 3 lit. b FHG . Es legt weiter dar, das Finanzhaushaltsgesetz vom 2. September 1979 habe mit § 3 lit. b gar nichts Neues gebracht. Vielmehr sei damit nur die schon seit jeher bestehende Praxis zum Begriff der gebundenen und neuen Ausgaben im Sinne von Art. 30 Abs. 1 Ziff. 2 KV in einem formellen Gesetz verankert worden. Darauf sei in Antrag und Weisung des Regierungsrats zum FHG sowie im beleuchtenden Bericht zuhanden der damaligen Volksabstimmung ausdrücklich hingewiesen worden (Amtsblatt 1979 S. 1253 ff., insbesondere 1265 ff.). Das Büro des Kantonsrats hat die von ihm behauptete von der bundesgerichtlichen Begriffsbestimmung der neuen Ausgabe abweichende zürcherische Verfassungspraxis in seiner Vernehmlassung BGE 117 Ia 59 S. 65 an das Bundesgericht mit einer Aufstellung von zwölf Mietverträgen wie folgt nachgewiesen: "Mietobjekt Zweck Mietzins/Jahr RRB Nr. Allmendstr. 5/7 Kantonskriegs- 27'400 306/1952 kommissariat Grubenstr. 40 Lehrmittelverlag 57'000 1188/1960 Zeughausstr. 3 Polizei 140'635 4849/1964 Zeughausstr. 11+21 Polizei 1'597'000 4009/1968 Räffelstr. 32 Lehrmittelverlag 373'740 3130/1972 Räffelstr. 32 KDMZ 406'000 5359/1973 Zeughausstr. 3 Polizei 380'000 3785/1983 Reitergasse 1 Polizei 441'000 3452/1983 Bahnhofplatz 1 Wohnbauförderung 206'000 2637/1984 Berufsbildung Stampfenbachstr. 32 ARP/KIGA 225'000 4518/1986 Hofwiesenstr. 370 Verkehrsverband 229'000 1965/1988 Lessingstr. 33/35 AMA/Polizei 977'000 3238/1989 Alle aufgeführten Mietobjekte befinden sich in Zürich. Die Grenze des Finanzreferendums für wiederkehrende Ausgaben lag von 1951-1964 bei Fr. 25'000.--, von 1965-1971 bei Fr. 50'000.-- und ab 1972 bei Fr. 200'000.--." Die Regierungsratsbeschlüsse, mit welchen diese Mietverträge genehmigt worden sind, liegen der genannten Eingabe des Büros des Kantonsrats bei. Die Mietzinse sind jeweils auf dem Budgetweg bewilligt worden. Mit diesen Angaben erfüllt der Kantonsrat des Kantons Zürich namentlich im Hinblick auf die Urteile des Bundesgerichts vom 25. April 1990 i.S. F. L. und vom 14. August 1989 betreffend den Kanton Solothurn den vom Bundesgericht geforderten Nachweis der abweichenden zürcherischen Verfassungspraxis. Die in BGE 112 Ia 221 ff., insbesondere 230 ff. geäusserten Bedenken erweisen sich somit heute als unbegründet. Aus diesen Gründen ist auch die Kritik der Beschwerdeführer, bei der Beurteilung der Frage der Referendumspflicht des angefochtenen Kreditbeschlusses seien die in der Folge abzuschliessenden Mietverträge zu Unrecht nicht berücksichtigt worden, unzutreffend. Da die dem Kanton Zürich in Zukunft anfallenden Mietkosten nach der dargelegten zürcherischen Praxis als gebundene Ausgaben zu betrachten sind, kann die obligatorische Referendumspflicht des angefochtenen Kreditbeschlusses jedenfalls unter Hinweis auf die Mietkosten nicht begründet werden. Daran vermag auch die von den Beschwerdeführern erwähnte Tatsache nichts zu ändern, dass der Kanton Zürich gestützt auf bereits BGE 117 Ia 59 S. 66 bestehende Rechtsgrundlagen verpflichtet ist, die im Rahmen der ersten Erweiterungsetappe der Frachtanlagen zu erstellenden Räumlichkeiten von der FIG zu mieten. Zum Abschluss dieser Mietverträge und zur Festlegung der darin enthaltenen Einzelheiten ist nach den vorstehenden Darlegungen der Regierungsrat zuständig.
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Sachverhalt ab Seite 516 BGE 133 V 515 S. 516 A. A.a La loi cantonale genevoise du 11 novembre 1983 en matière de chômage (RSG J 2 20) accorde aux chômeurs ayant épuisé leur droit aux indemnités fédérales de chômage la possibilité d'obtenir des prestations cantonales complémentaires, en particulier sous la forme de stages de réinsertion professionnelle, d'allocations de retour en emploi ou, à titre subsidiaire, d'emplois temporaires cantonaux. Les emplois temporaires font l'objet du chapitre V du titre III de la loi (art. 39 à 45). C'est ainsi que l'autorité compétente propose un emploi temporaire, à titre subsidiaire, aux chômeurs ayant épuisé leur droit aux indemnités fédérales et qui n'ont pas trouvé un travail salarié donnant droit à l'allocation de retour en emploi (art. 39 al. 1 let. b). L'emploi temporaire est offert à titre individuel ou dans le cadre d'un programme collectif et correspond dans la mesure du possible aux aptitudes professionnelles des chômeurs (art. 39 al. 2). Il se déroule au sein de l'administration cantonale, d'établissements et fondations de droit public, d'administrations communales et d'administrations et régies fédérales (art. 39 al. 3). La charge financière de l'emploi temporaire est assumée par le budget de l'Etat (art. 39 al. 5). L'engagement des chômeurs fait l'objet d'un contrat de travail de droit privé conclu entre l'autorité compétente et le bénéficiaire (art. 40 al. 1). Les conditions mises au bénéfice d'un emploi temporaire sont fixées à l'art. 42. L'art. 43 prévoit que le chômeur peut bénéficier d'un emploi temporaire pour la durée nécessaire à l'ouverture d'un nouveau droit aux indemnités fédérales de chômage; cette durée n'excédera pas douze mois. A.b Le 10 juin 2005, par une modification de l'annexe à l'OACI (RO 2005 p. 2529) le Conseil fédéral a décidé qu'à partir du 1 er juillet 2005, le canton de Genève ne bénéficierait d'une augmentation du nombre maximum d'indemnités journalières au sens de l' art. 27 al. 5 LACI que pour les chômeurs âgés de 50 ans et plus. Cette décision impliquait à court terme pour le canton un afflux de chômeurs qui avaient épuisé leur droit aux indemnités journalières. Pour parer à cette situation, le Conseil d'Etat a décidé de mettre en oeuvre des mesures exceptionnelles dès le 1 er juillet 2005. Il s'est agi de conclure un contrat d'emploi temporaire à bref délai avec tous les chômeurs qui sollicitaient cette mesure et qui BGE 133 V 515 S. 517 remplissaient certaines conditions, dans l'attente de leur affectation auprès d'un service utilisateur au sens de l'art. 39 précité de la loi. Les bénéficiaires reçoivent un salaire subventionné par l'Etat, y compris durant la période d'attente durant laquelle ils n'ont pas à fournir une prestation de travail. Avant la mise en vigueur de cette mesure, le Département genevois de l'économie, de l'emploi et des affaires extérieures (devenu entre-temps le Département de la solidarité et de l'emploi) a consulté le Secrétariat d'Etat à l'économie (seco) au sujet de ces mesures. Ce dernier a exprimé ses réserves par deux courriers des 7 juillet et 30 août 2005. Il a considéré, en particulier, que la mesure genevoise de marché du travail ne concordait pas avec la politique fédérale en matière de lutte contre le chômage. En effet, cette mesure avait pour but la réintégration des demandeurs d'emploi dans l'assurance-chômage par la conclusion de contrats permettant le versement de cotisations sociales, et ainsi la création d'un nouveau droit à l'indemnité de chômage, alors que les mesures cantonales doivent servir avant tout, comme les mesures fédérales du marché du travail, à leur réintégration durable sur le marché de l'emploi. Selon le seco, pour que les conditions relatives à la période de cotisation au sens de l' art. 13 al. 1 LACI soient réalisées, il convenait de démontrer l'existence d'une activité effective soumise à cotisation. Dans le cadre d'une procédure d'approbation par la Confédération (art. 58 de la loi cantonale en matière de chômage), le Conseil fédéral, dans une décision du 28 mars 2007, a refusé d'approuver l'art. 43 de la loi cantonale, au motif qu'il était contraire au droit fédéral. Dans cette même décision, il a pris acte de l'engagement du Conseil d'Etat de mettre sa législation sur les emplois temporaires et sur les stages professionnels de réinsertion en conformité avec le droit fédéral. A.c Le 22 juillet 2005, après avoir épuisé son droit aux indemnités fédérales de chômage, M. a conclu, conformément aux dispositions précitées, un contrat d'emploi temporaire cantonal (ETC) avec l'Etat de Genève, représenté par le Service des mesures cantonales (SMC) de l'Office cantonal de l'emploi (OCE). La durée de ce contrat était de douze mois, soit du 19 juillet 2005 jusqu'au 20 juillet 2006 au plus tard. L'horaire hebdomadaire était de 40 heures. Le salaire convenu était de 3'301 fr. 95 brut. En BGE 133 V 515 S. 518 préambule de ce contrat, l'attention de la bénéficiaire était attirée sur le fait que la période précédant le placement auprès d'un service utilisateur pouvait ne pas être considérée comme une activité salariée soumise à cotisation permettant l'ouverture d'un droit aux indemnités fédérales de chômage. Le 7 octobre 2005, un avenant au contrat d'emploi temporaire a prévu que l'intéressée - jusqu'alors en attente d'un emploi et au bénéfice du salaire convenu - serait affectée du 10 octobre 2005 au 20 juillet 2006 en qualité d'employée de maison auprès de X. Sàrl. L'intéressée a effectivement travaillé au service de cet établissement durant la période en cause. A.d Le 26 juillet 2006, M. a présenté une demande d'indemnité de chômage à partir du 21 juillet 2006. Par décision du 28 juillet 2006, la Caisse de chômage du SIT a nié le droit à l'indemnité prétendue au motif que, dans les limites du délai-cadre prévu à cet effet, la requérante n'avait pas exercé durant douze mois au moins une activité soumise à cotisation. Elle a constaté, en effet, que l'intéressée avait travaillé du 10 octobre 2005 au 20 juillet 2006, soit 9,4 mois. Elle a considéré, par ailleurs, que le contrat de travail dont elle avait bénéficié du 19 juillet 2005 au 9 octobre 2005 ne pouvait pas être pris en compte comme période de cotisation ouvrant droit à l'indemnité de chômage. Saisie d'une opposition, la caisse l'a rejetée par une nouvelle décision, du 2 octobre 2006. B. L'assurée a recouru contre cette décision. Statuant le 27 février 2007, le Tribunal cantonal des assurances sociales du canton de Genève a admis le recours, après avoir considéré que la réalité de la prestation de travail n'était pas déterminante pour la fixation de la période de cotisation. Par conséquent, la condition d'une durée d'activité soumise à cotisation de douze mois était réalisée en l'espèce. C. Le seco a formé un recours en matière de droit public dans lequel il a conclu à l'annulation de ce jugement. M. conclut au rejet du recours. La Caisse de chômage du SIT déclare s'en tenir à ses décisions. Invité à se déterminer, l'Etat de Genève, par l'Office cantonal de l'emploi, a présenté des observations et s'en est remis à justice. Par ordonnance du 29 mai 2007, le juge instructeur a attribué l'effet suspensif au recours. D. Entre-temps, la loi cantonale genevoise du 11 novembre 1983 en matière de chômage a été modifiée le 28 juin 2007 (loi 9922). BGE 133 V 515 S. 519 La loi modifiée a notamment supprimé les emplois temporaires cantonaux en faveur d'un programme d'emploi et de formation sous la forme d'un contrat individuel d'insertion, en règle ordinaire d'une durée de six mois.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. 1.1 Comme la décision attaquée a été rendue après l'entrée en vigueur, le 1 er janvier 2007 (RO 2006 p. 1242), de la loi du 17 juin 2005 sur le Tribunal fédéral (LTF; RS 173.110), le recours est régi par le nouveau droit ( art. 132 al. 1 LTF ). 1.2 Interjeté par une unité subordonnée à un département fédéral et à laquelle la législation fédérale confère un droit de recours ( art. 102 al. 2 LACI en corrélation avec l' art. 89 al. 2 let. a LTF ), le recours, dirigé contre un jugement final ( art. 90 LTF ) rendu dans une cause de droit public ( art. 82 let. a LTF ) par une autorité cantonale de dernière instance ( art. 86 al. 1 let . d LTF) est en principe recevable, puisqu'il a été déposé dans le délai ( art. 100 al. 1 LTF ) et la forme ( art. 42 LTF ) prévus par la loi et que l'on ne se trouve pas dans l'un des cas d'exception mentionnés par l' art. 83 LTF . 1.3 Le recours peut être interjeté pour violation du droit, tel qu'il est délimité par les art. 95 et 96 LTF . Le Tribunal fédéral applique le droit d'office ( art. 106 al. 1 LTF ). Il n'est donc limité ni par les arguments soulevés dans le recours ni par la motivation retenue par l'autorité précédente; il peut admettre un recours pour un autre motif que ceux qui ont été invoqués et il peut rejeter un recours en adoptant une argumentation différente de celle de l'autorité précédente (cf. ATF 130 III 136 consid. 1.4 p. 140). Compte tenu de l'exigence de motivation contenue à l' art. 42 al. 1 et 2 LTF , sous peine d'irrecevabilité ( art. 108 al. 1 let. b LTF ), le Tribunal fédéral n'examine en principe que les griefs invoqués; il n'est pas tenu de traiter, comme le ferait une autorité de première instance, toutes les questions juridiques qui se posent, lorsque celles-ci ne sont plus discutées devant lui. Il ne peut pas entrer en matière sur la violation d'un droit constitutionnel ou sur une question relevant du droit cantonal ou intercantonal si le grief n'a pas été invoqué et motivé de manière précise par la partie recourante ( art. 106 al. 2 LTF ). 1.4 Enfin, le Tribunal fédéral conduit son raisonnement juridique sur la base des faits établis par l'autorité précédente ( art. 105 al. 1 LTF ). BGE 133 V 515 S. 520 Il ne peut s'en écarter que si les faits ont été établis de façon manifestement inexacte ou en violation du droit au sens de l' art. 95 LTF ( art. 105 al. 2 LTF ). 2. 2.1 La question est de savoir si la période du 19 juillet au 9 octobre 2005, durant laquelle l'intimée bénéficiait d'un contrat temporaire sans être affectée à un emploi, compte comme période de cotisation. 2.2 L'assuré a droit à l'indemnité de chômage notamment s'il remplit les conditions relatives à la période de cotisation ou en est libéré ( art. 8 al. 1 let . e LACI, en liaison avec les art. 13 et 14 LACI ). Celui qui, dans les limites du délai-cadre prévu à cet effet ( art. 9 al. 3 LACI ), a exercé durant douze mois au moins une activité soumise à cotisation remplit les conditions relatives à la période de cotisation ( art. 13 al. 1 LACI dans sa version en vigueur depuis le 1 er juillet 2003). En vue de prévenir les abus qui pourraient advenir en cas d'accord fictif entre l'employeur et un travailleur au sujet du salaire que le premier s'engage contractuellement à verser au second, la jurisprudence considère que la réalisation des conditions relatives à la période de cotisation ( art. 8 al. 1 let . e et art. 13 LACI ) présuppose qu'un salaire a été réellement versé au travailleur (DTA 2001 p. 228, C 329/00). Dans un arrêt récent ( ATF 131 V 444 ), le Tribunal fédéral des assurances a précisé cette jurisprudence en indiquant qu'en ce qui concerne la période de cotisation, la seule condition du droit à l'indemnité de chômage est, en principe, que l'assuré ait exercé une activité soumise à cotisation durant la période minimale de cotisation. Aussi bien la jurisprudence exposée au DTA 2001 p. 225 ss (et les arrêts postérieurs) ne doit-elle pas être comprise en ce sens qu'un salaire doit en outre avoir été effectivement versé; en revanche, la preuve qu'un salaire a bel et bien été payé est un indice important en ce qui concerne la preuve de l'exercice effectif de l'activité salariée ( ATF 131 V 444 consid. 3 p. 449 ss). 2.3 L'exercice d'une activité salariée pendant douze mois au moins est donc une condition à part entière pour la réalisation de la période de cotisation, tandis que le versement d'un salaire effectif n'est pas forcément exigé, mais permet au besoin de rapporter la preuve de cette activité. Le versement déclaré comme salaire par un employeur ne fonde cependant pas, à lui seul, la présomption de fait qu'une activité salariée soumise à cotisation a été exercée. BGE 133 V 515 S. 521 2.4 Par activité soumise à cotisation, il faut entendre toute activité de l'assuré destinée à l'obtention d'un revenu soumis à cotisation pendant la durée d'un rapport de travail (GERHARD GERHARDS, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz [AVIG], vol. I, n. 8 ad art. 13 LACI p. 170). Cela suppose l'exercice effectif d'une activité salariée suffisamment contrôlable ( ATF 113 V 352 ; DTA 1999 n° 18 p. 101 consid. 2a, C 291/98; THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in Ulrich Meyer [éd.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Soziale Sicherheit, 2 e éd., n. 207 p. 2239; BORIS RUBIN, Assurance-chômage: Droit fédéral, survol des mesures cantonales, procédure, 2 e éd., n. 3.8.4.2, p. 179). 2.5 Le contrat d'emploi temporaire entre les parties s'inscrit dans le contexte de mesures cantonales en faveur des chômeurs qui n'ont plus droit aux prestations de la LACI et qui visent à leur permettre de reconstituer un droit aux prestations par le biais d'une activité soumise à cotisation d'une durée suffisante au regard de l' art. 13 al. 1 LACI . Il est admis jusqu'à présent que l'exercice d'une activité soumise à cotisation dans un programme d'occupation de ce genre peut être pris en considération à titre de période de cotisation, même si l'on a mis en cause le bien-fondé de la mesure, qui n'inciterait pas suffisamment les chômeurs à réintégrer le marché du travail ordinaire et, partant, ne ferait que renforcer l'exclusion qui les touche (voir à ce sujet RUBIN, op. cit., n. 16.1.2, p. 1003 s.; voir aussi dans ce sens le rapport au Grand Conseil genevois du 11 juin 2007 de la Commission de l'économie chargée d'étudier le projet de loi du Conseil d'Etat modifiant la loi en matière d'assurance-chômage). 2.6 En l'espèce, il est constant toutefois que l'intimée n'a effectivement travaillé , durant le délai-cadre relatif à la période de cotisation, que du 10 octobre 2005 au 20 juillet 2006 au service de X., soit une période inférieure à douze mois. Partant, elle ne remplit pas la condition prévue par l' art. 13 al. 1 LACI . Peu importe, à cet égard, qu'elle ait reçu un salaire et que des cotisations aient été déduites du salaire pendant la période du 19 juillet au 9 octobre 2005. 2.7 Tout en admettant que la durée d'activité effective n'était pas suffisante, les premiers juges invoquent les dispositions du code des obligations relatives à la demeure de l'employeur ( art. 324 CO ). Ils considèrent, à cet égard, que l'intimée s'est engagée à rester disponible de façon permanente dans l'attente d'un placement dans BGE 133 V 515 S. 522 un service utilisateur. On se trouve, dès lors, dans une situation de demeure de l'employeur, celui-ci ne disposant pas de postes de travail en nombre suffisant pour placer immédiatement et pour la durée complète du contrat tous les chômeurs concernés par les art. 39 ss de la loi en matière de chômage. Selon les premiers juges, il ne s'agit pas d'un contrat fictif, non susceptible d'être exécuté, mais d'un contrat de travail pour lequel l'employeur, pour des questions d'organisation, renonce momentanément aux services du travailleur. La réalité de la prestation de travail n'est pas déterminante quant à la fixation de la période de cotisation: ainsi, dans le cas d'un employeur qui devait encore verser un salaire jusqu'à l'échéance du délai de congé, pour cause de résiliation injustifiée du contrat de travail, la période durant laquelle le travailleur avait reçu son salaire, alors qu'il ne travaillait plus, devait être prise en compte comme période de cotisation selon la jurisprudence ( ATF 119 V 494 ). 2.8 Selon la définition même du contrat de travail, le paiement d'un salaire par l'employeur implique la fourniture de services par le travailleur ( art. 319 al. 1 CO ). Autrement dit, le contrat de travail se caractérise par un rapport d'échange en vertu duquel le travailleur fournit une prestation de travail à l'employeur contre une rémunération. En l'espèce, la réelle et commune intention des parties ( art. 18 al. 1 CO ) n'était pas de conclure dès l'origine un contrat de travail impliquant la fourniture de services par l'intimée. Il s'agissait, bien plutôt, de permettre à celle-ci, par le seul paiement d'une rémunération, de verser des cotisations à l'assurance-chômage en vue de la réouverture d'un droit aux prestations après une période de cotisation de douze mois, conformément à l'art. 43 de la loi en matière de chômage. Dans ce contexte, la prestation de travail était reléguée au second plan. L'Etat y a renoncé, provisoirement tout au moins, non pour des circonstances spéciales propres à une relation de travail (p. ex. une libération de travailler pendant le délai de congé), mais faute de disponibilités dans un service utilisateur. Au reste, loin d'attendre de l'intimée qu'elle exécute un travail au sein de l'administration ou d'une institution publique, l'Etat l'incitait fermement à trouver un emploi en dehors d'un service utilisateur. A son art. 4 en effet, le contrat type d'emploi temporaire auquel les parties se sont soumises en l'espèce prévoit que l'employé(e) est tenu(e) d'effectuer, durant toute la semaine, le nombre de recherches d'emploi exigé par l'employeur, ces recherches devant également BGE 133 V 515 S. 523 être satisfaisantes en qualité; il (elle) remet régulièrement et dans le délai imparti la preuve des dites recherches effectuées. 2.9 Dans ces conditions, il y a lieu d'admettre que le contrat passé par l'Etat avec la personne au chômage ne présentait pas les caractéristiques d'un contrat de travail avant que l'intimée n'entre au service de X. On ne saurait donc parler de demeure de l'employeur au sens de l' art. 324 CO . En réalité, l'intimée était en attente d'obtenir un emploi, soit pour le compte d'un service utilisateur, soit auprès d'un autre employeur en cas de succès des recherches personnelles de travail qui lui incombaient. Pendant ce temps, la rémunération que l'Etat versait sans exiger la fourniture d'un travail s'apparentait bien plus à une prestation de l'aide sociale qu'à un salaire versé en contrepartie d'une prestation de travail. Cette période d'attente ne saurait donc être prise en considération au titre d'activité soumise à cotisation. 2.10 Pour le reste, on ne peut à l'évidence pas tirer un parallèle entre la situation ici envisagée et celle d'un travailleur qui n'a plus travaillé mais dont l'employeur devait encore verser le salaire jusqu'à l'échéance du délai de congé déterminant, pour cause de résiliation injustifiée du contrat de travail ( ATF 119 V 494 ). La comparaison opérée ici par les premiers juges n'est pas pertinente. 3. De ce qui précède, il résulte que le recours est bien fondé. Vu l'issue de la procédure, les frais de justice doivent être mis à la charge de l'intimée ( art. 66 al. 1 LTF ).
