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Erwägungen ab Seite 78 BGE 106 V 78 S. 78 Aus den Erwägungen: 1. Streitig ist, ob das kantonale Verwaltungsgericht mit Recht den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Rückerstattung von paritätischen Sozialversicherungsbeiträgen, welche BGE 106 V 78 S. 79 die Ausgleichskasse für die Jahre 1976 und 1977 erhoben hatte, verneint hat. 2. Gemäss Art. 14 Abs. 1 AHVG sind die Beiträge vom Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit bei jeder Lohnzahlung in Abzug zu bringen und vom Arbeitgeber zusammen mit dem Arbeitgeberbeitrag periodisch zu entrichten. Paritätische Beiträge, die nach erfolgter Mahnung nicht bezahlt werden, sind gemäss Art. 38 Abs. 1 AHVV durch eine Veranlagungsverfügung festzusetzen. Nach Art. 16 Abs. 3 AHVG besteht ein Anspruch auf Rückerstattung zuviel bezahlter Beiträge innerhalb eines Jahres, nachdem der Beitragspflichtige von seinen zu hohen Leistungen Kenntnis erhalten hat, spätestens aber innerhalb von 5 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Beiträge bezahlt worden sind. Dieser Rückerstattungsanspruch kann sich indessen nur auf jene Beiträge beziehen, die nicht durch Verfügung, sondern formlos festgesetzt wurden, was in der Regel auf die vom Arbeitgeber zu bezahlenden paritätischen Beiträge zutrifft. Werden dagegen - wie bei den persönlichen Beiträgen der Selbständigerwerbenden und der Nichterwerbstätigen - die Beiträge durch eine Kassenverfügung festgesetzt, so erweisen sich die Rechte des Versicherten durch die Einräumung des Beschwerderechts gegen diese Verfügung als hinreichend gewährleistet. Wird innert der gesetzlichen Frist vom Beschwerderecht kein Gebrauch gemacht, so erwächst die Verfügung, ob materiell richtig oder unrichtig, in formelle Rechtskraft. Es steht in diesem Falle ihrer Vollstreckung nichts im Wege, es wäre denn, dass die Verwaltung auf ihre frühere Verfügung zurückkommt, wozu sie weder vom Beitragspflichtigen noch vom Richter verhalten werden kann ( BGE 103 V 128 , EVGE 1966 S. 56). Wollte man die Kasse und den Sozialversicherungsrichter verpflichten, nach Eingang eines Rückerstattungsbegehrens die Gesetzmässigkeit der früheren, mit rechtskräftiger Verfügung festgesetzten Forderung von neuem zu überprüfen, so würde dies das Rechtsmittelsystem illusorisch machen. Wenn eine Kassenverfügung in Rechtskraft erwachsen ist und die Verwaltung ein Zurückkommen auf diese Verfügung ablehnt, ist der durch die Verfügung festgesetzte Beitrag geschuldet. In einem solchen Falle kann vom Bestehen einer Nichtschuld im Sinne von Art. 16 Abs. 3 AHVG keine Rede sein (EVGE 1952 S. 64).
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Sachverhalt ab Seite 289 BGE 103 IV 289 S. 289 Am späteren Vormittag des 27. Dezember 1974 liess sich F. durch den ihm nicht vertrauten Skilift W. hochziehen. Am nächsten Schleppbügel folgten die beiden Knaben A. und BGE 103 IV 289 S. 290 B. G. Bei der Bergstation angelangt, liess F. den Bügel los, bevor das Gehänge das Umlenkrad passiert hatte. Der Bügel wurde in der Folge um die Schrägstütze des Umlenkrades herumgeschleudert, worauf ein Zug entstand, der das Schleppseil unmittelbar beim Bügel zum Reissen brachte. Das Gehänge schoss nun talwärts gegen die Rollenbatterie des obersten Mastes, wo es sich verklemmte. Dies bewirkte erneut einen Zug, dem der Mast nicht zu widerstehen vermochte. Dieser stürzte um und begrub den sich noch am Skilift befindenden A. G. unter sich, der dadurch getötet wurde. Gegen X., Y. und Z. sowie gegen drei weitere Vorstandsmitglieder des Kur- und Verkehrsvereines W., der die Anlage im Juni 1974 von der Skilift W. AG übernommen und seither selbst betrieben hatte, wurde in der Folge Anklage wegen fahrlässiger Tötung erhoben. Die Staatsanwaltschaft Graubünden warf ihnen vor, sie hätten als für den Betrieb des Skiliftes Verantwortliche pflichtwidrig unterlassen, einen sogenannten Zielwächter zur Beaufsichtigung der Bergstation einzustellen. Wegen dieser Unterlassung habe sich dort niemand befunden, der F. den Bügel hätte abnehmen können bzw. in der Lage gewesen wäre, den Lift durch Betätigen des Nothalteknopfes abzustellen, bevor der oberste Mast umgerissen worden wäre. Der Kreisgerichtsausschuss von Sur-Tasna erklärte die sechs Angeklagten am 11. Dezember 1976 im Sinne der Anklage schuldig und verurteilte sie zu Bussen zwischen 50 und 300 Franken. Hiegegen erhoben die Verurteilten kantonale Berufung, die durch den Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden mit Urteil vom 9. März 1977 abgewiesen wurde. X., Y. und Z. führen Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Kantonsgerichtsausschusses sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Beschwerdeführer machen unter Berufung auf die Gutachter H. und I. geltend, das Einstellen eines Zielwächters hätte den Tod von A. G. nur möglicherweise, nicht aber mit der für eine Verurteilung erforderlichen an Sicherheit grenzenden BGE 103 IV 289 S. 291 Wahrscheinlichkeit, verhindert, da ein Zielwächter durch einen schlecht übergebenen Bügel hätte aktionsunfähig werden können oder die Gefahr unter Umständen nicht erkannt und den Notschalter deshalb nicht bedient hätte. Die Frage, mit welch hoher Wahrscheinlichkeit die von den Beschwerdeführern erwartete, aber unterlassene Handlung den tödlichen Unfall abgewendet hätte, fällt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts in den Rahmen der natürlichen Kausalität (vgl. BGE 102 IV 102 ; BGE 101 IV 152 E. 2a und 2b). Sie gehört mithin in den Bereich des Tatsächlichen ( BGE 101 IV 152 E. 2b mit Hinweisen), der auf Nichtigkeitsbeschwerde hin durch das Bundesgericht nicht überprüft werden kann ( Art. 273 Abs. 1 lit. b und Art. 277bis Abs. 1 BStP ). Auf die in diesem Zusammenhang erhobenen Einwände der Beschwerdeführer, die nicht etwa behaupten, der Kantonsgerichtsausschuss sei von einem bundesrechtswidrigen Begriff des natürlichen Kausalzusammenhanges ausgegangen, kann daher nicht eingetreten werden. 2. Mit dem Hinweis auf den Umstand, dass der umgestürzte Mast nicht vorschriftsgemäss verankert gewesen sei und dass er ohne diesen Mangel im schlimmsten Falle nur umgebogen worden wäre, versuchen die Beschwerdeführer, die Rechtserheblichkeit des Zusammenhanges zwischen ihrer Unterlassung und dem Tod von A. G. in Zweifel zu ziehen. Zur Annahme eines adäquaten Kausalzusammenhanges ist indessen nicht erforderlich, dass die Pflichtwidrigkeit des ins Recht Gefassten die alleinige und unmittelbare Ursache des Erfolges sei. Es genügt, dass sein schuldhaftes Verhalten geeignet war, nach der Erfahrung des Lebens und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu den tatsächlich eingetretenen Folgen zu führen ( BGE 92 IV 87 mit Hinweis; dazu auch BGE 100 IV 283 f. E. 3d mit Hinweisen). Die Rechtserheblichkeit des Kausalzusammenhanges entfiele im vorliegenden Fall dann, wenn der von den Beschwerdeführern hervorgehobene Materialfehlern so aussergewöhnlich gewesen wäre, dass damit schlechthin nicht gerechnet werden musste ( BGE 100 IV 284 mit Hinweisen). Davon kann indessen keine Rede sein. Gewiss war der Verlauf des Unfalles nicht bis in alle Einzelheiten vorauszusehen. Dass jedoch das Fehlen eines Zielwächters, der eine Gefahr rechtzeitig hätte erkennen und die Anlage hätte ausser Betrieb setzen können, zu einer BGE 103 IV 289 S. 292 Tötung führen konnte, ist nicht so abwegig, dass damit nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht hätte gerechnet werden müssen. Ob eine Person durch einen ungeschickt losgelassenen Bügel hätte am Kopf getroffen werden können, ob ein bei der Bergstation gestürzter ungeübter Skifahrer von einem nachfolgenden Skiliftbenützer hätte angefahren werden und auf diese Art tödliche Verletzungen (beispielsweise schwere Schnittwunden durch die Skikanten) hätte erleiden können, oder ob sich der Unfall so zugetragen habe, wie es tatsächlich geschah, ist für die Frage der Rechtserheblichkeit des Zusammenhanges zwischen der Unterlassung der Beschwerdeführer, einen Zielwächter einzustellen, und dem Tod von A. G. ohne Belang (vgl. BGE 92 IV 88 unten mit Hinweisen). 3. Gemäss Art. 18 Abs. 3 StGB macht sich der fahrlässigen Tatbegehung schuldig, wer die Folgen seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht oder darauf nicht Rücksicht genommen hat. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit dann, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet hat, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist (dazu BGE 97 IV 171 f. E. 2). Die Beschwerdeführer räumen ein, dass sie in der Vorstandssitzung vom 3. Dezember 1974 darauf aufmerksam gemacht worden seien, es müsse ein Zielwächter postiert werden. Sie machen jedoch geltend, es sei ihnen dabei nicht mit Entschiedenheit vor Augen geführt worden, dass ein solcher aus Gründen der Sicherheit unbedingt notwendig sei. Da sie von der technischen Seite des Betriebes, für den ein mit der Anlage von der früheren Inhaberin übernommenes Vorstandsmitglied verantwortlich erklärt worden sei, nichts verstanden hätten, hätten sie höchstens an die Gefahr leichterer Verletzungen gedacht, nicht aber an einen tödlichen Unfall. Diese Einwände sind unbehelflich. Bei den drei Beschwerdeführern handelt es sich um Männer, deren ältester im Zeitpunkt des Unfalles erst etwas mehr als 42 Jahre alt war und die alle im Kanton Graubünden aufgewachsen sind. Seit einigen Jahren führt jeder in W. ein Hotel. Dass sie mit dem Skisport und mit den verschiedenen Skiliftsystemen und deren Tücken nicht vertraut gewesen sein sollten, ist angesichts ihrer persönlichen Verhältnisse höchst unwahrscheinlich. Sollten sie anfänglich tatsächlich ahnungslos gewesen sein, müssen sie BGE 103 IV 289 S. 293 spätestens in der Vorstandssitzung vom 3. Dezember 1974, als ihnen von der Vorschrift, bei der Bergstation einen Zielwächter aufzustellen, Kenntnis gegeben wurde, erkannt haben, dass es um das Ausschalten der Gefahr schwerer Unfälle ging, denn zur Vermeidung nur leichter Verletzungen wäre diese einschneidende Massnahme nicht angeordnet worden. Nach ihrer Intelligenz, Bildung und beruflichen Stellung wären die Beschwerdeführer auf jeden Fall verpflichtet gewesen, sich darüber Gedanken zu machen, so dass ihnen zumindest unbewusste Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist.
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Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.
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Sachverhalt ab Seite 76 BGE 98 Ib 76 S. 76 Der Schweizerische Viehproduzentenverband ersuchte gestützt auf das Bundesgesetz über Investitionskredite und Betriebshilfe in der Landwirtschaft vom 23. März 1962 (IBG) um Gewährung eines Investitionskredits für den Erwerb und den Ausbau der Besitzung "Pré du Canal" in Yverdon. Die dort bestehenden und noch auszubauenden Stallungen sollen der Förderung des Viehabsatzes dienen. Der Fonds d'investissements agricoles, Lausanne, bewilligte am 3. November 1970 einen Kredit von Fr. 300'000.--. Gegen diesen Entscheid erhob die Abteilung für Landwirtschaft am 23. Dezember 1970 "provisorisch" Einspruch. Am 19. Februar 1971 zog sie indessen den Einspruch zurück. Hiegegen führten der Schweizerische Wirtschaftsverband für Vieh und Fleisch sowie die beiden Viehhändler Charles Bruder, Payerne, und Clovis Corminboeuf, Avenches, Beschwerde beim Eidg. Volkswirtschaftsdepartement BGE 98 Ib 76 S. 77 mit dem Begehren, die Abteilung für Landwirtschaft sei anzuweisen, den Einspruch aufrechtzuerhalten. Das Departement entschied am 15. Dezember 1971, dass auf die Beschwerde, soweit sie eine förmliche Verwaltungsbeschwerde darstelle, nicht einzutreten sei, da sie sich nicht gegen eine beschwerdefähige Verfügung richte. Es sah in der Beschwerde auch eine Aufsichtsbeschwerde; diese wies es ab. Es erklärte, dass gegen den Nichteintretensentscheid beim Bundesrat Beschwerde erhoben werden könne. Gegen den Entscheid des Departements haben der Wirtschaftsverband für Vieh und Fleisch und die beiden genannten Viehhändler Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht und gleichzeitig Verwaltungsbeschwerde beim Bundesrat eingereicht. Das Bundesgericht und die Eidg. Justizabteilung haben einen Meinungsaustausch über die Kompetenzfrage durchgeführt.
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Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Beschwerdeführer verlangen, dass der von der Abteilung für Landwirtschaft zunächst ("provisorisch") erhobene, dann aber zurückgezogene Einspruch aufrechterhalten wird. Würde ihr Begehren geschützt, so müsste die Abteilung für Landwirtschaft nach Art. 49 Abs. 2 IBG und Art. 38 der zugehörigen Vollziehungsverordnung vom 26. Oktober 1962 selber (unter Vorbehalt der Beschwerdemöglichkeit) darüber entscheiden, ob der vom Viehproduzentenverband nachgesuchte Investitionskredit zu bewilligen oder zu verweigern sei. Das von den Beschwerdeführern in Gang gesetzte Verfahren, das zum angefochtenen Entscheid des Departements geführt hat, ist demnach gewissermassen ein Zwischenverfahren. Dränge die Beschwerde durch, so käme es schliesslich zu einer Art Endverfügung der Bundesbehörde über die Erteilung oder Verweigerung des Investitionskredites. Daher stellt sich die Frage, ob der Zuständigkeit des Bundesgerichts Art. 99 lit. h OG entgegensteht, wonach die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Erteilung oder Verweigerung von Krediten, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt, unzulässig ist. Ergibt sich, dass das Bundesrecht keinen Anspruch auf die in Frage stehenden Investitionskredite gibt, so ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid BGE 98 Ib 76 S. 78 des Volkswirtschaftsdepartements vom 15. Dezember 1971 gemäss Art. 99 lit. h und Art. 101 lit. a OG ausgeschlossen. 2. Nach Art. 1 IBG fördert der Bund durch Investitionskredite Massnahmen, die im Interesse der Rationalisierung der Landwirtschaft eine Verbesserung der Produktions- und Betriebsgrundlagen bezwecken; diese Massnahmen sind so zu treffen, dass die landwirtschaftliche Produktion die Landesversorgung soweit als möglich gewährleistet, der Aufnahmefähigkeit des einheimischen Marktes entspricht und den Möglichkeiten der Ausfuhr genügt. Gemäss Art. 3 IBG dürfen Investitionskredite "in der Regel" nur bewilligt werden, wenn a. die auf Grund der übrigen eidgenössischen und kantonalen Gesetzgebung bewilligten Beiträge im Einzelfall nicht ausreichen; b. der Gesuchsteller seine eigenen Mittel und seinen Kredit bereits "soweit zumutbar" eingesetzt hat bzw. einsetzt und die "wünschenswerte" Investition sonst nicht erfolgen könnte; dabei ist im Einzelfall auf die normalen Bedürfnisse des Betriebes Rücksicht zu nehmen; ferner ist die Tragbarkeit der neuentstehenden Belastung für den Gesuchsteller und bei juristischen Personen auch für die ihnen angeschlossenen Einzelbetriebe zu berücksichtigen; c. der Betrieb des Gesuchstellers zu tragbaren Bedingungen erworben wurde oder erworben werden kann (Abs. 1). Die Massnahmen sollen die Durchführung eines Gesamtplanes und die Durchsetzung der eidgenössischen und kantonalen Vorschriften nicht gefährden (Abs. 2). Die zuständigen Stellen haben im Einzelfall die Bedingungen und Auflagen festzulegen, die zur Erreichung und Sicherung des Zwecks der Investitionskredite erforderlich sind (Art. 4 IBG). Nach Art. 9 und 10 IBG "können" Investitionskredite zugunsten von Körperschaften und Anstalten bewilligt werden, insbesondere gemäss Art. 10 lit. b zur Beschaffung von Gemeinschaftseinrichtungen, die der betrieblichen und hauswirtschaftlichen Rationalisierung der Landwirtschaft sowie der Förderung von Qualität und Absatz landwirtschaftlicher Erzeugnisse dienen. Auch die Art. 13-17 IBG, betreffend die Investitionskredite zugunsten natürlicher Personen, sind blosse "Kann-Vorschriften". Kreditgesuche von Körperschaften und Anstalten sind nach Art. 11 Abs. 2 IBG "insbesondere hinsichtlich der Zweckmässigkeit der vom Gesuchsteller beabsichtigten Vorkehren und deren Auswirkung auf die Leistungsfähigkeit der an der Massnahme interessierten Betriebe zu prüfen". - Nach Art. 4 BGE 98 Ib 76 S. 79 Abs. 4 der Vollziehungsverordnung (Zusatz gemäss BRB vom 22. August 1967) dürfen Gemeinschaftseinrichtungen (Art. 10 lit. b IBG) nicht berücksichtigt werden, "wenn im betreffenden Einzugsgebiet bestehende Betriebe Einzelner die vorgesehene Aufgabe ebenso gut zu erfüllen gewillt und in der Lage sind" (worüber im vorliegenden Fall gestritten wird). - Art. 44 Abs. 1 IBG bestimmt, dass ein Rechtsanspruch auf Gewährung von Investitionskrediten nur entsteht, wenn ein gestelltes Gesuch ganz oder teilweise gutgeheissen wird, der Entscheid rechtskräftig geworden ist und der Bund gegen ihn in den Fällen von Art. 49 nicht mehr Einspruch erheben kann. Art. 49 Abs. 2 IBG sieht vor, dass u.a. "wegen Unangemessenheit" Einspruch erhoben werden kann. Aus dieser Ordnung ist zu schliessen, dass der Entscheid über die Gewährung oder Verweigerung von Investitionskrediten, insbesondere auch solcher zugunsten von Körperschaften und Anstalten, in weitem Umfange dem Ermessen der zuständigen Verwaltungsstellen überlassen ist. Dafür spricht namentlich die Fassung der Art. 9, 10 und 13-17 IBG ("können", "kann"), wie auch die ausdrückliche Bestimmung des Art. 44 Abs. 1 IBG, dass ein Rechtsanspruch auf einen Investitionskredit nur entsteht, wenn ein gestelltes Gesuch gutgeheissen wird und der Entscheid rechtskräftig geworden ist. Daraus folgt, dass hinsichtlich der landwirtschaftlichen Investitionskredite ein Anspruch gemäss Bundesrecht im Sinne von Art. 99 lit. h OG nicht besteht und dass demzufolge im vorliegenden Fall die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht zulässig ist. Die Eidg. Justizabteilung hat sich dieser Auffassung im Meinungsaustausch angeschlossen. Dementsprechend wird die Angelegenheit vom Bundesrat beurteilt.
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Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nicht eingetreten.
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Sachverhalt ab Seite 176 BGE 118 IV 175 S. 176 A.- Gegen F.H. wurde aufgrund der belastenden Aussagen von B. ein Strafverfahren wegen Einbruchdiebstahls (in Mittäterschaft mit B.) eröffnet. H. stiftete seine Schwester S.H. an, in diesem Strafverfahren als Zeugin wahrheitswidrig auszusagen, er habe am Abend des 23. Februar 1990, d.h. zur Zeit der fraglichen Tat, in ihrer Wohnung geschlafen. S.H. machte als Zeugin nach Hinweis auf die Straffolgen des falschen Zeugnisses und ausdrücklichem Hinweis auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht nach § 92 Ziff. 2 StPO /LU (als Schwester des Angeschuldigten), auf welches sie verzichtete, die von ihrem Bruder gewünschte Falschaussage. F.H. und seine Schwester S.H. stifteten auch die Freundin der letzteren an, im Strafverfahren gegen F.H. die entsprechende falsche Aussage zu machen. Diese korrigierte jedoch im Verlaufe der Befragung ihre zunächst falsche Aussage. Das Strafverfahren gegen F.H. wegen Einbruchdiebstahls wurde in der Folge eingestellt, da erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit von B. bestehenblieben. B.- Das Kriminalgericht des Kantons Luzern sprach F.H. am 26. April 1991 der Anstiftung zu falschem Zeugnis (Art. 24 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 307 Abs. 1 StGB ) und der versuchten Anstiftung zu falschem Zeugnis (Art. 24 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 307 Abs. 1 StGB ) schuldig und verurteilte ihn unter Zubilligung einer Verminderung der Zurechnungsfähigkeit in leichtem Grade zu 8 Monaten Gefängnis, abzüglich einen Tag Untersuchungshaft. Es sprach S.H. mit gleichem Entscheid des falschen Zeugnisses ( Art. 307 Abs. 1 StGB ) und der versuchten Anstiftung zu falschem Zeugnis (Art. 24 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 307 Abs. 1 StGB ) schuldig und verurteilte sie zu einer Gefängnisstrafe von 7 Monaten, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von 2 Jahren. Die II. Kammer des Obergerichts des Kantons Luzern bestätigte am 15. Oktober 1991 die erstinstanzlichen Schuldsprüche. Sie billigte beiden Verurteilten abweichend von der ersten Instanz aber den Strafmilderungsgrund gemäss Art. 308 Abs. 2 StGB zu und reduzierte die Strafen auf 5 Monate Gefängnis unbedingt (für F.H.) respektive 5 Monate bedingt (für S.H.). C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des BGE 118 IV 175 S. 177 Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur Verurteilung der beiden Beschwerdegegner ohne Zuerkennung des Strafmilderungsgrundes von Art. 308 Abs. 2 StGB an die Vorinstanz zurückzuweisen. F. und S.H. beantragen in ihren Vernehmlassungen die Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde.
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Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Gemäss Art. 308 Abs. 2 StGB kann der Richter die Strafe nach freiem Ermessen mildern, wenn der Täter eine falsche Äusserung ( Art. 306 und 307 StGB ) getan hat, weil er durch die wahre Aussage sich oder seine Angehörigen der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung aussetzen würde. Die Strafverfolgung gegen den Beschwerdegegner 1 wegen Einbruchdiebstahls war schon im Gange, als die Beschwerdegegnerin 2 ihre falsche Zeugenaussage machte und der Beschwerdegegner 1 sie dazu anstiftete. Durch die falsche Aussage sollte erreicht werden, dass dieses Strafverfahren wegen Einbruchdiebstahls gegen den Beschwerdegegner 1 nicht weitergeführt, sondern eingestellt werde. Eine Gefahr, dass im Falle der wahren Aussage irgendein neues, weiteres Strafverfahren gegen den Beschwerdegegner 1 oder die Beschwerdegegnerin 2 eröffnet würde, bestand nicht. a) Die Vorinstanz vertritt die Auffassung, unter die in Art. 308 Abs. 2 StGB genannte Gefahr, sich oder seine Angehörigen strafrechtlicher Verfolgung auszusetzen, falle entgegen dem durch den zu engen Gesetzeswortlaut vermittelten Eindruck nicht nur die Gefahr der Eröffnung eines (weiteren) Strafverfahrens gegen den Zeugen oder einen Angehörigen bei wahrer Zeugenaussage, sondern nach Sinn und Zweck dieser Bestimmung auch die Gefahr der Fortsetzung einer bereits angehobenen Untersuchung bzw. die Gefahr der Bestrafung im bereits hängigen Strafverfahren bei wahrer Zeugenaussage. Sinn und Zweck der Bestimmung sprächen auch für eine Gleichbehandlung des falschen Zeugnisses zur Vermeidung einer Belastung mit dem falschen Zeugnis zur Entlastung (z.B. Verschaffen eines falschen Alibis). Ziel der falschen Zeugenaussage, zu welcher die Beschwerdegegnerin 2 vom Beschwerdegegner 1 angestiftet wurde, sei es gewesen, die Fortsetzung der gegen den Beschwerdegegner 1 aufgrund der belastenden Aussagen von B. bereits angehobenen Untersuchung wegen Einbruchdiebstahls bzw. eine Bestrafung des Beschwerdegegners 1 wegen Einbruchdiebstahls BGE 118 IV 175 S. 178 durch Angabe eines falschen Alibis zu verhindern. Diese Begünstigung eines Angehörigen durch eine entlastende falsche Zeugenaussage in einem bereits hängigen Strafverfahren werde von Art. 308 Abs. 2 StGB nach dessen Sinn und Zweck ebenfalls erfasst. Daran ändert nach den weiteren Ausführungen der Vorinstanz auch nichts, dass der Beschwerdegegnerin 2 als Angehörigen des angeschuldigten Beschwerdegegners 1 ein Zeugnisverweigerungsrecht zustand ( § 92 Ziff. 2 StPO /LU), sie darauf ausdrücklich hingewiesen wurde und auf dessen Ausübung verzichtete. Die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts biete nicht durchwegs einen zureichenden Schutz, da der Richter auch aus einer Zeugnisverweigerung seine Schlüsse ziehen könnte. Die Beschwerdeführerin vertritt demgegenüber die Auffassung, mit der in Art. 308 Abs. 2 StGB genannten Gefahr, sich oder seine Angehörigen strafrechtlicher Verfolgung auszusetzen, sei bloss die Gefahr der Eröffnung einer Strafuntersuchung gegen den Zeugen oder einen Angehörigen gemeint, nicht auch die Gefahr der Fortsetzung eines bereits eröffneten Strafverfahrens gegen einen Angehörigen des Zeugen. Die Auffassung der Vorinstanz hätte zur Folge, dass jede (falsche) begünstigende Aussage grundsätzlich geeignet wäre, unter Art. 308 Abs. 2 StGB zu fallen; beim Wegfall der begünstigenden Aussage würde ja die Gefahr der Fortsetzung der Strafuntersuchung in aller Regel akut. Die Beschwerdeführerin hält an ihrer Auffassung fest, die Anwendung von Art. 308 Abs. 2 StGB komme nur dann in Betracht, wenn zwischen der Falschaussage und der drohenden Strafverfolgung ein unmittelbarer Zusammenhang in der Weise bestehe, dass gerade die in der wahrheitsgemässen Aussage liegende Belastung (d.h. die richtige Aussage des Zeugen) die Gefahr einer Bestrafung bzw. strafrechtlichen Verfolgung begründen würde. Gemäss den weiteren Ausführungen in der Nichtigkeitsbeschwerde hätte sich die Beschwerdegegnerin 2 risikolos auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht als Schwester des Angeschuldigten berufen können; die Tatsache der Zeugnisverweigerung hätte nicht gegen ihren Bruder, d.h. den Beschwerdegegner 1, verwendet werden können. Wenn sich die Beschwerdegegnerin 2 auf die Zeugenbefragung eingelassen habe, dann könne sie sich nicht nachträglich auf eine Zwangslage berufen, die einen Ehrennotstand begründen könnte. b) Der Wortlaut von Art. 308 Abs. 2 StGB spricht zwar (auch in der französischen und in der italienischen Fassung) für die Ansicht der Beschwerdeführerin, doch ist er zu eng und wird er Sinn und Zweck dieses Strafmilderungsgrundes, der gewisse Parallelen zu BGE 118 IV 175 S. 179 Art. 305 Abs. 2 StGB aufweist (vgl. dazu TRECHSEL, Kurzkommentar, Art. 308 N 5 ; GEORG MESSMER, Der strafrechtliche Schutz der Rechtspflege vor Irreführung, Kriminalistik 1965, S. 441), nicht gerecht. Nach der "ratio legis" kann es keinen Unterschied machen, ob der Zeuge falsch aussagt, um einen Angehörigen vor der Eröffnung einer Strafuntersuchung zu schützen, oder ob er falsches Zeugnis ablegt, um den Angehörigen vor der Fortsetzung eines bereits angehobenen Strafverfahrens bzw. vor der Bestrafung zu bewahren. In beiden Fällen steht der Zeuge vor dem Dilemma, entweder seinen Angehörigen zu belasten bzw. ihm die gewünschte Entlastung zu verweigern oder aber falsch auszusagen. Gerade wegen dieses Dilemmas des Zeugen sieht Art. 308 Abs. 2 StGB fakultative Strafmilderung nach freiem richterlichem Ermessen bei falscher Zeugenaussage vor. Zwar ist das Zeugnisverweigerungsrecht der Angehörigen (bzw. der Geschwister) eines Angeschuldigten (Zeugnisverweigerung aus Verwandtschaft) in den schweizerischen Strafprozessordnungen praktisch allgemein anerkannt (siehe dazu ROBERT HAUSER, Der Zeugenbeweis im Strafprozess mit Berücksichtigung des Zivilprozesses, Zürich 1974, S. 190), während das Zeugnisverweigerungsrecht bzw. das Antwortverweigerungsrecht zum Schutz Angehöriger vor der Eröffnung eines Strafverfahrens (Verweigerungsrecht aus "Ehrennotstand" zum Schutz Angehöriger) in verschiedenen Strafprozessordnungen nicht vorgesehen ist (vgl. dazu ROBERT HAUSER, op. cit., S. 163 f. Fn. 16 und 17). Das kann aber nicht erheblich sein, weil, wie nachstehend darzulegen ist, die Anwendung von Art. 308 Abs. 2 StGB auch dann in Betracht fällt, wenn der Zeuge über ein Zeugnisverweigerungsrecht verfügt, auf dieses hingewiesen worden ist und dennoch - falsch - aussagt. Auch in der Literatur wird, soweit sie zu dieser Frage überhaupt Stellung nimmt, die Ansicht vertreten, Art. 308 Abs. 2 StGB erfasse entgegen seinem zu engen Wortlaut auch das falsche Zeugnis zur Begünstigung eines bereits angeschuldigten Angehörigen (PAUL PFÄFFLI, Das falsche Zeugnis, Diss. Bern 1962, S. 102; ANDREAS HAUSWIRTH, Die Selbstbegünstigung im schweizerischen Strafrecht, S. 219/220; wohl auch SCHULTZ, Über das falsche Zeugnis, ZStrR 76/1960 S. 348 ff., 351; ebenso für das deutsche Recht SCHÖNKE/SCHRÖDER/LENCKNER, Kommentar, 24. Aufl. 1991, § 157 dt.StGB N 9 in fine). Dabei macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob das falsche Zeugnis zur Vermeidung einer Belastung oder aber zur Entlastung (Alibi) des bereits angeschuldigten Angehörigen abgegeben wird. Eine die Gefahr der Fortsetzung eines bereits eröffneten BGE 118 IV 175 S. 180 Strafverfahrens begründende Belastung kann auch dann gegeben sein, wenn der vom Angeschuldigten als Entlastungszeuge angerufene Angehörige entgegen den Abmachungen die den Angeschuldigten entlastende Zeugenaussage nicht macht, sondern, etwa unter dem Eindruck der Zeugenbelehrung, die Wahrheit sagt, das falsche Alibi also nicht bestätigt. c) Die Beschwerdegegnerin 2 war als Schwester des Beschwerdegegners 1 im gegen diesen eröffneten Strafverfahren wegen Einbruchdiebstahls gemäss § 92 Ziff. 2 StPO /LU zur Zeugnisverweigerung berechtigt, und sie wurde auf dieses Zeugnisverweigerungsrecht ausdrücklich aufmerksam gemacht. Die Frage, ob ihr dennoch im Falle falscher Zeugenaussage zugunsten ihres Bruders der Strafmilderungsgrund gemäss Art. 308 Abs. 2 StGB zugebilligt werden kann, ist mit der Vorinstanz zu bejahen. Diese Auffassung entspricht der herrschenden Lehre (TRECHSEL, a.a.O., Art. 308 StGB N 7, mit Hinweis auf BGE 87 IV 22 ; STRATENWERTH, Strafrecht Bes. Teil II, 3. Aufl., § 55 N 53 ; PAUL PFÄFFLI, op.cit., S. 103; ANDREAS HAUSWIRTH, op. cit., S. 222; GEORG MESSMER, a.a.O., S. 438; SCHULTZ, Falsche Anschuldigung, Irreführung der Rechtspflege und falsches Zeugnis, ZStrR 73/1958 S. 213 ff., 260; WALTER UFENAST, Das falsche Zeugnis in rechtsvergleichender Darstellung, Diss. Zürich 1927, S. 99; andere Auffassung: HAUSER/REHBERG, Strafrecht IV, S. 326; OLIVIER CORNAZ, SJK Nr. 1012 S. 8 oben). Zwar befindet sich der Zeuge, dem ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, nicht aus rechtlichen Gründen in der Zwangslage, entweder falsch auszusagen oder aber den Angehörigen zu belasten bzw. nicht in der gewünschten Weise entlasten zu können. Der Zeuge, der über ein Zeugnis- oder Antwortverweigerungsrecht verfügt, befindet sich aber faktisch weiterhin in einem gewissen Dilemma, welches die Anwendung von Art. 308 Abs. 2 StGB rechtfertigt. Denn die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts, d.h. das Schweigen des Zeugen, kann je nach den Umständen von der Behörde im Rahmen der freien Beweiswürdigung als eine Verdacht begründende bzw. erhärtende Tatsache gewürdigt werden. Ob eine solche Beweiswürdigung zulässig sei (dazu eingehend ROBERT HAUSER, Der Zeugenbeweis im Strafprozess ..., S. 158 ff.), kann hier dahingestellt bleiben; entscheidend ist insoweit, dass der Zeuge subjektiv glaubt (vgl. dazu BGE 75 IV 65 ff.), sein Schweigen in Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts könne sich zum Nachteil des Angehörigen auswirken (vgl. dazu auch KLAUS BÜTTIKOFER, Die falsche Zeugenaussage aus kriminologischer Sicht, Diss. Zürich 1975, S. 109 ff.). BGE 118 IV 175 S. 181 Es ergibt sich somit zusammenfassend, dass Art. 308 Abs. 2 StGB auch dann anwendbar ist, wenn der Zeuge die begünstigende falsche Zeugenaussage in einem bereits eröffneten Strafverfahren gegen einen Angehörigen abgibt und ihm ein Zeugnisverweigerungsrecht zustand. Die Vorinstanz durfte demnach ohne Verletzung von Bundesrecht der Beschwerdegegnerin 2 den Strafmilderungsgrund gemäss Art. 308 Abs. 2 StGB zubilligen, soweit diese sich des falschen Zeugnisses schuldig gemacht hat. 2. a) Die Vorinstanz billigte auch dem Beschwerdegegner 1, der seine Schwester zu falschem Zeugnis zu seinen Gunsten im hängigen Strafverfahren wegen Einbruchdiebstahls angestiftet und deren Freundin zum falschen Zeugnis anzustiften versucht hatte, den Strafmilderungsgrund gemäss Art. 308 Abs. 2 StGB zu. Sie billigte zudem der Beschwerdegegnerin 2 den Strafmilderungsgrund nach Art. 308 Abs. 2 StGB auch insoweit zu, als diese sich der versuchten Anstiftung ihrer Freundin zu falschem Zeugnis (zugunsten des Beschwerdegegners 1) schuldig gemacht hatte. Die Vorinstanz vertritt in bewusster Abweichung von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ( BGE 73 IV 245 , BGE 81 IV 39 ff.) die Auffassung, dass auch dem Anstifter zu falschem Zeugnis zugunsten des Anstifters dieser Strafmilderungsgrund zuerkannt werden müsse. Zur Begründung führt sie unter Berufung auf HAEFLIGER (Das StGB als Schuldstrafrecht in der Rechtsprechung des Bundesgerichts, ZStrR 69/1954 S. 393 f.) aus, bei Vorliegen eines Aussageverweigerungsrechts aus Ehrennotstand (z.B. § 95 StPO /LU) sei der Zeuge der Zwangslage, zu lügen oder Strafe zu riskieren, enthoben. Dennoch werde ihm ja der Strafmilderungsgrund von Art. 308 Abs. 2 StGB zugebilligt. Auf das Vorliegen eines Ehrennotstandes komme es demnach nicht entscheidend an. Wenn der Täter milder bestraft werden könne, der lügt, um sich der Strafverfolgung zu entziehen, dann sollte auch der Anstifter, der sich in der gleichen Lage befindet, des Wohlwollens des Gesetzgebers teilhaftig sein. Der Umstand, der zur Privilegierung des Täters führt, müsse nach Art. 26 StGB auch beim Anstifter berücksichtigt werden, wenn er in dessen Person gegeben sei. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. b) Wohl ist es nach der insoweit zutreffenden Ansicht der Vorinstanz entgegen einer Bemerkung in BGE 73 IV 245 E. 2 nicht entscheidend, dass in Art. 308 Abs. 2 StGB lediglich vom Täter und nicht auch vom Teilnehmer am falschen Zeugnis die Rede ist; denn die Bestimmungen des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches sprechen in der Regel nur vom Täter. Entscheidend ist indessen BGE 118 IV 175 S. 182 folgendes: Der Zeuge, dem ein Aussageverweigerungsrecht sei es aus Verwandtschaft, sei es aus Ehrennotstand zusteht, befindet sich nach den vorstehenden Ausführungen zwar nicht mehr aus rechtlichen Gründen, aber, was die Vorinstanz in diesem Zusammenhang offenbar übersieht, aus faktischen Gründen weiterhin in einer gewissen Zwangslage. Gerade wegen dieser fortbestehenden Zwangslage, die ein persönliches Verhältnis im Sinne von Art. 26 StGB ist, kann dem Zeugen trotz Vorliegens eines Aussageverweigerungsrechts der Strafmilderungsgrund gemäss Art. 308 Abs. 2 StGB zugebilligt werden. Der Anstifter zu falschem Zeugnis zugunsten des Anstifters befindet sich demgegenüber schon deshalb nicht in einer der Lage des Zeugen vergleichbaren Zwangslage, weil er, ohne Bestrafung zu riskieren, lügen kann und weil zudem sein Schweigen sich nicht in gleicher Weise zu seinem Nachteil auswirken kann wie das Schweigen des Zeugen. Die Selbstbegünstigungsabsicht, mit welcher der Anstifter zu falschem Zeugnis zugunsten des Anstifters handelt, ist unter dem Gesichtspunkt von Art. 305 StGB relevant (siehe dazu BGE 115 IV 230 ff.), nicht aber unter dem Gesichtspunkt von Art. 307 StGB . Zudem ist die Anstiftung zu falschem Zeugnis zugunsten des Anstifters der geradezu typische, klassische Fall; dieser verdient keine mildere Strafe. Der Kassationshof bestätigt daher seine Rechtsprechung ( BGE 73 IV 245 E. 2, BGE 81 IV 39 ff.), wonach Art. 308 Abs. 2 StGB auf den Anstifter zu falschem Zeugnis zugunsten des Anstifters nicht anwendbar ist (ebenso PAUL PFÄFFLI, op.cit., S. 103; ANDREAS HAUSWIRTH, op.cit., S. 221; HERBERT WINTER, Die falsche Beweisaussage der Partei nach Art. 306 StGB , S. 162 f.; SCHULTZ, ZStrR 73/1958 S. 260; GEORG MESSMER, a.a.O., S. 444; OLIVIER CORNAZ, a.a.O., S. 8; SCHWANDER, Das schweizerische Strafgesetzbuch, S. 501; HAUSER/REHBERG, Strafrecht IV, S. 326 unten; WAIBLINGER, ZBJV 85/1949 S. 479 zu BGE 73 IV 242 ff.; LOGOZ, Commentaire, art. 308 note 3; so auch die herrschende Meinung in Deutschland, siehe SCHÖNKE/SCHRÖDER/LENCKNER, op.cit., § 157 dt.StGB N 4; andere Auffassung ausser HAEFLIGER, a.a.O., TRECHSEL, op.cit., Art. 308 StGB N 8; STRATENWERTH, Strafrecht Bes. Teil II, § 55 N 54 ). Die Vorinstanz hat dem Beschwerdegegner 1 somit zu Unrecht den Strafmilderungsgrund von Art. 308 Abs. 2 StGB zugebilligt. c) Die Vorinstanz hat auch der Beschwerdegegnerin 2 zu Unrecht den Strafmilderungsgrund von Art. 308 Abs. 2 StGB zugebilligt, soweit diese sich der versuchten Anstiftung (ihrer Freundin) zum falschen Zeugnis zugunsten des Beschwerdegegners 1 schuldig machte. BGE 118 IV 175 S. 183 Wenn nach den vorstehenden Ausführungen bei Anstiftung zu falschem Zeugnis zugunsten des Anstifters Art. 308 Abs. 2 StGB nicht anwendbar ist, dann kann dieser Strafmilderungsgrund auch bei der Anstiftung zu falschem Zeugnis zugunsten eines Angehörigen des Anstifters nicht zur Anwendung gelangen. Die Beschwerdegegnerin 2 befand sich nur als Zeugin im Verfahren gegen den Beschwerdegegner 1 in einer gewissen, das Verschulden vermindernden Zwangslage, welche die Anwendung von Art. 308 Abs. 2 StGB rechtfertigt, nicht auch ausserhalb des Zeugenstandes. 3. Die Sache ist demnach in teilweiser Gutheissung der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese gegenüber dem Beschwerdegegner 1 die Strafe ohne Zuerkennung des Strafmilderungsgrundes von Art. 308 Abs. 2 StGB neu bemesse und der Beschwerdegegnerin 2 diesen Strafmilderungsgrund nur insoweit zubillige, als sie sich des falschen Zeugnisses schuldig gemacht hat, nicht aber auch insoweit, als sie wegen versuchter Anstiftung zu falschem Zeugnis verurteilt worden ist.
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Sachverhalt ab Seite 127 BGE 102 III 127 S. 127 A.- Dame F. fait l'objet d'une poursuite en réalisation de gage immobilier requise par le sieur I., à la suite de l'inscription provisoire d'une hypothèque légale d'entrepreneur. Aucune opposition n'ayant été formée, le créancier a demandé la vente de l'immeuble, situé dans la commune d'Onex (Genève). Une restriction du droit d'aliéner a été requise le 11 août 1975. L'Office des poursuites de Genève a fait dresser un rapport d'expertise de la valeur de l'immeuble, en s'adressant à l'architecte I. L'expert a déposé son rapport le 4 février 1976. Par lettre du 6 février 1976, l'Office a signifié les conclusions de l'expert à la débitrice, en l'avisant qu'elle avait la possibilité de former recours à l'autorité cantonale de surveillance dans le délai de dix jours. BGE 102 III 127 S. 128 Par télégramme du 24 février 1976, adressé à l'Office des poursuites, dame F. a fait savoir qu'elle n'était pas d'accord avec les conclusions de l'expert et qu'elle demandait une "contre-expertise". L'Office a transmis le télégramme à l'autorité cantonale de surveillance. B.- Le 7 avril 1976, l'autorité cantonale de surveillance a déclaré la plainte irrecevable, pour tardiveté. En effet, a-t-elle dit, l'avis adressé à dame F. le vendredi 6 février 1976 a dû lui parvenir le lundi 9 février; la plaignante ne fait pas état de circonstances particulières qui auraient retardé la réception par elle du pli envoyé par l'Office des poursuites. C.- Dame F. recourt au Tribunal fédéral. Elle conclut à l'annulation de la décision attaquée, demandant principalement qu'une nouvelle estimation de l'immeuble soit ordonnée, subsidiairement que l'affaire soit renvoyée à l'autorité cantonale pour nouvelle décision.
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Erwägungen Considérant en droit: En principe, il incombe à l'autorité de recours d'examiner d'elle-même si le recours qui lui est adressé est recevable à la forme (GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2e éd., p. 517 n. 4). La question de savoir si une plainte est intervenue en temps utile doit être étudiée d'office (JAEGER, n. 9 ad art. 17 LP ), en tout cas quand d'emblée il apparaît possible que le délai ait été respecté. En l'espèce, les conclusions du rapport d'expertise ont été expédiées à la recourante, sous pli recommandé, le vendredi 6 février 1976. On peut partir de l'idée que la première tentative de remise (ou le dépôt dans la case postale de l'avis annonçant l'arrivée de l'envoi) a eu lieu au plus tôt le lundi 9 février. Si la destinataire n'a pas été atteinte ou si un avis a été déposé dans la case postale, un délai de retrait de sept jours devait lui être imparti (art. 169 al. 1 litt. d et e de l'ordonnance (1) relative à la loi sur le Service des postes, RS 783.01), qui expirait au plus tôt le 16 février 1976. En cas de retrait dans ce délai, le délai de plainte partait de la date du retrait ( ATF 100 III 4 ); il pouvait donc courir jusqu'au 26 février 1976. Ainsi, il est pleinement concevable que la demande de nouvelle expertise ait été faite en temps utile le 24 février 1976. L'autorité cantonale de surveillance ne pouvait donc pas BGE 102 III 127 S. 129 déclarer sans plus la plainte irrecevable pour tardiveté, en se bornant à conjecturer le moment où le pli de l'Office avait dû parvenir à la plaignante. Le fait que cette dernière n'invoquait pas de circonstances qui auraient retardé la réception de l'envoi ne dispensait pas l'autorité de procéder à un examen qu'elle était tenue d'entreprendre d'office. Point n'est besoin de rechercher en l'espèce s'il convient d'appliquer ces principes également au cas où le délai de plainte apparaît d'emblée expiré, à savoir quand une plainte est déposée des mois plus tard sans aucune explication justifiant le retard. La question peut demeurer indécise en l'état.
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Dispositiv Par ces motifs, la Chambre des poursuites et des faillites: Admet partiellement le recours en ce sens que la décision attaquée est annulée et la cause renvoyée à l'autorité cantonale de surveillance pour qu'elle examine si le délai de plainte a été observé et, dans l'affirmative, statue sur le fond.
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Sachverhalt ab Seite 305 BGE 102 II 305 S. 305 A.- Susan Baumann führt am Rindermarkt in Zürich ein Ladengeschäft für Antiquitäten aus der Zwischenkriegszeit (sog. "art-déco"-Epoche). Als Geschäftsbezeichnung hat sie BGE 102 II 305 S. 306 den Namen "Abraham" gewählt, der in goldenen Buchstaben am Ladenschaufenster angebracht ist. Im Telefonbuch ist das Geschäft unter dem Namen der Inhaberin als "Antiquitäten Abraham" aufgeführt. Robert David Abraham, von Beruf diplomierter Psychologe und in Zürich wohnhaft, gehört einer seit 1877 in Zürich niedergelassenen Familie gleichen Namens an, die durch die Gründung eines bedeutenden Textilunternehmens zu einem gewissen Ansehen gelangt ist. Er fühlt sich durch die von Susan Baumann verwendete Geschäftsbezeichnung in seinem Namensrecht verletzt. B.- Robert David Abraham erhob gegen Susan Baumann beim Bezirksgericht Zürich Klage mit dem Begehren, sie habe die Anmassung des Namens "Abraham" in ihrem Geschäft in jeder Form zu unterlassen und sie habe ihm eine Genugtuungssumme von Fr. 100.-- nebst Zins zu bezahlen. Die Beklagte widersetzte sich der Klage. Mit Urteil vom 16. September 1975 wies das Bezirksgericht die Klage ab. Es verneinte das Vorliegen einer Namensanmassung mit der Begründung, der Name "Abraham" sei im Sinne von BGE 92 II 311 Gemeingut, weshalb der Kläger daran kein Ausschliesslichkeitsrecht beanspruchen könne; der weltweite Gebrauch dieses Namens lasse zwischen dem Laden der Beklagten und dem Kläger überhaupt keine Beziehung entstehen. C.- Der Kläger zog dieses Urteil auf dem Berufungsweg an das Obergericht des Kantons Zürich weiter. Im Laufe des Berufungsverfahrens liess er das Begehren auf Zusprechung einer Genugtuungssumme fallen. Das Obergericht bestätigte mit Entscheid vom 16. März 1976 das erstinstanzliche Urteil. Es ging wie das Bezirksgericht davon aus, dass es sich beim Namen "Abraham" um geistiges Gemeingut handle. Unter diesen Umständen hätte der Kläger, so führte das Obergericht weiter aus, nur dann Anspruch auf Schutz seines Familiennamens, wenn dargetan wäre, dass dieser Name hierzulande gedanklich ausschliesslich mit dem Kläger und dessen Familie in Verbindung gebracht würde. Das sei indessen nicht der Fall: Das weltweit heute noch lebendige Bewusstsein über die ursprüngliche Herkunft und Bedeutung des Namens "Abraham" sei durch die vom Kläger angeführten Umstände nicht überdeckt oder gar verdrängt BGE 102 II 305 S. 307 worden, so dass bei der Verwendung des Namens in Zürich oder in der Schweiz nicht mehr an den Urträger dieses Namens, sondern ohne weiteres an den Kläger oder dessen Familie gedacht würde. Auch die Art der Verwendung des Namens "Abraham" durch die Beklagte stelle keine Verletzung des Klägers in seinen persönlichen Verhältnissen dar. D.- Der Kläger hat gegen dieses Urteil Berufung an das Bundesgericht erhoben. Er beantragt den Schutz des im vorinstanzlichen Verfahren aufrecht erhaltenen Klagebegehrens, eventuell Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Tatbestandsergänzung durch Vornahme eines Augenscheines und zur Neubeurteilung. E.- Die Beklagte beantragt die Abweisung der Berufung.
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Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Gegenstand des Prozesses bildet der sich aus dem Namensrecht des Klägers ergebende Abwehranspruch (Beseitigungs- bzw. Unterlassungsanspruch). Dieser ist nicht vermögensrechtlicher Natur, weshalb die Berufung an das Bundesgericht gemäss Art. 44 OG ohne Rücksicht auf allfällige Vermögensinteressen zulässig ist ( BGE 95 II 486 E. 1). 2. Wird jemand dadurch beeinträchtigt, dass ein anderer sich seinen Namen anmasst, so steht ihm nach Art. 29 Abs. 2 ZGB ein vom Verschulden unabhängiger Unterlassungsanspruch zu. Der Gesetzeswortlaut ist insofern zu eng, als nur von der Unterlassung einer Namensanmassung die Rede ist. Selbstverständlich will damit der Anspruch auf Beseitigung einer noch andauernden Verletzung des Namensrechts wie z.B. auf Entfernung der Inschrift am Schaufenster eines Ladens nicht ausgeschlossen werden. Eine Namensanmassung kann sodann nach der Rechtsprechung und der Lehre auch darin bestehen, dass jemand den Namen eines andern unbefugterweise nicht zur Bezeichnung seiner eigenen Person, sondern zur Kennzeichnung einer Sache (z.B. einer Zeitschrift, eines Gerätes oder eines Geschäftsbetriebs) verwendet ( BGE 80 II 140 E. 1; BGE 87 II 111 E. 4; BGE 90 II 467 (Nr. 51); EGGER, N. 17 zu Art. 29 ZGB ; GROSSEN, in Schweiz. Privatrecht, Bd. II, S. 340/341; AISSLINGER, Der Namensschutz nach Art. 29 ZGB , Zürcher Diss. 1948, S. 28). Der Kläger kann sich daher grundsätzlich auf Art. 29 Abs. 2 ZGB BGE 102 II 305 S. 308 berufen, um eine Verletzung seines Namensrechtes, wie sie seiner Auffassung nach im Gebrauch des Namens "Abraham" zur Bezeichnung des von der Beklagten geführten Antiquitätenladens zu erblicken ist, zu beseitigen oder zu verhindern. Entgegen der in der Berufungsantwort vertretenen Auffassung richtet sich das Klagebegehren nicht nur gegen die Aufschrift auf dem Schaufenster, sondern gegen die Verwendung des Namens Abraham für den Geschäftsbetrieb der Beklagten ganz allgemein, wozu auch die Reklame gehört. Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, dass nur derjenige den Namensschutz des Art. 29 ZGB beanspruchen kann, der hiefür ein schutzwürdiges Interesse geltend zu machen vermag. Das ergibt sich nicht nur aus dem allgemeinen Grundsatz, dass jede Klage ein entsprechendes Rechtsschutzinteresse voraussetzt (EGGER, N. 20 zu Art. 29 ZGB ), sondern unmittelbar aus dem Gesetz selbst: Art. 29 Abs. 2 ZGB verleiht nur demjenigen ein Klagerecht, der durch eine Namensanmassung beeinträchtigt (französisch: lésé) wird ( BGE 45 II 626 /627 E. 3). Das kann nichts anderes bedeuten, als dass der Gebrauch eines fremden Namens durch einen dazu nicht Berechtigten an sich noch nicht ausreicht, um die gesetzlich vorgesehenen Ansprüche auszulösen. Wer sich auf Art. 29 Abs. 2 ZGB berufen will, muss vielmehr dartun können, dass die in Frage stehende Namensverwendung seine Interessen wirklich und nicht nur dem Scheine nach verletzt. Allerdings ist nicht etwa erforderlich, dass Interessen vermögensrechtlicher Natur auf dem Spiele stehen. Es genügt durchaus die Beeinträchtigung rein ideeller Belange, die nach der Lehre und der Rechtsprechung namentlich dann vorliegt, wenn eine Verwechslungsgefahr besteht ( BGE 80 II 145 ; EGGER, N. 21 zu Art. 29 ZGB ) oder wenn ein Namensträger durch Gedankenverbindungen in nicht vorhandene Beziehungen hineingestellt wird, die er ablehnt und vernünftigerweise auch ablehnen darf ( BGE 72 II 150 ; BGE 80 II 147 ; BGE 90 II 466 ; EGGER, a.a.O. N. 17). 3. Der Kläger macht nicht geltend, dass eine Verwechslungsgefahr bestehe. Das fällt schon deshalb ausser Betracht, weil die Beklagte den Namen "Abraham" nicht für sich selber, sondern lediglich zur Bezeichnung ihres Ladengeschäftes gebraucht. Der Kläger erblickt eine Beeinträchtigung seiner Interessen vielmehr darin, dass unvoreingenommene Betrachter BGE 102 II 305 S. 309 annehmen könnten, es bestehe zwischen dem Laden der Beklagten und der in Zürich ansässigen Familie Abraham, der er angehört, eine Beziehung. a) Für die Beurteilung der Frage, welche Gedankenassoziationen durch eine bestimmte Namensverwendung geweckt werden, ist auf den Eindruck und die Reaktionsweise des Publikums abzustellen. Der Kläger vertritt selber diese Auffassung, wenn er ausführen lässt, entscheidend sei nicht, was sich die Beklagte bei der Wahl des Namens "Abraham" als Geschäftsbezeichnung gedacht habe, sondern welche Gedankenassoziation beim Aussenstehenden durch diesen Namen hervorgerufen werde. Bei einem Ladengeschäft von bloss lokaler Bedeutung wie demjenigen der Beklagten kommt es darauf an, welche Gedankenverbindung die Geschäftsbezeichnung "Abraham" beim zürcherischen Publikum auslöst. Dies vermag nur der ortsansässige Richter zuverlässig zu beurteilen. Die Vorinstanz hat diesbezüglich ausgeführt, der Familienname des Klägers habe nicht eine derart grosse Kennzeichnungskraft erlangt, dass bei der Verwendung des Namens "Abraham" in Zürich oder in der Schweiz nicht mehr an den Urträger dieses Namens, sondern ohne weiteres an den Kläger und dessen Familie gedacht würde. Man kann sich fragen, ob in dieser Aussage nicht eine für das Bundesgericht verbindliche Feststellung tatsächlicher Natur mitenthalten sei, des Inhalts, dass das Zürcher Publikum die von der Beklagten verwendete Geschäftsbezeichnung nicht unmittelbar mit dem Familiennamen des Klägers in Verbindung bringe. Zur Beurteilung der Individualisierungskraft eines Namens in einem örtlich beschränkten Bevölkerungskreis sind jedenfalls auch Kenntnisse faktischer Art erforderlich, über die in der Regel nur der Tatsachenrichter verfügt. Das Bundesgericht hat sich deshalb in dieser Hinsicht Zurückhaltung aufzuerlegen und seine Prüfung darauf zu beschränken, ob die kantonale Instanz von zutreffenden rechtlichen Vorstellungen ausgegangen ist. b) Der Kläger wendet sich dagegen, dass der vorliegende Fall mit dem Entscheid des Bundesgerichts in BGE 92 II 305 ff. (betreffend den Vornamen "Sheila", den eine französische Sängerin als Pseudonym gewählt hatte) verglichen werde. Er macht geltend, dass ein durch Geburt erworbener Familienname mit einem freigewählten Pseudonym BGE 102 II 305 S. 310 nicht vergleichbar sei und dass der Name "Abraham" überdies nicht im gleichen Sinne geistiges Gemeingut darstelle wie der Vorname "Sheila". Die Vorinstanz hat sich auf das zitierte Bundesgerichtsurteil indessen nur dafür berufen, dass der Schutz eines als geistiges Gemeingut zu betrachtenden Namens vom Nachweis abhange, dieser Name vermöge den als Kläger auftretenden Namensträger trotzdem noch in genügendem Masse zu kennzeichnen. Gegen eine solche Heranziehung des betreffenden Entscheides ist entgegen der Auffassung des Klägers nichts einzuwenden. Wer einen Namen trägt, der weit verbreitet ist oder geistiges Gemeingut darstellt, kann in der Tat ein ausschliessliches Recht auf den Namensgebrauch nur insoweit beanspruchen, als dieser Name allgemein auf ihn bezogen zu werden pflegt. Dem Kläger mag eingeräumt werden, dass die Vorinstanz zu weit gegangen ist, wenn sie geradezu den Nachweis verlangte, dass ein solcher Name ausschliesslich mit dem als Kläger auftretenden Namensträger und dessen Familie in Verbindung gebracht werde. Es muss für den Nachweis der Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen genügen, dass eine nicht geringe Gefahr besteht, ein Namensträger werde durch eine bestimmte Verwendung seines Namens oftmals in Gedankenverbindung zu Sachen oder Personen gebracht, zu denen er weder eine Beziehung hat noch haben will. Nicht zu überzeugen vermag der Unterschied, den der Kläger unter dem Gesichtspunkt der Kennzeichnungskraft zwischen einem Vornamen wie "Sheila" und dem auch nach seiner Auffassung als geistiges Gemeingut zu betrachtenden Namen "Abraham" machen will. Ob dieser Name in der Schweiz als jüdisch empfunden wird, wie in der Berufungsschrift geltend gemacht wird, ist ebenfalls nicht erheblich. Wesentlich ist einzig und allein, dass das Wort "Abraham" in der Schweiz viel eher auf den alttestamentarischen Urträger dieses Namens bezogen als mit dem gleichlautenden Familiennamen in Verbindung gebracht wird. Dass dies, wie dem angefochtenen Urteil zu entnehmen ist, jedenfalls für Zürich zutrifft, vermochte der Kläger nicht zu widerlegen. Ist aber den meisten Leuten in Zürich der Familienname "Abraham" kein Begriff, so wird der Laden der Beklagten entgegen der Behauptung des Klägers auch durch die Bezeichnung "Antiquitäten Abraham" nicht mit der Familie gleichen Namens in BGE 102 II 305 S. 311 Beziehung gesetzt. Wenn sich diese vom Kläger befürchtete Gedankenassoziation wenigstens in aller Regel nicht einstellt, kann der Vorinstanz keine Verletzung von Bundesrecht vorgeworfen werden, weil sie dem Kläger ein schutzwürdiges Interesse abgesprochen hat. c) Der Kläger hat im vorinstanzlichen Verfahren sein Interesse am Schutz der Klage auch durch den Hinweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung, die in Anwendung von Art. 30 Abs. 3 ZGB ergangen ist, zu stützen versucht. Das Bundesgericht hat auf Grund der betreffenden Bestimmung eine Anzahl von Klagen gegen die Bewilligung von Namensänderungen geschützt, indem es den Ausschliesslichkeitsanspruch der Träger sehr angesehener und seltener Namen über das Interesse an der freien Wahl des gleichen Namens stellte (vgl. BGE 52 II 103 ff. betreffend den Namen "Eynard"; BGE 60 II 387 ff. betreffend den Namen "Dedual"; BGE 67 II 191 ff. betreffend den Namen "Segesser"; BGE 72 II 145 ff. betreffend den Namen "Surava"). Es bezeichnete die im Familiennamen zum Ausdruck gelangende Zugehörigkeit zu einer bestimmten Familie als ein schutzwürdiges Rechtsgut, sofern die Träger eines solchen Namens ohne weiteres mit einer Familie von besonderer Berühmtheit oder von besonderem Ansehen in Beziehung gebracht würden (so insbesondere BGE 52 II 106 ff. E. 2). In BGE 72 II 151 wurde dann allerdings einschränkend ausgeführt, es könne für den Namensschutz nicht darauf ankommen, ob ein Name ein besonders hohes Ansehen geniesse; es müsse vielmehr genügen, dass ein Name durch seine relative Seltenheit charakteristisch sei. Der Kläger beruft sich vor allem auf diesen letzten Entscheid und macht geltend, in Zürich gebe es nur eine namhafte Familie Abraham; deren Name sei sowohl aus diesem Grund als auch mit Rücksicht auf seinen in der Schweiz fremden Klang als schutzwürdig zu betrachten. Der Unterschied zu den erwähnten Fällen besteht jedoch, wie die Vorinstanz mit Recht hervorgehoben hat, darin, dass es sich beim Namen "Abraham" nicht nur um einen relativ seltenen Familiennamen, sondern gleichzeitig um den Namen einer bestbekannten biblischen Gestalt und um einen Vornamen handelt. Unter diesen Umständen müsste dargetan werden können, dass der Familienname "Abraham" in Zürich BGE 102 II 305 S. 312 trotzdem eine entsprechend grosse, die allgemeine Bedeutung des Wortes verdrängende Kennzeichnungskraft erlangt hat. An dieser Voraussetzung fehlt es aber im vorliegenden Fall, hält doch das angefochtene Urteil fest, dass die Verwendung des Wortes "Abraham" in Zürich nicht ohne weiteres an den Kläger und dessen Familie denken lasse. Gegen diese Feststellung des ortsansässigen Richters vermag die klägerische Argumentation nicht aufzukommen. Insbesondere ist mangels einer Beeinträchtigung des Namensrechts des Klägers nicht darauf abzustellen, wie gross das Interesse der Beklagten an der Verwendung des Wortes "Abraham" ist und ob die von ihr gewählte Geschäftsbezeichnung dem geistigen Ursprung dieses Wortes gerecht zu werden vermag. d) Schliesslich macht der Kläger geltend, eine Verletzung seines Namensrechts und seiner persönlichen Verhältnisse ganz allgemein sei auch darin zu erblicken, dass der altehrwürdige Name "Abraham" zur Bezeichnung eines Trödelladens gebraucht werde; als Träger dieses biblischen Namens müsse er sich eine derartige Namensverwendung nicht gefallen lassen. Die Vorinstanz hat eine Verletzung des Klägers in seinen persönlichen Verhältnissen verneint und in diesem Zusammenhang ausgeführt, der Kläger habe eine solche mit Recht auch nicht geltend gemacht. Letzteres wird in der Berufungsschrift als offensichtlich auf Versehen beruhend bestritten. Wie es sich damit verhält, kann jedoch offen bleiben, denn die Vorinstanz hat die Frage materiell geprüft und in einer Weise beantwortet, die vor dem Bundesrecht standzuhalten vermag. Eine Verletzung des Klägers in seinen persönlichen Verhältnissen würde voraussetzen, dass der Name "Abraham" in einer Weise verwendet worden wäre, die von jedem Träger dieses Namens als geradezu kränkend empfunden werden müsste. Davon kann hier keine Rede sein. Im angefochtenen Urteil wird festgestellt, dass weder die Art der im Laden der Beklagten zum Kauf angebotenen Waren noch der Standort des Geschäftes geeignet seien, negative Gedankenverbindungen auszulösen. Entgegen der Auffassung des Klägers war die Vorinstanz in der Lage, hierüber tatbeständliche Feststellungen zu treffen, ohne einen Augenschein durchzuführen, mussten ihr doch der Standort und die Art des Geschäftes, das sich in ihrer nähern Umgebung befindet, bekannt sein. Hat aber BGE 102 II 305 S. 313 die Verwendung des Namens "Abraham" durch die Beklagte nichts Stossendes an sich, fehlt es an einem persönlichkeitsverletzenden Verhalten, gegen das sich der Kläger gestützt auf Art. 29 Abs. 2 oder Art. 28 Abs. 1 ZGB zur Wehr setzen könnte. Dass der Kläger den Gebrauch des Namens "Abraham" zur Bezeichnung eines Antiquitätenladens als unpassend und ungehörig empfindet, reicht für die Anwendung der Bestimmungen über den privatrechtlichen Schutz der Persönlichkeit nicht aus.
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Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird abgewiesen, und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich (II. Zivilkammer) vom 16. März 1976 wird bestätigt.
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Sachverhalt ab Seite 127 BGE 115 Ia 127 S. 127 Depuis le 24 février 1983, le recourant Jacky Farine est membre du Grand Conseil du canton de Genève. Par lettre du 25 mai 1987, le Ministre de la culture et de la communication de la République française lui a fait savoir qu'il a été nommé "Chevalier de l'ordre des Arts et des Lettres" par arrêté ministériel du 21 mai 1987, sous son pseudonyme Jack Yfar. La remise de la médaille des arts et des lettres accompagnait cette nomination. Selon la lettre du ministre, l'ordre a été créé en 1957 pour récompenser les personnes qui se sont distinguées par leurs créations dans le domaine artistique ou littéraire ou par la contribution qu'elles ont apportée au rayonnement des arts et des lettres, en France et dans le monde. BGE 115 Ia 127 S. 128 Le 16 juin 1988, sur la base d'un rapport présenté par une commission, le Grand Conseil a constaté que l' art. 12 Cst. interdit qu'un membre d'une autorité législative cantonale accepte une décoration conférée par un gouvernement étranger, et qu'une infraction entraîne la perte du mandat. Jacky Farine devait par conséquent choisir s'il voulait conserver sa décoration ou son mandat de député. Agissant par la voie du recours de droit public, Jacky Farine a demandé au Tribunal fédéral d'annuler la décision du Grand Conseil et de renvoyer la cause au bureau de cette autorité. Il s'est plaint d'une application arbitraire des règles cantonales applicables, notamment de l' art. 178 Cst. gen., et d'une violation de l' art. 12 Cst. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours, dans la mesure où il était recevable.
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. Jacky Farine se réfère à l' art. 178 Cst. Gen., qui interdit aux députés d'accepter une décoration d'un gouvernement étranger sans l'autorisation du Grand Conseil, ainsi qu'à l'art. 22 du règlement du Grand Conseil, qui coïncide avec la disposition précitée. Il fait valoir que le parlement a appliqué ces règles de manière arbitraire en retenant qu'il n'avait aucun pouvoir d'appréciation pour décider si une médaille constitue une décoration au sens de l' art. 12 Cst. En outre, il est prétendument insoutenable d'appliquer, pour la procédure, l'art. 224 du règlement du Grand Conseil. a) L' art. 178 Cst. gen. prévoit, pour les membres du Grand Conseil et les fonctionnaires et employés de l'Etat, une interdiction des titres, décorations, traitements ou pensions de gouvernements étrangers qui correspond à celle de l' art. 12 Cst. ; cependant, la possibilité d'une autorisation est prévue. Pour les membres du Grand Conseil, l'autorisation est donnée par ce corps. Le recourant reproche au Grand Conseil de n'avoir pas fait usage du pouvoir d'appréciation qui lui est conféré et qui lui permet d'autoriser, éventuellement, l'acceptation d'une décoration. A son avis, il est faux de se référer simplement à la Constitution fédérale et à la pratique des autorités fédérales. Cette argumentation méconnaît que le droit fédéral prime le droit cantonal, et qu'une autorisation cantonale n'est par conséquent pas possible lorsque l'acceptation d'une décoration se heurte à l'interdiction de l' art. 12 Cst. BGE 115 Ia 127 S. 129 La Constitution du canton de Genève porte la date du 24 mai 1847; l'art. 178 figurait déjà dans le texte d'origine. A cette époque, avant la création de l'Etat fédéral, une garantie de la Confédération n'était pas nécessaire. Une mise à jour complète de la Constitution genevoise a cependant été réalisée le 7 novembre 1958 et approuvée par les citoyens le 7 décembre 1958. La nouvelle version a alors reçu la garantie selon un arrêté fédéral du 12 juin 1959 (FF 1959 I 1591). Celui-ci réserve toutefois que plusieurs dispositions, en particulier l'art. 178, doivent être appliquées dans les limites du droit fédéral. Sur ce point, dans son message à l'Assemblée fédérale (FF 1959 I 1438), le Conseil fédéral retenait que "[l'art. 178] interdit aux membres du Grand Conseil, ainsi qu'aux fonctionnaires et employés de l'Etat d'accepter, sans autorisation soit du Grand Conseil soit du Conseil d'Etat, titres, décorations, émoluments ou pensions d'un gouvernement étranger. ici aussi il faut réserver la prohibition et la sanction de l' art. 12 Cst. en ce qui concerne les membres du Grand Conseil et rappeler qu'en vertu du droit fédéral l'interdiction des décorations et des titres étrangers s'applique en outre à tous les militaires." La Confédération a ainsi refusé d'accorder sa garantie à l' art. 178 Cst. gen. dans la mesure où cette disposition n'est pas conforme à l' art. 12 Cst. S'il constatait que l'acceptation d'une nomination à l'Ordre des arts et des lettres était contraire à l'interdiction des décorations de l' art. 12 Cst. , le Grand Conseil devait en déduire que l'autorisation prévue par la Constitution cantonale n'entrait pas en considération. Il a appliqué l' art. 12 Cst. en se conformant à la pratique des autorités fédérales, qu'il a étudiée de manière détaillée. Le recourant lui reproche d'avoir omis arbitrairement d'exercer le pouvoir d'appréciation qui lui est conféré par l'art. 22 de son règlement, qui répète la règle de l' art. 178 Cst. gen. Il est exact que les décisions des autorités fédérales relatives à l' art. 12 Cst. sont des précédents qui ne lient ni le Grand Conseil ni le Tribunal fédéral; un jugement indépendant est garanti. Le Grand Conseil connaissait cette situation; cela ressort de l'examen approfondi de l'affaire par la commission législative et aussi de la discussion du plénum. Il a étudié l'origine et le sens actuel des art. 12 Cst. et 178 Cst. gen. Il en a conclu, avec la volonté de respecter le droit fédéral, que l'acceptation de la décoration était interdite par l'art, 12 Cst, Les critiques du recourant sont donc injustifiées. b) Ce dernier soutient à tort qu'il était inadmissible d'appliquer l'art. 224 du règlement du Grand Conseil. Cette disposition règle BGE 115 Ia 127 S. 130 la procédure à suivre lorsqu'un député se trouve dans une situation d'incompatibilité, et son al. 4 vise expressément les cas qui surviennent au cours de la législature. L'al. 5 prévoit que le Président du Grand Conseil invite le député concerné à choisir, dans un délai de huit jours, entre le mandat de député et la fonction tenue pour incompatible. Cette réglementation peut être appliquée par analogie en cas d'acceptation d'une décoration décernée par un gouvernement étranger. 3. Le recourant prétend que l' art. 12 Cst. ne fait pas obstacle à l'acceptation de l'Ordre des arts et des lettres. Le Tribunal fédéral examine librement cette question, en tenant toutefois dûment compte de l'opinion du Grand Conseil du canton de Genève, qui est l'autorité cantonale suprême. Il n'est pas lié par la pratique des autorités fédérales, mais il ne saurait ignorer les solutions que celle-ci a apportées. a) Les méthodes développées pour l'interprétation des lois ordinaires s'appliquent en principe aussi aux dispositions constitutionnelles ( ATF 112 Ia 212 consid. 2a, avec références). Le Tribunal fédéral fait usage de plusieurs critères ( ATF 110 Ib 7 consid. cc, avec références). Il se réfère d'abord à la lettre de la disposition ( ATF 111 Ia 209 consid. 6a) et il détermine le sens et le but de la réglementation légale avec toutes les méthodes d'interprétation reconnues ( ATF 109 Ia 303 consid. 6c et d). Il met à contribution les travaux préparatoires et respecte la volonté originelle du constituant ou du législateur, dans la mesure où celle-ci a été exprimée dans le texte à interpréter ( ATF 109 Ia 303 consid. 12c avec références). Les travaux préparatoires sont pris en considération lorsqu'ils permettent d'attribuer un sens net à un texte obscur, mais plus ils sont anciens, moins ils sont concluants ( ATF 111 II 152 consid. 4a, ATF 108 Ia 37 ). Le Tribunal fédéral a jugé que, pour les règles constitutionnelles, le rôle des divers critères d'interprétation varie selon qu'il s'agit d'une prescription organique ou de la garantie d'un droit fondamental dont il faut déterminer l'étendue. Dans le premier cas, la marge d'interprétation est relativement étroite. En effet, les règles organiques de la Constitution n'ont pas la portée et la souplesse des dispositions qui régissent, sur le fond, les rapports de l'Etat à ses citoyens. Ces dernières nécessitent, plus qu'une interprétation, une concrétisation qui tienne compte de conditions historiques et de conceptions sociales en évolution. En revanche, les règles organiques reflètent la volonté du constituant quant à la BGE 115 Ia 127 S. 131 structure et au fonctionnement de l'Etat. Elles définissent un ordre qui n'a guère besoin d'être concrétisé. Des conceptions nouvelles ne peuvent pas être reçues lors de l'interprétation de la Constitution; s'il y a lieu, elles doivent être introduites par un amendement. Par conséquent, en l'absence d'un texte tout à fait clair, les données historiques sont prépondérantes; il faut s'en tenir aux représentations du constituant au moment où la règle a été édictée et à la pratique subséquente des autorités chargées de son application ( ATF 112 Ia 112 consid. 2a). b) Le texte de l' art. 12 Cst. est dépourvu d'ambiguïté. Il interdit l'acceptation de pensions, traitements, titres, cadeaux ou décorations de la part de gouvernements étrangers. Cette disposition vise d'abord les membres des autorités fédérales, les fonctionnaires fédéraux civils et militaires et les représentants et commissaires fédéraux. Il a son origine dans la Constitution de 1848; la révision totale de 1874 ne lui a apporté qu'une modeste extension. Ce n'est que sur la base d'une initiative populaire déposée en 1928 que l'interdiction a été élargie aux membres des gouvernements et des autorités législatives des cantons (BURCKHARDT, Kommentar zur Bundesverfassung von 1874, 3e éd., p. 101 ss). aa) En qualité de membre du Grand Conseil du canton de Genève, le recourant appartient au cercle des personnes auxquelles l'acceptation d'une décoration est interdite tant par l' art. 12 Cst. que par l' art. 178 Cst. gen. La notion constitutionnelle de la décoration ("Orden") est également claire. Il s'agit de la marque extérieure de l'appartenance à une collectivité, réelle ou seulement fictive, qui n'existe que pour honorer des personnes méritantes par une dénomination commune, et qui est décernée selon des règles précises, de manière qu'elle constitue une institution durable (BURCKHARDT, op.cit., p. 104). L'Ordre des arts et des lettres est sans aucun doute, selon ces critères, une décoration. Il ressort de la lettre du Ministère de la culture et de la communication, du 25 mai 1987, que cet ordre est une institution permanente créée en 1957, et que la nomination à l'un de ses trois grades (commandeur, officier, chevalier) intervient selon des règles déterminées, aux fins de reconnaître des contributions artistiques ou littéraires particulières. Il faut donc retenir, à première vue, que l'acceptation de cette distinction se heurte au texte clair de l' art. 12 Cst. bb) D'après l'origine historique de l'interdiction des décorations, le recourant prétend que celle-ci n'est pas dirigée contre BGE 115 Ia 127 S. 132 l'acceptation d'une distinction culturelle pour les contributions littéraires ou artistiques. Il est exact que, du point de vue historique, l'interdiction est liée au recrutement de mercenaires, au moyen de paiements, par les Etats étrangers, selon une pratique qui était courante dans l'ancienne Confédération (sur les antécédents et sur l'élaboration de l' art. 12 Cst. , voir l'exposé détaillé de PIAGET, Das Pensionen-, Titel- und Ordensverbot, thèse Zurich 1936, p. 7 ss). Cependant, l'interdiction reposait d'emblée sur l'idée tout à fait générale que les personnes au service de la Confédération ne doivent avoir à l'esprit que l'intérêt de celle-ci, sans avoir d'obligations, même morales, envers d'autres Etats (cf. BURCKHARDT, op.cit., p. 103). Cet objectif global a aussi été exprimé dans les discussions relatives à l'initiative de 1928 en faveur de l'extension de l'interdiction. Celle-ci devait, selon le projet, atteindre tous les Suisses sans exception. Cette rigueur a été jugée excessive, ce qui a mené à un contre-projet, finalement adopté, qui étendait l'interdiction des décorations aux membres des gouvernements et des parlements cantonaux. Au regard de ces éléments, l'influence historique du service militaire à l'étranger, qui a pu jouer un rôle dans la constitution de 1848, n'impose nullement l'interprétation restrictive de l' art. 12 Cst. qui est préconisée par le recourant. D'après le message relatif à l'initiative précitée, cette disposition doit combattre toute influence indésirable, pouvant se manifester aussi dans les cantons, exercée par la remise de décorations et de pensions. Le Conseil fédéral relevait que les cantons entretiennent de multiples relations culturelles et économiques avec l'étranger, qui peuvent les mener à entrer en rapport direct avec les autorités étrangères dans le cadre des art. 9 et 10 Cst. ; cette situation ne devait pas être ignorée, car quatorze cantons ou demi-cantons touchaient au territoire étranger (rapport du Conseil fédéral du 30 août 1929; FF 1929 II p. 795). L' art. 12 Cst. est destiné à exclure toute influence propre à compromettre l'indépendance des personnes concernées; cet objectif rigoureux ressort clairement du texte constitutionnel ainsi que des travaux préparatoires. Même des liens purement moraux, engendrés par des distinctions humanitaires ou culturelles, doivent être évités; à ces fins, les membres des parlements et gouvernements cantonaux ont également été assujettis à l'interdiction des décorations. Le constituant de 1931 a voulu aussi interdire, au sein des parlements cantonaux, l'acceptation de décorations à caractère culturel. BGE 115 Ia 127 S. 133 cc) La pratique des autorités fédérales montre également la vaste portée de l' art. 12 Cst. Elle confirme qu'il n'y a aucune différence, au regard de cette disposition, selon qu'une décoration récompense des performances militaires ou des contributions humanitaires ou culturelles (voir les exemples mentionnés par PIAGET, op.cit., p. 90 ss). Le rapport de la commission législative du Grand Conseil relève avec pertinence que le conseiller national Jean Ziegler a été invité, au début de la législature en cours, à abandonner le titre de chevalier de l'Ordre des arts et des lettres, qu'il a reçu à l'instar du recourant, ou à abandonner son mandat à l'Assemblée fédérale (BOCN, 30 novembre 1987, p. 1546). dd) Il reste à examiner si les modifications de la situation politique, survenues depuis 1931, imposent une appréciation différente. La jurisprudence du Tribunal fédéral n'exclut pas qu'une interprétation contemporaine puisse mettre en évidence une évolution du sens donné à une règle constitutionnelle, notamment en raison d'une transformation du contexte historique ( ATF 104 Ia 291 consid. c). Cependant, la signification attribuée à l' art. 12 Cst. n'a pas changé. Il importe peu qu'en raison du cercle des personnes concernées et de l'objet de l'interdiction, l' art. 12 Cst. ne parvienne qu'imparfaitement à prévenir des ingérences de l'étranger. A cet égard, les arguments du recourant ne dispensent pas le juge constitutionnel d'appliquer le droit en vigueur en en respectant le sens et le but. Contrairement à l'opinion soutenue dans le recours, l'interdiction des décorations ne fait pas obstacle à la collaboration de la Suisse, en matière culturelle et humanitaire, avec les autres pays et les organisations internationales. Elle n'entrave pas non plus les citoyens dans leurs travaux scientifiques, littéraires ou artistiques, même s'ils appartiennent au groupe défini par la disposition critiquée. De plus, l'interdiction des décorations s'apparente étroitement avec les règles organiques de la Constitution, cela même si elle ne peut pas tout à fait être assimilée à celles-ci. L'évolution des conceptions ne peut pas être prise en considération lors de l'interprétation des règles sur l'organisation des pouvoirs publics et la compétence des organes de l'Etat; elle doit plutôt mener à un amendement de ces règles ( ATF 112 Ia 213 consid. 2a, 216 consid. 2dd). Ce principe s'applique également à une interdiction des décorations étrangères visant un groupe déterminé de personnes; une telle règle ne perd pas sa validité simplement parce que, le cas échéant, le rôle de l'institution a changé.
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Sachverhalt ab Seite 34 BGE 94 IV 34 S. 34 A.- X. führt in Zürich ein Geschäftshaus, das vor allem Radio- und Fernsehapparate vertreibt. Im Sommer 1965 liess er in zwei Tageszeitungen der Stadt insgesamt fünf Inserate erscheinen, in denen er unter anderem Auto- und Kofferradios BGE 94 IV 34 S. 35 der Marken "Blaupunkt", "Grundig" und "Hitachi" zu Nettopreisen anbot. Die Apparate wurden näher bezeichnet, ihre Preise genau angegeben. Die Angebote trugen jeweils die durch Fettdruck besonders hervorgehobene Überschrift "Billigste Preise der Schweiz" und begannen mit dem etwas kleiner geschriebenen Satz "Seit 13 Jahren 20-40% Rabatt im ersten Discounthaus der Schweiz". Die Firma A. hielt die Inserate für unlauteren Wettbewerb und stellte am 15. September 1965 gegen X. Strafantrag. Sie wies darauf hin, dass sie sieben Radioapparate, die in den Inseraten aufgeführt würden, laut ihrem eigenen Angebot um Fr. 1.25 bis 9.- billiger verkaufe als X; dessen Behauptung, dass er die Apparate zu den billigsten Preisen der Schweiz anbiete, stelle daher eine unrichtige Angabe im Sinne von Art. 13 lit. b UWG dar. X. habe auch vorsätzlich gehandelt, da ihm die tieferen Preise der Firma A. bekannt gewesen seien. B.- Das Bezirksgericht Zürich und auf Berufung hin am 2. November 1967 auch das Obergericht des Kantons Zürich sprachen X. frei. Das Obergericht begründet den Freispruch insbesondere damit, dass die Anpreisungen von Radiogeschäften der Jahrmarktreklame nahekämen und daher rechtlich wie diese zu behandeln seien; der Durchschnittskäufer lasse sich durch solche Reklame nicht blenden, sondern mache von sich aus die nötigen Abstriche. Wenn sie von einem Discountgeschäft ausgehe, wie der Angeklagte eines betreibe, so knüpfe die Reklame freilich an die beim Publikum vorhandene Vorstellung an, Geschäfte dieser Art seien billiger; auch habe X. es nicht bei blossen Behauptungen bewenden lassen, sondern diese mit überprüfbaren Angaben zu belegen versucht. Seine Inserate wirkten jedoch wegen der Überschrift und weiterer Übertreibungen derart marktschreierisch, dass sie nur von einem kleinen Teil der Leser ernst genommen würden. Inhaltlich unrichtig und irreführend wären die Inserate zudem nur, wenn sie den Eindruck erweckten, man erhalte bei X. jeden Artikel billiger als anderswo. Das treffe nicht zu und werde auch von der Anzeigerin nicht behauptet. Die Firma A. habe aus den 48 angepriesenen Radio-, Tonband- und Fernsehgeräten lediglich sieben Autoradios herausgegriffen; die andern Artikel der Inserate übergehe sie mit Stillschweigen. Nach allgemeiner Anschauung verkaufe indes nicht derjenige Kaufmann am BGE 94 IV 34 S. 36 billigsten, der bloss einzelne Artikel billiger absetze als seine Konkurrenten, sondern derjenige, der im Durchschnitt am billigsten liefere. Das hange vom gesamten Angebot und Preisgefüge eines Geschäftes ab. Dass der Angeklagte aber bei dieser Betrachtungsweise nicht am billigsten verkaufe, habe die Anzeigerin weder behauptet noch dargetan. C.- Die Firma A. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur Bestrafung des Angeschuldigten an die Vorinstanz zurückzuweisen. D.- X. hält die Beschwerde für unbegründet.
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Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 13 lit. b UWG wird wegen unlauteren Wettbewerbs auf Antrag bestraft, wer vorsätzlich über sich, die eigenen Waren, Werke, Leistungen oder Geschäftsverhältnisse unrichtige oder irreführende Angaben macht, um das eigene Angebot im Wettbewerb zu begünstigen. Ob die eingeklagten Inserate unrichtige oder irreführende Angaben im Sinne dieser Bestimmung enthalten, ist eine Rechtsfrage, die das Bundesgericht frei überprüfen kann. Sie beurteilt sich weder nach der Art, wie andere Radiogeschäfte die Ware anzupreisen pflegen, noch danach, wie X. die Preise festsetzt und was er selber davon hält. Massgebend ist vielmehr, welchen Sinn der unbefangene Leser den Inseraten in guten Treuen beilegen darf. Dieser Sinn ist auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung und der besonderen Umstände des Einzelfalles zu ermitteln ( BGE 90 IV 45 ). Dabei sind an die Würdigung von Einzelheiten vor allem dann keine strengen Anforderungen zu stellen, wenn es um Inserate geht, die sich wie die vorliegenden an breite Schichten der Bevölkerung richten. Solche Angebote werden namentlich von einfachen Leuten erfahrungsgemäss schnell gelesen und nicht kritisch geprüft. Auch braucht nicht untersucht zu werden, ob Käufer sich von falschen Angaben leiten lassen oder ob sie die Ware auch bei wahrheitsgemässer Anpreisung erstehen würden. Angaben im Sinne von Art. 13 lit. b UWG sind an sich unerlaubt, gleichviel, ob jemand tatsächlich getäuscht oder irregeführt werde; erforderlich ist bloss, dass sie dazu geeignet sowie darauf angelegt sind, das eigene Angebot zu begünstigen. Darüber aber, dass diese Erfordernisse hier erfüllt sind, können keine Zweifel bestehen. BGE 94 IV 34 S. 37 a) Auf dem Radiomarkt besteht heute wegen des grossen und vielfältigen Angebotes von Apparaten ein harter Preiskampf. Die Mitbewerber suchen einander zuvorzukommen, indem sie die Ware unter den Katalogpreisen anbieten und sich mit einer kleinern Handelsmarge begnügen. Die Inhaber von Discountgeschäften haben dabei den Vorteil für sich, dass sie mit weniger Dienstleistungen auskommen und die Ware schon deshalb billiger verkaufen können als herkömmliche Fachgeschäfte. Sie machen damit denn auch in der Erwartung Reklame, dass Interessenten, die besonders günstig einkaufen wollen, die Angebote der Discountgeschäfte gerade deswegen für die billigsten halten und andern vorziehen. Auch X. weist in seinen Inseraten darauf hin, dass er ein Discountgeschäft führe und deshalb in der Lage sei, aussergewöhnliche Rabatte von 20-40% zu gewähren, die Katalogpreise also um so viele Prozente zu unterbieten. Schon aus diesen Gründen lässt sich die gross und fettgedruckte Behauptung des Angeklagten, dass er zu den billigsten Preisen der Schweiz verkaufe, nicht als offensichtliche Übertreibung oder blosse Jahrmarktreklame abtun. Dazu kommt, dass X. es nicht bei Behauptungen bewenden liess, sondern diesen Auszüge aus Preislisten über Radio-, Tonband- und Fernsehgeräte beifügte. Er zählte jeweils drei Reihen solcher Artikel auf, die er näher bezeichnete und zu den ebenfalls angegebenen Nettopreisen zu verkaufen versprach. Damit machte er die Leser aber glauben, er biete alle aufgeführten Apparate zu den billigsten Preisen der Schweiz an, jeder andere Konkurrent im Lande verkaufe sie also teurer als er; jedenfalls waren seine Behauptungen im dargelegten Zusammenhang geeignet, bei einem Grossteil der Leser diesen Glauben zu erwecken. Seine Behauptungen trafen jedoch, wie die Firma A. im Verfahren nachgewiesen hat, schon im Verhältnis zu dieser Firma nicht zu, waren folglich irreführend. Die Anzeigerin wirft ihm daher mit Recht vor, dass seine Inserate gegen Art. 13 lit. b UWG verstossen. b) Das Obergericht meint freilich, die Frage, ob die Inserate des Angeklagten inhaltlich unrichtig oder irreführend seien, hange nicht von den darin angeführten Preisen, sondern vom gesamten Angebot und Preisgefüge seines Geschäftes ab. Für eine solche Auffassung lässt sich den Inseraten des X. indes nichts entnehmen. Das Obergericht übersieht selber nicht, dass BGE 94 IV 34 S. 38 X. nicht bloss rundheraus behauptete, er verkaufe zu den billigsten Preisen der Schweiz, sondern dafür jeweilen "einige Beispiele" anführte. Unter diesen Umständen hatte er aber für die Wahrheit der angegebenen Preise einzustehen, da die vergleichende Werbung nur zulässig ist, wenn die Vergleichung objektiv wahr und nicht irreführend ist ( BGE 87 II 116 und dort angeführte Urteile). X. hat die als Beispiele aufgeführten Waren zu bestimmten Preisen, die angeblich die günstigsten im Lande waren, angeboten; er muss sich folglich dabei behaften lassen, gleichviel, wie sich seine Durchschnittspreise zu denjenigen anderer Geschäfte verhalten. Dass er die Behauptung "Billigste Preise der Schweiz" in Fettdruck, die Beispiele dagegen in gewöhnlicher Schrift wiedergeben liess, ändert daran nichts; der Sinn der Inserate war deswegen kein anderer. Die Irreführung lässt sich auch nicht damit verneinen, dass die billigeren Preise, welche die Firma A. nachweisen konnte, bloss sieben Artikel betrafen und nur um einige Franken tiefer lagen. Es genügt, dass die Angaben des X. insoweit falsch waren; um wieviel sie von der Wahrheit abwichen, kann höchstens bei der Strafzumessung von Belang sein. Schliesslich kann für die Beurteilung des objektiven Tatbestandes auch nichts darauf ankommen, dass die Reklame auf dem Radiomarkt zu überborden droht. Selbst wenn mangels Strafantrages gegen unzulässige Reklame oft nicht eingeschritten wird, so heisst das nicht, dass der Richter einen klaren Verstoss gegen die geltende gesetzliche Ordnung mit der gegenseitigen Toleranz der Mitbewerber verharmlosen dürfe, ist doch das Bedürfnis, bei der steigenden Flut trügerischer Werbung dagegen streng vorzugehen, umso grösser. Missbräuchen wäre der Weg erst recht geebnet, wenn anders entschieden würde. c) Nach ihrem Text und ihrer Aufmachung kann sodann nicht zweifelhaft sein, dass die Inserate des X. den Zweck verfolgten, das eigene Angebot im Wettbewerb zu begünstigen. Der objektive Tatbestand des Art. 13 lit. b UWG ist somit auch in dieser Beziehung erfüllt. 2. Das Obergericht bezweifelt, ob X. vorsätzlich gehandelt habe, da er mit Rücksicht auf seine geringeren Nebenkosten, die Rabatte und die längere Garantiezeit habe annehmen dürfen, er sei der billigste. Ein Autoradio könne nämlich, wie der Angeklagte mit Recht einwende, nicht für sich allein benützt werden, sondern sei zum Einbau in ein Fahrzeug BGE 94 IV 34 S. 39 bestimmt, weshalb es schliesslich darauf ankomme, wie teuer der eingebaute Apparat sei. a) Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass der Einwand des Angeklagten der Bejahung des objektiven Tatbestandes nicht im Wege steht, folglich auch subjektiv nicht von Bedeutung sein kann. Mehr als dass der Täter die objektiven Merkmale der Tat kennt und will, erfordert der Vorsatz nicht ( Art. 18 Abs. 2 StGB ). Der Vorsatz der Irreführung ist daher gegeben, wenn X. die Tat gewollt beging, obschon er wusste oder nach den Umständen annehmen musste, dass seine Angaben geeignet waren, Kaufsinteressenten zu täuschen. Das hängt von der Aufmachung und dem Inhalt seiner Inserate, nicht davon ab, was er von seinen Kosten für Zubehör und Einbau hält und welche Rabatte er auf die Katalogpreise gewährt. Der Angeklagte brachte in seinen Inseraten jeweils klar zum Ausdruck, dass die darin aufgeführten Preise "netto" zu verstehen seien; über allfällige Nebenkosten für Einbau und Inbetriebsetzung schwieg er sich nicht nur bei den Autoradios, sondern auch bei den übrigen Apparaten aus. Die Sache ist daher zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Obergericht hat festzustellen, ob X. sich bewusst gewesen sei, das Publikum durch die Inserate irrezuführen, und ob er mit diesen auch die Absicht verfolgt habe, das eigene Angebot im wirtschaftlichen Wettbewerb zu begünstigen. Als Vorsatz im Sinne von Art. 18 StGB hat dabei auch der Eventualvorsatz zu gelten ( BGE 92 IV 67 ). b) Eine andere Frage ist, ob der Angeklagte aus zureichenden Gründen habe annehmen dürfen, er sei zur Tat berechtigt ( Art. 20 StGB ). Falls das Obergericht mit seinen Ausführungen zum Vorsatz die Frage bejahen wollte, so wäre diese Auffassung ebenfalls irrig. X. hat ohne Rücksicht auf die Mitbewerber behauptet, dass er zu den billigsten Preisen der Schweiz verkaufe, und die Behauptung mit genauen Preisangaben glaubhaft zu machen versucht. Ob die aufgeführten Preise wirklich die billigsten im Lande waren, konnte er jedoch nicht überprüfen. Seine Behauptung war daher mutwillig. Rechtsirrtum kommt ihm auch nicht schon deswegen zugute, weil andere Radiohändler sich angeblich gleich verhalten. Als Kaufmann muss der Angeklagte wissen, dass ihm dies kein Recht gibt, seinerseits mit unlauteren Mitteln zu werben. BGE 94 IV 34 S. 40
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Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichtes des Kantons Zürich vom 2. November 1967 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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de
Sachverhalt ab Seite 110 BGE 88 III 109 S. 110 A.- Mit Erklärung vom 6. September 1957 übernahm die Firma Schneier & Co. Nachfolger Dr. Kurt Schleuniger in Zürich die Delcrederehaftung für die Firma Polimex Trust Reg. in Vaduz, die mit dem polnischen Nationalunternehmen Rolimpex in Warschau mehrere Kaufverträge BGE 88 III 109 S. 111 abgeschlossen hatte. Nachdem die Firma Polimex unter Berufung darauf, dass die Firma Rolimpex ihre Lieferpflichten nur teilweise erfüllt habe, den noch nicht bezahlten Teil ihrer Kaufpreisschuld mit einer Schadenersatzforderung gegen die Firma Rolimpex verrechnet hatte, belangte diese Dr. Kurt Schleuniger und die Firma Dr. Kurt Schleuniger & Co. auf Grund der Delcredereerklärung vom 6. September 1957 vor einem Schiedsgericht auf Zahlung des Kaufpreisrests. Am 11. Oktober 1960 stellte die Firma Rolimpex eine Urkunde mit notariell beglaubigten Unterschriften aus, die gemäss amtlich beglaubigter Übersetzung aus dem Polnischen besagt, dass die Firma Rolimpex "im Ergebnis der gegenseitigen Verrechnungen" alle ihre Ansprüche gegen die Firma Schleuniger & Co. und Dr. Schleuniger an die Aktiengesellschaft "Dynamo, Dom Handlowy Import Eksport AG" in Warschau, ein anderes polnisches Nationalunternehmen, überweise. Die Firma Dynamo gab dem Prozessvertreter der Firma Rolimpex, Rechtsanwalt Dr. X in Zürich, am 19. Oktober 1960 von dieser Abtretung Kenntnis und ersuchte ihn, ihre Vertretung zu übernehmen. Den Drittschuldnern wurde die Abtretung einstweilen nicht angezeigt. Mit Urteil vom 21. Februar 1961 verpflichtete das Schiedsgericht die Firma Schleuniger & Co. und Dr. Schleuniger als Solidarschuldner, der Firma Rolimpex Franken 162'617.90 nebst 5% Zins ab 1. Dezember 1957 sowie eine Prozessentschädigung von Fr. 6500.-- zu bezahlen. Mit Entscheid vom 4. Oktober 1961 (zugestellt 13. Oktober 1961) wies das Obergericht des Kantons Zürich eine Nichtigkeitsbeschwerde der Beklagten gegen dieses Urteil ab. B.- Am 20. Oktober 1961 erwirkte die Firma Polimex für eine Schadenersatzforderung von Fr. 418'558.70 nebst Zins gegen die Firma Rolimpex beim Audienzrichter des Bezirksgerichtes Zürich gestützt auf Art. 271 Ziff. 4 SchKG einen Arrestbefehl, der als Arrestgegenstand das Guthaben BGE 88 III 109 S. 112 der Arrestschuldnerin gegen die Firma Schleuniger & Co. und Dr. Schleuniger im eben erwähnten Betrage (zuzüglich Fr. 3000. - Prozessentschädigung für das Kassationsverfahren) nannte. Gleichen Tags wurde dieses Guthaben durch das Betreibungsamt Zürich 6 unter Anzeige an die Drittschuldner arrestiert (Arrest Nr. 13). Mit Zahlungsbefehl Nr. 7857 vom 6. November 1957 prosequierte die Firma Polimex diesen Arrest. C.- Am 15. November 1961 ersuchte Dr. X den Prozessvertreter der Firma Schleuniger & Co. und des Dr. Schleuniger, Rechtsanwalt Dr. Herold in Zürich, den der Firma Rolimpex zugesprochenen Betrag zu seinen Handen an die Schweiz. Kreditanstalt zu zahlen. Am 21. November 1961 teilte er Dr. Herold u.a. mit, er habe gerüchtweise vernommen, dass die Firma Polimex gegen die Firma Rolimpex einen Arrest auf die Ansprüche gegen die Firma Schleuniger & Co. und Dr. Schleuniger zu erwirken gedenke oder allenfalls schon erwirkt habe; auf diesem Umweg wolle die Firma Polimex offenbar im Rahmen der Arrestprosequierung eine Art "Wiederaufnahme des Verfahrens" betreiben; ein solcher Versuch sei vorauszusehen gewesen. Im Anschluss hieran ersuchte er Dr. Herold, zur Kenntnis zu nehmen und seine Klientschaft sowie die Firma Polimex darüber zu orientieren, dass sämtliche Ansprüche der Firma Rolimpex gegen die Firma Schleuniger & Co. und Dr. Schleuniger seit dem 11. Oktober 1960 nicht mehr der Rolimpex zustünden, sondern durch Zession auf die Firma Dynamo übergegangen seien, was eine Arrestierung dieser Forderungen zur Sicherung angeblicher Ansprüche gegen die Firma Rolimpex ausschliesse. Er legte seinem Schreiben Photokopien der Abtretungsurkunde sowie des Schreibens der Firma Dynamo an ihn vom 19. Oktober 1960 und der ihm von dieser Firma gleichzeitig erteilten Vollmacht bei. - Mit einem vom 20. November 1961 datierten Schreiben brachte Dr. X die Abtretung an die Dynamo unter Zustellung von Photokopien der eben erwähnten Urkunden auch der Firma Polimex zur BGE 88 III 109 S. 113 Kenntnis mit dem Bemerken, dass zufolge dieser Abtretung ein Arrest in Zürich keine Ansprüche der Firma Rolimpex beschlagen könne und sofort.aufgehoben werden müsse. Zugleich machte er die Firma Polimex für allen aus dem Arrest entstehenden Schaden haftbar. Mit Zahlungsbefehl Nr. 8386 vom 25. November 1961 leitete die Firma Dynamo gegen die Firma Schleuniger & Co. gestützt auf das Schiedsgerichtsurteil und die Abtretung Betreibung für den der Firma Rolimpex zugesprochenen Betrag ein. Die Betriebene erhob Rechtsvorschlag. D.- Am 29. November 1961 ging die Arresturkunde Nr. 13 auf dem Rechtshilfeweg der Firma Rolimpex in Warschau zu. Tclegraphisch mit der Wahrung der Interessen dieser Firma in der Arrestsache beauftragt, reichte Dr. X in ihrem Namen sofort eine Arrestaufhebungsklage und eine Beschwerde ein, beides mit dem Begehren, der Arrest, der infolge der Abtretung vom 11. Oktober 1960 ins Leere gehe, sei aufzuheben. Die Firma Schleuniger & Co., die Dr. X am 23. November 1961 mitgeteilt hatte, sie könne seine Abtretungsanzeige im Hinblick auf den ihr am 20. Oktober 1961 angezeigten Arrest nicht mehr entgegennehmen, zahlte am 5. Dezember 1961 den Betrag von Fr. 202'820.90 auf das Konto des Betreibungsamtes Zürich 6 bei der Zürcher Kantonalbank ein (statt ihn gemäss Art. 168 OR gerichtlich zu hinterlegen). Der Arrestaufhebungsprozess wurde sistiert, die Beschwerde von der untern Aufsichtsbehörde am 14. Februar 1962 abgewiesen mit der Begründung, es fehle nicht an einem arrestierbaren Vermögenswert; vielmehr sei nur streitig, ob die arrestierte Forderung der Beschwerdeführerin (Firma Rolimpex) zustehe oder nicht; zur Austragung des Streites, wem diese Forderung materiellrechtlich zustehe, sehe das Gesetz das Widerspruchsverfahren bezw. den Klageweg vor ( Art. 106 ff. SchKG ); "somit wird es Sache der Beschwerdeführerin sein, zur Einleitung BGE 88 III 109 S. 114 des Widerspruchsverfahrens erst einmal bei der zuständigen Stelle, dem Betreibungsamte, an dem arrestierten Vermögenstück formgerecht eine Eigentumsansprache zu Gunsten der ,Dynamo' anzumelden unter Darlegung der rechtlich beachtlichen Existenz der Drittansprecherin, und in erster Instanz wird das Amt darüber zu entscheiden haben, ob die Drittmannsansprache zuzulassen ist oder nicht."
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Statt gemäss diesen Erwägungen die Ansprache der Firma Dynamo beim Betreibungsamt anzumelden, zog Dr. X den Entscheid vom 14. Februar 1962 an die obere kantonale Aufsichtsbehörde weiter. Erst nachdem diese mit ihrem sehr einlässlich begründeten Entscheide vom 27. März 1962 (zugestellt 4. April 1962) seinen Rekurs abgewiesen hatte, weil über die Zugehörigkeit der - einstweilen wirksam arrestierten - Forderung gegen die Firma Schleuniger & Co. und Dr. Schleuniger zum Vermögen der Arrestschuldnerin weder im Arrestaufhebungsprozess noch im Beschwerdeverfahren, sondern im Widerspruchsprozess zu entscheiden sei, schrieb Dr. X am 11. April 1962 dem Betreibungsamte, er teile ihm in aller Form sowohl namens der Firma Rolimpex als auch namens der Firma Dynamo mit, dass diese letztere, und zwar sie allein, Gläubigerin der vom Arrest Nr. 13 betroffenen Forderung sei, und ersuchte um Ansetzung der im SchKG vorgesehenen Fristen. E.- Hierauf erliess das Betreibungsamt am 13. April 1962 eine "nachträgliche Fristansetzung zur Klage" gemäss Art. 109 SchKG , womit es die Firma Polimex zur Klage auf Aberkennung der Eigentumsansprache der Firma Dynamo aufforderte. Auf Beschwerde der Firma Polimex hin entschied die untere Aufsichtsbehörde am 8. Juni 1962, die Drittansprache der Firma Dynamo werde wegen verspäteter Anmeldung als verwirkt erklärt und die Fristansetzung vom 13. April 1962 demgemäss aufgehoben. Die obere kantonale Aufsichtsbehörde hat dagegen mit BGE 88 III 109 S. 115 Entscheid vom 28. September 1962 die Beschwerde der Firma Polimex abgewiesen und die Verfügung des Betreibungsamtes vom 13. April 1962 wiederhergestellt. F.- Mit ihrem Rekurs an das Bundesgericht beantragt die Firma Polimex, die Eigentumsansprache der Firma Dynamo sei als verwirkt zu erklären und das vom Betreibungsamt eingeleitete Widerspruchsverfahren einzustellen. Erwägungen Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: 1. Nach den - gemäss Art. 275 SchKG auch für den Arrest massgebenden - Art. 106 ff. SchKG ist das hier geregelte Widerspruchsverfahren durchzuführen, wenn eine gepfändete (bzw. arrestierte) "Sache" vom Schuldner als Eigentum oder Pfand eines Dritten bezeichnet oder von einem Dritten als Eigentum oder Pfand beansprucht wird. Eine gewöhnliche (nicht in einem Wertpapier verkörperte) Forderung, wie sie im vorliegenden Fall in Frage steht, ist keine Sache. Seit dem Entscheid vom 19. November 1903 i.S. Caron werden jedoch die Art. 106 ff. SchKG analog angewendet, wenn nicht eine Sache, sondern eine Forderung oder ein anderes Recht gepfändet (oder arrestiert) ist und von einem Dritten als ihm zustehend beansprucht wird ( BGE 29 I 562 , BGE 31 I 197 , BGE 32 I 817 = Sep.ausg. 6 S. 286, 8 S. 56, 9 S. 399; BGE 47 III 7 , BGE 54 III 298 , BGE 67 III 51 , BGE 71 III 107 , BGE 75 III 10 , BGE 79 III 163 , BGE 88 III 56 ). Ob dabei die Klagefrist dem Drittansprecher oder dem Gläubiger anzusetzen sei, entscheidet sich nach der heute massgebenden Rechtsprechung darnach, ob die Berechtigung des Schuldners oder diejenige des Drittansprechers die grössere Wahrscheinlichkeit für sich habe ( BGE 67 III 51 und die eben erwähnten seitherigen Entscheide). In BGE 86 III Erw. 3 hat das Bundesgericht im Anschluss an die Feststellung, dass das Widerspruchsverfahren nach dem Wortlaut des Gesetzes nur zur Abklärung von Rechten an Sachen diene, dass es aber seit dem Urteil vom 19. November 1904 (richtig: 1903) auch BGE 88 III 109 S. 116 zur Austragung des Streits über das Gläubigerrecht an gepfändeten Forderungen verwendet worden sei, freilich ausgeführt: "Die neuere Rechtsprechung ist dann aber, der rechtlichen Natur der nicht in einem Wertpapier verkörperten Forderung Rechnung tragend, zu einer andern Art der Abklärung des Gläubigerrechts übergegangen: Die Forderung ist mit Rücksicht auf die Drittansprache eines Zessionars oder sonstigen Erwerbers als bestrittene zu pfänden. Sie kann hierauf - sowohl gegenüber dem Drittschuldner, der allenfalls noch andere Einreden erhebt, wie auch gegenüber dem als Zessionar oder als Erwerber aus anderm Rechtsgrund auftretenden Vierten - entweder vor jeder Verwertungsmassnahme durch das Betreibungsamt selbst auf Grund von Art. 100 SchKG oder aber, kraft Überweisung nach Art. 131 Abs. 2 SchKG , durch einen betreibenden Gläubiger oder endlich durch einen Ersteigerer geltend gemacht werden." Die als Belege für diese neuere Rechtsprechung angeführten Entscheide BGE 65 III 129 , BGE 66 III 42 und BGE 70 III 34 betreffen jedoch mit Ausnahme des letzten, der erklärt, dass im Konkurs mit Bezug auf gewöhnliche Forderungen das Aussonderungsverfahren im Sinne von Art. 242 Abs. 2 SchKG nicht Platz greife (vgl. hiezu BGE 76 III 11 , BGE 87 III 16 ), nur die Frage, wie vorzugehen sei, wenn im Falle der Pfändung künftigen Lohns über die Gültigkeit einer Lohnabtretung Streit herrscht. Nur für diesen besondern Fall hat das Bundesgericht in BGE 65 III 129 und BGE 66 III 42 die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens abgelehnt. Auch der Entscheid BGE 86 III 61 betraf einen Fall der Pfändung abgetretener Lohnansprüche. Zu den nach BGE 65 III 129 , BGE 66 III 42 und BGE 70 III 34 ergangenen Präjudizien, die bei Pfändung anderer Forderungen für die Abklärung des Gläubigerrechts weiterhin das Widerspruchsverfahren als anwendbar betrachten, wurde in BGE 86 III 61 nicht Stellung genommen. Es kann also trotz der allgemeinen Fassung der in diesem Entscheid enthaltenen, oben wiedergegebenen Erwägungen nicht die Rede davon sein, dass das Bundesgericht die im Jahre 1903 begründete Rechtsprechung über die Anwendbarkeit Art. 106 ff. SchKG bei Streit darüber, wem eine gepfändete Forderung zustehe, preisgegeben habe, sondern es wurde BGE 88 III 109 S. 117 davon nur für den Fall des Streits über die Gültigkeit einer der Pfändung künftigen Lohns entgegengehaltenen Lohnabtretung eine Ausnahme gemacht. 2. Die Eröffnung des Widerspruchsverfahrens hat zur Voraussetzung, dass das Betreibungsamt vom Schuldner oder vom Dritten über dessen Anspruch unterrichtet wird (vgl. Art. 106 Abs. 1 SchKG ). Der Dritte kann seinen Anspruch erst anmelden, wenn er von der Pfändung (oder Arrestierung) des Vermögensstücks, das er für sich beansprucht, hinlängliche Kenntnis hat. Eine von dieser Kenntnis an laufende Frist für die Anmeldung sieht das Gesetz nicht vor. Mit der Frage, bis wann die Anmeldung erfolgen könne, befasst sich einzig Art. 107 Abs. 4 SchKG . Darnach kann der- Dritte, "der nicht in die Lage gesetzt wurde, nach Massgabe dieser Bestimmungen vorzugehen" (s'il n'a pas été mis en mesure d'agir comme il est dit ci-dessus; che non sia stato posto in grado di agire a'termini delle precedenti disposizioni), einen Anspruch an der gepfändeten Sache oder an deren Erlös, solange dieser nicht verteilt ist, geltend machen. Unter einem Dritten, der "nicht in die Lage gesetzt wurde, nach Massgabe dieser Bestimmungen vorzugehen", kann nach dem Wortlaut in allen drei Amtssprachen und nach dem Zusammenhang nur ein Dritter verstanden werden, dem keine Frist im Sinne von Art. 107 Abs. 1 SchKG angesetzt wurde und der deshalb nicht die Möglichkeit hatte, Widerspruchsklage zu erheben. Aus Art. 107 Abs. 4 SchKG lässt sich also durch Umkehrschluss nur ableiten, (1) dass ein Dritter, dem nach Art. 107 Abs. 1 SchKG Frist zur Klage gesetzt worden ist, der aber diese Frist nicht benützt oder mit seiner Klage keinen Erfolg gehabt hat, den fraglichen Anspruch in der betreffenden Betreibung nicht nochmals geltend machen kann, und (2) dass ein Dritter selbst dann, wenn ihm keine Klagefrist angesetzt wurde, seinen Anspruch nach der Verteilung des Erlöses nicht mehr auf dem Wege des Widerspruchsverfahrens zur Geltung bringen kann. Dagegen folgt aus Art. 107 Abs. 4 SchKG (entgegen der in BGE BGE 88 III 109 S. 118 BGE 37 I 467 = Sep. ausg. 14 S. 246 vertretenen Auffassung) jedenfalls bei wörtlicher Auslegung nicht, dass der Dritte seinen Anspruch bei Gefahr der Verwirkung des Widerspruchsrechts beim Betreibungsamt anmelden müsse, sobald er in die Lage kommt, dies zu tun, d.h. sobald er von der Pfändung erfährt. Da das Gesetz eine Vorschrift dieses Inhalts auch sonst nicht enthält, muss also einem Dritten, dem keine Klagefrist eröffnet wurde, nach dem Gesetzeswortlaut grundsätzlich bis zur Verteilung des Erlöses gestattet sein, seinen Anspruch anzumelden (vgl. BGE 72 III 4 , BGE 83 III 24 , BGE 86 III 66 ). Die Rechtsprechung hat jedoch schon längst erkannt, dass dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt gelten kann. Wie in BGE 37 I 466 = Sep. ausg. 14 S. 245 zutreffend dargelegt, liegt der Festsetzung kurzer Verwirkungsfristen für die Bestreitung von Drittansprachen und für die Klage auf An- oder Aberkennung solcher Ansprachen ( Art. 106 Abs. 2, Art. 107 Abs. 1 und Art. 109 SchKG ) sowie der Bestimmung, dass die Betreibung bis zum Austrag der Sache eingestellt wird ( Art. 107 Abs. 2 SchKG ), unverkennbar das Bestreben zugrunde, Streitigkeiten über die Rechte Dritter an gepfändeten Gegenständen möglichst rasch und frühzeitig erledigen zu lassen, und können dem pfändenden Gläubiger, wenn der Dritte mit der Anmeldung seiner Ansprache bis zur Verteilung des Erlöses beliebig zuwarten darf, erhebliche Nachteile entstehen (unnötige Kosten; Beeinträchtigung der Möglichkeit, sich Nachdeckung zu verschaffen). Im Hinblick hierauf sowie in der Erwägung, es könne nicht zugelassen werden, dass der Gläubiger infolge der Nachlässigkeit oder des bösen Willens des Dritten solchen Gefahren ausgesetzt sei, und aus Art. 107 Abs. 4 SchKG folge e contrario, dass der Dritte seinen Anspruch anmelden müsse, sobald er von der Pfändung erfahre, ist das Bundesgericht im erwähnten Entscheid zum Schlusse gelangt, das Gesetz enthalte eine Lücke, die in dem Sinne auszufüllen sei, dass der Dritte seinen Anspruch bei Gefahr der Verwirkung binnen zehn Tagen, seitdem er von der BGE 88 III 109 S. 119 Pfändung des streitigen Gegenstands Kenntnis erlangt hat, anzumelden habe. Diese Schlussfolgerung ist später mit Recht als zu weitgehend befunden worden. Abgesehen davon, dass das aus Art. 107 Abs. 4 SchKG gewonnene Argument, wie schon gezeigt, nicht durchschlagend ist, bildet der unbenützte Ablauf einer lediglich durch die Praxis eingeführten Frist keinen genügenden Grund dafür, einem Dritten, der noch nicht durch eine gesetzlich vorgeschriebene Verfügung in das Betreibungsverfahren einbezogen worden ist, die Möglichkeit zu entziehen, in diesem Verfahren geltend zu machen, dass ihm an den gepfändeten Vermögensstücken materielle Rechte zustehen, die den durch die Pfändung begründeten Rechten der betreibenden Gläubiger vorgehen. Vielmehr kann nur eine schuldhafte Störung des Betreibungsverfahrens eine solche Verwirkung rechtfertigen. In BGE 48 III 52 wurde daher entschieden, die Verwirkung trete nicht ein, wenn die Nichtanmeldung innert der nach BGE 37 I 465 ff. massgebenden Frist durch die besonderen Umstände gerechtfertigt oder doch entschuldigt werde, und in BGE 67 III 67 f. wurde darüber hinaus festgestellt, der Drittansprecher verwirke sein Widerspruchsrecht nur dann schon vor der Verteilung des Erlöses, wenn er die Anmeldung seines Anspruchs arglistig verzögere, d.h. mit seiner Säumnis darauf ausgehe, das Betreibungsverfahren zu stören; nur wer in solcher Absicht in den Gang der Betreibung eingreife, verdiene, mit der verzögerten Ansprache nicht mehr gehört zu werden. Damit hat das Bundesgericht die durch BGE 37 I 465 ff. eingeführte Befristung des Rechts zur Anmeldung einer Drittansprache aufgegeben. In BGE 83 III 24 /25 und BGE 86 III 66 /67 wurde demgemäss festgestellt, die im fakultativen Formular Nr. 2 (Anzeige vom Vollzug einer Pfändung) enthaltene Aufforderung zur Anmeldung von Ansprachen an gepfändeten Gegenständen binnen zehn Tagen könne nicht als Ansetzung einer Verwirkungsfrist gelten, sondern es handle sich dabei nur um einen warnenden BGE 88 III 109 S. 120 Hinweis darauf, dass es im eigenen Interesse des Adressaten liege, allfällige Ansprachen möglichst bald anzumelden. Hiebei werde "von zehn Tagen als der normalerweise genügenden Überlegungsfrist ausgegangen und auf die mit längerem Zuwarten verbundene Gefahr hingewiesen, ohne dass aber das Anmeldungsrecht als solches befristet wäre" ( BGE 83 III 25 ). Dass der Dritte die Anmeldung seines Anspruchs arglistig verzögert habe, ist immerhin, wie die Rechtsprechung klargestellt hat, nicht nur dann anzunehmen, wenn durch Äusserungen des Dritten unmittelbar bewiesen ist, dass er mit seinem Zuwarten darauf ausging, das Betreibungsverfahren zu stören. Es genügt vielmehr, wenn aus den Umständen auf eine solche Absicht geschlossen werden muss. Dieser Schluss kann sich namentlich dann rechtfertigen, wenn der Dritte, ohne für sein Verhalten einen beachtlichen Grund angeben zu können, mit der Anmeldung längere Zeit zugewartet hat, obwohl ihm bewusst sein musste, dass er damit den Gang des Betreibungsverfahrens hemme. Längeres, eine angemessene Überlegungsfrist sehr stark überschreitendes Zuwarten im Bewusstsein der damit verbundenen Störung des Verfahrens begründet den Verdacht der Arglist. Diesen kann der Dritte nicht dadurch abwenden, dass er die Arglist kurzerhand bestreitet oder für sein Verhalten Gründe anführt, die sich als blosse Vorwände erweisen, sondern nur dadurch, dass er Tatsachen nennt und glaubhaft macht, die das Zuwarten mit der Anmeldung als verständlich und mit Treu und Glauben vereinbar erscheinen lassen (vgl. BGE 78 III 73 /74, BGE 81 III 55 /56 und 108, BGE 83 III 25 /26, BGE 84 III 87 /88 und BGE 86 III 67 ). 3. Im vorliegenden Fall erhielt der Anwalt der Firma Rolimpex, den auch die Firma Dynamo mit ihrer Vertretung "in Sachen Dr. K. Schleuniger & Co. sowie Dr. K. Schleuniger... betr. Forderung (Zession der ROLIMPEX, Warschau)" beauftragt hatte, gegen Ende November 1961 sichere Kenntnis davon, dass die Firma BGE 88 III 109 S. 121 Polimex die der Firma Rolimpex durch rechtskräftiges Schiedsgerichtsurteil zugesprochene Forderung gegen die Firma Schleuniger & Co. und Dr. Schleuniger hatte arrestieren lassen. Damit erhielt er Gelegenheit und Anlass, dem Betreibungsamte mitzuteilen, dass die Arrestschuldnerin die arrestierte Forderung an die Firma Dynamo abgetreten habe und dass diese demzufolge darauf Anspruch erhebe. Er unterliess dies aber und reichte unter Berufung auf die Abtretung eine Arrestaufhebungsklage und eine Beschwerde ein. Zur Anmeldung des Anspruchs der Firma Dynamo beim Betreibungsamte schritt er erst nach dem zweitinstanzlichen Beschwerdeentscheid, mehr als vier Monate nach dem Zeitpunkte, da er vom Arrest Kenntnis erhalten- hatte. Für dieses monatelange Zuwarten hatte er keinen beachtlichen Grund. Die Rechtsbehelfe, die er anstelle der gebotenen Vorkehr ergriff, taugten ganz offensichtlich nicht dazu, gestützt auf die behauptete Abtretung die Aufhebung des Arrestbeschlags zu erwirken. Es kann ihm also nicht zugute gehalten werden, er habe im Vertrauen darauf, dass er mit der Beschwerde oder mit der Arrestaufhebungsklage zum Ziel gelangen werde, einstweilen von der Anmeldung des Anspruchs der Firma Dynamo beim Betreibungsamt absehen dürfen. Der Erwägung der Vorinstanz, von einem Anwalt mit allgemeiner Praxis dürfe nicht ohne weiteres erwartet werden, dass er sich in diesen betreibungsrechtlichen Verfahrensfragen auskenne, kann nicht gefolgt werden. Ein Irrtum darüber, welcher Rechtsbehelf zu ergreifen sei, kann bei einem Anwalt jedenfalls dann nicht als verständlich gelten, wenn das Gesetz oder die Praxis hierüber klaren Aufschluss geben. So verhielt es sich im vorliegenden Fall angesichts der veröffentlichten ständigen, von der gebräuchlichen Fachliteratur (JAEGER N. 3 zu Art. 106 SchKG ; FRITZSCHE, Schuldbetreibung, Konkurs und Sanierung, I, 1954, S. 204 f.; FAVRE, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, 1956, S. 178) zutreffend dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichts, wonach BGE 88 III 109 S. 122 in solchen Fällen das Widerspruchsverfahren durchzuführen ist. Der Vertreter der Arrestschuldnerin und der Drittansprecherin behauptet denn auch selber nicht, dass ihm diese Praxis unbekannt gewesen sei oder dass er sie aus einem beachtlichen Grunde als überholt betrachtet habe. Insbesondere macht er nicht etwa geltend, er sei durch die in Erwägung 1 hievor wiedergegebenen Ausführungen im Entscheide BGE 86 III 61 in den Irrtum versetzt worden, das Bundesgericht habe diese Praxis aufgegeben, so dass dahingestellt bleiben kann, ob ein solcher Irrtum begreiflich gewesen wäre. Sebst wenn man ihm aber noch zubilligen wollte, er habe anfänglich in guten Treuen der Meinung sein können, die behauptete Abtretung der arrestierten Forderung lasse sich auf dem von ihm eingeschlagenen Wege zur Geltung bringen, so konnte er doch auf jeden Fall nach dem Entscheide der untern Aufsichtsbehörde in der Beschwerdesache, der ihn mit aller Deutlichkeit auf die Notwendigkeit einer Anmeldung des Drittanspruchs beim Betreibungsamte hinwies, nicht mehr im Zweifel darüber sein, was er vorzukehren habe. Sogar wenn er nach wie vor glaubte, der Arrestbeschlag müsse auf seine Beschwerde hin aufgehoben werden, und es deshalb für richtig hielt, den Entscheid der untern Aufsichtsbehörde an die zweite Instanz weiterzuziehen, musste ihm nunmehr doch mindestens soviel klar sein, dass dieses Vorgehen den gewünschten Erfolg keineswegs mit Sicherheit erwarten liess und dass es sich nach den Grundregeln einer sorgfältigen Interessenwahrung folglich aufdrängte, ohne weitern Verzug die ihm von der untern Aufsichtsbehörde nahegelegte Rechtsvorkehr zu treffen. Es bestand kein auch nur einigermassen einleuchtender Grund dafür, diese ganz einfache Massnahme nochmals nahezu zwei Monate aufzuschieben. Der Vertreter der Arrestschuldnerin und der Drittansprecherin musste sich aber auch davon Rechenschaft geben, dass sein Zuwarten geeignet war, die Abwicklung des Betreibungsverfahrens zu verzögern. Wie die Vorinstanz BGE 88 III 109 S. 123 zutreffend ausgeführt hat, hätten die von ihm eingereichte Beschwerde (der keine aufschiebende Wirkung erteilt wurde) und die nur mit der streitigen Abtretung begründete Arrestaufhebungsklage die Eröffnung des Widerspruchsverfahrens über die Ansprache der Firma Dynamo nicht gehindert. Es lässt sich aber auch nicht etwa sagen, die Verzögerung der Einleitung dieses Verfahrens sei im Verhältnis zur voraussichtlichen Dauer des Widerspruchsprozesses gering und deshalb unerheblich. Zwar ist möglich, dass dieser Prozess im vorliegenden Falle viel Zeit in Anspruch nähme, weil Verhältnisse und Vorgänge im Ausland zu beurteilen wären. Gerade dann, wenn mit einer langen Prozessdauer zu rechnen ist, hat aber der betreibende Gläubiger ein wesentliches Interesse daran, dass wenigstens die Einleitung des Verfahrens nicht übermässig verzögert wird. Aus diesen Gründen muss die erst am 11. April 1962 erfolgte Anmeldung des Anspruchs der Firma Dynamo nach den in Erwägung 2 hievor dargelegten Grundsätzen als verspätet gelten. Die Verzögerung der Anmeldung lässt sich nach den Umständen nur mit dem Bestreben erklären, der Arrestgläubigerin Schwierigkeiten zu bereiten. 4. Die Vorinstanz hat freilich gefunden, diese Anmeldung müsse unabhängig davon, aus welchen Gründen sie sich verzögert habe, auf jeden Fall deswegen berücksichtigt werden, weil die Sanktion der Verwirkung im vorliegenden Falle zu weit gehe. Dass die Firma Dynamo die arrestierte Forderung gestützt auf eine Abtretung der Firma Rolimpex für sich beanspruche, sei nämlich der Arrestgläubigerin und den Drittschuldnern durch die Schreiben des Dr. X vom 20./21. November 1961 und dem Betreibungsamte durch die ihm zur Vernehmlassung zugestellte Beschwerde vom 1. Dezember 1961 zur Kenntnis gelangt. Die Drittansprache sei also nicht verborgen gehalten, sondern nur auf unrichtigem Wege geltend gemacht worden. Den zögernden Drittansprecher mit der.Anmeldung auszuschliessen, rechtfertige sich nur, wenn BGE 88 III 109 S. 124 das Betreibungsamt über keine mildern Mittel verfüge, um der drohenden Störung des Betreibungsverfahrens zu begegnen. Diese Bedingung sei hier nicht erfüllt. Das Betreibungsamt sei zwar nicht verpflichtet gewesen, von Amtes wegen das Widerspruchsverfahren einzuleiten. Nachdem es auf Umwegen von der behaupteten Abtretung der arrestierten Forderung erfahren habe, hätte es aber die Möglichkeit gehabt, "die angebliche Zessionarin anzufragen, ob sie ein Drittmannsrecht anmelden wolle, und ihr hiezu unter Androhung der Verwirkung des Anmelderechts eine Frist anzusetzen." Hieran ist richtig, dass das Betreibungsamt nicht verpflichtet (ja nicht einmal befugt) war, das Widerspruchsverfahren einzuleiten, nachdem es aus der Beschwerde der Arrestschuldnerin erfahren hatte, dass diese geltend machte, die arrestierte Forderung sei an die Firma Dynamo abgetreten worden. Voraussetzung für ein Handeln des Amtes nach Art. 106 ff. SchKG ist eine an es selber gerichtete Erklärung. Eine solche wollten die Arrestschuldnerin und die Firma Dynamo vor dem 11. April 1962 gerade nicht abgeben, und zwar auch dann noch nicht, als sie von der untern Aufsichtsbehörde über das richtige Vorgehen belehrt worden waren. Der Vorinstanz kann dagegen nicht beigepflichtet werden, wenn sie annimt, das Betreibungsamt hätte der Firma Dynamo eine Verwirkungsfrist für die Anmeldung ihres Anspruchs setzen können. Hiezu war das Amt, wie in Erwägung 2 hievor ausgeführt, nicht befugt. Eine Aufforderung des Amtes zur Anmeldung des Drittanspruchs hätte vielmehr nur den Sinn eines warnenden Hinweises darauf haben können, dass es im Interesse dieser Firma liege, allfällige Ansprüche möglichst bald anzumelden. In diesem Sinne ist der Vertreter der Arrestschuldnerin und der Firma Dynamo tatsächlich zur Anmeldung aufgefordert worden, zwar nicht durch das Betreibungsamt, wohl aber durch den mehrerwähnten Entscheid der untern Aufsichtsbehörde vom 14. Februar 1962, wo es hiess, BGE 88 III 109 S. 125 die Eigentumsansprache an der arrestierten Forderung sei beim Betreibungsamt anzumelden, das erstinstanzlich über ihre Zulassung zu befinden habe. Diese Aufforderung bewog ihn jedoch wie festgestellt nicht, die fragliche Ansprache nunmehr (mindestens vorsorglich) anzumelden. Vielmehr beschränkte er sich zunächst darauf, die Beschwerde weiterzuverfolgen. Eine vom Betreibungsamt im Anschluss an die Zustellung der Beschwerde vom 1. Dezember 1961 erlassene Aufforderung hätte unzweifelhaft nicht mehr Erfolg gehabt als diejenige im Entscheid der untern Aufsichtsbehörde. Das Mittel, mit dem das Betreibungsamt nach der Auffassung der Vorinstanz der drohenden Verzögerung des Verfahrens hätte entgegentreten können und sollen, wäre folglich, soweit überhaupt zulässig, nutzlos gewesen.
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Dispositiv Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer: In Gutheissung des Rekurses werden der angefochtene Entscheid und die vom Betreibungsamt Zürich 6 am 13. April 1962 in der Arrestsache Nr. 13 erlassene Fristansetzung zur Klage aufgehoben.
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de
Sachverhalt ab Seite 349 BGE 87 II 349 S. 349 Aus dem Tatbestand: Die Klägerin, die "Einfach"-Reinigung A.-G., Zürich, ist ein Unternehmen für die chemische Reinigung von Kleidern. Die Beklagte, die Wetex A.-G. in St. Gallen, betreibt ebenfalls ein Kleiderreinigungsgeschäft mit Filialen in Winterthur und Zürich. Die beiden Unternehmen wurden im November 1958 im Handelsregister eingetragen. Die Klägerin machte in Zürich und Umgebung lebhafte Reklame unter dem Schlagwort "einfach" bzw. "einfach-Reinigung". Die Beklagte empfahl sich in Winterthur und Zürich durch Inserate, Prospekte und Schaufensteranschläge ebenfalls für die "Einfachreinigung", bzw. die "Einfach-Reinigung" von Kleidern. Die deswegen von der Klägerin erhobene Klage aus unlauterem Wettbewerb wurde vom Handelsgericht des Kantons Zürich abgewiesen. Das Bundesgericht bestätigt. BGE 87 II 349 S. 350
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Wie aus der Klageschrift ersichtlich ist, stützt sich die Klage in erster Linie auf Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG . Danach begeht unlauteren Wettbewerb, wer Massnahmen trifft, die bestimmt oder geeignet sind, Verwechslungen mit den Waren, Werken, Leistungen oder dem Geschäftsbetrieb eines andern herbeizuführen. Die Beklagte verwendet nun zwar in ihrer Werbung ebenfalls die Bezeichnung "Einfach-Reinigung", die im Firmennamen der Klägerin enthalten ist und von dieser auch in der Reklame gebraucht wird. Ein unlauterer Wettbewerb kann in diesem Vorgehen der Beklagten indessen gleichwohl nicht gesehen werden, weil es sich bei der in Frage stehenden Wortverbindung nach den zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz um eine Sachbezeichnung handelt, die auch im Bereiche des Wettbewerbsrechts dem allgemeinen Gebrauch freigehalten werden muss ( BGE 80 II 173 f., BGE 81 II 468 ). Dass der Ausdruck "Einfach-Reinigung" eine Sachbezeichnung darstellt, kann entgegen der Behauptung der Klägerin nicht zweifelhaft sein. Aus dem klaren Wortsinn ergibt sich, dass damit, im Gegensatz zur sog. Vollreinigung, ein weniger gründlicher, eben ein einfacherer Reinigungsvorgang umschrieben werden soll. Die Ausführungen, mit denen die Berufung dies widerlegen will, sind unbehelflich.. .. c) Die Berufung bezeichnet die Meinung des Handelsgerichts, jedermann wisse, was unter "Einfach-Reinigung" zu verstehen sei, als irrig, da eine grosse Zahl von Reinigungsverfahren bestünden; der Ausdruck "Einfach-Reinigung" sei vorerst für das Publikum wie für den Fachmann inhaltsleer gewesen. Wie in BGE 80 II 176 , Erw. 3, ausgeführt worden ist, können auch neue, bisher ungebräuchliche Ausdrücke im Gemeingut stehende Beschaffenheitsangaben darstellen, sofern sie nur die Ware in allgemein verständlicher Weise BGE 87 II 349 S. 351 beschreiben. Massgebend ist, ob das betreffende Wort, sobald es im Geschäftsverkehr gebraucht wird, nach dem Sprachgebrauch oder den Regeln der Sprachbildung von den beteiligten Kreisen als Beschaffenheitshinweis aufgefasst werden kann. Das trifft auf die hier in Frage stehende Bezeichnung zu. Nach den Feststellungen der Vorinstanz ist der Begriff der einfachen Reinigung im Geschäftszweig der chemischen Reinigung erst in den letzten Jahren (in der Schweiz 1958/59) aufgekommen. Gemäss den Ausführungen der Vorinstanz "hängt dies nur damit zusammen, dass die chemische Reinigung, die hauptsächlich für stark verschmutzte oder verfleckte Kleider in Anspruch genommen wurde, eine gründliche Reinigung zur Beseitigung aller Flecken anstrebte, was eine Vor-, Haupt- und Nachbehandlung erforderte, längere Zeit beanspruchte und auch verhältnismässig kostspielig war. Neue Apparaturen und das Bedürfnis einer bestimmten Kundschaft, nicht zu stark verschmutzte Kleider in kürzerer Zeit und mit wenig Kosten wieder einigermassen instandstellen zu lassen, haben dann zum abgekürzten Verfahren geführt, das in einem "einfachen" Arbeitsgang ohne Vor- und Nachbehandlung besteht und deshalb auch als "Kleiderbad" bezeichnet worden ist." Unter diesen Umständen kann nicht zweifelhaft sein, dass die beteiligten Kreise, und zwar sowohl die Fachleute wie die Kundschaft, den Ausdruck "Einfach-Reinigung" von Anfang an und ohne weiteres als Bezeichnung einer neuen Reinigungsart aufgefasst haben, welche gegenüber den bisher üblichen Verfahren eine Vereinfachung aufweist. Das genügt für die Annahme einer Sachbezeichnung. Nicht erforderlich ist, dass das angesprochene Publikum über Einzelheiten der Vereinfachung und deren Auswirkung auf Preis und Zeitdauer der Reinigung orientiert war. 3. Die Verwendung einer gleichen Sachbezeichnung durch einen Konkurrenten kann unlauteren Wettbewerb BGE 87 II 349 S. 352 darstellen, wenn sie infolge langen Gebrauchs durch den ersten Verwender zum Individualzeichen geworden ist, d.h. wenn es in dem Sinne Verkehrsgeltung erlangt hat, dass es von den beteiligten Verkehrskreisen allgemein als Hinweis auf den betreffenden Verwender empfunden wird. Die Vorinstanz hat dies für den vorliegenden Fall mit der Begründung verneint, zur Erreichung einer solchen Wirkung sei eine Zeitspanne von nur zwei Jahren ungenügend. Die Klägerin bestreitet die Richtigkeit dieser Überlegung. Sie macht geltend, dank geschickter Werbung habe sich die in Frage stehende Bezeichnung beim Publikum in Zürich und Winterthur als Hinweis auf die Klägerin und die Qualität der von ihr angebotenen Dienstleistung durchgesetzt. a) Das Bundesgericht hat als Rechtsfrage frei zu prüfen, ob der kantonale Richter den Begriff der Verkehrsgeltung, auf die es entscheidend ankommt, zutreffend aufgefasst und angewendet habe. Tatfrage und darum der Nachprüfung des Bundesgerichts entzogen ist dagegen, ob sich bei den massgebenden Abnehmerkreisen die Vorstellung eines bestimmten Herkunftshinweises gebildet hat oder nicht. Die Voraussetzungen der vom Recht anzuerkennenden Entwicklung einer gemeinfreien Sachbezeichnung zum Individualzeichen können nicht allgemein und abschliessend festgelegt werden. Es lassen sich lediglich Richtlinien aufstellen, deren Handhabung im Einzelfall dem Ermessen des Richters erheblichen Raum lässt. Nach Rechtsprechung und Lehre sind an die Wandlung zum Individualzeichen mit Einräumung des entsprechenden Ausschliesslichkeitsrechts desto höhere Anforderungen zu stellen, je stärker das Freihaltebedürfnis für eine Sachbezeichnung ist (VON BÜREN, Komm. zum UWG S. 121, N. 54). b) Im vorliegenden Fall besteht ein ausgesprochen starkes Freihaltebedürfnis. Wie nicht streitig ist, wird von BGE 87 II 349 S. 353 zahlreichen Reinigungsinstituten eine vereinfachte Reinigung angeboten, die derjenigen der Klägerin ähnlich ist. Diese vereinfachte Art der Reinigung kommt einem weit verbreiteten Wunsche des Publikums entgegen. Das allgemeine Interesse verlangt daher, dass die weitaus klarste und zweckmässigste Bezeichnung "Einfach-Reinigung" für den allgemeinen Gebrauch freigehalten wird; die Monopolisierung dieses Ausdrucks zugunsten eines einzelnen Wettbewerbers kann deshalb nur in Betracht kommen, wenn er sich bei den Kundenkreisen allgemein als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen so durchgesetzt hat, dass der Sachcharakter der Bezeichnung verblasst oder in Vergessenheit geraten ist. Hievon kann hier nicht die Rede sein. Das Handelsgericht stellt fest, dass eine Individualisierung der umstrittenen Bezeichnung unter den gegebenen Umständen innerhalb der zwei Jahre, während denen die Klägerin ihre Reklame entfaltete, nicht möglich war. Diese Feststellung ist für das Bundesgericht verbindlich. Die Vorinstanz ist zu ihr zwar ohne Beweiserhebung gestützt auf die Würdigung der gegebenen Verhältnisse gelangt. Darin liegt eine vorweggenommene Beweiswürdigung, die dem kantonalen Richter von Bundesrechts wegen nicht verwehrt ist. Das Handelsgericht war daher nicht verpflichtet, die von der Klägerin angetragenen Beweise abzunehmen, wenn es bereits auf Grund vorweggenommener Beweiswürdigung zur Überzeugung gelangte, eine Individualisierung der Bezeichnung "Einfach-Reinigung" zugunsten der Klägerin sei nicht erfolgt. Wird vom Sachverhalt ausgegangen, den die Vorinstanz ihrem Entscheid zu Grunde gelegt hat, so verstösst dieser hinsichtlich der Verkehrsgeltung der Bezeichnung "Einfach-Reinigung" nicht gegen Bundesrecht. Insbesondere kann nicht gesagt werden, das Handelsgericht habe die Grenze seines Ermessens überschritten. Sein Entscheid entspricht durchaus den Grundgedanken des schweizerischen BGE 87 II 349 S. 354 Wettbewerbsrechts. Mit diesen wäre unvereinbar, eine für das tägliche Leben wichtige Sachbezeichnung im Interesse eines einzelnen zu monopolisieren.
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de
Sachverhalt ab Seite 10 BGE 120 III 9 S. 10 Das Betreibungsamt B. erliess am 22. Dezember 1993 in der Betreibung Nr. ... auf Begehren des Staates Solothurn einen Zahlungsbefehl. Nach zwei erfolglosen Versuchen konnte am 3. Februar 1994 dessen Zustellung an die X. AG erfolgen. Die Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Solothurn wies die von der X. AG gegen die Zustellung des Zahlungsbefehls erhobene Beschwerde ab. Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts weist den von der X. AG dagegen erhobenen Rekurs ab aus folgenden
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Erwägungen Erwägungen: 1. Die Rekurrentin betrachtet die Ausstellung eines Zahlungsbefehls als Betreibungshandlung, welche in den Betreibungsferien nicht ausgeführt werden dürfe. Das Betreibungsamt erlässt nach Empfang des Betreibungsbegehrens den Zahlungsbefehl mit den vom Gesetz vorgesehenen Angaben ( Art. 69 SchKG ). Die Abfassung des Zahlungsbefehls ist zwar eine Amtshandlung der hiefür zuständigen Behörde, bringt jedoch den Betreibenden seinem Ziel (noch) nicht näher und greift in die Rechtsstellung des Betriebenen nicht ein. Das Ziel des Gesetzgebers, den Schuldner zu gewissen Zeiten dem Drängen seiner Gläubiger nicht auszusetzen, wird dadurch nicht in Frage gestellt. Der Erlass des Zahlungsbefehls gehört somit nicht zu jenen von der Rechtsprechung als Betreibungshandlung verstandenen Tätigkeiten, die während den Betreibungsferien untersagt sind ( Art. 56 SchKG ; BGE 117 III 4 E. 3 S. 5; BGE 115 III 11 E. 1b S. 14). BGE 120 III 9 S. 11 Die Schuldbetreibung beginnt erst mit der Zustellung des Zahlungsbefehls ( Art. 38 Abs. 2 SchKG ). Nun wird der Betriebene zur Zahlung aufgefordert und auf die Möglichkeit des Rechtsvorschlags sowie die allfällige Fortsetzung der Betreibung hingewiesen ( Art. 69 Abs. 1 Ziff. 2-4 SchKG ). Im weitern sieht das Gesetz gegen den Zahlungsbefehl eine Beschwerde an die Aufsichtsbehörde vor ( Art. 17 SchKG ). Dass das Betreibungsamt den Zahlungsbefehl in den Betreibungsferien ( Art. 56 SchKG ) ausgestellt hat, genügt somit nicht, ihn aufzuheben. Daran ändert auch die Berufung der Rekurrentin auf AMONN (Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 5. A. Bern 1993, S. 98 N. 27) nichts, der an dieser Stelle nicht zwischen dem Erlass und der Zustellung des Zahlungsbefehls unterscheidet.
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de
Sachverhalt ab Seite 136 BGE 113 II 136 S. 136 In dem zwischen den Parteien hängigen Erbteilungsprozess hat das kantonale Obergericht das teils auf dem Gebiet der Gemeinde A., teils auf demjenigen der Gemeinde B. gelegene landwirtschaftliche Heimwesen C. dem Beklagten M. X. ungeteilt zum Ertragswert zugewiesen; es nahm jedoch gewisse Grundstückflächen von der Zuweisung aus, verbunden mit dem Vorbehalt, dass sie nach Inkrafttreten des neuen Zonenplanes für die Gemeinde A. nicht in die Landwirtschaftszone umgezont sein würden. Das Bundesgericht heisst die Berufung und die Anschlussberufung, die von den Parteien hiergegen erhoben wurden, teilweise gut und weist die Sache zu neuer Beurteilung an die kantonale Instanz zurück.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. a) Die Zuweisung, die ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück in der Zonenordnung erfährt, stellt ein wesentliches BGE 113 II 136 S. 137 Kriterium zur Beurteilung seiner künftigen Verwendung dar. Der Änderung bzw. Neufestlegung der Nutzung durch Planungsmassnahmen kommt deshalb grosses Gewicht zu, besonders dann, wenn sie auf dem am 1. Januar 1980 in Kraft getretenen Bundesgesetz über die Raumplanung (RPG; SR 700) beruht (vgl. BGE 111 II 327 ). Die Zoneneinteilungen neurechtlicher Nutzungspläne bleiben regelmässig über viele Jahre hinweg gültig. Zwar sollen die kantonalen Richtpläne, welche die Raumplanung in den Grundzügen festlegen und wegweisend für die kommunale Nutzungsplanung sind, in der Regel alle zehn Jahre gesamthaft überprüft und nötigenfalls überarbeitet werden ( Art. 9 Abs. 3 RPG ). Eine Überprüfung dieser Pläne setzt indessen voraus, dass sich die Verhältnisse erheblich geändert haben ( Art. 21 Abs. 2 RPG ); ausserdem müssen gewichtige Gründe tatsächlicher oder rechtlicher Art für eine Anpassung gegeben sein ( BGE 111 II 327 mit Hinweis). Die planerischen Massnahmen beruhen auf prognostischen Annahmen über die Nutzung des fraglichen Landes und tragen Gegebenheiten wie der geographischen Lage, der Eignung für eine bestimmte Nutzung, der bestehenden Erschliessung und den vorhandenen Infrastrukturen, aber auch den legitimen Bedürfnissen vorab der Landwirtschaft im allgemeinen und der einzelnen Betriebe im einzelnen sowie des Gewerbes, der Industrie und des Wohnungswesens Rechnung. Die Nutzungsplanung orientiert sich nicht an den Markterwartungen, sondern beeinflusst den Markt, indem sie - den verbindlichen Richtlinien des Raumplanungsrechts folgend - Zonen festlegt, in denen gebaut werden darf oder für die ein Bauverbot bestehen soll. Der Nutzungsplan bestimmt, welche landwirtschaftlich genutzten Flächen durch Eindämmung des Siedlungsgebietes im öffentlichen Interesse geschont und welche für die Überbauung freigegeben werden sollen. Am rechtskräftigen neuen Zonenplan orientiert sich alsdann der Markt mit der Folge, dass für die in den Landwirtschafts- oder Schutzzonen gelegenen Flächen der Nachfragedruck nachlässt, während er sich um so stärker auf die eingezonte Baulandreserve auswirkt. Ausserhalb des Marktes für reines Landwirtschaftsland bleibt die Nachfrage für ausgezonte bzw. nicht eingezonte Flächen auf eher spekulative Bauerwartungen im Sinne langfristiger Baulandreserven beschränkt. Was die eingezonten, jedoch noch landwirtschaftlich genutzten Grundstücke anbelangt, darf im allgemeinen angenommen werden, dass sie unter dem Einfluss des erhöhten Nachfragedrucks, aber auch der sich ebenfalls am Nutzungsplan orientierenden BGE 113 II 136 S. 138 Erschliessung bzw. Infrastrukturanpassung innerhalb einer 15jährigen Zeitspanne (vgl. Art. 15 RPG ) für die Landwirtschaft verlorengehen. Landwirtschaft wird auf solchen Flächen gewissermassen nur noch auf Zusehen hin betrieben. Vom Raumplanungsrecht geprägte Nutzungspläne lassen sich mit den früheren Zonenplänen mit ihren sehr oft überdimensionierten Bauzonen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Markt und die künftige Überbauung der eingezonten Gebiete nicht vergleichen. Die frühere Einzonung einer Liegenschaft oder eines Grundstücks in eine grosszügig bemessene Bauzone änderte an der Nutzungsart oft nichts und spielte daher als Kriterium für die Zukunftsprognose bei einem Zuweisungsentscheid der vorliegenden Art nur eine untergeordnete Rolle. Anders verhält es sich, wenn bei der neuen Zoneneinteilung die Bauzonen redimensioniert und den Bedürfnissen der Bevölkerung sowie der Bevölkerungsentwicklung angepasst worden sind (vgl. hierzu BGE 107 Ib 335 f. E. 2b mit Hinweisen), was zwangsläufig zu einer Verknappung des zur Verfügung stehenden Baulandes und damit zu einer Beschleunigung der Entwicklung mit Bezug auf die Überbauung der eingezonten Baulandreserve der betreffenden Gemeinde führen muss. Bei der Beurteilung der Frage, ob einem Grundstück im Sinne von Art. 620 ZGB landwirtschaftlicher Charakter beizumessen sei, d.h. ob gesagt werden könne, es bestehe für die absehbare Zukunft keine bestimmte Erwartung für eine Überbauung (vgl. BGE 83 II 113 f.), bilden solche Zonenpläne deshalb ein gewichtiges Indiz. b) Dass das Obergericht den Vorarbeiten zu einem neuen Zonenplan für die Gemeinde A. Rechnung trug, statt einfach auf den noch gültigen Plan aus dem Jahre 1973 abzustellen, ist nach dem Gesagten grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die Ausscheidung eines Grundstücks im Zonenplan ist indessen für den Zuweisungsrichter nicht absolut verbindlich. Dieser hat anhand der konkreten Gegebenheiten vielmehr für jedes einzelne Grundstück zu prüfen, ob sich nicht allenfalls eine vom Plan abweichende Prognose aufdränge. Im vorliegenden Fall ist zudem zu beachten, dass im Zeitpunkt der Fällung des angefochtenen Urteils ein neurechtlicher Zonenplan noch nicht in Kraft stand. Auch bei einem rechtskräftigen Plan kann im übrigen nicht die Gewissheit bestehen, dass eine der Bauzone zugeschlagene Parzelle innerhalb der nächsten 15 Jahre tatsächlich auch überbaut werden wird. c) Kann der Zonenplan für den Richter nicht die Bedeutung einer verbindlichen Weisung haben, erscheint die von der Vorinstanz BGE 113 II 136 S. 139 ins Urteil aufgenommene Resolutivbedingung schon aus dieser Sicht als unzulässig. Mit dieser hat das Obergericht den endgültigen Entscheid über die Zuweisung der fraglichen Grundstückflächen den Verwaltungsinstanzen überlassen. Vor allem aber läuft der angebrachte Vorbehalt Art. 604 Abs. 1 ZGB zuwider, wonach jeder Miterbe das Recht hat, zu beliebiger Zeit die Teilung der Erbschaft zu verlangen. In gewissen Fällen kann oder muss die Teilung zwar aufgeschoben werden: Die Erben können durch die letztwillige Verfügung des Erblassers verpflichtet werden, die Gemeinschaft für eine bestimmte Zeit fortzuführen, oder sie haben auch die Möglichkeit, eine entsprechende Vereinbarung zu treffen. Sodann sieht das Gesetz selbst für gewisse Fälle den Aufschub der Teilung vor, so wenn beim Erbgang auf ein noch nicht geborenes Kind Rücksicht zu nehmen ist ( Art. 605 Abs. 1 ZGB ) oder wenn der Erblasser noch unmündige Nachkommen hinterlässt ( Art. 621ter ZGB ). Schliesslich kann gemäss Art. 604 Abs. 2 ZGB auf Ansuchen eines Erben hin auch der Richter die Verschiebung der Teilung anordnen (vgl. TUOR/PICENONI, N. 5 ff. zu Art. 604 ZGB ; NEUKOMM/CZETTLER, Das bäuerliche Erbrecht, 5. Aufl., S. 251 f.). Möglich ist allenfalls auch die vorläufige Einstellung des eingeleiteten Teilungsverfahrens. Keine der genannten Voraussetzungen ist indessen hier erfüllt. Das obergerichtliche Urteil verstösst mithin insofern gegen Bundesrecht, als bezüglich der dem Beklagten mit Vorbehalt zugewiesenen Teilflächen der Parzellen Nrn. ... die Parteien in Missachtung ihres Teilungsanspruchs verpflichtet werden, die Erbengemeinschaft bis zum Eintritt der Rechtskraft des neuen Zonenplans fortzuführen. Die vorinstanzlichen Ausführungen im angefochtenen Entscheid erlauben es dem Bundesgericht nicht, selbst über die Zuweisung der fraglichen Grundstückflächen zu befinden. Das Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache an das Obergericht zurückzuweisen, damit dieses unter Einbezug der ausserhalb des Zonenplanprojektes liegenden Gesichtspunkte (zu denken ist insbesondere an die voraussichtliche Nachfrage für die konkreten Landflächen) seine tatsächlichen Feststellungen ergänze und alsdann neu entscheide. Dabei wird die Vorinstanz - im Lichte der prozessrechtlichen Vorschriften und in Ausübung des ihr zustehenden Ermessens - zu prüfen haben, inwiefern den (zum Teil vor Bundesgericht erstmals und deshalb in unzulässiger Weise gestellten) Beweisanträgen der Parteien stattzugeben sei.
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Sachverhalt ab Seite 315 BGE 90 II 315 S. 315 A.- Die Klägerin betreibt in Wien eine Maschinenund Apparate-Fabrik, in der namentlich Elektromotoren und dergl. hergestellt werden. Sie führte ursprünglich die Firma "ELIN Aktiengesellschaft für elektrische Industrie", an deren Stelle im Jahre 1959 die heutige Firmabezeichnung trat. Sie ist Inhaberin mehrerer Wort- und Bildmarken, die als Hauptbestandteil die Bezeichnung ELIN enthalten und zum Teil schon seit dem Jahre 1926 international hinterlegt sind. Die Klägerin liefert ihre Erzeugnisse BGE 90 II 315 S. 316 auch in die Schweiz, teils durch hier ansässige Vertreter, teils direkt an die Kunden. Sie unterhält ferner in Buchs SG ein Konsignationslager. Die Beklagte wurde am 29. Juni 1957 in Zürich unter der Firma "Elin GmbH" gegründet zum Zwecke des Warenhandels im In- und Ausland, insbesondere mit Erzeugnissen der Elektronik und Elektrotechnik. Im Jahre 1959 verlegte die Beklagte ihren Sitz nach Buchs SG. Versuche der Klägerin, die Beklagte auf gütlichem Wege zur Änderung ihrer Firmabezeichnung zu veranlassen, weil sie zu Verwechslungen mit dem Unternehmen der Klägerin Anlass gebe, verliefen ergebnislos. B.- Am 2. November 1962 reichte die Klägerin beim Handelsgericht des Kantons St. Gallen die vorliegende Klage ein. Sie beantragte, es sei festzustellen, dass die Beklagte durch die Verwendung des Wortes "Elin" in ihrem Firmanamen unlauteren Wettbewerb begehe. Weiter stellte sie das Begehren, die Beklagte sei zu verpflichten, das Wort "Elin" aus ihrem Firmanamen zu entfernen, und es sei ihr jede weitere Verwendung dieses Wortes im Geschäftsverkehr zu verbieten. Zur Begründung ihrer Begehren berief sich die Klägerin auf die Vorschriften des UWG, sowie auf die Bestimmungen des Firmen- und des Namensrechtes. Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage. C.- Das Handelsgericht des Kantons St. Gallen verneinte Ansprüche der Klägerin aus dem Wettbewerbsrecht und liess die Frage des Bestehens firmenrechtlicher Ansprüche offen. Dagegen erachtete es die Klage aus dem Gesichtspunkte des Namensrechtes als begründet und erkannte mit Urteil vom 28. Februar 1964: "Die Beklagte wird verpflichtet, ihren Firma-Namen derart zu ändern, dass das Wort "Elin" daraus verschwindet, und es wird ihr verboten, das Wort "Elin" auf irgendwelche Weise im Verkehr gegenüber Kunden weiterhin zu verwenden. Es wird ihr für den Fall der Widerhandlung die Bestrafung wegen Ungehorsams mit Haft oder Busse gemäss Art. 292 des schweizerischen Strafgesetzbuches angedroht. Im übrigen wird die Klage abgewiesen". BGE 90 II 315 S. 317 D.- Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Sie beantragt erneut, die Klage gänzlich abzuweisen. Die Klägerin beantragt Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Entscheides.