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Erwägungen ab Seite 759 BGE 129 III 758 S. 759 Extrait des considérants: 1. 1.1 La décision par laquelle l'autorité cantonale, statuant en unique instance cantonale en tant que juge du concordat (cf. art. 307 LP et art. 12 de la loi neuchâteloise d'exécution de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite [RSN 261.1]), a refusé l'homologation du concordat ne peut être attaquée que par la voie du recours de droit public, en l'absence de toute autre voie de droit au niveau fédéral ( art. 84 al. 2 OJ ; HANS ULRICH HARDMEIER, Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 1998, n. 2 ad art. 307 LP ; FLAVIO COMETTA, La procedura concordataria nel nuovo diritto, in La revisione della legge federale sulla esecuzione et sul fallimento, 1995, p. 109 ss, 154 et les références citées; KURT AMONN/DOMINIK GASSER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6e éd., 1997, § 54 n. 81 p. 462; cf. ATF 103 Ia 76 consid. 1). 1.2 Aux termes de l' art. 88 OJ , ont qualité pour recourir les particuliers ou les collectivités lésés par des arrêtés ou décisions qui les concernent personnellement ou qui sont d'une portée générale. 1.2.1 Antérieurement à la révision de la LP de 1994, qui a pris effet le 1er janvier 1997, le Tribunal fédéral a jugé que le débiteur avait seul qualité pour recourir, au regard de l' art. 88 OJ , contre un jugement de dernière instance cantonale refusant d'homologuer un concordat (arrêt du 9 janvier 1954, publié in ZR 53/1954 p. 71 s.; arrêt 5P.233/1994 du 15 juillet 1994). Il a en effet considéré que, du moment que seul le débiteur pouvait requérir l'ouverture d'une procédure concordataire (cf. art. 293 al. 1 aLP), il aurait été contradictoire de reconnaître aux créanciers la qualité pour recourir contre un jugement refusant l'homologation en vue d'obtenir, le cas échéant contre la volonté du débiteur, l'octroi du concordat (arrêt précité du 9 janvier 1954, in ZR 53/1954 p. 72; cf. HANS FRITZSCHE/HANS-ULRICH WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, vol. II, 3e éd., 1993, § 74 n. 22 p. 634; ROLF ROTH-HERREN, Die Voraussetzungen zur Gewährung der Nachlassstundung und zur Bestätigung des Nachlassvertrages, thèse Bâle 1988, p. 136). 1.2.2 Selon le nouvel art. 293 LP , le droit de demander l'ouverture de la procédure concordataire appartient désormais aussi, outre BGE 129 III 758 S. 760 au débiteur (al. 1), à tout créancier en mesure de requérir la faillite (al. 2). C'est pourquoi la doctrine admet désormais qu'ont également qualité pour recourir contre un jugement de l'autorité inférieure refusant l'homologation, dans les cantons qui ont institué deux instances en matière de concordat (cf. art. 307 LP ), les créanciers qui ont eux-mêmes requis l'ouverture de la procédure concordataire, ou qui ont à tout le moins pris devant l'autorité inférieure des conclusions expresses tendant à l'homologation du concordat (HARDMEIER, op. cit., n. 8 ad art. 307 LP ; DANIEL HUNKELER, Das Nachlassverfahren nach revidiertem SchKG, thèse Fribourg 1996, n. 1069, 1071 et 1072; COMETTA, op. cit., p. 150; cf. ATF 122 III 398 pour le cas inverse du créancier qui recourt devant l'autorité supérieure contre l'homologation du concordat alors qu'il ne s'y est pas opposé devant l'autorité concordataire inférieure). L'opinion consistant à admettre de manière plus générale la qualité pour recourir contre un tel jugement à tout créancier qui a adhéré au concordat (ainsi AMONN/GASSER, op. cit., § 54 n. 80 p. 462) paraît minoritaire. 1.2.3 Cela étant, il convient d'admettre que seuls sont touchés personnellement au sens de l' art. 88 OJ , et ont donc qualité pour former un recours de droit public contre un jugement de dernière instance cantonale refusant d'homologuer un concordat, les créanciers qui ont eux-mêmes requis l'ouverture de la procédure concordataire (cf. art. 293 al. 2 LP ) ou qui ont à tout le moins conclu expressément à l'homologation du concordat devant la juridiction cantonale de dernière instance.
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Sachverhalt ab Seite 109 BGE 118 IV 108 S. 109 A.- Am 25. Januar 1991 tötete S. seine Mutter durch mehrere Schüsse aus einem Revolver. Das Obergericht des Kantons Solothurn sprach ihn am 23. Januar 1992 unter Zubilligung von Unzurechnungsfähigkeit vom Vorwurf der Begehung eines vorsätzlichen Tötungsdeliktes sowie weiterer Delikte frei und wies ihn zur Verwahrung (gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ) in eine geeignete Anstalt ein. B.- Dagegen erhebt S. eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, die Anordnung der Verwahrung aufzuheben und die Sache zu seiner Einweisung in eine Heil- oder Pflegeanstalt im Sinne von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB an die Vorinstanz zurückzuweisen, eventualiter das Obergericht anzuweisen, bezüglich der Frage der Verwahrung ein Obergutachten einzuholen und anschliessend neu zu entscheiden.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. a) Die Vorinstanz begründet ihr Urteil wie folgt: Eine Verwahrung im Sinne von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB setze voraus, dass der Täter infolge eines abnormen Geisteszustandes die öffentliche Sicherheit in schwerwiegender Weise gefährde. Die Verwahrung müsse zudem die einzige Möglichkeit sein, um den Täter von der weiteren Gefährdung anderer abzuhalten. Der Gutachter bejahe die Behandlungsbedürftigkeit des Beschwerdeführers in zweierlei Hinsicht. Zum einen rufe dessen wahnhafte Geisteskrankheit geradezu nach einer ärztlichen Behandlung. Zudem bedürfe seine schwere soziale Verwahrlosung mit Haschisch-Abusus zusätzlicher sozialtherapeutischer Massnahmen. Hinzu komme, dass bei der vorderhand sehr lebhaften Wahndynamik eine gewisse wahnbedingte Fremdgefährlichkeit des Exploranden nicht ganz ausgeschlossen werden könne. Der Gutachter empfehle deshalb eine Behandlung in einer ausbruchssicheren Institution. Für die ärztliche Behandlung mit Neuroleptika und zur Durchführung der psychiatrischen Gespräche sowie zur Sicherung schlage der Gutachter mangels anderer BGE 118 IV 108 S. 110 Möglichkeiten die Unterbringung in einem Gefängnis vor. Er verspreche sich davon insbesondere auch einen Einbezug des Beschwerdeführers in eine feste Tagesstruktur, womit gleichzeitig dessen Tendenz zur Verwahrlosung entgegengewirkt werden könnte. Unter diesen Voraussetzungen erscheine es durchaus als denkbar, dass die Wahndynamik zurückgehe und somit die Fremdgefährlichkeit des Beschwerdeführers so weit verringert werden könne, dass eine psycho- und sozialtherapeutische Behandlung in einem offeneren Rahmen in einer ärztlich mitbetreuten Anstalt weitergeführt werden könne. Aus dem Gutachten ergebe sich, dass beim Beschwerdeführer bei einer regelmässigen Einnahme der verordneten Neuroleptika eine rasche und deutliche Besserung des wahnhaften und halluzinatorischen Erlebens eintrete, womit die von ihm ausgehende Gefahr für andere Personen herabgesetzt werden könne. Die Vorinstanz hält im weiteren fest, die schriftlichen Ausführungen des Gutachters über die fehlende Eignung der Kantonalen Psychiatrischen Klinik Solothurn unter gleichzeitiger Betonung der Behandlungsbedürftigkeit bei einer Unterbringung im Untersuchungsgefängnis gäben "über die Notwendigkeit einer Sicherung des Beschuldigten allerdings keine ausdrückliche Antwort". Wohl deshalb verkenne der Verteidiger des Beschwerdeführers, indem er auf die denkbaren Resultate einer ärztlichen Behandlung hinweise, dass "auch im Gutachten von einer bestehenden und auch durch eine ärztliche Behandlung nicht auszuschliessenden Sozialgefährlichkeit ausgegangen werde". Der Experte habe denn auch in der Hauptverhandlung betont, dass vom Beschwerdeführer auch in seinem heutigen Zustand nach wie vor eine erhebliche Fremdgefährdung ausgehe und dass diese auch bei einer Behandlung nicht ganz ausgeschlossen werden könne. Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft sei Schizophrenie, so der Gutachter an der Hauptverhandlung weiter, nicht heilbar, sondern lediglich eine Milderung der Symptome möglich. Wie sich an der Hauptverhandlung herausgestellt habe, habe der Experte mit seiner im Gutachten getroffenen Feststellung, der Beschwerdeführer sei behandlungsbedürftig, die Notwendigkeit einer dauernden ausbruchssicheren Unterbringung keineswegs in Frage stellen wollen, auch wenn er bei einem Rückgang der für Dritte bedrohlichen Wahndynamik eine Einweisung in eine Anstalt mit offenerem Rahmen als dem Untersuchungsgefängnis in Aussicht gestellt habe. Vor dem Kriminalgericht habe der Gutachter denn auch ausdrücklich eine Verwahrung empfohlen. BGE 118 IV 108 S. 111 Der Vorinstanz leuchteten die Ausführungen des Gutachters ein. Sie hält ergänzend fest, dass der Beschwerdeführer heute noch an seinen wahnhaften Vorstellungen festhalte. Auch wenn er heute eine "Vollkommenheitsliebestötung" aus Angst vor dem Untersuchungsgefängnis nicht mehr selbst durchführen würde, so sei er nach wie vor der Auffassung, dass dies gemacht werden sollte, wenn Leute altersreif seien. Die Gefahr, dass er diese Meinung wieder ändern könnte, erscheint der Vorinstanz in Anbetracht der vom Gutachter diagnostizierten Geisteskrankheit des Beschwerdeführers als erheblich. Die paranoide Schizophrenie des Beschwerdeführers mache somit zwecks Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit eine entsprechend wirksame Massnahme, wie sie das Gesetz mit jener der Verwahrung vorsehe, erforderlich. Die Voraussetzungen der Verwahrung im Sinne von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB seien demnach erfüllt. b) Der Beschwerdeführer macht geltend, dass das Gutachten keine genügende Grundlage für eine Verwahrung enthalte. Der Experte schreibe im Gutachten lediglich von einer gewissen wahnbedingten Fremdgefährlichkeit, die nicht ganz ausgeschlossen werden könne. Dem Gutachten sei nicht zu entnehmen, ob dieser nur noch bedingt vorhandenen Fremdgefährlichkeit, die nicht ausgeschlossen werden könne, nicht ebensogut in einer psychiatrischen Klinik oder in einer therapeutischen Institution, welche ebenfalls über ausbruchssichere Abteilungen verfügten, begegnet werden könnte. Die juristisch entscheidende Frage, ob eine Versorgung oder eine Verwahrung ausgesprochen werden soll, werde im Gutachten nicht beantwortet. Der Gutachter habe anlässlich der Hauptverhandlung plötzlich von einer erheblichen Fremdgefährlichkeit gesprochen und nach mehrmaligem Nachfragen durch das Gericht die Verwahrung empfohlen, sich dabei aber nur in allgemeinen Ausführungen über die Unheilbarkeit der Schizophrenie ergangen. Unbestritten sei aber auch in der Hauptverhandlung die rechtlich entscheidende Tatsache geblieben, dass die Krankheit des Beschwerdeführers und insbesondere dessen anfänglich noch bedingt vorhandene Fremdgefährlichkeit mit entsprechender Medikation relativ problemlos unter Kontrolle zu bringen sei; dies werde im übrigen durch die lange Krankengeschichte des Beschwerdeführers bestätigt, dessen Zustand sich nach kurzer psychiatrischer Hospitalisation jeweilen erheblich verbessert habe. Der Experte habe, wie sich an der Hauptverhandlung herausgestellt habe, mit dem Beschwerdeführer seit Monaten keinen Kontakt mehr gehabt und sich somit auch nicht zu einem allfälligen Erfolg der BGE 118 IV 108 S. 112 während der Untersuchungshaft erfolgten Behandlung äussern können. Der Beschwerdeführer kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er lediglich wegen unbestrittenermassen vorhandener Strukturmängel im Massnahmevollzug verwahrt werden soll. Insbesondere fehle es an der von Gesetz und Rechtsprechung verlangten unzweideutigen gutachterlichen Äusserung bezüglich der Verwahrung. Statt dessen liege einzig die Äusserung des Gutachters vor, dass die Massnahme nach Art. 43 StGB zur erforderlichen Sicherung mangels besserer Gelegenheiten (vorerst) im Gefängnis vollzogen werden soll. Eine solche vage und einzig an den Vollzugsmöglichkeiten orientierte Begründung könne aber für die Anordnung der Verwahrung nach Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB als ultima ratio nicht ausreichen. c) Die Beschwerdegegnerin weist in ihren Gegenbemerkungen zunächst darauf hin, dass nicht der psychiatrische Gutachter, sondern der Richter entscheide, welche Massnahme gemäss StGB anzuordnen sei. Die Vorinstanz habe ihren Entscheid nicht allein aufgrund des schriftlichen Gutachtens vom 3. Juli 1991 getroffen, sondern insbesondere auch gestützt auf die mündlichen Ausführungen des Experten anlässlich der Hauptverhandlung. Der Beschwerdeführer mache mit Recht nicht geltend, die Vorinstanz hätte allein auf das schriftliche Gutachten abstellen müssen. Der Gutachter habe in der Hauptverhandlung bestätigt, dass die Geisteskrankheit der Schizophrenie, an welcher der Beschwerdeführer leidet, unheilbar sei. Ob bei einem Schizophrenen durch medikamentöse und psychiatrische Behandlung jemals eine stabile Besserung mit einer Verminderung oder gar einem Wegfall der Rückfallsgefahr eintreten werde, lasse sich gemäss dem Experten nicht voraussagen; beim Beschwerdeführer sei dies bisher jedenfalls nicht gelungen. Daher sei nach Ansicht des Gutachters der Sicherung absolute Priorität einzuräumen. Diese Diagnose sei durch Äusserungen des Beschwerdeführers eindrücklich bestätigt worden. Dieser habe nämlich trotz medikamentöser Behandlung während der Untersuchungshaft auch anlässlich der Hauptverhandlung auf seinem Standpunkt verharrt, grundsätzlich seien alle Personen über sechzig Jahre "vollkommenheitsliebestodesreif". Für ihn sei es ein leichtes, dies zu beurteilen; weder müsse er dazu die betreffende Person näher kennen, noch sei ein längeres Gespräch erforderlich. 2. a) Erfordert der Geisteszustand des Täters, der eine vom Gesetz mit Zuchthaus oder Gefängnis bedrohte Tat begangen hat, die damit im Zusammenhang steht, ärztliche Behandlung oder besondere Pflege und ist anzunehmen, dadurch lasse sich die Gefahr BGE 118 IV 108 S. 113 weiterer mit Strafe bedrohter Taten verhindern oder vermindern, so kann der Richter Einweisung in eine Heil- oder Pflegeanstalt anordnen ( Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB ). Gefährdet der Täter infolge seines Geisteszustandes die öffentliche Sicherheit in schwerwiegender Weise, so wird vom Richter seine Verwahrung angeordnet, wenn diese Massnahme notwendig ist, um ihn von weiterer Gefährdung anderer abzuhalten. Die Verwahrung wird in einer geeigneten Anstalt vollzogen ( Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ). Der Richter trifft seinen Entscheid auf Grund von Gutachten über den körperlichen und geistigen Zustand des Täters und über die Verwahrungs-, Behandlungs- oder Pflegebedürftigkeit ( Art. 43 Ziff. 1 Abs. 3 StGB ). Die Verwahrung im Sinne von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ist angesichts der Schwere dieses Eingriffs in die persönliche Freiheit des Betroffenen ultima ratio und darf nicht angeordnet werden, wenn die bestehende Gefährlichkeit auf andere Weise behoben werden kann ( BGE 101 IV 127 , 103 IV 140, BGE 109 IV 77 ; STRATENWERTH, Strafrecht Allg. Teil II, § 11 N. 123). Sie kommt "nur dort in Betracht, wo der Täter auch bei ärztlicher Behandlung oder besonderer Pflege so gefährlich bleibt, dass sich die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt mit ihren normalerweise begrenzten Sicherungsmöglichkeiten nicht verantworten lässt, oder wo er, im Blick auf Art und Mass der Therapie, die vernünftigerweise erwartet werden kann, als weder heilbar noch pflegebedürftig erscheint" (STRATENWERTH, op.cit., § 11 N. 135). Ein Täter kann mithin nicht in eine Heil- oder Pflegeanstalt im Sinne von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB eingewiesen werden, wenn bei ihm "trotz ärztlicher Behandlung oder Pflege ernstlich die Gefahr schwerer Straftaten, vor allem von Gewaltdelikten, bestehenbleibt, sei es innerhalb oder, bei entsprechender Fluchtgefahr, ausserhalb der Anstalt" (STRATENWERTH, Strafrechtliche Massnahmen an geistig Abnormen, ZStrR 89/1973 S. 131 ff., 143). Unter welchen Voraussetzungen eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit "in schwerwiegender Weise" im Sinne von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB anzunehmen ist, ist eine Rechtsfrage. Rechtsfrage ist auch, was unter der in dieser Bestimmung ebenfalls vorausgesetzten "Notwendigkeit" der Verwahrung zu verstehen ist. Die schwerwiegende Gefährdung bezieht sich nicht nur auf Nähe und Ausmass der Gefahr, sondern auch auf Art bzw. Bedeutung des gefährdeten Rechtsgutes. Bei der Gefährdung hochwertiger Rechtsgüter wie Leib und Leben sind an Nähe und Ausmass der Gefahr weniger hohe Anforderungen zu stellen als bei der Gefährdung weniger bedeutender Rechtsgüter wie Eigentum und Vermögen. Entsprechend kann BGE 118 IV 108 S. 114 die Massnahme der Verwahrung bei Gefährdung von Leib und Leben schon dann im Sinne von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB notwendig sein, wenn die Gefahr nicht besonders gross ist. Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass Gefährlichkeitsprognosen naturgemäss unsicher und schwierig sind (siehe dazu STRATENWERTH, Strafrecht Allg. Teil II, § 11 N. 25, 131; ROLAND FURGER, Hinweise zum kritischen Umgang mit psychiatrischen Gutachten, ZStrR 105/1988 S. 385 ff., 403). Hält der Richter aufgrund der Ausführungen des psychiatrischen Gutachters ein Fortbestehen der Fremdgefährlichkeit trotz ärztlicher Behandlung in der Zukunft für möglich, dann darf er die Gefährlichkeit als Voraussetzung für die Anordnung einer bestimmten Massnahme bejahen. Der Grundsatz "in dubio pro reo" gilt bei der Prognoseentscheidung als solchen nicht. b) Der Gutachter hat in seinen mündlichen Ausführungen in der Hauptverhandlung, die im angefochtenen Urteil zusammenfassend wiedergegeben werden, die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers offenbar stärker betont als im Gutachten vom 3. Juli 1991. Die Vorinstanz hat kein eidgenössisches Recht verletzt, wenn sie ihren Entscheid insoweit auf die mündlichen Erläuterungen des Experten in der Hauptverhandlung abstützte. Anzumerken ist immerhin, dass eine ausführliche Protokollierung der Expertenaussagen, vor allem soweit sie vom schriftlichen Gutachten abweichen, wünschenswert wäre. Der Experte ging im übrigen auch schon in seinem schriftlichen Gutachten, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang ergibt, davon aus, dass der Beschwerdeführer infolge seiner Geisteskrankheit mit wahnhaftem Erleben trotz ärztlicher bzw. medikamentöser Behandlung vorerst gefährlich bleibe. Er hielt nämlich fest, es sei "durchaus denkbar, dass unter den oben vorgeschlagenen Massnahmen (Strukturierung im Gefängnis, neuroleptische Behandlung, psychiatrische Gespräche) die Wahndynamik, wie schon bei früheren Hospitalisationen, zurückgeht, was auch gleichzeitig die Fremdgefährlichkeit des Exploranden so weit verringert, dass eine Behandlung in einem offeneren Rahmen, z.B. in der Anstalt Schachen oder St. Johannsen ..., durchgeführt werden könnte". Und er schlug daher vor, "dass der Explorand, sobald sich die extrem starke und für Dritte bedrohliche Wahndynamik unter konsequenter neuroleptischer Medikation zurückgebildet hat", in eine dieser Anstalten verlegt werde, sofern die Anstaltsleitung mit der Übernahme der Massnahme einverstanden sei. Zwar scheint sich der Zustand des Beschwerdeführers bei medikamentöser Behandlung in der Psychiatrischen Klinik, wie sich aus der langen Krankengeschichte ergibt, jeweils BGE 118 IV 108 S. 115 relativ rasch gebessert zu haben, worauf in der Nichtigkeitsbeschwerde hingewiesen wird; es geht indessen auch darum, der mit grösster Wahrscheinlichkeit durch die Schizophrenie bedingten schweren psychosozialen Verwahrlosung mit chronischem Haschisch-Abusus durch Einbindung des Beschwerdeführers in feste Strukturen entgegenzuwirken. c) Wenn es somit nach den Ausführungen des Gutachters möglich ist, dass der an Schizophrenie mit wahnhaftem Erleben leidende Beschwerdeführer, der bereits ein Tötungsdelikt begangen hat, wegen seiner Krankheit trotz ärztlicher Behandlung weitere Tötungsdelikte verüben könnte, dann durfte die Vorinstanz, auch wenn Nähe und Ausmass dieser Gefahr ungewiss sind, in Abwägung der auf dem Spiel stehenden Interessen ohne Verletzung von Bundesrecht die Verwahrung des Beschwerdeführers gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB anordnen. Auch bei einer Verwahrung nach Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB sind im übrigen die nötigen therapeutischen Massnahmen zu treffen (vgl. auch Art. 46 Ziff. 2 StGB ), und die Massnahme ist, wenn ihr Grund weggefallen ist, nach Art. 43 Ziff. 4 StGB aufzuheben.
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Sachverhalt ab Seite 59 BGE 94 II 59 S. 59 Nach Feststellung, - dass die Beklagten und Berufungskläger unterm 29. Januar 1968 das Begehren gestellt haben, den Kläger und Berufungsbeklagten zur Sicherstellung der allfälligen Parteientschädigung an die Beklagten und Berufungskläger zu verhalten, wofür namentlich auf den Wohnsitz des Berufungsbeklagten in New York verwiesen wird; - dass der Berufungsbeklagte diese Sicherstellung in seiner Vernehmlassung vom 9. April 1968 ablehnt; BGE 94 II 59 S. 60
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Erwägungen und in Erwägung: 1. Gemäss Art. 150 Abs. 1 OG hat in der Regel "wer das Bundesgericht anruft, nach Anordnung des Präsidenten die mutmasslichen Gerichtskosten... sicherzustellen...". In Art. 150 Abs. 2 OG , auf den sich die Gesuchsteller berufen, wird sodann folgendes bestimmt: "Eine Partei kann auf Begehren der Gegenpartei vom Präsidenten oder Instruktionsrichter zur Sicherstellung für eine allfällige Parteientschädigung angehalten werden, wenn sie in der Schweiz keinen festen Wohnsitz hat oder erweislich zahlungsunfähig ist." Abs. 2 des Art. 150 OG vom 16. Dezember 1943 stammt, wie der Berufungsbeklagte zutreffend annimmt, von Art. 213 aoG vom 22. März 1893. Auffällig ist im revidierten Gesetz der Unterschied in der Fassung der Absätze 1 und 2 des Art. 150: "wer das Bundesgericht anruft", hat nach Abs. 1 die Gerichtskosten sicherzustellen, während laut Abs. 2 die Sicherstellung der Parteientschädigung "eine Partei... auf Begehren der Gegenpartei" trifft. Man wäre versucht, hieraus zu schliessen, die Pflicht zur Sicherstellung der Parteikosten könne im Gegensatz zu derjenigen für die Gerichtskosten jede der Berufungsparteien, den Berufungsbeklagten wie den Berufungskläger treffen. Und doch ist das nicht der Fall. Die Bezeichnung des Sicherstellungspflichtigen mit "eine Partei" fand sich schon in Art. 213 aoG, welcher sich sowohl auf die Prozesskosten als die Prozessentschädigung bezog. Sie wurde aber nur gewählt, um deutlich zu machen, dass der Berufungskläger (wie der Anschlussberufungs- und der Nichtigkeitskläger) nicht identisch mit der Klägerpartei des Prozesses zu sein braucht. Mit der allgemeinen Fassung "Partei" sollte also "offenbar nicht gemeint sein, dass der Berufungskläger von der Gegenpartei, wenn sie im Ausland domiziliert ist, Kostenversicherung verlangen kann" (REICHEL zu Art. 213 aoG N. 3; zustimmend WEISS, Berufung S. 150 Ziff. 3). Dem entsprach auch die Gerichtspraxis zu Art. 213 aoG ( BGE 65 II 25 ), worauf der Berufungsbeklagte mit Recht hinweist. 2. Die Revision vom 16. Dezember 1943 hat am früheren Rechtszustand nichts geändert. Die Vorschusspflicht des Abs. 1 von Art. 150 belastet natürlicherweise denjenigen, der vom Rechtsmittel der Berufung (resp. Anschlussberufung) BGE 94 II 59 S. 61 Gebrauch macht, also den Berufungskläger (vgl. analog Art. 151). Durch die Revision wurde lediglich die Ausdehnung der Pflicht zur Sicherstellung der (allfälligen) Parteientschädigung auf den (in aoG Art. 213 nicht vorgesehenen) Fall erweislicher Zahlungsunfähigkeit bezweckt (hierüber die Botsch. vom 9. Febr. 1942, S. 151 f., bes. Abs. 3). Die Trennung der beiden Fälle im rev. Gesetz (Gerichtskosten einerseits, Parteikosten anderseits) erfolgte lediglich wegen der Umschreibung von speziellen Voraussetzungen (vgl. auch die Botsch. Abs. 4). Dementsprechend findet sich die Auffassung der Berufungskläger nirgends vertreten (vgl. zu Art. 150 OG : GRÜNINGER, N. 2; BIRCHMEIER, N. 2 in fine). Im Gesetz ( Art. 150 Abs. 4 OG ) wird denn auch (entsprechend aoG Art. 213) weiter bestimmt, dass bei fruchtlosem Ablauf der "für die Sicherstellung (nach Abs. 1 oder 2) gesetzten Frist"... "auf die Rechtsvorkehr nicht eingetreten" wird. Hieraus erhellt wieder, dass die Pflicht zur Sicherstellung der Parteikosten nach Abs. 2 nicht den Berufungsbeklagten treffen kann. Berufungsantwort und besondere Verteidigung des Berufungsbeklagten sind ohnehin fakultativ ( Art. 61 Abs. 2 und Art. 62 Abs. 5 OG ; vgl. ähnlich schonBGE 36 II 286unten). 3. Für die gesetzliche Regelung bestehen sachliche Gründe. Die Berufung soll Verlusten und dem Hinausschieben der Rechtskraft kantonaler Urteile durch unbegründete Ergreifung von Rechtsmitteln nicht Vorschub leisten können (Botsch. 1.c., Abs. 2). 4. Ist somit das Gesuch der Berufungskläger mangels gesetzlicher Grundlage abzuweisen, so spielt es keine Rolle, dass die Vereinigten Staaten von Nordamerika auch der rev. Haager Übereinkunft betreffend Zivilprozessrecht vom 1. März 1954 nicht beigetreten sind; denn es ist - da vorliegend keine Pflicht zur Sicherstellung besteht - gleichgültig, ob der Berufungsbeklagte von ihr kraft Staatsvertrages befreit wäre oder nicht;
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Dispositiv verfügt der Präsident der II. Zivilabteilung: Das Begehren der Berufungskläger um Sicherstellung der allfälligen Parteientschädigung wird abgewiesen.
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Erwägungen ab Seite 111 BGE 108 V 111 S. 111 Aus den Erwägungen: 3. Gemäss Art. 7 Abs. 2 ELG ist Art. 85 AHVG im kantonalen Beschwerdeverfahren sinngemäss anwendbar. Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG gewährleistet das Recht, sich verbeiständen zu lassen; der obsiegende Beschwerdeführer hat Anspruch auf Ersatz der Vertretungskosten, und zwar selbst dann, wenn der Vertreter nicht Anwalt ist (ZAK 1980 S. 123 Erw. 4). Ferner steht dem Beschwerdeführer der Anspruch auf eine wesentliche Teilvergütung der Parteikosten zu, wenn er einen wesentlichen Teilerfolg erzielt (ZAK 1980 S. 124 Erw. 5). a) Die Vorinstanz nimmt - unter Hinweis auf den Wortlaut von Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG - an, auf Ersatz der Vertretungskosten BGE 108 V 111 S. 112 habe bloss der obsiegende Beschwerdeführer, nicht aber der obsiegende Beschwerdegegner Anspruch. Die in der erwähnten Vorschrift festgehaltenen Grundsätze sind erst im Zusammenhang mit dem Erlass des Invalidenversicherungsgesetzes in das AHVG eingefügt worden (vgl. Art. 82 IVG , AS 1959 S. 851), und zwar aufgrund eines Vorstosses in den Beratungen der nationalrätlichen Kommission. Absicht war, dass dem Versicherten ein Recht auf Verbeiständung sowie ein Anspruch auf Ersatz der Vertretungskosten eingeräumt werden sollte (Protokolle der nationalrätlichen Kommissionssitzungen vom 27. Januar 1959, S. 67 ff., sowie vom 29. Januar 1959, S. 132 ff.). Angesichts des Umstandes, dass die Kantone im AHV-Bereich nur je eine Rechtsmittelinstanz kennen und dass der mit einer Verwaltungsverfügung nicht einverstandene Versicherte dort praktisch immer als Beschwerdeführer auftritt, genügte es dabei, in Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG bloss vom Beschwerdeführer zu sprechen. Auf dem Gebiete der Ergänzungsleistungen liegen die Verhältnisse dagegen etwas anders. Wo, wie im Kanton Zürich (und im Kanton Genf), der verfügenden Verwaltungsbehörde zwei kantonale Rechtsmittelinstanzen (Bezirksrat als Einsprache-, Rekurskommission als Beschwerdeinstanz) nachgeordnet sind, kann der Versicherte unter Umständen auch in die Stellung des Beschwerdegegners versetzt werden, nämlich dann, wenn - wie der vorliegende Fall zeigt - die Verwaltung mit dem erstinstanzlichen Einsprachebeschluss nicht einverstanden ist und ihrerseits die zweite kantonale Rechtsmittelinstanz anruft. Da indessen Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG vom Grundgedanken ausgeht, dass der Versicherte sich verbeiständen lassen und den Ersatz der Vertretungskosten begehren kann, muss dieser Anspruch auch dann bejaht werden, wenn der Versicherte als Beschwerdegegner obsiegt (vgl. in diesem Zusammenhang Art. 64 Abs. 1 VwVG , wo von der obsiegenden Partei die Rede ist).
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Sachverhalt ab Seite 482 BGE 139 V 482 S. 482 A. (...) D. meldete sich am 7. Dezember 2009 zur Arbeitsvermittlung an und stellte am 9. Dezember 2009 Antrag auf Arbeitslosenentschädigung für die Zeit ab 1. Januar 2010, wobei sie angab, sie sei bereit und in der Lage, Vollzeit zu arbeiten. Zuletzt war sie - jeweils in einem 100 %-Pensum - vom 7. April bis 31. Dezember 2008 (...) für die Firma X. und vom 5. Januar bis 31. Dezember 2009 (...) für die Gesellschaft Y. tätig gewesen. Am 30. September 2010 heiratete sie, am 7. Oktober 2010 brachte sie einen Sohn und am BGE 139 V 482 S. 483 23. November 2011 eine Tochter zur Welt. In der Rahmenfrist für den Leistungsbezug vom 4. Januar 2010 bis 3. Januar 2012 bezog sie Leistungen der Arbeitslosenversicherung, unterbrochen durch die Mutterschaftsentschädigungen vom 7. Oktober 2010 bis 12. Januar 2011 und vom 23. November 2011 bis 28. Februar 2012. In den Monaten Februar bis Juni 2010 wurde ihr ein Zwischenverdienst angerechnet. Mit Verfügung vom 22. März 2012 verneinte die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. Februar 2012 mit der Begründung, D. habe - bei 9,846 Beitragsmonaten - weder die Beitragszeit erfüllt noch liege ein Beitragsbefreiungsgrund vor. Daran hielt sie auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 14. Mai 2012). B. In Gutheissung der dagegen geführten Beschwerde hob das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich den Einspracheentscheid vom 14. Mai 2012 auf mit der Feststellung, D. habe mit Wirkung ab 4. Januar 2012 Anspruch auf eine Verlängerung der Rahmenfrist für den Leistungsbezug um zwei Jahre und sie habe ab diesem Zeitpunkt Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, sofern die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien (Entscheid vom 22. November 2012). C. Die Arbeitslosenkasse erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid des kantonalen Gerichts vom 22. November 2012 sei in Bestätigung des Einspracheentscheides vom 14. Mai 2012 aufzuheben. D. lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen, während das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) die Gutheissung der Beschwerde beantragt. Das kantonale Gericht verzichtet auf eine Vernehmlassung. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. (Auszug)
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Im angefochtenen Gerichtsentscheid werden die gesetzlichen Vorschriften zur Erfüllung der Beitragszeit ( Art. 13 Abs. 1 AVIG [SR 837.0]) als einer Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ( Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG ) sowie zu den Rahmenfristen im Allgemeinen ( Art. 9 AVIG ) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. BGE 139 V 482 S. 484 3.2 Die Rahmenfrist für den Leistungsbezug von Versicherten, die sich der Erziehung ihrer Kinder gewidmet haben, wird gemäss Art. 9b Abs. 1 AVIG um zwei Jahre verlängert, sofern zu Beginn der einem Kind unter zehn Jahren gewidmeten Erziehung eine Rahmenfrist für den Leistungsbezug läuft (lit. a) und im Zeitpunkt der Wiederanmeldung die Anspruchsvoraussetzung der genügenden Beitragszeit nicht erfüllt ist (lit. b). Die Rahmenfrist für die Beitragszeit von Versicherten, die sich der Erziehung ihrer Kinder gewidmet haben, beträgt vier Jahre, sofern zu Beginn der einem Kind unter zehn Jahren gewidmeten Erziehung keine Rahmenfrist für den Leistungsbezug lief ( Art. 9b Abs. 2 AVIG ). 4. Im vorliegenden Verfahren besteht Einigkeit, dass sich die Rahmenfrist für die Beitragszeit nicht im Sinne von Art. 9b Abs. 2 AVIG auf vier Jahre verlängern kann, da zu Beginn der Erziehungszeit beiden Kindern der Versicherten eine Rahmenfrist für den Leistungsbezug lief. Unbestritten ist auch, dass die Beschwerdegegnerin in der von der Kasse geprüften Beitragsrahmenfrist vom 1. Februar 2010 bis 31. Januar 2012 nicht während mindestens zwölf Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt (Art. 9 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 AVIG ), bzw. die Arbeit wegen Mutterschaft im Sinne von Art. 13 Abs. 2 lit. d AVIG unterbrochen hatte. Fraglich ist einzig, ob sich die letzte Rahmenfrist für den Leistungsbezug, welche am 4. Januar 2010 begonnen hatte, wegen Erziehungszeiten gemäss Art. 9b Abs. 1 AVIG um zwei Jahre verlängert. (...) 6. Zu Beginn der Erziehungszeiten beider - unter zehnjährigen - Kinder lief eine Rahmenfrist für den Leistungsbezug ( Art. 9b Abs. 1 lit. a AVIG ) und die Beschwerdegegnerin kann für den Zeitraum vom 4. Januar 2010 bis 3. Januar 2012 keine genügende Beitragszeit vorweisen ( Art. 9b Abs. 1 lit. b AVIG ). Die Vorinstanz bejaht zudem die Voraussetzung der Wiederanmeldung bei der Arbeitslosenversicherung im Sinne von Art. 9b Abs. 1 lit. b AVIG mit Wirkung ab 4. Januar 2012, da sie annimmt, eine solche setze keine Abmeldung von der Versicherung voraus. Für die Annahme einer Wiederanmeldung genüge es, dass die Versicherte den Organen der Arbeitslosenversicherung mitgeteilt habe, nach Ablauf der ersten Rahmenfrist für den Leistungsbezug am 3. Januar 2012 weiterhin Leistungen beziehen zu wollen. SECO und Verwaltung sind BGE 139 V 482 S. 485 dagegen der Auffassung, von einer Wiederanmeldung könne bei nur durch Mutterschaftsentschädigungen und vorübergehend angerechneten Zwischenverdienst unterbrochenem Leistungsbezug nicht ausgegangen werden. Zu prüfen ist damit, was unter einer Wiederanmeldung im Sinne von Art. 9b Abs. 1 lit. b AVIG zu verstehen ist. 7. (...) 7.2 7.2.1 Der Wortlaut des Art. 9b Abs. 1 AVIG lässt keinen Interpretationsspielraum offen: Eine Wiederanmeldung setzt logisch zwingend eine Abmeldung voraus. Das Ende der ersten Rahmenfrist kann nicht per se als Abmeldung verstanden werden. 7.2.2 Gemäss Botschaft vom 28. Februar 2001 zu einem revidierten Arbeitslosenversicherungsgesetz (BBl 2001 2245) soll die neue Regelung (des Art. 9b AVIG ) dem ursprünglichen Gedanken des Gesetzgebers, Versicherten, die infolge der Geburt eines Kindes kurzzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden, den Wiedereinstieg zu erleichtern, besser Rechnung tragen. Durch eine differenzierte Regelung der Rahmenfristen werde erreicht, dass während einer befristeten Zeitdauer erworbene Ansprüche, trotz der durch die Geburt eingetretenen Unterbrechung der arbeitsmarktlichen Verfügbarkeit, nicht verfallen. Gleichzeitig werde auf das Erfordernis einer wirtschaftlichen Zwangslage verzichtet. Absatz 1 betreffe Versicherte, die sich während einer laufenden Rahmenfrist für den Leistungsbezug nach der Geburt ihres Kindes der Erziehung widmen. Um Leistungen auch nach der Erziehungsperiode beanspruchen zu können, werde ihnen die Rahmenfrist für den Leistungsanspruch um zwei Jahre verlängert (BBl 2001 2278 Ziff. 2.1 zu Art. 9b Abs. 1 AVIG ). 7.2.3 Nach der ratio legis des Art. 9b AVIG soll Personen, die infolge Geburt eines Kindes oder wegen Erziehungsaufgaben ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen, der Wiedereinstieg ins Erwerbsleben erleichtert werden ( BGE 139 V 37 E. 5.3.1 S. 39; THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 2214 Rz. 113). Art. 9b Abs. 1 AVIG zielt auf Personen, die sich während einer laufenden Rahmenfrist für den Leistungsbezug der Kindererziehung widmen. Sind oder bleiben versicherte Personen hingegen nach der Geburt der Kinder bei der Arbeitslosenversicherung angemeldet, stehen sie dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Sie sind somit bereit und in der Lage, unverzüglich BGE 139 V 482 S. 486 eine Arbeitsstelle anzutreten und müssen für die jederzeit mögliche Aufnahme der neuen Erwerbstätigkeit andere Betreuungspersonen oder -institutionen für ihre Kinder bereits beanspruchen oder zumindest organisiert haben. Bei ihnen fehlt es an der Kausalität zwischen der fehlenden Beitragszeit und der Kindererziehung. 7.3 Die Auslegung führt einheitlich zum Schluss, dass Art. 9b Abs. 1 AVIG einzig auf Personen Anwendung finden kann, welche infolge der Erziehung von Kindern vorübergehend aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind bzw. deswegen darauf verzichtet haben, sich weiterhin dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen. 8. 8.1 In der Literatur wird ebenfalls davon ausgegangen, dass sich diejenigen Personen auf Art. 9b AVIG berufen können, welche ihre Erwerbstätigkeit infolge Geburt eines Kindes oder wegen Erziehungsaufgaben unterbrochen haben und somit abwesend vom Arbeitsmarkt waren (NUSSBAUMER, a.a.O., S. 2214 Rz. 113). BORIS RUBIN (Assurance-chômage, 2. Aufl. 2006, S. 142) weist darauf hin, dass versicherte Personen, welche trotz Erziehungszeiten nicht die Absicht hatten, den Arbeitsmarkt zu verlassen, nicht ohne weiteres von den gleichen Vorteilen profitieren sollen wie jene, welche dem Arbeitsmarkt wegen Erziehungszeiten nicht mehr zur Verfügung standen. Die Zeit, in welcher eine versicherte Person Arbeitslosenentschädigung beziehe (oder für welche sie sich auf einen Befreiungsgrund nach Art. 14 Abs. 1 AVIG berufe), könne nicht als Erziehungszeit gelten (RUBIN, a.a.O., S. 142). 8.2 Im Urteil 8C_973/2009 vom 3. März 2010 E. 3.2 stellt das Bundesgericht fest, dass sich in Anwendung des Art. 9b Abs. 1 AVIG ein Taggeldanspruch nicht bereits aus dem Umstand ergibt, dass sich eine versicherte Person zu Beginn der Erziehung in einer laufenden Rahmenfrist befand und somit aus einer früheren Tätigkeit genügend Beitragszeit erworben hat. 9. 9.1 Nach Ansicht der Vorinstanz ist an einer Wiederanmeldung zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung im Sinne von Art. 9b Abs. 1 lit. b AVIG nicht zu zweifeln, nachdem die Versicherte nach Ablauf der Rahmenfrist für den Leistungsbezug vom 4. Januar 2010 bis 3. Januar 2012 den Organen der Arbeitslosenversicherung wiederholt und unmissverständlich mitgeteilt habe, dass sie nach Ablauf der Rahmenfrist für den Leistungsbezug am 3. Januar 2012 BGE 139 V 482 S. 487 weiterhin Leistungen beziehen wolle. Bei dieser Argumentation wird übersehen, dass eine Wiederanmeldung eine vorgängige Abmeldung voraussetzt. Die Beschwerdegegnerin erhielt unbestrittenermassen ab 4. Januar 2010 Arbeitslosentaggelder, von Februar bis Juni 2010 unter Anrechnung eines Zwischenverdienstes, und anschliessend unterbrochen durch den zweimaligen Bezug von Mutterschaftsentschädigung nach den Geburten vom 7. Oktober 2010 und 23. November 2011. Sie blieb während der zweijährigen Rahmenfrist für den Leistungsbezug durchgehend zur Stellenvermittlung und zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung angemeldet. Ihre Arbeitslosigkeit wurde nicht infolge der Betreuung ihrer Kinder unterbrochen, denn sie stand dem Arbeitsmarkt weiterhin zur Verfügung. Der Interpretation des kantonalen Gerichts, wonach der Gesetzgeber davon abgesehen habe, den Anspruch von versicherten Personen auf eine Verlängerung der Rahmenfrist für den Leistungsbezug auszuschliessen, welche neben der Kindererziehung gleichzeitig bei den Organen der Arbeitslosenversicherung zur Stellenvermittlung und zum Leistungsbezug gemeldet gewesen seien, kann nicht gefolgt werden. Die Beschwerdegegnerin stand dem Arbeitsmarkt auch nach der Geburt ihrer Kinder durchwegs zur Verfügung. So bestätigte sie am 30. Oktober 2010, dass ihr Sohn ab 7. Januar 2011 von Montag bis Sonntag, jeweils von 7.00 bis 17.00 Uhr von einer Drittperson betreut werde. Eine Stelle hätte sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit unverzüglich antreten müssen. Nur unter diesem Vorbehalt hatte sie sich während ihrer Arbeitslosigkeit der Kinderbetreuung widmen können. Die Beschwerdeführerin weist gestützt auf diese unbestrittene Sachlage zutreffend darauf hin, dass die Versicherte nicht wegen der Kinderbetreuung, sondern einzig deswegen nicht erwerbstätig war, weil sie keine Arbeitsstelle hatte. Damit fehlt der - in Orientierung am Zweck der Gesetzesbestimmung notwendige - Kausalzusammenhang zwischen der fehlenden Beitragszeit im Hinblick auf die Eröffnung einer neuen Rahmenfrist für den Leistungsbezug und den Erziehungszeiten. 9.2 Die abweichende Auslegung des kantonalen Gerichts widerspricht der ratio legis. Es ist der Beschwerdeführerin beizupflichten, dass eine solche auf eine ungerechtfertigte Besserstellung der Personengruppe hinausläuft, welche sich während einer laufenden Rahmenfrist für den Leistungsbezug trotz Erziehungsaufgaben weiterhin dem Arbeitsmarkt zur Verfügung hält. Denn die Erleichterung, welche Art. 9b Abs. 1 AVIG bietet, soll denjenigen Versicherten BGE 139 V 482 S. 488 vorbehalten sein, welche ihre Erwerbstätigkeit bzw. ihre Arbeitssuche in der Absicht unterbrechen, für die Erziehung eines oder mehrerer Kinder unter zehn Jahren zur Verfügung zu stehen. Ihnen soll durch die gesetzliche Bestimmung der Wiedereinstieg in die Erwerbstätigkeit erleichtert werden. Demgegenüber würde die Anwendung der Norm auf Personen, welche ihre arbeitsmarktliche Verfügbarkeit während der laufenden Rahmenfrist für den Leistungsbezug trotz der Geburt eines oder mehrerer Kinder nicht unterbrechen, eine vom Gesetzgeber nicht vorgesehene Privilegierung gegenüber den übrigen Versicherten bedeuten, welche ebenfalls durchgehend auf Arbeitssuche sind. 10. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich die Beschwerdegegnerin mangels Abmeldung bei der Arbeitslosenversicherung während der ersten Rahmenfrist für den Leistungsbezug vom 4. Januar 2010 bis 3. Januar 2012 nicht auf Erziehungszeiten im Sinne von Art. 9b Abs. 1 AVIG berufen kann. Die "Anmeldung" für die Verlängerung der Rahmenfrist für den Leistungsbezug ist entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht als Wiederanmeldung gemäss Art. 9b Abs. 1 lit. b AVIG zu qualifizieren, nachdem sich die Versicherte vom 4. Januar 2010 bis 3. Januar 2012 durchgehend dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt und zu keinem Zeitpunkt bei der Arbeitslosenversicherung abgemeldet hatte. Die Ablehnung der Anspruchsberechtigung durch die Arbeitslosenkasse für die Zeit nach dem 3. Januar 2012 (bzw. gemäss Einspracheentscheid ab 1. Februar 2012) ist demzufolge rechtens.