601
487
Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Vorinstanz stützt ihren Entscheid, die Firma der Beklagten dürfe das Wort "Elin" nicht enthalten, ausschliesslich auf die Vorschriften über das Namensrecht ( Art. 29 ZGB ). Die Klägerin hält in ihrer Berufungsantwort daran fest, dass ihr Verbotsbegehren auch aus den Gesichtspunkten des Firmen- und des Wettbewerbsrechtes begründet sei. Dieses Vorbringen ist zulässig, obwohl die Klägerin weder Haupt- noch Anschlussberufung eingereicht und sich demzufolge mit der Abweisung ihres Klagebegehrens auf Feststellung unlauteren Wettbewerbes der Beklagten abgefunden hat. Denn gemäss Art. 63 Abs. 3 OG ist das Bundesgericht in bezug auf die rechtliche Würdigung der Tatsachen frei, soweit sie ihm nach Art. 43 OG zukommt. Es ist daher befugt, bei der Beurteilung der Frage, ob die Beklagte zur Aufnahme des Wortes "Elin" in ihre Firma berechtigt sei, neben dem von der Vorinstanz angewendeten Namensrecht auch das Firmen- und das Wettbewerbsrecht heranzuziehen. 2. Die Klägerin erachtet die Firmabezeichnung der Beklagten firmenrechtlich als unzulässig, weil sie den der Klägerin nach Art. 951 Abs. 2 und Art. 956 OR zustehenden Anspruch auf den ausschliesslichen Gebrauch ihrer Firma verletze. Sie macht geltend, obwohl ihre Firma nicht im schweizerischen Handelsregister eingetragen sei, könne sie sich gemäss Art. 8 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutze des gewerblichen Eigentums (PVUe), der sowohl die Schweiz als auch Österreich als Vertragsstaaten angehören, auf die genannten Vorschriften des schweizerischen Rechtes berufen. BGE 90 II 315 S. 318 Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtes ( BGE 79 II 307 ff.) verschaffen jedoch die angerufenen Bestimmungen der PVUe der Klägerin als in der Schweiz nicht eingetragener ausländischer Firma nicht den besonderen Firmenschutz des Art. 956 OR ; sie kann vielmehr auf Grund der PVUe lediglich den Schutz beanspruchen, der auch dem nicht eingetragenen inländischen Handelsnamen zukommt, d.h. den gemäss Art. 29 ZGB bestehenden besonderen Schutz des Namens einer physischen oder juristischen Person. Ausserdem sind der Klägerin noch der Schutz ihrer persönlichen Verhältnisse im allgemeinen (sog. genereller Persönlichkeitsschutz gemäss Art. 28 ZGB ) und der Schutz gegen unlauteren Wettbewerb gewährleistet ( Art. 10bis PVUe ). Die Klägerin wendet sich in der Berufungsantwort gegen diese Beschränkung und fordert auch firmenrechtlichen Schutz, wie ihn die bundesgerichtliche Rechtsprechung in der Zeit vor dem BGE 79 II 307 ff. auch dem in der Schweiz nicht eingetragenen ausländischen Handelsnamen gewährt hatte. Es besteht jedoch kein Anlass, auf die durch den erwähnten Entscheid begründete, kürzlich in BGE 90 II 192 ff. mit einlässlichen Ausführungen bestätigte Rechtsprechung zurückzukommen. Die Klägerin wendet zu Unrecht ein, diese Rechtsprechung berücksichtige nicht, dass es nach schweizerischem Recht keinen nicht eingetragenen Firmanamen einer A.-G. geben könne, weil für diese der Eintrag im Handelsregister Konstitutiverfordernis sei. Darauf kommt es nicht an. Entscheidend ist vielmehr, dass es nach schweizerischem Recht überhaupt Privatrechtssubjekte (Einzelpersonen, Vereine, Personengesellschaften) gibt, die für einen nichteingetragenen Handelsnamen Rechtsschutz beanspruchen können und dass dieser Schutz auch der nur im Ausland eingetragenen A.-G. gewährt wird. Der Einwand der Klägerin, diese Rechtsprechung schaffe für Aktiengesellschaften verschiedene Schutzklassen, und gerade BGE 90 II 315 S. 319 das wolle die PVUe mit Art. 2 Abs. 1 und Art. 8 vermeiden, beruht auf einer petitio principii. Die Vorinstanz hat somit zu Recht die Berufung der Klägerin auf die Vorschriften des schweizerischen Firmenrechtes verworfen. 3. Die Vorinstanz hat entschieden, die Beklagte verletze mit der von ihr gewählten Firma die Rechte der Klägerin an ihrem Handelsnamen, auf dessen Schutz sie nach dem gestützt auf Art. 8 PVUe anwendbaren Art. 29 ZGB Anspruch habe. Die Beklagte macht mit der Berufung geltend, dieser Entscheid beruhe auf einer unrichtigen Anwendung des des Art. 29 ZGB . a) Zur Begründung dieser Rüge weist die Beklagte zunächst darauf hin, dass ihre Firma "Elin GmbH" nicht mit dem klägerischen Namen "ELIN-UNION Aktiengesellschaft für elektrische Industrie" übereinstimme. Von einer Anmassung des Namens der Klägerin durch sie könne daher nicht gesprochen werden. Eine Namensanmassung liegt jedoch nicht nur bei völliger Übereinstimmung der beiden Bezeichnungen vor; es genügt schon, wenn der Hauptbestandteil des Handelsnamens eines Unternehmens übernommen wird ( BGE 44 II 96 f., BGE 82 II 341 ff.), wie es hier mit der Bezeichnung "Elin" geschehen ist. Anders verhält es sich nur, wo der übernommene Hauptbestandteil in einer Sachbezeichnung besteht, die dem sprachlichen Gemeingut angehört ( BGE 58 II 314 ). Das ist hier jedoch nicht der Fall. Das Wort "Elin" ist keine Sachbezeichnung und entgegen der Meinung der Beklagten auch nicht einer solchen deshalb gleichzusetzen, weil es aus den ersten beiden Buchstaben der zwei Sachbezeichnungen "Elektrische" und "Industrie" zusammengezogen wurde. Um darauf zu verfallen, muss man bereits die Phantasie walten lassen, was gerade den Unterschied zwischen Sachbezeichnung und Phantasienamen ausmacht ( BGE 72 II 186 ff.). BGE 90 II 315 S. 320 Der Hinweis der Beklagten auf BGE 79 II 314 , wonach die Zulegung eines ähnlichen Namens nicht Anmassung des Namens ist, geht ebenfalls fehl. Das gilt nur dort, wo der beanstandete Name auch mit dem Hauptbestandteil des älteren Namens nicht genau übereinstimmt, sondern ihm nur ähnlich ist. b) Der Schutz des nicht eingetragenen Handelsnamens ist nach ständiger Rechtsprechung auf den örtlichen Geschäftsbereich seines Inhabers beschränkt ( BGE 79 II 315 , BGE 88 II 31 ). Die Klägerin kann daher gegenüber der Beklagten den Schutz nach schweizerischem Namensrecht nur beanspruchen, wenn sie sich im Zeitpunkt der Gründung der Beklagten, also im Jahre 1957, in der Schweiz schon in nennenswertem Umfang geschäftlich betätigt hatte. Diese Voraussetzung ist auf Grund der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz zu bejahen. Danach hat die Klägerin schon seit Jahren vor allem kleine Motoren in erheblichem Umfang in die Schweiz geliefert, und der Name "ELIN" ist nach den Darlegungen des dem Handelsgericht angehörenden fachkundigen Richters bei der massgebenden Kundschaft als Bezeichnung für die Klägerin bekannt und als solche seit vielen Jahren zum Begriff geworden. Die Beklagte wendet demgegenüber ein, es sei nicht festgestellt, dass die Klägerin schon im Jahre 1957 das Wort "ELIN" als unterscheidungskräftige Geschäftsbezeichnung für sich habe in Anspruch nehmen können; im angefochtenen Urteil sei lediglich der Geschäftsumsatz der Klägerin für 1960 genannt, und ob es sich bei den vom Fachrichter erwähnten "vielen Jahren" um 4, 6 oder 20 Jahre handle, werde nicht gesagt. Die Feststellung, der Name "ELIN" sei schon 1957 ein Begriff für die Klägerin gewesen, beruhe daher auf einem offensichtlichen Versehen im Sinne von Art. 55 Abs. 1 lit. d OG . Von einem offensichtlichen Versehen kann jedoch nicht die Rede sein. Die Vorinstanz stützt ihre Feststellungen über die Geschäftstätigkeit der Klägerin in der Schweiz BGE 90 II 315 S. 321 auf die von der Klägerin vorgelegten Akten (Klagebeilagen 10 und 26, Korrespondenz- und Fakturabelege aus den Jahren 1954-1957); was die Vorinstanz sodann unter "vielen Jahren" versteht, erhellt aus der von ihr erwähnten Aussage des fachkundigen Richters (Protokoll vom 28. Februar 1964 Ziff. II a), er kenne die Klägerin unter der Bezeichnung "ELIN" schon seit dem Jahre 1925. Die angefochtenen Feststellungen der Vorinstanz sind somit das Ergebnis einer Beweiswürdigung, die mit der Versehensrüge nicht angefochten werden kann. Dass die Lieferungen der Klägerin zum Teil an ihre schweizerischen Vertreter und Agenten erfolgten, ändert nach der zutreffenden Auffassung der Vorinstanz nichts, da auch die Kunden dieser Zwischenhändler wussten, dass es sich um Erzeugnisse der Klägerin handelte und diese kaufen wollten. Abgesehen hievon sind nach den Akten auch Direktlieferungen an schweizerische Kunden in erheblichem Umfang ausgewiesen. c) Dass die beiden Firmabezeichnungen wegen ihres gemeinsamen Hauptbestandteils "Elin" miteinander verwechselbar sind, liegt auf der Hand, wie die Vorinstanz mit Recht angenommen hat. Die Verwechslungsgefahr wird denn auch von der Beklagten nicht ernstlich bestritten; sie anerkennt, dass tatsächlich einige Verwechslungen vorgekommen sind. Solche sind um so mehr zu befürchten, als die Beklagte ihren Sitz nach Buchs SG verlegt hat, wo die Klägerin ein Konsignationslager zur Belieferung ihrer schweizerischen Kunden und Vertreter unterhält. d) Die Beklagte macht geltend, um sich mit Erfolg auf Art. 29 ZGB berufen zu können, müsste die Klägerin nachweisen, dass sie durch die Verwendung des Namens "Elin" durch die Beklagte beeinträchtigt werde; das sei jedoch weder behauptet noch nachgewiesen. Auch dieser Einwand ist unbegründet. Eine Beeinträchtigung der Rechte des älteren Unternehmens liegt nach ständiger Rechtsprechung immer vor, wenn Verwechslungsgefahr besteht ( BGE 80 II 145 ). Die Beeinträchtigung BGE 90 II 315 S. 322 liegt nämlich darin, dass bei der Kundschaft der Eindruck entstehen kann, die Beklagte sei mit der Klägerin identisch oder es bestünden mindestens geschäftliche Verbindungen zwischen den beiden Unternehmen. Gegen diese Gefahr darf sich die Klägerin zur Wehr setzen, ohne dass sie dafür weitere Rechtfertigungsgründe nachweisen müsste. e) Ein Verschulden der Beklagten ist für den Schutz des von der Klägerin allein geltend gemachten Unterlassungsbegehrens nicht erforderlich. Es hilft daher der Beklagten nichts, dass sie sich vor der Wahl ihres Namens beim Handelsregisteramt erkundigte und die Auskunft erhalten hat, der Verwendung der in Aussicht genommenen Firma stehe nichts entgegen. Übrigens hätte die Beklagte, wie die Vorinstanz zutreffend bemerkt, bei Beobachtung der gebotenen Sorgfalt erkennen müssen, dass sie mit der Aufnahme des Wortes "Elin" in ihre Firma die Namensrechte der unter dieser Bezeichnung auch in den schweizerischen Fachkreisen allgemein bekannten Klägerin verletze. Die Vorinstanz hat deshalb zu Recht das Unterlassungsbegehren der Klägerin aus dem Gesichtspunkt des Namensrechtes geschützt. 4. Dieses Begehren ist übrigens auch nach den Grundsätzen des Wettbewerbsrechts begründet. a) Die Vorinstanz hat einen solchen Anspruch der Klägerin wegen Fehlens des in erster Linie erforderlichen Wettbewerbsverhältnisses der Parteien verneint, weil die Beklagte sich lediglich als Einkäuferin für ihre Muttergesellschaft betätige und ausschliesslich diese sowie ihre Schwestergesellschaften, nicht dagegen auch Dritte beliefere; die Parteien stünden daher weder direkt noch mittelbar im Konkurrenzkampf um die gleiche Kundschaft. b) Für den unlauteren Wettbewerb kennzeichnend ist das wettbewerbliche Verhalten. Daher lässt ein auch nur objektiv den Grundsätzen von Treu und Glauben widersprechendes Verhalten im Wirtschaftsleben häufig, wenn nicht meistens, als Motiv das Wettbewerbsverhältnis BGE 90 II 315 S. 323 erkennen. Missbrauch und Wettbewerb gehen dann Hand in Hand, wenn auch nicht stets und absolut. Der hypothetisch verstandene Satz, gestützt auf den die Vorinstanz das Wettbewerbsverhältnis verneint, dass es nämlich darauf ankomme, ob die in Frage stehenden Waren oder Leistungen die gleichen oder ähnliche Bedürfnisse befriedigen sollen, gilt nicht uneingeschränkt. Es genügt z.B., wenn die Abnehmerkreise sich nur teilweise decken. Es ist auch an die vom Wettbewerbsgesetz ebenfalls erfasste Möglichkeit bloss mittelbaren unlauteren Wettbewerbs zu erinnern, wie er namentlich im Verhältnis zwischen Geschäftstätigen verschiedener Wirtschaftsstufen vorkommt. In Anbetracht des steten Wechsels wirtschaftlicher Gegebenheiten und der oft ungenügenden Kontrollmöglichkeiten des direkten und indirekten Absatzes ist der Wettbewerbsbegriff weit zu umschreiben (VON BÜREN, S. 19 N. 45). Das gilt ganz besonders in Fällen der meist undurchsichtigen Verflechtung von Mutter- und Tochtergesellschaften. Es genügt daher für die Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses, dass auch nur der Anschein eines solchen hervorgerufen ist (BAUMBACH/HEFERMEHL, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 9. Aufl. 1964, Bd. I, S. 163 N. 146). c) Im vorliegenden Falle steht fest, dass die Klägerin u.a. Elektromotoren herstellt und sie nach der Schweiz verkauft. Sie ist also im Export Lieferantin. Die Beklagte kauft als Einkäuferin ihrer Muttergesellschaft elektrotechnische Erzeugnisse und liefert solche ebenfalls in der Schweiz. Beide Streitparteien sind also in der Schweiz Lieferanten gleicher oder ähnlicher Fabrikate, was für das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses spricht. Die Beklagte wendet ein, sie gehöre zu einer Gruppe hiesiger Unternehmungen, für welche sie den Einkauf besorge. Da aber die Beklagte einkauft und weiterliefert, kann sie nicht behaupten, sie trete nicht auf dem schweizerischen Markt auf; höchstens tut sie das nicht offen, nicht gegenüber einem unbestimmten Kreis von Interessenten. BGE 90 II 315 S. 324 Der Einwand, ein Wettbewerb liege nicht vor, weil die einzelnen Abnehmer nicht die gleichen seien, kann aber nach der Rechtsprechung nur erhoben werden, wenn örtlich beschränkte und völlig getrennte Geschäftstätigkeiten vorliegen und darum jede Verwechslungsgefahr ausscheidet ( BGE 76 II 87 ). Die Beklagte betreibt laut Handelsregister insbesondere "Warenhandel im In- und Ausland für eigene und fremde Rechnung..., insbesondere mit Erzeugnissen ... der Elektrotechnik". Die Muttergesellschaft der Beklagten, die ebenfalls in Buchs SG niedergelassene Interelektro Beteiligungs-GmbH verzeichnet als Geschäftszweck "Erwerb und Verwaltung von Beteiligungen an ... industriellen und kommerziellen Unternehmungen", insbesondere auf dem Gebiet der Elektronik; sie ist also eine Beteiligungsgesellschaft. Diese Muttergesellschaft hat gemäss Veröffentlichung im SHAB Nr. 271 vom 20. November 1959 sämtliche Stammeinlagen der Beklagten übernommen, ist also deren einzige Gesellschafterin. Zwischen den beiden GmbH besteht also wirtschaftliche Identität. Was mit den von der Beklagten für ihre mit ihr identische Muttergesellschaft eingekauften elektrotechnischen Erzeugnissen geschieht, ist nicht völlig abgeklärt. Die Beklagte behauptet, diese gelangten ausschliesslich an ihre Schwestergesellschaften. Es wäre ihr nun ohne weiteres zuzumuten gewesen, ihre Lieferverhältnisse zu den Schwestergesellschaften offenzulegen und zu sagen, wer alles zu dieser "Gruppe" gehört, was und an welche physischen und juristischen Personen sie liefert. Zieht es die Beklagte vor, ihre Geschäftsverhältnisse undurchsichtig bleiben zu lassen, so hat sie die Folgen daraus zu tragen und sich dem formalen Anscheine nach als Wettbewerberin der Klägerin betrachten zu lassen. Der Auffassung der Vorinstanz, zwischen den Parteien bestehe kein Wettbewerbsverhältnis, kann daher nicht beigepflichtet werden. Dass die Führung der Firma "Elin GmbH" im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG zu Verwechslungen mit BGE 90 II 315 S. 325 dem Unternehmen der Klägerin Anlass geben könne, ist bereits bei der Prüfung dieser Frage unter dem Gesichtspunkt des Namenschutzes dargelegt worden und trifft auch in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht zu.
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Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des Kantons St. Gallen vom 28. Februar 1964 bestätigt.
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Sachverhalt ab Seite 28 BGE 115 Ia 27 S. 28 Die Erben Benoit sind Eigentümer des aus dem 19. Jahrhundert stammenden Bauernhofes samt Ökonomiegebäuden auf Parzelle Biel Gbbl.-Nr. 4958, welche im Gestaltungsplanperimeter Nr. 5 des Überbauungsplanes mit Sonderbauvorschriften "Madretsch- Ried" in Biel liegt. Ein entsprechender Gestaltungsplan steht noch aus. Am 7. November 1983 stellten die Erben Benoit ein Gesuch zum Abbruch aller zum Bauernhof gehörender 6 Gebäude (Nr. 7, 9, 9A, 11, 13 und 15). Die Einwohnergemeinde Biel bewilligte den Abbruch des Gebäudes Nr. 9A sowie verschiedener Annexbauten, verweigerte im übrigen aber den Abbruch. Auf Beschwerde der Erben Benoit hin erteilte der Regierungsrat des Kantons Bern am 21. Januar 1987 die Bewilligung zum Abbruch sämtlicher Gebäude. Der Regierungsrat erwog, dass wohl das Hauptgebäude (Nr. 15) und die Hofgruppe insgesamt schützenswert seien, dass aber den Eigentümern aus finanziellen Gründen nicht zugemutet werden könne, die Hofgruppe für eine weitere landwirtschaftliche BGE 115 Ia 27 S. 29 Nutzung oder blosse Wohnnutzung zu erhalten. Eine "realistische Nutzung" sei nur unter Mitwirkung der öffentlichen Hand möglich, wozu sich die Einwohnergemeinde Biel aber nicht bereit erklärt habe. Die gegen diesen Entscheid von der Einwohnergemeinde Biel und dem Berner Heimatschutz erhobenen Beschwerden wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 21. Dezember 1987 ab. Das Bundesgericht heisst eine staatsrechtliche Beschwerde der Einwohnergemeinde Biel gut, mit der eine Verletzung der Gemeindeautonomie sowie von Art. 4 und Art. 22ter BV gerügt wird.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. b) Die Einwohnergemeinde Biel hat den Abbruch gestützt auf das Baugesetz vom 7. Juni 1970 (aBauG) und Art. 6-8 der Bauverordnung vom 26. November 1970 (aBauV) verweigert. Diese Rechtsgrundlagen werden von keiner Seite in Frage gestellt. In Art. 6-8 aBauV wird für bestimmte schützenswerte Objekte die Aufnahme kantonaler und kommunaler Inventare sowie der Erlass von Schutzmassnahmen durch die Gemeinden vorgesehen. Schutzmassnahmen können gemäss Art. 8 aBauV insbesondere in der Festlegung besonderer Schutzgebiete mit Baubeschränkungen oder Bauverboten, aber auch in individuellen Baubeschränkungen bestehen. Den Gemeinden steht somit, wie das Bundesgericht bezüglich der Ortsplanung bereits festgestellt hat ( BGE 106 Ia 71 E. 2a; siehe auch Urteil vom 3. Februar 1982 in Zbl 83/1982, S. 352 E. 3a, je mit Hinweisen), im Bereich des Landschafts- und Denkmalschutzes nach Baugesetz und Bauverordnung von 1970 eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit zu. 4. Eine Abbruchverweigerung bedeutet für die Eigentümer eine Einschränkung ihrer Eigentumsbefugnisse. Eine solche ist nach der Rechtsprechung mit der Eigentumsgarantie ( Art. 22ter BV ) nur vereinbar, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist; kommt sie einer Enteignung gleich, ist volle Entschädigung zu leisten ( BGE 113 Ia 364 E. 2; siehe auch BGE 109 Ia 258 E. 4 je mit Hinweisen). a) In ihrer Vernehmlassung zur Beschwerde bestreiten die Beschwerdegegner die Schutzwürdigkeit der streitbezogenen Objekte und stellen damit das vom Verwaltungsgericht grundsätzlich anerkannte öffentliche Interesse an der Erhaltung der Hofgruppe in BGE 115 Ia 27 S. 30 Frage. Diese Bestreitungen sind zulässig. Da die Beschwerdegegner im kantonalen Verfahren obsiegt haben und der Entscheid des Verwaltungsgerichtes sie nicht in ihren Rechten verletzt, steht es ihnen nicht zu, selber staatsrechtliche Beschwerde zu führen. Es kann ihnen jedoch nicht versagt sein, sich in dem von anderer Seite eingeleiteten Beschwerdeverfahren gegen die in ihren Augen unrichtigen Feststellungen und Folgerungen der kantonalen Instanz zu wenden ( BGE 101 Ia 525 E. 3; siehe auch BGE 89 I 523 E. 4). Die Frage, ob eine Eigentumsbeschränkung durch ein öffentliches Interesse gedeckt sei und ob dieses die privaten Interessen überwiege, prüft das Bundesgericht grundsätzlich frei. Dabei auferlegt es sich indessen Zurückhaltung, soweit die Beurteilung von der Würdigung örtlicher Verhältnisse abhängt, welche die kantonalen Behörden besser kennen und überblicken, und soweit sich ausgesprochene Ermessensfragen stellen. Diese Zurückhaltung ist insbesondere auf dem Gebiet des Denkmalschutzes geboten, da es in erster Linie Sache der Kantone ist, darüber zu befinden, welche Objekte Schutz verdienen (Urteil des Bundesgerichts vom 2. Juli 1986 in Zbl 88/1987, S. 541 E. 3c; BGE 109 Ia 259 E. 4). Die Beschwerdegegner wenden gegen die Schutzwürdigkeit im wesentlichen einzig ein, dass die Gebäude baufällig und nicht von einmaliger Natur oder besonderem Gepräge seien. Auf die von den kantonalen Instanzen hervorgehobene Bedeutung der Bauten in ihrem Ensemble und im Zusammenhang mit dem landschaftlichen Umfeld gehen sie nicht ein. Damit genügen ihre Ausführungen betreffend Schutzwürdigkeit den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG aber nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts muss zudem bei staatsrechtlichen Beschwerden die Begründung in der Beschwerdeschrift selber enthalten sein ( BGE 109 Ia 306 E. 1b mit Hinweisen). Dieser Anforderung hat auch die Vernehmlassung eines Beschwerdegegners zu entsprechen, wenn er sich gegen die in seinen Augen unrichtigen Feststellungen und Folgerungen eines kantonalen Entscheides wendet. Der Hinweis der Beschwerdegegner auf ihre in den Rechtsschriften des kantonalen Verfahrens gemachten Ausführungen ist daher unbeachtlich. Die Einwendungen der Beschwerdegegner vermögen die von der Vorinstanz festgestellte Schutzwürdigkeit der Liegenschaften aber auch in materieller Hinsicht nicht in Frage zu stellen. Die kantonale Kommission zur Pflege der Orts- und Landschaftsbilder (OLK) hat empfohlen, das Hauptgebäude und einzelne Nebengebäude zu BGE 115 Ia 27 S. 31 erhalten. Nach der Stelle für Altstadt- und Denkmalpflege des Hochbauamtes der Stadt Biel soll das Hauptgebäude Nr. 15 und mindestens ein Nebengebäude erhalten und einer sinnvollen Nutzung zugeführt werden. Sie stellt fest, dass die Liegenschaft an das alte Rodungsgebiet des Madretschgebietes und die ursprüngliche landwirtschaftliche Nutzung erinnere. Die Liegenschaften könnten der Neubausiedlung eine historische Dimension bieten und als Quartierzentrum und Identifikationsbasis dienen. Die Denkmalpflege des Kantons Bern hat in ihrem Mitbericht an den Regierungsrat des Kantons Bern vom 2. Juni 1986 die Schutzwürdigkeit der Hofgruppe ebenfalls bejaht. Als denkmalpflegerisch besonders wertvoll wurde der Wohnteil des Hauptgebäudes Nr. 15 bezeichnet, welches ein herrschaftliches Bauernhaus des sogenannten Dreisässen-Haustyps darstellt. Es zeichne sich aus durch die gut erhaltene originale äussere und innere Bausubstanz und sei von besonderem kulturgeschichtlichen Wert, weil es sich um den einzigen noch erhaltenen Vertreter dieses herrschaftlichen Bauernhaustyps auf Bieler Gemeindegebiet handle. Am Augenschein mit dem Regierungsstatthalteramt wurden diese Feststellungen bestätigt; sie in Zweifel zu ziehen, besteht nach den vorliegenden Unterlagen und aufgrund der Vorbringen der Beschwerdegegner kein Anlass. b) Damit eine Eigentumsbeschränkung vor der Eigentumsgarantie standhält, muss nicht nur der damit angestrebte Zweck im öffentlichen Interesse liegen. Nach der Rechtsprechung verlangt zudem der Grundsatz der Verhältnismässigkeit, dass die Eigentumsbeschränkung zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet und erforderlich ist und dass das verfolgte Ziel in einem vernünftigen Verhältnis zu den eingesetzten Mitteln, den zu seiner Verwirklichung notwendigen Freiheitsbeschränkungen, steht ( BGE 111 Ia 27 E. 3b; siehe auch BGE 93 I 707 E. 5 je mit Hinweisen). Dieses letztere Gebot der Verhältnismässigkeit im engeren Sinne wird nach dem Entscheid des Verwaltungsgerichts durch das Abbruchverbot verletzt, weil sich die Eigentumsbeschränkung im Rahmen der Abwägung von öffentlichen und privaten Interessen für die Beschwerdegegner als unzumutbar darstelle. aa) Das Verwaltungsgericht ging bei der Würdigung der durch das Abbruchverbot bewirkten Eigentumsbeschränkung wie schon der Regierungsrat davon aus, dass damit die Pflicht zur kunstgerechten Sanierung verbunden sei. Eine solche Erhaltung der Hofgruppe könne den Eigentümern nur zugemutet werden, wenn eine weitere sinnvolle und finanziell tragbare Nutzung der Gebäude BGE 115 Ia 27 S. 32 möglich sei. Das sei aber nicht der Fall. Einer landwirtschaftlichen Nutzung der Parzelle stehe die heutige Planung mit der für die Wohnnutzung vorgesehenen Bauzone entgegen. Ein sinnvolles Weiterbestehen der Hofgruppe wäre mit erheblichen Investitionen verbunden und könnte nur im Rahmen einer öffentlichen oder halböffentlichen Um- bzw. Neunutzung gewährleistet werden. Diesbezüglich habe aber die Einwohnergemeinde Biel ausdrücklich erklärt, die Gebäude nicht kaufen zu wollen und kein Interesse daran zu haben, die Gebäude öffentlichen Zwecken dienstbar zu machen. bb) Das nach Art. 8 aBauV erlassene Abbruchverbot versteht sich nach Überschrift und Text dieser Bestimmung als Schutzmassnahme gegen die Beeinträchtigung von besonders geschützten Objekten. Nach der bestehenden Planung befinden sich die Gebäude in einer für die Wohnnutzung vorgesehenen Bauzone. Planungsrechtliche Grundlage bildet im weiteren der Überbauungsplan mit Sonderbauvorschriften "Madretsch-Ried" vom 20. Juni 1978. Nach Art. 4 der Sonderbauvorschriften dürfen Baubewilligungen nur aufgrund eines Gestaltungsplanes erteilt werden. Ein solcher besteht für den vorliegenden Perimeter Nr. 5 bislang nicht. Im Rahmen der noch offenen Planungsfestlegungen können nach Art. 88 Abs. 1 lit. f des Baugesetzes des Kantons Bern vom 9. Juni 1985 (neu BauG) nähere Bestimmungen über die Gestaltung und Restauration von schützenswerten Bauten erlassen werden (vgl. ALDO ZAUGG, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Bern vom 9. Juni 1985, N. 16 zu Art. 88/89 BauG). Art. 128 neu BauG sieht sodann als ultima ratio die Enteignung für Massnahmen zum Schutze solcher Bauten vor (ALDO ZAUGG, a.a.O., N. 7d zu Art. 128/129 BauG). Der bestehende Überbauungsplan mit Sonderbauvorschriften ging nicht davon aus, dass es sich bei den umstrittenen um schutzwürdige Bauten handle. Wird mit den kantonalen Instanzen die Schutzwürdigkeit festgestellt, so wäre deshalb die Planung im Planungsperimeter Nr. 5, sei es im Rahmen des noch offenen Gestaltungsplanes, sei es in Ergänzung oder Änderung des Überbauungsplanes, auf die Rücksichtnahme auf die geschützten Objekte und eine demzufolge allenfalls nötige Anpassung zu überprüfen (ALDO ZAUGG, a.a.O., N. 2 zu Art. 149 BauG). Dabei kann sich die Bedeutung der Schutzwürdigkeit oder der konkreten Nutzung der Hofbauten je nach der weiteren Planung verschieden darstellen. Es hiesse, wie die Beschwerdeführerin zu Recht feststellt, diese künftige Planung ausser acht zu lassen, wenn heute nur auf eine mögliche Nutzung der Hofbauten abgestellt BGE 115 Ia 27 S. 33 und über die wechselseitigen Beziehungen zur künftigen baulichen Umgebung hinweggesehen würde. Dem Abbruchverbot kommt unter diesen Umständen die Aufgabe zu, den bestehenden Zustand zu erhalten und die Möglichkeit einer späteren Sanierung sicherzustellen oder sie jedenfalls nicht durch einen heutigen Abbruch der Bauten vorzeitig auszuschliessen. Ungeachtet der im kantonalen Verfahren verneinten Frage, ob der Gestaltungsplan gesetzliche Voraussetzung einer Abbruchbewilligung darstelle, ist doch festzustellen, dass mit einem heutigen Abbruch der noch nicht konkretisierten Planung vorgegriffen würde. Die Beschwerdeführerin rügt deshalb zu Recht, dass der angefochtene Entscheid den Abbruch erlaubt hat, bevor eine rechtsgenügliche Konkretisierung oder jedenfalls Prüfung der auf die Schutzwürdigkeit der Bauten abgestimmten Planung erfolgt ist. cc) Anstelle der heutigen Hofgruppe besteht kein Alternativprojekt, welches für den Fall des Abbruches der Bauten eine sinnvollere und finanziell tragbare Nutzung des fraglichen Geländes in absehbarer Zeit ausweisen würde. Bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit der mit dem Abbruchverbot verbundenen Eigentumsbeschränkung sind deshalb die heutigen baulichen Verhältnisse mit der bei einem Abbruch der Bauten zur Zeit nur ohne die Erstellung von Neubauten möglichen Nutzung des Areals zu vergleichen. Auch bei einem Abbruch der Bauten wäre aber kein substanzieller Ertrag ersichtlich. Jedenfalls solange keine ins Gewicht fallenden Erhaltungsaufwendungen notwendig sind, kann die mit dem Abbruchverbot bewirkte Sicherung des Schutzzweckes auch ohne besonders einträgliche Nutzung nicht als unverhältnismässig bezeichnet werden. Solche Erhaltungsaufwendungen sind aber nicht ausgewiesen. Nachdem die Stadt Biel besondere Sanierungs- und Denkmalpflegemassnahmen nicht angeordnet hat, können dem Abbruchverbot die für eine Neunutzung veranschlagten Investitionen jedenfalls solange nicht entgegengehalten werden, als sich die Erhaltung der Hofbauten nicht aufgrund eines bereinigten Überbauungsplanes oder eines bewilligungsfähigen Neubauprojektes als unzumutbar darstellt.
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CH_BGE_002_BGE-115-Ia-27_nodate
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BGE_115_Ia_27
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Sachverhalt ab Seite 668 BGE 96 I 667 S. 668 A.- Der Beschwerdeführer X., geb. 1908, war früher kantonaler Beamter. Im Jahre 1963 wurde er wegen Invalidität vorzeitig pensioniert. Seit 1952 kaufte er verschiedentlich Liegenschaften. Einige verkaufte er mit oder ohne Gewinn. Die übrigen behielt er; auf einem Grundstück in A. baute er für sich ein Wohnhaus, auf einem anderen, in B. gelegenen ein Ferienhaus. Im Jahre 1954 kaufte er einen 590 m2 messenden Landstreifen in O. für Fr. 1400.-- und im Jahre 1963 einen angrenzenden, in der gleichen Gemeinde liegenden Streifen von 555 m2 für Fr. 2400.--. Am 2. Juni 1966 verkaufte er diese beiden Parzellen der Gemeinde O. zum Preise von Fr. 73 300.--, wobei er einen Gewinn von Fr. 68 000.-- erzielte. B.- Für die 14. Wehrsteuerperiode (Berechnungsjahre 1965/66) deklarierte er ein durchschnittliches Einkommen von Fr. 7515.--. Die Veranlagungsbehörde rechnete die Hälfte des Gewinns aus dem Verkauf der Parzellen in O. (Jahresdurchschnitt) hinzu, so dass sich ein steuerbares Einkommen von Fr. 41 500.-- ergab. Der Steuerpflichtige bestritt, dass der Liegenschaftsgewinn der Wehrsteuer unterliege. Die Veranlagung wurde indessen bestätigt, zuletzt von der Wehrsteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich durch Entscheid vom 15. Dezember 1969. Die Rekurskommission führte aus, der Steuerpflichtige habe seit 1952 10 Grundstücke in verschiedenen Kantonen gekauft und 5 ganz oder teilweise verkauft. Er habe damit eine planmässige, auf Erwerb gerichtete Tätigkeit ausgeübt. Anfänglich habe er ein recht bescheidenes Vermögen besessen. Noch am Ende des Jahres 1960 habe er lediglich einen Aktivenüberschuss von rund Fr. 20 000.-- ausgewiesen. Durch die mit geborgtem Geld durchgeführten Grundstückgeschäfte sei es ihm gelungen, bis Ende 1966 ein Reinvermögen von Fr. 150 600.-- zu erwerben. Einzelne Grundstücke hätten sich als Anlageobjekte gar nicht geeignet. Zu ihnen gehörten die Parzellen in O. Der Beschwerdeführer BGE 96 I 667 S. 669 habe sie in der Absicht des Wiederverkaufs erworben. Er sei auf eine gewinnbringende Verwertung dieses Landes angewiesen gewesen. Es habe keinen Ertrag abgeworfen, mit dem er die zur Finanzierung der Grundstückkäufe eingegangenen Grundpfandschulden von Fr. 267 500.-- hätte verzinsen können. Der streitige Gewinn sei somit als Erwerbseinkommen gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. a WStB zu besteuern. C.- Gegen den Entscheid der Rekurskommission erhebt X. Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren, das steuerbare Einkommen sei auf Fr. 7515.-- herabzusetzen. Es wird geltend gemacht, bis 1963 seien der Beschwerdeführer und seine Ehefrau beruflich tätig gewesen. Die Ersparnisse beider Ehegatten seien in Grundeigentum angelegt worden. Für den Kauf der verhältnismässig billigen Grundstücke habe der Beschwerdeführer keine fremden Mittel nötig gehabt. Von den 10 Grundstücken, die er erworben habe, seien 6 heute noch ganz oder teilweise in seinem Besitz. Zum grössten Teil handle es sich um unerschlossene oder nicht erschliessbare Parzellen. Verschiedene Grundstücke habe er für den privaten Gebrauch erworben. So habe er in die im Jahre 1954 gekaufte Parzelle in O. eine Bienenzucht verlegt. Weil dieses Grundstück langgezogen und schmal sei, habe er auch einen angrenzenden Landstreifen erwerben wollen, was umständehalber erst im Jahre 1963 möglich geworden sei. Es sei ein reiner Zufall, dass die Gemeinde, welche Land für die Leistung von Realersatz gesucht habe, ihm ein verlockendes Angebot für die beiden Parzellen gemacht habe. In einem Zeitraum von 14 Jahren habe er nur bei 3 Verkäufen einen Gewinn erzielt. Seit der Pensionierung habe er Grundstücke nicht mehr gekauft, sondern nur noch verkauft. Alle Verkäufe habe er im Rahmen der ordentlichen Vermögensverwaltung getätigt. Von einem Liegenschaftenhandel könne nicht gesprochen werden. Der streitige Gewinn falle daher nicht in die Berechnung der Wehrsteuer. D.- Die kantonalen Behörden und die eidgenössische Steuerverwaltung beantragen die Abweisung der Beschwerde.
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Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. ... (Abs. 1 = BGE 96 I 657 E. 1). Der Gewinn, den der Verkauf der Parzellen in O. dem Beschwerdeführer eingebracht hat, ist nicht im Betriebe eines buchführungspflichtigen Unternehmens entstanden, so dass BGE 96 I 667 S. 670 Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB nicht anwendbar ist. Der Streit geht darum, ob dieser Gewinn Erwerbseinkommen gemäss lit. a daselbst bilde. 2. Der Beschwerdeführer hat in den Jahren 1952-1966 10 Grundstücke gekauft und 5 ganz oder teilweise wieder verkauft; einige Verkäufe haben ihm Gewinne verschafft. Die kantonalen Behörden und die eidgenössische Steuerverwaltung schliessen daraus, dass er gewerbsmässig Handel mit Liegenschaften getrieben habe. Sie nehmen an, auch der beim Verkauf der Parzellen in O. erzielte Gewinn sei ein Ergebnis dieser Erwerbstätigkeit, weshalb er nach Art. 21 Abs. 1 lit. a WStB zu versteuern sei. Indessen ist keine der vorangegangenen Handänderungen bei den früheren Veranlagungen des Beschwerdeführers als gewerbsmässig qualifiziert worden. War das richtig, dann können diese Handänderungen auch nicht als Indiz dafür dienen, dass eine Erwerbstätigkeit vorliegt. Es ist aber auch möglich, dass die bei den früheren Geschäften erzielten Gewinne aus Irrtum nicht besteuert worden sind. Doch steht heute die Besteuerung dieser Gewinne nicht zur Diskussion. Zu beurteilen ist einzig, ob der Gewinn aus dem Verkauf der beiden Grundstücke in O. Erwerbseinkommen darstelle. Dabei kann allerdings ein Rückblick auf die früheren Handänderungen aufschlussreich sein (ASA 33 270). Die Häufung von Grundstückkäufen und -verkäufen kann ein Indiz für gewerbsmässiges Handeln sein, muss es aber nicht. Es kommt vor, dass auch Liegenschaftenhändler gelegentlich ein Grundstück in der Absicht, es zu bewohnen, oder für sonstige private Zwecke erwerben, tatsächlich dafür verwenden und nachher mit Gewinn veräussern. In solchen Fällen kann es gerechtfertigt sein, den Verkauf als einen Akt der Verwaltung des privaten Vermögens zu betrachten, so dass der dabei erzielte Gewinn der Wehrsteuer für Einkommen nicht unterliegt (Urteile Fankhauser vom 23. Oktober 1970 und Graf vom 7. November 1970, nicht veröffentlicht). 3. Hätte der Beschwerdeführer für die Finanzierung der Grundstückkäufe bedeutende fremde Mittel verwendet, so wäre dies nach der Rechtsprechung ein gewichtiges Indiz für ein berufsmässiges Vorgehen ( BGE 92 I 122 ). Er macht jedoch geltend, er habe die Käufe im wesentlichen aus seiner Beamtenbesoldung und aus dem Arbeitsverdienst der Ehefrau, die seit der Verheiratung im Jahre 1942 bis 1963 ebenfalls berufstätig BGE 96 I 667 S. 671 gewesen sei, finanzieren können. Diese Darstellung ist glaubhaft, zumal die Ehe kinderlos geblieben ist. Vergeblich weisen die Vorinstanz und die eidgenössische Steuerverwaltung darauf hin, dass der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit den Käufen auch Fremdkapital in Anspruch genommen hat. Er hat keine anderen als Grundpfandschulden. Der gesamte Schuldbetrag von Fr. 267 500.-- verteilt sich auf die drei Grundstücke in A. (Fr. 210 000.--), B. (Fr. 50 000.--) und C. (Fr. 7500.--). Es ist alltäglich, dass beim Kauf von Grundstücken bestehende Hypotheken übernommen und zur Finanzierung von Bauten Hypothekarkredite zuhilfe genommen werden; beides tun nicht nur Leute, die mit Grundstücken Handel treiben. Auf den Liegenschaften in A. und B. hat der Beschwerdeführer Häuser für sich gebaut, die er heute noch besitzt. Diese Grundstücke hat er auf jeden Fall nicht im Rahmen einer Erwerbstätigkeit erworben. Die kleine Hypothek auf seinem Land in C., das immer noch über 2,3 ha umfasst, fällt nicht ins Gewicht. Es ist anzunehmen, dass der Beschwerdeführer die Kaufpreise von Fr. 1400.-- und Fr. 2400.-- für die beiden Parzellen in O. ohne Inanspruchnahme fremder Mittel hat bezahlen können. Er erklärt, anstatt sein erspartes Geld auf die Sparkasse zu tragen oder in Wertschriften anzulegen, habe er damit Land erworben. Das ist eine mögliche, jedenfalls nicht zum vornherein unglaubhafte oder unvernünftige Art der Anlage. Sie wirft dem Anleger unter Umständen nichts oder nur wenig ab, ist aber nicht nur dem Schwund des Geldwertes und des Wertes vieler Wertpapiere völlig entzogen, sondern gewährt dem Eigentümer noch die Chance eines gewissen Wachstums seiner Vermögenssubstanz, zumal dann, wenn der Boden Bauland ist oder werden kann. Die Parzellen in O., die der Beschwerdeführer in den Jahren 1954 und 1963 gekauft hat, sind in die Bauzone gekommen. Zudem macht der Beschwerdeführer geltend, er habe die zuerst gekaufte Parzelle erworben, um eine Bienenzucht hieher zu verlegen. Dass er das getan hat, ist nicht bestritten. Angesichts dieser Verwendung liegt die Annahme, dass der Kaufein Akt der Vermögensverwaltung war, erst recht nahe. Allerdings ist es wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer schon beim Entschluss zum Ankauf des Landes in O. die Aussicht auf einen Wiederverkauf und einen dabei erzielbaren Gewinn einkalkuliert hat. Er sagt selbst, die zuerst gekaufte Parzelle sei ein langgezogener, schmaler Streifen gewesen, so BGE 96 I 667 S. 672 dass es für ihn "wichtig" gewesen sei, auch den angrenzenden Streifen zu erhalten; er habe sich mit dem Eigentümer dieses Streifens schon im Jahre 1954 über den Kauf geeinigt, doch sei die Übereignung erst im Jahre 1963 möglich geworden, weil der Verkäufer bis dahin durch einen langfristigen Pachtvertrag gebunden gewesen sei. Diese Darstellung wird durch die Tatsache bestätigt, dass der Beschwerdeführer den Preis von Fr. 2400.-- für den hinzugekauften Streifen seit 1954 in Raten abbezahlt hat. Zwar haben die beiden Parzellen zusammen nach dem vorgelegten Situationsplan immer noch einen verhältnismässig schmalen Streifen gebildet, der für sich allein wohl kaum hätte überbaut werden können. Gleichwohl kann angenommen werden, dass der Beschwerdeführer von Anfang an in Aussicht genommen hat, das ganze Land bei günstiger Gelegenheit mit Gewinn weiterzuverkaufen. Diese Gelegenheit stellte sich im Jahre 1966 ein, als die Gemeinde O. Land zu kaufen suchte, um bei Enteignungen, Landumlegungen und dgl. Realersatz bieten zu können. Wenn der Beschwerdeführer die Parzellen in der Absicht, sie mit Gewinn wieder zu verkaufen, erworben hat, so ist dies aber noch kein Grund, den erzielten Gewinn als Ergebnis einer Erwerbstätigkeit zu betrachten. Denn einerseits durfte der Beschwerdeführer damit rechnen, bei einem späteren Verkauf auch eine nachträgliche Verzinsung seiner Gestehungskosten zu erreichen, und anderseits ist die Gewinnabsicht nicht ein Merkmal, durch das sich der berufsmässige Liegenschaftenhandel von der Tätigkeit eines umsichtigen Vermögensverwalters unterscheidet. Wer sein Vermögen in Grund und Boden anlegt, wird in der Tat kaum je unterlassen, Überlegungen über die Möglichkeit einer späteren gewinnbringenden Veräusserung anzustellen ( BGE 93 I 288 ). Dass andere Kennzeichen einer auf Erwerb gerichteten Tätigkeit vorhanden sind, ist jedenfalls hinsichtlich der die Grundstücke in O. betreffenden Geschäfte nicht dargetan. Die günstige Gelegenheit, die dem Beschwerdeführer den streitigen Gewinn verschafft hat, ist ohne sein Zutun eingetreten. Sie hat sich auch erst 12 Jahre nach dem Ankauf der einen Parzelle und nach der Einigung über den Zukauf der anderen ergeben. Nichts deutet darauf hin, dass das Geschäft nur dank besonderen Bemühungen des Beschwerdeführers zustande gekommen ist. BGE 96 I 667 S. 673 Die Würdigung aller Umstände führt zum Schluss, dass keine genügenden Gründe bestehen, den umstrittenen Gewinn als Einkommen aus Erwerbstätigkeit im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. a WStB zu erfassen. 4. (Infolgedessen wird der in Art. 26 WStB festgesetzte Mindestbetrag des steuerpflichtigen Einkommens nicht erreicht.)
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Sachverhalt ab Seite 230 BGE 124 III 229 S. 230 Die Eheleute U.Q. und V.Q., beide geboren 1922, sind langjährige Mitglieder der Helsana Versicherungen AG (vormals Krankenkasse Helvetia). In der Zeit vom 1. Januar 1993 bis zum 31. Dezember 1995 waren U.Q. und V.Q. u.a. auch in der Krankenpflege-Zusatzversicherung "BASIS TOP" versichert; die Prämien wurden nach dem Eintrittsalter berechnet, so dass U.Q. und V.Q. in der Altersgruppe 30 eingereiht waren. Im Zusammenhang mit der Revision des Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes (KUVG 1911) mussten die bis dahin nach dem Krankenversicherungsrecht geführten Zusatzversicherungen dem revidierten Krankenversicherungsgesetz (KVG 1994) angepasst und gleichzeitig dem Privatversicherungsrecht unterstellt werden. Die Krankenkasse Helvetia passte die Krankenpflege-Zusatzversicherungen per 1. Januar 1996 dem neuen Recht an, wobei die bisherige Zusatzversicherung "BASIS TOP" in zwei neue Produkte aufgeteilt wurde, nämlich die "TOP" Krankenpflege-Zusatzversicherung für spezielle Leistungen und die "SANA" Krankenpflege-Zusatzversicherung für Prävention und Komplementärmedizin. Die Prämien in den beiden neu gestalteten Krankenpflegeversicherungen wurden neu nicht mehr nach dem Eintrittsalter der Versicherten, sondern nach dem aktuellen Lebensalter berechnet; U.Q. und V.Q. wurden in die höchste Altersgruppe - Lebensalter mehr als 71 Jahre - eingeteilt, was eine entsprechende Prämienerhöhung zur Folge hatte. BGE 124 III 229 S. 231 Am 20. August 1996 erhoben U.Q. und V.Q. beim Appellationshof des Kantons Bern Klage gegen die Helvetia Krankenkasse und beantragten im wesentlichen, die Krankenkasse sei zu verpflichten, ihnen für die Zusatzversicherungen "TOP" und "SANA" Versicherungsverträge anzubieten, die mindestens den bisherigen Umfang des Versicherungsschutzes gewähren; zudem seien bei der Festsetzung der Prämien die unter früherem Recht zurückgelegten Versicherungszeiten anzurechnen, indem ihnen eine vom Lebensalter unabhängige, jedoch das Eintrittsalter in die Versicherung berücksichtigende Altersgruppeneinteilung gewährt werde. Eventuell seien die Prämien auf maximal das 1,4fache jener einer höchstens 26-30 Jahre alten Person zu begrenzen. Subeventuell seien ihnen Entschädigungen für zuviel bezahlte Prämien zu bezahlen, d.h. Fr. 8'537.05 an V.Q. und Fr. 11'560.70 an U.Q. In ihrer Klageantwort beantragte die Helvetia Krankenkasse sinngemäss, auf die Klage nicht einzutreten, da das angerufene Gericht sachlich nicht zuständig sei. Eventualiter sei die Klage abzuweisen. Mit Urteil vom 17. Juni 1997 hat der Appellationshof des Kantons Bern die Klage zurückgewiesen. Gegen dieses Urteil erhoben U.Q. und V.Q. beim Bundesgericht Berufung.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. In seinem Rückweisungsentscheid führte der Appellationshof des Kantons Bern im wesentlichen aus, dass die Tarife der Bewilligungspflicht der Aufsichtsbehörden unterlägen, diese Verfügungen veröffentlicht würden und bei der Rekurskommission für die Aufsicht über die Privatversicherung angefochten werden könnten; gegen den Rekursentscheid stehe unter bestimmten Voraussetzungen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht zur Verfügung. Die Tarifgestaltung unterliege somit nicht der Überprüfung durch die Zivilgerichte. a) Zunächst stellt sich die Frage, ob überhaupt eine berufungsfähige Zivilrechtsstreitigkeit im Sinn von Art. 46 OG vorliegt. Als solche versteht die Rechtsprechung ein kontradiktorisches Verfahren zwischen zwei und mehreren natürlichen oder juristischen Personen in ihrer Eigenschaft als Trägerinnen privater Rechte oder zwischen solchen Personen und einer Behörde, die nach Bundesrecht die Stellung einer Partei einnimmt. Dieses Verfahren bezweckt die endgültige Regelung zivilrechtlicher Verhältnisse. Dabei ist nicht entscheidend, welchen Rechtsweg die kantonale Behörde eingeschlagen hat; vorausgesetzt ist nur, dass die Parteien Ansprüche aus BGE 124 III 229 S. 232 Bundeszivilrecht erhoben haben und ebensolche objektiv streitig sind ( BGE 123 III 346 E. 1a S. 349 mit Hinweisen). b) Das Bundesgesetz über die Krankenversicherung vom 18. März 1994 (KVG; SR 832.10) regelt die soziale Krankenversicherung, welche die obligatorische Kranken- und eine freiwillige Taggeldversicherung umfasst ( Art. 1 Abs. 1 KVG ); das Versicherungsverhältnis untersteht dem öffentlichen Recht. Das frühere, bis 31. Dezember 1995 gültige Krankenversicherungsrecht (KUVG vom 13. Juni 1911) umfasste die von den Krankenkassen angebotenen Zusatzversicherungen grundsätzlich ebenfalls. Nach dem neuen KVG unterstehen die neben der sozialen Krankenversicherung angebotenen Zusatzversicherungen dem Privatrecht, womit auf sie nunmehr das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) anwendbar ist ( Art. 12 Abs. 3 KVG ). Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen gelten daher als zivilrechtlich und sind vom Zivilrichter zu entscheiden (Art. 47 Abs. 1 Versicherungsaufsichtsgesetz [VAG; SR 961.01]). So hat das Bundesgericht kürzlich entschieden, dass es sich bei der Streitigkeit über die Frage, ob die von der Krankenkasse angebotene Zusatzversicherung den nach Art. 102 Abs. 2 Satz 3 KVG garantierten Versicherungsschutz gewähre, um eine Zivilrechtsstreitigkeit handle ( BGE 124 III 44 E. 1/a/aa und 2a). c) Gemäss Art. 8 Abs. 1 VAG haben Versicherungseinrichtungen, die eine Bewilligung zum Geschäftsbetrieb erlangen wollen, der Aufsichtsbehörde ein Gesuch mit dem Geschäftsplan einzureichen. Dieser muss u.a. die in der Schweiz zu verwendenden genehmigungspflichtigen Tarife und ihre Versicherungsmaterialien enthalten ( Art. 8 Abs. 1 lit. f VAG ). Im Genehmigungsverfahren prüft die Aufsichtsbehörde aufgrund der von der Versicherung vorgelegten Tarifberechnungen, ob sich die vorgesehenen Prämien in einem Rahmen halten, der einerseits die Solvenz der einzelnen Versicherungseinrichtungen und andrerseits den Schutz der Versicherten vor Missbräuchen gewährleistet ( Art. 20 VAG ). Verfügungen der Aufsichtsbehörde über Tarife können mit Beschwerde bei der Rekurskommission für die Aufsicht über die Privatversicherung angefochten werden ( Art. 45a Abs. 1 VAG ); gegen deren Entscheid steht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht zur Verfügung ( Art. 45a Abs. 2 VAG ). Diese Rechtslage entspricht im übrigen Art. 99 lit. b OG , welche Bestimmung - als Gegenausnahme - für privatrechtsgestaltende Verfügungen über Tarife auf dem Gebiet der Privatversicherung die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ermöglicht ( BGE 99 Ib 51 E. 1a S. 53 f.; FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, Bern 1983, S. 105). BGE 124 III 229 S. 233 Diese präventive Kontrolle durch die Verwaltung schliesst indessen - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - eine nachträgliche Prüfung durch den Zivilrichter nicht aus. So können Versicherungsbedingungen, auch wenn sie vom Bundesamt für Privatversicherungswesen genehmigt sind, vom Zivilrichter frei auf ihre Gesetzmässigkeit überprüft werden, ob sie zwingenden Bestimmungen des VVG widersprechen, und der Zivilrichter ist an den Genehmigungsentscheid nicht gebunden ( BGE 100 II 453 E. 6 S. 461 ff.). Nicht anders ist der Zivilrichter frei, im konkreten Fall zu prüfen, ob der Prämientarif, auch wenn er vom Bundesamt für Privatversicherungen genehmigt wurde, den Anforderungen zwingender gesetzlicher Bestimmungen widerspricht; dessen Entscheid unterliegt der Berufung ans Bundesgericht ( Art. 46 OG ). Der erforderliche Streitwert ist offensichtlich erreicht, da bei wiederkehrenden Leistungen von unbeschränkter Dauer vom Kapitalwert auszugehen ist, der dem zwanzigfachen Betrag der einjährigen Leistung entspricht ( Art. 36 Abs. 5 und 6 OG ). Die Vorinstanz hat die Klage daher zu Unrecht mit der Begründung zurückgewiesen, es liege keine Zivilrechtsstreitigkeit vor, so dass die Berufung diesbezüglich gutzuheissen ist. d) Der Appellationshof hat sich nur zur Zuständigkeitsfrage geäussert und nicht in der Sache selbst entschieden. Dennoch rechtfertigt sich ausnahmsweise, das Verfahren nicht zur Neuentscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen, sondern sogleich in der Sache zu entscheiden. Einerseits sind die Tatsachenfeststellungen vollständig. Anderseits stand den Parteien die Möglichkeit offen, ihren Standpunkt zur hier gestellten Rechtsfrage darzulegen, von welcher Möglichkeit sie sowohl im kantonalen Verfahren als auch im Verfahren vor Bundesgericht Gebrauch gemacht haben. Zu beachten ist schliesslich auch, dass das Gesetz ein rasches Verfahren vorschreibt ( Art. 47 Abs. 2 VAG ). 3. Zwischen den Parteien ist umstritten, ob die Beklagte berechtigt ist, bei der Prämienberechnung für die Zusatzversicherung ausschliesslich auf das aktuelle Lebensalter der Kläger abzustellen und die zurückgelegte Versicherungszeit unberücksichtigt zu lassen. Gemäss Art. 11 der seit dem 1. Januar 1996 in Kraft stehenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) der Helsana werden die Prämien dem Lebensalter der versicherten Personen entsprechend angepasst. Die Maximalprämien für über 65jährige Versicherte betragen das Dreifache und für über 70jährige das Vierfache der Prämien für 30jährige. Bei den Taggeldversicherungen darf die Maximalprämie ab Alter 60 das Fünffache der Prämien für über BGE 124 III 229 S. 234 30jährige nicht übersteigen. Gemäss dieser Regelung ist für die Prämienfestsetzung ausschliesslich das effektive Alter der Versicherten massgebend. Demgegenüber spielen Eintrittsalter bzw. zurückgelegte Versicherungszeiten bei der Prämienfestsetzung keine Rolle. Die hier umstrittenen Prämien wurden - dem Alter der Kläger entsprechend - nach Massgabe der Altersgruppe der über 70jährigen berechnet. a) Im Bereich der privaten Krankenversicherung können die Prämientarife unterschiedlich ausgestaltet sein. Möglich sind beispielsweise gleiche Prämien für beide Geschlechter und alle Alter, wie dies für die Grundversicherung vorgeschrieben ist ( Art. 61 Abs. 1 KVG ); denkbar sind aber auch nach Geschlecht und Alter abgestufte Prämien, sogenannte risikogerechte Prämien. Werden Prämien nicht entsprechend dem für Geschlecht und Altersklasse bestehenden Erkrankungsrisiko festgelegt, resultiert daraus ein mehr oder weniger grosser Solidaritätseffekt zwischen Geschlechtern und Altersklassen (EIKE STEINMANN, Finanzierungssysteme in der privaten Versicherung, in: Schweizerische Versicherungszeitschrift 1995, S. 218 f.). Bei den Zusatzversicherungen unter der Herrschaft des KUVG entsprach es weit verbreiteter Praxis, die Prämien nach dem Eintrittsalter abzustufen, d.h. bei der Bemessung der Prämien in der Regel auch die zurückgelegten Versicherungszeiten zu berücksichtigen mit der Folge, dass Versicherte aufgrund bereits zurückgelegter Versicherungszeiten im Vergleich mit neuversicherten Personen gleichen Alters in den Genuss einer entsprechend tieferen Prämie gelangten. Unter dem neuen Recht können die Versicherungen das System risikogerechter Prämien zur Anwendung bringen und damit den Prämientarif ausschliesslich nach dem effektiven Alter und dem Geschlecht des Versicherten abstufen (BBl 1992 I S. 214; PETER STREIT, Zusatzversicherungen nach Versicherungsvertragsgesetz: Erfahrungen und Entwicklungen, in: Soziale Sicherheit 4/1997, S. 223). Da die Krankheitshäufigkeit in der Regel mit dem Alter zunimmt, fallen nach Altersklassen abgestufte Risikoprämien mit zunehmendem Alter der Versicherten entsprechend höher aus. Allerdings steht es den Krankenkassen auch unter dem neuen Recht frei, beim Prämientarif zurückgelegte Versicherungszeiten zu berücksichtigen bzw. auf das Eintrittsalter Rücksicht zu nehmen (BBl 1992 I S. 214) und insoweit das System risikogerechter Prämien zu modifizieren. Diesfalls liegen die Prämien langjähriger Versicherter unter den risikogerechten Prämien, jene junger und neueintretender Mitglieder darüber. b) Umstritten ist, ob Krankenkassen verpflichtet sind, bei der BGE 124 III 229 S. 235 Prämiengestaltung langjährigen Versicherten die unter altem Recht zurückgelegte Versicherungszeiten anzurechnen und ihnen entsprechend tiefere Prämien anzubieten, wenn bei der Prämienfestsetzung einzig auf das individuelle Altersrisiko abgestellt wird. Entscheidend dafür ist Art. 102 Abs. 2 KVG bzw. dessen Satz 4. Die Bestimmung lautet wie folgt: "Bestimmungen der Krankenkassen über Leistungen bei Krankenpflege, die über den Leistungsumfang nach Artikel 34 Absatz 1 hinausgehen (statutarische Leistungen, Zusatzversicherungen), sind innert eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Gesetzes dem neuen Recht anzupassen. Bis zur Anpassung richten sich Rechte und Pflichten der Versicherten nach dem bisherigen Recht. Die Krankenkasse ist verpflichtet, ihren Versicherten Versicherungsverträge anzubieten, die mindestens den bisherigen Umfang des Versicherungsschutzes gewähren. Die unter dem früheren Recht zurückgelegten Versicherungszeiten sind bei der Festsetzung der Prämien anzurechnen." Nach Auffassung der Beklagten bezieht sich die Pflicht zur Anrechnung unter altem Recht zurückgelegter Versicherungszeiten nur auf solche Versicherungsprodukte, die auch unter dem neuen Recht auf das Eintrittsalter Rücksicht nehmen. Zur Begründung beruft sich die Beklagte auf die entsprechende Passage der Botschaft (BBl 1992 I S. 214), welche folgenden Wortlaut hat: "...Um die Fortführung des bisherigen Versicherungsschutzes zu gewährleisten, sind die Krankenkassen zu verpflichten, die bisher über das gesetzliche Minimum hinaus gewährten Leistungen auf vertraglicher Basis ungeschmälert weiterzuführen. Unter diese Garantie fällt allerdings nur der Umfang der versicherten Leistungen und nicht die Höhe der Prämien. Auch im geltenden Recht besteht keine Garantie bezüglich der Prämienhöhe. Im Gegensatz zum geltenden Recht kann die Prämie aber auch nach dem effektiven Alter abgestuft werden. Nimmt der Prämientarif nach neuem Recht auch auf das Eintrittsalter Rücksicht, was in der Regel der Fall sein dürfte, so sind die unter dem alten Recht zurückgelegten Versicherungszeiten anzurechnen...." Die Kläger stellen sich demgegenüber auf den Standpunkt, Art. 102 Abs. 2 Satz 4 KVG verpflichte die Krankenkassen vorbehaltlos, die unter altem Recht zurückgelegte Versicherungsdauer anzurechnen, und zwar dessenungeachtet, ob sie sich unter dem neuen Recht für ein System risikogerechter Prämien oder für ein System mit Berücksichtigung des Eintrittsalters entschieden haben. c) Das Gesetz ist in erster Linie aus sich selbst, d.h. nach Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrundeliegenden Wertungen und Zielsetzungen auszulegen; dabei hat sich die Gesetzesauslegung vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die BGE 124 III 229 S. 236 Rechtsnorm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz; gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis aus der ratio legis ( BGE 121 III 219 E. 1d/aa S. 224 f. mit Hinweisen; ERNST A. KRAMER, Juristische Methodenlehre, Bern 1998, S. 161 ff.). aa) Die Äusserungen in der Literatur zur Tragweite von Art. 102 Abs. 2 Satz 4 KVG sind nicht eindeutig. RAYMOND SPIRA (Le nouveau régime de l'assurance-maladie complémentaire, in: Schweizerische Versicherungs-Zeitschrift 1995, S. 196) illustriert die Anwendung der in Frage stehenden Bestimmung anhand des Beispiels einer beim Inkrafttreten des KVG seit 20 Jahren versicherten Person, deren 20jährigen Mitgliedschaft die Kasse Rechnung tragen müsse, woraus eine erhebliche Verminderung der Prämie resultieren sollte im Vergleich zu einer neu versicherten Person gleichen Alters; allerdings geht der Autor weder auf die Botschaft ein, noch führt er aus, ob seinem Beispiel ein Tarif zugrundeliegt, der auch unter dem neuen Recht auf die Versicherungszeiten bzw. das Eintrittsalter Rücksicht nimmt. Auch VINCENT BRULHART (Quelques remarques relatives au droit applicable aux assurances complémentaires dans le nouveau régime de la LAMal, in: LAMal-KVG, Recueil des travaux en l'honneur de la société suisse de droit des assurances, (IRAL) Lausanne 1997, S. 748 f.) und THOMAS LOCHER (Grundriss des Sozialversicherungsrechts, Bern 1997, § 28 Rz. 3) vertreten die Auffassung, Art. 102 Abs. 2 Satz 4 KVG verpflichte die Krankenkassen, die unter dem früheren Recht zurückgelegten Versicherungszeiten bei der Festsetzung der Prämien anzurechnen, so dass langjährige Versicherte von tieferen Prämien profitieren müssten; aber auch diese Autoren setzen sich mit der Botschaft nicht auseinander und legen nicht dar, ob ihrer Annahme ein Tarif zugrundeliege, der auch unter dem neuen Recht auf die Versicherungsdauer Rücksicht nimmt. Als einziger Autor weist ALFRED MAURER (Verhältnis obligatorische Krankenpflegeversicherung und Zusatzversicherung, in: LAMal-KVG, Recueil de travaux en l'honneur de la société suisse de droit des assurances, Lausanne 1997, S. 730 ff.) auf einen durch Auslegung nicht überbrückbaren Widerspruch zwischen Gesetzestext und Botschaft hin und fordert, allein auf den Gesetzestext abzustellen, der auf jeden Fall eine Berücksichtigung der bisherigen Versicherungsdauer verlange, und zwar auch dann, wenn die neue Zusatzversicherung nicht auf dieses Kriterium abstelle. Die gegenteilige Meinung vertritt UELI KIESER (Die Neuordnung der Zusatzversicherungen zur Krankenversicherung, AJP 1997, S. 16, insbes. BGE 124 III 229 S. 237 Fn. 55): Den unter früherem Recht zurückgelegten Versicherungszeiten sei nur dann Rechnung zu tragen, wenn die Prämie auch unter neuem Recht unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes ausgestaltet werde, wozu die Versicherungen allerdings nicht verpflichtet seien; Kieser hebt hervor, dass mangels entsprechender Äusserungen in der parlamentarischen Gesetzesberatungen der Feststellung in der Botschaft Bedeutung zukomme. PETER STREIT (a.a.O., S. 225 f.) weist zunächst darauf hin, dass sich angesichts der Finanzierung der Zusatzversicherung im Umlageverfahren eine Berücksichtigung bisheriger Versicherungszeiten bei der Prämienfestsetzung versicherungsmathematisch nicht rechtfertigen lasse, und fährt sodann fort, dass die im Gesetz vorgesehene Anrechnung bisheriger Versicherungszeiten als politisches Zugeständnis zu werten sei. Den Materialien ist - abgesehen von der erwähnten Passage in der Botschaft - nichts zur Tragweite von Art. 102 Abs. 2 Satz 4 KVG zu entnehmen; weder in der Expertenkommission noch in den parlamentarischen Kommissionen (SPIRA, a.a.O., S. 195), noch in den Beratungen des Parlamentes ist die Frage der Anrechnung bisheriger Versicherungszeiten bei der Prämienfestsetzung thematisiert worden. bb) Art. 102 Abs. 2 KVG schliesst die Höhe und die Art der Bestimmung der Prämie nicht in den Besitzstand ein (BBl 1992 I S. 214). Schon im bisherigen Recht bestand hinsichtlich der Prämienhöhe keine Garantie und waren den Versicherten keine wohlerworbenen Rechte erwachsen. Dennoch gingen viele Versicherte von der Annahme aus, dass das System nicht geändert werden würde und sie dereinst nach Jahren oder Jahrzehnten der Mitgliedschaft den von der jüngeren Generation zugunsten der älteren Versicherten entrichteten Solidaritätszuschlag ebenfalls einfordern und ihrerseits von einer tieferen Prämie profitieren könnten. Nun gilt es allerdings zu berücksichtigen, dass während der zurückgelegten Versicherungsdauer keine individuelle Vorfinanzierung einer künftigen - durch steigendes Erkrankungsrisiko erhöhten - Belastung stattgefunden hat, wie es einem Kapitaldeckungsverfahren entsprechen würde. Vielmehr sind die Zusatzversicherungen der Krankenkassen unter dem alten Krankenversicherungsrecht nach dem Umlageverfahren finanziert worden; dies bedeutet, dass die Prämieneinnahmen eines bestimmten Jahres in der Finanzierung der Krankheitskosten des gleichen Jahres aufgingen, weshalb die Bildung individueller Altersrückstellungen, die eingefordert werden könnten, unter dem alten System gar nicht möglich war (STREIT, a.a.O., S. 225; STEINMANN, a.a.O., S. 218 f.). Eine Anrechnung vergangener Versicherungsjahre wäre jedoch nur gerechtfertigt, wenn BGE 124 III 229 S. 238 während dieser Zeit vom Versicherten Vorauszahlungen zur Finanzierung von individuellen Altersrückstellungen erbracht worden wären; erfolgt die Finanzierung demgegenüber im Umlageverfahren, entbehrt die Anrechnung zurückgelegter Versicherungszeiten einer versicherungsmathematischen Grundlage (STREIT, a.a.O., S. 225). Weiter ist zu berücksichtigen, dass es den Krankenkassen im Bereich der privaten Zusatzversicherung freigestellt ist, ob sie die Versicherten ausschliesslich nach Altersklassen einteilen und risikogerechte Prämien verlangen oder ob sie dieses System durch Berücksichtigung zurückgelegter Versicherungszeiten bzw. des Eintrittsalters modifizieren wollen; es ist den Kassen aber auch freigestellt, in welchem Umfang sie dies - gegebenenfalls - verwirklichen wollen, wie es ihnen überhaupt überlassen bleibt, in ihrem Angebot Zusatzversicherungen zu führen. In jedem Fall zurückgelegte Versicherungszeiten zu berücksichtigen und langjährigen Versicherten tiefere Prämien anzurechnen, würde aber bedeuten, dass die Krankenkassen im Rahmen der privaten Krankenversicherung in ihrer Freiheit prinzipiell eingeschränkt wären, eine Finanzierung über das System der risikogerechten Prämien zu verwirklichen, und liefe dieser übergeordneten Zielsetzung des neuen Rechts zuwider; da nach dem früheren Umlageverfahren keine Altersrückstellungen gemacht wurden, könnte die Berücksichtigung zurückgelegter Versicherungszeiten nur über die Anhebung risikogerechter Prämien für jüngere und neueintretende Versicherte finanziert werden. Ein solches Modell, das auf einem Solidaritätstransfer zwischen den Altersgruppen basiert, wäre indessen nur mit einem Paket von Zwangsmassnahmen realisierbar gewesen (STREIT, a.a.O., S. 223 f.). Darauf hat der Gesetzgeber mit der Unterstellung der Zusatzversicherung unter das Privatrecht aber bewusst verzichtet. Dies macht deutlich, dass Art. 102 Abs. 2 Satz 4 KVG nicht die Bedeutung beigemessen werden kann, die Krankenkassen zu verpflichten, die Prämien in jedem Fall - d.h. völlig ungeachtet des von ihnen gewählten Prämiensystems - unter Berücksichtigung der unter altem Recht zurückgelegten Versicherungszeiten festzusetzen. Ein weiteres Indiz für die eingeschränkte Bedeutung der umstrittenen Bestimmung bildet schliesslich der Umstand, dass die Frage der Berücksichtigung zurückgelegter Versicherungszeiten bei der Prämienfestsetzung nicht justiziabel ist, wenn nicht der Prämientarif dazu die nötigen Kriterien liefert. Infolge Fehlens eines objektiven Massstabes ist es nicht möglich, die Anrechnung vergangener Versicherungszeiten mit mathematischen Methoden zu beurteilen BGE 124 III 229 S. 239 (STREIT, a.a.O., S. 225). Die notwendigen Kriterien liegen nur dann vor, wenn die Versicherungen auch unter dem neuen Recht auf das Eintrittsalter Rücksicht nehmen, wozu sie aber nicht verpflichtet sind. Auch Alfred Maurer, der sich für eine ausnahmslose Berücksichtigung der zurückgelegten Versicherungsdauer bei der Prämienfestsetzung ausspricht, hat darauf hingewiesen, dass nach dem Gesetz unklar sei, unter welchen Voraussetzungen - ob nur bei langer oder auch bei kurzer Dauer - und namentlich auf welche Weise die Anrechnung erfolgen soll (a.a.O., S. 731, Fn. 31). cc) Aus diesen Gründen verschafft das Übergangsrecht keinen generellen Anspruch darauf, dass zurückgelegte Versicherungszeiten zu einer Prämienreduktion führen. Hingegen ist Art. 102 Abs. 2 Satz 4 KVG so zu verstehen - und steht insoweit auch mit der Zielsetzung des KVG in Einklang -, dass unter altem Recht zurückgelegte Versicherungszeiten von den Versicherungen dann anzurechnen sind, wenn der Prämientarif auch unter dem neuen Recht auf das Eintrittsalter Rücksicht nimmt. Zwar dürfte es auch diesfalls an der versicherungsmathematischen Rechtfertigung fehlen, unter altem Recht zurückgelegte Versicherungszeiten anzurechnen. Doch unterziehen sich Versicherungen dieser Anrechnung insoweit aus freien Stücken, als sie sich dafür entscheiden, auch unter dem neuem Recht bei der Prämienfestsetzung zurückgelegte Versicherungszeiten grundsätzlich als Faktor zu berücksichtigen und insoweit das System risikogerechter Prämien nicht konsequent zu verwirklichen. Diesfalls verfügt die Versicherung aber auch über die Anrechnungskriterien, um die Prämienreduktion zu berechnen. Im übrigen ist die so zu verstehende Übergangsbestimmung - entgegen der Auffassung der Kläger - auch keineswegs überflüssig bzw. sinnlos, bestünde doch ansonsten für Krankenkassen, die auch nach dem neuen Recht auf das Eintrittsalter Rücksicht nehmen, gerade wegen des früheren Finanzierungssystems kein Anlass, diesen Prämienvorteil auch hinsichtlich der unter altem Recht zurückgelegten Versicherungszeiten anzurechnen und es nicht dabei bewenden zu lassen, ihn nur ab Umstellung des Systems zu gewähren. Zusammenfassend ergibt sich, dass unter altem Recht zurückgelegte Versicherungszeiten anzurechnen sind, wenn Versicherungszeiten bzw. das Eintrittsalters generell einen bei der Prämienfestsetzung zu berücksichtigenden Faktor bilden, nicht aber, wenn diese Gesichtspunkte für die Festlegung der Prämien grundsätzlich keine Rolle spielen. Da die Helsana das Kriterium der zurückgelegten Versicherungsdauer bzw. des Eintrittsalters unberücksichtigt lässt und keine Verpflichtung zur Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes besteht, ist die Prämienfestsetzung BGE 124 III 229 S. 240 nicht zu beanstanden; die Klage ist daher sowohl im Haupt- als auch im Eventualstandpunkt unbegründet. d) Nach dem Gesagten erweist sich aber ohne weiteres auch das Subeventualbegehren als unbegründet, mit welchem die Rückzahlung von Fr. 8'537.05 für den Kläger und von Fr. 11'560.70 für die Klägerin verlangt wird. Die Kläger gehen fehl in der Annahme, dass für die Versicherten ein individuelles "Prämiendepot für später" eingerichtet wurde, dessen Ausbezahlung sie nun nach dem Systemwechsel beanspruchen können. Wie erläutert wurden die Zusatzversicherungen unter dem alten Recht nach dem Umlageverfahren finanziert, so dass keine individuellen Altersrückstellungen gebildet wurden (vgl. E. 3c/bb). Damit besteht aber offensichtlich kein Anspruch auf angeblich zuviel bezahlte Prämien.
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Erwägungen ab Seite 151 BGE 102 II 151 S. 151 Extrait des considérants: 2. Le recours tend, à titre subsidiaire, à une réduction de la rente d'entretien que le défendeur a été condamné à servir à sa femme. Dans son recours au Tribunal cantonal, le défendeur s'était borné à conclure à l'admission de sa conclusion en divorce et au rejet de l'action en séparation de corps de sa femme. Il n'avait pris aucune conclusion quant aux effets accessoires de la séparation de corps et, notamment, n'avait pas critiqué, à titre subsidiaire, le montant de la pension allouée à la demanderesse par le jugement de première instance. L'intimée demande que la conclusion subsidiaire prise devant le Tribunal fédéral soit déclarée irrecevable. Elle fait valoir que le défendeur a soustrait ce point à la connaissance du Tribunal cantonal et qu'il ne saurait aujourd'hui inviter BGE 102 II 151 S. 152 le Tribunal fédéral à revoir, au mépris de l' art. 48 OJ , le jugement rendu en première instance cantonale. a) Aux termes de l'art. 55 al. 1 litt. b OJ, il ne peut être présenté de conclusions nouvelles dans le cadre du recours en réforme devant le Tribunal fédéral. Est une conclusion nouvelle toute conclusion qui n'a pas été maintenue jusqu'à fin de la procédure devant l'autorité cantonale de dernière instance ( ATF 94 II 211 consid. 4). Certes, prise à la lettre, la conclusion articulée par Meyer devant le Tribunal cantonal impliquait le rejet de la prétention de la demanderesse à une rente d'entretien, le recours tendant à ce que l'action de dame Meyer fût rejetée: le rejet de l'action en séparation de corps, combiné avec l'admission de la conclusion reconventionnelle en divorce, avait pour effet nécessaire le refus d'une pension d'entretien, allouée à la femme par le Tribunal de première instance en application de l' art. 160 al. 2 CC (cf. ATF 95 II 72 /73). Mais ce refus était lié au rejet de l'action en séparation de corps; au cas où la conclusion du recours en réforme, qui tendait uniquement au divorce, était écartée, l'allocation de la pension d'entretien subsistait. En réalité, le défendeur n'a porté devant le Tribunal cantonal que le litige relatif au principe du divorce, respectivement de la séparation de corps. Il ne dit mot, dans son mémoire de recours en réforme adressé à la juridiction cantonale de recours, du montant de la rente allouée à la femme. Or il lui était loisible, s'il entendait discuter, devant l'autorité cantonale de dernière instance, la quotité de la pension pour le cas, qu'il ne pouvait exclure d'emblée, où la séparation de corps serait maintenue, de prendre une conclusion subsidiaire en réduction des sommes allouées en première instance. Ne l'ayant pas fait, il doit être réputé y avoir renoncé. C'est d'ailleurs ce qu'a admis implicitement le Tribunal cantonal, par une interprétation souveraine des conclusions prises devant lui ( ATF 81 II 529 , ATF 95 II 295 consid. 4): il n'a pas examiné le montant de la contribution. b) On objecterait vainement que le conseil du défendeur peut, à dessein, ne pas avoir formulé des conclusions subsidiaires, par crainte d'affaiblir la position principale de son client, et que, partant, on ne saurait déduire de l'absence de telles conclusions une renonciation à discuter du montant BGE 102 II 151 S. 153 de la rente, dont les conclusions principales impliquaient la suppression pure et simple. Certes, le Tribunal fédéral a parfois tenu compte de cet élément. Ainsi il a jugé que l'époux qui s'oppose au divorce n'est pas déchu de ses droits à une indemnité ou à une pension du fait qu'il s'est borné à conclure au rejet de l'action, sans prendre de conclusions reconventionnelles à titre subsidiaire; si le juge entend prononcer le divorce, il doit, en vertu du droit fédéral, donner au défendeur qui a conclu uniquement au rejet de la demande l'occasion de prendre des conclusions quant aux effets accessoires (arrêt non publié Fauguel c. Sandoz, du 19 octobre 1962; ATF 95 II 67 litt. b; arrêt non publié Bühlmann c. Bühlmann, du 12 mars 1970). Mais cette jurisprudence, qui vise un cas précis, ne saurait être appliquée en l'espèce. Il est normal qu'une partie qui s'oppose au divorce s'abstienne de conclusions subsidiaires relatives aux effets accessoires: l'articulation des conditions du droit à une indemnité ou à des aliments postule le plus souvent l'allégation de torts respectifs. La procédure se fait ainsi plus agressive, devenant susceptible d'aggraver à elle seule la rupture du lien conjugal. Le conjoint qui conteste la gravité de la mésentente a intérêt à s'abstenir de tout ce qui est de nature à compromettre davantage une union à laquelle il tient et qu'il ne juge pas irrémédiablement atteinte. La considération de cet intérêt en soi légitime, jointe au fait que le règlement des effets accessoires du divorce (excepté, le cas échéant, la liquidation du régime matrimonial) ne doit pas être renvoyé pour faire l'objet d'un procès spécial ( ATF 95 II 67 litt. a), a conduit à la solution dégagée par la jurisprudence. Une solution contraire, privant la partie défenderesse de toute indemnité ou pension alimentaire non requise au cours de la procédure de divorce, ne tiendrait pas compte de cet intérêt au maintien du mariage et conduirait à des conséquences d'une rigueur intolérable du point de vue social. En l'espèce, la prétention à une rente a été déduite en justice d'entrée de cause par la demanderesse. Le défendeur l'a discutée: il a allégué en procédure que sa femme avait un revenu annuel de 15'000 fr., allégation qui est en relation avec les conclusions pécuniaires de la demande. Il a offert de prouver son assertion par expertise, preuve dont il a été dispensé par BGE 102 II 151 S. 154 l'aveu de la demanderesse aux débats principaux. A l'audience de jugement également, il a admis le principe de l'indexation des pensions, ce qui vaut aussi pour la rente due à la femme. On est ainsi en présence d'une question introduite au procès. Le recourant ne peut dès lors invoquer aucune des considérations relevées ci-dessus en faveur du conjoint défendeur à l'action en divorce. Tout ce qu'il pourrait dire serait qu'il ne voulait pas, devant le Tribunal cantonal, affaiblir sa position principale en prenant une conclusion subsidiaire. Mais ce motif, de pure tactique, qui ne l'a d'ailleurs pas empêché de prendre une conclusion subsidiaire devant le Tribunal fédéral, ne saurait l'emporter sur le devoir de la partie de formuler ses conclusions de façon complète, claire et précise. Le recourant ne peut pas revenir sur un point qu'il a soustrait à la connaissance de la juridiction cantonale de recours, avec cet effet que le Tribunal fédéral aurait à connaître directement de la décision de première instance. La conclusion subsidiaire du recours est dès lors irrecevable.
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Sachverhalt ab Seite 219 BGE 94 I 218 S. 219 A.- Gli eredi fu Ettore e Clelia Biaggi-Luvini, in qualità di locatori, il 15 settembre 1967 stipularono con Valeria Maggi un contratto di locazione avente per oggetto un negozio ed una sala siti a Lugano, in uno stabile di loro proprietà. Il contratto, steso su carta semplice, prevedeva una durata triennale, dal 29 settembre 1967 al 29 settembre 1970, ed un canone annuo di fr. 18'000.--, più fr. 430.-- annui per il riscaldamento. Il 19 ottobre 1967 la Banca Vallugano, che rappresentava allora la locataria, trasmise il contratto al Dipartimento delle finanze del Cantone Ticino, pregandolo di apporvi il bollo proporzionale. L'Ufficio cantonale del bollo, il 24 ottobre successivo, comunicò alla banca di ravvisare nella fattispecie una contravvenzione alla legge sul bollo, il contratto essendo stato trasmesso dopo oltre trenta giorni dalla sua stipulazione. La banca rispose che il contratto, benchè datato 15 settembre 1967, era stato firmato dalla locataria posteriormente, e cioè al suo rientro da un periodo di cura, e dopo che una piccola divergenza era stata eliminata. Il Dipartimento cantonale delle finanze non prestò fede a queste affermazioni e, il 20 novembre 1967, assoggettò i locatori al pagamento di una "sanatoria" di fr. 616.-- (in realtà la BGE 94 I 218 S. 220 sanatoria vera e propria, calcolata sulla base d'un valore contrattuale di franchi 55'290.-- ammonta a fr. 560.--, mentre nell'importo di fr. 616.-- è compresa anche la somma di fr. 56.- corrispondente all'imposta sottratta). B.- Gli eredi fu Ettore e Clelia Biaggi-Luvini hanno quindi adito la Camera di diritto tributario del Tribunale di appello del Cantone Ticino mediante un gravame che è stato respinto con sentenza del 10 febbraio 1968. La Corte cantonale ha rilevato in sostanza che il contratto di locazione era valido già il 15 settembre 1967, e che nessuna prova in contrario senso è stata addotta dai contraenti. C.- Contro questa sentenza gli eredi fu Ettore e Clelia Biaggi-Luvini interpongono tempestivamente un ricorso di diritto pubblico per violazione dell'art. 4 CF. Essi chiedono l'annullamento del giudizio impugnato e l'accoglimento delle domande già presentate davanti alla precedente istanza (e tendenti, in via principale, alla cassazione del decreto dipartimentale e, in via subordinata, all'applicazione d'una multa massima di fr. 20.-). I ricorrenti negano d'essersi voluti sottrarre al pagamento dell'imposta, dal momento che hanno prodotto il contratto spontaneamente all'autorità. Essi rilevano comunque che il contratto di locazione è stato perfezionato solo il 19 ottobre 1967, quando la locataria vi ha apposto la propria firma: a questo riguardo richiamano e producono una dichiarazione stesa da Carlo Krähenbühl, condirettore della Banca Vallugano, secondo cui la locataria avrebbe firmato il contratto, in sua presenza e nel suo ufficio, proprio il 19 ottobre 1967. Secondo i ricorrenti la Corte cantonale, coll'ignorare crassamente queste circostanze determinanti, sarebbe incorsa nell'arbitrio. D.- La Camera di diritto tributario del Tribunale di appello e il Dipartimento cantonale delle finanze propongono la reiezione del ricorso.
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Erwägungen Considerando in diritto: 1. a) La sentenza della Camera tributaria, cui competeva un libero potere d'esame (v. art. 28 cpv. 2 e 3 della legge ticinese sul bollo del 16 giugno 1966 e art. 29 della legge ticinese di procedura per i delitti di competenza del Pretore e per le contravvenzioni, nel testo unico del 27 maggio 1966), ha sostituito quella del Dipartimento delle finanze. La decisione di BGE 94 I 218 S. 221 quest'ultima autorità non può, di conseguenza, formare l'oggetto di un ricorso di diritto pubblico (RU 88 I 3 consid. 4 a; 90 I 20 /21, 107 consid. 1; 91 I 166 consid. 1, 281 consid. 1). Il presente gravame è dunque irricevibile nella misura in cui si riferisce al giudizio di prima istanza. b) Il ricorso di diritto pubblico per violazione dell'art. 4 CF, a prescindere da eccezioni che non si avverano in concreto, è un rimedio di cassazione. Le domande dei ricorrenti intese a conclusioni diverse dal semplice annullamento della sentenza impugnata sono quindi irricevibili (cfr. RU 90 I 21 consid. 1, 348; 91 I 411 ). 2. Giusta l'art. 10 della legge ticinese sul bollo del 16 giugno 1966 (LB), i contratti d'un importo superiore ai 1000 fr. e stipulati in forma scritta devono essere stesi su carta bollata del prezzo corrispondente a 1 fr. per mille o frazione di mille del loro valore determinato o determinabile. Nel caso in cui non sia disponibile un foglio di carta bollata del valore prescritto, il contratto deve "venire trasmesso, entro 30 giorni dalla data di stesura, al dipartimento delle finanze, per la completazione o l'applicazione del bollo" (art. 11 cpv. 1 LB). Il contratto di locazione concluso tra gli eredi fu Ettore e Clelia Biaggi-Luvini da una parte e Valeria Maggi dall'altra, era stato steso nella forma della scrittura privata; il suo valore, dell'importo incontestato di fr. 55'290.--, superava inoltre, manifestamente, il limite di fr. 1000.-- stabilito dalla norma citata. Non c'è quindi dubbio che il contratto litigioso è soggetto all'imposta sul bollo ai sensi della relativa legge cantonale. I ricorrenti medesimi, del resto, a ragione non contestano questo assoggettamento. Solo, rimproverano alla precedente istanza di averli arbitrariamente sottoposti al pagamento di una sanatoria per aver essa ritenuto, a torto, che il contratto sarebbe stato prodotto all'Ufficio cantonale del bollo dopo il termine utile prescritto. 3. Il contratto in esame, che è stato prodotto al Dipartimento cantonale delle finanze il 19 ottobre 1967, porta la data del 15 settembre 1967. I ricorrenti sostengono però che la locataria ha firmato l'atto solo il 19 ottobre 1967, e che soltanto quel giorno sarebbe quindi sorto l'obbligo di solvere l'imposta. Tuttavia, l'opinione della precedente istanza, che ha ritenuto determinante la data posta sul contratto, non può considerarsi BGE 94 I 218 S. 222 manifestamente infondata. In effetti, la Corte cantonale poteva, senza arbitrio, ritenere non soddisfacente la prova addotta dai ricorrenti per dimostrare che il perfezionamento dell'atto è stato effettuato posteriormente. Tale prova consisteva essenzialmente nella dichiarazione scritta rilasciata da Carlo Krähenbühl, condirettore della Banca Vallugano. Ora, tenuto conto del vasto potere d'apprezzamento di cui beneficiano le autorità cantonali in materia di prove, non si può affatto censurare d'arbitrio la mancata presa in considerazione d'una dichiarazione la quale, emanando da una persona che era nello stesso tempo rappresentante delle parti, poteva non offrire sufficienti garanzie di veridicità. Un simile apprezzamento, per quanto severo, non è manifestamente falso o arbitrario, nè poggia su di una svista manifesta, ai sensi della giurisprudenza (RU 83 I 9). Esso trova del resto qualche fondamento anche nel fatto che il contratto in esame porta solo la data del 15 settembre 1967, mentre sarebbe stata almeno normale l'aggiunta della data del 19 ottobre 1967, qualora la locataria avesse effettivamente apposto la sua firma solo quel giorno. Infine, a non far ritenere arbitrario l'accennato apprezzamento dell'autorità cantonale sta anche la circostanza che le spiegazioni fornite dai ricorrenti a sostegno della loro tesi potevano apparire poco convincenti e, comunque, malsicure: mentre infatti in un primo tempo era stato sostenuto che il ritardo dell'apposizione della firma era dovuto al desiderio di eliminare una "piccola contestazione", in uno stadio successivo si è sostenuto che la locataria aveva voluto riservarsi un "periodo di riflessione" e che si era allontanata da Lugano per un periodo di cura. Del resto, anche ad ammettere, secondo quanto pretendono i ricorrenti, che la firma è stata apposta dalla locataria soltanto il 19 ottobre 1967, la decisione della precedente istanza di ritenere determinante la data del 15 settembre 1967 non sarebbe ancora arbitraria. Certo, il Tribunale federale ha ripetutamente statuito che l'imposta sul bollo colpisce il rapporto giuridico documentato dall'atto (cfr. RU 81 I 24 e la sentenza inedita del 24 gennaio 1968 nella causa Anker SA contro Dipartimento delle finanze del canton Vallese). Tuttavia, non è, con questo, detto che, in un caso come quello in esame, l'assoggettamento fiscale nasca solo quando il contratto sia perfetto. In una procedura di questa natura, ove il Tribunale federale ha un potere d'esame limitato, non si può rimproverare l'arbitrio all'autorità BGE 94 I 218 S. 223 che, fondandosi per di più sul tenore della legge, ha considerato determinante la data in cui il contratto è stato steso. Questo modo di vedere della precedente istanza non contrasta del resto con la giurisprudenza, la quale ha ammesso l'assoggettamento fiscale già al momento in cui il compratore e il rappresentante della venditrice hanno firmato il contratto, indipendentemente dal fatto che nel testo contrattuale sia stata riservata l'approvazione scritta della direzione della ditta venditrice (RU 81 I 24/2-5; cfr. inoltre RU 86 I 223); in una successiva sentenza (del 22 settembre 1965, nella causa Rast c. Ticino, pubblicata in RGP vol. 98 - anno 1965 - p. 165 e segg.) il Tribunale federale ha persino ritenuto non arbitraria la decisione dell'autorità cantonale che aveva assoggettato all'imposta sul bollo un contratto rivelatosi poi nullo. 4. Poichè l'opinione della precedente istanza di considerare determinante per l'assoggettamento all'imposta sul bollo la data di stesura del contratto non è, per i motivi esposti, manifestamente insostenibile, rimane da esaminare se, come sostengono i ricorrenti, sia comunque arbitraria la decisione di applicare la sanatoria, tenuto conto che il contratto è stato spontaneamente prodotto all'autorità solo quattro giorni dopo la scadenza del termine utile. Giusta l'art. 22 cpv. 1 LB, viene punito con una multa uguale a dieci volte l'imposta elusa chi "in qualsiasi modo si sottrae all'obbligo di solvere l'imposta" prevista dalla legge. Siffatta norma colpisce pertanto quelle persone che, con intenzione o per negligenza, non solo non pagano l'imposta, ma se ne sottraggono. Ora, è manifestamente insostenibile considerare colpevole di sottrazione d'imposta ai sensi della norma citata colui che, di sua spontanea volontà, produce all'autorità l'atto assoggettabile solo quattro giorni dopo ch,è decorso il termine previsto dall'art. 11 LB. La decisione della Camera di diritto tributario urta, a questo riguardo, contro il tenore e il senso della disposizione citata. Giusta la costante giurisprudenza, commette arbitrio l'autorità che interpreta una norma legale in modo contrario al senso e allo scopo di questa, facendole conseguire risultati che il legislatore non può aver voluto (RU 86 I 85/86, 87 I 249, 90 I 233 in alto, 91 I 167; cfr. inoltre FAVRE, Droit constitutionnel suisse, p. 256). Ora, non v'è dubbio che il legislatore non può aver voluto punire con una multa tanto forte anche chi di sua iniziativa presenta all'autorità, a brevissima BGE 94 I 218 S. 224 distanza dalla scadenza del termine, l'atto assoggettabile all'imposta. Si impone, a questo punto, di distanziarsi dalla sentenza inedita pronunciata dal Tribunale federale il 29 ottobre 1945 nella causa Società cooperativa Monte Generoso contro Ticino, alla quale la Corte cantonale si riferisce nell'impugnata decisione. In effetti, contrariamente a quanto era stato ritenuto nel giudizio sopra accennato, non si può negare il carattere arbitrario ad una decisione che subordina l'applicazione della sanatoria solo all'esistenza di una violazione puramente oggettiva della legge. Dal momento che questa intende punire chi "si sottrae all'obbligo di solvere l'imposta", bisogna riconoscere che la semplice scadenza del termine fissato dalla legge per l'apposizione del bollo proporzionale non raffigura necessariamente il reato di "sottrazione" e, quindi, non determina sempre, secondo le circostanze, gli estremi della sanatoria. La sentenza impugnata, che ha consacrato la validità della censurata punizione, addossando ai ricorrenti il pagamento d'una sanatoria pari a dieci volte l'imposta dovuta, deve quindi essere annullata, in quanto arbitraria.
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Dispositiv Il Tribunale federale pronuncia: Il ricorso è accolto e la sentenza impugnata è annullata.
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Sachverhalt ab Seite 44 BGE 117 III 44 S. 44 A.- Par décision du 1er novembre 1982, le Tribunal de Première instance du canton de Genève ordonna la liquidation sommaire de la faillite de la société Régie de Rive S.A., prononcée le 17 septembre 1982. Dame Teodolinda Sormani produisit, dans cette faillite, une créance qui fut colloquée en cinquième classe. Le 4 avril 1990, le conseil des héritiers de dame Sormani, décédée entre-temps, demanda le versement d'acomptes. Par décision du 15 mai 1990, l'office refusa de procéder à une répartition provisoire. B.- Le 18 mai 1990, les héritiers de dame Sormani portèrent plainte à l'autorité de surveillance. Par décision du 30 janvier 1991, BGE 117 III 44 S. 45 celle-ci la rejeta, en raison de l'interdiction des répartitions provisoires dans le cadre de la liquidation sommaire d'une faillite. C.- Les héritiers de dame Sormani recourent au Tribunal fédéral, concluant à l'annulation de la décision de l'autorité cantonale de surveillance. Le Tribunal fédéral rejette le recours.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. L' art. 231 LP , seule disposition légale régissant la liquidation sommaire de la faillite, en règle très succinctement les modalités. Celles-ci sont précisées notamment par l'art. 96 de l'ordonnance du 13 juillet 1911 sur l'administration des offices de faillite (OOF, RS 281.32) selon lequel "l'office ne procédera pas à des répartitions provisoires...". Vu le texte clair de cette règle de procédure, tant l'office que l'autorité de surveillance ont rejeté la demande de paiement d'acomptes présentée par les recourants. On ne saurait soutenir, face à cette norme spéciale, que la règle générale posée par l' art. 266 LP pour la liquidation ordinaire, c'est-à-dire la possibilité de procéder à des répartitions provisoires dès l'expiration du délai d'opposition à l'état de collocation, laisserait place à la même possibilité dans la liquidation sommaire. Une telle interprétation serait contraire au texte clair de l' art. 96 let . c OOF. S'il est possible que la lettre d'une norme ne corresponde pas à son sens véritable, une interprétation allant à l'encontre de la lettre de la loi ne peut être envisagée que dans des cas exceptionnels ( ATF 108 Ib 401 consid. 3b; ATF 103 Ia 117 consid. 3). C'est lorsque les conséquences de l'application d'une règle paraissent ne pas correspondre à l'intention du législateur ou lorsqu'une disposition est peu claire malgré sa teneur apparemment limpide qu'il convient de rechercher l'esprit et le but véritables de la norme ( ATF 114 II 406 consid. 3). Ni l'une, ni l'autre de ces hypothèses n'est réalisée en l'espèce: d'une part une répartition provisoire nécessiterait l'établissement et le dépôt, avec avis aux créanciers, d'un tableau de distribution provisoire (art. 82 OOF), c'est-à-dire une formalité supplémentaire relativement lourde, en contradiction avec le caractère sommaire de la liquidation; d'autre part l' art. 96 let . c OOF est tout à fait clair. La décision de l'autorité de surveillance, confirmant indirectement le refus de payer un acompte aux recourants, constitue donc une application justifiée de l' art. 96 let . c OOF. BGE 117 III 44 S. 46 2. Dans un second moyen, les recourants prétendent que la disposition réglementaire déborde le cadre de la délégation de compétence prévue, en faveur du Tribunal fédéral, par l' art. 15 al. 2 LP . a) Ce grief revient à reprocher à l'art. 96 OOF de violer le principe de la hiérarchie des règles, selon lequel une ordonnance doit être conforme, dans son étendue notamment, à la loi qui la fonde, principe qui découle implicitement de la Constitution (ROBERT ZIMMERMANN, Le contrôle préjudiciel en droit fédéral et dans les cantons suisses, Lausanne 1987, p. 23). Aux termes de l' art. 19 al. 1 LP , les décisions de l'autorité cantonale de surveillance rendues contrairement à la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite sont susceptibles de recours au Tribunal fédéral. Cette règle a été reçue de façon extensive et, par exemple, il a été jugé que les règles sur la bonne foi, déduites de l' art. 2 CC ou celles posées, quant à la preuve, par l' art. 8 CC , s'appliquent dans le cadre du recours de LP ( ATF 108 III 112 consid. 3; ATF 105 III 19 ). Le Tribunal fédéral revoit l'application de l'ensemble du droit fédéral, y compris les ordonnances qu'il a lui-même édictées, sous réserve du recours de droit public pour violation des droits constitutionnels des citoyens (SCYBOZ, Le Tribunal fédéral et la poursuite, in Centenaire de la LP, Zurich 1989, p. 152, let. C1; POUDRET/SANDOZ-MONOD, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, vol. II, p. 779). Il contrôle aussi préjudiciellement la constitutionnalité d'une ordonnance du Tribunal fédéral dans le cadre d'un recours de LP ( ATF 88 III 44 ). b) Selon l' art. 15 al. 2 LP , le Tribunal fédéral édicte les règlements et ordonnances d'exécution nécessaires. Malgré les termes utilisés dans cette disposition, qui a plus d'un siècle, l'art. 96 OOF est une règle édictée dans une ordonnance dépendante de substitution, selon la terminologie de la doctrine. Elle trouve son fondement dans la loi sur la poursuite pour dettes et la faillite et développe, avec les art. 32, 49, 70 et 93 OOF, la trop brève réglementation esquissée à l' art. 231 al. 3 LP (AUER, La juridiction constitutionnelle en Suisse, Bâle 1983, p. 111 No 193; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 2e éd., Lausanne 1988, p. 53). Lorsqu'il s'agit d'apprécier la constitutionnalité d'une ordonnance dépendante de substitution édictée par le Conseil fédéral, le Tribunal fédéral examine si les dispositions de l'ordonnance concourent objectivement à la réalisation du but visé par la loi et y sont adaptées ( ATF 108 IV 125 et les arrêts cités), conformément BGE 117 III 44 S. 47 au principe de proportionnalité. Si l'on applique, par analogie, cette jurisprudence à l'art. 96 OOF, on constate que l'interdiction de distributions provisoires, avec les formalités qui en découleraient, est conforme et adaptée au but visé par la loi à l' art. 231 LP , c'est-à-dire la simplification de la procédure de liquidation. Dès lors, le reproche de violation des limites de la très large délégation législative de l' art. 15 al. 2 LP est infondé. Cette solution est d'autant plus justifiée qu'il s'agit d'une ordonnance appliquée depuis près de huitante ans et guère contestée depuis lors. Si la jurisprudence n'a pas tranché la question de la constitutionnalité d'une disposition d'une ordonnance fondée sur l' art. 15 al. 2 LP et dérogeant à la loi ( ATF 88 III 44 ), la doctrine est encline à considérer que de tels aménagements, même dérogatoires, bénéficient de la force de la coutume (FAVRE, Droit des poursuites, 3e éd., Fribourg 1974, p. 55/56; FRITZSCHE/ WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs, 3e éd., 1984, p. 52/53).
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Sachverhalt ab Seite 383 BGE 116 Ia 382 S. 383 Au mois de mai 1982, Denys Felber a été engagé comme gardien surnuméraire à la prison de Champ Dollon. Il a ensuite été nommé à ce poste qu'il a conservé jusqu'à ce jour. Denys Felber s'est marié en 1983. Il est père de deux filles nées en 1986 et 1988. Le 13 septembre 1984, les époux Felber ont acquis, en copropriété, une parcelle sur la commune de Gland (VD), que leur offraient les frères de Me Felber au prix de 140 francs le m2. En 1986/1987, ils firent bâtir une villa sur cette parcelle, attenante à la maison occupée par la famille de l'épouse. A la fin de la construction, celle-ci s'installa dans la villa, tandis que Denys Felber restait domicilié dans le canton de Genève, afin de respecter l'obligation imposée aux fonctionnaires genevois d'avoir leur domicile et leur résidence effective sur le territoire cantonal. Le 20 décembre 1989, Denys Felber a demandé au Conseil d'Etat genevois l'autorisation de créer son domicile à Gland, en dérogation à l'art. 13 de la loi générale relative au personnel de l'administration cantonale et des établissements publics médicaux. Il faisait valoir l'absence d'inconvénients pour ses devoirs de service et les liens étroits de son épouse avec le canton de Vaud et sa famille à Gland. BGE 116 Ia 382 S. 384 Le Conseil d'Etat genevois a rejeté cette requête par décision du 18 avril 1990. Il a retenu en bref que les motifs invoqués par Denys Felber relevaient de la pure convenance personnelle et que les conditions légales pour accorder une dérogation n'étaient donc pas remplies. Denys Felber a formé un recours de droit public contre la décision du Conseil d'Etat du 18 avril 1990, en concluant à son annulation. Le Tribunal fédéral a admis le recours et annulé la décision attaquée.
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. En vertu de l' art. 45 Cst. , le recourant bénéficie, comme tout citoyen suisse, de la liberté d'établissement. Toutefois, à l'exemple des autres droits fondamentaux, la liberté d'établissement peut être limitée par des restrictions fondées sur une base légale suffisante, si elles répondent à un intérêt public et respectent le principe de la proportionnalité. Ces exigences s'appliquent aussi au rapport de dépendance spécial, notamment en matière de statut des fonctionnaires ( ATF 115 Ia 210 consid. 3a et les arrêts cités, ATF 114 Ib 165 ). Dans le cas particulier, l'obligation de domicile et de résidence est prévue à l'art. 13 de la loi générale relative au personnel de l'administration cantonale et des établissements publics médicaux (en abrégé: LPAC), sous réserve des dérogations qui peuvent être accordées lorsque les conditions légales sont réunies. Selon cette disposition, "Les membres du personnel occupant une fonction permanente et qui sont au bénéfice d'un engagement de durée indéterminée doivent avoir leur domicile et leur résidence effective dans le canton de Genève (al. 1). A la condition que l'éloignement de leur domicile ne porte pas préjudice à l'accomplissement de leur devoir de service, le Conseil d'Etat, respectivement la commission administrative concernée, peut accorder aux fonctionnaires des dérogations pour tenir compte de la propriété d'immeuble antérieure à l'engagement, de contraintes familiales graves, du taux d'activité réduit ou de la fin prochaine des rapports de fonction d'un membre du personnel (al. 2)." Le recourant ne conteste pas que l'art. 13 LPAC lui est applicable et qu'il constitue une base légale suffisante pour lui imposer l'obligation de domicile et de résidence dans le canton de Genève. Il soutient cependant qu'au regard de sa fonction de BGE 116 Ia 382 S. 385 gardien de prison et des intérêts particuliers de sa famille à demeurer à Gland, cette obligation constitue une exigence disproportionnée par rapport à l'intérêt public en jeu. 3. La jurisprudence reconnaît l'existence d'un intérêt public à l'obligation de résidence d'un fonctionnaire non seulement lorsque la nature du service l'exige, mais aussi en raison des liens qui peuvent se créer entre le fonctionnaire et la population, liens qui sont mieux garantis lorsque l'intéressé habite au sein de la collectivité de l'employeur de droit public. Ainsi, malgré les critiques de cette jurisprudence (voir RDAF 1986 p. 128 et les références citées), le Tribunal fédéral admet que ces conditions sont en principe réalisées dans le cas des fonctionnaires de l'enseignement ( ATF 115 Ia 207 et ss, ATF 108 Ia 248 et ss), avec une exception pour l'Ecole française de Berne (arrêt non publié du 5 février 1988 en la cause Tardin c. Conseil-exécutif du canton de Berne), ou dans celui des fonctionnaires de police ( ATF 103 Ia 455 et ss; arrêts non publiés du 11 mai 1987 en la cause Amez-Droz c. Tribunal administratif du canton de Neuchâtel et du 8 décembre 1989 en la cause Bigler-Pastori c. Conseil d'Etat du canton de Vaud et commune de Lausanne). Pour ces derniers, la jurisprudence a précisé que l'obligation de résidence n'était pas seulement justifiée par des impératifs de service, tels que la rapidité d'intervention du corps de police, mais aussi par la préoccupation d'intégrer l'agent public dans la population de la commune, en lui permettant de participer à la vie publique de cette communauté. La situation du gardien de prison n'est cependant pas comparable. S'il s'agit bien d'un fonctionnaire chargé par l'Etat d'une tâche de police, il ne dispose toutefois d'un pouvoir coercitif que sur des détenus, soit sur un nombre limité de personnes se trouvant dans un milieu clos, qui n'ont parfois aucun lien avec le canton dans lequel elles sont détenues. La fonction de geôlier vise certes à préserver les institutions et à maintenir l'ordre public, mais elle peut être exercée sans qu'il soit nécessaire de s'intégrer à la vie de la communauté locale. En revanche, il est utile que le gardien de prison connaisse le milieu dans lequel vivront les prisonniers après leur libération, dans la mesure où il lui appartient aussi de préparer ces derniers à leur sortie. Même si cette tâche n'est pas aussi importante dans un établissement de détention préventive comme Champ Dollon que dans un établissement d'exécution des peines, on ne saurait contester l'existence d'un certain intérêt public à ce que le gardien de prison vive dans la communauté d'où viennent BGE 116 Ia 382 S. 386 la plupart des détenus dont il doit s'occuper. Cet intérêt paraît toutefois relatif par rapport à l'intérêt public qui prévaut pour l'intégration de l'enseignant ou de l'agent de police dans la vie de la collectivité où ils exercent leur profession. Si l'obligation faite par la loi genevoise aux fonctionnaires des prisons d'avoir leur domicile dans le canton n'est donc pas dépourvue de tout intérêt public, son importance doit cependant être examinée, dans le cadre de l'application du principe de la proportionnalité, par la pesée des intérêts en présence. 4. a) Le respect du principe de la proportionnalité exige que le droit cantonal autorise des dérogations à l'obligation générale de résidence et que l'autorité chargée de l'appliquer procède, dans chaque cas, à une pesée des intérêts publics et privés opposés ( ATF 115 Ia 211 consid. 2c, ATF 111 Ia 218 /219). A cet égard, le fonctionnaire ne peut faire valoir que des motifs sérieux et importants ( ATF 103 Ia 459 consid. 6a). Préalablement, il faut relever que le Conseil d'Etat ne prétend pas que l'établissement du recourant à Gland porterait préjudice à l'accomplissement de ses devoirs de service, condition que l'art. 13 al. 2 LPAC pose pour accorder une dérogation à la règle générale imposant au personnel de l'administration de résider dans le canton de Genève. Les motifs invoqués par le recourant doivent dès lors être comparés uniquement à l'intérêt public réduit - qui a été démontré - pour obliger un gardien de prison à établir son domicile dans le canton. b) A côté de ses intérêts familiaux, le recourant fait valoir qu'il est propriétaire d'une villa à Gland, dont il ne pourrait trouver l'équivalent dans le canton de Genève. A lui seul, ce motif ne saurait toutefois justifier une dérogation à l'obligation de domicile. Cela reviendrait en effet à autoriser tout fonctionnaire genevois à mettre le gouvernement devant un fait accompli, dans la mesure où la loi ne prévoit une dérogation que pour le fonctionnaire déjà propriétaire d'un immeuble extérieur au canton avant son entrée en service, situation à laquelle la pratique a assimilé le fait d'hériter une telle propriété pendant la durée de ses fonctions. Il n'est néanmoins pas possible de faire totalement abstraction du fait qu'en raison de la tension actuelle et durable qui règne sur le marché immobilier genevois, le recourant aurait sans doute eu de la peine à trouver un logement pour sa famille et lui-même dans le canton de Genève. A cela s'ajoute que le choix de Gland comme commune de domicile n'est pas gratuit, mais répond aux intérêts BGE 116 Ia 382 S. 387 de l'ensemble de la famille et non aux seuls motifs de convenance personnelle du recourant. Me Felber est en effet très attachée à Gland, où sa famille est domiciliée. Exerçant elle-même une activité lucrative, elle a notamment la possibilité de confier régulièrement ses deux filles à l'une ou l'autre de ses belles-soeurs qui habitent la maison voisine. Dans la mesure où le choix du domicile ne dépend pas seulement de la volonté du mari ( ATF 114 Ib 166 consid. 4), il n'est pas souhaitable que Me Felber continue à demeurer seule avec ses enfants pendant la semaine, au risque de mettre l'union des époux en péril. Le recourant a donc un intérêt privé évident à ne pas être placé devant l'alternative de devoir renoncer à son emploi actuel pour pouvoir rester avec les siens à Gland ou d'obliger sa famille à quitter un immeuble qui lui appartient pour aller vivre dans un canton où il n'est pas certain de pouvoir la loger convenablement. c) Dans ces circonstances, l'intérêt privé, qui réside essentiellement dans le bien-être de la famille du recourant, doit être considéré comme supérieur à l'intérêt public atténué invoqué par le canton de Genève. Le refus d'accorder au recourant une dérogation à l'obligation de domicile, sur la base d'une application stricte de l'art. 13 al. 2 LPAC, est donc, en l'espèce, contraire au principe de la proportionnalité.
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Sachverhalt ab Seite 104 BGE 90 IV 104 S. 104 A.- Büttel fuhr in der Nacht vom 9. auf den 10. März 1963, angetrunken und ohne im Besitze eines gültigen Führerausweises zu sein, mit einem Motorroller von Appenzell Richtung St. Gallen. Zwischen Gais und Bühler wurde er von der Polizei festgenommen. Die Blutprobe ergab chemisch und interferometrisch eine Alkoholkonzentration von 2,06 Gewichtspromille. Büttel, der in St. Gallen wohnt, war 1961 und 1962 bereits dreimal wegen Führens eines Motorfahrzeuges in angetrunkenem Zustand bestraft worden. B.- Das Bezirksgericht Mittelland verurteilte Büttel in Anwendung der Art. 31 Abs. 1, 90 Ziff. 1, 91 Abs. 1 und 95 Ziff. 1 Abs. 1 SVG zu zwei Monaten Gefängnis und Fr. 200.-- Busse. Zudem verfügte es gestützt auf Art. 102 Ziff. 2 SVG , dass das Urteil einmal im Amtsblatt des Kantons St. Gallen zu veröffentlichen sei. Das Obergericht von Appenzell A.Rh. änderte diesen BGE 90 IV 104 S. 105 Entscheid am 24. März 1964 dahin ab, dass es die Veröffentlichung im Amtsblatt des Kantons Appenzell A.Rh. anordnete. C.- Die Justizdirektion des Kantons Appenzell A.Rh. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Obergericht anzuweisen, dass die Veröffentlichung in erster Linie am Wohnort des Verurteilten zu erfolgen habe.
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Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: Nach Art. 102 Ziff. 2 SVG ordnet der Richter die Veröffentlichung des Strafurteils gemäss Art. 61 StGB an, wenn der Verurteilte besondere Rücksichtslosigkeit an den Tag gelegt hat (lit. a), oder wenn er innert fünf Jahren mehr als einmal wegen Führens eines Motorfahrzeuges in angetrunkenem Zustand bestraft wird (lit. b). 1. Der Zweck dieser Bestimmung liegt vor allem in der Generalprävention. Die Veröffentlichung des Urteils soll nicht nur den Verurteilten selber in verschärftem Masse an wichtige Verkehrsverpflichtungen erinnern, sondern Strassenbenützern überhaupt zur Warnung gereichen. Indem das Gesetz die Veröffentlichung zwingend vorschreibt, schafft es zugleich eine unwiderlegliche Vermutung, dass die Öffentlichkeit bei Widerhandlungen, die im Strassenverkehr eine besonders gefährliche Rolle spielen, stets an der Bekanntmachung des Urteils interessiert ist. Diese Vermutung hat ihren Grund darin, dass Dritte, die zu gleichen oder ähnlichen Verfehlungen neigen, erfahrungsgemäss die öffentliche Blosstellung und deren Folgen mehr fürchten als die Strafe selber (vgl. BGE 88 IV 12 und dort angeführte Lehre und Rechtsprechung). 2. Art und Umfang der Veröffentlichung haben sich nach dem Zweck der Massnahme zu richten. Innerhalb der sich daraus ergebenden Schranken sind sie ins richterliche Ermessen gestellt ( Art. 61 Abs. 4 StGB ). Das heisst insbesondere, dass die Veröffentlichung einerseits nicht weitergehen darf, als ihr Zweck es erfordert, anderseits aber BGE 90 IV 104 S. 106 auch nicht notwendig in einem kantonalen Amtsblatt zu erfolgen hat, noch sich auf ein solches Blatt zu beschränken braucht. Der Richter ist in der Wahl des Blattes vielmehr frei. Erweist sich eine Veröffentlichung in einem kantonalen Amtsblatt als ungenügend, so kann und soll er sie in künftigen Fällen zur Erhöhung der Wirkung in andern Zeitschriften, namentlich in Blättern, die von Motorfahrzeugführern beachtet werden, anordnen (vgl. BGE 78 IV 16 ; SJZ 51 368, 52 299 Nr. 144). Hinsichtlich des Verurteilten sind dem Richter dabei nur insofern Schranken gesetzt, als er diesem keine durch die Umstände nicht gerechtfertigte oder vom Gesetz nicht gewollte Nachteile zufügen darf und darauf Bedacht nehmen muss, dass die nach Art. 61 Abs. 1 StGB vom Verurteilten zu tragenden Kosten sich in angemessenen Grenzen halten. 3. In das freie Ermessen des Sachrichters fällt auch der Entscheid über die Frage, wo das Strafurteil zu veröffentlichen sei. Dies kann sowohl am Orte der Widerhandlung wie am Wohnort des Verurteilten geschehen. Weder Art. 102 Ziff. 2 SVG noch Art. 61 StGB schliesst die eine oder andere Möglichkeit aus. a) Für die Veröffentlichung am Wohnort spricht vor allem, dass sie den Verurteilten dort, namentlich wenn er in ländlichen Verhältnissen wohnt, empfindlicher zu treffen vermag als z.B. an einem Tatort, wo er völlig unbekannt ist. Ginge es allein darum, den Verurteilten von künftigen Straftaten abzuhalten, so müsste die Massnahme meistens am Wohnort angeordnet werden, was nicht heissen will, dass ihre generalpräventive Wirkung diesfalls geringer wäre als bei einer Veröffentlichung am Orte der Widerhandlung. Dass die Massnahme schon wegen der Vielfalt kantonaler Amtsblätter zwangsläufig zu Ungleichheiten führe, wenn sie am Wohnort des Verurteilten angeordnet wird, ist entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht zu ersehen. Die Kantone sind gemäss Art. 352 Abs. 1 StGB unter sich zur Rechtshilfe verpflichtet. Das gilt auch für die Veröffentlichung eines Urteils in einem ausserkantonalen BGE 90 IV 104 S. 107 Amtsblatt. Die Berufung auf Sprachverschiedenheiten geht vorliegend jedenfalls fehl, da so oder anders ein deutschschweizerischer Kanton in Frage stände. Dagegen trifft zu, dass eine Anordnung der Massnahme am Wohnort des Verurteilten ausser Betracht fällt, wenn dieser Ort im Ausland liegt. b) Die Veröffentlichung des Urteils am Orte der Widerhandlung hat ebenfalls ihre Vorzüge. Sie dürfte dem Urteilskanton ihre Durchsetzung meistens erleichtern und auch sonst normalerweise näher liegen als die Anrufung einer ausserkantonalen Stelle. Dazu kommt, dass die Öffentlichkeit am Orte der Widerhandlung, wo in der Regel auch das Strafverfahren durchzuführen ist, an der Bekanntgabe des Urteils besonders interessiert ist. Solches Interesse bietet Gewähr für eine erhöhte präventive Wirkung der Massnahme. Die Veröffentlichung am Orte der Widerhandlung hat zudem den Vorzug, dass sie auch gegenüber einem im Ausland wohnenden Verurteilten angeordnet werden kann. c) Lassen sich somit für die Wahl dieses wie jenes Ortes gute Gründe anführen, so könnte vorliegend von einer Ermessensüberschreitung, die allein den Kassationshof zum Einschreiten berechtigen würde ( BGE 78 IV 15 ), nur die Rede sein, wenn besondere Umstände die Anordnung der Massnahme am Wohnort des Verurteilten derart aufdrängten, dass demgegenüber die Wahl des Tatortes als offensichtlich verfehlt zu bezeichnen wäre. Solche Umstände sind nicht dargetan. Dass die Blosstellung vor der Öffentlichkeit den Verurteilten härter trifft, wenn sein Wohnort mit dem Orte der Widerhandlung zusammenfällt, ändert nichts. Diese Folge ist dem Gesetzgeber nicht entgangen (vgl. Botschaft des Bundesrates zum Entwurf eines Bundesgesetzes über den Strassenverkehr vom 24. Juni 1955, BBl 1955 II S. 66); er hat die Veröffentlichung des Strafurteils in Fällen, wie dem vorliegenden, nichtsdestoweniger zwingend vorgeschrieben, ihre Wirkungen für den Verurteilten somit bewusst gewollt oder doch zumindest im BGE 90 IV 104 S. 108 öffentlichen Interesse in Kauf genommen. Gegen die Auffassung der Vorinstanz, dass kein Anlass zu einer zusätzlichen Urteilsveröffentlichung am Wohnort des Verurteilten bestehe, wird in der Beschwerde nichts Besonderes vorgebracht.
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Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Sachverhalt ab Seite 47 BGE 117 II 47 S. 47 A.- C. exploite un bureau d'architecte à Lausanne. Il collabore dans le cadre de cette activité avec l'architecte M. C. n'est pas inscrit sur la liste des architectes reconnus dans le canton de Vaud. Les époux P. ont chargé C. de l'étude des plans et de la mise à l'enquête du projet de construction d'un bâtiment. Le 3 juin 1986, C. a adressé aux époux P. une note d'honoraires s'élevant à 28'949 fr. 20. Le 9 juin 1986, sieur P. a notamment répondu qu'il contestait toutes prétentions découlant d'un mandat qu'il aurait pu lui donner, alléguant avoir été trompé par C. qui lui aurait affirmé être reconnu par l'Etat alors qu'il ne l'était pas. B.- Le 21 juillet 1987, C. a ouvert action contre les époux P. Il a notamment demandé, en dernières écritures, la condamnation des défendeurs à lui payer solidairement la somme de 21'784 fr. 55. Par jugement du 7 mai 1990, le Tribunal cantonal du canton de Vaud a condamné solidairement les époux P. à payer à C. 21'784 fr. 55. BGE 117 II 47 S. 48 C.- Les défendeurs interjettent un recours en réforme contre ce jugement. Ils concluent, principalement, au rejet de la demande et, subsidiairement, à ce que le montant alloué au demandeur soit ramené à 10'892 fr. 30. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours dans la mesure où il était recevable et confirmé le jugement attaqué.
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Erwägungen Extrait des considérants: 2. Les défendeurs invoquent la nullité du contrat d'architecte pour le motif que l'objet du contrat aurait été impossible et illicite. a) Un contrat est nul en vertu de l' art. 20 al. 1 CO si son contenu est illicite, mais il ne l'est pas si la seule participation subjective d'une partie à ce contrat est interdite ( ATF 114 II 280 et les arrêts cités). Selon une jurisprudence constante, lorsque la loi ne consacre pas expressément la nullité d'un acte violant une disposition légale, cette conséquence juridique ne doit être admise que si elle résulte du sens et du but de la disposition en cause, c'est-à-dire si elle est appropriée à l'importance de l'effet combattu ( ATF 115 II 364 consid. 4a et les arrêts cités). S'agissant de l'illicéité d'un contrat, l' art. 20 CO ne distingue pas selon que celle-ci découle de violations du droit fédéral ou du droit cantonal ( art. 19 al. 2 CO ; ATF 114 II 281 consid. 2a et la référence), à la condition toutefois, dans cette dernière hypothèse, que le législateur cantonal soit compétent pour promulguer la réglementation en cause ( ATF 80 II 329 consid. 2). La jurisprudence a refusé de déclarer nul un contrat de courtage passé avec des courtiers étrangers ayant exercé leur activité en Suisse sans autorisation de la police des étrangers pour le motif que l'interdiction de cette activité ne touchait pas au contenu du contrat, mais à la seule participation subjective d'une des parties ( ATF 114 II 281 consid. 2b et l'arrêt cité). En revanche, si la loi interdit à une personne la conclusion d'un contrat et si les intérêts de la collectivité sont en cause, comme par exemple la santé publique, le contrat sera nul (ENGEL, Traité des obligations en droit suisse, p. 195). Le médecin, l'avocat et le notaire notamment devraient ainsi bénéficier d'une autorisation pour conclure valablement un contrat (TERCIER, La partie spéciale du Code des obligations, n. 2934). Le Tribunal fédéral n'a jamais eu à résoudre le cas du contrat passé avec un architecte qui n'est pas autorisé à pratiquer par le droit cantonal. Dans un cas analogue, il n'a que posé le principe BGE 117 II 47 S. 49 selon lequel les registres publics indiquant les personnes autorisées à pratiquer une profession ne sont pas censés connus au sens de l' art. 9 CC (arrêt C. contre M. du 16 juin 1965, consid. 1, in RJN 1961-1965, p. 221). b) Certaines juridictions cantonales se sont prononcées sur cette question. Ainsi, la Cour d'appel du Tribunal cantonal du canton de Fribourg a admis que la législation cantonale peut interdire que les plans mis à l'enquête soient signés par un architecte ne figurant pas sur la liste officielle, sans que cela empêche un propriétaire de charger un tel architecte d'établir des plans. Selon elle, cette question a d'autant moins d'importance si ledit architecte a des associés figurant sur la liste officielle et que l'un d'eux a apposé sa signature sur les plans (Extraits 1976, p. 38). En revanche, la Cour de cassation civile du canton de Neuchâtel a retenu que les plans établis par une personne qui n'est pas inscrite dans le registre des architectes neuchâtelois sont inutilisables. Elle n'a toutefois pas tranché si, en pareil cas, la prestation est impossible ( art. 20 CO ), inexécutée ( art. 82 CO ) ou entachée d'un vice rédhibitoire ( art. 398 CO ; RJN 1961-1965, p. 220). La doctrine est divisée. TERCIER, qui approuve la décision neuchâteloise susmentionnée, estime que, lorsque l'objet essentiel du contrat concerne une activité pour laquelle la condition de l'inscription dans un registre cantonal est exigée, le contrat est nul en raison de son exécution objectivement impossible ( art. 20 CO ). Il considère toutefois que cette opinion ne contredit pas le point de vue du Tribunal cantonal fribourgeois, rappelé ci-dessus, qu'un propriétaire peut charger un architecte non inscrit d'établir des plans (La formation du contrat et les clauses d'architecte, in Le droit de l'architecte, n. 163-166). DESSEMONTET, en revanche, opte en faveur de la possibilité d'annuler le contrat pour erreur essentielle car, écrit-il, "il convient de protéger le maître de bonne foi" (Quelques remarques à propos du contrat d'architecte, in Le centenaire du Code des obligations, p. 498). Cette dernière thèse doit être préférée à celle de la nullité. Sans doute les dispositions cantonales sur l'exercice de la profession d'architecte ont-elles pour but la protection du public mais, dans les rapports entre l'architecte et son mandant, celui-ci, lorsqu'il est de bonne foi, bénéficie d'une meilleure protection s'il a le choix de l'invalidité et du maintien du contrat. Lui en imposer la nullité irait à l'encontre de la sauvegarde de ses intérêts, et cela sans qu'on en discerne la raison d'être. Une nullité du contrat serait d'autant plus choquante lorsque, comme BGE 117 II 47 S. 50 dans la présente espèce, l'architecte a fourni sa prestation. Le fait que le travail exécuté ne donne pas en tout point satisfaction n'est pas déterminant du moment que, conformément au jugement attaqué et à l'expertise sur laquelle il se fonde, il se tient dans des limites admissibles. Le nouvel architecte n'a pas fait mieux que le demandeur. Les imperfections des plans de ce dernier n'ont rien enlevé à leur utilité du point de vue administratif puisque le permis de construire a été délivré. Ils correspondent à ce qu'auraient fourni d'autres architectes. c) Il découle de ce qui vient d'être exposé que, sous réserve d'éventuels vices du consentement, le contrat litigieux est valide. Le grief des défendeurs tiré de l'impossibilité juridique et celui de la nullité qui découlerait implicitement au moins de la loi vaudoise du 13 décembre 1966 sur la profession d'architecte tombent en conséquence à faux.
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Sachverhalt ab Seite 74 BGE 146 III 73 S. 74 A. A.a A. (Beschwerdeführerin) und B. (Beschwerdegegner) heirateten 1993. Sie sind die Eltern von drei mittlerweile volljährigen Kindern. B. ist bei der C. AG angestellt, deren Aktionär er ist und deren Verwaltungsrat er angehört. Die Ehegatten trennten sich am 1. Oktober 2013. Die Folgen der Trennung regelten sie in einer Vereinbarung. A.b Am 1. Oktober 2015 klagte B. beim Richteramt Bucheggberg-Wasseramt auf Scheidung der Ehe. Mit Urteil vom 5. Oktober 2017 schied dieses die Ehe und wies soweit hier interessierend die Vorsorgeeinrichtung des Ehemannes (D. Pensionskasse) an, Fr. 282'207.- auf das Freizügigkeitskonto der Ehefrau zu überweisen. Weiter verpflichtete es den Ehemann zur Leistung einer güterrechtlichen Ausgleichszahlung von Fr. 321'478.-. B. Hiergegen reichten die Parteien beim Obergericht des Kantons Solothurn Berufung bzw. Anschlussberufung ein. Mit Urteil vom 10. Januar 2019 hiess das Obergericht beide Rechtsmittel teilweise gut und setzte den von der D. Pensionskasse zu bezahlenden Betrag auf Fr. 247'585.80 sowie die güterrechtliche Ausgleichszahlung auf Fr. 346'363.- fest. BGE 146 III 73 S. 75 C. Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 12. Februar 2019 beantragt A., das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache sei an dieses zur Neuberechnung ihres Anspruchs auf Ausgleich der Austrittsleistungen nach Art. 123 ZGB unter Berücksichtigung der bei der D. Pensionskasse bestehenden Arbeitgeberbeitragsreserven der C. AG zurückzuweisen. Gegebenenfalls sei die Sache zur Bestimmung dieses Anspruchs an das nach Art. 25a Abs. 1 FZG und Art. 73 BVG zuständige Gericht weiterzuleiten. Eventuell sei die Angelegenheit zur Neufestsetzung der güterrechtlichen Ausgleichszahlung unter Berücksichtigung der bestehenden Arbeitgeberbeitragsreserven an das Obergericht zurückzuweisen. Das Obergericht und B. beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. (Zusammenfassung)
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Unbestritten ist der Beschwerdegegner Arbeitnehmer der C. AG. Er hält ausserdem insgesamt 42 Aktien dieser Gesellschaft, wobei er deren sieben während der Ehe erworben hat. Diese sieben Aktien fallen in seine Errungenschaft. Zudem ist der Beschwerdegegner eines von drei Verwaltungsratsmitgliedern der Aktiengesellschaft. Diese hat in den vergangenen Jahren bei der D. Pensionskasse nicht unerhebliche Arbeitgeberbeitragsreserven gebildet, welche nach Angaben des Beschwerdegegners weiterhin verwendet werden. Die Verfahrensbeteiligten sind sich uneinig darüber, wie mit diesen Beitragsreserven bei der Regelung der Nebenfolgen der Ehescheidung umzugehen ist. Die Beschwerdeführerin verlangt ihre Berücksichtigung entweder im Rahmen des Vorsorgeausgleichs (hinten E. 4) oder der güterrechtlichen Auseinandersetzung (hinten E. 5). (...) 4. Umstritten ist vorab, ob die Arbeitgeberbeitragsreserven bei der Berechnung der zu teilenden Austrittsleistung zu berücksichtigen sind. 4.1 Gemäss Art. 122 ZGB werden bei der Scheidung die während der Ehe bis zum Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens erworbenen Ansprüche aus der beruflichen Vorsorge ausgeglichen. Die erworbenen Austrittsleistungen samt Freizügigkeitsguthaben und Vorbezügen für Wohneigentum werden hälftig geteilt ( Art. 123 Abs. 1 ZGB ). Wie die Austrittsleistung zu berechnen ist, bestimmt sich gemäss Art. 123 Abs. 3 ZGB nach den Art. 15-17 und 22a oder 22b BGE 146 III 73 S. 76 FZG (SR 831.42). Auf die detaillierte Darstellung dieser Bestimmungen durch die Vorinstanz kann verwiesen werden. Demnach sind bei der Scheidung in zeitlicher Hinsicht diejenigen Vorsorgeansprüche auszugleichen, die zwischen dem Eheschluss und der Einleitung des Scheidungsverfahrens akkumuliert worden sind ( BGE 145 III 169 E. 3.1). Arbeitgeberbeitragsreserven werden aus Geldern gebildet, die ein Arbeitgeber über seine gesetzlichen, reglementarischen und vertraglichen Pflichten hinaus der Pensionskasse auf Anrechnung an seine künftige Beitragspflicht bezahlt (Urteil 9C_756/2009 vom 8. Februar 2010 E. 8.3.1; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar, 7. Aufl. 2012, N. 6 zu Art. 331 OR ; BUSER, Der Einsatz von Arbeitgeberbeitragsreserven, in: Die Rolle des Arbeitgebers in der beruflichen Vorsorge, Bd. 5, 2016, S. 71 ff., 73; ausführlich: LOSER, Die Behandlung von Arbeitgeberbeitragsreserven in der Unternehmensbewertung, 2003, S. 83 ff.; vgl. auch BGE 130 V 518 E. 3). Sie dienen dem Zweck der (künftigen) Beitragszahlung, und zwar insofern, als der Arbeitgeber seine Beiträge entweder aus eigenen Mitteln oder eben aus den vorgängig geäufneten Beitragsreserven bezahlt ( Art. 331 Abs. 3 OR ; Urteil 9C_707/2014 vom 15. April 2014 E. 1, in: SVR 2015 BVG Nr. 40 S. 150; HÜRZELER/BRÜHWILER, Obligatorische berufliche Vorsorge, in: Soziale Sicherheit, Meyer [Hrsg.], 3. Aufl. 2016, S. 2150 Rz. 232). Die bei Einleitung des Scheidungsverfahrens bestehenden Beitragsreserven betreffen damit nicht die bis zu diesem Zeitpunkt vom Arbeitnehmer erworbenen Ansprüche im Sinne von Art. 122 ZGB . Sie bleiben folglich auf die während der Ehe geäufnete Austrittsleistung grundsätzlich ohne Einfluss. Für die Belange des Vorsorgeausgleichs sind Arbeitgeberbeitragsreserven vielmehr gleich zu behandeln wie freie Mittel der Vorsorgeeinrichtung. Die Frage, ob diese in den Vorsorgeausgleich einzubeziehen sind, stellt sich erst im Fall der Liquidation ( BGE 133 V 25 E. 3.3.2-3.3.4; vgl. weiter E. 4.2 hiernach). Die Beschwerdeführerin tut nicht dar, dass die Voraussetzungen für eine solche im vorliegenden Fall gegeben sind; blosse Mutmassungen genügen den Begründungsanforderungen nicht. Damit hat das Obergericht die Beitragsreserven in Anwendung der gesetzlichen Vorgaben zu Recht nicht in die Berechnung der zu teilenden Austrittsleistungen einbezogen. Nach dem Ausgeführten ist entgegen der Beschwerdeführerin auch nicht ersichtlich, inwiefern die gesetzliche Regelung zum BGE 146 III 73 S. 77 Vorsorgeausgleich mit Blick auf die Arbeitgeberbeitragsreserven unvollständig sein sollte (zum Begriff der Gesetzeslücke vgl. BGE 142 II 446 E. 2.4; BGE 138 II 1 E. 4.2; BGE 135 III 385 E. 2.1): Im Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens bestehende Beitragsreserven betreffen - vom Fall der Liquidation der Vorsorgeeinrichtung abgesehen - von vornherein nicht den für den Vorsorgeausgleich relevantenZeitraum, womit auch kein diesbezüglicher Regelungsbedarf besteht.Die von der Beschwerdeführerin weiter aufgeworfene Frage der missbräuchlichen Reservenbildung, um den Wert der Errungenschaft zu schmälern, ist sodann nicht ein Problem der Teilung der Ansprüche aus beruflicher Vorsorge, sondern des Güterrechts (vgl. dazu hintenE. 5). Entsprechend erweist sich die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der Verfassungs- und Rechtsverletzung als unbehelflich. 4.2 Anders als die Beschwerdeführerin meint, besteht weiter auch kein Anlass, dem Beschwerdegegner unter Rückgriff auf Art. 2 ZGB eine hypothetische Austrittsleistung anzurechnen: Die im Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens bestehenden Arbeitgeberbeitragsreserven betreffen wie gesehen nicht den für die Berechnung der Austrittsleistung massgebenden Zeitraum. Sodann ist nicht geltend gemacht, dass die für die Scheidung relevanten Ansprüche des Beschwerdegegners aus der beruflichen Vorsorge in irgendeiner Weise geschmälert wären bzw. hinter dem ihm gesetzlich zustehenden Betrag zurückbleiben würden. Weshalb unter diesen Umständen Anlass für die Anrechnung zusätzlicher (hypothetischer) Ansprüche im Rahmen des Vorsorgeausgleichs bestehen sollte, ist nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführerin hilft auch der Hinweis auf die für alle Matrimonialsachen geltende Rechtsprechung zur Anrechnung eines hypothetischen Einkommens nicht weiter. Die Anrechnung eines solchen Einkommens setzt nicht nur voraus, dass dieses zu erzielen der betroffenen Person möglich und zumutbar ist, sondern auch, dass der ausgewiesene Bedarf nicht gedeckt ist (statt vieler: BGE 143 III 233 E. 3.2). Da kein Defizit in den Vorsorgeansprüchen des Beschwerdegegners behauptet ist, kommt eine analoge Anwendung dieser Rechtsprechung von vornherein nicht in Frage. Damit braucht nicht darauf eingegangen zu werden, ob und unter welchen Voraussetzungen einer Person überhaupt hypothetische Vorsorgeleistungen angerechnet werden könnten. Ohnehin missachtet die Beschwerdeführerin, dass ein Arbeitgeber nicht über die Arbeitgeberbeitragsreserven verfügen kann, soweit sie behauptet, der Beschwerdegegner könne als Verwaltungsrat der C. BGE 146 III 73 S. 78 AG die Ausschüttung veranlassen. Zwar kann der Arbeitgeber auch nach der Reservenbildung über die Verwendung der Mittel mitbestimmen (Urteil 2A.395/2001 vom 19. Dezember 2001 E. 2b). Die ins Vermögen der Vorsorgeeinrichtung übergegangene Beitragsreserve bleibt aber für die Zwecke der beruflichen Vorsorge gebunden. Sie dient ausschliesslich der Finanzierung derjenigen Leistungen, welche die Vorsorgeeinrichtung den Destinatären vorsorgerechtlich zu erbringen hat ( BGE 130 V 518 E. 5.1; Urteil 9C_756/2009 vom 8. Februar 2010 E. 8.3.1). Abgesehen davon darf die Arbeitgeberbeitragsreserve grundsätzlich erst bei einer Liquidation an die Destinatäre ausbezahlt und keinesfalls dem Arbeitgeber zurückerstattet werden ( BGE 130 V 518 E. 5.2 und 5.3; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, a.a.O., N. 6 zu Art. 331 OR ; HÜRZELER/BRÜHWILER, a.a.O., S. 2150 Rz. 232). Dass eine Liquidation erfolgt wäre, tut die Beschwerdeführerin nicht dar. Damit könnte der Beschwerdegegner von vornherein und unabhängig seiner Stellung innerhalb der C. AG keine Ausschüttung an sich selbst veranlassen, womit der Beschwerde die Grundlage entzogen ist. 4.3 Zusammenfassend hatte das Obergericht keinen Anlass, die Arbeitgeberbeitragsreserven in den Vorsorgeausgleich einzubeziehen, und erweist die Beschwerde sich insoweit als unbegründet. Dementsprechend kann der Vorinstanz auch nicht vorgeworfen werden, den massgeblichen Sachverhalt in diesem Zusammenhang nicht abgeklärt bzw. darauf verzichtet zu haben, die Streitsache dem nach dem Freizügigkeitsgesetz zuständigen Gericht zu überweisen. 5. Zu prüfen bleiben die von der Beschwerdeführerin (eventuell) erhobenen Rügen zur güterrechtlichen Auseinandersetzung. 5.1 Vorab überzeugt das Vorbringen nicht, in der Bildung von Arbeitgeberbeitragsreserven liege eine unzulässige Vermögensentäusserung: Gemäss Art. 197 Abs. 1 ZGB sind die Vermögenswerte, die ein Ehegatte während der Dauer des Güterstandes entgeltlich erwirbt, Errungenschaft. Zur Errungenschaft hinzugerechnet werden Vermögensentäusserungen, die ein Ehegatte während der Dauer des Güterstandes vorgenommen hat, um den Beteiligungsanspruch des andern zu schmälern ( Art. 208 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB ). Dadurch schützt das Gesetz die Anwartschaft des einen Ehegatten auf die Beteiligung am Vorschlag des anderen, indem es gewisse illoyale Vermögensverminderungen sanktioniert ( BGE 138 III 689 E. 3.2). Erfasst sind alle juristischen Vorgänge, mit denen ein Ehegatte während der Dauer des BGE 146 III 73 S. 79 Güterstandes über Vermögenswerte der Errungenschaft verfügt und dadurch den Wert dieser Masse verringert (Urteile 5A_397/2015 vom 23. November 2015 E. 9.1; 5A_339/2015 vom 18. November 2015 E. 8.3). Die streitbetroffenen Arbeitgeberbeitragsreserven setzen sich aus von der C. AG bezahlten Mitteln zusammen, nicht aus Geldern des Beschwerdegegners. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdegegner sich missbräuchlich auf die juristische Selbständigkeit der Gesellschaft beruft, sodass diese ausnahmsweise zu ignorieren wäre (dazu: BGE 144 III 541 E. 8.3), bestehen sodann nicht und werden von der Beschwerdeführerin auch nicht hinreichend dargetan. Allein der Umstand, dass der Beschwerdegegner als Verwaltungsratsmitglied der Gesellschaft beim Entscheid, Arbeitgeberreserven zu äufnen, möglicherweise einen massgeblichen Einfluss hatte, genügt dafür nicht. Eine Hinzurechnung kommt damit nicht in Frage, ohne dass die weiteren Voraussetzungen zu prüfen wären. Dem Einwand der Beschwerdeführerin, die Bildung von Beitragsreserven schmälere den Wert der Gesellschaft und verringere auf diese Weise die Errungenschaft des Beschwerdegegners als Aktionär, ist demgegenüber bei der Bewertung der Errungenschaft Rechnung zu tragen. 5.2 Diesbezüglich ist die Bewertung der Aktien der C. AG und namentlich die Frage umstritten, ob die Vorinstanz hierzu hätte ein Gutachten einholen müssen. 5.2.1 Die Beschwerdeführerin macht in diesem Zusammenhang geltend, es hätte nicht auf den mit der sog. "Praktikermethode" ermittelten Steuerwert der Aktien abgestellt werden dürfen und sieht die Vorgehensweise des Obergerichts als unzulässig an, da verschiedene Gesichtspunkte, namentlich die Arbeitgeberbeitragsreserven, unberücksichtigt geblieben seien. Damit wendet sie sich gegen die Wahl der Methode zur Aktienbewertung, wobei es sich um eine Rechtsfrage handelt (Urteil 5A_104/2012 vom 11. Mai 2012 E. 2.3.1, in: FamPra.ch 2012 S. 1137, mit Hinweis auf BGE 132 III 489 E. 2.3 und BGE 121 III 152 E. 3c). Soweit sie mit ihren pauschalen Ausführungen der Begründungspflicht überhaupt genügt, bringt die Beschwerdeführerin allerdings nichts vor, was das Vorgehen der Vorinstanz als rechtsfehlerhaft erscheinen liesse (zur "Praktikermethode" vgl. Urteile 2C_1168/2013 vom 30. Juni 2014 E. 3.5, in: StE 2014 B 72.13.2 Nr. 44; 2C_309/2013 vom 18. September 2013 E. 3.6, in: ASA 82 S. 305; allgemein zur Unternehmensbewertung vgl. BGE 136 III 209 E. 6.2; BGE 125 III 1 E. 5c; Urteile 5A_378/2015 vom 15. März BGE 146 III 73 S. 80 2016 E. 5.9, in: FamPra.ch 2016 S. 719; 5A_387/2010 vom 14. September 2010 E. 4, in: FamPra.ch 2011 S. 170; HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Berner Kommentar, 1992, N. 18 zu Art. 211 ZGB ; BADDELEY, L'entreprise dans le contexte du droit matrimonial, FamPra.ch 2009 S. 289 ff., 302 ff.; zu den Arbeitgeberbeitragsreserven vgl. LOSER, a.a.O., passim und S. 269 ff.). Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass gemäss der einschlägigen Wegleitung der Schweizerischen Steuerkonferenz zur Bewertung von Wertpapieren ohne Kurswert für die Vermögenssteuer (vom 28. August 2008; Fassung vom 26. März 2018) Vorauszahlungen und andere ausserordentliche Zuwendungen an Personalvorsorgeeinrichtungen bei der Berechnung des Ertragswerts eines Unternehmens zu berücksichtigen sind (Ziff. B. 9 [Abs. 1 Bst. d]; zur Anwendbarkeit der Wegleitung vgl. § 34 Abs. 1 der Vollzugsverordnung des Kantons Solothurn vom 28. Januar 1986 zum Gesetz über die Staats- und Gemeindesteuern [BGS 614.12]). 5.2.2 Soweit die Beschwerdeführerin sodann in tatsächlicher Hinsicht geltend macht, der Aktienwert sei fehlerhaft berechnet worden, ist festzuhalten, was folgt: Kommt das Gericht aufgrund der bereits abgenommenen Beweise ohne Willkür zum Schluss, seine dadurch gewonnene Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer Tatsache könne durch die Abnahme weiterer Beweise nicht erschüttert werden, kann es von weiteren Beweiserhebungen absehen (sog. antizipierte Beweiswürdigung; BGE 143 III 297 E. 9.3.2). In diesem Vorgehen liegt weder eine Verletzung des Rechts auf Beweis noch des Anspruchs auf rechtliches Gehör ( BGE 140 I 285 E. 6.3.1). Eine derartige antizipierte Beweiswürdigung kann vor Bundesgericht nur in Frage gestellt werden, wenn in dem strengen Rügeprinzip ( Art. 106 Abs. 2 BGG ) genügender Art und Weise dargetan wird, dass die Vorinstanz dadurch in Willkür verfallen ist ( BGE 138 III 374 E. 4.3.2; kürzlich etwa Urteil 5A_713/2019 vom 17. Oktober 2019 E. 3). Das Obergericht ermittelte den Verkehrswert der Aktien des Beschwerdeführers zulässigerweise ausgehend von deren Steuerwert und lehnte in der Folge weitere Beweismassnahmen (implizit) als unnötig ab. Die Beschwerdeführerin legt zwar dar, weshalb ihrer Ansicht nach damit nicht der zutreffende Wert der Aktien ermittelt worden sei, zumal mit Blick auf die Arbeitgeberbeitragsreserven. Vielmehr hätte eine Begutachtung angeordnet werden müssen. Sie belässt es indessen bei der Darlegung ihrer eigenen Sichtweise und BGE 146 III 73 S. 81 wirft der Vorinstanz nicht vor, mit ihrem Vorgehen in Willkür verfallen zu sein. Entsprechend legt sie solches auch nicht hinreichend detailliert dar. Damit vermag die Beschwerdeführerin die von der Vorinstanz vorgenommene (antizipierte) Beweiswürdigung und die Feststellung des Verkehrswerts der Aktien nicht in Frage zu stellen und keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör oder des Rechts auf Beweis aufzuzeigen.
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Sachverhalt ab Seite 225 BGE 115 V 224 S. 225 A.- Renato N., nato nel 1935, dipendente dello Stato del Cantone Ticino, venne pensionato per invalidità con effetto dal 1o maggio 1987. Mediante provvedimento del 26 giugno 1987, la Cassa pensioni dei dipendenti dello Stato stabilì l'importo della pensione, nonché il supplemento per i figli minorenni e per una figlia maggiorenne agli studi. Il 3 agosto 1987 l'amministrazione precisò al pensionato gli elementi di calcolo della liquidazione. In data 31 dicembre 1987 Renato N. si rivolse alla Cassa chiedendo il versamento di un conguaglio di fr. 392.--, importo questo pari alla tredicesima mensilità sul supplemento per i figli, pro rata temporis dal maggio al dicembre 1987, a suo avviso ancora dovutogli dall'amministrazione. La stessa, per atto 11 gennaio 1988, respinse l'istanza asserendo che il calcolo era stato eseguito in modo esatto nel rispetto della Legge sulla Cassa pensioni dei dipendenti dello Stato (LCP), in sostanza ritenendo che, conformemente al disciplinamento legale vigente, non era dato il diritto alla tredicesima sul supplemento per i figli dei pensionati invalidi. B.- Renato N. insorse contro quest'ultimo atto con impugnativa 28 gennaio 1988 rivolta al Tribunale delle assicurazioni del Cantone Ticino. Messe in risalto asserite BGE 115 V 224 S. 226 incongruenze procedurali e censurati difetti formali, egli nel merito asserì che l'atto litigioso denegante il diritto alla tredicesima sul supplemento per i figli, ciò giusta un'interpretazione letterale della legge, non era conforme alla volontà del legislatore. Nella misura in cui disconosceva la tredicesima mensilità sui supplementi per i figli dei pensionati invalidi, l'atto in lite era arbitrario e discriminatorio nei confronti dei figli dei pensionati per vecchiaia, per i quali la tredicesima del supplemento era ammessa. Analogo ragionamento doveva essere operato per quanto riferito alla rendita per orfani, per la quale era pure riconosciuta la tredicesima. Chiese pertanto l'assegnazione di quanto gli spettava, ossia il versamento dell'arretrato di fr. 392.-- domandato per il 1987, nonché l'accertamento di pari pretesa per il 1988, invitando la Cassa pensioni ad esaminare e proporre le necessarie modifiche di legge. La Cassa contrappose che il calcolo rispettava le disposizioni di legge e che pertanto il gravame era da respingere: l'insorgente aveva percepito l'esatto importo che gli spettava a titolo di tredicesima, cui nulla era da aggiungere sul supplemento per i figli. Renato N. replicò ribadendo le precedenti allegazioni. Per giudizio 27 aprile 1988 il Tribunale delle assicurazioni del Cantone Ticino ha respinto l'istanza. Reiette le eccezioni d'ordine, i primi giudici, ravvisata in essa istanza un'azione, l'hanno riconosciuta tempestiva. Nel merito, l'autorità giudiziaria cantonale ha affermato che le argomentazioni dell'assicurato non potevano essere condivise. Infatti, la tredicesima era prestazione dovuta dalla Cassa solo nella misura in cui prevista dalla LCP, nulla al riguardo figurando nella LPP; ora la legge cantonale riconosceva per i funzionari invalidi la tredicesima solo sulla pensione e non già sulla pensione comprensiva del supplemento. Così aveva stabilito il legislatore per scelta insindacabile da parte dei giudici, per cui rettamente quindi l'amministrazione aveva operato il calcolo. Se esatto era il rilievo nel senso che il riconoscimento della tredicesima sul supplemento per i figli di pensionati per vecchiaia e il diniego di essa tredicesima sul supplemento per i figli di invalidi configurava disparità di trattamento, doveva essere rilevato che l'asserto non era decisivo, dal momento che l'amministrazione aveva corretto spontaneamente la svista non corrispondendo in pratica la tredicesima sul supplemento per i figli dei pensionati per vecchiaia. Ugualmente esatto era il rilievo che pure la rendita per orfani, contrariamente BGE 115 V 224 S. 227 sempre al supplemento per i figli di invalidi, dava diritto a tredicesima, ma anche questo appunto non era determinante: in sostanza, dal momento che, contro le argomentazioni dell'interessato, la LCP garantiva il livello minimo di prestazioni previsto dalla LPP, per cui nulla pertanto sarebbe stato da eccepire. Inoltre il principio della parità di trattamento non era assoluto. Irricevibile infine era la richiesta che il Tribunale facesse ordine alla Cassa di procedere all'esame e preavviso di modificazioni legislative. C.- Avverso il giudizio cantonale Renato N. produce ricorso di diritto amministrativo a questa Corte. Operate alcune precisazioni d'ordine, egli adduce che, al seguito di una "svista legislativa" sarebbe stata negata la tredicesima mensilità sul supplemento per i figli dei pensionati invalidi, ragione per cui la legge sarebbe stata applicata in modo scorretto. Critica l'argomento dei primi giudici, considerandolo pretestuoso, secondo cui la svista legislativa sarebbe stata corretta spontaneamente dall'amministrazione, la quale in effetti non avrebbe corrisposto la tredicesima sul supplemento per i figli dei pensionati per vecchiaia. La Cassa pensioni propone la disattenzione del gravame. L'Ufficio federale delle assicurazioni sociali, a sua volta, riconosciuti esatti i principi procedurali adottati dal Tribunale delle assicurazioni del Cantone Ticino, nel merito ritiene pertinenti le argomentazioni della precedente istanza. Pendente lite, il ricorrente ha trasmesso ulteriore documentazione e chiesto l'assunzione di determinate prove; ha pure spedito copie di petizioni rivolte al Gran Consiglio intese ad ottenere la modificazione degli articoli di legge.