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Sachverhalt ab Seite 170 BGE 122 I 168 S. 170 Die Stimmberechtigten der Feuerschaugemeinde Appenzell nahmen am 27. November 1967 den Quartierplan "Kaustrasse-Rinkenbach" an. Die Genehmigung der Planung durch die Standeskommission des Kantons Appenzell I.Rh. erfolgte am 5. Februar 1968. Der Quartierplan sieht zwischen der Gonten- und der Kaustrasse eine neue, in zwei Etappen zu erstellende Nord-Süd- Strassenverbindung als Basis-Erschliessungsstrasse vor. Das Gebiet zwischen der Gonten- und der Kaustrasse soll durch Ringverbindungen feinerschlossen werden. Die Quartierplanung bildet Grundlage unter anderem für die Enteignung von Land für den Bau der Basis-Erschliessungsstrasse im Bereiche der Parzelle Nr. 1715, Grundbuch Appenzell. Diese Liegenschaft ist seit Erlass des Zonenplanes der Feuerschaugemeinde vom 1. April 1981/9. März 1982 der Wohnzone W3 zugeteilt. Am 4. Juli 1968 setzte die Feuerschaugemeinde für beide Bauetappen die perimeterpflichtigen Grundstücke sowie die Perimeterquoten und für die 1. Bauetappe die Bodenabtretungen fest. Der entsprechende Strassenabschnitt wurde 1974 fertiggestellt und "St. Antonstrasse" benannt. Für die 2. Bauetappe nahmen die Stimmberechtigten am 5. Mai 1985 einen Kredit von Fr. 455'000.-- an. Die St. Antonstrasse soll aber ihren Charakter als Erschliessungsstrasse verlieren, vom Bezirk Appenzell übernommen und zu einer Bezirksstrasse mit Entlastungsfunktion umklassiert werden. Zwischen dem 14./15. März und dem 5. April 1986 legte die Feuerschaugemeinde Appenzell, welche vom Bezirk mit dem Strassenbau beauftragt worden war, ein Projekt für die 2. Etappe öffentlich auf. Danach ist vorgesehen, für den Strassenbau ab der 6'622 m2 grossen Parzelle Nr. 1715 ca. 1'080 m2 Land zu einem vom Bezirk veranschlagten Preis von ca. 65.-/m2 zu beanspruchen; die damaligen Grundeigentümer erhoben gegen den Strassenplan keine Einsprache. Ende der achtziger Jahre wurden Planungsarbeiten für eine Überbauung der Liegenschaft mit drei Mehrfamilienhäuser eingeleitet. Im Laufe des Jahres 1991 begann die Feuerschaugemeinde mit dem Bau der 2. Etappe der St. Antonstrasse. Sie ist heute fertiggestellt. Ebenfalls vorangetrieben wurde das Projekt für die Überbauung des Grundstückes Nr. 1715. Am 13. April 1992 legte der Geometer mittels einer Mutationsurkunde die für die 2. Etappe der St. Antonstrasse definitiv abzutretende Bodenfläche ab der Liegenschaft Nr. 1715 mit 1'044 m2 fest, und am 26. Mai 1992 erliess die Feuerschaugemeinde den Quartierplan "St. Anton" (genehmigt am 9. Juni 1992). Bereits am BGE 122 I 168 S. 171 13. November 1992 beantragte die Feuerschaugemeinde auf Veranlassung von Eduard Rüsch, damals Eigentümer der fraglichen Parzelle, eine Änderung des Quartierplanes "St. Anton". Neu soll neben den bisherigen drei Baubereichen ein vierter hinzukommen. Diese Planänderung wurde am 17. Dezember 1992 beschlossen und am 16. Februar 1993 genehmigt. Einen Tag zuvor erhöhte der Grosse Rat des Kantons Appenzell I.Rh. die Ausnützungsziffer in der Wohnzone W3 von bisher 0,60 auf 0,65. Eduard Rüsch und der Bezirk Appenzell konnten sich über die Enteignungsentschädigung nicht einigen. Noch während des Verfahrens vor der kantonalen Schätzungskommission verkaufte Eduard Rüsch die Parzelle Nr. 1715 an die Wohnbaugenossenschaft "Säge". Im Kaufvertrag vereinbarten die Parteien, dass eine allfällige Enteignungsentschädigung dem Verkäufer zukommen solle. Mit Entscheid vom 19. Dezember 1994 setzte die Schätzungskommission die Entschädigung für die Abtretung von 1'044 m2 Land ab der Parzelle Nr. 1715 auf Fr. 165.--/m2 fest. Dagegen rekurrierten Eduard Rüsch und die Wohnbaugenossenschaft "Säge" an das Kantonsgericht Appenzell I.Rh. Dieses wies den Rekurs am 9. Mai 1995 ab.
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Gegen das Urteil des Kantonsgerichtes führen Eduard Rüsch und die Wohnbaugenossenschaft "Säge" am 22. September 1995 staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde im Sinne der Erwägungen gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Eduard Rüsch hat - wie die kantonale Schätzungskommission in ihrem Urteil vom 19. Dezember 1994 entschied und wie das Kantonsgericht stillschweigend bestätigte - trotz des Verkaufs der streitbetroffenen Parzelle während des erstinstanzlichen Verfahrens seine Parteistellung im Enteignungsverfahren behalten. Mit Blick auf diesen Umstand sowie darauf, dass sich Eduard Rüsch anlässlich des Grundstückverkaufs gegenüber der Käuferin das Recht auf die Enteignungsentschädigung vorbehielt, ist er nach Art. 88 OG zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert (vgl. auch HEINZ HESS/HEINRICH WEIBEL, Das Enteignungsrecht des Bundes, Bd. I, N. 17 zu Art. 16, Bern 1986, unter Hinweis auf einen nicht veröffentlichten Entscheid des Bundesgerichtes vom 26. November 1959 i.S. Rollier). Ob unter diesen Umständen auch die Wohnbaugenossenschaft "Säge" als Grundeigentümerin zur staatsrechtlichen Beschwerde befugt ist, mag offenbleiben, weil auf die im übrigen frist- und formgerecht erhobene BGE 122 I 168 S. 172 Eingabe nach dem Gesagten ohnehin einzutreten ist. Die Wohnbaugenossenschaft "Säge" ist vom angefochtenen Entscheid jedenfalls insoweit betroffen, als gemäss den beiden kantonalen Entscheiden die auf dem Wege der Enteignung erworbenen Rechte nach Zahlung der Enteignungsentschädigung an Eduard Rüsch zulasten ihres Grundeigentums ins Grundbuch einzutragen sind und als "die Enteigneten" die Grundstückgewinnsteuer sowie die Kosten des kantonsgerichtlichen Verfahrens zu tragen haben. 2. a) Die kantonalen Instanzen haben das für den Strassenbau beanspruchte Areal der Parzelle Nr. 1715 grundsätzlich als unüberbautes Bauland entschädigt. Weil Abklärungen beim Grundbuchamt Appenzell ergaben, dass offenbar in der Wohnzone W3 in letzter Zeit keine Handänderungen stattgefunden hatten, wurde die Entschädigung nach der Methode der Rückwärtsrechnung bestimmt. Die kantonalen Instanzen bezifferten den Verkehrswert des Baulandes auf Fr. 330.--/m2. Davon nahmen sie einen Abzug von 50% vor, weil die bauliche Ausnützung und damit der wirtschaftliche Wert der Restparzelle trotz der Teilenteignung keine (wesentliche) Reduktion erfahren habe. Die Beschwerdeführer machen geltend, das Kantonsgericht hätte für die Bemessung der Enteignungsentschädigung anstelle der Methode der Rückwärtsrechnung die statistische Methode anwenden müssen. Für den Fall, dass trotzdem Raum für die Rückwärtsrechnung bestehe, wird vorgebracht, das Kantonsgericht habe der Berechnung unrealistische Hypothesen zugrunde gelegt, was zu einem zu tiefen Verkehrswert geführt habe. Schliesslich wird sowohl in methodischer als auch in quantitativer Hinsicht kritisiert, dass das Kantonsgericht vom errechneten Rohbaulandwert einen Abzug von 50% gemacht hat. b) Neben den Einwendungen der Beschwerdeführer wirft die vorliegende Sache weitere Fragen auf. Sie betreffen primär die Abwicklung des Strassenplanungs- und des Enteignungsverfahrens, aber auch das Verhältnis der Quartierplanung von 1967/68 zur Planung der 2. Bauetappe der St. Antonstrasse und die Auswirkungen auf die Enteignung bzw. Enteignungsentschädigung. Wie es sich mit diesen Fragen im einzelnen verhält, ist jedoch unter Vorbehalt der folgenden Ausführungen nicht weiter zu prüfen. Bei einer staatsrechtlichen Beschwerde, welche der Überprüfung eines kantonalen Hoheitsaktes lediglich auf seine Verfassungsmässigkeit hin dient, ist der Streitgegenstand zum vornherein eng begrenzt. So prüft das Bundesgericht nur Rügen, welche in der Beschwerdeschrift gemäss Art. 90 BGE 122 I 168 S. 173 Abs. 1 lit. b OG genügend klar und deutlich vorgebracht werden ( BGE 119 Ia 197 E. 1d). Erhebt ein Beschwerdeführer zu einem Punkt keine mit einer hinreichenden Begründung versehene Rüge, so werden allfällige Verfassungswidrigkeiten in diesem Bereich vom Bundesgericht im Regelfall nicht behoben (vgl. BGE 104 Ia 236 E. 1d). Auch ist das Bundesgericht bei kantonalrechtlichen Enteignungen über die ihm im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren gegebenen Befugnisse hinaus nicht oberste Aufsichtsinstanz über die Kantone. c) Aus diesen Grundsätzen folgt, dass hier - ausgehend von den unbestrittenen Feststellungen, Annahmen und Erwägungen des Kantonsgerichtes - lediglich zu beurteilen ist, ob dieses die für die Ermittlung und Bemessung der Entschädigung zutreffenden Methoden herangezogen und im konkreten Fall verfassungskonform angewendet hat. Dabei steht dem Bundesgericht freie Prüfung zu, soweit es darum geht, ob die Entschädigung bzw. ihre Höhe methodisch richtig ermittelt und insoweit dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf volle Entschädigung ( Art. 22ter Abs. 3 BV ) hinreichend Rechnung getragen worden ist. Soweit sich die Kritik hingegen auf die bei der Anwendung dieser Methoden getroffenen tatsächlichen Feststellungen oder Annahmen bezieht, ist das angefochtene Urteil lediglich unter Willkürgesichtspunkten zu überprüfen (in BGE 104 Ia 470 nicht publ. E. 3a; BGE 93 I 130 E. 4). Insoweit fällt die Rüge der Verletzung des Willkürverbotes ( Art. 4 BV ) mit dem Einwand zusammen, Art. 22ter BV sei verletzt. 3. a) Der zu entschädigende Verkehrswert ist primär anhand von Vergleichspreisen festzulegen (statistische Methode oder Vergleichsmethode). Was eine unbestimmte Vielzahl von Kaufsinteressenten auf dem freien Markt für das enteignete Grundstück bezahlt hätte, lässt sich am zuverlässigsten aufgrund der tatsächlich gehandelten Preise für vergleichbare Liegenschaften ermitteln. Allerdings führt diese Methode nur zu richtigen Resultaten, wenn Vergleichspreise in genügender Zahl für Objekte ähnlicher Beschaffenheit zur Verfügung stehen. An diese Voraussetzung dürfen jedoch nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden. So erfordert die Vergleichbarkeit nicht, dass in bezug auf Lage, Grösse, Erschliessungsgrad und Ausnützungsmöglichkeit praktisch Identität besteht. Unterschieden der Vergleichsgrundstücke kann durch Preiszuschläge oder -abzüge Rechnung getragen werden. Auch braucht das Vergleichsgrundstück nicht im selben Quartier zu liegen, sofern es hinsichtlich Lage, Umgebung, Ausnützungsmöglichkeit usw. dem Schätzungsobjekt ähnlich ist. BGE 122 I 168 S. 174 In der Regel lässt sich selbst aus vereinzelten Vergleichspreisen auf das allgemeine Preisniveau schliessen. Sind nur wenige Kaufpreise bekannt, müssen diese besonders sorgfältig untersucht und können sie nur zur Entschädigungsbestimmung verwendet werden, wenn dem Vertragsabschluss nicht - wie etwa bei Verkäufen unter Verwandten sowie bei Arrondierungs- und ausgesprochenen Spekulationskäufen - unübliche Verhältnisse zugrunde liegen. Nur wenn überhaupt keine Vergleichspreise vorhanden sind, dürfen sich die Schätzungsbehörden auf die ausschliessliche Anwendung von Methoden beschränken, die - wie die Lageklassenmethode oder die Methode der Rückwärtsrechnung - auf blosse Hypothesen abstellen, auf heute nicht mehr durchwegs geltenden Rentabilitätsüberlegungen beruhen und bei denen das Ergebnis selbst durch kleinere Erhöhungen oder Reduktionen der Ausgangswerte fast beliebig verändert werden kann ( BGE 115 Ib 408 E. 2c; BGE 114 Ib 286 E. 7). b) Nach Ansicht des Kantonsgerichtes ist es hier unmöglich, die Entschädigung nach der statistischen Methode festzulegen, weil nur unzulängliches Vergleichsmaterial vorliege. So hätten - wie gesagt - im Bereich der Wohnzone W3 mit Ausnahme der streitbetroffenen Parzelle seit längerem keine Handänderungen von unüberbauten Liegenschaften mehr stattgefunden, und andere mit dem enteigneten Grundstück vergleichbare Liegenschaften fehlten. aa) Wie dem Zonenplan der Feuerschaugemeinde Appenzell vom 1. April 1981/9. März 1982 zu entnehmen ist, umfasst die Wohnzone W3 lediglich ein relativ begrenztes Gebiet im Ortsteil "St. Anton". Die letzte noch unüberbaute Liegenschaft ist oder war die Parzelle Nr. 1715, wie sich aus dem Quartierplan "St. Anton" von 1992 ergibt (danach ist die nördlich benachbarte, gemäss Zonenplan noch freie Parzelle Nr. 1413 heute überbaut). Es erstaunt daher nicht, dass sich in den Akten des Grundbuchamtes für unüberbaute Parzellen in der Wohnzone W3 keine Vergleichspreise finden liessen. Allein deswegen die statistische Methode zu verwerfen, geht jedoch nicht an, wie die Beschwerdeführer mit Recht bemerken. bb) Wie sich aus der dargelegten bundesgerichtlichen Praxis ergibt, müssen der statistischen Methode nicht zwingend Handänderungspreise für Grundstücke gleicher Art in der gleichen Zone zugrunde gelegt werden. Es muss sich lediglich um Vergleichspreise für Objekte ähnlicher Beschaffenheit handeln, wobei an diese Voraussetzung keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen; Identität in bezug auf Lage (im gleichen Quartier), Grösse, Erschliessungsgrad und Ausnützungsmöglichkeit BGE 122 I 168 S. 175 ist nicht zwingend notwendig (vorne E. 3a). Es ist daher auch nicht ausgeschlossen, dass im Falle einer relativ homogenen, noch mehrheitlich ländlich geprägten Ortschaft mit Zentrumsfunktion, wie es Appenzell darstellt, auch Preise herangezogen werden, welche für unüberbaute Liegenschaften in der relativ grossen Wohnzone W2 (oder unter Umständen gar in der erweiterten Kernzone K2) bezahlt wurden, sofern es sich um vergleichbare Parzellen handelt. Unterschiedlichen (auch planerischen) Beschaffenheiten der in Betracht kommenden Grundstücke ist durch sachlich angemessene Auf- oder Abschläge der Ausgangswerte Rechnung zu tragen. Das Kantonsgericht hat mit der Feststellung, es fehle an anderen mit der Parzelle Nr. 1715 vergleichbaren Grundstücken, ein solches Vorgehen abgelehnt. Im angefochtenen Entscheid hat es jedoch nicht dargelegt, auf welche Sachverhaltsabklärungen es sich dabei genau gestützt hat. Sodann geht aus dem Urteil nicht zweifelsfrei hervor, ob sich die Aussage des Kantonsgerichtes auch auf Parzellen in einer anderen Bauzone als der Wohnzone W3 bezieht. Es steht somit nicht abschliessend fest, ob Vergleichspreise vorhanden sind, und es kann daher nicht überprüft werden, ob den Beschwerdeführern volle Entschädigung im Sinne von Art. 22ter Abs. 3 BV zugesprochen worden ist. Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich daher insoweit als begründet. cc) Bedenken am Vorgehen der kantonalen Instanzen ergeben sich auch hinsichtlich der Art, wie sie die ihrer Ansicht nach hier sachgerechte Methode der Rückwärtsrechnung angewendet haben. Die vom Kantonsgericht geschützte Berechnung der Schätzungskommission lässt vermuten, dass die Kommission in die Rückwärtsrechnung Elemente der Lageklassenmethode hat einfliessen lassen, hat sie doch unter anderem bei der Bestimmung des Landwertes einen Lageklassefaktor veranschlagt, welcher der Rückwärtsrechnung an sich fremd ist. Die beiden Berechnungsmethoden, welche nur zu Kontrollzwecken oder allenfalls dann anzuwenden sind, wenn die statistische Methode zu keinem eindeutigen Resultat führt, sind jedoch auseinanderzuhalten (zu den beiden Methoden im einzelnen: WOLFGANG NAEGELI/KURT J. HUNGERBÜHLER, Handbuch des Liegenschaftsschätzers, 3. Aufl., Zürich 1988, S. 38 ff. und 43 ff.). c) Dass die Beschwerde im genannten Punkt begründet ist, gilt unbekümmert des Umstandes, dass das Kantonsgericht die von den Beschwerdeführern ins Feld geführten, auf die Parzelle Nr. 1715 bezogenen Handänderungswerte unberücksichtigt lassen durfte. Entgegen der Auffassung der BGE 122 I 168 S. 176 Beschwerdeführer sind blosse Offerten bzw. Verhandlungspreise für die Berechnung eines allfälligen Baurechtszinses unbeachtlich (nicht veröffentlichte Urteile des Bundesgerichtes vom 20. April 1993 i.S. Gemeinde Valendas, E. 3, und vom 7. Juni 1985 i.S. Staat Bern, E. 2a). Auch verstösst es nicht gegen die Eigentumsgarantie, wenn die von den Beschwerdeführern für die Übernahme der Liegenschaft zu Mit- oder Alleineigentum bezahlten oder in Baurechtsverträgen als Ausgangspreis für die Berechnung des Baurechtszinses bestimmten Landwerte unberücksichtigt gelassen wurden. Die entsprechenden Werte - wie übrigens auch der Wert für die Subventionierung der Wohnüberbauung nach den Bestimmungen des Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetzes vom 4. Oktober 1974 (WEG; SR 843) - sind wesentlich von den Ansprechern der Enteignungsentschädigung mitbestimmt worden und stellen keine Vergleichspreise im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung dar. 4. Ist die staatsrechtliche Beschwerde im ersten Punkt begründet, so bestünde an sich kein Anlass, die weiteren Einwendungen zu prüfen. Weil die kantonalen Behörden aber nach eingehenderen Abklärungen den Verkehrswert neu zu bestimmen haben werden, rechtfertigt es sich aus prozessökonomischen Gründen, hier zu prüfen, ob vom Verkehrswert ein Abzug von 50% gemacht werden darf. a) Das Kantonsgericht hat wie die Schätzungskommission unter Hinweis auf die Grundsätze zur Entschädigung von Vorgartenland einen solchen Abzug veranschlagt. Es war der Auffassung, die Teilenteignung habe nur eine kleine Werteinbusse zur Folge, da mit dem Quartierplan "St. Anton" eine erhöhte Ausnützung des Restgrundstückes zugestanden worden sei. Die Beschwerdeführer bestreiten die Berechtigung dieses Abzuges. Soweit sie zunächst geltend machen, die Enteignerin habe sich nicht auf eine solche Entschädigungsreduktion berufen, ist ihnen entgegenzuhalten, dass der Bezirk Appenzell bisher eine Entschädigung für angemessen hielt, die mit Fr. 65.--/m2 wesentlich unter dem zugesprochenen Quadratmeterpreis liegt. Vor Kantonsgericht hat der Bezirk zudem die Berechnung der Entschädigung durch die Schätzungskommission mit dem umstrittenen Abzug ausdrücklich anerkannt (Schreiben an das Kantonsgericht vom 3. Februar 1995). b) Ob der enteignete Landstreifen - wie das Kantonsgericht meint - Vorgartenland darstellt, als welches ein mit einem Bauverbot belegter Landstreifen zwischen Strasse und Baulinie bezeichnet wird ( BGE 105 Ib 327 E. 1c; Urteil des Bundesgerichtes vom 27. Februar 1974, E. 1d-f, in ZBl. BGE 122 I 168 S. 177 76/1975 S. 99 f.; HESS/WEIBEL, a.a.O., N. 106 zu Art. 19), kann offenbleiben. Von der Beantwortung dieser Frage hängt der Verfahrensausgang nicht ab, wie im folgenden zu zeigen ist. aa) Die Beschwerdeführer machen geltend, die kantonale Baugesetzgebung sehe entgegen der Auffassung des Kantonsgerichtes nicht vor, dass die Ausnützungsziffer als Entschädigung für eine Teilenteignung erhöht und der Verkehrswert des zu entschädigenden Landes dementsprechend reduziert werden dürfe. Diese Kritik ist im Lichte des Grundsatzes zu beurteilen, wonach dem Enteigneten volle Entschädigung geschuldet ist ( Art. 22ter Abs. 3 BV ). Dieser soll bei einer Enteignung keinen Verlust erleiden, aber auch keinen Gewinn erzielen; wirtschaftlich ist der Enteignete gleich zu stellen wie ohne Landabtretung (Urteil des Bundesgerichtes vom 27. Februar 1974, E. 1e, in ZBl. 76/1975 S. 99; BGE 93 I 554 E. 3). Bei einer Teilenteignung, wie sie hier zur Diskussion steht, kann die Festsetzung des Bodenwertes zudem nicht losgelöst von der Frage erfolgen, ob das Restgrundstück durch die Abtretung einen Minderwert erfahren habe (Art. 10 Abs. 1 lit. b des kantonalen Gesetzes über die Enteignung [kEntG]) oder ob dem Enteigneten weitere nach Art. 10 Abs. 1 lit. c kEntG zu entschädigende Nachteile entstanden seien ( BGE 105 Ib 327 E. 1c). bb) Das Kantonsgericht ist wie gesagt davon ausgegangen, dass den Beschwerdeführern trotz der Teilenteignung insofern kein Nachteil entstanden sei, als der ursprüngliche wirtschaftliche Wert der Liegenschaft durch eine Erhöhung der Ausnützungsziffer der Restparzelle wieder hergestellt worden sei. Ohne dies ausdrücklich zu erklären, hat es die Erhöhung der Ausnützungsziffer als Sachleistung betrachtet, welche neben der finanziellen Abgeltung die Interessen der Enteigneten im Sinne von Art. 9 Abs. 3 und 4 kEntG ausreichend wahre (zur Leistung von Naturalersatz: PETER WIEDERKEHR, Die Expropriationsentschädigung, Diss. Zürich 1966, S. 179 ff., insbesondere auch S. 186 f.). cc) Diese Betrachtungsweise verletzt die Eigentumsgarantie nicht. Die Planungsgeschichte des Gebietes "St. Anton" seit Erlass des nur teilweise realisierten Quartierplans "Kaustrasse-Rinkenbach" im Jahre 1967/68 zeigt, dass trotz der Mitte der achtziger Jahre erfolgten Umklassierung der St. Antonstrasse von einer Erschliessungs- in eine Bezirksstrasse und dem neuen, räumlich auf eine Parzelle reduzierten Quartierplan "St. Anton" immer noch ein Zusammenhang zwischen dem Strassenbau und der Überbauung des angrenzenden Gebietes im Sinne eines bei umfangreichen Quartierplänen BGE 122 I 168 S. 178 üblichen Gesamtkonzeptes besteht. Dieses Gesamtkonzept kommt beim Quartierplan "St. Anton" insoweit zum Ausdruck, als nach den Vorstellungen der kantonalen und kommunalen Behörden der Verlust von Bauland für die Erstellung der im früheren Quartierplan vorgesehenen Erschliessungs- bzw. Strassenanlage durch eine Erhöhung der Ausnützung der Restparzelle aufgefangen werden soll. Ein solches Vorgehen ist bei Quartierplänen durchaus üblich, um trotz des Abzuges für gemeinschaftliche Anlagen den Besitzstand der Betroffenen so weit wie möglich zu wahren. Einzelne Kantone sehen generell den Einbezug von für Strassen abgetretenes Land in die Nutzungsberechnung vor, sofern dies - wie hier - bei der für das Land zu bezahlenden Entschädigung berücksichtigt wird (so zum Beispiel der Kanton Basel-Landschaft in seinen Zonenreglements-Normalien; vgl. auch WIEDERKEHR, a.a.O., S. 69, wonach für die Bestimmung der Entschädigung massgeblich auf die noch zulässige bauliche Nutzung abzustellen sei). dd) Der dargestellte planerische Gesamtzusammenhang lässt sich anhand der Entwicklung der Ausnützungsmöglichkeiten der Parzelle Nr. 1715 belegen, die primär durch die Ausnützungsziffer (AZ) bestimmt werden und von welcher gemäss Art. 32 Abs. 2 des Baugesetzes vom 28. April 1985 (BauG) und Art. 38 der Verordnung zum Baugesetz vom 17. März 1986 (Bauverordnung, BauV) in Quartierplänen unter gewissen Voraussetzungen abgewichen werden kann. Auszugehen ist von der möglichen Ausnützung vor Erlass der Strassenpläne im Jahre 1986. Bei der damals geltenden Ausnützungsziffer (AZ) von 0,60 und der ursprünglichen Parzellengrösse von 6'622 m2 betrug die nutzbare Geschossfläche im Sinne von Art. 37 Abs. 1 und 2 BauV rund 3'974 m2. Der im März/April 1986 erlassene Strassenbauplan sah eine Abtretung von ca. 1'080 m2 Land vor. Bei einer AZ von 0,60 und einer reduzierten Grundstücksfläche von 5'542 m2 verminderte sich die nutzbare Geschossfläche auf 3'324 m2. Im April 1992 wurde die abzutretende Fläche definitiv auf 1'044 m2 festgelegt; bei der verbleibenden Grundstücksfläche von 5'578 ergibt sich eine nutzbare Geschossfläche von 3'347 m2. Die alsdann am 9. Juni 1992 von der Standeskommission genehmigte ursprüngliche Fassung des Quartierplanes "St. Anton" sah drei Baubereiche mit je 1'108 m2, total somit (wie nach Erlass des Strassenbauplanes) 3'324 m2 Bruttogeschossfläche vor; gerundet entspricht dies bei einer (reduzierten) Grundstücksfläche von 5'578 m2 der damals gesetzlich zulässigen AZ von 0,60. BGE 122 I 168 S. 179 Am 15. Februar 1993 erhöhte der Grosse Rat die für die Wohnzone W3 geltende AZ auf 0,65, woraus rechnerisch für die Restparzelle eine nutzbare Geschossfläche von 3'625,7 m2 resultierte. Vor dieser Erhöhung der AZ wurde jedoch eine Änderung des Quartierplanes "St. Anton" eingeleitet, welche zusätzlich einen vierten Baubereich mit 650 m2, total somit 3'974 m2 und damit den gleichen Nominalwert an Bruttogeschossfläche wie vor Erlass der Pläne für die 2. Etappe der St. Antonstrasse vorsah. Bei einer (reduzierten) Grundstücksfläche von 5'578 m2 entspricht dies einer Erhöhung der AZ von ursprünglich 0,60 auf 0,71. Diese Änderung trat einen Tag nach dem Beschluss des Grossen Rates, am 16. Februar 1993, mit der Genehmigung der Quartierplanrevision durch die Standeskommission in Kraft. Sie galt am entschädigungsrechtlich relevanten Stichtag der Einigungsverhandlung, ist noch heute für die Überbauung der Restparzelle massgebend und zeigt, dass die Enteigneten unter Berücksichtigung der zu leistenden Entschädigung in Geld vor und nach der Expropriation wirtschaftlich gleich gestellt sind, wie es die bundesgerichtliche Praxis verlangt. ee) Gegen die vorstehende Argumentation könnte eingewendet werden, Schuldner der Enteignungsentschädigung sei der Bezirk Appenzell, während die Quartierplanung bzw. die Ausnützung der Parzelle Nr. 1715 durch Anordnungen eines anderen Gemeinwesens, der Feuerschaugemeinde Appenzell, geregelt werde und daher im Enteignungsverfahren unbeachtlich sei. Eine solche, allein auf formalrechtlichen Unterscheidungen beruhende Betrachtung wird den planerischen Gegebenheiten, die durch sachlich zusammenhängende Hoheitsakte des Bezirkes und der Feuerschaugemeinde Appenzell geprägt sind, nicht gerecht. Überdies würde man der besonderen Struktur des Gemeindewesens in Appenzell ein Gewicht beimessen, das ihr im vorliegenden Fall nicht zukommt (zum Gemeindewesen im Kanton Appenzell I.Rh.: RICCARDO JAGMETTI, Die Stellung der Gemeinden, ZSR 91/1972 II S. 258 f. und 270). So ist zu beachten, dass im allgemeinen der Bezirk sowohl für die Ortsplanung als auch für das örtliche Strassenwesen zuständig ist (Art. 2 Abs. 3 BauG und Art. 38 ff. des Gesetzes über das Strassenwesen vom 24. April 1960 [StrG]). Nur in der Gemeinde Appenzell ist aus historischen Gründen die Ortsplanung der Feuerschaugemeinde als besonderem Gemeinwesen mit sachlich begrenzter Zuständigkeit übertragen (Art. 2 Abs. 4 BauG). Im Lichte von Art. 3 Abs. 3 lit. a des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (Raumplanungsgesetz, RPG; SR 700) , wonach Wohn- und Arbeitsgebiete BGE 122 I 168 S. 180 einander zweckmässig zugeordnet und durch das öffentliche Strassennetz hinreichend erschlossen sein sollen, kann jedoch auch in Appenzell die dem Bezirk verbleibende Planung des örtlichen Strassenwesens bzw. der Bezirksstrassen nicht losgelöst von der Ortsplanung der Feuerschaugemeinde betrachtet werden. c) Es ergibt sich aus diesen Erwägungen, dass die Reduktion der Enteignungsentschädigung nicht gegen die Eigentumsgarantie verstösst. Es fragt sich somit, ob gleiches auch hinsichtlich der Höhe dieses Abzuges gilt. Dazu führte das Kantonsgericht aus, der enteignete Landstreifen sei insofern minderwertiger Boden, als dessen Beanspruchung für den Strassenbau nicht zu einer Beschränkung der baulichen Nutzung der Restparzelle geführt habe. Nach einem Entscheid des Zürcher Obergerichtes sei in der Regel bei einer Enteignung von Vorgartenland die Hälfte des Baulandpreises zu vergüten, während im Kanton St. Gallen Abzüge von 20-30% des Verkehrswertes gemacht würden. Hier rechtfertige sich mit Blick auf das wirtschaftliche Gesamtergebnis ein Abzug von 50%. Die Kritik der Beschwerdeführer an dieser Begründung ist wegen der nicht im Zusammenhang zitierten Zürcher Praxis, die auf ein Urteil aus dem Jahre 1910 zurückgeht, verständlich (vgl. den im angefochtenes Urteil enthaltenen Nachweis auf die ältere zürcherische Praxis in einem Urteil des Zürcher Verwaltungsgerichtes in: MAX IMBODEN/RENÉ A. RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Bd. II, 6. Aufl., Basel/Frankfurt a.M. 1986, S. 919). Dennoch ist der angefochtene Entscheid hinsichtlich der Höhe des Abzuges verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei noch nicht überbautem Bauland, dessen gesamthafte Ausnützung durch eine Teilenteignung nicht reduziert wird, kann das Mass des unter dem Titel "Vorgartenland" vorzunehmenden Abzuges vom zu entschädigenden Verkehrswert selten präzise bestimmt werden; vielmehr ist das Ausmass der Herabsetzung nach pflichtgemässem Ermessen festzulegen (in diesem Sinne BGE 105 Ib 327 E. 1c ; 93 I 554 E. 3 sowie WIEDERKEHR, a.a.O., S. 72). Wird dieser den kantonalen Behörden zustehende Spielraum respektiert, so lässt sich der fragliche Abzug von 50% nicht nur mit Rücksicht auf alle genannten Umstände, sondern auch damit rechtfertigen, dass die Beschwerdeführer nicht hinreichend substantiiert geltend machen, die Teilenteignung habe für sie spezifische nicht abgegoltene Nachteile zur Folge (vgl. Art. 10 Abs. 1 lit. c kEntG). BGE 122 I 168 S. 181 5. a) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die staatsrechtliche Beschwerde insoweit begründet ist, als das Kantonsgericht es abgelehnt hat, die Enteignungsentschädigung nach der statistischen Methode zu bestimmen (vgl. vorne E. 3). Im übrigen erweist sich die Beschwerde aber als unbegründet.
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de
Sachverhalt ab Seite 466 BGE 142 V 466 S. 466 A. Die 1949 geborene B. war in einem Vollzeitpensum bei der C. AG angestellt und über ihre Arbeitgeberin bei der Pensionskasse A. (nachfolgend: Pensionskasse) für die berufliche Vorsorge und bei der SWICA Krankenversicherung AG (nachfolgend: Swica) für Krankentaggeld versichert, als sie ab dem 29. Januar 2010 zu 50 % BGE 142 V 466 S. 467 arbeitsunfähig wurde. Ab Juli 2011 wurde sie in einer neuen Funktion und in reduziertem Pensum von 50 % von der bisherigen Arbeitgeberin weiterbeschäftigt. Die IV-Stelle des Kantons Freiburg sprach der Versicherten mit Verfügung vom 24. Juni 2014 eine halbe Invalidenrente ab 1. Januar 2011 bei einem Invaliditätsgrad von 52 % zu. Die Rentennachzahlung verrechnete sie für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis 28. Februar 2012 und im Betrag von Fr. 14'632.25 mit einem entsprechenden Rückforderungsanspruch der Swica. Mit Schreiben vom 12. September 2014 anerkannte die Pensionskasse einerseits einen Anspruch der B. auf eine halbe Invalidenrente vom 1. Februar 2012 bis zur ordentlichen Alterspensionierung am 30. Juni 2013 und anderseits einen solchen auf eine Sparbeitragsbefreiung im Umfang von 50 % vom 1. Juli 2011 bis zum 30. Juni 2013. Über den Rentenanspruch für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Januar 2012 fanden die Parteien keine Einigung. B. Mit Klage vom 28. April 2015 liess B. für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Januar 2012 eine reglementarische Invalidenrente (Invaliditätsgrad von 52 %) und für die Zeit vom 1. Mai bis 30. Juni 2011 eine Sparbeitragsbefreiung zu 50 % zuzüglich Verzugszins zu 5 % auf dem jeweiligen Saldobetrag beantragen. Die Pensionskasse schloss auf Abweisung der Klage, soweit darauf einzutreten sei. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern hiess die Klage mit Entscheid vom 4. April 2016 teilweise gut und verpflichtete die Pensionskasse, der Versicherten für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Januar 2012 eine reglementarische halbe Invalidenrente gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 52 % auszurichten zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 28. April 2015 sowie für die Zeit vom 1. Mai bis 30. Juni 2011 eine Sparbeitragsbefreiung im Umfang von 50 % zu gewähren. Soweit weitergehend, d.h. in Bezug auf den Verzugszins auf der Sparbeitragsbefreiung, wies es die Klage ab. C. Die Pensionskasse lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen, der Entscheid vom 4. April 2016 sei aufzuheben und die Klage vom 28. April 2015 abzuweisen. Zudem ersucht sie um aufschiebende Wirkung der Beschwerde. B. lässt auf Abweisung des Rechtsmittels schliessen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf eine Stellungnahme. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. BGE 142 V 466 S. 468
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Streitig und zu prüfen ist zunächst die Rentenzahlung für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Januar 2012 und dabei namentlich, ob das kantonale Gericht zu Recht entschieden hat, die Rente dürfe nicht bis zur Erschöpfung der Krankentaggelder aufgeschoben werden. 1.2 Für den Beginn des Anspruchs auf Invalidenleistungen aus beruflicher Vorsorge gelten sinngemäss die entsprechenden Bestimmungen des Art. 29 IVG ( Art. 26 Abs. 1 BVG ). Die Vorsorgeeinrichtung kann in ihren reglementarischen Bestimmungen vorsehen, dass der Anspruch aufgeschoben wird, solange der Versicherte den vollen Lohn erhält ( Art. 26 Abs. 2 BVG ). Gestützt auf Art. 26 Abs. 2 und Art. 34a Abs. 1 BVG ( BGE 129 V 15 E. 5b S. 25) hat der Bundesrat in Art. 26 (resp. Art. 27 in der bis Ende 2004 geltenden Fassung) der Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2; SR 831.441.1) folgende Regelung erlassen: Die Vorsorgeeinrichtung kann den Anspruch auf Invalidenleistung bis zur Erschöpfung des Taggeldanspruchs aufschieben, wenn (a) der Versicherte anstelle des vollen Lohnes Taggelder der Krankenversicherung erhält, die mindestens 80 Prozent des entgangenen Lohnes betragen, und (b) die Taggeldversicherung vom Arbeitgeber mindestens zur Hälfte mitfinanziert wurde. 1.3 Das ab 1. Januar 2011 gültige Reglement der Pensionskasse (nachfolgend: Reglement) vermittelt Anspruch auf eine Invalidenrente, wenn eine versicherte Person vor der Pensionierung erwerbsunfähig wird. Für dessen Beginn verweist es sinngemäss auf Art. 29 IVG (Ziff. 4.13 Abs. 1 Reglement). Nach Ziff. 4.13 Abs. 2 Reglement wird die Invalidenrente in jedem Fall bis zum Wegfall der Lohnfortzahlung und bis zur Erschöpfung der Taggeldansprüche aufgeschoben, wenn (a) die versicherte Person anstelle des vollen Lohnes Taggelder der Krankenversicherung erhält, die mindestens 80 % des entgangenen Lohnes betragen, und (b) die Taggeldversicherung vom Arbeitgeber mindestens zur Hälfte mitfinanziert wurde. Die Bestimmung ist somit Grundlage für einen Rentenaufschub gemäss den gesetzlichen Bedingungen; sie betrifft sowohl den obligatorischen als auch den weitergehenden Bereich (vgl. Art. 49 BVG ). BGE 142 V 466 S. 469 2. 2.1 Die Vorinstanz hat einen Rentenaufschub auf der Grundlage von Ziff. 4.13 Abs. 2 Reglement als grundsätzlich zulässig erachtet. Sie hat festgestellt, die Taggelder seien zwar zur Hälfte durch die Arbeitgeberin finanziert worden. Sie hätten aber ab 1. Januar 2011 nicht mehr 80 % des Bruttolohnes ausgemacht, weil die Swica die Rentennachzahlung der Invalidenversicherung beansprucht habe. Weiter hat das kantonale Gericht auf die Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts verwiesen (SZS 2006 S. 37, B 27/04 E. 2; BGE 128 V 243 ) und insbesondere erwogen, Leistungen der Invalidenversicherung würden von Art. 26 BVV 2 nicht erfasst; sie würden auch nicht unter mindestens hälftiger Beteiligung des Arbeitgebers finanziert. Zudem stehe es den Vorsorgeeinrichtungen frei, im weitergehenden Bereich eine über die gesetzliche Regelung hinausgehende Aufschubsmöglichkeit zu stipulieren. Da im Rahmen von Art. 24 BVV 2 Taggelder aus einer kollektiven Krankentaggeldversicherung nach VVG (SR 221.229.1) - wie jene der Swica - nicht zu berücksichtigen seien ( BGE 128 V 243 E. 3b S. 249), könne ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass im konkreten Fall die kumulierten Invalidenrenten der Pensionskasse und der Invalidenversicherung die Überentschädigungsgrenze von 90 % des mutmasslich entgangenen Verdienstes nicht erreichten. Folglich hat es den Anspruch auf Auszahlung einer reglementarischen halben Invalidenrente (Ziff. 4.13 Abs. 7 Reglement) bejaht. 2.2 Die Pensionskasse macht im Wesentlichen geltend, die Vorinstanz habe Art. 26 Abs. 2 BVG und Art. 26 lit. a BVV 2 falsch ausgelegt und angewendet; der Aufschub der Invalidenrente aus beruflicher Vorsorge müsse auch zulässig sein, wenn die von der Invalidenversicherung geschuldete Rentennachzahlung von der Krankentaggeldversicherung beansprucht werde. Die Beschwerdegegnerin hält dagegen, es bestehe kein Anlass für eine Änderung der Rechtsprechung; insbesondere verbiete der Wortlaut von Art. 26 BVV 2 einen Aufschub, wenn eine Krankentaggeldversicherung ihre Leistungen (teilweise) zurückfordere und diese dadurch nicht mehr 80 % des entgangenen Lohnes ausmachten. 3. 3.1 3.1.1 Für die hier interessierende Frage lässt sich aus BGE 128 V 243 unmittelbar nichts ableiten: Dieser Entscheid hatte nicht den Rentenaufschub gemäss Art. 26 Abs. 2 BVG und Art. 26 BVV 2 zum BGE 142 V 466 S. 470 Gegenstand, sondern - aufgrund der konkret massgeblichen Reglementsbestimmung - die Leistungskürzung nach den Koordinationsregeln gemäss Art. 24 BVV 2 (i.V.m. Art. 34 Abs. 2 BVG in der bis Ende 2002 geltenden Fassung [heute Art. 34a BVG ]) resp. Art. 71 VVG ( BGE 128 V 243 E. 3a S. 248, E. 4d/bb S. 250 f. und E. 5c S. 253). 