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Erwägungen Diritto: 1. a) Giusta l' art. 73 cpv. 1 LPP le controversie tra istituti di previdenza, datori di lavoro e aventi diritto sono decise da un tribunale di ultima istanza cantonale. Questo disposto si applica, da un lato, agli istituti di previdenza registrati di diritto privato o di diritto pubblico - sia per quel che concerne le prestazioni minime obbligatorie che per quel che attiene alle prestazioni più estese di quelle minime ( art. 49 cpv. 2 LPP ) - e, d'altro lato, alle fondazioni di previdenza a favore del personale non registrate, nel campo delle prestazioni che eccedono il minimo obbligatorio BGE 115 V 224 S. 228 ( art. 89bis cpv. 6 CC ). Giusta l' art. 73 cpv. 4 LPP , poi, le decisioni dei tribunali cantonali designati dal cpv. 1 di questo disposto possono essere impugnate davanti al Tribunale federale delle assicurazioni con ricorso di diritto amministrativo. Nell'evenienza concreta non è dubbio che la controversia opponga la Cassa pensioni dei dipendenti dello Stato del Cantone Ticino ad un pensionato, che si tratti cioè di una vertenza che ha come oggetto un rapporto assicurativo tra un avente diritto e un istituto previdenziale ai sensi della normativa di cui all' art. 73 LPP (cfr. DTF 114 V 105 consid. 1b; RIEMER, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, pag. 127; MEYER, Die Rechtswege nach dem BVG, RDS 106/1987 I, pag. 613 e 629). b) Secondo la giurisprudenza le istanze giudicanti istituite dall' art. 73 LPP sono competenti a statuire su controversie relative a diritti o crediti fondati su eventi assicurati insorti dopo l'entrata in vigore, il 1o gennaio 1985, del nuovo diritto sulla previdenza professionale, ciò pure nella misura in cui essi diritti o crediti hanno origine in circostanze in parte antecedenti a questa data e richiedono, se del caso, l'applicazione del vecchio diritto materiale ( DTF 114 V 35 consid. 1a, DTF 113 V 200 consid. 1b e 292; MEYER, op.cit., pag. 627 seg.). Nella fattispecie, i diritti litigiosi hanno origine in epoca in parte precedente il 1o gennaio 1985; comunque l'evento assicurato è insorto dopo questa data, più precisamente nel 1987. Dato quanto precede, il Tribunale federale delle assicurazioni è legittimato a pronunciarsi sulla presente vertenza. 2. Ai sensi dell' art. 57 cpv. 1 LCP , contro le decisioni della Cassa pensioni gli interessati possono interporre ricorso entro 30 giorni dalla notificazione al Tribunale cantonale delle assicurazioni. Nell'evenienza concreta, la Cassa aveva statuito sui diritti alla pensione dell'assicurato per decisione 26 giugno 1987. Già da allora dunque, o comunque dopo che il 3 agosto 1987 l'amministrazione aveva precisato gli elementi di calcolo della prestazione, l'interessato disponeva dei dati necessari per insorgere contro il provvedimento amministrativo. Ora egli solo il 31 dicembre 1987 si è rivolto alla Cassa ai fini di contestare l'atto ottenendo dall'amministrazione l'11 gennaio 1988 un nuovo provvedimento, atto avverso il quale egli si è poi aggravato in data 28 gennaio 1988 al Tribunale delle assicurazioni del Cantone Ticino. Ci si deve pertanto chiedere se rettamente l'autorità giudiziaria cantonale, ravvisata nell'istanza un'azione avverso una BGE 115 V 224 S. 229 presa di posizione dell'amministrazione, ha considerato essere essa istanza tempestiva. In sostanza si deve esaminare la natura giuridica degli atti emessi dalla Cassa, rispettivamente delle istanze con le quali le stesse vennero contestate dinanzi all'autorità giudiziaria cantonale. Il Tribunale federale ha già avuto modo di affermare, riferendosi all' art. 73 LPP , disposto quadro questo in materia di contenzioso, che la legge in tema di previdenza professionale non prevede la possibilità per gli organi dell'istituto di previdenza, contrariamente a quanto predisposto per le altre amministrazioni delle assicurazioni sociali (casse di compensazione, casse malati, ecc.) di rendere decisioni vincolanti, in applicazione del diritto federale, cantonale o comunale. Quell'autorità ha poi ritenuto che se ci si può chiedere se le istituzioni previdenziali di diritto pubblico siano legittimate a determinarsi mediante decisione, si deve comunque ammettere che alle istituzioni di previdenza di diritto privato non è data la facoltà di rendere simili provvedimenti; la procedura di cui all' art. 73 LPP è quella dell'azione, quando si ritenga infine che alla base del procedimento non vi è una decisione, bensì una "controversia tra istituti di previdenza, datori di lavoro e aventi diritto" ( DTF 112 Ia 184 consid. 2a). A sua volta, il Tribunale federale delle assicurazioni ha notato anch'esso che la via giudiziaria cui si riferisce l' art. 73 cpv. 1 LPP è quella dell'azione, definita come domanda indirizzata all'autorità giudiziaria e intesa al conseguimento di diritti o prestazioni, oppure alla costatazione dell'esistenza o dell'inesistenza di un diritto. La Corte ha quindi ribadito l'opinione del Tribunale federale, nel senso che ha affermato dover essere ammessa la mancata legittimazione per le istituzioni di diritto privato di emanare decisioni "stricto sensu", lasciando comunque ancora insoluto, pur riproponendo i dubbi emessi dal Tribunale federale, il quesito se tale diritto sia dato per le istituzioni di diritto pubblico ( DTF 113 V 200 consid. 2). Simili dubbi sono stati riproposti in una recente sentenza in DTF DTF 115 V 115 ). Nella fattispecie, essendo la Cassa pensioni dei dipendenti dello Stato una cassa pubblica e ritenuto che la risposta al quesito è decisiva ai fini di stabilire la tempestività dell'istanza inoltrata al Tribunale cantonale delle assicurazioni, il tema non può essere lasciato irrisolto. Orbene, anzitutto vuole essere osservato che manifestamente il legislatore non ha inteso stabilire un diverso modo di contrastare BGE 115 V 224 S. 230 determinazioni degli enti previdenziali a seconda che essi fossero stati retti dal diritto pubblico, oppure dal diritto privato. Né si vede motivo per discriminare i rimedi di diritto. Se ora gli enti di diritto privato non sono abilitati a rendere "decisioni" nel senso stabilito dall' art. 5 cpv. 1 e 2 PA , altrettanto deve essere detto per gli enti previdenziali pubblici. Resta che, conformemente all' art. 5 cpv. 3 PA , le determinazioni delle casse altro non sono che le dichiarazioni di un'autorità che rifiuta o solleva pretese, da non considerare "decisioni", e da far valere mediante azione. A questo riguardo risulta opinabile quanto asserito da SCHWARZENBACH-HANHART in Die Rechtspflege nach dem BVG, in SZS 1983 pag. 183, nel senso che si tratterebbe di decisioni non destinate a crescere in giudicato. Il carattere tipico della decisione è quello di crescere in giudicato se non oggetto di tempestiva impugnazione. Altrimenti si tratta di atti amministrativi aventi carattere di una dichiarazione di parte, contro la quale può essere intentata azione al fine di ottenere il riconoscimento di diritti denegati, e ciò non nel termine breve di ricorso, pena la perenzione della pretesa, ma nei termini più ampi di prescrizione del diritto; trattasi di dichiarazioni suscettibili di imporsi soltanto in virtù di una decisione di un tribunale (cfr. SPIRA, Le contentieux des assurances sociales fédérales et la procédure cantonale, in Recueil de jurisprudence neuchâteloise 1984, pag. 15, nota 3; MEYER, op.cit., pag. 615 seg.; GRISEL, Traité de droit administratif, pag. 940). Che tale non poteva che essere la volontà del legislatore quale emerge anzitutto dal Messaggio 19 dicembre 1975 concernente la legge federale sulla previdenza professionale per la vecchiaia, i superstiti e l'invalidità in cui il Consiglio federale afferma essere la via giudiziaria quella dell'azione (FF 1976 I 183). Inoltre, con riserva di alcune eccezioni (cfr. in particolare gli art. 50 cpv. 2, 51 cpv. 5 e 69 cpv. 2 LPP), il legislatore voleva instaurare un disciplinamento identico per le istituzioni previdenziali di diritto privato e di diritto pubblico (per quel che attiene alle suddette eccezioni cfr. RIEMER, op.cit., pag. 85 seg.). Se in sede delle deliberazioni del Parlamento sussistevano divergenze tra le due Camere circa l'opportunità di sottoporre maggiormente le istituzioni di diritto pubblico a norme speciali, segnatamente in materia di organizzazione, di amministrazione e di finanziamento, queste divergenze sono state eliminate nel senso che si è ammessa l'idea di emanare, nella misura del possibile, una regolamentazione uniforme (BU 1980 CS BGE 115 V 224 S. 231 289-293; 1981 CN 1099 segg., 1982 CE 20-21; cfr. DTF 113 V 202 consid. 3c). Ne deve essere dedotto che a ragione il Tribunale delle assicurazioni del Cantone Ticino, considerata l'istanza una petizione, l'ha ritenuta tempestiva, non essendo ovviamente nel caso in esame trascorsi i termini di prescrizione del diritto. 3. Questa Corte decide di principio nella situazione di fatto e di diritto esistente al momento in cui l'amministrazione rende la decisione litigiosa, quando si ricordi che fatti verificatisi ulteriormente possono imporsi quali elementi d'accertamento retrospettivo della situazione anteriore alla decisione stessa ( DTF 112 V 93 consid. 3, DTF 109 V 179 consid. 1, DTF 107 V 5 consid. 4a, DTF 105 V 141 consid. 1b e 154 consid. 2). In tema di previdenza professionale, ritenuto, come si è visto, che all'origine della vertenza non è data decisione deferibile al giudice mediante ricorso, ma una dichiarazione unilaterale di volontà non impugnabile con gravame, bensì contestabile mediante azione, deve essere ammesso che il Tribunale federale delle assicurazioni decida nella situazione esistente al momento in cui si verifica l'evento assicurato, oppure è fatto valere il diritto contestato. Nel caso di specie le determinazioni della Cassa vennero rese nel giugno, rispettivamente nel dicembre 1987, per cui è da esaminare la loro conformità con il diritto a quel momento vigente. Pertanto le petizioni rivolte dal ricorrente al Gran Consiglio del Cantone Ticino al fine di conseguire la modificazione delle disposizioni da lui invocate non sono - essendo posteriori alle prese di posizione della Cassa - di rilievo decisivo. Se del caso esse potranno essere considerate nella misura in cui retrospettivamente permettano di stabilire la volontà del legislatore. Analogamente questa Corte non può esaminare il merito di contestazioni successive a quella in esame, attualmente del resto devolute ad altre istanze cantonali. 4. L'assicurato ha chiesto il riconoscimento di prestazioni scadenti nel dicembre del 1987, nonché l'accertamento delle stesse per il 1988, in sostanza per epoca futura. La questione di sapere se il Tribunale delle assicurazioni del Cantone Ticino doveva o meno pronunciarsi circa il diritto alle prestazioni future deve essere esaminata dalla Corte. In effetti, il Tribunale federale delle assicurazioni esamina d'ufficio le condizioni dalle quali dipende la legittimazione a ricorrere e i presupposti formali di validità e di regolarità della procedura amministrativa ( DTF 113 V 203 consid. 3d, DTF 112 V 83 consid. 1, BGE 115 V 224 S. 232 111 V 346 consid. 1a, 110 V 129 consid. 2 e 149 consid. 2b, 107 V 248 consid. 1b; GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2a ed., pag. 73 cpv. 3 e sentenze ivi citate). Ora la legittimazione a chiedere simile accertamento di diritto per il futuro implica l'esistenza di un interesse considerevole e degno di protezione (cfr. DTF 110 II 357 consid. 2, DTF 109 Ib 85 ; GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, pag. 207 segg.; STRÄULI/MESSMER, Kommentar zum zürcherischen ZPO, pag. 123 segg.). Si deve riconoscere l'esistenza di simile requisito qualora la misconoscenza dell'esistenza, dell'inesistenza o della misura di un diritto o di un obbligo potrebbe condurre l'amministrato a prendere, o, viceversa, tralasciare di prendere, determinate misure, a tal punto da dover subirne un pregiudizio (cfr. GUENG, Zur Tragweite des Feststellungsanspruchs gemäss Art. 25 VwG, in RSJ 1971, pag. 373). In concreto, l'esistenza di un interesse nel senso predetto appare opinabile. Comunque il tema non è meritevole di più ampie considerazioni da questo profilo. Infatti, la lite verte sostanzialmente sul punto del principio del diritto alla tredicesima del supplemento per i figli dei pensionati invalidi: ora, la soluzione da dare al quesito per il 1987, oggetto sul quale la Corte è tenuta ad entrare nel merito, deve ovviamente valere pure per epoca successiva. 5. Il ricorrente chiede un complemento degli accertamenti e di essere sentito oralmente. In sostanza al fine di documentare i suoi assunti, egli postula che si ordini un'inchiesta amministrativa a carico della Cassa pensioni per accertare le competenze e che siano chiamati a deporre ex consiglieri di Stato, il cancelliere dello Stato, il direttore delle assicurazioni sociali. Orbene, nel procedimento amministrativo al ricorrente, e ciò fa parte del suo diritto di essere sentito, è data la facoltà di proporre l'assunzione di prove. Spetta però al giudice di assumere solo quelle aventi rilievo ai fini decisionali (cfr. DTF 106 Ia 162 consid. 2b, DTF 104 V 210 consid. a; GYGI, op.cit., pag. 274; KUMMER, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4a ediz., pag. 135). Nell'evenienza concreta, i documenti esistenti sono esaurienti al riguardo. Ogni ulteriore assunzione di prove apparirebbe priva di rilievo. In particolare non emerge il sospetto che le determinazioni controverse siano state rese da autorità incompetenti, che comunque ci si trovi di fronte ad arbitraria assunzione di poteri. Né poi la chiamata come testi di ex consiglieri di Stato e del BGE 115 V 224 S. 233 cancelliere presumibilmente intesa a documentare la genesi dei progetti di legge sottoposti al Gran Consiglio valgono a modificare quanto contenuto negli atti parlamentari richiamati d'ufficio da parte di questa Corte. Decisivo è stabilire come si è giunti all'adozione delle disposizioni che hanno dato luogo alla controversia, quale sia il loro testo e se esso sia in contrasto con il diritto federale oppure applicato con arbitrio. Neppure può essere accolta la richiesta del ricorrente di essere sentito oralmente. Il diritto di essere sentito consente alla parte di esprimere quanto del caso, ma questa esposizione può aver luogo anche in forma scritta, come ha fatto l'interessato. 6. L'ambito del potere cognitivo del Tribunale federale delle assicurazioni in materia di ricorsi risulta dall'art. 132 in relazione con gli art. 104 e 105 OG . Il ricorso di diritto amministrativo può essere interposto per violazione del diritto federale, compreso l'eccesso o l'abuso del potere d'apprezzamento. L'accertamento dei fatti giuridicamente di rilievo da parte dell'autorità giudiziaria inferiore può essere oggetto di impugnativa solo in quanto esso sia stato fatto in modo manifestamente inesatto o incompleto oppure violando norme essenziali di procedura (cfr. i combinati disposti di cui agli art. 104 lett. b e 105 cpv. 2 OG ). Nella misura in cui la procedura di ricorso concerne l'assegnazione o il rifiuto di prestazioni assicurative, l'ambito del potere cognitivo della Corte si estende invece anche all'esame dell'adeguatezza della decisione impugnata; il Tribunale in tal caso non è vincolato dall'accertamento di fatto operato dai primi giudici e può scostarsi dalle conclusioni delle parti, a loro vantaggio o pregiudizio ( art. 132 OG : cognizione lata; DTF 108 V 247 consid. 1a). Il Tribunale federale delle assicurazioni non è vincolato dai motivi invocati dalle parti ( art. 114 cpv. 1 OG con riferimento all' art. 132 OG ). Esso esamina d'ufficio se il giudizio in lite viola delle norme di diritto federale - ivi compreso quello costituzionale federale - e i principi generali del diritto tali quelli di parità di trattamento e di proporzionalità ( DTF 109 V 210 , DTF 106 Ib 253 ), oppure se la prima istanza ha commesso abuso nei suoi poteri di apprezzamento. Secondo costante giurisprudenza, il principio dell'uguaglianza ancorato nell' art. 4 Cost. vincola anche il legislatore cantonale e comunale. Sotto questo profilo violano l'art. 4 - oltre agli atti BGE 115 V 224 S. 234 legislativi che non hanno un motivo serio e oggettivo o che appaiono privi di senso e scopo - quelli che fanno delle distinzioni inammissibili, che non trovano cioè corrispondenza alcuna nelle diversità della fattispecie che la disciplina vuole regolare e quelli che - all'opposto - omettono di fare delle distinzioni, quando la diversità delle circostanze da sottoporre a norma impone invece di distinguere e che danno luogo ad una parificazione inammissibile ( DTF 114 Ia 223 consid. 2b, 113 Ia 144 consid. 10 e 244 consid. 5b, 112 Ia 243 consid. 4 e 258 consid. 4a). D'altro canto, un provvedimento può essere arbitrario quando viola chiaramente una norma o un principio del diritto ( DTF 114 Ia 27 consid. 3b, 113 Ia 19 consid. 3a, 113 Ib 311 consid. 2a, 113 III 8 consid. 1a e 84 consid. 2a, 108 Ia 120). 7. a) Per l' art. 17 cpv. 1 LCP , relativo alle prestazioni di vecchiaia, invalidità e per i superstiti, vigente al momento in cui l'amministrazione si è determinata, all'inizio di ogni mese viene versato un tredicesimo della pensione annua. La tredicesima mensilità di pensione viene versata ad una scadenza fissata dal Consiglio di Stato. Secondo il cpv. 3 della stessa disposizione la tredicesima mensilità corrisponde ad un dodicesimo della pensione pagata, esclusi i supplementi Previsti dall'art. 25 cpv. 2 e 3 e dall'art. 27 della legge. Ora, giusta i cpv. 2 e 3 dell'art. 25 la percentuale della rendita di invalidità è aumentata del 10% dell'aliquota di vecchiaia per ogni figlio beneficiario di una rendita complementare AVS/AI, ritenuto un supplemento massimo per tutti i figli del 50%, mentre nei casi in cui l'invalidità non è riconosciuta dall'assicurazione invalidità la pensione per i figli è del 20% per ogni figlio, calcolata sulla pensione di vecchiaia, ritenuto un massimo del 60%. Secondo l' art. 27 LCP il pensionato per invalidità o vecchiaia ha diritto a un supplemento fisso annuo fintanto che non percepisce una rendita AVS/AI. Conformemente al cpv. 4 dell' art. 22 LCP la percentuale della rendita di vecchiaia è aumentata del 10% dell'aliquota di vecchiaia per ogni figlio minorenne o agli studi beneficiario di una rendita completiva AVS/AI, ritenuto un supplemento massimo per tutti i figli del 50%. Da questa normativa emerge in modo evidente che mentre per i supplementi ai figli di beneficiari di rendite di invalidità è esclusa l'attribuzione della tredicesima, altrettanto non vale per i figli di beneficiari di rendite di vecchiaia. Orbene, nell'evenienza concreta BGE 115 V 224 S. 235 non può essere affermato, come asserisce il ricorrente, che si tratti di un'arbitraria applicazione di diritto cantonale, da parte dell'amministrazione prima e del giudice poi. Il testo della legge applicabile non permetteva infatti altra soluzione che quella di negare il diritto a tredicesima sui supplementi per i figli di pensionati invalidi, diritto escluso da una disposizione di legge letteralmente interpretabile in un solo modo. b) Resta invece da esaminare se la norma stessa non violi il diritto federale materiale, in concreto la LPP, oppure, più in generale, costituisca disparità di trattamento. aa) Per quanto riferito alla LPP vuole essere osservato che il tema delle prestazioni complementari per i figli di invalidi è regolato dall'art. 25 in riferimento agli art. 20 e 21. In sostanza l'ammontare della rendita per i figli deve essere uguale a quello della rendita per gli orfani e pari al 20% della rendita intera di invalidità cui avrebbe avuto diritto l'assicurato, calcolata secondo gli accrediti di vecchiaia ai sensi dell' art. 16 LPP in aliquota del salario coordinato (cfr. art. 24 cpv. 3 LPP ). La legge nulla dice sul diritto a tredicesima, prestazione questa tipica del diritto cantonale. Ora dall'affermazione secondo cui la rendita dell'orfano è pari al supplemento per i figli di assicurati invalidi e dal fatto che la LCP all'art. 40 concede agli orfani una pensione per la quale la tredicesima non è esclusa, il ricorrente vorrebbe dedurre la difformità delle norme cantonali da quelle della LPP. Questa tesi non può essere condivisa, quando si ricordi che la LPP stabilisce un minimo di prestazioni che in concreto la LCP ha ampiamente rispettato. bb) Per quanto eccede i minimi della LPP, valgono solo i principi generali, in sostanza il principio della parità di trattamento. A proposito, il ricorrente vede una violazione del principio dell'uguaglianza di trattamento nel fatto che i figli dei pensionati invalidi siano discriminati nei confronti degli orfani e dei figli dei pensionati per ragioni di età. Orbene, contro il parere del Tribunale delle assicurazioni del Cantone Ticino, si deve ammettere non essere insostenibile la disciplina che privilegia l'orfano nei confronti del figlio di un invalido, la situazione del primo essendo diversa al punto da oggettivamente meritare una particolare tutela. Dove di contro è ravvisabile una manifesta violazione del principio di parità di trattamento è nel fatto che l' art. 17 cpv. 3 BGE 115 V 224 S. 236 LCP escluda dalla tredicesima il supplemento per i figli di pensionati invalidi, mentre non lo faccia per quelli di chi è pensionato per ragioni di età. Non si vede infatti un motivo oggettivo di discriminazione, né del resto amministrazione e primi giudici hanno tentato di farlo. Il ricorrente attribuisce questo fatto ad una svista. Ora, quando si ricordi che la LCP nella sua formulazione originale è del 14 settembre 1976 e che la vertenza riguarda gli art. 17, 22 e 25 della stessa, giova risalire agli atti parlamentari per stabilire se svista è avvenuta e in che modo il testo debba essere interpretato. Nel Messaggio del Consiglio di Stato al Gran Consiglio concernente la modificazione della legge sulla Cassa pensioni dei dipendenti dello Stato del 10 giugno 1976, per quanto concerne l'art. 17 era osservato: "Seguendo il criterio adottato per il personale in servizio proponiamo la codificazione nella legge della tredicesima mensilità. Essa corrisponde ad una mensilità di pensione, esclusi i supplementi compensativi (art. 25 cpv. 2 e 3 e art. 27) con l'AVS/AI... La rendita annua totale è pagata anticipatamente all'inizio di ogni mese nella misura di 12/13. Il tredicesimo assegno è pagato a scadenza fissata dal Consiglio di Stato..." Per quanto riferito all'art. 25 si era detto: "Per stabilire il diritto alla rendita per orfani (art. 40) e figli minorenni di pensionati (cpv. 2, 3 e 4) ci siamo basati sulla legislazione AVS attualmente in vigore (Cfr. Raccolta dei verbali del Gran Consiglio, vol. 3, sessione ordinaria primaverile 1976, pag. 939 segg.)." Circa l'art. 22 nulla ancora si diceva invece sulle prestazioni per i figli. Il testo allora proposto e accettato in sede commissionale e parlamentare prevedeva unicamente prestazioni complementari per i figli dei pensionati per invalidità, ma non già per i pensionati per ragioni di età (op.cit., pag. 982 seg.). La volontà del legislatore era pertanto quella di attribuire un supplemento unicamente per i figli di pensionati per invalidità, supplemento che non avrebbe beneficiato di diritto a tredicesima. I figli dei pensionati di vecchiaia viceversa non avrebbero avuto diritto a supplemento. Successivamente la legge venne modificata una prima volta il 18 giugno 1984. Per quanto utile ai fini del presente esame venne stabilito (art. 17 cpv. 3) un nuovo metodo di calcolo della tredicesima mensilità, sempre con la precisazione che esclusi erano "i supplementi previsti dall'art. 25 cpv. 2 e 3 e dall'art. 27 della BGE 115 V 224 S. 237 presente legge" (cfr. Raccolta dei verbali del Gran Consiglio, vol. 1, sessione ordinaria primaverile 1984, pag. 689). La modificazione dell'art. 22 riguardava solo l'occupazione parziale. In occasione di un'ulteriore modificazione del 18 dicembre 1984 (cfr. Raccolta dei verbali del Gran Consiglio, vol. 2, sessione ordinaria autunnale 1984, pag. 927) vennero proposte le modificazioni di legge, ora vigenti, e che danno luogo alla presente controversia. Nel Messaggio del Consiglio di Stato al Gran Consiglio era proposta un'analoga disposizione all'art. 22 cpv. 4 e all'art. 25 cpv. 2, e ciò per il seguente motivo: "Il riordino formale di queste disposizioni è utile per sancire in modo chiaro il diritto alle prestazioni per i beneficiari delle rendite di vecchiaia e d'invalidità. Le norme LAVS/LAI sono integralmente adottate)... (op.cit., pag. 931)." Su questo punto la Commissione della gestione argomentò, con riferimento all'art. 22 cpv. 4: "Questo articolo si riferisce alle persone che a 65 anni di età hanno ancora figli a carico. Veniva già applicato in passato per i casi di vecchiaia, in analogia a quelli di invalidità (op.cit., pag. 953)." Il che significa che con l'adozione dell'art. 22 si intese parificare i diritti dei pensionati per vecchiaia con quelli dei pensionati invalidi per quanto concerne il supplemento ai figli, supplemento che del resto - a quanto si affermava - era già stato in pratica erogato in via di analogia. Ma se l'applicazione per analogia permetteva di applicare anche ai pensionati per vecchiaia l'esclusione di cui all'art. 17, ci si deve chiedere quali disposizioni fossero da prendere dopo l'adozione di una norma precisa cui l'art. 17 più non accennava. Deve a questo proposito essere rilevato che nel Messaggio no. 3337 del 22 giugno 1988 il Consiglio di Stato propone ulteriori modificazioni di legge, tra cui una per l'art. 17 cpv. 3 di asserito "tipo formale" del seguente tenore: "La tredicesima mensilità corrisponde a un dodicesimo della pensione pagata, esclusi i supplementi previsti dall'art. 22 cpv. 4, dall'art. 25 cpv. 2 e 3 e dall'art. 27 della presente legge." Al riguardo la Commissione della gestione nel rapporto 17 novembre 1988 ha deciso di proporre l'approvazione della modifica come formulata nel Messaggio, riservato essendo l'esito del presente ricorso. Questo atto è stato accolto dal Gran Consiglio il 28 novembre 1988; lo stesso è stato impugnato dal qui BGE 115 V 224 S. 238 ricorrente. Comunque, dall'iter parlamentare, dalle affermazioni contenute negli atti del Gran Consiglio, risulta in modo evidente che la volontà del legislatore non era affatto quella di attribuire più diritti ai figli dei pensionati per vecchiaia che a quelli dei pensionati per invalidità, ma al contrario di metterli sullo stesso livello. Dunque, se vi è stata "svista", come afferma il ricorrente, essa non è affatto consistita nel non aver il legislatore tolto dall' art. 17 cpv. 3 LCP l'esclusione per i figli di invalidi, ma nel non aver previsto la stessa esclusione per quella dei pensionati di vecchiaia. La parità di trattamento poteva essere ripristinata in due modi: o concedendo ad ambedue le categorie di assicurati le medesime prestazioni, in concreto la tredicesima, oppure rifiutandole ad ambedue. Il Gran Consiglio ha aderito a questa seconda soluzione, facendo sua una proposta che in sostanza appariva corrispondere alla sua precedente volontà. Date queste premesse, rimane da esaminare se il ricorrente possa in queste condizioni far valere le prestazioni controverse. I primi giudici hanno asserito che l'amministrazione già avrebbe denegato le prestazioni in questione per i figli dei pensionati di vecchiaia. Quando si ricordi che secondo la giurisprudenza chi è chiamato ad applicare una legge può derogare dal suo testo letterale quando lo stesso non corrisponde allo scopo della regola o contraddice la sua genesi ( DTF 112 V 172 consid. 3a, DTF 109 V 62 consid. 4, DTF 107 V 216 consid. 3b, DTF 103 Ia 117 consid. 3, DTF 99 Ia 575 consid. 3), l'amministrazione ben poteva, per analogia, applicare l'esclusione prevista dall' art. 17 LCP non solo alle prestazioni dovute in virtù dell'art. 25 cpv. 3, ma anche a quelle previste dall'art. 22 cpv. 4. E ciò senza arbitrio e in un'interpretazione del diritto cantonale conforme alla costituzione e tale da rispettare la volontà del legislatore. Vero è che il ricorrente contesta che l'amministrazione avesse escluso dalla tredicesima il supplemento per i figli dei pensionati per vecchiaia, deducendo da questa circostanza, ritenuto il principio dell'uguaglianza di trattamento, il diritto alle prestazioni litigiose. Il punto non è comunque meritevole di più ampie indagini. Infatti, anche se, come afferma l'assicurato, essa circostanza non fosse provata, dovrebbe pur essere ricordato che qualora un'autorità esplicitamente riconosca l'illegittimità di una determinata prassi anteriore e affermi chiaramente di volersi in futuro conformare alla legge, il principio dell'uguaglianza di trattamento deve cedere il passo a quello della legalità, fermo BGE 115 V 224 S. 239 restando comunque che essa autorità sia in grado di far sì che detto intento sia effettivamente concretizzato, nel senso che essa possa effettivamente applicare la legge in modo corretto ( DTF 113 Ib 313 consid. 3, DTF 110 II 400 consid. 2, DTF 108 Ia 213 /214, DTF 102 Ib 364 consid. 5, DTF 98 Ib 240 ; cfr. anche DTF 101 Ib 370 , DTF 80 I 426 , DTF 79 I 177 ; AUER, L'égalité dans l'illégalité, ZBL 79/1978 pag. 297). Nella fattispecie l'autorità è andata oltre all'affermazione di volere nel futuro applicare la legge in modo conforme a costituzione: essa ha proposto una modifica legislativa adottata dal Gran Consiglio, così da far coincidere la legge con la prassi. 8. Dato quanto precede il giudizio cantonale non può che essere confermato.
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Sachverhalt ab Seite 630 BGE 97 I 629 S. 630 Résumé des faits: Selon la loi neuchâteloise du 14 avril 1925 sur l'assistance judiciaire en matière civile (LAJ), la partie qui a obtenu le bénéfice de l'assistance judiciaire totale ou partielle est dispensée de fournir caution et libérée définitivement de l'obligation de payer les frais et dépens de l'autre partie, quelle que soit l'issue du procès; l'Etat lui fait remise de tous les frais; il avance les débours judiciaires pour l'instruction de la cause (art. 4 LAJ). L'enfant Paolo Carlino, représenté par son curateur l'avocat Béguin, à Neuchâtel, a ouvert action en paternité contre Paolo Tundo; il a obtenu le bénéfice de l'assistance judiciaire totale. Le défendeur a conclu au rejet de la demande. Paolo Carlino s'est désisté de sa demande par exploit du 15 avril 1971. S'étant vu réclamer 44 fr. de frais judiciaires, Tundo a demandé au Tribunal cantonal de Neuchâtel de mettre ces frais à la charge du demandeur ou de l'Etat. Par ordonnance du 21 avril 1971, le Tribunal cantonal a rejeté la requête, en se fondant sur l'art. 4 LAJ. Agissant par la voie du recours de droit public, Tundo a requis le Tribunal fédéral de casser cette ordonnance. Le Tribunal Fédéral a admis le recours.
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Erwägungen Considérant en droit: 4. Il reste à examiner si la réglementation neuchâteloise telle qu'elle a été appliquée sans arbitraire est en elle-même contraire à l'art. 4 Cst. Selon la jurisprudence constante du Tribunal fédéral, le droit à l'assistance judiciaire découlant de l'art. 4 Cst. ne libère la partie indigente que de l'obligation d'avancer ou de garantir les fraisjudiciaires et les dépens de la partie adverse (RO 89 I 161 BGE 97 I 629 S. 631 consid. 2 ; 95 I 415 consid. 2). Il ne lui confère pas le droit d'être libérée définitivement de ces frais (RO 67 I 68 ; 85 I 3 ). Cependant, le législateur cantonal peut lui accorder ce droit, quel que soit le sort final de ses conclusions. Un tel complément de la garantie minimum résultant du droit fédéral peut être opportun: tout procès comporte des risques et le plaideur indigent, qui s'expose en cas d'échec à se priver du nécessaire pour en payer les frais, hésitera à faire valoir son droit même s'il est dispensé de fournir dépôt ou caution. Toutefois, le législateur cantonal ne peut, s'il entend faciliter ainsi au plaideur sans ressources la poursuite de son droit, disposer que de ses propres créances et non pas de celles de la partie adverse. La cour de céans n'a pas à revenir aujourd'hui sur une question à laquelle un ancien arrêt répond par la négative (RO 29 I 136 consid. 1) et à décider si l'art. 4 Cst. impose au législateur cantonal de prévoir le remboursement, par la partie qui succombe à la partie victorieuse, des frais de justice avancés par cette dernière. Il suffit de constater que le droit neuchâtelois prévoit cette obligation de remboursement en règle générale (art. 364 PC). L'indigence de la partie qui succombe n'est pas une raison suffisante de déroger à ce principe, même si, en fait, une créance contre cette partie n'a pas grande valeur. Certes, la Chambre de droit public a jugé dans son arrêt Späni c. Tribunal d'appel du canton de Bâle-Ville, du 19 mai 1971, que la règle du droit bâlois, selon laquelle le plaideur au bénéfice de l'assistance judiciaire est dispensé de payer, s'il succombe, les honoraires de l'avocat de la partie adverse, n'était pas contraire à l'art. 4 Cst. Selon cette jurisprudence, le recourant ne pourrait se plaindre de n'avoir pas obtenu le remboursement de ses honoraires d'avocat. Il ne le fait pas du reste. Mais ce qui vaut pour ces honoraires, dus par le plaideur en vertu d'un mandat qu'il confère de sa propre volonté, ne s'applique pas aux frais de justice, que le plaideur est contraint par l'Etat lui-même de payer, sous peine de se voir refuser le concours des tribunaux et de perdre son procès. L'application de l'art. 4 LAJ équivaut à faire supporter les frais de l'assistance judiciaire par un particulier. Elle aboutit à un traitement discriminatoire de la partie non assistée victorieuse, traitement qui ne trouve pas de justification suffisante dans la différence des situations de fait. L'ordonnance attaquée doit ainsi être annulée. Le législateur cantonal aurait pu ne point poser la règle de BGE 97 I 629 S. 632 l'art. 4 LAJ et se borner, conformément au principe déduit de l'art. 4 Cst., à dispenser le plaideur indigent de l'avance des frais du procès. Il pouvait aussi lui faire remise de ces frais à titre définitif. Il pouvait encore le libérer de l'obligation de supporter, en cas d'échec, les honoraires d'avocat de la partie adverse. Mais s'il voulait le libérer, de plus, de l'obligation de rembourser, dans le même cas, les frais de justice payés par la partie victorieuse, il devait mettre ce remboursement à la charge de l'Etat. La situation faite à l'adversaire victorieux d'un plaideur assisté est d'autant moins équitable que l'Etat se réserve de poursuivre le remboursement des frais avancés ou remis, si la partie assistée revient à meilleure fortune (art. 17 LAJ), alors que la partie victorieuse est totalement privée de tout droit contre le plaideur assisté ou contre l'Etat. Tant que l'art. 4 LAJ ne sera pas revisé, il appartiendra aux autorités cantonales chargées de l'appliquer de choisir, entre les diverses solutions compatibles avec l'ordre constitutionnel, celle qui leur paraîtra la plus conforme à la volonté du législateur.
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Sachverhalt ab Seite 95 BGE 103 Ia 95 S. 95 Die Polizeidirektion des Kantons Schaffhausen bestrafte X. wegen Übertretung der Verordnung des Regierungsrates über den Handel mit Waffen und Munition, das Waffentragen und den Waffenbesitz vom 27. März 1973 (WaffenV) mit einer Busse von Fr. 500.--, weil X. bis zum 23. April 1974 zahlreiche Faustfeuerwaffen und Munition besass. Nach § 12 Abs. 1 WaffenV darf ein bestimmter Personenkreis, zu dem X. zweifellos gehört, keine Waffen oder Munition besitzen. BGE 103 Ia 95 S. 96 Die Polizeidirektion wies die Einsprache des X. gegen ihre Strafverfügung ab. Der Bezirksrichter Schaffhausen wies den hiegegen erhobenen Rekurs ebenfalls ab, setzte jedoch die Busse auf Fr. 100.-- herunter. Das Obergericht des Kantons Schaffhausen wies die dagegen eingereichte Nichtigkeitsbeschwerde ab, soweit es auf sie eintrat. X. führt gegen die Entscheide des Bezirksrichters und des Obergerichts gestützt auf Art. 4 BV staatsrechtliche Beschwerde.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei bestraft worden, ohne dass dafür eine gesetzliche Grundlage bestehe, weshalb der Bezirksrichter den Grundsatz "Keine Strafe ohne Gesetz" verletzt habe. Dieser Grundsatz folgt aus Art. 4 BV und ist vom Bundesgesetzgeber in den Art. 1 StGB übernommen worden. Würde es sich um die Anwendung eidgenössischen Strafrechts handeln, so könnte nur noch die Verletzung der genannten Regel des StGB geltend gemacht werden; denn wenn der Bund ein in der BV garantiertes Freiheitsrecht durch eidgenössisches Privat- oder Strafrecht umschreibt, kommt eine direkte Berufung auf die Verfassung nicht mehr in Frage. Der Bezirksrichter und das Obergericht haben jedoch kantonales, nicht eidgenössisches Strafrecht angewendet, sodass sich der Beschwerdeführer auf Art. 4 BV berufen kann mit der Behauptung, das angefochtene Urteil verletze den Satz "Keine Strafe ohne Gesetz" ( BGE 96 I 28 E. 4a mit Hinweisen). Da sich die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen unerlaubten Waffenbesitzes auf § 12 Abs. 1 WaffenV stützt und der Regierungsrat seine Befugnis zum Erlass der WaffenV in deren Ingress ausdrücklich mit dem Hinweis auf Art. 23 des schaffhausischen EG zum StGB (EGzStGB) begründet, wäre die Bestrafung nur dann als gesetzmässig zu betrachten, wenn Art. 23 EGzStGB den Regierungsrat zum Erlass von Vorschriften auch über den blossen Waffenbesitz ermächtigte. a) Der Bezirksrichter und das Obergericht sind mit dem Beschwerdeführer darin einig, dass Art. 23 EGzStGB den Waffenbesitz nicht erwähnt und sein Wortlaut deshalb den III. Abschnitt der WaffenV über den Waffenbesitz nicht deckt. Nach der genannten Bestimmung erlässt der Regierungsrat die im öffentlichen Interesse und zum Schutze des BGE 103 Ia 95 S. 97 Publikums gebotenen Vorschriften über den Handel mit Waffen und Munition und über das Waffentragen. Bezirksrichter und Obergericht halten indessen dafür, mit dem Begriff Waffentragen sei auch der Waffenbesitz gemeint. b) Nach allgemeinem Sprachgebrauch bedeuten aber Waffentragen und Waffenbesitz klarerweise nicht dasselbe. Waffen besitzt, wer im Sinne von Art. 919 ZGB die tatsächliche Gewalt darüber hat. Waffentragen dagegen bedeutet das "Beisichhaben" (Tragen, Mitführen) einer Waffe ausserhalb seiner Wohnung, seiner Geschäftsräumlichkeiten, seines Besitztums. Der Begriff des Waffenbesitzes ist weiter als der des Waffentragens. Er kann nicht als Unterbegriff des Waffentragens aufgefasst werden. Vielmehr ist das Waffentragen eine besondere Art der Ausübung des Waffenbesitzes. Der Waffenträger ist (in der Regel) auch Waffenbesitzer, wogegen der Waffenbesitzer nicht Waffenträger zu sein braucht. Wer eine Waffensammlung hat, ist Waffenbesitzer, möglicherweise ohne jemals Waffen zu tragen. Die Auslegung, die der Bezirksrichter und mit ihm das Obergericht dem Begriff des Waffentragens in Art. 23 EGzStGB gegeben haben, ist daher eine solche praeter legem, die vom Sinn des Gesetzes nicht mehr gedeckt ist (vgl. BGE 95 IV 72 3a). Sie verstösst, weil sie zu Lasten des Angeklagten ausgefallen ist, gegen den Grundsatz "Keine Strafe ohne Gesetz" und damit gegen Art. 4 BV . c) Es ist übrigens zu beachten, dass den Behörden, die sich mit dem Problem des Waffenhandels, des Waffentragens und des Waffenbesitzes zu befassen haben, der Unterschied zwischen Waffenbesitz und Waffentragen durchaus geläufig ist. Die beiden Begriffe werden nicht als gleichbedeutend gebraucht. Der BRB über Schusswaffen im Besitze von Ausländern vom 11.5.1940 (AS 1940 I S. 473) bestimmte beispielsweise in Art. 1: "Besitz und Tragen von Schusswaffen und von Munition für solche ist allen Ausländern verboten." § 30 des luzernischen EGzStGB vom 18. Dezember 1940 ermächtigte den Regierungsrat, eine Verordnung über den Besitz, den Handel, das Tragen und den Gebrauch von Waffen und Munition zu erlassen. § 14 des Übertretungsstrafgesetzes vom 14. September 1976, das an die Stelle des EGzStGB getreten ist, ermächtigt den Regierungsrat, eine Verordnung über den Besitz, den Handel, das Tragen, die Aufbewahrung und den BGE 103 Ia 95 S. 98 Gebrauch von Waffen und Munition zu erlassen. Die entsprechende zürcherische Verordnung vom 28. September 1942 trägt den Titel "Verordnung über den Handel mit Waffen und Munition, das Waffentragen und den Waffenbesitz". Das Tragen von Waffen ohne Bewilligung ist darnach grundsätzlich verboten, der private Besitz von Waffen, von bestimmten Ausnahmen abgesehen, grundsätzlich gestattet. Die WaffenV des Kantons Schaffhausen, die übrigens weitgehend der WaffenV des Kantons Zürich entspricht, unterscheidet ebenfalls zwischen Waffentragen und Waffenbesitz. d) Wie der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Bezirksrichter nachweisen konnte, waren sich die Behörden des Kantons Schaffhausen, die sich mit der Regelung des Waffenhandels, des Waffentragens und des Waffenbesitzes zu befassen hatten, der Problematik bewusst. Es ist unbestritten, dass gemäss Kommissionsentwurf zum EGzStGB der Regierungsrat ermächtigt werden sollte, Vorschriften über den Waffenbesitz zu erlassen, und dass bei der Beratung dieses Entwurfes der Begriff Waffenbesitz durch Waffentragen ersetzt wurde. Da es sich, wie gesagt, um Begriffe handelt, die sachlich Verschiedenes bedeuten, kann nicht angenommen werden, der Gesetzgeber habe mit dem Begriff Waffentragen auch den Waffenbesitz gemeint, zumal jener offensichtlich enger ist als dieser. Dem Regierungsrat war denn auch bei Erlass der WaffenV bekannt, dass die Ermächtigung des Art. 23 EGzStGB sich nur auf die Regelung des Waffentragens bezog. Die Polizeidirektion machte zum 2. Entwurf der WaffenV vom 5. August 1944 die Bemerkung: "Das nochmalige Studium der Materie ergab, dass der Regierungsrat auf Grund von Art. 23 EGzStGB befugt ist, Vorschriften über den Handel mit Waffen und Munition und über das Waffentragen zu erlassen, aber nicht ohne weiteres auch über den Waffenbesitz. Über diesen Waffenbesitz kann er auf dem Verordnungswege vermutlich nicht legiferieren und es ist deshalb eventuell ratsam, die Vorlage entsprechend zu kürzen, nämlich a) Der Titel hat dann nur zu lauten ... 'über das Waffentragen' b) Der Abschnitt II. Waffenbesitz mit den §§ 6, 7 und 8 ist gänzlich auszumerzen. Es ist aber zunächst zu prüfen und zu entscheiden, ob der Waffenbesitz nicht als eine blosse Folge des Handelns mit Waffen und Munition BGE 103 Ia 95 S. 99 zu betrachten ist. Die gleichzeitige Regelung dieser Materie wäre wünschenswert." Im Auszug aus dem Protokoll des Regierungsrates des Kantons Schaffhausen vom 17. August 1944 ist im Zusammenhang mit der ersten Lesung des Entwurfes zur WaffenV festgehalten: "Zu Absatz II wirft der Polizeidirektor die Frage auf, ob der Regierungsrat zuständig sei, Bestimmungen über den Waffenbesitz zu erlassen, was aus allgemeinen sicherheitspolizeilichen Erwägungen bejaht wird." Wie aus diesen Materialien hervorgeht, betrachtete sich der Regierungsrat nicht auf Grund des EGzStGB, sondern auf Grund seiner Aufgabe, für die öffentliche Sicherheit zu sorgen, als befugt, Vorschriften über den Waffenbesitz zu erlassen. Bei dieser Sachlage ist es willkürlich anzunehmen, Art. 23 Abs. 1 EGzStGB ermächtige den Regierungsrat zum Erlass von Vorschriften auch über den Waffenbesitz und die Strafandrohung des Art. 23 Abs. 2 gelte ebenfalls für die Verletzung solcher Vorschriften.
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Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Überprüfung des Sachverhaltes. Art. 105 OG . In Patentsachen haben die auf der Anwendung physikalischer Prinzipien beruhenden Schlussfolgerungen des eidg. Amtes für geistiges Eigentum für das Bundesgericht die gleiche Tragweite wie die Meinungsäusserungen von Sachverständigen: das Bundesgericht ist nicht an sie gebunden, weicht von ihnen jedoch nicht ohne Not ab (Änderung der Rechtsprechung). Sachverhalt ab Seite 152 BGE 91 I 152 S. 152 A.- Le 20 août 1964, Gaston Romain Bergerioux a déposé une demande de brevet concernant un dispositif de protection contre les radiations cosmiques "caractérisé en ce qu'il comprend un élément métallique ayant la forme d'un collier ou d'un bracelet destiné à être porté par le sujet à protéger, ledit élément métallique, constituant une self-inductance, étant relié par ses deux extrémités à un élément formant un condensateur, le tout étant agencé de manière que lesdits éléments réalisent un circuit oscillant pourvu d'une période propre convenable pour éliminer l'influence néfaste des rayonnements électromagnétiques sur ledit sujet". Par décision du 30 novembre 1964, le Bureau fédéral de la propriété intellectuelle a rejeté la demande de brevet, en application BGE 91 I 152 S. 153 de l'art. 59 al. 1 LBI. Il a considéré que le dispositif envisagé agit comme amplificateur sur les radiations électromagnétiques de même fréquence et qu'il est inopérant pour les autres. Ainsi, dans la mesure où il est efficace, le dispositif va à fins contraires du but proposé. C'est dire qu'il ne remplit pas la fonction que lui attribue la revendication. L'invention prétendue n'est donc pas utilisable industriellement au sens de l'art. 1er al. 1 LBI. B.- Contre cette décision, Bergerioux forme un recours de droit administratif au Tribunal fédéral, en concluant à l'admission de sa demande de brevet. Il conteste que son collier ou bracelet agisse comme amplificateur et prétend au contraire que le circuit forme un système filtrant. Il produit une notice technique à l'appui de ses affirmations. Ayant repris l'examen de la cause sur la base de cette notice, le Bureau fédéral propose le rejet du recours. Il soutient que les indications essentielles du recourant sont fantaisistes et persiste dans les conclusions techniques de sa décision.
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Erwägungen Considérant en droit: Selon l'art. 104 al. 1 OJ, le recours de droit administratif n'est recevable que pour violation du droit fédéral, c'est-à-dire pour défaut d'application ou fausse application d'un principe consacré expressément par une prescription fédérale ou découlant implicitement de ses dispositions. Or le recourant ne reproche pas à l'autorité administrative d'avoir mal appliqué le droit fédéral et, en particulier, de s'être fondée sur une notion inexacte de l'invention "utilisable industriellement". Ses arguments sont exclusivement d'ordre technique. Dans l'arrêt Tomas i Sais (RO 86 I 79), le Tribunal fédéral a jugé que, saisi d'un recours de droit administratif en matière de brevets, il ne peut revoir les déductions techniques faites par le Bureau fédéral. Il a considéré que de pareilles déductions n'étaient pas visées par l'art. 104 OJ, lequel concerne la violation du droit fédéral. Il a estimé en outre que l'art. 105 OJ, qui lui permet de rechercher si la décision attaquée repose sur des constatations de fait inexactes ou incomplètes, ne s'appliquait pas à l'appréciation par le Bureau fédéral des faits exposés dans la demande de brevet. Cet arrêt a été critiqué de façon pertinente en doctrine (J. VOYAME, JdT 1960 I 609/10 et E. EGGENSCHWILER, Die Ermessenskontrolle im verwaltungsrechtlichen BGE 91 I 152 S. 154 Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht, RDS 1962 I 449 ss., 465 n. 47). Il part en effet d'une notion trop étroite de la constatation de fait. Celle-ci implique parfois un raisonnement (DESCHENAUX, La distinction du fait et du droit dans les procédures de recours au Tribunal fédéral, p. 21). Les déductions tirées conformément aux principes de la physique sont des questions de fait que le Tribunal fédéral peut revoir, en vertu de l'art. 105 OJ (cf., pour le recours en réforme, art. 67 OJ). Pour résoudre ces questions, le législateur a institué le Bureau fédéral comme autorité compétente, apte à juger des problèmes techniques. Sur ce point, les décisions du bureau ont la même portée que l'avis d'un expert. Le Tribunal fédéral n'est pas lié par elles, mais il ne s'en écartera pas sans nécessité. Il se trouve ainsi dans la même situation qu'en présence de décisions rendues par le Département fédéral de l'économie publique en matière de connaissances professionnelles requises pour ouvrir une nouvelle entreprise de l'industrie horlogère (RO 78 I 469). En l'espèce, ni l'argumentation développée par le recourant ni l'examen du dossier ne suscitent aucun doute sur le bien-fondé de l'avis du Bureau fédéral. L'invention prétendue n'étant pas susceptible d'utilisation industrielle, la demande de brevet a été rejetée à bon droit, sans qu'il fût nécessaire d'examiner si l'exposé du recourant décrivait réellement une invention, ni si celle-ci était nouvelle au sens de la loi.
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Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Rejette le recours.
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Sachverhalt ab Seite 351 BGE 116 II 351 S. 351 A.- Der Kläger S. ist der Sohn der verstorbenen B., die über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten mediale Vorträge hielt. Die Vorträge erfolgten in Tieftrance und sollen dem Medium durch die jenseitigen Geisteswesen Joseph und Lena eingegeben worden sein. Die Vorträge, welche sie im Rahmen des Vereins G. BGE 116 II 351 S. 352 hielt, wurden durch den Beklagten F. auf Tonbändern und Kassetten aufgezeichnet. B.- Der Verein G. und S., der sich auf ein von B. erworbenes Urheberrecht berief, belangten F. auf Herausgabe der Tonbänder und Kassetten, auf ein Verbot der Herstellung und Verwertung von Kopien, auf Auskunftserteilung über Herstellung und Inverkehrbringen der Tonträger, auf Erstattung erzielter Gewinne, auf mindestens Fr. 50'000.-- Schadenersatz sowie auf Urteilspublikation. F. begehrte widerklageweise die Feststellung, dass B. an den medialen Kundgebungen kein Urheberrecht erworben habe und demzufolge die Verträge auf Übertragung solcher Urheberrechte an S. nichtig seien. Mit Teilurteil vom 14. Mai 1985 wies das Obergericht des Kantons Zürich das Widerklagebegehren auf Feststellung fehlenden Urheberrechts der B. ab und trat auf dasjenige um Nichtigerklärung entsprechender Rechtsübertragungen nicht ein. Das Obergericht erklärte am 4. April 1989 das Begehren um Auskunftserteilung als gegenstandslos, verbot dem Beklagten unter Strafandrohung, von den Aufzeichnungen ohne Einwilligung des Klägers Kopien herzustellen, feilzuhalten, zu verkaufen oder sonstwie in Verkehr zu bringen, verpflichtete ihn zu einer Gewinnherausgabe von Fr. 1'200.-- und wies das Begehren auf Urteilspublikation ab. C.- Beide Parteien führen gegen den Sachentscheid eidgenössische Berufung. Das Bundesgericht weist beide Berufungen ab, soweit es darauf eintritt, und bestätigt die Urteile der Vorinstanz.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der Beklagte stellt ein Urheberrecht von B. an ihren Äusserungen in Trance und damit die Möglichkeit eines derivativen Rechtserwerbs des Klägers in Abrede. Erweist sich die Rüge als begründet, ist den geltend gemachten Klageansprüchen die Grundlage entzogen. a) Dass die vom Beklagten aufgezeichneten Vorträge nach Form und Inhalt urheberrechtlich schützbare Werke darstellen, wird zu Recht nicht in Zweifel gezogen. Streitig ist einzig, ob B. daran ein Urheberrecht erworben hatte. b) Nach dem URG, das als Urheber nur physische Personen kennt, entsteht das Urheberrecht in der Person des geistig Schöpfenden. Dies hat das Bundesgericht als Fundamentalsatz der ganzen schweizerischen Urheberrechtsgesetzgebung bezeichnet (BGE BGE 116 II 351 S. 353 74 II 112; TROLLER, Immaterialgüterrecht, Band II, 3. Aufl. 1985, S. 715/6). An diesem Schöpferprinzip soll auch im Rahmen der Gesetzesrevision festgehalten werden (Botschaft vom 19. Juni 1989 zu einem Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG), BBl 1989 III 477 ff., 525 Ziff. 212.2 und 616 Art. 6). Schöpfer ist der Hersteller des Werks, derjenige, aus dessen individueller geistiger Tätigkeit das Werk hervorgegangen ist (SCHULZE, N 2 zu § 7 DUrhG; BALZ HÖSLY, Das urheberrechtlich schützbare Rechtssubjekt, Diss. Zürich 1986, S. 103). Erforderlich ist dabei nach herrschender Auffassung ein gestalterisches Tätigwerden, welches den menschlichen Geist im Werk zum Ausdruck bringt (SCHRICKER/LOEWENHEIM, N 4 und 7 zu § 2 DUrhG; a. A. KUMMER, Das urheberrechtlich schützbare Werk, S. 75 ff. und 100 ff., welcher auch der Präsentation des natürlich Vorgegebenen urheberrechtserzeugende Wirkung zuerkennt, sofern das präsentierte Werk Individualität im Sinne einer statistischen Einmaligkeit aufweist; vgl. die Kritik an dieser Auffassung etwa bei TROLLER, Immaterialgüterrecht, Band I, 3. Aufl. 1983, S. 354 oder SCHRICKER/LOEWENHEIM, N 6 zu § 2 DUrhG mit weiteren Hinweisen). Die Schöpfung eines Werks ist neutrale Rechtshandlung, nicht Rechtsgeschäft, sondern Realakt (LARESE, Urheberrecht in einem sich wandelnden Kulturbetrieb, S. 106; JOSEF KOHLER, Urheberrecht an Schriftwerken, S. 228; ULMER, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl. 1980, S. 185; FROMM/NORDEMANN, 7. Aufl. 1988, N 3 zu § 7 DUrhG; SCHRICKER/LOEWENHEIM, N 5 zu § 7 DUrhG). Sie setzt weder Geschäftsfähigkeit des Schöpfers noch einen auf Erwerb des Urheberrechts gerichteten Willen voraus. Minderjährige und Entmündigte können ebenso Urheberrechte erwerben wie der momentan geistig Umnachtete (ULMER, a.a.O.). Auch ein durch Hypnose zutage gefördertes Werk, das ins Unterbewusstsein verdrängt war und erst durch die hypnotische Behandlung ans Licht gehoben wird, ist als alleiniges Werk des hypnotisierten Schöpfers anzusehen (FROMM/NORDEMANN, a.a.O., N 3 zu § 7 DUrhG). c) Der Beklagte wendet ein, ein Urheberrecht von B. stehe bereits deshalb ausser Frage, weil sie nach ihrer und vom Kläger übernommenen Darstellung keine eigenen Geistesprodukte, sondern ausschliesslich solche jenseitiger Wesen zur Wahrnehmung gebracht habe, was schöpferisches Handeln ausschliesse. Dabei übersieht er, dass das Urheberrecht nicht an das Schöpfungsbewusstsein, BGE 116 II 351 S. 354 sondern an den Schöpfungsakt anknüpft, an den positiven Ausdruck des Geisteswerks ( BGE 113 II 196 E. a). Der urheberrechtliche Schutz folgt nicht der Idee, sondern der Formgebung; die Idee ist bloss geschützt, wenn sie in wahrnehmbare Form gekleidet wird (TROLLER, a.a.O., Band I, S. 351 ff.; KUMMER, a.a.O., S. 7 ff.; einlässlich DESBOIS, Le droit d'auteur en France, 3e éd. 1978, S. 22 ff.). Zwar heisst dies nicht, dass nur die Form und nicht auch der Inhalt des Werks geschützt ist ( BGE 88 IV 127 E. 1 am Ende, mit Hinweisen), doch erfüllt ein ungeformter Gedanke den Werkbegriff von vornherein nicht. Für diesen Begriff bleibt anderseits ohne Bedeutung, ob die zur Wahrnehmung gebrachte gedankliche Vorstellung auf Überlegung oder Eingebung beruht. Das dem schweizerischen Recht zugrunde liegende Rationalitätsprinzip rechnet das Geisteswerk demjenigen Rechtssubjekt als Schöpfer zu, welches die Form gewordene Vorstellung erstmals zum Ausdruck bringt, und fragt nicht danach, ob die Vorstellung bewusst oder unbewusst gebildet wurde. Jenseitige Wesen aber sind keine Subjekte schweizerischen Rechts ( Art. 11 ZGB ) und können daher nicht gedankliche Vorstellungen rechtswirksam zum Ausdruck bringen. Die Frage ihrer Existenz stellt und beantwortet sich im Bereich des Irrationalen und ist der Rechtswirklichkeit entrückt. Jenseitige Inspirationen sind daher rechtlich uneingeschränkt ihrem menschlichen Empfänger zuzuordnen und können allein von diesem zu einer urheberrechtlich schützbaren Darstellung gebracht werden (vgl. in diesem Sinne den Entscheid der Londoner Chancery Division in RabelsZ 1928, S. 251). Damit erweist sich die Berufung des Beklagten als unbegründet. 3. Die Berufung des Klägers und seines Nebenintervenienten richtet sich einzig gegen die obergerichtliche Abschreibung ihres Auskunftsbegehrens als gegenstandslos. Sie machen im wesentlichen geltend, dieser Anspruch bestehe im Immaterialgüterrecht selbständig und nicht bloss akzessorisch zu andern Ansprüchen, weshalb das ihm zugrunde liegende Rechtsschutzinteresse weiterreiche als dasjenige an der Herausgabe des widerrechtlich erzielten Gewinns. a) Wird ein hinreichend substantiierter Anspruch des Bundesrechts mangels fortbestehenden Rechtsschutzinteresses als gegenstandslos erklärt, liegt darin ein Entscheid über den Anspruch selbst. Dabei handelt es sich um einen prozessrechtlichen Endentscheid im Sinne von Art. 48 OG , da der kantonale Richter die Beurteilung des Anspruchs aus einem Grunde ablehnt, der endgültig BGE 116 II 351 S. 355 verbietet, dass dieser unter gleichen tatsächlichen Voraussetzungen nochmals geltend gemacht wird ( BGE 111 II 465 ). Er ergeht in Anwendung von Bundesrecht, welches die Prozessvoraussetzung des Rechtsschutzinteresses in seinem Anspruchsbereich abschliessend regelt ( BGE 116 II 198 E. 1; BGE 114 II 255 E. 2a mit Hinweisen). Auf die Berufung ist daher einzutreten. b) Das Rechtsschutzinteresse ist vom Kläger nachzuweisen. Dabei ist eine vom kantonalen Richter grundsätzlich ( Art. 63 Abs. 2 OG ) abschliessend zu beurteilende Tatfrage, welche Umstände in der konkreten Streitsache nach den Prozessvorbringen der Parteien und gegebenenfalls dem Ergebnis des Beweisverfahrens erstellt sind und der rechtlichen Subsumtion unter den Begriff des Interesses zugrunde zu legen sind. Frei zu prüfende Rechtsfrage ist dagegen, welche Umstände rechtserheblich sind und ob sie im Einzelfall ausreichen, die Klagebefugnis zu begründen ( BGE 115 II 201 E. b; GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 1979, S. 479 f.). Nach den Feststellungen des Obergerichts wurde das Auskunftsbegehren im Hinblick auf das Begehren um Gewinnherausgabe gestellt. Diese Feststellung ist für das Bundesgericht verbindlich, da Erklärungen oder Handlungen der Parteien im Prozess dem kantonalen Recht unterstehen, welches im Berufungsverfahren nicht überprüft werden kann ( BGE 104 II 114 E. a mit Hinweisen). Die Vorbringen in der Berufung, wonach ein über den Anspruch auf Gewinnherausgabe hinausreichendes Rechtsschutzinteresse geltend gemacht worden sei, sind daher neu und unzulässig ( Art. 55 Abs. 1 lit. c OG ). Insoweit ist auf die Berufung nicht einzutreten. c) Die prozessuale Verbindung eines der Gewinnermittlung dienenden Auskunftsbegehrens mit dem Leistungsbegehren auf Herausgabe des ermittelten Gewinns stellt eine Stufenklage dar, in welcher der Hilfsantrag auf Auskunft akzessorisch der Bezifferung des Hauptantrages auf Leistung dient (GULDENER, a.a.O., S. 167 Ziff. 3; VOGEL, Grundriss des Zivilprozessrechts, 2. Aufl. 1988, S. 136 Rz. 6). Lässt sich im Rahmen des Beweisverfahrens der beanspruchte Gewinn ermitteln, ohne dass gegen den Beklagten ein Teilurteil auf Auskunft zu ergehen hat, entfällt insoweit das Rechtsschutzinteresse des Klägers an einer Weiterverfolgung des Hilfsanspruchs und damit die entsprechende Prozessvoraussetzung (RIXECKER, Die Erledigung im Verfahren der Stufenklage, MDR 1985 S. 633 ff., 634). Das Rechtsschutzinteresse aber muss BGE 116 II 351 S. 356 auch im Zeitpunkt des Urteils noch vorhanden sein. Fällt es im Verlauf des Verfahrens dahin, so ist dem Klagerecht die gesetzliche Grundlage entzogen und der Prozess wird gegenstandslos ( BGE 109 II 167 ). Von dieser Rechtslage geht zutreffend auch das Obergericht im angefochtenen Entscheid aus. Sein Entscheid über den Hauptanspruch ist nicht angefochten. Folgerichtig besteht auch im Berufungsverfahren kein rechtserhebliches Interesse an der Weiterverfolgung des akzessorischen Hilfsanspruchs mehr. Die Berufung des Klägers und seines Nebenintervenienten erweist sich daher als unbegründet, soweit darauf einzutreten ist.
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Sachverhalt ab Seite 276 BGE 122 II 274 S. 276 Urs Wegmann ist Eigentümer der Parzellen Nrn. 2357b und 3444a in Saschela/Pulverstampf, Oberschan, politische Gemeinde Wartau. Die Liegenschaft Nr. 3444a ist unüberbaut, wenn man von einem ca. 20jährigen Gerätehaus absieht; das Grundstück Nr. 2357b ist mit einem Einfamilienhaus sowie einem Gartenhäuschen überbaut. Die Parzellen werden im Süden durch einen natürlichen Bachlauf begrenzt, dessen Ufer und Umgebung auf einer Länge von gut 100 m bestockt sind. Die fraglichen zwei Parzellen sind einer Bauzone zugeteilt, während die südlich an den Bachlauf bzw. die Bestockung angrenzenden Grundstücke Nichtbaugebiet sind. Im Rahmen der in der Gemeinde Wartau laufenden Zonenplanrevision und den dabei notwendigen Abgrenzungen von Baugebiet zu Waldflächen legte das Volkswirtschaftsdepartement des Kantons St. Gallen in bezug auf verschiedene Bestockungen in der Gemeinde, so auch in Saschela/Pulverstampf, die Waldgrenzen gegenüber dem Baugebiet fest. Urs Wegmann erhob gegen die seine Liegenschaften betreffende Waldfeststellung Einsprache. Er beantragte festzustellen, dass es sich beim fraglichen Baumbestand nicht um Wald im Sinne der Waldgesetzgebung des Bundes handle; für den Eventualfall stellte er den Antrag, die Waldgrenze zurückzuversetzen. Das Volkswirtschaftsdepartement führte darauf einen Augenschein durch, an welchem der Einsprecher sowie die Vertreter des Kantons übereinkamen, die Stockgrenze neu zu markieren und vermessen zu lassen. Anschliessend gab das Volkswirtschaftsdepartement dipl. Ing. ETH Kreis einen Vermessungsauftrag, worin dieser unter anderem angewiesen wurde, in die Flächenberechnung einen Waldsaum von zwei Metern einzubeziehen. Die Vermessung ergab eine - gegenüber der Waldfeststellungsverfügung gesamthaft leicht vergrösserte - bestockte Fläche von 1'222 m2, die einschliesslich eines Waldsaumes von 2 m zwischen ca. acht und sechzehn Meter breit ist. Am 21. Juni 1994 wies das Volkswirtschaftsdepartement die Einsprache von Urs Wegmann ab. Es stellte fest, dass die von dipl. Ing. ETH Kreis ausgemessene Bestockungsfläche Wald im Sinne des Bundesgesetzes über den Wald vom 4. Oktober 1991 (Waldgesetz, WaG; SR 921.0) darstelle. Die Einsprachegebühr sowie die Hälfte der Vermessungskosten wurden Urs Wegmann auferlegt. Dagegen erhob Urs Wegmann Rekurs an die Regierung des Kantons St. Gallen. Er erneuerte die in der Einsprache in der Sache gestellten Anträge; in verfahrensrechtlicher Hinsicht wurde beantragt, die Kosten des Einspracheverfahrens vollumfänglich auf die Staatskasse zu verlegen. BGE 122 II 274 S. 277 Die Regierung wies den Rekurs allerdings am 16. Mai 1995 ab. Das Bundesgericht heisst die beim ihm gegen den Regierungsentscheid erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde teilweise gut und hebt den angefochtenen Entscheid insoweit auf, als er die Kostenverlegung der beiden kantonalen Rechtsmittelverfahren betrifft. Im übrigen wird die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abgewiesen.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. a) Die angefochtene Verfügung stützt sich in der Sache auf das Waldgesetz und die Verordnung über den Wald vom 30. November 1992 (Waldverordnung, WaV; SR 921.01). Entscheide letzter kantonaler Instanzen über Waldfeststellungen ( Art. 10 WaG ) unterliegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ( Art. 46 Abs. 1 WaG , Art. 97 und 98 lit. g OG ). Dieses Rechtsmittel ist auch insoweit gegeben, als kantonale Ausführungsvorschriften zum eidgenössischen Waldrecht zur Diskussion stehen. Es handelt sich bei diesen Bestimmungen um unselbständiges kantonales Ausführungsrecht zum Bundesrecht und jedenfalls um kantonales Recht, welches einen hinreichend engen Sachzusammenhang mit waldrechtlichen Fragen hat; die Anwendung der fraglichen Vorschriften kann daher im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren überprüft werden ( BGE 121 II 72 E. 1b). b) Es fragt sich, ob die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch gegeben ist, soweit der Beschwerdeführer die gestützt auf kantonales Recht getroffene Kostenverlegung im Einspracheverfahren beanstandet. Er rügt dabei nicht, die fragliche Kostenauflage laufe auf eine Vereitelung des Waldrechtes des Bundes hinaus oder erschwere in anderer Weise die Anwendung der Waldgesetzgebung. Kritisiert wird vielmehr, sie lasse sich im Lichte des Anspruches auf rechtliches Gehör ( Art. 4 BV ) nicht halten. aa) In der Bundesverwaltungsrechtspflege gilt der Grundsatz der "Einheit des Prozesses" (FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 106 f. und 237 f.). Das bedeutet, dass Verfügungen über Verfahrenskosten und Parteientschädigungen, sofern sie sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen ( Art. 5 VwVG in Verbindung mit Art. 97 OG ), der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht (und nicht der Beschwerde an den Bundesrat) unterliegen, falls das erstgenannte Rechtsmittel in der Hauptsache gegeben ist ( Art. 101 lit. b OG ). Diese Regel gilt sinngemäss, wenn eine auf öffentliches Recht des Bundes BGE 122 II 274 S. 278 gestützte Verfügung nicht nur in der Hauptsache, sondern auch in bezug auf die kantonalrechtliche Kostenverlegung angefochten wird; die strittigen prozessualen Nebenfolgen werden zufolge ihres engen Sachzusammenhanges mit den zu beurteilenden Fragen des Bundesverwaltungsrechts im verwaltungsgerichtlichen und nicht im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren beurteilt (in ZBl. 96/1995 S. 186 nicht publizierte E. 1b des bundesgerichtlichen Urteils vom 7. März 1994; in BGE 119 Ib 229 nicht publizierte E. 2a). bb) Anders verhält es sich, wenn die Hauptsache zwar vom Bundesverwaltungsrecht geregelt wird, vor Bundesgericht aber ausschliesslich der Kostenpunkt beanstandet wird und sich dieser auf kantonales Recht stützt. In solchen Fällen liegt keine mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbare Verfügung ( Art. 5 VwVG , Art. 97 OG ) vor und ist eine Eingabe als staatsrechtliche Beschwerde zu behandeln, sofern die entsprechenden Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind (Urteil des Bundesgerichtes vom 20. Dezember 1993, E. 1, in Bernische Verwaltungsrechtsprechung [BVR] 1994 S. 335 f.; BGE 112 V 106 E. 2c). Die staatsrechtliche Beschwerde ist weiter gegen auf kantonalem Verfahrensrecht beruhende Revisionsentscheide gegeben, mit denen nach Erlass einer der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterliegenden Verfügung nach Art. 24 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (Raumplanungsgesetz, RPG; SR 700) in Abänderung des Sachentscheides eine Parteientschädigung zugesprochen wird ( BGE 117 Ib 216 ). Nicht selbständig mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar sind zudem kantonalrechtliche Kostenentscheide, wenn das Bundesgericht mangels Legitimation des Beschwerdeführers auf die an sich gegebene Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Sachentscheid nicht eintreten und diesen daher nicht ändern kann ( BGE 99 Ib 211 E. 5); eine auch nur mittelbare Überprüfung des Sachentscheides über die Anfechtung des Kostenspruches mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist damit ausgeschlossen. cc) Im vorliegenden Fall geht es um ein von Amtes wegen eingeleitetes Verfahren, das in eine erstinstanzliche Verfügung mündet und die anschliessend (zunächst) mit Einsprache angefochten werden kann. Im Gegensatz zu den vorstehend (E. 1b/bb) zitierten Fällen steht die vom Volkswirtschaftsdepartement im Einspracheverfahren getroffene und von der Regierung geschützte Kostenverlegung in einem unmittelbaren Sachzusammenhang mit der Frage, ob und in welchem Umfange die Bestockung auf den Liegenschaften des Beschwerdeführers Wald im Rechtssinne darstellt. BGE 122 II 274 S. 279 Es steht damit nichts im Wege, die umstrittene Kostenverlegung im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 4 BV zu überprüfen ( Art. 104 lit. a OG ; vorne E. 1b/aa und BGE 118 Ib 11 E. 1a). c) Nachdem auch die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzutreten. d) Der rechtserhebliche Sachverhalt ergibt sich aus den anschaulichen Fotodokumentationen, aber auch aus den übrigen Verfahrensakten einschliesslich der verschiedenen Pläne. Auf die Durchführung eines Augenscheines kann daher verzichtet werden. 2. a) In der Sache wendet der Beschwerdeführer zunächst ein, die Waldfeststellung sei nicht mit raumplanerischen Gesichtspunkten abgestimmt worden. So sei den Interessen an der zweckmässigen Nutzung von Bauland, welche durch das Bestehen von Wald und die damit zusammenhängende Festlegung der Waldabstandslinien erschwert werde, zu wenig Rechnung getragen worden. Auch müsse im Rahmen der Waldfeststellung berücksichtigt werden, dass das fragliche Gehölz bereits durch die Natur- und Heimatschutzgesetzgebung, das Gewässerschutzrecht und allenfalls weitere Bestimmungen geschützt werde. b) Mit dieser Argumentation verkennt der Beschwerdeführer den Zweck des Waldfeststellungsverfahrens. Dieses dient der Klärung, ob eine Bestockung jene gesetzlichen Eigenschaften erfüllt, welche Voraussetzungen dafür sind, dass von Wald im Sinne der Waldgesetzgebung zu sprechen ist ( Art. 2 WaG , Art. 1-3 WaV ). Der Einbezug weiterer Rechtsfragen ist grundsätzlich nicht vorgesehen ( BGE 118 Ib 433 E. 3a; vgl. immerhin die nachstehende E. 5). Art. 13 Abs. 1 WaG hält fest, dass in den Bauzonen gestützt auf rechtskräftige Waldfeststellungsverfügungen die Waldgrenzen einzutragen sind. Daraus folgt, dass sich bei der (erstmaligen) Abgrenzung von Wald mit Bauzonen das Baugebiet in der Regel am Bestehen von Wald zu orientieren hat - und nicht das Waldareal an der Ausdehnung der Bauzonen. Erst im Rodungsverfahren (Art. 11 in Verbindung mit Art. 5 WaG ) und - je nach konkreter Ausgestaltung des kantonalen Rechts - im Verfahren auf Festsetzung von Waldabstandslinien bzw. Bewilligung eines Unterabstandes ist Raum für eine Interessenabwägung, wie sie der Beschwerdeführer verlangt. 3. a) Gemäss Art. 2 WaG gilt jede Fläche als Wald, die mit Waldbäumen oder -sträuchern bestockt ist und Waldfunktionen (Schutz-, Nutzungs- oder BGE 122 II 274 S. 280 Wohlfahrtsfunktion) ausüben kann. Entstehung, Nutzungsart und Bezeichnung im Grundbuch sind nicht massgebend ( Art. 2 Abs. 1 WaG ). Auch als Wald gelten unter anderem Weidwälder, bestockte Weiden (Wytweiden) und Selven ( Art. 2 Abs. 2 WaG ). Demgegenüber gelten nicht als Wald vor allem isolierte Baum- und Strauchgruppen, Hecken, Alleen, Garten-, Grün- und Parkanlagen sowie Baumkulturen, die auf offenem Land zur kurzfristigen Nutzung angelegt worden sind ( Art. 2 Abs. 3 WaG ). Innerhalb eines bestimmten Rahmens können die Kantone bestimmen, ab welcher Breite, welcher Fläche und welchem Alter eine ins Baugebiet einwachsende Fläche sowie ab welcher Breite und welcher Fläche eine andere Bestockung als Wald gilt ( Art. 2 Abs. 4 Satz 1 WaG ). Diesen Rahmen legte der Bundesrat wie folgt fest ( Art. 1 Abs. 1 WaV ): a) Fläche mit Einschluss eines zweckmässigen Waldsaumes: 200-800 m2; b) Breite mit Einschluss eines zweckmässigen Waldsaumes: 10-12 m; c) Alter der Bestockung auf Einwuchsflächen: 10-20 Jahre. Erfüllt eine Bestockung in besonderem Masse Wohlfahrts- oder Schutzfunktionen im Sinne von Art. 1 Abs. 1 lit. c WaG , so sind die kantonalen Kriterien nicht massgebend; die Bestockung gilt unabhängig von ihrer Fläche, ihrer Breite oder ihrem Alter als Wald ( Art. 2 Abs. 4 Satz 2 WaG und Art. 1 Abs. 2 WaV ). b) Die Kantone vollziehen die Waldgesetzgebung und erlassen innert fünf Jahren Ausführungsvorschriften ( Art. 50 Abs. 1 WaG , Art. 66 WaV ). Der Kanton St. Gallen hat diesen Auftrag erfüllt und sein Forstgesetz vom 1. Dezember 1970 (ForstG) am 12. Januar 1995 der Bundesgesetzgebung angepasst. Bereits am 20. Dezember 1994 wurde die Vollzugsverordnung zum Forstgesetz vom 17. August 1971 (VVForstG) mit Blick auf die durch das Waldgesetz und die Waldverordnung geschaffenen Neuerungen revidiert. Gemäss Art. 2 ForstG bestimmt der Regierungsrat durch Verordnung die Werte, ab denen eine bestockte Fläche als Wald gilt. Nach Art. 1 Abs. 1 VVForstG stellt eine Bestockung Wald dar, wenn es sich in der Bauzone um eine Fläche ab 800 m2 mit einer Breite ab 12 m, je unter Einschluss eines zweckmässigen Waldsaumes, handelt; überdies muss die Bestockung auf einer Einwuchsfläche 15 Jahre oder älter sein. Als zweckmässiger Waldsaum gilt in der Regel ein Streifen vom 2 m Breite (Art. 1 Abs. 2 VVForstG). Das Kantonsforstamt St. Gallen, welches als Fachbehörde für den Vollzug der Forstgesetzgebung zuständig ist (Art. 9 ForstG), hat Richtlinien für die Waldfeststellung erlassen. Gemäss Ziffer 1 der Richtlinien in der BGE 122 II 274 S. 281 ursprünglichen Fassung vom 10. März 1993 und in der überarbeiteten Fassung vom 12. Juli 1995 handelt es sich bei den entsprechenden Regeln nicht um Rechtssätze. Die Richtlinien beanspruchen nur verwaltungsinterne Geltung. Sie geben aber dem Bürger und anderen Interessierten Auskunft darüber, nach welchen Massstäben der Forstdienst die Beurteilung einer Bestockung vornimmt. Insoweit sind die Richtlinien Ausdruck des Wissens und der Erfahrung bewährter Fachstellen (so ausdrücklich deren Ziffer 1, wo in Fussnote 1 auf BGE 107 Ib 50 [E. 3c] verwiesen wird; BGE 118 Ib 614 E. 4b). c) Die Beurteilung der Beschwerde hat von den vorstehend erwähnten Rechtsgrundlagen auszugehen. In tatsächlicher Hinsicht sind sich die Verfahrensbeteiligten im wesentlichen darüber einig, dass vom Bestand jener Bestockung auszugehen ist, die anlässlich des vom Volkswirtschaftsdepartement durchgeführten Augenscheines neu markiert und anschliessend durch den Geometer vermessen wurde. Dies entspricht der Bestockung, die in dem Einspracheentscheid beigefügten Plan eingezeichnet ist. Die unterschiedlichen Auffassungen beziehen sich primär auf die rechtliche Würdigung der Bestockung bzw. einzelner ihrer Bestandteile. Die langgezogene Bestockung weist eine Länge von rund 100 m und eine Gesamtfläche von 1'222 m2 auf. Sie ist (immer einschliesslich eines 2 m breiten Waldsaumes) durchschnittlich 12,22 m breit. Im östlichen und westlichen Drittel beträgt die Breite zwischen 12-16 m mit Verjüngungen gegen die Bestockungsenden; im mittleren Bereich ist die Bestockung auf einer Länge von ungefähr 33 m weniger als 12 m breit, an der schmalsten Stelle knapp 8 m. Der Hauptbestand des Wuchses setzt sich aus einheimischen Waldbäumen, vorwiegend Esche, Buche, Ahorn, Kirschbaum und Birke, zusammen. Das Areal des Waldsaumes ist durch menschliche Eingriffe gezeichnet und kaum mehr natürlich. Die kantonalen Behörden wie auch das EDI als zuständige Fachbehörde des Bundes gehen von einem Kernbestand von Bäumen aus, der älter als 15 Jahre ist. 4. Die Uferbestockung ist ein Kleingehölz. Der Beschwerdeführer macht geltend, die von der Waldgesetzgebung verlangte Minimalbreite werde nicht eingehalten, weil der Wuchs auf gut einem Drittel der Länge der Bestockung weniger als 12 m (inklusive Waldsaum) breit sei. Damit zerfalle die Bestockung in Teile (in das östliche und in das westliche Drittel der Bestockung), welche je für sich betrachtet das gesetzliche Minimalmass von 800 m2 Waldfläche nicht erreichten. BGE 122 II 274 S. 282 a) Das Bundesrecht regelt nicht, wie im Einzelfall die Mindestbreite einer Bestockung zu bestimmen bzw. auf welches konkrete Breitenmass abzustellen ist, wenn die Breite einer Bestockung schwankt. Auch das kantonale Recht schweigt sich dazu aus. In einem solchen Fall können von Fachbehörden erlassene Richtlinien zu Rate gezogen werden ( BGE 120 Ib 339 E. 5c). Voraussetzung ist, dass sie sich an den Rahmen des Bundesrechts im allgemeinen und an den Schutzzweck der Waldgesetzgebung im besonderen halten ( BGE 122 II 72 E. 2 und 3). Im Zeitpunkt, als die angefochtene Verfügung erlassen wurde, galten im Kanton St. Gallen die Richtlinien für die Waldfeststellung vom 10. März 1993. Auch sie enthalten aber für die strittige Frage keine Regel (vgl. Ziffern 3.2 und 3.3 der Richtlinien). Namentlich ihre Ziffer 3.3.2, wonach bei einem Bach, der schmäler als 4 m ist, beide Seiten der Bestockung entlang des Gewässers als zusammenhängend betrachtet werden, hilft hier nicht weiter. Ähnliches ist zu den Richtlinien in der überarbeiteten Fassung vom 12. Juli 1995 zu sagen. Immerhin gelten nach Ziffer 3.3.2. Kleinstbestockungen in der Bauzone als Wald, wenn die Mindestwaldfläche von 800 m2 auf einer Länge von 67 m - gemeint: eine zusammenhängende Länge von 67 m - erreicht wird. Gemessen wird im Bereich der breitesten Stelle. Dies wird anhand eines Beispiels mit einer langgezogenen Waldfläche erläutert, die in ihrer Mitte am breitesten ist und die sich gegen ihre beiden Enden verjüngt. Vorliegend verhält es sich jedoch gerade umgekehrt; die langgezogene Bestockung ist an ihren beiden Enden am breitesten und in ihrer Mitte am schmalsten. Ziffer 3.3.2 der Richtlinien in der überarbeiteten Fassung lässt sich daher auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht (ohne weiteres) anwenden. b) Lässt sich dem Bundesrecht und dem kantonalen Recht keine ausdrückliche Vorschrift entnehmen, mit welcher Methode im Einzelfall die Mindestbreite einer Bestockung zu bestimmen ist, so ist entsprechend der allgemeinen bundesgerichtlichen Praxis zum Wald- und Forstrecht ein nicht allzu schematisches Vorgehen angezeigt. Eine sachgerechte Lösung, die sich mit Sinn und Zweck des Waldgesetzes verträgt, kann nur in Würdigung aller qualitativen und quantitativen Aspekte der Bestockung gefunden werden ( BGE 122 II 72 E. 3b; BGE 114 Ib 224 E. 9ab; BGE 107 Ib 50 E. 4b). Ihre konkrete Ausdehnung ist daher im Lichte von Art. 1 und 2 WaG sowie von Art. 1 WaV und den sachbezüglichen kantonalen Vorschriften in ihrer Gesamtheit zu würdigen ( BGE 108 Ib 509 E. 5). BGE 122 II 274 S. 283 Eine solche Gesamtbetrachtung hat das Bundesgericht in einem Fall vorgenommen, in welchem zu beurteilen war, ob spitz auslaufende Waldenden, die für sich allein betrachtet die gesetzliche Mindestbreite unterschreiten, noch Waldbestandteil seien ( BGE 108 Ib 509 [Bejahung der Waldqualität]). In einem weiteren Fall bejahte das Bundesgericht die Waldeigenschaft eines Ufergehölzes aufgrund einer qualitativen Würdigung aller massgebenden Faktoren, obwohl die nach kantonalem Recht vorgesehene Mindestbreite (unwesentlich) unterschritten war; entscheidend fiel ins Gewicht, dass die kantonale Regelung dem Bundesrecht nur ungenügend diente ( BGE 107 Ib 50 E. 4b). c) Mit Blick auf diese Rechtsprechung und die vorstehend genannten allgemeinen Grundsätze kann es nicht angehen, im vorliegenden Fall einzig darauf abzustellen, dass die Uferbestockung im Mittelbereich auf einer Länge von gut 33 m weniger als 12 m breit ist, zumal dieser Teil nicht bloss eine Baumreihe darstellt, welche in aller Regel nicht Wald im Rechtssinne wäre (Urteil des Bundesgerichtes vom 4. Juni 1986, E. 2e, in ZBl. 89/1988 S. 84). Massgebend für das Bestehen der Waldqualität ist vielmehr als erstes, dass die gesetzliche Mindestbreite von 12 m bei einer Gesamtfläche von 1'222 m2 und einer Länge von 100 m im Durchschnitt (12,22 m) gegeben ist. Sieht man von den spitz auslaufenden Enden ab, ist insgesamt auf einer Länge von gut zwei Dritteln der Uferbestockung die Mindestbreite eingehalten. Sodann ist entscheidend, dass der Bestockungszusammenhang im mittleren Bereich der Bachbestockung nicht unterbrochen ist. Aufgrund der Akten, namentlich der Photodokumentationen und des vom Beschwerdeführer aufgelegten Planes im Massstab 1:250, auf welchem die einzelnen Bäume eingetragen sind, ist festzustellen, dass sowohl auf der Kronen- als auch auf der Stockebene ein ununterbrochener Wuchszusammenhang besteht (zur Bedeutung des Wuchszusammenhanges für die Waldfeststellung: BGE 118 Ib 614 E. 5b; BGE 113 Ib 357 E. 2g; BGE 111 Ib 300 E. 2). Diese Bewertung erfolgt unter Berücksichtigung eines "zweckmässigen" Waldsaumes ( Art. 1 Abs. 1 lit. b WaV ). Er beträgt 2 m (Art. 1 Abs. 2 VVForstG). Dass ein natürlicher Waldsaum zufolge zahlreicher menschlicher Eingriffe heute fehlt, hat entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht zur Folge, dass der Saum nicht mitzuberechnen wäre; die Messmethode muss in jedem Fall einen solchen Saum enthalten (STEFAN M. JAISSLE, Der dynamische Waldbegriff und die Raumplanung, Diss. Zürich 1994, S. 67 f.). BGE 122 II 274 S. 284 Auch eine Abweichung vom Regelmass von 2 m rechtfertigt sich nicht, obwohl dies nach dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 2 VVForstG ausnahmsweise möglich wäre. Wenn - wie der Beschwerdeführer behauptet - der natürliche Waldsaum praktisch überall im Kanton fehlt, so stellt der vorliegende Sachverhalt keine Ausnahme dar, die eine von der Regel abweichende Behandlung rechtfertigen würde. 5. a) Es fragt sich, ob die Waldqualität der Bachuferbestockung nicht noch aus einem anderen Grunde zu bejahen ist. Gemäss Art. 2 Abs. 4 Satz 2 WaG sind die gestützt auf Satz 1 dieser Vorschrift erlassenen kantonalen Kriterien für das Bestehen von Wald unter anderem dann nicht massgebend, wenn eine Bestockung in besonderem Masse Wohlfahrtsfunktionen erfüllt. Zu den Wohlfahrtsfunktionen gehört der Landschaftsschutz ( BGE 120 Ib 339 E. 5d/aa mit Hinweis). Es wäre daher denkbar, dass die Uferbestockung als landschaftsprägendes und -gliederndes Element von solcher Qualität wäre, dass sie die Voraussetzungen von Art. 2 Abs. 4 Satz 2 WaG erfüllt. b) Das Bundesgericht hat bereits im nicht veröffentlichten Urteil vom 6. Dezember 1994 i.S. Gemeinde Risch (E. 6a) festgehalten, dass einer Uferbestockung wegen ihrer Bedeutung als Landschaftselement unter gewissen Voraussetzungen in besonderem Masse Wohlfahrtsfunktion zukommen könne. Diese Voraussetzungen ergeben sich aus dem Bundesrecht, namentlich aus den Vorschriften über den Schutz der immer seltener werdenden natürlichen Gewässerläufe sowie ihrer Ufervegetation und -bestockung (zu den verstärkt in diese Richtung zielenden Bestrebungen des Bundes im Rahmen neuerer Gesetzesrevisionen: BBl. 1987 II 1140 ff. und 1991 III 1144). So wollen das Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer vom 24. Januar 1991 (Gewässerschutzgesetz, GSchG; SR 814.20) und das Bundesgesetz über den Wasserbau vom 21. Juni 1991 (Wasserbaugesetz, WBG; SR 721.100) natürliche und bewaldete Bachläufe als wertvolle Landschaftselemente so weit wie möglich erhalten; sind sie bereits beeinträchtigt, soll ihre Renaturierung gefördert werden ( Art. 37 Abs. 2 GSchG , Art. 4 Abs. 2 WBG ). Das Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz vom 1. Juli 1966 (NHG; SR 451) verstärkt diesen Schutz zusätzlich. Gemäss Art. 21 Abs. 1 NHG darf die Ufervegetation ohne besondere naturschutzrechtliche Bewilligung weder gerodet noch überschüttet noch auf andere Weise zum Absterben gebracht werden (Art. 21 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 22 NHG ). Auch nach dem Bundesgesetz über die Fischerei vom 21. Juni 1991 (Fischereigesetz, BGF; BGE 122 II 274 S. 285 SR 923.0) dürfen Uferbestockungen nur gerodet werden, wenn eine fischereirechtliche Bewilligung vorliegt ( Art. 8 Abs. 3 lit. c BGF ). Der am 1. Februar 1996 in Kraft getretene Art. 21 Abs. 2 NHG in der am 24. März 1995 revidierten Fassung (AS 1996 219) trägt den Kantonen zudem auf, Ufervegetationen anzulegen oder zumindest die Voraussetzungen für deren Gedeihen zu schaffen, soweit es die Verhältnisse erlauben. c) Die Auslegung von Art. 2 Abs. 4 Satz 2 WaG kann wie gesagt nicht losgelöst von diesen umweltrechtlichen Bestimmungen erfolgen. Fällt eine Uferbestockung in den Schutzbereich der erwähnten Vorschriften des Gewässerschutz-, des Wasserbau- und des Natur- und Heimatschutzgesetzes, so erfüllt sie in besonderem Masse Wohlfahrtsfunktionen und stellt sie Wald im Rechtssinne dar, auch wenn sie in bezug auf Alter, Fläche und Ausdehnung die gesetzlichen Minimalvoraussetzungen nicht erfüllt. Dies gilt umso mehr in Fällen, in welchen - wie hier - angenommen werden muss, dass der bestockte Bachlauf auch als Lebensraum für Fischnährtiere dienen könnte und daher insoweit zusätzlich in den Schutzbereich des Fischereigesetzes fällt (vgl. die Amtsauskunft der Jagd- und Fischereiverwaltung des Kantons St. Gallen vom 21. November 1994; BGE 117 Ib 178 E. 4b mit Hinweis). 6. Der Beschwerdeführer macht im Zusammenhang mit den vom Volkswirtschaftsdepartement durchgeführten Verfahren eine Verletzung seines Anspruches auf rechtliches Gehör nach Art. 4 BV geltend. Er bringt allerdings nicht vor, in diesen Verfahren nicht zu Wort gekommen zu sein. Eine entsprechende Rüge wäre auch unbegründet, weil ein allfälliger Verfahrensmangel im Rekursverfahren vor der Regierung, die eine uneingeschränkte Überprüfungsbefugnis besass (Art. 46 Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 16. Mai 1965 [VRP]), geheilt worden wäre; der Beschwerdeführer konnte sich in diesem Verfahren umfassend äussern ( BGE 117 Ib 481 E. 8a). Im Vordergrund der Kritik steht die Kostenverlegung im Einspracheverfahren. Der Beschwerdeführer beanstandet, dass von Amtes wegen Waldfeststellungsverfügungen erlassen werden, ohne zuvor den Grundeigentümer anzuhören. Zur Wahrung seines Anspruches auf rechtliches Gehör sei dieser alsdann gezwungen, Einsprache zu erheben, was mit Kostenfolgen verbunden sei, wenn die Einsprache abgewiesen werde. Das gehe verfassungsrechtlich nicht an. a) Nach St. Galler Verfahrensrecht werden die Waldgrenzen in der Bauzone in einem Plan festgelegt und anschliessend öffentlich aufgelegt, ohne zuvor BGE 122 II 274 S. 286 ein förmliches (erstinstanzliches) Verwaltungsverfahren durchzuführen (Art. 17bis und Art. 17ter ForstG). Dementsprechend werden die Grundeigentümer bis zum Erlass der Waldfeststellungsverfügung nicht angehört. Erst im Rahmen der öffentlichen Planauflage können sie zu Wort kommen, doch müssen sie dazu Einsprache erheben (Art. 17quater ForstG). Anders als in den Verfahren auf Erlass eines Baureglementes oder eines Zonenplanes (Art. 29 ff. des St. Galler Gesetzes über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht vom 6. Juni 1972 [Baugesetz, BauG]) und anders als im Baubewilligungsverfahren (Art. 83 f. BauG) dient die Einsprache gegen die Waldfeststellung nicht der formalisierten Ausübung des Anspruches auf rechtliches Gehör vor einer erstinstanzlichen Entscheidung bzw. verbindlichen Planfestsetzung; sie ist vielmehr ein Rechtsmittel im eigentlichen Sinne (vgl. PETER SALADIN, Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes, Basel/Stuttgart 1979, S. 165). Wird die Einsprache abgewiesen, hat jener Beteiligte die Verfahrenskosten zu tragen, dessen Begehren ganz oder teilweise abgewiesen wurde ( Art. 95 Abs. 1 VRP ). In Anwendung dieser Vorschrift hat das Volkswirtschaftsdepartement dem Beschwerdeführer im Einspracheentscheid die gesamten amtlichen Verfahrenskosten und die Hälfte der Kosten für die am Augenschein vereinbarte Neuvermessung der Stockgrenze auferlegt. Ob diese von der Regierung geschützte Kostenverlegung vor Art. 4 BV standhält, prüft das Bundesgericht frei ( BGE 119 Ia 260 E. 6a). b) Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines in seine Rechtsstellung eingreifenden Entscheides zur Sache zu äussern ( BGE 119 Ia 260 E. 6a; BGE 119 Ib 12 E. 4; GEORG MÜLLER in Kommentar BV, Art. 4 Rz. 105). Sowohl die bundesgerichtliche Rechtsprechung ( BGE 112 Ia 5 E. 2c; BGE 104 Ia 69 ) als auch die Lehre (MÜLLER, a.a.O., Art. 4 Rz. 107; THOMAS COTTIER, Der Anspruch auf rechtliches Gehör [ Art. 4 BV ], recht 1984, S. 11 f.) anerkennen allerdings, dass die Anhörung unter gewissen Voraussetzungen nachgeholt werden darf. So kann die Anhörung des Betroffenen aus verfahrensökonomischen Gründen in ein Einspracheverfahren (als Rechtsmittelverfahren) verwiesen werden, falls das im Interesse eines rationellen Verwaltungsganges wie etwa bei Massenverfügungen (Renten- oder Stipendienentscheide) angezeigt ist (MÜLLER, a.a.O., Art. 4 Rz. 107, COTTIER, a.a.O., S. 12). Das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes lässt zum Beispiel eine nachträgliche BGE 122 II 274 S. 287 Anhörung zu, wenn eine Verfügung durch Einsprache anfechtbar ist ( Art. 30 Abs. 2 lit. b VwVG ). Im Lichte dieser allgemeinen Grundsätze liegt es nicht ohne weiteres auf der Hand, in Waldfeststellungsverfahren zur Abgrenzung des Baugebietes im Rahmen einer Zonenplanrevision die erstmalige Anhörung der Betroffenen erst im Einsprache- bzw. Rechtsmittelverfahren zuzulassen. Wie es sich mit dieser Frage aber letztlich verhält, kann hier offenbleiben. Der Beschwerdeführer beanstandet weniger das Vorgehen der kantonalen Behörden an sich, sondern richtet seine Kritik gegen das bereits in der Gesetzgebung vorgezeichnete Kostenrisiko, das der Einsprecher auf sich zu nehmen habe, um sich überhaupt rechtliches Gehör zu verschaffen. d) Der Anspruch auf rechtliches Gehör dient nicht nur der Sachaufklärung, sondern ist auch ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht des Einzelnen beim Erlass eines in seine Rechtsstellung eingreifenden Entscheides ( BGE 119 Ia 260 E. 6a; 118 Ia 17 E. 1c). Dieses Recht ist nur wirksam, wenn sich der Bürger in einer ihn betreffenden Sache, in welcher ein Verwaltungsverfahren ohne seinen Willen eröffnet wurde, frei von Kostenrisiken äussern kann. Wäre dem nicht so, würde die Wahrnehmung seiner Rechte erschwert (in diesem Sinne KLAUS REINHARDT, Das rechtliche Gehör in Verwaltungssachen, Diss. Zürich 1968, S. 124). Es kann daher - unter dem Vorbehalt der Trölerei und des Rechtsmissbrauches - verfassungsrechtlich ( Art. 4 BV ) nicht angehen, im Einspracheverfahren einen Grundeigentümer in einem seine Parzellen betreffenden, von ihm aber nicht angestrengten Waldfeststellungsverfahren mit Entscheidgebühren zu belasten, wenn er vor dem Waldfeststellungsentscheid nicht angehört wurde. e) Neben den Einsprachegebühren sind dem Beschwerdeführer die im Einspracheverfahren angefallenen (zusätzlichen) Vermessungskosten zur Hälfte auferlegt worden. Die bloss hälftige Kostenauflage trotz vollumfänglicher Einspracheabweisung rechtfertigte sich in den Augen der kantonalen Behörden, weil der Vertreter des Kantonsforstamtes anlässlich des vom Volkswirtschaftsdepartement durchgeführten Augenscheines im Einvernehmen mit dem heutigen Beschwerdeführer die Waldfläche neu markiert habe; also habe das Departement die Kosten mitverursacht. Im Lichte von Art. 4 BV wäre es an sich nicht zu beanstanden, wenn ein Einsprecher Kosten für Beweiserhebungen vorschiessen müsste, weil diese mit verhältnismässig hohem finanziellen Aufwand verbunden sind (vgl. Art. 33 BGE 122 II 274 S. 288 Abs. 2 VwVG ), und wenn er diese Kosten im Falle des Unterliegens endgültig zu tragen hätte. Im vorliegenden Fall rechtfertigt es sich jedoch nicht, einen Teil der Aufwendungen für den Geometer dem Beschwerdeführer zu belasten. Der Kanton hat das Waldfeststellungsverfahren von Amtes wegen eingeleitet. Es ist seine Aufgabe, dieses Verfahren sachgerecht durchzuführen und für eine fachkundige Vermessung zu sorgen. Dementsprechend hat die öffentliche Hand im Regelfall sämtliche damit verbundenen Aufwendungen zu tragen; eine ganze oder teilweise Kostenüberwälzung ist bei der gegebenen verfahrensrechtlichen Ausgangslage mit Art. 4 BV nicht zu vereinbaren. 7. a) Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerde teilweise gutzuheissen und die angefochtene Verfügung insoweit aufzuheben ist, als sie die Kostenverlegung der beiden kantonalen Rechtsmittelverfahren betrifft; es ist Sache der Regierung, die Kosten für die kantonalen Rechtsmittelverfahren im Lichte der vorstehenden Erwägungen neu zu verlegen. Im übrigen wird die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abgewiesen. b) Bei diesem Verfahrensausgang hat der Beschwerdeführer nur einen Teil der Gerichtsgebühr zu tragen ( Art. 156 Abs. 1 und 3 OG ); der andere Teil kann dem Kanton St. Gallen gemäss Art. 156 Abs. 2 OG nicht belastet werden. Dieser hat jedoch dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine reduzierte Parteientschädigung zu bezahlen ( Art. 159 Abs. 1 und 3 OG ).
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Sachverhalt ab Seite 355 BGE 93 II 354 S. 355 A.- Pater, der als ungarischer Staatsangehöriger in Ungarn geboren worden war, verliess dieses Land im Anschluss an die dortigen politischen Ereignisse vom Oktober 1956. Er befindet sich seit dem 17. November 1956 in der Schweiz. Seit April 1957 arbeitet er in Zofingen. Am 6. April 1957 stellte ihm die Polizeiabteilung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements BGE 93 II 354 S. 356 einen Reiseausweis im Sinne von Art. 28 des Genfer Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (AS 1955 S. 443 ff.) aus, und am 1. Oktober 1966 bestätigte sie, dass er Flüchtling im Sinne dieses Abkommens sei. Im Juli 1965 heiratete Pater in Zofingen Frau Gedövari, die ebenfalls aus Ungarn stammt, aber nach der Darstellung beider Parteien infolge einer frühern, durch Scheidung aufgelösten Ehe die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. B.- Am 2. Juni 1966 reichte der Ehemann beim Bezirksgericht Zofingen Klage auf Scheidung der Ehe wegen tiefer Zerrüttung ein. Die Ehefrau, die bei der Sühneverhandlung vom 29. März 1966 die Weiterführung der Ehe abgelehnt und die Scheidung verlangt hatte, stellte mit Eingabe vom 8. Juli 1966 den Antrag, auf die Klage sei wegen Unzuständigkeit der schweizerischen Gerichte nicht einzutreten. Am 6. Oktober 1966 wies das Bezirksgericht die Unzuständigkeitseinrede der Beklagten ab. Das Obergericht des Kantons Aargau hat am 13. Januar 1967 dieBeschwerde der Beklagten gegen diesen Entscheid abgewiesen. C.- Gegen den Entscheid des Obergerichts hat die Beklagte beim Bundesgericht "Beschwerde" eingereicht mit dem Antrag, ihre Unzuständigkeitseinrede sei zu schützen.
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Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Der angefochtene Entscheid ist ein Zwischenentscheid, der in einem Scheidungsprozess, also in einer nicht vermögensrechtlichen Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne von Art. 44 OG , ergangen ist. Mit der "Beschwerde" gegen diesen Entscheid wird geltend gemacht, die Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt, indem sie die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte zur Beurteilung dieses Prozesses bejahte. Eine solche Rüge kann gemäss Art. 49 OG mit der Berufung an das Bundesgericht erhoben werden (vgl. BGE 85 II 159 , wonach auch die Frage der internationalen Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte zur Frage der örtlichen Zuständigkeit im Sinne von Art. 49 OG gehört). Die "Beschwerde" der Beklagten genügt den Vorschriften, die für die Berufung gelten. Sie ist deshalb als Berufung zu behandeln. Die Nichtigkeitsbeschwerde im Sinne von Art. 68 OG ist nach dieser Bestimmung ausgeschlossen, wo die Berufung zulässig ist. BGE 93 II 354 S. 357 2. Nach Art. 7 h Abs. 1 NAG kann ein ausländischer Ehegatte, der in der Schweiz wohnt, eine Scheidungsklage beim Richter seines Wohnsitzes anbringen, wenn er nachweist, dass nach Gesetz oder Gerichtsgebrauch seiner Heimat der geltend gemachte Scheidungsgrund zugelassen und der schweizerische Gerichtsstand anerkannt ist. Das Gesetz fordert diesen Nachweis, um nach Möglichkeit zu vermeiden, dass die Scheidung nicht schweizerischer Ehegatten durch schweizerische Gerichte Konflikte mit den Heimatstaaten dieser Personen hinsichtlich des Zivilstands schafft. Hieraus hat die Rechtsprechung abgeleitet, der klagende ausländische Ehegatte habe, wenn der Beklagte nicht dem gleichen ausländischen Staat angehört wie er, den nach Art. 7 h Abs. 1 NAG erforderlichen Nachweis grundsätzlich nicht bloss für sich selbst, sondern auch für den Beklagten zu erbringen ( BGE 59 II 114 ). Ist aber ein Ehegatte staatenlos, so ist es nicht möglich und nach dem Grundgedanken des Gesetzes auch nicht nötig, den erwähnten Nachweis für ihn zu leisten ( BGE 59 II 114 ). Unnötig ist dieser Nachweis auch für einen Ehegatten, dessen Heimatstaat die zu scheidende Ehe nicht anerkennt (STAUFFER N. 12, BECK N. 25 zu Art. 7 h NAG ). Der Kläger behauptet nicht, und es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass ihm wegen oder im Zusammenhang mit seiner Flucht aus Ungarn die ungarische Staatsangehörigkeit entzogen worden sei (vgl. zu dieser Frage MICHEL, "Zur Scheidung der Ehe ungarischer Staatsangehöriger, die nach dem Aufstand von 1956 in die Bundesrepublik Deutschland flüchteten", in Ehe und Familie im privaten und öffentlichen Recht, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht [FamRZ], 1961, S. 198). Er ist deshalb auch heute noch als ungarischer Staatsangehöriger zu betrachten. Als solcher vermag er den Nachweis der Anerkennung des schweizerischen Gerichtsstandes durch den Heimatstaat für seine Person nicht zu leisten, weil nach einem ungarischen Erlass vom 28. Dezember 1952 die ungarischen Gerichte in Prozessen über den Personalstand ungarischer Staatsangehöriger, von hier nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen, ausschliesslich zuständig sind, und zwar auch dann, wenn nur eine Partei die ungarische Staatsangehörigkeit besitzt (ungarische Verordnung mit Gesetzeskraft Nr. 22/1952 betr. Inkrafttreten und Durchführung des Gesetzes Nr. III/1952 über die Zivilprozessordnung, § 15, ins Deutsche übersetzt in Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht [RabelsZ] 1954 BGE 93 II 354 S. 358 S. 151, sowie bei BERGMANN, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, 3. Aufl., Band V, Art. Ungarn [Stand 31. Januar 1958] S. 8; BGE 88 II 329 mit Hinweis auf Verwaltungsentscheide der Bundesbehörden [VEBB] 1958 Nr. 39 I; BOSCHAN, Europäisches Familienrecht, 3. Aufl., Berlin u. Frankfurt a. M. 1963, S. 491 unten in Verbindung mit S. 500 Ziff. IX B; PALANDT, BGB, 25. Aufl., München und Berlin 1966, N. 6 a. E. zu EGBGB 17, S. 1739). Ob allenfalls Ungarn der vom Kläger nach seiner Flucht in die Schweiz geschlossenen Ehe die Anerkennung versage und der Kläger aus diesem Grunde den Nachweis der Anerkennung des schweizerischen Gerichtsstandes durch Ungarn nicht zu leisten habe, kann dahingestellt bleiben, wenn sich dieser Nachweis aus einem andern Grunde als entbehrlich erweist. (Das ungarische Gesetz Nr. V/1957 über die Staatsbürgerschaft hat den Erwerb der ungarischen Staatsangehörigkeit durch Eheschliessung mit einem Ungarn abgeschafft; siehe SZLEZAK, Das Staatsangehörigkeitsrecht von Ungarn, Frankfurt a. M. 1959, S. 92 und 184 ff., insbesondere §§ 1 und 7. Wenn die Beklagte die ungarische Staatsangehörigkeit, die sie durch die Heirat mit einem Deutschen im Jahre 1942 verlor, durch die Heirat mit dem Kläger im Jahre 1965 nicht wiedererlangt hat, so liegt hierin also kein Indiz dafür, dass Ungarn die Ehe der Parteien nicht anerkenne oder dass der Kläger die ungarische Staatsangehörigkeit nicht mehr besitze.) 3. Art. 12 Ziff. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951, das der Kläger anruft, lautet in der französischen Originalfassung: "Le statut personnel de tout réfugié sera régi par la loi du pays de son domicile ou, à défaut de domicile, par la loi du pays de sa résidence." Unter dem "statut personnel" (englische Fassung: "personal status") eines Flüchtlings, den diese Bestimmung dem Gesetz seines Wohnsitzlandes oder - beim Fehlen eines Wohnsitzes - dem Gesetz seines Aufenthaltslandes unterstellt, ist richtigerweise die persönliche Rechtsstellung zu verstehen (vgl. MAKAROv in RabelsZ 1955 S. 112/113). Der Ausdruck "personenrechtliche Stellung", den die deutsche Übersetzung des Abkommens in der Sammlung der eidgenössischen Gesetze verwendet (AS 1955 S. 448), ist zu eng (im gleichen Sinne MOSER, ZSR 1967 BGE 93 II 354 S. 359 II 456 Anm. 322). Zur persönlichen Rechtsstellung einer Person gehören u.a. ihre familienrechtlichen Beziehungen (BBl 1954 II 75/76; BGE 88 II 329 f. und BGE 92 I 385 ; MAKAROV a.a.O. S. 112 Fussnote 14 mit Hinweis auf einen amerikanischen Kommentar des Abkommens, wonach sich Art. 12 u.a. mit den "family rights" befasst). Art. 16 des Abkommens stellt die Flüchtlinge hinsichtlich des Zugangs zu den Gerichten den Angehörigen des Staates gleich, wo sie ihren Wohnsitz bzw. ihren ordentlichen Aufenthalt haben. Die Regelung des Abkommens, dem die Schweiz beigetreten ist, geht innerhalb ihres Geltungsbereichs der Regel des Art. 7 h Abs. 1 NAG vor. Ein Flüchtling, der unter das Abkommen fällt und wie der Kläger in der Schweiz wohnt, kann daher an seinem Wohnsitz ( Art. 144 ZGB ) auf Grund des schweizerischen materiellen Rechts auf Scheidung klagen, ohne für seine Person nachweisen zu müssen, dass Gesetz oder Gerichtsgebrauch seiner Heimat den angerufenen Scheidungsgrund zulassen und den schweizerischen Gerichtsstand anerkennen (BBl 1954 II 76). Ist auch der beklagte Ehegatte Flüchtling im Sinne des Abkommens, so erübrigt sich dieser Nachweis für beide Ehegatten ( BGE 88 II 330 ). Ist der Beklagte dagegen ein Ausländer ohne die Eigenschaft eines solchen Flüchtlings, so muss dieser Nachweis nach der herrschenden Rechtsprechung für ihn erbracht werden, es sei denn, dass dem Kläger zur Vermeidung einer Rechtsverweigerung ein sog. Notgerichtsstand in der Schweiz zu gewähren ist (VEBB 1957 Nr. 65, 1958 Nr. 39 II, 1959/60 Nr. 76; BGE 88 II 330 /331). 4. Nach Art. 1 lit. A Ziff. 2 des Abkommens vom 28. Juli 1951 ist Flüchtling im Sinne dieses Abkommens u.a. jede Person, die sich infolge von vor dem 1. Januar 1951 eingetretenen Ereignissen (par suite d'événements survenus avant le premier janvier 1951) und aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Auffassungen ausserhalb ihres Heimatlandes befindet und dessen Schutz nicht beanspruchen kann oder wegen dieser Befürchtung nicht beanspruchen will. Im Falle BGE 88 II 329 ff., wo beide Parteien ungarische Flüchtlinge waren, hat das Bundesgericht angenommen, die BGE 93 II 354 S. 360 Voraussetzungen von Art. 1 des Abkommens seien nicht erfüllt, weil die Parteien erst durch die Ereignisse in Ungarn vom Herbst 1956 zur Flucht bestimmt worden seien; ob die wegen dieser Ereignisse geflüchteten Ungarn in der Schweiz trotz dem entgegenstehenden Wortlaut von Art. 1 ohne weiteres in jeder Beziehung als Flüchtlinge im Sinne des Abkommens zu gelten haben, wie das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement nach seinen von der Vorinstanz erwähnten Schreiben vom 18. Juni und 16. Juli 1957 in Sachen K. anzunehmen scheine, könne dahingestellt bleiben; denn der Klägerin müsste, selbst wenn Art. 12 des Abkommens formell nicht anwendbar wäre, zur Vermeidung einer Rechtsverweigerung gestattet werden, an ihrem schweizerischen Wohnsitz gegen den ebenfalls in der Schweiz wohnhaften Ehemann auf Scheidung zu klagen. Schon in dem vom Bundesrat genehmigten Bericht des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 7. März 1957 über die schweizerische Asylpraxis in neuester Zeit, der als Anhang zum Bericht von Prof. Ludwig über "Die Flüchtlingspolitik der Schweiz in den Jahren 1933 bis 1955" veröffentlicht wurde (Beilage zum Bundesblatt 1957 II, S. 410 ff.), war indessen erklärt worden, das Abkommen gelte auch für die neuen ungarischen Flüchtlinge; die Voraussetzungen des Art. 1 seien bei ihnen erfüllt, "liegt doch der Grund zur Flucht in der Auseinandersetzung des ungarischen Volkes mit dem politischen Regime, wie es seit 1948 in Ungarn besteht"; das Hochkommissariat der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge teile diese Auffassung, und auch die Mehrzahl der Mitgliedstaaten in Europa habe kürzlich an der Sitzung des Exekutivkomitees des Hochkommissariats erklärt, das Abkommen werde auch auf die neuen ungarischen Flüchtlinge angewendet (a.a. O. S. 415, vgl. dazu MOSER, ZSR 1967 II 447). Die Polizeiabteilung des Eidg. Justiz- und Polizeidepartements hat dem Kläger auf Grund dieser Auffassung im April 1957 einen Reiseausweis im Sinne von Art. 28 des Abkommens ausgestellt und später ausdrücklich bestätigt, er sei Flüchtling im Sinne des Abkommens. Im Jahre 1965 führte der damalige Hochkommissar für die Flüchtlinge, SCHNYDER, in einer Vorlesung an der Académie de droit international de La Haye aus, der vom Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen zur Vorbereitung des Abkommens eingesetzte Sonderausschuss habe in seinem Bericht die Auffassung vertreten, die Festsetzung eines Stichtages bezwecke BGE 93 II 354 S. 361 nicht, die Anwendung des Abkommens auf Personen auszuschliessen, die in einem spätern Zeitpunkte Flüchtlinge werden sollten infolge von vor dem 1. Januar 1951 eingetretenen Ereignissen oder infolge von Wirkungen solcher Ereignisse, die sich erst später zeigen ("à la suite d'effets de tels événements qui ne se manifesteraient qu'à une date ultérieure"): in der Praxis seien die Mitgliedstaaten dieser Auffassung gefolgt; so hätten sie die Eigenschaft von Flüchtlingen im Sinne des Abkommens den Ungarn zuerkannt, die ihr Land im Laufe und im Gefolge der dramatischen Ereignisse vom Jahre 1956 verliessen, welche man als Nachwirkungen ("séquelles") von vor dem 1. Januar 1951 eingetretenen Ereignissen betrachtet habe (Académie de droit international, Recueil des cours, 1965 I, Band 154 der Sammlung, S. 364 f.). In der Bundesrepublik Deutschland, die zu den Vertragsstaaten gehört und deren Praxis hier wegen der deutschen Staatsangehörigkeit der Beklagten neben der schweizerischen Praxis von besonderer Bedeutung ist, hat die innere Verwaltung nach den Feststellungen, die das Oberlandesgericht Stuttgart in einem Urteil vom 13. Februar 1962 (FamRZ 1962 S. 160 f.) auf Grund der Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern vom 20. Dezember 1956 und 13. September 1957 traf, die - anerkannten - Ungarnflüchtlinge des Winters 1956/57 von Anfang an als Flüchtlinge im Sinne des Abkommens behandelt (vgl. auch MICHEL a.a.O., der ebenfalls auf das Rundschreiben des genannten Bundesministeriums vom 13. September 1957 hinweist und daraus den gleichen Schluss zieht wie das Oberlandesgericht Stuttgart). Das Oberlandesgericht Stuttgart hat sich im erwähnten Urteil der dargestellten Verwaltungspraxis mit näherer Begründung angeschlossen. Der bereits zitierte Kommentar PALANDT erklärt unter Hinweis auf dieses Urteil und den Aufsatz von MICHEL, die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des Abkommens sei für die Ungarnflüchtlinge des Jahres 1956 anerkannt (N. 6 a. E. zu EGBGB 17, S. 1739). Der Kommentar ERMAN zum BGB (4. Aufl., 2. Band,Münster/Westf. 1967) bemerkt, unter die Konvention falle auch, wer auf Grund der vor dem Stichtag in den osteuropäischen Staaten eingetretenen politischen Umwälzungen nach dem Stichtag geflohen ist (Anhang zu Art. 29 EGBGB, Bem. zu Art. 1 lit. A des Abkommens, S. 1824). Bei Beurteilung der Anwendbarkeit und der Bedeutung staatsvertraglicher BGE 93 II 354 S. 362 Abmachungen ist die Praxis der politischen und administrativen Behörden für die Gerichte nicht verbindlich ( BGE 81 II 330 ; ebenso das angeführte deutsche Urteil). Sie ist aber für die eigene Meinungsbildung des Richters immerhin von wesentlichem Interesse ( BGE 81 II 330 ). Das gilt ganz besonders dann, wenn es sich wie hier um ein internationales Abkommen handelt, dessen Anwendung zum weitaus grössten Teil in den Händen der genannten Behörden liegt. In einem solchen Falle lässt sich ein Abweichen von der Praxis dieser Behörden nur rechtfertigen, wenn schlechthin zwingende Gründe ihre Übernahme verbieten. So verhält es sich hier nicht. Die Bedenken, die in der Regel gegen eine ausdehnende Auslegung staatsvertraglicher Abmachungen bestehen mögen ( BGE 90 I 47 unten mit Hinweisen), fallen weg, wenn wie hier die Praxis aller Vertragsstaaten oder doch die Praxis der Staaten, die an dem zu beurteilenden Falle unmittelbar interessiert sind, der fraglichen Auslegung zustimmt. Der Kläger ist daher auch von den schweizerischen Gerichten als Flüchtling im Sinne des Abkommens von 1951 zu behandeln, so dass er für seine Person den durch Art. 7 h Abs. 1 NAG geforderten Nachweis nicht zu leisten hat. (Voraussichtlich wird übrigens bei Erlass des Sachurteils im vorliegenden Prozess für die Schweiz und für die Bundesrepublik Deutschland das Protokoll vom 31. Januar 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge gelten, das den Stichtag des 1. Januar 1951 beseitigt und das gemäss Bekanntmachung des Hochkommissars der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge vom 5. Oktober 1967 infolge Hinterlegung der sechsten Beitrittsurkunde in Kraft getreten ist.) 5. Zu prüfen bleibt nach der Rechtsprechung, ob der Nachweis im Sinne von Art. 7 h Abs. 1 NAG für die Beklagte erbracht sei. Ist diese Frage zu bejahen, so kann dahingestellt bleiben, ob und allenfalls in welchem Sinne der von der Rechtsprechung aufgestellte Grundsatz, dass dieser Nachweis nicht nur für den Kläger, sondern auch für den Beklagten erforderlich ist, zu lockern sei. Die Vorinstanz hat zur Frage der Anerkennung des schweizerischen Gerichtsstandes durch den Heimatstaat der Beklagten nicht Stellung genommen. Sie hat also das deutsche Recht, das für den Entscheid über die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte zur Beurteilung der vorliegenden Scheidungsklage BGE 93 II 354 S. 363 neben Art. 7 h NAG und dem ebenfalls zum schweizerischen Bundesrecht gehörenden Flüchtlingsabkommen massgebend ist, nicht angewendet. Das Bundesgericht ist daher nach Art. 65 OG befugt, es selbst anzuwenden. Sein Inhalt lässt sich auf Grund des einschlägigen Schrifttums mit genügender Zuverlässigkeit ermitteln (vgl. zu diesem Erfordernis BGE 93 II 184 b mit Hinweisen). 6. Für Klagen auf Scheidung einer Ehe kann nach § 606 der deutschen ZPO stets ein deutsches Gericht angerufen werden, wenn auch nur einer der beiden Ehegatten die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt (STEIN/JONAS, Kommentar zur ZPO, 17./18. Aufl., Tübingen 1956 ff., N. II zu § 606 b [4. Nachtrag Juli 1960]; ROSENBERG, Lehrbuch des deutschen Zivilprozessrechts, 8. Aufl., München und Berlin 1960, § 161 II l'S. 804; RAAPE, Internationales Privatrecht, 5. Aufl., Berlin und Frankfurt a. M. 1961, S. 298; BAUMBACH/LAUTERBACH, ZPO, 28. Aufl., München und Berlin 1965, N. 2 A zu § 606 b). Zuständig ist in solchen Fällen nach § 606, wenn keiner der Ehegatten im Inland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, das Landgericht Berlin (STEIN/JONAS N. II 2 f zu § 606; ROSENBERG a.a.O. Ziff. 2 S. 804 f.; BAUMBACH/LAUTERBACH N. 4 A zu § 606). Auf eine Klage, die der in der Schweiz wohnhafte Kläger dort anbrächte, wäre gemäss Art. 17 Abs. 1 EGBGB in Verbindung mit Art. 12 Ziff. 1 des Flüchtlingsabkommens grundsätzlich schweizerisches Recht anwendbar (vgl. RAAPE S. 294 Ziff. 6 in Verbindung mit S. 63 und das erwähnte Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart, das auf die Klage eines in Deutschland wohnhaften ungarischen Flüchtlings unter Berufung auf die genannten Bestimmungen deutsches Recht als das Recht des Wohnsitzlandes des Klägers angewendet hat). Im Hinblick auf diese Klagemöglichkeit dürfte im vorliegenden Falle nicht angenommen werden, dem klagenden Ehegatten müsse zur Vermeidung einer Rechtsverweigerung ein Notgerichtsstand in der Schweiz gewährt werden, wie es im Falle BGE 88 II 329 ff. geschehen war. Deutschland beansprucht jedoch für die Scheidung von Ehen, bei denen wenigstens ein Ehegatte Deutscher ist, in internationaler Hinsicht nicht die ausschliessliche Zuständigkeit in dem Sinne, dass es ausländischen Urteilen auf Scheidung solcher Ehen die Anerkennung in jedem Fall versagen würde. Der Umstand, dass § 606 ZPO die dort vorgesehenen Gerichtsstände als ausschliessliche bezeichnet, hindert die Anerkennung derartiger BGE 93 II 354 S. 364 Urteile in Deutschland namentlich dann nicht, wenn der Beklagte (Mann oder Frau) nicht Deutscher ist, oder wenn der Beklagte zwar die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, aber seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland hat, oder wenn die Ehegatten ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt zuletzt im Ausland hatten (STEIN/JONAS N. V zu § 606 b ZPO ; ROSENBERG § 149 III 3 b, S. 748; RAAPE S. 308 f.; BAUMBACH/LAUTERBACH N. 2 B zu § 606 a ZPO , S. 1024; PALANDT N. 6 b zu EGBGB 17, S. 1739 unten; VEBB 1959/60 Nr. 71, Erw. 2 S. 144). Im vorliegenden Falle hat die Beklagte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz und hatten die Ehegatten ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt ebenfalls in diesem Lande. Daher ist anzunehmen, dass der schweizerische Gerichtsstand durch Deutschland anerkannt würde, wenn beide Ehegatten deutsche Staatsangehörige wären. Das gleiche darf aber auch angenommen werden für den hier gegebenen Fall, dass nur die Beklagte die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und der Kläger ein unter das internationale Abkommen fallender Flüchtling ist. Die Tatsache, dass der Heimatstaat des Klägers die Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts nicht anerkennt, steht der Anerkennung des schweizerischen Gerichtsstandes durch Deutschland nicht im Wege, weil Art. 16 des für die Schweiz und für Deutschland geltenden Flüchtlingsabkommens die Flüchtlinge im Sinne des Abkommens hinsichtlich des Zugangs zu den Gerichten den Angehörigen ihres Wohnsitz- bzw. Aufenthaltsstaates gleichstellt (vgl. das angeführte Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart, FamRZ 1962 S. 161). Der Nachweis der Anerkennung des schweizerischen Gerichtsstandes durch das Heimatland der Beklagten darf somit als erbracht gelten. (Den - im voraus unmöglich zu erbringenden - Nachweis der Anerkennung des Urteils durch den Heimatstaat fordert Art. 7 h NAG nicht; vgl. BGE 43 II 283 Erw. 3 und STAUFFER N. 10, BECK N. 50 zu Art. 7 h NAG .) Hinsichtlich der Frage, ob das Heimatland der Beklagten den geltend gemachten Scheidungsgrund zulasse, genügt für den vorliegenden Zuständigkeitsentscheid die Feststellung, dass die Klage damit begründet wird, die Ehe sei aus Verschulden der Beklagten tief zerrüttet, und dass in derartigen Fällen der Scheidungsgrund von § 43 des deutschen Ehegesetzes zutreffen kann. Die nähere Prüfung der Frage, ob die Scheidung im vorliegenden BGE 93 II 354 S. 365 Falle nach deutschem Recht zulässig sei, ist dem Sachurteil vorzubehalten.
4,469
3,617
Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau (1. Zivilabteilung) vom 13. Januar 1967 wird bestätigt.
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Sachverhalt ab Seite 407 BGE 118 Ia 406 S. 407 G., B. und H. gehören je eine Liegenschaft in der Gemeinde Kilchberg. Alle Grundstücke liegen direkt nebeneinander und sind der Wohnzone im empfindlichen Gebiet (W1) zugeteilt. Mit Verfügung Nr. 2814 vom 16. August 1988 setzte die Direktion der öffentlichen Bauten des Kantons Zürich (Baudirektion) Verkehrsbaulinien für den Seeuferweg S-61 auf dem Gebiet der Gemeinde Kilchberg fest. Gegen diese Verfügung erhoben G., B. und H. Rekurs an den Regierungsrat des Kantons Zürich in der Hauptsache mit dem Antrag, die Seeuferweg-Baulinien seien im Bereich der fraglichen Grundstücke aufzuheben. Am 19. Dezember 1990 wies der Regierungsrat die Rekurse ab. G., B. und H. führen gegen den Entscheid des Regierungsrates am 4. bzw. 8. Februar 1991 staatsrechtliche Beschwerde. Sie verlangen die Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Das Bundesgericht heisst die Beschwerden von G. und B. vollumfänglich, diejenige von H. teilweise gut.
231
167
Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. b) Die Parzelle Nr. 2187 von G. wird von einer parallel zur Parzellengrenze verlaufenden Baulinie belastet, deren Abstand zur Grenze ca. 5,5 Meter beträgt. Auf der Grenze ist eine Seeufermauer errichtet, welche das höhergelegene Gartenareal vom See trennt. Sie wird durch eine ehemalige kleine Bootshaab unterbrochen, welche zum Teil aufgefüllt und zu einem Sitzplatz umgestaltet wurde. Anschliessend findet die Mauer ihre Fortsetzung auf der benachbarten Parzelle der Beschwerdeführerin B. Die verhältnismässig bescheidene Breite des Parzellenstreifens, welcher mit der Baulinie belastet ist, könnte zur Annahme verleiten, dass von einem die verfassungsmässigen Rechte des Beschwerdeführers verletzenden Eingriff in sein Eigentum nicht gesprochen werden kann. Der Vergleich mit den grösseren Abständen, welche die Seeuferbaulinie in anderen Abschnitten gegenüber den seeuferseitigen Parzellengrenzen aufweist, scheint diese Annahme zu bestätigen. Werden jedoch die bestehenden baulichen Verhältnisse sowie das Niveau des Geländes betrachtet, so ergeben sich Bedenken. Die Vertreter des Staates legten dar, dass der etwa 2 Meter breite BGE 118 Ia 406 S. 408 Seeuferweg ungefähr einen halben Meter über dem Seespiegel angelegt werden solle; eine zeitweilige Überflutung des Weges bei hohem Wasserstand sei in Kauf zu nehmen. Bei einer derartigen Gestaltung schliesst der Weg an die relativ hohe bestehende Ufermauer an und kommt vollständig auf heutiges Seeareal zu liegen. Die teilweise aufgefüllte ehemalige kleine Haab, in welcher ein ufernaher Sitzplatz angelegt wurde, muss allerdings geändert werden. Insoweit wird die Ufergestaltung auf der Parzelle des Beschwerdeführers eine Änderung erfahren müssen. Bei einer Wegführung nahe dem Seespiegel ist ein Einblick in das Gartenareal der Liegenschaft des Beschwerdeführers mit Ausnahme des von der ehemaligen Haab erfassten Abschnittes nicht möglich, wie am Augenschein gezeigt wurde. Dementsprechend ist auch nicht zu befürchten, dass die Weganlage durch eine irgendwie störende Gestaltung der in Frage stehenden Gartenfläche beeinträchtigt werden könnte. Sodann wurde das Wohnhaus des Beschwerdeführers vollständig auf Seeanlageland gebaut. Die Landanlagekonzession enthält zwar keinen Vorbehalt für die spätere Anlegung eines Seeuferweges; der Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers wurde vielmehr verpflichtet, den angrenzenden Schilfbestand im Seeareal zu pflegen. Dennoch ist für allfällige Bauten auf Seeanlageland die Zustimmung der kantonalen Baudirektion erforderlich. Ausserdem müssen bauliche Anlagen einen Mindestabstand von Gewässern einhalten. Gemäss § 62 PBG (Gesetz über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht vom 7. September 1975) ist gegenüber öffentlichen Gewässern und Baulinien für Fluss- und Bachkorrektionen der gleiche Abstand wie gegenüber Nachbargrundstücken, mindestens jedoch ein solcher von 5 Metern einzuhalten; die Baudirektion kann dieses Mass im Einzelfall erhöhen. In Beachtung dieser Rechtslage ist eine Inanspruchnahme des von der Baulinie belasteten Abschnittes, der vom vorgesehenen Niveau des Seeuferweges aus gar nicht einsehbar ist, für bauliche Anlagen wohl ausgeschlossen. Auch schliesst es die beachtliche Niveaudifferenz zwischen der nur wenig über dem Seespiegel vorgesehenen Wegführung aus, dass der mit der Baulinie belastete Abschnitt des Gartens, dessen Ausmass zwischen Wohnhaus und Ufermauer bescheiden ist, als eine den Weg begleitende Grünanlage in Betracht kommen kann. Eine solche, vom Weg gar nicht einsehbare Grünanlage wäre durch kein öffentliches Interesse zu rechtfertigen. Diese sich aus den örtlichen Verhältnissen, insbesondere dem Niveau des Gartens und demjenigen des Weges ergebende Beurteilung BGE 118 Ia 406 S. 409 unterscheidet sich von der nur teilweise vergleichbaren Lage bei der Liegenschaft von A. F. in Thalwil ( BGE 118 Ia 400 E. 4a). Auch bei jener Parzelle kann zwar der Weg unterhalb einer Ufermauer angelegt werden, doch ist diese weniger hoch. Sie schliesst daher den Blick in das Gartenareal nicht von vornherein aus, weshalb im Zusammenhang mit der Weganlage eine Gestaltung gefunden werden muss, die zu einer zumutbaren Belastung für A. F. führt (vgl. BGE 118 Ia 400 E. 4a). Diese Verschiedenheit der tatsächlichen Verhältnisse rechtfertigt die Belastung der Liegenschaft A. F. mit der Baulinie, da die entsprechende Fläche in die Ausführungsprojektierung einbezogen werden muss. Auf Grund der bei der Liegenschaft G. gegebenen Niveauverhältnisse entbehrt demgegenüber die in einem Abstand von rund 5,5 Metern von der Parzellengrenze festgesetzte Baulinie eines ihrem Zweck dienenden Sinnes. Sie ist nicht notwendig zur Sicherung der Weganlage. Die nur etwa 3 Meter breite ehemalige Bootshaab, die umgestaltet werden muss, führt zu keinem anderen Schluss. Die Weganlage wird auch in jenem Bereich durch eine den Interessen des Beschwerdeführers so weit wie möglich Rechnung tragende Einfriedigung ihre Begrenzung finden müssen, wofür sich eine Baulinienbelastung im vorgenommenen Ausmass nicht rechtfertigen lässt. Kann jedoch der Baulinie kein ihrem Zweck entsprechender Sinn beigelegt werden, so fehlt ein ausreichendes öffentliches Interesse für deren Festsetzung im genannten Abstand von der Parzellengrenze. Damit erweist sich die Eigentumsbeschränkung auch als unverhältnismässig. Die Überlegung, die Linie führe zu keiner ins Gewicht fallenden Eigentumsbeschränkung, da sie nur Land belaste, auf welchem ohnehin keine baulichen Anlagen errichtet werden dürften, vermag diese Folgerung nicht zu entkräften, führt doch die Linie zu weiteren rechtlichen Nachteilen wie der Androhung der Enteignungsfolge. Wenn sich bereits aus der Überprüfung der Linienfestsetzung ergibt, dass eine Enteignung des Gartenareales für die Weganlage nicht in Betracht kommt und der Landstreifen auch nicht als eine den Weg begleitende Grünanlage in Frage kommen kann, so hat dies zur Aufhebung der Linie zu führen. Es folgt hieraus, dass die staatsrechtliche Beschwerde von G. gutzuheissen ist. Freilich ist hieraus nicht zu folgern, dass keine landseitige Baulinie für den der Ufermauer entlangführenden Weg gezogen werden darf. Die Notwendigkeit, Bauarbeiten entlang der Mauer auszuführen und die nötige Umgestaltung der ehemaligen kleinen Bootshaab zu veranlassen, wird eine gegen die Grenzmauer BGE 118 Ia 406 S. 410 verschobene Linie zu rechtfertigen vermögen, doch ist es Sache der zuständigen Planungsbehörden, die nötigen Abklärungen für eine sachgerechte und dem Gesetzeszweck entsprechende Baulinienziehung zu treffen und nach Durchführung des ordnungsgemässen Verfahrens, in dem auch der Beschwerdeführer zu Worte kommen kann, einen neuen Festsetzungsbeschluss zu erlassen. c) (Aus den gleichen Gründen ist die Beschwerde von B. gutzuheissen.)
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de
Sachverhalt ab Seite 317 BGE 125 V 317 S. 317 A.- Über die durch den 1951 geborenen M. betriebene, gleichnamige Einzelfirma wurde am 5. November 1996 der Konkurs eröffnet. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), bei welcher M. als Arbeitgeber seine Angestellten obligatorisch gegen Unfälle versichert hatte, gab im Konkursverfahren eine Forderung für ausstehende Prämien der Jahre 1995 und 1996 (inkl. Verzugszinsen und Betreibungsspesen) im Betrag von Fr. 18'975.10 ein, die sich durch eine Teilzahlung auf Fr. 13'148.80 reduzierte (Meldungen vom 8. April und 29. August 1997). Der seit 1. August 1996 in der ebenfalls bei der SUVA versicherten Bauunternehmung seines Sohnes A. als Polier tätige M. erlitt am 16. Dezember 1997 und 17. März 1998 Unfälle, welche zu einer Commotio cerebri, multiplen Prellungen am ganzen Körper sowie einem Kontusionstrauma der Halswirbelsäule führten. Die SUVA erbrachte in der Folge die gesetzlichen Leistungen, wobei BGE 125 V 317 S. 318 sie insbesondere Renten- sowie Taggeldzahlungen ausrichtete. Am 18. Februar 1998 verfügte sie zufolge Verrechnung mit der noch ausstehenden Prämienforderung den Abzug von monatlich Fr. 500.-- auf den jeweiligen Taggeldern sowie für den Fall, dass dies nicht mehr möglich oder M. mit der Kürzung nicht einverstanden sei, die Einstellung der Rente. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 13. Mai 1998 fest. B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher M. beantragen liess, in Aufhebung des Einspracheentscheides sei die SUVA anzuweisen, den vollen Taggeldanspruch anzuerkennen und die entsprechenden Leistungen zu erbringen, wies das Versicherungsgericht des Kantons Wallis ab (Entscheid vom 24. August 1998). C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt M. sein vorinstanzlich gestelltes Rechtsbegehren erneuern. Während die SUVA auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, lässt sich das Bundesamt für Sozialversicherung nicht vernehmen.
445
316
Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet die Frage, ob die SUVA zulässigerweise ausstehende betragsmässig unbestrittene Versicherungsleistungen mit einer ebenfalls anerkannten Prämienforderung gegenüber dem Beschwerdeführer, welche bereits vor der Konkurseröffnung bestand und die sie kollozieren liess, verrechnet hat. Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidg. Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche Richter Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG ; betreffend Kognition bei Streitigkeiten aus Verrechnungsansprüchen vgl. BGE 115 V 342 Erw. 1 mit Hinweisen). 2. Das kantonale Gericht hat die vorliegend massgeblichen Bestimmungen zur Verrechenbarkeit sich gegenüberstehender Forderungen im Allgemeinen ( Art. 120 ff. OR ) und im Sozialversicherungsrecht, insbesondere im Alters- und Hinterlassenen- ( Art. 20 Abs. 2 AHVG ) sowie im Unfallversicherungsrecht BGE 125 V 317 S. 319 ( Art. 50 Abs. 3 UVG ; vgl. auch Art. 64 UVV ), zutreffend wiedergegeben. Darauf, wie auch auf die dargelegte hiezu ergangene Rechtsprechung ( BGE 115 V 342 Erw. 2, BGE 110 V 185 Erw. 2, BGE 104 V 5 ; vgl. auch RKUV 1997 Nr. U 268 S. 39 Erw. 3, 1992 Nr. U 150 S. 165 unten), kann verwiesen werden. 3. a) Nach Art. 50 Abs. 3 UVG (in Verbindung mit Art. 64 UVV ) können - in Nachbildung zu Art. 20 Abs. 2 AHVG (vgl. MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 449, Fn. 1175) - Forderungen auf Grund dieses Gesetzes unter bestimmten Voraussetzungen mit fälligen Leistungen verrechnet werden. b) Die Vorinstanz hat in Analogie zu dem in BGE 104 V 5 festgehaltenen Grundsatz, wonach das in Art. 20 Abs. 2 AHVG verankerte Verrechnungsrecht dem konkursrechtlichen Verrechnungsverbot nach Art. 213 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG vorgeht, erwogen, die dortigen Ausführungen hätten infolge ihres allgemein gültigen Charakters (Schutzbedürfnis der Sozialversicherungen, Fehlen einer Missbrauchsmöglichkeit oder einer Gläubigerübervorteilung) im Hinblick auf eine einheitliche Regelung für das gesamte Sozialversicherungsrecht zu gelten. Die Frage, ob in Berücksichtigung des auf den 1. Januar 1997 in Kraft getretenen revidierten SchKG - insbesondere der neu festgelegten Rangordnung der Gläubiger gemäss Art. 219 SchKG - allenfalls eine Änderung dieser Rechtsprechung vorzunehmen wäre, liess es offen, da die Konkurseröffnung am 5. November 1996 stattgefunden habe, weshalb nach Art. 2 Abs. 3 der Schlussbestimmungen zum revidierten SchKG das bisherige Recht anzuwenden sei. c) In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird hiegegen vorgebracht, es fehle an der "allgemein gültigen privatrechtlichen Voraussetzung zur Verrechnung und dabei namentlich ... der Identität des Verrechnenden und des Verrechnungsgegners", da sich die Prämienforderung der SUVA gegen die Konkursmasse der vormaligen Einzelfirma des Beschwerdeführers richte, die Gegenforderung auf Ausrichtung von Taggeldleistungen indes diesem selber zustehe. 4. Zunächst zu prüfen ist die Frage, ob eine Verrechnung vorliegend ausgeschlossen ist, da sich - wie vom Beschwerdeführer geltend gemacht - nicht die gleichen Rechtsträger gegenüberstehen. a) Eine Verrechnung setzt voraus, dass Leistung und Forderung des Versicherers grundsätzlich die gleiche Person betreffen (MAURER, a.a.O., S. 448; HÄFELIN/MÜLLER, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 3. Aufl., S. 165 f., Rz. 644; vgl. auch Art. 120 Abs. 1 OR ). Eine zeitliche Kongruenz BGE 125 V 317 S. 320 der gegenseitigen Forderungen in dem Sinne, dass diese den gleichen Zeitraum beschlagen müssen, ist dabei nicht verlangt. Wesentlich für die Zulässigkeit der Verrechnung ist somit nicht, dass Forderung und Gegenforderung im gleichen Zeitpunkt entstanden sind, sondern dass beide im Zeitpunkt der Verrechnung fällig sind (vgl. dazu BGE 115 V 341 mit Hinweisen; nicht veröffentlichtes Urteil H. vom 22. Juni 1998. b) Als Inhaber einer Einzelfirma schuldete der Beschwerdeführer der SUVA in seiner Funktion als Arbeitgeber im Bereich der obligatorischen Unfallversicherung den gesamten Prämienbetrag ( Art. 91 Abs. 3 UVG ). Da die Prämienforderung für die Jahre 1995 und 1996 spätestens mit der Konkurseröffnung vom 5. November 1996 fällig wurde ( Art. 208 Abs. 1 SchKG ), wäre die Verrechnung mit dem durch die Unfallereignisse vom 16. Dezember 1997 und 17. März 1998 entstandenen Anspruch des Beschwerdeführers auf Taggeldleistungen grundsätzlich zulässig (vgl. BGE 100 V 134 Erw. 3; MAURER, a.a.O., S. 448). Fraglich ist indes, ob der Umstand des Konkurses und des damit verbundenen Wechsels der Rechtszuständigkeit (Konkursmasse/Gemeinschuldner; Art. 204 SchKG ) einer Verrechnung entgegensteht. In BGE 104 V 7 Erw. 2b hat das Eidg. Versicherungsgericht die Verrechenbarkeit von ausstehenden Sozialversicherungsbeiträgen, welche im Rahmen eines Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung zwischen dem ehemaligen Inhaber einer Einzelfirma und dessen Gläubigern angemeldet worden waren, mit dem Anspruch des Versicherten auf eine Invalidenrente bejaht. Das Erfordernis der Gegenseitigkeit der Forderungen wurde mithin auch bei Erlöschen des Verfügungsrechts des Schuldners über das von ihm abgetretene, verselbstständigte Vermögen und dessen Übergang auf die Nachlassgläubiger ( BGE 103 III 60 ; AMONN/GASSER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6. Aufl., 1997, S. 468 f., Rz. 23) als gegeben erachtet. Ein Grund, weshalb im Falle eines Konkursverfahrens, bei dem der Gemeinschuldner im Zeitpunkt der Konkurseröffnung ebenfalls weitgehend die Fähigkeit verliert, über sein Vermögen zu disponieren ( Art. 204 SchKG ; vgl. auch AMONN/GASSER, a.a.O., S. 327 f., Rz. 6 ff.), anders zu verfahren wäre, ist nicht auszumachen und wird auch vom Beschwerdeführer nicht substanziiert vorgebracht. 5. Im Weiteren ist zu beurteilen, ob das gemäss Rechtsprechung ( BGE 104 V 5 ) im Bereich des Art. 20 Abs. 2 AHVG nicht geltende Verrechnungsverbot nach Art. 213 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG , wonach die Verrechnung ausgeschlossen ist, wenn ein Gläubiger des Gemeinschuldners erst nach der Konkurseröffnung BGE 125 V 317 S. 321 Schuldner desselben oder der Konkursmasse wird, vorliegend ebenfalls keine Anwendung findet. a) In BGE 104 V 5 wird die Nichtgeltung von Art. 213 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG im Anwendungsbereich des Art. 20 Abs. 2 AHVG damit begründet, dass durch diese Norm "eine eigene Ordnung geschaffen" werde, "welche auf die Besonderheiten der Sozialgesetzgebung im AHV-Bereich zugeschnitten ist" (vgl. auch BGE 115 V 342 Erw. 2b). Diese Eigenständigkeit ergebe sich beispielsweise aus Art. 16 Abs. 2 AHVG , wonach eine Beitragsforderung drei Jahre (in der bis 31. Dezember 1996 gültig gewesenen Fassung) nach Ablauf des Kalenderjahres verwirkt, in welchem sie geltend gemacht wurde; fällt der Ablauf der Frist in ein hängiges Schuldbetreibungs- oder Konkursverfahren, endet die Frist mit dessen Abschluss; Art. 149 Abs. 5 SchKG (in der bis 31. Dezember 1996 gültig gewesenen Fassung), der die durch den Verlustschein verurkundete Forderung gegenüber dem Schuldner allgemein als unverjährbar erklärt, findet von Gesetzes wegen auf Beitragsforderungen keine Anwendung ( BGE 104 V 7 f. Erw. 3b). Bei Entstehung des Rentenanspruches nicht erloschene Beitragsforderungen können in jedem Fall gemäss Art. 20 Abs. 2 AHVG noch verrechnet werden (Art. 16 Abs. 2 letzter Satz AHVG). Das Eidg. Versicherungsgericht hat in BGE 104 V 5 ferner befunden, dass die Berücksichtigung des Verrechnungsverbotes nach Art. 213 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG , welches verhindern will, dass auf dem Wege des Verrechnungsrechts Missbrauch unter anderem in Form der Gläubigerübervorteilung getrieben wird, im AHV-Bereich vielmehr die Schädigung eines Sozialwerkes zu bewirken imstande wäre, aus dem der Schuldner selber Vorteile erlangt, da die Sozialversicherungsbeiträge rentenbildend sein können. Ohne Verrechnung würden zudem alle übrigen Gläubiger schlechter gestellt, da die Beitragsforderungen gemäss Art. 219 Abs. 4 SchKG (in der bis 31. Dezember 1996 gültig gewesenen Fassung) in der zweiten Klasse privilegiert sind und durch eine verrechnungsweise Verminderung dieser Forderung die gleich- oder nachgestellten Gläubiger eine Besserstellung erfahren. Im Übrigen würde ohne Verrechnungsmöglichkeit allein der Schuldner profitieren, weil die Sozialversicherungsleistungen unabtretbar, unverpfändbar und der Zwangsvollstreckung entzogen sind ( Art. 20 Abs. 1 AHVG ) ( BGE 104 V 8 Erw. 3c). b) Zu prüfen ist, ob die obgenannten Kriterien, welche zu einem Ausschluss des konkursrechtlichen Verrechnungsverbotes im AHV-Bereich führen, auch auf BGE 125 V 317 S. 322 dem Gebiete des UVG "im Sinne einer einheitlichen Regelung für das gesamte Sozialversicherungsrecht" (kantonaler Entscheid S. 4) gelten. aa) Mit Art. 50 Abs. 3 UVG hat der Gesetzgeber auch für den Bereich der Unfallversicherung eine ausdrückliche Regelung der Verrechnung vorgesehen. Fraglich ist nun, ob durch diese Norm eine eigene Ordnung geschaffen wird, welche auf die Besonderheiten der Sozialgesetzgebung im Unfallversicherungsrecht zugeschnitten ist, wie dies für Art. 20 Abs. 2 AHVG im AHV-Bereich zutrifft. Zu vermerken ist, dass das UVG keine Art. 16 Abs. 2 AHVG vergleichbare Norm enthält, aus welcher sich unter anderem die als entscheidend betrachtete Eigenständigkeit des Sozialversicherungsrechts in diesem Bereich ergibt. Art. 94 UVG statuiert einzig eine fünfjährige Verwirkungsfrist für Prämienforderungen. Was Art. 16 Abs. 2 AHVG anbelangt, so äusserte sich der Bundesrat in seiner Botschaft vom 5. Mai 1953 zum letzten Satz dieser Norm dahingehend, "dass bei Entstehung des Rentenanspruches nicht erloschene Beitragsforderungen in jedem Fall gemäss Art. 20 Abs. 3 AHVG (in der heute geltenden Fassung Abs. 2) noch verrechnet werden können. Beiträge, die der Rentenberechnung zugrunde gelegt werden, sollen ohne Einschränkung durch Verrechnung bezahlt werden" (BBl 1953 II 120). In BGE 117 V 212 Erw. 4b befand das Eidg. Versicherungsgericht, das auf Grund der Materialien feststellbare Motiv und damit der vom Gesetzgeber als sachlich bezeichnete Grund für die Verrechenbarkeit nicht erloschener Beitragsforderungen mit Rentenleistungen über die Dreijahresfrist hinaus lägen somit darin, dass rechtskräftig festgelegte, aber noch nicht bezahlte Beiträge rentenbildend sein könnten. In diesem Sinne bestehe zwischen Beiträgen und Renten ein enger versicherungsrechtlicher Konnex, welcher hinsichtlich der Verrechnung eine spezielle Regelung rechtfertige. Diese Darlegungen zeigen, dass die AHV-Gesetzgebung in verschiedenen Normen eine auf die spezifischen Bedürfnisse in diesem Bereich zugeschnittene Ordnung enthält, deren Umsetzung die Anwendung des allgemein geltenden Verrechnungsverbotes nach Art. 213 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG ausschliesst. bb) Das UVG weist demgegenüber lediglich die Verrechnungsbestimmung des Art. 50 Abs. 3 UVG auf, kennt indes keine weiteren Normen, welche den Ausschluss des Art. 213 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG indizieren würden. Insbesondere werden die Leistungen nicht wie in der AHV nach dem individuellen Beitragskonto entrichtet, womit das Argument des rentenbildenden Charakters entfällt. Ferner findet sich im UVG keine Bestimmung, welche die Anwendung BGE 125 V 317 S. 323 von Art. 149 Abs. 5 SchKG (in der bis 31. Dezember 1996 gültig gewesenen Fassung) ausschliessen würde, sodass die bei nur teilweiser Befriedigung des Gläubigers durch Verlustschein verurkundete Forderung grundsätzlich - nach altem Recht - unverjährbar ist. Die in Art. 94 UVG verankerte Verwirkungsfrist steht diesem Umstand nicht entgegen, sofern die Prämiennachforderung durch Schuldbetreibung fristgerecht geltend gemacht wurde (vgl. MAURER, a.a.O., S. 529). Das AHVG sieht demgegenüber die Beendigung der Frist bei Ablauf eines Schuldbetreibungs- und Konkursverfahrens vor ( Art. 16 Abs. 2 Satz 3 AHVG ), womit der Überlegung Rechnung getragen wird, dass "aus Gründen der Rechtssicherheit und aus verwaltungstechnischen Erwägungen nach Ablauf eines bestimmten Zeitraumes in einem bestimmten Schuldverhältnis zwischen AHV und Beitragspflichtigen Ruhe eintreten soll" (BBl 1953 II 119; vgl. auch BGE 117 V 211 Erw. 4b). Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des zeitlich später in Kraft getretenen Art. 94 UVG , welcher sich im Übrigen weitgehend an Art. 16 AHVG anlehnt (Botschaft zum UVG Ziff. 407.2; MAURER, a.a.O., S. 579, FN 1492), gerade den speziellen schuldbetreibungs- und konkursrechtlichen Ausnahmepassus dieser Norm nicht übernahm, erhellt die Absicht, in diesem Sozialversicherungszweig keine dem SchKG vorgehende Regelung zu schaffen. Gleiches indiziert die Tatsache, dass anlässlich der Revision des SchKG durch das Bundesgesetz vom 16. Dezember 1994 bei Art. 50 Abs. 1 UVG eine Angleichung und Koordination vorgenommen, im Bereich des Verrechnungsrechts nach Abs. 3 indes darauf verzichtet wurde. Ebenfalls zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang der Bericht der Kommission des Nationalrates für Soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) vom 26. März 1999 betreffend das Bundesgesetz über einen Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (BBl Nr. 23 vom 15. Juni 1999 S. 4523 ff.). In Art. 34 (S. 4581) hatte der Ständerat die grundsätzliche Möglichkeit des Versicherungsträgers vorgesehen, die von diesem geschuldeten Geldleistungen mit Ansprüchen, die dieser oder der Träger eines anderen Sozialversicherungszweiges aus dem Versicherungsverhältnis gegen den Versicherten hat, zu verrechnen. Die nationalrätliche SGK beantragt nun jedoch die Streichung dieser Bestimmung, da sich das Problem der Verrechnung einer Harmonisierung entziehe. Aus dem Gesagten wird deutlich, dass einer differenzierten Betrachtungsweise der Verrechnungsmöglichkeit je nach Sozialversicherungszweig gegenüber einer - im Bestreben nach einer BGE 125 V 317 S. 324 einheitlichen Regelung für den gesamten Sozialversicherungsbereich postulierten - pauschalen Übernahme der Lösung des AHVG in andere Gebiete der Sozialversicherung der Vorzug zu geben ist. c) Zusammenfassend ergibt sich, dass die Verrechnung der dem Beschwerdeführer monatlich zu leistenden Taggeldzahlungen mit der ausstehenden Prämienforderung durch die SUVA nicht zulässig ist, weil das in Art. 213 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG statuierte Verrechnungsverbot auch im Anwendungsbereich des UVG berücksichtigt werden muss. 6. (Kosten und Parteientschädigung)
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Sachverhalt ab Seite 53 BGE 80 IV 53 S. 53 A.- Dr. Marcel Saner, Direktor der Anker-Treuhand AG, wurde am 12. Januar 1951 von der Vormundschaftsbehörde der Stadt Zürich gemäss Art. 393 Ziff. 4 ZGB als Beistand der Immo-Hyp Propria AG ernannt, die infolge Todes ihres einzigen Verwaltungsrates kein Vertretungsorgan mehr besass. Am 7. März 1951 bewilligte BGE 80 IV 53 S. 54 das Bezirksgericht Zürich dieser Gesellschaft die Nachlassstundung und bestellte zwei Sachwalter. Am 29. März 1952 genehmigte es den Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung und ernannte die Sachwalter zu Liquidatoren. Saner blieb Beistand der Gesellschaft. Im Einvernehmen mit der Vormundschaftsbehörde und den Sachwaltern bemühte sich Saner schon während der Nachlassstundung um den Verkauf von Liegenschaften der Immo-Hyp Propria AG Im Frühjahr 1952 vermittelte Dr. H. Kressebuch der Immo-Hyp Propria AG den Verkauf der Liegenschaft Rebgasse 5 in Zürich zum Preise von Fr. 447'000.-- und der Liegenschaft Dohlenweg zum Preise von Fr. 651'000.--, bezog dafür Provisionen von je 2% des Verkaufspreises und bezahlte Saner seinerseits als Provision Fr. 10'000.--. Durch Bemühungen des Samuel Steinmann kam es dazu, dass die Immo-Hyp Propria AG die Liegenschaft Schaffhauserstrasse 456 zum Preise von Fr. 278'000.-- an Julius Schär verkaufte. Saner veranlasste Steinmann, gegenüber der Gesellschaft eine Provision von 1 1/2% des Kaufpreises geltend zu machen, und liess der Anker-Treuhand AG durch ihn als Provision Fr. 2000.-- überweisen. Am 26. Juni 1952 liess sich Saner von Henri Seilaz, der den Verkauf der der Immo-Hyp Propria AG gehörenden Aktien der Vaudaire SA in Lausanne zum Preise von Fr. 148'450.21 vermittelt und dafür eine Provision von Fr. 15'000.-- bezogen hatte, eine Provision von Fr. 3000.-- überweisen. B.- Das Schwurgericht des Kantons Zürich verurteilte Saner am 17. November 1953 unter anderem wegen wiederholter Veruntreuung. Es erblickte sie darin, dass Saner die ihm bzw. der Anker-Treuhand AG von Dr. Kressebuch, Samuel Steinmann und Henri Seilaz übermittelten Beträge nicht an die Immo-Hyp Propria AG abgeliefert hatte. C.- Saner führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und er sei freizusprechen. BGE 80 IV 53 S. 55 D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
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Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: Eine Veruntreuung im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB begeht, wer anvertrautes Gut, namentlich Geld, unrechtmässig in seinem oder eines anderen Nutzen verwendet. Anvertraut im Sinne dieser Bestimmung ist nur, was jemand mit der Verpflichtung empfängt, es in bestimmter Weise im Interesse eines andern zu verwenden, insbesondere es zu verwahren, zu verwalten oder abzuliefern. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Dr. Kressebuch, Samuel Steinmann und Henri Seilaz haben dem Beschwerdeführer die Provisionen zur Verwendung für sich selber zugewiesen, nicht in seiner Eigenschaft als Beistand der Immo-Hyp Propria AG zur Verwendung für diese, insbesondere zur Ablieferung an die im Nachlassverfahren eingesetzten Liquidatoren. Auch von Seiten der Immo-Hyp Propria AG sind die Provisionen dem Beschwerdeführer nicht anvertraut worden, und zwar selbst dann nicht, wenn richtig sein sollte, dass er, wie das Schwurgericht annimmt, gemäss Art. 400 OR verpflichtet war, sie der Gesellschaft zu erstatten. Eine gesetzliche oder vertragliche Herausgabepflicht allein macht einen Vermögenswert nicht zu anvertrautem Gute. Solches liegt trotz Herausgabepflicht nicht vor, wenn der Empfänger das Gut für sich selber, nicht für den andern, empfangen hat. Dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts der Erlös aus Kommissions- oder Trödelware dem Empfänger im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB anvertraut ist ( BGE 70 IV 73 , BGE 75 IV 14 ), ändert nichts. Bei der Verkaufskommission und beim Trödelvertrag ist zunächst die zu verkaufende Sache anvertraut, und der vom Kommissionär oder Trödler im eigenen Namen eingenommene Erlös tritt an ihre Stelle. Das Geld aber, das der Beschwerdeführer erhielt, war nicht Verkaufserlös, sondern eine für ihn selbst bestimmte Vergütung. BGE 80 IV 53 S. 56 Deren Annahme war übrigens wegen seiner Stellung als Beistand der Immo-Hyp Propria AG geradezu pflichtwidrig. Wenn er dadurch, dass er das Geld nicht der Gesellschaft oder den Liquidatoren ablieferte, eine weitere Pflicht verletzt haben sollte, so nicht deswegen, weil es ihm anvertraut gewesen wäre, sondern weil anzunehmen wäre, der Empfänger dürfe nach der gesetzlichen Ordnung das so Erworbene nicht für sich behalten. Das Schwurgericht hat daher den Beschwerdeführer vom Vorwurf der Veruntreuung freizusprechen.