3.1.2 Im Zentrum steht hingegen das Urteil B 27/04 vom 21. Februar 2005. In dessen E. 2 wurde ausgeführt, dass Art. 26 Abs. 2 BVG und aArt. 27 BVV 2 nicht die Frage der Überentschädigung, sondern den Beginn des Anspruchs auf Invalidenleistungen zum Gegenstand hätten. Sodann entschied das Eidg. Versicherungsgericht, wohl gestützt auf den Wortlaut von aArt. 27 (heute Art. 26) BVV 2, ohne weitere Auseinandersetzung mit dieser Bestimmung und entgegen entsprechenden Lehrmeinungen (MARKUS MOSER, Zum Leistungs- und Koordinationsrecht aus Sicht der beruflichen Vorsorge - Betrachtungen anhand eines praktischen Anwendungsbeispiels, SZS 1997 S. 371; JEAN-LOUIS DUC, Coordination entre les prestations de l'assurance-maladie pour perte de salaire et celles de la prévoyance professionnelle, SZS 1998 S. 436 f.), dass die Rentenaufschubsmöglichkeit der Vorsorgeeinrichtung dahinfalle, wenn der Taggeldversicherer seine Leistungen im Umfang der nachträglich zugesprochenen Rente der Invalidenversicherung zurückfordert. Zwar wurde diese Rechtsprechung in zwei Urteilen bestätigt (Urteile 9C_992/2012 vom 27. März 2013 E. 4.3.3; 9C_1026/2008 vom 24. August 2009 E. 7.2). Dabei befasste sich das Bundesgericht aber nicht mit der daran geübten Kritik der Lehre (vgl. MOSER/STAUFFER, Die Überentschädigungskürzung berufsvorsorgerechtlicher Leistungen im Lichte der Rechtsprechung, SZS 2008 S. 100 f.; dieselben , Ungereimtes zur Leistungskoordination, Schweizer Personalvorsorge [SPV] 2/2008 S. 92 [zit.: Ungereimtes]; HANS-ULRICH STAUFFER, Berufliche Vorsorge, 2. Aufl. 2012, S. 369 f. Rz. 1008; MARC HÜRZELER, in: BVG und FZG, 2010, N. 16 zu Art. 26 BVG ; vgl. auch derselbe , Koordinationsfragen im BVG, in: Aktuelle Probleme des Koordinationsrechts, 2014, S. 156 f.; FRANZ SCHLAURI, Die Leistungskoordination zwischen Berufsvorsorge, arbeitsrechtlicher Lohnfortzahlung und versicherungsmässigen Lohnfortzahlungssurrogaten, SZS 2007 S. 105 ff.) resp. mit den Hintergründen der gesetzlich vorgesehenen Aufschubsmöglichkeit (vgl. auch BGE 141 V 127 E. 3.2 S. 131). In Auslegung der Bestimmungen von Art. 26 Abs. 2 BVG und Art. 26 BVV 2 ist daher zu prüfen, ob Gründe für eine Praxisänderung ( BGE 140 V 538 E. 4.5 S. 541 mit Hinweisen) vorliegen. BGE 142 V 466 S. 471 3.2 Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Ordnung zu unterstellen ( BGE 141 V 642 E. 4.2 S. 647; BGE 140 V 538 E. 4.3 S. 540 f.; je mit Hinweisen). Verordnungsrecht ist gesetzeskonform auszulegen. Es sind die gesetzgeberischen Anordnungen, Wertungen und der in der Delegationsnorm eröffnete Gestaltungsspielraum mit seinen Grenzen zu berücksichtigen ( BGE 141 V 642 E. 4.2 S. 647; BGE 139 V 358 E. 3.1 S. 361). 3.3 3.3.1 Zu Art. 26 BVG , der dem Wortlaut von Art. 24 des Gesetzesentwurfs entspricht (BBl 1976 I 295), wurde in der Botschaft vom 19. Dezember 1975 zum Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BBl 1976 I 149) ausgeführt, auch wenn der Lohn noch einige Zeit nach Eintritt der Invalidität ausgerichtet werde, sollte dies nicht dazu führen, dass dem Versicherten mehr Geldmittel zur Verfügung stehen als zur Zeit seiner Erwerbsfähigkeit. Der Begriff "Lohn" sei in diesem Zusammenhang im weitesten Sinne zu verstehen. Es fielen darunter auch Ersatzleistungen (z.B. Taggelder einer Krankenkasse), mit denen die Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers abgegolten wird (BBl 1976 I 233 Ziff. 521.33). Diese gesetzlich vorgesehene Aufschubsbefugnis hat der Verordnungsgeber insofern konkretisiert und limitiert, als Krankentaggelder nur dann als Lohnersatz anerkannt werden, wenn sie einerseits 80 % des entgangenen Lohnes abdecken und anderseits mindestens zur Hälfte vom Arbeitgeber finanziert werden, so dass "nicht der individuelle Charakter der Taggeldversicherung überwiegt" (Kommentar des BSV zum Entwurf der BVV 2 vom 2. August 1983 S. 42 [abrufbar unter www.bsv.admin.ch/themen/vorsorge/00039/02611/index.html?lang=de ; nachfolgend: Kommentar BSV]). 3.3.2 Ein allfälliger Rentenaufschub gemäss Art. 26 Abs. 2 BVG hat - anders als das Eidg. Versicherungsgericht im Urteil B 27/04 BGE 142 V 466 S. 472 angenommen zu haben scheint (E. 3.1.2) - nicht die Entstehung des Anspruchs auf eine Invalidenrente nach Ablauf einer bestimmten Karenzzeit zum Gegenstand. Die Bestimmung sieht einzig vor, dass die Vorsorgeeinrichtung die Erfüllung des Anspruchs aufschieben kann. Sie ist eine Koordinationsnorm und will verhindern, dass der Versicherte nach Eintritt des Invaliditätsfalles wirtschaftlich besser gestellt wird, als wenn er weiterhin voll arbeitsfähig wäre ( BGE 129 V 15 E. 5b S. 26; BGE 142 V 419 E. 4.3.2 S. 422). Als Spezialnorm zur Überentschädigungsregelung von Art. 34a Abs. 1 BVG i.V.m. Art. 24 BVV 2 ( BGE 142 V 419 E. 4.3.3 S. 423) bezieht sie sich auf das Verhältnis zwischen der Invalidenrente aus beruflicher Vorsorge und dem weiter ausgerichteten Lohn resp. dem Krankentaggeld. Diesbezüglich wollte der Gesetzgeber eine Koordinationsbefugnis zu Gunsten der beruflichen Vorsorge resp. zu Lasten des Arbeitgebers oder des Taggeldversicherers schaffen, und zwar explizit für jenen Zeitraum, in dem die Invalidenversicherung in der Regel (verspätete Anmeldung vorbehalten; vgl. Art. 29 Abs. 1 IVG ; Art. 48 Abs. 2 IVG in der bis Ende 2007 geltenden Fassung) bereits Leistungen erbringt. 3.3.3 In Art. 26 BVV 2 wurden Taggelder in Höhe von 80 % des entgangenen Lohnes dem vollen (durch den Arbeitgeber bezahlten) Lohn gleichgestellt. Dabei hat sich der Verordnungsgeber bewusst an die Bestimmungen von Art. 324b OR (Kommentar BSV) resp. Art. 324a Abs. 4 OR (SCHLAURI, a.a.O., S. 130 Fn. 38) angelehnt. Mit anderen Worten: Dass der Grenzwert von 80 % des entgangenen Lohnes erreicht wird, ist Voraussetzung dafür, dass Krankentaggelder ein vollwertiges Surrogat für die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers darstellen (vgl. SCHLAURI, a.a.O., S. 120). Damit ist indessen noch nichts über das Verhältnis zwischen der Lohnfortzahlung resp. den Krankentaggeldern einerseits und der Rente der Invalidenversicherung anderseits gesagt und darüber, wie sich dieses auf die Koordinationsbefugnis gemäss Art. 26 Abs. 2 BVG resp. Art. 26 BVV 2 auswirkt. 3.3.4 Erfolgt die (volle) Lohnfortzahlung im Sinne eines Vorschusses, kann sich der Arbeitgeber die Rentennachzahlungen der Invalidenversicherung abtreten lassen ( Art. 22 Abs. 2 lit. a ATSG [SR 830.1]; UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 3. Aufl. 2015, N. 46 ff. zu Art. 22 ATSG ). Die Lohnfortzahlung ist grundsätzlich - unter Vorbehalt insbesondere der Bestimmungen von Art. 26 Abs. 2 BVG und Art. 26 BVV 2 - subsidiär zu Sozialversicherungsleistungen (vgl. Art. 324a Abs. 4 und Art. 324b OR ; SCHLAURI, a.a.O., S. 110 f.). BGE 142 V 466 S. 473 Eine Rentennachzahlung kann auch einer Versicherung, die Vorleistungen erbringt, abgetreten werden ( Art. 22 Abs. 2 lit. b ATSG ). Es ist denn auch ohne Weiteres zulässig und üblich (RUDOLF LUGINBÜHL, Krankentaggeldversicherungen - Allgemeiner Überblick und aktuelle Probleme, in: Arbeitsunfähigkeit und Taggeld, 2010, S. 16), dass Leistungen der Krankentaggeldversicherung nach VVG subsidiär zur Rente der Invalidenversicherung ausgerichtet werden (so in concreto Ziff. 26 und 28 der allgemeinen Versicherungsbedingungen der Swica über die kollektive Taggeldversicherung nach VVG, Ausgabe 2006 [nachfolgend: AVB Swica]). Es steht im Widerspruch zur Absicht des Gesetz- und Verordnungsgebers (E. 3.3.2), wenn durch diese Subsidiarität die Koordinationsbefugnis der beruflichen Vorsorge gegenüber Leistungen der Krankentaggeldversicherung ausgehebelt wird, indem sie genau in jenen typischen Fällen, für die sie geschaffen wurde, nicht zum Tragen kommen kann (vgl. MOSER/STAUFFER, Ungereimtes, a.a.O.). Es leuchtet nicht ein, weshalb es eine Rolle spielen soll, ob die Arbeitsunfähigkeit allein durch die Krankentaggeldversicherung oder durch die Invalidenversicherung abgegolten wird, solange mindestens 80 % des entgangenen Verdienstes durch Versicherungsleistungen gedeckt bleiben. In diesem Zusammenhang zielt auch das Argument der Vorinstanz und der Beschwerdegegnerin, ein Rentenaufschub sei durch die Rechtsprechung gemäss Urteil B 27/04 vom 21. Februar 2005 E. 2 nicht faktisch ausgeschlossen, da er im Bereich der weitergehenden Vorsorge (im Rahmen von Art. 49 und der verfassungsmässigen Schranken) ohne Weiteres zulässig sei, ins Leere: Art. 26 Abs. 2 BVG (wie auch Art. 26 BVV 2 ) gehört zu den Mindestvorschriften ( Art. 6 BVG ); seine Tragweite muss sich somit im Bereich der obligatorischen beruflichen Vorsorge entfalten können. 3.3.5 Was das Erfordernis der hälftigen Finanzierung der Krankentaggelder durch den Arbeitgeber anbelangt, so ist nicht allein der individuelle oder kollektive Charakter der Taggeldversicherung (vgl. E. 3.3.1) massgeblich. Entscheidend ist auch in diesem Zusammenhang, dass es sich bei den Taggeldern um ein Lohnfortzahlungssurrogat handeln muss (vgl. E. 3.3.3), was nur dann zutrifft, wenn sie nicht überwiegend durch den Arbeitnehmer finanziert werden (SCHLAURI, a.a.O., S. 125; vgl. auch die Kasuistik bei REHBINDER/STÖCKLI, Berner Kommentar, 2010, N. 37 zu Art. 324a OR ). In diesem Sinn ist auch die Rente der Invalidenversicherung als Ersatz für die Lohnzahlung zu betrachten, zumal die Beiträge zu deren Finanzierung zu gleichen Teilen von Arbeitgeber und -nehmer geleistet werden ( Art. 2 IVG ). BGE 142 V 466 S. 474 3.4 Nach dem Gesagten kann - im Einklang mit der Lehre (E. 3.1.2) - an der Rechtsprechung gemäss Urteil B 27/04 vom 21. Februar 2005 E. 2 nicht festgehalten werden. Die auf Art. 26 Abs. 2 BVG und Art. 26 BVV 2 basierende reglementarische Rentenaufschubsmöglichkeit der Vorsorgeeinrichtung besteht auch dann, wenn der Taggeldversicherer, der Taggelder für Arbeitsunfähigkeit ausgerichtet hat, diese Leistungen im Umfang der nachträglich zugesprochenen Rente der Invalidenversicherung zurückfordert. In diesem Punkt ist die Beschwerde begründet; die Klage vom 28. April 2015 ist in Bezug auf die geltend gemachte Rentenzahlung für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Januar 2012 und den darauf entfallenden Verzugszins abzuweisen. 4. 4.1 Sodann ist fraglich, ob die Pensionskasse bereits ab dem 1. Mai oder erst ab dem 1. Juli 2011 eine Sparbeitragsbefreiung (im Umfang von 50 %) zu gewähren hat. Dieser Streitpunkt betrifft den Anspruch auf Leistung von Altersgutschriften (vgl. Urteil 9C_115/2008 vom 23. Juli 2008 E. 7.3.3 Abs. 2), der sich auf die Höhe der - die Invalidenrente ablösenden (vgl. Ziff. 4.13 Abs. 3 Reglement) - reglementarischen Altersrente auswirkt (vgl. Ziff. 4.6.2 Reglement). 4.2 4.2.1 Im Reglement wird die "Weiterführung der Altersgutschriften für Invalide" wie folgt geregelt: Wird eine versicherte Person erwerbsunfähig, so entfällt entsprechend dem Grad der Erwerbsunfähigkeit ihre Beitragspflicht und diejenige der Firma nach Ablauf von 3 Monaten bzw. frühestens nach Ablauf der vollen Lohnzahlung. Die reglementarischen Altersgutschriften werden von diesem Zeitpunkt an von der Stiftung geleistet (Ziff. 4.14 Abs. 1 Reglement). Anspruch und Höhe richten sich sinngemäss nach den Bestimmungen über die Invalidenrente und die Finanzierung (Ziff. 4.14 Abs. 2 Reglement). 4.2.2 Unter dem Titel "Finanzierung" enthält das Reglement insbesondere folgende Bestimmungen zu den "Beiträgen": Die Höhe der Beiträge richtet sich nach dem versicherten Lohn (Ziff. 5.1.2 Reglement). Die Beitragspflicht endet u.a. mit der "Invalidierung". Bezieht der Versicherte eine Teilinvalidenrente, reduziert sich der Beitrag entsprechend den Bestimmungen von Ziff. 4.13.1 (recte wohl: 4.13) Abs. 7 (Ziff. 5.1.3 Reglement), d.h. bei einem Invaliditätsgrad von 52 % um 50 %. Die Beiträge der Versicherten werden monatlich vom Lohn abgezogen (Ziff. 5.1.4 Abs. 1 Reglement). BGE 142 V 466 S. 475 5. 5.1 Die Vorinstanz hat den Anspruch der Versicherten auf eine Sparbeitragsbefreiung resp. Leistung von Altersgutschriften ab 1. Mai 2011 bejaht. In diesem Zusammenhang hat sie erwogen, die Lohnersatzzahlungen (der Krankentaggeldversicherung) auf der Basis des bisherigen vollen Lohnes gälten im Vergleich zu diesem (grundsätzlich) als gleichwertig; indessen könne nicht mehr von "vollem" Lohn im vorerwähnten Sinn gesprochen werden, weil die Krankentaggelder um die Rentennachzahlungen der Invalidenversicherung gekürzt worden seien. 5.2 Die Pensionskasse beruft sich auf die Gleichwertigkeit von Lohn und Ersatzzahlung; der Begriff der "vollen Lohnzahlung" im Sinne von Ziff. 4.14 Abs. 1 Reglement sei nach Art. 26 Abs. 2 BVG und Art. 26 lit. a BVV 2 resp. Art. 324b OR auszulegen. Die Sparbeitragsbefreiung sei erst sachgerecht, wenn sich die Erwerbsunfähigkeit finanziell auswirke, was frühestens am 1. Juli 2011 der Fall gewesen sei. Die Beschwerdegegnerin äussert sich dazu nicht. 6. 6.1 Reglemente privater Vorsorgeeinrichtungen sind, wo sich in Bezug auf die zur Streitigkeit Anlass gebenden Vorschriften kein übereinstimmender wirklicher Parteiwille feststellen lässt, nach dem Vertrauensprinzip auszulegen. Danach sind Willenserklärungen so zu deuten, wie sie vom Empfänger in guten Treuen verstanden werden durften und mussten. Es ist nicht auf den inneren Willen des Erklärenden abzustellen, sondern auf den objektiven Sinn seines Erklärungsverhaltens. Der Erklärende hat gegen sich gelten zu lassen, was ein vernünftiger und korrekter Mensch unter der Erklärung verstehen durfte ( BGE 134 V 369 E. 6.2 S. 375). Ausgehend vom Wortlaut (zu dessen Bedeutung BGE 129 III 702 E. 2.4.1 S. 707) und unter Berücksichtigung des Zusammenhanges, in dem die streitige Bestimmung innerhalb des Reglements als Ganzes steht, ist der objektive Vertragswille zu ermitteln, den die Parteien mutmasslich gehabt haben. Dabei ist zu berücksichtigen, was sachgerecht ist, weil nicht angenommen werden kann, dass sie eine unvernünftige Lösung gewollt haben. Unklare, mehrdeutige oder ungewöhnliche Wendungen sind im Zweifel zu Lasten ihres Verfassers auszulegen ( BGE 142 V 129 E. 5.2.2 S. 135; BGE 140 V 50 E. 2.2 S. 51 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 138 III 659 E. 4.2.1 S. 666 f.). 6.2 Das Bundesgericht prüft die Auslegung nach dem Vertrauensprinzip und in Anwendung der Unklarheits- und BGE 142 V 466 S. 476 Ungewöhnlichkeitsregel als Rechtsfrage frei ( Art. 106 Abs. 1 BGG ), wobei es lediglich an die Feststellungen der Vorinstanz über die äusseren Umstände im Rahmen von Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG gebunden ist ( BGE 140 V 50 E. 2.3 S. 52 mit Hinweisen; BGE 133 III 61 E. 2.2.1 S. 67; SVR 2012 BVG Nr. 3 S. 11, 9C_1024/2010 E. 4.1 in fine). 6.3 6.3.1 Die Vorsorgeeinrichtung muss für jeden Versicherten ein Alterskonto führen, auf dem das Altersguthaben nach Art. 15 Abs. 1 BVG ersichtlich ist ( Art. 11 Abs. 1 BVV 2 ). Am Ende des Kalenderjahres muss die Vorsorgeeinrichtung dem individuellen Alterskonto den jährlichen Zins auf den Altersguthaben nach dem Kontostand am Ende des Vorjahres und die unverzinsten Altersgutschriften für das abgelaufene Kalenderjahr gutschreiben ( Art. 11 Abs. 2 BVV 2 ). Das Altersguthaben des Invaliden ist zu verzinsen ( Art. 14 Abs. 2 BVV 2 ). Das in dieser Weise geäufnete Kapital bildet das Vorsorgevermögen, das dem einzelnen Versicherten bei Eintritt des Vorsorgefalles Alter zwecks Finanzierung seiner Altersrente zur Verfügung steht. Die Finanzierung der Altersgutschriften eines invaliden Versicherten erfolgt nicht wie bei Gesunden durch eigene Beiträge (resp. solche des Arbeitgebers), sondern durch - nach versicherungstechnischen Grundsätzen bemessene - Solidaritätszuschläge auf den von den übrigen Versicherten zu leistenden Beiträgen (Urteil 9C_115/2008 vom 23. Juli 2008 E. 7.3.3 Abs. 1 mit Hinweisen). 6.3.2 Bei der Gleichstellung des "vollen Lohnes" mit Krankentaggeldern gemäss Ziff. 4.13 Abs. 2 Reglement resp. Art. 26 Abs. 2 BVG und Art. 26 BVV 2 geht es um die Koordination von Vorsorgeleistungen (E. 3.3). Der Begriff der "vollen Lohnzahlung" nach Ziff. 4.14 Abs. 1 Reglement hingegen betrifft nicht eine Vorsorgeleistung, sondern die Beitragspflicht, d.h. die (Vor-)Finanzierung einer Versicherungsleistung (vgl. BGE 142 V 129 E. 5.3.1 S. 135). Bereits aus diesem Grund ist es nicht sachgerecht, für die Beitragsbefreiung sinngemäss auf Ziff. 4.13 Abs. 2 Reglement abzustellen und diese "aufzuschieben", wenn anstelle der Lohnfortzahlung Krankentaggelder ausgerichtet werden. Hinzu kommt Folgendes: Die Sparbeitragsbefreiung gemäss Ziff. 4.14 Abs. 1 Reglement bezweckt den Erhalt des Vorsorgeschutzes in dem Sinn, als das Altersguthaben weiterhin geäufnet wird, wenn und soweit die versicherte Person erwerbsunfähig wird resp. die Beitragspflicht infolge "Invalidierung" endet (Ziff. 5.1.3 Reglement). Welcher BGE 142 V 466 S. 477 Zeitpunkt damit gemeint ist, ist an dieser Stelle nicht von Interesse (vgl. dazu E. 6.4). Wie die übrigen Sozialversicherungsbeiträge (vgl. E. 3.3.3) werden auch die Beiträge an die Pensionskasse "vom Lohn" abgezogen (E. 4.2.2). Ein "Aufschub" der Beitragsbefreiung scheint daher gerechtfertigt, solange die volle Lohnzahlung erfolgt; hingegen ist er nicht angezeigt, wenn lediglich noch ein auf 80 % reduziertes Ersatzeinkommen ausgerichtet wird. Die Beschwerdeführerin macht denn auch in diesem Zusammenhang nicht geltend, dass die Beiträge vom Krankentaggeld abgezogen werden müssten oder dass durch die fragliche Beitragsbefreiung auf irgendeine Weise eine Überentschädigung (vgl. E. 3.3.2) resultieren soll. Im Übrigen ist zu Gunsten der Versicherten zu werten (E. 6.1 in fine), dass in Ziff. 4.14 Abs. 1 Reglement - anders als in Ziff. 4.13 Abs. 2 Reglement - nicht ausdrücklich ein Ersatzeinkommen als Alternative zum Lohn genannt wird. Der Begriff der "vollen Lohnzahlung" im Sinne von Ziff. 4.14 Abs. 1 Reglement beinhaltet daher nicht die Krankentaggelder gemäss Ziff. 4.13 Abs. 2 Reglement. 6.4 Seit dem Einsetzen der Taggeldzahlungen der Swica nach einer Wartefrist von 60 Tagen ab Arbeitsunfähigkeit (vgl. Ziff. 18 und 19 AVB Swica) wurde keine "volle Lohnzahlung" mehr ausgerichtet. Der Vorsorgefall Invalidität ist am 1. Januar 2011 eingetreten (vgl. BGE 142 V 419 E. 4.3 S. 422). Die Dreimonatsfrist für eine Beitragsbefreiung ab 1. Mai 2011 ist damit jedenfalls eingehalten. Ob sie bereits früher, d.h. ab Eintritt der Erwerbsunfähigkeit zu laufen begann, kann mangels eines entsprechenden Antrags (vgl. Klage vom 28. April 2015 und Replik vom 18. September 2015; vgl. auch Art. 107 Abs. 1 BGG ) offenbleiben. Demnach hat das kantonale Gericht im Ergebnis zu Recht den Anspruch der Beschwerdegegnerin auf eine Sparbeitragsbefreiung resp. Leistung von Altersgutschriften ab 1. Mai 2011 bejaht. (...)
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Sachverhalt ab Seite 364 BGE 139 II 363 S. 364 Frau A. erwarb im Jahr 2002 zwei in der Gemeinde X./SZ gelegene Grundstücke und übernahm diese in ihr Privatvermögen. Zugunsten der Parzellen lastete auf drei benachbarten Grundstücken seit dem Jahr 1896 ein im Grundbuch eingetragenes Bauverbot. Im Jahr 2006 willigte A. in die Löschung dieser Grunddienstbarkeiten ein, BGE 139 II 363 S. 365 wofür sie von der Gegenpartei mit einer noch zu erstellenden Stockwerkeinheit und drei Einstellhallenplätzen abgefunden wurde.
125
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Die kantonale Verwaltung für die direkte Bundessteuer ermittelte einen Wert der Abfindung von Fr. 2'335'000.- und erfasste diesen in der Veranlagungsverfügung 2006 als Einkommen. A. erhob Einsprache, welche die Einsprachebehörde teilweise guthiess. Diese ging nunmehr von einem Wert von noch Fr. 2'135'000.- aus, wovon sie die im Jahr 1896 mutmasslich angefallenen Gestehungskosten des Bauverbots von Fr. 10'000.- abzog. Den Restbetrag unterstellte sie weiterhin der direkten Bundessteuer. Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz wies die dagegen gerichtete Beschwerde mit Entscheid vom 25. September 2012 im Sinne der Erwägungen ab. Mit Eingabe vom 20. November 2012 führt die Steuerpflichtige Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Veranlagungsverfügung 2006 sei dahingehend zu bereinigen, dass der Betrag von Fr. 2'335'000.- nicht mehr einkommenswirksam erfasst werde. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde im Sinne der Erwägungen gut, hebt das angefochtene Urteil auf und weist die Sache zur weiteren Untersuchung an die kantonale Verwaltung für die direkte Bundessteuer zurück. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Art. 16 DBG (SR 642.11) bringt im Bereich der Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen das Konzept der Reinvermögenszugangstheorie ("théorie de l'accroissement du patrimoine" bzw. "imposition du revenu global net") zum Ausdruck ( BGE 133 II 287 E. 2.1 S. 289; BGE 131 I 409 E. 4.1 S. 413; BGE 125 II 113 E. 4a S. 119; Urteile 2C_711/2012 vom 20. Dezember 2012 E. 2.1; 2C_91/2012 vom 17. August 2012 E. 3.2; vgl. auch Urteil 9C_803/2011 vom 23. August 2012 E. 3.3.4 [AHV]). Danach unterliegen aufgrund der Generalklausel von Art. 16 Abs. 1 DBG und des nicht abschliessenden Positivkatalogs ( Art. 17-23 DBG ) alle wiederkehrenden und einmaligen Einkünfte der direkten Bundessteuer. Vorbehalten bleiben die Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Privatvermögen ( Art. 16 Abs. 3 DBG ) und die im Negativkatalog von Art. 24 DBG abschliessend aufgezählten Fälle (zum gleichartigen früheren Recht BGE 117 Ib 1 E. 2b S. 2; BGE 114 Ia 221 E. 4a S. 227; BGE 108 Ib 227 E. 2a S. 229; 105 BGE 139 II 363 S. 366 Ib 1 E. 1 S. 2; XAVIER OBERSON, Droit fiscal suisse, 4. Aufl. 2012, § 7 N. 7; MARKUS REICH, Steuerrecht [nachfolgend: Steuerrecht], 2. Aufl. 2012, § 10 N. 7; ders. , in: Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/2a, Zweifel/Athanas [Hrsg.], 2. Aufl. 2008, N. 26 zu Art. 16 DBG ; RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, Handkommentar zum DBG, 2. Aufl. 2009, N. 1 ff. zu Art. 16 DBG ; YVES NOËL, in: Commentaire romand, Impôt fédéral direct, Yersin/Noël [Hrsg.], 2008, N. 24 zu Art. 16 DBG ; PETER LOCHER, Kommentar zum DBG (nachfolgend: DBG), 1. Teil, 2001, N. 17 e contrario zu Art. 16 DBG ; a.M. jedoch HÖHN/WALDBURGER, Steuerrecht, Bd. I, 9. Aufl. 2001, S. 294). 2.2 Der Reinvermögenszugang, wie er Art. 16 Abs. 1 DBG zugrunde liegt, besteht in einer Nettogrösse. Er entspricht dem Überschuss aller Vermögenszugänge gegenüber den Vermögensabgängen derselben Steuerperiode (u.a. RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, a.a.O., N. 20 ff. der Vorbemerkungen zu Art. 16-39 DBG ; REICH, Steuerrecht, a.a.O., § 10 N. 12, unter Bezugnahme auf GEORG SCHANZ, Der Einkommensbegriff und die Einkommenssteuergesetze, Finanz-Archiv 13/1896, Bd. I, S. 1, insb. 7; MARKUS WEIDMANN, Einkommensbegriff und Realisation, 1995, S. 12). Im konkreten Einzelfall ergibt sich ein für steuerliche Zwecke massgeblicher Reinvermögenszugang, sobald der Vermögenszugang den realisierten Vermögensabgang der Höhe nach übersteigt (Urteil 2C_622/2011 vom 29. Februar 2012 E. 4 mit Hinweisen, in: StE 2012 B 21.1 Nr. 21; OBERSON, a.a.O., § 7 N. 242; REICH, Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern [...] [nachfolgend: StHG], Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl. 2002, N. 26 zu Art. 7 StHG ). Im Bereich des Privatvermögens entspricht der Vermögensabgang - mangels Vorliegens eines Buchwertes - den nominalen Gestehungskosten nebst den seitherigen wertvermehrenden Investitionen. Ein industrieller Mehrwert durch Vornahme wertvermehrender Investitionen fällt typischerweise bei Liegenschaften in Betracht, während er im Fall eines Bauverbots kaum denkbar ist. Dementsprechend bleibt in einem Bauverbotsfall als Anlagekosten zu berücksichtigen, was die Eigentümerschaft anlässlich des Erwerbsvorgangs konkret aufzuwenden hatte. Nur im Fall der Universalsukzession ist der ursprüngliche Erwerbspreis des Bauverbots (nebst etwaigen seitherigen wertvermehrenden Investitionen) massgebend. Im Umfang, in welchem sich Vermögenszugang und Vermögensabgang der Höhe nach entsprechen, bleibt es bei einem steuerfreien BGE 139 II 363 S. 367 Aktiventausch. Stellt sich darüber hinaus im konkreten Einzelfall tatsächlich ein Reinvermögenszugang ein, bleibt im Privatvermögen zu prüfen, ob der Überschuss - der realisierte konjunkturelle Mehrwert - als steuerbarer Vermögens- bzw. Kapitalertrag ( Art. 16 ff. DBG ) oder aber als steuerfreier Vermögens- bzw. Kapitalgewinn ( Art. 16 Abs. 3 DBG ) zu erfassen sei (PETER LOCHER, Abgrenzung von Kapitalgewinn und Kapitalertrag im Bundessteuerrecht, recht 8/1990 S. 109, insb. 110). Mit Blick auf den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ( Art. 127 Abs. 2 BV ) und das diesen konkretisierende Reinvermögenszugangsprinzip stellt die Steuerfreiheit privater Kapitalgewinne allerdings eine systemwidrige Ausnahme dar. Sie ist vom Gesetzgeber gewollt, auch aus Gründen der Veranlagungsökonomie ( BGE 114 Ia 221 E. 5c S. 230 f.), aber zurückhaltend auszulegen (vgl. BGE 115 Ib 238 E. 4 S. 243 zum gleichartigen früheren Recht; REICH, StHG, a.a.O., N. 47 zu Art. 7 StHG ). Ausnahmen sind vor dem Hintergrund einer allgemeinen Einkommenssteuer restriktiv zu handhaben (Urteil 2C_711/2012 vom 20. Dezember 2012 E. 2.4 [Leibrentenprivileg]), was auch im Bereich der Mehrwertsteuer gilt, die als allgemeine Verbrauchssteuer konzipiert ist (Urteil 2C_196/2012 vom 10. Dezember 2012 E. 2.2 [Leistungsaustausch]; BGE 138 II 251 E. 2.3.4 S. 256 [subjektive Steuerpflicht]). 2.3 Gemäss Art. 16 Abs. 3 DBG sind lediglich die Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Privatvermögen steuerfrei. Die Abgrenzung von Kapitalertrag und Kapitalgewinn lässt sich im Regelfall anhand des Substanzverzehrkriteriums vornehmen (LOCHER, DBG, a.a.O., N. 73 ff. zu Art. 16 DBG ; RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, a.a.O., N. 166 zu Art. 16 DBG ). Mit der Veräusserung geht der Idee nach ein Substanzverzehr einher. Unerlässliche Voraussetzung des steuerfreien Kapitalgewinns ist mithin das Vorliegen einer Gesamt- oder Teilveräusserung von dinglichen oder obligatorischen Rechten. Diese verlassen das Eigentum der veräussernden Person und schmälern vorübergehend, bis zum Eintreffen der Gegenleistung, die Substanz. 2.4 Die Veräusserung im Sinne von Art. 16 Abs. 3 DBG bedingt weiter, dass sich der Vermögenszugang nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Erfahrung des Lebens als "natürliche und typische (adäquate)" Folge des Vermögensabgangs darstellt (RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, a.a.O., N. 157 zu Art. 16 BGE 139 II 363 S. 368 DBG ). Daran fehlt es von vornherein insoweit, als ein gemischtes Rechtsgeschäft vorliegt und dem Vermögenszugang (auch) veräusserungsfremde Teile innewohnen. Zu denken ist im Grundstückbereich etwa an die Verquickung von Kaufpreis und Entschädigung für den Rückzug der Einsprache gegen eine Umzonung oder ein Bauvorhaben. Ein Rechtsgeschäft über die Nichterhebung oder den Rückzug einer Einsprache ist selbständiger Natur. 2.5 Ein privatrechtlicher Vertrag über den Rückzug der Einsprache gegen ein konkretes Bauvorhaben steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang zur Veräusserung der durch das Vorhaben tangierten Parzelle und kann deshalb privatrechtlich ohne Weiteres als eigenständiges Geschäft geschlossen werden. Das Entgelt für den Rückzug oder die Nichterhebung einer Einsprache steuerlich zu privilegieren, widerspricht der Konzeption von Art. 16 Abs. 3 DBG , der auf Veräusserungen beschränkt ist. Solche Entschädigungen unterliegen der Einkommenssteuer (Art. 16 Abs. 1 i.V.m. Art. 21 Abs. 1 DBG ; Urteil 2P.55/2002 vom 20. Juni 2002 E. 3.8, in: StE 2002 B 26.27 Nr. 5). Offenbleiben kann die Subsumtion unter Art. 23 lit. d DBG (Entschädigung für die Nichtausübung eines Rechts). Das Bundesgericht hat diese Norm etwa herangezogen, soweit es um die Abgeltung des Verzichts auf einen enteignungsrechtlichen, formell- gesetzlichen und überdies von Gesetzes wegen bestehenden Anspruch ging (Rückforderungsrecht gemäss Art. 102 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 20. Juni 1930 über die Enteignung [EntG; SR 711] ; Urteil 2C_622/2011 vom 29. Februar 2012 E. 4 mit Hinweisen, in: StE 2012 B 21.1 Nr. 21). Mit dieser Konstellation ist die vorliegende Sachlage nicht vergleichbar. Namentlich findet die Entschädigung für den Rückzug einer bau- oder planungsrechtlichen Einsprache keine gesetzliche Grundlage. Der entgeltliche Verzicht auf ein Rechtsmittel oder einen Rechtsbehelf kann ohnehin unter dem Aspekt der Sittenwidrigkeit ( Art. 20 Abs. 1 OR ) problematisch sein. Mit Blick auf die genannte Norm ist zwar die Verabredung einer Vergütung für den Rückzug eines nicht aussichtslosen Baurechtsmittels unbedenklich (Urteile 4A_37/2008 vom 12. Juni 2008 E. 3; 4C.207/1997 vom 9. April 1998 E. 3b; BGE 115 II 232 E. 4b S. 235 f.). Soweit sich der wirtschaftliche Wert des Verzichts aber bloss aus dem möglichen Schaden wegen der Verlängerung des Baubewilligungsverfahrens und nicht aus den schutzwürdigen Interessen des rechtsmittelführenden Nachbarn ergibt, ist die "Kommerzialisierung des Verzichts" praxisgemäss sittenwidrig BGE 139 II 363 S. 369 (Urteile 4A_657/2011 vom 8. Februar 2012 E. 3, in: SJ 2012 I S. 433; 4A_21/2009 vom 11. März 2009 E. 5.1, in: ZBGR 91/2010 S. 109; BGE 123 III 101 E. 2c S. 105 f.). 2.6 Geht mit der Nichterhebung oder dem Rückzug der Einsprache tatsächlich ein Minderwert des Grundstücks einher, kann die grundsätzlich steuerbare Leistung einen (steuerfreien) Ersatz des positiven Schadens bzw. objektiven Wertverlusts darstellen (ERNST KÄNZIG, Wehrsteuer [Direkte Bundessteuer], 1. Teil, 2. Aufl. 1982, N. 91 zu Art. 21 BdBSt ; LOCHER, DBG, a.a.O., N. 40 zu Art. 23 DBG ; RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, a.a.O., N. 48 zu Art. 23 DBG ). Leistungen, die dazu dienen, einen eingetretenen oder künftigen Vermögensschaden zu ersetzen ( damnum emergens ) , sind mit keinem Reinvermögenszugang verbunden ( BGE 132 II 128 E. 3.1 S. 130; BGE 117 Ib 1 E. 2b S. 2; Urteile 9C_1003/2008 vom 6. August 2009 E. 4.3; 2P.55/2002 vom 20. Juni 2002 E. 3.8, in: StE 2002 B 26.27 Nr. 5; 2A.398/1996 vom 29. Oktober 1997 E. 5a/aa; LOCHER, DBG, a.a.O., N. 15 zu Art. 16 DBG ; ZIGERLIG/JUD, in: Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/2a, Zweifel/Athanas [Hrsg.], N. 3 zu Art. 24 DBG ; REICH, StHG, a.a.O., N. 26 zu Art. 7 StHG ). Auch sie bewirken dann einen steuerfreien Aktiventausch. Im Zeitpunkt der Realisierung eines zonenkonformen Bauvorhabens wird freilich nur in Ausnahmefällen von einem positiven Schaden bzw. objektiven Wertverlust auszugehen sein. Aufgrund der herrschenden Zonenplanordnung, die eine Bebauung zulässt, besteht schon vor Verwirklichung des Projekts zumindest die Erwartung der baldigen oder gelegentlichen Überbauung. Dieser latente Umstand schlägt sich bereits mit dem Eintritt der Rechtskraft des Zonenplans unmittelbar im Verkehrswert der hinter- oder anliegenden Parzelle nieder. Insoweit lässt sich in der Regel nicht sagen, mit der Inangriffnahme des zonenkonformen Projekts gehe ein zusätzlicher positiver Schaden einher. Anders kann es sich verhalten, falls der Bauherrschaft unerwarteterweise eine Ausnahmebewilligung erteilt wird, aufgrund deren beispielsweise ein zusätzliches Geschoss oder eine andersartige Nutzung gestattet ist. Tritt kein derartiges unvorhersehbares Ereignis ein, unterliegt die Abgeltung regelmässig der Einkommenssteuer (Art. 16 Abs. 1 i.V.m. Art. 21 Abs. 1 DBG ). 3. 3.1 Die Vorinstanz verwirft das Vorliegen einer Veräusserung. Sie verweist darauf, dass die Bauverbotsdienstbarkeit kein Grundstück BGE 139 II 363 S. 370 im Sinne von Art. 655 Abs. 2 ZGB darstelle. Insbesondere handle es sich nicht um ein in das Grundbuch aufgenommenes selbständiges und dauerndes Recht ( Art. 655 Abs. 2 Ziff. 2 und Abs. 3 ZGB ). Folglich lasse es sich "nicht alleine, sondern nur zusammen mit den berechtigten Grundstücken" übertragen, wie dies die Unterinstanz formuliert hatte. Das Recht sei im vorliegenden Fall ohnehin nicht an einen Dritten weiterveräussert, sondern bloss aufgehoben worden. 3.2 Aufgrund des in den Akten liegenden Einspracheentscheids der kantonalen Verwaltung für die direkte Bundessteuer vom 6. Juni 2012 ist davon auszugehen, dass das Bauverbot im Jahr 1896 begründet wurde. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ( Art. 105 Abs. 1 BGG ) ist es zudem im Grundbuch zugunsten der beiden Grundstücke der Steuerpflichtigen und zulasten dreier benachbarter Parzellen eingetragen. Zivilrechtlich fällt das Bauverbot unter die unbefristeten, negativen Grunddienstbarkeiten im Sinne von Art. 730 Abs. 1 ZGB (Urteil 5A_171/2008 vom 13. Mai 2008 E. 3.1, in: ZBGR 90/2009 S. 174; BGE 123 III 337 E. 2c S. 341 ff.). Der Tatbestand von Art. 16 Abs. 3 DBG verlangt für den Eintritt des steuerfreien Kapitalgewinns im Privatvermögen, dass es zu einer Veräusserung kommt. Für die Zwecke der Grundstückgewinnsteuer hatte die Vorinstanz im parallelen Verfahren mit Entscheid vom 24. April 2009 erkannt, die Sachumstände vermöchten keine Veräusserung zu begründen, weswegen die Grundstückgewinnsteuer nicht in Betracht falle. Dieser Entscheid ist in Rechtskraft erwachsen. Dessen ungeachtet ist festzuhalten, dass das Harmonisierungsrecht in Art. 12 Abs. 2 StHG bestimmte Vorgänge nennt, die den zivilrechtlichen Handänderungen ( Art. 12 Abs. 1 StHG ) gleichgestellt sind. In diesen Katalog fällt namentlich die Belastung eines Grundstücks mit privatrechtlichen Dienstbarkeiten oder öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen, wenn diese die unbeschränkte Bewirtschaftung oder den Veräusserungswert des Grundstücks dauernd und wesentlich beeinträchtigen und dafür ein Entgelt entrichtet wird ( Art. 12 Abs. 2 lit. c StHG ). Diese Norm ist für den vorliegenden Fall von etwelcher Bedeutung: Zum einen lässt die Konzeption erkennen, dass der Steuergesetzgeber hier das zivilrechtliche Eigentum in sachbezogene Teilaspekte unterteilt (BERNHARD ZWAHLEN, in: Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern [...], Kommentar zum schweizerischen BGE 139 II 363 S. 371 Steuerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl. 2002, Zweifel/Athanas [Hrsg.], N. 38 zu Art. 12 StHG ). Zum andern erfordert das Gebot der vertikalen Steuerharmonisierung ohnehin, bei der Anwendung von Art. 16 Abs. 3 DBG die Praxis zu den (sinngemäss) entsprechenden Bestimmungen des Harmonisierungsrechts analog heranzuziehen (zur spiegelbildlichen Konstellation Urteile 2C_407/2012 vom 23. November 2012 E. 1.3, in: StE 2013 B 92.8 Nr. 17; 2C_91/2012 vom 17. August 2012 E. 1.4 und 3.3, in: StR 68/2013 S. 158; BGE 133 II 114 E. 3.2 S. 116). 3.3 Das Harmonisierungsrecht spricht in Art. 12 Abs. 2 lit. c StHG von der "Belastung" eines Grundstücks. Kennzeichnend für eine derartige Belastungssituation ist, dass das dingliche Vollrecht (Grundeigentum; Art. 641 i.V.m. 655 ff. ZGB) mittels Einräumung eines beschränkten dinglichen Rechts (Dienstbarkeit; Art. 730 ff. ZGB ) einem andern Grundstück dauernd und in erheblicher Weise dienstbar gemacht wird. Infolgedessen muss sich die Eigentümerschaft des dienenden Grundstücks bestimmte Eingriffe der Eigentümerschaft des herrschenden Grundstücks gefallen lassen (so die Formulierung von Art. 730 Abs. 1 ZGB ). Vorliegend geht es um die Löschung einer grundbuchlich stipulierten Berechtigung, die zugunsten der beiden herrschenden Grundstücke bestanden hatte. Anlässlich des Kaufs im Jahr 2002 erwarb die Steuerpflichtige, will man der Theorie der Teilaspekte folgen, zum einen das dingliche Vollrecht an den Grundstücken, zum andern die zugunsten dieser Grundstücke errichtete, vorbestehende Grunddienstbarkeit. Willigte die Steuerpflichtige im Jahr 2006 in die Löschung der Dienstbarkeit ein, gab sie damit ein beschränktes dingliches Recht preis und schränkte sie ihren Rechtsbestand in gleicher Weise ein, wie wenn sie ihre Grundstücke "belastet" hätte ( Art. 12 Abs. 2 lit. c StHG ). Der eine wie der andere Vorgang ist mit einer Einschränkung des dinglichen Rechtsbestandes verbunden. Herrscht zivilrechtlich weitgehende Übereinstimmung der Vorgänge, kann es sich steuerrechtlich nicht anders verhalten (vgl. Urteil 2C_20/2012 vom 24. April 2012 E. 3, in: StR 67/2012 S. 517, zur ähnlichen gelagerten Handänderungssteuer). In teleologischer Auslegung von Art. 12 Abs. 2 lit. c StHG ergibt sich über den eng gefassten Wortlaut der Bestimmung hinaus, dass die entgeltliche Aufgabe eines beschränkten dinglichen Rechts an einem Grundstück ebenso eine Teilveräusserung BGE 139 II 363 S. 372 darstellt wie die entgeltliche Belastung mit einem solchen. Die darüber hinaus erforderliche Verknüpfung von Vermögensabgang (Löschung der Grunddienstbarkeit) und Vermögenszugang (Übereignung von Attika-Wohnung und Einstellhallenplätzen) liegt auf der Hand: Das eine wird (nur) durch das andere hervorgerufen und bestimmt. 3.4 Mit Blick auf die (vertikal) harmonisierungsrechtlich gebotene analoge Auslegung gleichartiger Bestimmungen liegt mithin auch unter dem Gesichtspunkt von Art. 16 Abs. 3 DBG eine (Teil-)Veräusserung vor. Wird anlässlich der Löschung der Dienstbarkeit überhaupt ein konjunktureller Mehrwert aufgedeckt, fällt dieser im Privatvermögen unter das Privileg des steuerfreien Kapitalgewinns. Ausgangspunkt der Ermittlung des konjunkturell bedingten Wertzuwachses bilden im Regelfall die Gestehungskosten, hier gebildet durch den Erwerbspreis des Bauverbots im Jahr 2002 und die seitherigen wertvermehrenden Investitionen, soweit solche im vorliegenden Zusammenhang überhaupt denkbar und nachgewiesen sind (E. 2.2 hiervor). Nachdem der etwaig realisierte konjunkturelle Wertzuwachsgewinn allerdings einen steuerfreien Kapitalgewinn begründet, erübrigt sich wohl ein Verkehrswertgutachten. 3.5 Ein Vorbehalt ist anzubringen, was die unter Umständen vorliegenden veräusserungsfremden Entgeltsbestandteile betrifft. Die kantonale Verwaltung für die direkte Bundessteuer hatte in ihrem Entscheid vom 15. Januar 2009 erkannt, mit Vertrag vom 8. September 2006 habe sich die Steuerpflichtige (auch) zum Rückzug ihrer Einsprache gegen die Bauvorhaben auf den dienenden Grundstücken verpflichtet. Dies lässt auf ein gemischtes Rechtsgeschäft schliessen. Es kann denn auch nicht rundweg ausgeschlossen werden, dass sich die Abfindung aus mehreren Komponenten (Ablösung der Dienstbarkeit, Rückzug der Baueinsprache, allenfalls Abgeltung Ausnahmebewilligung) zusammensetzte. Dies wird die Unterinstanz zu klären haben. Wäre durch den Rückzug der Baueinsprache auf den beiden Grundstücken tatsächlich ein objektiver Wertverlust eingetreten, läge ein Aktiventausch vor und käme es auch hier zu keiner Besteuerung (E. 2.6 hiervor).