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Sachverhalt ab Seite 323 BGE 104 II 322 S. 323 A.- Die Bata Schuh AG, Möhlin, hinterlegte 1975/76 beim Internationalen Amt für gewerbliches Eigentum mehrere Stiefelmodelle aus Plastikmaterial. Dazu gehörten insbesondere die Hinterlegungen Nr. 61'723 mit den Modellen "Panda", "Eskimo" und "Copain", Nr. 62'481 mit "Atlantic", Nr. 62'663 mit "Luchs" und Nr. 63'397 mit "Sheriff". Das Panda-Modell ist mit einem 5 bis 6 cm breiten weichen Kragen ausgestattet, auf dem Panda-Bären in verschiedenen Grössen abgebildet sind. Der Kragen ist mit einem Schnürverschluss ausgerüstet. Das Luchs-Modell zeigt auf der Aussenseite des Schaftes ein eingeprägtes Luchsbild, das kreisförmig eingerahmt ist von den Tiernamen "Luchs-Lynx-Bobcat". Sein Kragen unterscheidet sich von dem des Panda-Modells dadurch, dass sein Äusseres einem Tierfell nachgebildet ist. Die Schaftaussenseite des Sheriff-Modells ist mit einer besonders auffallenden Verzierung von etwa 15 cm Länge sowie einem 3 cm grossen Sheriff-Stern aus Leichtmetall versehen; am obern Rande des Schaftes ist zudem ein halbrundes Läppchen mit der Bezeichnung "Sheriff" angebracht. Alle Modelle sind ausserdem an den bei Lederstiefeln üblichen Nahtstellen mit reliefartigen Linien versehen, die den Eindruck von Verbindungen oder Verstärkungen erwecken. Die Bata Schuh AG liess Stiefel dieser Art in der Schweiz vertreiben. B.- Im Dezember 1976 klagte sie gegen die Minerva Schuhfabrik AG, Porrentruy, weil diese praktisch identische Modelle auf den schweizerischen Markt bringe, dadurch ihre Modellschutzrechte verletze und unlauteren Wettbewerb begehe. Ihre Rechtsbegehren lauteten insbesondere auf Feststellung der Verletzung, auf Untersagung des weiteren Vertriebes, auf Zahlung von Schadenersatz und auf Veröffentlichung des Urteils. BGE 104 II 322 S. 324 Die Beklagte widersetzte sich diesen Begehren und erhob Widerklage auf Feststellung, dass die klägerischen Modellhinterlegungen nichtig seien. In der Replik machte die Klägerin bezüglich des Sheriff-Modells ferner eine Verletzung von Markenrechten geltend, anerkannte die Widerklage dagegen teilweise, indem sie ihre Rechtsbegehren auf die Modelle "Panda", "Luchs" und "Sheriff" beschränkte. Die Beklagte anerkannte ihrerseits das Begehren, dass die Klägerin aus dem Markenrecht ableitete. Nach den eingeschränkten Rechtsbegehren beantragte die Klägerin dem Handelsgericht des Kantons Bern insbesondere: 1. festzustellen, dass von der Beklagten vertriebene Stiefelmodelle, die näher angegeben werden, ihre durch die Hinterlegungen Nr. 61'723, 62'663 und 63'397 geschützten Modelle "Panda", "Luchs" und "Sheriff" verletzen und der Vertrieb widerrechtlich hergestellter Stiefel gegen Grundsätze des UWG verstosse (Rechtsbegehren 1 lit. a-d); 2. der Beklagten den weiteren Vertrieb der streitigen Modelle zu untersagen (Rechtsbegehren 2) und sie zu verurteilen, ihr für jedes verkaufte Paar Fr. 5.- Schadenersatz zu bezahlen (Rechtsbegehren 3). Die Beklagte wollte mit der Widerklage festgestellt wissen, dass die noch streitigen Modellhinterlegungen "Panda" (Nr. 61'723), "Luchs" (Nr. 62'663) und "Sheriff" (Nr. 63'397) der Klägerin nichtig und daher im internationalen Register für das Gebiet der Schweiz zu löschen seien. Durch Urteil vom 8. Dezember 1977 hielt das Handelsgericht fest, dass die Beklagte die Klage mit Bezug auf die behauptete Verletzung der Marke "Sheriff" anerkannte; es verbot ihr bei Strafe, weitere Stiefel mit dieser Marke zu vertreiben. Es hielt ferner fest, dass die Klägerin teilweise den Abstand erklärte, indem sie die Ungültigkeit der Hinterlegung Nr. 61'723 mit Bezug auf die Modelle "Eskimo" und "Copain" sowie der Hinterlegung Nr. 62'481 ("Atlantic") anerkannte. Das Handelsgericht fand sodann, dass alle übrigen Rechtsbegehren der Klage und Widerklage abzuweisen seien. C.- Die Klägerin hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt, der sich die Beklagte angeschlossen hat. Jede Partei wiederholt sinngemäss ihre vor dem Handelsgericht noch streitigen Rechtsbegehren, hält daran fest und widersetzt sich den Begehren der Gegenpartei. BGE 104 II 322 S. 325
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Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Klägerin ergänzte ihr Schadenersatzbegehren in der Berufung mit dem Antrag, die Sache zur Ermittlung des Schadenbetrages an das Handelsgericht zurückzuweisen. Die Beklagte hält dem entgegen, die Vorinstanz habe das Verfahren vorläufig im Einvernehmen mit den Parteien auf die Grundsatzfrage beschränkt. Bei Abweisung der Berufung werde die Schadenersatzfrage hinfällig, bei Gutheissung könne sie dagegen vom Handelsgericht weiterbehandelt werden. Dem Antrag der Klägerin sei daher nicht zu entsprechen. Wollte man dieser Auffassung folgen, so läge ein blosses Teilurteil vor, das die Behandlung eines von mehreren Klagebegehren vorbehält, aber nicht in ein besonderes neues Verfahren verweist; damit wären die Anforderungen an einen berufungsfähigen Endentscheid im Sinne von Art. 48 OG nicht erfüllt ( BGE 100 II 429 , BGE 91 II 59 mit Zitaten). Das ist indes nicht der Sinn des angefochtenen Urteils. Wie daraus erhellt, haben sich die Parteien in der Hauptverhandlung vom 16. November 1977 damit einverstanden erklärt, dass das Handelsgericht die Schadenersatzfrage separat behandelt und einstweilen nur prüft, ob eine widerrechtliche Handlung nach MMG oder UWG vorliege. Die Vorinstanz hat deshalb die Ermittlung des Schadens vom Beweisverfahren ausgenommen und sich in den Erwägungen mit der Wiedergabe der Parteierklärung begnügt. Durch den Urteilsspruch hat sie jedoch "sämtliche übrigen Rechtsbegehren der Klage und Widerklage", sinngemäss also auch das Schadenersatzbegehren der Klägerin abgewiesen, soweit darüber nach dem Abstand der Parteien noch zu entscheiden war. Das leuchtet auch ein, da das Handelsgericht die Schadenersatzfrage nur vorläufig zurückgestellt, dann aber sowohl eine Verletzung von Modellrechten wie einen unlauteren Wettbewerb verneint hat. Damit war dem Ersatzanspruch der Klägerin die Grundlage entzogen. Die Schadenersatzfrage stellt sich dagegen erneut, falls nach der Berufung eine widerrechtliche Handlung gemäss MMG oder UWG anzunehmen ist. 2. Die Klage stützt sich auf die Modellhinterlegungen beim Internationalen Amt für gewerbliches Eigentum. Das Handelsgericht prüfte die Gültigkeit der Hinterlegungen und deren BGE 104 II 322 S. 326 Rechtswirkungen gleichwohl nur nach schweizerischem Modellschutzrecht. Das wird von den Parteien mit Recht nicht beanstandet. Art. 23bis MMG stellt auch zugunsten eines schweizerischen Hinterlegers die internationale Hinterlegung einer schweizerischen gleich. Dazu kommt, dass weder die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutze des gewerblichen Eigentums (AS 1970 S. 620) noch das Haager Abkommen betreffend die internationale Hinterlegung der gewerblichen Muster oder Modelle (BS 11 S. 1045) einen weitergehenden Schutz vorsehen als das MMG oder ihn von abweichenden Bedingungen abhängig machen ( BGE 80 II 357 ff.; TROLLER, Kurzlehrbuch des Immaterialgüterrechts, S. 173). 3. Da die Beklagte geltend macht, die klägerischen Modellhinterlegungen seien nichtig, ist die Widerklage vorweg zu beurteilen. Diese stützt sich auf Art. 12 Ziff. 1 und 4 MMG . Nach diesen Bestimmungen ist eine Hinterlegung ungültig, wenn das Modell zur Zeit der Hinterlegung dem Publikum oder den beteiligten Verkehrskreisen bereits bekannt, also nicht mehr neu gewesen oder wenn der hinterlegte Gegenstand seiner Natur nach kein Modell im Sinne des Gesetzes ist. Gemäss Art. 6 MMG ist nach erfolgter Hinterlegung zu vermuten, dass deren Gegenstand neu ist. Das gilt auch für die internationale Hinterlegung ( BGE 80 II 361 ). a) Es ist unbestritten, dass einem hinterlegten Modell die Neuheit auch dann abzusprechen ist, wenn der Inhaber selbst es schon vor der Hinterlegung verwendet hat ( BGE 61 I 206 ). Mit solchem Gebrauch hat die Beklagte ihre Einrede der Nichtigkeit bereits im kantonalen Verfahren begründet; sie hielt der Klägerin entgegen, aus den ESGE-Grossistenkatalogen der Jahre 1973/74 ergebe sich, dass sie die streitigen Modelle schon vor deren Hinterlegung hergestellt und vertrieben habe. Die Klägerin hat daraufhin die Einrede teilweise anerkannt, indem sie den beanspruchten Schutz auf die Hinterlegungen Nr. 61'723 vom 2. Oktober 1975, Nr. 62'663 vom 11. März 1976 und Nr. 63'397 vom 8. Juli 1976, d.h. auf die noch streitigen Modelle "Panda", "Luchs" und "Sheriff" beschränkte. Das Handelsgericht fand, die formelle Neuheit dieser Modelle ergebe sich aus dem Vergleich mit jenen, für welche die Klägerin auf den Schutz verzichtet habe. Die Beklagte wendet dagegen mit Recht ein, dass nach ihren Vorbringen die noch streitigen BGE 104 II 322 S. 327 Modelle mit den Stiefeln verglichen werden müssen, welche die Klägerin gemäss den Katalogen schon früher hergestellt und vertrieben hat. Dass die Vorinstanz diese selbstverständlich berücksichtigt habe, wie die Klägerin behauptet, ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Unterschiede zwischen Stiefeln der noch streitigen und der fallengelassenen Hinterlegungen besagen aber nichts über den Vergleich mit den früheren Katalogmodellen, zumal auch nicht festgestellt ist, dass diese identisch gewesen seien mit den Gegenständen der fallengelassenen Hinterlegungen. Auf eine Rückweisung gemäss Art. 64 Abs. 1 OG kann indes verzichtet werden, da der Einwand fehlender Neuheit schon aus rechtlichen Gründen nicht standhält. Die Beklagte anerkennt, dass die noch streitigen Modelle durch früher hergestellte jedenfalls insoweit nicht vorweggenommen sind, als sie sich durch eine schmückende Ausstattung des Kragens oder der äussern Schaftseite deutlich von den früheren unterscheiden. Der Kragen des Panda-Modells ist mit Panda-Bildern versehen; derjenige des Luchs-Modells, das zudem ein markantes Luchs-Bild aufweist, ist einem Tierfell nachgebildet, während auf dem Sheriff-Modell nebst der Bezeichnung "Sheriff" und dem Sheriff-Stern eine besonders auffallende Verzierung angebracht ist. Solche Ausstattungen sollen nach Auffassung der Beklagten modellrechtlich belanglos sein, weil sie sich in flächigen Darstellungen erschöpften und daher höchstens als Muster geschützt werden könnten. Das trifft schon in tatsächlicher Hinsicht nur beschränkt zu, handelt es sich zum Beispiel beim Luchs-Bild und beim Sheriff-Stern doch um plastische Elemente. Die Behauptung der Beklagten geht auch sonst fehl. Gewiss wird in der Praxis zwischen Muster und Modell unterschieden, da ersteres ein zweidimensionales, letzteres dagegen ein dreidimensionales Gebilde ist. Das Gesetz macht jedoch keinen Unterschied, weil es beide als äussere Formgebung definiert und sowohl die Voraussetzungen wie die Wirkungen ihres Schutzes einheitlich regelt. Dass Art. 6 MMG kombinierte Muster/Modell-Hinterlegungen ausschliesst, ändert daran nichts, da es sich dabei lediglich um eine Form- und Ordnungsvorschrift handelt. Die Originalität eines Modells kann daher nicht nur in seiner räumlichen Gestaltung, sondern auch im graphischen Schmuck bestehen, mit dem seine Oberflächen versehen BGE 104 II 322 S. 328 sind. Diese Lösung ergibt sich aus der einheitlichen Regelung und trägt vor allem dem Umstand Rechnung, dass beide Elemente häufig eng miteinander verbunden oder aufeinander abgestimmt, im Einzelfall folglich kaum zu trennen sind ( BGE 87 II 50 ; TROLLER, Immaterialgüterrecht I S. 536 ff.). Im vorliegenden Fall ist die schmückende Ausstattung der Modelle nicht blosses Beiwerk, sondern bestimmt den für die Beurteilung massgebenden Gesamteindruck auf das kaufende Publikum ( BGE 84 II 661 ). Die zugunsten der Klägerin bestehende Vermutung, die noch streitigen Modelle seien neu, ist daher nicht entkräftet, geschweige denn widerlegt. b) Mit dem weiteren Einwand, die hinterlegten Stiefelformen seien ihrer Natur nach keine Modelle im Sinne des Gesetzes, versucht die Beklagte deren Schutzfähigkeit zu bestreiten. Nach Art. 3 MMG erstreckt sich der Modellschutz nicht auf die Herstellungsweise, Nützlichkeitszwecke und technische Wirkungen des nach dem Modell hergestellten Gegenstandes. In diesem Sinne sind vorweg alle Merkmale auszuscheiden, die durch Rücksichten auf den Gebrauchszweck und die Herstellung des Gegenstandes bedingt sind ( BGE 95 II 473 /4). Das gilt hier insbesondere von der allgemein üblichen Form und Ausgestaltung, die durch die Morphologie des menschlichen Fusses und den Verwendungszweck des Stiefels weitgehend vorbestimmt sind. Streitig ist, ob solche Überlegungen es zum Beispiel auch rechtfertigen, den Schaft des Stiefels aus einem Stück herzustellen, ihn mittels eines gerillten Randes mit der Sohle zu verbinden, diese unten mit einer Gelenkstütze zu versehen und die Sohlenfläche in eine Rand- und Innenpartie aufzuteilen. Wie es sich damit verhält, ist dem angefochtenen Urteil, abgesehen von einer beiläufigen Bemerkung über die Flächenaufteilung nicht zu entnehmen, obschon es sich um Tatfragen handelt, die vom kantonalen Richter zu beantworten sind ( BGE 95 II 475 , BGE 87 II 53 ). Es besteht diesbezüglich auch keine gesetzliche Vermutung, wie das Handelsgericht anzunehmen scheint; Art. 6 MMG bezieht sich nicht auf die Gültigkeit der Hinterlegung schlechthin, sondern nur auf die Neuheit und die Urheberschaft. Der Modellschutz setzt zudem eine äussere Formgebung voraus, die bei der gewerblichen Herstellung eines Gegenstandes als Vorbild dienen soll ( Art. 2 MMG ). Letzteres trifft hier unstreitig zu. Umstritten ist dagegen das dem Gesetz zugrunde BGE 104 II 322 S. 329 liegende ästhetische Erfordernis, die sogenannte materielle Neuheit. Nach der Rechtsprechung braucht die Form nicht das Ergebnis einer schöpferischen Tätigkeit zu sein; sie darf aber auch nicht im Nächstliegenden haften bleiben, sondern muss eine gewisse Originalität und damit ein Mindestmass an geistigem Aufwand erkennen lassen. Die Form muss dem Gegenstand ferner gegeben werden, um den Geschmack, den Sinn für das Schöne anzusprechen ( BGE 95 II 472 , BGE 92 II 204 mit Hinweisen). Auch die Vorinstanz geht davon aus, schliesst sich dann aber den kritischen Bemerkungen KUMMERS zu BGE 87 II 49 an (ZBJV 99/1963 S. 24), wonach die schlichte Individualität der Formgebung genügt oder der Vergleich mit vorbekannten Formen ein "Anderssein" ergibt, das keinen besonderen qualitativen Schwellenwert mehr übersteigen müsse. TROLLER äussert sich ähnlich (Immaterialgüterrecht I S. 534, Kurzlehrbuch S. 84). Auf das Merkmal einer gewissen Originalität völlig zu verzichten und sich auf die Prüfung der formellen Neuheit zu beschränken, wie die Vorinstanz das getan hat, geht jedenfalls dann nicht an, wenn dem Ansprecher zum vorneherein enge Grenzen gesetzt sind, einem Erzeugnis ein neuartiges Aussehen zu verleihen. Im vorliegenden Fall reicht bei den noch streitigen Modellen die schmückende Ausstattung indes noch aus, um die Originalität zu bejahen. Die Panda-Bilder, der Tierfellkragen, das mit Tiernamen eingerahmte Luchs-Bild, die Verzierung sowie Sheriff-Stern und -Marke geben den Modellen, die damit versehen sind, ein Mindestmass von originellem Charakter und prägen den für die Beurteilung massgebenden Eindruck auf das kaufende Publikum. Die mit der Widerklage erhobene und in der Anschlussberufung wiederholte Einrede, die klägerischen Modellhinterlegungen "Panda", "Luchs" und "Sheriff" seien nichtig, erweist sich somit in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil als unbegründet. Die Berufung der Beklagten ist deshalb abzuweisen. 4. Die Klägerin begründete ihre Rechtsbegehren bereits im kantonalen Verfahren vor allem mit einer Verletzung von Modellrechten gemäss Art. 24 Ziff. 1 MMG . Nach dieser Bestimmung ist die Nachahmung eines hinterlegten Modells widerrechtlich, wenn eine Verschiedenheit nur bei sorgfältiger Vergleichung wahrgenommen werden kann; blosse Farbänderungen BGE 104 II 322 S. 330 sind dabei ausser acht zu lassen. Damit geht das Modellrecht, wie das Handelsgericht zu Recht annimmt, von einem engern Begriff der Nachahmung aus als das Marken- und Wettbewerbsrecht, da das hinterlegte und das widerrechtlich hergestellte Modell nebeneinander zu halten und gleichzeitig zu betrachten sind, man also nicht auf das blosse Erinnerungsbild abstellen darf. Beizupflichten ist der Vorinstanz auch darin, dass eine Nachahmung nicht schon durch geringfügige Unterschiede, die bei näherer Betrachtung ersichtlich sind, ausgeschlossen wird, weil es nicht auf die Abweichungen, sondern auf die Übereinstimmungen und damit wiederum auf den Gesamteindruck ankommt, den die miteinander zu vergleichenden Modelle insbesondere beim letzten Abnehmer hinterlassen ( BGE 83 II 480 E. 3; TROLLER, Immaterialgüterrecht II S. 771). Gestützt auf diese Kriterien gelangte die Vorinstanz zum Schluss, die streitigen Modelle der Parteien unterschieden sich namentlich durch die schmückende Ausstattung ihres Oberteiles, weshalb eine unzulässige Nachahmung zu verneinen sei. Die Klägerin hält eine zergliedernde Betrachtungsweise, wie sie dem angefochtenen Urteil zugrunde liege, für verfehlt und verlangt eine Beurteilung ihrer Stiefel nach deren Gesamteindruck; diesfalls ergebe sich eine ganze Reihe von Nachahmungen, die zusammen als Verletzung ihrer Modellrechte zu werten seien. Dem ist vorweg entgegenzuhalten, dass alle von ihren Rechtsbegehren nicht oder nicht mehr erfassten Modelle vom Vergleich auszunehmen sind. Das gilt insbesondere für jene Modelle, bezüglich deren die Klägerin auf Widerklage hin den Abstand erklärt hat. Massgebend sind die von ihr eingeschränkten Feststellungsbegehren 1 lit. a-c. Nach diesen Begehren ist das Sheriff-Modell der Klägerin mit dem Sheriff-bzw. späteren US-Marshall-Modell der Beklagten zu vergleichen. Beide weisen eine ähnliche graphische Verzierung von gleicher Grösse auf, lassen in den Aufschriften und in der Gestaltung des Sterns aber auffällige Unterschiede erkennen. Die Bezeichnung ist auf dem Modell der Klägerin markant in halbrundem Schriftzug und auf einem besonderen Läppchen, auf demjenigen der Beklagten dagegen kaum leserlich und im Stern angebracht. Dieser ist zudem sechszackig und eingeprägt, auf dem Modell der Klägerin dagegen fünfzackig und als Metallstück aufgesetzt. Die schmückende Ausstattung der Klägerin wirkt deshalb kräftiger und plastischer, die der Beklagten BGE 104 II 322 S. 331 eher schwach und flächig. Dem Panda-Modell der Klägerin sind diejenigen gegenüberzustellen, deren Kragen die Beklagte mit der Marke "Robusto" sowie mit Tierabbildungen gekennzeichnet hat. Hiezu gehören stilisierte Bilder insbesondere von Fischen, Enten und Krokodilen, während die Klägerin auf dem Kragen ihres Modells einzig Panda-Bären wiedergibt, die dem Werbebild des World-Wildlife-Fund (WWF) entsprechen. Durch diese unterschiedliche Ausstattung des Kragens heben sich die streitigen Modelle deutlich voneinander ab. Das Luchs-Modell schliesslich ist mit den Stiefeln zu vergleichen, welche die Beklagte mit einem Löwen- oder Tiger-Bild versehen hat. Der einem Tierfell nachgebildete Kragen des Luchs-Modells ist mit einem Schnürverschluss ausgerüstet, während die Beklagte sich auch hier damit begnügt hat, die Kragen ihrer Stiefel mit der Marke "Robusto" und den stilisierten Tierbildern auszustatten. Die Bilder auf der Aussenseite des Schaftes sodann lassen sich nur insofern miteinander in Beziehung bringen, als sie alle Raubtiere darstellen. Gleichwohl lassen sich die Modelle auch nach diesen Kennzeichen klar auseinanderhalten, da dasjenige der Klägerin ein eingeprägtes und mit Tiernamen eingerahmtes Luchs-Bild zeigt, die Stiefel der Beklagten dagegen Löwe oder Tiger in einer blossen Kontrastfarbe wiedergeben. Das Handelsgericht hat sich mit der schmückenden Ausstattung der Modelle eingehend auseinandergesetzt. Es fällt auf, dass die Klägerin sich damit überhaupt nicht, mit anderen Merkmalen, welche angeblich nicht technisch bedingt sind und ihre Modelle kennzeichnen sollen, dagegen ausführlich befasst. Der durch die schmückende Ausstattung geprägte Gesamteindruck wird von den übrigen Elementen jedoch kaum beeinflusst, gleichviel inwieweit diese durch die Herstellung oder den Gebrauch der Erzeugnisse bedingt sind oder das gefällige Aussehen der Modelle mitbestimmen sollen. Werden die zu vergleichenden Stiefel nebeneinander gestellt, so sind die Unterschiede in der äussern Aufmachung schon bei oberflächlicher Prüfung zu ersehen; einer näheren Betrachtung bedarf es einzig bei den Western-Stiefeln, weil sie alle in Lederfarben gehalten sind. Dass einzelne Modelle an den falschen Lieferanten zurückgesandt worden sind, ist modellrechtlich unerheblich. Gewiss ist die Verwechslungsgefahr beim kaufenden Publikum erst recht zu bejahen, wenn ihr schon das fachkundige Verkaufspersonal erliegt. Wenn ein Verkäufer Retourware falsch sortiert, beruht BGE 104 II 322 S. 332 sein Irrtum indes bestenfalls auf einem Erinnerungsbild, nicht auf einer zuverlässigen Vergleichung nebeneinander stehender Modelle. Die Auffassung des Handelsgerichtes, eine Verletzung von Modellrechten gemäss Art. 24 Ziff. 1 MMG sei zu verneinen, ist daher nicht zu beanstanden. 5. Die Klägerin macht ferner geltend, dass die Beklagte durch den Vertrieb widerrechtlich hergestellter Modelle unlauteren Wettbewerb begangen habe. Zu diesen Modellen zählt sie nicht nur die Stiefel mit schmückender Ausstattung des Kragens oder der äussern Schaftseite (Ziff. 4 hiervor), sondern auch solche, bezüglich deren sie im kantonalen Verfahren auf Ansprüche aus Modellschutz verzichtet hat, weil sie weder mit Western-Zeichen noch mit Zierbildern versehen sind. a) Mit dem Handelsgericht ist vom Grundsatz auszugehen, dass nicht auf dem Umweg über das UWG als widerrechtlich bezeichnet werden darf, was nach den Spezialgesetzen des gewerblichen Rechtsschutzes erlaubt ist. Zu Unrecht rügt daher die Klägerin, die Vorinstanz habe der Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG nicht den weiteren Begriff der Nachahmung zugrunde gelegt; denn damit würde der Richter sich über die vom Gesetz gewollte Beschränkung des Muster- und Modellschutzes hinwegsetzen. Wenn die Form einer Ware nicht oder nicht mehr unter diesem Schutz steht, darf sie grundsätzlich auch aus ästhetischen Gründen nachgeahmt werden. Jedermann darf seiner Ware jene Form geben, die sie am gefälligsten und damit am besten verkäuflich macht. Anders verhält es sich insbesondere, wenn eine Ware eine bestimmte Form oder Ausstattung nur deshalb erhalten hat, damit sie von gleichen oder ähnlichen Erzeugnissen anderen Ursprungs unterschieden werden könne. Unter dieser Voraussetzung ist die Form nicht ästhetisch bedingt, sondern bloss äussere Zutat zur Kennzeichnung der Ware und darf daher von andern Herstellern nicht nachgemacht werden ( BGE 103 II 215 E. 3, BGE 95 II 477 , BGE 92 II 206 E. 6 mit Hinweisen). Nach dem angefochtenen Urteil lässt sich nicht sagen, die klägerischen Stiefel-Modelle hätten sich wegen ihrer besonderen Ausstattung im Verkehr durchgesetzt. Das Handelsgericht hält der Klägerin entgegen, sie behaupte selbst nicht, ihre Stiefel hätten eine solche Geltung erreicht, dass das kaufende Publikum aus ihrem Aussehen auf die richtige Herkunft schliesse. Ein BGE 104 II 322 S. 333 Anzeichen für die Herkunft könnte zudem einzig im Panda-Bär erblickt werden, der aber nicht auf die Klägerin, sondern auf den WWF hinweise. Dagegen ist nicht aufzukommen mit der Behauptung, die Verkehrsgeltung sei durch die unbestrittenen Retoursendungen bewiesen. Dass im Fachhandel Verwechslungen vorgekommen sind, heisst nicht, auch Käuferkreise hätten Stiefel der streitigen Art ohne weiteres der Klägerin zugerechnet. Der Einwand sodann, die schmückende Ausstattung oder andere Formelemente ihrer Stiefel hätten von Anfang an eine die Herkunft kennzeichnende Funktion gehabt, ist kaum ernst gemeint und durch nichts belegt. Es fällt gegenteils auf, dass die Klägerin ihre Stiefel nicht mit der Firma oder Marke "BATA" versehen hat, um selber Verwechslungen vorzubeugen oder die angeblich beabsichtigte Unterscheidung der Ware im Verkehr zu sichern. Ob sie das Zeichen weggelassen hat, weil sie es nicht mit billigen Massenartikeln in Verbindung bringen wollte, kann offen bleiben. Festzuhalten ist dagegen, dass Käufer solcher Artikel sich erfahrungsgemäss um deren Herkunft überhaupt nicht kümmern ( BGE 92 II 209 , BGE 87 II 56 ). Soweit die Klägerin die Verwechslungsgefahr bei Stiefeln ohne schmückende Ausstattung mit andern Elementen, insbesondere mit den reliefartigen Linien, dem Schnürverschluss, der Gelenkstütze, der Sohlenaufteilung oder der losen Innensohle begründen will, geht sie ebenfalls fehl. Solche Merkmale sagen über die Herkunft der Ware nichts aus, weil in dieser Hinsicht alle Erzeugnisse der betreffenden Art, woher sie auch kommen mögen, annähernd gleich aussehen. Deswegen lässt sich nicht sagen, die nachgemachte Ware könne mit der eines bestimmten Mitbewerbers verwechselt werden. Sie kann mit allen Waren dieser Art verwechselt werden, aber verletzt ist keiner der Mitbewerber, weil keiner einen Anspruch darauf hat, Waren dieser Ausgestaltung allein herzustellen. b) Eine andere Frage ist, ob unlauterer Wettbewerb gemäss der in Art. 1 Abs. 1 UWG enthaltenen Generalklausel vorliege. Nach dieser Bestimmung gilt jeder Missbrauch des wirtschaftlichen Wettbewerbs durch täuschende oder andere Mittel, die gegen Treu und Glauben verstossen, als unlauter. Das Gesetz will damit dem Richter die Möglichkeit geben, von den Sonderbestimmungen des Abs. 2 nicht oder nur teilweise erfasste Sachverhalte im Lichte des Grundsatzes von Treu und Glauben allseitig zu würdigen ( BGE 102 II 294 ). Dies rechtfertigt sich BGE 104 II 322 S. 334 namentlich in Fällen der Ausbeutung fremder Leistung, wozu Mitbewerber nach der Erfahrung vor allem dann versucht sind, wenn wegen des grossen oder vielfältigen Angebotes allgemein ein harter Konkurrenzkampf besteht. Die Klägerin wirft der Beklagten denn auch vor, sie habe sich jeweilen prompt von ihren Modellen "inspirieren" lassen und diese systematisch nachgeahmt, um aus ihrem Goodwill Nutzen zu ziehen. Die wettbewerbliche Leistung eines Konkurrenten gegen die missbräuchliche Ausnützung durch andere zu schützen, gehört zu den Grundgedanken des Wettbewerbsrechtes ( BGE 87 II 56 ). Die Grenzen dieses Schutzes sind schwierig festzusetzen, weil schon das Spannungsverhältnis zwischen den Spezialgesetzen über den gewerblichen Rechtsschutz und dem Wettbewerbsrecht Unklarheiten schafft. Regel muss aber bleiben, dass spezialrechtlich nicht geschützte Arbeitsergebnisse als solche wettbewerbsrechtlich ebenfalls nicht schützbar sind, mögen sie auch mit Mühe und Kosten errungen worden sein. Die ästhetische Ausgestaltung einer Ware ist in Bereichen, die vom Muster- oder Modellschutz nicht erfasst werden, nicht das Monopol ihres geistigen Urhebers ( BGE 95 II 468 , BGE 87 II 63 ). Besondere Umstände können indes selbst ein Verhalten, das nach Muster- oder Modellrecht nicht zu beanstanden ist, im Sinne von Art. 1 Abs. 1 UWG missbräuchlich machen und daher die Anwendung dieser Bestimmung rechtfertigen. Das ist in BGE 90 II 56 E. 6 zum Beispiel aus den Begleitumständen einer Nachahmung gefolgert worden. Dagegen hat das Bundesgericht mangels tatsächlicher Voraussetzungen bisher offen gelassen, ob das planmässige Heranschleichen an eine fremde Ausstattung als unlauterer Wettbewerb zu werten sei ( BGE 95 II 199 und 469). Das ist an sich ebenfalls zu bejahen. Die systematische Häufung raffinierter Nachahmungen "bis an die Grenze des Unzulässigen" ist mit Treu und Glauben ebensowenig zu vereinbaren, wie eine einmalige genaue Nachahmung, wenn sie wie diese darauf angelegt ist, den guten Ruf des Konkurrenzerzeugnisses in schmarotzerischer Weise auszubeuten (KUMMER, ZBJV 107/1971, S. 228; DAVID, Schweiz. Wettbewerbsrecht, S. 392/393). c) Solche Umstände erblickt die Klägerin darin, dass die Beklagte ihr Sortiment von Anfang an in Anlehnung an die hinterlegten Modelle aufgebaut und damit eine eigentliche Nachahmungspolitik betrieben habe. Dieser Vorwurf ist auf die BGE 104 II 322 S. 335 Stiefel mit schmückender Ausstattung von Kragen oder Schaftaussenseite zu beschränken, für die der Modellschutz im Verfahren aufrechterhalten worden ist (Panda, Luchs, Sheriff); die andern Stiefel fallen dabei ausser Betracht, weil ihre Ausstattung wenig typisch ist und ihre Inverkehrsetzung und praktische Bedeutung ungenügend abgeklärt sind. Aus den hievor angestellten Vergleichen ergeben sich allerdings auffallende Ähnlichkeiten zwischen den Stiefeln der Beklagten und den Panda-, Luchs- und Sheriff-Modellen der Klägerin, weshalb diesbezüglich von einer deutlichen "Annäherung", einem "Ablauschen" (KUMMER a.a.O.) gesprochen werden kann. Diese Ähnlichkeiten reichen indes nicht aus; erforderlich ist eine systematische Annäherung. Von einer solchen kann hier noch nicht die Rede sein, da es sich nur um drei Modelle handelt und beide Parteien zahlreiche andere Typen hergestellt und vertrieben haben, für die der Vorwurf nicht zutrifft. Es rechtfertigt sich in diesem Sinn Zurückhaltung, wenn auf Grund von Art. 1 Abs. 1 UWG ein Verhalten, das modellrechtlich nicht zu beanstanden ist und von den besonderen Tatbeständen des Art. 1 Abs. 2 UWG nicht erfasst wird, als systematische Annäherung geahndet werden soll. 6. Liegt somit weder eine Verletzung von Modellrechten noch unlauterer Wettbewerb zum Nachteil der Klägerin vor, so ist deren weiteren Klagebegehren der Boden entzogen, die Berufung der Klägerin folglich in vollem Umfange abzuweisen.
10,807
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Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung und die Anschlussberufung werden abgewiesen, und das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Bern vom 8. Dezember 1977 wird bestätigt.
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Sachverhalt ab Seite 98 BGE 85 III 98 S. 98 Die Filiale La Chaux-de-Fonds der Firma Jacky, Maeder & Co. erwirkte am 6. Februar 1959 für eine Schadenersatzforderung aus Transportvertrag von Fr. 40'000.-- einen Arrestbefehl gegen die Königlich-niederländische Luftverkehrsgesellschaft KLM. Am 9. Februar 1959 vollzog das Betreibungsamt Zürich diesen Befehl. Am 14. Februar 1959 schrieb A.J. Maeder dem Audienzrichteramt des Bezirksgerichtes Zürich (Arrestbehörde) auf Geschäftspapier der Zürcher Filiale der Firma Jacky, Maeder & Co. was folgt: BGE 85 III 98 S. 99 "Betrifft: Arrest Jacky, Maeder & Co., La Chaux-de-Fonds, gegen KLM vom 6. Februar 1959, Forderungssumme Fr. 40'000.--. Wie mir die KLM mitteilt, ist gegen sie ein Arrestbefehl erwirkt worden, bei welchem angeblich die Firma Jacky, Maeder & Co., La Chaux-de-Fonds, als Gläubiger auftritt. In meiner Eigenschaft als vertretungsberechtigter Gesellschafter der Firma Jacky, Maeder & Co. teile ich Ihnen mit, dass meine Firma kein Verfahren gegen die KLM einzuleiten wünschte. In dem Falle, um den es sich vermutlich handelt, hat die Firma Jacky, Maeder & Co. ihre Ansprüche gegenüber der KLM im Sommer 1958 an Herrn Dr. Max Lebedkin, Rechtsanwalt von Herrn Jules Hirsch cediert. Die Firma Jacky, Maeder & Co., wünscht daher, dass der Arrestbefehl in ihrem Namen aufgehoben werde." Der Substitut des Audienzrichteramtes schickte dieses Schreiben "zur Kenntnisnahme" an das Betreibungsamt. Rechtsanwalt Dr. Lebedkin, den der Arrestbefehl als Vertreter der Arrestgläubigerin bezeichnet, teilte dem Betreibungsamt auf eine telephonische Anfrage hin mit, der Arrest sei nicht aufzuheben; das Schreiben vom 14. Februar 1959 müsse auf einem Irrtum beruhen. Deshalb liess das Amt die Beschlagnahme bestehen. Am 23. Februar 1959 schrieb A.J. Maeder dem Audienzrichteramt unter Bezugnahme auf sein Schreiben vom 14. Februar: "Eben stelle ich fest, dass Ihnen das obige Schreiben irrtümlicherweise zugestellt wurde. Da es sich um einen Irrtum in meinem Sekretariat handelt, bitte ich Sie, das genannte Schreiben als annulliert zu betrachten und ich hoffe, dass diese Null- und Nichtigerklärung dazu genügen wird. Die Firma Jacky, Maeder & Co. wünscht nicht, dass der Arrestbefehl in ihrem Namen aufgehoben werde." Auch dieses Schreiben wurde zur Kenntnisnahme an das Betreibungsamt weitergeleitet. Schon am 21. Februar 1959 hatte die Arrestschuldnerin Beschwerde geführt mit dem Antrag, der Arrest sei auf Grund der Rückzugserklärung Maeders vom 14. Februar 1959 aufzuheben. Diese Beschwerde ist von der untern Aufsichtsbehörde abgewiesen, von der kantonalen Aufsichtsbehörde dagegen am 26. Juni 1959 gutgeheissen worden. Das Bundesgericht schützt den Rekurs der Arrestgläubigerin und weist die Beschwerde ab. BGE 85 III 98 S. 100
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Erwägungen Aus den Erwägungen: Die Vorinstanz hat mit Recht angenommen, die Arrestschuldnerin sei legitimiert gewesen, durch Beschwerde geltend zu machen, dass der Arrestvollzug auf Grund des Schreibens der Gegenpartei vom 14. Februar 1959 aufzuheben sei. Ebenso ist der Vorinstanz darin beizustimmen, dass der Arrestgläubiger auf einen bereits vollzogenen Arrest verzichten kann mit der Folge, dass das Betreibungsamt den Arrestvollzug aufzuheben hat. Im vorliegenden Falle hat jedoch die Arrestgläubigerin keine Erklärung abgegeben, die dem Betreibungsamt hätte Anlass geben können, den zu ihren Gunsten erfolgten Arrestvollzug aufzuheben. a) Das Schreiben vom 14. Februar 1959, auf das die Arrestschuldnerin sich beruft, ist nicht an das Betreibungsamt, sondern an das Audienzrichteramt, d.h. an die Arrestbehörde adressiert. Ausser in Fällen, wo das Gesetz ausdrücklich das Gegenteil bestimmt (vgl. z.B. Art. 75 Abs. 2 OG ), hat sich eine Behörde mit Eingaben, die nicht an sie, sondern an jemand anders gerichtet sind, nicht zu befassen. Der EntscheidBGE 51 III 35ff., der ein Betreibungsamt dazu anhielt, einen vom Schuldner gegenüber dem Gläubiger erklärten Rückzug des Rechtsvorschlags zu berücksichtigen, bestätigt diese Regel. Er beruht auf der Erwägung, dass der Schuldner die Rückzugserklärung zuhanden des Betreibungsamtes ausgestellt und der Gläubiger sie diesem als Bote des Schuldners übermittelt habe. Diese Annahme war dadurch gerechtfertigt, dass der Schuldner seine Erklärung auf dem Gläubigerdoppel des Zahlungsbefehls, das die Mitteilung des Rechtsvorschlags enthielt, angebracht hatte und dass die Erklärung ihrem Inhalte nach zweifellos für das Betreibungsamt bestimmt war. Im vorliegenden Falle sind ähnliche Umstände nicht gegeben. Das Schreiben vom 14. Februar 1959 wendete sich ausdrücklich an die Arrestbehörde, nicht an das Betreibungsamt, und sprach von der Aufhebung des Arrestbefehls, BGE 85 III 98 S. 101 nicht des Arrestvollzugs. Der Arrestbefehl konnte - wenn überhaupt - nur von der Arrestbehörde, nicht vom Betreibungsamt aufgehoben werden. Aus dem Gesuch, der Arrestbefehl sei aufzuheben, war nicht ohne weiteres zu schliessen, dass die Gläubigerin auch die Aufhebung des allenfalls bereits erfolgten Arrestvollzugs wünsche. Es lässt sich daher nicht sagen, das Schreiben vom 14. Februar 1959 sei, obwohl ausdrücklich an die Arrestbehörde gerichtet, seinem Inhalt nach unzweifelhaft (auch) für das Betreibungsamt bestimmt gewesen. Kein Gesetz verlangte, dass die Arrestbehörde dieses Schreiben an das Betreibungsamt weiterleitete, und dieses war seinerseits nicht verpflichtet, das ihm "zur Kentnnisnahme" übermittelte Schreiben zu beachten. Die Korrespondenz zwischen Gläubiger und Arrestbehörde geht das Betreibungsamt nichts an. Schon deswegen ist die von der Vorinstanz gutgeheissene Beschwerde der Arrestschuldnerin unbegründet...
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Sachverhalt ab Seite 70 BGE 111 III 70 S. 70 Die Ersparniskasse Nidwalden strengte gegen die Alpenblick Immobilien AG mit Zahlungsbefehl Nr. 4097 des Betreibungsamtes Giswil vom 19. April 1984 Betreibung auf Pfandverwertung an für eine Forderung von Fr. 400'000.--, die durch eine Grundpfandverschreibung auf den Grundstücken der Schuldnerin in Giswil gesichert war. Der Rechtsvorschlag der Schuldnerin wurde beseitigt, und der Gläubigerin wurde vom Richter die provisorische Rechtsöffnung erteilt. Mit Zahlungsbefehl Nr. 25782 des Betreibungsamtes Nidwalden vom 14. März 1984 hatte die Ersparniskasse Nidwalden die Alpenblick Immobilien AG auch für eine Forderung von Fr. 31'635.-- betrieben. Nachdem der Rechtsvorschlag der Schuldnerin beseitigt worden war und die Gläubigerin das Fortsetzungsbegehren gestellt hatte, erliess das Amt die Konkursandrohung. Am 22. Februar 1985 eröffnete der Konkursrichter von Nidwalden über die Schuldnerin den Konkurs, wogegen diese beim Obergericht des Kantons Nidwalden Berufung einlegte. Ihr Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung wurde am 8. März 1985 abgelehnt. Am 18. Juli 1985 hiess das Obergericht die Berufung indessen gut und hob das Konkursdekret auf, weil die Schuldnerin den Nachweis erbracht hatte, dass inzwischen sämtliche mit der Konkursandrohung verbundenen Forderungen bezahlt worden seien. Am 21. August 1985 stellte die Ersparniskasse Nidwalden in der Betreibung Nr. 4097 des Betreibungsamtes Giswil das Verwertungsbegehren. Daraufhin erliess das Betreibungsamt die Steigerungsanzeige, BGE 111 III 70 S. 71 in welcher die Steigerung der gepfändeten Liegenschaften in Giswil auf den 9. November 1985 angesetzt wurde. Nachträglich wurde die Versteigerung auf den 23. November und schliesslich auf den 4. Januar 1986 verschoben. Gegen die Ansetzung der Versteigerung in der Betreibung Nr. 4097 des Betreibungsamtes Giswil erhob die Alpenblick Immobilien AG Beschwerde, welche von der Obergerichtskommission des Kantons Obwalden als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs am 24. Oktober 1985 abgewiesen wurde. Die Alpenblick Immobilien AG führt Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts mit den Anträgen, den Entscheid der Obergerichtskommission vom 24. Oktober 1985 und die Betreibung Nr. 4097 aufzuheben und die angesetzte Steigerung zu annullieren. Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer weist den Rekurs ab.
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Erwägungen Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: 1. In der vorliegenden Rekursschrift stellt sich die Rekurrentin auf den Standpunkt, dass mit der Konkurseröffnung vom 22. Februar 1985 die Betreibung Nr. 4097 auf Grundpfandverwertung dahingefallen sei. Da ihrer Berufung gegen das Konkurserkenntnis die aufschiebende Wirkung versagt worden sei, sei der Konkurs rechtskräftig eröffnet worden und habe die vom Gesetz vorgesehenen Wirkungen entfaltet. Die Tatsache, dass das Konkursdekret schliesslich am 18. Juli 1985 aufgehoben worden sei, habe dieselben Folgen wie der Widerruf des Konkurses nach Art. 195 SchKG . Dies gelte um so mehr, als das Obergericht die Berufung gegen die Konkurseröffnung wegen des Vorliegens neuer Tatsachen gutgeheissen habe. Wäre indessen der Berufung gegen das Konkurserkenntnis die aufschiebende Wirkung erteilt und die Berufung anschliessend abgewiesen worden, so wäre der Konkurs am Tag des Entscheids des Obergerichts eröffnet worden. Da aber der Berufung die aufschiebende Wirkung verweigert worden und die Konkurseröffnung damit gültig geblieben sei, habe sie ihre Wirkungen seit dem Erlass des Konkursdekrets vom 22. Februar 1985 durch den Konkursrichter entfaltet. Die Betreibung auf Grundpfandverwertung sei daher gemäss Art. 206 SchKG aufgehoben worden. Sie könne nicht wieder aufleben, wenn das Konkursdekret des erstinstanzlichen Richters im BGE 111 III 70 S. 72 Berufungsverfahren aufgehoben werde. Dies sei auch beim Widerruf des Konkurses nach Art. 195 SchKG oder bei der Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven nach Art. 230 SchKG nicht der Fall. 2. Dieser Betrachtungsweise der Rekurrentin kann indessen aus den folgenden Überlegungen nicht gefolgt werden: a) Die Rekurrentin beruft sich zur Begründung ihres Standpunkts auch auf Art. 230 SchKG . Es ist jedoch offensichtlich, dass im vorliegenden Fall keine Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven gemäss Art. 230 SchKG erfolgt ist. Dieses Vorgehen ist erst angezeigt, wenn der Konkurs definitiv eröffnet worden ist und das Konkursamt feststellt, dass keinerlei zur Masse gehörendes Vermögen vorhanden ist, wovon es dem Konkursgericht Anzeige erstattet. Dieses beschliesst daraufhin die Einstellung und Schliessung des Konkursverfahrens, falls nicht ein Gläubiger die Kosten für dasselbe sicherstellt. Im vorliegenden Verfahren ist jedoch nichts Derartiges geschehen, so dass Art. 230 SchKG nicht zur Anwendung kommt. Überdies ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass nach der Rechtsprechung auch bei der Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven die Betreibungen auf Pfandverwertung, die in Anwendung von Art. 206 SchKG aufgehoben wurden, weil die Konkurseröffnung definitiv war, nach Schliessung des Konkurses weitergeführt werden ( BGE 88 III 21 /22 E. 2). b) Ebensowenig ist im vorliegenden Fall ein Widerruf des Konkurses im Sinne von Art. 195 SchKG gegeben. Dieser kann erst erfolgen, nachdem ein endgültiges Konkurserkenntnis vorliegt und die Gläubiger ihre Forderungen im Konkurs eingereicht haben (AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 3. Aufl., S. 312 N. 6). Die Gesamtheit der Passiven muss feststehen, damit der Schuldner den Nachweis erbringen kann, dass sämtliche Gläubiger ihre Konkurseingaben zurückziehen. Aber auch diese Voraussetzung trifft im vorliegenden Fall nicht zu. Die Obergerichtskommission hat die Konkurseröffnung annulliert, obwohl ihr bekannt war, dass eine Betreibung auf Pfandverwertung hängig war und dass die der Betreibung zugrundeliegende Forderung weder bezahlt worden war, noch dass die Gläubigerin auf deren Geltendmachung verzichtet hatte. Die in BGE 75 III 69 in fine offengelassene Frage, ob gewisse Betreibungen auch nach dem Konkurswiderruf gemäss Art. 195 SchKG weitergeführt werden könnten, wie dies nach der Einstellung des Konkurses mangels BGE 111 III 70 S. 73 Aktiven im Sinne von Art. 230 SchKG der Fall ist, braucht somit auch hier nicht geprüft zu werden. 3. In Wirklichkeit war der Konkurs am 22. Februar 1985 gemäss Art. 175 SchKG eröffnet worden und entfaltete seine Wirkungen bis zum Entscheid des Obergerichts vom 18. Juli 1985. Indessen war die Konkurseröffnung nicht definitiv wegen des hängigen Berufungsverfahrens. Die Massnahmen, die das Konkursamt während dieses Verfahrens treffen konnte, und die Rechtswirkungen des Konkurses konnten nur als vorsorgliche Anordnungen im Sinne von Art. 170 SchKG gelten, da schliesslich nicht auf Konkurs erkannt wurde. Nachdem das Konkurserkenntnis des Konkursrichters aufgehoben worden war, mussten auch die vom Konkurs entfalteten Wirkungen dahinfallen. In Übereinstimmung mit der Obergerichtskommission ist daher anzunehmen, dass die vor dem Erlass des Konkursdekrets angehobene Betreibung auf Pfandverwertung, soweit sie gestützt auf Art. 206 SchKG dahingefallen war, wieder gültig wurde, nachdem definitiv feststand, dass kein Konkurs durchgeführt werde. Jede andere Lösung hätte zur Folge, dass ein nicht erfolgter Konkurs Wirkungen entfalten könnte, was insbesondere auch im Hinblick auf Art. 206 SchKG unmöglich wäre. Unter dem Gesichtspunkt des Bundesrechts spielt die Begründung, mit der die Berufung gegen das Konkursdekret gutgeheissen wurde, keine Rolle. Ob es sich bei den von der Rekurrentin vorgebrachten neuen Tatsachen um Nova im eigentlichen Sinne gehandelt habe oder nicht, ist eine Frage, die sich nicht nach Bundesrecht beurteilt (vgl. GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, S. 238). Ist die Betreibung Nr. 4097 nach dem Ausgeführten nicht dahingefallen, so hat das Betreibungsamt Giswil die Versteigerung der Liegenschaften der Schuldnerin zu Recht angeordnet. Damit erweist sich der Rekurs als unbegründet.
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Sachverhalt ab Seite 116 BGE 105 II 114 S. 116 Der Togalkonzern setzt sich zusammen aus der Togal AG und den Togalwerken Lugano, Wien und München. Die Togal AG war in den dreissiger Jahren mit Sitz in Zürich gegründet worden "zur dauernden Verwaltung von Beteiligungen samt Finanzierung von Betriebsgesellschaften auf pharmazeutischem Gebiet im allgemeinen und für das Togal im speziellen". Seit 1965 befinden sich 2/3 des Aktienkapitals der Togal AG in der Hand ihres Verwaltungsratspräsidenten Gerhard Smith, während dessen Bruder Günther Schmidt über den letzten Drittel verfügt. Die Togal AG ist Alleinaktionärin des Togalwerks Lugano sowie - teils mittelbar über das Togalwerk Lugano - des Togalwerks Wien, wogegen Günther Schmidt praktisch Alleinaktionär des Togalwerks München ist. Seit anfangs der sechziger Jahren kam es zwischen Günther Schmidt und Gerhard Smith zu Auseinandersetzungen, die ab 1965 vor allem die Frage betrafen, ob die Rechte des Minderheitsaktionärs der Togal AG, Günther Schmidt, ausreichend gewahrt seien. 1970 erhob Günther Schmidt beim Handelsgericht des Kantons Zürich gestützt auf Art. 736 Ziff. 4 OR Klage auf Auflösung der Togal AG. Mit Urteil vom 31. Oktober 1978 hiess das Handelsgericht die Klage gut. Die von der Beklagten eingelegte Berufung weist das Bundesgericht ab aus folgenden
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Erwägungen Erwägungen: 1. Nach Art. 736 Ziff. 4 OR wird die Aktiengesellschaft durch Urteil des Richters aufgelöst, wenn Aktionäre, die zusammen mindestens einen Fünftel des Grundkapitals vertreten, aus wichtigen Gründen die Auflösung verlangen. Streitig ist vor Bundesgericht einzig, ob die vom Handelsgericht festgestellten Tatsachen als wichtige Gründe die Auflösung der Beklagten zu rechtfertigen vermögen. Das angefochtene Urteil stützt sich dabei einerseits auf Missachtung der Kontrollrechte des Klägers als Aktionär und der Vorschriften über die Einberufung der Generalversammlung und anderseits BGE 105 II 114 S. 117 auf Missbrauch der Mehrheitsstellung durch Gerhard Smith zu seinem finanziellen Nutzen und zum Nachteil des Klägers. In der einen wie in der andern Hinsicht handelt es sich um zahlreiche Vorfälle aus den Geschäftsjahren 1965 bis 1974. Die Beklagte bestreitet zu Recht nicht, dass das Handelsgericht dabei auch Vorkommnisse berücksichtigen durfte, die sich nach Prozesseinleitung im April 1970 zutrugen. Dagegen legt sie mehrere Zuschriften von Prof. W. Bürgi ins Recht, in welchen das angefochtene Urteil kritisiert wird. Diesen Äusserungen kommt lediglich die Bedeutung von Berufungsvorbringen zu, welche gegenüber den wissenschaftlichen Publikationen Bürgis in den Hintergrund treten. 2. Streitigkeiten entstanden einmal mit Bezuge auf die Einberufung der Generalversammlung und der in diesem Zusammenhang einzuhaltenden Formvorschriften, welche die Mitverwaltungs- und Kontrollrechte des Aktionärs berühren ( Art. 699 und 700 OR ). a) Da das Geschäftsjahr der Beklagten mit dem Kalenderjahr zusammenfiel, hätte die Generalversammlung gemäss Art. 699 Abs. 2 OR jeweils spätestens Ende Juni des folgenden Jahres stattfinden sollen. In den ersten Jahren nach dem Mehrheitserwerb durch Smith wurde dieser Vorschrift nicht nachgelebt, so dass es für die vier Geschäftsjahre 1965-1968 eines Einberufungsbegehrens an den Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich bedurfte. Während sich für die Geschäftsjahre 1969-1971 keine Beanstandung ergab, spitzten sich die Dinge für das Geschäftsjahr 1972 zu: Für eine erste Generalversammlung war nicht fristgerecht eingeladen worden, weshalb der Kläger beim Handelsgericht Anfechtungsklage erhob. Weil die Beklagte die in diesem Verfahren vereinbarte Wiederholung der Generalversammlung unterliess, ersuchte der Kläger den Einzelrichter um einen entsprechenden Befehl. Dieser erging, blieb jedoch wirkungslos, worauf der Einzelrichter im Vollstreckungsverfahren die Durchführung der Generalversammlung durch den zuständigen Notar anordnete und Smith in Fr. 100.- Ordnungsbusse verfällte. Die Beklagte rekurrierte sowohl gegen den Befehl wie gegen seine Vollstreckung an das Obergericht, führte dann aber die Generalversammlung durch; ihre Rekurse wurden teils zu ihren Lasten abgeschrieben, teils abgewiesen. Für die Geschäftsjahre 1973-1976 wurde die ordentliche Generalversammlung rechtzeitig abgehalten. Im BGE 105 II 114 S. 118 Geschäftsjahr 1974 ergaben sich aber Anstände mit der von der Beklagten beabsichtigten Sitzverlegung nach Lugano, wofür es dreier Generalversammlungen bedurfte. Die beiden ersten waren nicht formgerecht einberufen worden, was zu zwei Anfechtungsklagen des Klägers führte, von welchen die eine beim Friedensrichter anerkannt, die andere gegenstandslos wurde. In diesem Zusammenhang kam es zudem noch zu einem Begehren des Klägers, der Einzelrichter möge die Sitzverlegung vorläufig untersagen, das die Beklagte wiederum anerkannte. b) Im Zusammenhang mit nicht ordnungsgemässer Einberufung der Generalversammlung kam es so zu zwölf gerichtlichen Verfahren. Alle diese Verfahren gingen, wie das Handelsgericht festhält, zugunsten des Klägers aus, wenn nicht durch Gutheissung oder Anerkennung, so doch durch Gegenstandslosigkeit zulasten der Beklagten. Dabei handelte es sich um leichtere Verstösse, die für sich allein keine Auflösung der Beklagten rechtfertigen. Die Verhältnisse haben sich zudem seit 1969 deutlich gebessert, vom Geschäftsjahr 1972 abgesehen, für welches Smith allerdings eine ungewöhnliche Renitenz bekundete. Die Beklagte macht unter Berufung auf Bürgi geltend, in kleinen Familiengesellschaften werde mit Formvorschriften allgemein grosszügig umgegangen. Das mag zutreffen, denn wo ein Vertrauensverhältnis besteht, werden Förmlichkeiten oft als unnötig empfunden. In Fällen aber, in denen ein Vertrauensverhältnis fehlt, weil die persönliche Beziehungen zwischen den Gesellschaftsmitgliedern getrübt sind, können und müssen die Formvorschriften eine Schutzfunktion erfüllen. Das trifft auch hier jedenfalls seit dem Mehrheitserwerb durch Smith im Jahre 1965 zu. Dass die Beklagte sich über die erwähnten Bestimmungen so leichtfertig hinwegsetzte, kann daher nicht ausser Acht gelassen werden. 3. a) Hinsichtlich der Kontrollrechte des Aktionärs insbesondere im Sinne von Art. 696 und 697 OR kam es seit 1965 ebenfalls zu zahlreichen Gerichtsverfahren. So wandte sich der Kläger für die Geschäftsjahre 1965, 1966, 1967, 1969, 1970, 1972 und 1973 an den zuständigen Einzelrichter, um Auskünfte zu erhalten, die ihm an den Generalversammlungen nicht oder nur ungenügend erteilt wurden. Für die Jahre 1965, 1966, 1967 und 1969 waren wegen Nichtbefolgung richterlicher Befehle besondere Vollstreckungsverfahren nötig, wobei es in zwei Fällen zur Bestrafung von Smith wegen Ungehorsams durch das BGE 105 II 114 S. 119 Statthalteramt kam. Weitere Verfahren ergaben sich für 1967, 1968 und 1972 zur Erlangung von Protokollabschriften oder Einsicht in Protokolle und andere Akten. Die Beklagte ihrerseits gelangte in diesen Verfahren mit mehreren Rekursen an das Obergericht, so für die Geschäftsjahre 1965, 1966, 1967, 1969 und 1972. Einzelrichter und Obergericht gingen dabei von Anfang an einlässlich auf die Einwendungen der Beklagten ein, doch liess sich diese dadurch nicht nachhaltig beeindrucken. Auseinandersetzungen dieser Art unterblieben für die Geschäftsjahre 1971 und 1974, weil der Kläger mit Rücksicht auf gerichtliche Vergleichsverhandlungen auf Auskünfte verzichtete, bzw. nicht an der Generalversammlung vertreten war. Für die Geschäftsjahre 1975 und 1976 ist streitig, ob an den Generalversammlungen in Lugano Fragen der Tessiner Anwälte des Klägers gehörig beantwortet wurden. Das Handelsgericht lässt offen, ob der Kläger auf weitere Anrufung des Richters nur deshalb verzichtete, weil nun der Sitz der Beklagten in den Kanton Tessin verlegt war. Einen derartigen Zusammenhang bestreitet die Beklagte. Immerhin erklärt sie selbst, es wären ihr allerhand Schwierigkeiten - offenbar mit den Zürcher Gerichten - erspart geblieben, wenn sie die Sitzverlegung schon früher vorgenommen hätte. b) Für die Geschäftsjahre 1965-1973 kam es so zu 21 weiteren gerichtlichen Verfahren. Alle diese Verfahren gingen wiederum zu Ungunsten der Beklagten aus. Schon diese Häufung ist eindrücklich, und besondere Widersetzlichkeit zeigte sich jeweils dort, wo es ausser zu erfolglosen Rekursverfahren auch noch zu Vollstreckungsmassnahmen und Bussen kommen musste. Der Vorinstanz ist darin beizupflichten, dass dieses Verhalten der Beklagten bzw. ihres Mehrheitsaktionärs als schwere und anhaltende Missachtung der Rechte des Klägers zu betrachten ist. Smith fühlte sich offenbar angegriffen, weil der Kläger namentlich nach seinen persönlichen Bezügen in den verschiedenen Gesellschaften forschte. Die hartnäckig abwehrende Haltung kann aber weder als blosse Zurückhaltung bezeichnet noch mit Einwänden gerechtfertigt werden, die vom Einzelrichter und vom Obergericht bereits widerlegt wurden. Ebensowenig hilft der Hinweis auf zurückhaltende Auskunftspolitik schweizerischer Handels- und Industrieunternehmungen, nachdem der Kläger sich mit solcher Zurückhaltung nicht abfand und seine Rechte wahren wollte. Darin erblickt die BGE 105 II 114 S. 120 Beklagte ein kleinliches Verhalten, ja ein systematisches Vorgehen des Klägers zur Diffamierung von Smith; Smith habe dann ebenso kleinlich reagiert, sei übertrieben verschlossen und misstrauisch geworden, und diese erheblichen Ungeschicklichkeiten habe der Kläger ausnützen können. Auf den Bruderzwist zwischen dem Kläger und Smith wird zurückzukommen sein (nachfolgend E. 7b). Es geht aber nicht an, dem Kläger seine verschiedenen rechtlichen Schritte vorzuwerfen und damit die Widersetzlichkeit der Beklagten zu rechtfertigen, nachdem, wie der jeweilige Verfahrensausgang zeigt, alle seine Rechtsschutzgesuche begründet waren, ihnen also Verstösse der Beklagten vorausgingen, und ihre Häufung sich nicht zuletzt daraus erklärt, dass die richterlichen Befehle und Belehrungen die Beklagte nicht von weiteren ähnlichen Verstössen abhielten. 4. Aufgrund der unter Ausübung seines Auskunftsrechtes beschafften Angaben über Eigenbezüge des Mehrheitsaktionärs der Beklagten behauptet der Kläger, Smith habe durch übermässige Bezüge und andere Vorteile seine Machtstellung auf finanziellem Gebiet fortgesetzt und schwer missbraucht, während der Kläger als Minderheitsaktionär erheblich benachteiligt worden sei. Die Beklagte bestreitet zu Recht nicht mehr, dass in dieser Hinsicht ausser ihren eigenen Leistungen auch jene der von ihr beherrschten Togalwerke Lugano und Wien zu berücksichtigen und dass dabei Smith auch die verhältnismässig bescheidenen Vergütungen an seine Angehörigen anzurechnen sind. a) In tatsächlicher Hinsicht stehen folgende Bezüge aufgrund des angefochtenen Urteils unwidersprochen fest: - Das Togalwerk Lugano richtete von 1965 bis 1973 an Smith Fr. 700'000.- an festen Vergütungen und Fr. 440'000.- an Tantiemen aus. Es richtete der Beklagten als Alleinaktionärin vorerst keine Dividende, seit 1968 eine solche von jährlich Fr. 3'200.- (4%) aus. - In den gleichen Jahren 1965 bis 1973 schüttete die Beklagte (ausgenommen 1967) insgesamt Dividenden von Fr. 575'000.- oder durchschnittlich Fr. 64'000.- jährlich aus, wovon ordnungsgemäss zwei Drittel an Smith und ein Drittel an den Kläger fielen. Ausserdem bezog Smith von der Beklagten 1970 bis 1973 Tantiemen von insgesamt Fr. 250'000.-. BGE 105 II 114 S. 121 - Das Togalwerk Wien zahlte Smith von 1969 bis 1973 feste Vergütungen von insgesamt rund Fr. 181'000.-. - Die Bezüge Smiths aus den drei Konzerngesellschaften beliefen sich in den letzterfassten vier Jahren 1970-1973 auf insgesamt Fr. 1'004'600.- oder pro Jahr durchschnittlich Fr. 251'150.-. Nicht berücksichtigt sind die Dividendenleistungen an Smith und ebensowenig die Spesenvergütungen der drei Gesellschaften an Smith mit einem Jahresdurchschnitt von Fr. 15'000.- und jährliche Verwaltungsvergütungen der Beklagten an Smith, die nur für 1972 mit Fr. 6'000.- bekannt sind. - Die Verhältnisse nach 1973 sind nur ungenügend bekannt und daher nicht berücksichtigt worden. b) Nach der Berufung kann von schwerer finanzieller Benachteilung nur dann die Rede sein, wenn infolge unangemessener Bezüge der geschäftsführenden Mehrheitsaktionäre ein Reingewinn und damit auch eine Dividende entfällt und die Minderheit deshalb leer ausgeht. Die Beklagte beruft sich dafür auf den grundlegenden BGE 67 II 162 ff., welcher diesen Fall jedoch ausdrücklich (S. 165) nur als Beispiel anführt, und gleiches gilt für die von der Beklagten zitierte Literatur. Die Minderheit kann wie durch Wegfall auch durch Kürzung der Dividenden benachteiligt werden, wenn dies missbräuchlich erfolgt und insbesondere auf übermässige Bezüge der Mehrheit zurückzuführen ist (vgl. a. FUNK, Komm. des Obligationenrechtes, II, N. 5 zu Art. 736 Mitte). Hier geht der Hinweis in der Korrespondenz Bürgis fehl, dass sich ein Aktionär zulasten seiner Dividende Abschreibungen und Rückstellungen gefallen lassen muss; bemängelt werden nicht Reservebildungen im Interesse der Gesellschaft, sondern es geht um den Vorwurf persönlicher Bereicherung des geschäftsführenden Mehrheitsaktionärs. Die Beklagte richtete fast immer eine beträchtliche Dividende aus, an welcher der Kläger anteilsgemäss partizipierte; diese Zahlungen sind daher nicht weiter zu berücksichtigen. Dagegen ist von Bedeutung, dass sich die persönlichen Bezüge Smiths als Verwaltungsvergütungen und Tantiemen auf den Reingewinn der Unternehmungen und letztlich auf die Dividendenausschüttung der Beklagten auswirkten. So richtete das Togalwerk Lugano, wie erwähnt, seit 1967 an Smith allein an Tantiemen total Fr. 440'000.- aus, während für Dividenden BGE 105 II 114 S. 122 nur total Fr. 19'200.- verblieben, und nur daran war der Kläger indirekt beteiligt. Zu Recht beanstandet das Handelsgericht sodann auch, wie vorher schon wiederholt der Revisor des Togalwerks Lugano, dass dieses in den Jahren 1967 und 1969-1971 zwischen 50 und 90% des Reingewinns als Tantiemen an Smith auszahlte. Für die Verwaltung der drei Unternehmungen zusammen bezog denn auch Smith in den letzterfassten vier Jahren 1970-1973 durchschnittlich mehr als Fr. 250'000.- pro Jahr, während als Dividende zugunsten der beiden Aktionäre in dieser Zeit jährlich nicht mehr als Fr. 60'000.- verblieben. c) Derartige Vergütungen an Mitglieder der Verwaltung müssen ausser durch die finanzielle Lage der Gesellschaft auch durch die Tätigkeit der Verwaltungsräte gerechtfertigt sein ( BGE 86 II 163 , BGE 84 II 553 E. 2). Das angefochtene Urteil hebt zu Recht diesen Gesichtspunkt besonders hervor. Die Verwaltung der Beklagten wird durch das Togalwerk Lugano geführt und stellt offenbar keine grossen Anforderungen; Smith bezog dafür eine zusätzliche Verwaltungsentschädigung, die vorstehend mangels genügender Zahlen unberücksichtigt blieb. Die Tätigkeit konzentriert sich offensichtlich beim Togalwerk Lugano, bei dem es sich aber ebenfalls um einen Kleinbetrieb mit nur etwa zehn vollbeschäftigten Angestellten handelt und bei welchem die Bezüge von Smith allein zwei Drittel der Gesamtlohnsumme ausmachen. Wie stark Smith als Verwaltungsrat und Geschäftsführer durch das Togalwerk Wien beansprucht wurde, ist weder von der Vorinstanz festgestellt noch mit der Berufung dargelegt; nachdem seine Bezüge dort erheblich geringer waren als im Togalwerk Lugano, kann angenommen werden, sein dortiger Einsatz halte sich in einem bescheideneren Rahmen. Nach Meinung der Beklagten waren die festgestellten Bezüge Smiths für die Führung der drei Unternehmungen nicht übermässig; verglichen mit den üblichen Bezügen der Leiter schweizerischer Unternehmungen seien jährliche Durchschnittsbezüge von Fr. 174'000.- nicht übersetzt. Der genannte Durchschnitt trifft zwar für die neun Jahre ab 1965 zu, doch ergibt sich ein wesentlich höherer Jahresdurchschnitt von über Fr. 250'000.-, wenn nur die letzterfassten vier Jahre 1970-1973 berücksichtigt werden. Vergleiche mit andern Unternehmungen scheitern sodann schon daran, dass die Berufung alle konkreten Angaben vermissen lässt, die einen Vergleich erlauben BGE 105 II 114 S. 123 würden; im übrigen könnte sich dieser ohnehin nur auf Unternehmungen beziehen, die hinsichtlich der Inanspruchnahme und Anforderungen an die Geschäftsführung im gleichen bescheidenen Rahmen liegen. 5. Die persönlichen Bezüge von Smith waren daher weder durch die Abschlüsse der verbundenen Gesellschaften noch durch seine persönliche Tätigkeit in diesen gerechtfertigt. Indem er sie sich gleichwohl zuhielt, missbrauchte er seine Mehrheitsstellung. Das gilt nach Ansicht der Vorinstanz auch für weitere Smith gewährte Vergünstigungen. a) Smith bewohnt mit seiner Familie die der Togalwerk Lugano gehörende Villa Maria-Luisa in Lugano-Massagno, welche elf Zimmer mit Nebenräumen enthält und in einem Park von 6273 m2 liegt. Dass die Jahresmiete von Fr. 13'800.- dafür bescheiden ist, wird vom angefochtenen Urteil verbindlich festgestellt und kann nicht mit dem Hinweis widerlegt werden, die Eidg. Steuerverwaltung habe diese Bewertung anerkannt. Eine Vergünstigung liegt sodann unbestritten darin, dass der genannte Mietzins von 1965 bis 1976 unverändert blieb. Als schwerwiegend betrachtet aber offenbar auch die Vorinstanz dieses Mietverhältnis nicht. b) Nach dem angefochtenen Urteil liess sodann Smith 1965 seine persönliche Bankschuld von 2,4 Millionen Franken durch die Beklagte übernehmen. Diesem Vorgang kommt heute keine Bedeutung mehr zu, nachdem Smith auf Einspruch des Klägers den entsprechenden Kredit schon 1966 zurückzahlte. c) Dagegen schuldet Smith der Beklagten seit 1965 Fr. 123'300.- bzw. seit 1967 Fr. 267'100.- zum (damals) vorteilhaften Zinsfuss von 4 1/2%. Obschon an der Generalversammlung über das Geschäftsjahr 1967 eine Reduktion dieser Position in Aussicht gestellt wurde, unterblieb diese, und es wurde seither gegenteils auch der Zins jeweils zum Kapital geschlagen, das sich bis Ende 1973 bereits auf Fr. 363'300.- belief. Dieses Darlehen verstösst nach Ansicht des Handelsgerichts gegen den statutarischen Zweck der Beklagten und bedeutet einen finanziellen Vorteil, den Smith dank seiner Mehrheitsstellung erlangte. Die Beklagte hält eine solche Darlehensgewährung unter den gegebenen Umständen für durchaus üblich, und auch der Kläger misst ihr mehr nur "als Teil des Mosaiks" Bedeutung zu. Auch hier kann nicht von einem schwerwiegenden Verhalten gesprochen werden, doch lässt dieses BGE 105 II 114 S. 124 Darlehen wie schon die Miete der Villa erkennen, dass Smith nicht nur durch die ausgewiesenen Bezüge aus seiner Stellung in dieser Unternehmung persönlichen Nutzen zog. 6. Zusammenfassend erklärt das Handelsgericht auf dieser Grundlage zu Recht, dass Smith seine Stellung als Mehrheitsaktionär der Beklagten sowohl hinsichtlich des Kontrollrechts des Klägers und seines Rechts auf gesetzmässige Einberufung der Generalversammlung als auch in finanzieller Hinsicht schwer und andauernd missbraucht und den Kläger als Minderheitsaktionär in krasser Weise benachteiligt hat. Was Smith sich während vieler Jahre zuschulden kommen liess, kann nach Ansicht des Handelsgerichts mit Rechtsbehelfen, die den Bestand der Beklagten unberührt lassen, nicht behoben werden. Das verleihe dem Interesse des Klägers an der Auflösung der Beklagten ein Gewicht, welches das Interesse der Beklagten an der Aufrechterhaltung der Gesellschaft deutlich überwiege. Das Vorliegen wichtiger Gründe im Sinn von Art. 736 Ziff. 4 OR sei daher zu bejahen. a) Die Beklagte hält dem entgegen, dass es sich bei der Auflösungsklage um ein ganz ausserordentliches Rechtsmittel handle. Wie sich aus dem von ihr angerufenen BGE 67 II 162 ff. ergibt, ist damit nichts anderes gemeint, als dass an das Erfordernis wichtiger Gründe mit Rücksicht auf die entgegenstehenden Interessen ein strengen Massstab anzulegen ist, was auch der Kläger gelten lässt, und dass dabei der Grundsatz der Subsidiarität oder der Verhältnismässigkeit des Mittels zu wahren ist. Wenn der genannte Entscheid zudem vom Verlust der inneren Existenzberechtigung einer AG spricht (S. 165), wird das nicht zur selbständigen Auflösungsvoraussetzung erhoben, sondern werden damit Gesellschaften beurteilt, in welchen ausschliesslich oder vorwiegend Privatinteressen der Mehrheit verfolgt werden. Es braucht deshalb mit einer Auflösungsklage auch nicht zugewartet zu werden, bis die Gesellschaft finanziell bereits ausgehöhlt ist; wichtige Gründe müssen nach Art. 736 Ziff. 4 OR nicht auf finanziellem Gebiet liegen. Es kommt daher auch nichts darauf an, welche Reserven die Beklagte noch besitzt. Wie bei anderen gesetzlichen Bestimmungen, die auf das Vorliegen wichtiger Gründe abstellen, ist der Einzelfall nach Recht und Billigkeit zu beurteilen ( Art. 4 ZGB ); dabei bedarf es nach zutreffender Ansicht der Vorinstanz stets der BGE 105 II 114 S. 125 Interessenabwägung (F. VON STEIGER, Das Recht der Aktiengesellschaft in der Schweiz, 4. Aufl., S. 335; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ, Einführung in das schweiz. Aktienrecht, S. 276, N. 18; TERCIER, La dissolution de la société anonyme pour justes motifs, in SAG 46/1974, S. 67 ff., insbes. S. 69). b) Für diese Interessenabwägung ist von besonderer Bedeutung, dass Art. 736 Ziff. 4 OR schon nach seiner Entstehungsgeschichte vor allem den Schutz der Minderheit gegen Machtmissbrauch der Mehrheit gewährleisten soll ( BGE 67 II 165 ; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ, a.a.O., S. 275, N. 14; BÜRGI, N. 39 zu Art. 736 OR ). Unter diesem Gesichtspunkt fallen auch Individualinteressen eines Minderheitsaktionärs in Betracht. Dass das Minderheitsinteresse nicht allzu geringfügig ist, wird vom Gesetz selbst durch die Einführung eines Quorums (Fünftel des Aktienbesitzes) sichergestellt. Umso weniger darf durch allzu restriktive Auslegung diese Form des Minderheitsschutzes praktisch um die ganze Wirksamkeit gebracht werden, worauf namentlich TERCIER zutreffend hinweist (a.a.O., insbes. S. 70 und 72). c) Diesem Minderheitsinteresse an der Auflösung steht ein gewichtiges Interesse der Gesellschaft bzw. ihrer Mehrheit am Fortbestand gegenüber. Zutreffend geht auch das Handelsgericht davon aus, dass eine Auflösung regelmässig nur in Betracht kommt, wenn der Kläger den Missstand nicht durch andere, weniger einschneidende Mittel beheben kann, so durch die Anfechtungs- oder Verantwortlichkeitsklage. In diesem Sinn bezeichnen Lehre und Rechtsprechung die Auflösung als "ultima ratio", unterstellen sie der Subsidiarität oder setzen für sie Verhältnismässigkeit voraus ( BGE 67 II 165 f., BGE 84 II 47 , BGE 104 II 35 ; für Verhältnismässigkeit insb. TERCIER, a.a.O., S. 73). Dem trägt das Handelsgericht nach der Berufung zu wenig Rechnung, weil der Kläger die Generalversammlungsbeschlüsse über die Gewinnverteilung und über die Entlastung hätte anfechten und die Verwaltung auf Schadenersatz hätte belangen können. Die geschilderte Rechtsprechung verzichtet aber mit guten Grund auf ein absolutes Erfordernis, sondern formuliert nur eine Regel, die Ausnahmen durchaus zulässt; das ergab sich schon aus BGE 67 II 166 , wurde dann in BGE 84 II 47 ausdrücklich hervorgehoben und wird namentlich von BÜRGI betont (N. 43, a.a.O.). Auch dieser bezeichnet zwar die Auflösungsklage als "ultima ratio", sieht darin aber "den fast BGE 105 II 114 S. 126 einzigen Schutz des geltenden Gesetzes gegen missbräuchliche Anwendung einer Machtposition gegenüber der Minderheit" (N. 39 und 49, a.a.O.; entsprechend auch GUHL/MERZ/KUMMER, S. 642, und näher WILFRIED BERTSCH, Die Auflösung der Aktiengesellschaft aus wichtigen Gründen, Diss. Zürich, S. 49-51). d) Nach diesen Grundsätzen ist zu prüfen, ob dem Kläger Rechtsbehelfe offen gestanden hätten und zuzumuten waren, die geeignet waren, die genannten Missstände ohne Auflösung der Beklagten zu beseitigen. Dass der Kläger alles Zumutbare getan hat, um sein Auskunftsrecht und seinen Anspruch auf gehörige Einberufung der Generalversammlung durchzusetzen, bestreitet zu Recht auch die Beklagte nicht; wie dargelegt, kam es zu über dreissig Gerichtsverfahren, darunter zu drei Anfechtungsklagen. Die Beklagte verneint aber einen Auflösungsgrund, weil die Anrufung des Richters dem Kläger jeweils zu seinen Rechten verholfen habe. Dieses Argument verkennt die Intention des Art. 736 Ziff. 4 OR . Die Auflösungsklage soll dann eingesetzt werden, wenn die untragbaren Verhältnisse in der Aktiengesellschaft anders praktisch nicht zu beseitigen sind. Untragbar ist vorliegend die Einstellung der Mehrheit der Beklagten, welche durch eine langjährige Rechtsverweigerung eine missbräuchliche Haltung an den Tag legt. Wohl konnten die einzelnen Verstösse mit Hilfe des Richters behoben werden, dagegen vermochten diese Prozesse infolge einer aussergewöhnlichen Uneinsichtigkeit des Mehrheitsaktionärs an der grundsätzlichen Einstellung der Beklagten ihrem Minderheitsaktionär gegenüber offensichtlich nichts zu ändern. Nichts rechtfertigt daher die Erwartung, der Kläger werde künftig zu seinem Recht kommen, ohne Jahr für Jahr richterliche Hilfe zu beanspruchen. Das ist ihm nicht zuzumuten. Ähnlich liegen die Dinge im Zusammenhang mit den Bezügen des Mehrheitsaktionärs. Hier möchte die Beklagte den Kläger auf die Anfechtung von Gewinnverteilungs- und Entlastungsbeschlüssen und auf Schadenersatzklagen verweisen, wovon der Kläger bisher nicht Gebrauch gemacht hat. Nun belegt aber das Verhalten der Beklagten zum Auskunftsrecht des Klägers eindrücklich, dass sie sich auch durch ihr ungünstige Gerichtsentscheide nicht nachhaltig beeindrucken und belehren lässt. Rechtsschritte gegen die Bezüge von Smith hätten daher ebensowenig einen bleibenden Erfolg erzielt, sondern BGE 105 II 114 S. 127 hätten wohl Jahr für Jahr wiederholt werden müssen. Der hartnäckige und anhaltende Machtmissbrauch als solcher hätte auf diese Weise nicht wirksam auch für die Zukunft unterbunden werden können. Dem Kläger blieb deshalb nur die Auflösungsklage, um tatsächlich Abhilfe zu schaffen (vgl. auch BERTSCH, a.a.O., S. 53, 59 und 61). Es gilt dies umso mehr, als der Kläger für derartige Anfechtungs- oder Verantwortlichkeitsklagen gerade jener Angaben bedurfte, welche die Beklagte ihm so systematisch vorenthielt; damit wurde ihm die Einhaltung der zweimonatigen Klagefrist des Art. 706 Abs. 4 OR meist verunmöglicht (BERTSCH, a.a.O., S. 56). Schliesslich ist auch zu bedenken, dass der Kläger nur Aktionär der Beklagten ist und ihm daher ein Vorgehen gegen die Tochtergesellschaften, bei denen diese Vergütungen aufgetreten sind, versagt oder doch erschwert ist ( Art. 706 und 755 OR ; vgl. SIEGWART, Einleitung, N. 155 und 175 f.). 7. Die Auflösung der Beklagten entscheidet sich auf dieser Grundlage in Abwägung der konkreten auf dem Spiele stehenden Interessen. Der Freundschaftsvertrag von 1953 zwischen den verschiedenen Togal-Gesellschaften, an dem auch der Kläger und Smith beteiligt waren, steht dem, wie das Handelsgericht zu Recht annahm, nicht entgegen; weder konnte er Art. 736 Ziff. 4 OR wegbedingen, noch wollte er den Beteiligten unzumutbare Verpflichtungen auferlegen. a) Die Beklagte verteidigt ihren Mehrheitsaktionär mit der Behauptung, dieser habe als Laie und von seinem Recht Überzeugter fest daran geglaubt, er werde in dem im Tessin anhängigen Prozess mit seiner Darstellung obsiegen, dass der Kläger ihm seinen Aktienanteil verkauft habe; auch wenn das nach dem Prozessausgang nicht zutreffe, habe er sich dem Kläger gegenüber, den er nicht mehr als Aktionär anerkannt habe, doch weitgehend frei gefühlt, sei daher gutgläubig gewesen. Ein solcher Einwand wurde indessen bereits im ersten Auskunftsverfahren zum Geschäftsjahr 1965 zurückgewiesen. Der behauptete Kaufvertrag konnte Smith keinen berechtigten Anlass geben, sich vor einer entsprechenden Gutheissung seiner im Tessin hängigen Klage als Eigentümer der Aktien des Klägers zu gebärden. b) Das Handelsgericht lehnt zwar zu Recht eine "Culpa-Kompensation" ab, doch lässt sich das Verhalten der Mehrheit ohne Rücksicht auf dasjenige der Minderheit nicht abschliessend BGE 105 II 114 S. 128 beurteilen. Dabei können auch persönliche Aspekte in Betracht fallen, wenngleich sie in einer Aktiengesellschaft grundsätzlich in den Hintergrund treten ( BGE 67 II 164 ; BGE 91 II 306 f.). Im Rahmen von Art. 736 Ziff. 4 OR dürfen sie aber insbesondere dann nicht völlig ignoriert werden, wenn es um eine kleine Familiengesellschaft geht ( BGE 84 II 50 Nr. 6; BÜRGI, a.a.O., N. 47; TERCIER, a.a.O., S. 70, Ziff. 3; W. VON STEIGER, ZBJV 103/1967, S. 127/8). In diesem Sinne beruft sich die Beklagte auf das Zugeständnis des Klägers, er strebe - in extremis über die Liquidation der Beklagten - die Wiederherstellung der ehemaligen Firmeneinheit an; sie leitet daraus ab, dass es ihm gar nicht um seinen Schutz als Minderheit gehe, sondern um die Zerstörung der Beklagten im Hinblick auf einen Ausbau seiner Konkurrenzgesellschaft in München. Das erkläre die Kampfhaltung Smiths, seine verzweifelte Abwehr im Rahmen des Bruderkampfes, dem einige menschliche Tragik zukomme. Auch wenn den Aktionär grundsätzlich keine Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft trifft ( BGE 91 II 305 ; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ, a.a.O., S. 254 f., N. 5/6), ist dieser Einwand im Rahmen der hier vorzunehmenden Interessenabwägung doch zu prüfen. Ein Vorwurf kann dem Kläger allerdings nicht aus der Absicht gemacht werden, die Beklagte zu zerstören, denn das ist das Ziel jeder Auflösungsklage. Sodann spricht nichts dafür, dass die von ihm vorgebrachten Auflösungsgründe lediglich vorgeschoben sind, gegenteils machen sie durchaus verständlich, dass er ihretwegen der unhaltbaren Situation ein Ende setzen will. Seine genannte Äusserung will dartun, dass durch eine Auflösung der Beklagten das väterliche Erbe nicht vernichtet, sondern eher gerettet würde. Der Kläger als Inhaber des Togalwerkes München ist denn auch nicht einfach ein Konkurrent der Beklagten und ihrer Tochtergesellschaften, sondern so gut wie sein Bruder Smith Nachfolger des Firmengründers. c) Dem Auflösungsinteresse des Klägers steht das Interesse der Beklagten oder zutreffender ihrer Mehrheit am Fortbestand der Gesellschaft gegenüber. Dabei sind die wirtschaftlichen und sozialen Folgen einer Auflösung zu berücksichtigen, von welchen allenfalls auch Dritte betroffen werden können ( BGE 104 II 35 , BGE 95 II 164 ). Dieses Kollektivinteresse ist aber nicht generell dem Individualinteresse der Minderheit vorzuziehen, sondern diesem im Prinzip gleichwertig (so namentlich BGE 105 II 114 S. 129 BÜRGI, N. 86 ff., insb. 89 vor Art. 698 OR ; DERS. in SAG 38/1966, S. 70 ff. und SAG 29/1956/57, S. 89 ff.). Bei der Interessenabwägung ist sodann auf die konkreten Verhältnisse der Beklagten abzustellen und nicht auf jene bei grossen Publikumsgesellschaften, wo, auch wenn das erforderliche Aktienquorum erreicht werden sollte, die Interessen der Unternehmung und der beteiligten Dritten, namentliche der Arbeitnehmer, eine Auflösung praktisch ausschliessen (TERCIER, a.a.O., S. 73; JOHN NENNINGER, Der Schutz der Minderheit in der Aktiengesellschaft nach schweiz. Recht, Diss. Basel 1974, S. 53). Die Beklagte ist dagegen eine kleine Familiengesellschaft, die unstreitig über kein eigenes Personal verfügt. Es fehlt an konkreten Behauptungen darüber, welche wirtschaftlichen und sozialen Interessen durch ihre Auflösung beeinträchtigt würden. Weshalb die Zugehörigkeit zu einem Konzern die Folgen besonders bedenklich machen soll, ist ebensowenig dargetan. Da die Auflösung der Beklagten als Holdinggesellschaft die Existenz der Tochtergesellschaften nicht zu tangieren braucht ( Art. 743 Abs. 1 OR ), liegen solch schwerwiegende Folgen jedenfalls nicht auf der Hand. Als unbegründet ist auch das Argument zurückzuweisen, die Auflösung einer Gesellschaft aufgrund solcher Unkorrektheiten würde der schweizerischen Wirtschaft grössten Schaden zufügen und die Grundstruktur des geltenden Aktienrechtes in Frage stellen. Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass der eher zurückhaltende Schutz der Minderheit durch die Praxis des Bundesgerichts in der Doktrin verschiedentlich Kritik hervorgerufen hat (vgl. insbes. KUMMER, in ZBJV 114/1978, S. 227 ff. zu BGE 102 II 265 und DERS. in ZBJV 111/1975, S. 137 ff. zu BGE 99 II 55 ff.). Auch nach BÜRGI ist der Minderheitenschutz, im geltenden Recht nur schwach ausgebildet, durch die bundesgerichtliche Interessenabwägung noch erheblich vermindert worden (SAG 38/1966, S. 70); nach ihm liesse das geltende Recht einen vermehrten Schutz der Minderheit zu (N. 49 zu Art. 736 OR ). Wo das Schutzbedürfnis der Minderheit, wie hier, ausgewiesen ist, rechtfertigt es sich jedenfalls nicht, zum vornherein ein entscheidendes Bestandesinteresse der Gesellschaft allein aufgrund genereller Überlegungen anzunehmen. Nachdem feststeht, dass Smith seine Stellung als Mehrheitsaktionär in der beklagten Gesellschaft in mehrfacher Hinsicht BGE 105 II 114 S. 130 und während rund zehn Jahren schwer missbraucht und den Kläger als Minderheitsaktionär krass benachteiligt hat, und eine Besserung der Verhältnisse nicht erwartet werden kann, muss als Ergebnis der Interessenabwägung die Auflösungsklage geschützt und das angefochtene Urteil bestätigt werden.
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Sachverhalt ab Seite 165 BGE 111 Ia 164 S. 165 Am 16. Juni 1983 legte der Gemeindevorstand Y. zuhanden der Gemeindeversammlung vom 24. Juni 1983 eine Vorlage auf Revision des Zonenplanes und des kommunalen Baugesetzes vor. Vorgängig wurde der Zonenplanentwurf im Sinne von Art. 37 des Raumplanungsgesetzes für den Kanton Graubünden vom 20. Mai 1973 (KRG) aufgelegt, und es wurde den Interessierten Gelegenheit gegeben, Einsprache zu erheben. Die Zonenplanvorlage des Gemeindevorstandes enthielt mit Bezug auf das Grundstück von X. keine Änderungen gegenüber dem Zonenplan 1978. X. sah sich deshalb nicht veranlasst, Einsprache zu erheben. Anlässlich der Gemeindeversammlung vom 24. Juni 1983 wurde jedoch aus dem Schoss der Versammlung der Antrag gestellt, das bisher der Zone W2, zweite Etappe, zugeteilte Gebiet im "Holäwäg" sei in die Landwirtschaftszone um- bzw. auszuzonen. Die Gemeindeversammlung entsprach diesem Antrag mit 40 gegen 20 Stimmen. Gegen diesen Beschluss erhob nebst anderen X. Beschwerde bei der Regierung des Kantons Graubünden. Er machte unter anderem geltend, der Umzonungsbeschluss sei auf undemokratische und dem Sinn des Gesetzes widersprechende Art zustande gekommen. Die Regierung des Kantons Graubünden wies die Beschwerde am 21. Mai 1984 ab und genehmigte gleichzeitig den Zonenplan "Überlandquart" vom 24. Juni 1983. Eine gegen diesen Entscheid von X. erhobene staatsrechtliche Beschwerde weist das Bundesgericht ab.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der Beschwerdeführer macht in formeller Hinsicht in erster Linie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend. Er führt aus, es habe für ihn kein Anlass bestanden, sich im Rahmen BGE 111 Ia 164 S. 166 des in Art. 37 KRG vorgesehenen Vernehmlassungsverfahrens zu äussern, da die Vorlage des Gemeindevorstandes für sein Grundstück keine Umzonung vorgesehen habe. Indem die Leitung der Gemeindeversammlung die definitive Abstimmung nach dem Umzonungsantrag nicht verschoben habe, um den durch die Planungsmassnahme allenfalls Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, seien die in Art. 4 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG) und Art. 37 KRG garantierten Mitwirkungsrechte an der Planung nicht gewährleistet worden. a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist formeller Natur. Seine Verletzung führt ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selbst zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids ( BGE 109 Ia 5 ; BGE 106 Ia 73 /74 E. 2, je mit Hinweisen). Die entsprechenden Rügen sind deshalb vorweg zu prüfen. Der Umfang des Anspruchs auf rechtliches Gehör wird zunächst durch die kantonalen Verfahrensvorschriften umschrieben, deren Auslegung und Anwendung das Bundesgericht unter dem Gesichtswinkel der Willkür prüft. Wo sich dieser kantonale Rechtsschutz als ungenügend erweist, greifen die unmittelbar aus Art. 4 BV folgenden Verfahrensregeln zur Sicherung des rechtlichen Gehörs Platz, die dem Bürger in allen Streitsachen ein bestimmtes Mindestmass an Verteidigungsrechten gewährleisten. Ob der unmittelbar aus Art. 4 BV folgende Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt ist, prüft das Bundesgericht frei (BGE BGE 110 Ia 85 E. 3b mit Hinweisen). b) Gemäss Art. 37 KRG ist für den Erlass und die Änderung von Zonenplänen unter Vorbehalt der Genehmigung durch die Regierung die Gemeinde zuständig. Der Gemeindevorstand hat die Stimmberechtigten vor der Abstimmung angemessen zu orientieren und den Interessierten zu ermöglichen, Wünsche und Anträge einzureichen. Orientierungs- und Eingabemöglichkeiten sind in geeigneter und ortsüblicher Weise bekanntzugeben. In Ausführung dieser Bestimmung verlangt Art. 7 des Baugesetzes der Gemeinde Y. von 1978/83, dass Erlass und Änderung von Zonenplänen während 30 Tagen öffentlich aufzulegen und Einsprachen innert dieser Frist einzureichen sind. Die Bestimmung besagt ausdrücklich, dass Zonenplanänderungen der Abstimmung in der Gemeindeversammlung unterliegen. Der Beschwerdeführer bestreitet zu Recht nicht, dass in dieser Versammlung grundsätzlich beliebige Änderungsanträge gegenüber der Vorlage der Gemeindeexekutive BGE 111 Ia 164 S. 167 gestellt werden können. Auch behauptet er nicht, dass das Verfahren in der Gemeindeversammlung vom 24. Juni 1983 abstimmungsrechtlich nicht in Ordnung gewesen sei. Aus dem Wortlaut von Art. 37 KRG lassen sich keine Anhaltspunkte für das Vorgehen in Fällen finden, in denen der Antrag auf Umzonung einer Parzelle erstmals in der Gemeindeversammlung gestellt wird. Insbesondere fehlt jeder Hinweis darauf, dass unter diesen Voraussetzungen vor der definitiven Beschlussfassung durch die Versammlung eine nochmalige Planauflage mit Einspracherecht zu erfolgen hätte, wie dies der Beschwerdeführer verlangt. Klarerweise wird aber mit Art. 37 KRG bezweckt, im Planungsverfahren das rechtliche Gehör der betroffenen Grundeigentümer zu sichern. Deshalb kann nicht schlechthin ausgeschlossen werden, dass in gewissen Fällen die definitive Beschlussfassung in der Gemeindeversammlung auszusetzen ist, um die betroffenen Grundeigentümer vorgängig über die beabsichtigte Planänderung zu informieren und individuell anzuhören. Dieses Vorgehen würde sich jedenfalls dann aufdrängen, wenn es sich bei den Betroffenen um ausserhalb der Gemeinde wohnhafte Grundeigentümer handeln würde. Andernfalls wären diese Auswärtigen des Rechts, sich vor einer Planfestsetzung zu äussern, beraubt, da sie als Nichtstimmberechtigte weder an der Gemeindeversammlung mitwirken noch auf diese Einfluss nehmen könnten. Ob in diesen Fällen kantonales oder kommunales Recht eine Wiederholung des Auflageverfahrens erfordert oder ob das rechtliche Gehör der Betroffenen, zumindest wenn es sich nur um wenige Grundeigentümer handelt, durch ein anderes geeignetes Vorgehen gewährleistet werden kann, ist nicht zu entscheiden, da im hier zu beurteilenden Fall wesentlich andere Verhältnisse vorliegen. Der Beschwerdeführer ist nämlich in der Gemeinde Y. stimmberechtigt, hat an der fraglichen Gemeindeversammlung teilgenommen und sich unbestrittenermassen in einem Diskussionsvotum mit dem aus der Mitte der Versammlung gestellten Antrag auf Zuweisung seiner Liegenschaft zur Landwirtschaftszone auseinandergesetzt. Er konnte sich damit vor der beschlussfassenden Legislative äussern und hat von diesem Recht auch tatsächlich Gebrauch gemacht. Der Beschwerdeführer wendet zwar ein, mangels Planauflage sei ihm die Möglichkeit genommen worden, "in aller Ruhe in einer schriftlichen Eingabe" zunächst dem Gemeindevorstand zuhanden der Versammlung die Gründe darzulegen, welche gegen die Auszonung seiner Parzelle sprächen. Die Regierung des Kantons BGE 111 Ia 164 S. 168 Graubünden weist aber in ihrem Entscheid, gestützt auf die Vernehmlassung der Gemeinde Y., darauf hin, dass der betreffende Umzonungsantrag in der Gemeinde allgemein erwartet wurde, da die Unzufriedenheit über die seinerzeitige Einzonung des "Holäwäg" schon vor der Gemeindeversammlung vom 24. Juni 1983 laut geworden sei. Dies konnte dem Beschwerdeführer bei den überschaubaren Verhältnissen einer kleineren Gemeinde wie Y. nicht entgangen sein, zumal er früher das Amt des Gemeindepräsidenten bekleidet hatte. Bei dieser Sachlage kann keine Rede davon sein, er habe sich "völlig unvorbereitet" mit dem Antrag in der Gemeindeversammlung auseinandersetzen müssen, wie dies X. ohne irgendwelche nähere Substantiierung erstmals vor Bundesgericht behauptet. Aufgrund dieser Erwägungen erweist sich die Auffassung der Regierung des Kantons Graubünden, es habe unter dem Gesichtswinkel von Art. 37 KRG auf eine nochmalige Planauflage verzichtet werden können, als sachlich vertretbar. c) Der Beschwerdeführer kann auch aus dem unmittelbar aus Art. 4 BV folgenden minimalen bundesrechtlichen Gehörsanspruch nichts weiteres für sich herleiten. Dieser Anspruch umfasst nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung das Recht des betroffenen Grundeigentümers, bei einer Änderung des kommunalen Zonenplans individuell angehört zu werden, bevor über die Zuteilung seines Grundstücks definitiv entschieden wird ( BGE 107 Ia 273 ff. mit Hinweisen). Dieses Recht war X. in der Gemeindeversammlung aber gegeben, wie oben ausgeführt wurde. d) X. versucht schliesslich, ein Recht auf Aussetzung der Abstimmung in der Gemeindeversammlung und Durchführung eines erneuten Planauflage- und Einspracheverfahrens aus den Bestimmungen von Art. 4 Abs. 1 und 2 RPG abzuleiten. Danach haben die mit Planungsaufgaben betrauten Behörden die Bevölkerung über Ziele und Ablauf der Planungen nach diesem Gesetz zu unterrichten; sie haben dafür zu sorgen, dass die Bevölkerung bei Planungen in geeigneter Weise mitwirken kann. Es handelt sich dabei um Gesetzgebungsaufträge an die Kantone und allenfalls die Gemeinden. Das bundesrechtlich geforderte Minimum besteht u.a. darin, Vorschläge entgegenzunehmen, Planentwürfe zu allgemeiner Ansichtsäusserung freizugeben und in beiden Fällen Vorschläge und Einwände materiell zu beantworten. Damit stehen diese Bestimmungen in erster Linie im Dienste der Sachaufklärung und der Mitwirkung der Bevölkerung an der Planung als politischem BGE 111 Ia 164 S. 169 Prozess. Sie bezwecken, den Planungsprozess den Anforderungen des demokratischen Rechtsstaates anzupassen. Ihre Bedeutung erhalten sie vor allem da, wo der individuelle Rechtsschutz die Beteiligungsrechte der Bevölkerung nicht zu gewährleisten vermag (vgl. EJPD/BRP, Erläuterungen zum Bundesgesetz über die Raumplanung, Bern 1981, Art. 4 N. 1-12 mit zahlreichen Hinweisen). Zwar können einzelne Modalitäten des individuellen Rechtsschutzes wie das Auflagegebot für Nutzungspläne gemäss Art. 33 Abs. 1 RPG zugleich der Sachaufklärung der Bevölkerung im Sinne von Art. 4 RPG dienen (vgl. EJPD/BRP, a.a.O., Art. 33 Abs. 1 N. 6). Der Rechtsschutz selber wird aber bundesrechtlich durch die Art. 33 und 34 RPG und den unmittelbar aus Art. 4 BV folgenden Gehörsanspruch gewährleistet. Ein darüber hinausgehender Anspruch lässt sich aus Art. 4 RPG jedenfalls für den vorliegenden Fall nicht ableiten. Die Rüge der Verletzung dieser Bestimmung erweist sich demnach ebenfalls als unbegründet.
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Sachverhalt ab Seite 558 BGE 103 Ia 557 S. 558 Am 20. März 1977 fanden in Grächen/VS Wahlen zur Bestellung der fünf Mitglieder des Gemeinderates statt. Das Wahlbüro ermittelte dafür folgendes Ergebnis: Liste Nr. 1 (CVP) 1'631 Stimmen Liste Nr. 2 (CSP) 752 Stimmen Liste Nr. 3 (Freie Wähler) 412 Stimmen ------------- 2'795 Stimmen Wahlzahl: 2795/6 = 466 Erste Verteilung Liste Nr. 1 1'631 : 466 = 3 Sitze Liste Nr. 2 752 : 466 = 1 Sitz Liste Nr. 3 412 : 466 = - Zweite Verteilung (Restmandat) Liste Nr. 1 1'631 : 4 = 407 Liste Nr. 2 752 : 2 = 376 Liste Nr. 3 412 : 1 = 412 = 1 Sitz In der Folge berichtigte das Wahlbüro die Sitzverteilung in dem Sinne, dass das Restmandat der Liste Nr. 1 statt der Liste Nr. 3 zugeteilt wurde. Begründet wurde dies damit, dass nach Art. 67 des Gesetzes vom 17. Mai 1972 über die Wahlen und Abstimmungen (WahlG) an der zweiten Verteilung nur diejenigen Listen teilnehmen könnten, die bei der ersten Verteilung mindestens einen Sitz erlangt hätten. Gegen diese Berichtigung rekurrierten die Freien Wähler und Benjamin Williner ohne Erfolg an den Staatsrat des Kantons Wallis. Das Bundesgericht weist die staatsrechtliche Beschwerde der Freien Wähler und Williners ab.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. a) Art. 87 Abs. 1 der Walliser Kantonsverfassung bestimmt, dass die Gemeindewahlen nach dem Proporzsystem durchgeführt werden, es sei denn, die kommunale Urversammlung BGE 103 Ia 557 S. 559 entscheide sich mit 4/5 Mehrheit für das Majorzsystem. Art. 87 Abs. 4 KV sodann sieht vor, dass die Anwendung dieses Grundsatzes durch das Gesetz geregelt wird. Der Walliser Gesetzgeber ist diesem Auftrag in den Art. 78 ff. des Wahlgesetzes nachgekommen, wo insbesondere vorgesehen ist, dass für die nach dem Proporzsystem durchzuführenden Gemeindewahlen die Vorschriften Anwendung finden, die gemäss den Art. 62 ff. für die Wahl des Grossen Rates gelten. Danach erfolgt die Verteilung der Sitze auf die verschiedenen Listen im Verhältnis zu den erzielten Parteistimmen. Nach Ausschluss derjenigen Listen, die das Quorum von 10% des Parteistimmentotals nicht erreicht haben, erhalten die übrigen Listen bei der ersten Verteilung so viele Sitze, als die nach Art. 66 Abs. 1 WahlG zu ermittelnde Wahlzahl in den erzielten Parteistimmenzahlen enthalten ist. Die Wahlzahl wird dabei so berechnet, dass das Stimmentotal durch die um eins erhöhte Zahl der zu bestellenden Mandate dividiert und die sich ergebende Zahl auf die nächsthöhere ganze aufgerundet wird (Art. 65 und 66 WahlG). Für die zweite Verteilung enthält Art. 67 Abs. 1 WahlG folgende Regelung: "Wenn nach dieser Verteilung nicht alle Sitze zugewiesen sind, wird die Gesamtstimmenzahl jeder Liste, die bei der ersten Verteilung einen Sitz erlangt hat, durch die um eins erhöhte Zahl der ihr zugeteilten Sitze geteilt und der erste unverteilte Sitz wird jener Liste zugewiesen, die den grössten Quotienten aufwies." b) Die Beschwerdeführer anerkennen, dass die Liste der Freien Wähler nur 412 Parteistimmen erzielte und dass dies bei einer Wahlzahl von 466 nicht reichte, um bei der ersten Verteilung einen Sitz zu erhalten. Sie machen jedoch geltend, die Liste hätte bei der zweiten Verteilung berücksichtigt werden müssen, weil der Vorschrift von Art. 67 WahlG nicht in klarer Weise entnommen werden könne, dass bei der ersten Verteilung erfolglos gebliebene Listen von der zweiten Verteilung ausgeschlossen seien. Diese Rüge ist jedoch offensichtlich unbegründet. Aus dem Wortlaut von Art. 67 Abs. 1 WahlG geht in eindeutiger Weise hervor, dass bei der zweiten Verteilung lediglich diejenigen Listen zu berücksichtigen sind, die bei der ersten Verteilung einen Sitz erlangt haben, und es bestehen keinerlei Anzeichen dafür, dass dieser Wortlaut den Sinn der Vorschrift nicht richtig wiedergebe. Es kann deshalb nicht gesagt werden, der Staatsrat habe Art. 67 Abs. 1 WahlG unrichtig angewandt, BGE 103 Ia 557 S. 560 wenn er die Zuteilung des Restmandates an die Freien Wähler ablehnte. 3. Die Beschwerdeführer machen weiter geltend, Art. 67 Abs. 1 WahlG sei mit der Kantonsverfassung unvereinbar, wenn er in der beschriebenen Weise ausgelegt werde. Unter diesen Umständen bilde die Kombination von Quorum und Wahlzahl in all denjenigen Wahlkreisen, in welchen weniger als neun Sitze zu verteilen seien, eine selbst für bedeutende Minderheiten unüberwindbare Schranke. In diesen Wahlkreisen sei die Wahlzahl nämlich höher als die zur Erreichung des Quorums notwendige Parteistimmenzahl, was häufig zur Folge habe, dass Parteien, die das Quorum erreicht hätten, bei der ersten Verteilung keinen Sitz zugeteilt erhielten und deshalb auch bei der Verteilung der Restmandate unberücksichtigt blieben. Diese Regelung sei mit dem System des Proporzwahlverfahrens nicht vereinbar. Damit machen die Beschwerdeführer geltend, die beanstandete Bestimmung des Wahlgesetzes verletze Art. 87 Abs. 1 KV, wonach die Gemeindewahlen - unter Vorbehalt eines gegenteiligen Beschlusses der Urversammlung - "nach dem Proporzsystem" durchzuführen sind. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kann die Verfassungswidrigkeit einer allgemeinen Norm auch noch im Anschluss an eine darauf gestützte Anwendungsverfügung gerügt werden. Erweist sich dieser Vorwurf als begründet, so führt dies freilich nicht zur Aufhebung der beanstandeten Vorschrift, sondern bloss zur Kassation des angefochtenen Entscheids ( BGE 102 Ia 326 ). Auch diese Rechtsfolge kann aber nur eintreten, wenn sich die Vorschrift eben bei Anwendung auf die konkreten Umstände des Beschwerdefalles als verfassungswidrig herausstellt. Im Verfahren der konkreten Normenkontrolle ist einzig diese Frage zu prüfen, und das Bundesgericht hat nicht zu untersuchen, wie es sich mit der Verfassungsmässigkeit der Norm unter anderen als den Verhältnissen des streitigen Anwendungsaktes verhält. Im vorliegenden Fall bedeutet das, dass der Einspracheentscheid des Staatsrates nur dann zu kassieren ist, wenn die Beschwerdeführer dartun können, dass Art. 67 Abs. 1 WahlG bei Anwendung auf die Grächener Gemeinderatswahlen mit dem Proporzsystem (Art. 87 Abs. 1 KV) unvereinbar ist. b) Bei Beschwerden betreffend die politische Stimmberechtigung und betreffend kantonale Wahlen und Abstimmungen BGE 103 Ia 557 S. 561 ( Art. 85 lit. a OG ) überprüft das Bundesgericht nicht nur die Auslegung von Bundesrecht und kantonalem Verfassungsrecht frei, sondern auch die Auslegung anderer kantonaler Vorschriften, welche den Inhalt des Stimm- und Wahlrechts normieren oder mit diesem in engem Zusammenhang stehen. In ausgesprochenen Zweifelsfällen schliesst es sich jedoch der von der obersten kantonalen Behörde vertretenen Auslegung an ( BGE 103 Ia 155 E. 2c; BGE 101 Ia 232 E. 1; BGE 100 Ia 238 mit Hinweisen). Art. 87 Abs. 1 der Walliser Kantonsverfassung sieht vor, dass die Gemeindewahlen - unter Vorbehalt eines gegenteiligen Beschlusses der kommunalen Urversammlung - "nach dem Proporzsystem" durchgeführt werden. Welcher Art dieses Proporzsystem ist, regelt die Verfassung nicht, sondern sie überlässt es ausdrücklich der Gesetzgebung, hierüber die näheren Vorschriften aufzustellen. Wie das Bundesgericht schon in einem früheren Fall ausgeführt hat (Urteil Geissbühler vom 28. März 1962, in JdT 110/1962, I, S. 271 ff.), besteht nicht "ein" bestimmtes Proporzsystem, sondern gibt es verschiedene Möglichkeiten, ein Verhältniswahlverfahren zu schaffen. Zwischen diesen Möglichkeiten kann sich der kantonale Gesetzgeber, dem die Verfassung in allgemeiner Weise die Ausgestaltung des Wahlverfahrens nach dem Proporzsystem aufgetragen hat, frei entscheiden, und es ist nicht Sache des Bundesgerichts, in diesen Gestaltungsspielraum einzugreifen und seine Beurteilung an diejenige der kantonalen Behörde zu setzen. Das Bundesgericht schreitet vielmehr nur dann ein, wenn die getroffene Lösung nicht mehr als proportionales Wahlverfahren bezeichnet werden kann und sie damit zur kantonalen Verfassungsvorschrift in Widerspruch steht. In BGE 100 Ia 268 wurde ausgeführt, die Überprüfung des Bundesgerichts beschränke sich auf Willkür, wenn die kantonale Behörde unmittelbar gestützt auf eine Verfassungsbestimmung gehandelt habe, die ihr hinsichtlich der Wahl der zu treffenden Massnahmen einen Ermessensbereich einräume. Mit dieser Umschreibung, die zu Missverständnissen Anlass geben kann, wollte nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass das Bundesgericht die Auslegung des kantonalen Verfassungsrechts unter den erwähnten Umständen nicht frei, sondern nur mit beschränkter Kognition überprüfe. Im damaligen Fall war in der Kantonsverfassung vorgesehen, dass der Regierungsrat bei Unfähigkeit einer Gemeinde, einzelne Zweige der Gemeindeverwaltung BGE 103 Ia 557 S. 562 zu ordnen, "die erforderlichen Massnahmen" treffe. Mit der in BGE 100 Ia 268 verwendeten Formulierung wollte gesagt sein, dass das Bundesgericht den Inhalt einer solchen, von der Verfassung in das Ermessen der kantonalen Behörde gestellten Massnahme nur darauf hin überprüfe, ob die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens in Willkür verfallen sei. Ein anderer Schluss ist aus jenem Entscheid, der in diesem Sinne klargestellt werden soll, nicht zu ziehen. c) Ein proportionales Wahlverfahren kennzeichnet sich seinem Ziel nach dadurch, dass es den verschiedenen Gruppierungen, die sich an den Wahlen beteiligen, eine zahlenmässige Vertretung in den zu bestellenden staatlichen Organen ermöglicht, die ihrem Wähleranteil weitgehend entspricht (vgl. die Botschaft des Bundesrates betreffend das Volksbegehren um Einführung der Verhältniswahl für Wahlen in den schweizerischen Nationalrat, BBl 1914, II, S. 124; ferner den Bericht der Studienkommission zur Prüfung von Reformvorschlägen für die Wahl des Nationalrates und das Stimmrechtsalter, Bern 1972, S. 26, im folgenden: Reformbericht; Urteil Geissbühler, E. 3). Es ist indes eine Erfahrungstatsache, dass ein solches Wahlverfahren leicht zu einer Zersplitterung der politischen Gruppierungen führt und dass diese Erscheinung die wirksame Erfüllung der öffentlichen Aufgaben erschwert. Das Bundesgericht hat deshalb anerkannt, dass der kantonale Gesetzgeber Vorkehren gegen diese nachteiligen Folgen des Verhältniswahlverfahrens treffen kann, und dass ihm das auch dann zusteht, wenn die Kantonsverfassung ohne nähere Präzisierung von der Ausgestaltung des Wahlverfahrens "nach dem Proporzsystem" spricht (Urteil Geissbühler, E. 3). Als solche Massnahme kommt vorab die Errichtung eines Quorums in Frage, das diejenigen Gruppierungen von der Verteilung der Mandate ausschliesst, die weniger als einen bestimmten Prozentsatz des Stimmentotals erreicht haben. Eine Sperrwirkung wird ferner dadurch erreicht, dass zur Verteilung der Restmandate nur diejenigen Listen zugelassen werden, deren Stimmenzahl die Höhe der Wahlzahl erreicht, und die demnach mindestens ein Vollmandat erzielt haben. Möglich ist schliesslich, wie es in der Walliser Gesetzgebung der Fall ist, dass diese beiden Massnahmen kombiniert werden (vgl. dazu im einzelnen: Reformbericht, S. 15). Es versteht sich jedoch von selbst, dass solchen Einschränkungen Grenzen gesetzt sind und dass sie als unzulässig BGE 103 Ia 557 S. 563 gelten müssen, wenn sie sich nicht nur gegen die dargelegten nachteiligen Auswirkungen des proportionalen Wahlverfahrens richten, sondern das Wesen dieses Wahlsystems verändern (Urteil Geissbühler, E. 3). Die Liste der Freien Wähler erreichte im vorliegenden Fall das Quorum von 10% des Stimmentotals, weshalb auf die Frage, ob die Sperrklausel in dieser Höhe zulässig sei, nicht näher eingegangen werden muss. Es lässt sich aber ohne weiteres feststellen, dass ein solches Quorum nicht beanstandet werden kann, wenn eine Behörde zu wählen ist, die aus lediglich fünf Mitgliedern besteht und ein Sitz demnach einem Stimmenanteil von 20% entspricht (vgl. Urteil Geissbühler, E. 4, hinsichtlich eines Quorums von 15%, das für die Wahl des Grossen Rates vorgesehen war). Es kann aber auch nicht gesagt werden, der Ausschluss der Freien Wähler von der Verteilung des Restmandats, wie Art. 67 WahlG dies für diejenigen Listen vorsieht, die bei der ersten Verteilung ohne Sitz geblieben sind, sei mit dem Proporzsystem unvereinbar. Nach dem Walliser Wahlgesetz hat bei der ersten Verteilung jede Liste, die das erforderliche Quorum erreichte, Anspruch auf soviele Sitze, als die Wahlzahl - die sich aus der Division des Stimmentotals durch die um eins vermehrte Zahl der zu bestellenden Mandate ergibt - in der erzielten Parteistimmenzahl enthalten ist. Im vorliegenden Fall wäre der Liste der Freien Wähler bei der ersten Verteilung demnach ein Sitz zugewiesen worden, wenn sie mindestens einen Sechstel des Stimmentotals erreicht hätte. Wenn diese Liste leer ausging, so geschah dies deshalb, weil sie nicht nur weniger als den einem Mandat genau entsprechenden Stimmenanteil von einem Fünftel erreichte, sondern selbst weniger als einen Sechstel des Stimmentotals auf sich vereinigte. Könnte sie, wie die Beschwerdeführer es verlangen, bei der zweiten Verteilung Anspruch auf das Restmandat erheben, so würde die Liste der Freien Wähler einen grösseren Sitzanteil (einen Fünftel) erhalten, als ihrem Stimmenanteil (weniger als ein Sechstel) entspricht. Darauf gibt Art. 87 KV, der die Durchführung der Gemeindewahlen nach dem Proporzsystem verlangt, jedoch kein Anrecht, und es kann unter den vorliegenden Umständen von einer Verletzung dieser Verfassungsvorschrift nicht gesprochen werden. Die Beschwerdeführer machen zusätzlich geltend, bei Anwendung von Art. 67 WahlG entfalle auf einen Stimmenanteil BGE 103 Ia 557 S. 564 von 41% (Listen Nr. 2 und 3) nur ein einziger Sitz, während auf einen Anteil von 58% (Liste Nr. 1) vier Sitze kämen. Das sei im Rahmen eines proportionalen Wahlverfahrens unhaltbar. Auch dieser Einwand ist unbegründet, denn es waren nicht die Listen Nr. 2 und 3, die mit einem Stimmenanteil von 41% einen Sitz errangen, sondern es war die Liste Nr. 2 allein, die mit 26,9% ein Mandat erreichte. Die Liste Nr. 3 ging, wie bereits dargelegt, leer aus, weil sie weniger als einen Sechstel aller Stimmen auf sich vereinigte, und die Liste Nr. 1 schliesslich erzielte mit einem Stimmenanteil von 58,3% vier Sitze, wovon 3 Vollmandate und das Restmandat. Es trifft freilich zu und widerspiegelt sich in diesen Zahlen, dass die Regelung, wie sie in Art. 67 Abs. 1 WahlG getroffen wurde (Ausschluss der Listen, die bei der ersten Verteilung keinen Sitz erreichten; Verteilung der Restmandate nach dem System des grössten Quotienten) bei der Verteilung der Restmandate die grossen Parteien begünstigt. Sie bewirkt, dass Restmandate eher diesen als den kleinen Parteien zufallen und hat zur Folge, dass eher die grossen als die kleinen Parteien einen höheren Sitzanteil erlangen, als ihrem Stimmenanteil entspricht (vgl. dazu Reformbericht, S. 28). Eine solche Regelung, die der Zersplitterung der politischen Kräfte entgegenwirkt, steht zum proportionalen Wahlsystem jedoch nicht in Widerspruch, und der kantonale Gesetzgeber ist nicht gehalten, einen Verteilungsmodus mit der entgegengesetzten Tendenz vorzusehen. Im gleichen Sinne hat sich das Bundesgericht bereits im nicht veröffentlichten Urteil Torrent vom 17. September 1937 ausgesprochen, wovon abzuweichen kein Anlass besteht.
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Sachverhalt ab Seite 63 BGE 111 IV 63 S. 63 A.- Am 23. April 1982 fand im Zentrum Bruder Klaus in Spiez eine ordentliche Versammlung der römisch-katholischen Kirchgemeinde Spiez statt. Sie war vom Kirchgemeinderat gemäss Art. 9 des Reglementes für die genannte Gemeinde im Amtsanzeiger und Amtsblatt bekanntgemacht worden. Den ebenfalls publizierten Traktanden konnte entnommen werden, dass eine Orientierung über Probleme in der Pfarrei stattfinden sollte, wobei es um Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Pfarrer und einigen Pfarreimitgliedern ging. Bei der Eröffnung durch den Vorsitzenden wurde festgestellt, dass an der Versammlung 74 Stimmberechtigte und vier Nichtstimmberechtigte anwesend waren. Bei den letzteren handelte es sich um Dekan A., den Vorgesetzten des Pfarrers, B., Mitglied der Gemeinde, aber noch nicht 20jährig, Frau C., ebenfalls Mitglied der Gemeinde, aber noch nicht drei Monate in ihr wohnhaft, und D., vermutlich protestantischer Ehegatte eines Mitgliedes. B. hatte zudem den Auftrag, in der "BZ" objektiv Bericht zu erstatten. Während der Versammlung wurden vom Präsidenten des Kirchgemeinderates, E., sowie von Pius und Helena X. Tonbandaufnahmen gemacht. E. sass am gleichen Tisch wie der Versammlungsleiter, Pius X. und seine Tochter Helena hingegen hinten im Saal. E. hatte sein Gerät auf dem Tisch aufgestellt, während Vater und Tochter X. es auf den Knien hielten. Kurz vor der Pause BGE 111 IV 63 S. 64 stellte eine Teilnehmerin Töne fest. Sie meldete sich zu Wort und warf die Frage auf, ob jemand ein Tonband laufen lasse. Auf die Erkundigung des Versammlungsleiters hin meldete sich nur E., der in der Folge sein Gerät auf entsprechende Intervention abstellte und die Aufnahmen später löschte. Pius und Helena X. meldeten sich nicht, ebensowenig ihre um den gleichen Tisch sitzenden Verwandten und Bekannten. Erst einen Tag nach der Versammlung wurde der Versammlungsleiter von Drittpersonen darauf aufmerksam gemacht, dass Herr und Frau X. während der ganzen Versammlung versteckt Aufnahmen gemacht hätten. Er bat darauf Pius X. telefonisch, die Aufnahmen in Anwesenheit des Präsidenten und der Sekretärin der Kirchgemeindeversammlung zu löschen und ein entsprechendes "Vernichtungsprotokoll" zu unterschreiben, was X. ablehnte mit der Begründung, die Aufnahmen seien nicht widerrechtlich erfolgt. Auch während des anschliessenden Strafverfahrens weigerte er sich, die Aufnahmen zu löschen, übergab aber dem Gericht die bespielten Kassetten. Die Tonbandaufnahmen waren bis zur Pause von Helena X. und danach von ihrem Vater gemacht worden. Nachdem der Präsident der Kirchgemeindeversammlung sich "um die rechtliche Abklärung der Zulässigkeit" der Tonbandaufnahmen an die Gemeindedirektion des Kantons Bern gewandt hatte und von dieser auf die Möglichkeit der Stellung eines Strafantrags beim Untersuchungsrichteramt Niedersimmental hingewiesen worden war, stellte die römisch- katholische Kirchgemeinde Spiez mit Eingabe vom 20. Juli 1982 beim genannten Richteramt gegen Pius X. wegen der versteckten Tonbandaufnahmen Strafantrag. Am 24. Februar 1983 dehnte der a.o. Gerichtspräsident von Niedersimmental das Strafverfahren auf Helena X. aus. B.- Am 17. Mai 1984 sprach der Gerichtspräsident von Niedersimmental Pius und Helena X. des unbefugten Aufnehmens von Gesprächen ( Art. 179ter StGB ) schuldig und verfällte sie in Bussen von Fr. 300.-- bzw. Fr. 150.--. Zudem verfügte er die Einziehung der sechs dem Gericht zur Verfügung gestellten Kassetten. Das Obergericht des Kantons Bern bestätigte am 6. November 1984 den erstinstanzlichen Entscheid im Schuld- und Strafpunkt unter Ergänzung des letzteren durch Anordnung der bedingten Löschbarkeit der Bussen im Strafregister. C.- Pius und Helena X. führen in einer gemeinsamen Eingabe Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben, die Sache zur Freisprechung der Beschwerdeführer BGE 111 IV 63 S. 65 an die Vorinstanz zurückzuweisen und die Privatklägerin in die Gerichts- und Parteikosten "zu verurteilen, bestimmt nach gerichtlichem Ermessen".
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Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Das Obergericht vertritt die Auffassung, Art. 179ter StGB wolle dem Unbehagen entgegenwirken, der Möglichkeit einer heimlichen Fixierung von Äusserungen durch Gesprächspartner ausgesetzt zu sein; sobald nämlich ein Gesprächsteilnehmer damit rechnen müsse, dass die Gegenseite seine Äusserungen genau registriere und nicht wieder vergesse, würden die zwischenmenschlichen Beziehungen und die Persönlichkeitsentfaltung ernsthaft gestört. Zudem wolle das Gesetz der Möglichkeit allenfalls irreführender Weiterverbreitung den Riegel schieben. Ein so umschriebener Rechtsgüterschutz müsse auch einer öffentlichrechtlichen Institution zukommen. Das Gegenteil würde zu materiell unbefriedigenden Ergebnissen führen, wie gerade der vorliegende Fall zeige. Im übrigen stehe Art. 179 StGB , der unbestrittenermassen für den privaten wie den amtlichen Briefverkehr gelte, unter dem gleichen Marginale wie Art. 179ter. Das Obergericht kam damit zum Schluss, es stehe der römisch-katholischen Kirchgemeinde als einer juristischen Person des öffentlichen Rechts das Antragsrecht zu. Demgegenüber wird mit der Beschwerde geltend gemacht, zur Antragstellung sei nur der durch das tatbestandsmässige, rechtswidrige und schuldhafte Verhalten Verletzte legitimiert. Dieser müsse zugleich Träger des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes sein. Geschütztes Rechtsgut nach Art. 179ter StGB sei nicht jeder Geheimbereich, sondern nur der persönliche, private. Die Kirchgemeinde sei weder eine natürliche noch eine juristische Person des Privatrechts, sondern eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die Gemeinde verkörpere natürlicherweise das Öffentliche und habe in der Gemeindeversammlung offen das auszutragen und zu entscheiden, was in ihrem Aufgabenbereich gegenüber ihren Mitgliedern liege. Ein privates Eigenleben könne ihr nicht zukommen. Dem entspreche auch die Praxis des Bundesgerichts ( BGE 108 IV 21 und 163; BGE 69 IV 81 ). Im vorliegenden Fall sei es nicht um persönliche, die einzelnen Mitglieder als solche betreffende Angelegenheiten, sondern einzig um die Diskussion der Amtsführung durch den Pfarrer gegangen, woran ein öffentliches Interesse der Kirchgemeinde bestanden habe. Ein aus öffentlicher Verpflichtung geführtes BGE 111 IV 63 S. 66 Gespräch könne keinen Behördenschutz auslösen. Die Kirchgemeinde sei deshalb zum Strafantrag nicht legitimiert gewesen. 2. Nach Art. 179ter Abs. 1 und 3 StGB wird auf Antrag bestraft, wer als Gesprächsteilnehmer ein nichtöffentliches Gespräch, ohne die Einwilligung der anderen daran Beteiligten, auf einen Tonträger aufnimmt. Wie der Titel des gesetzlichen Erlasses, durch den die Bestimmungen der Art. 179bis-179septies ins Strafgesetzbuch eingefügt wurden, deutlich macht (Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 betreffend Verstärkung des strafrechtlichen Schutzes des persönlichen Geheimbereichs) und wie auch aus den Materialien erhellt, ist das durch jene Bestimmungen geschützte Rechtsgut die persönliche Geheimsphäre als ein dem Einzelnen zur Entwicklung seiner Persönlichkeit gewährleisteter freier Raum vor der Gemeinschaft und dem Staat sowie vor den anderen Einzelnen (Botschaft des Bundesrates, BBl 1968 I S. 585, 588, 589, 593 usw.; vgl. auch BGE 108 IV 163 ). Es soll sich der Einzelne in einem durch persönliche Beziehungen abgegrenzten Personenkreis mündlich frei äussern können, ohne Gefahr zu laufen, dass das von ihm geführte Gespräch ohne seinen Willen von einem anderen auf einem Tonträger festgehalten und damit die Unbefangenheit der nichtöffentlichen Äusserung durch die "Perpetuierung des flüchtig gesprochenen Wortes" (Juristenzeitung, 35/1980, S. 9) beeinträchtigt wird. Da es sich um ein Individualrecht handelt, das dem Menschen um seiner Persönlichkeit willen zusteht und auf dessen Schutz er in gewissen Fällen auch verzichten kann (Botschaft S. 585, 593), kommt als Berechtigter in erster Linie die natürliche Person in Betracht. Es kann aber ein Gespräch, auch wenn nur natürliche Personen hierzu fähig sind (s. SCHULTZ, Der strafrechtliche Schutz der Geheimsphäre, SJZ 67/1971, S. 304), von diesen als Organ einer juristischen Person geführt werden mit der Folge, dass diesfalls der Geheimbereich der juristischen Person berührt sein kann. Ob hierbei nur juristische Personen des privaten oder auch des öffentlichen Rechts den Schutz der Geheimsphäre im Sinne der Art. 179bis ff. StGB beanspruchen können, kann dahingestellt bleiben; denn selbst bei Bejahung der Frage müsste im vorliegenden Fall der römisch-katholischen Kirchgemeinde Spiez, in deren Namen der Strafantrag gestellt wurde, die Antragsberechtigung abgesprochen werden. Am Rande sei zur Klarstellung angemerkt, dass - unabhängig von der Frage der Strafbarkeit gemäss Art. 179ter StGB - Tonbandaufnahmen (wie Photographieren oder Filmen) an Sitzungen BGE 111 IV 63 S. 67 oder Versammlungen zur Vermeidung von Störungen und zur Verhütung von Verfälschungen durch besondere Vorschrift oder durch Anordnung des Leiters untersagt werden können. 3. Antragsberechtigt ist nach Art. 28 Abs. 1 StGB nur der durch die Tat Verletzte. Ob einer natürlichen oder juristischen Person in concreto das Recht zusteht, Antrag zu stellen, beurteilt sich deshalb, was das Obergericht ausser acht gelassen hat, nicht allein danach, ob sie einen schutzwürdigen Geheimbereich besitzt, sondern und vor allem danach, ob und inwieweit dieser nach der einschlägigen Bestimmung strafrechtlich geschützt werden sollte. Nach Art. 179ter Abs. 1 StGB ist einzig die Geheimsphäre des Gesprächsteilnehmers geschützt. Es fällt deshalb als Verletzter nur in Betracht, wer sich an einem nichtöffentlichen Gespräch beteiligt hat, das von einem anderen Gesprächsteilnehmer ohne seine Einwilligung auf einen Tonträger aufgenommen wurde. Im vorliegenden Fall hatte die römisch-katholische Kirchgemeinde Spiez nicht durch eines ihrer Organe an einem Gespräch mit den Beschwerdeführern teilgenommen. Vielmehr fanden die Verhandlungen innerhalb der Kirchgemeinde, und zwar im Rahmen der Kirchgemeindeversammlung als eines der ordentlichen Organe dieser Gemeinde statt (Art. 14 des bernischen Gesetzes über die Organisation des Kirchenwesens, systematische Gesetzessammlung (BSG) 410.11; Art. 18 der Verordnung vom 2. April 1946 über die kirchlichen Stimmregister und das Verfahren bei kirchlichen Wahlen und Abstimmungen, BSG 410.131). Die an der Versammlung - an der auch die Beschwerdeführer als stimmberechtigte Kirchgemeindegenossen teilnahmen - gefallenen mündlichen Äusserungen dienten der Willensbildung dieses Organs. Soweit dessen Verhandlungen überhaupt als Gespräch im Sinne des Art. 179ter StGB gelten können, war dieses somit nicht zwischen der Kirchgemeinde und den Beschwerdeführern geführt worden, standen sich doch die Parteien nicht als verschiedene Gesprächsteilnehmer gegenüber. Die von X. und seiner Tochter aufgenommenen Voten anderer Kirchgemeindegenossen waren vielmehr mündliche Äusserungen nur dieser einzelnen Versammlungsteilnehmer und nicht der Kirchgemeinde als solcher. Jene allein hätten daher im Verhältnis zu den Beschwerdeführern als durch die Tonbandaufnahme allenfalls Verletzte in Betracht fallen können, sofern - wie bereits bemerkt - die Verhandlungen als Gespräch und überdies als nichtöffentliches Gespräch gelten könnten, was offenbleiben kann; denn so oder anders hält das BGE 111 IV 63 S. 68 angefochtene Urteil schon deswegen nicht, weil der ausschliesslich im Namen der römisch-katholischen Kirchgemeinde Spiez gestellte Strafantrag nicht rechtsgültig ist.
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Sachverhalt ab Seite 313 BGE 81 II 313 S. 313 A.- Am 22. Juni 1948 schied das Bezirksgericht Zürich die Ehe der Parteien, stellte die beiden ihr entsprossenen Kinder, geb. 1942 bezw. 1944, unter die elterliche Gewalt der Mutter und räumte dem Vater das Recht ein, "die BGE 81 II 313 S. 314 Kinder im Sinne von Ziffer 3 der Vereinbarung der Parteien vom 22. Juni 1948 über die Nebenfolgen der Scheidung zu besuchen oder zu sich auf Besuch zu nehmen". Die hier erwähnte Stelle der Scheidungsvereinbarung lautet: "Herrn P. wird ein weitgehendes Besuchsrecht eingeräumt, wobei sich die Parteien ähnlich wie dies bisher der Fall war, von Fall zu Fall verständigen werden; in der Regel soll Herr P. das Recht haben, die Kinder wöchentlich an einem Nachmittag sowie einmal pro Monat über ein Wochenende zu besuchen oder zu sich zu nehmen. Sie sollen ausserdem jährlich zwei Mal auf drei Wochen zu ihm in die Ferien kommen." B.- Während einer Reihe von Jahren konnten sich die Parteien über die Ausübung des Besuchsrechts verständigen. Im Herbst 1954 entstand dagegen Streit darüber, wann der Vater die Kinder im Jahre 1955 zu sich in die Ferien nehmen könne. Er verlangte, dass ihm die Kinder für drei Wochen während der Sommer-Schulferien zu überlassen seien. Die Mutter, die wieder verheiratet ist und heute im Kanton Baselland wohnt, widersetzte sich diesem Wunsch und wollte dem Vater nur erlauben, die Kinder während der Frühlings- oder Herbstferien zu sich zu nehmen. Hierauf leitete der Vater, der in Zürich wohnt, im Mai 1955 beim Bezirksgericht Zürich Klage ein mit dem Begehren, das Scheidungsurteil vom 22. Juni 1948 sei "zu ergänzen durch Festlegung der einen der beiden in Ziff. 3 der damals genehmigten Konvention stipulierten zwei dreiwöchigen Ferienperioden auf die Sommerschulferien." In der Hauptverhandlung stellte er das weitere Begehren, die zweite Ferienperiode sei zeitlich alternierend festzulegen, und zwar in dem Sinne, dass das Besuchsrecht abwechslungsweise auf die Weihnachtsferien und die Osterferien falle. Die Beklagte beantragte in erster Linie, auf das Ergänzungsbegehren, mit dem in Wirklichkeit eine Änderung des Scheidungsurteils im Sinne von Art. 157 ZGB verlangt werde, sei wegen örtlicher Unzuständigkeit der zürcherischen Gerichte nicht einzutreten. Ihre BGE 81 II 313 S. 315 Eventualanträge gehen auf Abweisung des Klagebegehrens und Einschränkung des Besuchsrechts des Klägers. Das Bezirksgericht Zürich wies die Unzuständigkeitseinrede der Beklagten am 21. Juni 1955 ab. Das Obergericht des Kantons Zürich hat sie dagegen mit Entscheid vom 12. August 1955 für begründet erklärt und das Bezirksgericht angewiesen, die Klage wegen Unzuständigkeit von der Hand zu weisen. C.- Diesen Entscheid hat der Kläger mit einer Eingabe, die er als Berufung, eventuell als Nichtigkeitsbeschwerde aufgefasst wissen will, an das Bundesgericht weitergezogen.
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Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. (Der angefochtene Entscheid unterliegt der Berufung). 2. Hat es der Scheidungsrichter aus Versehen oder Rechtsirrtum oder wegen Unkenntnis einer Tatsache unterlassen, eine Frage zu regeln, die bei der Scheidung notwendigerweise geregelt werden muss, so weist das Scheidungsurteil eine Lücke auf, die durch eine entsprechende Ergänzung dieses Urteils auszufüllen ist, und zwar ist hiezu nach Bundesrecht der Richter zuständig, der die Scheidung ausgeprochen hat (vgl. BGE 44 I 152 ff., wo dieser Richter für zuständig erklärt wurde, eine Parteivereinbarung über die ökonomischen Nebenfolgen, zu der er nicht Stellung genommen hatte, nachträglich zu prüfen und zu genehmigen, und das Urteil des zürcherischen Obergerichts vom 5. Februar 1944 in SJZ 39 S. 330, das den Scheidungsrichter anwies, in einem Nachverfahren über die Elternrechte mit Bezug auf ein nach der Scheidung geborenes, gemäss Art. 252 ZGB als ehelich geltendes Kind zu befinden). Für die Beurteilung von Begehren, mit denen wegen veränderter Verhältnisse eine Abänderung des Scheidungsurteils im Sinne von Art. 157 ZGB verlangt wird, ist dagegen nach Bundesrecht, wenn die Parteien in der Schweiz wohnen, der Richter am Wohnsitz der BGE 81 II 313 S. 316 beklagten Partei zuständig ( BGE 46 II 333 ff., BGE 51 II 109 , BGE 61 II 226 ). Der Ausgang des vorliegenden Gerichtsstandsstreites hängt also davon ab, ob die Klage, die der Kläger beim Bezirksgericht Zürich eingeleitet hat, auf eine Ergänzung oder auf eine Abänderung des Scheidungsurteils vom 22. Juni 1948 gerichtet ist. Beim Entscheid hierüber ist nicht massgebend, wie der Kläger seine Klage selber qualifiziert hat, sondern es kommt darauf an, worauf sie der Sache nach abzielt. 3. Nach Art. 156 Abs. 1 ZGB trifft der Richter bei der Scheidung oder Trennung über die Gestaltung der Elternrechte und der persönlichen Beziehungen der Eltern zu den Kindern "die nötigen Verfügungen". Hinsichtlich der persönlichen Beziehungen ist dabei wegleitend, dass der Ehegatte, dem die Kinder entzogen werden, gemäss Art. 156 Abs. 3 ein Recht auf angemessenen persönlichen Verkehr mit den Kindern hat. Das Scheidungsurteil muss daher eine Bestimmung über das Besuchsrecht enthalten. Eine solche ist im vorliegenden Falle denn auch vorhanden, und zwar begnügt sich die vom Scheidungsrichter zum Bestandteil des Urteils gemachte Ziffer 3 der Scheidungskonvention nicht etwa damit, einfach Art. 156 Abs. 3 ZGB zu wiederholen und die Regelung aller Modalitäten des Besuchsrechts der Verständigung von Fall zu Fall zu überlassen. Vielmehr setzt jene Klausel fest, wie oft und wie lange der Vater die Kinder in der Regel soll besuchen oder zu sich nehmen können. Der Verständigung von Fall zu Fall überlassen ist nur, an welchem Nachmittag das wöchentliche, an welchem Wochenende das monatliche und in welcher Zeit das zweimal drei Wochen umfassende Besuchsrecht soll ausgeübt werden können. Von einer Regelung dieser Einzelheiten abzusehen, lag im Ermessen des Scheidungsrichters. Dieser konnte ohne Bundesrechtsverletzung annehmen, es sei im Sinne von Art. 156 ZGB nicht "nötig", auch diese Punkte im Urteil festzulegen, nachdem die Parteien sich während des der Scheidung vorausgegangenen längern Getrenntlebens über die Besuche BGE 81 II 313 S. 317 offenbar immer hatten verständigen können und nachdem sie auch sonst eine loyale Gesinnung gezeigt und die in Frage stehende Regelung selber vorgeschlagen hatten. Die nachfolgende Entwicklung hat übrigens dieser Beurteilung der Verhältnisse zunächst durchaus recht gegeben. Von 1948 bis 1954 (also über den Eintritt beider Kinder ins schulpflichtige Alter hinaus) vermochten sich die Parteien jeweilen über den Zeitpunkt der Ausübung des Besuchsrechts zu einigen. Erst im siebenten Jahr nach der Scheidung gelang dies nicht mehr. Unter diesen Umständen lässt sich nicht sagen, das Scheidungsurteil habe eine Frage offen gelassen, die der Scheidungsrichter notwendigerweise hätte positiv regeln sollen. Für eine Ergänzung dieses Urteils, die in einem Nachverfahren zum Scheidungsprozess vorzunehmen wäre, ist daher kein Raum. Die urteilsmässige Regelung der erwähnten Detailpunkte, die der Kläger heute mit seiner Klage anstrebt, lässt sich nur auf dem Wege der Abänderung des Scheidungsurteils gemäss Art. 157 ZGB erreichen. Wie die Vorinstanz mit Recht angenommen hat, ist im Wegfall der Verständigungsmöglichkeit, auf die der Scheidungsrichter gezählt hatte, eine Änderung der Verhältnisse im Sinne dieser Bestimmung zu erblicken, die dazu Anlass geben kann, die bisher der Verständigung der Parteien überlassenen Einzelheiten durch Urteil festzusetzen. Die vorliegende Klage ist daher als Abänderungsbegehren zu behandeln. Richtig ist freilich, dass bei einer Regelung, wie Ziffer 3 der Scheidungskonvention der Parteien sie enthält, die Zwangsvollstreckung auf Schwierigkeiten stossen kann. Daraus folgt jedoch entgegen der Auffassung, die Prof. M. Guldener in dem vom Kläger vorgelegten Rechtsgutachten vertritt, nicht zwingend, dass das Scheidungsurteil vom 22. Juni 1948, das diese Bestimmung genehmigt hat, ergänzungsbedürftig sei. Der Richter kann bei Verhältnissen, wie sie im vorliegenden Fall gegeben waren, sehr wohl finden, es sei nicht nötig, das Besuchsrecht so eingehend BGE 81 II 313 S. 318 zu ordnen, dass dieses nötigenfalls zwangsweise durchgesetzt werden kann. Nur eine solche Regelung als genügend gelten zu lassen, ist um so weniger gerechtfertigt, als die Zwangsvollstreckung auf diesem Gebiet ohnehin äusserst problematisch ist. Wenn der Scheidungsrichter bei der Genehmigung der Vereinbarung über das Besuchsrecht gewisse Bedenken zu überwinden hatte, so hatten diese, wie aus der Urteilsbegründung hervorgeht, ihren Grund nicht in der "elastischen" Umschreibung, sondern im ungewöhnlich weiten Ausmass des Besuchsrechts. Es ist daher verfehlt, aus der Tatsache, dass der Scheidungsrichter mit Bezug auf das vereinbarte Besuchsrecht zunächst gewisse Bedenken hegte, den Schluss zu ziehen, der heutige Streit sei nicht auf eine nachträgliche Veränderung der Verhältnisse, sondern auf die Unvollständigkeit des Scheidungsurteils zurückzuführen. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der heutige Kläger im Scheidungsprozess selber ausdrücklich erklären liess, man habe das Besuchsrecht in der Konvention "nicht starr gefasst", weil sich dies mit seinem Beruf nicht vereinen liesse; die gewählte Regelung werde auch weniger Anlass zu Streit geben als eine starre Ordnung, die man doch nicht einhalten könnte. Er hat also bewusst darauf verzichtet, dass im Scheidungsurteil eine genauere Regelung getroffen werde. Wenn er heute gleichwohl geltend macht, das Scheidungsurteil sei lückenhaft und bedürfe daher der Ergänzung, so ist dies rechtsmissbräuchlich. Das Abänderungsverfahren genügt vollauf zur Wahrung seiner berechtigten Interessen. Der Entscheid BGE 80 II 5 ff. und die Basler Praxis, nach welcher bei der Scheidung die Erledigung von Streitigkeiten über das Besuchsrecht dem Ehegerichtspräsidenten übertragen wird, haben mit der Frage, ob im vorliegenden Fall eine Ergänzung oder eine Abänderung des Scheidungsurteils in Betracht komme, nichts zu tun. Der Kläger hat jenen Entscheid und diese Praxis denn BGE 81 II 313 S. 319 auch nur im Zusammenhang mit der Frage angerufen, welches Gericht für ein allfälliges Ergänzungsverfahren zuständig sei.
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Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird abgewiesen und der Entscheid des Obergerichtes des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 12. August 1955 bestätigt.
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Sachverhalt ab Seite 301 BGE 147 II 300 S. 301 A. Im Kanton Thurgau sind zahlreiche Kleinsiedlungen Weiler- oder Dorfzonen zugewiesen. Die kantonalen Behörden qualifizierten diese herkömmlich als Bauzonen (vgl. § 6 der Verordnung des Regierungsrates vom 18. September 2012 zum Planungs- und Baugesetz und zur Interkantonalen Vereinbarung über die Harmonisierung der Baubegriffe [PBV/TG; RB 700.1]). Im kantonalen Richtplan (Kapitel 1.9 Kleinsiedlungen, Stand 2009) wird ausgeführt, zur Erhaltung bestehender Kleinsiedlungen ausserhalb der Bauzonen könnten im Rahmen der Ortsplanung eng begrenzte Weiler- oder Erhaltungszonen ausgeschieden werden; Voraussetzung seien 5-10 bewohnte, mehrheitlich nicht landwirtschaftlich genutzte Gebäude, eine geschlossene Häusergruppe mit Siedlungsqualität und ein kulturgeschichtlich begründeter Siedlungsansatz, der sich von Dörfern und Städten klar absetze. Mit Beschluss vom 27. Oktober 2010 genehmigte der Bundesrat das Kapitel Kleinsiedlungen nur als Zwischenergebnis und wies den Kanton an, die ausgeschiedenen Weilerzonen, welche den Kriterien einer Kleinsiedlung gemäss kantonalem Richtplan nicht entsprechen, einer sachgerechten Zone zuzuweisen. Am 4. Juli 2018 genehmigte der Bundesrat die Anpassung des kantonalen Richtplans (Teilrevision 2017) mit gewissen Vorbehalten. Er forderte den Kanton erneut auf, die Festlegungen im Kapitel 1.9 "Kleinsiedlungen" zu ergänzen und erneuerte den Auftrag, die Zonenzuweisung der bestehenden Weiler zu überprüfen. Das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) wies in seinem Prüfungsbericht vom 19. Juni 2018 darauf hin, dass es sich bei den Weilerzonen nach Art. 33 RPV (SR 700.1) nicht um Bauzonen, sondern vielmehr um Spezialzonen ausserhalb der Bauzone handle, weshalb Baugesuche gemäss Art. 25 Abs. 2 RPG (SR 700) der Zustimmung des Kantons bedürften. BGE 147 II 300 S. 302 B. Am 19. Februar 2019 beschloss der Thurgauer Regierungsrat das Projekt "Überprüfung Kleinsiedlungen im Kanton Thurgau". Eine Arbeitsgruppe überprüfte bei insgesamt 304 Kleinsiedlungen die Zonenzuweisung. Sie kam zum Ergebnis, dass 104 von 245 Kleinsiedlungen in Weiler- und Dorfzonen der Kategorie 1 (Bauzone), 29 der Kategorie 2 (Landwirtschafts- oder Landschaftsschutzzone) und 112 der Kategorie 3 (Weiler- oder Erhaltungszone i.S.v. Art. 33 RPV ) zuzuweisen seien. Um für die Übergangszeit - bis zur Anpassung des kantonalen Richtplans und der kommunalen Zonenpläne - Rechtssicherheit zu schaffen, erliess der Regierungsrat am 12. Mai 2020 die Kleinsiedlungsverordnung (KSV; RB 700.3). Diese hat folgenden Wortlaut: 1.Allgemeines § 1 Zweck 1 Diese Verordnung regelt Zuständigkeit, Verfahren und anwendbares Recht für das Baubewilligungsverfahren in den in den Anhängen 1 und 2 aufgelisteten Kleinsiedlungen. § 2 Provisorische Einteilung der Kleinsiedlungen 1 Anhang 1 enthält eine Liste jener Kleinsiedlungen, die voraussichtlich einer Landwirtschaftszone oder Landschaftsschutzzone nach den Artikeln 16 und 17 des Bundesgesetzes über die Raumplanung (RPG) zuzuweisen sind. 2 Anhang 2 enthält eine Liste jener Kleinsiedlungen, die voraussichtlich einer Zone nach Artikel 33 der Raumplanungsverordnung (RPV) zuzuweisen sind. § 3 Zeitlicher Geltungsbereich 1 Diese Verordnung gilt für die Kleinsiedlungen nach § 2 bis zur Inkraftsetzung der nach den Vorgaben des revidierten Kapitels 1.9 des kantonalen Richtplans angepassten Kommunalplanung derjenigen Gemeinde, in der sich die Kleinsiedlung befindet. 2. Zulässigkeit von Bauten und Anlagen § 4 Kleinsiedlungen nach § 2 Absatz 1 1 Die Zulässigkeit von Bauten und Anlagen in Kleinsiedlungen nach Anhang 1 beurteilt sich nach den Bestimmungen der Landwirtschaftszone derjenigen Gemeinde, in der sich die Kleinsiedlung befindet. § 5 Kleinsiedlungen nach § 2 Absatz 2 1 Die Zulässigkeit von Bauten und Anlagen in Kleinsiedlungen nach Anhang 2 beurteilt sich, soweit diese Verordnung keine abweichenden Vorschriften enthält, nach § 15 der Verordnung des Regierungsrates zum Planungs- und Baugesetz und zur Interkantonalen Vereinbarung über die Harmonisierung der Baubegriffe (PBV). BGE 147 II 300 S. 303 2 Bestehende Bauten dürfen erneuert, umgenutzt und teilweise geändert werden, wenn die Charakteristik der Gebäude im Wesentlichen erhalten bleibt. 3 Ersatzbauten sind zulässig. Sie sind grundsätzlich an gleicher Stelle, mit gleichem Volumen und gleicher Charakteristik zu erstellen. 4 Neubauten sind zulässig, wenn sie landwirtschaftlich begründet oder standortgebunden sind. Sie haben sich in Stellung, Volumen und Charakteristik den bestehenden Bauten anzupassen. 5 An- und Kleinbauten sind zulässig, wenn sie nicht in bestehende Bauten integriert werden können und der Charakter sowie die Eigenart der Kleinsiedlung nicht beeinträchtigt werden. 6 Mit Bezug auf die weiteren Bau- und Gestaltungsvorschriften gelten die Bestimmungen derjenigen Zone, der die Kleinsiedlungen gemäss dem rechtskräftigen Rahmennutzungsplan zugewiesen sind. 3. Verfahrensbestimmungen § 6 Baubewilligungsverfahren 1 Das Amt für Raumentwicklung entscheidet bei allen Bauvorhaben in den in den Anhängen 1 und 2 aufgelisteten Kleinsiedlungen, ob sie zonenkonform sind oder ob eine Ausnahmebewilligung nach Artikel 24 ff. RPG erteilt werden kann. 2 Im Übrigen richtet sich das Baubewilligungsverfahren nach § 53 Absatz 1 und 2 PBV. § 7 Hängige Baugesuche 1 Die Beurteilung von Baugesuchen in Kleinsiedlungen nach § 2, die beim Inkrafttreten dieser Verordnung hängig sind, richtet sich nach dieser Verordnung. 2 Ein Baugesuch gilt ab dem Zeitpunkt seiner Einreichung als hängig. Die KSV umfasst zwei Anhänge. Anhang 1 listet insgesamt 29 Kleinsiedlungen auf, die voraussichtlich einer Landwirtschaftszone oder Landschaftsschutzzone zuzuweisen sind (gemäss § 2 Abs. 1 KSV). In Anhang 2 werden die Kleinsiedlungen genannt, die gemäss § 2 Abs. 2 KSV nach heutigem Kenntnisstand einer Erhaltungszone im Sinne von Art. 33 RPV und § 15 PBV /TG zuzuweisen sind. Die Verordnung trat mit ihrer Publikation im Amtsblatt am 15. Mai 2020 in Kraft. C. A. ist Eigentümer einer Parzelle, die als Kleinsiedlung in Anhang 1 KSV aufgeführt ist. Sie befindet sich in einem Weiler, der im Übrigen Anhang 2 KSV zugewiesen ist. Am 14. Juni 2020 erhob A. Beschwerde an das Bundesgericht mit dem Antrag, die KSV - und insbesondere deren § 7 - seien BGE 147 II 300 S. 304 aufzuheben. Eventuell sei der Regierungsrat zu verpflichten, die vom Bund verlangte Richtplananpassung betreffend Kleinsiedlungen an die Hand zu nehmen. Sollte die KSV nicht aufgehoben werden, sei subeventuell der Regierungsrat zu verpflichten, im hängigen Baubewilligungsverfahren des Beschwerdeführers betreffend seine Liegenschaft die verfassungsrechtlichen Garantien und gesetzlichen Bestimmungen, insb. betreffend Mitwirkung und Rechtsschutz, zu gewährleisten. Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein und überweist diese zuständigkeitshalber dem kantonalen Verwaltungsgericht. (Zusammenfassung)
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition ( Art. 29 Abs. 1 BGG ). Gemäss Art. 82 BGG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden gegen Entscheide in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts (lit. a) und gegen kantonale Erlasse (lit. b). Grundsätzlich ist die Beschwerde nur gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen zulässig ( Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG ), wobei die Kantone als unmittelbare Vorinstanzen des Bundesgerichts obere Gerichte einsetzen müssen ( Art. 86 Abs. 2 BGG ). Gegen Erlasse ist die Beschwerde dagegen unmittelbar an das Bundesgericht zulässig, sofern kein kantonales Rechtsmittel ergriffen werden kann ( Art. 87 Abs. 1 BGG ). Der Kanton Thurgau sieht kein Rechtsmittel unmittelbar gegen kantonale Erlasse vor. Somit wäre das Bundesgericht als erste und einzige Rechtsmittelinstanz für die Beschwerde zuständig, wenn es sich bei der Kleinsiedlungsverordnung um einen Erlass im Sinne von Art. 82 lit. b BGG handeln würde. Dies ist im Folgenden näher zu prüfen. 2. Grundsätzlich versteht das Bundesgericht den Begriff des kantonalen Erlasses in Art. 82 lit. b BGG materiell, d.h. es stellt nicht auf die äussere Form oder die Bezeichnung nach kantonalem Recht ab, sondern prüft, ob der angefochtene kantonale Hoheitsakt rechtsetzenden Charakter aufweist ( BGE 135 II 328 E. 2.1 S. 331; BGE 106 Ia 307 E. 1a S. 308 f.; AEMISEGGER/SCHERRER REBER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 3. Aufl. 2018, N. 27 zu Art.?82 BGG mit Hinweisen; AEMISEGGER, in: Bundesgerichtsgesetz [BGG], BGE 147 II 300 S. 305 Spühler/Aemisegger/Dolge/Vock [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 3 und 12 zu Art. 82 BGG ; WURZBURGER, in: Commentaire de la LTF, Corboz/ Wurzburger/Ferrari/Frésard/Aubry Girardin [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 92 zu Art. 82 BGG ; zu Ausnahmen vgl. unten E. 2.5). 2.1 Rechtssätze sind Anordnungen genereller und abstrakter Natur, die für eine unbestimmte Vielheit von Menschen gelten und eine unbestimmte Vielheit von Tatbeständen regeln, ohne Rücksicht auf einen bestimmten Einzelfall oder auf eine Person ( BGE 135 II 38 E. 4.3 S. 45; BGE 128 I 167 E. 4 S. 170 mit? Hinweisen). Demgegenüber richtet sich die Verfügung als Einzelakt (individuell) an eine Einzelperson oder an eine bestimmte Anzahl von Adressatinnen und Adressaten und regelt eine konkrete Rechtsbeziehung rechtsbegründend, -aufhebend, -gestaltend oder -feststellend (vgl. Art. 5 VwVG [SR 172.021]). 2.2 Zwischen Rechtssatz und Verfügung steht die sog. Allgemeinverfügung, die zwar einen konkreten Sachverhalt regelt, sich aber an einen mehr oder weniger grossen, offenen oder geschlossenen Adressatenkreis richtet. Ihrer Konkretheit wegen werden Allgemeinverfügungen hinsichtlich ihrer Anfechtbarkeit grundsätzlich den gewöhnlichen Verfügungen gleichgestellt ( BGE 125 I 313 E. 2b S. 316 f. mit Hinweisen; AEMISEGGER/SCHERRER REBER, a.a.O., N. 31 zu Art.?82 BGG), können aber u.U. auch noch im Anwendungsfall vorfrageweise auf ihre Rechtmässigkeit überprüft werden (vgl. BGE 134 II 272 E. 3.3 S. 280 f.). 2.3 Auch Nutzungspläne stehen zwischen Erlass und Verfügung ( BGE 135 II 328 E. 2.1 S. 332; vgl. BGE 94 I 336 E. 3 S. 341 f.: "Zwischengebilde eigener Art"). Es handelt sich um Rechtsakte, mit denen das Gemeinwesen die zulässige Nutzung von Grundstücken (nach Art, Ort und Mass) im Detail und verbindlich regelt, wobei einzelnen Teilen eines Gebiets eine bestimmte Nutzung zugewiesen wird (JEANNERAT/MOOR, in: Praxiskommentar RPG: Nutzungsplanung, Aemisegger/Moor/Ruch/Tschannen [Hrsg.], 2016, N. 6 f. zu Art. 14 RPG ). Letzteres unterscheidet Nutzungspläne von raumplanerischen Erlassen, die Art oder Mass der Nutzung allgemein und abstrakt (zonenübergreifend) umschreiben (z.B. Ästhetikklauseln) oder an die persönliche Situation der Einwohnerinnen und Einwohner anknüpfen (AEMISEGGER, in: Praxiskommentar RPG: Baubewilligung, Rechtsschutz und Verfahren, Aemisegger/Moor/Ruch/Tschannen [Hrsg.], 2020, N. 33 zu Art. 34 RPG ). BGE 147 II 300 S. 306 Verfahrensrechtlich werden Nutzungspläne den Regeln der Einzelaktanfechtung unterstellt. Davon geht auch Art. 33 RPG aus, wonach Nutzungspläne öffentlich aufgelegt werden und das kantonale Recht dagegen wenigstens ein Rechtsmittel vorsehen muss (Abs. 2), welches die volle Überprüfung durch wenigstens eine Beschwerdebehörde gewährleistet (Abs. 3 lit. b). In letzter Instanz muss ein oberes kantonales Gericht entscheiden ( Art 86 Abs. 2 BGG ). Dessen Entscheid kann mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gemäss Art. 82 lit. a BGG an das Bundesgericht weitergezogen werden. Die vorfrageweise (akzessorische) Überprüfung von Nutzungsplänen im Baubewilligungsverfahren ist nur ausnahmsweise zulässig (vgl. AEMISEGGER/HAAG, in: Praxiskommentar RPG: Baubewilligung, Rechtsschutz und Verfahren, Aemisegger/Moor/Ruch/Tschannen [Hrsg.], N. 97 zu Art. 33 RPG mit Übersicht über die Rechtsprechung). Den Nutzungsplänen gleichgestellt werden praxisgemäss Bauvorschriften, die mit einem Zonenplan derart eng verbunden sind, dass sie als Teile desselben betrachtet werden müssen ( BGE 133 II 353 E. 3.3 S. 358 mit Hinweisen). 2.4 In BGE 135 II 328 E. 2.2 S. 332 f. entschied das Bundesgericht, dass eine Verordnung ("ordonnance") des Freiburger Staatsrates aufgrund ihrer hinreichend präzisen und detaillierten Anordnungen betreffend gewisse, genau lokalisierte Chalets am Neuenburger See materiell einem Nutzungsplan entspreche und daher den Rechtsschutzanforderungen von Art. 33 RPG unterliege. Es wies die Sache daher zu materiellem Entscheid an das kantonale Verwaltungsgericht zurück, das zuvor auf die Beschwerde nicht eingetreten war. Im Urteil 1C_652/2017 vom 20. August 2018 qualifizierte das Bundesgericht das Reglement über den Schutz der Gewässer im Gebiet Uri Nord als Sammelverfügung für 13 einzeln bezeichnete Gewässer oder alternativ als Nutzungsplan. So oder so unterliege das Reglement den Regeln der Entscheidanfechtung nach Art. 82 lit. a BGG , weshalb nach Art. 86 Abs. 2 BGG ein oberes kantonales Gericht als Vorinstanz des Bundesgerichts erforderlich sei (E. 2.2). Es wies daher die Sache an das Obergericht des Kantons Uri zurück. Im Urteil 2C_118/2008 vom 21. November 2008 (E. 1.1) trat das Bundesgericht auf die Beschwerde gegen ein Genfer Dekret ("arrêté") ein, das ein Hundeverbot für 65 namentlich genannte öffentliche Parks enthielt. Das Bundesgericht führte aus, dass es zwar BGE 147 II 300 S. 307 theoretisch möglich erscheine, die Regelung als Sammelverfügung zu verstehen. Allerdings machten die aufgelisteten Parks den Grossteil der Grünflächen des Kantons aus und das Verbot richte sich an sämtliche Hundehalter und -halterinnen. Insofern rechtfertige es sich, den Beschluss als generell-abstrakte Regelung zu qualifizieren. 2.5 Anders ging das Bundesgericht im Entscheid BGE 119 Ia 141 vor. Dort stellte es für das Eintreten auf die Erlassbeschwerde einzig auf den formellen Charakter des angefochtenen Hoheitsakts ab (Dekret des Grossen Rats) und berücksichtigte erst bei der Prüfung der Gehörsrügen (E. 5d/bb S. 151), dass es sich um ein Fahrverbot für Schiffe auf ganz bestimmten, im Anhang bezeichneten Kleinseen handelte, das als Allgemeinverfügung zu qualifizieren sei. BERNHARD WALDMANN und NICOLAS SCHMITT (La nature juridique controversée d'une ordonnance du Conseil d'Etat, Revue fribourgeoise de jurisprudence [RFJ] 2009 S. 123 ff., insb. 133 ff.) halten diese Vorgehensweise aus Gründen der Rechtssicherheit grundsätzlich für richtig. Auch sie machen indessen eine Ausnahme für Vorschriften, die innerhalb eines gewissen Perimeters Art und Ausmass der baulichen Nutzung allgemeinverbindlich und parzellenscharf regeln. Derartige Bestimmungen seien als Nutzungspläne im Sinne des RPG zu qualifizieren und müssten gemäss Art. 33 RPG von den kantonalen Gerichten überprüft und notfalls aufgehoben werden können, auch wenn der Kanton keine abstrakte Normenkontrolle zulasse (S. 135 f.). 3. Angefochten ist vorliegend die "Kleinsiedlungsverordnung" des Regierungsrats Thurgau. 3.1 Diese enthält generelle Bestimmungen über die Zulässigkeit von Bauten und Anlagen (§ 4 f. KSV) und eine Verfahrens- bzw. Zuständigkeitsregel für das Baubewilligungsverfahren (§ 6). Diese Regelungen gelten jedoch weder für alle Kleinsiedlungen im Kanton noch für alle Weiler- oder Dorfzonen, sondern einzig für die in Anhang 1 und 2 namentlich aufgeführten Kleinsiedlungen. Diese weisen nach Auffassung der Arbeitsgruppe "Überprüfung Kleinsiedlungen im Kanton Thurgau" nicht den Charakter einer Bauzone i.S.v. Art. 15 RPG auf und sollen deshalb künftig der Landwirtschafts- oder Landschaftsschutzzone (Anhang 1) oder einer (Nichtbau-)Zone nach Art. 33 RPV (Anhang 2) zugewiesen werden. Für solche Kleinsiedlungen enthält die KSV vorsorgliche Massnahmen, die bis zur Inkraftsetzung der revidierten kommunalen Zonenpläne gelten (vgl. Beschluss des Regierungsrats vom 12. Mai 2020 S. 2). BGE 147 II 300 S. 308 Zwar ist der KSV kein Plan beigefügt. Die betroffenen Kleinsiedlungen werden jedoch im Anhang mit einer im Rahmen einer Geoinformationssystem-Analyse (GIS-Analyse) festgelegten Identifikationsnummer (KS-ID) und Lagekoordinaten parzellenscharf bestimmt. Die Zuteilung zu Anhang 1 oder Anhang 2 entscheidet über die anwendbaren Nutzungsvorschriften (§ 4 oder § 5 KSV) und präjudiziert damit das Baubewilligungsverfahren. Im Ergebnis kommt die KSV damit einer Planungszone im Sinne von Art. 27 RPG oder einer provisorischen kantonalen Nutzungszone gleich: Die § 4 f. KSV verweisen auf die Nutzungsvorschriften für die Landwirtschaftszone (Anhang 1) bzw. für Erhaltungszonen (Anhang 2) und stellen damit sicher, dass in der Übergangszeit, bis zur Anpassung der Zonenplanung, keine Bauten und Anlagen bewilligt werden, die der in Aussicht genommenen neuen Zonenzuweisung widersprechen. 3.2 Materiell ist die KSV daher als Nutzungsplan i.S.v. Art. 14 RPG zu qualifizieren. Dies hat zur Folge, dass dagegen gemäss Art. 33 RPG ein kantonales Rechtsmittel gegeben sein muss (Abs. 2), das die volle Überprüfung durch wenigstens eine Beschwerdebehörde vorsieht (Abs. 3). Erst gegen den kantonal letztinstanzlichen Gerichtsentscheid steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 lit. a BGG offen. Auf die unmittelbar gegen die KSV gerichtete Beschwerde ist daher nicht einzutreten. 4. Praxisgemäss übermittelt das Bundesgericht die Beschwerde in derartigen Fällen der zuständigen kantonalen Behörde, falls sich diese ermitteln lässt (analog Art. 30 Abs. 2 BGG , vgl. BGE 136 I 42 E. 2 S. 47 mit Hinweis). Da vorliegend ein Hoheitsakt des Regierungsrats zu überprüfen ist, kommt einzig das kantonale Verwaltungsgericht als Rechtsmittelinstanz in Betracht. Diesem ist die Sache somit zuständigkeitshalber zu überweisen. (...)