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Sachverhalt ab Seite 333 BGE 106 II 333 S. 333 A.- Die D. AG betreibt eine Mühle zur Fabrikation von pflanzlichen und tierischen Ölen und Fetten. Am 4. April 1977 bestellte sie bei der Firma B. drei zylindrische Stehtanks mit BGE 106 II 333 S. 334 eingebauten Heizschlangen zur Lagerung von Rohfetten und Rohölen mit einem Fassungsvermögen von je 52000 bzw. 31000 l. Die Firma B. erstellte entsprechende Pläne und übergab diese der Stahl- und Kesselbaufirma F. AG zur Ausführung. Die Stahltanks wurden in der Folge auf dem Fabrikareal der D. AG auf vorbereitete Betonsockel gestellt und durch zwei unterirdisch verlegte feste Röhrensysteme mit der Fabrik verbunden. Durch das eine Röhrensystem wird überschüssiges Warmwasser aus der Fabrik mit Druck in die Heizschlangen der Tanks geleitet, um die dort gelagerten Fette und Öle zu erwärmen; nachher fliesst das Wasser in die Kanalisation. Durch das zweite Röhrensystem wird das in den Tanks eingelagerte Material in die Fabrik geleitet. Die ganze Tankanlage dient der Zwischenlagerung der Öle und Fette. Diese werden durch Eisenbahnwagen zur Tankanlage gebracht, von den Eisenbahnwagen in die Tanks gepumpt, hier zwischengelagert und dann je nach Bedarf zur weiteren Verarbeitung in die Fabrik geleitet. Für die Erstellung der Tanks stellte die Firma F. AG der Firma B. am 19. Juli 1977 eine Rechnung in der Höhe von Fr. 57'790.--. Diese Rechnung blieb unbezahlt. Am 19. September 1977 ersuchte die Firma F. AG den Gerichtspräsidenten von Arlesheim um die Bewilligung der Vormerkung eines provisorischen Bauhandwerkerpfandrechts auf der Parzelle Nr. 3076 der Firma D. AG für eine Forderung von Fr. 57'790.-- nebst 5% Zins seit 19. August 1977, welchem Gesuch der Gerichtspräsident mit einer superprovisorischen Verfügung vom 20. September 1977 entsprach, die in der Verhandlung vom 21. Oktober 1977 bestätigt wurde. B.- Am 4. November 1977 leitete die Firma F. AG beim Bezirksgericht Arlesheim gegen die Firma D. AG Klage ein mit dem Rechtsbegehren, es sei festzustellen, dass die mit der Verfügung des Gerichtspräsidenten von Arlesheim bewilligte Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts zugunsten der Klägerin zu Recht bestehe, und das Grundbuchamt Arlesheim sei anzuweisen, zugunsten der Klägerin auf der Parzelle Nr. 3076 der Beklagten ein definitives Bauhandwerkerpfandrecht für den Betrag von Fr. 57'790.-- nebst 5% Zins seit 19. August 1977 einzutragen. Das Bezirksgericht hiess die Klage mit Urteil vom 29. März 1979 gut, bewilligte die Verzugszinsen jedoch erst vom 5. September 1977 an. BGE 106 II 333 S. 335 Die Beklagte erhob gegen diesen Entscheid Berufung. Das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft hiess diese am 11. August 1980 gut, wies die Klage ab und ordnete an, dass das Grundbuchamt Arlesheim die Vormerkung der vorläufigen Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts auf der Parzelle Nr. 3076 der Beklagten zu löschen habe. C.- Gegen dieses Urteil erhebt die Klägerin Berufung an das Bundesgericht, mit der sie sinngemäss beantragt, das Urteil des Bezirksgerichts Arlesheim sei zu bestätigen. Die Beklagte beantragt die Abweisung der Berufung. Das Bundesgericht heisst die Berufung gut.
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547
Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. a) Nach Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB besteht ein Anspruch auf Errichtung eines gesetzlichen Grundpfands für Forderungen der Handwerker oder Unternehmer, die zu Bauten oder anderen Werken auf einem Grundstück Material und Arbeit oder Arbeit allein geliefert haben. b) Die Höhe des Forderungsbetrags und die Tatsache, dass die Firma B., welche die Tanks bei der Klägerin bestellt hatte, den Forderungsbetrag nicht bezahlt hat, sind nicht bestritten. Unbestritten ist auch, dass die Tankanlage ein "anderes Werk" im Sinne von Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB darstellt. Die Vorinstanz führte aus, die Tanks seien nicht beliebig weiterverwertbare Lagerware, sondern aufgrund von Plänen nach den Wünschen der Beklagten eigens angefertigt und auf deren besondere Bedürfnisse zugeschnitten worden; es liege deshalb eine Lieferung von Material und Arbeit im Sinne von Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB vor. Ihr Urteil wird auch insofern nicht angefochten, sondern im Gegenteil von beiden Parteien ausdrücklich anerkannt. Streitig ist lediglich die Frage, ob die Tanks als Bestandteil des Grundstücks der Beklagten zu betrachten seien. 2. Bestandteil einer Sache ist alles, was nach der am Ort üblichen Auffassung zu ihrem Bestand gehört und ohne ihre Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung nicht abgetrennt werden kann ( Art. 642 ZGB ). Nach der Lehre ist die Bestandteilseigenschaft nur gegeben, wenn ein körperlicher Teil eine äussere und innere dauernde Verbindung zur Hauptsache aufweist und ohne Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung BGE 106 II 333 S. 336 der Hauptsache nicht von dieser getrennt werden kann (MEIER-HAYOZ, N. 9 zu Art. 642 ZGB ). Ob diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall für die Tankanlage zutreffen, ist im folgenden zu prüfen. 3. Die äussere Verbindung besteht in der physischen Verbundenheit, im körperlichen Zusammenhang zwischen Hauptsache und Bestandteil. Eine durch die blosse Schwerkraft begründete Verbundenheit kann unter Umständen genügen (MEIER-HAYOZ, a.a.O. N. 11). Die Tanks stehen auf vorbereiteten Betonsockeln. Wohl sind sie weder mit diesen verschraubt noch in diese einzementiert, doch genügt angesichts ihrer Grösse und ihres Gewichts allein schon die Schwerkraft, um eine feste und solide Verbindung mit dem Grundstück herzustellen. Überdies sind sie durch ein unterirdisches Leitungssystem mit der Liegenschaft und der Fabrikanlage verbunden. Dass damit eine hinreichende äussere Verbindung zum Grundstück hergestellt ist, kann im Ernste nicht bezweifelt werden. 4. a) Die innere Verbindung der Tankanlage mit dem Grundstück wurde von der Vorinstanz im wesentlichen mit folgender Begründung verneint: Für die Frage, ob die Hauptsache durch die Abtrennung der Nebensache eine Veränderung erleide, sei nicht auf die Zweckbestimmung der fraglichen Vorrichtung abzustellen; es sei vielmehr zu prüfen, ob das Grundstück nach dem Entfernen der Tanks seiner ökonomischen Zweckbestimmung nicht mehr gerecht werden könne; bei der Beantwortung dieser Frage lasse sich das Gericht von den durch Rechtsprechung und Lehre entwickelten Grundsätzen über die Bestandteilsqualität von Maschinen leiten, welche in der Regel nicht als Bestandteile gälten, ausgenommen wenn das Gebäude, in dem eine Maschine untergebracht sei, nur in Verbindung mit dieser bestimmungsgemäss verwendet werden könne (z.B. Transformator - Transformatorenhaus); ob durch die Entfernung der Maschinen die höhere wirtschaftliche Einheit, im vorliegenden Fall der Fabrikationsbetrieb der Beklagten, beeinträchtigt werde, spiele keine Rolle; dass durch die Entfernung der Tanks die Betonfundamente sinnlos würden, sei rechtlich ohne Bedeutung; dass der Fabrikationsbetrieb der Beklagten ohne Tanks erschwert werde, sei unerheblich, weil dies nur die höhere wirtschaftliche Einheit betreffe; die Tanks seien deshalb nicht Bestandteil des Grundstücks der Beklagten. BGE 106 II 333 S. 337 Dieser Argumentation kann indessen nicht gefolgt werden. Bestandteil ist eine Sache dann, wenn sie mit der Hauptsache in wirtschaftlicher und körperlich-stofflicher Hinsicht in einem solchen Grade ein Ganzes und eine Einheit bildet, dass die Hauptsache ohne den betreffenden Teil unfertig oder unvollständig wäre (MEIER-HAYOZ, a.a.O. N. 14). Die Beklagte betreibt ein Fabrikationsunternehmen zur Herstellung von Ölen und Fetten. Ein wesentlicher Teil der benötigten Materialien wird ihr durch Bahnwagen angeliefert. Da diese Bahnanlieferungen erfahrungsgemäss mit Unterbrüchen erfolgen und nicht jedes Mal die gesamte Lieferung sofort verarbeitet werden kann, gehört zum Betrieb der Beklagten eine Tankanlage, in welcher die Bahnanlieferungen vorübergehend gelagert werden können, bis ihre Verarbeitung möglich ist. Ohne eine solche Lagermöglichkeit wäre der Betrieb der Beklagten unvollständig. Die Tankanlage ist deshalb für den Betrieb der Beklagten eine notwendige Einrichtung und bildet mit diesem eine wirtschaftliche Einheit im umschriebenen Sinne. b) Die innere Verbindung fehlt, wenn der Teil nur zu vorübergehenden Zwecken der Hauptsache eingefügt wurde. Die Bestandteilsqualität setzt eine als dauernd gewollte Verbindung voraus. Für den dauernden Charakter fällt vor allem der Wille dessen ins Gewicht, der den Teil der Hauptsache beigefügt hat (MEIER-HAYOZ, a.a.O. N. 18, HAAB/SIMONIUS/SCHERRER/ZOBL, N. 14 zu Art. 642 ZGB ). Die Vorinstanz hat keine Feststellungen darüber getroffen, ob die Beklagte die Tankanlage für dauernd mit ihrem Betrieb habe verbinden wollen oder nicht. Die Klägerin hat dies jedoch in der Berufungsschrift behauptet, und die Beklagte bestreitet es nicht. Sie macht lediglich geltend, dass es an sich möglich wäre, die Tanks wegzutransportieren und an einem andern Orte aufzustellen. Dass sie aber so etwas im Ernste beabsichtige oder plane, behauptet sie selbst nicht. Dass die Tankanlage und ihre Verbindung mit dem Fabrikationsbetrieb und einem Industriegeleise auf die Dauer angelegt sind, erscheint als offensichtlich. 5. Bestandteil ist nur, was nicht ohne Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung der Hauptsache von dieser gelöst werden kann. Die Veränderung braucht für die Hauptsache nicht von wesentlicher Bedeutung zu sein. Der Verlust oder die Verringerung der bisherigen wirtschaftlichen Bedeutung bzw. BGE 106 II 333 S. 338 die Minderung des aktuellen Gebrauchs- und Tauschwertes genügen (MEIER-HAYOZ, a.a.O. N. 16, HAAB/SIMONIUS/SCHERRER/ZOBL, a.a.O. N. 13). Der Wegfall der Tanks hätte zur Folge, dass die Möglichkeit der Zwischenlagerung zwischen Anlieferung und Verwendung der Ware entfallen würde. Dieser Ausfall könnte zwar dadurch behoben werden, dass die Eisenbahnwagen nicht nur zur Entladung, sondern gleichzeitig auch als Zwischenlager, also wesentlich länger als bisher auf dem Industriegeleise abgestellt würden. Dies würde jedoch eine wesentlich längere Beanspruchung des Eisenbahnmaterials und dadurch erhöhte Kosten mit sich bringen, was die Wirtschaftlichkeit des Betriebs beeinträchtigte. Würde auf die Zwischenlagerung verzichtet und versucht, die angelieferte Ware jeweils sofort zu verarbeiten, wäre mit unregelmässigen Arbeitszeiten zu rechnen, was sich ebenfalls negativ auf die Wirtschaftlichkeit auswirken müsste. Nach dem Entfernen der Tankanlage wäre überdies das Leitungssystem, das Warmwasser in die Tanks führt, in seinem aktuellen Gebrauchswert überflüssig. In diesem Sinne würde die Entfernung der Tankanlage eine Veränderung der Hauptsache nach sich ziehen. 6. a) Aufgrund dieser Ausführungen drängt sich der Schluss auf, dass die Tankanlage als Bestandteil des Grundstücks und des Fabrikationsbetriebs der Beklagten zu betrachten sei. Dieses Ergebnis steht auch in Übereinstimmung mit den von der Rechtsprechung im Zusammenhang mit Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB aufgestellten Grundsätzen. In BGE 105 II 266 hatte das Bundesgericht die Frage zu beurteilen, ob an einer vorfabrizierten Garage ein Bauhandwerkerpfandrecht begründet werden könne. Es führte aus, dass eine solche Garage, ohne zerstört zu werden, an einen andern Ort verbracht werden könne. Doch sei die Umstellung schon allein wegen des Gewichts delikat und könnte nur durch spezialisierte Arbeitskräfte mit besonderer Ausrüstung vorgenommen werden. Das Bundesgericht gelangte daher zum Schluss, dass eine vorfabrizierte Garage keine Fahrnisbaute sei und ein Bauhandwerkerpfandrecht an ihr begründet werden könne. In BGE 103 II 35 hielt das Bundesgericht fest, wo es um die Lieferung von Sachen gehe, die für einen bestimmten Bau besonders angefertigt worden seien, dürfe der Lieferant ein Pfandrecht zu Lasten des überbauten Grundstücks eintragen lassen. Es handelte sich BGE 106 II 333 S. 339 in diesem Fall um Armierungseisen, die eigens für einen bestimmten Bau hergestellt worden waren. Werden diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall übertragen, so sprechen sie deutlich für die Bejahung des Bestandteilscharakters der Tankanlage, welche für den Betrieb der Beklagten besonders angefertigt worden ist. Sie wurde zwar nicht wie die Armierungseisen eingebaut, aber doch in der geschilderten Art mit dem Grundstück äusserlich und innerlich dauerhaft fest verbunden. Auch hätte die Wegnahme der Tankanlage wie die einer vorfabrizierten Garage erhebliche Schwierigkeiten zur Folge. b) Die Praxis hat die Bestandteilsqualität dem auf einem Grundstück deponierten Baumaterial oder gefällten Bäumen abgesprochen, ferner einer nur auf beschränkte Zeit installierten Benzintankanlage, einem in einer Schreinerei aufgeschraubten Elektromotor, einer mit wenigen Schrauben am Boden befestigten Futterschneidemaschine, den zu einer elektrischen Anlage gehörenden Akkumulatorenbatterien, verschiedenen Holzbearbeitungsmaschinen, einer für das betreffende Gebäude nicht besonders hergestellten Kelterpresse sowie einer nur mit vier Schrauben befestigten und an die Kühlrohrleitung angeschlossenen Kühlmaschine in einem Hotel (vgl. dazu die Zusammenstellung bei MEIER-HAYOZ, a.a.O. N. 28, mit den entsprechenden Hinweisen). Bei den angeführten Gegenständen handelt es sich begrifflich um etwas ganz anderes als bei der relativ grossen und umfangreichen, mit erdverlegten Leitungssystemen verbundenen Tankanlage der Beklagten. Soweit in den fraglichen Entscheiden von Maschinen die Rede ist, drehte sich der Streit in der Regel um handelsübliche Maschinen, die in jedem geeigneten Raum aufgestellt, leicht demontiert und in einem andern Betrieb ohne besondere Schwierigkeiten weiterverwendet werden konnten. Im vorliegenden Fall hingegen handelt es sich um eine grosse technische Anlage, die für einen bestimmten Betrieb besonders angefertigt worden ist und die nur mittels besonderer Ausrüstung und durch spezialisierte Arbeitskräfte anderswohin verbracht und an einem andern Ort nicht ohne weiteres wieder verwendet werden kann. Die Tankanlage der Beklagten unterscheidet sich somit deutlich von den Gegenständen, denen von der Praxis die Bestandteilseigenschaft abgesprochen worden ist. c) Die angestellten Erwägungen sowie die zitierte Rechtsprechung BGE 106 II 333 S. 340 führen dazu, dass die Tankanlage als Bestandteil des Grundstücks und des Fabrikationsbetriebs der Beklagten zu betrachten ist. Ob etwas Bestandteil sei, entscheidet sich letztlich nicht nach begrifflich spekulativen, sondern nach wirtschaftlich praktischen Gesichtspunkten (MEIER-HAYOZ, a.a.O. N. 3 in fine). Auch diese Überlegung spricht dafür, dass der ganzen grossen, eigens für den Betrieb der Beklagten angefertigten und mit diesem durch ein unterirdisches Leitungssystem fest verbundenen Tankanlage der Charakter eines Bestandteils zuzubilligen ist. Ein Zweifelsfall liegt nicht vor. Die Frage, ob bezüglich der Bestandteilsqualität solcher Anlagen ein Ortsgebrauch bestehe, kann unter diesen Umständen offen gelassen werden, weil ein allfälliger Ortsgebrauch nur in Zweifelsfällen entscheidend ist. Der Begriff des Bestandteils ist ein solcher des Bundesrechts, welches die wesentlichen Merkmale selbst umschreibt (MEIER-HAYOZ, a.a.O. N. 21). Sind diese wie hier gegeben, ist die Bestandteilsqualität zu bejahen. Wenn die Vorinstanz anders entschieden hat, ist sie von einem falschen Begriff des Bestandteils ausgegangen und hat sie damit das Bundesrecht verletzt. Dieses Ergebnis bedeutet nun aber nicht, dass jeder Öltank, der frei auf einer Liegenschaft steht und mit einem Gebäude irgendwie verbunden ist, als Bestandteil der fraglichen Liegenschaft betrachtet werden müsste. Es ist stets auf die konkreten Verhältnisse des Einzelfalles abzustellen, wobei vor allem die Grösse und der Zweck der Anlage sowie die Art ihrer Befestigung auf dem Grundstück und ihrer Verbindung mit diesem in Betracht zu ziehen sind (vgl. dazu BGE 76 II 29 f.). Freistehenden kleineren oder auch grösseren handelsüblichen Tanks wird in der Regel nicht die Eigenschaft eines Bestandteils zuerkannt werden können. Sind aber mehrere grössere und für einen bestimmten Betrieb besonders angefertigte Stahltanks - wie im vorliegenden Fall - zu einem ganzen System zusammengefasst und durch starre erdverlegte Leitungen mit einer Werkanlage verbunden, so wird die Bestandteilseigenschaft zu bejahen sein. Kommt der Tankanlage der Beklagten die Eigenschaft eines Bestandteils zu, hat die Klägerin als Erstellerin dieses Werks einen Anspruch auf Errichtung eines gesetzlichen Grundpfandrechts. Ihre Berufung ist deshalb gutzuheissen.
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BGE_106_II_333