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Sachverhalt ab Seite 8 BGE 84 IV 8 S. 8 A.- Am 18. Juni 1951 wurde Bächtiger vom Obergericht des Kantons Zürich wegen wiederholten und fortgesetzten Betruges zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Auf die Freiheitsstrafe wurden 379 Tage Sicherheitshaft angerechnet. Den Rest der Strafe verbüsste Bächtiger aus Gesundheitsgründen erst im Jahre 1956. B.- Von 1952 bis 1954 beging Bächtiger eine Reihe von Betrugshandlungen, Urkundenfälschungen und zahlreiche Sittlichkeitsdelikte. Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt verurteilte ihn deswegen am 16. Oktober 1957 zu zehn Jahren Zuchthaus und zu fünf Jahren Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit. Dabei BGE 84 IV 8 S. 9 wendete es mit Rücksicht auf die Anrechnung der Untersuchungshaft im früheren Urteil die Rückfallsbestimmung des Art. 67 Ziff. 1 StGB an. C.- Bächtiger macht mit der Nichtigkeitsbeschwerde geltend, das angefochtene Urteil verletze die Bestimmung über den Rückfall, welche eine Strafverbüssung voraussetze; dieser könne die Anrechnung der Untersuchungshaft nicht gleichgestellt werden.
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Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: Nach Art. 67 StGB liegt Rückfall vor, wenn der Täter zu Zuchthaus oder Gefängnis verurteilt wird und zur Zeit der Tat noch nicht fünf Jahre vergangen sind, seit er eine Zuchthaus- oder Gefängnisstrafe ganz oder teilweise verbüsst hat. Die Anrechnung der Untersuchungshaft gemäss Art. 69 StGB bedeutet nach ständiger Rechtsprechung, dass die Strafe in dem Umfang, in dem die angerechnete Untersuchungshaft gedauert hat, als getilgt gilt und nur noch für den allenfalls nicht erstandenen Teil zu vollstrecken ist ( BGE 68 IV 103 ; BGE 69 IV 52 /53, 152; BGE 73 IV 10 ; BGE 81 IV 211 ). Der angerechneten Untersuchungshaft wird mit anderen Worten die rechtliche Wirkung der Strafvollstreckung beigelegt. Insoweit ist die Untersuchungshaft einer verbüssten Strafe rechtlich gleichgestellt. In der Tat wird niemand im Ernst behaupten, dass derjenige, dem die Untersuchungshaft so angerechnet worden ist, dass nichts mehr zu vollstrecken ist, die Strafe nicht verbüsst habe. Vernünftigerweise kann nicht das Gegenteil gelten, wenn nach Anrechnung der Untersuchungshaft ein Teil der Strafe noch zu verbüssen bleibt. Die gesetzliche Bedeutung der Anrechnung der Untersuchungshaft bleibt die gleiche, auch wenn sie sich zum Nachteil des Verurteilten auswirkt. Daher muss notwendig Rückfall angenommen werden, falls er vor der Vollstreckung des durch die Anrechnung der Untersuchungshaft nicht getilgten Strafteils die Voraussetzungen BGE 84 IV 8 S. 10 des Art. 67 StGB erfüllt (HAFTER, Allg. Teil S. 370; LOGOZ N. 3 A lit. b zu Art. 67 StGB ). Dieser Auffassung steht nicht entgegen, dass im Falle der Verurteilung mit bedingtem Strafvollzug die Anrechnung der Untersuchungshaft nicht als Strafverbüssung gilt, auch nicht, wenn die Dauer der Untersuchungshaft der verhängten Strafe gleichkommt. Wird einem Verurteilten, dem die Untersuchungshaft angerechnet wird, der bedingte Strafaufschub zugebilligt, so bezieht sich die Massnahme auf die ganze ausgesprochene Strafe und nicht bloss auf den allenfalls noch zu verbüssenden Strafrest. Die Wirkung der Anrechnung tritt somit nicht schon mit der Rechtskraft des Urteils ein, sondern erst, wenn der bedingte Strafvollzug wegen Nichtbewährung widerrufen wird ( BGE 81 IV 211 ). Die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage, wie es sich verhalte, wenn die Untersuchungshaft nicht angerechnet werde, stellt sich nur soweit, als sie für den vorliegenden Fall Bedeutung hat. Gewiss kann der Eindruck, den die Untersuchungshaft beim Verurteilten hinterlässt, der gleiche sein, ob sie angerechnet wird oder nicht, und es kann als störend empfunden werden, dass derjenige, der die Nichtanrechnung selber verschuldet, besser gestellt sein soll als der andere, dem die Untersuchungshaft als Strafverbüssung angerechnet wird. Diese Überlegung führt aber nicht zwingend dazu, die Fälle der Anrechnung und der Nichtanrechnung einander gleichzusetzen, und vor allem folgt daraus nichts Entscheidendes gegen den Grundsatz, dass die Strafe, soweit die Untersuchungshaft angerechnet wird, als verbüsst zu gelten hat. Es kann nicht übersehen werden, dass der Grund dieser Wirkung nicht in der Untersuchungshaft als solcher liegt, sondern im Urteil des Richters, der aus Billigkeitserwägungen die ausgefällte Strafe als durch die erlittene Untersuchungshaft getilgt erklärt. Insofern besteht zwischen Anrechnung und Nichtanrechnung ein wesentlicher Unterschied, der sich auch beim Verurteilten dahin auswirkt, dass ihm im Falle BGE 84 IV 8 S. 11 der Anrechnung durch den Urteilsspruch eindrücklich zum Bewusstsein gebracht wird, dass die ausgestandene Untersuchungshaft Strafe war und dass er fortan als vorbestraft gilt, gleichgültig, wann der Rest der Strafe vollzogen wird. Begeht er trotz dieser Mahnung ein Verbrechen oder Vergehen, ehe der Strafrest verbüsst wird, so hat er die dann für ihn nachteilige Wirkung der Anrechnung sich selber zuzuschreiben. In gleicher Weise kann auch der Erlass durch Begnadigung, welcher der Verbüssung gleichgestellt ist ( Art. 67 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ), dem Verurteilten nachträglich zum Nachteil werden.
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Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Erwägungen ab Seite 353 BGE 102 Ib 353 S. 353 Erwägungen: 2. Die Enteignete wirft der Schätzungskommission vor, sie habe bei der Berechnung der Enteignungsentschädigung zu Unrecht die statistische Methode von vornherein ausgeschlossen und nur auf die Rückwärtsrechnung abgestellt. Wenn auch, wie die Enteignete selbst einräumt, keine Vergleichsgeschäfte gefunden werden könnten, die "zwingend analog" seien, so hätte dennoch auf Grund der vorhandenen Vergleichspreise erkannt werden müssen, dass die von der Kommission für die Teilabtretung der Parzelle Nr. 190 festgesetzten Entschädigungen zu niedrig seien. Diese Kritik ist nicht ganz unberechtigt. Der Verkehrswert von Bauland, d.h. der Preis, den eine unbestimmte Vielzahl von Kaufsinteressenten voraussichtlich für das betreffende Grundstück bezahlen würde, lässt sich nur aus bereits bekannten Werten ermitteln. In der Regel kann der Bodenwert anhand von tatsächlich bezahlten Preisen für Land in der gleichen Gegend bestimmt werden, wobei allfälligen Unterschieden der Vergleichsgrundstücke in der Form, Lage, Ausnutzungsmöglichkeit, Umgebung und Bodenbeschaffenheit Rechnung zu tragen ist, also entsprechende Preiszuschläge BGE 102 Ib 353 S. 354 oder -abzüge vorzunehmen sind (vgl. nicht publ. Entscheide vom 8. Mai 1974 i.S. Grubag AG und 26. Februar 1956 i.S. Meuwly; HÄGI, Die Bewertung von Liegenschaften, 6. A. 1971, S. 50 f., HESS, Das Enteignungsrecht des Bundes, N. 3 zu Art. 20 EntG , WIEDERKEHR, Die Expropriationsentschädigung, Diss. Zürich 1966, S. 33 ff.). Diese statistische Methode führt allerdings nur zu richtigen Resultaten, wenn Vergleichspreise in genügender Zahl, und zwar für Objekte ähnlicher Beschaffenheit, zur Verfügung stehen. Bei der sogenannten Methode der Rückwärtsrechnung wird der Wert von nicht überbauten oder nur mit Abbruchobjekten bebauten Parzellen auf Grund einer hypothetischen, den Ausnutzungsbestimmungen entsprechenden Neuüberbauung berechnet, indem die Anlagekosten vom Ertragswert, der anhand bekannter Mietpreise bestimmt werden kann, abgezogen werden; die sich ergebende Summe entspricht dem Bodenwert. Die Rückwärtsrechnung beruht auf der Überlegung, dass bei Neuüberbauungen der Verkehrswert, der Sachwert und der Ertragswert ungefähr gleich gross sind, da die Mietzinse auf Grund der Baukosten berechnet werden (vgl. HÄGI, a.a.O. S. 54 ff., WIEDERKEHR, a.a.O. S. 36 ff.) Bei Anwendung dieser Methode ist jedoch zu beachten, dass die einzelnen Annahmen mit besonderer Sorgfalt und unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse getroffen werden müssen. Zudem sind die einzelnen Faktoren in eine vernünftige Beziehung zueinander zu stellen. So ist nicht in jedem Falle von einem Bauprojekt auszugehen, das den nach geltender Bauordnung höchst zulässigen Baukubus aufweist, sondern von einer Überbauung, die unter den gegebenen Verhältnissen an Ort - je nach Raumbedarf - wahrscheinlich erstellt worden wäre. Bei der Berechnung des Mietertrages ist der wirtschaftliche Zweck des projektierten Gebäudes festzulegen und dafür abzuklären, ob und in welchem Umfange es aus Läden und Büros bestehen könnte oder ob es sich beispielsweise schon von seiner Lage her nur für Wohnungen eignen würde. Die Festsetzung der Baukosten hat im weiteren nicht nur nach den üblichen Baupreisen, sondern unter Berücksichtigung der regionalen und sogar örtlichen Verhältnisse auf dem Baumarkt zu erfolgen; ausserdem ist der Bauweise und der Art des Ausbaus Rechnung zu tragen. Schliesslich ist in Betracht zu ziehen, dass je nach Projekt, Art und Höhe der Investition BGE 102 Ib 353 S. 355 vom Bauherrn unterschiedliche Anforderungen an die Rentabilität gestellt werden: wer für den Eigengebrauch oder zum Zwecke einer langfristigen Kapitalanlage baut, will erfahrungsgemäss nicht die gleiche Rendite erzielen wie jener, der ein Gebäude für den sofortigen Weiterverkauf erstellt. - Nur wenn bei der Festsetzung der verschiedenen Faktoren allen diesen Umständen die nötige Aufmerksamkeit geschenkt wird, führt die Rückwärtsrechnung zu brauchbaren Ergebnissen, da auf Grund der Berechnungsformel selbst ziffernmässig geringe Differenzen in den einzelnen Annahmen erhebliche Resultat-Streuungen entstehen lassen. Birgt somit diese Methode einen relativ hohen Unsicherheitsfaktor in sich, ist sie - was übrigens auch für weitere Methoden (Lageklassen-Methode nach Naegeli, Wertabnahmeformel für tiefe Grundstücke usw.) gilt - lediglich zur Kontrolle der anhand der statistischen Methode gefundenen Werte oder nur dann anzuwenden, wenn geeignete Vergleichspreise fehlen.
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Sachverhalt ab Seite 324 BGE 106 Ia 323 S. 324 Mediante avviso pubblicato nel Foglio ufficiale del 31 ottobre 1978, l'Ufficio patriziale del Patriziato generale d'Onsernone mise a pubblico concorso l'affitto dei propri alpi per il periodo 1979-1984. Il 6 novembre 1978 Marco Chiesa inoltrò la sua offerta segnatamente per l'alpe "Crenello e Boscaccio", facendo valere un diritto preferenziale all'aggiudicazione dedotto dall' art. 11 del decreto esecutivo della LF 12 giugno 1951 sulla conservazione della proprietà fondiaria agricola, del 18 gennaio 1974 (DE-LPF in Raccolta delle leggi vigenti del Cantone Ticino, vol. IX n. 384). Nella seduta del 20 dicembre 1978, l'Ufficio patriziale risolse di deliberare "Crenello e Boscaccio" a Piergiorgio Terribilini per il canone annuo di Fr. 200.-- e di ritenere "nulla" l'offerta di Chiesa poiché in contrasto con l'avviso di concorso. In data 4 gennaio 1979, Marco Chiesa impugnò la risoluzione concernente l'alpe "Crenello e Boscaccio" dinanzi al Consiglio di Stato, chiedendo l'annullamento della deliberazione, il riconoscimento del suo diritto preferenziale alle stesse condizioni d'aggiudicazione dell'altro concorrente o alle condizioni fissate dalla Commissione cantonale dei fitti agricoli (CCFA), ed in subordine l'annullamento della procedura di pubblico concorso. Il ricorrente allegò in sostanza la violazione degli art. 11 DE-LPF e 4 § cpv. 2 del decreto esecutivo d'applicazione della LF 21 dicembre 1960 concernente il controllo dei fitti agricoli, del 22 novembre 1961 (DE-LCFA in Raccolta delle leggi vigenti del Cantone Ticino, vol. IX n. 385). Il Consiglio di Stato respinse il gravame con decisione del 21 maggio 1979, confermata poi su ricorso dal Tribunale cantonale amministrativo (TCA) il BGE 106 Ia 323 S. 325 22 agosto successivo. Secondo i giudici cantonali, la legislazione applicabile assegnava a parità con altri concorrenti e nei limiti del canone massimo consentito dalla CCFA un diritto preferenziale a favore dell'affittuario precedente, qualità che faceva difetto a Marco Chiesa: quest'ultimo, infatti, non aveva partecipato al concorso pubblicato dall'Ufficio patriziale nel 1973 e, pur avendo utilizzato di fatto l'alpe per il precedente periodo (1973-1978), non aveva comunque privato Terribilini dello status d'affittuario precedente che gli derivava della circostanza d'esser stato formalmente l'aggiudicatario dell'alpe per il detto periodo, solvendo a questo titolo il canone annuale. Con tempestivo ricorso di diritto pubblico fondato sulla violazione dell' art. 4 Cost. (per arbitrio e diniego formale di giustizia), Marco Chiesa è insorto contro la sentenza del TCA, chiedendo al Tribunale federale di annullarla e protestando spese e ripetibili.
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Erwägungen Dai considerandi: 3. Con il suo gravame, il ricorrente lamenta arbitrio e diniego formale di giustizia nella procedura di delibera, rimproverando alle precedenti istanze d'avergli negato a torto un diritto preferenziale, d'aver riconosciuto altrettanto a torto a Piergiorgio Terribilini la qualifica d'affittuario precedente, e d'aver quindi a torto assegnato a quest'ultimo l'affitto dell'alpe patriziale. a) Secondo costante giurisprudenza, chi partecipa - come il ricorrente - ad un pubblico concorso per ottenere l'aggiudicazione di lavori o l'affitto di beni non ha la possibilità di impugnare con ricorso di diritto pubblico (né d'altronde con ricorso di diritto amministrativo) l'atto con cui l'autorità statale si determina a favore d'un altro concorrente con il quale concluderà poi il relativo contratto d'appalto o di locazione. Giusta l' art. 84 cpv. 1 OG , il ricorso di diritto pubblico per violazione dei diritti costituzionali del cittadino è infatti aperto soltanto contro decisioni e decreti cantonali. Ora, per decisioni ai sensi di codesto articolo, vanno intesi quei giudizi concreti attraverso i quali l'autorità, agendo quale titolare del pubblico potere e con atto d'imperio, crea, modifica, sopprime o accerta un determinato rapporto giuridico fra i privati e lo Stato (v. DTF 104 Ia 150 consid. 1; DTF 102 Ia 536 consid. 1; DTF 98 Ia 510 consid. 1; MARTI, Die staatsrechtliche Beschwerde, IV ediz., pag. BGE 106 Ia 323 S. 326 87; AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, n. 1658). Queste caratteristiche non sono riconosciute alla decisione con cui l'ente pubblico aggiudica a un privato o ad un'impresa privata lavori messi a pubblico concorso; il Tribunale federale ritiene infatti che la risoluzione di deliberare lavori a un concorrente, se rappresenta un atto amministrativo in senso lato, non costituisce però decisione impugnabile con ricorso di diritto pubblico poiché le manca il carattere d'atto d'imperio dell'autorità statale ai sensi dell' art. 84 OG : essa non regola infatti unilateralmente ed in modo imperativo un rapporto giuridico fra due parti, ma abilita soltanto l'ente pubblico a concludere un contratto d'appalto o d'affitto con l'aggiudicatario (v. DTF 103 Ib 156 /57 consid. 2a e 4; DTF 101 IV 410 /11 consid. 1b; DTF 91 I 187 consid. 3; DTF 60 I 369 ; ZBl 76/1975, pag. 476; GAAC 1976 n. 55 pagg. 20 e 26; sentenza 23 gennaio 1974 in re W. & Cie AG, in BORGHI, Giurisprudenza amministrativa ticinese, n. 938; sentenza inedita 6 novembre 1968 in re Canonica, consid. 3; sentenza inedita 8 maggio 1978 in re Regazzi, consid. 2). Con la delibera l'ente pubblico non può infatti imporre autoritariamente al privato l'esecuzione di determinati lavori a condizioni da esso stesso indicate, ma si limita invece ad accettare un'offerta e scartare le altre secondo precisi criteri stabiliti dalla legge (cfr. GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, pag. 105). Da questa giurisprudenza, non condivisa invero da tutti gli autori (cfr. i riferimenti in KÖLZ, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, al § 19 n. 47), ma costantemente confermata dal Tribunale federale dal 1934 in poi non v'è ragione di scostarsi in assenza d'una riforma legislativa, la cui opportunità giuridico-politica è d'altronde negata in dottrina (cfr. GYGI, op.cit., ibidem). b) Giusta l' art. 88 OG , la veste per interporre ricorso di diritto pubblico spetta ai privati o agli enti collettivi che si trovano lesi nei loro diritti da decreti o decisioni che li riguardano personalmente o che rivestono carattere obbligatorio generale. Il rimedio è dunque dato ai cittadini e agli enti collettivi solo per proteggere interessi che appartengono loro in proprio e che rivestono un'importanza giuridica: esso è invece inammissibile se proposto per tutelare l'interesse generale o per salvaguardare interessi di mero fatto (v. DTF 104 Ia 152 consid. 2a; DTF 103 Ia 68 consid. 1; DTF 98 Ia 654 ). Ora, colui che partecipa ad una gara BGE 106 Ia 323 S. 327 d'appalto disposta dall'ente pubblico non ha, di regola, alcun diritto all'ottenimento della delibera, cioè all'aggiudicazione del lavoro o dell'affitto e, rispettivamente, alla conclusione dei relativi contratti, né può dunque pretendere che la scelta dell'autorità cada su sé stesso anziché su di un terzo: ciò significa, in altre parole, che gli interessi giuridicamente protetti del concorrente non possono esser lesi dal fatto che l'autorità abbia scartato la sua offerta, favorendo invece un altro candidato. Ne consegue che i ricorsi di diritto pubblico proposti da partecipanti non considerati in una gara d'appalto sono per principio irricevibili poiché codesti partecipanti non hanno alcun diritto - come tale tutelabile dinanzi al Tribunale federale - di vedersi assegnato l'appalto stesso (v. DTF 104 Ia 154 ; DTF 89 I 278 /80 consid. 2; sentenze 26 febbraio 1973 in re Camera di commercio, dell'industria e dell'artigianato del Canton Ticino e 17 gennaio 1973 in re G., parzialmente pubblicate in BORGHI, op.cit., ni. 960/961; sentenze inedite 6 novembre 1968 in re Canonica, consid. 2; 8 maggio 1978 in re Regazzi consid. 1a; Aubert, op.cit., n. 1662; MACHERET, La qualité pour recourir, in RDS 94/1975 II pag. 174). c) Secondo la giurisprudenza, il concorrente escluso può tuttavia proporre ricorso di diritto pubblico per contestare la procedura d'aggiudicazione ove siano state violate norme volte non già a consentire all'ente appaltante la giusta scelta dettata dall'interesse pubblico, ma a tutelare gli interessi diretti e reciproci dei concorrenti. Nella misura in cui l'autorità applica siffatte norme nella procedura di delibera - e solo in tal misura - non si può infatti negare né l'esistenza di un atto impugnabile ai sensi dell' art. 84 cpv. 1 OG , né la legittimazione ricorsuale del candidato giusta l' art. 88 OG : applicando questi disposti, l'ente pubblico delinea infatti direttamente la situazione giuridica dei concorrenti, intervenendo nella sfera di interessi giuridicamente protetti, e l'eventuale disattenzione di questi stessi disposti si risolve in un diniego di giustizia formale, che può esser dedotto al Tribunale federale indipendentemente dalla legittimazione di merito (v. DTF 104 Ia 150 consid. 1 e 154; 91 I 91 consid. 1; 90 I 67 consid. 2; sentenze inedite 6 novembre 1968 in re Canonica, consid. 2; 8 maggio 1978 in re Regazzi, consid. 1a). d) Nella concreta fattispecie, il ricorrente ascrive all'autorità cantonale la disattenzione di una norma (l'art. 11 DE-LPF) che, a parer suo, doveva BGE 106 Ia 323 S. 328 privilegiarlo nei confronti degli altri concorrenti. Questo disposto concede infatti a colui che già è stato aggiudicatario del bene un diritto prioritario o preferenziale da far valere in futuro, e garantisce quindi all'affittuario precedente una posizione giuridicamente privilegiata per la successiva conclusione del contratto d'alpeggio o di pascolo previsto dall'art. 6 DE-LPF. Nella misura in cui l'autorità cantonale, applicando l'art. 11 DE-LPF, ha negato a Marco Chiesa il diritto preferenziale, ovverosia lo status d'affittuario precedente, la sua decisione - che accerta l'inesistenza di un determinato rapporto giuridico fra ricorrente e Patriziato - costituisce atto d'imperio e lede il ricorrente: essa è quindi impugnabile con ricorso di diritto pubblico giusta gli art. 84 e 88 OG . Marco Chiesa non si limita tuttavia a contestare il mancato riconoscimento del suo diritto preferenziale, ma sostiene inoltre che, riconoscendo al resistente Terribilini la qualifica d'affittuario precedente ed assegnando a quest'ultimo l'alpe patriziale senza nemmeno rispettare l'art. 4 § cpv. 2 DE-LCFA, l'autorità cantonale avrebbe violato anche per questo rispetto l' art. 4 Cost. Sennonché su tal punto l'atto impugnato - pur costituendo una decisione ai sensi dell' art. 84 OG - non lede il ricorrente nella sua posizione giuridica, cioè nei suoi diritti o interessi giuridicamente protetti (v. DTF DTF 104 Ia 152 consid. 2a; DTF 91 I 413 consid. 3; MACHERET, op.cit., pag. 153 segg.). Come più volte sottolineato dalla giurisprudenza, la veste per interporre gravame di diritto pubblico manca, in linea di principio, a chi intende contestare una misura o un decreto dell'autorità che favorisce un terzo in un modo che si pretende illecito (v. DTF 105 Ia 355 /56 consid. 3a; DTF 86 I 284 ; 85 I 53 consid. 3; sentenza inedita 6 novembre 1968 in re Canonica, consid. 2). Quand'anche Terribilini avesse ottenuto la delibera in palese dispregio dell'art. 4 § cpv. 2 DE-LCFA, che impone (nel caso dei pubblici appalti) la preventiva approvazione dell'affitto da parte della CCFA e sanziona il mancato rispetto della formalità con la nullità della relativa convenzione, il ricorrente non potrebbe dolersene con ricorso di diritto pubblico, poiché il controllo e l'approvazione dei fitti sono stati istituiti nell'interesse generale dell'economia per conservare e consolidare la proprietà agricola ed assicurare di conseguenza l'efficienza dell'agricoltura (v. FF franc. 1960 II 489 segg.). Sotto questo aspetto, il ricorrente si trova quindi nella situazione già descritta del concorrente escluso a vantaggio di un altro, ed BGE 106 Ia 323 S. 329 il gravame risulta così irricevibile per carenza di legittimazione ai sensi dell' art. 88 OG . e) Se ne deve concludere che il ricorso è ammissible solo nella misura in cui il ricorrente lamenta che l'autorità cantonale ha negato arbitrariamente il suo diritto preferenziale ed è caduta in un diniego di giustizia formale.
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Sachverhalt ab Seite 165 BGE 108 Ia 165 S. 165 Die Staatsverfassung des Kantons Basel-Landschaft vom 4. April 1892 (KV) regelt das Recht der Volksinitiative in § 12. Die Bestimmungen von § 12 Abs. 1 bis 3 KV lauten in der Fassung vom 2. Juni 1969 wie folgt: "1 1500 Stimmberechtigte sind jederzeit befugt, das Begehren um Erlass eines neuen oder um Aufhebung oder Änderung eines bestehenden Gesetzes, eines allgemein verbindlichen Beschlusses oder einer vom Landrat erlassenen Verordnung zu stellen. Initiativbegehren können in der Form der einfachen Anregung (nichtformulierte Initiative) oder des ausgearbeiteten Entwurfes (formulierte Initiative) gestellt werden. BGE 108 Ia 165 S. 166 2 Tritt der Landrat auf eine nichtformulierte Initiative nicht von sich aus ein, so ist längstens innert sechs Monaten nach Einreichung des Begehrens die Frage, ob ihm Folge gegeben werden soll, der Gesamtheit der Stimmberechtigten zum Entscheid vorzulegen. 3 Wird auf eine nichtformulierte Initiative zufolge Volksabstimmung oder Beschlusses des Landrates eingetreten, oder handelt es sich um eine formulierte Initiative, so ist der Landrat gehalten, eine Vorlage im Sinne des gestellten Begehrens innert einer Frist von achtzehn Monaten zu verabschieden." Am 15. März 1979 reichten die Progressiven Organisationen Baselland (POCH) bei der Landeskanzlei des Kantons Basel-Landschaft eine nichtformulierte Gesetzesinitiative mit dem Titel "Schutz für Luft, Boden und Wasser" ein. Mit Beschluss vom 10. April 1979 stellte der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft fest, dass die Initiative zustandegekommen war. In der Folge zeigte es sich, dass Land- und Regierungsrat die Initiative so lange weder behandeln noch den Stimmberechtigten zur Abstimmung vorlegen wollten, bis ein endgültiger Entwurf für ein Bundesgesetz über den Umweltschutz vorliegen würde.
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Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 3. Februar 1982 verlangen die POCH und Felix Hauser, dass die Initiative den Stimmberechtigten des Kantons Basel-Landschaft unverzüglich zur Abstimmung unterbreitet werde. Sie werfen dem Landrat eine Verletzung von § 12 KV vor, da er die Initiative nicht zur Volksabstimmung vorgelegt habe. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde im Sinne der Erwägungen gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Das Initiativrecht verbürgt den Anspruch, dass ein Volksbegehren, das die geltenden Formerfordernisse erfüllt und keinen übergeordneten materiellen Vorschriften widerspricht, den Stimmbürgern in dem dafür vorgesehenen Verfahren unterbreitet wird ( BGE 104 Ia 242 mit Hinweisen). Die Beschwerdeführer machen geltend, der Landrat habe die Vorschriften von § 12 Abs. 2 und 3 KV verletzt, indem er die Initiative "Schutz für Luft, Boden und Wasser" den Stimmberechtigten nicht unterbreitet habe. Die Missachtung der Behandlungsfristen von sechs beziehungsweise achtzehn Monaten lasse sich nicht rechtfertigen. Eine Sistierung sei weder in Verfassung noch Gesetz vorgesehen und daher ungültig. Die Initiative sei unter anderem auch deshalb lanciert worden, um die kantonalen Behörden zu zwingen, bereits vor Inkrafttreten des BGE 108 Ia 165 S. 167 eidgenössischen Umweltschutzgesetzes die notwendigen kantonalen Bestimmungen auszuarbeiten, um im Fall der Verzögerung oder gar des Scheiterns des Gesetzes diese Bestimmungen bereits zur Hand zu haben. Das Warten der Behörden auf eine eidgenössische Regelung höhle dieses Recht der Initianten völlig aus. a) Bei Beschwerden gemäss Art. 85 lit. a OG prüft das Bundesgericht die Anwendung und Auslegung des kantonalen Verfassungsrechts und jener Vorschriften des kantonalen Gesetzesrechts frei, die mit dem Stimmrecht eng zusammenhängen oder die dessen Inhalt und Tragweite umschreiben. In bezug auf das übrige kantonale Recht ist die Kognition des Bundesgerichts auf eine Willkürprüfung beschränkt ( BGE 106 Ia 199 E. 2d mit Verweisungen). Ob die Vorschriften von § 12 Abs. 2 und 3 KV verletzt worden sind, prüft das Bundesgericht somit ohne Einschränkung seiner Kognition. b) Tritt der Landrat auf eine nichtformulierte Initiative nicht ein, so ist gemäss § 12 Abs. 2 KV längstens innert sechs Monaten nach der Einreichung die Frage den Stimmberechtigten vorzulegen, ob dem Begehren Folge gegeben werden soll. Tritt er jedoch darauf ein, so ist der Landrat nach § 12 Abs. 3 KV gehalten, innert achtzehn Monaten eine Vorlage im Sinne des gestellten Begehrens zu verabschieden. Die Initiative "Schutz für Luft, Boden und Wasser" ist der Landeskanzlei des Kantons Basel-Landschaft am 15. März 1979 eingereicht worden. Weder der Land- noch der Regierungsrat bestreiten, dass sowohl die Frist für die Durchführung einer Volksabstimmung im Fall des Nichteintretens als auch jene für die Verabschiedung einer Vorlage abgelaufen sind. Sie vertreten jedoch die Auffassung, dass es sich bei den Fristen gemäss § 12 Abs. 2 und 3 KV um reine Ordnungsfristen handle, deren Nichtbeachtung grundsätzlich mit keinen besonderen Rechtsfolgen verbunden sei. Allerdings könne eine Fristüberschreitung dann mit staatsrechtlicher Beschwerde gerügt werden, wenn eine Ordnungsfrist grundlos missachtet worden sei und damit im Ergebnis eine Rechtsverzögerung vorliege. Davon könne hinsichtlich der Behandlung der Initiative der POCH nicht die Rede sein. Solange kein definitiver Entwurf für das künftige Bundesgesetz über den Umweltschutz vorliege, könnten Land- und Regierungsrat sich nicht in endgültiger und verbindlicher Weise über die kantonale Volksinitiative aussprechen. Die Beschwerdeführer anerkennen, dass es sich bei den Fristen gemäss § 12 Abs. 2 und 3 KV um BGE 108 Ia 165 S. 168 Ordnungsfristen handelt. Sie bestreiten jedoch die Stichhaltigkeit der Begründung, die für die Überschreitung der Fristen gegeben wird. Wie die Beschwerdeführer in Übereinstimmung mit dem Land- und dem Regierungsrat zutreffend annehmen, handelt es sich bei den Fristen nach § 12 Abs. 2 und 3 KV um Ordnungsfristen (vgl. BGE 104 Ia 243 E. 3a mit Hinweisen). Das will indessen nicht heissen, dass sie deshalb bedeutungslos wären. So haben sie zunächst eine gewisse politische Bedeutung. Sodann kann deren Überschreitung wegen Rechtsverweigerung beziehungsweise Rechtsverzögerung mit staatsrechtlicher Beschwerde beim Bundesgericht beanstandet werden, wenn die kantonalen Behörden die Fristen auf unzulässige Art verstreichen lassen, ohne zu handeln, oder das fragliche Geschäft in ungerechtfertigter Weise trölerisch behandeln ( BGE 100 Ia 56 ; vgl. auch BGE 104 Ia 246 ). c) Im vorliegenden Fall ist es die erklärte Absicht von Land- und Regierungsrat, die Initiative der POCH bis zum Vorliegen eines endgültigen Entwurfs für ein eidgenössisches Umweltschutzgesetz nicht zu behandeln. Zwar wollen sie die Genehmigung des regierungsrätlichen Amtsberichts 1980 durch den Landrat so verstanden haben, dass dieser auf die Initiative eingetreten sei, deren Behandlung aber sistiert habe. Indessen haben sich die beiden Behörden vorbehalten, alsdann zu entscheiden, "ob auf die Initiative zustimmend eingetreten werden kann, ein ablehnender Beschluss in die Wege zu leiten und als Alternative eventuell ein Gegenvorschlag auszuarbeiten wäre". Aus dieser Absichtserklärung geht deutlich hervor, dass sich die Behörden unter anderem auch die Möglichkeit offenhalten wollten, dannzumal auf die Initiative nicht einzutreten, wenn dies angesichts der Regelung des künftigen Bundesgesetzes über den Umweltschutz nicht mehr angezeigt sein sollte. Sie sind somit auf die Initiative formell weder eingetreten noch nicht eingetreten, sondern sie haben den Entscheid hierüber einstweilen ausgesetzt. Damit stellt sich die Frage, ob dieses in § 12 KV nicht vorgesehene Verfahren vor der Staatsverfassung standhalte. Die verhältnismässig kurzen Fristen gemäss § 12 Abs. 2 und 3 KV haben den Zweck, die Verschleppung von Volksbegehren zu verhindern. Eine Initiative soll vom Landrat möglichst rasch behandelt und den Stimmberechtigten ohne Verzug zur Abstimmung unterbreitet werden. Die Vorschriften von § 12 Abs. 2 und 3 KV können nicht dahin ausgelegt werden, dass die vorgeschriebenen BGE 108 Ia 165 S. 169 Fristen die Regel bildeten, von denen begründete Ausnahmen zulässig wären. Hätte der Verfassungsgeber eine derartige Bestimmung erlassen wollen, hätte er sie entsprechend abfassen können. Das hat er nicht getan (vgl. BGE 104 Ia 243 E. 3a). Ähnlich verhält es sich mit der Frage einer allfälligen Sistierung. Auch eine solche Möglichkeit sieht die Staatsverfassung des Kantons Basel-Landschaft nicht vor. Zudem widerspräche sie dem Zweck von § 12 Abs. 2 und 3 KV, wonach der Landrat zur raschen Behandlung von Volksbegehren verhalten ist. Könnte dieser die Beratung von Initiativen jeweils aussetzen, verlöre die verfassungsrechtliche Befristung ihre Wirkung weitgehend. Auf diesem Weg wäre es dem Landrat möglich, der Behandlung von Volksbegehren auszuweichen, ohne das verfassungsmässig vorgeschriebene Verfahren einhalten zu müssen. Das lässt sich mit dem Initiativrecht und damit auch mit den politischen Rechten der Stimmbürger nicht vereinbaren. Die Sistierung der Behandlung von Volksinitiativen durch den Landrat hält somit vor der Staatsverfassung des Kantons Basel-Landschaft grundsätzlich nicht stand. d) Indem der Landrat die Behandlung der Initiative "Schutz für Luft, Boden und Wasser" sistiert hat, ist er nicht in dem von der Verfassung vorgeschriebenen Verfahren vorgegangen. Die kantonalen Behörden begründen diese Abweichung im wesentlichen damit, dass es sinnlos sei, einen Entscheid über das Volksbegehren zu treffen, solange die eidgenössische Umweltschutzgesetzgebung inhaltlich nicht feststehe. Die kantonale Gesetzgebung müsse vernünftigerweise mit jener des Bundes koordiniert werden. Zudem zeigten verschiedene Erlasse, dass der Kanton Basel-Landschaft auf dem Gebiet des Umweltschutzes seit geraumer Zeit erhebliche Anstrengungen unternommen habe. Diese Argumentation ist sachlich und arbeitsökonomisch verständlich. Doch ist nicht zu übersehen, dass der Landrat damit - wenn auch nur vorläufig - über eine Frage entschieden hat, die in die Zuständigkeit der Gesamtheit der Stimmberechtigten fällt. Erachtet er die Behandlung einer Volksinitiative jedenfalls zur Zeit als unvernünftig, so bleibt ihm nur die Möglichkeit, nach § 12 Abs. 2 KV auf das Begehren nicht einzutreten und die Frage, ob ihm Folge gegeben werden soll, innert sechs Monaten seit der Einreichung den Stimmberechtigten zum Entscheid vorzulegen. Andernfalls entzieht er den Stimmberechtigten eine Entscheidungskompetenz, die von Verfassungs wegen ihnen zusteht. e) Indessen beabsichtigen die kantonalen Behörden nicht, den BGE 108 Ia 165 S. 170 Stimmberechtigten die Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Initiative der POCH überhaupt vorzuenthalten. Sie wollen einzig ein bestimmtes Stadium der eidgenössischen Gesetzgebung abwarten, die den gleichen Sachbereich wie das Volksbegehren beschlägt. Damit stellt sich die Frage, ob im konkreten Fall die unbestrittene Überschreitung der Ordnungsfristen von § 12 Abs. 2 und 3 KV als Rechtsverzögerung bezeichnet werden müsse. Wie es sich damit verhielte, wenn der definitive Inhalt des künftigen Bundesgesetzes über den Umweltschutz schon kurze Zeit nach Ablauf der sechsmonatigen Frist von § 12 Abs. 2 KV hätte erwartet werden können, kann dahingestellt bleiben. Im vorliegenden Fall war diese Frist schon im Zeitpunkt der Einreichung der staatsrechtlichen Beschwerde um mehr als das Fünffache überschritten. Land- und Regierungsrat sind erklärtermassen bereit, weitere Verzögerungen vorbehaltlos in Kauf zu nehmen. Eine derart massive Fristüberschreitung lässt sich angesichts der klaren Verfahrens- und Kompetenzregelung von § 12 KV nicht mehr rechtfertigen. Sie stellt daher eine Rechtsverzögerung dar, die zur Gutheissung der Beschwerde führen muss. 3. Da sich die Beschwerde auf Grund der vorstehenden Erwägungen als begründet erweist, stellt sich die Frage, welche Folge ihrer Gutheissung zu geben ist. Die Beschwerdeführer beantragen die Anordnung einer sofortigen Volksabstimmung im Sinne von § 12 Abs. 2 KV. a) Vorweg ist festzuhalten, dass das Bundesgericht an die Beschwerdeanträge insoweit nicht gebunden ist, als positive Anordnungen verlangt werden. Es kann zur Herstellung des verfassungsmässigen Zustandes auch andere als die beantragten Anordnungen treffen (HANS MARTI, Die staatsrechtliche Beschwerde, 4. Aufl., Basel und Stuttgart 1979, Nr. 282, S. 155/156). Die unverzügliche Vorlage der Initiative "Schutz für Luft, Boden und Wasser" zur Volksabstimmung, stellt nur die eine Möglichkeit dar, den verfassungsmässigen Zustand herzustellen. Der entsprechende Antrag der Beschwerdeführer beruht auf der Annahme, die Nichtbehandlung der Initiative durch den Landrat sei einem förmlichen Nichteintretensentscheid gleichzusetzen. Damit wäre gemäss § 12 Abs. 2 KV den Stimmberechtigten die Frage vorzulegen, ob dem Volksbegehren Folge gegeben werden soll. Der Antrag der Beschwerdeführer ist angesichts der Nichtbehandlung der Initiative durch den Landrat verständlich. Indessen würde der Landrat dadurch gezwungen, eine Volksabstimmung BGE 108 Ia 165 S. 171 über eine Grundsatzfrage im Sinne von § 12 Abs. 2 KV durchzuführen; das käme einem Entzug des Rechts gleich, auf die Initiative einzutreten und eine Gesetzesvorlage zu verabschieden (§ 12 Abs. 3 KV). Zwar könnte dem entgegengehalten werden, der Landrat habe deutlich zu erkennen gegeben, dass er nicht bereit sei, tätig zu werden, bevor der Inhalt des künftigen Bundesgesetzes über den Umweltschutz feststehe; damit habe er von vornherein auf die Ausarbeitung einer Vorlage verzichtet. Das mag bis anhin in der Tat zugetroffen haben. Indessen steht keineswegs fest, ob es der Landrat auf Grund der Gutheissung der Beschwerde nicht vorziehen wird, einen Gesetzesentwurf vorzubereiten. So wäre es jedenfalls denkbar, die gesetzgeberische Tätigkeit auf die bereits vorhandenen Vorarbeiten zum künftigen Bundesgesetz auszurichten. Kommt dieses zustande, so wäre die Vorlage als kantonales Einführungsgesetz verwendbar. Kommt der eidgenössische Erlass nicht zustande, so könnte sie als selbständiges Umweltschutzgesetz des Kantons ausgestaltet werden. Es erscheint deshalb richtiger, den Landrat zu verpflichten, sofort zu entscheiden, ob er auf die Initiative eintreten will. Je nach Ergebnis wird er unverzüglich entweder die Volksabstimmung durchführen oder das Gesetzgebungsverfahren aufnehmen müssen.
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Sachverhalt ab Seite 311 BGE 93 II 311 S. 311 A.- En 1958, l'entreprise Gendre SA, qui exploite un garage à Fribourg, a chargé l'architecte Jacques Jaeger de construire des bâtiments industriels à Villars-sur-Glâne. BGE 93 II 311 S. 312 Par contrat du 28 juillet 1958, Jaeger, agissant au nom de Gendre SA, a confié à l'entrepreneur Robert Ratzé l'exécution de la couverture en éternit des ateliers et des bureaux. Ce contrat a été contresigné par Gendre SA Il contient une clause aux termes de laquelle "l'entrepreneur garantit l'absolue étanchéité de la couverture". Les travaux de couverture ont été exécutés à la fin de l'année 1958. Dès le début de l'année 1963, l'étanchéité de la couverture s'est révélée déficiente: l'eau s'est infiltrée dans les bureaux et les ateliers, provoquant des inondations. Gendre SA a fait procéder par un tiers au remplacement d'une partie de la toiture et à la réfection des locaux inondés. Les inondations ont aussi gêné le travail dans l'entreprise. B.- Par demande du 2 mai 1964, Gendre SA a introduit devant le Tribunal civil de l'arrondissement de la Sarine une action tendant à faire condamner solidairement Jaeger et Ratzé au paiement d'une indemnité de 69 746 fr. avec intérêts à 5% dès le 1er février 1963. Ratzé et Jaeger ont conclu chacun à libération des fins de la demande. Ils contestaient leur responsabilité. Confirmant le jugement de première instance rendu le 7 juillet 1966, la Cour d'appel du Tribunal cantonal fribourgeois, par arrêt du 20 mars 1967, a rejeté les conclusions prises par Gendre SA contre Ratzé et admis les conclusions de la demanderesse dirigées contre Jaeger, en les réduisant toutefois à 41 054 fr. 30 avec intérêts à 5% dès le 14 janvier 1964. Le capital alloué correspond au dommage causé par les inondations. La cour cantonale a considéré que le défaut d'étanchéité provenait d'une inclinaison insuffisante du toit. Il n'avait pas été causé par une exécution défectueuse des travaux, mais par une erreur dans la conception de l'ouvrage. La responsabilité en incombait dès lors à l'architecte, qui ne saurait exciper de la clause de garantie souscrite par l'entrepreneur. Il avait en effet imposé à celui-ci un mode de couverture qu'il ne connaissait pas. Et Ratzé avait exécuté les travaux avec beaucoup de soin, se conformant exactement aux plans de l'architecte et aux instructions de la maison Eternit. C.- Contre cet arrêt, deux recours en réforme ont été interjetés par Jaeger, d'une part, et par Gendre SA, d'autre part. Le premier persiste à conclure à libération des fins de la demande dirigée contre lui. La seconde conclut à la réforme en ce sens BGE 93 II 311 S. 313 que Ratzé soit condamné à lui payer, solidairement avec Jaeger, la somme de 41 054 fr. 30 représentant le dommage arrêté par la juridiction cantonale, avec intérêt à 5% dès le 14 janvier 1964. Elle expose qu'il lui est indifférent que le préjudice soit réparé par l'un ou l'autre des défendeurs. Mais elle craint, si Ratzé est mis hors de cause, de perdre tous ses droits contre lui, au cas où Jaeger serait libéré de toute responsabilité à la suite de l'admission de son propre recours. D.- Chacun des deux intimés Jaeger et Ratzé conclut au rejet du recours formé contre lui par Gendre SA Celle-ci conclut au rejet du recours formé contre elle par Jaeger.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. Gendre SA a réuni dans un seul procès deux actions distinctes contre deux défendeurs - l'architecte Jaeger et l'entrepreneur Ratzé - qui répondent concurremment du même dommage, en vertu de l'art. 51 CO. Mais la responsabilité de chacun d'eux est indépendante de celle de l'autre et les conditions d'une solidarité passive au sens des art. 143 ss. CO ne sont pas réunies. Il est vrai que chacun des défendeurs a un intérêt juridique à la condamnation de son consort. Toutefois, aucun des deux n'a conclu à ce que l'autre fût condamné à réparer le dommage subi par la demanderesse, ni pris de conclusions tendant à se faire relever des suites d'une condamnation éventuelle. La cour de céans n'est donc pas appelée à statuer sur l'action récursoire que l'un des défendeurs pourrait exercer, le cas échéant, en invoquant l'art. 51 CO. Elle doit se borner à examiner successivement la responsabilité de Jaeger, puis celle de Ratzé, à l'égard de Gendre SA 2. En sa qualité d'architecte chargé non seulement d'établir les plans, mais aussi de diriger les travaux, Jaeger était lié à Gendre SA par un contrat de mandat (RO 63 II 176, 64 II 10, 89 II 406). Il était tenu d'exécuter avec soin les prestations promises et il répond d'une bonne et fidèle exécution du mandat (art. 398 et 328 CO). a) Pour ce qui a trait aux plans de la construction, Jaeger a commis une erreur dans la conception de la toiture. La cour cantonale a constaté souverainement que cette erreur était la cause du dommage. Elle a relevé également que le recourant devait connaître, par sa profession d'architecte, les inconvénients des toits à faible pente. Il ne pouvait pas ignorer non plus les BGE 93 II 311 S. 314 conditions dans lesquelles le matériau choisi devait être utilisé. L'éternit se trouve en effet depuis de nombreuses années sur le marché. Dans la mesure où l'appréciation des juges fribourgeois serait fondée sur l'expérience générale et ne lierait donc pas le Tribunal fédéral, elle ne peut qu'être confirmée. L'architecte qui propose un mode de construction déterminé doit en faire un emploi qui soit conforme aux règles de l'art et garantisse le résultat recherché, en l'espèce l'étanchéité de la couverture. S'il ne satisfait pas à cette exigence, il commet une faute et engage sa responsabilité. Sans doute la construction d'un bâtiment peut-elle présenter des difficultés techniques dont la solution requiert des connaissances spéciales que l'architecte ne possède pas lui-même. Il doit alors se renseigner auprès de spécialistes et suivre leurs avis. En l'espèce, Jaeger s'est borné à prendre contact avec la maison Eternit, dont le siège central est à Niederurnen, par l'intermédiaire d'un tiers, Sonder. S'il estimait l'avis du fabricant nécessaire, il devait lui exposer personnellement le problème à résoudre. Peu importe que l'établissement de Payerne de la maison Eternit ait accepté sa commande sans réserve et n'ait pas formulé d'objection à ses plans. Le vendeur qui accepte de livrer un matériau n'assume pas la responsabilité d'un entrepreneur à l'égard de l'auteur de la commande. Du reste, la cour cantonale relève que Jaeger a reconnu, lors de son interrogatoire, qu'il n'avait pas reçu de la maison Eternit d'autre garantie que la lettre adressée à Sonder. Or il n'a tenu aucun compte de la recommandation instante faite dans cette lettre au sujet de la pente du toit. Les juges du fait ont constaté que ce manquement était à l'origine du dommage. b) Dans son recours, Jaeger prétend que la clause de garantie souscrite par Ratzé le dégage de toute responsabilité. Il perd de vue que cette clause concerne les rapports juridiques entre l'entrepreneur et le maître de l'ouvrage, mais ne saurait produire aucun effet à l'égard de l'architecte, qui n'est pas partie au contrat passé avec l'entrepreneur. Assurément, il incombe à l'architecte qui établit les contrats avec les maîtres d'état de rédiger ces actes de telle façon que les engagements des entrepreneurs garantissent au maître de l'ouvrage une exécution convenable des travaux et, à ce défaut, sauvegardent efficacement ses intérêts. Mais cela n'épuise pas les obligations de l'architecte envers son mandant. Il est tenu, au premier chef, d'établir des plans qui BGE 93 II 311 S. 315 procèdent d'une conception de l'ouvrage conforme aux règles de l'art. Si les plans sont défectueux, l'architecte encourt une responsabilité dont il ne saurait se libérer par une garantie que l'entrepreneur aurait assumée. Si elle est valide, une pareille garantie s'ajoute à celle que l'architecte doit fournir en vertu du mandat qu'il accepte. Jaeger devait procurer à Gendre SA une couverture étanche. Il n'a pas exécuté cette obligation. Il répond dès lors du dommage résultant de l'inexécution, sans qu'il puisse se disculper en invoquant la prétendue responsabilité de l'entrepreneur Ratzé ou du fournisseur de matériau, la maison Eternit. Le recours en réforme de Jaeger est dès lors mal fondé. 3. Gendre SA critique l'arrêt cantonal dans la mesure où il libère de toute responsabilité l'entrepreneur Ratzé. Elle explique dans ses motifs qu'elle recourt afin de parer à l'éventualité où, le recours de Jaeger étant admis, celui-ci serait libéré de toute responsabilité. Néanmoins, elle a pris des conclusions qui ne sont assorties d'aucune réserve ni condition. Aussi faut-il entrer en matière, quoique le recours de Jaeger soit rejeté. a) Selon l'art. 368 CO, l'entrepreneur répond, même en l'absence de faute, de la bienfacture de l'ouvrage. Sa responsabilité est sanctionnée par le droit du maître de refuser l'ouvrage défectueux, ou de réduire le prix, ou encore d'exiger la réfection par l'entrepreneur. S'il a commis une faute, l'entrepreneur peut être astreint à payer de pleins dommages-intérêts. Conformément à la règle de l'art. 97 CO, il doit prouver qu'aucune faute ne lui est imputable (RO 70 II 219; OSER/SCHÖNENBERGER, n. 11 ss. ad art. 368 CO). Assigné en paiement de dommages-intérêts, Ratzé pouvait se libérer en rapportant cette preuve. Selon les constatations de l'arrêt attaqué, l'entrepreneur Ratzé a exécuté les travaux avec beaucoup de soin; il s'est conformé exactement aux plans dressés par l'architecte et aux instructions de la maison Eternit. La cour cantonale en déduit avec raison qu'on ne saurait dès lors retenir aucune faute à sa charge dans l'exécution de la couverture du bâtiment. Quant à la matière fournie, l'une des expertises a certes révélé que le mastic n'était pas un matériau approprié, en raison de sa tendance à la dessication. Mais les juges du fait ont constaté que cet inconvénient n'était pas en relation de cause à effet avec le dommage. L'art. 365 al. 3 CO oblige assurément l'entrepreneur à signaler au maître les faits de nature à compromettre l'exécution de BGE 93 II 311 S. 316 l'ouvrage. On ne peut toutefois reprocher à Ratzé de n'avoir pas attiré l'attention de Gendre SA ou de son mandataire, l'architecte Jaeger, sur l'insuffisance de la pente donnée à la toiture. L'arrêt déféré constate en effet que le mode de couverture, imposé par l'architecte, était inconnu de l'entrepreneur, auquel un monteur de la maison Eternit a indiqué la manière de poser les plaques. Or un artisan local ne manque pas à la diligence que l'on peut attendre de lui s'il ne perçoit pas un défaut dont il pouvait raisonnablement penser que soit l'architecte, soit le spécialiste de la maison Eternit étaient mieux à même de le déceler que lui. b) Ratzé a librement souscrit une clause qui garantit formellement "l'absolue étanchéité de la couverture". Cette clause figure dans les "conditions spéciales" de la formule d'adjudication et n'a donc pas pu échapper au signataire. La portée d'une disposition conventionnelle par laquelle un entrepreneur garantit que l'ouvrage présentera des qualités déterminées est semblable à celle d'un vendeur qui attribuerait à la chose vendue des "qualités promises" au sens de l'art. 197 CO (cf. RO 42 II 632, où le Tribunal fédéral examine une clause de garantie en laissant indécise la qualification du contrat comme vente ou contrat d'entreprise). Les règles sur la garantie pour les défauts en matière de contrat d'entreprise présentent en effet une grande analogie avec celles de la vente (OSER/SCHÖNENBERGER, n. 1 ad art. 368 CO). La souscription d'une pareille clause améliore la position juridique de l'acheteur, respectivement du maître, par rapport à la réglementation légale, en ce sens que le vendeur s'oblige à exécuter en nature l'obligation dérivant de la qualité promise (RO 91 II 348, consid. 2). En matière de vente, la loi ne confère pas à l'acheteur un droit à l'exécution en nature (cf. art. 205 et 208 CO). Pour le contrat d'entreprise, l'art. 368 CO subordonne la réfection par l'entrepreneur à la condition qu'elle soit possible sans frais excessifs. En assumant la garantie contractuelle de "l'absolue étanchéité de la couverture", Ratzé s'est obligé à exécuter les travaux de réfection qu'impliquerait un défaut d'étanchéité. Mais l'obligation de réparer ne vaut que dans les conditions fixées par la réglementation légale (art. 368 et 97 CO). Pour la vente, l'art. 197 CO met en effet sur le même pied les qualités promises et la garantie légale en raison des défauts. Cette solution BGE 93 II 311 S. 317 doit être adoptée pour le contrat d'entreprise. Tel est d'ailleurs le sens qu'un profane donnerait à la clause en question, qui institue une responsabilité fondée en dernier ressort sur les règles de la bonne foi et doit s'interpréter selon ces mêmes règles (RO 73 II 220 s., consid. 1 et 1a). L'obligation fondée sur la clause de garantie est donc limitée à l'exécution en nature de l'ouvrage présentant la qualité promise. Point n'est besoin de décider si la garantie donnée en l'espèce, qui visait essentiellement la couverture en éternit, c'est-à-dire le matériau couvrant la surface du toit, s'étendait à l'ensemble de la toiture, en particulier aux défauts résultant non de l'exécution des travaux de couverture proprements dits, mais de l'inclinaison du toit. De toute manière, Ratzé n'a jamais été mis en demeure par Gendre SA de réparer l'ouvrage défectueux. La réfection de la toiture a été confiée à un autre entrepreneur. Le maître ne saurait dès lors lui réclamer des dommages-intérêts compensatoires pour inexécution d'une pareille obligation de faire (cf. RO 91 II 350, consid. 3). Il a introduit une action en dommages-intérêts fondée sur les défauts du toit qui n'était pas étanche. Or, comme on l'a relevé plus haut, Ratzé n'a pas commis de faute et partant ne répond pas du dommage consécutif à l'absence de la qualité promise.
4,112
1,964
Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Rejette les deux recours et confirme l'arrêt rendu le 20 mars 1967 par la Cour d'appel du Tribunal cantonal fribourgeois.
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Sachverhalt ab Seite 436 BGE 99 Ib 436 S. 436 A.- B. besitzt 72 Anteile eines Anlagefonds, dessen Leitung der X-AG oblag. Am 26. September 1969 entzog die Eidg. Bankenkommission der X-AG die Bewilligung zur Geschäftstätigkeit und ernannte die Schweizerische Treuhandgesellschaft als Sachwalter des in Liquidation stehenden Anlagefonds. Im August 1972 ersuchte B. das Handelsregisteramt der Stadt Zürich gestützt auf Art. 704 OR , von der X-AG die Bilanz und Gewinnrechnung zur Einsicht einzufordern. Das Handelsregisteramt wies das Gesuch durch Verfügung vom 4. September 1972 ab, erklärte sich auf Beschwerde hin am 16. Oktober aber bereit, die Verfügung zurückzunehmen, wenn B. in einer neuen Eingabe dartun könne, dass er gegen die X-AG eine Forderung habe. B. sandte dann dem Handelsregisteramt die Rechenschaftsberichte, welche die Schweizerische Treuhandgesellschaft über ihre Tätigkeit als Sachwalter des Anlagefonds für die Jahre 1970/71 und 1971/72 verfasst hatte. Er machte geltend, aus den Berichten ergebe sich, dass die X-AG ihre vertraglichen Pflichten in gröbster Weise verletzt habe; er BGE 99 Ib 436 S. 437 überlege sich deshalb, ob er gegen sie auf Schadenersatz klagen solle. Das Handelsregisteramt setzte hierauf der X-AG mit Schreiben vom 6. November 1972 zehn Tage Frist, die letzte von der Generalversammlung genehmigte Jahresrechnung (Bilanz samt Gewinn- und Verlustrechnung) vorzulegen, damit B. sie einsehen könne. Da die X-AG sich weigerte, der Aufforderung nachzukommen, überwies das Handelsregisteramt die Sache gemäss Art. 85 Abs. 3 HRegV seiner Aufsichtsbehörde, der Justizdirektion des Kantons Zürich. Diese wies das Begehren des B. am 23. März 1973 einstweilen mit der Begründung ab, nach den Berichten des Sachwalters könnten die Anleger von der X-AG wahrscheinlich Schadenersatz verlangen; darüber bestehe jedoch zwischen der Schweizerischen Treuhandgesellschaft und der X-AG ein Prozess; die Gläubigereigenschaft des B. müsse deshalb nachBGE 78 I 165ff. als zweifelhaft betrachtet werden, obwohl die Treuhangesellschaft mit ihrer Klage Forderungen der Anleger, also auch solche des Gesuchstellers geltend mache. B.- B. führt gegen diesen Entscheid Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, ihn aufzuheben und die X-AG zur Auflegung der Bilanz aufzufordern.
520
383
Die Justizdirektion des Kantons Zürich hat eine Vernehmlassung des Handelsregisteramtes eingereicht, auf einen Antrag aber ausdrücklich verzichtet. Die X-AG beantragt die Abweisung der Beschwerde, ebenso das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement, das sich den Erwägungen der kantonalen Registerbehörden "vollumfänglich" anschliesst. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 704 OR hat das Handelsregisteramt von Aktiengesellschaften, die ihre Gewinn- und Verlustrechnung und Bilanz nicht veröffentlichen, diese in der von den Aktionären genehmigten Fassung einzufordern und zur Einsicht aufzulegen, wenn ein Gesellschaftsgläubiger, der sich als solcher ausweist, es verlangt. Im vorliegenden Fall wird von keiner Seite behauptet oder dargetan, die X-AG habe die Jahresrechnung, deren Auflegung der Beschwerdeführer verlangt, veröffentlicht. Fragen kann sich daher nur, ob B. Gläubiger der X-AG sei. 2. Gemäss Art. 2 Abs. 1 AFG ist der Anlagefonds ein Vermögen, das auf Grund öffentlicher Werbung von den BGE 99 Ib 436 S. 438 Anlegern zum Zwecke gemeinschaftlicher Kapitalanlage aufgebracht und von der Fondsleitung nach dem Grundsatz der Risikoverteilung für Rechnung der Anleger verwaltet wird. Die Fondsleitung ist fiduziarische Eigentümerin der Werte, welche den Anlagefonds bilden (P. JÄGGI, La loi sur les fonds de placement, JdT 1967 S. 226 ff.; R. JEANPRÊTRE, Le contrat de placement collectif dans le système du droit des obligations, Festgabe W. Schönenberger, Freiburg 1968 S. 288; FORSTMOSER, Zum schweizerischen Anlagefondsgesetz, S. 24 und 36; GUHL/MERZ/KUMMER, OR S. 456). Der Anleger hat keine Eigentumsrechte am Fondsvermögen, dagegen erwirbt er durch seine Einzahlung Forderungen gegen die Fondsleitung; er hat Anspruch auf Beteiligung am Vermögen und am Ertrag des Anlagefonds ( Art. 20 Abs. 1 AFG ). Auch kann er den Kollektivanlagevertrag jederzeit widerrufen und gegen Rückgabe des Anteilscheines die Auszahlung seines Anteils am Anlagefonds in bar verlangen ( Art. 21 Abs. 1 AFG ). Schuldnerin ist die Fondsleitung (JÄGGI und JEANPRETRE, beide a.a.O; GUHL/MERZ/KUMMER S. 457). Daraus erhellt, dass der Anleger Gläubiger der Fondsleitung ist. Den Akten ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer als Anleger 72 Anteile des Anlagefonds besitzt; er hat sich darüber schon in seinem ersten Gesuch an das Handelsregisteramt ausgewiesen, indem er die Bescheinigung einer Bank vorlegte. Er ist folglich berechtigt, ein Begehren nach Art. 704 OR zu stellen, wenn die Fondsleitung wie hier eine Aktiengesellschaft ist, die ihre Bilanz und ihre Verlust- und Gewinnrechnung nicht veröffentlicht. Daran ändert nichts, dass der Fondsleitung im vorliegenden Fall von der Aufsichtsbehörde die Bewilligung zur Geschäftstätigkeit entzogen und an ihrer Stelle ein Sachwalter ernannt worden ist. Das fiduziarische Eigentum der X-AG am Anlagefonds wurde davon nicht berührt; es ging insbesondere nicht auf den Sachwalter über. Dieser ist vielmehr ein "amtlicher Treuhänder", der im Auftrag der Aufsichtsbehörde die Interessen der Anleger zu wahren, also eine ähnliche Stellung und Aufgabe hat wie ein Konkursverwalter oder ein Willensvollstrecker (AMONN, Die Aufgaben des Sachwalters nach dem BG über die Anlagefonds, in Wirtschaft und Recht 1970 S. 57; A. METZGER, Die Stellung des Sachwalters nach dem BG über die Anlagefonds vom 1. Juli 1966, Diss. Zürich 1971 S. 139-154; U. B. BGE 99 Ib 436 S. 439 MÄTZENER, Die Auflösung und Liquidation von Anlagefonds, Diss. Bern 1972 S. 85 und 94). Da der Beschwerdeführer als Gläubiger der X-AG anzusehen ist, kommt auch nichts darauf an, ob ein Gesuchsteller nach Art. 704 OR seine Forderung beweisen oder bloss glaubhaft machen müsse ( BGE 78 I 168 ff.). Unerheblich ist ferner, ob der Beschwerdeführer allenfalls noch weitere Forderungen gegen die X-AG habe; was die Vorinstanz und die X-AG in ihrer Vernehmlassung dazu ausführen, vermag am Ausgang dieses Verfahrens nichts zu ändern. Es schadet dem Beschwerdeführer auch nicht, dass er die Beschwerde einzig damit begründet hat, es stehe ihm eine Schadenersatzforderung gegen die X-AG zu, die sie gemäss BGE 96 I 474 ff., wo es um die gleiche Fondsleitung ging, anerkannt habe; denn das Bundesgericht ist an die rechtliche Begründung der Begehren nicht gebunden ( Art. 114 Abs. 1 OG ). 3. Die X-AG wendet ein, Art. 704 OR gelte nicht für das Rechtsverhältnis zwischen einem Anleger und der Fondsleitung; Art. 22 AFG regle das Auskunftsrecht des Anlegers abschliessend und gehe zudem als Sondervorschrift der allgemeinen Bestimmung des Art. 704 OR vor. Der Einwand geht fehl. Die Auskunftspflicht der Fondsleitung nach Art. 22 AFG bezieht sich auf einzelne Geschäftsvorfälle abgelaufener Jahre oder auf die Grundlagen für die Berechnung des Ausgabe- und Rücknahmepreises der Anteilscheine, betrifft also nur das Vermögen. Die Vorschrift ist, wie die Vorinstanz richtig bemerkt, eine einschränkende Sonderbestimmung gegenüber Art. 400 OR , der sonst angewendet werden müsste ( Art. 8 Abs. 3 AFG ). Entgegen Art. 400 OR kann der Anleger daher von der Fondsleitung nicht jederzeit Rechenschaft über ihre Geschäftsführung verlangen, soll aber, wie in der Botschaft des Bundesrates zum Entwurf des Gesetzes ausgeführt worden ist (BBl 1965 III 295/6), wenigstens nicht schlechter gestellt werden als ein Aktionär nach Art. 697 OR (vgl. JEANPRETRE, a.a.O. S. 290 N. 13). Art. 704 OR dagegen bezweckt den Schutz der Gläubiger einer Aktiengesellschaft. Es besteht kein Grund, diese Bestimmung nicht anzuwenden, wenn die Fondsleitung eine Aktiengesellschaft und die Schuldnerin des Anlegers ist. 4. Der Entscheid der Justizdirektion, die das Gesuch des Beschwerdeführers zu Unrecht abgewiesen hat, ist daher aufzuheben. BGE 99 Ib 436 S. 440 Sollte die X-AG sich weiterhin weigern, dem Begehren des Beschwerdeführers und der Aufforderung des Handelsregisteramtes vom 6. November 1972 zu entsprechen, so hat die Justizdirektion nach Art. 85 Abs. 3 HRegV vorzugehen.
1,414
1,099
Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid der Direktion der Justiz des Kantons Zürich vom 23. März 1973 aufgehoben und die Sache im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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Sachverhalt ab Seite 103 BGE 114 V 102 S. 103 A.- Jean-Pierre F., né le 16 mai 1930, est affilié à la Caisse de pensions de l'Etat de Vaud depuis le 1er mai 1962. En 1971, il a été nommé "maître spécial de collège" (maître de dessin et de travaux manuels) à S. par le Conseil d'Etat vaudois. Par lettre du 5 novembre 1986, le Service cantonal de l'enseignement secondaire a fait savoir au prénommé que le Conseil d'Etat avait décidé de supprimer la fonction susmentionnée - qui comportait 25 périodes d'enseignement hebdomadaires, et pour laquelle l'âge minimal de la retraite était fixé à 60 ans - et de créer notamment les nouvelles fonctions de maître de dessin, maître d'éducation physique, maître de musique, et maître de travaux manuels, postes chargés de 28 périodes d'enseignement par semaine, mais pour lesquels l'âge de la retraite était abaissé à 57 ans. Le service cantonal l'a informé en outre qu'il pouvait choisir entre le maintien de son statut antérieur, sans modifications essentielles, et l'adoption du nouveau statut; il a précisé toutefois qu'il fallait enseigner durant deux années scolaires complètes selon un horaire hebdomadaire de 28 périodes pour avoir la possibilité de prendre la retraite au plus tôt à 57 ans. Jean-Pierre F. s'est alors adressé à la Caisse de pensions de l'Etat de Vaud en vue de procéder au rachat de trois années d'assurance, de manière à bénéficier à l'âge de 57 ans d'une rente de vieillesse au même taux que celui qui lui serait applicable à 60 ans. La caisse de pensions a refusé d'accéder à cette requête, en invoquant les dispositions légales qui la régissent, soit la loi du 18 juin 1984 sur la Caisse de pensions de l'Etat de Vaud, selon laquelle la décision de rachat d'années d'assurance doit intervenir avant l'âge de 55 ans BGE 114 V 102 S. 104 révolus ou, après cet âge, dans les six mois dès l'engagement, termes non respectés en l'occurrence. Ce refus a été confirmé par le Conseil d'administration de la caisse de pensions le 10 décembre 1986. B.- Jean-Pierre F. a déféré cette contestation au Tribunal des assurances du canton de Vaud, lequel a admis ses conclusions par jugement du 25 mars 1987, en déclarant qu'il devait être autorisé à "racheter trois années d'assurance afin d'être placé dans la même situation que celle où il se serait trouvé si le nouveau statut avait conservé l'âge de la retraite reconnu jusqu'ici pour les maîtres de dessin". Les premiers juges ont considéré, en résumé, que la stricte application de la disposition légale invoquée par la caisse de pensions était inéquitable en l'espèce, dans la mesure où elle ne permet pas à l'intéressé de faire usage de la faculté de choisir le nouveau statut, comportant la possibilité de prendre la retraite à 57 ans, sans que sa rente de vieillesse soit réduite en raison de trois années d'assurance manquantes. C.- La Caisse de pensions de l'Etat de Vaud interjette recours de droit administratif contre ce jugement, dont elle demande l'annulation. L'intimé conclut implicitement au rejet du recours, sur lequel l'Office fédéral des assurances sociales renonce à se déterminer.
1,182
580
Erwägungen Considérant en droit: 1. a) Selon l' art. 73 LPP , chaque canton désigne un tribunal qui connaît, en dernière instance cantonale, des contestations opposant institutions de prévoyance, employeurs et ayants droit (al. 1). Les décisions des tribunaux cantonaux peuvent être déférées au Tribunal fédéral des assurances par la voie du recours de droit administratif (al. 4). L' art. 73 LPP s'applique d'une part aux institutions de prévoyance enregistrées de droit privé ou de droit public - aussi bien en ce qui concerne les prestations minimales obligatoires qu'en ce qui concerne les prestations s'étendant au-delà ( art. 49 al. 2 LPP ) - et, d'autre part, aux fondations de prévoyance en faveur du personnel non enregistrées, dans le domaine des prestations qui dépassent le minimum obligatoire ( art. 89bis al. 6 CC ; ATF 113 V 200 consid. 1a et 293 consid. 1a). La Caisse de pensions de l'Etat de Vaud est une institution de prévoyance de droit public, inscrite au registre de la prévoyance professionnelle, et participant à l'application BGE 114 V 102 S. 105 du régime de l'assurance obligatoire (cf. art. 48 al. 1 et 2 LPP ). Elle est régie principalement par la loi cantonale vaudoise sur la Caisse de pensions de l'Etat de Vaud, du 18 juin 1984 (ci-après: LCP). b) Le litige qui oppose en l'espèce ladite caisse à Jean-Pierre F. porte sur l'application d'une disposition de la LCP réglant la possibilité des assurés de racheter des années d'assurance. Cette question relève en principe de la compétence juridictionnelle instituée par l' art. 73 LPP , car il s'agit d'une contestation qui ressortit au domaine spécifique du droit de la prévoyance professionnelle et qui met en cause le rapport d'assurance entre un ayant droit et une institution de prévoyance au sens de cette disposition (cf. RIEMER, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, p. 127; MEYER, Die Rechtswege nach dem BVG, RDS 106/1987 I, p. 613 et p. 629 ch. 3.2). Savoir si le point litigieux - soit dans le cas présent le droit d'un assuré de procéder au rachat d'années d'assurance - est ou non l'objet d'une réglementation expresse de la LPP, ou de ses dispositions d'exécution, n'est pas déterminant en ce qui concerne la compétence, c'est-à-dire la recevabilité de l'action devant le tribunal cantonal, ou du recours subséquent devant le Tribunal fédéral des assurances. Les autorités juridictionnelles instituées par l' art. 73 LPP sont en effet appelées à connaître de litiges qui, parce qu'ils concernent une institution de prévoyance enregistrée ayant étendu la prévoyance au-delà des prestations minimales ( art. 49 al. 2 LPP ) ou une fondation de prévoyance au sens de l' art. 89bis al. 6 CC , n'appellent l'application d'aucune disposition du droit public fédéral (quant au fond), et doivent être tranchés exclusivement au regard du droit privé, du droit public cantonal, ou du droit public communal. Cette situation résulte de la volonté du législateur de créer une compétence juridictionnelle unique pour le domaine des prestations minimales obligatoires et pour celui des prestations qui s'étendent au-delà, dans les deux cas précités (cf. ATF 112 V 360 consid. 3). Cela signifie, s'agissant du recours de droit administratif devant le Tribunal fédéral des assurances, que l' art. 73 LPP constitue une réglementation spéciale: il supprime en effet, implicitement, une des conditions ordinaires de recevabilité du recours fixées par la loi fédérale d'organisation judiciaire, à savoir l'existence d'une décision fondée sur le droit public fédéral ( art. 128 OJ , en corrélation avec les art. 97 al. 1 OJ et 5 al. 1 PA). BGE 114 V 102 S. 106 c) Le Tribunal fédéral des assurances n'étant pas lié par les motifs que les parties invoquent (art. 114 al. 1 en corrélation avec l' art. 132 OJ ), il examine d'office si le jugement attaqué viole des normes du droit fédéral - notion qui comprend aussi le droit constitutionnel fédéral et les principes généraux du droit tels que les principes d'égalité de traitement et de proportionnalité ( ATF 109 V 210 consid. 1b) - ou si la juridiction de première instance a commis un excès ou un abus de son pouvoir d'appréciation ( art. 104 let. a OJ ). Il peut ainsi admettre ou rejeter un recours sans égard aux griefs soulevés par le recourant ou aux raisons retenues par le premier juge ( ATF 112 II 29 consid. 2, ATF 111 Ib 164 consid. c, ATF 110 V 20 consid. 1; RAMA 1986 No K 685 p. 299 consid. 1). 2. a) Dans les limites de la LPP, les institutions de prévoyance peuvent adopter le régime de prestations, le mode de financement et l'organisation qui leur conviennent ( art. 49 al. 1 LPP ). Elles doivent établir les dispositions nécessaires sur les prestations, l'organisation, l'administration et le financement, le contrôle, et les rapports avec les employeurs, les assurés et les ayants droit; dans le cas des institutions de droit public, ces dispositions sont édictées en principe par la collectivité publique dont elles dépendent ( art. 50 al. 1 et 2 LPP ). b) En l'espèce, l'art. 43 LCP prévoit que les assurés peuvent prendre leur retraite à l'âge de 60 ans révolus au plus tôt (al. 1). Cette limite est fixée à 57 ans révolus au plus tôt pour les instituteurs et les institutrices, ainsi que pour les fonctionnaires de police (al. 2). Sur préavis du Conseil d'administration de la caisse de pensions, le Conseil d'Etat peut déclarer la règle de l'alinéa 2 applicable à d'autres catégories d'assurés, notamment au personnel soignant des établissements hospitaliers et au personnel gardien des établissements de détention et d'internement (al. 3). Selon l'art. 16 let. a LCP, l'assuré qui ne compte pas 35 années d'assurance, calculées sur la base d'une activité à plein temps, à l'âge minimum de la retraite peut racheter tout ou partie des années d'assurance manquantes, comptées au degré d'activité lors de la décision de rachat. L'art. 17 LCP prévoit que la décision de rachat d'années d'assurance doit intervenir avant l'âge de 55 ans révolus ou, après cet âge, dans les six mois dès l'engagement. c) Il n'existe en l'occurrence pas de motifs de mettre en doute la compatibilité avec le droit fédéral de cette réglementation dans son ensemble, laquelle se fonde sur la compétence déléguée aux BGE 114 V 102 S. 107 institutions de prévoyance par les art. 49 et 50 LPP . L' art. 13 LPP pose le principe que le droit à des prestations de vieillesse naît à l'âge de 65 ans pour les hommes et à l'âge de 62 ans pour les femmes (al. 1). Mais les dispositions réglementaires de l'institution de prévoyance peuvent prévoir que le droit aux prestations de vieillesse prend naissance le jour où l'activité lucrative prend fin (al. 2, première phrase). Par cette dérogation, le législateur a voulu introduire dans la loi une solution souple, laissant aux institutions de prévoyance notamment la faculté de fixer, pour le début du droit aux prestations minimales obligatoires également, des limites d'âge inférieures à celles mentionnées par l' art. 13 al. 1 LPP (BO 1980 CE 268). Quant au rachat d'années d'assurance, obligatoire ou facultatif selon les cas, la LPP et les dispositions d'exécution y relatives ne contiennent aucune prescription à ce sujet. Destiné à épargner à l'assuré la réduction ultérieure des prestations de l'institution de prévoyance en raison d'un nombre d'années d'assurance insuffisant, il correspond à une pratique courante, comportant de nombreuses variantes. Le cas échéant, le rachat est effectué au moyen de la prestation de libre passage transférée d'une institution de prévoyance à l'autre (cf. HELBLING, Personalvorsorge und BVG, 3e éd., p. 130 s.). 3. a) Est litigieux dans le cas présent le point de savoir si l'intimé peut faire valoir, en raison de la modification de l'âge de la retraite décidée par le Conseil d'Etat en application de l'art. 43 al. 3 LCP, un droit au rachat d'années d'assurance, quand bien même il a dépassé l'âge limite de 55 ans fixé à cet égard par la LCP. Les premiers juges ont répondu affirmativement à cette question. Ils ont exposé en effet qu'il était "choquant que des assurés déjà âgés de 55 ans au moment où on leur offre d'adopter un statut avec âge de la retraite moins élevé soient pratiquement empêchés de choisir le nouveau statut parce que l'on ne leur reconnaît pas la faculté de racheter le nombre d'années correspondant à la différence entre l'âge de la retraite dans l'ancien statut et celui moins élevé du nouveau statut". La juridiction cantonale a considéré dès lors que l'application de l'art. 17 LCP à l'intimé constituait un traitement discriminatoire et arbitraire. La recourante objecte à cela, en résumé, que les premiers juges n'avaient pas la compétence de s'écarter d'une disposition claire de la LCP, et qu'il n'y a, par ailleurs, pas lieu d'admettre l'existence d'une lacune dans la LCP au sujet du rachat d'années d'assurance dans des cas tels que celui de l'intimé. BGE 114 V 102 S. 108 b) Selon la jurisprudence, une norme générale et abstraite viole l' art. 4 al. 1 Cst. - soit le principe de l'égalité devant la loi, et l'interdiction de l'arbitraire qui en résulte - lorsqu'elle n'est pas fondée sur des motifs sérieux et objectifs, qu'elle est dépourvue de sens et d'utilité et qu'elle opère des distinctions juridiques que ne justifient pas les faits à réglementer ( ATF 112 Ia 258 consid. 4b et les arrêts cités). Dans l'examen auquel il procède à cette occasion, le juge ne doit toutefois pas substituer sa propre appréciation à celle de l'autorité dont émane la réglementation en cause (ATF ATF 111 Ia 91 consid. 3, ATF 111 V 108 consid. 2c/aa, ATF 110 Ia 13 consid. 2b, ATF 109 Ia 124 consid. 5a, ATF 108 Ia 114 consid. 2b, ATF 107 V 205 consid. 3a). Ce n'est pas, en l'espèce, la limite d'âge de 55 ans en soi - au-delà de laquelle la LCP interdit le rachat d'années d'assurance, sous réserve du cas des personnes entrant ultérieurement au service de l'Etat - que les premiers juges critiquent. Aussi bien ne voit-on pas que cette règle, dont la justification réside, selon le Conseil d'Etat, dans la nécessité "d'éviter une antisélection des risques" (exposé des motifs du Conseil d'Etat relatif au projet de loi sur la Caisse de pensions de l'Etat de Vaud, 1984, p. 11), soit contraire à la Constitution. En revanche, les conséquences de l'art. 17 LCP dans le cas des assurés de plus de 55 ans qui sont concernés par l'abaissement de l'âge minimum de la retraite de 60 à 57 ans se révèlent incompatibles avec le principe d'égalité de traitement. Cette catégorie d'assurés, dont l'intimé fait partie, ne peut plus en effet - en raison de cette disposition - procéder au rachat d'années d'assurance afin d'éviter une réduction de la rente de vieillesse en cas de retraite avant l'âge de 60 ans. En cela, la limite de 55 ans défavorise ces assurés d'une manière qui heurte le sens de l'équité, sur le plan de la prévoyance professionnelle, par rapport à tous ceux qui n'ont pas encore atteint cet âge au moment de la modification en question, ainsi que par rapport aux personnes âgées de plus de 55 ans lors de leur engagement par l'Etat. Des motifs raisonnables à l'appui de cette différence de traitement font défaut; en tout cas, la recourante n'en allègue point. A lui seul, l'équilibre actuariel de la Caisse de pensions, auquel la recourante a fait sommairement allusion en procédure cantonale, ne constitue pas à cet égard un argument suffisant. N'est pas déterminant non plus le fait que l'introduction du nouvel âge minimum de la retraite peut être échelonnée dans le temps en vertu de dispositions transitoires prises par le Conseil d'Etat. Certes, les effets concrets de l'inégalité incriminée s'atténuent lorsque -comme BGE 114 V 102 S. 109 c'est le cas, semble-t-il, en l'espèce - l'Etat exige des assurés concernés qu'ils restent à son service pendant une période de deux ans au moins à compter de la modification de leur statut. L'inégalité n'en demeure pas moins inadmissible en principe, du moment que le droit de la prévoyance professionnelle ne fournit pas, à lui seul, de motifs objectifs convaincants aptes à la justifier. c) C'est ainsi à tort que la recourante critique le jugement entrepris. Celui-ci doit être confirmé dans la mesure où il constate que la limite d'âge de 55 ans, prévue par l'art. 17 LCP, ne fait pas obstacle au rachat éventuel, par l'intimé, de trois années d'assurance au maximum. Quant à la manière dont la LCP devrait réglementer le rachat d'années d'assurance pour éviter l'inégalité précitée, la Cour de céans n'entend pas préconiser une solution particulière; le choix de la réglementation adéquate doit en effet être réservé au législateur cantonal.
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Sachverhalt ab Seite 433 BGE 144 III 433 S. 433 Unter dem Namen "Fondation B." ist im Handelsregister eine Stiftung im Sinne von Art. 80 ff. ZGB eingetragen. Sie bezweckt, das Verständnis der marokkanischen Kultur zu fördern, und soll zur Erreichung ihres Zwecks insbesondere geeignete Räumlichkeiten für Ausstellungen und Konzerte bereitstellen, Führungen, Symposien und sonstige Veranstaltungen organisieren sowie Kataloge und andere Werke herausgeben. Die Stiftung untersteht der Aufsicht des Bundes durch die Eidgenössische Stiftungsaufsicht (ESA). A. (Beschwerdeführerin) wurde am 17. Dezember 2013 neu in den Stiftungsrat gewählt. Dem Stiftungsrat der Fondation B. (Beschwerdegegnerin 1 oder Stiftung) gehörten ferner C., D., E. und F. BGE 144 III 433 S. 434 (Beschwerdegegner 2-5) an. Mit Beschluss vom 9. Dezember 2016 wurde die Beschwerdeführerin aus dem Stiftungsrat abgewählt. Am 22. Dezember 2016 gelangte die Beschwerdeführerin an die ESA. Sie beantragte, die Nichtigkeit ihrer Abberufung aus dem Stiftungsrat festzustellen, eventualiter den Beschluss des Stiftungsrats aufzuheben und sie wieder als Stiftungsrätin einzusetzen. In der Sache beantragte sie, die Beschwerdegegner zum Erlass organisatorischer Massnahmen mit Bezug auf die Zusammensetzung des Stiftungsrats und die Verwaltung des Stiftungsvermögens zu verpflichten, Verantwortlichkeitsansprüche gegen die Beschwerdegegner 2-5 zu prüfen und gegebenenfalls durchzusetzen sowie Massnahmen bezogen auf das Projekt "G." zu treffen. Die Stiftung wendete ein, die Beschwerdeführerin sei - abgesehen von ihrer Abberufung - zur Beschwerde nicht legitimiert. Die ESA bejahte die Legitimation in Bezug auf die Abberufung und trat auf die Beschwerde ein. Sie verneinte dagegen die Legitimation der Beschwerdeführerin in der Sache und trat diesbezüglich auf die Beschwerde nicht ein. Die Beschwerdeführerin erhob Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht mit dem Begehren, ihre Beschwerdelegitimation vollumfänglich zu bejahen. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat. Die Beschwerdeführerin hat gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Dezember 2017 Beschwerde erhoben, die das Bundesgericht abweist, soweit es darauf eintritt. (Zusammenfassung)
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Im Vordergrund der Beurteilung steht die Frage, ob die Beschwerdeführerin als Mitglied des Stiftungsrats bzw. für den Fall, dass ihre Wiedereinsetzung in den Stiftungsrat verfügt werden würde, zur Stiftungsaufsichtsbeschwerde mit ihren Begehren in der Sache (Organisation der Stiftung, Verwaltung des Stiftungsvermögens und Erfüllung des Stiftungszwecks mit Bezug auf das Projekt "G.") berechtigt ist. 4.1 Wann immer ein Stiftungsorgan sich aus mehreren Personen zusammensetzt, liegt es nahe, die Art. 64 ff. ZGB über die Art und Weise des Funktionierens der Vereinsorgane heranzuziehen, soweit in Stiftungsurkunde und -reglement nichts bestimmt ist (Urteil 5A.23/1999 vom 27. März 2000 E. 2b; BGE 128 III 209 E. 4c S. 211; BGE 144 III 433 S. 435 BGE 129 III 641 E. 3.4 S. 644; zuletzt: Urteil 5A_856/2016 vom 13. Juni 2018 E. 7.4.1, nicht publ. in: BGE 144 III 264 ). Es gilt Vereinsrecht, zumal den Stiftungssatzungen für die hier zu entscheidenden Fragen nichts Abweichendes zu entnehmen ist. 4.2 Im Vereinsrecht gilt der Grundsatz, dass von sämtlichen Rechtsbehelfen, die die Vereinsorganisation zur Verfügung stellt, Gebrauch zu machen ist, bevor ein Vereinsmitglied den staatlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann ( BGE 132 III 503 E. 3.2 S. 508). Auszuschöpfen sind sämtliche Möglichkeiten, die sich aus geschriebenen oder ungeschriebenen Satzungen des korporativen Lebens ergeben. Entsprechend eröffnet Art. 75 ZGB die gerichtliche Anfechtung auch erst nach Abschluss des vereinsinternen Meinungsbildungsprozesses, d.h. erst gegen Beschlüsse, denen das klagewillige Vereinsmitglied nicht zugestimmt hat. Gegebenenfalls muss vorgängig ein Beschluss, in einer bestimmten Sache keinen Beschluss fassen zu wollen (Urteil 5A_537/2011 vom 23. Januar 2012 E 5.3.1, in: ZBGR 95/2014 S. 268), erwirkt werden. Bezogen auf den Vereinsvorstand gilt, dass jedes einzelne Vorstandsmitglied das Recht und die Pflicht hat, beim Präsidenten die Einberufung einer Vorstandssitzung zu verlangen, wann immer dies im Interesse des Vereins bzw. seiner Zweckverfolgung als geboten erscheint, und dass der Präsident einem solchen Begehren innert nützlicher Frist Folge zu leisten hat (HANS MICHAEL RIEMER, Berner Kommentar, 1990, N. 39 zu Art. 69 ZGB ; HEINI/PORTMANN, Das Schweizerische Vereinsrecht, SPR Bd. II/5, 3. Aufl. 2005, S. 214 Rz. 497). Der Vorstandsbeschluss wiederum kann - unter den Voraussetzungen von Art. 75 ZGB - gerichtlich angefochten werden (RIEMER, a.a.O., N. 146 zu Art. 69 i.V.m. N. 17 ff. zu Art. 75 ZGB ; HEINI/PORTMANN, a.a.O., S. 216 Rz. 503 und S. 128 Rz. 278). 4.3 Die vereinsrechtlichen Grundsätze lassen sich, soweit es die unterschiedliche Ausgangslage gestattet, zumindest analog auf einen aus mehreren Personen bestehenden Stiftungsrat anwenden. Es ist anerkannt, dass jedes einzelne Mitglied des Stiftungsrats jederzeit berechtigt und verpflichtet ist, den Präsidenten zur Einberufung einer Stiftungsratssitzung anzuhalten, wo Zweckerfüllung bzw. Interessen der Stiftung danach verlangen (SPRECHER/VON SALIS-LÜTOLF, Die schweizerische Stiftung. Ein Leitfaden, 1999, S. 137 Ziff. 151; ROMAN BAUMANN LORANT, Der Stiftungsrat, 2009, S. 159). Der interne Meinungsbildungsprozess bis hin zu einer Beschlussfassung ist folglich zu durchlaufen, bevor die behördliche Stiftungsaufsicht BGE 144 III 433 S. 436 auf dem Beschwerdeweg angerufen werden kann. Gegebenenfalls muss vorgängig ein Beschluss des Stiftungsrats, in einer bestimmten Sache keinen Beschluss fassen zu wollen, erwirkt werden. Insoweit ist der Beschwerdeweg gegenüber den Mitwirkungsrechten und -pflichten als Mitglied des Stiftungsrats im Stiftungsrat subsidiär (vgl. zu ähnlichen Tatbeständen: SIMON ZINGG, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. I, 2012, N. 168 zu Art. 59 ZPO ; ferner z.B. BGE 138 III 246 E. 3.3 S. 247). Seine Funktion als Mitglied des Stiftungsrats nicht wahrzunehmen, dann aber eine Untätigkeit des Stiftungsrats vor der Aufsichtsbehörde zu beanstanden, verdiente zudem als unvereinbar im Sinne von Art. 2 Abs. 2 ZGB grundsätzlich keinen Rechtsschutz (allgemein: BGE 143 III 279 E. 3.1 S. 281). 4.4 An der Stiftungsratssitzung vom 9. Dezember 2016 wurde die Beschwerdeführerin aus dem Stiftungsrat abgewählt. Sie konnte sich zum entsprechenden Traktandum vorgängig schriftlich und an der Sitzung mündlich äussern und zeigte sich an einer einvernehmlichen Lösung interessiert. Ihre Berechtigung zur Beschwerde gegen den Beschluss des Stiftungsrats, sie aus dem Stiftungsrat abzuwählen, ist deshalb zu Recht bereits vor Bundesverwaltungsgericht unangefochten geblieben ( BGE 112 II 97 E. 3 und 4 S. 99 f.; Urteil 5A.2/2002 vom 20. März 2002 E. 1b, nicht publ. in: BGE 128 III 209 ). 4.5 In verfahrensmässiger Hinsicht steht fest, dass der Stiftungsrat zu den Gegenständen, die die Beschwerdeführerin der ESA mit ihren Begehren in der Sache unterbreiten will, noch keine endgültigen Beschlüsse getroffen hat. Die Beschwerdeführerin macht zwar geltend, sie habe diesbezüglich dem Stiftungsrat mehrfach ihr Nichteinverständnis bekannt gegeben, behauptet und belegt aber nicht, dass sie die Einberufung einer Stiftungsratssitzung und die Beschlussfassung über Massnahmen betreffend die Zusammensetzung des Stiftungsrats, die Verwaltung des Stiftungsvermögens und das Projekt "G." förmlich veranlasst hätte, obwohl ihr dies aufgrund ihrer eigenen Darstellung tatsächlich möglich gewesen wäre. Als Stiftungsratsmitglied bzw. für den Fall, dass ihre Wiedereinsetzung in den Stiftungsrat verfügt werden würde, ist die Beschwerdeführerin deshalb nicht berechtigt, mit diesen Sachfragen direkt an die ESA zu gelangen, statt darüber vorgängig im Stiftungsrat diskutieren und beschliessen zu lassen. Dass die ESA auf die entsprechenden Beschwerdebegehren in der Sache nicht eingetreten ist, hat das Bundesverwaltungsgericht deshalb zu Recht nicht beanstandet. BGE 144 III 433 S. 437 4.6 Gestützt auf das Urteil 9C_823/2011 vom 23. März 2012 vertreten die ESA und das Bundesverwaltungsgericht die Ansicht, die Beschwerdeführerin wäre als (überstimmtes) Stiftungsratsmitglied zur Beschwerde selbst gegen einen Beschluss des Stiftungsrats nicht legitimiert. Das Urteil 9C_823/2011 betrifft die berufliche Vorsorge ("Wohlfahrtsfonds"). Dabei darf nicht übersehen werden, dass das geltende Stiftungsrecht des ZGB kein optimales Organisationsmuster für Vorsorgeeinrichtungen ist und in vielfältiger Weise für die berufsvorsorgerechtlichen Zwecke angepasst werden muss (vgl. dazu GÄCHTER/MEYER, Sorgenkind Vorsorgeeinrichtung. Gedanken zur juristischen Persönlichkeit von Vorsorgestiftungen, in: Grundfragen der juristischen Person, Festschrift für Hans Michael Riemer [...], 2007, S. 99 ff., 116). Die Praxis zu dieser besonderen Erscheinungsform einer Stiftung, die zu einer zweckbezogen eigenständigen, die Besonderheiten berücksichtigenden Auslegung der allgemeinen Bestimmungen des Stiftungsrechts zwingen kann, darf nicht unbesehen auf die hier in Frage stehende gewöhnliche oder klassische Stiftung übertragen werden. In diesem Bereich hat das Bundesgericht denn auch die Legitimation des Stiftungsratsmitglieds zur Beschwerde nicht nur gegen seine Abberufung aus dem Stiftungsrat (E. 4.4 oben), sondern auch gegen Beschlüsse des Stiftungsrats in der Sache, d.h. betreffend die Organisation der Stiftung und die zweck- und statutengemässe Verwendung des Stiftungsvermögens jeweilen ausdrücklich oder zumindest als selbstverständlich anerkannt (Urteile 5A.19/2000 vom 25. Juli 2000 E. 1b: Beschwerde des überstimmten Stiftungsratsmitglieds gegen den Beschluss, die Stiftung mit einer anderen Stiftung zu fusionieren; 5A_274/2008 vom 19. Januar 2009 E. 1: Beschwerde von zwei Stiftungsräten gegen ihre Abberufung und betreffend die Ernennung eines Sachwalters; 5A_232/2010 vom 16. September 2010 E. 1: Beschwerde des überstimmten Stiftungsratsmitglieds betreffend den Beschluss, kein Begegnungszentrum einzurichten; 5A_676/2015 vom 5. Januar 2016 E. 1: Beschwerde suspendierter Stiftungsräte betreffend die Gültigkeit von Wahlen in den Stiftungsrat und die Ernennung eines Sachwalters). Da jedes einzelne Mitglied des Stiftungsrats einer gewöhnlichen oder klassischen Stiftung dafür zu sorgen hat, dass das Stiftungsvermögen seinen Zwecken gemäss verwendet wird (vgl. BGE 144 III 264 E. 2.3 S. 269), ist es auch berechtigt, in diesem Bereich amtswegige Anordnungen der Aufsichtsbehörde und Beschlüsse des Stiftungsrats, denen es nicht zugestimmt hat, mit Stiftungsaufsichtsbeschwerde anzufechten. BGE 144 III 433 S. 438 4.7 Aus den dargelegten Gründen ist die Beschwerdeführerin mit ihren Begehren in der Sache als Stiftungsratsmitglied bzw. für den Fall, dass ihre Wiedereinsetzung in den Stiftungsrat verfügt werden würde, nicht zur Stiftungsaufsichtsbeschwerde legitimiert. Sie hätte ihre Anliegen vorgängig im Stiftungsrat einbringen können und müssen. Erst dessen Beschlüsse sind unter den allgemeinen Vorausetzungen mit Beschwerde anfechtbar. 5. Die Legitimation zur Stiftungsaufsichtsbeschwerde wird praxisgemäss tatsächlichen und potenziellen Destinatären zuerkannt ( BGE 107 II 385 E. 3 S. 389; BGE 110 II 436 E. 2 S. 440). Jede Person, die wirklich einmal in die Lage kommen kann, eine Leistung oder einen anderen Vorteil von der Stiftung zu erlangen, soll zur Beschwerde legitimiert sein. Sie muss deshalb bereits heute konkrete Angaben über die Art ihres zukünftigen Interesses machen können ( BGE 107 II 385 E. 4 S. 391). Derartige künftige Interessen als potenzielle Destinatärin behauptet die Beschwerdeführerin vor Bundesgericht. Dass das Bundesverwaltungsgericht dazu keinerlei Feststellungen getroffen hat, beanstandet sie nicht. Gemäss den Feststellungen im angefochtenen Urteil zu ihren Vorbringen hat die Beschwerdeführerin ihre Legitimation von derjenigen einer Destinatärin abgegrenzt und nicht behauptet, sie sei selber als potenzielle Destinatärin zur Stiftungsaufsichtsbeschwerde legitimiert. Mangels ausdrücklich darauf bezogener Feststellungen kann ihr vor Bundesgericht erstmals erhobener rechtlicher Einwand nicht geprüft werden ( BGE 142 I 155 E. 4.4.3 S. 156; BGE 142 II 9 E. 7.1 S. 18). 6. Schliesslich haben die ESA und das Bundesverwaltungsgericht geprüft, ob die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer besonderen Nähe zur Stiftung und damit unabhängig von ihrer Mitgliedschaft im Stiftungsrat zur Beschwerde legitimiert ist. 6.1 Das Gesetz kennt keine Stiftungsaufsichtsbeschwerde, unterstellt die Stiftungen aber der Aufsicht des Gemeinwesens ( Art. 84 Abs. 1 ZGB ). Allein daraus wird die Möglichkeit einer Beschwerde an die Aufsichtsbehörde abgeleitet. Die Beschwerdemöglichkeit bezieht sich auf den Zuständigkeitsbereich der Aufsichtsbehörde, dafür zu sorgen, dass das Stiftungsvermögen seinen Zwecken gemäss verwendet wird ( Art. 84 Abs. 2 ZGB ), und jedermann, der hieran ein Interesse hat, ist zur Beschwerdeführung berechtigt (EUGEN HUBER, Erläuterungen zum Vorentwurf des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes, Bd. I, 1901, S. 89, 2. Aufl. 1914, S. 94). Die BGE 144 III 433 S. 439 Beschwerde setzt folglich ein Interesse ("hieran") an der zweckgemässenVerwendung des Stiftungsvermögens voraus. Dieses zur Beschwerde berechtigende Interesse muss näher bestimmt werden. Denn nirgends ist "irgendwer" befugt (BERNHARD SCHNYDER, "... jedermann der ein Interesse hat", in: Festschrift für Cyril Hegnauer [...], 1986, S. 453 ff., 461). Rechtsprechung und Lehre haben in der Folge die Beschwerde als eigentliches Rechtsmittel zur Gewährleistung eines ausreichenden Rechtsschutzes im Stiftungsrecht anerkannt und von der blossen Anzeige abgegrenzt. Wie jedes andere Rechtsmittel auch setzt die Beschwerde - im Gegensatz zur jedermann und jederzeit offenstehenden Anzeige - ein eigenes Interesse des Beschwerdeführers an der Anordnung der von ihm geforderten Massnahmen voraus ( BGE 107 II 385 E. 3-5 S. 388 ff.; HANS MICHAEL RIEMER, Berner Kommentar, 1975, N. 119, PARISIMA VEZ, in: Commentaire romand, Code civil, Bd. I, 2010, N. 15 ff., und HAROLD GRÜNINGER,in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 2014, N. 17 ff. zuArt. 84 ZGB). Das Vorliegen dieses Interesses kann im Einzelfall streitig sein. Es dürfte bei Destinatären regelmässig zu bejahen sein (E. 5 oben) wie auch bei (überstimmten) Mitgliedern des Stiftungsrats (E. 4 oben). Genannt wurden von Beginn an weiter insbesondere der Stifter und seine Erben (ERNST HAFTER, Berner Kommentar, 1910, N. 15, und AUGUST EGGER, Zürcher Kommentar, 1911, N. 5c zu Art. 84 ZGB ). Bereits im Fall von Erben des Stifters kann sich die Interessenabwägung indessen als heikel erweisen (Legitimation bejaht z.B. zur Beschwerde gegen den erstmals beabsichtigten Verkauf von Stiftungsvermögen: Urteil 5A.19/1994 vom 20. März 1995 E. 1a/cc; Legitimation verneint z.B. zur Beschwerde, mit der eigene erbrechtliche und nicht eigentlich die Interessen der Stiftung wahrgenommen werden wollten: Urteil 5A_828/2008 vom30. März 2009 E. 1.4). Ein zur Beschwerde berechtigendes Interesse kann nach der Praxis sodann grundsätzlich nicht in einem besonders tief empfundenen, persönlichen Verantwortungsgefühl für die vom Stifter zu Lebzeiten verfochtene Sache oder in der persönlichen, im näheren Umfeld des Stifters verbrachten Vergangenheit erblickt werden, wo eine Stiftung sich - wie hier - nicht auf einzelne Individuen auszurichten und ihre Leistungen nicht zugunsten bestimmter Destinatäre zu erbringen hat (Urteil 5A.16/1988 vom 23. Dezember 1988 E. 6b). Die seltenen Anwendungsfälle aus der bundesgerichtlichen Praxis veranschaulichen, ersetzen aber die einzelfallbezogene Interessenbeurteilung nicht. BGE 144 III 433 S. 440 6.2 Im Einzelnen beruft sich die Beschwerdeführerin auf eine besondere Nähe zur Stiftung vielfältiger Art. 6.2.1 Ihr persönliches Interesse an der Erhebung der Stiftungsaufsichtsbeschwerde begründet die Beschwerdeführerin mit drohenden Verantwortlichkeitsansprüchen und Strafverfahren. Zu gewärtigen habe sie auch Persönlichkeitsschutzverfahren von Seiten der Beschwerdegegner. Die Stiftungsaufsichtsbeschwerde dient dazu, die zweckgemässe Verwendung des Stiftungsvermögens zu gewährleisten (E. 6.1 oben). Sie bezweckt hingegen nicht, die Grundlage für Haftungsansprüche irgendwelcher Art zu schaffen. Diesbezüglich gilt somit, was bereits zu Aufsichtsbeschwerden in anderen Rechtsbereichen festgehalten wurde (z.B. für die betreibungsrechtliche Beschwerde: BGE 138 III 265 E. 3.2 S. 267; z.B. für die Aufsicht über den Willensvollstrecker: Urteile 5D_136/2015 vom 18. April 2016 E. 5.2; 5A_672/2013 vom 24. Februar 2014 E. 6.4). Die gewöhnlichen Regeln des Persönlichkeitsschutzverfahrens gelten auch zwischen Stiftungsräten (z.B. Urteil 5C.83/2002 vom 24. Oktober 2002 E. 2-4, betreffend persönlichkeitsverletzende Äusserungen an einer Stiftungsratssitzung). 6.2.2 Die Beschwerdeführerin bekräftigt ihre Nähe zur Stiftung wegen ihrer professionellen Expertise. Mit der abweichenden Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts setzt sie sich dabei nicht auseinander. Ihr fachlicher Ausweis ist unbestritten, belegt aber keine besondere Nähe zur Stiftung. Im Bewusstsein fehlender eigener Sachkunde hat der Stiftungsrat gerade für das Projekt "G.", das teilweise von der Beschwerdeführerin betreut wurde, einen ausgewiesenen Fachmann beigezogen. Fachliche Kompetenz ist folglich vorhanden und abrufbar. Sie begründet deshalb keine besondere Nähe zur Stiftung. 6.2.3 Weiter soll ihre familiäre Beziehung zur Stifterin die Beschwerdeführerin der Stiftung besonders nahebringen. Diese familiäre Beziehung wird durch den Ehemann der Beschwerdeführerin vermittelt, der ein Neffe des Ehemannes der Stifterin ist, der wiederum ein Geldgeber der Stiftung war. Im Lichte der bisher beurteilten Einzelfälle genügt eine derart lose Familienzugehörigkeit nicht. Es wird denn auch nicht behauptet, dass die Stifterin, die sich ihre Zustimmung zu personellen Änderungen im Stiftungsrat vorbehalten hat, zu ihren Lebzeiten jemals die Beschwerdeführerin hätte berücksichtigt wissen wollen. BGE 144 III 433 S. 441 6.2.4 Schliesslich beruft sich die Beschwerdeführerin auf ihr enormes Engagement für die Sache der Stiftung und insbesondere das Projekt "G.". Wie sie selber belegt und ausführt, betrifft ihr Engagement zur Hauptsache die Zeit ab ihrer Wahl in den Stiftungsrat, der sie damit betraut hat, gemeinsam mit anderen Personen eine neue Strategie für dieses Projekt auszuarbeiten. Ihr Engagement war somit wesentlich amtsgebunden und durch ihre Mitgliedschaft im Stiftungsrat begründet, aus dem sie indessen abberufen worden ist. Ihr Engagement belegt deshalb keine besondere persönliche Nähe zur Stiftung. 6.2.5 Eine Gesamtbeurteilung der je für sich allein nicht stichhaltigen Vorbringen der Beschwerdeführerin führt zu keinem abweichenden Ergebnis. Der Vorwurf gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht, es fehle die Gesamtbeurteilung, erweist sich deshalb als unbegründet. 6.3 Insgesamt kann nicht beanstandet werden, dass das Bundesverwaltungsgericht gestützt auf die Darlegungen der Beschwerdeführerin und die Akten keine besondere persönliche Beziehung der Beschwerdeführerin zum Stiftungszweck im Sinne der gerichtlichen Praxis ausgemacht hat, die ihr Beschwerderecht zu begründen vermöchte. 7. Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend, die Bejahung ihrer Beschwerdelegitimation liege auch im öffentlichen Interesse, da die ESA befangen sei und im eigenen Interesse das Beschwerderecht einschränke. Auf die Vorwürfe näher einzugehen erübrigt sich. Es ist weder ersichtlich noch dargetan, dass der Staat die Beaufsichtigung seiner Behörden unmittelbar Drittpersonen übertragen hat. Indirekt dient dazu freilich, genügt aber auch, die Aufsichtsanzeige, die von jedermann jederzeit erstattet werden kann (E. 6.1 oben). Die ESA wird die Vorbringen der Beschwerdeführerin in diesem Rahmen zu prüfen haben. Entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin besteht zudem eine Praxis der ESA, die Anzeigestellerin mit einer Kopie ihres Entscheids über den Ausgang des Verfahrens zu orientieren. Sollte die ESA untätig bleiben, könnte die Beschwerdeführerin als Anzeigestellerin mit einer Anzeige an die übergeordnete Behörde gelangen (ROMAN BAUMANN LORANT, Die Stiftungsaufsichtsbeschwerde, SJZ 109/2013 S. 517 ff., 518 Ziff. III/A mit Hinweisen). Eine Beschwerdelegitimation im öffentlichen Interesse anzuerkennen, besteht keine Grundlage.
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BGE_144_III_433
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Sachverhalt ab Seite 43 BGE 98 Ib 42 S. 43 Die Montim Verwaltungsgesellschaft (nachfolgend "Montim") wurde am 8. Januar 1958 als Aktiengesellschaft mit einem voll einbezahlten Aktienkapital von Fr. 300 000.-- gegründet. Ursprünglicher Zweck der Gesellschaft war "die Gründung und Verwaltung von Investment-Trusts, insbesondere aber die Ausgabe von Trust-Zertifikaten in Verbindung mit kanadischen und schweizerischen Banken und Treuhandgesellschaften über Landparzellen in Greater Montreal (Canada)". Aufgrund einer Statutenänderung vom 19. Dezember 1969 bezweckt sie nunmehr generell die Verwaltung von Anlagefonds; jeder Hinweis auf die Anlagen in Kanada in den Statuten ist weggefallen. Am 10. Januar 1958 erliessen die Montim als Fondsleitung und die Investment Bank Zürich als Treuhänderin eine "Verwaltungsordnung des Montreal-Immobil-Anlagefonds für Grundbesitz in Montreal, Canada". Entsprechend dieser Verwaltungsordnung wurden zwischen dem März 1958 und dem 1. Mai 1959 fünf Serien von "Landzertifikaten - Certificats de Lot de Terrain" ausgegeben. Die Serien haben eine unterschiedliche deutlich aufgedruckte Laufdauer (1962 bis 1966) und einen unterschiedlichen Ausgabepreis ($2 bis 2.32 je m2). Die Liquidation des Fonds wird in den Ziffern 6 und 7 der Verwaltungsordnung im einzelnen geregelt. Nach dem Inkrafttreten des AFG am 1. Februar 1967 meldeten sich die Montim als Fondsleitung und die Investment Bank Zürich als Depotbank bei der Eidg. Bankenkommission an ( Art. 55 AFG ). Am 29. Juni 1967 wurde das Aktienkapital der Montim auf Fr. 500 000.-- erhöht; die neu ausgegebenen Inhaberaktien wurden durch Verrechnung mit Forderungen der Aktionäre gegen die Gesellschaft liberiert. Die Eidg. Bankenkommission nahm mit Entscheid vom 29. Juni 1967 an, die in Montreal angelegten Vermögen der Zertifikatsinhaber seien kein Anlagefonds im Sinne von Art. 2 Abs. 1 AFG , weil sie nicht nach dem Grundsatz der Risikoverteilung verwaltet würden; es handle sich vielmehr um den "Anlagefonds ähnliche Sondervermögen" im Sinne von Art. 5 AFV . In der Folge wurde die Verwaltungsordnung (Fondsreglement) gemäss Art. 54 AFG dem neuen Recht angepasst. BGE 98 Ib 42 S. 44 Am 1. April 1968 richtete die Eidg. Bankenkommission ein Zirkular an die Fondsleitungen, in dem sie darauf hinwies, dass die Erleichterungen der Übergangszeit nach dem Inkrafttreten des AFG teils am 31. Januar 1969, teils am 31. Januar 1970 dahinfallen ( Art. 53 und 54 AFG ). Alle Fondsleitungen müssten deshalb bis zu jenem Zeitpunkt die gesetzlichen Anforderungen gemäss Art. 3 und 4 AFG (Organisation, Mindestkapital, eigene Mittel) voll erfüllen. Sämtliche provisorischen Bewilligungen zur Fondsleitung würden am 31. Januar 1970 dahinfallen. Die Fondsleitungen hätten deshalb vor diesem Datum um eine definitive Bewilligung nachzusuchen. Am 5. November 1969 schrieb die Eidg. Bankenkommission der Montim, sie werde in den ersten Tagen des Monats Februar 1970 festzustellen haben, ob die Adressatin bis Freitag, den 30. Januar 1970, hinsichtlich Gegenstand und Zweck der Gesellschaft, Grundkapital und eigene Mittel sich den Vorschriften des AFG angepasst habe, ob ihr demzufolge die definitive Bewilligung zur Leitung von Anlagefonds erteilt werden könne, oder ob - bei negativer Feststellung - die von ihr verwalteten Anlagefonds von Gesetzes wegen aufgelöst und deshalb ohne Verzug von ihr zu liquidieren seien ( Art. 53 Abs. 4 AFG ). Gleichzeitig wurde die Montim aufgefordert, innert dieser nicht mehr erstreckbaren Frist neben einem Handelsregisterauszug, einer Jahresbilanz oder Zwischenbilanz gemäss Art. 9 AFV und einem Revisionsbericht eine "begründete Erklärung" beizubringen, dass nach ihrer Ansicht die Voraussetzungen für die Erteilung der definitiven Betriebsbewilligung erfüllt seien. Daraufhin erhöhte die Montim an einer ausserordentlichen Generalversammlung vom 30. Januar 1970 ihr Grundkapital von Fr. 500 000.-- auf Fr. 1000 000.-- durch einfache Erhöhung des Nennwertes der 1000 Aktien ohne Kapitaleinzahlung und ersuchte am 31. Januar 1970 um die definitive Erteilung der Bewilligung zur Fondsleitung. Mit Verfügung vom 4. März 1970 stellte die Eidg. Bankenkommission (Kammer für Anlagefonds) fest, dass die Montim den gesetzlichen Anforderungen nicht genüge, da sie ihre eigenen Mittel nicht innert gesetzlicher Frist dem AFG angepasst habe. Sie verweigerte ihr daher die nachgesuchte Bewilligung und stellte fest, dass demzufolge die anlagefonds-ähnlichen Sondervermögen Montreal-Immobil Serien I-V aufgelöst seien und dass die Montim verpflichtet werde, diese Sondervermögen BGE 98 Ib 42 S. 45 ohne Verzug zu liquidieren. Diesen Entscheid fochten sowohl die Montim als auch Frau Helene Wili-Franck und die Dellanonna Stiftung, Zug, mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an. Sie verlangten die Aufhebung der angefochtenen Verfügung. Das Bundesgericht hob mit Urteil vom 19. Februar 1971 ( BGE 97 I 91 ) den Entscheid der Eidg. Bankenkommission wegen formeller Rechtsverweigerung auf. Am 6. Juli 1971 fällte die Eidg. Bankenkommission einen neuen Entscheid, der sich inhaltlich weitgehend mit dem früheren deckt. Gegen diesen Entscheid erheben die Montim sowie zahlreiche Anleger Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Die Montim nimmt im wesentlichen ihre früheren Argumente wieder auf. Sie beantragt, es sei ihr die Bewilligung zur Leitung der Montim Anlagefonds definitiv zu erteilen; eventuell sei ihr eine Nachfrist von 30 Tagen anzusetzen, um die gesetzlichen Bedingungen zu erfüllen, die das Bundesgericht aufstellen werde, und festzuhalten, dass es nur dann zur Auflösung der Sondervermögen kommen müsse, wenn dieser Termin nicht innegehalten werde. Die Anleger verlangen, es sei die angefochtene Verfügung aufzuheben und festzustellen, dass das AFG nicht auf die Montreal-Immobil Serien I-V beziehungsweise die Montim-Verwaltungsgesellschaft anwendbar ist; eventuell sei die Sache an die Eidg. Bankenkommission zu neuer Beurteilung zurückzuweisen mit der Weisung, in Anwendung von Art. 5 Abs. 2 AFV die nachgesuchte Bewilligung zur Führung der Geschäfte eines Anlagefonds im Sinne von Art. 3 Abs. 1 AFG zu erteilen; im Falle der Gutheissung der Beschwerde sei das Urteil im Schweizerischen Handelsamtsblatt zu publizieren. Die Eidg. Bankenkommission beantragt die Abweisung der Beschwerden, soweit darauf einzutreten sei.
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Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Art. 53 Abs. 4 AFG bestimmt: "Erfüllt die Fondsleitung oder die Depotbank bis zum Ablauf der Anpassungsfrist nicht die Vorschriften dieses Gesetzes über ihre Organisation und die eigenen Mittel, so sind ihre Anlagefonds von Gesetzes wegen aufgelöst und von ihnen ohne Verzug zu liquidieren." Die Beschwerde richtet sich dagegen, dass die Eidg. Bankenkommission diese Bestimmung auf die Montim angewandt und BGE 98 Ib 42 S. 46 sich geweigert hat, einen Aufschub der Liquidation der Sondervermögen zu bewilligen. Sowohl die Leitung der Montim als auch eine Anzahl Anleger bestreiten, dass die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmung erfüllt und dementsprechend die von der Montim verwalteten Sondervermögen aufzulösen seien. Sie machen geltend, die unverzügliche Liquidation liege keineswegs im Interesse der Anleger. Der Schutzverband für Wertpapier- und Investmentsparen schliesst sich mit seiner Eingabe den Begehren der Montim an. 2. (Prozessuales.) 3. Die Beschwerdeführer und die Eidg. Bankenkommission sind darüber einig, dass der Montreal-Immobil-Anlagefonds - trotz dieser Bezeichnung auf den von der Montim ausgegebenen "Landzertifikaten" - kein Anlagefonds im Sinne von Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 AFG ist. Es fehlte von allem Anfang an das wesentliche Merkmal, dass das Vermögen "nach dem Grundsatz der Risikoverteilung" angelegt und verwaltet werden sollte. Streitig ist, ob es sich um ein "anlagefonds-ähnliches Sondervermögen" im Sinne von Art. 1 Abs. 2 AFG handelt. Derartige Sondervermögen sind vom Bundesrat in Art. 5 Abs. 1 AFV dem Gesetz unterstellt worden; doch kann die Aufsichtsbehörde mit Rücksicht auf die besondere Natur solcher Vermögen Abweichungen vom Gesetz und von der Verordnung zulassen ( Art. 5 Abs. 2 AFV ). Nach Art. 5 Abs. 1 AFV liegt ein anlagefondsähnliches Sondervermögen vor, wenn das Vermögen vertragsgemäss nicht nach dem Grundsatz der Risikoverteilung angelegt wird, im übrigen aber der Definition des Art. 2 Abs. 1 AFG entspricht. Es muss sich mithin um ein Vermögen handeln, das auf Grund öffentlicher Werbung von den Anlegern zum Zwecke der gemeinschaftlichen Kapitalanlage aufgebracht und von der Fondsleitung für Rechnung der Anleger verwaltet wird. Dieser Umschreibung entspricht das Vermögen des Montreal-Immobil-Fonds. Die Eidg. Bankenkommission hat dementsprechend bereits in ihrem nicht angefochtenen Entscheid vom 29. Juni 1967 die Montim und die von ihr verwalteten Sondervermögen dem AFG unterworfen. Dies schliesst nun freilich nicht aus, dass jedenfalls die Anleger im vorliegenden Verfahren die Frage des Geltungsbereiches des AFG erneut aufwerfen können. Sie bestreiten dessen Anwendbarkeit unter Hinweis auf die Expertise von Prof. Willeke und mit der Begründung, es fehle das BGE 98 Ib 42 S. 47 Element der gemeinschaftlichen Kapitalanlage. Den Anlegern sei bewusst gewesen, dass sie sich an einem einmaligen kollektiven Preisdifferenzgeschäft beteiligten, an einer einmaligen kollektiven Spekulation. Richtig ist, dass in anderen Gebieten des Bundesrechts Spekulation und Kapitalanlage unterschieden werden (vgl. Art. 19 EGG ; BGE 83 I 313 ). Kollektive Kapitalanlagen und kollektive Spekulationen bzw. kollektive Preisdifferenzgeschäfte sind jedoch keine Gegensätze; diese sind lediglich Spezialfälle der ersten, wobei das Hauptgewicht auf dem kollektiven Element der Geschäfte liegt. Jede Spekulation - über Börsentermingeschäfte hinaus - verlangt eine Investition von Mitteln, eine Kapitalanlage; nur hofft der Anleger, sein Geld bloss relativ kurzfristig investieren zu müssen. Der Umstand, dass den Anlegern des Montreal-Immobil-Fonds eine relativ kurze "Laufzeit der Investition" in Aussicht gestellt wurde, schliesst somit keineswegs das Bestehen einer kollektiven Kapitalanlage aufgrund öffentlicher Werbung aus. Hinzukommt, dass nach dem nunmehr geltenden Fondsreglement der Serien I-III die Dauer des Fonds völlig unbestimmt ist. Die in Frage stehenden Sondervermögen fallen demnach unter die Bestimmungen der Art. 1 Abs. 2 AFG und Art. 5 Abs. 1 AFV . Fehl geht das Argument der Montim, der Bundesrat habe in Art. 5 Abs. 1 AFV die ihm durch Art. 1 Abs. 1 AFG eingeräumte Kompetenz überschritten; die "anlagefonds-ähnlichen Sondervermögen" fielen nur dann unter das Gesetz, wenn sie nach dem Grundsatz der Risikoverteilung verwaltet würden. Der Begriff "den Anlagefonds ähnliche Sondervermögen" des Art. 1 Abs. 2 AFG ist nämlich ein unbestimmter Rechtsbegriff. Der Bundesrat musste ihn im Hinblick auf die Zielsetzungen des AFG als Schutzgesetz auslegen (vgl. A. METZGER, Die Stellung des Sachwalters nach dem AFG, Diss. Zürich 1971, S. 2; H.-J. HÄFLIGER, Die Auflösung des Kollektivanlagevertrages, Diss. Zürich 1969, S. 11 f.). Wenn der Bundesrat annahm, Sondervermögen, bei deren Anlage nicht auf die Risikoverteilung gesehen werde, die im übrigen aber der Definition des Art. 1 Abs. 2 AFG entsprächen, seien den Anlagefonds ähnlich, hielt er sich im Rahmen einer durchaus vertretbaren Auslegung des Art. 1 Abs. 2 AFG . Denn auch die durch öffentliche Werbung gewonnenen Anleger solcher Sondervermögen bedürfen des polizeilichen Schutzes, selbst wenn diese Sondervermögen BGE 98 Ib 42 S. 48 nicht "Anlagefonds" genannt werden dürfen ( Art. 2 Abs. 2 AFG ; BGE 93 I 480 ; Urteil vom 6. März 1970 i.S. Ring Hotel Verwaltungs-AG; auch Botschaft zum AFG, BBl 1965 III 315). 4. Um die Bewilligung zur Weiterführung der Fondsleitung zu erhalten, muss die Montim nach den massgeblichen Bestimmungen des AFG drei Bedingungen erfüllen: Der ausschliessliche Zweck der Montim hat die Leitung von Anlagefonds zu sein ( Art. 3 Abs. 2 AFG ); ferner hat sie ein mindestens zur Hälfte einbezahltes Grundkapital von 1 Mio Franken aufzuweisen ( Art. 3 Abs. 3 AFG ); schliesslich müssen die eigenen Mittel der Fondsleitung - nach Abzug des Betrages, der in Anteilscheinen angelegt ist, welche die Fondsleitung selbst ausgegeben hat - mindestens 1% des Anlagefondsvermögens erreichen ( Art. 4 AFG und Art. 7 AFV ). Die Montim erfüllt unbestrittenerwassen die erste der drei Bedingungen. Zu prüfen ist, wie weit die Leitung der Sondervermögen das einbezahlte Grundkapital in eigenen Anteilscheinen anlegen darf und ob der Anspruch auf Bewilligungserteilung auch dann noch besteht, wenn zwar in der Vergangenheit das minimale Grundkapital einbezahlt wurde, dieses aber im Zeitpunkt der Anmeldung nicht mehr vollumfänglich vorhanden ist. Nach Art. 4 Abs. 2 AFG darf die Fondsleitung die vorgeschriebenen eigenen Mittel nicht in Anteilscheinen anlegen, die sie selber ausgegeben hat. Die Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung zeigt, dass sich der Gesetzgeber der grossen Bedeutung eines vollgedeckten, nicht in Anteilscheinen angelegten Grundkapitals als Garantiekapital für die Anleger bewusst war (vgl. StenBull 1966 StR, S. 157 ff.). Aus seinen Beratungen muss der Schluss gezogen werden, dass die "vorgeschriebenen eigenen Mittel", die nicht in eigenen Anteilscheinen angelegt werden dürfen, durch zwei Mindestgrenzen bestimmt werden: einerseits müssen sie das vorgeschriebene Grundkapital decken, anderseits müssen sie mindestens 1% des Anlagevermögens erreichen. Nimmt man mit den Beschwerdeführern an, die eigenen, nicht in Anteilscheinen angelegten Mittel der Leitung der Montim erreichten Fr. 169 187.65 (Fr. 500 000.-- abzüglich Verlustvortrag Fr. 195 470.70 und Wert eigener Anteilscheine Fr. 135 341.65), so erreichen sie zwar 1% des Fondsvermögens; sie decken jedoch keineswegs das einbezahlte Mindest-Stammkapital, das nach dem klaren Willen des Gesetzgebers nicht einmal kurzfristig in Anteilscheinen soll angelegt werden können BGE 98 Ib 42 S. 49 ( Art. 4 Abs. 2 AFG ). Eine derartige Anlage von eigenen Mitteln in eigenen Anteilscheinen wäre nur zulässig, wenn die Gesellschaft über Reserven oder über ein durch Aktien gedecktes, das vorgeschriebene Mindestkapital übersteigendes Grundkapital verfügen würde. Da der Gesetzgeber nicht gestatten wollte, dass das gesetzliche Mindestkapital in eigenen Anteilscheinen angelegt werden kann, so folgt daraus a fortiori, dass es nicht angeht, einer Aktiengesellschaft eine Bewilligung zur Fondsleitung zu erteilen, die das nach Art. 3 AFG auszuweisende Grundkapital gar nicht mehr in entsprechenden Aktiven besitzt, sondern es teilweise verloren hat. Der blosse Umstand, dass die Aktionäre in der Vergangenheit ein bestimmtes Aktienkapital einbezahlt haben, das als solches in den Statuten und im Handelsregister ausgewiesen ist, bedeutet noch keinerlei Garantie für die Anleger. Die Montim hätte deshalb die Bewilligung zur Fondsleitung nur erhalten können, wenn sie per 31. Januar 1970 ein einbezahltes Aktienkapital von Fr. 500 000.-- ausgewiesen hätte, das voll durch richtig bewertete Aktiven - und zwar andere als eigene Anteilscheine - gedeckt gewesen wäre. Dies hat sie nicht getan. Die Eidg. Bankenkommission hat ihr deshalb zu Recht die definitive Bewilligung zur Fondsleitung nicht erteilt. Gleichzeitig mit der Unterstellung der anlagefonds-ähnlichen Sondervermögen unter das AFG hat der Bundesrat der Aufsichtsbehörde die Kompetenz eingeräumt, "mit Rücksicht auf die besondere Natur solcher Vermögen" Abweichungen vom Gesetz und von der Verordnung zuzulassen ( Art. 5 Abs. 2 AFV ). Welche Abweichungen zugelassen werden sollen, liegt im Ermessen der Eidg. Bankenkommission. Diese weist darauf hin, dass der Montim bei der Genehmigung des Fondsreglementes solche Abweichungen zugestanden wurden, hält jedoch dafür, es rechtfertige sich nicht, bei derartigen Sondervermögen ohne Risikoverteilung die gesetzlichen Anforderungen an die Verwalter ( Art. 3 und 4 AFG ) zu mildern. Dem ist beizupflichten. Die in den Art. 3 und 4 AFG geforderten kapitalmässigen Bedingungen (Grundkapital und eigene Mittel) sind Voraussetzungen für die Geschäftstätigkeit der Fondsleitung ( Art. 44 AFG ). Sie bezwecken, den Anlegern einen gewissen Schutz zu bieten, wenn die Fondsleitung ihre Pflichten verletzt und wenn Schadenersatzansprüche gegen die Fondsleitung geltend gemacht werden müssen. Es gelingt nämlich unter Umständen im Zeitpunkt BGE 98 Ib 42 S. 50 der Gefährdung der Rechte der Anleger nicht mehr, von der Fondsleitung oder der Depotbank Sicherstellungen in ausreichender Höhe zu verlangen, auch wenn sie von der Aufsichtsbehörde verfügt werden ( Art. 43 Abs. 2 AFG ; BGE 96 I 81 ; auch METZGER, S. 40 und 43 ff.). Wenn die Eidg. Bankenkommission hinsichtlich der Vorschriften der Art. 3 und 4 AFG die gleichen Anforderungen an die Montim stellte wie an die Leiter von Anlagefonds, kann ihr weder Ermessensüberschreitung noch Ermessensmissbrauch vorgeworfen werden. 5. Hat die Eidg. Bankenkommission der Montim zu Recht die definitive Bewilligung zur Leitung der anlagefonds-ähnlichen Sondervermögen verweigert, so treten die Rechtswirkungen des Art. 53 Abs. 4 AFG ein: Die Sondervermögen sind von Gesetzes wegen aufgelöst und die Leitung ist verpflichtet, dieselben "unverzüglich" zu liquidieren, sofern die Eidg. Bankenkommission diesbezüglich nicht gestützt auf Art. 5 Abs. 2 AFV eine Ausnahmebewilligung gewährt. Sowohl die Montim als auch die beschwerdeführenden Anleger stellen gestützt auf Art. 5 Abs. 2 AFV den Eventualantrag, es sei der Vermögensleitung eine 30tägige Frist anzusetzen, um die gesetzlichen Bedingungen, wie sie vom Bundesgericht umschrieben werden, zu erfüllen - mit der Wirkung, dass bei Wahrung der Nachfrist die Sondervermögen nicht aufgelöst werden müssen. Der Gesetzgeber wollte mit den Übergangsbestimmungen des AFG, namentlich mit Art. 53 Abs. 4, klare Verhältnisse schaffen. Alle Leitungen von Anlagefonds und anlagefonds-ähnlichen Sondervermögen hatten hinreichend Zeit, sich Klarheit darüber zu verschaffen, welche Bedingungen sie hinsichtlich Organisation und eigener Mittel ( Art. 3 und 4 AFG ) zu erfüllen hatten, um die definitive Bewilligung zu erhalten. Die Montim wusste spätestens aufgrund des Schreibens vom 5. November 1969, was von ihr erwartet wurde. Wenn sie glaubte, die Eidg. Bankenkommission lege das AFG falsch aus, hätte sie sofort eine Feststellungsverfügung (Art. 25 VwG) verlangen und dieselbe fristgerecht beim Bundesgericht anfechten können. Dies hat sie nicht getan; vielmehr hat sie bis zum letzten Tag vor Fristablauf gewartet, um eine beschränkte, aber völlig ungenügende Anpassung ihrer eigenen Mittel an das neue Recht vorzunehmen. Sie befand sich diesbezüglich in keiner anderen Lage als irgendeine Leitung eines Anlagefonds, die ihre Organisation und ihre eigenen Mittel dem neuen Recht anpassen musste. BGE 98 Ib 42 S. 51 Es bestand demnach auch kein Anlass, der Montim wegen der besonderen Natur des von ihr verwalteten Sondervermögens eine Ausnahme zuzugestehen. Weil die Leitung der Montim die Anpassungsfrist versäumt hatte, musste die Eidg. Bankenkommission feststellen, dass die anlagefonds-ähnlichen Sondervermögen mit dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes aufgelöst sind und liquidiert werden müssen. Freilich deutet das Eventualbegehren der Montim darauf hin, dass sie sich im Falle der Ansetzung einer Nachfrist bemühen würde, ihre eigenen Mittel den Vorschriften des Gesetzes anzupassen, um ihre Tätigkeit weiterführen zu können. Das vermag ihr jedoch nicht zu helfen. Es bestand für die Eidg. Bankenkommission keine Rechtspflicht, eine Nachfrist zu gewähren, ja es ist überhaupt fraglich, ob eine Fristerstreckung zulässig gewesen wäre. Die Eidg. Bankenkommission durfte überdies insbesondere mit in Betracht ziehen, dass nach den ursprünglichen Vertragsbedingungen in den "Landzertifikaten" die Transaktion längst hätte abgeschlossen sein sollen. Die Überführung der Sondervermögen in das Liquidationsstadium entspricht deshalb durchaus der ursprünglichen Zwecksetzung der kollektiven Kapitalanlage. Es kann sich demnach lediglich fragen, ob die Eidg. Bankenkommission ihr Ermessen insofern über-, unterschritten oder missbraucht hat, als sie in Anwendung von Art. 53 Abs. 4 AFG die unverzügliche Liquidation der Sondervermögen verlangt und eine diesbezügliche Ausnahmebehandlung der Montim nach Art. 5 Abs. 2 AFV verweigert. Diese Frage ist zu verneinen. Mit der Auflösung der Sondervermögen "von Gesetzes wegen" ist nur deren Liquidation rechtlich eingeleitet; die bisherige provisorische Vermögensleitung wird Liquidator; sie erhält einen neuen, vom bisherigen Fondsreglement gegebenenfalls abweichenden Auftrag. Bei den gewöhnlichen Anlagefonds geht der Gesetzgeber davon aus, es liege im Interesse der Anleger, wenn die Sondervermögen unverzüglich liquidiert werden, damit es möglichst bald zur Verteilung des Liquidationsergebnisses nach Art. 30 Abs. 2 AFG kommt. Diese Vermutung des Gesetzgebers trifft im allgemeinen zu; dies deshalb, weil die gewöhnlichen Anlagefonds nach dem Prinzip der Risikoverteilung angelegt sind, so dass in der Regel ein Zuwarten mit der Auflösung die Stellung der Anleger nicht verbessern wird. Wenn jedoch die Mittel eines anlagefonds-ähnlichen Sondervermögens in BGE 98 Ib 42 S. 52 einem einzigen grossen Vermögensobjekt, insbesondere in einer einheitlichen grossen Landparzelle investiert sind, kann gegebenenfalls die unverzügliche Veräusserung an Dritte nur mit grossen Verlusten für die Anleger vorgenommen werden, während bei einem gewissen Zuwarten ein wesentlich besseres Ergebnis erhofft werden kann. Ob ein solcher Fall vorliegt, ist Ermessensfrage. Die Eidg. Bankenkommission geht daher, wenn sie die Gewährung einer Ausnahmebewilligung im vorliegenden Fall verweigert, zu Recht davon aus, dass es ihrem Ermessen anheimgestellt ist, wann sie gestützt auf die Kannvorschrift des Art. 5 Abs. 2 AFV eine Ausnahme vom Gesetz zulassen will. Sie hat im angefochtenen Entscheid im einzelnen dargelegt, wann die Statuierung einer Ausnahme vom Gebot der unverzüglichen Liquidation rechtlich möglich ist und praktisch gerechtfertigt erscheint. Anhand dieser Kriterien hat sie begründet, warum sie im vorliegenden Fall ein Abweichen von der Regel des Art. 53 Abs. 4 AFG verweigert. Ihre Begründung hält stich; namentlich kann ihr, wenn sie sich dabei mehr von rechtlichen denn von weniger bestimmten wirtschaftlichen Überlegungen leiten liess, nicht vorgeworfen werden, sie habe von der Möglichkeit der Wahl zwischen sachlich gerechtfertigten Zwecken keinen pflichtgemässen Gebrauch gemacht. Anderseits ist den Akten hinsichtlich der Zukunftsaussichten für die Verwertung des Landbesitzes in Greater Montreal nichts Sicheres zu entnehmen; es wird aus ihnen vielmehr ersichtlich, dass der Grund für das angeblich zu erwartende schlechte Liquidationsergebnis nicht so sehr in der besonderen Struktur dieser anlagefonds-ähnlichen Sondervermögen zu suchen ist, sondern in der mangelnden Qualität der kollektiven Kapitalanlage. Die Dauer der einzelnen Zertifikatsserien ist denn auch längst schon abgelaufen. Mit der blossen Behauptung, dass ein unverzüglicher Verkauf des gesamten Landkomplexes zu Tagespreisen keineswegs die zweckmässigste Form der Auflösung der Sondervermögen darstellte, vermögen die Beschwerdeführer daher gegen den Ermessensentscheid der Eidg. Bankenkommission nicht durchzudringen. 6. ...
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Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerden werden abgewiesen.
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Sachverhalt ab Seite 10 BGE 102 V 10 S. 10 Résumé des faits: A.- Anna Germanier, née en 1929, domiciliée à Genève, est membre depuis une dizaine d'années de la Caisse-maladie BGE 102 V 10 S. 11 Hispano-Oerlikon-Verntissa (HOV), caisse reconnue ayant un siège à Genève. Celle-ci assure la prénommée pour les soins médicaux et pour une indemnité journalière. La caisse HOV est elle-même membre de la Caisse d'assurance et de réassurance de la Fédération des sociétés de secours mutuels de la Suisse romande (CAR), société coopérative de réassurance avec siège à Genève également. Le 20 octobre 1973, Anna Germanier signa à l'intention de la CAR une formule de demande d'admission à des assurances complémentaires, pour les cas de maladie seulement. La CAR l'admit sans réserve. Toutes les opérations en relation avec ces assurances complémentaires s'effectuent par l'intermédiaire de la caisse primaire (de la procédure d'admission au versement des prestations, en passant par l'encaissement des cotisations). Le 13 mars 1974, Anna Germanier consulta le Dr S., chirurgien. Après avoir pris l'avis de son médecin-conseil, la CAR écrivit le 14 juin 1974 à la caisse HOV qu'elle ne pouvait prendre en charge le traitement parce que l'affection existait avant la conclusion des assurances complémentaires. Elle rendit le 12 mars 1975 une décision formelle de refus, qu'elle notifia à la caisse HOV, avec copie "à Mme Germanier pour son orientation". B.- Anna Germanier recourut contre cet acte administratif. La Cour de justice civile du canton de Genève lui donna gain de cause le 9 mai 1975. C.- La CAR a formé en temps utile un recours de droit administratif contre le jugement cantonal. Elle conclut au rétablissement de la décision litigieuse. L'intimée conclut au rejet du recours. Dans son préavis, l'Office fédéral des assurances sociales propose principalement d'annuler le jugement rendu par la Cour de justice civile, qui selon lui n'aurait pas dû entrer en matière. Subsidiairement, il conclut au rejet du recours.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. Suivant l'art. 30 LAMA, lorsque l'assuré ou le candidat n'accepte pas une décision de la caisse, celle-ci doit la lui BGE 102 V 10 S. 12 communiquer par écrit dans les trente jours, avec indication des motifs, ainsi que des voies et du délai de recours (al. 1). Recours peut être formé contre cette décision, dans les trente jours dès sa communication, auprès du tribunal des assurances prévu à l'art. 30bis al. 1 LAMA (al. 2). Selon cet art. 30bis al. 1, les cantons désignent un tribunal des assurances dont la juridiction s'étend à tout le canton pour connaître, en instance unique sur le plan cantonal, des contestations des caisses entre elles ou avec leurs assurés ou des tiers qui concernent des droits que les parties font valoir en se fondant sur la LAMA, les dispositions d'exécution fédérales ou cantonales ou les dispositions établies par les caisses. Les caisses dont il est question ci-dessus sont au premier chef les caisses-maladie reconnues qui pratiquent l'assurance directe. Mais il s'agit aussi des fédérations de caisses visées par l'art. 27 al. 1 LAMA (cf. p.ex. RO 99 V 78 et 129, RJAM 1970 No 59 p. 17). 2. En l'espèce, la décision litigieuse de la CAR a été adressée à la caisse HOV. La première était habilitée à procéder ainsi (RO 99 V 78). C'est la caisse réassurée qui en principe aurait donc eu qualité pour attaquer cet acte administratif, comme le relève l'Office fédéral des assurances sociales. Or ce n'est pas elle qui a saisi le tribunal cantonal, mais son assurée. On pourrait donc être tenté d'admettre que les premiers juges n'auraient pas dû entrer en matière sur le recours. Toutefois, selon l'art. 103 lit. a OJ, a qualité pour recourir auprès du Tribunal fédéral des assurances (cf. art. 132 OJ) quiconque est atteint par la décision administrative et a un intérêt digne de protection à ce qu'elle soit annulée ou modifiée, le droit de recourir à la juridiction suprême impliquant celui de saisir la juridiction inférieure (cf. p.ex. RO 101 V 120, RO 99 V 165 consid. 1, 98 V 54 consid. 1). Or, si l'on ne peut affirmer de manière générale qu'en tout état de cause un membre d'une caisse réassurée soit atteint par le refus de l'organe de réassurance de fournir ses prestations à l'institution primaire d'assurance, cette condition est réalisée en l'occurrence: la caisse HOV ne joue qu'un rôle d'intermédiaire, pour les prestations en cause. S'agissant des assurances complémentaires en question, le statut de l'intimée est donc très proche de celui d'un assuré direct, et l'on peut même se demander si l'on doit encore parler de réassurance dans son BGE 102 V 10 S. 13 cas, malgré la terminologie des règlements de la CAR. On serait donc en droit de penser que cette institution ne remplit pas la condition imposée par l'art. 27 al. 1 LAMA aux fédérations de caisses qui veulent être reconnues par l'autorité de surveillance, à savoir de pratiquer exclusivement la réassurance. Quoi qu'il en soit, il n'appartient pas au Tribunal fédéral des assurances de statuer d'office sur le mérite d'une reconnaissance que personne n'a attaquée. Au surplus, la notion de réassurance pourrait être comprise largement en matière d'assurances sociales et couvrir l'opération qui, pour une fédération, consiste à assurer à titre complémentaire des personnes qui ont conclu une assurance de base (art. 12 al. 1 LAMA) auprès d'une caisse-maladie réassurée, en traitant avec l'assuré dans des conditions telles que la caisse-maladie joue un rôle d'intermédiaire seulement. En conséquence, dans les présentes circonstances, la Cour de justice était en droit d'accueillir le recours de dame Germanier...
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Sachverhalt ab Seite 16 BGE 83 I 16 S. 16 A.- Julius Grundul wurde 1889 in den baltischen Provinzen des Russischen Reichs auf dem Gebiet des nachmaligen Lettland geboren. 1913 wanderte er nach China aus, wo er Beamter des Marinezollamts in Tien-Tsin wurde. BGE 83 I 16 S. 17 Mit der Gründung der Republik Lettland im Jahre 1918 erlangte er die lettische Staatsangehörigkeit. 1940 wurde Lettland durch die URSS besetzt. Kurz bevor die Kommunisten im Jahre 1947 in Tien-Tsin an die Macht kamen, trat Grundul von seinem Amt zurück. Seinen Plan, nach USA auszureisen, konnte er indes nicht mehr verwirklichen. In der Folge wurde er von der Zweigstelle Shanghai der "IRO" (International Refugee Organization, Internationale Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen) als "bona-fide refugee" registriert und mit den erforderlichen Ausweisen ausgestattet. Auf Empfehlung dieser Organisation wurde er Anfangs 1955 in Norwegen aufgenommen, wo er seither in einem Flüchtlingsheim lebt. B.- Am 11. Oktober 1956 erhob Grundul beim Richteramt III in Bern gegen die Firma Bryner & Co. GmbH Klage auf Bezahlung von Fr. 5504.--. Vor Einreichung einer Antwort beantragte die Beklagte, der Kläger sei zur Sicherstellung der Prozesskosten zu verpflichten, da er keinen Wohnsitz in der Schweiz habe und sich als Staatenloser nicht darauf berufen könne, dass sein Wohnsitzstaat Norwegen der Haager Übereinkunft betr. Zivilprozessrecht vom 17. Juli 1905 angehöre. In seiner Vernehmlassung wiedersetzte sich der Kläger diesem Begehren. Er machte geltend, lettische Staatsangehörige, welche die Sowjetunion verlassen hätten, seien als Flüchtlinge zu betrachten. Als Flüchtling habe er gemäss Art. 16 Ziff. 3 des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (im Folgenden Genfer Abkommen genannt) in Verbindung mit Art. 17 der Haager Übereinkunft keine Prozesskostensicherheit zu leisten. In ihren Gegenbemerkungen wandte die Beklagte demgegenüber ein, der Kläger habe Norwegen in der Klageschrift als seine "Heimat" bezeichnet, was darauf schliessen lasse, dass er schon zur Zeit seiner Tätigkeit im Fernen Osten in jenem Land Wohnsitz gehabt habe. Ein Staatenloser sei jedoch nur dann als Flüchtling im Sinne des Genfer Abkommens zu betrachten, wenn er sich ausserhalb des Landes, BGE 83 I 16 S. 18 in dem er früher Wohnsitz gehabt habe, aufhalte und in dieses nicht mehr zurückkehren könne oder infolge begründeter Befürchtungen nicht zurückkehren wolle. Das treffe auf den Kläger, der schon vor dem Umsturz in China seinen Wohnsitz in Norwegen gehabt haben müsse, nicht zu. Das Richteramt III schloss sich der Auffassung der Beklagten an. Gestützt auf Art. 70 Ziff. 1 der bernischen ZPO setzte es dem Kläger mit Verfügung vom 9. Januar 1957 eine Frist von zwanzig Tagen an, um den Betrag von Fr. 1000.-- als Prozesskostensicherheit beim Gericht zu hinterlegen. Für den Unterlassungsfall drohte es ihm die kostenfällige Rückweisung der Klage ( Art. 76 ZPO ) an. C.- Mit Eingabe vom 25. Januar 1957 führt Grundul staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV . Er beantragt, die Kostensicherungsauflage sei aufzuheben. Zur Begründung macht er im wesentlichen geltend, ob Lettland trotz der Besetzung durch die Sowjetunion als selbständiges Staatswesen bestehe und weiterhin an der Haager Übereinkunft betr. Zivilprozessrecht teilhabe, und ob er, Grundul, die lettische Staatsangehörigkeit (auf die er nie verzichtet habe und die ihm auch nicht durch individuellen Hoheitsakt entzogen worden sei) noch besitze, könne offen bleiben, da er jedenfalls als Flüchtling auf Grund des Genfer Abkommens Anspruch auf Befreiung von der Kostensicherungspflicht habe. Die Voraussetzungen, unter denen eine Person nach Art. 1 lit. A dieses Abkommens als Flüchtling gilt, erfülle er in zweifacher Hinsicht. Einmal sei er nach der Verfassung der Internationalen Flüchtlingsorganisation als Flüchtling betrachtet worden. Sodann befinde er sich infolge von Ereignissen, die vor dem 1. Januar 1951 eingetreten sind, ausserhalb seines (früheren) "Wohnsitzstaats". Entgegen der Annahme des Richteramts III habe er während der für die Bezeichnung des "Wohnsitzstaats" massgebenden Zeit in China Wohnsitz gehabt. Nach Norwegen sei er erst Anfangs 1955 gekommen. Dass dieses Land in der Klageschrift als seine "Heimat" bezeichnet wurde, beruhe auf BGE 83 I 16 S. 19 einem Übersetzungsfehler. Da ihm das Richteramt III keine Gelegenheit geboten habe, zu den Gegenbemerkungen der Beklagten Stellung zu nehmen, habe er diesen Irrtum nicht berichtigen können. D.- Die Firma Bryner & Co. GmbH schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Sie macht geltend, es sei Sache des Klägers gewesen, rechtzeitig alle Beweismittel beizubringen, aus denen seine Flüchtlingseigenschaft hervorgehe. Wenn der Richter beim Entscheid dieser Frage mangels sonstiger Angaben auf die Ausführungen der Klageschrift abgestellt habe, so liege darin keine Willkür. Der Kläger habe im übrigen auch heute nicht dargetan, dass keine der Voraussetzungen gegeben seien, unter denen nach Art. 1 lit. C des Genfer Abkommens einer Person die Flüchtlingseigenschaft abzusprechen ist. Das Bundesgericht hat die Beschwerde begründet erklärt
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Erwägungen in Erwägung: 1. Der Beschwerdeführer bezeichnet die Beschwerde als solche wegen Verletzung von Art. 4 BV . Er erblickt eine formelle und materielle Rechtsverweigerung (Willkür) darin, dass die kantonale Instanz Art. 1 lit. A und Art. 16 Ziff. 3 des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge sowie mittelbar auch Art. 17 Abs. 1 und 2 der Haager Übereinkunft betr. Zivilprozessrecht missachtet habe. Art. 1 lit. A des Genfer Abkommens umschreibt die Voraussetzungen, unter denen einer Person in den Vertragsstaaten und im Verkehr zwischen diesen der besondere Status eines Flüchtlings zuerkannt wird. Art. 16 Ziff. 3 dieses Abkommens und Art. 17 Abs. 1 und 2 der Haager Übereinkunft handeln von der Sicherstellung der Prozesskosten (cautio judicatum solvi). Die Verletzung derartiger staats- und völkerrechtlicher bzw. prozessrechtlicher Bestimmungen von Staatsverträgen mit dem Ausland bildet nach Art. 84 Abs. 1 lit. c OG einen eigenen Beschwerdegrund. Das Bundesgericht hat die Anwendung solcher staatsvertraglicher Bestimmungen nicht nur unter dem beschränkten BGE 83 I 16 S. 20 Gesichtswinkel der Willkür, sondern in tatsächlicher Hinsicht frei zu überprüfen ( BGE 81 I 142 Erw. 1, BGE 82 I 245 Erw. 1 und dort angeführte Urteile). Der Rüge der Rechtsverweigerung kommt daneben keine selbständige Bedeutung zu. 2. Beschwerden wegen Verletzung anderer als zivil- und strafrechtlicher Bestimmungen von Staatsverträgen mit dem Ausland sind zulässig, bevor von den kantonalen Rechtsmitteln Gebrauch gemacht worden ist ( Art. 86 Abs. 3 OG ; BGE 82 I 82 und dortige Zitate). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ( BGE 68 I 162 Erw. 2, BGE 73 I 51 Erw. 2, BGE 78 I 116 Erw. 6, BGE 81 I 142 Erw. 1) sind in den Fällen, in denen der kantonale Instanzenzug nicht erschöpft zu werden braucht, im bundesgerichtlichen Verfahren neue rechtliche und tatsächliche Vorbringen statthaft. Auf die in der Beschwerdeschrift erstmals aufgestellten Behauptungen und auf die vom Beschwerdeführer eingereichten neuen Beweismittel ist daher einzutreten. 3. Dem am 28. Juli 1951 in Genf abgeschlossenen Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (AS 1955 S. 443 ff., ROLF 1955 S. 461 ff.) sind sowohl die Schweiz (vgl. Bundesbeschluss über die Genehmigung dieses Abkommens vom 14. Dezember 1954, AS 1955 S. 441) als auch Norwegen (vgl. AS 1955 S. 462) beigetreten. Gemäss Art. 1 lit. A Ziff. 1 Abs. 1 des Staatsvertrags ist Flüchtling im Sinne des Abkommens jede Person, die nach der Verfassung der Internationalen Flüchtlingsorganisation (oder nach bestimmten früheren Vereinbarungen) als Flüchtling betrachtet wurde ("has been considered a refugee under...the Constitution of the International Refugee Organization"; "a été considérée comme réfugiée... en application de la Constitution de l'Organisation internationale pour les réfugiés"). Ist einer Person von den zuständigen Organen der Internationalen Flüchtlingsorganisation die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden, so ist dieser Entscheid auch für die Vertragsstaaten des Genfer Abkommens bindend. Eine Überprüfung der Verfügungen BGE 83 I 16 S. 21 dieser Organisation haben sich die Vertragsstaaten nur für die Fälle vorbehalten, in denen einer Person die Flüchtlingseigenschaft von dieser Seite nicht zuerkannt worden war (vgl. Art. 1 lit. A Ziff. 1 Abs. 2 des Abkommens im englischen und französischen Originaltext, der in der deutschen Übersetzung, AS 1955 S. 444, ungenau wiedergegeben worden ist). Wie aus dem von der "Philippines & Far East Mission" der "IRO" ausgestellten "Certificate of Travel" hervorgeht, wurde der Beschwerdeführer von der Internationalen Flüchtlingsorganisation als Flüchtling ("bona-fide refugee, eligible for IRO legal and political protection") anerkannt. Er ist somit nach Art. 1 lit. A Ziff. 1 Abs. 1 des genannten Staatsvertrags als Flüchtling im Sinne des Genfer Abkommens zu betrachten. Der Beschwerdeführer kann im weiteren auch auf Grund von Art. 1 lit. A Ziff. 2 des Genfer Abkommens Anspruch auf die Zuerkennung der Rechtsstellung eines Flüchtlings erheben. Nach dieser Bestimmung gilt jede Person als Flüchtling, "die sich auf Grund von Ereignissen, die vor dem 1. Januar 1951 eingetreten sind, und aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Staatszugehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung ausserhalb ihres Heimatlandes (country of his nationality, pays dont elle a la nationalité) befindet und dessen Schutz nicht beanspruchen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht beanspruchen will; oder die sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse ausserhalb ihres Wohnsitzstaates befindet und dorthin nicht zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht zurückkehren will". Der Ausdruck "Wohnsitzstaat", wie ihn die nicht mit Gesetzeskraft ausgestattete deutsche Übersetzung verwendet, führt zu einer Unsicherheit, die auch die kantonale Instanz zu unrichtigen Schlüssen veranlasst haben mag. Der englische und der französische Originaltext bringen demgegenüber mit der Umschreibung "outside the BGE 83 I 16 S. 22 country of his former habitual residence", "hors du pays dans lequel elle avait sa résidence habituelle" klar zum Ausdruck, dass der Staatenlose, der als Flüchtling anerkannt werden will, sich ausserhalb des Staates befinden muss, in dem er seinen ordentlichen Wohnsitz hatte, bevor er "infolge solcher Ereignisse" ("as a result ofsuch events") anderwärts Zuflucht suchte. Der Beschwerdeführer war von 1913 bis 1947 Beamter des Marinezollamts in Tien-Tsin. Alles spricht dafür, dass er während dieser Zeit und bis zu seiner Ausreise nach Europa dort Wohnsitz hatte. Nach der Besetzung des kontinentalen China durch die Streitkräfte der chinesischen Volksrepublik in den Jahren 1947/48 musste er wegen seiner politischen Überzeugung, bis zu einem gewissen Grade wohl auch wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, jenes Land verlassen. In sein Ursprungsland Lettland, das 1940 von den Sowjettruppen besetzt und als Lettische Sozialistische Sowjetrepublik in die Sowjetunion eingegliedert worden war, konnte er aus denselben Gründen nicht zurückkehren, wie er auch von dieser Seite keinen diplomatischen Schutz zu erwarten hat. Ob er, wie er geltend macht, heute noch die lettische Staatsangehörigkeit besitze, oder ob er als Staatenloser zu betrachten sei, kann bei dieser Sachlage offen bleiben. Im einen wie im andern Falle erfüllt er die Voraussetzungen, unter denen eine Person nach Art. 1 lit. A Ziff. 2 des Genfer Abkommens als Flüchtling zu gelten hat. Die in Art. 1 lit. C Ziff. 1-6 des Abkommens genannten Umstände, unter denen ein Flüchtling nicht mehr des einem solchen zu gewährenden Schutzes teilhaftig wird, treffen auf den Beschwerdeführer offensichtlich nicht zu. 4. Gemäss Art. 16 Ziff. 3 des Genfer Abkommens ist der Flüchtling in den Vertragsstaaten, in denen er nicht seinen ordentlichen Aufenthalt hat, hinsichtlich der Zulassung vor Gericht, des Armenrechts und der cautio judicatum solvi gleich zu behandeln wie ein Angehöriger des Landes, in dem er seinen ordentlichen Aufenthalt hat. BGE 83 I 16 S. 23 Der Beschwerdeführer ist seit Anfangs 1955 im Vertragsstaate Norwegen niedergelassen. Er ist daher in der Schweiz wie ein norwegischer Staatsangehöriger zu behandeln. Norwegen ist wie die Schweiz der Haager Übereinkunft betr. Zivilprozessrecht vom 17. Juli 1905 (BS 12 S. 277 ff.) beigetreten. Nach Art. 17 Abs. 1 und 2 der Übereinkunft dürfen die Gerichte eines Vertragsstaates den Angehörigen eines anderen Vertragsstaates, der in einem Vertragsstaate seinen Wohnsitz hat, wegen seiner Eigenschaft als Ausländer oder deswegen, weil er keinen Wohnsitz oder Aufenhalt im Inland hat, nicht zur Sicherstellung der Prozesskosten verhalten. Diese Bestimmung ist, wie dargelegt, auch auf den Beschwerdeführer anwendbar (vgl. BBl. 1954 II S. 77). Die kantonale Instanz hat dem Beschwerdeführer gestützt auf Art. 70 Ziff. 1 der bernischen ZPO mangels eines Wohnsitzes in der Schweiz zur Hinterlegung einer Prozesssicherheit Frist angesetzt. Dies war nach dem Gesagten unzulässig. Die angefochtene Verfügung ist daher aufzuheben.
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Erwägungen ab Seite 146 BGE 144 III 145 S. 146 Extrait des considérants: 2. La décision sur l'action possessoire ( art. 927 CC ) est une décision portant sur des mesures provisionnelles au sens de l' art. 98 LTF ( ATF 133 III 638 consid. 2), de sorte que seule peut être dénoncée la violation de droits constitutionnels, en particulier l'arbitraire ( art. 9 Cst. ). D'après la jurisprudence, une décision est arbitraire lorsqu'elle est manifestement insoutenable, méconnaît gravement une norme ou un principe juridique clair et indiscuté, ou heurte de manière choquante le sentiment de la justice et de l'équité; il ne suffit pas qu'une autre solution paraisse concevable, voire préférable; pour que cette décision soit annulée, encore faut-il qu'elle se révèle arbitraire non seulement dans ses motifs, mais aussi dans son résultat ( ATF 132 I 13 consid. 5.1; ATF 131 I 217 consid. 2.1, ATF 131 I 57 consid. 2; ATF 129 I 173 consid. 3.1). Pour être jugée arbitraire, la violation du droit doit être manifeste et pouvoir être reconnue d'emblée ( ATF 133 III 462 consid. 4.4.1). Le Tribunal fédéral n'a pas à examiner quelle est l'interprétation correcte que l'autorité cantonale aurait dû donner des dispositions applicables; il doit uniquement dire si l'interprétation qui a été faite est défendable ( ATF 132 I 13 consid. 5.1). Le recourant doit démontrer en quoi l'application qui a été faite du droit est arbitraire ( art. 106 al. 2 LTF ; ATF 133 III 462 consid. 2.3). 3. Aux termes de l' art. 927 al. 1 CC , quiconque usurpe une chose en la possession d'autrui est tenu de la rendre, même s'il y prétend un droit préférable. 3.1 L'action possessoire de l' art. 927 al. 1 CC , dite action réintégrande, a pour fonction d'empêcher que la possession ne soit usurpée et, par là, a pour but de protéger la paix publique. Elle a pour objet la défense de la possession comme telle et vise à rétablir rapidement l'état antérieur. Elle ne conduit pas à un jugement sur la conformité au droit de cet état de fait. Elle n'assure au demandeur qu'une protection provisoire. Le juge ne doit examiner la question du droit à la possession de la chose que lorsqu'il est saisi de l'action pétitoire en revendication ( art. 641 al. 2 CC ; ATF 113 II 243 consid. 1b p. 244; BGE 144 III 145 S. 147 arrêts 5A_98/2010 du 7 mai 2010 consid. 4.1.2; 5P.509/2006 du 8 mai 2007 consid. 1.3; cf. PAUL-HENRI STEINAUER, Les droits réels, tome I, 5 e éd. 2012, n. 313 ss; STARK/LINDENMANN, Berner Kommentar, 2016, n os 1 ss Vorb. ad art. 926-929 CC ; SUTTER/SOMM, Eigentum und Besitz, TDPS, Sachenrecht vol. 1, 2014, n. 1309; BETTINA HÜRLIMANN-KAUP, Grundfragen des Zusammenwirkens von Miete und Sachenrecht, 2008, n. 129). Comme le précise l'art. 927 al. 1 in fine CC, le défendeur à l'action réintégrande ne peut pas exciper du droit préférable qu'il aurait sur la chose ( ATF 113 II 243 consid. 1b; STEINAUER, op. cit., n. 344; STARK/LINDENMANN, op. cit., n os 91 ss Vorb. ad art. 926-929 CC ). L' art. 927 al. 2 CC réserve une situation exceptionnelle, celle dans laquelle le défendeur établit aussitôt un droit - réel ou contractuel ( ATF 40 II 559 consid. 3 p. 564 ss; STARK/LINDENMANN, op. cit., n° 20 ad art. 927 CC ) - préférable qui l'autoriserait à reprendre la chose au demandeur ( ATF 113 II 243 consid. 1b p. 245 in fine; arrêt 5A_98/2010 précité consid. 4.1.2; cf. STEINAUER, op. cit., n. 345 ss; STARK/ERNST, in Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, vol. II, 5 e éd. 2015, n° 6 ad art. 927 CC ). Le jugement sur l'action réintégrande de l' art. 927 al. 1 CC statue définitivement sur la protection de la possession et, partant, le rétablissement de l'état antérieur ( ATF 113 II 243 consid. 1b p. 244). Le juge n'a pas à fixer au demandeur un délai pour introduire une action au fond sur l'existence du droit. L'action pétitoire en revendication ( art. 641 al. 2 CC ), qui porte sur la protection du droit, peut mettre fin aux effets du jugement sur l'action possessoire ( ATF 113 II 243 consid. 1b p. 244). Il s'agit d'une action réelle, qui ne doit pas être confondue avec l'action contractuelle en restitution de la chose louée, à l'échéance du bail (art. 23 al. 1 de la loi fédérale du 4 octobre 1985 sur le bail à ferme agricole [LBFA; RS 221.213.2]; pour le bail à loyer ordinaire, art. 267 al. 1 CO ). Elle peut être assortie ou précédée d'une requête de mesures provisionnelles ( art. 261 ss CPC ) et de mesures superprovisionnelles ( art. 265 CPC ). 3.2 Le demandeur à l'action réintégrande ( art. 927 al. 1 CC ) doit prouver la réalisation de deux conditions: premièrement, qu'il avait la possession de la chose et, deuxièmement, qu'il en a perdu la possession à la suite d'un acte d'usurpation illicite. Le degré de la preuve exigé par l' art 927 al. 1 CC est la certitude ( voller Beweis ); BGE 144 III 145 S. 148 la simple vraisemblance ( blosses Glaubhaftmachen ) ne suffit pas (SUTTER-SOMM, op. cit., n. 1348). 3.2.1 Premièrement, le demandeur doit établir qu'il avait la possession de la chose. La possession suppose la maîtrise effective de la chose et la volonté correspondante de celui qui l'exerce de posséder ( art. 919 al. 1 CC ; STEINAUER, op. cit., n. 176 ss; SUTTER-SOMM, op. cit., n. 1207). La maîtrise multiple étant possible (STEINAUER, op. cit., n. 211 ss), il peut s'agir de la possession immédiate de la personne qui exerce directement, sans intermédiaire, la maîtrise de fait sur la chose, mais aussi de la possession médiate de celui qui l'exerce par le truchement d'un tiers à qui il a accordé un droit (réel ou personnel) sur la chose (STEINAUER, op. cit., n. 214 et 340a; SCHMID/HÜRLIMANN-KAUP, Sachenrecht, 5e éd. 2017, n. 214; SUTTER-SOMM, op. cit., n. 1216 ss; HÜRLIMANN-KAUP, op. cit., n. 130; STARK/LINDENMANN, op. cit., n° 6 Vorb. ad art. 926-929 CC ). Lorsque le propriétaire de l'immeuble loue celui-ci à un locataire (ou fermier), les deux sont possesseurs: le locataire a la possession immédiate ( unmittelbarer Besitz ) et le propriétaire la possession médiate ( mittelbarer Besitz ) (HÜRLIMANN-KAUP, op. cit., n. 114, 118 et 120). Si, en tant que moyen de réaction contre une voie de fait apparente, l'action possessoire protège avant tout le possesseur immédiat contre les tiers (STARK/LINDENMANN, op. cit., n° 48 Vorb. ad art. 926-929 CC ; SUTTER-SOMM, op. cit., n. 1318), elle protège aussi le possesseur médiat, propriétaire de l'immeuble (cf. art. 937 al. 1 et 2 CC ). Le transfert de la possession s'effectue selon les règles des art. 922 ss CC (HÜRLIMANN-KAUP, op. cit., n. 122). Lorsque le propriétaire, qui a loué son immeuble à un locataire (ou à un fermier), l'aliène par contrat de vente en la forme authentique ( art. 216 al. 1 CO ) (titre d'acquisition), le nouveau propriétaire en acquiert la propriété après réquisition d'inscription (acte de disposition) et inscription au registre foncier (acte matériel) ( art. 956 al. 1 et 972 CC ). Le bail passe à l'acquéreur ( art. 261 et 290 let. a CO et, pour le bail à ferme agricole, art. 14 LBFA ) (HÜRLIMANN-KAUP, op. cit., n. 544 s.). L'aliénateur cède aussi au nouveau propriétaire la possession médiate qui est la sienne, par délégation de possession ( Besitzanweisung ), sans que la possession immédiate du locataire (ou du fermier) n'en soit affectée ( art. 924 al. 1, 1 re hypothèse, CC; cf. STEINAUER, op. cit., n. 271 ss; BGE 144 III 145 S. 149 STARK/LINDENMANN, op. cit., n os 15 et 18 ad art. 924 CC ; SUTTER-SOMM, op. cit., n. 1277). 3.2.2 Deuxièmement, le demandeur doit prouver qu'il a perdu la possession de la chose à la suite d'un acte d'usurpation illicite. L'acte d'usurpation enlève au possesseur sa possession sur la chose. Il est illicite lorsqu'il n'est justifié ni par la loi, ni par le consentement du possesseur (STEINAUER, op. cit., n. 326 par renvoi du n. 343). Lorsque, à la fin de son bail, le locataire (ou le fermier) transfère la possession immédiate de la chose à un tiers sans l'accord du propriétaire bailleur, celui-ci est-il atteint dans sa possession médiate par un acte d'usurpation illicite? La question est controversée en doctrine (cf. notamment HÜRLIMANN-KAUP, op. cit., n. 183 et note 106; STARK/LINDENMANN, op. cit., nos 50 ss Vorb. ad art. 926-929 CC ; STEINAUER, op. cit., n. 343 renvoyant à n. 330b; en matière de sous-location, soit lorsque le bail principal n'a pas pris fin, cf. PETER HIGI, Zürcher Kommentar, 3 e éd. 1994, n° 53 ad art. 262 CO et les arrêts de la Cour de justice de Genève du 12 mars 1998, in SJ 1998 p. 471 et du 2 mai 1985, in SJ 1985 p. 474, 477). 3.3 En l'espèce, le propriétaire recourant invoque l'arbitraire dans l'application de l' art. 927 al. 1 CC à deux égards. L'intimé conclut à l'irrecevabilité du recours. Il y a donc lieu d'examiner d'abord le grief d'irrecevabilité. 3.3.1 Dans sa réponse, le neveu intimé conclut principalement à l'irrecevabilité du recours, parce que le possesseur (et propriétaire) recourant n'aurait pas établi qu'une application conjointe des art. 927 et 261 ss CPC serait en l'espèce arbitraire, en d'autres termes parce que le demandeur n'aurait pas établi qu'il serait arbitraire de requérir des mesures provisionnelles dans le cadre d'une action possessoire, et ce avant même l'introduction de celle-ci. Or, contrairement à ce que croit l'intimé, le demandeur n'a pas sollicité des mesures provisionnelles pour la durée du procès principal sur l'action réintégrande, mais, après des mesures superprovisionnelles ( art. 265 CPC ), il a agi directement par l'action réintégrande de l' art. 927 al. 1 CC . La question de savoir si l'action possessoire peut être accompagnée ou précédée d'une requête de mesures superprovisionnelles de l' art. 265 CPC - ce qui est généralement admis -, voire si des mesures provisionnelles peuvent être prises dans le cadre (ou avant l'introduction) d'une action possessoire - en procédure BGE 144 III 145 S. 150 ordinaire ou simplifiée en fonction de la valeur litigieuse - (question que le Tribunal fédéral avait pu laisser ouverte dans l'arrêt 5A_98/2010 déjà cité consid. 4.2.1 in initio), n'a donc pas à être tranchée en l'espèce. Quant au chef de conclusions du demandeur tendant à ce qu'un délai lui soit accordé pour ouvrir action au fond, il se comprend en relation avec ses conclusions subsidiaires. Il s'ensuit que le recours n'est pas irrecevable. 3.3.2 Dans un premier grief, le propriétaire recourant soutient qu'en tant que propriétaire et possesseur des immeubles, il doit pouvoir requérir la restitution de la "chose", objet de sa possession, aux conditions prévues pour la réintégrande de l' art. 927 CC , "sans que d'autres conditions ne lui soient imposées, telles que celles de l' art. 261 CPC ". Or, contrairement à ce que croit le recourant, la cour cantonale a rejeté l'action réintégrande au motif que, bien qu'il soit propriétaire du domaine et inscrit au registre foncier, il n'en a jamais eu la possession. Elle n'a pas soumis cette action aux conditions de l' art. 261 CPC . Ces conditions n'ont été examinées qu'en relation avec sa requête subsidiaire de mesures provisionnelles antérieures à l'action au fond en revendication. Le recourant cite à mauvais escient FRANÇOIS BOHNET (Actions civiles, 2014, n. 17 ad § 39 et n. 15 ad § 54) qui admet que l'action possessoire de l' art. 927 al. 1 CC peut être accordée à l'occasion du procès au fond comme une mesure provisionnelle sui generis . De même, contrairement à ce que croit le recourant, la cour cantonale n'a pas non plus examiné l'exception d'un droit préférable au sens de l' art. 927 al. 2 CC , cette disposition n'étant de toute façon pas applicable en l'espèce. 3.3.3 Dans son deuxième grief, le propriétaire recourant reproche à la cour cantonale d'avoir nié qu'il dispose de la possession des immeubles du domaine (première condition de l' art. 927 al. 1 CC ) et, partant, d'avoir ainsi arbitrairement rejeté son action réintégrande de l' art. 927 al. 1 CC . La cour cantonale a considéré que le contrat de bail a été conclu entre l'ancienne propriétaire du domaine et les fermiers, le 25 novembre 2000. Le demandeur n'en est devenu propriétaire qu'ultérieurement le 15 octobre 2003. Les fermiers ont transmis leur exploitation BGE 144 III 145 S. 151 à leur neveu, le défendeur. La cour cantonale en a déduit que le propriétaire n'a donc jamais eu la possession des immeubles, celle-ci ayant passé de la propriétaire précédente aux fermiers et de ceux-ci au défendeur. Cette conception est en contradiction manifeste avec les règles sur le transfert de la possession des art. 922 ss CC . Lorsque le propriétaire qui a affermé son immeuble aliène celui-ci, par contrat de vente en la forme authentique ( art. 216 al. 1 CO ), il cède aussi à l'acquéreur la possession médiate qui est la sienne, par délégation de possession ( Besitzanweisung ), sans que la possession immédiate des fermiers n'en soit affectée ( art. 924 al. 1, 1 re hypothèse, CC), puisque le bail à ferme agricole passe à l'acquéreur ( art. 14 LBFA ). Il est arbitraire d'appliquer à l'acquisition ensuite de cession volontaire de la possession par l'aliénateur à l'acquéreur une solution que la doctrine, citée par l'arrêt attaqué, n'a appliquée qu'à l'acquisition d'un immeuble par acte officiel, dans le cadre d'une vente aux enchères publiques après faillite ( art. 656 al. 2 CC ; arrêt 4A_632/2009 du 5 janvier 2010 consid. 2.1; STARK/ERNST, op. cit., n° 3 in fine ad art. 927 CC , repris par PASCAL PICHONNAZ, in Commentaire romand, Code civil, vol. II, 2016, n° 3 ad art. 927 CC ); l' art. 261 al. 1 CO et l' art. 14 LBFA mettent certes sur un même pied l'aliénation de la chose louée et son enlèvement dans le cadre d'une poursuite pour dettes ou d'une faillite, mais c'est uniquement en ce qui concerne le rapport contractuel de bail qui passe à l'acquéreur; il n'est pas nécessaire de trancher ici comment se transfère la possession dans le cadre de l'exécution forcée. Il s'ensuit qu'il doit être admis que le recourant, propriétaire actuel de l'immeuble, en est le possesseur médiat (première condition de l' art. 927 al. 1 CC ).
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Sachverhalt ab Seite 306 BGE 104 Ia 305 S. 306 Gestützt auf die Art. 66 ff. und 130 des kantonalen Gesetzes vom 4. Juli 1962 über das öffentliche Unterrichtswesen (im folgenden: UntG) beschloss der Staatsrat des Kantons Wallis am 30. November 1977 ein Reglement über die Lehrerseminarien (kurz: Reglement), das ein entsprechendes früheres Reglement vom 21. April 1964 ersetzt. Das neue Reglement wurde vom Grossen Rat des Kantons Wallis am 30. Januar 1978 als Ganzes gebilligt und im Amtsblatt des Kantons Wallis vom 24. Februar 1978 veröffentlicht. Art. 66 UntG lautet in deutscher Fassung: "Das Lehrerseminar bereitet auf den Beruf des Primarlehrers vor. Es ist jedem Schüler zugänglich, der die im Reglement vorgesehenen Bedingungen erfüllt." Nach Art. 130 Abs. 1 UntG werden die in diesem Gesetz erwähnten Reglemente vom Staatsrat erlassen, wenn dafür nicht ausdrücklich eine andere Behörde bezeichnet ist. Gemäss Art. 10 Abs. 2 lit. d des Reglementes setzt das Erziehungsdepartement alljährlich die Zahl der ins Lehrerseminar aufzunehmenden Kandidaten fest. Art. 36 des Reglementes führt hiezu weiter aus: "Das Departement bestimmt alljährlich die Zahl der Kandidaten, welche in die verschiedenen Abteilungen und in die Spezialkurse aufgenommen werden. Wenn die Zahl der Kandidaten, welche die Prüfungen bestanden haben, die Bedürfnisse der Schule übersteigt, werden jene von ihnen berücksichtigt, die hinsichtlich ihrer Eigenschaften als Erzieher, ihrer Vorbildung und ihrer beruflichen Eignung am besten ausgewiesen sind." Die beiden Bestimmungen entsprechen Art. 11 Abs. 2 lit. d und Art. 37 des früheren Reglementes von 1964. Der in Brig-Glis wohnhafte und stimmberechtigte Stefan Escher ficht mit staatsrechtlicher Beschwerde an sich das ganze Reglement von 1977, sinngemäss jedoch nur die in den Art. 10 Abs. 2 lit. d und Art. 36 enthaltene quantitative Beschränkung BGE 104 Ia 305 S. 307 der Zulassung zum Lehrerseminar an. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit auf sie eingetreten werden konnte, aus folgenden
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Erwägungen Erwägungen: 1. Es stellt sich zunächst die Frage, ob der Beschwerdeführer zur Beschwerde legitimiert ist ( Art. 88 OG ) und welche Rügen er unter diesem Gesichtspunkt erheben kann. a) Zur Anfechtung eines allgemeinverbindlichen Erlasses oder einer Anordnung mit Rechtssatzcharakter wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte ( Art. 84 Abs. 1 lit. a OG ) ist jeder legitimiert, auf den die als verfassungswidrig bezeichneten Vorschriften künftig einmal angewandt werden könnten. Es genügt ein virtuelles Betroffensein, und die diesbezüglichen Anforderungen sind nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung gering. Nur wo es nach der vom Erlass geregelten Materie von vornherein als ausgeschlossen erscheint, dass der Beschwerdeführer von den angefochtenen Normen einmal berührt werden könnte, wird das erforderliche praktische Interesse an der Beschwerdeführung verneint; es braucht lediglich eine gewisse minimale Wahrscheinlichkeit, einmal betroffen werden zu können ( BGE 102 Ia 205 E. 3, BGE 103 Ia 371 E. 1, mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall ist der Beschwerdeführer im Kanton Wallis wohnhaft, 31jährig, verheiratet und Vater bisher eines Kindes. Es ist zwar wenig wahrscheinlich, dass er als praktizierender Anwalt und Notar sich selbst noch um die Zulassung zum kantonalen Lehrerseminar bewerben wird, doch ist nicht ausgeschlossen, dass dies einmal sein jetziges oder ein späteres Kind tun wird. Dies genügt, um dem Beschwerdeführer die Legitimation zuzuerkennen. b) Im Zusammenhang mit dem Vorwurf, die mangelnde Bestimmtheit der Delegationsnorm (Art. 66 UntG) verletze den Grundsatz der Gewaltentrennung, macht der Beschwerdeführer summarisch auch eine Beeinträchtigung des Stimmrechts "im Hinblick auf das obligatorische Gesetzesreferendum gemäss Art. 30 der Verfassung des Kantons Wallis" geltend. Diese beiden Rügen können nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung zusammenfallen, jedoch nur in bestimmten Fällen, etwa wenn eine Delegationsnorm, durch die angeblich eine referendumspflichtige Materie künftig der Volksabstimmung BGE 104 Ia 305 S. 308 entzogen wird, unmittelbar nach ihrem Erlass angefochten wird (vgl. BGE 103 Ia 372 E. 1 und BGE 98 Ia 108 E. 1b). Hier wird indessen der Exekutive vorgeworfen, sie habe ihre Rechtssetzungskompetenz überschritten, indem sie durch Verordnung eine schwerwiegende Massnahme eingeführt habe, die durch das Gesetz nicht gedeckt sei. Diese Frage betrifft die Grundsätze der Gesetzmässigkeit und der Gewaltentrennung, nicht aber das politische Stimmrecht des Beschwerdeführers. Soweit in BGE 103 Ia 401 E. 3 (am Anfang) und in der nicht veröffentlichten E. 1a, bb jenes Urteils etwas anderes gesagt sein sollte, kann daran nicht festgehalten werden. Der Beschwerdeführer legt auch nicht dar, inwiefern der angefochtene Erlass in anderer Weise sein politisches Stimmrecht verletzen sollte (zu dessen Inhalt vgl. BGE 101 Ia 254 E. 3a, mit Verweisungen). Art. 85 lit. a OG kann hier daher keine Anwendung finden. 2. In der Beschwerde rügte der Beschwerdeführer zur Hauptsache, die im Reglement vorgesehene jährliche Festsetzung der ins Lehrerseminar aufzunehmenden Kandidaten sei an sich willkürlich und verletze die persönliche Freiheit. Ob in der fraglichen Zulassungsbegrenzung ein Eingriff in den Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung und damit in die persönliche Freiheit liegt, lässt sich indessen erst im konkreten Anwendungsfall entscheiden, weshalb die Frage hier nicht zu untersuchen ist ( BGE 101 Ia 389 E. 7d, bb und 401 E. 2d, BGE 102 Ia 324 f., mit Hinweisen). Zulassungsbeschränkungen sind ferner grundsätzlich mit Art. 4 BV vereinbar; entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers müssen sie sich nicht zwingend aus der Person des Kandidaten (insbesondere dessen Eignung) ergeben, sondern lassen sich auch mit den Grenzen der Aufnahmefähigkeit der staatlichen Bildungseinrichtungen begründen ( BGE 103 Ia 373 E. 2 und 399 E. 2b). Inwiefern sie im konkreten Fall sonst gegen Art. 4 BV verstossen sollten, legt der Beschwerdeführer nicht dar, weshalb auch diese Rüge nicht weiter geprüft zu werden braucht. Im übrigen erwecken die Ausführungen in der Beschwerdeergänzung ohnehin den Anschein, dass an den Rügen der Verletzung von Art. 4 BV und der persönlichen Freiheit nicht mehr festgehalten wird. 3. Der Beschwerdeführer macht geltend, die in den Art. 10 Abs. 2 lit. d und Art. 36 Abs. 1 des Reglementes dem Erziehungsdepartement eingeräumte Befugnis, die Zahl der ins Lehrerseminar BGE 104 Ia 305 S. 309 aufzunehmenden Kandidaten alljährlich zu bestimmen, finde keine Stütze in Art. 66 UntG und widerspreche dieser Bestimmung sogar. Mit den nach Art. 66 Abs. 2 UntG vom Kandidaten zu erfüllenden Bedingungen seien nur solche gemeint, die sich aus der Person des Kandidaten - namentlich dessen sittlichen, geistigen und körperlichen Fähigkeiten (vgl. Art. 29 des Reglementes) - ergäben, nicht aber die vom Erziehungsdepartement festgelegte Höchstzahl. Jedenfalls fehle es der Delegationsnorm an der nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung erforderlichen Bestimmtheit. Der Staatsrat entgegnet, Art. 66 UntG enthalte eine allgemeine Delegation an die Exekutive, die Zulassung zum Lehrerseminar zu regeln. Diese Delegation sei nicht beschränkt auf die von den Kandidaten in ihrer Person zu erfüllenden Bedingungen. Aus dem amtlichen Sitzungsprotokoll des Grossen Rates vom Mai 1962 ergebe sich klar, dass ein blosses Rahmengesetz geschaffen und sämtliche Zulassungsbedingungen durch ein Reglement geordnet werden sollten. Den von verschiedenen Grossräten geäusserten Bedenken gegen die allgemeine Ermächtigung habe der damalige Vorsteher des Erziehungsdepartementes entgegengehalten, dass ein blosses Rahmengesetz nicht alle Einzelheiten enthalten könne, ein detailliertes Gesetz aber nicht in Frage komme, da es sonst nach seiner Annahme sogleich wieder den inzwischen veränderten Verhältnissen angepasst werden müsste. Die auf Art. 66 UntG gestützten Ausführungsbestimmungen dürften daher auch objektive Zulassungsvoraussetzungen enthalten. a) Gemäss BGE 103 Ia 376 ff und 402 E. 3a gelten der Gesetzesvorbehalt und die zu ihm entwickelten Grundsätze über die Zulässigkeit der Gesetzesdelegation im Prinzip auch in der Leistungsverwaltung. Da sich im vorliegenden Fall die Frage der Gesetzmässigkeit und der Zulässigkeit der Gesetzesdelegation im Bereich der leistenden Verwaltung (Bildungswesen) stellt, sind die vom Bundesgericht entwickelten Grundsätze hier anzuwenden. b) Nach Art. 66 Abs. 2 UntG ist das Lehrerseminar "jedem Schüler zugänglich, der die im Reglement vorgeschriebenen Bedingungen erfüllt". Vom Wortlaut her gesehen kann diese Bestimmung kaum als Ermächtigung zur Einführung auch quantitativer Begrenzungen bei der Zulassung zum Seminar verstanden werden. Die Formulierung bezieht sich offenbar auf BGE 104 Ia 305 S. 310 die in Art. 29 des Reglementes aufgestellten "Bedingungen für die Aufnahme in das Probejahr" und kann nur mit Mühe auch auf die in Art. 36 des Reglementes enthaltene Voraussetzung bezüglich "Zahl der Aufnahmen in die Lehrerseminare" ausgedehnt werden. Der Staatsrat macht unter Hinweis auf die Gesetzesberatungen geltend, der Gesetzgeber habe ihn ausdrücklich allgemein ermächtigt, die Zulassung zum Seminar zu regeln. Er behauptet nicht, dass die Befugnis zu quantitativen Zulassungsbegrenzungen Gegenstand der Beratungen gewesen wäre. Diese Befugnis war auch nicht selbstverständlich: Zwar hatte Art. 127 Abs. 2 des früheren Gesetzes vom 16. November 1946 über das Primar- und Haushaltungsschulwesen eine solche enthalten, doch fiel diese Bestimmung mit Inkrafttreten des neuen Gesetzes vom 4. Juli 1962 dahin und wurde erst mit dem Reglement vom 21. April 1964 wieder ausdrücklich eingeführt. Zudem fragt es sich, ob eine Massnahme wie der Numerus-clausus, der tiefgreifend in die Persönlichkeitsentwicklung des Einzelnen eingreifen kann, nicht einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage bedarf (vgl. BGE 103 Ia 387 E. 7d und 403 E. 3b). Die Frage, ob Art. 66 Abs. 2 UntG als gesetzliche Grundlage der angefochtenen Massnahme ausreicht, kann jedoch offen bleiben, weil die Bestimmung so oder so den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügt, die an eine Delegationsnorm zu stellen sind. c) Nach feststehender bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist die Delegation rechtssetzender Befugnisse an Verwaltungsbehörden zulässig, wenn sie nicht durch das kantonale Recht ausgeschlossen wird, wenn sie auf ein bestimmtes Gebiet beschränkt wird und das Gesetz die Grundzüge der Regelung selbst enthält, soweit sie die Rechtsstellung der Bürger schwerwiegend berührt, und wenn sie in einem der Volksabstimmung unterliegenden Gesetz enthalten ist. Ob die Delegationsnorm diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, prüft das Bundesgericht frei ( BGE 103 Ia 374 E. 3a und 404 ff. mit Verweisungen). Im vorliegenden Fall macht der Beschwerdeführer nicht geltend, der Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen an die Exekutive stehe eine Norm des kantonalen Rechts entgegen. Die Delegation beschränkt sich auf den Gegenstand der Bedingungen für die Zulassung zum Seminar, und die Delegationsnorm BGE 104 Ia 305 S. 311 ist in einem der Volksabstimmung unterliegenden Gesetz enthalten (Art. 30 Ziff. 3 KV Wallis). Da Zulassungsbeschränkungen an einem staatlichen Lehrerseminar wie jene an einer Universität die Rechtsstellung der Bürger in schwerwiegender Weise berühren können ( BGE 103 Ia 389 und 405/6), muss die Delegationsnorm ferner die "Grundzüge der Regelung" selber enthalten. Dieser Anforderung genügt nun Art. 66 Abs. 2 UntG in keiner Weise. Die Bestimmung nennt - wie jene im vergleichbaren Fall Beeli ( BGE 103 Ia 394 ff.) - weder die angefochtene Massnahme als solche (Zulassungsbegrenzung) noch deren Zielsetzung (Steuerung nach den "Bedürfnissen der Schule", d.h. nach dem Bedarf an Lehrern; vgl. Art. 36 Reglement). Art und Zweck der Massnahme müssen jedoch in jedem Falle im Gesetz selber genannt sein ( BGE 103 Ia 407 ). Zudem sollte - wie im Falle Wäffler - das zu verfolgende Verfahren ebenfalls im Gesetz aufgeführt werden (vgl. BGE 103 Ia 384 E. 7a-c); mindestens muss die für die Durchführung der Massnahme zuständige Behörde bestimmt werden, wie es in BGE 103 Ia 394 ff. (Urteil Beeli) der Fall war. Die Delegation darf sich nicht wie hier in einer blossen Ermächtigung im Sinne der Schaffung einer Verordnungskompetenz erschöpfen ( BGE 103 Ia 376 E. 3b). Im vorliegenden Fall müssen schliesslich auch die Auswahlkriterien bei der Durchführung des Numerus-clausus in ihren wesentlichen Zügen gesetzlich verankert werden. Im Gegensatz etwa zu den Universitäten erfordert der Zugang zum Lehrerseminar keinen qualifizierten Tauglichkeitsausweis (vgl. die Zulassungsbedingungen in Art. 29 des Reglementes); durch den Numerus-clausus könnte also eine Vielzahl von Bewerbern, die zur Ausbildung als Lehrer durchaus geeignet wären, von dieser allgemein zugänglichen Bildungseinrichtung ausgeschlossen werden; dies wäre - vor allem in Hinblick auf die Wahrung der Rechtsgleichheit - verfassungsrechtlich bedenklich (vgl. BGE 103 Ia 388 f.). Im genannten Urteil Wäffler, das den Numerus-clausus bei der Zulassung zur Universität Basel betraf, hat das Bundesgericht die mangelnde gesetzliche Verankerung der Auswahlkriterien allerdings hingenommen, und zwar aus folgenden Gründen: die in jenem Fall zu treffende Lösung hänge von einer Vielzahl noch nicht geklärter tatsächlicher Umstände ab und müsse allenfalls wegen inzwischen gesammelter Erfahrungen oder infolge veränderter Verhältnisse rasch BGE 104 Ia 305 S. 312 verbessert oder gar neu gestaltet werden; zudem hätten die Hochschulkantone eine zumindest moralische Pflicht zur Zusammenarbeit und zur Vereinheitlichung der verschiedenen Bestrebungen im Hochschulwesen, um auf Landesebene eine Aufgabe von nationaler Bedeutung mit Hilfe des Bundes und der Nichtuniversitätskantone bestmöglich bewältigen zu können; diese Ziele könnten besser durch Verhandlungen auf Regierungsebene als im schwerfälligen Gesetzgebungsverfahren erreicht werden ( BGE 103 Ia 391 f. E. 7d, ee). Diesen Argumenten kann indessen bei einem staatlichen Lehrerseminar, das im wesentlichen Lehrer für den kantonalen Bedarf ausbildet, kein oder bedeutend weniger Gewicht zukommen als bei einer Universität von nationaler Bedeutung ( BGE 103 Ia 406 ). Interkantonale Bestrebungen zur Koordination der Lehrerausbildung sind nicht im Gange, und in Anbetracht der Tatsache, dass im Wallis zumindest seit 1946 die Zahl der aufzunehmenden Kandidaten jährlich festgelegt worden ist, kann auch nicht angenommen werden, viele tatsächliche Verhältnisse seien noch ungeklärt und es müssten zuerst noch Erfahrungen gesammelt werden. Schliesslich wird keine eigentliche Notlage (Erschöpfung der Aufnahmekapazität) geltend gemacht (vgl. BGE 103 Ia 407 oben), welche 1962 bei Erlass des Gesetzes noch nicht bestanden hätte, aber 1964 bei Erlass des ersten Reglementes zwingend die sofortige (Wieder-) Einführung der Aufnahmebegrenzung erfordert hätte. Die Anforderung, Art und Zweck der Massnahme sowie die für ihre Durchführung zuständige Behörde und die Auswahlkriterien (in ihren wesentlichen Zügen) im Gesetz selbst aufzuführen, war dem Gesetzgeber durchaus zuzumuten. Es ist nicht einzusehen, weshalb die in Art. 37 des früheren und in Art. 36 des neuen Reglementes getroffene Regelung nicht hätte ins Gesetz von 1962 aufgenommen werden können, zumal schon das frühere Gesetz von 1946 in Art. 127 Abs. 2 wenigstens die Art der Massnahme und die für ihre Durchführung zuständige Behörde genannt hatte. Art. 66 Abs. 2 UntG genügt somit den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht, die an die Bestimmtheit einer Delegationsnorm zu stellen sind. Die Art. 10 Abs. 2 lit. d und 36 des Reglementes sind daher aufzuheben. 4. a) Der Staatsrat bringt eventualiter vor, die Zulassungsbegrenzung beruhe auch auf Gewohnheitsrecht. Dieses ist BGE 104 Ia 305 S. 313 eine originäre Rechtsquelle, die trotz eines gewissen Vorranges des formell zustandegekommenen Gesetzes Gesetzesrang hat ( BGE 94 I 308 E. 1, BGE 83 I 248 ), soweit sie nicht bloss der Verordnungsstufe zuzurechnen ist (vgl. GRISEL, Droit administratif suisse, S. 38). Im vorliegenden Fall wird gesetzesergänzendes Gewohnheitsrecht geltend gemacht. Damit indessen Gewohnheitsrecht einem formellen Gesetz, d.h. einer dem Referendum unterstellten Rechtsnorm, gleichgestellt werden kann, bedarf es einer Lücke des geschriebenen Rechts und eines unabweislichen Bedürfnisses, sie zu füllen ( BGE 94 I 308 E. 2, BGE 96 V 51 E. 4; GRISEL, a.a.O. S. 37; mit weiteren Hinweisen). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt, unabhängig davon, welcher Begriff der Lücke zugrundegelegt wird (echte oder auch unechte Lücke sowie planwidrige Unvollständigkeit; vgl. hiezu GRISEL, a.a.O. S. 37/38, BGE 94 I 308 E. 2): Nachdem die fragliche Zulassungsbegrenzung nach Darstellung des Staatsrates ursprünglich Verwaltungsgebrauch gewesen war, wurde sie 1947 ins Gesetz aufgenommen und 1962/64 auf Verordnungsstufe zurückverwiesen. Unter diesen Umständen kann keine Lücke des geschriebenen Rechts und kein unabweisliches Bedürfnis nach einer Regelung mehr angenommen werden; für ergänzendes Gewohnheitsrecht bleibt hier kein Raum. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich die Prüfung, ob die weiteren Voraussetzungen für die Entstehung von Gewohnheitsrecht (vgl. BGE 96 V 51 E. 4, BGE 102 Ib 300 E. f) erfüllt gewesen wären; immerhin scheint fraglich, ob hier die erforderliche Rechtsüberzeugung (opinio iuris et necessitatis) der von den angewandten Normen Betroffenen angenommen werden könnte. b) Schliesslich ändert auch nichts, dass der Grosse Rat des Kantons Wallis das fragliche Reglement des Staatsrats als Ganzes genehmigt hat. Eine solche Genehmigung verändert nämlich den rechtlichen Charakter dieser unselbständigen Verordnung nicht; diese bleibt eine Verordnung des Staatsrates ( BGE 100 Ia 69 ). Weder das Reglement selbst noch der Genehmigungsbeschluss unterlagen dem Referendum, weshalb auch hier keine gesetzliche Grundlage zu finden ist.
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Sachverhalt ab Seite 370 BGE 143 V 369 S. 370 A. Im Rahmen der dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen derjenigen Arzneimittel, die in der Liste der pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel mit Preisen (Spezialitätenliste; fortan: SL) aufgeführt sind, informierte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die A. AG am 13. März 2014 darüber, dass die Arzneimittel mit SL-Aufnahmedatum 2011, 2008, 2005, 2002 etc. überprüft würden und verlangte Daten betreffend das Arzneimittel B. ein. Mit Mitteilung vom 11. Juli 2014 an die A. AG legte das BAG dar, weil B. in keinem der sechs Referenzländer im Handel sei, werde die Wirtschaftlichkeit ausschliesslich anhand eines therapeutischen Quervergleichs (nachfolgend: TQV) mit den Arzneimitteln C. und D. beurteilt. Dieser ergebe einen Senkungssatz von 12,5 %, der per 1. November 2014 auf die gesamte Gamme von B. angewendet werde. Nach Einwänden der A. AG, wonach beim TQV von B. auch die Arzneimittel E. und F. Berücksichtigung finden müssten, verfügte das BAG am 24. September 2014 wie in Aussicht gestellt. B. Eine hiergegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung eines doppelten Schriftenwechsels - replicando beantragte die Beschwerdeführerin, auch G. müsse für den TQV herangezogen werden - mit Entscheid vom 8. September 2016 ab. C. Die A. AG führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. September 2016 und die Verfügung des BAG vom 24. September 2014 seien aufzuheben und der aktuelle Fabrikabgabepreis von B. sei als wirtschaftlich zu bestätigen. Eventualiter sei die Angelegenheit an die Verwaltung zurückzuweisen mit der Anweisung, B. sei einem TQV mit den Arzneimitteln E., F., D., C. und G. zu unterziehen. BGE 143 V 369 S. 371 Der Beschwerdegegner trägt auf Abweisung der Beschwerde an. Am 24. Januar 2017 äussert sich die Beschwerdeführerin zur Beschwerdeantwort. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. (...) Die Vorinstanz hat die einschlägigen Grundlagen gemäss Gesetz und Rechtsprechung zutreffend dargelegt. Dies betrifft namentlich die Bestimmungen und Grundsätze des KVG (in der ab 1. März 2014 geltenden Fassung) zur Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit der Leistungen gemäss Art. 25-31 KVG ( Art. 32 Abs. 1 KVG ; zum komparativen Charakter der Wirtschaftlichkeit: BGE 142 V 26 E. 5.2.1 S. 34 f.), zur periodischen Überprüfung dieser Voraussetzungen ( Art. 32 Abs. 2 KVG ; BGE 142 V 26 E. 5.2.3 und 5.3 S. 36 ff.) sowie zur SL ( Art. 52 Abs. 1 lit. b KVG ). Korrekt wiedergegeben hat sie ferner die relevanten Bestimmungen der KVV (SR 832.102; in der ab 1. März 2014 geltenden Fassung) und der Verordnung des EDI vom 29. September 1995 über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Krankenpflege-Leistungsverordnung, KLV; SR 832.112.31; in der ab 1. Juli 2014 geltenden Fassung) zu den Bedingungen für die Aufnahme von Arzneimitteln in die SL, zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen und zur Überprüfung der Aufnahmebedingungen alle drei Jahre. Darauf wird verwiesen. Wiederzugeben ist Art. 34 KLV ("Wirtschaftlichkeit"), dessen Abs. 2 (in der von 1. Juli 2002 bis 31. Mai 2015 in Kraft gestandenen Fassung [AS 2002 3013; 2015 1359]) wie folgt lautet: 2 Für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eines Arzneimittels werden berücksichtigt: a. dessen Fabrikabgabepreis im Ausland; b. dessen Wirksamkeit im Verhältnis zu anderen Arzneimitteln gleicher Indikation oder ähnlicher Wirkungsweise; c. dessen Kosten pro Tag oder Kur im Verhältnis zu den Kosten von Arzneimitteln gleicher Indikation oder ähnlicher Wirkungsweise d. bei einem Arzneimittel im Sinne von Artikel 31 Absatz 2 Buchstaben a und b ein Innovationszuschlag für die Dauer von höchstens 15 Jahren; in diesem Zuschlag sind die Kosten für Forschung und Entwicklung angemessen zu berücksichtigen. BGE 143 V 369 S. 372 3. Es ist unbestritten, dass bei der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit von B. - weil dieses in keinem der sechs Referenzländer ( Art. 35 Abs. 2 KLV ) im Handel war - ausnahmsweise einzig ein TQV durchzuführen ist (zur Pflicht zur grundsätzlich umfassenden Wirtschaftlichkeitsprüfung mittels Auslandpreisvergleich [fortan: APV] und TQV grundlegend: BGE 142 V 26 E. 5.2.2 und 5.2.3 S. 36 f.; vgl. auch BGE 142 V 368 E. 5.3 S. 379, BGE 142 V 488 E. 8.2 i.f. S. 501). Strittig ist hingegen die Rechtmässigkeit der Vergleichsgruppenbildung im Rahmen des TQV von B. bzw. ob es bundesrechtskonform ist, als Vergleichsarzneimittel einzig C. und D., nicht aber die Arzneimittel E., F. und G. zuzulassen. 4. Das Bundesverwaltungsgericht legte zwecks Schaffung eines Überblicks über die für den TQV von B. zur Diskussion stehenden Arzneimittel dar, für welche Indikationen die Arzneimittel im Sinne des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte (HMG; SR 812.21) laut der Fachinformation zugelassen waren, welcher Abgabekategorie gemäss der Verordnung vom 17. Oktober 2001 über die Arzneimittel (VAM; SR 812.212.21; vgl. Art. 23-27) sie angehörten und welcher therapeutischen Gruppe (IT[Index Therapeuticus]-Gruppe) der Spezialitätenliste sie zugeteilt waren. Es erwog, Art. 34 Abs. 2 lit. b und c KLV sehe keine Priorisierung eines der Auswahlkriterien ("gleiche Indikation", "ähnliche Wirkungsweise") vor. Aus dieser Bestimmung könne zudem nicht abgeleitet werden, dass beim TQV entweder ausschliesslich Arzneimittel gleicher Indikation oder ausschliesslich Arzneimittel ähnlicher Wirkungsweise zu vergleichen seien. Der Verwaltung stehe hinsichtlich des anwendbaren Kriteriums und bei der Auswahl der Vergleichspräparate ein weiter Ermessensspielraum zu. Die Verordnungsbestimmung sehe somit nicht vor, dass das BAG den TQV unter Anwendung beider Kriterien durchführen müsse, wenn im konkreten Fall Arzneimittel mit gleicher Indikation und solche ähnlicher Wirkungsweise vorhanden seien. Daher sei nicht grundsätzlich unzulässig, dass der Beschwerdegegner beim TQV von B. lediglich Vergleichspräparate gleicher Indikation herangezogen habe. Zu prüfen bleibe aber, ob das BAG bei der Auswahl der Vergleichspräparate sein weites Ermessen sachgerecht ausgeübt habe. Laut den Fachinformationen verfügten C. und D. über weitgehend identische Indikationen wie B. Dagegen wiesen F. und E. nur die Indikation der seborrhoischen Dermatitis auf, währenddem B. zusätzlich für Kopfschuppen (Pityriasis simplex capitis), Psoriasis des behaarten Kopfes BGE 143 V 369 S. 373 und Pityriasis versicolor indiziert sei. Nach Art. 65b Abs. 1 KVV beziehe sich die Wirtschaftlichkeitsprüfung auf die "indizierte Heilwirkung" des zu prüfenden Arzneimittels, weshalb es angezeigt sei, sämtliche zugelassenen Indikationen von B. zu berücksichtigen. Insofern sei nicht zu beanstanden, dass die Verwaltung (nur) jene Arzneimittel in den TQV einbeziehe, die möglichst sämtliche zugelassenen Indikationen von B. abdeckten. Zudem sei es sachgerecht, dass die Verwaltung dabei auf den Wortlaut der heilmittelrechtlichen Zulassung bzw. der entsprechenden Fachinformation abstelle. Seien wie hier zwei Vergleichspräparate mit weitgehend identischer zugelassener Indikation vorhanden, sei nicht zu beanstanden, dass das BAG die Vergleichsgruppe nicht auf Arzneimittel ausdehne, die zwar nicht nach der Swissmedic-Zulassung, aber nach Ansicht der Beschwerdeführerin in der Praxis über eine gleiche bzw. ähnliche Indikation verfügten. Die diagnosebezogenen Verschreibungszahlen, mit denen die Beschwerdeführerin die in der Praxis gleiche bzw. ähnliche Indikation belegen wolle, seien nicht massgebend, müsse die therapeutische Gleichwertigkeit im Rahmen des TQV doch mit klinischen Studien belegt werden. Auch mit Blick auf die Einteilung in unterschiedliche Abgabekategorien - bei E. und F. handle es sich (im Gegensatz zu B., C. und D.; Abgabekategorie D [Abgabe nach Fachberatung; Art. 26 VAM ]) um Arzneimittel der Abgabekategorie B (Abgabe auf ärztliche oder tierärztliche Verschreibung; Art. 24 VAM ) -, was auf heilmittelrechtlich relevante Unterschiede hinweise, sei die Vorgehensweise der Verwaltung nachvollziehbar. Insgesamt habe es im Ermessen der Verwaltung gelegen, die Vergleichspräparate auf Arzneimittel mit praktisch identischer Indikation gemäss Swissmedic-Fachinformationen und der gleichen Abgabekategorie einzuschränken. Unter diesen Umständen könne offengelassen werden, ob bei E. und F. - trotz heilmittelrechtlich eingeschränkterer Indikation sowie unterschiedlicher Abgabekategorie - von einer ähnlichen Wirkungsweise wie bei B. auszugehen sei. 5. 5.1 Zunächst rügt die Beschwerdeführerin, das Vorgehen der Verwaltung, Arzneimittel mit ähnlicher Wirkungsweise beim TQV von B. nicht zu berücksichtigen, erfolge contra legem und stelle einen Ermessensmissbrauch dar. Die Formulierung "oder" von Art. 34 Abs. 2 lit. b KLV verschaffe der Verwaltung einen gewissen Ermessensspielraum für Fälle, in denen ausnahmsweise nur Arzneimittel mit gleichen Indikationen oder solche ähnlicher Wirkungsweise verglichen werden könnten. Aus dem Wortlaut der BGE 143 V 369 S. 374 Verordnungsbestimmung gehe indes nicht hervor, dass immer nur entweder Arzneimittel gleicher Indikation oder Arzneimittel mit ähnlicher Wirkungsweise zu berücksichtigen seien. Im Gegenteil habe das Bundesgericht Arzneimittel gleicher Indikation oder ähnlicher Wirkungsweise stets als Einheit behandelt und auch GÄCHTER/MEIENBERGER fassten im Rechtsgutachten vom 8. Februar 2013 Arzneimittel gleicher Indikation oder ähnlicher Wirkungsweise zu einer Vergleichsgruppe im Rahmen des TQV zusammen. Aufgrund dieser einhelligen und klaren Praxis wäre der Beschwerdegegner verpflichtet gewesen, Arzneimittel gleicher Indikation und Arzneimittel ähnlicher Wirkungsweise grundsätzlich als einheitliche Vergleichsgruppe zu behandeln und damit in den TQV einzubeziehen. Eine umfassende Wirtschaftlichkeitsprüfung im Sinne von BGE 142 V 26 könne nur erfolgen, wenn der TQV umfassend sei. Dies bedeute, dass kein Ermessensspielraum für die Verwaltung bestehe, aus den für den TQV in Frage kommenden Arzneimitteln nur gewisse Arzneimittel auszuwählen. Zur TQV-Vergleichsgruppe von B. gehörten somit nebst C. und D. insbesondere auch E., F. und G. 5.2 Der Beschwerdeführerin kann insoweit gefolgt werden, als Lehre und Rechtsprechung Arzneimittel gleicher Indikation bzw. ähnlicher Wirkungsweise oftmals quasi als Einheit behandeln, indem sie diese mit "zum gleichen Behandlungszweck zur Verfügung stehender" Heil- bzw. Arzneimittel umschreiben ( BGE 142 V 26 E. 5.2.2 und 5.3 mit Hinweisen; so bereits unter der Geltung des KUVG: BGE 102 V 76 E. 2 S. 79; Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 13. Juni 2013, in: Evaluation der Zulassung und Überprüfung von Medikamenten in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung, S. 18 Ziff. 4.3, S. 35 Ziff. 8.1; GÄCHTER/MEIENBERGER, Rechtsgutachten zuhanden der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle vom 8. Februar 2013, in: Evaluation der Zulassung und Überprüfung von Medikamenten in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung vom 13. Juni 2013 - Materialien zum Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates, S. 31 Rz. 41, S. 33 Rz. 46; beide Dokumente abrufbar unter www.parlament.ch ; THOMAS GÄCHTER, Preisgestaltungsmechanismen in der Sozialversicherung: Das schweizerische System der Preisgestaltung von Medikamenten in der Krankenversicherung im Vergleich, in: Bilim ve uygulamada ilaç ve hukuk uluslararasi sempozyumu, 4-6 haziran BGE 143 V 369 S. 375 2008, S. 176 Ziff. 2 aa). Allein daraus - konkrete Aussagen zur Bedeutung dieser Formulierung bei der Bildung der Vergleichsgruppe finden sich in Lehre und Rechtsprechung nicht - kann entgegen der Beschwerde jedoch nicht entnommen werden, eine Vergleichsgruppe müsse grundsätzlich immer (sämtliche) Arzneimittel gleicher Indikation und Arzneimittel ähnlicher Wirkungsweise umfassen. Durch die Umschreibung "zum gleichen Behandlungszweck zur Verfügung stehender Arzneimittel", die die Differenzierung zwischen Arzneimitteln gleicher Indikation und ähnlicher Wirkungsweise nicht vornimmt, kann einzig gefolgert werden, dass von einer Gleichrangigkeit der beiden Arzneimittelgruppen auszugehen ist. Daher bleibt durch Auslegung zu ermitteln (E. 5.3 hernach), wie es sich bei der Bildung einer Vergleichsgruppe mit den beiden Kriterien und der Auswahl bzw. Anzahl zu berücksichtigender Arzneimittel verhält. 5.3 Verordnungsrecht ist gesetzeskonform auszulegen. Es sind die gesetzgeberischen Anordnungen, Wertungen und der in der Delegationsnorm eröffnete Gestaltungsspielraum mit seinen Grenzen zu berücksichtigen. Auch ist den Grundrechten und verfassungsmässigen Grundsätzen Rechnung zu tragen und zwar in dem Sinne, dass - sofern durch den Wortlaut (und die weiteren massgeblichen normunmittelbaren Auslegungselemente) nicht klar ausgeschlossen - der Verordnungsbestimmung jener Rechtssinn beizumessen ist, welcher im Rahmen des Gesetzes mit der Verfassung (am besten) übereinstimmt (verfassungskonforme oder verfassungsbezogene Interpretation; BGE 143 V 139 E. 6.1 S. 143 mit Hinweisen). 5.3.1 Mit Vorinstanz und Beschwerdeführerin lässt sich aus dem in allen drei Amtssprachen - jedenfalls soweit hier interessierend - übereinstimmenden Wortlaut von Art. 34 Abs. 2 lit. b KLV ("dessen Wirksamkeit im Verhältnis zu anderen Arzneimitteln gleicher Indikation oder ähnlicher Wirkungsweise"; "son efficacité thérapeutique par rapport à d'autres médicaments dont les indications sont identiques ou les effets similaires"; "dell'efficacia terapeutica rispetto ad altri medicamenti con uguale indicazione o effetti analoghi") keine Priorisierung eines der beiden Kriterien ("gleicher Indikation", "ähnlicher Wirkungsweise") ableiten. Vielmehr stehen die beiden Kriterien gleichrangig nebeneinander. Zutreffend ist weiter, dass der Wortlaut der Verordnungsbestimmung keine ausschliessliche Berücksichtigung eines der Kriterien dergestalt vorschreibt, dass die Vergleichsgruppe entweder aus BGE 143 V 369 S. 376 Arzneimitteln gleicher Indikation oder aus Arzneimitteln ähnlicher Wirkungsweise zu bilden wäre. Die Konjunktion "oder" drückt lediglich - aber immerhin - aus, dass die Vergleichsgruppe nicht aus Arzneimitteln gebildet werden muss, die kumulativ die gleiche(n) Indikation(en) und eine ähnliche Wirkungsweise aufweisen wie das zu überprüfende Arzneimittel. Folglich ist es einerseits zulässig, Arzneimittel in den TQV einzubeziehen, welche nur eines der zwei Kriterien erfüllen. Andererseits lässt der Wortlaut der Verordnungsbestimmung es auch zu, Arzneimittel zu berücksichtigen, welche beide Kriterien von Art. 34 Abs. 2 lit. b und c KLV erfüllen. Mithin ergeben sich aufgrund der grammatikalischen Auslegung von Art. 34 Abs. 2 lit. b und c KLV mindestens vier (allenfalls kombinierbare) Varianten, um eine Vergleichsgruppe zu bilden: Mittels Arzneimitteln gleicher Indikation (1), mittels Arzneimitteln ähnlicher Wirkungsweise (2), mittels Arzneimitteln gleicher Indikation oder ähnlicher Wirkungsweise (3) sowie mittels Arzneimitteln gleicher Indikation und ähnlicher Wirkungsweise (4). Entgegen der Beschwerdeführerin impliziert der Wortlaut der Verordnungsbestimmung indes keine Pflicht, die Vergleichsgruppe im Regelfall immer mittels einer der genannten Varianten zu bilden. Ferner lässt der Wortlaut der Bestimmung offen, aus wie vielen Arzneimitteln eine Vergleichsgruppe zu bilden ist, wenn mehr als ein vergleichbares Arzneimittel existiert. Aus der grammatikalischen Auslegung der Verordnungsbestimmung ("im Verhältnis zu anderen Arzneimitteln"; "par rapport à d'autres médicaments"; "rispetto ad altri medicamenti") kann - anders als beschwerdeweise postuliert - nicht abgeleitet werden, es müssten grundsätzlich immer sämtliche in Frage kommenden Arzneimittel in den TQV einbezogen werden. Mit dem Wortlaut ist es daher vereinbar, dass sich die Verwaltung bei der Vergleichsgruppenbildung auf eine nicht näher bestimmte Anzahl von Vergleichsarzneimitteln beschränkt. 5.3.2 Aus systematischer bzw. teleologischer Sicht ist beachtenswert, dass der per 1. Oktober 2009 aufgehobene - und zeitgleich sowie ohne Änderung als Art. 65b Abs. 1 KVV eingefügte - Abs. 1 von Art. 34 KLV dahingehend lautete, dass ein Arzneimittel als wirtschaftlich gilt, wenn es die indizierte Heilwirkung mit möglichst geringem finanziellem Aufwand gewährleistet (AS 2009 4251; S. 8 Ziff. 3.2 der Publikation "Änderungen und Kommentar im Wortlaut" des BAG vom 29. Juni 2009 zu den vorgesehenen Änderungen der KVV per 1. Oktober 2009 und 1. Januar 2010 [abrufbar unter www.bag.admin.ch ]). Diese Bestimmung war Ausfluss bzw. BGE 143 V 369 S. 377 Konkretisierung des im Gesetz statuierten Sparsamkeitsgebots von Art. 43 Abs. 6 KVG (vgl. dazu GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 625 Rz. 710) bzw. des Ziels der periodischen Überprüfung gemäss Art. 32 Abs. 2 KVG , nämlich der Sicherstellung, dass die Leistungen - hier die Arzneimittel der SL - die Kriterien von Art. 32 Abs. 1 KVG (Wirksamkeit, Zweckmässigkeit, Wirtschaftlichkeit) jederzeit erfüllen ( BGE 142 V 26 E. 5.4 i.f. S. 39 f.). Mithin ist Art. 34 Abs. 2 KLV im Lichte des im Verfügungszeitpunkt gestrichenen Abs. 1 derselben Bestimmung - und damit im Sinne der in Art. 32 Abs. 2 und Art. 43 Abs. 6 KVG statuierten Ziele - auszulegen, war mit dessen Aufhebung bzw. Verschiebung in die KVV doch keine inhaltliche Änderung des TQV beabsichtigt. Dies führt erstens zum Ergebnis, dass für die Vergleichsgruppenbildung das Ziel der möglichst günstigen Kosten (bei qualitativ hochstehender und zweckmässiger gesundheitlicher Versorgung) entscheidend ist und nicht, ob die Verwaltung im Einzelfall Arzneimittel gleicher Indikation und/oder ähnlicher Wirkungsweise (zu den möglichen Varianten vgl. E. 5.3.1 hiervor) heranzieht. Zweitens kann entgegen der Beschwerdeführerin keine Pflicht bestehen, die Vergleichsgruppe nicht nur aus einer Auswahl, sondern aus sämtlichen in Frage kommenden (d.h. vergleichbaren) Arzneimitteln zu bilden. Eine solche Pflicht würde das Wirtschaftlichkeits- bzw. das Sparsamkeitsgebot konterkarieren, müssten doch auch überdurchschnittlich teure, gleich wirksame Präparate in den Vergleich einbezogen werden, wodurch das Preisniveau hoch bliebe, selbst wenn gleichzeitig wesentlich billigere, gleich wirksame Präparate zur Verfügung stünden. Daher muss es der Verwaltung anheimgestellt werden, aus der Menge der vergleichbaren Arzneimittel nur jene für den TQV beizuziehen, die ein gutes Verhältnis zwischen dem medizinischen Nutzen und den Kosten aufweisen (vgl. bereits die unter der Herrschaft des KUVG ergangene und unter dem KVG weiterhin geltende Rechtsprechung, wonach es unter Umständen zulässig ist, den TQV auf ein einziges [Konkurrenz-]Präparat zu beschränken: BGE 127 V 275 E. 2b S. 280 mit Hinweis auf Urteil [des Eidg. Versicherungsgerichts] K 51/81 vom 14. Mai 1984 E. 7a, in: RKUV 1984 K 602 S. 294). Denn nur ein derartiger Vergleich ermöglicht es, "überholte Leistungen auszumustern" bzw. deren Preise zu senken (vgl. BGE 142 V 26 E. 5.2.3 S. 36 f.). Aus BGE 142 V 26 , mit dem das Bundesgericht eine "umfassende Wirtschaftlichkeitsprüfung" gefordert hat, kann die Beschwerdeführerin nichts Gegenteiliges ableiten. Eine umfassende BGE 143 V 369 S. 378 Wirtschaftlichkeitsprüfung im Sinne des genannten Leitentscheids erheischt zwar - wenn immer möglich - den Einbezug einer Kosten-Nutzen-Analyse (a.a.O., E. 5.2.3 S. 36 f.), nicht aber den Einbezug sämtlicher Vergleichsarzneimittel. 5.3.3 Zusammenfassend ergibt die sprachlich-grammatikalische, systematische und zweckgerichtete Auslegung von Art. 34 Abs. 2 lit. b und c KLV , dass der Entscheid über die Vergleichsgruppenbildung sowohl in Bezug auf die Kriterien "gleiche Indikation" und "ähnliche Wirkungsweise" als auch hinsichtlich der Auswahl und Anzahl der heranzuziehenden Arzneimittel Ermessenscharakter aufweist. Mithin steht es im Ermessen der Verwaltung, im jeweiligen Einzelfall in einem ersten Schritt zu entscheiden, anhand welcher der beiden Kriterien die Menge der potentiellen Vergleichsarzneimittel zu bilden ist. In einem zweiten Schritt steht es in ihrem Ermessen, darüber zu befinden, welche und damit auch wie viele der in Frage kommenden Arzneimittel dem TQV effektiv zugrunde zu legen sind (E. 5.4 hernach), damit dem Ziel des Gesetzes - eine qualitativ hochstehende gesundheitliche Versorgung mit möglichst geringen Kosten - nachgelebt wird. Folglich hält der Schluss des Bundesverwaltungsgerichts, wonach es "nicht grundsätzlich unzulässig" sei, dass die Verwaltung beim TQV von B. lediglich Vergleichspräparate gleicher Indikation herangezogen habe, vor Bundesrecht stand. 5.4 In Bezug auf die Vergleichsgruppe von B. macht die Beschwerdeführerin geltend, Verwaltung und Vorinstanz hätten - ausgehend vom Wortlaut der jeweiligen Fachinformation - ein unhaltbares und willkürliches (Auswahl-)Kriterium in Form der "identischen Indikationen" formuliert und damit ihr Ermessen missbräuchlich ausgeübt. Dieses Kriterium widerspreche dem Sinn und Zweck des TQV und verstosse gegen den in Art. 32 KVG verankerten Grundsatz der Wirtschaftlichkeit: Der TQV soll einen Vergleich mit mehreren Arzneimitteln mit gleichem Behandlungszweck ermöglichen, wozu notwendigerweise eine repräsentative, auf sachlichen Kriterien beruhende Auswahl zu treffen sei. Mit der Beschränkung des TQV auf Arzneimittel mit vollständig identischen Indikationen werde die Vergleichsbasis regelmässig so stark reduziert, dass nicht adäquat abgebildet werde, was die obligatorische Krankenpflegeversicherung für vergleichbare Arzneimittel bezahle. Dies treffe im Fall von B. umso mehr zu, als die im TQV berücksichtigten Präparate bei den BGE 143 V 369 S. 379 marktbedeutendsten Diagnosen (von B.) L21/30 in weniger als 10 % der Fälle verschrieben würden (C. in 8,0 %, D. in 1,6 % der Fälle), während im Gegensatz dazu E. und F. in 33,3 % bzw. 18,1 % der Fälle verschrieben würden. Diese Vergleichsgruppenbildung könne dazu führen, dass die Preise ohne objektiven Grund auf einem übermässig hohen Niveau verharrten. Des Weiteren werde damit der Grundsatz der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen verletzt. Während die Beschwerdeführerin durch den Vergleich von B. mit C. und D. diskriminiert werde, würden die Inhaberinnen von E., F. und G. - weil ausser Acht gelassen werde, dass die gleiche therapeutische Wirkung auch mit dem günstigeren B. erzielt werden könne - begünstigt und gleichzeitig die obligatorische Krankenpflegeversicherung geschädigt. Schliesslich sei das Kriterium der Abgabekategorie gemäss VAM sachfremd, machten die Abgabekategorien doch keine Aussage über die Wirksamkeit eines Arzneimittels. 5.4.1 Im Rahmen der bundesgerichtlichen Rechtskontrolle kann nur überprüft werden, ob das kantonale Gericht - resp. hier das Bundesverwaltungsgericht - sein Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt hat, d.h. bei Ermessensüberschreitung, -missbrauch oder -unterschreitung. Ermessensmissbrauch ist gegeben, wenn die Behörde zwar im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens bleibt, sich aber von unsachlichen, dem Zweck der massgebenden Vorschriften fremden Erwägungen leiten lässt oder allgemeine Rechtsprinzipien, wie das Verbot der Willkür und von rechtsgleicher Behandlung, das Gebot von Treu und Glauben sowie den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verletzt ( BGE 137 V 71 E. 5.1 S. 72 f. mit Hinweis auf BGE 132 V 393 E. 3.3 in fine S. 399; vgl. auch WIEDERKEHR/RICHLI, Praxis des allgemeinen Verwaltungsrechts, Bd. I, 2012, N. 1517). 5.4.2 Das Bundesgericht hat sich in BGE 110 V 199 - noch unter der Herrschaft des KUVG, wobei die damaligen Regelungen mit den hier im Vordergrund stehenden Bestimmungen von Art. 34 Abs. 2 KLV weitestgehend deckungsgleich sind - mit der Frage der Vergleichsgruppenbildung beim TQV befasst. Es erkannte im Wesentlichen, Ausgangspunkt für den Vergleich (gemeint ist der TQV) habe nicht der Wirkstoff, sondern die Indikation bzw. Wirkungsweise zu sein. Damit eine Vergleichbarkeit gegeben sei, dürfe sich das Vergleichspräparat hinsichtlich seiner Wirkungsweise (oder Indikation) nicht wesentlich vom zu überprüfenden Arzneimittel unterscheiden (a.a.O., E. 3a S. 203 f.). Diese Rechtsprechung wurde mit BGE 127 V 275 E. 2b S. 279 fortgeführt. Welche Auswirkungen die BGE 143 V 369 S. 380 Forderung nach einer weitgehenden Gleichheit von Indikation oder Wirkungsweise in Bezug auf jene Arzneimittel zeitigt, die - wie B. - nicht bloss eine, sondern mehrere Indikationen aufweisen, wurde höchstrichterlich noch nicht geklärt. Auch die Lehre befasst sich - soweit überhaupt - lediglich punktuell mit der Problematik des TQV von Arzneimitteln, die verschiedene Indikationen aufweisen (vgl. KESSELRING/KOHLER, Aktuelles aus der Preissenkungspraxis des BAG, Newsletter Vischer AG vom 25. September 2013 [abrufbar unter www.vischer.com ], wonach zu fordern sei, dass die Indikationen der Referenzarzneimittel zusammengenommen die Indikationen des zu vergleichenden Arzneimittels abdeckten). Ebenso wenig äussert sich das vom BAG herausgegebene Handbuch betreffend die Spezialitätenliste (SL) vom 1. September 2011 (fortan: SL-Handbuch; abrufbar unter www.bag.admin.ch ) zu dieser Thematik (vgl. nunmehr aber namentlich Ziff. C.2.1.2, C.2.1.6 und E.1.9.1 des SL-Handbuchs 2017 betreffend Art. 65b Abs. 4 bis KVV [in Kraft seit 1. März 2017], wonach keine Deckungsgleichheit hinsichtlich der Indikationen notwendig sei und bei Arzneimitteln mit mehreren unterschiedlichen Indikationen für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit die "Hauptindikation" berücksichtigt werde). 5.4.3 Ein Ermessensmissbrauch kann in dem für die Überprüfung von B. von der Verwaltung gewählten und von der Vorinstanz bestätigten Vorgehen - lediglich jene Arzneimittel in den TQV einzubeziehen, die möglichst sämtliche zugelassenen Indikationen von B. abdecken - nicht erblickt werden. Zunächst ist dieses Vorgehen grundsätzlich vereinbar mit der soeben wiedergegebenen bundesgerichtlichen Rechtsprechung (E. 5.4.2 hiervor), die eine Vergleichbarkeit nur bejaht, sofern zwischen dem zu überprüfenden Arzneimittel und dem Vergleichsarzneimittel hinsichtlich der Wirkungsweise bzw. Indikation kein wesentlicher Unterschied besteht. Alsdann ist nicht erkennbar, weshalb der Preisvergleich von B. dem Sinn und Zweck des TQV widersprechen sollte. Fehl geht insbesondere das Argument, durch den Einbezug von Arzneimitteln mit möglichst deckungsgleichen Indikationen werde die Vergleichsbasis so stark reduziert, dass nicht adäquat abgebildet werde, was die obligatorische Krankenpflegeversicherung für vergleichbare Arzneimittel bezahle. Die Frage der Wirtschaftlichkeit beantwortet sich, anders als die Beschwerdeführerin annimmt, nicht nach Massgabe eines "Durchschnittspreises" sämtlicher zum gleichen Behandlungszweck zur Verfügung stehenden Arzneimittel. Ausgehend vom bereits BGE 143 V 369 S. 381 Dargelegten (E. 5.3.2 und 5.3.3 hiervor) ist - den Bestrebungen des Gesetzgebers zur Kosteneindämmung im Gesundheitswesen entsprechend, die sich nicht zuletzt in der Einführung der periodischen Überprüfung der Bedingungen für die Aufnahme in die SL manifestierten ( BGE 143 V 139 E. 6.2.2 S. 144 mit Hinweisen) - vielmehr zu prüfen, ob (gleich wirksame und zweckmässige) Arzneimittel zur Verfügung stehen, welche kostengünstiger als das zu überprüfende Arzneimittel sind (vgl. in diesem Sinne bereits Urteil [des Eidg. Versicherungsgerichts] K 35/87 vom 29. Januar 1988 E. 2b). In diesem Kontext kann den Verschreibungszahlen nichts Entscheidwesentliches entnommen werden. Ins Leere stösst ausserdem der Einwand, die Vergleichsgruppenbildung anhand des Kriteriums der "identischen Indikation" führe zu völlig unhaltbaren bzw. das Gebot der Wirtschaftlichkeit verletzenden Ergebnissen dergestalt, dass übermässig hohe Preisniveaus resultierten. Die Beschwerdeführerin beschränkt sich zur Begründung ihres Einwandes auf theoretische Rechenbeispiele, ohne aber betreffend den hier zu beurteilenden Fall auch nur ansatzweise darzutun, inwiefern das Ergebnis des vom BAG durchgeführten TQV unwirtschaftlich sein sollte. Dies ist auch nicht erkennbar, umso weniger, als der von der Beschwerdeführerin postulierte Preisvergleich, bei dem die Vergleichsgruppenbildung unter Zuhilfenahme von Verschreibungszahlen erfolgte, ein wesentlich höheres als das vom BAG errechnete Preisniveau zur Konsequenz hätte. Von einer Schädigung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung durch den TQV von B. kann daher keine Rede sein. Ob die Einteilung in unterschiedliche Abgabekategorien gemäss VAM, die u.a. anhand der Kriterien der pharmakologischen Wirkung, der akuten und chronischen Toxizität oder der klinischen Erfahrungen, insbesondere in Bezug auf Verträglichkeit und unerwünschte Wirkungen (vgl. Art. 20 Abs. 2 lit. a-f VAM ) erfolgt, ein sachfremdes Kriterium für die Bildung der Vergleichsgruppe von B. darstellt, braucht in concreto nicht geprüft zu werden. Die Vorinstanz hat diese Einteilung bloss als Zusatzargument für die Zulässigkeit der Vergleichsgruppenbildung verwendet - Hauptargument war das Kriterium der möglichst gleichen Indikationen. Daher würde die Vergleichsgruppenbildung nicht allein schon deshalb bundesrechtswidrig, wenn dieses Kriterium tatsächlich sachfremd wäre. Schliesslich verfängt die Rüge nicht, Verwaltung und Vorinstanz hätten ihr Ermessen missbräuchlich ausgeübt, indem sie durch die Vergleichsgruppenbildung den aus der Wirtschaftsfreiheit BGE 143 V 369 S. 382 abgeleiteten Grundsatz der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen verletzt hätten. Die Sozialversicherung als solche ist auf Verfassungs- und Gesetzesstufe der Wirtschaftsfreiheit weitgehend entzogen. In Bereichen, in denen von vornherein kein privatwirtschaftlicher Wettbewerb herrscht, wie bei der Festlegung von Tarifen für Leistungen, die durch die staatlich (mit)finanzierte Sozialversicherung bezahlt werden, sind Preisvorschriften zulässig; die Wirtschaftsfreiheit gibt insbesondere keinen Anspruch darauf, in beliebiger Höhe Leistungen zu Lasten der sozialen Krankenversicherung zu generieren. Mithin werden die Zulassungsinhaberinnen, deren Arzneimittel in der SL gelistet sind, durch Preisfestsetzungsentscheide nicht in einer durch die Wirtschaftsfreiheit geschützten Tätigkeit rechtlich eingeschränkt und können sich daher in der Regel nicht auf den Grundsatz der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen berufen (vgl. BGE 142 V 488 E. 7.2 S. 499). Weshalb dies in casu anders sein sollte, legt die Beschwerdeführerin nicht dar, weshalb sich entsprechende Weiterungen erübrigen. 5.5 Aufgrund des hiervor Ausgeführten stellt die Bildung der TQV-Vergleichsgruppe von B. mittels Arzneimitteln mit weitgehend identischer Indikationen keine rechtsfehlerhafte Ermessensausübung dar. 6. Eventualiter macht die Beschwerdeführerin geltend, die Vorinstanz sei in Willkür verfallen und habe den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt, indem sie bei der Prüfung der weitgehend identischen Indikationen einzig und allein auf den Wortlaut der Zulassung bzw. der Fachinformationen abgestellt habe. Die Fachterminologie in Bezug auf die Indikationen sei alles andere als einheitlich. Überdies hätten sich die Indikations- und Diagnoseformulierungen im Zuge der medizinischen Entwicklung über die Jahrzehnte laufend verändert. Daher wäre die Verwaltung gehalten gewesen, auch eine historische, teleologische und systematische Perspektive einzunehmen. Gemäss Gutachten des Prof. Dr. med. H. vom 5. März 2015, das die Vorinstanz unberücksichtigt gelassen und damit das rechtliche Gehör verletzt habe, wiesen E., F. und G. dieselben Indikationen wie B. auf. Dass E. und F. (Zulassung im Jahr 2008 bzw. 2006) gemäss Fachinformation "nur" die Indikation seborrhoische Dermatitis aufwiesen, habe ausschliesslich mit der modernen Diagnoseformulierung in den klinischen Studien zu tun. B. sei hingegen im Jahr 1980 zugelassen worden. Seither habe sich das Rad in der medizinischen Welt weitergedreht. Die Mehrzahl der Indikationen von B. stelle nur eine theoretische Mehrzahl von Indikationen dar, die nichts BGE 143 V 369 S. 383 anderes bedeuteten als die einzige Indikation "Sebhorrhoische Dermatitis" von E. und F. Dem kann nicht gefolgt werden. Notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Aufnahme eines Arzneimittels in die SL ist die gültige Zulassung des Schweizerischen Heilmittelinstituts Swissmedic (Art. 65 Abs. 1 i.V.m. Art. 64a Abs. 1 KVV ; BGE 130 V 532 E. 3.3 S. 539; vgl. auch GEBHARD EUGSTER, a.a.O., S. 622 Rz. 701; GÄCHTER/MEIENBERGER, a.a.O., S. 27 Rz. 30; UELI KIESER, Die Zulassung von Arzneimitteln im Gesundheits- und im Sozialversicherungsrecht, AJP 2007 S. 1048 f.). Die Swissmedic erteilt nach Prüfung insbesondere der Qualität, der Sicherheit und der Wirksamkeit des Arzneimittels (vgl. Art. 10 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 HMG ) die heilmittelrechtliche Zulassung ausdrücklich für definierte Indikationen oder Anwendungsgebiete ( BGE 130 V 532 E. 3.2.2 S. 538; MOSIMANN/SCHOTT, in: Basler Kommentar, Heilmittelgesetz, 2006, N. 20 zu Art. 9 HMG ). Die Swissmedic genehmigt ferner auch die entsprechende Arzneimittelinformation (vgl. Art. 16a Abs. 1 VAM ). Die Zulassung gemäss Art. 9 HMG erlaubt eine SL-Aufnahme, jedoch nur in den Grenzen der Indikationen und Anwendungsvorschriften gemäss Swissmedic-Zulassung (GEBHARD EUGSTER, a.a.O., S. 622 Rz. 701; GÄCHTER/MEIENBERGER, a.a.O., S. 27-28 Rz. 30). Das BAG seinerseits prüft - in Kenntnis der Empfehlung der Eidgenössischen Arzneimittelkommission -, ob die Kriterien von Art. 32 Abs. 1 KVG (Wirksamkeit, Zweckmässigkeit, Wirtschaftlichkeit) erfüllt sind und entscheidet über die Aufnahme in die SL (vgl. Art. 52 Abs. 1 lit. b KVG ; vgl. auch GÄCHTER/MEIENBERGER, a.a.O., S. 25 Rz. 21 ff.). Angesichts dieser doppelstufigen Zulassungsprüfung, wobei entscheidend ist, dass die nachgelagerte SL-Zulassung namentlich in Bezug auf die Indikationen nicht weiter gehen darf als die heilmittelrechtliche Zulassung, muss - worauf Vorinstanz und Beschwerdegegner zu Recht hinweisen - das BAG auf die Swissmedic-Zulassung bzw. die Fachinformationen abstellen können. Daher kann es entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht Aufgabe des BAG sein, im Rahmen der Überprüfung der Aufnahmebedingungen - in concreto beim Entscheid über die Vergleichbarkeit der Arzneimittel - mittels historischer, teleologischer und systematischer Auslegung zu ermitteln, ob die in der Swissmedic-Zulassung bzw. den genehmigten Fachinformationen definierten Indikationen nicht noch umfassender verstanden werden könnten. Zu Recht weist der BGE 143 V 369 S. 384 Beschwerdegegner in diesem Zusammenhang überdies darauf hin, dass Swissmedic die zugelassenen Arzneimittel und damit einhergehend auch die Fachinformationen periodisch ( Art. 16 Abs. 3 HMG i.V.m. Art. 13 Abs. 1 und 3 VAM ) sowie nach jeweils fünf Jahren anlässlich der Erneuerung der Zulassung (Art. 16 Abs. 2 und 4 i.V.m. Art. 11 Abs. 1 lit. f HMG ) überprüft. Mithin ist davon auszugehen, dass die Indikations- und Diagnoseformulierungen somit - anders als in der Beschwerde dargestellt - regelmässig auf den neusten Stand gebracht werden (vgl. in diesem Sinne auch Art. 16a VAM , wonach die Zulassungsinhaberin eines Arzneimittels verpflichtet ist, die Arzneimittelinformation dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik sowie neuen Ereignissen und Bewertungen anzupassen). Schliesslich ist der Vorinstanz beizupflichten, dass es den Zulassungsinhaberinnen anheimgestellt ist, eine Anpassung bzw. Erweiterung der Indikation(en) im heilmittelrechtlichen Verfahren geltend zu machen. Dafür besteht im Verfahren der dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen bzw. des therapeutischen Quervergleichs kein Raum. Unter diesen Umständen kann das eingereichte Privatgutachten des Prof. Dr. med. H. von vornherein nicht Grundlage für ein Abweichen von der Swissmedic-Zulassung bzw. den entsprechenden Fachinformationen bilden und die Vorinstanz durfte in antizipierter Beweiswürdigung ( BGE 124 V 90 E. 4b S. 94; BGE 122 V 157 E. 1d S. 162) davon absehen, näher auf dieses Gutachten einzugehen, ohne den Anspruch auf rechtliches Gehör ( Art. 29 Abs. 2 BV ) zu verletzen. Dasselbe gilt für die von der Beschwerdeführerin ins Feld geführten Verschreibungszahlen.
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Sachverhalt ab Seite 170 BGE 148 II 169 S. 170 A. A. (geb. 1993) ist algerischer Staatsangehöriger. Er stellte am 11. November 2020 ein Asylgesuch, auf welches das Staatssekretariat für Migration (SEM) am 7. Dezember 2020 nicht eintrat; es wies A. gleichzeitig in den zuständigen Dublin-Staat Belgien weg. Die belgischen Behörden hatten der Rückübernahme am gleichen Tag zugestimmt. Das Bundesverwaltungsgericht verfügte am 22. Dezember 2020 superprovisorisch einen Vollzugsstopp. Am 4. Januar 2021 trat es auf die gegen den Entscheid des SEM eingereichte Beschwerde nicht ein und hob den Vollzugstopp wieder auf. B. B.a Am 22. Februar 2021 nahm das Migrationsamt des Kantons Thurgau A. ab dem 26. Februar 2021 für sechs Wochen in eine Dublin-Ausschaffungshaft ( Art. 76a Abs. 3 lit. c AIG [SR 142.20]). Am 8. März 2021 verweigerte A. den Rückflug nach Belgien. Gegen die Haftverfügung gelangte er mit einem Haftprüfungsgesuch an das Zwangsmassnahmengericht des Kantons Thurgau, welches seine Festhaltung am 20. März 2021 für rechtmässig und angemessen befand. B.b Am 26. März 2021 nahm das Migrationsamt des Kantons Thurgau A. ab dem 8. April 2021 für sechs Wochen in eine Dublin-Renitenzhaft ( Art. 76a Abs. 4 AIG ), nachdem ursprünglich ein begleiteter Rückflug nach Belgien für den 12. April 2021 gebucht worden war. Auf ein Haftprüfungsgesuch von A. hin bestätigte das Zwangsmassnahmengericht des Kantons Thurgau am 12. April 2021 die Zulässigkeit und Angemessenheit der Haft. B.c Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau vereinigte die Beschwerdeverfahren gegen die beiden Entscheide des Zwangsmassnahmengerichts und hiess am 30. Juni 2021 die Beschwerde gegen die Dublin-Ausschaffungshaft ( Art. 76a Abs. 3 lit. c AIG ; B.a.) gut, soweit sie nicht gegenstandslos geworden war; es hob den Entscheid des Zwangmassnahmengerichts vom 20. März 2021 auf und stellte fest, dass das Migrationsamt die Dublin-Ausschaffungshaft zu Unrecht angeordnet hatte. Die Beschwerde gegen den Entscheid des BGE 148 II 169 S. 171 Zwangsmassnahmengerichts vom 12. April 2021 bezüglich der Dublin-Renitenzhaft ( Art. 76a Abs. 4 AIG ; B.b.) wies es ab, soweit sie nicht gegenstandslos geworden war. C. A. beantragt vor Bundesgericht, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 30. Juni 2021 bezüglich der Dublin-Renitenzhaft aufzuheben; zudem sei die Rechtswidrigkeit und Völkerrechtswidrigkeit der angeordneten Haft festzustellen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, hebt den angefochtenen Entscheid auf und stellt fest, dass die am 26. März ab dem 8. April 2021 angeordnete Renitenzhaft widerrechtlich erfolgt ist. (Zusammenfassung)
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461
Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Die Inhaftierung einer Person im Rahmen eines Dublin-Verfahrens ist erlaubt, wenn sie die Sicherstellung des Überstellungsverfahrens in den zuständigen Dublin-Staat bezweckt (vgl. Art. 28 Abs. 2 der Verordnung [EU] Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist [ABl. L 180 vom 29. Juni 2013 S. 31 ff.; nachfolgend: Dublin-III-Verordnung] in Verbindung mit dem Bundesbeschluss vom 26. September 2014 über die Genehmigung und die Umsetzung des Notenaustausches zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Verordnung [EU] Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist [AS 2015 1841 ff.]). Die Voraussetzungen dazu bestimmen sich im Rahmen von Art. 28 der Dublin-III-Verordnung nach Art. 76a AIG (vgl. HRUSCHKA/NUFER, Erste Erfahrungen mit der neuen Dublin-Haft, Jusletter 22. Mai 2017 Rz. 2; vgl. auch Art. 1 Abs. 3, Art. 4, 5 und 6 des Abkommens vom 26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags [Dublin-Assoziierungsabkomen, DAA; SR 0.142.392.68]). BGE 148 II 169 S. 172 2.2 Nach Art. 28 Abs. 1 der Dublin-III-Verordnung dürfen die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Haft nehmen, weil sie dem durch die Dublin-III-Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt. Die Staaten können zur Sicherung des Überstellungsverfahrens eine gesuchstellende Person im Rahmen einer Einzelfallprüfung festhalten, wenn (1) eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, (2) die freiheitsentziehende Massnahme sich als verhältnismässig erweist und (3) weniger einschneidende Massnahmen unwirksam erscheinen (Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung). Als Fluchtgefahr bezeichnet die Dublin-III-Verordnung das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven, gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zur Annahme Anlass geben, dass sich ein Gesuchsteller, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem durch Flucht entziehen könnte (Art. 2 Bst. n Dublin-III-Verordnung). Die einzelnen Staaten sind verpflichtet, in einer zwingenden Vorschrift mit allgemeiner Geltung die Kriterien zu nennen, auf denen die Gründe beruhen, die zu dieser Annahme Anlass geben. Fehlen die entsprechenden Vorschriften im nationalen Recht, ist eine Festhaltung im Rahmen von Art. 28 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung unzulässig (vgl. das Urteil des EuGH vom 15. März 2017 C-528/15 Al Chodor ; hierzu auch: THOMAS HUGI YAR, Die Dublin-Haft auf dem Prüfstand, Asyl 4/2017 S. 28 ff.). 2.3 2.3.1 Die Dublin-Haft hat - wie jeder Freiheitsentzug ( Art. 31 BV i.V.m. Art. 10 Abs. 2 und Art. 36 BV ) - so kurz wie möglich zu sein. Sie darf nicht länger dauern, als dies bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt im Hinblick auf die Dublin-Überstellung abschliessen zu können (Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 1 Dublin-III-Verordnung). Die Verordnung gibt zeitliche Abläufe vor, welche einzuhalten sind, andernfalls die betroffene Person nicht länger festgehalten werden darf (Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 4 Dublin-III-Verordnung). 2.3.2 Art. 28 der Dublin-III-Verordnung sieht zwei Inhaftierungsmöglichkeiten zur Sicherung der Überstellung vor: Einerseits die Haft vor bzw. während der Zuständigkeitsbestimmung (also vor der positiven oder negativen Antwort des angefragten Staates) und andererseits die Haft zur Sicherung der Überstellung , nachdem der angefragte Staat seine Zuständigkeit ausdrücklich oder stillschweigend anerkannt hat. Befindet sich der Gesuchsteller während der Zuständigkeitsbestimmung in Haft, darf die Frist für die Stellung eines BGE 148 II 169 S. 173 Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs einen Monat ab dem Antrag auf Schutz nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Verfahren gemäss dieser Verordnung durchführt, ersucht in solchen Fällen um eine dringende Antwort; diese hat innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Übernahmegesuchs zu erfolgen. Geht innerhalb dieser Frist keine Antwort ein, wird vermutet, dass der angefragte Mitgliedstaat dem Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmegesuch entsprochen hat, was für ihn die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für ihre Ankunft zu treffen (Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 2 Dublin-III-Verordnung). 2.3.3 Befindet sich der Antragsteller nach Art. 28 der Dublin-III-Verordnung in Haft, so erfolgt die Überstellung aus dem ersuchenden in den zuständigen Mitgliedstaat, sobald diese praktisch durchführbar ist und spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der stillschweigenden oder ausdrücklichen Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme der betroffenen Person durch einen anderen Mitgliedstaat oder vom Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung im Rahmen von Art. 27 Abs. 3 der Dublin-III-Verordnung keine aufschiebende Wirkung mehr hat. Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten (Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 3 und 4 Dublin-III-Verordnung). Eine durch die Behörden nicht ausgeschöpfte zeitliche Vorgabe kann nicht auf eine spätere Phase der Dublin-III-Haft übertragen werden (vgl. CHATTON/MERZ, in: Code annoté de droit des migrations, Bd. II: Loi sur les étrangers, Nguyen/Amarelle [Hrsg.], 2017, N. 18 und 20 zu Art. 76a AIG ). 3. 3.1 Die Schweiz hat die Dublin-III-Haftregeln in Art. 76a (materielles Recht) bzw. Art. 80a (Verfahren) AIG umgesetzt. Diese Bestimmungen sind in Übereinstimmung mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen im Sinne des zu übernehmenden bzw. übernommenen Sekundärrechts der Europäischen Union auszulegen (vgl. Art. 1 Abs. 3 DAA ; BGE 143 I 437 E. 3.1; BGE 142 I 135 E. 4.1; BGE 140 II 74 E. 2.3; vgl. zur Inkorporation: BGE 143 II 361 E. 3.3; HRUSCHKA/NUFER, a.a.O., Rz. 2). Art. 76a Abs. 3 AIG konkretisiert die zeitlichen Vorgaben von Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 2 und 3 der Dublin-III-Verordnung. Danach kann die betroffene Person in Haft belassen BGE 148 II 169 S. 174 oder in Haft genommen werden ab Haftanordnung für die Dauer von höchstens (a.) sieben Wochen während der Vorbereitung des Entscheids über die Zuständigkeit zur Beurteilung des Asylgesuchs; dazu gehört das Stellen des Übernahmeersuchens an den anderen Dublin-Staat, die Wartefrist bis zu dessen Antwort oder bis zu seiner stillschweigenden Annahme sowie die Abfassung des Entscheids und dessen Eröffnung (SEM, Weisungen und Erläuterungen, I. Ausländerbereich [nachfolgend: Weisungen AIG], Stand 15. Dezember 2021, Ziff. 9.9.2); (b.) bis zu fünf Wochen während des Remonstrationsverfahrens (SEM, Weisungen AIG, a.a.O., Ziff. 9.9.2.1; vgl. CONSTANTIN HRUSCHKA, Dublin-Remonstrationsverfahren: Ein Instrument zur Umgehung der Dublin-Fristen?, Asyl 1/2017 S. 10 ff.) und (c.) sechs Wochen zur Sicherstellung des Vollzugs zwischen der Eröffnung des Weg- oder Ausweisungsentscheids beziehungsweise nach Beendigung der aufschiebenden Wirkung eines allfällig eingereichten Rechtsmittels gegen einen erstinstanzlich ergangenen Weg- oder Ausweisungsentscheid und der Überstellung der betroffenen Person an den zuständigen Dublin-Staat (SEM, Weisungen AIG, a.a.O., Ziff. 9.9.3). Daneben sieht Art. 76a Abs. 4 AIG eine Haft für renitente Personen vor, welche bis zu drei Monaten dauern kann (vgl. SEM, Weisungen AIG, a.a.O., Ziff. 9.9.3.1). 3.2 Die schweizerische Umsetzungsgesetzgebung zu Art. 28 der Dublin-III-Verordnung ist in der Doktrin nicht unbestritten geblieben; insbesondere werden die um eine Woche längere Dublin-Haft für die Vorbereitung und Durchführung des Überstellungsverfahrens (vgl. CHATTON/MERZ, a.a.O., N. 19 zu Art. 76a AIG ; ANDREAS ZÜND, in: Migrationsrecht, Spescha und andere [Hrsg.],5. Aufl. 2019, N. 4 zu Art. 76a AIG ; HRUSCHKA/NUFER, a.a.O., Rz. 5; BAHAR IREM CATAK KANBER, Die ausländerrechtliche Administrativhaft, 2017, S. 136 f.), die Festhaltung während des Remonstrationsverfahrens (vgl. ZÜND, a.a.O., N. 5 zu Art. 76a AIG ; HRUSCHKA/NUFER, a.a.O., Rz. 6; vermittelnde Lösung bei CHATTON/MERZ, a.a.O., N. 23 ff. zu Art. 76a AIG ) und die Haft bei Renitenz (CHATTON/MERZ, a.a.O., N. 30 zu Art. 76a AIG ; ZÜND, a.a.O., N. 6 zu Art. 76a AIG ; CATAK KANBER, a.a.O., S. 138 f.; MARTIN BUSINGER, Ausländerrechtliche Haft, 2015, S. 137 f.) als potentiell unionsrechtswidrig kritisiert. 4. 4.1 Umstritten ist vorliegend nur (noch) die am 26. März 2021 gestützt auf Art. 76a Abs. 4 AIG angeordnete Dublin-Renitenzhaft. Danach kann eine Person, die sich weigert, ein Transportmittel zur BGE 148 II 169 S. 175 Durchführung der Überstellung in den zuständigen Dublin-Staat zu besteigen, oder in anderer Art und Weise durch ihr persönliches Verhalten die Überstellung verhindert, in Haft genommen werden, sofern die Anordnung der Haft nach Absatz 3 lit. c AIG (Dublin-Ausschaffungshaft) nicht mehr möglich ist und eine weniger einschneidende Massnahme nicht zum Ziel führt. Die Haft darf nur solange dauern, bis die erneute Überstellung möglich ist, jedoch höchstens sechs Wochen. Sie kann mit Zustimmung der richterlichen Behörde indessen bis zu drei Monaten verlängert werden, sofern die betroffene Person weiterhin nicht bereit ist, ihr Verhalten zu ändern. 4.2 4.2.1 Der EuGH hat die in Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 3 der Dublin-III-Verordnung erwähnte Haftdauer (vgl. vorstehende E. 2.3.3) und deren Berechnung im Urteil Amayry (Urteil vom 13. September 2017 C-60/16, Publikation in der amtlichen Sammlung vorgesehen) konkretisiert; dieser Entscheid ist bei der Auslegung der nationalen Haftbestimmungen auch in der Schweiz zu berücksichtigen (vgl. vorstehende E. 3): Die in dieser Bestimmung vorgesehene Höchstfrist von sechs Wochen, innerhalb der die Überstellung einer in Haft genommenen Person erfolgen muss, gilt nach der Auslegung des EuGH für den Fall, dass sich die Person bereits in Haft befindet, wenn eines der beiden angeführten Ereignisse - stillschweigende oder ausdrückliche Annahme des Auf- bzw. Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder Zeitpunkt, ab dem der Rechtbehelf oder die Überprüfung gemäss Art. 27 Abs. 3 der Dublin-III-Verordnung keine aufschiebende Wirkung mehr hat - eintritt (Randnr. 39). Die betroffene Person kann nicht für einen Zeitraum in Haft genommen werden, der die Dauer von sechs Wochen erheblich überschreitet, da sich aus Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 3 der Dublin-III-Verordnung ergibt, dass dieser Zeitraum - u.a. weil es sich bei dem mit dieser Verordnung eingeführten Verfahren zur Überstellung zwischen den Mitgliedstaaten um ein vereinfachtes Verfahren handelt - grundsätzlich ausreichend ist, um den zuständigen Behörden die Überstellung zu erlauben (Randnr. 45). Eine Haftdauer von zwei Monaten kann in Anbetracht des Beurteilungsspielraums, über den die Mitgliedstaaten beim Erlass von Massnahmen zur Durchführung des Unionsrechts verfügen, nicht als zwangsläufig übermässig lange gelten, wobei die Angemessenheit der Haftdauer im Hinblick auf die Merkmale des Einzelfalls jedoch von der zuständigen BGE 148 II 169 S. 176 Behörde unter Kontrolle der nationalen Gerichte geprüft werden muss (Randnr. 47). Für den Fall, dass nach der Inhaftnahme die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs oder die Überprüfung nach Art. 27 Abs. 3 der Dublin-III-Verordnung wegfällt, darf die Haft nach Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 3 und 4 der Dublin-III-Verordnung nicht länger als sechs Wochen ab diesem Zeitpunkt aufrechterhalten werden (Randnr. 48). 4.2.2 Art. 28 der Dublin-III-Verordnung sei deshalb - so der EuGH - dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die vorsieht, dass in einer Situation, in der die Inhaftnahme einer um internationalen Schutz nachsuchenden Person erfolgt, nachdem der ersuchte Mitgliedstaat dem Aufnahmegesuch stattgegeben hat, die Haft für höchstens zwei Monate aufrechterhalten werden darf, nicht entgegensteht, soweit zum einen die Haftdauer den für die Zwecke des Überstellungsverfahrens erforderlichen Zeitraum, der unter Berücksichtigung der konkreten Anforderungen dieses Verfahrens in jedem Einzelfall zu beurteilen ist, nicht übersteigt und zum anderen diese Haftdauer gegebenenfalls nicht länger ist als sechs Wochen von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung keine aufschiebende Wirkung mehr hat. Art. 28 der Dublin-III-Verordnung steht jedoch - so der EuGH weiter - einer nationalen Regelung entgegen, die es in einer solchen Situation (Inhaftierung nach Zustimmung des ersuchten Staats) erlaubt, die Haft während drei bzw. zwölf Monaten aufrechtzuerhalten, in denen die Überstellung tatsächlich vorgenommen werden kann (Urteil Amayry , Randnr. 49). 4.2.3 Der EuGH qualifizierte gestützt hierauf eine im schwedischen Recht vorgesehene zweimonatige Haft zur "Vorbereitung der Durchführung und Durchführung einer Entscheidung über eine Zurück- oder Ausweisung" als dublinrechtlich grundsätzlich (noch) zulässig, die Verlängerung der Haft bei "schwerwiegenden Gründen" bzw. "mangelnder Kooperation des Ausländers oder deshalb, weil die Beschaffung der erforderlichen Dokumente Zeit braucht" auf 3 bzw. 12 Monate als mit Art. 28 der Dublin-III-Verordnung nicht mehr vereinbar. Im Ergebnis ergibt sich aus dem Urteil Amayry somit, dass - je nach den konkreten Umständen - im Dublin-Verfahren eine Inhaftierung bis zu zwei Monaten zulässig sein kann, wenn die Person sich zum Zeitpunkt der Annahme des Übernahmeersuchens nicht in Haft befindet. Für den Fall der Ergreifung eines Rechtsmittels gegen den erstinstanzlichen Wegweisungsentscheid BGE 148 II 169 S. 177 läuft die Frist von sechs Wochen ab Beendigung der aufschiebenden Wirkung; in diesem Fall kann sich die Haftdauer - im Rahmen des Urteils Amayry bis zu 2 Monaten (Randnr. 47) - um den Zeitraum verlängern, der zwischen der Annahme des Gesuchs durch den anderen Dublin-Staat und der Beendigung der aufschiebenden Wirkung liegt; spätestens sechs Wochen nach der Annahme des Gesuchs bzw. dem Wegfall der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels ist die Haft jedoch zu beenden. Erfolgt die Inhaftnahme erst nach Annahme des Gesuchs, berechnet sich die Haftdauer von maximal sechs Wochen ab der Inhaftnahme bzw. ab dem Zeitpunkt des Wegfalls der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs, ohne dass zuvor, d.h. nach Annahme des Gesuchs um Aufnahme, erlittene Hafttage anzurechnen sind (vgl. ZÜND, a.a.O., N. 4 zu Art. 76a AIG ; Urteil 2C_199/2018 vom 9. Juli 2018 E. 8). 4.2.4 Die Festhaltungsmöglichkeit ist somit ab Wegfall der aufschiebenden Wirkung bzw. der Vollziehbarkeit des Überstellungsentscheids dublinrechtlich auf sechs Wochen begrenzt (so HRUSCHKA, in: Handbuch zum Asyl- und Wegweisungsverfahren,[nachfolgend: Handbuch]SFH [Hrsg.], 3. Aufl. 2021, XIII. Wegweisungsvollzug und Zwangsmassnahmen, S. 531 ff., dort S. 564 ff.; UEBERSAX/PETRY/HRUSCHKA/FREI/ERRASS, Migrationsrecht in a nutshell, 2021, S. 281 f.; PROGIN-THEUERKAUF/EGBUNA-JOSS, Europäisches Asylrecht, Rechtsrahmen und Funktionsweise, 2019, S. 182; PROGIN-THEUERKAUF/HRUSCHKA, Die Rechtsprechung des EuGH zum Europäischen Migrationsrecht, in: Jahrbuch für Migrationsrecht 2017/2018, Achermann und andere [Hrsg.], 2018, S. 319 ff., dort S. 329 f.;BUSINGER, a.a.O., S. 137 f.). 5. 5.1 Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau ist in seinem Entscheid davon ausgegangen, dass der Gesetzgeber mit Art. 76a Abs. 4 AIG bewusst von den Vorgaben des Dublin-Rechts habe abweichen wollen, weshalb die landesrechtliche Bestimmung der dublinrechtlichen Regelung vorgehe. Er habe mit dieser Regelung vermeiden wollen, dass Überstellungen einzig wegen des persönlichen Verhaltens der betroffenen Personen nicht vollzogen werden könnten. Ohne Art. 76a Abs. 4 AIG könne durch renitentes Verhalten das Dublin-Verfahren vollständig unterlaufen werden (Botschaft vom 7. März 2014 über die Genehmigung und die Umsetzung der Notenaustausche [...], BBl 2014 2694 f. Ziff. 3.4 und 2704 Ziff. 3.5.1). Da die Ausschaffungshaft gemäss Art. 76a Abs. 4 AIG - wie jene nach BGE 148 II 169 S. 178 Art. 76a Abs. 3 AIG - im Rahmen von Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK der Sicherstellung des Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahrens diene, könne der Auffassung des Beschwerdeführers nicht gefolgt werden, die angeordnete Haft verstosse gegen Art. 5 Ziff. 1 EMRK und sei auch deshalb völkerrechtswidrig. 5.2 Die entsprechende Auffassung verletzt Bundesrecht: In Übereinstimung mit Art. 27 des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (VRK; SR 0.111) gehen in der Rechtsanwendung völkerrechtliche Normen widersprechendem Landesrecht vor ( BGE 144 I 126 E. 3; BGE 144 II 293 E. 6.3; BGE 142 II 35 E. 3.2; BGE 139 I 16 E. 5.1 S. 28 f.; BGE 138 II 524 E. 5.1 S. 532 f. mit weiteren Hinweisen). Dieser Grundsatz könnte nach einer älteren - weitgehend nicht mehr anwendbaren - Rechtsprechung lediglich allenfalls eine Ausnahme erfahren, wenn der Gesetzgeber bewusst die völkerrechtliche Verpflichtung missachten und insofern die politische Verantwortung hierfür übernehmen will ( BGE 99 Ib 39 E. 3 und 4 S. 44 f. ["Schubert"-Praxis]; BGE 138 II 524 E. 5.3.2 S. 534 f.). Die Ausnahme gilt nach der Rechtsprechung jedoch von vornherein nicht, wenn - wie hier im Rahmen eines Freiheitsentzugs - menschen- oder freizügigkeitsrechtliche Verpflichtungen der Schweiz infrage stehen ( BGE 125 II 417 E. 4d ["PKK"]; BGE 139 I 16 E. 5.1 S. 28 f.; BGE 142 II 35 E. 3.2; BREITENMOSER/WEYENETH, Europarecht, Unter Einbezug des Verhältnisses Schweiz - EU, 4. Aufl. 2021, Rz. 1033 f.); diesfalls geht die völkerrechtliche Norm der abweichenden nationalen Regelung gemäss der Rechtsprechung auch dann vor, wenn der schweizerische Gesetzgeber davon abweichen wollte ( BGE 142 II 35 E. 3.2). Gemäss Art. 1 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 DAA werden - das Verfahren nach Art. 4 DAA vorbehalten - die Bestimmungen der Dublin-Verordnung von der Schweiz "akzeptiert, umgesetzt und angewendet" (vgl. JAAG/HÄNNI, Europarecht, 5. Aufl. 2022, Rz. 4129b). Die nationalen Bestimmungen sind dementsprechend in Übereinstimmung mit den Vorgaben von Art. 28 Dublin-III-Verordnung in Berücksichtigung der Praxis des EuGH zu dieser Bestimmung auszulegen (so zum Schengenbereich: BGE 146 II 201 E. 4.2-4.3); ist dies nicht möglich, geht Art. 28 Dublin-III-Verordnung dem nationalen Recht vor; es verbleibt kein Raum für die Anwendung der "Schubert"-Praxis (vgl. BREITENMOSER/WEYENETH, a.a.O., Rz. 1033). 5.3 5.3.1 Es könnte im Übrigen - selbst wenn es hierauf überhaupt ankäme, was nach dem soeben Dargelegten von vornherein nicht der BGE 148 II 169 S. 179 Fall ist - nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber bei Art. 76a Abs. 4 AIG bewusst von den dublinrechtlichen Vorgaben, die für die Schweiz verbindlich sind, hat abweichen wollen (anderer Ansicht: HRUSCHKA: Die rechtliche Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben für die Haft in Schengen- und Dublin-Fällen in der Schweiz, in: Schengen und Dublin in der Praxis, Aktuelle Fragen, Breitenmoser/Gless/Lagodny [Hrsg.], 2015, S. 341 ff., dort S. 349 ff. und Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 21. Januar 2022 E. 3.3). Für eine allfällige Abweichung vom Vorrang der staatsvertraglichen Verpflichtungen genügt der Verweis auf eine allgemeine Diskussion zu den Vor- und Nachteilen einer nationalen Regelung nicht. Eine Kollision mit übergeordnetem Recht kann nach der Rechtsprechung von vornherein nur in jenen Fällen "bewusst" oder beabsichtigt sein, wenn in der Beratung der entsprechenden Regelung die völkerrechtlichen Aspekte und Auswirkungen resp. der mögliche Verstoss gegen das Völkerrecht eingehend thematisiert und erörtert wurden (so BGE 138 II 524 E. 5.3.2 S. 534; 99 lb 39 E. 3 ["consapevole deroga"]). 5.3.2 Dies war hier nicht der Fall: Art. 76a Abs. 4 AIG wurde im Rahmen einer Gesetzesrevision geschaffen, bei der es gerade um die Anpassung des Gesetzes an die Dublin-III-Verordnung ging (BBl 2014 2683 Ziff. 1.2; Votum Sommaruga, AB 2014 N 1252). Bundesrätin Sommaruga erklärte im Parlament ausdrücklich, dass man bei der Haft wegen unkooperativen Verhaltens "noch immer im Rahmen dieser Dublin-III-Verordnung" sei bzw. dass sich diese "mit Dublin III vereinbaren" lasse (AB 2014 N 1319 f.). Man habe sich bei anderen Mitgliedstaaten erkundigt und gesehen, dass sie diese Möglichkeit in ihrem Rechtssystem auch vorgesehen hätten (AB 2014 S 833). Man gehe zwar - so die Bundesrätin weiter - ein "gewisses Risiko" ein, dass es hier eine Reaktion gebe, doch sei dies für die Glaubwürdigkeit des Dublin-Systems und dessen Funktionieren "richtig" (AB 2014 S 833). 5.3.3 Auch in den Räten wurde die Problematik nicht vertieft thematisiert; es wurde nicht im klaren Wissen um die Unvereinbarkeit von Art. 76a Abs. 4 AIG mit Art. 28 Dublin-III-Verordnung entschieden (vgl. Votum Berichterstatter Pfister, AB 2014 N 1247; kritisch Votum John-Calame, AB 2014 N 1317). Es war wiederholt lediglich die Rede davon, dass die Regelung weiter gehe, als dies die Dublin-III-Verordnung verlange (Votum Friedl, AB 2014 N 1317 und Votum Pfister, AB 2014 N 1320). Auch der Bundesrat BGE 148 II 169 S. 180 hielt in seiner Botschaft fest, dass die Regelung nach Art. 76a Abs. 4 AIG "über die Vorgaben der Dublin-III-Verordnung hinaus" gehe; er hat sie aber nicht als mit der Dublin-III-Verordnung unvereinbar bezeichnet, sondern als für einen "effizienten Vollzug des Dublin-Wegweisungsentscheids" notwendig erachtet (BBl 2014 2704 Ziff. 3.5.1). Der Bundesrat hielt ausdrücklich fest, dass die Revision mit den "internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar" sei (BBl 2014 2724 Ziff. 7.1.2). 5.3.4 Es wäre gestützt hierauf - soweit dies überhaupt eine Rolle spielt, nachdem die "Schubert"-Praxis keine Anwendung findet - davon auszugehen, dass Bundesrat und Parlament in erster Linie im Rahmen des "Beurteilungsspielraums, über den die Mitgliedstaaten beim Erlass von Massnahmen zur Durchführung des Unionsrechts" verfügen (vgl. das EuGH-Urteil Amayry , Randnr. 47), legiferieren wollten. Den entsprechenden Beurteilungsspielraum hat der EuGH im Rahmen der Prüfung einer dem schweizerischen Recht analogen Regelung im Urteil Amayry definiert und einschränkender verstanden als Bundesrat und Parlament dies bei der Ausarbeitung von Art. 76a Abs. 4 AIG getan haben. Der entsprechende Widerspruch ist damit nachträglich entstanden. Der Gesetzgeber hat nicht bewusst gegen die im Dublin-Recht vorgesehene Regelung legiferieren, sondern hinsichtlich des Umfangs des Beurteilungsspielraums ein gewisses Risiko in Kauf nehmen wollen. Soweit Art. 76a Abs. 4 AIG mit den Vorgaben von Art. 28 der Dublin-III-Verordnung in der Auslegung des EuGH im Urteil Amayry unvereinbar ist, findet er deshalb keine Anwendung; Art. 28 der Dublin-III-Verordnung geht in diesem Sinn der nationalen Regelung in Art. 76a Abs. 4 AIG vor. 6. 6.1 Im vorliegenden Fall war die angeordnete "Renitenzhaft" ( Art. 76a Abs. 4 AIG ) damit widerrechtlich: Der Beschwerdeführer stellte am 11. November 2020 im Bundesasylzentrum mit Verfahrensfunktion (BAZmV) in Altstätten ein Asylgesuch. Das SEM fragte die belgischen Behörden am 3. Dezember 2020 bezüglich seiner Übernahme an; diese stimmten dem Gesuch am 7. Dezember 2020 zu. Das SEM trat am gleichen Tag auf das Asylgesuch nicht ein und verfügte die Rückführung im Dublin-Verfahren nach Belgien. Der Beschwerdeführer gelangte hiergegen am 15. Dezember 2020 an das Bundesverwaltungsgericht, welches am 22. Dezember 2020 einen Vollzugsstopp verfügte. Am 4. Januar 2021 trat es auf die Beschwerde nicht ein, womit der Vollzugsstopp entfiel. BGE 148 II 169 S. 181 6.2 Der Beschwerdeführer befand sich gestützt auf eine erste Haftanordnung vom 26. Februar 2021 bis zum 9. April 2021 in einer bereits von der Vorinstanz als unzulässig bezeichneten Dublin-Ausschaffungshaft im Sinn von Art. 76a Abs. 3 lit. c AIG ("zu Unrecht eine Ausschaffungshaft angeordnet"). Die hier noch umstrittene Haftanordnung (Renitenzhaft) erfolgte am 26. März 2021 ab dem 8. April 2021; am 12. Mai 2021 wurde der Beschwerdeführer aus der Haft entlassen. Zu jenem Zeitpunkt befand er sich bereits seit 6 Wochen in der Dublin-Ausschaffungshaft, weshalb eine weitere Haftanordnung gestützt auf das Urteil Amayry im Rahmen von Art. 28 der Dublin-III-Verordnung nicht mehr infrage kam, da der Wegweisungsentscheid des SEM seit dem 4. Januar 2021 rechtskräftig und vollziehbar war. Seine Inhaftierung war in Anwendung des Urteils Amayry nur für sechs Wochen ab seiner Inhaftierung möglich (vgl. E. 4.2.4). Nach dem EuGH ergibt sich aus Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 3 der Dublin-III-Verordnung, dass dieser Zeitraum (d.h. sechs Wochen) - u.a. aufgrund dessen, dass es sich bei dem mit dieser Verordnung eingeführten Verfahren zur Überstellung zwischen den Mitgliedstaaten um ein "vereinfachtes Verfahren" handelt - grundsätzlich ausreichend ist, "damit die zuständigen Behörden die Überstellung vornehmen können" (Randnr. 45). Eine Festhaltung ist während maximal bis zu zwei Monaten möglich, solange das Rechtsmittelverfahren nicht abgeschlossen ist; sobald der Rechtsbehelf oder die Überprüfung keine aufschiebende Wirkung mehr hat, kann die Haft jedoch nur noch sechs Wochen dauern; dies muss auch gelten, wenn wie hier, bei der Inhaftierung (26. Februar 2021) der Rückführungsentscheid bereits (seit 4. Januar 2021) vollziehbar ist und die Vollziehbarkeit nicht erst während der Inhaftierung eintritt. Es gibt keinen sachlichen Grund, die beiden Situationen (bereits bestehende Vollziehbarkeit bzw. in der Haft erfolgende Vollziehbarkeit) bezüglich der noch zulässigen Haftdauer unterschiedlich zu behandeln. 6.3 Die Beschwerde ist demnach gutzuheissen und das angefochtene Urteil aufzuheben, insoweit es die Dublin-Renitenzhaft im konkreten Fall als zulässig bezeichnet. Da sich der Beschwerdeführer nicht mehr in Haft befindet, ist festzustellen, dass die am 26. März 2021 ab dem 8. April 2021 angeordnete Dublin-Renitenzhaft widerrechtlich erfolgt ist. Es kann unter diesen Umständen dahingestellt bleiben, ob zu diesem Zeitpunkt hinreichende konkrete Anzeichen befürchten liessen, dass der Beschwerdeführer sich der BGE 148 II 169 S. 182 Wegweisung entziehen könnte, seine Festhaltung verhältnismässig gewesen wäre und weniger einschneidende Massnahmen sich nicht wirksam hätten anwenden lassen bzw. ob der Beschwerdeführer durch sein persönliches Verhalten die Überstellung verhindert hat. Es braucht auch die Frage nicht weiter vertieft zu werden, ob die Dublin-Renitenzhaft bereits als solche und in jedem Fall gegen Art. 28 der Dublin-III-Verordnung verstösst, da sie im Dublin-Recht keine Grundlage findet (so etwa HRUSCHKA, Handbuch, a.a.O., S. 566; ZÜND, a.a.O., N. 6 zu Art. 76a AIG ; CATAK KANBER, a.a.O., S. 138 f.; BUSINGER, a.a.O., S. 137 f.; CHATTON/MERZ, a.a.O., N. 30 zu Art. 76a AIG ).
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Sachverhalt ab Seite 236 BGE 122 IV 235 S. 236 Mit Verfügung vom 9. April 1996 ernannte die schweizerische Bundesanwaltschaft im gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahren gegen N., F., K. und H. wegen Urkundenunterdrückung, Bestechens, Amtsmissbrauchs, ungetreuer Amtsführung, Sichbestechenlassens ev. Annahme von Geschenken, Urkundenfälschung im Amt sowie Vermögensdelikten drei Inspektoren der Eidg. Steuerverwaltung, R., Z. und S., als Sachverständige; diese waren durch die Bundesanwaltschaft bereits am 14. Februar 1996 durch "Protokoll" als Experten eingesetzt und ausdrücklich auf ihre Pflichten aufmerksam gemacht worden. Am 25. April 1996 erstatteten die eingesetzten Experten einen Zwischenbericht. Mit Beschwerden vom 15. April 1996 beantragten N., F. und K. in ihren (Haupt)-Anträgen der Anklagekammer des Bundesgerichts, die Verfügung der Bundesanwaltschaft vom 9. April 1996 aufzuheben. Mit Urteil vom 13. Juni 1996 trat die Anklagekammer des Bundesgerichts auf die Beschwerde nicht ein. Am 12. Juni 1996 eröffnete der Stellvertreter der Eidg. Untersuchungsrichterin gegen die vier Beschuldigten eine eidgenössische Voruntersuchung. Mit Verfügung vom 21. Juni 1996 ernannte er die drei Inspektoren der Eidg. Steuerverwaltung, Z., R. und S. als gerichtliche Sachverständige. Mit Beschwerden vom 26. bzw. 27. Juni 1996 beantragen N., F., K. und H. der Anklagekammer des Bundesgerichts, die Verfügung des Stellvertreters der Eidg. Untersuchungsrichterin vom 21. Juni 1996 aufzuheben, soweit Z., R. und S. als gerichtliche Sachverständige ernannt worden seien. Der Stellvertreter der Eidg. Untersuchungsrichterin beantragt, die Beschwerden abzuweisen.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Die vier Beschwerden richten sich gegen dieselbe Verfügung des Stellvertreters der Eidg. Untersuchungsrichterin in der gegen die vier Beschwerdeführer gerichteten eidgenössischen Voruntersuchung. Da die Beschwerden im wesentlichen auch dieselben Beschwerdegründe und Argumente anführen, sind sie im gleichen Urteil zu erledigen. 2. a) Die Beschwerdeführer machen zunächst geltend, die angefochtene Ernennung von Sachverständigen verletze (in Verbindung mit Art. 99 Abs. 2 BStP ) Art. 22 Abs. 1 lit. b OG . BGE 122 IV 235 S. 237 b) Der Beschwerdegegner hält dem entgegen, die eingesetzten Sachverständigen seien tatsächlich nie in einer anderen Eigenschaft denn als Experten tätig geworden; mit der angefochtenen Verfügung sei lediglich ihr Auftrag perpetuiert worden; sie seien daher im vorliegenden Verfahren nie in anderer Eigenschaft tätig gewesen; Sachverständige könnten zudem im gleichen Verfahren zur Ergänzung ihres Gutachtens angehalten werden. c) Art. 99 Abs. 2 BStP verweist bezüglich Ausschliessung und Ablehnung von Sachverständigen auf die entsprechenden Bestimmungen des Bundesrechtspflegegesetzes (OG). Gemäss Art. 22 Abs. 1 lit. b OG (in Verbindung mit Art. 99 Abs. 2 BStP ) darf ein Sachverständiger daher sein Amt nicht ausüben in einer Angelegenheit, in der er schon in einer anderen Stellung, d.h. namentlich als Richter oder Mitglied einer administrativen oder richterlichen Behörde, als Justizbeamter, als Rechtsberater, Bevollmächtigter oder Anwalt einer Partei oder als Zeuge gehandelt hat. Dieser Anspruch auf funktionelle bzw. organisatorische Unvoreingenommenheit bzw. Nicht-Vorbefassung ergibt sich - ebenfalls für den gerichtlich bestellten Experten (vgl. BGE 118 Ia 144 E. 1c) - auch aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK ; dabei kommt es unter dem Gesichtspunkt des Anscheins der Vorbefassung in erster Linie auf die objektive Kompetenzordnung an und weniger darauf, in welchem Umfang davon Gebrauch gemacht wird. Eine doppelte Mitwirkung unterläuft grundsätzlich den Sinn der Verfahrensordnung, der aus rechtsstaatlichen Überlegungen oft darin besteht, verschiedene Verfahrensabschnitte zu trennen (vgl. BGE 117 Ia 157 E. 2a). d) Der in Art. 22 Abs. 1 lit. b OG verwendete Ausdruck "Angelegenheit" ist nach der Rechtsprechung prozessrechtlich zu verstehen, indem Identität der betroffenen Parteien, des Verfahrens, aber auch der zur Beantwortung stehenden (Rechts-)Fragen verlangt wird (unveröffentlichtes Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts vom 8. Oktober 1993 i.S. T., E. 2c mit Hinweis; unveröffentlichter Beschluss des Bundesgerichts vom 1. Oktober 1990 i.S. O., E. 4b, mit Hinweisen). Dies ist hier ohne Zweifel der Fall. Es bleibt daher zu prüfen, ob die durch den Stellvertreter der Eidg. Untersuchungsrichterin bestellten Sachverständigen bereits zuvor "in einer anderen Stellung" bzw. Funktion ( BGE 117 Ia 157 E. 2a) gehandelt haben ("à un autre titre/en une autre qualité: JEAN-FRANÇOIS POUDRET, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Art. 22, N. 3.2.1). Anders als in den bisher beurteilten Fällen, bei welchen es oft um die Grenzziehung zwischen den Verfahrensabschnitten der Strafuntersuchung und BGE 122 IV 235 S. 238 Anklageerhebung einerseits und der materiellen Beurteilung anderseits bzw. um die Mitwirkung des Richters im Untersuchungs- und im Urteilsverfahren ging, geht es hier um die Abgrenzung des gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahrens vom durch den Untersuchungsrichter geführten Voruntersuchungsverfahren. e) Auch wenn die Stellung der Bundesanwaltschaft sich jener eines Untersuchungsrichters faktisch annähert, handelt es sich bei dem von ihr geleiteten gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahren ( Art. 17 Abs. 1 BStP ) um ein vom Voruntersuchungsverfahren klar abgegrenztes Verfahren (FRANZ STÄMPFLI, Der Entwurf eines Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege, ZStrR 1929, S. 339 ff.). Ziel dieser Abgrenzung war es, die Stellung des Beschuldigten (in der Voruntersuchung) insbesondere durch eine Erweiterung seiner Verteidigungsrechte zu verbessern; mit der klaren Trennung sollte auch erreicht werden, dass in der vom Untersuchungsrichter geführten Voruntersuchung sich der Bundesanwalt und der Beschuldigte als Parteien vor einem unparteiischen, vom Ankläger unabhängigen Untersuchungsorgan gegenüberstehen (BBl 1929 II 605 ff.). Während die Bundesanwaltschaft unter der Aufsicht und Leitung des Bundesrates steht ( Art. 14 Abs. 1 BStP ), handelt es sich beim Eidg. Untersuchungsrichter um einen unabhängigen Beamten, der weder dem Bundesrat noch der Bundesanwaltschaft, sondern einzig der Aufsicht der Anklagekammer des Bundesgerichts untersteht. f) Die Anklagekammer des Bundesgerichts hat in ihrem zur Publikation bestimmten Urteil vom 13. Juni 1996 entschieden, bei den (in der vorliegenden Bundesstrafsache) am 9. April 1996 durch die Bundesanwaltschaft bestellten Sachverständigen handle es sich nicht um gerichtliche Sachverständige im Sinne von Art. 91 ff. BStP ; wenn die Bundesanwaltschaft im gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahren zahlreiche Akten zu sichten habe, deren Auswertung - im Hinblick auf die Frage, ob die gerichtspolizeilichen Ermittlungen einzustellen oder eine Voruntersuchung zu beantragen sei - buchhalterische bzw. finanzwissenschaftliche Spezialkenntnisse und damit den Beizug von Büchersachverständigen voraussetze, so könne sie entweder im Rahmen der Amtshilfe ( Art. 27 BStP ) an eine andere Bundesbehörde gelangen mit dem Ersuchen, ihr diese spezialisierten Beamten für die Klärung des Sachverhaltes zur Verfügung zu stellen, oder im Rahmen von Art. 101bis BStP ausnahmsweise auch ausserhalb der Bundesverwaltung stehende Sachverständige als Hilfspersonen der BGE 122 IV 235 S. 239 gerichtlichen Polizei beiziehen; die beigezogenen Büchersachverständigen könnten im Rahmen ihrer Mitarbeit durch die Bundesanwaltschaft auch angewiesen werden, über ihre Feststellungen einen schriftlichen Bericht bzw. ein Gutachten zu erstellen (E. 3a und b). g) Auch wenn es sich wie im vorliegenden Fall um von der Bundesanwaltschaft lediglich ad hoc beigezogene Spezialisten handelt, haben diese zwangsläufig den Status von Organen bzw. Hilfsorganen der gerichtlichen Polizei und unterstehen wenn nicht in administrativer, so doch zumindest in fachlicher Hinsicht der Leitung bzw. Aufsicht der Bundesanwaltschaft ( Art. 17 Abs. 1 BStP ). Im Gegensatz dazu handelt es sich bei den vom Eidg. Untersuchungsrichter zu ernennenden gerichtlichen Sachverständigen nicht um Hilfspersonen des Untersuchungsrichters; denn sie sind unabhängig und weder in administrativer noch in fachlicher Hinsicht jemandem unterstellt. Diese grundlegenden Unterschiede machen deutlich, dass von der Bundesanwaltschaft im Rahmen des gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahrens beigezogene Sachverständige als Personen zu gelten haben, die im Verhältnis zur Sachverständigenfunktion im Sinne von Art. 91 ff. BStP schon in einer anderen Stellung gehandelt haben ( Art. 22 Abs. 1 lit. b OG ). Unter dem Gesichtspunkt des (genügenden) blossen Anscheins kann es auch nicht darauf ankommen, ob die im gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahren beigezogenen Spezialisten im konkreten Fall keine Weisungen erhalten und daher faktisch selbständig ermittelt haben. Dieser Umstand kann indessen im Rahmen der freien richterlichen Würdigung der Beweise bzw. der Ermittlungsergebnisse bedeutungsvoll sein. Infolge ihrer dargelegten früheren Tätigkeit in einer anderen Stellung können die drei Beamten der Eidg. Steuerverwaltung im vorliegenden Bundesstrafverfahren nicht mehr als richterliche bzw. gerichtliche Sachverständige im Sinne von Art. 91 ff. BStP ernannt werden. Die angefochtene Verfügung ist daher aufzuheben. h) Bei diesem Ergebnis braucht nicht geprüft zu werden, inwieweit der Ausstandsgrund der Befangenheit ( Art. 23 lit. c OG ) vorliegt. Es sei hier lediglich angemerkt, dass auch nach der Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 6 EMRK der Angeschuldigte grundsätzlich Anspruch auf Unparteilichkeit des bestellten Experten hat; unter diesem Gesichtspunkt erscheint es zumindest problematisch, wenn das Gericht Experten benennt, deren Feststellungen zur Einleitung des Strafverfahrens geführt haben (vgl. BGE 118 Ia 144 E. 1c). Dieselben BGE 122 IV 235 S. 240 Bedenken gelten für den Fall, dass Experten herangezogen werden, um einen Entscheid darüber zu ermöglichen, ob eine Voruntersuchung zu eröffnen sei. 3. Indessen steht nach dem oben Ausgeführten (insbesondere E. 2 f.) im vorliegenden Fall nichts entgegen, dass der Stellvertreter der Eidg. Untersuchungsrichterin die drei bereits durch die Bundesanwaltschaft eingesetzten Spezialisten zur Erstattung eines Schlussberichtes oder auch zu ergänzenden Abklärungen anhält. Ob es in der Folge überhaupt noch der Bestellung von gerichtlichen Sachverständigen bedarf, wird der Stellvertreter der Eidg. Untersuchungsrichterin - gegebenenfalls das zuständige Gericht - zu entscheiden haben.
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Sachverhalt ab Seite 196 BGE 113 Ib 195 S. 196 Die X. AG ist eine Holdinggesellschaft einer in zahlreichen Ländern tätigen Unternehmensgruppe und hält Beteiligungen in Belgien, Dänemark, Grossbritannien, Finnland, Frankreich, Griechenland, den Niederlanden, Italien, Österreich, Portugal, Schweden, Spanien und der Schweiz. Die Aktien der X. AG befinden sich ausschliesslich in der Hand einer schweizerischen Kollektivgesellschaft. Die an dieser Gesellschaft beteiligten Kollektivgesellschafter sind ausländische Staatsangehörige mit Wohnsitz im Ausland. BGE 113 Ib 195 S. 197 Die X. AG verlangte gestützt auf das Abkommen zwischen der Schweiz und Portugal zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 26. September 1974 (SR 0.672.965.41) die Rückerstattung von portugiesischen Steuern auf den ihr von ihrer Tochtergesellschaft ausgerichteten Dividenden. Die Eidgenössische Steuerverwaltung leitete den Rückerstattungsantrag nicht weiter. Sie stellte sich auf den Standpunkt, an der X. AG seien nicht abkommensberechtigte Personen zu einem wesentlichen Teil direkt oder indirekt durch Beteiligung interessiert; die Antragstellerin habe von ihr angerufene Doppelbesteuerungsabkommen missbräuchlich in Anspruch genommen, da sie die in Art. 2 Abs. 2 lit. b des Bundesratsbeschlusses betreffend Massnahmen gegen die ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Doppelbesteuerungsabkommen des Bundes vom 14. Dezember 1962 (Missbrauchsbeschluss; SR 672.202) genannte Bedingung der angemessenen Gewinnausschüttung nicht eingehalten habe; sie habe seit dem Geschäftsjahr 1982 keine Gewinnausschüttungen mehr vorgenommen. Die X. AG bestritt diesen Standpunkt. Die Eidgenössische Steuerverwaltung erliess deshalb einen förmlichen Entscheid. Sie forderte die Aktiengesellschaft auf, die seit dem Jahre 1982 aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen erwirkten Steuerentlastungen den betreffenden Staaten zurückzuvergüten. Sie verweigerte zudem die Weiterleitung von hängigen oder künftigen Anträgen auf Rückerstattung oder Befreiung von ausländischen Quellensteuern an die zuständigen ausländischen Steuerbehörden. Eine dagegen erhobene Einsprache der X. AG hiess die Eidgenössische Steuerverwaltung teilweise gut. Sie nahm die zukünftigen Rückerstattungsanträge vom Verbot der Weiterleitung aus; in der Hauptsache wies sie die Einsprache jedoch ab. Die im angefochtenen Entscheid angeordnete Rückvergütung von Steuerentlastungen wurde indessen sistiert, um der X. AG im Sinne einer Billigkeitslösung bei einer rechtskräftigen Unterstellung unter den Missbrauchsbeschluss eine nachträgliche Ausschüttung zu ermöglichen. Eine gegen den Einspracheentscheid gerichtete Verwaltungsgerichtsbeschwerde weist das Bundesgericht ab. BGE 113 Ib 195 S. 198
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. a) Gemäss Art. 17 Abs. 3 der Verordnung über die pauschale Steueranrechnung vom 22. August 1967 (SR 672.201) kann die Eidgenössische Steuerverwaltung einen auf ein Doppelbesteuerungsabkommen gestützten Anspruch auf pauschale Steueranrechnung auch noch nach der Festsetzung durch die zuständige kantonale Amtsstelle (vgl. Art. 15 der Verordnung über die pauschale Steueranrechnung) überprüfen. Aufgrund dieser Bestimmung kann die Eidgenössische Steuerverwaltung als berechtigt angesehen werden, im Zusammenhang mit der Weiterleitung eines bei einer kantonalen Amtsstelle eingereichten Rückerstattungsantrags an eine ausländische Steuerbehörde gegenüber der Gesuchstellerin die in Art. 4 Missbrauchsbeschluss umschriebenen Massnahmen zu ergreifen. b) Der angefochtene Entscheid hat einerseits die Weiterleitung des am 28. März 1985 eingereichten Antrags auf Rückerstattung der in Portugal erhobenen Quellensteuern auf den Dividenden der portugiesischen Tochtergesellschaft der Beschwerdeführerin, aber auch weitere im Zeitpunkt des Entscheids der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 23. Januar 1986 hängige Anträge auf Weiterleitung von Rückerstattungs- oder Befreiungsgesuchen an nicht genannte Vertragsstaaten zum Gegenstand. Dabei kann es sich um alle bereits erwähnten europäischen Staaten handeln, in denen die Beschwerdeführerin Beteiligungen hält und mit denen die Schweiz Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat.
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Andrerseits enthält der Einspracheentscheid auch die Verpflichtung, die seit 1982 erwirkten Quellensteuerentlastungen an die entsprechenden Vertragsstaaten zurückzuvergüten. Dabei handelt es sich nach Ziff. 1 des Dispositivs des angefochtenen Entscheids und nach der Beilage zum Entscheid vom 23. Januar 1986 um Frankreich, Grossbritannien, Portugal, Italien und Österreich. Die Eidgenössische Steuerverwaltung hält in den Ziff. 2 und 3 des Dispositivs des angefochtenen Einspracheentscheids an dieser Verpflichtung fest. Sie hat sie lediglich sistiert, damit die Beschwerdeführerin die Rückerstattung noch vermeiden kann, indem sie die verlangten Ausschüttungen für die betreffenden Jahre nachholt. Der angefochtene Einspracheentscheid ist folglich nicht nur eine blosse Auskunft oder eine Feststellung der Rechtslage. Vielmehr handelt es sich um eine gemäss Art. 97 Abs. 1 OG mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbare Verfügung im Sinne von BGE 113 Ib 195 S. 199 Art. 5 VwVG , welche für die Beschwerdeführerin hinsichtlich der von ihr eingereichten Rückerstattungsanträge und der bereits weitergeleiteten früheren Anträge konkrete Rechtswirkungen entfaltet. 3. a) Nach der Kompetenzzuweisung in Art. 1 Durchführungsbeschluss werden die Ausführungsbestimmungen für die Durchführung eines von der Schweizerischen Eidgenossenschaft mit einem fremden Staate abgeschlossenen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vom Bundesrat aufgestellt. Der Bundesrat ist gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. b Durchführungsbeschluss insbesondere zuständig, Massnahmen zu treffen, um zu verhindern, dass die vom anderen Vertragsstaat zugesicherte Herabsetzung von an der Quelle erhobenen Steuern Personen zugute kommt, die darauf nach dem Abkommen keinen Anspruch haben. Gestützt auf diese Bestimmung hat der Bundesrat den Missbrauchsbeschluss erlassen. b) Nach dem Missbrauchsbeschluss wird eine Steuerentlastung von einer natürlichen oder juristischen Person oder Personengesellschaft mit Wohnsitz oder Sitz in der Schweiz missbräuchlich beansprucht, wenn die Inanspruchnahme dazu führen würde, dass die Steuerentlastung zu einem wesentlichen Teil direkt oder indirekt nicht abkommensberechtigten Personen zugute kommt (Art. 2 Abs. 1 Missbrauchsbeschluss). Diese allgemeine Umschreibung der missbräuchlichen Inanspruchnahme einer Steuerentlastung wird in Art. 2 Abs. 2 Missbrauchsbeschluss durch vier typische Tatbestände konkretisiert: "2 Eine Steuerentlastung wird insbesondere dann missbräuchlich beansprucht, wenn sie Einkünfte betrifft; a. die zu einem wesentlichen Teil direkt oder indirekt zur Erfüllung von Ansprüchen nicht abkommensberechtigter Personen verwendet werden; der Erfüllung von Ansprüchen ist in der Regel gleichgestellt die Verwendung der Einkünfte zur Abschreibung von Vermögenswerten, deren Gegenwert direkt oder indirekt nicht abkommensberechtigten Personen zugekommen ist oder zukommt; b. die einer juristischen Person mit Sitz in der Schweiz zugute kommen, an der nicht abkommensberechtigte Personen zu einem wesentlichen Teil direkt oder indirekt durch Beteiligung oder in anderer Weise interessiert sind und die keine angemessenen Gewinnausschüttungen vornimmt; c. die auf Grund eines Treuhandverhältnisses einem nicht abkommensberechtigten Treugeber zugute kommen; BGE 113 Ib 195 S. 200 d. die einer Familienstiftung mit Sitz in der Schweiz oder einer Personengesellschaft mit Sitz aber ohne geschäftlichen Betrieb in der Schweiz zugute kommen, an denen nicht abkommensberechtigte Personen zu einem wesentlichen Teil interessiert sind." c) Die Eidgenössische Steuerverwaltung geht in ihrem Einspracheentscheid davon aus, dass auf die Beschwerdeführerin Art. 2 Abs. 2 lit. b Missbrauchsbeschluss anwendbar sei. Wie das Bundesgericht bereits in BGE 94 I 659 entschieden hat, hält sich diese Bestimmung im Rahmen des Missbrauchsbeschlusses und läuft auch dem Sinn und Zweck der Doppelbesteuerungsabkommen nicht zuwider. 4. Für die Anwendung von Art. 2 Abs. 2 lit. b Missbrauchsbeschluss müssen im einzelnen die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein: a) Eine juristische Person mit Sitz in der Schweiz erzielt im Ausland mit Quellensteuern belastete Einkünfte, und sie kann in bezug auf diese Einkünfte grundsätzlich eine Steuerentlastung durch die Inanspruchnahme eines Doppelbesteuerungsabkommens verlangen. Diese Voraussetzung ist für die Beschwerdeführerin erfüllt. Als juristische Person mit Sitz in der Schweiz erzielt sie in der Form von Dividenden ihrer Tochtergesellschaften quellensteuerbelastete Einkünfte aus Staaten, mit denen die Schweiz Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat. b) Bei der juristischen Person mit Sitz in der Schweiz muss es sich um eine sogenannte Speichergesellschaft handeln, d.h. um eine Gesellschaft, welche die ihr zufliessenden ausländischen Einkünfte thesauriert und auf absehbare Zeit keine angemessenen Gewinnausschüttungen vornimmt. Bei derartigen Gesellschaften, welche aufgrund des Holdingprivilegs sowie eventuell aufgrund des Domizilprivilegs von den ihnen zufliessenden ausländischen Dividenden in der Schweiz keine oder nur unbedeutende Steuern zu entrichten haben, besteht die Gefahr, dass die aufgespeicherten Gewinne auf absehbare Zeit nie ausgeschüttet, dagegen von den Interessierten früher oder später in irgendeiner Form steuerfrei an sich gezogen werden. Die ausländischen Dividendenerträge, für welche die Entlastung von ausländischen Quellensteuern gestützt auf ein Doppelbesteuerungsabkommen verlangt wird, könnten so ohne wesentliche Besteuerung in der Schweiz nicht abkommensberechtigten, in Drittländern ansässigen Personen zufliessen. In einem derartigen Fall wäre es missbräuchlich, wenn die Speichergesellschaft BGE 113 Ib 195 S. 201 die im Hinblick auf die schweizerische Besteuerung gewährte Entlastung von der ausländischen Quellensteuer verlangen könnte. Mit dem Ausschüttungsgebot soll ein derartiger Missbrauch verhindert werden; durch die Belastung der Ausschüttungen mit der Verrechnungssteuer wird eine angemessene Besteuerung der abkommensbegünstigten Einkünfte in der Schweiz sichergestellt (vgl. dazu das Kreisschreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 31. Dezember 1962, Ziff. II/2, in: ASA 31, S. 249). c) An der fraglichen juristischen Person müssen schliesslich zu einem wesentlichen Teil direkt oder indirekt durch Beteiligung oder in anderer Weise nicht abkommensberechtigte Personen interessiert sein. Damit von einem Missbrauch gesprochen werden kann, muss die ausländische Quellensteuerentlastung einer nicht abkommensberechtigten Person unter Umständen zugute kommen, unter denen die Staatsvertragsparteien die Entlastung von der ausländischen Quellensteuer nicht vereinbaren wollten und die Schweiz nach dem Grundsatz von Treu und Glauben diese Entlastung von ihrem Vertragspartner nicht erwarten darf. Derartige Umstände können sich insbesondere aus der Kombination der Entlastung von ausländischen Quellensteuern mit Steuererleichterungen für den schweizerischen Empfänger der Einkünfte (Holdingprivileg, Domizilprivileg) ergeben. Diese Kombination kann unter anderem dazu dienen, die ordentliche Besteuerung der ausländischen Einkünfte in der Schweiz auf absehbare Zeit zu vermeiden und es bei der latenten Steuerlast bewenden zu lassen, um sie später allenfalls auf die eine oder andere Weise gar endgültig abzuwenden. Ein derartiges Vorgehen erscheint im Verhältnis zum ausländischen Vertragsstaat an sich missbräuchlich (RIVIER, Le droit fiscal international, S. 251; WIDMER, Neue Entwicklungen im internationalen Steuerrecht, in: Steuer Revue 1974, S. 90 ff., insbesondere S. 94 Ziff. 3). Was die Speichergesellschaft betrifft, ist ein solcher Missbrauch nach Art. 2 Abs. 2 lit. b Missbrauchsbeschluss schon allein darin zu erblicken, dass sie den Vorteil des Doppelbesteuerungsabkommens zur Thesaurierung der Einkünfte im Interesse nicht abkommensberechtigter Personen ausnützt (MATTHEY, Les mesures contre l'utilisation sans cause légitime des conventions conclues par la Confédération en vue d'éviter les doubles impositions, in: Revue de droit administratif et droit fiscal 1963, S. 59; BGE 113 Ib 195 S. 202 RIVIER, a.a.O., S. 251; RYSER, Introduction au droit fiscal international de la Suisse, S. 186). Bei einer Thesaurierung besteht immer die Möglichkeit, dass die von der ausländischen Quellensteuer entlasteten Einkünfte später indirekt oder bei einer Liquidation der Gesellschaft allenfalls direkt unter Umgehung der Verrechnungssteuer den Interessierten zugute kommen (Ludwig, Die ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Doppelbesteuerungsabkommen, in: Steuer Revue 1963, S. 57 f.). 5. a) In bezug auf die zuletzt genannte Voraussetzung (E. 4 lit. c) bestreitet die Beschwerdeführerin, dass Art. 2 Abs. 2 lit. b Missbrauchsbeschluss auf sie anwendbar sei. Nach dem Doppelbesteuerungsabkommen mit Portugal und allen anderen in Frage kommenden Staaten (mit Ausnahme von Österreich) sei ihre Mutter-Kollektivgesellschaft abkommensberechtigt. Zudem sei in der Schweiz nicht die Kollektivgesellschaft, sondern seien ihre Gesellschafter Steuersubjekt. Weder direkt noch indirekt seien daher nicht abkommensberechtigte Personen an ihr interessiert. Die Beschwerdeführerin widerspricht damit der Auffassung der Eidgenössischen Steuerverwaltung, die im angefochtenen Einspracheentscheid die vier Teilhaber der Mutter-Kollektivgesellschaft als indirekt durch Beteiligung an der Beschwerdeführerin interessierte, nicht abkommensberechtigte Personen bezeichnet hat. b) Die Abkommensberechtigung bzw. der persönliche Geltungsbereich der von der Schweiz abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen richtet sich in den nach dem Muster der OECD gestalteten Doppelbesteuerungsabkommen regelmässig danach, ob eine Person in einem der Vertragsstaaten ansässig ist (vgl. Art. 1 Musterabkommen OECD). In den älteren Doppelbesteuerungsabkommen ist der Wohnsitz oder bei juristischen Personen der Sitz ausschlaggebendes Kriterium. Grundsätzlich ergeben sich daraus keine abweichenden Ergebnisse (vgl. VON SIEBENTHAL, Persönlicher Geltungsbereich von Doppelbesteuerungsabkommen und Ansässigkeit, in: Höhn, Handbuch des internationalen Steuerrechts der Schweiz 1984, S. 117). c) Ob eine Person in einem Vertragsstaat ansässig und damit abkommensberechtigt ist, hängt mit der Frage zusammen, wer im Sinne eines Doppelbesteuerungsabkommens als Person anzusehen ist. Bei Kollektivgesellschaften lässt sich dies nicht ohne weiteres beantworten. Die nach schweizerischem Recht begründeten Kollektivgesellschaften sind nur mit einer beschränkten Rechtspersönlichkeit BGE 113 Ib 195 S. 203 ausgestattet (vgl. Art. 562 OR ). Sie sind als solche nicht Steuersubjekte, sondern ihr Unternehmungsvermögen und -gewinn wird anteilmässig bei den einzelnen Teilhabern besteuert. d) In den von der Schweiz abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen findet sich keine einheitliche Regelung. Immerhin behandeln die Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz teilweise die Personengesellschaften oder zumindest die nach schweizerischem Recht errichteten und organisierten Personengesellschaften ausdrücklich als Personen. Von den übrigen Vertragspartnern werden die schweizerischen Personengesellschaften wenigstens in der Praxis als ansässige Personen im Sinne der Abkommen angesehen. Eine Ausnahme sind die Vertragsstaaten Bundesrepublik Deutschland und Österreich, welche aber unter einschränkenden Voraussetzungen die Entlastung von ihren Quellensteuern in der Schweiz ansässigen Personengesellschaften ebenfalls zugestehen. e) Die von der Beschwerdeführerin angerufenen Doppelbesteuerungsabkommen sind - mit Ausnahme des Abkommens mit Finnland - alle nach dem Musterabkommen der OECD gestaltet. Sie enthalten - ausgenommen das Abkommen mit Spanien - über den Sitz von Personengesellschaften eine ausdrückliche Regelung. In der Schweiz ansässige Personengesellschaften werden als im Sinne des Abkommens ansässige bzw. abkommensberechtigte Personen betrachtet. Obwohl die in der Schweiz ansässigen Kollektivgesellschaften als solche nicht Steuersubjekte sind, sondern ihr Unternehmungsvermögen und -gewinn anteilig bei den Teilhabern besteuert wird, wird von den schweizerischen Behörden in den Vertragsverhandlungen die Anerkennung von schweizerischen Personengesellschaften als abkommensberechtigte Personen angestrebt. Das von der Schweiz mit einer solchen Abkommensbestimmung verlangte Zugeständnis bezieht sich sowohl auf die Besteuerung des Unternehmungsvermögens und -einkommens der Kollektivgesellschaft (in der Schweiz) als auch im Zusammenhang damit auf die Quellensteuerentlastung der zu den Unternehmungseinkünften gehörenden Dividenden-, Zins- oder Lizenzeinkünfte aus dem Vertragsstaat (ALIG, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht, in: Höhn, a.a.O., S. 258, 260 und 261; RIVIER, a.a.O., S. 118 f.; ALTDORFER, Länderbericht, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht, in: Cahiers de droit fiscal international 1974 II, S. 262 f.). BGE 113 Ib 195 S. 204 f) Aus der Abkommensberechtigung der Kollektivgesellschaft kann aber nicht ohne weiteres geschlossen werden, die schweizerische Kollektivgesellschaft und mit ihr ihre in einem Drittstaat wohnhaften Teilhaber seien nach dem Willen der Vertragsparteien auch abkommensberechtigte Personen hinsichtlich der im Vertragsstaat von der Quellensteuer entlasteten Einkünfte einer schweizerischen Holdinggesellschaft, deren Aktien zum Unternehmungsvermögen der Kollektivgesellschaft gehören. Es handelt sich bei der Beherrschung schweizerischer Kapitalgesellschaften durch eine in Form einer schweizerischen Kollektivgesellschaft von im Ausland wohnhaften Personen errichtete Unternehmung um eine äusserst seltene, ungewöhnliche Situation. Es ist nicht anzunehmen, dass die Vertragsstaaten der Schweiz auch im Hinblick auf diese Situation auf ihre Quellenbesteuerung von Dividenden, Zinsen oder Lizenzgebühren verzichten wollten zugunsten der schweizerischen Steuerhoheit, wenn weder bei der schweizerischen Holdinggesellschaft noch bei der beherrschenden Unternehmung (Kollektivgesellschaft) zunächst eine Besteuerung eintritt. Dass die Vertragsstaaten die in einem Drittstaat wohnhaften Teilhaber der Kollektivgesellschaft auch für diesen Fall als in der Schweiz ansässig und damit abkommensberechtigt behandeln wollten, wäre vielmehr ungewöhnlich, ist doch der Abkommensschutz für die in einem Vertragsstaat nur beschränkt steuerpflichtigen, in Drittländern ansässigen Personen noch nicht erreicht (ALIG, a.a.O., S. 275; ALTDORFER, a.a.O., S. 261; WIDMER, a.a.O., S. 93; vgl. auch RYSER, Les mesures prises par la Suisse contre l'utilisation sans cause légitime des conventions en vue d'éviter la double imposition, in: ASA 32, S. 12 f.) und grundsätzlich erst für die in einem der beiden Vertragsstaaten ansässigen Personen gewährleistet (vgl. Art. 1 Musterabkommen OECD). Der Standpunkt der Beschwerdeführerin, nicht nur ihre Mutter-Kollektivgesellschaft, sondern auch deren Teilhaber seien abkommensberechtigte Personen im Sinne von Art. 2 Abs. 2 lit. b Missbrauchsbeschluss, kann daher nicht geschützt werden. Die Eidgenössische Steuerverwaltung wendet auf die von ausländischen Quellensteuern entlasteten und von der Beschwerdeführerin gespeicherten Einkünfte zutreffend Art. 2 Abs. 2 lit. b Missbrauchsbeschluss an, weil sie schliesslich den an ihr indirekt durch Beteiligung interessierten Teilhabern zugute kommen, die dafür nicht als abkommensberechtigt zu halten sind, weder nach dem Doppelbesteuerungsabkommen mit Portugal noch nach den übrigen, von der Beschwerdeführerin angerufenen Abkommen. BGE 113 Ib 195 S. 205 g) Erst recht könnten weder die im Ausland wohnenden Kollektivgesellschafter noch die Kollektivgesellschaft als ansässig gelten im Sinne von Art. 4 Abs. 1 des Abkommens mit der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 30. Januar 1974 (SR 0.672.916.31). Sie hätten auch die Voraussetzungen einer Entlastung von österreichischen Quellensteuern nach Art. 28 Abs. 6 dieses Abkommens nicht erfüllen können. 6. a) Die Beschwerdeführerin macht schliesslich geltend, dass ein Missbrauch der von ihr nach diesen Doppelbesteuerungsabkommen in Anspruch genommenen Entlastung von ausländischen Quellensteuern im vornherein nicht vorliegen könne, weil die Teilhaber ihrer Mutter-Kollektivgesellschaft die bei ihr gespeicherten Einkünfte später als Bestandteil des Gewinns der Kollektivgesellschaft in der Schweiz würden versteuern müssen. Angemessene und laufende Gewinnausschüttungen seien nach dem Sinn von Art. 2 Abs. 2 lit. b Missbrauchsbeschluss von einer juristischen Person nicht zu verlangen, wenn ihre Aktien sich ausschliesslich im Betriebsvermögen einer schweizerischen Kollektivgesellschaft mit einem Geschäftsbetrieb in der Schweiz befinden würden, auch wenn ein wesentlicher Teil der Teilhaber dieser Kollektivgesellschaft nicht in der Schweiz ansässig sei. b) Die in Erwägung 5 dargestellte Auslegung von Art. 2 Abs. 2 lit. b Missbrauchsbeschluss hat einmal den Wortlaut dieser Bestimmung offensichtlich für sich. Die Bestimmung hat sodann den Sinn, das Speichern der erwähnten Einkünfte in einer schweizerischen Aktiengesellschaft an sich zu verhindern mit Rücksicht auf das Vertrauen der Vertragsstaaten, welche die Entlastung von ihren Quellensteuern nicht im Interesse von in Drittstaaten ansässigen Personen, die davon in Kombination mit den Steuererleichterungen für schweizerische Holdinggesellschaften zu profitieren suchen, gewähren wollen. In BGE 94 I 667 (E. 4) wurde zwar noch nicht entschieden, dass die in Art. 2 Abs. 2 lit. b Missbrauchsbeschluss vorgesehenen angemessenen Gewinnausschüttungen auch bezwecken, dass es nicht bei einer latenten Steuerpflicht der im Ausland ansässigen direkt oder indirekt Interessierten in der Schweiz bleibt. Mit Rücksicht auf das von den Partnerstaaten gewährte Vertrauen auf eine Besteuerung in der Schweiz erscheint es jedoch nicht gerechtfertigt, in einer derartigen Situation der schweizerischen Holdinggesellschaft die Entlastung von den ausländischen Quellensteuern zu ermöglichen.
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Sachverhalt ab Seite 121 BGE 136 II 120 S. 121 X. (geb. 1967) stammt ursprünglich aus Serbien. Er ist seit dem 6. Februar 1998 mit einer Schweizerin verheiratet. Am 1. Juli 2002 wurde er eingebürgert. X. hat drei Kinder aus erster Ehe, die über die serbische Staatsangehörigkeit verfügen. Anlässlich der Scheidung hatte das Gemeindegericht Bujanovac das Sorgerecht der Mutter zugesprochen; in der Folge lebten die Kinder bei dieser sowie den Grosseltern väterlicherseits. Am 21. September 2007 übertrug das Gemeindegericht das Sorgerecht auf X. Am 6. Dezember 2006 ersuchte X. darum, seinen Kindern eine Einreisebewilligung zum Verbleib bei ihm zu erteilen, was die Sicherheitsdirektion (Migrationsamt) des Kantons Zürich am 23. August 2007 ablehnte, da keine stichhaltigen Gründe für eine Veränderung der bisherigen Betreuungsverhältnisse ersichtlich seien. Der Regierungsrat und das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich teilten diese Einschätzung am 2. Juli 2008 bzw. 21. Januar 2009. Die Kinder von X. beantragen vor Bundesgericht, den Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben und ihnen die Einreisebewilligung zum Verbleib bei ihrem Vater im Kanton Zürich zu erteilen, BGE 136 II 120 S. 122 eventuell sei die Angelegenheit zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sie machen geltend, ihre leibliche Mutter sei nicht mehr willens und wegen ihrer Wiederverheiratung auch nicht mehr in der Lage, sie zu betreuen; dasselbe gelte wegen des fortgeschrittenen Alters und des Gesundheitszustands für ihre Grosseltern. In der Abweisung ihres Gesuchs liege eine unzulässige Inländerdiskriminierung. Der Regierungsrat des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Das Verwaltungsgericht hat darauf verzichtet, sich vernehmen zu lassen. Das Bundesamt für Migration weist daraufhin, dass keine Diskriminierung eines schweizerischen Staatsangehörigen vorliege, da auch EU-Bürger ihre Familienangehörigen nur nachziehen könnten, wenn diese sich bereits vorher rechtmässig und dauerhaft im Hoheitsgebiet eines der Vertragsstaaten des Freizügigkeitsabkommens aufgehalten hätten ( BGE 130 II 1 ), woran das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 25. Juli 2008 C-127/08 Metock (in: EuGRZ 2008 S. 612 ff.) nichts geändert habe, da die Schweiz nicht verpflichtet sei, dieses zu übernehmen. Die II. öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichts hat die Angelegenheit am 22. Januar 2010 öffentlich beraten und die Beschwerde abgewiesen. (Zusammenfassung)
509
404
Aus den Erwägungen: Erwägungen 1. 1.1 Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten im Zusammenhang mit Bewilligungen ausgeschlossen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumen ( Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ). Das strittige Familiennachzugsgesuch wurde vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR 142.20) eingereicht und ist deshalb noch in Anwendung des inzwischen aufgehobenen Bundesgesetzes vom 26. Mai 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer zu beurteilen (ANAG; Art. 126 Abs. 1 AuG ). Danach haben ledige ausländische Kinder unter 18 Jahren von Schweizer Bürgern in analoger Anwendung von Art. 17 Abs. 2 ANAG Anspruch auf Familiennachzug, wenn sie mit diesen zusammenwohnen ( BGE 130 II 137 E. 2.1 S. 141; BGE 129 II 249 E. 1.2 S. 252 mit Hinweisen). Da der BGE 136 II 120 S. 123 gesuchstellende Vater Schweizerbürger ist und die drei Kinder zum Zeitpunkt der Gesuchseinreichung, auf den es für die Eintretensfrage ankommt (statt vieler: BGE 129 II 249 E. 1.2 S. 252 mit Hinweisen), noch nicht 18 Jahre alt waren, besteht vorliegend ein Rechtsanspruch auf ihren Nachzug im Sinne von Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG . 1.2 Die Beschwerdeführer berufen sich zudem auf die Familiennachzugsbestimmungen des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen, FZA; SR 0.142. 112.681): Dieses gewähre nicht nur Angehörigen der Vertragsstaaten weitergehende Rechte als Art. 17 Abs. 2 ANAG , sondern auch Schweizer Bürgern, welche ihre Kinder nachziehen wollten, ansonsten Inländer in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise diskriminiert würden (sog. "Inländerdiskriminierung" bzw. "discrimination à rebours"; vgl. hierzu etwa: ANNE WALTER, "Inländerdiskriminierung" bei Familiennachzug, Nijmegen/Osnabrück 2008, S. 1 ff.; ALVARO BORGHI, La libre circulation des personnes entre la Suisse et l'UE, 2010, N. 452 ff.). Ob die minderjährigen Beschwerdeführer, die nicht Bürger eines Signatarstaates sind, sich selber direkt auf das Abkommen berufen können, braucht nicht weiter geprüft zu werden, da sie im vorliegenden Verfahren durch ihren Vater vertreten sind, der als Schweizer Bürger das Nachzugsgesuch für sie gestellt hat. Erweist sich die Beschwerde bezüglich der Anwendung von Art. 17 ANAG als unbegründet (hierzu unten E. 2), wird deshalb die Frage einer allfälligen Inländerdiskriminierung zu prüfen sein (hierzu E. 3). 2. 2.1 Die in der Rechtsprechung zu Art. 17 ANAG entwickelten Voraussetzungen für den zeitlich gestaffelten (nachträglichen) Familiennachzug von Kindern unterscheiden sich danach, ob die Gesamtfamilie oder bloss eine Teilfamilie in der Schweiz zusammengeführt werden soll (Nachzug zu den gemeinsamen Eltern oder bloss zu einem Elternteil). Anders als bei zusammenlebenden Eltern besteht beim Nachzug zu einem Elternteil kein bedingungsloser Anspruch auf Familienvereinigung. Für eine solche müssen besondere familiäre Gründe bzw. eine zwingend nötig gewordene Änderung in den Betreuungsverhältnissen sprechen ( BGE 133 II 6 E. 3.1 S. 9 f.; BGE 130 II 1 E. 2.2 S. 4; BGE 129 II 11 E. 3.1.2 und 3.1.3 S. 14 f.; BGE 124 II 361 E. 3a BGE 136 II 120 S. 124 S. 366; ALBERTO ACHERMANN, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts 2006/2007 im Bereich des Ausländer- und Bürgerrechts, in: Jahrbuch für Migrationsrecht 2006/2007, Achermann und andere [Hrsg.], 2007, S. 141 ff., dort S. 157 ff.). Dies ist in der Regel nicht der Fall, wenn im Heimatland alternative Pflegemöglichkeiten bestehen, die dem Kindeswohl besser entsprechen, weil dadurch vermieden werden kann, dass die Kinder aus ihrer bisherigen Umgebung und dem ihnen vertrauten Beziehungsnetz gerissen werden ( BGE 133 II 6 E. 3.1.2 S. 11 f.; BGE 125 II 585 E. 2c S. 588 ff. mit Hinweisen). An den Nachweis der fehlenden Betreuungsmöglichkeit im Heimatland sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je älter das nachzuziehende Kind ist bzw. je grösser die Integrationsschwierigkeiten erscheinen, die ihm hier drohen (vgl. BGE 129 II 11 E. 3.3.2 S. 16 sowie BGE 133 II 6 E. 5.3 S. 19 f. mit Hinweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte [EGMR] Tuquabo-Tekle und andere gegen Niederlande vom 1. Dezember 2005 [Nr. 60665/00]). 2.2 Aufgrund des von der Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich festgestellten Sachverhalts (vgl. Art. 105 Abs. 1 BGG ) bestanden vorliegend keine zwingenden familiären Gründe für den beantragten Teilfamiliennachzug: Die Beschwerdeführer waren zum Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs 15, 12 und 11 Jahre alt. Sie haben einen wesentlichen Teil ihrer identitätsprägenden Jugend bei der Mutter bzw. bei den Grosseltern väterlicherseits in der Heimat verbracht. Zwar leiden die Grosseltern inzwischen unter altersbedingten Gesundheitsproblemen, doch ist nicht ersichtlich, inwiefern sie mit Blick auf das heutige Alter der Beschwerdeführer (rund 18, 16 und 15 Jahre) diese nicht mehr sinnvoll betreuen könnten, zumal sich deren Mutter zwar wieder verheiratet hat, aber nach wie vor ebenfalls Kontakte zu ihnen pflegt. Im Frühjahr 2007 hatte ihr Vater erklärt, die Kinder seien jetzt alt genug, um mit ihm zusammenzuleben - in Serbien hätten sie keine Zukunft. Obwohl er seit 1998 mit einer Schweizerin verheiratet und schon 2002 eingebürgert worden ist, ersuchte er erst Ende 2006 um ihren Nachzug, wobei er damals noch nicht über das Sorgerecht über sie verfügte. Es sind unter diesen Umständen keine stichhaltigen Gründe für den beantragten Familiennachzug ersichtlich; die Beschwerdeführer würden durch diesen aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen und stünden hier vor grossen, nur sehr schwer zu überwindenden Integrationsproblemen. BGE 136 II 120 S. 125 3. 3.1 Die Beschwerdeführer bzw. deren Vater machen für diesen Fall geltend, sie würden im Vergleich zu EU-/EFTA-Bürgern, die ihre Angehörigen nachziehen wollten, diskriminiert bzw. ohne sachlichen Grund schlechter behandelt. Diese sogenannte "Inländerdiskriminierung" stehe im Widerspruch zum gesetzgeberischen Willen, Schweizer Bürger hinsichtlich des Familiennachzugs Staatsangehörigen der EU bzw. der EFTA gleichzustellen, wie dies in Art. 42 Abs. 2 AuG zum Ausdruck komme. 3.2 3.2.1 Wie bereits dargelegt, findet auf die Beschwerdeführer bzw. deren Vater noch die Familiennachzugsregelung gemäss dem ANAG Anwendung, weshalb sie sich nicht direkt auf Art. 42 AuG berufen können. Das Bundesgericht hat die Frage, ob die für Schweizer Bürger gegenüber EU- und EFTA-Staatsangehörigen ungünstigeren Nachzugsbestimmungen allenfalls gestützt auf Art. 8 BV oder auf Art. 8 in Verbindung mit Art. 14 EMRK zu kompensieren sind, unter dem bisherigen Recht verneint: In BGE 129 II 249 ff. wies es darauf hin, dass den zuständigen Behörden die umstrittene Ungleichbehandlung bei Vertragsabschluss bekannt gewesen sei; das Freizügigkeitsabkommen enthalte keine Bestimmungen über den Familiennachzug von Schweizern, soweit diese nicht selber von der Freizügigkeit Gebrauch gemacht hätten. Zwar gehe der Bundesrat davon aus, dass Schweizer Bürger mit Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens den Angehörigen von EU-Mitgliedstaaten "grundsätzlich gleichzustellen" seien; die entsprechende Regelung solle indessen Gegenstand des neuen Ausländergesetzes bilden. Der Gesetzgeber habe sich - so das Bundesgericht - damit bewusst dafür entschieden, Schweizern, welche von ihren Freizügigkeitsrechten keinen Gebrauch gemacht hätten, (zumindest vorerst) nicht die gleichen Rechtsansprüche zu gewähren wie EU-/EFTA-Bürgern und die Diskussion über die Gleichstellung erst im Rahmen der Totalrevision des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer zu führen. Aufgrund von Art. 191 (heute Art. 190) BV, sei das Gericht an diesen klar zum Ausdruck gebrachten Willen gebunden, weshalb eine Anerkennung weitergehender Rechtsansprüche, insbesondere eine Angleichung an Art. 3 Anhang I FZA , nicht möglich sei. 3.2.2 Trotz der an diesem Entscheid geübten Kritik (vgl. etwa HOTTELIER/MOCK, Le Tribunal fédéral suisse et la "discrimination à rebours" en matière de regroupement familial, Revue trimestrielle des BGE 136 II 120 S. 126 droits de l'homme 2003 S. 1275 ff.) hat das Bundesgericht in BGE 130 II 137 ff. hieran festgehalten: Der Gesetzgeber habe sich für eine "umfassende Neuregelung" des Familiennachzugs im Rahmen der laufenden Totalrevision der Ausländergesetzgebung ausgesprochen und bewusst auf eine sofortige gesetzliche Anpassung der Rechtsstellung von Schweizer Bürgern an jene von EU- und EFTA-Staatsangehörigen beim Familiennachzug verzichtet. Dass das geltende Ausländerrecht das Nachzugsrecht für ausländische Familienmitglieder von Schweizer Bürgern nicht ausdrücklich regle und diese Lücke über eine analoge Anwendung von Art. 17 Abs. 2 ANAG habe geschlossen werden müssen ( BGE 118 Ib 153 E. 1b S. 155 f.), bedeute nicht, dass für diese Frage heute auf die entsprechende Regelung des Freizügigkeitsabkommens abzustellen sei. Für eine solche Anpassung bestehe kein Raum, nachdem der Gesetzgeber selber eine vorgezogene Teilrevision in diesem Punkt abgelehnt habe. Diese Rechtsprechung halte auch vor Art. 8 und Art. 14 EMRK stand, schlössen die entsprechenden Bestimmungen doch Differenzierungen nach der Staatsangehörigkeit grundsätzlich nicht aus (so die Urteile des EGMR Moustaquim gegen Belgien vom 18. Februar 1991, Serie A Bd. 193 § 48 f., sowie C. gegen Belgien vom 7. August 1996, Recueil CourEDH 1996-III S. 915 § 37 f.). Eine allfällige (vorübergehende) Ungleichbehandlung in dieser Frage beruhe "auf zu respektierenden gesetzgebungspolitischen Gründen, zumal es nicht um einschneidende Eingriffe, sondern bloss um eine allfällige Ausweitung des Umfangs der bisher zulässigen - und an sich als ausreichend erachteten - Familiennachzugsmöglichkeiten gehe, welche der nationale Gesetzgeber im gebotenen demokratischen Verfahren noch zu prüfen haben" werde. Die auf BGE 129 II 249 ff. zurückgehende bundesgerichtliche Rechtsprechung erscheine mit Art. 14 EMRK vereinbar, zumal der Familiennachzug im Rahmen von Art. 3 Anhang I FZA voraussetze, dass die nachzuziehende Person bereits in einem anderen Vertragsstaat ein Aufenthaltsrecht nach nationalem Recht erworben habe ( BGE 130 II 1 ff. in Übernahme des Entscheids des EuGH vom 23. September 2003 C-109/01 Akrich [in: EuGRZ 2003 S. 607]). 3.3 3.3.1 Das neue Ausländergesetz, welches am 1. Januar 2008 in Kraft getreten ist, will die Familiennachzugsbestimmungen für Schweizer Bürger möglichst gleich regeln, wie das Freizügigkeitsabkommen dies für EU-Bürger tut ( Art. 42 Abs. 2 AuG ). Ihm liegt jedoch die BGE 136 II 120 S. 127 Rechtslage zugrunde, wie sie sich für EU-/EFTA-Angehörige aus dem Entscheid des EuGH i.S. Akrich ergeben hat. In der Zwischenzeit hat sich diese grundlegend gewandelt: Mit Urteil vom 29. September 2009 schloss sich das Bundesgericht der Änderung der Rechtsprechung des EuGH i.S. Metock an und stellte fest, dass das Recht auf Familiennachzug gestützt auf das FZA nicht mehr von einem vorherigen rechtmässigen Aufenthalt der nachzuziehenden Person in einem Signatarstaat des Abkommens abhängt (vgl. BGE 136 II 5 E. 3). Am 5. Januar 2010 hat es die bisher von ihm offengelassene Frage bejaht, ob der Familiennachzug nach dem Freizügigkeitsabkommen auch für Stiefkinder gilt, da es sich dabei nicht um einen neuen, an die EU-Bürgerschaft anknüpfenden weiterführenden Aspekt der Personenfreizügigkeit innerhalb der Union, sondern um eine Konsolidierung des "Acquis communautaire" handelt, wie die Schweiz ihn mit der Unterzeichnung des Freizügigkeitsabkommens übernommen hat ( BGE 136 II 65 E. 4). Der Nachzugsanspruch steht unter dem Vorbehalt (1) des räumlichen, persönlichen und sachlichen Geltungsbereichs sowie des jeweiligen Fortbestehens der Bewilligungs- und Nachzugsvoraussetzungen des Freizügigkeitsabkommens, (2) der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit ( Art. 5 Anhang I FZA ), (3) allfälliger offensichtlich überwiegender Interessen des nachzuziehenden Kindes im Sinne der Kinderrechtskonvention (KRK; SR 0.107; BGE 136 II 78 E. 4.8) sowie (4) des Verbots des Rechtsmissbrauchs ( Art. 51 AuG ; Art. 35 der Richtlinie 2004/38/EG [ABl. L 229 vom 29. Juni 2004 S. 35 ff.]). 3.3.2 Ein Erlass verstösst gegen das Willkürverbot ( Art. 9 BV ), wenn er sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen lässt oder sinn- und zwecklos ist. Er verletzt das Gebot der Rechtsgleichheit ( Art. 8 BV ), wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen. Das Rechtsgleichheitsgebot ist insbesondere verletzt, wenn Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich oder Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird ( BGE 127 I 185 E. 5 S. 192). Allerdings kann eine Regelung, die Gleiches ungleich oder Ungleiches gleich behandelt, dann zulässig sein, wenn die Gleich- oder Ungleichbehandlung notwendig ist, um das Ziel der Regelung zu erreichen, und die Bedeutung des Ziels die Gleich- oder Ungleichbehandlung rechtfertigt. In diesem Fall muss abgewogen werden zwischen dem Interesse an der BGE 136 II 120 S. 128 Erreichung des Regelungsziels und dem Interesse an der Gleich- bzw. Ungleichbehandlung (vgl. HÄFELIN/MÜLLER, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 105, Rz. 495, unter Hinweis auf BGE 116 Ia 321 ff.). 3.3.3 Das akzessorische Diskriminierungsverbot von Art. 14 EMRK verbietet Unterscheidungen aufgrund bestimmter Merkmale bei der Umsetzung von in der EMRK garantierten Rechten und Freiheiten. Es kann immer schon dann angerufen werden, wenn der umstrittene Sachverhalt in den Schutzbereich einer konventionsrechtlichen Garantie fällt; deren Verletzung ist nicht erforderlich. Nicht jede unterschiedliche Behandlung bildet dabei bereits eine Diskriminierung. Eine solche liegt nur vor, wenn aufgrund eines verpönten Kriteriums (Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, nationale oder soziale Herkunft usw.) vergleichbare Situationen unterschiedlich behandelt werden, ohne dass sich dies objektiv und sachlich rechtfertigen lässt; die umstrittene Massnahme muss mit Blick auf den verfolgten Zweck zulässig erscheinen und die zu dessen Realisierung eingesetzten Mittel müssen verhältnismässig sein. Ungleichbehandlungen nach der Staatsangehörigkeit sind nicht ausgeschlossen, bedürfen aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte indessen regelmässig besonders gewichtiger Unterscheidungsgründe (CHRISTOPH GRABENWARTER, Europäische Menschenrechtskonvention, 4. Aufl., München/Basel/Wien 2009, § 26 S. 455 N. 16). Eine privilegierte Behandlung der eigenen Staatsangehörigen sowie der Staatsangehörigen von Staaten, mit denen enge Beziehungen gepflegt werden, ist grundsätzlich zulässig, muss jedoch im Einzelfall jeweils hinsichtlich der konkreten Massnahme und des jeweiligen Unterscheidungskriteriums auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 14 EMRK untersucht werden (vgl. ACHERMANN/CARONI, Einfluss der völkerrechtlichen Praxis auf das schweizerische Migrationsrecht, in: Ausländerrecht, Uebersax/Rudin/Hugi Yar/Geiser [Hrsg.], 2. Aufl. 2009, N. 6.43 ff.;MARTINA CARONI, Die Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Bereich des Ausländer- und Asylrechts, in: Jahrbuch für Migrationsrecht 2007/2008, Achermann und andere [Hrsg.], 2008, S. 265 ff., dort S. 284 f.). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte beruht eine Benachteiligung von Drittstaatsangehörigen gegenüber Staatsangehörigen eines EU-Staates bei aufenthaltsbeendenden Massnahmen auf objektiven und sachlichen Gründen, da die EU eine besondere Rechtsgemeinschaft bildet (Urteil des EGMR BGE 136 II 120 S. 129 Moustaquim gegen Belgien vom 18. Februar 1991, a.a.O., § 49; vgl. zurProblematik ausländerrechtlicher Differenzierungen auch: EPINEY/CIVITELLA, Die rechtliche Stellung von Unionsbürgern und Drittstaatsangehörigen in der Schweiz - ein Vergleich ausgewählter Aspekte, in: Jahrbuchfür Migrationsrecht 2007/2008, Achermann undandere [Hrsg.], 2008, S. 3 ff., dort insbesondere S. 55 f. mit weiteren Hinweisen). 3.4 3.4.1 Es erscheint zweifelhaft, inwiefern heute ein sachlicher Grund bestehen soll, Schweizer Bürger bezüglich des Nachzugs ihrer ausländischen Familienangehörigen schlechter zu behandeln als EU- bzw. EFTA-Angehörige. Wohl liegt ein Unterschied darin, dass der sachliche Geltungsbereich des Freizügigkeitsabkommens genau gleich wie die entsprechende Grundfreiheit des Gemeinschaftsrechts auf grenzüberschreitende Sachverhalte zugeschnitten ist, also davon abhängt, ob das Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen worden ist, was bei einem rein landesinternen Sachverhalt nicht der Fall ist. Aus dem Freizügigkeitsabkommen können deshalb keine Familiennachzugsrechte für schweizerische Staatsangehörige abgeleitet werden, die ihrerseits von der Freizügigkeit keinen Gebrauch gemacht haben. Das bedeutet allerdings nicht, dass schweizerisches Verfassungsrecht die daraus resultierende Ungleichbehandlung schweizerischer Staatsangehöriger erlaubt (vgl. PETER UEBERSAX, Einreise und Aufenthalt, in: Ausländerrecht, a.a.O., N. 7.144). Zwar mag es sachliche Gründe geben, welche es rechtfertigen können, eine strengere landesrechtliche Regelung aufrechtzuerhalten und auf schweizerische Staatsangehörige weiterhin anzuwenden, auch wenn eine entsprechende Regelung aufgrund der sektoriellen Abkommen Bürgern der EU bzw. der EFTA nicht entgegengehalten werden kann; solche sind indessen im vorliegenden Zusammenhang nicht ersichtlich, zumal die Verweigerung des Familiennachzugs einen nicht zu unterschätzenden Eingriff in das durch die Bundesverfassung und die EMRK garantierte Recht auf Achtung des Familienlebens ( Art. 13 BV , Art. 8 EMRK ) bedeutet. Zwar besteht dieses Recht nicht voraussetzungslos, sondern unterliegt es Einschränkungen, die sich unter anderem auch mit einer restriktiven Ausländerpolitik begründen lassen. Jedoch sind solche Beschränkungen, soweit sie zu Rechtsungleichheiten führen, nur statthaft, wenn sie in einer gemeinsamen Rechtsordnung, wie sie das Freizügigkeitsabkommen unter den Signatarstaaten schafft, in verhältnismässiger Weise einem BGE 136 II 120 S. 130 schutzwürdigen Zweck dienen. Ob ein solcher für eine Schlechterstellung von Schweizer Bürgern beim Familiennachzug besteht, erscheint fraglich, nachdem der Gesetzgeber mit der Einführung von Art. 42 AuG erklärtermassen selber die gestützt auf das ANAG bestehende umgekehrte Diskriminierung von Schweizer Bürgern gegenüber Personen beseitigen wollte, die sich auf die günstigeren Bestimmungen des Freizügigkeitsabkommens und der Rechtsprechung dazu berufen konnten (vgl. PETER UEBERSAX, Einreise und Aufenthalt, a.a.O., N. 7.144 f. mit weiteren Hinweisen; MARC SPESCHA, in: Migrationsrecht, Spescha/Thür/Zünd/Bolzli [Hrsg.], 2. Aufl. 2009, N. 4 und 6a zu Art. 42 AuG ). 3.5 Die Feststellung führt im vorliegenden Fall dennoch nicht dazu, dass die Beschwerde gutgeheissen werden könnte: 3.5.1 Nach Art. 190 BV sind Bundesgesetze und Völkerrecht für das Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden massgebend. Damit kann Bundesgesetzen weder im Rahmen der abstrakten noch der konkreten Normenkontrolle die Anwendung versagt werden. Zwar handelt es sich dabei um ein Anwendungsgebot und kein Prüfungsverbot ( BGE 131 II 710 E. 5.4 S. 721; BGE 129 II 249 E. 5.4 S. 263, mit Hinweisen; YVO HANGARTNER, in: Die schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, Ehrenzeller/Mastronardi/Schweizer/Vallender [Hrsg.], Bd. II, 2. Aufl. 2008, N. 8 zu Art. 190 BV ), und es kann sich rechtfertigen, vorfrageweise die Verfassungswidrigkeit eines Bundesgesetzes zu prüfen; wird eine solche festgestellt, muss das Gesetz aber angewandt werden, und das Bundesgericht kann lediglich gegebenenfalls den Gesetzgeber einladen, die fragliche Bestimmung zu ändern. 3.5.2 Der vorliegende Sachverhalt ist, wie bereits dargelegt, noch auf der Grundlage des ANAG und der dazu ergangenen Rechtsprechung zu beurteilen (vgl. BGE 129 II 249 ff.; BGE 130 II 137 ff.). Es bestehen keine zwingenden sachlichen Gründe, vor einem Entscheid des Gesetzgebers die Praxis zum bisherigen Recht zu ändern (vgl. BGE 135 II 78 E. 3 mit Hinweisen). Zwar hat sich dieser im Ausländergesetz darum bemüht, den Familiennachzug von Schweizer Bürgern mindestens gleich grosszügig zu gestalten wie denjenigen von EU-/EFTA-Staatsangehörigen. Er hat dies indessen - wie bereits ausgeführt - aufgrund des damaligen Standes der Rechtsprechung, d.h. in Übernahme der "Akrich"-Rechtsprechung, getan, die heute überholt ist. Aus Gründen der Gewaltenteilung ist es deshalb BGE 136 II 120 S. 131 vorerst ihm zu überlassen, darüber zu befinden, unter welchen Bedingungen und aus welchen Gründen er allenfalls eine Gleich- oder Ungleichbehandlung von Schweizer- und EU/EFTA-Bürgern unter dem neuen Recht hinnehmen will. Dies gilt umso mehr, als er bereits beim Erlass des Ausländergesetzes nicht alle umgekehrten Diskriminierungen beseitigt hat (vgl. etwa Art. 42 Abs. 1 AuG ; ALVARO BORGHI, a.a.O., N. 457 ff.). 3.5.3 Es kann unter diesen Umständen dahingestellt bleiben, ob Art. 42 Abs. 2 AuG künftig allenfalls in teleologischer Auslegung wortlautwidrig im Sinne der FZA-Regelung verstanden werden müsste (so MARC SPESCHA, Inländerdiskriminierung im Ausländerrecht?, AJP 2008, S. 1432 ff., insbesondere S. 1436 f.; MATTHIAS OESCH, Inländerdiskriminierung, ZBJV 145/2009 S. 787 ff.). Es ist nicht am Bundesgericht, dem Gesetzgeber hinsichtlich der künftigen Regelung Vorgaben zu machen, nachdem diesem mehrere Lösungen offenstehen, die zu einem verfassungs- und konventionskonformen Resultat und zu einer konsistenten Regelung des Familiennachzugs führen können (vgl. BGE 136 II 5
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E. 3.6.1). Der Gesetzgeber hat das Problem bereits erkannt: Zwar hat er der parlamentarischen Initiative Tschümperlin zur Beseitigung und Verhinderung von Inländerdiskriminierung (08.494), welche darauf abzielte, mit einem dynamischen Verweis auf die jeweils für EU-/EFTA-Staatsangehörigen geltende Regelung eine Ungleichbehandlung zu verhindern, keine Folge gegeben (vgl. AB 2009 N 1748), doch tat er dies mit Hinweis darauf, dass wegen der Rechtsprechung "Akrich" kein Handlungsbedarf bestehe. Nachdem das Bundesgericht inzwischen die Rechtsprechung i.S. "Metock" übernommen hat (vgl. MARC SPESCHA, Erweiterte Familiennachzugsrechte für EU-BürgerInnen: Metock-Rechtsprechung des EuGH gilt auch im Geltungsbereich des FZA, AJP 2010 S. 102 ff., dort S. 105), wird er erneut prüfen müssen, ob und welche Änderungen sich mit Blick auf das Gesamtsystem des Familiennachzugs aufdrängen. Nur falls er sich dem Problem in absehbarer Zeit nicht annehmen sollte, könnte das Bundesgericht im Rahmen von Art. 190 BV allenfalls gestützt auf Art. 14 EMRK und den Vorrang des Völkerrechts gehalten sein, über den vorliegenden Appellentscheid hinaus eine Konventionswidrigkeit im Einzelfall allenfalls selber zu korrigieren (vgl. BGE 133 V 367 E. 11 S. 386 ff.; BGE 128 IV 201 E. 1.3; BGE 128 III 113 E. 3a mit weiteren Hinweisen). Soweit ersichtlich hat der EGMR das Problem einer möglichen Verletzung von Art. 14 EMRK durch eine umgekehrte Diskriminierung, BGE 136 II 120 S. 132 d.h. durch eine Schlechterstellung der eigenen Staatsangehörigen, bisher nicht beurteilen müssen, weshalb es sich im Rahmen von Art. 190 BV rechtfertigt, dem Gesetzgeber die Möglichkeit zu belassen, im demokratischen Verfahren die sich aus der neuen Situation ergebenden Konsequenzen zu ziehen.
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Erwägungen ab Seite 374 BGE 103 Ib 373 S. 374 Erwägungen: 1. Der Regierungsrat des Kantons Zürich hatte den italienischen Staatsangehörigen S. unbefristet aus der Schweiz ausgewiesen. Der Ausländer hat um Aufhebung der Ausweisung ersucht. Das Gesuch ist von der Polizeidirektion des Kantons Zürich und auf Rekurs hin auch vom Regierungsrat abgewiesen worden. Gegen den Rekursentscheid führt S. gemäss der darin enthaltenen Rechtsmittelbelehrung Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Zwischen dem Gericht und dem Eidg. Justiz- und Polizeidepartement hat ein Meinungsaustausch über die Zuständigkeit zur Beurteilung der Beschwerde stattgefunden. 2. Nach Art. 100 lit. b Ziff. 1-4 OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem Gebiet der Fremdenpolizei in bestimmten Fällen unzulässig. Wie sich aus Ziff. 4 ergibt, ist sie gegen die auf Art. 10 ANAG gestützte Ausweisung zulässig. Ebenso kann eine Verfügung, die eine solche Ausweisung androht, mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden ( BGE 96 I 270 ). Die Verweigerung der Aufhebung oder der vorübergehenden Einstellung der Ausweisung ( Art. 11 Abs. 4 ANAG ) ist in Art. 100 lit. b OG nicht erwähnt. Daraus ist jedoch nicht zu schliessen, dass sie der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterliegt. Insbesondere kann dies nicht aus Art. 100 lit. b Ziff. 4 OG abgeleitet werden. Massgebend ist vielmehr Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG . Diese Bestimmung schliesst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Erteilung oder Verweigerung einer fremdenpolizeilichen Bewilligung aus, wenn das Bundesrecht keinen Anspruch auf die Bewilligung einräumt, d.h. wenn es den Entscheid dem Ermessen der Behörde anheimstellt, wie dies in Art. 4 ANAG vorgesehen ist. Art. 11 Abs. 4 ANAG bestimmt, dass die aufgrund des Art. 10 ANAG verfügte Ausweisung "in Ausnahmefällen" aufgehoben oder vorübergehend eingestellt werden "kann". Demnach ist auch der Entscheid über dahingehende BGE 103 Ib 373 S. 375 Gesuche in das Ermessen der Behörde gestellt. Art. 11 Abs. 4 ANAG fügt bei, dass mit der Aufhebung oder der vorübergehenden Einstellung der Ausweisung eine durch die Ausweisung aufgehobene Bewilligung nicht wiederhergestellt wird. Da die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verweigerung einer fremdenpolizeilichen Bewilligung, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt, durch Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG ausgeschlossen ist, kann sie nach dem Sinn dieser Bestimmung auch gegen die Verweigerung der Aufhebung oder Einstellung einer Ausweisung nicht offenstehen; denn hier wie dort handelt es sich um Ermessensentscheide, und zudem verschafft die Aufhebung oder Einstellung der Ausweisung dem Ausländer noch nicht eine fremdenpolizeiliche Bewilligung, auch nicht eine blosse Toleranzbewilligung, sondern nur die Möglichkeit, jeweils für kurze Zeit das Gebiet der Schweiz zu betreten. Deshalb muss angenommen werden, dass Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG auf die Verweigerung der Aufhebung oder vorübergehenden Einstellung einer Ausweisung analog anzuwenden ist. An der in BGE 97 I 63 vertretenen, aus Art. 101 lit. d OG abgeleiteten Auffassung, dass ein solcher Entscheid der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterliege, kann nicht festgehalten werden. Im vorliegenden Fall ist daher die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht zulässig, wie im Meinungsaustausch festgestellt worden ist. 3. Das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement hat im Meinungsaustausch die Auffassung vertreten, die Beschwerde an den Bundesrat sei hier ebenfalls unzulässig. Es schliesst aus einer Gegenüberstellung von Art. 125 Abs. 1 lit. b und c alt OG und Art. 73 Abs. 1 lit. b und c VwVG , dass mit der neuen Ordnung die Zuständigkeit des Bundesrates auf dem Gebiete der Fremdenpolizei nicht habe erweitert werden sollen. Nach Ansicht des Departementes wäre es auch widersprüchlich, einerseits von ihm getroffene Entscheide über Beschwerden gegen Verfügungen der Eidg. Fremdenpolizei als endgültig zu erklären ( Art. 20 Abs. 3 ANAG ), anderseits aber den Weiterzug von Entscheiden über Beschwerden gegen Verfügungen der kantonalen Fremdenpolizei an den Bundesrat allgemein zuzulassen. Das Departement nimmt an, in Fremdenpolizeisachen könne beim Bundesrat nur Beschwerde wegen Verletzung von Bestimmungen über Freizügigkeit und BGE 103 Ib 373 S. 376 Niederlassung in Staatsverträgen mit dem Ausland geführt werden, sofern nicht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig sei ( Art. 73 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 VwVG ). Schliesslich bemerkt das Departement, nach seinem Dafürhalten liege auch kein Grund dafür vor, dass der Bundesrat sich unter dem Gesichtspunkte des Art. 71 VwVG (Aufsichtsbeschwerde) mit der Sache befasse. Dem Regierungsrat könne nicht vorgeworfen werden, er habe klares Recht, wesentliche Verfahrensvorschriften oder öffentliche Interessen offensichtlich missachtet. Angesichts dieser Ausführungen des Departements besteht für das Gericht kein Anlass, die vorliegende Beschwerde dem Bundesrat zu übergeben.
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Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
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Erwägungen ab Seite 11 BGE 126 V 11 S. 11 Extrait des considérants : 1. Il s'agit d'examiner si un assuré qui obtient gain de cause devant l'autorité cantonale de recours peut prétendre une indemnité de dépens, en vertu de l' art. 85 al. 2 let . f LAVS, lorsqu'il est représenté en justice par l'Hospice général, Institution genevoise d'action sociale (ci-après: l'Hospice général). A cet égard, il y aura lieu de prendre également en considération la pratique du Tribunal fédéral des assurances en matière de dépens ( art. 159 OJ ). 2. Dans un arrêt du 12 juillet 1996 ( ATF 122 V 278 ), le Tribunal fédéral des assurances a changé sa jurisprudence en matière de droit aux dépens. Il a jugé qu'une partie représentée par l'Association suisse des invalides (ASI) et qui obtient gain de cause a droit à une indemnité de dépens, tant pour la procédure de recours fédérale ( ATF 122 V 280 consid. 3e/aa) que pour la procédure cantonale (VSI 1997 p. 36 consid. 5). A cette occasion, la Cour de céans a laissé indécis le point de savoir si cette réglementation est applicable lorsque d'autres organismes offrent une représentation qualifiée aux assurés ( ATF 122 V 280 consid. 3e/bb). Selon la jurisprudence, peuvent également prétendre des dépens les assurés qui sont représentés par le Service juridique de la Fédération suisse pour l'intégration des handicapés (SVR 1997 IV no 110 p. 341), Pro Infirmis (arrêt non publié K. du 30 avril 1998), l'Union Helvetia (arrêt non publié B. du 3 février 1995), le Syndicat industrie et bâtiment (arrêt non publié S. du 18 octobre 1982), un médecin (consid. 7 non publié de l'arrêt ATF 122 V 230 ), la rédaction BGE 126 V 11 S. 12 du Schweizerischer Beobachter (arrêt non publié H. du 15 février 1999), le Patronato INCA (arrêt non publié G. du 19 novembre 1998), CARITAS (arrêt non publié P. du 28 mai 1998), diverses communautés de travail de malades et d'invalides (consid. 4 non publié dans Praxis 1998 no 59 p. 374; arrêts non publiés S. du 28 novembre 1989 et H. du 7 mars 1986), l'avocat d'une assurance de protection juridique (arrêt non publié H. du 27 janvier 1992), le Centro Consulenze (arrêt non publié F. du 6 avril 1990) et l'association Schweizerische Multiple Sklerose (arrêt non publié S. du 3 février 1999). En revanche, postérieurement à l'arrêt ATF 122 V 278 , la Cour de céans n'a pas alloué de dépens à un assuré qui avait confié la défense de ses intérêts à l'Hospice général et qui avait obtenu gain de cause dans un litige qui l'opposait à un assureur-accidents (arrêt du 19 août 1996, publié dans la SVR 1997 UV no 91 p. 331). 3. La Commission cantonale genevoise de recours en matière d'AVS/AI a justifié l'allocation de dépens en se fondant sur les considérants de l'arrêt ATF 122 V 278 . Elle a rappelé que si un membre d'une association ne supporte pas de frais judiciaires personnellement (comme c'est le cas en l'espèce), outre les cotisations éventuelles dont il s'acquitte, l'association qui le représente doit néanmoins rémunérer ses juristes ou avocats. Aussi l'allocation d'une indemnité en faveur du mandataire, l'Hospice général, lui a-t-elle paru équitable. Dans ses observations sur le recours, la commission a précisé que l'Hospice général emploie ses propres avocats et que les assurés ne peuvent alors pas bénéficier de l'assistance juridique. 4. A l'appui de ses conclusions, l'office recourant allègue que selon l'art. 169 de la Constitution de la République et canton de Genève, l'Hospice général est un organisme chargé de l'assistance publique. L'art. 1 al. 1 de la loi genevoise sur l'assistance publique (RS/GE J 4 05, LAP/GE) stipule que la famille pourvoit à l'entretien de ses membres; à défaut, l'Etat, soit pour lui les organismes chargés de l'assistance publique, intervient de façon appropriée. L'assistance publique s'étend à toutes les personnes séjournant dans le canton de Genève ( art. 2 LAP /GE). L'Hospice général est placé sous la direction générale et la surveillance du département de l'action sociale et de la santé ( art. 3 al. 1 LAP /GE). Cet organisme est un établissement de droit public qui est chargé d'appliquer la politique sociale définie par la Grand Conseil et le Conseil d'Etat ( art. 14 LAP /GE). Compte tenu de ce qui précède, l'office recourant soutient que le but et le fonctionnement de l'Hospice général, qui est une institution BGE 126 V 11 S. 13 publique et générale d'aide sociale, sont très différents de ceux poursuivis par l'ASI. Il estime en conséquence qu'il ne se justifie pas d'appliquer aux assurés représentés par l'Hospice général la nouvelle jurisprudence de l'arrêt ATF 122 V 278 . 5. Les arguments du recourant sont pertinents. Contrairement aux représentants qualifiés énoncés au consid. 2, dont le champ d'activité ressortit au droit privé, l'Hospice général est une institution de droit public. Celle-ci ne tire pas ses ressources des cotisations ou du soutien financier de ses membres, mais essentiellement de subventions étatiques destinées à lui permettre de mener à bien sa fonction d'organisme d'assistance publique du canton de Genève. Faute de justification économique, il n'y a donc pas lieu d'appliquer les principes exposés dans l'arrêt ATF 122 V 278 au cas de l'assuré représenté par une institution publique d'assistance. En l'espèce, l'intimé n'a pas engagé de frais pour la défense de ses intérêts et son mandataire l'assiste gratuitement (le contraire n'est ni allégué ni établi) en vertu de la législation genevoise sur l'assistance publique. Dans ces conditions, l'allocation d'une indemnité de dépens n'était pas justifiée.
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Sachverhalt ab Seite 401 BGE 117 Ia 401 S. 401 Con sentenza del 6 novembre 1989 la Corte delle assise criminali del Cantone Ticino sedente a Lugano dichiarava B. colpevole dell'assassinio del giudice T., commesso a Roma il 10 ottobre 1978, BGE 117 Ia 401 S. 402 e di rapina aggravata tentata in due occasioni ai danni della Banca Nazionale delle Comunicazioni, commessa nel giugno e nel luglio 1979 a Roma, e lo condannava alla reclusione perpetua. Tale corte lo assolveva invece dall'accusa di tentato assassinio nella persona di V. e da un terzo tentativo di rapina ai danni della banca sopra menzionata. Adita sia dall'imputato che dalla Procura pubblica sottocenerina, la Corte di cassazione e di revisione penale del Cantone Ticino (CCRP) respingeva con sentenza del 6 aprile 1990 il ricorso di B. e accoglieva parzialmente quello della Procura pubblica. La CCRP dichiarava B. colpevole anche del terzo tentativo di rapina, avvenuto il 24 settembre 1979 a Roma, ma riduceva la pena a 17 anni di reclusione in virtù dell'applicazione del nuovo art. 112 CP , entrato in vigore nel frattempo, ossia il 1o gennaio 1990. B. è insorto con ricorso di diritto pubblico contro la sentenza della CCRP, chiedendone l'annullamento. La Corte di cassazione penale del Tribunale federale ha respinto il ricorso nella misura in cui era ammissibile.
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Erwägungen Considerando in diritto: 1. Il ricorrente rileva in primo luogo che non era consentito all'autorità cantonale di utilizzare come mezzi di prova le dichiarazioni rese dai coimputati "pentiti", i quali, in tale qualità, avevano beneficiato in Italia di riduzioni di pena e di altri vantaggi previsti dalla legge italiana. L'utilizzazione di questi mezzi di prova viola a suo avviso l' art. 4 Cost. , l' art. 6 CEDU e le norme della legge federale sull'assistenza internazionale in materia penale (AIMP). La legislazione italiana concernente i cd. pentiti sarebbe contraria ai principi del diritto processuale svizzero e sarebbe pertanto lesivo dell' art. 4 Cost. e dell' art. 6 CEDU tener conto delle dichiarazioni fatte dai pentiti in base a una richiesta dell'autorità cantonale, avvenuta nel quadro della normativa procedurale svizzera. Nell'interrogare i coimputati pentiti, la Corte delle assise criminali ticinese avrebbe agito in modo inammissibile, perché contrario agli art. 30 e 65 lett. c AIMP. a) È incontestato che i coimputati (nel procedimento italiano) C., D., S. e P. uditi non come testi a Lugano, e i coimputati (sempre nel procedimento italiano) Sa., L., Br. e A. sentiti dalla Corte delle assise criminali ticinese a Roma non come testi, erano stati puniti in Italia, in virtù della legislazione italiana applicabile in tale BGE 117 Ia 401 S. 403 materia, in modo considerevolmente mite e hanno fruito di notevoli vantaggi per quanto concerne la liberazione provvisoria o condizionale, per essere stati disposti a collaborare con le autorità italiane nell'ambito del procedimento avviato nei loro confronti e, in particolare, a deporre contro i loro correi. È pure incontestato che i "pentiti" rischierebbero di perdere le agevolazioni loro accordate se dovesse risultare che essi avevano a suo tempo reso false o reticenti dichiarazioni (v. gli art. 9 e 10 della legge italiana n. 304/82). b) Contrariamente a quanto ritiene il ricorrente, non può parlarsi al riguardo di alcuna violazione di norme del codice penale svizzero o del codice di procedura penale ticinese. Le autorità penali ticinesi non hanno promesso alcuno sconto di pena o altro vantaggio ai coimputati (nel procedimento italiano), prima di interrogarli come semplici informatori, né hanno comminato loro la revoca di tali agevolazioni in caso di falsità o reticenza. Esse non si sono valse di un istituto procedurale analogo a quello chiamato del "teste della corona", e a cui si avvicina la disciplina introdotta in Italia per i terroristi pentiti; tale istituto manca del tutto nella procedura penale ticinese e non è stato in alcun modo "contrabbandato" in Svizzera dalla Corte delle assise criminali ticinese. Non essendosi in presenza di mezzi di prova ottenuti illegittimamente, non si pone quindi la questione se le risultanze probatorie litigiose siano lesive dell' art. 4 Cost. o dell' art. 6 CEDU . Poiché le autorità ticinesi non hanno promesso o accordato agli informatori di cui si tratta alcuna agevolazione per quanto concerne le pene a loro inflitte in Italia, manca invero il presupposto del conseguimento illecito di mezzi di prova. Non esiste nel codice penale svizzero né nella procedura penale ticinese una disposizione che vieti di sentire persone che all'estero beneficiano dello statuto di "teste della corona". Il ricorrente stesso non adduce una norma di tal fatta. Egli ritiene peraltro che gli interrogatori in questione, svoltisi sia a Lugano che in Italia nel quadro dell'assistenza giudiziaria internazionale in materia penale, violino le disposizioni dell'AIMP. La sua tesi è infondata. Nel caso concreto non sono violati né l' art. 30 cpv. 1 AIMP , secondo il quale le autorità svizzere non possono presentare a uno Stato estero domande cui esse non potrebbero dar seguito secondo detta legge, né l'art. 65 lett. c AIMP, secondo il quale le forme di acquisizione e asseverazione dei mezzi di prova devono essere compatibili con il diritto svizzero. Alla Svizzera sarebbe senz'altro BGE 117 Ia 401 S. 404 consentito di dar seguito a una domanda straniera di assistenza tendente all'audizione di una persona che benefici all'estero dello statuto di "teste della corona", ossia a una domanda analoga a quella che la Svizzera ha nella fattispecie presentato all'Italia. Già si è illustrato come la semplice audizione di tali persone sia del tutto compatibile con la legislazione federale e con quella procedurale ticinese. Da quanto sarà esposto in seguito risulterà che l'assunzione delle prove in discussione non viola, nelle circostanze del caso concreto, neppure il diritto costituzionale svizzero né la CEDU. Giova d'altronde rilevare che la censura con cui è invocata la violazione delle disposizioni dell'AIMP, in quanto considerata, come è pure manifestamente richiesto dal ricorrente, quale censura a se stante (ossia non quale censura concernente la questione pregiudiziale della violazione dell' art. 4 Cost. o dell' art. 6 CEDU attraverso l'utilizzazione di mezzi di prova non consentiti ai sensi dell'AIMP), non è ammissibile nel quadro della procedura relativa al ricorso di diritto pubblico. Tale censura avrebbe dovuto essere sollevata nella procedura stabilita negli art. 16 e segg. AIMP e fatta valere poi con ricorso di diritto amministrativo ( art. 25 AIMP ), rimedio non esperito nella fattispecie. c) Il Tribunale federale non ha sin qui avuto occasione di esaminare se l'utilizzazione di dichiarazioni a carico di una persona, rese da un suo correo che, al beneficio dello statuto di "teste della corona", ha ottenuto in tale sua qualità riduzione di pena e altre agevolazioni, sia conforme alla Costituzione o alla CEDU. Neppure la dottrina svizzera s'è apparentemente occupata sin qui di tale problema. La Commissione europea dei diritti dell'uomo ha invece dovuto decidere su di un caso concernente un siffatto "teste della corona", a cui era stata garantita l'impunità. Essa non ha censurato l'utilizzazione a fini di prova delle sue dichiarazioni, negando peraltro una violazione dell' art. 6 CEDU solo in considerazione delle circostanze del caso concreto. In particolare, la Commissione europea ha tenuto conto del fatto che era stata data conoscenza alla difesa e ai giurati dell'intesa intervenuta tra l'accusa pubblica e il teste d'accusa, che la difesa non si era opposta all'audizione di tale teste e che il presidente della Corte aveva esortato in modo speciale i giurati ad esaminare la questione della credibilità di detto teste (Decisioni della Commissione europea dei diritti dell'uomo 7376/76 nella causa X c. Regno Unito, DR pag. 115, in particolare pag. 118 e 122). BGE 117 Ia 401 S. 405 aa) Né l' art. 4 Cost. né la CEDU regolano i criteri di utilizzazione dei mezzi di prova. Tali criteri risultano in primo luogo dalla procedura penale cantonale, o da eventuali norme processuali generali del diritto federale o cantonale. Le disposizioni della CEDU o della Costituzione contengono unicamente garanzie procedurali che vanno intese ed ossequiate nel senso di requisiti minimi destinati ad assicurare un processo equo ed imparziale, come risulta, in particolare, da quanto richiesto dall' art. 6 CEDU . Ne discende che l'ammissibilità dell'assunzione di mezzi di prova non è disciplinata astrattamente né in base a norme della CEDU né in base a quelle della Costituzione. Trattasi invece di esaminare di caso in caso, concretamente, se la procedura probatoria possa essere ritenuta equa ed imparziale e, soprattutto, se siano stati rispettati i diritti della difesa (Decisione della Corte europea dei diritti dell'uomo, Serie A, vol. 140, causa Schenk). bb) Come già rilevato, né la procedura penale ticinese né il diritto federale vietano espressamente che siano utilizzate dichiarazioni rese da un correo, che in un procedimento penale all'estero abbia beneficiato dello statuto di un "teste della corona" e che, in pratica, mantiene tale statuto anche nel procedimento aperto in Svizzera contro la persona da lui accusata, sia perché si sente vincolato a quanto da lui dichiarato in precedenza sugli stessi fatti, sia perché teme di perdere altrimenti le agevolazioni accordategli a questo titolo. Il principio della libera valutazione delle prove, enunciato nell' art. 249 PP , comporta che il giudice penale decida, senza essere vincolato da regole concernenti le prove legali ed esclusivamente in base al suo convincimento personale, fondato su di un esame coscienzioso delle circostanze, se un fatto vada ritenuto come provato. Ne segue che è vietato al giudice di negare anticipatamente e in modo generale, l'idoneità di determinati mezzi a servire come prova. Tale principio non è tuttavia incompatibile con limitazioni in materia di prova risultanti perché il diritto cantonale o norme di diritto di rango superiore, costituzionale o convenzionale, escludono certi mezzi di prova o ne subordinano l'ammissibilità a determinate condizioni, per ragioni diverse da quelle dell'idoneità a servire come prova, per esempio allo scopo di tutelare interessi pubblici o privati meritevoli di protezione ( DTF 115 IV 268 consid. 1 e richiami). Ne deriva che le dichiarazioni di un "teste della corona" straniero non possono essere considerate come un mezzo di prova inammissibile in ogni caso perché inidoneo BGE 117 Ia 401 S. 406 ad avere forza probatoria; se così non fosse, il giudice sarebbe impedito di apprezzare liberamente, ossia secondo il proprio convincimento, i mezzi di prova e sarebbe così violato il precetto stabilito dal diritto federale della libera valutazione delle prove. La censura ricorsuale è pertanto infondata nella misura in cui ritiene in modo generale inammissibile l'utilizzazione quale mezzo di prova delle dichiarazioni dei pentiti, per essere queste astrattamente sprovviste di idoneità probatoria a causa delle agevolazioni accordate ai loro autori o del timore che questi potrebbero avere di perderle. La questione se fosse arbitrario riconoscere alle dichiarazioni rese concretamente dai pentiti la forza probatoria loro riconosciuta dalle autorità cantonali può essere trattata soltanto in sede di esame della censura relativa alla valutazione arbitraria delle prove. cc) A sostegno della sua tesi, secondo cui le dichiarazioni dei pentiti non possono essere utilizzate, il ricorrente adduce che l'assunzione di tali prove è illecita. Già s'è detto che l'interrogatorio dei pentiti non viola l'ordinamento giuridico svizzero né quello ticinese. Il ricorrente non spiega perché debba dedursi dall' art. 4 Cost. o dall' art. 6 CEDU un divieto assoluto e generale di utilizzare questo mezzo di prova. Se perfino un mezzo di prova assunto illecitamente non comporta necessariamente il divieto di servirsene ( DTF 109 Ia 246 consid. b; sentenza del Tribunale federale del 10 dicembre 1987 pubblicata in Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung vol. 90/1988 pag. 420; cfr. anche la citata decisione della Corte europea dei diritti dell'uomo, Serie A, vol. 140, nella causa Schenk), ciò deve valere a maggior ragione nella fattispecie (ad analoga conclusione è pervenuta anche la Commissione europea dei diritti dell'uomo nella sua citata decisione nella causa DR 7 pag. 115). Il fatto di punire in modo più mite l'agente pentito non contraddice, in linea di principio, la disciplina giuridica svizzera. Lo dimostra l' art. 64 cpv. 5 CP ; anche se tale norma è applicata con criteri restrittivi, essa ha comunque per effetto che il pentimento è considerato come elemento di attenuazione della pena nel quadro dell' art. 63 CP (v. sulla relazione tra l'art. 64 e l' art. 63 CP , DTF 110 IV 10 , DTF 107 IV 97 , DTF 106 IV 340 seg., DTF 101 IV 309 seg., DTF 98 IV 49 , 311, DTF 97 IV 79 , 81). Rilevante in tale quadro è anche l'atteggiamento cooperativo dimostrato dal reo durante l'inchiesta delle autorità istruttorie. La differenza tra la disciplina vigente al proposito in Svizzera e la legislazione italiana sui pentiti consiste BGE 117 Ia 401 S. 407 soprattutto nella maggior concretezza con cui in Italia sono contemplate le riduzioni della pena e le agevolazioni relative all'esecuzione di quest'ultima e alla libertà provvisoria, come pure nella maggiore portata in Italia di tali riduzioni e agevolazioni. Se l'incentivo a "pentirsi" fondato sulla legge italiana è quindi maggiore, va considerato peraltro che, in senso contrario, maggiori sono altresì gli effetti pregiudizievoli a carico dell'agente le cui dichiarazioni risultino poi fallaci; accanto ad un'eventuale punizione per denuncia mendace o falsa testimonianza, ove ne siano dati i presupposti di legge, l'interessato rischia in Italia infatti di perdere i ragguardevoli benefici concessigli. Il tener conto nel procedimento svizzero delle dichiarazioni dei pentiti nella valutazione delle prove non lede quindi principi fondamentali dell'ordinamento svizzero, come assume il ricorrente, anche se la legislazione italiana sui pentiti ha certamente continuato a influenzare l'atteggiamento di tali pentiti nel corso di detto procedimento. Va rilevato inoltre che, a differenza della classica figura del "teste della corona" conosciuta dal diritto anglosassone (Common Law), i pentiti non beneficiano in Italia, almeno per i reati più gravi, d'impunità, bensì solo di riduzione, sia pure talora assai elevata, della pena. La disciplina italiana sui pentiti non va neppure confusa con un accordo (plea bargaining) tra un imputato confesso e desideroso di cooperare da un lato, e l'autorità inquirente, dall'altro, nel senso di un patteggiamento; per i pentiti trattasi di una riduzione della pena, che può accordare esclusivamente e autonomamente il competente tribunale. dd) Contrariamente all'avviso del ricorrente, nei casi concreti oggetto del presente giudizio in cui sono state utilizzate dichiarazioni di correi beneficianti in Italia del trattamento riservato ai pentiti sono adempiute le condizioni richieste dalla Commissione europea dei diritti dell'uomo nel caso Schenk perché possa esser tenuto conto validamente di tale mezzo di prova. È vero che, a differenza di ciò che avvenne nel menzionato caso sottoposto alla Commissione europea dei diritti dell'uomo, la quale ha rilevato tale circostanza, il ricorrente si è opposto all'audizione dei pentiti. Non ne può tuttavia essere dedotto che il mezzo di prova di cui trattasi non è ammissibile solo perché chi ne sia svantaggiato vi si oppone; l'accordo o l'opposizione di costui non può essere determinante, ma, semmai, costituire un elemento, tra tanti altri, rilevanti per la decisione. BGE 117 Ia 401 S. 408 Ai giudici e agli assessori giurati era del tutto nota la condizione di pentiti delle persone interrogate. La questione della loro credibilità in quanto pentiti è stata d'altronde loro ricordata espressamente dalla difesa del ricorrente, quando si è opposta alla loro audizione. Che la Corte cantonale delle assise criminali fosse consapevole di tale circostanza e della sua importanza è dimostrato anche dal fatto che i "pentiti" sono stati sentiti non come testi, bensì soltanto come correi, senza prestazione di giuramento; secondo la procedura penale ticinese, i testi sono infatti tenuti a prestare giuramento al dibattimento ( art. 82 CPP /TI); esonerati da tale obbligo sono, in linea di principio, soltanto la parte lesa e i suoi congiunti, altrimenti equiparati a testimoni ( art. 80 CPP /TI). In questo modo è stato tenuto conto di una possibile parzialità delle persone sentite; in altre procedure cantonali tale aspetto è preso in considerazione sentendo le persone sospettabili di parzialità non come testi, bensì soltanto come informatori ("Auskunftspersonen"; cfr. al proposito, HAUSER, Strafprozessrecht, pag. 177). Neppure lo stesso ricorrente pretende che l'ammissibilità del mezzo di prova litigioso (audizione dei pentiti) debba essere subordinato a condizioni più rigorose. Ciò appare evidente, e se così non fosse si rischierebbe di far capo a regole concernenti le prove legali (ai sensi dell' art. 249 PP ), suscettibili d'impedire una valutazione delle prove da parte del giudice secondo il proprio convincimento, ossia di violare il principio della libera valutazione delle prove ( DTF 115 IV 268 ). Discende da quanto sopra che la sentenza impugnata non lede l' art. 4 Cost. o l' art. 6 CEDU nella misura in cui ha ammesso l'utilizzazione delle deposizioni dei pentiti quale mezzo di prova.
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Sachverhalt ab Seite 44 BGE 110 Ib 43 S. 44 Armin Dudler räumte am 28. Januar 1961 als Eigentümer der Parzelle Nr. 202 in Rorschacherberg (SG) Wilhelm Buob zwei Kaufsrechte auf diese Liegenschaft ein, das erste für den nördlichen, in den Quartierplan Burg einbezogenen Teil, das zweite für die gesamte südliche Restfläche. Von diesem südlichen Teil lagen damals etwa 1400 m2 in der Wohnzone W 2; ungefähr 2000 m2 waren der Zone für öffentliche Zwecke zugewiesen oder waren Wald, während auf 5457 m2 eine kantonalrechtliche Bausperre zur Freihaltung des Strassenraumes für die Autobahn St. Gallen - St. Margrethen lastete, die vom kantonalen Baudepartement am 22. Juni 1956 für eine Dauer von fünf Jahren erlassen worden war. In beiden Kaufsrechtverträgen wird ausdrücklich festgehalten, der Käufer sei darüber orientiert, dass sich ein Teil des Kaufsobjektes im Gebiet der "Bausperre Autobahn" befinde. Unmittelbar nach Vertragsabschluss übte Buob das Kaufsrecht für den nördlichen Teil der Parzelle aus, überbaute ihn mit Einfamilienhäusern und veräusserte ihn parzellenweise. BGE 110 Ib 43 S. 45 Nach dem Dahinfallen der kantonalrechtlichen Bausperre wurde das Strassenprojekt am 13. Dezember 1963 durch Festlegung einer Projektierungszone nach Art. 14 des Bundesgesetzes über die Nationalstrasse (NSG) gesichert. Am 22. Oktober 1963 machte Buob vom zweiten Kaufsrecht Gebrauch und erwarb das Restgrundstück. Das Ausführungsprojekt für die Nationalstrasse N 1, Teilstrecke Meggenhus-Buriet, wurde vom Eidgenössischen Departement des Innern am 12. August 1968 genehmigt. Nach den Werkplänen war von der Parzelle Nr. 202 eine Fläche von 892 m2 entlang der Südgrenze an den Strassenbau abzutreten. Für diesen Boden erhielt Buob im Landumlegungsverfahren, das für den Erwerb des Nationalstrassen-Terrains eingeleitet worden war, das Baugrundstück Nr. 1217 "im Vogelherd" gegen eine Aufzahlung von Fr. 4'140.70 neu zugeteilt. Am 27. Mai 1968 wies die Gemeinde Rorschacherberg den nach Wegfall der Projektierungszone freigewordenen Boden nördlich der Nationalstrasse den angrenzenden Bauzonen zu; damit fiel ein grosser Teil der Parzelle Nr. 202 in die Wohnzone W 2. Die Nationalstrasse N 1 wurde auf dem fraglichen Abschnitt am 11. Dezember 1973 in Betrieb genommen. Im Juni 1977 legte die Gemeinde Rorschacherberg einen neu überarbeiteten Zonenplan auf, nach welchem ein grösseres Gebiet längs der Nationalstrasse, so auch die Parzelle Nr. 202, wieder ausgezont und der Landwirtschaftszone zugeteilt werden sollte. Die von Buob gegen die Auszonung erhobene Einsprache wurde vom Gemeinderat abgewiesen. Zur Begründung führte der Gemeinderat an, rein vom Erschliessungsgrad und von der Lage des Grundstücks her gesehen liesse sich dessen Einzonung ohne weiteres rechtfertigen, doch sei die Parzelle sehr stark dem von der Nationalstrasse ausgehenden Lärm ausgesetzt und könne eine Überbauung aus diesem Grunde nicht verantwortet werden. Buob legte gegen den Entscheid des Gemeinderates beim Regierungsrat Rekurs ein, welcher noch hängig ist. Auf Begehren Buobs ersuchte der Kanton St. Gallen im September 1977 den Präsidenten der Eidgenössischen Schätzungskommission, Kreis 11, um Eröffnung eines Enteignungsverfahrens, um dem Grundeigentümer die Anmeldung seiner Forderungen zu ermöglichen. Nach Einleitung des abgekürzten Verfahrens stellte Buob mit Eingabe vom 16. November 1977 ein Realersatzbegehren und subsidiär ein Entschädigungsbegehren von insgesamt BGE 110 Ib 43 S. 46 Fr. 410'962.- bzw. von Fr. 380'970.- für den Fall, dass eine Lärmschutzwand erstellt werden sollte. Die Schätzungskommission wies die Forderungen des Enteigneten ab. Das Bundesgericht bestätigt diesen Entscheid aus folgenden
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Erwägungen Erwägungen: 1. Die Einleitung eines Enteignungsverfahrens gemäss Art. 23 der Verordnung über die Nationalstrassen kann nicht verlangt werden, um das Ergebnis der nationalstrassenbedingten Landumlegung erneut in Frage zu stellen; Zweck des Verfahrens ist vielmehr, Probleme enteignungsrechtlicher Natur zu lösen, die sich aus dem Bau oder Betrieb der Nationalstrasse ergeben und für die das kantonale Landumlegungsrecht aus formellen oder materiellen Gründen keine Lösung bietet ( BGE 97 I 711 ; BGE 105 Ib 16 , BGE 104 Ib 83 E. 1c, BGE 99 Ia 499 ). Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer für den an die Nationalstrasse abgetretenen Boden im Landumlegungsverfahren vollen Realersatz erhielt. Ob er aus der Umlegung gar einen Vorteil zog, wie die Schätzungskommission bemerkt, kann nach den folgenden Erwägungen offen bleiben. Zu untersuchen ist hier die Frage, ob dem Beschwerdeführer für die von der Nationalstrasse ausgehenden Immissionen, welche im Rahmen des Umlegungsverfahrens nicht berücksichtigt worden sind, eine Entschädigung geschuldet sei. 2. Der Beschwerdeführer macht mit Hinweis auf BGE 104 Ib 80 ff. zunächst geltend, der durch die Lärmeinwirkung entstandene Schaden sei nach den Regeln über die Teilenteignung ( Art. 19 lit. b EntG ) zu vergüten, da die Autobahn und die von ihr ausgehenden Einwirkungen hätten ferngehalten werden können, wenn die Parzelle Nr. 202 in ihrer ursprünglichen Gestalt erhalten geblieben wäre. Diese Behauptung ist von der Schätzungskommission als unzutreffend bezeichnet worden. Zu Recht. Die für den Nationalstrassenbau beanspruchte Fläche - ein Dreieck mit einer Tiefe von höchstens 15 m - vermochte den noch überbaubaren Teil der Parzelle Nr. 202, wie sich am Augenschein bestätigt hat, in keiner Weise zu schützen. Das Grundstück wäre den gleichen oder noch stärkeren Immissionen ausgesetzt, würde die Nationalstrasse längs der ursprünglichen Südgrenze verlaufen; diese und, entgegen der Meinung des Beschwerdeführers, keine andere Annahme ist zur Klärung der Frage zu treffen, ob die Abtretungsfläche für die BGE 110 Ib 43 S. 47 Restliegenschaft eine Schutzfunktion erfüllen konnte (vgl. BGE 106 Ib 386 f.). Die vorliegende Beschwerdesache unterscheidet sich dem Tatbestand nach klar von den Fällen Eberle ( BGE 104 Ib 80 ff.) und Dr. Balmer ( BGE 106 Ib 383 ), wo bestehende Wohnbauten ihren ausgedehnten Umschwung verloren haben. Über die Entschädigungsbegehren des Beschwerdeführers ist daher ausschliesslich nach den Regeln zu befinden, die für die Enteignung nachbarlicher Abwehrrechte ( Art. 684 ZGB ) gelten. 3. Die Schätzungskommission hat einen Entschädigungsanspruch Buobs schon deshalb verneint, weil das den Lärmimmissionen ausgesetzte Grundstück faktisch nie Bauland gewesen sei und daher auch keine Werteinbusse habe erleiden können. Die Kritik, die der Beschwerdeführer in dieser Hinsicht am angefochtenen Entscheid übt, ist berechtigt. Es ist unbestritten, dass die nach dem Dahinfallen der Projektierungszone freigewordene Fläche durch Änderung des kommunalen Zonenplanes vom 27. Mai 1968/14. November 1969 der Wohnzone W 2 zugeschlagen wurde. Der fragliche Boden erlangte dadurch, wie auch die Schätzungskommission einräumt, rechtlich gesehen Baulandqualität. Im weiteren steht ausser Zweifel, dass Buob, hätte der Autobahnbetrieb nicht übermässigen Lärm mit sich gebracht, den bisher noch landwirtschaftlich genutzten Boden gleich wie den nördlichen Teil der ehemaligen Liegenschaft in Kürze überbaut und verkauft, mit anderen Worten einer besseren Verwendung im Sinne von Art. 20 Abs. 1 EntG zugeführt hätte (vgl. BGE 97 I 603 ). Die zur Erschliessung notwendige Verlängerung der Burgstrasse ist übrigens am 6. April 1972 vom Gemeinderat Rorschacherberg genehmigt worden. Auch der Regierungsrat hat den Baulandcharakter der Parzelle Nr. 202 in anderem Zusammenhang anerkannt, indem er das dem Beschwerdeführer neu zugeteilte Grundstück "im Vogelherd" in der Bauzone beliess, mit der Begründung, das ab Parzelle Nr. 202 an die Nationalstrasse abgetretene Bauland sei nach dem Grundsatz von Treu und Glauben durch Land im Baugebiet zu ersetzen (Entscheid des Regierungsrates des Kantons St. Gallen vom 4. Juli 1978 E. 4). Soweit die Schätzungskommission bei der Landbewertung auch die Zone zur Freihaltung des Strassenraumes in Betracht gezogen und ihretwegen die Überbaubarkeit der Parzelle verneint hat, geht ihre Überlegung fehl. Die negativen Auswirkungen der Projektierungszone sind werkbedingt und müssen - gleich wie günstige Vorwirkungen des Werkes - bei der Entschädigungsfestsetzung BGE 110 Ib 43 S. 48 ausser acht gelassen werden ( Art. 20 Abs. 3 EntG ; BGE 104 Ia 470 ), sofern die Beschränkung des Grundeigentums durch Projektierungszonen nicht auf eine materielle Enteignung hinausläuft und unter diesem Gesichtswinkel eine Entschädigung geschuldet wird ( Art. 18 NSG ). Dass die Parzelle Nr. 202 als Bauland zu betrachten ist, heisst allerdings noch nicht, dass die Beschwerde gutzuheissen sei. Wie noch darzulegen bleibt, kann dem Entschädigungsbegehren nicht stattgegeben werden, weil der von der Nationalstrasse ausgehende Lärm für den Beschwerdeführer voraussehbar war. 4. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung, die durch den Entscheid Werren ( BGE 94 I 286 ) eingeleitet und in zahlreichen Urteilen bestätigt wurde (vgl. BGE 95 I 490 , BGE 98 Ib 329 , BGE 100 Ib 200 , BGE 101 Ib 405 , BGE 102 Ib 271 , BGE 106 Ib 394 nicht publizierte E. 2, nicht publizierter Entscheid i.S. Philipp/Mehrlin vom 15. Dezember 1982), gelten die vom Schienen- und Strassenverkehr ausgehenden Immissionen nur dann als übermässig im Sinne von Art. 684 ZGB und lassen den Enteigner ersatzpflichtig werden, wenn sie für den Grundeigentümer nicht voraussehbar waren, ihn in spezieller Weise treffen und einen schweren Schaden verursachen. Diese Praxis kann nach Auffassung des Beschwerdeführers, der auf kritische Stellungnahmen zum Entscheid Werren verweist (vgl. GIGER, Grundsätzliche Überlegungen zum Immissionsschutz, SJZ 65/1969 S. 201 ff., hiezu Ergänzungen von WEGMANN, S. 369 ff., und OFTINGER, S. 372 ff.; KUBAT, Die Enteignung des Nachbarrechtes, Diss. Basel 1971, S. 160 ff.; MEIER-HAYOZ, Kommentar zu Art. 684 ZGB , N. 244 ff.; MERKER, Der Grundsatz der "vollen Entschädigung" im Enteignungsrecht, Diss. Zürich 1975, S. 75 ff.), nicht aufrecht erhalten werden. Es besteht kein Anlass, die ungeachtet der Kritik vom Bundesgericht weitergeführte und von den Eidgenössischen Schätzungskommissionen übernommene Rechtsprechung im vorliegenden Fall in ihrer Gesamtheit zu überprüfen. Dagegen ist die hier im Mittelpunkt stehende Frage der Vorhersehbarkeit bzw. Nichtvorhersehbarkeit der Immissionen erneut zu überdenken. Im Entscheid Werren wurde ausgeführt, die Bedingung der Nichtvorhersehbarkeit ergebe sich schon aus der früheren Rechtsprechung ( BGE 40 I 455 und nicht publizierter Entscheid Siegenthaler vom 9. Juli 1958 S. 9), nach welcher der Besitzer eines Hauses in der Nähe einer Bahn mehr Lärm in Kauf nehmen müsse als der Einwohner eines Villenquartiers und sich nicht auf Art. 684 ZGB BGE 110 Ib 43 S. 49 berufen könne, wenn sich der bereits bestehende Lärm infolge einer vorauszusehenden normalen Erweiterung der vorhandenen Bahnanlagen vermehre. Es bestehe kein Grund, den Anstösser an eine öffentliche Strasse anders zu behandeln ( BGE 94 I 302 E. 9b). Wer allerdings den Ortskern meidet und vor Bekanntwerden des Autobahnprojektes in ein Wohnquartier an der äussersten Grenze der Gemeinde zieht, der darf, wie im Urteil Reich dargelegt wurde, für sich in Anspruch nehmen, dass die Lärmplage nicht voraussehbar war und der dadurch entstehende Schaden - bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen - zu vergüten sei ( BGE 95 I 494 ). Die Kritik an der bundesgerichtlichen Rechtsprechung setzt an jenem Punkte an, wo dem Gemeinwesen zugestanden wird, durch Bau und Betrieb einer öffentlichen Strasse den Ortsgebrauch einseitig und plötzlich (statt allmählich mit fortschreitender Entwicklung) zu ändern und die neugeschaffene Situation wenn auch nicht den bereits Ansässigen so doch jenen aufzuzwingen, die erst nach Bekanntwerden des Strassenprojektes Grundbesitz erwerben (MEIER-HAYOZ, a.a.O., N. 143 und 249 zu Art. 684 ZGB ; WEGMANN, a.a.O., S. 371; OFTINGER, a.a.O., S. 372; KUBAT, a.a.O., S. 147, 153 ff.). In dieser Hinsicht wird hervorgehoben, die Tatsache, dass der mit Immissionen verbundene Betrieb zuerst auf dem Platze war (Prävention oder Priorität), sei bei der Anwendung von Art. 684 ZGB grundsätzlich ohne Bedeutung und könne den sich später Ansiedelnden nicht entgegenhalten werden, selbst wenn diese die Einwirkungen kannten (ZBJV 79/1943 S. 135, 138; SJZ 1928-29 S. 10 Nr. 3) oder voraussehen konnten (vgl. BGE 88 II 13 ). Die Unbeachtlichkeit der Prävention gelte in der Regel sogar dann, wenn der Kaufpreis mit Rücksicht auf die lästigen Einwirkungen niedriger angesetzt worden sei. Diesem Umstand sei aus Billigkeitsgründen allenfalls bei der Bemessung des Schadenersatzes Rechnung zu tragen (MEIER-HAYOZ, a.a.O., N. 139 zu Art. 684 ZGB ; BAUHOFER, Immissionen und Gewerberecht, Diss. Zürich 1916, S. 118 ff., 121; SCHLEGEL, Die Immissionen des Art. 684 ZGB in ihrem Verhältnis zu den zürcherischen kantonalen Eigentumsbeschränkungen, Diss. Zürich 1949, S. 69). Eine Enteignungsentschädigung wäre danach auch beim Bau einer öffentlichen Strasse nicht nur dem Eigentümer geschuldet, für den die Immissionen nicht vorhersehbar waren, sondern ebenfalls dem Käufer, der diese kannte oder voraussehen musste, da die Einwirkungen - um mit OFTINGER (a.a.O., S. 372) zu sprechen - "nach Lage und Beschaffenheit BGE 110 Ib 43 S. 50 der Grundstücke bisher nicht gerechtfertigt - also unzulässig - waren und jetzt bloss um den Preis einer Entschädigung zulässig werden". Der Erwerber eines Grundstückes träte mit anderen Worten in die Rechtsstellung des bisherigen Eigentümers ein (BAUHOFER, a.a.O., S. 121 unten). Es ist einzuräumen, dass nach der enteignungsrechtlichen Praxis des Bundesgerichts der Eigentümer einer öffentlichen Strasse hinsichtlich der Änderung des Ortsgebrauches sowie der Priorität bzw. der Voraussehbarkeit der Immissionen anders behandelt wird als der Besitzer eines die Nachbarschaft beeinträchtigenden Privatbetriebes. In dieser Ungleichbehandlung liegt indessen keine ungerechtfertigte Privilegierung des Enteigners; sie stützt sich vielmehr auf sachliche Gründe. Es kann nicht darüber hinweggesehen werden, dass das Gemeinwesen beim Bau und bei der Inbetriebnahme einer Strasse eine rechtmässige und im öffentlichen Interesse liegende Tätigkeit ausübt, dass dieses öffentliche Interesse den nachbarlichen Abwehrrechten vorgeht und die Unterlassungsklage daher von vornherein ausgeschlossen ist bzw. durch den enteignungsrechtlichen Entschädigungsanspruch ersetzt wird (vgl. BGE 106 Ib 244 E. 3 mit zahlreichen Hinweisen). Dem Gemeinwesen ist deshalb auch das Vorrecht einzuräumen, die Lage und Beschaffenheit der Grundstücke und den Ortsgebrauch durch das öffentliche Werk einseitig zu ändern und zu verlangen, dass dieser Änderung vom Zeitpunkt an, in dem sie eingetreten ist oder voraussehbar wird, in der Nachbarschaft Rechnung getragen wird. Nach einem Grundsatz des Enteignungsrechtes hat der Enteignete die Pflicht, alle zumutbaren Vorkehren zu treffen, um den Schaden zu vermindern oder einzudämmen. Diesem Grundsatz liefe es zuwider, würde der Nachbar einer Nationalstrasse für die immissionsbedingte Entwertung seines Hauses entschädigt, welches er auf eigene Gefahr erst erstellt hat, als der Bau der Strasse schon bekannt oder voraussehbar war. Das gleiche gilt für den Fall, dass ein Baugrundstück erst nach Bekanntwerden des Strassenprojektes erworben wird. Es ist Sache des Käufers, das Risiko zukünftiger Beeinträchtigung bei seiner Offerte mit in Betracht zu ziehen. In dieser Hinsicht befindet sich der Erwerber in anderer Lage als sein Rechtsvorgänger und darf dieser Verschiedenheit, ohne gegen die Art. 684 ZGB zugrundeliegende Idee zu verstossen, Rechnung getragen werden. Die bisherige Rechtsprechung zur Frage der Voraussehbarkeit der Immissionen ist daher zu bestätigen. 5. Der Beschwerdeführer bringt im weiteren vergeblich vor, BGE 110 Ib 43 S. 51 aus der kantonalen Bausperre und der nachfolgenden Projektierungszone habe man zwar schliessen können, dass eine Staats- oder Nationalstrasse erstellt werden solle, doch sei seinerzeit eine so hohe Lärmbelastung, wie sie heute bestehe, mangels entsprechender Erfahrung in der Schweiz auf keine Weise voraussehbar gewesen. Ausschlaggebend ist, dass der Beschwerdeführer - wie er selbst anerkennt - schon beim Kauf der fraglichen Liegenschaft wusste, dass an diese angrenzend eine wichtige Strassenverbindung geschaffen würde. Buob, der damals übrigens Mitglied des Gemeinderates war, musste deshalb darauf gefasst sein, dass sich der Ortsgebrauch ändern und für die Grundstücke längs der Autobahn eine Situation entstehen werde, die etwa jener an Hauptverkehrsadern oder in Stadtzentren entspricht. Dass nicht mit Bestimmtheit vorauszusagen war, welches Mass die Lärmbelästigung erreichen werde, ist für die Voraussehbarkeit im hier massgeblichen Sinne nicht erheblich. Auch die Tatsache, dass das im Jahre 1968 eingezonte Land ausserhalb der Nationalstrassenbaulinie lag, berechtigte den Beschwerdeführer nicht zur Annahme, dass die Überbaubarkeit stets gewähreistet sei. Wohl dienen die Baulinien dazu, den Freiraum zu sichern, der unter anderem der Wohnhygiene dienen soll (vgl. Art. 22 NSG ), doch werden sie in der Regel schematisch gezogen und können den örtlichen Verhältnissen nicht im einzelnen und auf kleinstem Raume angepasst werden. Gleichfalls unbehelflich sind schliesslich die Ausführungen des Beschwerdeführers über das Prinzip von Treu und Glauben. Die Voraussetzungen, unter denen dem Privaten Vertrauensschutz und demzufolge eine Sonderbehandlung gewährt werden kann, sind im vorliegenden Falle offensichtlich nicht erfüllt. Zudem wäre, wie das Bundesgericht unlängst in BGE 108 Ib 500 E. 1b festgehalten hat, die Schätzungskommission nicht zuständig zum Entscheid über eine Entschädigungsforderung, die der Nachbar einer Nationalstrasse wegen unrichtiger Auskünfte der Behörden erhebt. 6. Zu Recht hat es die Schätzungskommission abgelehnt, sich mit den Folgen der 1977/78 vorgenommenen, noch nicht rechtskräftigen Auszonung der Parzelle Nr. 202 zu befassen. Auch das Bundesgericht hat sich im vorliegenden Verfahren über diese Frage nicht auszusprechen und insbesondere nicht darüber zu befinden, ob mit der Änderung des Zonenplanes lediglich der schon bestehende, durch den Nationalstrassenbetrieb geschaffene Zustand baurechtlich bestätigt werde oder ob der Teilrevision eigene BGE 110 Ib 43 S. 52 planerische Tragweite zukomme (vgl. hiezu den Entscheid i.S. Haas u. Theiler c. Gemeinde Knonau vom 30. Mai 1979, publiziert in ZBl 81/1980 S. 354 ff.).
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Sachverhalt ab Seite 290 BGE 119 IV 289 S. 290 A.- Die X. AG führt unter anderem ausländisches Wildfleisch in die Schweiz ein. F. ist Vizepräsident des Verwaltungsrates und übt die Gesamtleitung der X. AG aus. B. war zwischen Mai 1983 und Juni 1987 als leitender Angestellter verantwortlich für die Abteilung Nahrung Schweiz. S. ist seit September 1987 bei der X. AG angestellt und Nachfolger von B. Mit Anklageschrift vom 21. Mai 1991 warf die Staatsanwaltschaft F., B. und S. vor, sie hätten in der Zeit von 1984 bis 1987 als Verantwortliche BGE 119 IV 289 S. 291 der X. AG für ca. 4,7 Millionen Franken knapp 450 Tonnen afrikanisches Antilopenfleisch eingekauft, das in der Schweiz hauptsächlich unter der falschen Bezeichnung "Reh", "Gems" und "Hirsch" in den Handel gelangen sollte. Weniger als zehn Prozent des Antilopenfleisches sei in der Folge unter richtiger Bezeichnung an Kundschaft verkauft worden, bei der nicht mit einer deliktischen Verwendung der Ware zu rechnen gewesen sei. Der überwiegende Teil des Fleisches habe mit falscher Bezeichnung direkt oder indirekt den Weg zum Konsumenten gefunden. B.- Am 24. März 1993 verurteilte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt (Ausschuss) in zweiter Instanz F. wegen mehrfacher Gehilfenschaft zum Betrug und mehrfacher Urkundenfälschung zu acht Monaten Gefängnis, bedingt bei einer Probezeit von zwei Jahren; B. wegen mehrfacher Gehilfenschaft zum Betrug und mehrfacher Urkundenfälschung zu sechs Monaten Gefängnis, bedingt bei einer Probezeit von zwei Jahren; S. wegen mehrfacher Urkundenfälschung zu zwei Monaten Gefängnis, ebenfalls bedingt bei einer Probezeit von zwei Jahren. C.- F., B. und S. erheben eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Appellationsgerichtes ganz, eventualiter teilweise, aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Die Verurteilung der Beschwerdeführer beruht auf verschiedenen Anklagekomplexen, die im folgenden getrennt zu prüfen sind. 2. a) Die Vorinstanz hat - abweichend vom Strafgericht, das insoweit zu einem Freispruch kam - die Beschwerdeführer 1 und 2 wegen Gehilfenschaft zum Betrug verurteilt im Anklagekomplex der Lieferungen von Antilopenfleisch unter richtiger Bezeichnung an sogenannte dubiose Abnehmer, d.h. an Abnehmer, welche das Fleisch unter falscher Bezeichnung, nämlich als europäisches Wildfleisch, weiterverkauften. Die Beschwerdeführer haben hier das Fleisch bei drei Firmen unter richtiger Bezeichnung abgesetzt. Die Vorinstanz nimmt an, diese drei Firmen hätten den Tatbestand des Betruges erfüllt, indem sie das Fleisch als europäisches Wildbret verkauften. BGE 119 IV 289 S. 292 Die Beschwerdeführer hätten gewusst oder zumindest in Kauf genommen, dass das von ihnen gelieferte Antilopenfleisch betrügerisch weiterverkauft werde. Damit hätten sie den Betrug gefördert. b) Die Beschwerdeführer wenden ein, damit werde der Rahmen der Gehilfenschaft überspannt. Der Verkauf von Antilopenfleisch sei ein normales Geschäft ohne deliktischen Sinnbezug. Es müsse eine Grenze geben, von der an auch ein im natürlichen Kausalzusammenhang mit einem Delikt stehender Vorgang, dem an sich nichts Deliktisches anhafte, keinen strafbaren Tatbeitrag mehr darstelle, weil keine Garantenstellung für das Verhalten des Haupttäters gegeben sei. In vergleichbaren Fällen, etwa beim Verkauf von Gold an eine Person, die damit ein Ausfuhrverbot umgehe, oder bei der Lieferung von Medikamenten an einen Arzt, dem man verbotene Abtreibungen nachsage, sei die erforderliche Grenze deutlicher erkennbar. Werde diese Begrenzung des Tatbestandes der Gehilfenschaft beachtet, so könne auch das Wissenmüssen um die Absichten des Käufers keine Rolle spielen. c) Nach Art. 25 StGB ist strafbar, wer zu einem Verbrechen oder zu einem Vergehen vorsätzlich Hilfe leistet. Das Gesetz umschreibt die Voraussetzungen der strafbaren Gehilfenschaft nicht näher. Es ist deshalb insoweit auf die Kriterien abzustellen, die Rechtsprechung und Lehre entwickelt haben. aa) Nach der Rechtsprechung gilt als Hilfeleistung jeder kausale Beitrag, der die Tat fördert, so dass sich diese ohne Mitwirkung des Gehilfen anders abgespielt hätte. Nicht erforderlich ist, dass es ohne die Hilfeleistung nicht zur Tat gekommen wäre. Die Förderung der Tat genügt. Anderseits muss die Hilfeleistung tatsächlich zur Tat beigetragen, also einen kausalen Beitrag dargestellt haben. Der Gehilfe muss die Erfolgschancen der tatbestandserfüllenden Handlung erhöhen ( BGE 117 IV 186 E. 3 mit Hinweisen). Im Lichte dieser Erwägung wäre der Tatbeitrag der Beschwerdeführer ohne weiteres als Gehilfenschaft zu qualifizieren. Denn die Lieferung des Antilopenfleisches an die drei Firmen, die dieses dann betrügerisch als europäisches Wild verkauft haben, stellt objektiv eine Förderung der Haupttat im Sinne der angeführten Rechtsprechung dar. bb) In der neueren Doktrin setzt sich jedoch zunehmend die Ansicht durch, dass eine kausale Risikosteigerung für die Annahme einer strafbaren Gehilfenschaft nicht ausreicht. Vielmehr wird angenommen, dass sogenannte "neutrale" Handlungen oder "Alltagshandlungen" BGE 119 IV 289 S. 293 auch dann straflos sind, wenn sie bewusst zu einer Deliktsverwirklichung beitragen (ROXIN, StGB, Leipziger Kommentar, 11. Aufl., Berlin 1993, § 27 N. 16 mit Hinweisen). Man könne in solchen Konstellationen am tatbestandsmässigen Verhalten von anderen Personen vorsätzlich mitwirken, ohne für diese "Beteiligung" im weiteren Sinn strafrechtlich zu haften. Dies gelte dann, wenn der "Beteiligte" einen Beitrag leiste, der für sich harmlos und alltäglich sei und nur durch die Verwirklichung von Plänen anderer Personen in einen schädigenden Verlauf umgebogen werde. Zu unterscheiden sei zwischen eigener Deliktsbeteiligung und dem Schaffen einer Lage, in der andere einen Tatbestand erfüllen (JAKOBS, Strafrecht, Allg. Teil, 2. Aufl., Berlin 1991, S. 696 ff., N. 13 ff. mit Beispielen). Vor allem die "normalen Geschäfte des täglichen Lebens", auch wenn sie die Begehung von Delikten ermöglichen oder Dritten deren Durchführung erleichtern, seien aus dem Kreis der missbilligten Risikoschaffung und damit des tatbestandsmässigen Verhaltens auszuscheiden. Erwähnt werden insoweit der Verkauf oder die miet- oder leihweise Überlassung deliktisch missbrauchbarer Gegenstände, die man sich jederzeit auch sonst unproblematisch durch entsprechende Geschäfte verschaffen kann, sowie die entsprechende Erbringung allgemein verfügbarer Dienstleistungen oder die Vermittlung jederzeit auch anderweitig zugänglichen Wissens. Leistungen dieser Art seien weder für sich schon wesensmässig deliktisch oder deliktisch ausgestaltet, noch komme der Leistende mit ihrer Vornahme deliktischem Verlangen nach. Die entsprechenden Leistungen würden vielmehr dem Verlangen nach Schaffung durchaus rechtskonformer Zustände Rechnung tragen, auch wenn sich diese Zustände ihrerseits deliktisch missbrauchen liessen (WOLFGANG FRISCH, Tatbestandsmässiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, Heidelberg 1988, S. 295 ff.). Strafbar sei nur eine rechtlich missbilligte Risikosteigerung (ROXIN, a.a.O., N. 16). Über die Tragweite dieses Ansatzes bzw. darüber, wie er im Einzelfall zu konkretisieren ist, gehen die Meinungen jedoch auseinander (ROXIN, a.a.O., N. 17 ff.). Die Behandlung dieser Fälle sei noch wenig geklärt (ROXIN, a.a.O., N. 16). Vorgeschlagen wird, den Aussenstehenden, der die Absichten des Täters kennt, dann zu bestrafen, wenn sein Beitrag einen deliktischen Sinnbezug aufweist, d.h. für den Täter einzig im Hinblick auf die Haupttat sinnvoll ist (ROXIN, a.a.O., N. 17). Erörtert wird auch, die Strafbarkeit des Aussenstehenden von dessen Solidarisierung mit dem Täter abhängig zu BGE 119 IV 289 S. 294 machen (HERIBERT SCHUMANN, Strafrechtliches Handlungsunrecht und das Prinzip der Selbstverantwortung der Anderen, Tübingen 1986, S. 49 ff.). cc) Der Verkauf von afrikanischem Antilopenfleisch unter richtiger Bezeichnung stellt grundsätzlich kein unrechtmässiges Verhalten dar. An sich fällt es in den Verantwortungsbereich des Abnehmers, was mit der bezogenen Ware weiter geschieht (vgl. JAKOBS, a.a.O., N. 17), und darf der Verkäufer darauf vertrauen, dass der Käufer die gekaufte Ware legal verwendet (vgl. zum Vertrauensgrundsatz und dem Prinzip der Eigenverantwortlichkeit STEFAN WEHRLE, Fahrlässige Beteiligung am Vorsatzdelikt - Regressverbot?, Basel 1986, S. 54 ff., 61 f.). Im hier zu beurteilenden Fall ist jedoch davon auszugehen, dass die an sich mögliche legale Verwendung des Antilopenfleisches durch die drei Abnehmerfirmen faktisch ausser Betracht fiel, weil die Erfahrung gezeigt hatte, dass sich Antilopenfleisch in der Schweiz unter richtiger Bezeichnung aufgrund des Verhaltens der Konsumenten nur mit Mühe absetzen lässt und keinesfalls in grossen Mengen. In einer derartigen Situation, wo der Verkäufer weiss, dass der Abnehmer die bezogene Ware praktisch nur illegal verwenden kann, rechtfertigt es sich nicht, die Strafbarkeit der Teilnahme unter dem Gesichtspunkt der Eigenverantwortung des Haupttäters einzuschränken. Die Lieferungen wären ohne die strafbaren Handlungen der Abnehmer sinnlos gewesen; der deliktische Sinnbezug ist also zu bejahen (vgl. BGE 114 IV 114 /5, wo der Sache nach für die Abgrenzung zwischen straflosem und strafbarem Verhalten ebenfalls darauf abgestellt wurde, ob verkaufte Gegenstände ausschliesslich für deliktische Zwecke verwendet werden können). Da die Beschwerdeführer das Fleisch über längere Zeit in mehreren Malen geliefert haben, ist im übrigen auch ihre Solidarisierung mit den Tätern gegeben. d) Die Beschwerde ist daher in diesem Punkte abzuweisen. 4. a) Die Vorinstanz hat schliesslich - in Übereinstimmung mit dem Strafgericht - die Beschwerdeführer wegen Falschbeurkundung verurteilt, weil sie die mit Fleisch gefüllten Plastikkisten mit falschen Inhaltsangaben beschriftet haben. b) Eine Falschbeurkundung gemäss Art. 251 Ziff. 1 StGB begeht, wer eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet oder beurkunden lässt, in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an anderen Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen. BGE 119 IV 289 S. 295 Nach der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung darf eine Falschbeurkundung nur dann angenommen werden, wenn allgemeingültige objektive Garantien die Wahrheit der Erklärung gewährleisten, wie sie unter anderem in der Prüfungspflicht einer Urkundsperson oder in gesetzlichen Vorschriften gefunden werden können, die, wie etwa die Bilanzvorschriften der Art. 958 ff. OR , gerade den Inhalt bestimmter Schriftstücke näher festlegen. Blosse Erfahrungsregeln hinsichtlich der Glaubwürdigkeit irgendwelcher schriftlicher Äusserungen genügen dagegen nicht, mögen sie auch zur Folge haben, dass sich der Geschäftsverkehr in gewissem Umfang auf entsprechende Angaben verlässt ( BGE 119 IV 54 E. 2c/bb; 118 IV 363 E. 2a; 117 IV 35 E. 1d). Zu prüfen ist, ob, wie die Vorinstanz annimmt, sich aus der eidgenössischen Fleischschauverordnung vom 11. Oktober 1957 (EFV; SR 817.191), gegebenenfalls in Verbindung mit dem Bundesgesetz betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 8. Dezember 1905 (LMG; SR 817.0), eine gesetzliche Vorschrift in diesem Sinne ergibt. Gemäss Art. 54 LMG erlässt der Bundesrat die nötigen Vorschriften unter anderem zur Verhütung von Täuschung im Verkehr mit Nahrungsmitteln (Abs. 1). Er verordnet, dass die Lebensmittel sowohl im Gross- als im Kleinverkehr so bezeichnet werden, dass eine Täuschung über ihre Natur und ihre Herkunft nicht möglich ist (Abs. 2). Gemäss Art. 108 Abs. 1 EFV muss Wildbret beim Inverkehrbringen mit dem Vulgärnamen des betreffenden Wildes bezeichnet werden. Sofern die Benennung zu Verwechslungen mit einheimischen Wildarten Anlass geben kann, ist die Herkunft anzugeben. Dabei handelt es sich offensichtlich um eine gesetzliche Bestimmung, die den Inhalt bestimmter Schriftstücke näher festlegt. Schon aus dem Gesetz ergibt sich, dass Lebensmittel sowohl im Gross- wie auch im Kleinverkehr so zu bezeichnen sind, dass eine Täuschung über ihre Natur und ihre Herkunft nicht möglich ist. In der Verordnung wird dies für das Wildbret, wie dargelegt, konkretisiert. Die Beschwerdeführer waren also verpflichtet, das von ihnen verkaufte Antilopenfleisch korrekt als solches, gegebenenfalls unter Angabe des Herkunftslandes, zu bezeichnen, und zwar auch im Grosshandel. c) Was die Beschwerdeführer dagegen vorbringen, ist unbehelflich. Sie wollen aus Art. 67 Abs. 1 lit. e und f EFV herleiten, dass für Grosshandelspackungen im Unterschied zu Konserven und verkaufsfertigen Kleinpackungen keine Sachbezeichnung verlangt werde. Die genannte Vorschrift befindet sich im Abschnitt "I. Allgemeine Vorschriften betreffend den Verkehr mit Fleisch BGE 119 IV 289 S. 296 und Fleischwaren" ( Art. 60 ff. EFV ). Die Bestimmungen im IV. Abschnitt über den Verkehr unter anderem mit Wild ( Art. 108 ff. EFV ) gehen als Spezialbestimmungen diesen allgemeinen Regeln vor. Art. 108 EFV unterscheidet denn auch nicht zwischen Gross- und Kleinhandel, sondern verlangt in jedem Fall, dass Wildbret beim Inverkehrbringen mit dem Vulgärnamen bezeichnet und dass gegebenenfalls auch die Herkunft angegeben wird. Unter Inverkehrbringen ist dabei das Gewinnen, Herstellen, Lagern oder Ankündigen zum Zwecke des Verkaufes sowie das Einführen, Feilhalten und Verkaufen zu verstehen (Art. 4 der Verordnung über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände [SR 817.02] in Verbindung mit Art. 1a EFV ), was die Beschwerdeführer vor Bundesgericht im übrigen nicht in Frage stellen. Ob sich aus einer gesetzlichen Vorschrift herleiten lässt, dass sie eine allgemeingültige objektive Garantie der Wahrheit gewährleisten will, ist eine Frage ihrer Auslegung. Ein ausdrücklicher Hinweis auf Strafbestimmungen, wie er sich in Art. 964 OR findet, ist dafür entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer nicht notwendig. Im Gegenteil ergibt sich aus der Pflicht des Grossisten, Wildbret schon auf der Grosshandelsstufe korrekt zu deklarieren, dass er insoweit eine garantenähnliche Stellung zum Schutze des Konsumenten vor unrichtiger Bezeichnung von Wild innehat. Diese garantenähnliche Stellung ist das materielle Kriterium für die Bejahung der Falschbeurkundung ( BGE 119 IV 54 E. 2d/dd). Die Beschwerdeführer machen eventualiter geltend, sie seien nicht nach Art. 251 StGB , sondern nur nach dem Übertretungstatbestand von Art. 41 Abs. 1 LMG zu bestrafen. Danach wird, wenn die Bestimmungen der Art. 36, 37 und 38 LMG nicht gegen ihn anwendbar sind, mit Haft bis zu drei Monaten oder mit Busse bis zu Fr. 1'000.-- bestraft, wer vorsätzlich den in Ausführung von Art. 54 LMG erlassenen Verordnungen zuwiderhandelt. Die Vorinstanz nimmt an, diese Übertretungsbestimmung finde nur Anwendung, wenn etwa Wildbret ohne Vulgärnamen des betreffenden Wildes oder allenfalls ohne Herkunftsangabe in Verkehr gebracht werde; erfasst sei also nur das Unterlassen der Bezeichnung. Wer weitergehend eine falsche Bezeichnung zum Zwecke der Irreführung wähle, sei nach Art. 251 StGB zu bestrafen. Der Vorinstanz ist jedenfalls im Ergebnis zuzustimmen. Nach den allgemeinen Konkurrenzregeln tritt ein Übertretungstatbestand, auch des Nebenstrafrechtes, hinter die allgemeinen schwereren Bestimmungen des Strafgesetzbuches zurück, sofern nicht von einer abschliessenden BGE 119 IV 289 S. 297 lex specialis des Übertretungstatbestandes ausgegangen werden muss. Dass mit Art. 41 LMG der gemeinstrafrechtliche Tatbestand der Falschbeurkundung, insbesondere in seiner nach der neueren Rechtsprechung restriktiven Auslegung, hätte derogiert werden sollen, ist nicht ersichtlich. d) Die Verurteilung der Beschwerdeführer wegen Falschbeurkundung verletzt deshalb Bundesrecht nicht.
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Sachverhalt ab Seite 116 BGE 123 II 115 S. 116 X. beanstandete bei der Ombudsstelle von Fernsehen DRS wiederholt verschiedene in der Zeit vom 25. Juli bis zum 18. Oktober 1995 ausgestrahlte Sendungen. Dabei ging es um den "Zischtigsclub" vom 25. Juli 1995, der anhand konkreter Beispiele der Frage nach dem Funktionieren des Einbürgerungs-Mechanismus nachging; um die "Arena" vom 25. August 1995, die unter dem Titel "Soll die Schweiz Flüchtlinge aufnehmen?" der Asylproblematik gewidmet war; um zwei Beiträge im Sendegefäss "Sternstunde Philosophie" vom 17. bzw. 24. September 1995 zum Thema "Ordnung im Namen Gottes: Christliche Staatslehren und deren Auswirkungen" bzw. "Ordnung muss sein! Wurzeln und Ableger des Rechtsradikalismus" und um die "Rundschau" vom 18. Oktober 1995 betreffend Rechtsextremismus. Am 2. November 1995 trat die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (im weitern auch: Unabhängige Beschwerdeinstanz oder UBI) auf eine Beschwerde von X. gegen den "Zischtigsclub" vom 25. Juli 1995 nicht ein, da er zum Sendegegenstand trotz seiner publizistischen Tätigkeit nicht in der von Art. 63 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1991 über Radio und Fernsehen (RTVG; SR 784.40) geforderten Beziehungsnähe stehe. Aus dem gleichen Grund nahm sie am 2. Februar 1996 eine Zeitraumbeschwerde gegen den "Zischtigsclub" und die "Arena" vom 25. August 1995 nicht an die Hand. Am 30. Dezember 1995 beschwerten sich X. und 28 Mitunterzeichner bei der Unabhängigen Beschwerdeinstanz gegen sämtliche obgenannten Sendungen, worauf die Präsidentin der UBI am 25. Juni 1996 im Sinne eines "Teilentscheids" X. unter anderem mitteilte, dass die Unabhängige Beschwerdeinstanz am 24. Mai 1996 beschlossen habe, auf die Zeitraumbeschwerde betreffend "Zischtigsclub" vom 25. Juli 1995, "Arena" vom 25. August 1995, "Sternstunde Philosophie" vom 3. September, 10. September, 17. September, 24. September und 1. Oktober 1995 sowie "Rundschau" vom 18. Oktober 1995 nicht einzutreten, da insofern kein gemeinsamer Bericht der Ombudsstelle vorliege (Ziffer 1 ihres Teilentscheids). Das Bundesgericht heisst in diesem Punkt die von X. eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut; im übrigen weist es sie ab, soweit es darauf eintritt. BGE 123 II 115 S. 117
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. a) Die Befugnis, gegen Entscheide der Unabhängigen Beschwerdeinstanz an das Bundesgericht zu gelangen, richtet sich ausschliesslich nach Art. 103 OG und ergibt sich nicht bereits aus der Beteiligung am vorinstanzlichen Verfahren. An dieser zu Art. 25 des Bundesbeschlusses vom 7. Oktober 1983 über die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (BB/UBI; AS 1984 153 ff.) entwickelten Rechtsprechung hat sich mit dem Radio- und Fernsehgesetz nichts geändert ( BGE 121 II 359 E. 1a S. 361, 454 E. 1a S. 455). Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Entscheide der Unabhängigen Beschwerdeinstanz kann demnach nur führen, wer durch den angefochtenen Entscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat ( Art. 103 lit. a OG ). Der Beschwerdeführer muss stärker als jedermann betroffen sein und in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache stehen. Ein schutzwürdiges Interesse in diesem Sinne liegt nur vor, wenn die tatsächliche oder rechtliche Situation des Beschwerdeführers durch den Ausgang des Verfahrens beeinflusst werden kann (vgl. BGE 121 II 176 E. 2a S. 177 f., mit Hinweisen). Art. 103 lit. a OG setzt zudem voraus, dass der Beschwerdeführer am Verfahren vor der Unabhängigen Beschwerdeinstanz beteiligt war und mit seinen Anträgen ganz oder teilweise unterlegen ist (formelle Beschwer). Er verlangt indessen nicht, dass der Beschwerdeführer vor der Vorinstanz bereits als Betroffener ( Art. 63 Abs. 1 lit. b RTVG ) aufgetreten ist ( BGE 115 Ib 387 E. 1b S. 389 letzter Satz). Auch der Popularbeschwerdeführer ( Art. 63 Abs. 1 lit. a OG ), der die Voraussetzungen von Art. 103 lit. a OG erfüllt, kann zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert sein (vgl. BGE 121 II 359 E. 1 S. 361 f.). Obwohl ihm in der Regel die erforderliche Nähe zum Verfahrensgegenstand fehlen dürfte ( BGE 121 II 359 E. 1b/cc S. 362; BGE 114 Ib 200 E. 1b S. 202), ist die Frage jeweils im Einzelfall zu prüfen (vgl. zu Art. 14 lit. a BB/UBI: BGE 114 Ib 200 E. 1b S. 202). b) Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei als Betroffener aufgrund seiner engen Beziehungen zu den einzelnen Sendungen legitimiert, die verschiedenen Beiträge als rundfunkrechtswidrig zu beanstanden. Er beruft sich in diesem Zusammenhang auf seine publizistische Tätigkeit im Bereich der Ausländerpolitik und auf seine politischen Rechte. aa) Wer vor der Unabhängigen Beschwerdeinstanz nicht zur Betroffenenbeschwerde zugelassen wird, kann hiergegen Verwaltungsgerichtsbeschwerde BGE 123 II 115 S. 118 führen. Das Bundesgericht bejaht in diesen Fällen die Beschwerdebefugnis unabhängig vom Rechtsschutzinteresse in der Sache selber ( BGE 123 II 69 E. 1b; BGE 121 II 454 E. 1b S. 456). Die UBI nahm die Beschwerde vorliegend nicht mangels Beschwerdeberechtigung nicht an die Hand, sondern aus einem andern Grund; die Frage der Legitimation des Beschwerdeführers bildet deshalb nicht Gegenstand des angefochtenen Entscheids. Das Problem hängt jedoch eng mit der ebenfalls angefochtenen Zwischenverfügung (Unterschriftserfordernis bei der Popularbeschwerde) bzw. mit Art. 103 lit. a OG zusammen. Wäre der Beschwerdeführer als Betroffener zur Beschwerde zuzulassen, stellte sich die entsprechende Frage nicht. Es rechtfertigt sich unter diesen Umständen, hier trotzdem kurz darauf einzugehen. bb) Zur Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz ist nach Art. 63 Abs. 1 lit. b RTVG befugt, wer am Verfahren vor der Ombudsstelle beteiligt war, mindestens 18 Jahre alt ist, über das Schweizerbürgerrecht oder als Ausländer über die Niederlassungs- oder Aufenthaltsbewilligung verfügt und eine "enge Beziehung zum Gegenstand einer oder mehrerer Sendungen" nachweist. Eine solche besteht, wenn der Beschwerdeführer selber direkt Gegenstand des beanstandeten Beitrags gebildet hat oder sonst durch seine Tätigkeit in einem besonderen persönlichen Verhältnis zu dessen Inhalt steht und sich dadurch von den übrigen Programmkonsumenten unterscheidet (unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 23. August 1996 i.S. Hool, E. 2a; Entscheide der Unabhängigen Beschwerdeinstanz in VPB 59/1995 NR. 14 [S. 109], 53/1989 NR. 49 [S. 349] und 52/1988 nr. 12 [s. 57]; MARTIN DUMERMUTH, die Programmaufsicht bei Radio und Fernsehen in der Schweiz, Basel 1992, s. 207 ff.; LEO SCHÜRMANN/PETER NOBEL, Medienrecht, 2. Aufl., Bern 1993, S. 204). Die Beschwerdelegitimation nach Art. 63 Abs. 1 lit. b OG ist nur zurückhaltend anzunehmen. Genügte hierfür ein beliebiger Zusammenhang zwischen dem Tätigkeitsgebiet des Beschwerdeführers und dem Sendegegenstand, würde die Befugnis übermässig ausgedehnt (vgl. BGE 114 Ib 200 ff.; DUMERMUTH, a.a.O., S. 209), zumal das Radio- und Fernsehgesetz in Art. 63 Abs. 1 lit. a - im Gegensatz zu den allgemeinen verwaltungsprozessualen Regeln - gerade ein spezifisches Popularbeschwerderecht kennt (unveröffentlichtes Urteil vom 23. August 1996 i.S. Hool, E. 2a). cc) Vorliegend bestand keine solche enge Beziehung. Der Beschwerdeführer war nicht nach Art. 63 Abs. 1 lit. b RTVG beschwerdebefugt, BGE 123 II 115 S. 119 und er kann sich auch vor Bundesgericht nicht auf eine besondere, beachtenswerte, nahe Beziehung zum Sendegegenstand im Sinne von Art. 103 lit. a OG berufen: Der Beschwerdeführer bildete nicht Gegenstand der verschiedenen von ihm beanstandeten Beiträge. Dem Stimmbürger fehlt aber zum vornherein die Legitimation, allein gestützt auf seine politischen Rechte einen Entscheid der Unabhängigen Beschwerdeinstanz über die Einhaltung rund-funkrechtlicher Vorschriften mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anzufechten ( BGE 115 Ib 387 ff.; SCHÜRMANN/NOBEL, a.a.O., S. 207). Auch wer sich engagiert zu einer politischen Frage äussert, ist nicht bereits deshalb befugt, deren Darstellung als rundfunkrechtswidrig zu rügen (vgl. BGE 114 Ib 200 E. 2c S. 203; unveröffentlichtes Urteil vom 2. Dezember 1996 i.S. Weigelt/Bradke, E. 2b/aa). Ein besonderes persönliches Interesse an einem Thema verschafft für sich allein keine legitimationsbegründende enge Beziehung zum Gegenstand einer entsprechenden Sendung (vgl. VPB 50/1986 Nr. 20; SCHÜRMANN/NOBEL, a.a.O., S. 204; GABRIEL BOINAY, La contestation des émissions de la radio et de la télévision, Porrentruy 1996, Rz. 435). Es steht in diesen Fällen ausschliesslich die Popularbeschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz offen. c) Der Beschwerdeführer ficht den Nichteintretensentscheid der UBI auch als Popularbeschwerdeführer an. Hierzu ist er trotz fehlenden schutzwürdigen Interesses in der Sache selber legitimiert. aa) Zwar ging das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung zum alten Recht (BB/UBI) davon aus, dass der Popularbeschwerdeführer über kein schutzwürdiges Interesse verfüge, um mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde Verfahrensmängel vor der UBI zu rügen. Der Bundesbeschluss räume dem Beanstander einer Sendung keine Parteirechte ein; vielmehr sei die Anwendung des Verwaltungsverfahrensgesetzes ausdrücklich ausgeschlossen (Art. 3 lit. ebis VwVG). Parteirechte bestünden lediglich, wenn der private Beanstander einer Sendung in der Sache selber zur Erhebung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht legitimiert sei; nur dann dürften nach dem Grundsatz der Einheit des Verfahrens die Parteirechte im vorinstanzlichen Verfahren nicht enger sein als im anschliessenden bundesgerichtlichen ( BGE 111 Ib 294 E. 2b S. 298). Da mit der Popularbeschwerde keine Parteistellung verbunden sei, verfüge der Popularbeschwerdeführer über keine Parteirechte, weshalb er kein schutzwürdiges Interesse habe, mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde eine entsprechende Verletzung geltend zu machen (unveröffentlichtes Urteil vom 7. November 1991 i.S. B., E. 3). BGE 123 II 115 S. 120 bb) Diese Rechtsprechung kann nicht unbesehen auf den vorliegenden Fall und die neue Regelung im Radio- und Fernsehgesetz übertragen werden. Ging es im zitierten Entscheid um die Frage eines zweiten Schriftenwechsels, worauf kein Anspruch bestand, steht vorliegend die Rechtmässigkeit eines Nichteintretensentscheids zur Diskussion. Art. 63 Abs. 1 lit. a RTVG räumt jedermann, der die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, das Recht ein, mit 20 weiteren Personen im öffentlichen Interesse das Programmaufsichtsverfahren auszulösen. Die UBI ist in diesem Fall gehalten, die Eingabe materiell zu prüfen. Nach Art. 63 Abs. 3 RTVG tritt sie auch auf Popularbeschwerden ein, die nicht von mindestens 20 Mitunterzeichnern getragen sind, wenn ein öffentliches Interesse an einem Entscheid besteht; in diesem Fall haben die Beschwerdeführer jedoch keine Parteirechte. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber neben der formalisierten Popularbeschwerde wieder eine eigentliche Aufsichtsbeschwerde im klassischen Sinn eingeführt. Mit dem Hinweis, dass den Beschwerdeführern dabei keinerlei Parteirechte eingeräumt würden, brachte er zum Ausdruck, dass umgekehrt bei Erfüllung der formellen Voraussetzungen von Art. 63 Abs. 1 lit. a RTVG grundsätzlich ein Anspruch auf materielle Behandlung besteht (so schon für das alte Recht DUMERMUTH, a.a.O., S. 244, mit Hinweis auf die Ausführungen von Kommissionssprecher Koller im Nationalrat [Amtl.Bull. N 1983 S. 473]). Der Beschwerdeführer, der sich gegen einen Nichteintretensentscheid der UBI wendet, steht zu diesem und damit zur Streitsache vor Bundesgericht näher als irgendein Dritter, der am Verfahren vor der Ombudsstelle nicht beteiligt war. Seine tatsächliche oder rechtliche Situation wird bei einer Gutheissung der Beschwerde insofern verbessert, als die Vorinstanz die verlangte Prüfung der Sendungen vorzunehmen und den Popularbeschwerdeführer über den Verfahrensausgang zu informieren hat (vgl. BOINAY, a.a.O., Rz. 536). Der Beschwerdeführer ist deshalb - trotz fehlender Sachlegitimation - als Popularbeschwerdeführer berechtigt, den Nichteintretensentscheid der UBI mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anzufechten. Hieran ändert auch Art. 101 lit. a OG nichts, wonach die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Zwischenverfügungen und Entscheide über Rechtsverweigerungs- oder Rechtsverzögerungsbeschwerden ausgeschlossen ist, soweit sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Endverfügung als unzulässig erweist. Diese Bestimmung bezieht sich auf den Ausschluss des Rechtsmittels nach dem Gegenstand der Verfügung bzw. nach dem Sachgebiet (vgl. BGE 119 Ib 412 E. 1b S. 413 BGE 123 II 115 S. 121 [Asyl]; 115 Ib 424 E. 2b S. 429 [Plangenehmigung]; 111 Ib 73 E. 2a S. 75 [Asyl]; 110 Ib 197 E. 2a S. 199 [Entscheid über das Ergebnis einer Berufs-, Fach- oder anderen Fähigkeitsprüfung]; 104 Ib 307 E. 2a S. 312 [Konzessionserteilung, auf die kein Anspruch besteht]). Sie beschlägt indessen nicht auch Fälle, für welche die Spezialgesetzgebung die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausdrücklich vorsieht, auf die im Einzelfall jedoch mangels Legitimation unter Umständen nicht eingetreten werden kann (für die Beschwerdeberechtigung des Popularbeschwerdeführers gegen einen Nichteintretensentscheid: DUMERMUTH, a.a.O., S. 243 f.; ähnlich: BERNARD CORBOZ, Le contrôle populaire des émissions de la radio et de la télévision, in Mélanges Robert Patry, Lausanne 1988, S. 293 FN 50; ablehnend: BOINAY, a.a.O., Rz. 570; Frage zum alten Recht offengelassen im unveröffentlichten Entscheid des Bundesgerichts vom 14. Februar 1986 i.S. Association vaudoise des téléspectateurs et auditeurs). 3. a) Nach Art. 60 Abs. 1 RTVG kann jedermann innert 20 Tagen eine Sendung bei der Ombudsstelle beanstanden. Bezieht sich die Beanstandung auf mehrere Sendungen, beginnt die Frist mit der Ausstrahlung des letzten Beitrags. In diesem Fall darf die erste Sendung nicht länger als drei Monate vor der letzten liegen. Diese sogenannte "Zeitraumbeschwerde" setzt einen thematischen Zusammenhang zwischen den einzelnen Sendungen voraus (vgl. hierzu VPB 55/1991 Nr. 34 bzw. 59/1995 Nr. 42 [S. 350]) und dient in erster Linie der Durchsetzung des Vielfaltsgebots, das nicht in jeder Einzelsendung, sondern bloss innerhalb des Programms insgesamt zu erfüllen ist (Martin Dumermuth, Rundfunkrecht, Rz. 444 bzw. 454, in: Koller/Müller/Rhinow/Zimmerli, Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Basel/Frankfurt a.M. 1996). Die Ombudsstelle informiert die Beteiligten spätestens innert 40 Tagen nach Einreichung der Beanstandung schriftlich über die Ergebnisse ihrer Abklärungen und die Art der Erledigung ( Art. 61 Abs. 3 RTVG ). Innert 30 Tagen nach Eintreffen der Mitteilung kann gegen die beanstandeten Sendungen an die Unabhängige Beschwerdeinstanz gelangt werden, wobei der Eingabe der Bericht der Ombudsstelle beizulegen ist ( Art. 62 Abs. 1 RTVG ). b) Die Unabhängige Beschwerdeinstanz ging im angefochtenen Entscheid davon aus, bei einer Zeitraumbeschwerde habe sich der Bericht der Ombudsstelle nicht allein auf die einzelnen Sendungen, sondern auf alle beanstandeten Beiträge insgesamt zu beziehen. Art. 60 RTVG , der die Zeitraumbeschwerde regle, betreffe das BGE 123 II 115 S. 122 Verfahren vor der Ombudsstelle, da bezüglich der Einreichung der Beschwerde bei ihr - im Unterschied zur bisherigen Regelung - eine entsprechende Bestimmung fehle. Für eine schlichtungsweise Erledigung des Verfahrens vor der Ombudsstelle sei es unabdingbar, dass diese "in ihrem Entscheid sämtliche unter dem Titel einer Zeitraumbeschwerde eingereichten Beanstandungen als Ganzes unter dem Gesichtspunkt des behaupteten sachlichen Zusammenhangs würdigen kann. Die diesbezüglichen Erwägungen finden Eingang in den alle gerügten Sendungen übergreifenden Ombudsbericht", der gemäss Art. 62 Abs. 1 (in fine) RTVG Voraussetzung einer Beschwerde an die UBI bilde. c) Diese Auffassung ist - zumindest im vorliegenden Fall - überspitzt formalistisch und trägt der Natur des Schlichtungsverfahrens und des Berichts der Ombudsstelle sowie den konkreten Umständen zu wenig Rechnung. aa) Nach Art. 61 RTVG prüft die Ombudsstelle die bei ihr eingereichten Beanstandungen und vermittelt zwischen den Beteiligten. Dabei kann sie insbesondere die Angelegenheit mit dem Veranstalter besprechen bzw. ihm in leichten Fällen zur direkten Erledigung überweisen (Abs. 1 lit. a); für eine direkte Begegnung zwischen den Beteiligten sorgen (Abs. 1 lit. b); Empfehlungen an den Veranstalter abgeben (Abs. 1 lit. c) sowie die Beteiligten über die Zuständigkeiten, das massgebende Recht und den Rechtsweg orientieren (Abs. 1 lit. d). Die Ombudsstelle hat keine Entscheidungs- oder Weisungsbefugnis ( Art. 61 Abs. 2 RTVG ). Es handelt sich bei ihr nicht um eine Vorinstanz der UBI, und es bestehen ihr gegenüber dementsprechend umgekehrt auch keinerlei entsprechende Weisungsbefugnisse (BOINAY, a.a.O., Rz. 354 f.). Der Gesetzgeber hat das Ombudsverfahren bewusst formlos gehalten (vgl. Amtl.Bull. 1990 StR 611 Votum Josi Meier) und der Ombudsstelle die Möglichkeit belassen, ihre Erledigung jeweils dem Einzelfall und der Art der Beanstandung anzupassen (BOINAY, a.a.O., Rz. 353, 366 und 368). Ihr Bericht informiert über die Ergebnisse der Abklärungen und die Art der Erledigung der Beanstandung. Er folgt nicht streng rechtlichen Überlegungen, sondern bringt weitgehend die persönliche Ansicht der Ombudsstelle zum Ausdruck. Gemäss Art. 61 Abs. 4 RTVG kann im beiderseitigen Einverständnis auf den Bericht auch verzichtet und die Sache mündlich erledigt werden. In der Regel wird sich die Ombudsstelle bei einer Zeitraumbeschwerde zwar überdachend auch zur Frage der Einhaltung des Vielfaltsgebots äussern, tut sie dies jedoch nicht, kann die Unabhängige Beschwerdeinstanz nicht BGE 123 II 115 S. 123 einfach auf eine entsprechende Beschwerde nicht eintreten. Sie hat in diesem Fall vielmehr die konkreten Umstände und den Inhalt der verschiedenen Eingaben zu würdigen. bb) Der Beschwerdeführer hat sich vorliegend wiederholt an die Ombudsstelle und an die Unabhängige Beschwerdeinstanz gewandt und seine Absicht, eine Zeitraumbeschwerde einzureichen, zum Ausdruck gebracht. Bereits am 13. September 1995 wandte er sich gegen den "Zischtigsclub" vom 25. Juli 1995 und die "Arena" vom 25. August 1995 mit einer solchen an die Ombudsstelle. Am 18. September 1995 gelangte er mit einem Schreiben an die UBI, worin er um Auskunft über die Möglichkeiten einer Zeitraumbeschwerde bat. Am 20. September 1995 ersuchte er die Ombudsstelle um Mitteilung von Urteilen zu diesem Problemkreis. In den jeweiligen Antworten wurde er nie darauf aufmerksam gemacht, dass die UBI einen gemeinsamen überdachenden Ombudsbericht voraussetzen werde. Am 31. Oktober 1995 legte die Ombudsstelle ihren Bericht zur "Arena" vor; dabei hielt sie zum Problem der Zeitraumbeschwerde fest, die Themen der Sendungen seien so verschieden gewesen, dass sich die Zulassung einer Zeitraumbeschwerde nicht rechtfertige. Es werde allenfalls an der Unabhängigen Beschwerdeinstanz sein, diese Frage zu klären. Zumindest insofern lag somit ein Ombudsbericht vor. Gegen die Sendungen "Sternstunde Philosophie" vom 17. und 24. September 1995 gelangte der Beschwerdeführer am 13. Oktober 1995 an die Ombudsstelle, wobei er nicht ausdrücklich geltend machte, seine Beanstandung sei auch mit Blick auf eine Zeitraumbeschwerde zu behandeln. Dies tat er jedoch am 6. November 1995 in seiner Eingabe bezüglich der letzten von ihm eingereichten Beanstandung betreffend die "Rundschau" vom 18. Oktober 1995 und damit noch vor dem Schlussbericht der Ombudsstelle vom 4. Dezember 1995 bezüglich der Sendungen "Sternstunde Philosophie". Die Ombudsstelle ging auf diesen Antrag in der Folge nicht ein und äusserte sich in ihren weiteren Stellungnahmen zur Frage der Zeitraumbeschwerde - vermutlich mit Blick auf ihre bereits am 31. Oktober 1995 abgegebene Beurteilung - nicht mehr. Der Beschwerdeführer ist seinen Verfahrenspflichten, so gut er konnte, nachgekommen. Wenn die Ombudsstelle auf die Problematik der Zeitraumbeschwerde in ihrem letzten Bericht nicht mehr einging, darf dies nicht zu seinen Lasten gehen. Dies um so weniger, als er bereits am 11. November 1995 auch in seiner Beschwerde an die UBI gegen die "Arena" geltend gemacht hatte, gegen alle fünf beanstandeten Beiträge eine Zeitraumbeschwerde BGE 123 II 115 S. 124 führen zu wollen, ohne dass er in der Folge auf die entsprechenden Formerfordernisse aufmerksam gemacht worden wäre. Der Nichteintretensentscheid der UBI mit der Begründung, es liege kein umfassender Ombudsbericht vor, ist unter diesen Umständen überspitzt formalistisch und verstösst auch gegen Treu und Glauben. Ziffer 1 des angefochtenen Teilentscheids ist deshalb aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. Es wird an dieser liegen, zu prüfen, ob allenfalls auf die Zeitraumbeschwerde aus einem andern Grund nicht einzutreten ist (hinreichend klar zuzuordnende Unterschriften, Begründungspflicht, Sachzusammenhang der verschiedenen Sendungen usw.) oder die Eingabe als zum vornherein offensichtlich unbegründet zu gelten hat (vgl. BOINAY, a.a.O., S. 445 ff.).
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Sachverhalt ab Seite 65 BGE 120 Ib 64 S. 65 X. ist Eigentümer eines Wohnhauses an der Alten Staffeleggstrasse in Küttigen. Das Haus liegt nach dem Zonenplan vom 11. Dezember 1981 in der Dorfkernzone gemäss § 44 der Bauordnung vom 11. Dezember 1981 (genehmigt vom Grossen Rat am 26. Februar 1982; BO), der Garten in der Dorfzone gemäss § 43 BO. Am 18. Dezember 1989 stellte der Gemeinderat von Küttigen auf dem Dachfirst des Wohnhauses von X. eine nicht bewilligte Parabolantenne fest. Nachdem er diesem Gelegenheit gegeben hatte, sich zur Sache zu äussern, verfügte der Gemeinderat am 23. Januar 1990 den Abbruch der Antenne und büsste X. mit 300 Franken. Dagegen erhob X. Beschwerde ans Baudepartement des Kantons Aargau, welches am 27. September 1990 einen Augenschein durchführte. An diesem wurde vereinbart, dass X. ein Baugesuch für eine Parabolantenne auf der Südseite des Daches einreichen sollte. Das Verfahren wurde daraufhin sistiert. Am 26. Februar 1991 wies der Gemeinderat das neu eingereichte Baugesuch für eine solche in der Farbe des Daches braun lackierte Antenne, welche den Dachfirst nicht übersteigen würde, ab. Zur Begründung führte er an, das Wohnhaus befinde sich in der Dorfkernzone, in welcher nach § 66 BO Aussenantennen generell ausgeschlossen seien. Das Baudepartement nahm in der Folge das Verfahren wieder auf. Es wies die Beschwerde am 13. Juni 1991 ab und verfügte den Abbruch der Parabolantenne innert 30 Tagen. Diesen Entscheid fochten X. und Y., dessen Firma Z. AG die in Frage stehende Satellitenempfangsanlage hergestellt und montiert hatte, beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau an. Dieses wies die Beschwerde des ersteren am 16. Juni 1992 ab und trat auf diejenige des letzteren mangels Legitimation nicht ein. BGE 120 Ib 64 S. 66 Dagegen gelangt X. mit Eingaben vom 28. Januar 1993 sowohl mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung verschiedener von EMRK, Bundesverfassung und Kantonsverfassung garantierter Individualrechte als auch mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde wegen Verletzung von Art. 52 und 53 des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen vom 21. Juni 1991 (RTVG; SR 784.40) ans Bundesgericht. Baudepartement, Gemeinderat und das Verwaltungsgericht beantragen, die Beschwerden abzuweisen. Das EVED äusserte sich am 10. Mai 1993 im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens zur Auslegung von Art. 53 RTVG im allgemeinen, verzichtet jedoch mangels eigener örtlicher Kenntnisse auf einen Antrag. Das Bundesgericht tritt auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht ein und weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. a) Ein Eingriff in die verfassungsrechtlich als Bestandteil der Informationsfreiheit geschützte Empfangsfreiheit ist zulässig, wenn er auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist. b) Der angefochtene Entscheid wendet § 66 BO an, welcher wie folgt lautet: "Aussenantennen sind nicht gestattet. Bestehende Anlagen dürfen nicht erneuert werden." Diese Bestimmung widerspricht offensichtlich Art. 53 RTVG , der das Verbot von Aussenantennen nur noch für bestimmte Gebiete zulässt und ist insofern überholt. Der Gemeinderat ist sich dessen bewusst und will § 66 BO nur noch auf Dachantennen innerhalb der Dorfkernzone anwenden. Diese erstreckt sich auf einer Länge von rund 500 m entlang der Hauptstrasse und weist je eine Gebäudetiefe auf, ist somit durchaus ein "bestimmtes" Gebiet im Sinne des Bundesrechts. Im Entwurf für eine neue Bauordnung der Gemeinde ist die Bestimmung nicht mehr enthalten; es wird nur noch verlangt, dass sich Aussenantennen einwandfrei in das Orts- und Landschaftsbild einzupassen haben (§ 64 Entwurf BO, Fassung Kant. Vorprüfung vom Februar 1993). Es ist nicht zu beanstanden, dass die kantonalen Behörden den mit übergeordnetem Recht in Widerspruch geratenen § 66 BO bis zu dessen Revision einschränkend und verfassungskonform (Art. 2 ÜbBest. BV) auslegen. Zwar ist es unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit nicht unproblematisch, das nach dem Wortlaut der Bestimmung für das ganze BGE 120 Ib 64 S. 67 Gemeindegebiet geltende Verbot von Aussenantennen nur noch auf Teile davon (die Dorfkernzone) und dort nur noch auf Dachantennen anzuwenden. Das muss jedoch zumindest für die Übergangszeit bis zur Revision der BO - sie befindet sich bereits in der kantonalen Vorprüfung - hingenommen werden, weil sonst die Gemeinde bis dahin keinerlei Handhabe mehr hätte, die Errichtung von Aussenantennen zu ordnen und gegebenenfalls zu verhindern, auch dort nicht, wo das zum Schutz eines bedeutenden Ortsbildes notwendig wäre. § 66 BO bildet somit, im Lichte von Art. 53 RTVG ausgelegt, eine genügende gesetzliche Grundlage für ein Antennenverbot. 5. a) Für die Interessenabwägung und die Prüfung der Verhältnismässigkeit im Anwendungsfall hat der Bundesgesetzgeber in Art. 53 RTVG bereits eine Wertung vorgenommen. Danach wird dem Grundrecht auf möglichst unbehinderten Zugang zu allen frei verfügbaren Informationsquellen hohe Priorität eingeräumt; die aus raumplanerischen Gründen erwünschten Verbote von Aussenantennen - diese können das Orts- und Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen - fallen nur noch unter den einschränkenden Voraussetzungen des Art. 53 RTVG in Betracht. Gemäss Art. 53 Abs. 1 lit. a RTVG sind Antennenverbote nur zum Schutz bedeutender Ortsbilder zulässig. Aus den Materialien geht hervor, dass der Gesetzgeber damit ausdrücklich an die Formulierung von Art. 17 Abs. 1 lit. c RPG anknüpfen wollte; der Versuch des Ständerates, "bedeutend" zu streichen, wurde vom Nationalrat im Differenzbereinigungsverfahren bewusst verhindert (Amtl.Bull. Nationalrat 1991 S. 344). b) Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers wurde Küttigen ins Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz aufgenommen und als Ortsbild von regionaler Bedeutung eingestuft (hrsg. vom EDI, Bern 1988, Kanton Aargau Bd. 1 S. 20; ISOS). Richtig ist nur, dass Küttigen im Bundesinventar nicht dokumentiert ist, weil sich diese Dokumentation auf die Ortsbilder von nationaler Bedeutung beschränkt. Dementsprechend ist Küttigen im Anhang zur Verordnung über das Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz vom 9. September 1981 (SR 451.12) ebenfalls nicht enthalten (Art. 5 des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz vom 1. Juli 1966, SR 451; NHG). Daraus folgt jedoch entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers noch keineswegs, dass das Ortsbild von Küttigen nicht bedeutend ist im Sinne von Art. 17 Abs. 1 lit. c RPG bzw. Art. 53 Abs. 1 lit. a RTVG . Der Natur- und BGE 120 Ib 64 S. 68 Heimatschutz ist in erster Linie Sache der Kantone ( Art. 24sexies Abs. 1 BV ), und ihnen obliegt es gemäss Art. 17 RPG auch in erster Linie, die für den Schutz bedeutender Ortsbilder erforderlichen Massnahmen zu treffen. Nach § 16 des Dekretes über den Schutz von Kulturdenkmälern vom 14. Oktober 1975 ist der Ortsbildschutz im Kanton Aargau Sache der Gemeinden; es liegt somit zunächst an ihnen, ihr Ortsbild zu beurteilen und die erforderlichen Schutzmassnahmen zu treffen. c) Nach § 44 Abs. 1 BO bildet die Dorfkernzone "das eigentliche Dorf Küttigen und wird in ihrem Gesamtbild als schützenswürdiger Ortsteil bezeichnet". Nach dem Grundplan (GP) des ISOS befindet sich die Liegenschaft des Beschwerdeführers im südöstlichen Teil der "Bebauung Trottegass", welche als Bebauung mit gewissen räumlichen und architekturhistorischen Qualitäten von insgesamt besonderer Bedeutung ausgeschieden ist, deren Substanz zu erhalten ist (Plan L: Zone G.3). Dem Ortsbild attestiert das Inventar (Plan O) gewisse Lage-, räumliche und architekturhistorische Qualitäten. Im Inventar werden zudem die räumlichen Qualitäten besonders hervorgehoben: "Gewisse räumliche Qualitäten durch den zusammenhängenden Strassenraum entlang der Durchgangsstrasse mit differenzierter Begrenzung durch die leichte Staffelung der Bauten. Ausgeprägte ländliche Raumbildungen in den seitlichen Bebauungsästen durch das ausgewogene Zusammenwirken von locker aufgereihten Altbauten und intakten Zwischenbereichen mit Ziergärten und Vorplätzen." d) Die Fotodokumentation (ISOS Plan F, Nrn. 17, 28) bestätigt diese räumliche Qualität, jedenfalls für den südöstlichen Teil der Bebauung Trottegass in unmittelbarer Nähe von zwei als Einzelobjekten geschützten Gebäuden an der Verzweigung der neuen Staffeleggstrasse (ehemaligen Zollhaus, Nr. 27, und Gasthof "zum Kreuz", Nr. 30; Plan L: Objekte E.1.0.3-4). Dieser Ortsteil verfügt zudem über architektonische Qualitäten, sind doch im Zonenplan sowohl die Liegenschaft des Beschwerdeführers, als auch die daran anstossenden übrigen Gebäude im Strassenknie Benkenstrasse - Alte Staffeleggstrasse als schützenswerte Häuser bezeichnet. Der Beschwerdeführer nennt keine Anhaltspunkte, welche die Einstufung dieses Gebiets als Ortsbild von regionaler Bedeutung durch das ISOS in Frage stellen würden. Unter diesen Umständen ist es nicht zu beanstanden, dass Gemeinde und Vorinstanz diesen Teil des Ortsbilds als bedeutend im Sinn von Art. 17 Abs. 1 lit. c RPG bzw. Art. 53 Abs. 1 lit. a RTVG betrachten. Ob BGE 120 Ib 64 S. 69 das für die gesamte Dorfkernzone gleichermassen gilt, braucht hier nicht entschieden zu werden. Das ISOS stuft ihre Erhaltenswürdigkeit südlich der Verzweigung Staffeleggstrasse-Trottengasse weniger hoch ein, während andere Gebiete, etwa die Bebauung Vorstadt oder der Mühlebezirk, als bedeutende Ortsbilder ebenfalls in Betracht kämen. Die Liegenschaft des Beschwerdeführers befindet sich demzufolge innerhalb eines bedeutenden Ortsbildes, und es steht ausser Frage, dass dieses gerade im aus verschiedenen Richtungen von den Höhen her einsehbaren Küttigen durch Parabol-Dachantennen beeinträchtigt würde. Das Antennenverbot liegt daher im öffentlichen Interesse ( Art. 53 Abs. 1 lit. a RTVG ). 6. Der Beschwerdeführer kann über das Kabelnetz von Küttigen heute 21 Programme empfangen. Die von Art. 53 Abs. 1 lit. b RTVG als unabdingbare Voraussetzung für ein Antennenverbot statuierte Grundversorgung ist damit gewährleistet (vgl. Art. 42 RTVG und die Botschaft dazu in BBl 1987 III 742 f.). Ein besonders qualifiziertes Interesse am Empfang zusätzlicher Programme ( Art. 53 Abs. 2 RTVG ) vermag der Beschwerdeführer nicht nachzuweisen. Selbst wenn er ein solches geltend machen würde, bliebe ihm ohnehin die Möglichkeit, ein Baugesuch für eine Antennenanlage unterhalb des Daches an der Fassade oder auf einem Balkon zu stellen, wo sie nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts grundsätzlich bewilligungsfähig wäre. Oder er könnte die Antenne in seinem Garten aufstellen, der in der Dorfzone liegt, auf die § 66 BO nicht mehr angewendet wird. Das Verwaltungsgericht hält dazu fest, dass das technisch ohne nennenswerte Empfangseinbusse möglich ist. Diese Sachverhaltsfeststellung ist nicht offensichtlich unrichtig und daher für das Bundesgericht verbindlich ( Art. 105 Abs. 2 OG ). Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass das angefochtene Antennenverbot auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage beruht und von Art. 53 RTVG anerkannte öffentliche Interessen verfolgt, welche die entgegenstehenden Privatinteressen des Beschwerdeführers überwiegen. Es trifft ihn nicht unverhältnismässig, da er über das Kabel 21 Programme empfangen kann und ihm nicht untersagt ist, an einem anderen (vielleicht etwas weniger idealen) Standort eine Parabolantenne aufzustellen.
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Sachverhalt ab Seite 351 BGE 96 II 351 S. 351 A.- Erwin Ringgenberg s'est adressé à Jules Dumanet pour construire, dans un bâtiment qui lui appartient à Noiraigue, une dalle destinée à servir de sol à un atelier de menuiserie et à supporter diverses machines dont l'une pesait une tonne environ. Dumanet a terminé ces travaux en juillet 1965. Le 10 avril 1967, Ringgenberg a ouvert contre Dumanet, BGE 96 II 351 S. 352 devant le Tribunal cantonal neuchâtelois, une action en paiement de 10 000 fr. à titre de dommages-intérêts. Selon lui, la dalle ne pouvait pas supporter la charge prévue, si bien qu'il avait fallu reprendre l'ouvrage complètement. B.- Le Tribunal cantonal neuchâtelois a reconnu que la dalle litigieuse n'était de loin pas assez solide pour supporter les machines auxquelles elle était destinée, faute d'avoir été calculée par un architecte ou par un ingénieur. Il a admis que le défendeur avait commis une faute évidente, engageant sa responsabilité et que les défauts avaient été signalés en temps utile. Il a constaté enfin que la facture envoyée par l'entreprise Regazzoni et Maggi pour le renforcement de la dalle s'élevait à 11 965 fr. 75, y compris 1819 fr. 85 relatifs à la démolition partielle de l'ouvrage du défendeur. Dans son jugement du 6 juillet 1970, le Tribunal cantonal neuchâtelois n'a toutefois admis les conclusions de la demande qu'à concurrence de 1819 fr. 85. Il a considéré que le demandeur avait intenté "uniquement l'action en dommages-intérêts" et qu'il n'avait prouvé qu'un seul élément de dommages, à savoir le coût de la démolition de la dalle; le solde de la facture Regazzoni et Maggi en revanche ne saurait être pris en considération que dans le cadre d'une action en réduction de prix qui, en l'occurrence, n'avait pas été ouverte. C.- Le demandeur a introduit un recours en réforme. Il y reprend ses conclusions initiales et propose subsidiairement le renvoi de la cause à l'autorité cantonale pour nouveau jugement. L'intimé conclut au rejet du recours.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. Le recourant reproche au Tribunal cantonal neuchâtelois d'avoir constaté par inadvertance que la dalle litigieuse en hourdis avait été démolie puis remplacée par une nouvelle, en béton, par les soins de l'entreprise Regazzoni et Maggi. Il ressort en effet nettement du dossier et en particulier des pièces auxquelles le jugement déféré renvoie expressément que la dalle défectueuse n'a pas été détruite, mais qu'elle a été consolidée au moyen de sommiers auxquels il a fallu faire de la place en démolissant quelques hourdis. De plus, l'ancienne chape, qui n'adhérait pas, a été enlevée et remplacée; il ne s'agissait BGE 96 II 351 S. 353 là toutefois pas d'une nouvelle dalle, qui aurait été plus épaisse. L'entreprise Regazzoni et Maggi a bien construit une dalle en béton, mais à l'étage supérieur, et qui n'est pas en cause ici. L'inadvertance manifeste de l'autorité cantonale doit dès lors être rectifiée conformément à l'art. 63 al. 2 OJ. Cela fait, il apparaît d'emblée qu'une distinction entre les frais de démolition de l'ancienne dalle et le coût d'une nouvelle dalle ne repose sur rien: l'entier de la facture Regazzoni et Maggi concerne les travaux de réparation et de renforcement de l'ouvrage de l'intimé. 2. a) Le jugement déféré, faute d'un recours sur ces points, a établi définitivement que la dalle était défectueuse et que l'intimé avait commis une faute engageant en principe sa responsabilité. En pareil cas, les règles du contrat d'entreprise, qui s'appliquent en l'occurrence, accordent au maître d'oeuvre l'action rédhibitoire, l'action en réduction du prix ou l'action en réfection et, de surcroît, puisque l'entrepreneur est en faute, l'action en dommages-intérêts (art. 368 CO). Ainsi que le relève pertinemment le jugement déféré, le recourant n'a introduit ni l'action rédhibitoire, ni l'action en réduction. On ne saurait toutefois admettre sans autre l'opinion des premiers juges, selon qui le coût des travaux facturés par l'entreprise Regazzoni et Maggi ne pourrait, pour sa plus grande part, être pris en considération que dans le cadre d'une action en réduction du prix, en tant que l'un des éléments du compte. b) Le maître d'oeuvre était en droit d'opter pour la réparation et d'obliger l'entrepreneur à procéder à ses frais à la réfection de l'ouvrage (art. 368 al. 2 CO). La solution adoptée permettait d'éviter la destruction et par conséquent la perte totale de la dalle litigieuse en procédant à l'étayage et au renforcement de celle-ci pour lui donner les qualités promises. Elle représentait par conséquent une mesure adéquate pour réduire le dommage. c) L'intimé s'était toutefois montré absolument incapable de construire correctement la dalle qui lui avait été commandée et il avait commis des fautes propres à enlever toute confiance au recourant. Un tel comportement est assimilable au refus de réparer, éventualité dans laquelle le maître doit être autorisé à faire exécuter la réfection par un tiers et à réclamer à l'entrepreneur la pleine réparation du préjudice qui en résulte pour lui (BECKER, Kommentar zum schweizerischen Zivilgesetzbuch, Obligationenrecht, Berne 1934, ad art. 368 no 10, p. 480; BGE 96 II 351 S. 354 GAUTSCHI, Berner Kommentar, Das Obligationenrecht, Berne 1967, ad art. 368 no 20, p. 352). Le montant réclamé correspond alors aux dommages-intérêts compensatoires pour inexécution d'une obligation de faire (RO 91 II 350 et 93 II 327; BECKER, op.cit., ad art. 368 no 13, p. 480; OSER/SCHÖNENBERGER, Kommentar zum schweizerischen Zivilgesetzbuch, Das Obligationenrecht, Zurich 1936, ad art. 368 no 11 ss., p. 1402 ss.; GAUTSCHI, op. cit, ad art. 368 no 24, p. 355). d) La prétention du recourant à se faire, dans le cadre d'une action en dommages-intérêts, rembourser par l'intimé la facture de l'entreprise Regazzoni et Maggi est donc en principe fondée. Le Tribunal fédéral toutefois, pour être en mesure de réformer le jugement déféré, devrait disposer de constatations auxquelles l'autorité cantonale n'a pas procédé. Il faudrait notamment savoir si le coût de la réfection de la dalle n'était pas excessif (art. 368 al. 2 CO); quel est le montant du préjudice, compte tenu de la plus-value ou de la moins-value apportée à l'immeuble du recourant par la dalle telle qu'elle se présente actuellement et, enfin, si les dommages-intérêts doivent être réduits au regard des circonstances (art. 43 CO) ou de la faute concurrente du recourant (art. 44 CO). La cause doit dès lors être renvoyée à l'autorité cantonale conformément à l'art. 64 al. 1 OJ, pour qu'elle statue à nouveau dans le sens des considérants.
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Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: 1. Admet le recours et annule le jugement rendu le 6 juillet 1970 par le Tribunal cantonal neuchâtelois; 2. Renvoie la cause à l'autorité cantonale pour qu'elle statue à nouveau dans le sens des considérants.
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Sachverhalt ab Seite 6 BGE 136 III 6 S. 6 A. Die Baugenossenschaft B. ist Eigentümerin des selbstständigen und dauernden Baurechts Grundbuch-Nr. 8635 mit Mehrfamilienhäusern, die sie sanieren lassen wollte. Sie übertrug die Gerüstarbeiten für den Pauschalbetrag von Fr. 50'300.- an die K. AG. Das Gerüst wurde ab 4. Februar 2008 aufgebaut und musste in verschiedenen Bauetappen umgestellt bzw. dem Baufortschritt angepasst, d.h. teilweise abgebaut und in geänderter Form wieder aufgebaut werden. Verwendet wurde kein für das Bauvorhaben eigens hergestelltes Gerüst, sondern ein gängiges Element-/Systemgerüst. BGE 136 III 6 S. 7 Dessen Abbau erfolgte ab 9. Juli 2008 und wurde am 7. August 2008 beendet. B. Die K. AG (Beschwerdeführerin) und die Baugenossenschaft B. (Beschwerdegegnerin) vereinbarten im März/April 2008 die vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts zur Sicherstellung des Vergütungsanspruchs von Fr. 50'300.-. Die vorläufige Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts für Fr. 50'300.- zugunsten der Beschwerdeführerin und zulasten von Nr. 8635 wurde am 14. April 2008 im Grundbuch vorgemerkt. Die Beschwerdeführerin erhob am 3. Juli 2008 Klage auf definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts für Fr. 50'300.- nebst Zins. Die Beschwerdegegnerin schloss auf Abweisung. Die von der Beschwerdeführerin der Beschwerdegegnerin inzwischen gestellten Rechnungen über insgesamt Fr. 51'300.- blieben unbezahlt. Das Handelsgericht des Kantons Bern wies die Klage ab. C. Dem Bundesgericht beantragt die Beschwerdeführerin die Anweisung an das zuständige Grundbuchamt, das vorläufig eingetragene Bauhandwerkerpfandrecht für Fr. 50'300.- nebst Zins definitiv im Grundbuch einzutragen. Die Beschwerdegegnerin schliesst auf Abweisung. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. (Zusammenfassung)
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Anspruch auf Errichtung eines gesetzlichen Grundpfandes besteht gemäss Art. 837 Abs. 1 ZGB "für die Forderungen der Handwerker oder Unternehmer, die zu Bauten oder andern Werken auf einem Grundstücke Material und Arbeit oder Arbeit allein geliefert haben, an diesem Grundstücke, sei es, dass sie den Grundeigentümer oder einen Unternehmer zum Schuldner haben" (Ziff. 3). Streitig ist, ob der Gerüstbau der Beschwerdeführerin als "Arbeit" im Sinne von Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB erfasst werden kann. Das Bundesgericht hat im Jahr 2005 entschieden, dass der Monteur des Baugerüsts nicht in den Genuss des Bauhandwerkerpfandrechts kommt, unabhängig von der Qualifikation des Vertrags, der ihn mit dem Bauherrn oder dem Unternehmer bindet, zumindest wenn das Gerüst nicht für einen bestimmten Bau hergestellt worden ist ( BGE 131 III 300 ). Das Handelsgericht hat sich auf den bundesgerichtlichen Entscheid gestützt. Die Beschwerdeführerin beantragt eine Praxisänderung. Sie begründet die Berechtigung und die BGE 136 III 6 S. 8 Notwendigkeit der Änderung von BGE 131 III 300 damit, dass die Frage nach der Pfandberechtigung von Bauarbeiten allgemein und insbesondere für den Gerüstbau von erheblicher Tragweite sei, dass BGE 131 III 300 in der massgebenden Lehre auf heftige Kritik gestossen sei und dass die Rechtssicherheit durch eine Änderung von BGE 131 III 300 nicht ernsthaft gefährdet werde, da es sich um ein erstmaliges und einmaliges Präjudiz handle, das erst vor relativ kurzer Zeit gefällt worden sei. Wie das Bundesgericht neu zu entscheiden habe, legt die Beschwerdeführerin unter anderem mit Hinweis auf die laufende Gesetzesrevision ausführlich dar. Entscheidend ist ihr Einwand, dass der Anspruch auf Errichtung des Bauhandwerkerpfandrechts zwar eine sachenrechtliche Beziehung zwischen der forderungsbegründenden Leistung und dem Grundstück voraussetze, diese sachenrechtliche Beziehung aber nicht oder zumindest nicht in jedem Fall in einer unmittelbaren Einwirkung der Bauarbeit auf das Baugrundstück bestehen müsse. Die Beschwerdegegnerin verlangt, an BGE 131 III 300 festzuhalten und auf die sachenrechtliche Betrachtungsweise abzustellen, die den wirtschaftlichen Überlegungen der Beschwerdeführerin weiterhin vorzuziehen sei. 3. Eine Änderung der Praxis lässt sich regelmässig nur begründen, wenn die neue Lösung besserer Erkenntnis der ratio legis, veränderten äusseren Verhältnissen oder gewandelter Rechtsanschauung entspricht; andernfalls ist die bisherige Praxis beizubehalten. Eine Praxisänderung muss sich deshalb auf ernsthafte sachliche Gründe stützen können, die - vor allem im Interesse der Rechtssicherheit - umso gewichtiger sein müssen, je länger die als falsch oder nicht mehr zeitgemäss erachtete Rechtsanwendung gehandhabt worden ist ( BGE 135 I 79 E. 3 S. 82; BGE 135 II 78 E. 3.2 S. 85; BGE 133 III 335 E. 2.3 S. 338). Es ist zu prüfen, ob die Vorbringen der Beschwerdeführerin so gewichtig sind, dass sich eine Änderung der vom Bundesgericht in BGE 131 III 300 eingehend begründeten grundsätzlichen Ablehnung des Bauhandwerkerpfandrechts für Forderungen aus besagten Gerüstbauarbeiten rechtfertigt. 4. Die Beschwerdeführerin begründet die Notwendigkeit einer Änderung von BGE 131 III 300 mit der daran geübten Kritik in der Lehre und mit der Wichtigkeit des Entscheids über diese Frage für das Baugewerbe. 4.1 Dass die Pfandberechtigung von Forderungen aus Gerüstbau in der Baupraxis wichtig ist, steht ausser Diskussion. Das BGE 136 III 6 S. 9 Bundesgericht hat denn auch bei erster geeigneter Gelegenheit ein Leiturteil dazu gefällt. Es hat sich dabei mit der Lehre befasst und namentlich auf das massgebende Standardwerk "Das Bauhandwerkerpfandrecht" von RAINER SCHUMACHER verwiesen. In der 2. Auflage von 1982 (N. 260) bejaht der Kommentator die Frage, ob der Gerüstbauer einen Anspruch auf Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts habe ( BGE 131 III 300 E. 4.1 S. 304), während er - was hier ergänzt sei - die Frage in der 1. Auflage von 1979 (N. 104) noch verneint hat. Er hat das in BGE 131 III 300 veröffentlichte Urteil besprochen (in: Baurecht, BR 2005 S. 163-166: Kein Bauhandwerkerpfandrecht beim Gerüstbau?) und an der Pfandberechtigung des Gerüstbaus auch in der 3. Auflage des Standardwerkes von 2008 festgehalten (N. 298 und N. 321-324). Diese Lehrmeinung halten weitere Autoren, die ihr auch schon vor der Veröffentlichung von BGE 131 III 300 gefolgt sind, für zutreffend, ohne - wie die Beschwerdeführerin zutreffend hervorhebt - einen eigenen Standpunkt zu entwickeln (z.B. JOSEF HOFSTETTER, in: Basler Kommentar, 2. Aufl. 2003 und 3. Aufl. 2007, je N. 4 zu Art. 839/840 ZGB). 4.2 In seinem Rechtsprechungsbericht fasst HEINZ REY zusammen, bei der Beantwortung der sich in BGE 131 III 300 stellenden Hauptfrage stehe die sachenrechtliche Betrachtungsweise im Vordergrund, die der Rechtssicherheit dienende Kriterien zu liefern vermöge, um den Kreis der Pfandrechtsprivilegierten zu umgrenzen. Er hält dies für anerkennenswert und fährt fort, indessen wäre zu wünschen, dass vor allem die Doktrin, vom Gesetzeswortlaut des Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB ausgehend, der davon spricht, dass derjenige ebenfalls pfandrechtsprivilegiert ist, der "Arbeit allein" erbracht hat, den Zweck des Bauhandwerkerpfandrechts auch unter anderen Gesichtspunkten (einschliesslich bereicherungs- und gewinnherausgaberechtlichen) neu überdenken würde. Er verweist auf die kritisch-konstruktiven Bemerkungen zu diesem Urteil von RAINER SCHUMACHER (BR 2005 S. 163 ff.) und meint, insbesondere sei seine Qualifikation des Gerüstbaus als eine typische Bauarbeit ebenso beachtenswert wie sein Vorschlag, bei der hängigen Revision des Immobiliarsachen- und Grundbuchrechts die durch den vorliegenden Entscheid geschaffene Problematik in einem grösseren systematischen Rahmen zu reflektieren. Dem könne nur zugestimmt werden (Die privatrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts, veröffentlicht im Jahr 2005. Sachenrecht, ZBJV 143/2007 S. 830). Nicht bloss aus Gründen der Rechtssicherheit, sondern unter dem Aspekt der direkten BGE 136 III 6 S. 10 Wertvermehrung stimmt TAMARA BERCHTOLD dem Urteil in ihrer Doktorarbeit zu. Die Leistungen des Gerüstbauers stellten ein Beispiel für indirekte Arbeiten dar, die sich ebenfalls auf den Bauvorgang auswirkten, aber eben nicht unmittelbar mit der Baute verbunden würden und auch nicht zu einer direkten Wertvermehrung führten (Zur Revisionsbedürftigkeit des Bauhandwerkerpfandrechts, 2008, S. 103 f.; gl.M. CHRISTOPH THURNHERR, Das Bauhandwerkerpfandrecht - eine aktuelle Übersicht, ZBJV 142/2006 S. 909 ff., 916). 4.3 Die wenigen Hinweise auf die Literatur verdeutlichen, dass das Bundesgericht die unterschiedlichen Lehrmeinungen in BGE 131 III 300 beachtet und in Weiterführung seiner Rechtsprechung das Bauhandwerkerpfandrecht für Forderungen aus Gerüstbau nicht zugelassen hat. Die seither weiterhin unterschiedlichen Lehrmeinungen wiederholen und verdeutlichen die bisherigen Standpunkte und können deshalb eine Änderung von BGE 131 III 300 für sich allein nicht rechtfertigen. 5. Entscheidend ist die sachenrechtliche Beziehung, die die pfandberechtigten von den sonstigen Bauarbeiten abgrenzt. Mit ihren Vorbringen zur Auslegung vermag die Beschwerdeführerin keine ernsthaften Gründe darzutun, die eine Praxisänderung stützen könnten. 5.1 Grundgedanke und Rechtfertigung des gesetzlichen Grundpfandes für die Forderungen der Handwerker und Unternehmer bestehen darin, dass ihre Arbeit einen Mehrwert schafft, diese Arbeit in der Regel aber nicht zum Voraus, sondern erst nach Abschluss vergütet wird. Weil das Ergebnis ihrer Arbeit zu einer Baute oder einem anderen Werk auf einem Grundstück sachenrechtlich zu dessen Bestandteil wird, kann die Vergütung der Arbeit nicht anders als durch ein Pfandrecht an diesem Grundstück gesichert werden (TUOR/SCHNYDER/SCHMID/RUMO-JUNGO, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 13. Aufl. 2009, § 112 N. 37-38 S. 1117 f.; STEINAUER, Les droits réels, Bd. III, 3. Aufl. 2003, N. 2855-2859 S. 267 f.). 5.2 Die sachenrechtliche Betrachtungsweise lässt sich auf den Wortlaut - als Ausgangspunkt jeder Auslegung - von Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB stützen. Voraussetzung des Anspruchs auf Errichtung des gesetzlichen Grundpfandes ist, dass "zu Bauten oder andern Werken auf einem Grundstücke Material und Arbeit oder Arbeit allein geliefert" worden sein muss ("sur l'immeuble pour lequel ils ont fourni des matériaux et du travail ou du travail seulement" bzw. "che avessero fornito materiali e lavoro, o lavoro soltanto, per una BGE 136 III 6 S. 11 costruzione o per altre opere sopra un dato fondo"). Als pfandberechtigt gelten nur Forderungen für "Material und Arbeit" und für "Arbeit allein", die sich mit dem Werk auf dem Grundstück verbinden. Es scheiden damit - wie die Beschwerdeführerin hervorhebt - blosse Materiallieferungen oder geistige Arbeit aus, folgerichtig aber auch die Gerüstbauarbeiten, weil das Gerüst sich nur vorübergehend mit dem Werk auf dem Grundstück verbindet und nicht zu dessen Bestandteil wird. Die Bauarbeit bezieht sich unmittelbar auf das Gerüst und nicht auf das Grundstück ( BGE 131 III 300 E. 3 S. 303 und E. 4.2 S. 305). Der Gerüstbau unterscheidet sich nicht von den Arbeitsleistungen im Zusammenhang mit dem Baubewilligungsverfahren (z.B. Aufstellen des Baugespanns) oder mit der Einrichtung der Baustelle (z.B. Auf- und Abbau des Baukrans). Forderungen daraus sind anerkanntermassen nicht pfandberechtigt (SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, 3. Aufl. 2008, N. 326). 5.3 Den sachenrechtlichen Bezug hat die Rechtsprechung zum einen insofern gelockert, als alle Leistungen und Lieferungen ein und desselben Handwerkers oder Unternehmers in ihrer Gesamtheit gewürdigt werden müssen. Sind sie als "un seul travail spécifique" zu betrachten, werden sie auch gesamthaft durch ein Baupfand geschützt ( BGE 131 III 300 E. 3 S. 303). In diesem Sinn gelten Leistungen und Lieferungen des gleichen Handwerkers oder Unternehmers, die teils pfandberechtigt, teils nicht pfandberechtigt sind, in ihrem ganzen Umfang als pfandgeschützt, wenn nichts Abweichendes vereinbart worden oder die Ausscheidung unterblieben ist ( BGE 103 II 33 E. 4 S. 40). Dieser Sonderfall wird hier nicht geltend gemacht, geht es doch um eine Forderung einzig aus Gerüstbau, der nach der allgemeinen Regel (E. 5.2 soeben) nicht pfandgeschützt ist. 5.4 Zum anderen und hier entscheidend kann die Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts für die Lieferung von Sachen verlangt werden, die eigens für einen bestimmten Bau angefertigt worden und deshalb sonst nicht oder nur schwer verwendbar sind. Dieser zweite Sonderfall könnte auch das Gerüst erfassen, das im Hinblick auf einen bestimmten Bau hergestellt wird und auf einer anderen Baustelle nicht oder kaum wieder verwendet werden kann ( BGE 131 III 300 E. 3 S. 303 f. und E. 4.2 S. 305). Die Voraussetzung trifft hier nicht zu, da gemäss den handelsgerichtlichen Feststellungen kein speziell für den besagten Auftrag angefertigtes Gerüst, sondern ein Element-/Systemgerüst mit einem Meccano zum BGE 136 III 6 S. 12 Zusammensetzen verwendet wurde. Einem derartigen Gerüst fehlt die als dauernd gewollte Verbindung mit dem Bau oder anderen Werk auf dem Grundstück ( BGE 106 II 333 E. 4b S. 337). Der Auf-, Um- und Abbau des Gerüsts unterscheidet sich damit wesentlich von pfandgeschützten Lieferungen wie Frischbeton und ähnliche für einen bestimmten Bau speziell vorfabrizierte Materialien, die zur körperlichen Verbindung mit dem Bau oder anderen Werken auf dem Grundstück vorgesehen sind (STEINAUER, a.a.O., N. 2873a S. 274, mit Hinweisen). Dass in diesem Zusammenhang nicht von Arbeit mit einer "unmittelbaren physischen Einwirkung auf das Grundstück" gesprochen werden kann, ist richtig, betrifft aber nur die Formulierung und nicht das Ergebnis. Es genügt und ist notwendig, dass die Arbeitsleistung zu einer körperlichen Verbindung mit dem Grundstück bestimmt ist ( BGE 97 II 212 E. 1 S. 215: "destinées à une construction déterminée"). Dass die Arbeit auf der Baustelle selbst geleistet werden muss, ist ebenso wenig vorausgesetzt (STEINAUER, a.a.O., N. 2873b S. 274; vgl. auch SCHMID/HÜRLIMANN-KAUP, Sachenrecht, 3. Aufl. 2009, S. 436 N. 1710-1712, je mit Hinweisen). 5.5 Die Anerkennung einer Pfandberechtigung für den Bau eines wieder verwendbaren Gerüsts, wie sie die Beschwerdeführerin fordert, bedeutete nicht bloss eine weitere Lockerung der sachenrechtlichen Betrachtungsweise, sondern deren vollständige Aufgabe und damit ein Abweichen vom Konzept des Bauhandwerkerpfandrechts. Vorausgesetzt ist, dass die pfandgeschützten Leistungen "se matérialisent dans la construction" ( BGE 119 II 426 E. 2a S. 427), d.h. sich mit dem Bau oder anderen Werk auf dem Grundstück körperlich verbinden müssen (E. 5.1-5.3) oder zu einer solchen Verbindung wenigstens bestimmt sein müssen (E. 5.4 soeben). Dass der Gerüstbau zu 65 % in manueller Arbeit besteht, unerlässlich für die Erstellung eines Bauwerks auf einem Baugrundstück ist und ein erfolgsbezogenes Mitwirken an der gesamten arbeitsteiligen Bauausführung darstellt, begründet für sich allein keine Pfandberechtigung, kann doch der Gerüstbau nicht als eine Arbeit zu Bauten oder anderen Werken auf einem Grundstück betrachtet werden, die sich mit dem Grundstück dauernd körperlich verbindet oder zu einer solchen Verbindung bestimmt ist. Die Vorbringen der Beschwerdeführerin vermögen eine Praxisänderung nicht zu rechtfertigen. 6. Schliesslich verweist die Beschwerdeführerin auf die laufende Gesetzesrevision. Ein "Unmittelbarkeitsprinzip" sei nicht vorgesehen. BGE 136 III 6 S. 13 Gemäss der Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Register-Schuldbrief und weitere Änderungen im Sachenrecht) vom 27. Juni 2007 bleibt das Grundkonzept des Bauhandwerkerpfandrechts unverändert. Neu wird in Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB die Ausdehnung des Pfandschutzes auf Abbrucharbeiten vorgeschlagen ("die zu Bauten oder andern Werken auf einem Grundstück oder zum Abbruch derselben Material und Arbeit oder Arbeit allein geliefert haben"). Die weiteren, teilweise lediglich redaktionellen Änderungen interessieren im vorliegenden Zusammenhang nicht (BBl 2007 5283 S. 5319 f.). Der Ständerat als Erstrat hat den Pfandschutz zusätzlich auf den Gerüstbau, die Baugrubensicherung und dergleichen erweitert (AB 2008 S 415-419: "die auf einem Grundstück zu Bauten oder anderen Werken, zu Abbrucharbeiten, zum Gerüstbau, zur Baugrubensicherung oder dergleichen Material und Arbeit oder Arbeit allein geliefert haben"). Im Nationalrat (AB 2009 N 622-626) wurde die Erweiterung der pfandgeschützten Bauleistungen unterstützt (Voten Thanei, Amherd und Huber, alle S. 624) und vereinzelt auch abgelehnt (Votum Schwander, S. 623), dem Beschluss des Ständerats aber schliesslich zugestimmt (Abstimmung, S. 626). Uneinigkeit besteht in der Frage des Bauhandwerkerpfandrechts für Subunternehmer. Mit Bezug auf Art. 837 ZGB ist die Differenzbereinigung erfolgt (AB 2009 S 938-941 und Sitzung des Nationalrats vom 26. November 2009). Im Urteilszeitpunkt stehen die Schlussabstimmungen noch aus. Nach dem derzeitigen Stand der Revision sollen künftig nicht mehr nur Leistungen zu Bauten oder anderen Werken auf einem Grundstück pfandgeschützt sein, sondern Leistungen auf einem Grundstück auch zu Abbrucharbeiten, zum Gerüstbau, zur Baugrubensicherung und dergleichen. Allein die Formulierung verdeutlicht, dass Arbeit auf einem Grundstück im Zusammenhang mit einem Bauvorhaben genügen soll, die bisherige körperliche Verbindung der Arbeit mit dem Grundstück oder wenigstens die Bestimmtheit der Arbeit zu einer solchen Verbindung hingegen nicht mehr verlangt wird. Der Zusatz "und dergleichen" dürfte bedeuten, dass letztlich jede Lieferung von Material und Arbeit oder Arbeit allein auf einem Grundstück pfandberechtigt sein wird, wenn und soweit sie nur mit einem konkreten Bauvorhaben im Zusammenhang steht. Die vorgesehene Revision passt nicht in das heutige rechtliche Umfeld und läuft auf eine Änderung des bisherigen Rechts hinaus. Unter diesen Umständen kann sie weder bei der Auslegung des geltenden BGE 136 III 6 S. 14 Rechts berücksichtigt werden noch die verlangte Praxisänderung rechtfertigen (vgl. HAUSHEER/JAUN, Die Einleitungsartikel des ZGB, 2003, N. 58 und N. 193 f. zu Art. 1 ZGB ; STEINAUER, Le Titre préliminaire du Code civil, SPR II/1, 2009, N. 274 S. 92, bei/in Anm. 24, und N. 459 S. 160, je mit Hinweisen).
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Sachverhalt ab Seite 70 BGE 123 III 70 S. 70 Die Kläger, ein Wirteehepaar, mieteten vom Rechtsvorgänger der Beklagten ab dem 1. April 1980 ein Restaurant in X. Der Mietvertrag war für eine feste Dauer von sieben Jahren abgeschlossen und verlängerte sich danach jeweils um fünf Jahre, sofern er von keiner Partei unter Beobachtung einer halbjährigen Frist gekündigt würde. Die Anfangsmiete wurde auf jährlich Fr. 36'000.-- festgelegt. In einer Staffelungsklausel wurde ab dem 1. April 1982 ein jährlicher Mietzins von Fr. 45'000.-- zuzüglich 3% des Fr. 600'000.-- BGE 123 III 70 S. 71 übersteigenden Jahresumsatzes vereinbart. Eine Mietzinsanpassung gemäss dieser Klausel erfolgte aber nicht. In einem Nachtrag kamen die ursprünglichen Vertragsparteien am 2. Juni 1982 überein, dass sich die Vertragsdauer bis zum 31. März 1992 verlängere und der Jahresmietzins bis zum 31. März 1987 Fr. 54'000.--, danach Fr. 65'000.-- betrage, unabhängig vom Umsatz des Restaurationsbetriebs. Die Beklagte erwarb das Mietobjekt am 27. Februar 1987. Im März 1991 nahmen die Parteien Gespräche über die künftige Gestaltung des Mietverhältnisses auf. Am 7. Oktober 1991 teilten die Kläger der Beklagten mit, sie erachteten alle über den ursprünglich vereinbarten Jahresmietzins von Fr. 36'000.-- hinausgehenden Erhöhungen als ungültig und würden die Mehrzahlungen zurückfordern. In der Folge bezahlten sie die bisherigen Mietzinse unter Vorbehalt weiter, um eine Kündigung zu vermeiden. Am 17. März 1993 beantragten die Kläger beim Mietgericht Zürich, die Beklagte sei zu verpflichten, die zuviel bezahlten Mietzinse von insgesamt Fr. 174'002.40 für die Zeit vom 1. April 1987 bis zum 31. März 1993 zurückzuzahlen. Sie verlangten überdies die Feststellung, dass der Nettomietzins Fr. 36'000.-- jährlich betrage. Im wesentlichen machten sie geltend, der Vertragsnachtrag vom 2. Juni 1982 sei nichtig, weil die Änderung ohne Formular erfolgt sei. Das Mietgericht Zürich hiess die Klage mit Urteil vom 8. September 1994 gut. Auf Berufung der Beklagten hin wies das Obergericht des Kantons Zürich schliesslich mit Urteil vom 15. Dezember 1995 die Klage vollumfänglich ab. Es erachtete die Vertragsänderung gemäss Nachtrag zum Mietvertrag vom 2. Juni 1982 als gültig und verneinte namentlich, dass es für die damals vereinbarte Neugestaltung des Mietzinses eines Formulars bedurft hätte. Die Kläger haben eidgenössische Berufung erhoben, mit dem Antrag, ihr Feststellungsbegehren zu schützen und ihre Leistungsklage gutzuheissen, eventuell im Teilbetrag von Fr. 65'952.--. Das Bundesgericht hat die Berufung abgewiesen.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die streitige Vertragsänderung vom 2. Juni 1982 entfaltete ihre Wirkung vor dem 1. Juli 1990, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Mietrechts. Anwendbar bleibt daher das frühere Recht, das heisst die Bestimmungen des Bundesbeschlusses über Massnahmen BGE 123 III 70 S. 72 gegen Missbräuche im Mietwesen vom 30. Juni 1972 (BMM) und die dazugehörigen Ausführungsvorschriften (VMM; vgl. Art. 26 Abs. 3 Verordnung über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen [VMWG; SR 221.213.11]). Davon gehen zu Recht auch die Vorinstanz und die Parteien aus. a) Die Formularpflicht war altrechtlich, soweit hier von Interesse, gleich geregelt wie nach geltendem Recht. Nach Art. 18 BMM hatte der Vermieter für die Mitteilung von Mietzinserhöhungen ein vom Kanton genehmigtes Formular zu verwenden. Die Mietzinserhöhung durfte nicht mit der Androhung der Kündigung verbunden werden und aus dem Formular musste ersichtlich sein, dass der Mieter den Mietzins gemäss Art. 19 BMM anfechten konnte (vgl. nunmehr Art. 269d OR ). Die Formvorschrift war gemäss Art. 13 Abs. 2 VMM auch zu beachten, wenn mit der Erhöhung eine im Mietvertrag vereinbarte Staffelung des Mietzinses beansprucht wurde ( Art. 19 Abs. 2 VMWG ). Formungültig angezeigte Erhöhungen waren nach Art. 18 Abs. 2 BMM nichtig (ebenso Art. 269d Abs. 2 lit. a OR ). b) Die Vorinstanz vertritt im angefochtenen Urteil die Auffassung, in einem befristeten Mietverhältnis wie dem vorliegenden unterständen Vertragsänderungen der Formularpflicht auch dann nicht, wenn sie eine Erhöhung des Mietzinses zum Gegenstand hätten, da die Formularpflicht nur für einseitige Vertragsänderungen durch den Vermieter gelte und derartige einseitige Änderungen im befristeten Verhältnis begrifflich ausgeschlossen seien. Die Kläger halten demgegenüber dafür, dass alle Mietzinserhöhungen in bestehenden Verträgen der Formularform zu genügen hätten, unbesehen darum, ob sie auf einseitiger Mitteilung des Vermieters oder auf Vereinbarung der Parteien beruhten. 3. Das Bundesgericht hat in einem in der amtlichen Sammlung nicht veröffentlichten Urteil vom 28. März 1995 (veröffentlicht in mp 1995 S. 145 ff. und in MRA 1995 S. 256 ff.) entschieden, die Parteien hätten die Möglichkeit, anstelle der gesetzlich ausdrücklich geregelten einseitigen Anpassung durch den Vermieter eine zweiseitige, einvernehmliche Änderung ihrer Rechtsbeziehungen herbeizuführen; dabei müssten die für die einseitige Anpassung normierten Formerfordernisse jedenfalls dann nicht eingehalten werden, wenn der gesetzliche Schutzzweck nicht beeinträchtigt werde. Dieses Urteil ist in der Literatur teils zustimmend (ROHRER, Keine Formularpflicht bei einvernehmlich vereinbarter Mietzinsanpassung, in MRA 1995 S. 259 f.), teils kritisch (BRUNNER/STOLL, Mietzinserhöhung ohne Formular? Bemerkungen zur konsensualen Mietzinserhöhung, BGE 123 III 70 S. 73 in mp 1996 S. 1 ff.; LACHAT, La pratique récente en matière de loyers, in 9e Séminaire sur le droit du bail, Neuchâtel 1996, S. 2 ff., 4) gewürdigt worden. a) Die Formularpflicht für Mietzinserhöhungen wurde aus der Ordnung der Mietzinsüberwachung übernommen. Unter diesem System hatte der Vermieter Mietzinserhöhungen dem Mieter mittels eines amtlichen Formulars zu eröffnen und der zuständigen Amtsstelle mittels eines Doppels zu melden; Erhöhungen in Verletzung der Formular- und Meldepflicht waren nichtig. Gegen Mietzinserhöhungen von mehr als 5% innerhalb eines Jahres konnte der Mieter Einsprache bei einer Verwaltungsinstanz erheben, welche zudem offensichtlich übersetzte Mietzinse von Amtes wegen senken konnte (Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über dringliche Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen vom 24. April 1972, in BBl 1972 I S. 1225 ff., 1235). Dem Einspracherecht der Mietzinsüberwachung sollte im Rahmen des Bundesbeschlusses über Missbräuche im Mietwesen das Recht entsprechen, Mietzinserhöhungen oder sonstige Forderungen des Vermieters anzufechten, während die Möglichkeit der Behörden, von Amtes wegen einzuschreiten, entfiel. Die Meldepflicht an die Behörde erübrigte sich dementsprechend; hingegen waren die Mietzinserhöhungen dem Mieter unter Nichtigkeitsfolge weiterhin auf einem amtlichen Formular mitzuteilen, aus welchem die Möglichkeit der Anfechtung ersichtlich war (BBl 1972 I S. 1236). Die Formularpflicht für Mietzinserhöhungen und andere Forderungen des Vermieters steht auch im System des Bundesbeschlusses über Missbräuche im Mietwesen mit der Preiskontrolle in Zusammenhang. Allerdings hat die Kontrolle insofern eine andere Bedeutung, als eine Preisüberwachung von Amtes wegen nicht mehr vorgesehen ist. Ein öffentliches Interesse an einem allgemeinen Verbot missbräuchlicher Mietzinse ist daher - soweit missbräuchliche Mietzinse nicht preisbestimmend wirken, namentlich nicht im Rahmen der Marktmiete vergleichsweise herangezogen werden können - zu verneinen. Mit dem Verzicht auf die amtliche Preiskontrolle wird vielmehr dem Mieter von Wohn- oder Geschäftsräumen überlassen, ein möglicherweise missbräuchliches Entgelt für den Gebrauch der Mietsache anzufechten oder nicht. Die Unterlassung der Anfechtung des Mietzinses kann dazu führen, dass der Mieter ein objektiv übersetztes Entgelt für die Mietsache freiwillig und bewusst bezahlt. Insofern wird die Vertragsfreiheit durch die Bestimmungen über missbräuchliche Mietzinse nicht beschränkt. BGE 123 III 70 S. 74 Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der Mieter informiert ist und nicht unter Druck steht. b) Mit der Verwendung des Formulars wird der Mieter auf die Anfechtungsmöglichkeit hingewiesen und dessen Zustellung eröffnet die dreissigtägige Frist für die Einleitung des Verfahrens zur Überprüfung der Angemessenheit des Entgelts für die Mietsache. Mit der Formularpflicht soll sichergestellt werden, dass die Zustimmung zu einem möglicherweise übersetzten Entgelt nicht unter der Androhung der Kündigung erfolgt (vgl. Art. 18 BMM ). Eine konsensuale Mietvertragsänderung, die im Sinn des erwähnten bundesgerichtlichen Urteils vom 28. März 1995 den Schutzzweck des Formulars nicht vereitelt, setzt daher voraus, dass die Information des Mieters über die Möglichkeit der Anfechtung anderweitig gewährleistet ist und jeglicher Druck, namentlich durch Kündigungsandrohung, ausgeschlossen werden kann. Der Konsens der Vertragsparteien, der einen Verzicht auf die Einhaltung der Formularpflicht rechtfertigt, ergibt sich jedenfalls nicht allein aus der formellen Unterschrift des Mieters unter eine allenfalls vom Vermieter vorbereitete Vertragsänderung (so aber ROHRER, a.a.O.). Nur wenn feststeht, dass der Mieter über die Anfechtungsmöglichkeit informiert war, dass er mit dem Verzicht auf das Formular bewusst zum voraus auf die Anfechtung verzichtet hat, und überdies ausgeschlossen werden kann, dass er unter Druck stand, ist die Vertragsänderung von einem Konsens, insbesondere auch des Mieters getragen, die den Verzicht auf den formellen Schutz rechtfertigt. Soweit aus dem erwähnten Präjudiz weitergehende Folgerungen abgeleitet wurden, kann ihnen nicht gefolgt werden. Wie es sich im übrigen neurechtlich in Kantonen verhält, welche die Formularpflicht im Sinn von Art. 270 Abs. 2 OR für Anfangsmieten eingeführt haben, ist hier nicht zu beurteilen. c) Im vorliegenden Fall hätte die Vertragsänderung vom 2. Juni 1982 grundsätzlich mit amtlichem Formular mitgeteilt werden müssen, da der bisherige Jahresmietzins von Fr. 36'000.-- auf Fr. 54'000.-- bis zum 31. März 1987 erhöht wurde. Feststellungen zur tatsächlichen Kenntnis der Parteien über die Anfechtungsmöglichkeiten und die näheren Umstände des Vertragsschlusses sind dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Ob und unter welchen Umständen auf die Einhaltung der Form ausnahmsweise hätte verzichtet werden können, kann indes offenbleiben. Das Bundesgericht hat die Berufung auf Formmängel, insbesondere nach Erfüllung formungültiger Verpflichtungen, stets auch unter dem Gesichtspunkt BGE 123 III 70 S. 75 des Rechtsmissbrauchs geprüft ( BGE 113 II 187 E. 1b, BGE 110 II 494 E. 4 S. 498). Dabei hat es ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vor allem darin gesehen, dass das frühere Verhalten der Mietpartei bei der Vermieterin schutzwürdiges Vertrauen begründet und diese zu Handlungen veranlasst hat, die ihr angesichts der neuen Situation zu Schaden gereichen könnten; erwähnt wurde der Fall, dass der Mieter in Kenntnis der Formvorschrift von Art. 18 BMM ausdrücklich auf deren Innehaltung verzichtet und die getroffene Vereinbarung freiwillig erfüllt hat (vgl. BGE 110 II 494 E. 4 am Ende). d) Bei der Beurteilung, ob die Berufung auf die Formnichtigkeit rechtsmissbräuchlich erfolgt, ist die Art und Weise der formungültigen Vertragsänderung nicht unbeachtlich. Vorliegend war das Mietverhältnis der Parteien - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - nicht befristet, da es sich mangels Kündigung verlängert ( Art. 255 OR ). Der Umstand, dass die Abänderung im Lauf einer mehrjährigen Kündigungsfrist erfolgt ist, lässt ohne besondere Umstände den Schluss zu, dass sie ohne Kündigungsdruck zustande kam. Eine Abänderung in der Art des vertraglichen Nachtrags vom 2. Juni 1982 ist überdies kaum vorstellbar, ohne dass die Parteien darüber tatsächlich verhandeln. Der Rechtsvorgänger der Beklagten hat darin nicht nur auf die mögliche Kündigung im Jahr 1987, sondern auch auf die ursprünglich vereinbarte Umsatzbeteiligung verzichtet. Für die rechtsmissbräuchliche Berufung auf die Formungültigkeit spricht aber vor allem, dass die geschäftserfahrenen Kläger den im Juni 1982 vereinbarten Mietzins während Jahren vorbehaltlos bezahlt haben und daher die Beklagte bzw. ihr Rechtsvorgänger keinerlei Anlass hatte, an der Gültigkeit der Vereinbarung über die Geschäftsmiete zu zweifeln. Anhaltspunkte dafür, dass der von den Klägern tatsächlich über Jahre vorbehaltlos bezahlte Mietzins objektiv missbräuchlich sein könnte, sind weder festgestellt noch behauptet. Die Formungültigkeit der Mietzinserhöhung haben die Kläger vielmehr erst geltend gemacht, nachdem sie im März 1991 mit der Beklagten als neuer Eigentümerin des Mietobjekts über die Bedingungen einer Weiterführung des Mietverhältnisses nach dem 31. März 1992 Verhandlungen aufgenommen hatten, die offenbar für die Mieter nicht befriedigend verliefen. Die Berufung der Kläger auf die Formungültigkeit der Mietzinserhöhung vom 2. Juni 1982 ist unter diesen Umständen rechtsmissbräuchlich.
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Sachverhalt ab Seite 190 BGE 105 Ia 190 S. 190 Mit Schreiben vom 24. April 1978 teilte der Studiensekretär der Hochschule St. Gallen dem Beschwerdeführer F. mit, dass er die Zwischenprüfung im Fach "Volkswirtschafts-Lehre I" zum dritten Mal und damit endgültig nicht bestanden habe. Gegen diesen Prüfungsentscheid reichte F. beim Senat Einsprache ein; sie blieb ohne Erfolg. Auch die beim Hochschulrat der Hochschule St. Gallen eingelegte Beschwerde wurde abgewiesen. Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende auf Art. 4 BV gestützte Beschwerde.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. a) Bei staatsrechtlichen Beschwerden gegen Prüfungsentscheide ist die Kognition des Bundesgerichts grundsätzlich nicht anders als bei andern auf Art. 4 BV gestützten Beschwerden. Demnach überprüft das Bundesgericht die Sachverhaltsfeststellungen und die Beweiswürdigung der kantonalen Behörden lediglich auf Willkür hin und greift nur ein, wenn diese offensichtlich falsch sind oder auf einem offenkundigen Versehen BGE 105 Ia 190 S. 191 beruhen ( BGE 101 Ia 306 ; BGE 98 Ia 142 mit Hinweisen). Auch bei der Anwendung und Auslegung des kantonalen Rechts - sowohl des Verfahrensrechts, als auch der materiellen Vorschriften - steht dem Bundesgericht die Willkürprüfung zu, und es hebt den angefochtenen Entscheid nur auf, wenn kantonale Vorschriften in unhaltbarer Weise ausgelegt und angewendet wurden, so dass der Entscheid mit keinen sachlichen Gründen vertreten werden kann ( BGE 102 Ia 3 ; BGE 97 I 627 , 923). Das Bundesgericht prüft indessen frei, ob die unmittelbar aus Art. 4 BV abgeleiteten Garantien, insbesondere der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt sei ( BGE 103 Ia 138 ; BGE 102 Ia 26 ; BGE 101 Ia 170 ). Eine besondere Kognitionsregelung ergibt sich freilich für die Überprüfung von Examensleistungen. Deren Bewertung erfolgt nach pflichtgemässem Ermessen der Prüfungsinstanz. Bei Ermessensentscheiden einer Verwaltungsbehörde kann das Bundesgericht nach der allgemeinen Regel auf Willkürbeschwerden hin eingreifen, wenn diese die Grenze zulässigen Ermessens offensichtlich überschritten hat, d.h. wenn ihr Entscheid auf einer unhaltbaren Würdigung der Umstände beruht oder wenn sie sich von Erwägungen hat leiten lassen, die offensichtlich keine oder doch keine massgebliche Rolle spielen dürfen ( BGE 100 Ia 307 E. 3b; 99 Ia 452 E. 4, 563 E. 2 mit Hinweis). Bei der Überprüfung von Examensentscheiden ist wegen deren besonderer Natur noch grössere Zurückhaltung geboten (vgl. Urteil vom 10. Mai 1967 i.S. R., vom 20. Dezember 1978 i.S. S.; SJZ 73/1977, S. 10; vgl. BGE 99 Ia 591 f.). Die Besonderheit besteht vorab darin, dass eine sachgerechte Beurteilung oftmals die Kenntnis der Verhältnisse an der betreffenden Schule oder Universität sowie der Persönlichkeit der Kandidaten voraussetzt. Zudem werden Prüfungen in sehr verschiedenartigen Materien abgenommen, so dass als Examinatoren häufig Fachleute berufen werden, welche aufgrund ihrer Spezialkenntnisse und ihrer Erfahrung in einer bestimmten, zumeist nicht rechtlichen Materie zur Abnahme von Prüfungen besonders geeignet sind. Schliesslich erfordert eine wirksame Kontrolle einer Prüfungsleistung den Vergleich mit den Arbeiten der andern Kandidaten und eine Auseinandersetzung mit den übrigen Leistungen des Betroffenen. Die Abänderung einer Examensbewertung durch das Bundesgericht birgt daher die Gefahr neuer Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten in sich. BGE 105 Ia 190 S. 192 Diese Gefahr besteht insbesondere, wenn die Prüfung aufgrund des Entscheides wiederholt werden muss, denn Examen lassen sich nicht unter völlig gleichen Bedingungen nochmals durchführen (vgl. dazu im einzelnen PLOTKE, Probleme des Schulrechts, Prüfungen und Promotionen, 1974, S. 249 ff., 341 ff.). Aus diesen oder ähnlichen Erwägungen verzichten die Kantone oftmals auf Rechtsmittel gegen Prüfungsentscheide oder lassen nur formelle Rügen zu ( BGE 99 Ia 591 ; Blätter für Zürcherische Rechtsprechung 70/1971, S. 52 f.; Urteil des BGer vom 1. Oktober 1975 i.S. D.). Auch das OG schliesst in Art. 99 lit. f die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Verfügungen über das Ergebnis von eidgenössischen Berufs-, Fach- oder andern Fähigkeitsprüfungen aus (vgl. BBl 1965 II 1314). Der Bundesrat tritt auf Beschwerden von ETH-Studenten gegen das Ergebnis der Diplomprüfung ebenfalls nicht ein (VPB 39/1975 Nr. 85). Gegen letztinstanzliche Prüfungsentscheide kantonaler Behörden kann zwar gestützt auf Art. 4 BV staatsrechtliche Beschwerde geführt werden, doch kann es nicht Aufgabe des Bundesgerichts sein, gewissermassen die Prüfung selbst zu wiederholen. Das Bundesgericht prüft daher bei solchen Beschwerden in erster Linie, ob das gesetzlich vorgeschriebene oder unmittelbar durch Art. 4 BV gewährleistete Prüfungsverfahren durchgeführt wurde und ob die kantonalen Rechtsmittelbehörden ihrer Kontrollpflicht in hinreichender Weise nachgekommen sind. Bezüglich der Bewertung von Examensleistungen prüft es lediglich, ob sich die entscheidenden Instanzen von sachfremden Erwägungen haben leiten lassen, so dass der Prüfungsentscheid unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten als nicht mehr vertretbar erscheint. b) Gemäss Art. 26 der Ordnung für die wirtschaftswissenschaftliche Diplomprüfung vom 24. Januar 1968 können im kantonalen Einsprache- und Rekursverfahren nur die Verletzung wesentlicher Vorschriften der Prüfungsordnung und der zu ihrem Vollzug erlassenen Bestimmungen, Unangemessenheit in der Beurteilung des Leumunds sowie Willkür bei der Bewertung der Prüfungsleistung geltend gemacht werden. Indem die kantonalen Rechtsmittelinstanzen ihre Kognition im Sinne dieser Bestimmung beschränkt haben, haben sie kein Verfassungsrecht verletzt.
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Erwägungen ab Seite 112 BGE 111 IV 112 S. 112 Erwägung: 1. Mit Urteil vom 5. Juli 1985 sprach der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Zürich Frau F. vom Vorwurf der Übertretung des Art. 210 StGB frei. Dieser Entscheid wurde durch die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich am 11. Januar 1985 bestätigt. Mit heutigem Datum wies der Kassationshof eine dagegen durch die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich eingereichte eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ab. Dasselbe Rechtsmittel gegen den angefochtenen Freispruch wurde beim Bundesgericht auch durch das Statthalteramt des Bezirkes Zürich erhoben. 2. Gemäss Art. 270 Abs. 1 BStP ist der Ankläger des Kantons zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde legitimiert. Nach der Praxis des Bundesgerichtes, zu deren Überprüfung heute kein Anlass besteht, werden Beschwerden von Zürcher Statthalterämtern dann zugelassen, wenn diese gewissermassen an Stelle der Staatsanwaltschaft in der Funktion des Anklägers auftreten. Ohne jeden Zweifel unzulässig ist es jedoch, dass ein Statthalteramt neben der Staatsanwaltschaft Beschwerde führt. Daran ändert nichts, dass im zürcherischen Strafverfahren nach § 395 Ziff. 1 StPO /ZH in Übertretungssachen nebst der Staatsanwaltschaft auch die Verwaltungsbehörde, die den vorinstanzlichen Entscheid gefällt hat, zur Ergreifung von Rechtsmitteln befugt ist. Auf die Beschwerde des Statthalteramtes des Bezirkes Zürich ist mithin nicht einzutreten.
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Sachverhalt ab Seite 234 BGE 80 IV 234 S. 234 A.- Marie Kaufmann-Studer, geb. 1914, bewohnte mit ihrem Ehemanne, ihren sieben Kindern im Alter von zwei bis fünfzehn Jahren und ihrem 73 Jahre alten Vater in BGE 80 IV 234 S. 235 Schüpfheim ein eigenes Haus, in dem sie einen Zigarrenladen führte. Obschon aus dem Verdienste des Ehemannes als Fabrikarbeiter monatlich etwa Fr. 700.-- in den Haushalt flossen, geriet die Familie wegen Vergnügungs- und Geltungssucht der Ehefrau immer mehr in Schulden. Vom Juli 1952 bis 12. März 1953 wurde für Forderungen von zusammen Fr. 4785.-- achtundzwanzigmal Hausrat und Ware des Geschäftes gepfändet. Ungefähr während des letzten halben Jahres dieser Zeitspanne sagte Marie Kaufmann, die sämtliche Betreibungsurkunden entgegennahm, ihrem Manne nichts mehr von den Betreibungen. Obschon sie hohe Abschlagszahlungen leistete, kam es bis zum 5. März 1953 wieder zu Betreibungen für Fr. 2384.--. Marie Kaufmann fürchtete immer mehr, ihre sorgfältig verheimlichte Schuldenmacherei werde ihrem Ehemanne und ihrem Vater bekannt, insbesondere als am 16. und 20. März der Betreibungsbeamte bei ihr erschien, einen neuen Zahlungsbefehl brachte und mit ihr über die Rückstände sprach, wobei er darauf hinwies, dass er Ende März die Versteigerung ansetzen müsse, wenn sie nicht eine Nachlassstundung nachsuche und es ihrem Ehemanne nicht gelinge, für zwei Monate den Lohn zum voraus zu beziehen. In ihrer Angst und primitiven Triebhaftigkeit, die mit Oberflächlichkeit ihres Denkens und Fühlens verbunden war, kam sie am 20. März 1953 nach dem Besuche des Betreibungsbeamten auf den Gedanken, ihren Vater und ihren Ehemann umzubringen, damit sie die Versteigerung nicht erlebten. Sie grübelte, wie sie das machen wolle, kam aber zu keinem Schlusse, weil ihr vor der Tat grauste. In der Nacht vom 20./21. März schlief sie nur wenig und in der Nacht vom 21./22. März gar nicht, weil ihr Nachdenken sie immer wieder zum gleichen Ergebnis führte, nämlich dass die beiden Männer die Versteigerung nicht erleben dürften. Besonders stark beschäftigte der Gedanke sie am Abend des 22. März, einem Sonntag. Der Ehemann hatte sich an diesem Tage auf ihr Betreiben zum Besuche seiner Schwester BGE 80 IV 234 S. 236 nach Weggis begeben. Als sie um 20 Uhr vernahm, ihr Vater habe das Nachtessen mit der Bemerkung abgelehnt, es solle fressen, wer Hunger habe, entschloss sie sich nach langem inneren Kampfe, ihn zu töten, damit er nicht am folgenden Morgen ihren Ehemann über die Lage der Familie unterrichte. Gegen 21 Uhr schickte sie die beiden älteren Kinder zum Bahnhof ihren Vater abholen; die anderen Kinder waren schon zu Bett gegangen. Dann nahm sie eine Axt, vergewisserte sich von der Laube her, dass Vater Studer schlief, ging in das Zimmer, schlug dem Schlafenden mit mehreren Axthieben den Schädel ein und deckte ihn mit einer Bettdecke zu. Hierauf stellte sie die Axt in die Laube, reinigte in der Küche den mit Blut bespritzten Ärmel und bereitete dem heimkehrenden Ehemanne das Nachtessen zu. Nach der Mahlzeit begab sie sich mit ihrem Manne zu Bett, blieb aber schlaflos. In schwerem inneren Kampfe entschloss sie sich morgens 3 Uhr des 23. März, auch den Ehemann zu töten, holte die Axt, stellte sie bereit, legte sich wieder zu Bett, brütete weiter vor sich hin, erhob sich gegen 4 Uhr nochmals, ergriff die Axt und zertrümmerte dem Schlafenden mit mehreren Hieben den Schädel. Hernach ging sie in die Küche die blutige Axt waschen, stellte sie in den Keller und begab sich in ihr Bett zurück, die blutüberströmte Leiche ihres Ehemannes unbedeckt im Bette nebenan lassend. Etwas später kam sie auf den Gedanken, einen Raubüberfall vorzutäuschen, ging in den Laden, legte Zigarrenpakete in einen leeren Koffer, räumte die Ladenkasse aus, liess die Schublade offen und öffnete anschliessend zum gleichen Täuschungszwecke auch in der Stube einige Behälter und Türen. Nachher weilte sie noch mehrere Stunden lang neben dem Toten im Bett. B.- Am 14. Juli 1954 erklärte das Obergericht des Kantons Luzern Marie Kaufmann des wiederholten Mordes schuldig. Es nahm an, die Einsicht in das Unrecht der Taten habe ihr nicht gefehlt, doch sei ihre Fähigkeit, sich gemäss dieser Einsicht zu verhalten, in mittlerem Grade BGE 80 IV 234 S. 237 herabgesetzt gewesen. Es milderte daher die Strafe gemäss Art. 11 und 66 StGB auf zwanzig Jahre Zuchthaus. Es stellte die Verurteilte für zehn Jahre in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit ein. Auf die Freiheitsstrafe rechnete es ihr die seit 23. März 1953 ausgestandene Untersuchungshaft an. C.- Marie Kaufmann führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. Sie macht geltend, entgegen der Auffassung des Obergerichts habe sie nicht unter Umständen und mit einer Überlegung getötet, die eine besonders verwerfliche Gesinnung offenbarten. Die Verminderung ihrer Zurechnungsfähigkeit schliesse eine besonders verwerfliche Gesinnung aus. Die Gesinnung im Zeitpunkt der Tat könne nur dann eine Rolle spielen, wenn der Sinn des Täters im wesentlichen frei sei, d.h. wenn er besinnen könne, was er tue, und wenn nicht im wesentlichen Impulse, über die er nicht mehr mächtig sei, die Tat bewirkten. Die Beschwerdeführerin habe sich somit nur der vorsätzlichen Tötung ( Art. 111 StGB ) schuldig gemacht.
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Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Mord ( Art. 112 StGB ) unterscheidet sich von der vorsätzlichen Tötung ( Art. 111 StGB ) dadurch, dass der Mörder "unter Umständen oder mit einer Überlegung tötet, die seine besonders verwerfliche Gesinnung oder seine Gefährlichkeit offenbaren". Das Obergericht hat die Gefährlichkeit der Beschwerdeführerin verneint, dagegen ihre besonders verwerfliche Gesinnung bejaht. Es schliesst auf solche Gesinnung aus den Umständen der Tat (äusserer Hergang, Vorgeschichte, Beweggrund) und weil die Beschwerdeführerin mit Überlegung gehandelt habe. Damit verkennt das Obergericht, dass die Überlegung als solche weder allein noch in Verbindung mit den Umständen der Tat Merkmal des Mordes ist. Die Tat kann mit BGE 80 IV 234 S. 238 Überlegung (préméditation, premeditazione) begangen worden und dennoch nur vorsätzliche Tötung sein, z.B. in dem schon in den Erläuterungen zum Vorentwurf (S. 120) und in der Botschaft des Bundesrates (S. 31) erwähnten und auch in der Bundesversammlung angeführten Falle, dass eine arme Witwe nach langen Seelenkämpfen aus Verzweiflung mit ihrem Kinde ins Wasser geht und lebend herausgezogen wird, während das Kind umkommt. Wie der Kassationshof schon in BGE 70 IV 7 ausgeführt hat, liegt das Kennzeichen des Mordes nicht in der Überlegung, sondern in der Gefährlichkeit oder der besonders verwerflichen Gesinnung des Täters, die in der von ihm angestellten Überlegung oder auch bloss in den Umständen der Tat zum Ausdruck kommen. Wenn der Richter nicht schon allein aus den Umständen der Tat auf besonders verwerfliche Gesinnung schliesst und damit die Tat als Mord würdigt, sondern auch die Überlegungen berücksichtigt, die der Täter vor der Begehung gemacht und die ihn zur Tat bewogen haben, ist daher zu erwägen, ob sie die Gesinnung des Täters wirklich als besonders verwerflich erscheinen lassen. 2. Im vorliegenden Falle trifft das zu. Die Überlegung der Beschwerdeführerin, sie wolle ihren Ehemann und ihren Vater umbringen, damit sie nicht erführen, in welche Lage sie die Familie durch ihre Schuldenmacherei gebracht hatte, insbesondere damit sie die Versteigerung der gepfändeten Sachen nicht erlebten, verrät einen besonders hohen Grad von Unmoral. Wie das Obergericht verbindlich feststellt, handelte die Beschwerdeführerin rein aus Egoismus. Sie wollte die beiden Haupturheber möglicher Vorwürfe aus der Welt schaffen; es war ihr nicht darum zu tun, ihnen die Schande der Versteigerung oder des drohenden Verlustes des Heimes zu ersparen; das war nur ein vorgeschobener Beweggrund, mit dem sie ihre Verbrechen vor sich selbst und anderen zu rechtfertigen versuchte. Die Beschwerdeführerin handelte umso verwerflicher, als sie nicht unverschuldet in Not geraten, sondern durch Misswirtschaft, BGE 80 IV 234 S. 239 die auf eine Vergnügungs- und Geltungssucht zurückging, in die bedrängte Lage gekommen war und es auch ihrer eigenen verfehlten Einstellung zuzuschreiben hatte, dass die beiden Männer noch nicht wussten, was der Familie drohte. Dass der Ehemann anlässlich früherer Betreibungen geschimpft hatte, mildert die Verwerflichkeit der Gesinnung der Beschwerdeführerin nicht. Das Schimpfen war durchaus berechtigt gewesen, und dass der Ehemann dabei besondere Bosheit oder eine drohende Haltung an den Tag gelegt oder die Beschwerdeführerin sogar geschlagen habe, behauptet sie nicht. Die zunehmende Angst der Beschwerdeführerin war objektiv unbegründet und ging subjektiv nur auf eine abwegige Charakterveranlagung zurück. Soweit diese die Willensfreiheit im Zeitpunkt der Tat herabsetzte, wurde ihr durch Milderung der Strafe Rechnung getragen. An der besonderen Verwerflichkeit der Gesinnung der Täterin ändert sie nichts. Gesinnung ist nicht, wie der Verteidiger annimmt, gleichbedeutend mit Fähigkeit des Besinnens im Augenblick der Tat. Verminderung der Willensfreiheit ändert an der Gesinnung nichts, die den Täter mit dem vorhandenen Teil von Willensfreiheit, für den er einzustehen hat, zum Verbrechen treibt. Ob die Gesinnung des vermindert Einsichtsfähigen gleich zu beurteilen sei wie die des voll Einsichtsfähigen, kann sich im vorliegenden Falle nicht fragen, da die Sachverständigen und das Obergericht der Beschwerdeführerin entgegen der Behauptung des Verteidigers die Fähigkeit, das Unrecht ihrer Taten voll einzusehen, nicht abgesprochen haben. Die Beschwerdeführerin hätte sich insbesondere auch sagen können und sollen, dass sie ihren sieben Kindern schweres Unrecht zufüge, ihnen den Vater und den Grossvater für immer zu entreissen. Wer durch solche Bedenken egoistische Regungen, wie die Beschwerdeführerin ihnen erlegen ist, nicht zu überwinden vermag, obschon er mehr als zwei Tage und Nächte über die Tat brütet, bekundet eine besonders verwerfliche Gesinnung. BGE 80 IV 234 S. 240 3. Die Umstände der Tat offenbaren übrigens gleiche Gesinnung. Zu diesen Umständen gehören hier schon die Bande des Blutes und der Ehe, mit denen die Beschwerdeführerin und ihre Opfer verbunden waren. Es bedarf eines aussergewöhnlichen Grades von Gefühlsrohheit, aus dem hier festgestellten Beweggrunde den eigenen Vater und den Ehemann zu töten. Das gewählte Mittel, ihnen mit mehreren Axtschlägen den Schädel zu zertrümmern, erhöht die Scheusslichkeit der Tat. Dass die Opfer schliefen, ersparte ihnen zwar Schmerzen, zeugt aber von Feigheit der Täterin und abgründigem Missbrauch des Vertrauens, das die Glieder einer in Hausgemeinschaft lebenden Familie einander entgegenbringen und das insbesondere zwischen Ehegatten und Blutsverwandten des ersten Grades besteht. Die Verwerflichkeit der Gesinnung der Beschwerdeführerin wird auch erhöht durch die Häufung zweier Verbrechen in ein und derselben Nacht, wobei das zweite erst endgültig beschlossen wurde, als das erste schon begangen war. Nur roheste Gesinnung kann es einem Weibe ermöglichen, am eigenen Manne eine so abscheuliche Tat, wie sie zuvor am Vater begangen wurde, zu wiederholen und sich nachher für mehrere Stunden neben die blutüberströmte Leiche zu Bette zu legen.
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Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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Sachverhalt ab Seite 437 BGE 89 II 437 S. 437 A.- Second fils d'une famille de six enfants, HenriGolval de Sandol-Roy vécut célibataire dans son domaine du Marais, à Couvet, et décéda à Nice, où il séjournait BGE 89 II 437 S. 438 le 15 janvier 1961. Il laissa comme héritiers légaux les descendants d'une soeur, à savoir dame Simone de Chambrier, née Mercier, ainsi que Claude, Yves et Dominique Borel, d'une part, et son frère Jean de Sandol-Roy, d'autre part. Désireux de maintenir aussi longtemps que possible le nom de sa famille et de lui conserver un certain lustre, le défunt avait créé par testament du 29 septembre 1933 une "Caisse de famille de Sandol-Roy" qu'il institua héritière de tous ses biens. Il désigna comme exécuteurs testamentaires "Messieurs Wavre, notaires à Neuchâtel, ensemble ou séparément". Il compléta et modifia ses dispositions de dernière volonté par sept codicilles rédigés entre le 4 décembre 1943 et le 9 octobre 1959. Il ordonna notamment quelques legs. Il inséra dans son testament une clause punitive frappant d'exhérédation quiconque attaquerait la disposition pour cause de mort. A son décès, sa fortune fut estimée à 2 750 000 fr. environ, les immeubles étant comptés à leur valeur cadastrale. Les statuts de la caisse de famille mentionnent comme but de "subvenir aux dépenses d'éducation, d'assistance et d'entretien des membres de la famille et leur procurer un lieu de villégiature ou de convalescence". Les organes de la fondation devaient vouer un soin particulier aux orphelins mineurs. Les revenus nets de la fortune devaient être affectés chaque année, dans une proportion fixée, aux tâches suivantes: augmenter le capital, verser des fonds à des oeuvres de bienfaisance, acquérir des livres destinés à la bibliothèque et faire exécuter les portraits des représentants mâles de la famille de Sandol-Roy, payer des subventions servant à l'éducation et à l'assistance des membres de la famille. Les bénéficiaires, énumérés limitativement, étaient: 1o les mâles majeurs, orphelins de père, descendants légitimes d'Alfred de Sandol-Roy et de sa femme Ida née van den Bosch et les mâles mineurs, orphelins de père et de mère; BGE 89 II 437 S. 439 2o les veuves qui portent le nom de Sandol-Roy pendant leur veuvage; 3o Madame Arthur Mercier née Elisabeth de Sandol-Roy et, à sa mort, ses filles, pour une part d'un cinquième, portée à un tiers par le second codicille, du 6 décembre 1947. Les bénéficiaires devaient jouir des prestations de la fondation en suivant l'ordre de primogéniture. La fondation avait une durée illimitée. Elle devait être dissoute à défaut de descendants mâles d'Alfred de Sandol-Roy et si aucun descendant par la ligne féminine n'obtenait le droit de relever le nom et les armes de la famille éteinte quant aux mâles. Le domaine du Marais serait alors acquis à l'Etat de Neuchâtel ou une commune, de préférence celle de Couvet, et la fortune mobilière répartie selon les instructions du testateur. Dans son troisième codicille, du 22 septembre 1951, Henri-Golval de Sandol-Roy a soumis sa succession au droit de son canton d'origine, Neuchâtel, qui a supprimé la réserve des frères et soeurs (art. 472 CC et 48 de la loi neuchâteloise d'introduction au CC). B.- Par demande du 30 décembre 1961, dame Simone de Chambrier, née Mercier, ainsi qu'Yves, Claude et Dominique Borel, intentèrent à la Caisse de famille de Sandol-Roy, à Jean de Sandol-Roy, de même qu'à Frédéric, Jacques et Denis Wavre, notaires à Neuchâtel, en leur qualité d'exécuteurs testamentaires de feu Henri-Golval de Sandol-Roy, une action tendant à l'annulation du testament et des codicilles du défunt dans la mesure où ils concernent la fondation. Les demandeurs requirent en outre que la succession du défunt fût partagée selon les règles applicables aux successions ab intestat. Les défendeurs conclurent au rejet de la demande et, reconventionnellement, à la conversion de la fondation critiquée en une substitution fidéicommissaire universelle dont Jean de Sandol-Roy serait le grevé et son fils Roland l'appelé, avec substitution vulgaire en faveur des autres BGE 89 II 437 S. 440 bénéficiaires désignés subsidiairement par le défunt. Ils requirent également que les demandeurs fussent déclarés déchus de tous leurs droits successoraux et que les biens laissés par le défunt fussent délivrés à Jean de Sandol-Roy. Statuant le 1er juillet 1963, le Tribunal cantonal neuchâtelois a annulé la fondation dite "Caisse de famille de Sandol-Roy", le testament olographe d'Henri-Golval de Sandol-Roy du 23 septembre 1933 dans la mesure où il concerne ladite fondation, ainsi que les codicilles no 1 du 4 décembre 1943 et no 2 du 6 décembre 1947 qui s'y rapportaient également. Le tribunal a prononcé en outre que la succession du défunt serait partagée selon les règles de la succession ab intestat. C.- Le défendeur Jean de Sandol-Roy recourt en réforme au Tribunal fédéral en reprenant la demande de conversion en substitution fidéicommissaire. Il requiert derechef la délivrance des biens laissés par le défunt. Les demandeurs, intimés dans l'instance de réforme, concluent au rejet du recours.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. Le recours ne tend pas à critiquer le jugement cantonal dans la mesure où il déclare nulle, parce qu'illicite au regard de l'art. 335 CC, la fondation de famille créée par feu Henri-Golval de Sandol-Roy. Le but fixé par le défunt, à savoir procurer des subsides d'entretien aux membres désignés de sa famille, sans que les prestations soient subordonnées à l'existence d'un besoin chez les bénéficiaires, est en effet inconciliable avec la disposition légale citée (RO 73 II 86, 75 II 24 et 90). Le recourant ne demande pas non plus la conversion en une fondation ordinaire, à laquelle manquerait le but spécial exigé par la loi. En revanche, il persiste à soutenir que la fondation instituée par le testateur, nulle comme telle, devrait être convertie en une substitution fidéicommissaire. 2. Selon la doctrine et la jurisprudence, lorsqu'un acte nul remplit les conditions d'un autre acte juridique, BGE 89 II 437 S. 441 ce dernier est valable s'il a un but et produit un résultat semblables à ceux du premier et s'il faut admettre que telle aurait été la volonté des parties dans le cas où elles auraient eu connaissance de cette nullité; toutefois, l'acte substitué ne saurait évidemment aller au-delà de celui qui était voulu par les parties et imposer à l'une ou l'autre d'entre elles des obligations plus strictes (RO 80 II 86 et références citées, notamment RO 76 II 13 consid. 5; VON TUHR/SIEGWART, Allgemeiner Teil des schweiz. OR, I, p. 217; OSER/SCHÖNENBERGER, n. 35 ad art. 11 CO). La conversion des actes juridiques se justifie d'autant plus en matière successorale que la règle du favor testamenti commande de choisir, entre deux interprétations possibles d'une disposition pour cause de mort, celle qui permet de maintenir la disposition (RO 75 II 92 in fine). En l'espèce, le testament du 29 septembre 1933 satisfait à la forme requise pour ordonner une substitution fidéicommissaire. La capacité du testateur obéit aux mêmes règles, que la disposition pour cause de mort institue une fondation de famille ou une substitution fidéicommissaire. Il reste à examiner si les deux modes de disposer tendent au même but, d'une part, et s'il était conforme à la volonté du défunt d'atteindre ce but par le second mode, dans le cas où le premier se révélerait impraticable, d'autre part. a) La Caisse de famille de Sandol-Roy avait pour but de "subvenir aux dépenses d'éducation, d'assistance et d'entretien des membres de la famille et leur procurer un lieu de villégiature ou de convalescence". La désignation des bénéficiaires révèle que le disposant était animé par le souci de maintenir le plus longtemps possible le nom de la famille de Sandol-Roy, en lui procurant un certain éclat grâce à la fortune considérable qu'il laissait à sa mort. Les prestations de la fondation étaient en effet destinées aux descendants mâles légitimes d'Alfred de Sandol-Roy, aux veuves portant ce nom pendant leur veuvage, à une soeur du testateur, puis ses filles et leurs enfants, mais seulement pour un tiers; à défaut de descendants BGE 89 II 437 S. 442 mâles de la famille de Sandol-Roy, les bénéficiaires devaient être les descendants mâles par la ligne féminine, à la condition toutefois qu'ils obtiennent le droit de relever le nom et les armes de la famille; l'ordre dans lequel ils profiteraient des prestations était soigneusement fixé; si les descendants en question ne voulaient ou ne pouvaient relever le nom de Sandol-Roy dans les deux ans suivant le décès du dernier mâle qui l'avait porté, la caisse de famille devait être dissoute et la fortune répartie, selon des règles précises énoncées dans le testament, entre le dernier descendant mâle (ou le descendant en ligne féminine qui aurait relevé le nom et n'aurait pas de descendant ou son dernier descendant mâle) et l'Etat de Neuchâtel ou une commune de ce canton, de préférence la commune de Couvet. Le défunt n'a donc pas voulu gratifier ses frères comme tels (lors de la rédaction du testament, il n'avait pas encore de neveux mâles) ni par opposition à ses soeurs, mais bien comme porteurs du nom de famille de Sandol-Roy. La mention des veuves portant le même nom confirme cette interprétation. Une substitution fidéicommissaire dont le recourant Jean de Sandol-Roy, frère du testateur, serait le grevé, et son fils Roland, neveu du disposant, l'appelé, ne conduirait pas au résultat envisagé par le défunt lorsqu'il a créé la fondation de famille. Celle-ci eût été une personne morale, propriétaire des biens qu'elle eût reçus comme héritière instituée. La fortune laissée par le testateur eût ainsi été séparée de celle des membres de la famille. En revanche, si l'on admettait la conversion de la disposition pour cause de mort en une substitution fidéicommissaire, les biens dévolus au grevé ne seraient plus distincts de son propre patrimoine et ils deviendraient finalement la propriété de l'appelé. La faculté donnée à titre subsidiaire par le défunt aux descendants par la ligne féminine de bénéficier de la fortune laissée à la fondation en relevant le nom de la famille serait exclue. Pratiquement, le respect de la volonté du disposant ne serait assuré que pour la durée d'une génération. BGE 89 II 437 S. 443 En outre, les droits des demandeurs et intimés au recours seraient en partie compromis. Les héritiers de l'appelé pourraient en effet demander l'annulation ou faire constater la nullité des libéralités faites par le testateur à sa soeur et aux descendants de celle-ci, transformées en legs, dans la mesure où elles lieraient une troisième génération (cf. art. 488 al. 2 et 3 CC; TUOR, 2e éd., n. 9 ad art. 488 CC et ESCHER, 3e éd., n. 4 ibid., admettent l'annulation; EGGER, 2e éd., n. 23 in fine ad art. 335 CC, se prononce en faveur de la nullité absolue du fidéicommis de famille). En outre, l'acquisition par des descendants d'Alfred de Sandol-Roy de la part des biens successoraux qui n'irait pas à l'Etat ou à la commune en cas de dissolution de la fondation serait exclue à jamais. b) Ni le contenu du testament, ni l'attitude générale de son auteur ne permettent de dire que celui-ci aurait attribué ainsi toute sa fortune à son frère et à son neveu, s'il avait connu la nullité de la fondation de famille et l'impossibilité légale de transmettre ses biens à des personnes choisies par lui au-delà de deux générations. Il résulte au contraire des faits établis que l'intérêt du testateur allait aux porteurs du nom de Sandol-Roy et non à des personnes déterminées. De plus, il paraît invraisemblable que, placé devant l'échec total ou partiel de ses projets tendant à assurer le maintien et l'éclat du nom de sa famille, feu Henri-Golval de Sandol-Roy aurait exclu de sa succession sa soeur dame de Chambrier, dont il avait augmenté la part initiale d'un quart indiquée dans son testament à un tiers, selon le second codicille, la mettant ainsi sur un pied d'égalité avec ses deux frères. On ignore comment le défunt aurait disposé pour cause de mort, s'il avait connu la nullité de la fondation. La conversion proposée par le recourant n'est dès lors pas admissible. 3. L'annulation du testament et des codicilles dans la mesure où ils concernent la fondation de famille prohibée par la loi n'invalide pas entièrement la clause punitive frappant d'exhérédation quiconque attaquera le testament BGE 89 II 437 S. 444 du défunt. Cette clause protège encore la désignation des exécuteurs testamentaires, qui assureront le respect de la volonté exprimée par le testateur dans les codicilles maintenus en vigueur. Elle ne saurait toutefois priver les demandeurs et intimés au recours de leur droit de succession ab intestat. Leur action était fondée en tant qu'elle visait l'annulation de la fondation de famille illicite. S'ils ont pris également des conclusions en annulation de la désignation des exécuteurs testamentaires et de la clause punitive, c'est qu'ils les tenaient pour des dispositions accessoires, dont le sort suivrait celui de la fondation. Aussi bien n'ontils attaqué que les codicilles 1 et 2, tandis qu'ils ont admis expressément la validité des codicilles 3 à 7. Ayant obtenu gain de cause dans leur action en annulation du testament créant la fondation et des codicilles se rapportant à celle-ci, ils recouvrent leur droit de succession légal. La clause punitive ne peut en effet mettre obstacle à l'introduction d'une action tendant à l'annulation d'une disposition pour cause de mort dont l'objet est illicite, et que le juge reconnaît fondée (RO 85 II 380). Le jugement entrepris échappe donc à la critique sur ce point également.
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Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral Rejette le recours et confirme le jugement rendu le 1er juillet 1963 par le Tribunal cantonal neuchâtelois.
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Sachverhalt ab Seite 441 BGE 108 Ib 440 S. 441 Filiale d'une société américaine, AMF Overseas Corporation a, en 1959, créé à son tour une filiale immobilière dont le but statutaire était "l'achat, la vente, la construction, la possession et l'exploitation d'immeubles tant en Suisse qu'à l'étranger". Selon acte authentique du 23 mai 1980, AMF Overseas Corporation a déclaré absorber cette filiale, la société AMF Geneva S.A., par fusion au sens de l' art. 748 CO . Elle en reprenait ainsi tous les actifs et passifs, soit notamment une parcelle sur le territoire de la commune genevoise de Vernier et, sur le territoire de la commune vaudoise de Grens, une parcelle non bâtie no 117 d'une superficie de 21'497 m2, sise en zone communale sans affectation spéciale. L'une des clauses de l'acte authentique disposait que le transfert des immeubles était soumis à l'approbation des autorités compétentes, en application de l'AFAIE. En exécution de cette clause et en vue de l'acquisition des deux parcelles de Vernier et de Grens, la société AMF Overseas Corporation a adressé les requêtes nécessaires aux autorités cantonales, genevoise et vaudoise. Par décision du 29 août 1980, le Département genevois de l'économie publique a autorisé la société requérante à acquérir la parcelle de Vernier, sur laquelle la société AMF Geneva S.A. exploitait un restaurant et une salle de jeu de boules. N'ayant fait l'objet d'aucun recours, cette autorisation est devenue définitive. De son côté, considérant "qu'il s'agit d'une fusion de deux sociétés qui ont toutes deux leur siège à Genève et qui sont toutes deux contrôlées par la même société étrangère", la Commission foncière II (autorité de première instance compétente dans le canton de Vaud en matière d'acquisition d'immeubles par des BGE 108 Ib 440 S. 442 personnes à l'étranger) a, par décision du 22 août 1980, accordé l'autorisation sollicitée d'acquérir la parcelle de Grens avec "obligation d'utiliser l'immeuble exclusivement pour abriter l'établissement stable d'une entreprise exploitée par l'acquéreur". Toutefois, statuant sur recours de l'Office fédéral de la justice, la Commission cantonale de recours en matière foncière a annulé la décision de la Commission foncière II. Dans cette décision motivée du 8 avril 1981, la Commission a constaté "que le terrain de Grens n'est effectivement pas bâti, que la société AMF Overseas Corporation n'envisage pas d'y construire un bowling ou un restaurant pour le moment, qu'elle n'a donc pas d'intérêt légitime au sens de l' art. 6 al. 2 lettre b AFAIE et que, de plus, le terrain en question ne se trouve pas dans une zone à bâtir au sens de l' art. 7 al. 1 AFAIE , ce qui constitue un motif impératif de refus d'autorisation". En revanche, la Commission cantonale a considéré "que, dans le cas présent, on peut se demander s'il s'agit véritablement d'une acquisition au sens de l'arrêté fédéral, que la société requérante n'ayant pas présenté de requête en contestation d'assujettissement, la Commission n'a pas à trancher cette question, qu'il est loisible à l'intimée de présenter une telle requête à la Commission foncière". Agissant par la voie d'un recours de droit administratif, la société AMF Overseas Corporation demande au Tribunal fédéral d'annuler la décision de la Commission cantonale de recours et, principalement, de dire que le transfert de la parcelle de Grens n'est pas assujetti à l'AFAIE ou, subsidiairement, de dire que ce transfert doit être autorisé en application de l' art. 6 al. 2 lettre b AFAIE . Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
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663
Erwägungen Considérant en droit: 1. a) (pouvoir d'examen du TF). b) Agissant par l'intermédiaire d'un notaire vaudois, la société AMF Overseas Corporation a, en date du 25 juillet 1980, adressé à la Commission foncière II une requête relative à l'acquisition de la parcelle no 117 de la commune de Grens, sans préciser si elle entendait faire constater le non-assujettissement au régime de l'autorisation ou si, admettant cet assujettissement, elle demandait l'autorisation d'acquérir l'immeuble. En effet, sous BGE 108 Ib 440 S. 443 ch. 54 du formulaire de "requête pour personne morale", la société AMF Overseas Corporation avait mentionné ce qui suit: "54. Motifs allégués pour échapper au régime de l'autorisation ou pour obtenir une autorisation: Fusion des deux sociétés, comme mentionné sur les pièces produites avec les présentes." Pratiquement, cela signifie que la requérante laissait à l'autorité de première instance le soin d'examiner si le transfert de la parcelle de Grens par suite de la fusion était soumis à autorisation et, en cas de réponse positive à cette première question, de lui délivrer l'autorisation nécessaire. Contrairement à l'opinion exprimée par la Commission cantonale de recours, tant dans la décision entreprise que dans ses observations du 14 octobre 1981, on ne peut pas dire que la société AMF Overseas Corporation, du seul fait qu'elle n'avait pas formellement présenté une requête en non-assujettissement, doit être considérée comme ayant seulement demandé l'autorisation d'acquérir l'immeuble. c) Il est vrai que la Commission foncière II a décidé d'autoriser - à certaines conditions et avec des charges - le transfert de la propriété de la parcelle litigieuse. L'autorité de première instance a ainsi clairement - bien que de manière implicite - admis l'assujettissement en vertu des art. 1, 2 lettre c et 3 lettre c AFAIE. Mais, comme elle obtenait l'autorisation, la société AMF Overseas Corporation n'avait en réalité aucune raison d'attaquer cette décision. Elle ne se privait cependant pas pour autant de la possibilité - en cas de recours - de contester devant les instances supérieures l'assujettissement au régime de l'autorisation. D'ailleurs, c'est précisément ce qu'elle a fait puisque, en réponse au recours de l'Office fédéral de la justice, elle a pris des conclusions formelles en ce sens. Ces conclusions n'étaient pas irrecevables et la Commission cantonale de recours ne les a pas considérées comme telles. Dans ces conditions, l'autorité intimée ne pouvait pas se dispenser de statuer sur cette question. En principe, lorsqu'elle est saisie d'une requête en autorisation ou d'un recours dirigé contre l'octroi d'une autorisation, l'autorité compétente en matière d'acquisition d'immeubles par des personnes à l'étranger a le devoir d'examiner d'office non seulement si l'autorisation doit être accordée, mais déjà si une telle autorisation est nécessaire ( ATF 104 Ib 143 consid. 1), dans la mesure tout au moins où, dans la procédure en cours, l'assujettissement au régime de l'autorisation n'a pas été BGE 108 Ib 440 S. 444 définitivement admis par les parties. C'est donc à tort que la Commission cantonale de recours a expressément laissé à la société AMF Overseas Corporation le soin de présenter une éventuelle requête en non-assujettissement à la Commission foncière II "qui aura à examiner si l'opération en question doit ou non être assimilée à une acquisition d'immeuble, vu les circonstances particulières de l'espèce". La Commission de recours devait elle-même statuer sur les conclusions de la société requérante ou, le cas échéant, renvoyer le dossier à l'autorité de première instance pour lui permettre de se prononcer sur cette question préjudicielle de l'assujettissement. d) Ainsi, contrairement à l'opinion soutenue par l'Office fédéral de la justice, la recourante ne saurait être considérée comme déchue de son droit de contester le principe même de l'assujettissement puisque, dans sa requête à la Commission foncière II, elle n'avait pas limité expressément sa demande au seul octroi d'une autorisation. Les conclusions principales du présent recours ne sont donc pas en contradiction avec la requête présentée à l'autorité de première instance: on ne saurait dès lors les déclarer irrecevables. 2. Selon le principe fondamental énoncé à l' art. 1er AFAIE , toute acquisition d'immeuble sis en Suisse, faite par une personne à l'étranger, est subordonnée à l'assentiment de l'autorité cantonale compétente. Autrement dit, une autorisation est nécessaire lorsque deux conditions - l'une objective et l'autre subjective - se trouvent réunies: il faut, d'une part, qu'une personne physique ou morale entende acquérir - ou acquière - le droit de propriété ou des droits analogues (énumérés à l' art. 2 AFAIE ) sur un immeuble sis en Suisse et, d'autre part, que cette personne soit considérée (selon les dispositions des art. 3 à 5 AFAIE) comme domiciliée à l'étranger. Or, en l'espèce, la société recourante reconnaît expressément être une filiale d'une société américaine, American Machine and Foundry (AMF), dont le siège social est à New York. Bien qu'elle soit inscrite au registre du commerce de Genève où elle a son siège social, la société recourante, AMF Overseas Corporation, est donc, saus aucun doute, assujettie au régime de l'autorisation en vertu de l'art. 3 lettre c AFAIE. La condition subjective est réalisée; cela n'est contesté par personne. En revanche, la question est litigieuse de savoir si la condition objective se trouve, elle aussi, réalisée. BGE 108 Ib 440 S. 445 3. De manière implicite, l'autorité de première instance l'avait admis, puisqu'elle a décidé d'accorder l'autorisation et, tout en exprimant quelque doute à ce sujet, la Commission cantonale de recours et l'Office fédéral de la justice l'admettent aussi. Par contre, après avoir déclaré, dans le contrat de fusion, que le transfert de la propriété de la parcelle de Grens - résultant de la fusion - était soumis à autorisation, la société recourante soutient maintenant le contraire. a) En droit suisse, la fusion implique la reprise, par la société absorbante, de tout le patrimoine (actifs et passifs) de la société absorbée. Il s'agit là d'un transfert universel, analogue à celui que connaît le droit des successions. La société absorbante succède à la société absorbée, tant activement que passivement, comme l'héritier succède au de cujus. Elle acquiert tous les droits et toutes les obligations qui sont transférés du seul fait de la fusion, sans que des formalités particulières soient nécessaires à la transmission de chaque droit ou obligation en particulier. C'est ainsi que, pour le transfert d'immeubles, l'inscription au registre foncier n'a qu'une valeur déclarative conformément à l' art. 656 al. 2 CC (voir ROBERT PATRY, Précis de droit suisse des sociétés, vol. II p. 288; WOLFHART BÜRGI, Zürcher Kommentar, Vorbemerkungen zu den Art. 748-750 OR, n. 18; FRITZ VON STEIGER, Le droit des sociétés anonymes en Suisse, p. 384 et 386; ANDRÉ CUENDET, La fusion par absorption, en particulier le contrat de fusion dans le droit suisse de la société anonyme, thèse Lausanne 1973, p. 38 ss). Ainsi, par l'exécution du contrat de fusion et indépendamment de toute inscription au registre foncier, la société absorbante, AMF Overseas Corporation, a acquis le droit de propriété sur deux immeubles, situés dans les communes genevoise de Vernier et vaudoise de Grens, qui appartenaient à la société absorbée, la société immobilière AMF Geneva S.A. Il y a donc bien eu acquisition d'immeubles au sens de l' art. 1er AFAIE . b) Il est vrai que, sans le dire clairement, la recourante semble vouloir soutenir qu'en cas de fusion par absorption, le transfert - à titre universel - de la propriété d'immeubles faisant partie du patrimoine de la société absorbée ne saurait être assimilé à une acquisition immobilière soumise à autorisation selon l' art. 1er AFAIE . En particulier, dans ses observations du 14 janvier 1981, la société AMF Overseas Corporation a insisté, devant la Commission cantonale de recours en matière foncière, sur la différence qu'elle tenait pour essentielle entre le transfert à titre BGE 108 Ib 440 S. 446 universel résultant d'une fusion par absorption et la cession, à titre particulier, de biens faisant partie d'un patrimoine ou d'une entreprise. Mais cet argument est dénué de pertinence. Contrairement à ce que le Conseil fédéral avait prévu dans son projet présenté le 15 novembre 1960 (voir FF 1960 II p. 1253 ss), l'arrêté fédéral sur l'acquisition d'immeubles par des personnes à l'étranger soumet à autorisation non pas les contrats ayant pour objet le transfert de la propriété foncière, mais le transfert lui-même du droit de propriété sur un immeuble sis en Suisse ou d'autres droits, réels ou personnels, permettant à l'acquéreur d'atteindre un but économique analogue. Dans le système de l'arrêté fédéral, toute acquisition d'immeuble (au sens des art. 1 et 2 AFAIE ) est soumise à autorisation, quel que soit le mode de transfert, par inscription au registre foncier (selon le principe énoncé à l' art. 656 al. 1 CC ) ou sans inscription (selon l' art. 656 al. 2 CC ). C'est ainsi que le Tribunal fédéral a déjà eu l'occasion de soumettre à autorisation l'acquisition d'un immeuble réalisée par un adjudicataire étranger au cours d'enchères publiques (voir l'art. 11 al. 2 in fine AFAIE; ATF 102 Ib 133 ; voir aussi le Message du Conseil fédéral du 16 septembre 1981, FF 1981 III p. 603) comme aussi l'acquisition d'un immeuble réalisée dans la dévolution d'une succession par un héritier institué qui, comme tout héritier ( ATF 101 II 226 consid. 5a), acquiert de plein droit l'universalité de la succession dès qu'elle est ouverte ( art. 560 CC ; ATF 101 Ib 381 consid. 1a). Logiquement, il en va de même en cas de fusion de sociétés (au sens propre du terme, selon les art. 748 ou 749 CO ). Il n'y a aucune raison de faire une exception à la règle générale énoncée à l' art. 1er AFAIE en faveur d'une société qui, dans le cadre d'une fusion, fait à titre universel l'acquisition d'immeubles ayant appartenu à la société qu'elle absorbe. L'application de cette règle générale est d'ailleurs expressément prévue à l' art. 6 OAIE . c) Dans ses observations adressées à la Commission cantonale de recours en matière foncière et dans son mémoire de recours au Tribunal fédéral, la société AMF Overseas Corporation fait cependant valoir, à titre principal, que l' art. 6 OAIE ne vise pas les fusions de sociétés (au sens des art. 748 ou 749 CO ) mais seulement ce qu'elle appelle les "fusions d'entreprises" (selon l' art. 181 CO ). A titre subsidiaire et pour le cas où l' art. 6 OAIE serait déclaré applicable aux fusions de sociétés, la recourante BGE 108 Ib 440 S. 447 invoque la prétendue illégalité de cette disposition réglementaire. Mais ces deux moyens sont manifestement mal fondés. Le terme de fusion (en allemand: die Fusion) n'apparaît ni dans la note marginale, ni dans le texte de l' art. 181 CO où il est question de reprise (Übernahme) d'un patrimoine ou d'une entreprise, c'est-à-dire d'un transfert à titre singulier des divers éléments de ce patrimoine ou de cette entreprise; de plus, les auteurs n'emploient jamais ce terme de fusion dans leurs commentaires de cet article (voir OSER ET SCHÖNENBERGER, Zürcher Kommentar ad Art. 181 OR; PIERRE ENGEL, Traité des obligations en droit suisse, p. 606 ss; EUGEN BUCHER, Schweiz. Obligationenrecht, Allg. Teil, p. 536 ss; VON TUHR/ESCHER, Allg. Teil des Schweiz. Obligationenrechts, par. 99 VII p. 395 ss). On ne saurait dès lors soutenir sérieusement que la mention entre parenthèses de l' art. 181 CO dans le texte de l' art. 6 OAIE se rapporte non seulement aux reprises de patrimoine ou d'entreprise (selon l' art. 181 CO ) mais aussi à une sorte de "fusion" - opérant un transfert à titre singulier - autre que celle prévue aux art. 748 ou 749 CO . Que l'on se réfère au texte français ou allemand de l' art. 6 OAIE , il appert au contraire que le Conseil fédéral a voulu simplement constater que la fusion de sociétés (selon les art. 748 ou 749 CO ) est une acquisition d'immeuble soumise à autorisation en vertu de l' art. 1er AFAIE . Ce faisant, il n'a d'ailleurs pas créé un cas nouveau d'acquisition d'immeuble, mais simplement confirmé une règle allant de soi. Dès lors, c'est à tort que la recourante lui reproche d'avoir introduit dans son ordonnance une disposition non conforme à l'AFAIE. d) Dans la fusion de sociétés (au sens propre du terme, selon l' art. 748 CO ), l'acquisition par la société absorbante d'un immeuble faisant partie du patrimoine de la société absorbée doit donc être considérée, en principe, comme une acquisition d'immeuble soumise à autorisation, au sens de l' art. 1er AFAIE . Toutefois, la question peut se poser de savoir s'il y a lieu de faire une exception à cette règle dans le cas particulier où, comme en l'espèce, une société mère absorbe sa filiale. Il convient, en effet, de remarquer que, pour résoudre le problème de l'assujettissement au régime de l'autorisation, le législateur fédéral tient compte de la situation économique. Ainsi, selon l'art. 2 lettre e AFAIE, il assimile à une acquisition d'immeuble, soumise à autorisation, l'acquisition de droits - autres que le droit de propriété sur un immeuble - qui permettent BGE 108 Ib 440 S. 448 à l'acquéreur d'atteindre un but analogue. De même, selon l'art. 3 lettre c AFAIE, une personne morale ou une société ayant son siège en Suisse - donc, en principe, considérée comme domiciliée en Suisse - est assujettie au régime de l'autorisation si elle est économiquement dominée par des personnes à l'étranger. Pratiquement, cela signifie que la notion de propriété économique joue un rôle important dans le cadre de la législation sur l'acquisition d'immeubles par des personnes à l'étranger. Or, de ce point de vue, il faut bien reconnaître que, dans le cas particulier, avant comme après la fusion, c'est la même personne à l'étranger - la société American Machine and Foundry à New York - qui doit être considérée comme le propriétaire économique de l'immeuble litigieux, sis à Grens. L'absorption de la société AMF Geneva S.A. par sa mère, la société AMF Overseas Corporation n'a fait que supprimer un intermédiaire entre la société américaine et l'immeuble lui-même. Il n'y a donc pas eu de changement de propriétaire économique de sorte que l'on pourrait être tenté de nier, dans ce cas particulier, l'existence d'une acquisition d'immeuble au sens de l' art. 1er AFAIE . Récemment, le Tribunal fédéral a cependant rappelé que le droit positif suisse ignore la notion de groupe de sociétés ( ATF 108 Ib 37 consid. 4c). Dans la mesure où, ainsi formulée, cette affirmation peut paraître trop absolue, il convient de la nuancer en ce sens que le droit écrit suisse ne reconnaît ni ne définit officiellement la notion de groupe de sociétés, sous réserve de quelques exceptions que l'on peut trouver plus particulièrement en droit fiscal (voir notamment l'art. 59 AIN). Ce qui est en tout cas certain en l'espèce, c'est que la société AMF Geneva S.A. n'est pas, en droit suisse, un simple établissement, ni même une succursale de la recourante. Elle a été créée en tant que société anonyme indépendante de la société AMF Overseas Corporation dont elle est la filiale. On ne peut donc pas nier que, par suite de fusion, la propriété des immeubles (de Vernier et de Grens) a été transférée d'une personne - la société immobilière AMF Geneva S.A. - à une autre personne - la société AMF Overseas Corporation. Or, un tel transfert du droit de propriété constitue précisément une acquisition d'immeuble; en vertu de l' art. 1er AFAIE , il doit donc logiquement être soumis à autorisation (voir, dans une affaire un peu semblable, une décision de la Commission de recours du canton de Zurich, du 17 décembre 1963, in Revue suisse du notariat et du registre foncier, ZBGR vol. 45/1964 p. 137 ss). BGE 108 Ib 440 S. 449 Dans le contrat de fusion, le mandataire de la recourante avait d'ailleurs expressément admis l'assujettissement au régime de l'autorisation. En l'admettant à leur tour, les autorités cantonales ont fait une application stricte mais correcte de l' art. 1er AFAIE . Il ne saurait donc être question de leur reprocher la violation d'une norme de droit public fédéral. 4. Dans la mesure où le transfert du droit de propriété sur l'immeuble litigieux doit être considéré comme une acquisition d'immeuble soumise à autorisation, le recours doit être rejeté car il est évident que la société AMF Overseas Corporation ne peut pas obtenir une autorisation. Elle n'a certes pas absorbé sa filiale dans le but de tourner la loi, ni pour effectuer un placement de capitaux; en revanche, il faut constater, d'abord, que l'immeuble ne se trouve pas dans une zone de construction au sens du droit fédéral, de sorte que l'octroi d'une autorisation est exclu en vertu de l' art. 7 al. 1 lettre a AFAIE et, ensuite, que la parcelle n'étant pas bâtie (et ne pouvant l'être), elle ne saurait servir à abriter un établissement stable; de ce fait, la recourante ne peut donc pas justifier d'un intérêt légitime au sens de l' art. 6 al. 2 lettre b AFAIE ( ATF 106 Ib 291 consid. 4c). A défaut d'être autorisée à acquérir l'immeuble sis sur le territoire de la commune de Grens, la société AMF Overseas Corporation ne peut pas être inscrite au Registre foncier à la place d'AMF Geneva S.A. Il n'appartient pas au Tribunal fédéral de dire si la recourante doit annuler la fusion et faire vivre à nouveau AMF Geneva S.A., ou si elle doit vendre l'immeuble ( ATF 101 Ib 381 ss consid. 2).
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Erwägungen ab Seite 275 BGE 109 V 275 S. 275 Extrait des considérants: 2. a) La loi fait dépendre le droit à l'indemnisation de la perte de gain résultant du chômage d'un certain nombre de conditions dont celle de l'aptitude au placement de l'assuré pendant la période de chômage en cause ( art. 26 al. 1 LAC ). La LAC ne définit toutefois pas cette notion, contrairement à la LACI du 25 juin 1982 qui entrera en vigueur le 1er janvier 1984 (RS 837.0), dont l'art. 15 al. 1 dispose qu'est réputé apte à être placé le chômeur qui est disposé à accepter un travail convenable et est en mesure et en droit de le faire. Selon une jurisprudence constante, l'aptitude au placement implique entre autres conditions une disponibilité suffisante, soit BGE 109 V 275 S. 276 quant au temps que l'assuré peut consacrer à un emploi, soit quant au nombre des employeurs potentiels. Quand le marché du travail est resserré dans la profession exercée jusque-là par l'assuré, celui-ci doit rechercher un emploi convenable dans une autre profession également ( art. 23 al. 2 LAC et art. 9 OAC ). Lorsque l'assuré est limité dans le choix d'un emploi au point que son placement devient très aléatoire, il est réputé inapte à être placé, au sens de l' art. 26 al. 1 LAC , quelle que soit la cause de cette limitation (DTA 1982 No 10 p. 71 consid. 1 et les arrêts cités). b) (En l'espèce, aptitude au placement admise en fonction du nombre et de la variété des emplois recherchés par l'assuré.) c) Il reste à examiner s'il existe d'autres circonstances, notamment d'ordre personnel, qui réduisent à un tel point l'aptitude au placement du recourant que son droit aux prestations de l'assurance-chômage doive être nié. La juridiction cantonale semble être de cet avis dans la mesure où elle paraît attacher un grand poids au fait que le recourant milite activement au sein de l'association "Groupe Action-Prison" qui, selon l'art. 3 de ses statuts, "a pour but de lutter pour la défense des intérêts et des droits des personnes détenues, à quelque titre que ce soit, et des anciens détenus. Il encourage ces personnes à prendre en charge elles-mêmes la défense de leurs droits. Il poursuit en particulier l'abolition de la justice de classe et une amélioration des conditions de détention et des possibilités de contact des détenus avec l'extérieur ainsi que l'abolition progressive de la prison." L'appartenance à une association, un parti politique ou tout autre groupement qui ne poursuit pas un but illicite ou contraire aux moeurs, qui ne vise pas à modifier l'ordre constitutionnel par la violence et qui, d'une manière générale, agit dans le respect des lois ne saurait à l'évidence fonder une quelconque inaptitude au placement au sens de la LAC. Dans le cas d'espèce, l'action publique du "Groupe Action-Prison" s'est notamment exercée par le dépôt de recours de droit public au Tribunal fédéral dirigés contre certaines réglementations cantonales en matière de détention ( ATF 106 Ia 277 et 355). Il est certes possible qu'en menant une action de ce genre le recourant diminue son aptitude à trouver un emploi, notamment dans certaines administrations publiques. Toutefois, si l'on devait suivre l'autorité cantonale sur ce terrain, cela reviendrait à dire que les organes de l'assurance-chômage sont fondés à tenir compte des opinions personnelles des assurés sur certaines questions d'ordre social ou BGE 109 V 275 S. 277 politique, pour juger de leur aptitude au placement. Or, il va de soi qu'une telle manière de procéder serait contraire au principe de l'égalité devant la loi de tous les assurés et au droit constitutionnel non écrit à la liberté d'opinion qui comprend la faculté d'exprimer librement ses idées et de les répandre en usant de moyens légaux ( ATF 107 Ia 279 et les arrêts cités). Autre chose est de savoir si par son comportement à l'égard de la société en général et d'éventuels employeurs en particulier l'assuré compromet si fortement ses chances d'être engagé que, même si ce comportement n'a rien d'illicite ou de contraire aux moeurs, il entraîne pratiquement une inaptitude au placement de l'intéressé. Cela pourrait se produire, par exemple, si par sa façon de se présenter ou de s'exprimer en public ou à l'égard d'employeurs potentiels, un assuré se singularisait à tel point que ses chances de retrouver un emploi seraient à peu près inexistantes. On peut penser à des personnes notoirement connues pour leur intempérance, à d'impénitents querelleurs ou à ceux qui refusent toute subordination hiérarchique. De même, l'excentricité de certains accoutrements peut fortement réduire l'aptitude au placement d'assurés appelés, dans un éventuel emploi, à entrer en contact avec le public. Cependant, dans le cas particulier, aucune circonstance de cette sorte n'est alléguée par l'office intimé ou par l'autorité cantonale de recours. On n'en trouve pas trace non plus au dossier. Dans ces conditions, on ne voit pas quelles sont les raisons "strictement personnelles" invoquées par les premiers juges pour nier l'aptitude au placement du recourant.
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Sachverhalt ab Seite 543 BGE 95 I 542 S. 543 Am 12. Dezember 1966 verurteilte das Obergericht des Kantons Zürich den Beschwerdeführer wegen Betruges, fortgesetzter und wiederholter Veruntreuung, wiederholter und fortgesetzter ungetreuer Geschäftsführung sowie wiederholter und fortgesetzter Urkundenfälschung, begangen in den Jahren 1957 bis 1959, zu zwei Jahren Gefängnis, abzüglich 302 Tage erstandener Untersuchungshaft. Der Verurteilte verlangte vom Regierungsrat des Kantons Zürich die Begnadigung. Dieser lehnte das Begehren ab. Niederberger stellte ein Wiedererwägungsgesuch. Er wurde auch damit abgewiesen. Mit der staatsrechtlichen Beschwerde beantragt Niederberger, der Beschluss vom 5. September 1968 sei aufzuheben. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Die staatsrechtliche Beschwerde ist dazu bestimmt, den Bürger vor einer Beeinträchtigung in ihm verfassungsmässig zustehenden Rechten durch den Staat und seine Organe zu schützen. Sie setzt also voraus, dass der Betroffene in einem rechtlich geschützten Interesse, einem ihm persönlich zustehenden Rechtsanspruch verletzt ist. Die einschlägigen Gesetze enthalten darüber keine Vorschriften, unter welchen Voraussetzungen der durch den Strafrichter Verurteilte zu begnadigen ist. Es sind dafür ausserhalb der richterlichen BGE 95 I 542 S. 544 Beweiswürdigung, Rechtsanwendung und Strafzumessung liegende Verhältnisse massgebend. Sie können unter Umständen auch bloss politischer Natur sein. Darum steht der Begnadigungsbehörde bei der Ausübung des Gnadenrechtes ein weitgehendes freies Ermessen zu. Auf die Gewährung von Gnade besteht kein Rechtsanspruch, der etwa demjenigen gleichgestellt werden könnte, dass der Beschuldigte im Zweifelsfalle nicht verurteilt werden darf. Darum erhebt sich die Frage, ob und inwieweit allenfalls wegen Verweigerung der Begnadigung staatsrechtliche Beschwerde erhoben werden kann. Bestenfalls kann gesagt werden, die Begnadigungsbehörde habe sich bei der Ausübung der ihr zustehenden Befugnis an Grundsätze zu halten und sie könne, jedenfalls für den Regelfall, bei gleichen tatsächlichen Verhältnissen nicht einem Gesuchsteller entsprechen, das Gesuch des anderen aber ablehnen. Inwieweit der Entscheid des Regierungsrates, der es abgelehnt hat, das Gesuch des Beschwerdeführers dem Kantonsrat zum Entscheid zu unterbreiten, staatsrechtlicher Anfechtung zugänglich ist, mag jedoch dahingestellt bleiben, wenn sich die Beschwerde bei der sich aufdrängenden Zurückhaltung des über die Verfassungsmässigkeit urteilenden Richters als unbegründet erweist. 2. ... 3. Die Verfassung des Kantons Zürich überträgt in Art. 31 Ziff. 8 das Begnadigungsrecht dem Kantonsrat "nach Massgabe von Art. 56 dieser Verfassung". Danach steht ihm das Begnadigungsrecht zu; es ist aber der Gesetzgebung überlassen, die Fälle zu bezeichnen, in welchen der Regierungsrat, an den die Begnadigungsgesuche zu richten sind, verpflichtet ist, ein Gesuch mit einem Antrag dem Kantonsrat vorzulegen. Für die übrigen Fälle wird der Regierungsrat als befugt bezeichnet, über die Vorlegung der Gesuche an den Kantonsrat oder über deren Abweisung zu befinden. Ausgeführt wird die Vorschrift durch § 491 der Strafprozessordnung. Er bestimmt, der Regierungsrat sei, wenn das Urteil auf lebenslängliches Zuchthaus lautet, oder wenn der Richter an ein erhöhtes Mindestmass der Zuchthausstrafe gebunden war, ferner bei politischen Vergehen und Verbrechen, verpflichtet, das Gesuch mit seinem Antrag dem Kantonsrat vorzulegen. In allen anderen Fällen entscheidet er über die Vorlegung oder Abweisung. In der Lehre ist streitig, ob mit der Neufassung der beiden Verfassungsvorschriften die frühere BGE 95 I 542 S. 545 Streitfrage, ob § 491 StPO eine verfassungsmässig unzulässige teilweise Übertragung des Begnadigungsrechts an den Regierungsrat darstelle, gelöst wurde (in diesem Sinn PETRZILKA, Erläuterungen, S. 517; a.M. WOLFFERS, Zur Begnadigung nach zürcherischem Recht, ZBl 41 (1940) S. 465). Die angefochtene Ordnung verstösst weder gegen kantonales Verfassungs- noch gegen Bundesrecht. Welche Begnadigungsgesuche dem Kantonsrat zu unterbreiten sind, wird in Art. 56 KV dem Gesetzgeber überlassen. Dieser stellt in § 491 StPO auf die Schwere der Strafe ab. Ob diese Unterscheidung verfassungswidrig ist, ist bloss unter dem Gesichtspunkt von Art. 4 BV zu prüfen. Dass § 491 StPO eine Verfassungsvorschrift ausführt, ist ohne Bedeutung. Gesetzliche Vorschriften, die einen in der Verfassung selbst angeführten Grundsatz ausführen, werden dadurch nicht Verfassungsrecht. Die Auslegung durch den Regierungsrat wäre nur zu beanstanden, wenn sie mit dem Wortlaut oder dem Sinn und Zweck der Vorschrift unvereinbar und sachlich nicht zu rechtfertigen wäre. 4. Nur diejenigen Begnadigungsgesuche dem Kantonsrat zur Behandlung zu überweisen, welche schwere Fälle betreffen, lässt sich mit sachlichen Gründen rechtfertigen. Die Prüfung daraufhin, ob auf die Vollstreckung einer ausgesprochenen Strafe verzichtet werden soll, ist nicht bloss gewährleistet, wenn der Kantonsrat entscheidet, sondern auch, wenn der Entscheid darüber dem Regierungsrat zukommt. Er ist ebenso wie jener in der Lage, zu prüfen, ob Gründe der Billigkeit und Zweckmässigkeit für Bewilligung oder Ablehnung der Begnadigung sprechen. Es werden damit auch nicht gleiche Verhältnisse ungleich behandelt. Die Schwere der zu verbüssenden Strafe ist ein zulässiges Unterscheidungskriterium. Da der Regierungsrat in gleicher Weise wie der Kantonsrat zu prüfen hat, ob sich die Begnadigung rechtfertigt, läuft die Ordnung nicht auf eine Privilegierung von Gesuchstellern hinaus, die den Gesetzen in schwerer Weise zuwider gehandelt haben. 5. Bundesrecht bezeichnet der Beschwerdeführer als verletzt, weil Art. 251 Abs. 3 BStP vorschreibe, dass im Verfahren in Bundesstrafsachen, die von den kantonalen Gerichten zu beurteilen sind, die Urteile den Parteien in schriftlicher Ausfertigung zugestellt werden sollen. Art. 251 BStP findet sich unter dem dritten Titel des Gesetzes. Er ordnet das Verfahren in Bundesstrafsachen, die von den BGE 95 I 542 S. 546 kantonalen Gerichten zu beurteilen sind. Die darin enthaltenen Vorschriften gelten bei Beurteilung von Strafsachen eidgenössischen Rechts, für Urteile der kantonalen Gerichte, wenn sie eidgenössisches Strafrecht anwenden. Die Vorschrift über die Begründung dieser Urteile soll dem Bundesgericht die durch Verfassung und Gesetz zugewiesene Aufgabe ermöglichen, die Entscheidung auf eine Verletzung eidgenössischen Rechts zu überprüfen. Begnadigungsentscheide unterliegen nicht der bundesgerichtlichen Überprüfung. Sie gehen nicht vom Richter aus, sondern stellen einen Hoheitsakt dar, der ausserhalb des prozessualen Rechtsganges gewährt wird. Der Entscheid darüber bedarf deshalb keiner schriftlichen Begründung. Eine solche wäre angesichts der für den Entscheid massgebenden Gesichtspunkte auch nicht leicht möglich (HAFTER, Strafrecht, Allgem. Teil S. 443 N. 2).
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Sachverhalt ab Seite 629 BGE 84 II 628 S. 629 A.- Die ledige Arztgehilfin Klara Fässler, geb. 1935, schloss am 26. Juli 1957 mit der Möbel AG folgenden "Aussteuer-Kaufvertrag auf Vorzahlung" ab: "1. Der unterzeichnete Käufer bestellt bei der Möbel AG Aussteuergegenstände (Möbel, Bettinhalt, Wäsche, Teppiche nach eigener Wahl) im Betrage von Fr. 5000.-- (Kaufsumme). 2. Der Käufer leistet eine erste Zahlung von Fr. 50.- am 31. Juli 1957 und monatliche Ratenzahlungen von mindestens Fr. 50.- jeweils am letzten jeden Monats, erstmals am 31. August 1957. Sobald 2/5 der vereinbarten Kaufsumme einbezahlt sind, können restliche Zahlungen bis zum Zeitpunkt der Lieferung beliebig erbracht werden. Der Käufer hat jedoch innert 10 Jahren seit Vertragsabschluss soviel einzuzahlen, dass zusammen mit Zins und Zinseszins die oben erwähnte Kaufsumme erreicht wird. 3. Die Zahlungen haben auf das Vorzahlungskonto bei der Schweizerischen Volksbank, St. Gallen, Postcheckkonto IX 12564 zu erfolgen. Die ersten Raten bis zum Betrage von 12% der Kaufsumme gelten als Anzahlung an die Möbel AG und werden von dieser verzinst. Alle 12% der Kaufsumme übersteigenden Beträge werden einem Sparheft der Schweizerischen Volksbank St. Gallen gutgeschrieben. Das Sparheft. bleibt bei der Schweizerischen Volksbank deponiert. Über das Sparguthaben kann nur mit gegenseitiger Zustimmung der beiden Vertragsparteien verfügt werden. Sämtliche Zahlungen des Käufers werden von der Möbel AG in den ersten 5 Jahren ab Vertragsabschluss zum doppelten Sparkassa-Zinsfuss im Maximum zu 5% und nachher noch zum Normal-Sparkassa-Zinsfuss verzinst. 4. Der Käufer kann seine Wahl jederzeit treffen, hat aber spätestens 10 Jahre nach Vertragsabschluss von seinem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Die Wahl hat mindestens 6 Wochen vor dem gewünschten Liefertermin zu erfolgen. Bei der Auswahl werden 2 Bahnbillete vom Wohnort nach St. Gallen retour, jedoch im Maximum 2% der Kaufsumme vergütet. Die Lieferung erfolgt in der ganzen Schweiz mit Camion franko Haus. 5 Jahre Garantie gegen Reissen und Springen der Möbel. 5. Die Wahl erfolgt auf Grund der im Zeitpunkt der Wahl in den Ausstellungsräumen der Möbel AG sich befindenden sowie in deren Katalogen und Prospekten aufgeführten Modelle. Massgebend sind dabei die im Zeitpunkt der Wahl in den Ausstellungsräumen angeschriebenen bzw. in den gedruckten Detailpreislisten der Möbel AG und des Schweiz. Engros-Möbelfabrikanten (SEM)-Verbandes aufgeführten Barzahlungspreise. 6. Sofern das Guthaben des Käufers 2/5 der Kaufsumme erreicht, kann dieser Lieferung verlangen und den Restbetrag zu den Teilzahlungsbedingungen der Möbel AG tilgen. Mit Zustimmung der Verkäuferin kann eine derartige Regelung bereits früher getroffen werden. Sind bei der Möbellieferung mindestens 40 % der Kaufsumme bezahlt, BGE 84 II 628 S. 630 so werden dem Käufer 2% des vorausbezahlten Betrages gutgeschrieben. 7. Sollte sich der Käufer nach 10 Jahren seit Vertragsabschluss noch nicht verheiratet haben, so ist er berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten, hat aber hiefür die Möbel AG mit 12% der Kaufsumme zu entschädigen. Der Käufer erhält in diesem Falle die von ihm geleisteten Beträge einschliesslich des üblichen Bankzinses, unter Abzug der oben erwähnten Entschädigung, innert 30 Tagen zurück. Hat jedoch der Käufer zu diesem Zeitpunkt das 40. Altersjahr vollendet, so verzichtet die Möbel AG auf Entschädigung. 8. Bei Todesfall des Käufers werden die von ihm einbezahlten Beträge sowie der übliche Bankzins, ohne jeden Abzug, an seine Erben zurückerstattet. Ebenso erfolgt eine derartige Zurückerstattung an den Käufer im Falle unheilbarer Krankheit, dauernder schwerer Invalidität oder anderer wichtiger Gründe. (Auflösung des Verlöbnisses gilt nicht als wichtiger Grund.) 9. Mit Zustimmung der Möbel AG kann dieser Vertrag auch auf einen andern Käufer überschrieben werden." Am 16. August und 7. September 1957 zahlte Klara Fässler der Möbel AG in Erfüllung des Vertrages zweimal je Fr. 50.-. Am 26. September liess sie ihr mitteilen, dass sie den Vertrag wegen Täuschung, Irrtums und Übervorteilung unverbindlich erkläre. Im gleichen Briefe machte sie geltend, solche Verträge seien allgemein sittenwidrig. B.- Am 21. November 1957 reichte Klara Fässler gegen die Möbel AG beim Kantonsgericht St. Gallen Klage ein mit dem Begehren auf gerichtliche Feststellung, dass der Vertrag nichtig, eventuell für die Klägerin unverbindlich sei, und auf Verurteilung der Beklagten auf Rückzahlung der geleisteten Fr. 100.--. Das Kantonsgericht wies die Klage am 2. Mai 1958 entsprechend dem Antrage der Beklagten ab. C.- Die Klägerin hat rechtzeitig die Berufung erklärt mit dem Antrag auf Gutheissung der Klage. Sie macht geltend, das angefochtene Urteil verletze Art. 1, 2, 20 Abs. 1, 23 f., 28 OR und Art. 27 Abs. 2 ZGB .
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825
Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Klägerin macht geltend, der Vertrag sei nicht gültig zustande gekommen, weil die Parteien sich über die Teilzahlungsbedingungen nicht geeinigt hätten, zu denen BGE 84 II 628 S. 631 sie den Rest des Kaufpreises zu tilgen habe, wenn sie gemäss Ziffer 6 die Lieferung der Kaufsache verlange. Das trifft nicht zu. Eine Einigung liegt vor, denn die Parteien haben die "Teilzahlungsbedingungen der Möbel AG" als massgebend erklärt, also jene, welche die Beklagte in Abzahlungsgeschäften anzuwenden pflege. Fragen kann sich nur, ob es im Geschäfte der Beklagten solche Bedingungen wirklich gibt. Sollte das nicht zutreffen, so wären die gegenüber der Klägerin anzuwendenden Teilzahlungsbedingungen anhand des erwähnten Hinweises im Vertrage nicht bestimmbar. Dieser würde also insoweit eine Lücke aufweisen. Sie beträfe jedoch einen Nebenpunkt im Sinne des Art. 2 OR und stände daher der Verbindlichkeit des Vertrages nicht im Wege. Die Klägerin vermag zur Stützung ihrer gegenteiligen Auffassung nicht anzuführen, sie habe dem Rechte, die Kaufsache gegen Abzahlung des Restpreises vorzeitig zu beziehen, entscheidende Bedeutung beigemessen. Dieses Recht ist ihr im Vertrage ausdrücklich eingeräumt worden und mag für sie wesentlich gewesen sein. Die Einzelheiten der Teilzahlungen, die sie nach seiner Ausübung zu leisten haben wird (Höhe und Fälligkeit der Raten, Zuschläge für Kreditierung, Sicherstellung des ausstehenden Betrages durch Eigentumsvorbehalt usw.), können dennoch nebensächlich sein. In dem in BGE 84 II 266 ff. veröffentlichten Urteil hat denn auch das Bundesgericht in den Zahlungsbedingungen hinsichtlich eines Kaufpreisrestes Nebenpunkte gesehen. Dort war der Käufer schon nach Entrichtung eines Fünftels des Kaufpreises nicht mehr zu weiteren Vorauszahlungen verpflichtet, konnten also im Zeitpunkt der Lieferung vom Kaufpreis noch bis zu vier Fünfteln ausstehen. Im vorliegenden Falle kann der Rest höchstens drei Fünftel des ganzen Kaufpreises erreichen. Um so weniger kann gesagt werden, die Einzelheiten seiner Abzahlung hätten schon beim Abschluss des Vertrages festgelegt werden müssen. Sollten sie nicht auf Grund des Geschäftsbrauches der Beklagten bestimmbar sein und die Parteien sich über sie BGE 84 II 628 S. 632 auch nicht einigen können, so wird der Richter sie "nach der Natur des Geschäftes" festlegen ( Art. 2 Abs. 2 OR ), d.h. nach Recht und Billigkeit entscheiden ( Art. 4 ZGB ). Die Übung im Möbelhandel wird ihm Richtschnur sein. 2. Die Klägerin macht geltend, ihr Recht, die Kaufgegenstände zu Konkurrenzpreisen auszuwählen, sei in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise eingeschränkt und der Vertrag sei daher nichtig ( Art. 20 Abs. 1 OR , Art. 27 Abs. 2 ZGB ). Den Verstoss gegen die guten Sitten sieht sie darin, dass ihr nicht zugestanden sei, die Kaufsachen ausser bei der Verkäuferin bei einer dem Schweizerischen Engros-Möbelfabrikantenverband angeschlossenen Firma auszuwählen, wie die Käufer in den in BGE 84 II 13 ff. und 266 ff. veröffentlichten Fällen es tun konnten. Sie macht geltend, sie sei hinsichtlich Auswahl und Preise der Willkür der Beklagten ausgeliefert. Dazu komme, dass das Vorzahlungsgeschäft der Beklagten im Verhältnis zu ihrem gesamten Umsatz einen immer grösser werdenden Raum einnehme. Die Beklagte werde dereinst an "Direktkunden" nicht mehr interessiert sein und es daher wagen können, nur noch wenige Standarttypen anzubieten und die Preise beliebig zu erhöhen. Das Kantonsgericht stellt indessen fest, dass die Beklagte ein sehr leistungfähiges Unternehmen hat und über eine sehr grosse Auswahl verfügt. Die Klägerin wird daher schon in den Ausstellungsräumen der Beklagten viele Möglichkeiten finden, Aussteuergegenstände auszuwählen. Die Befürchtung, in Zukunft werde es anders sein, weil die Beklagte sich immer mehr dem Vorzahlungsgeschäft zuwende, ist unbegründet. Die Klägerin hat in der Replik darauf hingewiesen, dass die Barzahler von 1950 bis 1957 von 69 auf 58% gesunken seien. Sie anerkennt somit die von der Beklagten vorgelegte Aufstellung, aus der sich das ergibt. Der gleichen Aufstellung ist indes auch zu entnehmen, dass der Anteil der Barzahler im Jahre 1953 auf 33% gefallen war und dann wieder ständig grösser wurde, BGE 84 II 628 S. 633 bis er 1957 58% erreichte. Nichts spricht also dafür, dass die Beklagte das Barzahlungsgeschäft mehr und mehr aufgebe. Ob und inwieweit dadurch die Wahlmöglichkeiten zu Ungunsten der Klägerin eingeschränkt und die Preise erhöht würden, kann deshalb dahingestellt bleiben, und es braucht auch nicht entschieden zu werden, ob die Möglichkeit des Eintritts dieser Tatbestände genügen würde, den Vertrag heute als unsittlich zu erklären. Der Klägerin ist auch nicht beizupflichten, wenn sie glaubt, sie dürfe Aussteuergegenstände nur aus den in den Räumen der Beklagten ausgestellten oder in deren Katalogen und Prospekten aufgeführten Modellen auswählen. Gewiss erwähnt der erste Satz der Ziffer 5 des Vertrages nur diese Möglichkeiten. Unter der gleichen Ziffer haben die Parteien jedoch festgehalten, dass auch die in den gedruckten Listen des Schweizerischen Engros-Möbelfabrikantenverbandes angegebenen Barzahlungspreise massgebend sein sollen. Der Hinweis auf diese Preise wäre sinnlos, wenn das Wahlrecht der Klägerin so eingeschränkt wäre, wie sie meint. Die Preise der in den Ausstellungsräumen der Beklagten stehenden Möbel sind laut Ziffer 5 des Vertrages dort angeschrieben, und die Preise der im Katalog der Klägerin aufgeführten Sachen sind in einem Anhang dazu genannt. Also gelten die den Listen des Schweizerischen Engros-Möbelfabrikantenverbandes zu entnehmenden Preise für Ware, die bei den Mitgliedern dieses Verbandes erhältlich ist und die Beklagte auf Wunsch der Klägerin daselbst zu beziehen und an die Klägerin abzugeben haben wird. Die Beklagte hat im kantonalen Verfahren denn auch anerkannt, es sei ihr jederzeit möglich, bei allen dem Schweizerischen Engros-Möbelfabrikantenverband angeschlossenen Fabriken Ware zu erhalten, und die Klägerin könne solche Ware aus den Katalogen dieser Fabriken auch auswählen. Bei dieser Erklärung ist sie zu behaften. Es trifft somit nicht zu, dass der Vertrag die Freiheit der Klägerin, die Kaufgegenstände zu Konkurrenzpreisen BGE 84 II 628 S. 634 aus angemessenen Beständen auszuwählen, in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise einschränke. 3. Die Klägerin sieht einen Verstoss gegen die guten Sitten ferner darin, dass der Vertrag sie zur Verschiebung der Heirat nötigen oder wirtschaftlich zugrunde richten würde, wenn die Beklagte nicht liefern könnte oder wollte. Ob ein Vertrag den guten Sitten widerspricht, beurteilt sich nach seinem Inhalt ( BGE 84 II 27 , 277). Daher ist fraglich, ob die Lage, in die eine Patrei kommen könnte, wenn die andere leistungsunfähig werden, die Erfüllung verweigern oder in Verzug geraten sollte, jemals einen Vertrag unsittlich machen kann. Verträge werden abgeschlossen, um erfüllt zu werden, und die Rechte, die dem Gläubiger zustehen, wenn das nicht geschieht, sind in Art. 82, 83, 97 ff. und 102 ff. OR sowie in den Bestimmungen über die einzelnen Vertragsverhältnisse eingehend geordnet. Zudem sind Leistungsunfähigkeit, Erfüllungsverweigerung und Verzug, wie die Klägerin selber unterstellt, beim Abschluss des Vertrages noch ungewiss, während die Frage der Nichtigkeit nach dem Sachverhalt beurteilt werden muss, wie er im Zeitpunkt des Abschlusses besteht. Nur unter dem Gesichtspunkt einer von Anfang an bestehenden Gefahr könnten daher die erwähnten Verhältnisse für die Frage der Unsittlichkeit des Vertrages überhaupt eine Rolle spielen. Um in Betracht fallen zu können, müsste aber die Gefahr im einzelnen Falle konkret nachgewiesen sein. Die Klägerin hätte daher anhand von Tatsachen dartun müssen, dass die Möglichkeit der Leistungsunfähigkeit, der Erfüllungsverweigerung oder des Verzuges der Beklagten konkret bestehe; die bloss abstrakte Möglichkeit, die daraus abgeleitet wird, dass ein Möbelhändler einmal seinen Verpflichtungen nicht nachkommen könnte oder wollte, kann den vorliegenden Vertrag nicht unsittlich machen. Übrigens verstösst dieser auch schon deshalb nicht gegen die guten Sitten, weil die Klägerin zugunsten der Beklagten nur Fr. 600.-- vorauszuzahlen hat, während alle weiteren Zahlungen von der Schweizerischen BGE 84 II 628 S. 635 Volksbank auf einem gesperrten Sparheft gutzuschreiben sind, so dass die Klägerin für den grössten Teil ihrer Leistungen gesichert sein wird. Dass sie durch den Verlust von Fr. 600.-- wirtschaftlich zugrunde gerichtet wäre, tut sie nicht dar und ist angesichts ihres Alters und Berufes, der ihr zugegebenermassen ohne weiteres erlaubt, monatlich Fr. 50.- für den Erwerb von Möbeln aufzuwenden, nicht nachgewiesen. Wer finanzielle Verpflichtungen eingeht, verstösst nur dann gegen die guten Sitten, wenn er dadurch seine wirtschaftliche Existenz gefährdet ( BGE 51 II 167 f., BGE 84 II 23 , 277). 4. Die Klägerin macht geltend, der Vertrag sei für sie jedenfalls wegen Irrtums (Art. 23 f. OR) und absichtlicher Täuschung ( Art. 28 OR ) unverbindlich, weil der Hinweis auf die gedruckten Preislisten des Schweizerischen Engros-Möbelfabrikantenverbandes in Ziffer 5 des Vertrages den Eindruck erwecken solle, sie könne aus den in diesen Listen enthaltenen Modellen auswählen, während sie die Auswahl in Wirklichkeit nur aus Modellen treffen könne, die im Lager der Beklagten ständen oder in ihren Prospekten aufgeführt seien. Diese Rüge ist schon deshalb unbegründet, weil Ziffer 5 des Vertrages in der Tat so auszulegen ist, wie die Klägerin sich vorgestellt haben will (Erw. 2). Wäre es anders, so verstiesse die Berufung auf Irrtum und Täuschung übrigens gegen Treu und Glauben, da die Beklagte bereit ist, den Vertrag so gelten zu lassen, wie ihn die Klägerin verstanden haben will ( Art. 25 OR ).
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1,690
Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird abgewiesen, und das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen, II. Zivilkammer, vom 2. Mai 1958 wird bestätigt.
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Sachverhalt ab Seite 285 BGE 139 III 285 S. 285 A. A., né en 1968 de nationalité belge, et B., née en 1972 de nationalité belge, sont les parents de C., née en 2003 à Z. (Belgique), qui est également de nationalité belge. Selon l'accord portant sur les relations personnelles du requérant avec sa fille, ratifié par jugement du Tribunal de la jeunesse de Bruges du 3 avril 2008, les parents exercent l'autorité parentale conjointe BGE 139 III 285 S. 286 sur l'enfant dont la résidence principale est à l'adresse de la mère et la résidence secondaire auprès du père. B. B. a obtenu l'autorisation de déménager en Suisse avec sa fille par jugement du Tribunal de la jeunesse de Bruges du 11 août 2011, l'exercice de l'autorité parentale conjointe sur l'enfant étant maintenue. Elle s'est installée à Lausanne avec l'enfant le 19 août 2011. Par arrêt du 2 avril 2012, la Cour d'appel de Gand a confirmé le jugement attaqué s'agissant de l'autorisation de déménagement et du maintien de l'autorité parentale conjointe; elle a notamment accordé au père un droit au contact personnel sur C. pendant "toute période de vacances entière telle que fixée en Suisse" ainsi qu'un week-end par mois. Ce jugement a été notifié à l'intimée en Suisse le 13 juin 2012. Il n'a pas fait l'objet d'un pourvoi en cassation. C. Le 18 juin 2012, la mère a formé une requête auprès de la Justice de paix du district de Lausanne visant à régler les relations personnelles entre l'enfant et son père. Dans le cadre de cette procédure, elle a déposé différentes requêtes de mesures préprovisionnelles visant à régler ou suspendre le droit de visite à exercer sur des périodes précises. Le Juge de paix y a fait droit les 20 juin et 16 août 2012 notamment. D. Le 2 novembre 2012, A. a saisi la Chambre des tutelles du Tribunal cantonal du canton de Vaud d'une demande de reconnaissance et d'exequatur de l'arrêt de la Cour d'appel de Gand du 2 avril 2012. Par jugement du 4 décembre 2012, la Chambre des tutelles a rejeté cette demande et mis les frais et les dépens à la charge du requérant. E. Le 27 juin 2013, délibérant en séance publique, le Tribunal fédéral a rejeté le recours en matière civile interjeté par A. (résumé)
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467
Erwägungen Extrait des considérants: 3. 3.2 La Convention européenne du 20 mai 1980 sur la reconnaissance et l'exécution des décisions en matière de garde des enfants et le rétablissement de la garde des enfants (RS 0.211.230.01; ci-après: Convention de Luxembourg), ratifiée tant par la Suisse que par la Belgique, est applicable en l'espèce, la Convention de La Haye du 19 octobre 1996 concernant la compétence, la loi applicable, la reconnaissance, l'exécution et la coopération en matière de BGE 139 III 285 S. 287 responsabilité parentale et de mesures de protection des enfants (CLaH 96; 0.211.231.011) n'ayant pas encore été ratifiée par la Belgique. Elle tend à assurer et accélérer le renvoi de l'enfant à la personne à qui il a été enlevé en violation d'une décision portant sur la garde; en termes d'efficacité elle a largement été dépassée par la CLaH 80 (Convention du 25 octobre 1980 sur les aspects civils de l'enlèvement international d'enfants; RS 0.211.230.02) (arrêt 5A_131/2011 du 31 mars 2011 consid. 2.1 et les références citées). L'art. 7 de la Convention de Luxembourg prévoit que les décisions relatives à la garde rendues dans un Etat contractant sont reconnues et, lorsqu'elles sont exécutoires dans l'Etat d'origine, elles sont mises à exécution dans tout autre Etat contractant. Selon l'art. 11, les décisions sur le droit de visite et les dispositions des décisions relatives à la garde qui portent sur le droit de visite sont reconnues et mises à exécution dans les mêmes conditions que les autres décisions relatives à la garde (al. 1); toutefois, l'autorité compétente de l'Etat requis peut fixer les modalités de la mise en oeuvre et de l'exercice du droit de visite compte tenu notamment des engagements pris par les parties à ce sujet (al. 2). L'intérêt pratique à se prévaloir de l'art. 11 par. 1 de la Convention de Luxembourg est limité non seulement en raison des nombreux motifs de refus de reconnaissance de l'art. 10 par. 1 de la Convention (arrêt 5A_131/2011 du 31 mars 2011 consid. 3.1.2), mais également du fait que l'exercice du droit de visite doit s'effectuer selon les instructions fixées par l'autorité compétente de l'Etat requis (art. 11 par. 2 de la Convention de Luxembourg; BUCHER, in Commentaire romand, Loi sur le droit international privé, Convention de Lugano, 2011, n° 179 ad art. 85 LDIP ). La Convention de Luxembourg pose des conditions différentes à la reconnaissance des décisions selon que l'enfant a été déplacé sans droit (art. 8 et 9) ou de manière licite (art. 10). Lorsque, comme en l'espèce, l'enfant n'a pas été déplacé sans droit, la reconnaissance est soumise à l'art. 10 de la Convention de Luxembourg. En vertu de cet article, la reconnaissance peut être refusée s'il est constaté que les effets de la décision sont manifestement incompatibles avec les principes fondamentaux du droit régissant la famille et les enfants dans l'Etat requis (par. 1 let. a); s'il est constaté qu'en raison de changements de circonstances incluant l'écoulement du temps mais excluant le seul changement de résidence de l'enfant à la suite d'un déplacement sans droit, les effets de la décision d'origine ne sont manifestement plus conformes à l'intérêt de l'enfant BGE 139 III 285 S. 288 (par. 1 let. b); si, au moment de l'introduction de l'instance dans l'Etat d'origine, l'enfant avait la nationalité de l'Etat requis ou sa résidence habituelle dans cet Etat alors qu'aucun de ces liens de rattachement n'existait avec l'Etat d'origine ou s'il avait à la fois la nationalité de l'Etat d'origine et de l'Etat requis et sa résidence habituelle dans l'Etat requis (par. 1 let. c) ou si la décision est incompatible avec une décision rendue, soit dans l'Etat requis, soit dans un Etat tiers tout en étant exécutoire dans l'Etat requis, à la suite d'une procédure engagée avant l'introduction de la demande de reconnaissance ou d'exécution, et si le refus est conforme à l'intérêt de l'enfant (par. 1 let. d). S'agissant de ce dernier motif de refus, il suffit qu'une décision, même provisionnelle, ait été rendue dans une procédure engagée avant le dépôt de la requête d'exequatur et que cette décision soit incompatible avec la décision dont la reconnaissance est requise (PIRRUNG, in J. Staudingers Kommentar [...], Vorbem C-H zu Art 19 EGBGB, Berlin 2009, n° E 61 des remarques préliminaires à l'art. 19 EGBGB; GMÜNDER, Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Scheidungsurteilen unter besonderer Berücksichtigung von kindesrechtlichen Nebenfolgen, 2006, p. 138).
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Sachverhalt ab Seite 344 BGE 141 IV 344 S. 344 A. Il 3 aprile 2013 l'avv. A. è stata nominata difensore d'ufficio di un imputato domiciliato all'estero. Dopo l'emanazione dell'atto d'accusa, BGE 141 IV 344 S. 345 ma prima dello svolgimento del dibattimento di primo grado, questi ha nominato un difensore di fiducia. Il mandato d'ufficio ha di conseguenza preso fine. Con decisione del 9 dicembre 2013, il Presidente della Corte delle assise correzionali di Lugano ha statuito sulla nota d'onorario sottopostagli dall'avvocata, non riconoscendole l'imposta sul valore aggiunto (IVA). B. L'avvocata ha impugnato tale decisione dinanzi alla Corte dei reclami penali del Tribunale d'appello del Cantone Ticino (CRP). Dopo aver chiesto di esprimersi sul gravame anche all'Amministrazione federale delle contribuzioni (AFC), con sentenza del 14 aprile 2014 la CRP ha respinto il reclamo, confermando che le prestazioni fornite dalla legale non soggiacciono all'IVA. C. Avverso questa sentenza, l'avv. A. si aggrava al Tribunale federale con un ricorso in materia penale, postulando l'aumento dell'8 %, corrispondente all'IVA, dell'importo riconosciutole a titolo di indennità per onorario e spese. Il Tribunale federale ha accolto il ricorso e rinviato la causa all'istanza precedente.
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Erwägungen Dai considerandi: 2. La causa verte esclusivamente sulla questione di sapere se le tassazioni delle difese di ufficio di imputati con domicilio all'estero debbano comprendere anche un importo a titolo di IVA. (...) 3. 3.1 La riscossione dell'IVA è effettuata in particolare secondo il principio della trasferibilità dell'imposta (art. 1 cpv. 3 lett. c LIVA [RS 641.20]), che permette di raggiungere lo scopo perseguito dall'IVA, ossia l'imposizione dell'utilizzazione a titolo privato di reddito e sostanza a scopo di consumo ( art. 1 cpv. 1 LIVA ; DTF 140 II 80 consid. 2.3.2). Se le prestazioni imponibili risultano da un rapporto di diritto privato, il trasferimento dell'imposta è disciplinato dagli accordi tra le parti conformemente all' art. 6 LIVA , mentre è retto dal diritto pubblico qualora esse si fondino sul diritto pubblico ( DTF 140 II 80 consid. 2.4.1-2.5.5). 3.2 Il difensore d'ufficio svolge un compito pubblico regolato dal diritto pubblico. Al momento della sua designazione, tra l'avvocato BGE 141 IV 344 S. 346 e lo Stato si instaura un particolare rapporto giuridico, in virtù del quale il primo vanta nei confronti del secondo una pretesa di diritto pubblico a essere retribuito conformemente alla pertinente regolamentazione cantonale o federale (v. art. 135 cpv. 1 CPP ; DTF 139 IV 261 consid. 2.2.1; DTF 122 I 1 consid. 3a pag. 2). In una sentenza anteriore all'entrata in vigore del CPP, ma valida anche sotto l'egida dell' art. 135 cpv. 1 CPP (v. sentenza 6B_638/2012 del 10 dicembre 2012 consid. 3.4), il Tribunale federale ha precisato che, se l'avvocato nominato difensore d'ufficio vi è assoggettato, l'autorità deve tener conto dell'aumento degli oneri risultanti dall'IVA e maggiorare, nella stessa proporzione, l'indennità assegnatagli ( DTF 122 I 1 consid. 3c pag. 4). In altre parole, il difensore d'ufficio può trasferire sullo Stato l'onere dell'IVA. Tale trasferimento presuppone però che le prestazioni da questi fornite siano imponibili sotto il profilo dell'IVA. 4. 4.1 Le prestazioni di servizi (art. 3 lett. e LIVA) di un avvocato (assoggettato all'imposta; art. 10 LIVA ), che non si identificano con una delle categorie annoverate dall' art. 8 cpv. 2 LIVA , soggiacciono al principio del luogo del destinatario ( art. 8 cpv. 1 LIVA ). Se quest'ultimo è domiciliato in Svizzera, tali prestazioni sono imponibili, ma non lo sono se è domiciliato all'estero, in quanto l'IVA è riscossa sulle prestazioni effettuate sul territorio svizzero (v. art. 1 cpv. 2 lett. a LIVA ; Info IVA 18 concernente il settore avvocati e notai, gennaio 2010, n. 2.1, consultabile sul sito internet dell'AFC www.estv.admin.ch sotto Documentazione/Imposta sul valore aggiunto/Pubblicazioni/LIVA 2010/Pubblicazioni basate sul web/Info IVA concernenti i settori; consultato il 29 giugno 2015). Per determinare l'imponibilità delle prestazioni dell'avvocato occorre dunque identificare il loro destinatario nell'ambito delle difese di ufficio. 4.2 In relazione al patrocinio dell'imputato, il CPP opera una doppia distinzione: da un lato tra la difesa facoltativa e quella obbligatoria, dall'altro tra difensore di fiducia e difensore d'ufficio. La difesa facoltativa lascia all'imputato la libertà di decidere di difendersi da sé o di affidare la sua difesa a un patrocinatore, mentre quella obbligatoria gli impone di farsi affiancare da un difensore (di fiducia o d'ufficio) per ragioni connesse alla gravità della pena prospettata, alla persona stessa dell'imputato, oppure alla situazione processuale in cui si trova. Nell'ambito della difesa di fiducia, l'imputato sceglie liberamente il suo patrocinatore assumendone i relativi costi, per BGE 141 IV 344 S. 347 contro, in quello della difesa d'ufficio, è l'autorità che designa all'imputato un difensore retribuito, almeno provvisoriamente, dallo Stato (sentenza 1B_394/2014 del 27 gennaio 2015 consid. 2.2.1). La difesa d'ufficio si caratterizza con il mandato che lo Stato conferisce a un avvocato a favore dell'imputato ( DTF 131 I 217 consid. 2.4). Con la sua designazione, tra l'avvocato e lo Stato si instaura un particolare rapporto di diritto pubblico, nell'ambito del quale il primo è chiamato a svolgere un compito di interesse pubblico, a cui non può di regola sottrarsi (v. art. 12 lett. g della legge del 23 giugno 2000 sugli avvocati [LLCA; RS 935.61]), e il secondo gli corrisponde un'adeguata retribuzione stabilita sulla base di norme di legge (v. art. 135 cpv. 1 CPP ; DTF 139 IV 261 consid. 2.2.1; DTF 131 I 217 consid. 2.4 pag. 220), anche nel caso in cui la difesa d'ufficio sia stata disposta per motivi diversi dalla mancanza di mezzi dell'imputato (sentenza 1B_76/2013 dell'8 maggio 2013 consid. 2.1). Benché legato allo Stato da questo particolare rapporto, il difensore d'ufficio è vincolato, entro i limiti della legge e delle norme deontologiche, unicamente agli interessi dell'imputato ( art. 128 CPP ): gli incombe, operando in completa indipendenza rispetto allo Stato, di fronteggiare l'azione penale e di adoperarsi per ottenere il proscioglimento dell'imputato o una condanna la più clemente possibile ( DTF 106 Ia 100 consid. 6b pag. 105). Sotto questo profilo, l'attività del difensore d'ufficio non si differenzia da quella del difensore di fiducia (WALTER FELLMANN, Anwaltsrecht, 2010, n. 806). Essa è dunque svolta nell'interesse principale dell'imputato, ma anche dello Stato. Se da un lato infatti la designazione di un difensore d'ufficio corrisponde a un diritto costituzionale e convenzionale dell'imputato (art. 29 cpv. 2 e 3 nonché art. 32 cpv. 2 Cost. , art. 6 n. 3 lett. c CEDU, art. 14 n. 3 lett. d Patto ONU II [RS 0.103.2]), dall'altro lato costituisce anche un mezzo dello Stato per adempiere i suoi doveri volti segnatamente a garantire un processo equo, ad attuare il principio della parità delle armi e ad assolvere il suo obbligo di assistenza (v. art. 3 cpv. 2 CPP ; sentenza 1B_699/2012 del 30 aprile 2013 consid. 2.7 relativa alla difesa obbligatoria). Proprio con riferimento a questo obbligo, lo Stato non può inoltre limitarsi a designare un difensore d'ufficio, ma è pure tenuto a intervenire (anche d'ufficio) in caso di difesa inefficace ( art. 134 cpv. 2 CPP ; sentenza 1B_187/2013 del 4 luglio 2013 consid. 2.1 e 2.2, in SJ 2014 I pag. 205). La difesa d'ufficio non rappresenta il semplice finanziamento statale di un mandato privato ( DTF 132 V 200 consid. 5.1.4 pag. 205): lo Stato BGE 141 IV 344 S. 348 designa il difensore, interviene in caso di difesa inefficace e decide della retribuzione. Le difese d'ufficio costituiscono un rapporto tripartito in cui lo Stato impone all'avvocato di effettuare delle prestazioni a favore dell'imputato, conferendogli una sorta di mandato a favore di terzi. 4.3 Né la LIVA né la relativa ordinanza (OIVA; RS 641.201) definiscono il destinatario della prestazione. Di principio esso si determina sulla base delle regole contrattuali che disciplinano il negozio. In linea di massima, il destinatario corrisponde alla persona che si è fatta promettere la prestazione (sentenza 2A.202/2006 del 27 novembre 2006 consid. 3.2). Non è per contro necessario che effettui pure la controprestazione, potendo quest'ultima essere fornita da un terzo in sua vece (art. 3 lett. f LIVA). Di conseguenza la persona o l'entità su cui grava l'onere effettivo della controprestazione non può essere considerata automaticamente quale destinataria della prestazione. D'altra parte, il destinatario non si confonde forzatamente con il beneficiario della prestazione, potendo spesso stipulare la prestazione a favore di terzi (RIVIER/ROCHAT PAUCHARD, Droit fiscal suisse, La taxe sur la valeur ajoutée, 2000, pag. 88). Sotto l'egida della vecchia regolamentazione dell'imposta sul valore aggiunto (vecchia ordinanza del 22 giugno 1994 concernente l'imposta sul valore aggiunto [vOIVA; RU 1994 1464],rispettivamente vecchia legge federale del 2 settembre 1999 concernente l'imposta sul valore aggiunto [vLIVA; RU 2000 1300]), un autore si è chinato sul trattamento fiscale del contratto a favore di terzi (PIERRE-MARIE GLAUSER, Stipulation pour autrui et représentation en TVA, L'expert-comptable suisse 8/1998 pag. 1463 segg. [in seguito: Stipulation]; lo stesso , in mwst.com, Kommentar zum Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer, 2000, n. 32 segg. ad art. 11 LIVA ). Poiché il promittente effettua la sua prestazione direttamente al terzo beneficiario, sotto il profilo economico oggetto dell'imposta non dovrebbe essere il rapporto tra il fornitore della prestazione (promittente) e lo stipulante-pagatore, bensì quello tra il promittente e il terzo-consumatore (GLAUSER, Stipulation, op. cit., pag. 1465 seg. e 1468). Quest'ultimo dovrebbe dunque essere considerato il destinatario della prestazione. L'autore rileva tuttavia che, tenuto conto delle specificità dell'IVA in particolare in materia di deduzione dell'imposta precedente, si dovrebbe considerare il contratto a favore di terzi come il risultato di un tipo di rappresentanza indiretta. In tal caso la prestazione economicamente fornita dal promittente direttamente al terzo verrebbe BGE 141 IV 344 S. 349 allora suddivisa in due prestazioni distinte, quella del promittente allo stipulante e quella dello stipulante al terzo, ignorando l'IVA il rapporto tra promittente e terzo (GLAUSER, Stipulation, op. cit., pag. 1468). Il destinatario della prestazione del promittente dovrebbe allora essere considerato lo stipulante. 4.4 Trasponendo quanto precede alle difese d'ufficio, benché in primo luogo sia l'imputato a beneficiare delle prestazioni di servizio del difensore, il destinatario di queste ultime dev'essere considerato lo Stato. D'altronde, lo Stato corrisponde pure all'entità che si è fatta promettere la prestazione, rilevato che per prestazione ai sensi della LIVA si intende anche quella che avviene in virtù di una legge o su ordine di un'autorità (art. 3 lett. c LIVA), e su cui pesa l'onere della controprestazione.
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Sachverhalt ab Seite 32 BGE 93 IV 32 S. 32 A.- In Oberglatt vereinigen sich vier Nebenstrassen (Hofstetter-, Bülacher-, Rümlang- und Bahnhofstrasse) so, dass sie zusammen eine Kreuzung bilden. Dem Fahrer, der sich auf der Hofstetterstrasse der Verzweigung nähert, wird die Sicht in die von links einmündende Bülacherstrasse zunächst durch ein Haus völlig verdeckt; erst etwa 12 m vor der Einmündung BGE 93 IV 32 S. 33 kann er sich Rechenschaft geben, ob von links her ein Fahrzeug nahe, mit dem er auf der Kreuzung zusammentreffen könnte. Die von rechts einmündende Bahnhofstrasse kann er dagegen schon aus einer viel grösseren Entfernung gut überblicken. Am 19. November 1965, etwa um 9.30 Uhr, fuhr Schneider mit einem Personenwagen "Ford-Taunus" auf der Hofstetterstrasse gegen die erwähnte Verzweigung. Er setzte die Geschwindigkeit auf 40 km/Std herab und wollte die Kreuzung in Richtung Rümlangstrasse durchfahren. Gleichzeitig näherte sich von der Bülacherstrasse her mit 25-30 km/Std ein Personenwagen "Austin", der von Buser gesteuert war. Als Schneider die Verzweigung erreichte, stiess das Auto Busers von links gegen die Mitte seines Wagens. Der "Ford-Taunus" wurde nach rechts auf einen Hofplatz abgetrieben, wo er gegen einen stillstehenden Lieferwagen prallte und eine Fussgängerin, die zwischen die beiden Fahrzeuge geriet, erheblich verletzte. B.- Das Bezirksgericht Dielsdorf hielt Schneider für mitschuldig und verurteilte ihn wegen fahrlässiger Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 1 StGB zu 300 Franken Busse. Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte am 13. Dezember 1966 dieses Urteil im Schuldspruch, setzte aber die Busse auf Fr. 100.-- herab. Es wirft Schneider vor, die Geschwindigkeit insbesondere der schlechten Sicht nach links nicht angepasst zu haben. C.- Schneider führt gegen das Urteil des Obergerichts Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
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Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Nach ständiger Rechtsprechung ( BGE 90 IV 90 Erw. b und dort angeführte Urteile) darf der Berechtigte den Vortritt an Strassenverzweigungen nicht mit beliebiger Geschwindigkeit ausüben. Er hat trotz seines Vortrittsrechtes die Geschwindigkeit den Strassen- und Verkehrsverhältnissen anzupassen und aufmerksam zu sein. Er darf es zudem nicht bei der Beobachtung nach rechts bewenden lassen, sondern muss sich zumindest durch einen raschen Blick auch nach links vergewissern, dass er freie Fahrt habe. Wenn er dabei sieht oder bei pflichtgemässer BGE 93 IV 32 S. 34 Aufmerksamkeit sehen könnte, dass ihm jemand den Vortritt nicht lassen will oder nicht mehr lassen kann, darf er ihn nicht erzwingen. Er muss in solcher Lage vielmehr seinerseits alles Zumutbare vorkehren, um einen Zusammenstoss zu verhüten ( Art. 26 Abs. 2 SVG ). Dagegen braucht der Berechtigte seine Fahrweise nicht schon zum vorneherein auf die Möglichkeit einzustellen, dass ein anderer sein Vortrittsrecht missachten könnte. Selbst bei schlechter Sicht nach links ist er nicht gehalten, so langsam auf die Verzweigung zu fahren, dass er nötigenfalls auch die von links nahenden Fahrzeuge durchlassen könnte. Er hat an Verzweigungen die Geschwindigkeit nur so zu mässigen, dass er die gleichzeitig von rechts Kommenden vor ihm durchfahren lassen kann und den von links Nahenden nicht verunmöglicht, ihm den Vortritt zu gewähren ( BGE 84 IV 59 f; BGE 89 IV 100 f.). 2. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Freilich erlauben Raum und Zeit einem Vortrittsberechtigten oft nicht mehr, der Gefahr eines Zusammenstosses zu begegnen, wenn für ihn die Sicht nach links erst im Einmündungsgebiet beginnt. Das allein rechtfertigt jedoch noch keine Ausnahme. Der Grundsatz, dass der Berechtigte seine Fahrt nicht zum vorneherein zugunsten Nichtberechtigter zu verlangsamen hat, muss ohne Rücksicht darauf gelten, ob für ihn die Sicht nach links gut oder schlecht sei. Das liegt nicht nur im Interesse einer klaren und einfachen Ausscheidung der gegenseitigen Verpflichtungen, sondern entspricht auch dem Verkehrsgefühl. Selbst besonders verantwortungsbewusste Fahrer setzen die Geschwindigkeit an unübersichtlichen Einmündungen von links nicht soweit herab, dass sie vor einem überraschend aus der Seitenstrasse kommenden Fahrzeug noch jederzeit anhalten könnten. Das kann auch das Gesetz nicht verlangen. Solange er keinen Grund zu besonderer Vorsicht hat, darf und soll daher der Berechtigte den Vortritt im Vertrauen darauf ausüben können, dass der von links kommende Fahrer dem beschränkten Überblick Rechnung trage, ihn auf der Verzweigung also nicht überrasche und in der Fahrt hindere. Würde anders entschieden, so wäre das Vortrittsrecht als grundlegende Verkehrsregel weitgehend entwertet. Der Berechtigte müsste bei verdeckter Sicht nach links seine Fahrgeschwindigkeit bis auf Schrittempo verlangsamen und sich in die Verzweigung hineintasten; er hätte gegenüber dem von BGE 93 IV 32 S. 35 links Kommenden praktisch keinen Vorteil mehr. Die sich aus der Vortrittsregel ergebenden Verantwortlichkeiten würden verzettelt und die klaren Verpflichtungen des Vortrittsbelasteten ( Art. 14 Abs. 1 VRV ) verwischt, womit erfahrungsgemäss das Pflichtbewusstsein der Beteiligten nur abgestumpft wird. Der verwegene Fahrer könnte dann erst recht versucht sein, sich auch dort wie ein Vortrittsberechtigter zu gebärden, wo die Berechtigung einem andern zusteht. Diese Folgen zeigen, dass vom Berechtigten nicht verlangt werden kann, seine Geschwindigkeit im Hinblick auf noch nicht sichtbare Fahrer, die von links kommen und mit ihm auf der Verzweigung zusammentreffen könnten, herabzusetzen. Sie machen zudem deutlich, dass eine strikte und einfache Anwendung der Vortrittsregel nicht nur im Interesse der Flüssigkeit, sondern auch der Sicherheit des Verkehrs liegt. 3. Art. 32 Abs. 1 SVG steht dem nicht entgegen. Gewiss hat nach der allgemeinen Regel über die Geschwindigkeit auch der Vortrittsberechtigte dort, wo sein Fahrzeug den Verkehr stören könnte, wie vor unübersichtlichen Stellen oder nicht frei überblickbaren Strassenverzweigungen, langsam zu fahren und nötigenfalls anzuhalten. Diese Bestimmung kann dem Vortrittsberechtigten jedoch nicht zum vorneherein die gleiche Sorgfaltspflicht auferlegen wollen wie dem Vortrittsbelasteten. Gleiche Anforderungen rechtfertigen sich nur, wenn der Vortrittsberechtigte seinerseits gleichzeitig mit dem Vortritt von rechts kommender Fahrzeuge belastet ist oder wenn infolge ungünstiger Strassen- oder Verkehrsverhältnisse jeder mit Rücksicht auf die erhöhten allgemeinen Schwierigkeiten besonders vorsichtig fahren muss, wie das z.B. im Falle Kunz zutraf ( BGE 91 IV 142 ). Dagegen stellt eine Kreuzung, vor der ihm bloss die Sicht in die linke Seitenstrasse verwehrt ist, für den Vortrittsberechtigten weder eine unübersichtliche Stelle noch eine nicht frei überblickbare Verzweigung im Sinne von Art. 32 Abs. 1 SVG dar. Diese Unübersichtlichkeit der Kreuzung geht vielmehr zu Lasten desjenigen, der von links kommt, verpflichtet daher den Berechtigten sowenig zur Mässigung seiner Fahrweise wie die blosse Möglichkeit, dass sein Recht missachtet werde; zur Verminderung einer an sich zulässigen Geschwindigkeit ist er erst gehalten, wenn bestimmte Anzeichen dafür bestehen, dass ihn ein Wartepflichtiger in seiner Fahrt behindern könnte. BGE 93 IV 32 S. 36 Kann der Berechtigte sich darüber wegen der beschränkten Sicht nach links erst unmittelbar vor der Verzweigung Rechenschaft geben und kann er alsdann einen Zusammenstoss nicht mehr vermeiden, so trifft daher den Vortrittsbelasteten die ganze Verantwortung ( BGE 89 IV 101 /2). 4. Nach dem angefochtenen Urteil hatte Schneider freie Sicht auf die von rechts einmündende Bahnhofstrasse. Dass sich auf dieser Strasse gleichzeitig ein Fahrzeug der Kreuzung näherte, ist weder von einer Seite behauptet worden noch festgestellt. Bezirksgericht und Obergericht werfen dem Beschwerdeführer denn auch nicht vor, er wäre ausserstande gewesen, einem von rechts zufahrenden Fahrzeug den Vortritt zu lassen, und er hätte aus diesem Grunde seine Geschwindigkeit mehr als nur auf 40 km/Std herabsetzen sollen. Die kantonalen Instanzen erblicken das Verschulden des Beschwerdeführers in erster Linie vielmehr darin, dass er seine Geschwindigkeit nicht der schlechten Sicht nach links angepasst hat; sie halten dafür, auch Schneider habe auf den unübersichtlichen Teil der Verzweigung Rücksicht nehmen, folglich so langsam fahren müssen, dass er nötigenfalls vor der Kreuzung hätte anhalten können. Dieser Auffassung kann jedoch aus den hievor angeführten Gründen nicht beigepflichtet werden, soll das Vortrittsrecht nicht weitgehend illusorisch bleiben, ja ins Gegenteil verkehrt werden. Der Verkehr ist in hohem Masse an einer einfachen und klaren Anwendung des Vortrittsrechts interessiert. Auf lange Sicht ist ihm daher zweifellos am besten gedient, wenn mit dieser Grundregel Ernst gemacht und nicht immer wieder versucht wird, einen Teil der Verantwortung auf den Vortrittsberechtigten abzuschieben. Schneider ist nicht so schnell gefahren, dass er einem gleichzeitig von links nahenden, die Umstände jedoch berücksichtigenden Fahrer verunmöglicht hätte, ihm den Vortritt zu lassen. Da er vom linken Strassenrand einen Abstand von etwa 3 m einhielt, hätte er Buser auch nicht daran gehindert, sich in die Kreuzung hineinzutasten. Ebensowenig kann ihm vorgeworfen werden, er habe sich im Augenblick, als er freie Sicht nach links bekam, fehlerhaft verhalten, die Lage nicht erfasst oder sogar den Vortritt erzwingen wollen. Aus dem Unfallplan erhellt im Gegenteil, dass er sofort anzuhalten versuchte, als er den von links kommenden Wagen erblicken konnte, aber schon BGE 93 IV 32 S. 37 nach 4 m Bremsweg von Buser gerammt wurde. Dem Beschwerdeführer kann schliesslich auch nicht vorgeworfen werden, dass er mit Rücksicht auf drei Fussgänger, die sich beim Lieferwagen aufhielten, langsamer hätte fahren sollen. Es handelte sich dabei um den Milchhändler und zwei Frauen (eine davon war das Opfer), die ausserhalb der Verzweigung bei ihm Milch einkauften. Nichts in den Akten deutet darauf hin, dass sich eine dieser Personen angeschickt hätte, die Strasse zu überqueren, ganz abgesehen davon, dass sie das auf einem der kaum 10 m entfernten Fussgängerstreifen hätte tun müssen. Aus den Akten ist auch sonst nichts ersichtlich, was Schneider hätte veranlassen können, seine Geschwindigkeit gegen die Kreuzung hin weiter herabzusetzen, als er es getan hat. Er ist daher freizusprechen.
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Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Vorinstanz angewiesen, den Beschwerdeführer freizusprechen.
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Sachverhalt ab Seite 6 BGE 126 IV 5 S. 6 X. ist der Schwager von Y. X. wurde vorgeworfen, er habe am 26. Juli 1991 in Kenntnis der desolaten Finanzlage seines Schwagers zum Schaden der Gläubiger im Konkursverfahren gegen seinen Schwager die diesem gehörenden, durch die S. AG treuhänderisch verwalteten Forderungen "R." wissentlich weit unter ihrem Wert von ca. 10 Millionen Franken für nur 500'000 Franken erworben. Am 20. November 1998 verurteilte die Gerichtspräsidentin 17 des Gerichtskreises VIII von Bern-Laupen X. wegen betrügerischen Konkurses zu 10 Monaten Gefängnis, bedingt bei einer Probezeit von 2 Jahren. Auf Appellation von X. und Anschlussappellation der Staatsanwaltschaft hin bestätigte das Obergericht des Kantons Bern am 15. Januar 1999 dieses Urteil. X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes aufzuheben und die Sache zum Freispruch an dieses zurückzuweisen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut
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Erwägungen aus folgenden Erwägungen: 1. a) Der Beschwerdeführer macht geltend, die ihm zur Last gelegte Tat sei verjährt. Die Verfolgungsverjährung sei nicht unterbrochen worden und am 26. Juli 1996 eingetreten. b) Gemäss Art. 72 Ziff. 2 StGB wird die Verjährung unterbrochen durch jede Untersuchungshandlung einer Strafverfolgungsbehörde oder Verfügung des Gerichts gegenüber dem Täter, namentlich durch Vorladungen, Einvernahmen, durch Erlass von Haft- oder Hausdurchsuchungsbefehlen sowie durch Anordnung von Gutachten, ferner durch jede Ergreifung von Rechtsmitteln gegen einen BGE 126 IV 5 S. 7 Entscheid (Abs. 1). Mit jeder Unterbrechung beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen. Die Strafverfolgung ist jedoch in jedem Fall verjährt, wenn die ordentliche Verjährungsfrist um die Hälfte, bei Ehrverletzungen und bei Übertretungen um ihre ganze Dauer überschritten ist (Abs. 2). Nach der Rechtsprechung wird die Unterbrechung bewirkt durch Tätigkeiten der Strafverfolgungsbehörden, die dem Fortgang des Verfahrens dienen und nach aussen in Erscheinung treten ( BGE 90 IV 62 E. 1 mit Hinweisen). Wie in BGE 115 IV 97 entschieden wurde, unterbricht die Eröffnung des Strafverfahrens gegen eine bestimmte Person in der Schweiz durch Übernahme des gegen sie im Ausland durchgeführten Verfahrens die Verjährung. c) Die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Tat besteht im Erwerb des Forderungspakets am 26. Juli 1991. Damit begann die Verfolgungsverjährung zu laufen ( Art. 71 Abs. 1 StGB ). Die relative Verjährungsfrist beträgt unstreitig 5 Jahre, und zwar unabhängig davon, ob hier Art. 163 Ziff. 2 aStGB oder Art. 164 Ziff. 2 nStGB anzuwenden ist (dazu unten E. 2). Die Verjährung wäre somit am 26. Juli 1996 eingetreten, wenn sie vorher nicht unterbrochen worden wäre (zur Berechnung der Frist vgl. BGE 107 Ib 74 E. 3a; BGE 97 IV 238 ; STEFAN TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. Aufl., Zürich 1997, Art. 70 N. 3). Die Vorinstanz legt dar, am 21. Juni 1996 habe der Untersuchungsrichter das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer eröffnet. Damit sei die Verjährung unterbrochen worden. Es spricht im Lichte von BGE 115 IV 97 viel für diese Auffassung. In der kantonalen Rechtsprechung ist der Anordnung der Voruntersuchung unterbrechende Wirkung zuerkannt worden (Recueil de Jurisprudence Neuchâteloise 1984 S. 97 f.), was im Schrifttum Zustimmung gefunden hat (TRECHSEL, a.a.O., Art. 72 N. 2; ELISABETH TRACHSEL, Die Verjährung gemäss den Art. 70-75bis des Schweizerischen Strafgesetzbuches, Diss. Zürich 1990, S. 151). Wie es sich damit verhält, kann jedoch offen bleiben. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ( Art. 277bis Abs. 1 BStP ) hat der Untersuchungsrichter am 21. Juni 1996 nicht nur das Strafverfahren eröffnet, sondern gleichzeitig einen Haftbefehl erlassen. Der Erlass eines Haftbefehls wird in Art. 72 Ziff. 2 Abs. 1 StGB als Unterbrechungsgrund aber ausdrücklich genannt. Damit ist die Verjährung vor Ablauf der Frist von 5 Jahren unterbrochen worden. Die absolute Verjährungsfrist von 7 1/2 Jahren war im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils noch nicht abgelaufen. Die Vorinstanz hat BGE 126 IV 5 S. 8 11 Tage vor Eintritt der absoluten Verjährung am 26. Januar 1999 entschieden. d) Die Beschwerde ist in diesem Punkt unbegründet. 2. a) Der Beschwerdeführer hat unstreitig das Forderungspaket "R." von der S. AG gekauft. Die Vorinstanz kommt in Würdigung der Beweise zu folgendem Ergebnis: Der Beschwerdeführer wusste beim Kauf, dass der wirtschaftlich Berechtigte an den Forderungen Y. war; dass sich Y. in einer desolaten finanziellen Lage befand; dass zwischen Leistung und Gegenleistung ein krasses Missverhältnis bestand; dass damit das Vermögenssubstrat der Gläubiger von Y. geschmälert würde. Die Vorinstanz nimmt an, der Beschwerdeführer sei zu bestrafen wegen betrügerischen Konkurses nach Art. 163 aStGB. Der am 1. Januar 1995 in Kraft getretene Tatbestand der Gläubigerschädigung durch Vermögensminderung nach Art. 164 nStGB sei nicht milder. b) Der Beschwerdeführer macht geltend, diese Auffassung verletze Bundesrecht. Zwar werde bei weiter Auslegung sein Verhalten allenfalls von Art. 163 aStGB erfasst. Nach Art. 164 nStGB sei das aber nicht mehr der Fall. Nach dieser neuen Bestimmung sei sein Verhalten straflos. Die Vorinstanz hätte Art. 164 nStGB als milderes Recht anwenden und ihn freisprechen müssen. Er beruft sich auf ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. Peter Albrecht (Basel) vom 11. Januar 1999, das im vorinstanzlichen Verfahren zu den Akten gegeben wurde. c) Am 1. Januar 1995 ist das neue Vermögensstrafrecht in Kraft getreten. Hat jemand ein Konkursdelikt vor diesem Datum verübt, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, so sind die neuen Bestimmungen anzuwenden, wenn sie für den Täter milder sind ( Art. 2 Abs. 2 StGB ). Ob eine neue Bestimmung im Vergleich zur alten milder sei, entscheidet sich nicht aufgrund eines abstrakten Vergleichs. Massgebend ist die konkrete Betrachtungsweise. Es kommt darauf an, nach welcher Bestimmung der Täter für die zu beurteilende Tat besser wegkommt ( BGE 119 IV 145 E. 2c; BGE 114 IV 81 E. 3b mit Hinweisen). d) Bei der Revision des Vermögensstrafrechtes sind die Konkurs- und Betreibungsdelikte teilweise neu gegliedert worden. Bei der vorsätzlichen Gläubigerschädigung unterscheidet das Gesetz nicht mehr, wie das alte Recht, nach der Art der Betreibung (auf Konkurs oder Pfändung, Art. 163 und 164 aStGB), sondern danach, ob der Schuldner sein Vermögen nur zum Schein oder wirklich vermindert BGE 126 IV 5 S. 9 (Art. 163 und 164 nStGB; vgl. HANS WIPRÄCHTIGER, Das revidierte Vermögensstrafrecht und die Änderungen im Bereich der Konkurs- und Betreibungsdelikte, CFPG Band 18, Diritto penale economico, Lugano 1999, S. 73 ff). Art. 164 nStGB erfasst die wirkliche Vermögensminderung. Die Bestimmung lautet: 1. Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen vermindert, indem er Vermögenswerte beschädigt, zerstört, entwertet oder unbrauchbar macht, Vermögenswerte unentgeltlich oder gegen eine Leistung mit offensichtlich geringerem Wert veräussert, ohne sachlichen Grund anfallende Rechte ausschlägt oder auf Rechte unentgeltlich verzichtet, wird, wenn über ihn der Konkurs eröffnet oder gegen ihn ein Verlustschein ausgestellt worden ist, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft. 2. Unter den gleichen Voraussetzungen wird der Dritte, der zum Schaden der Gläubiger eine solche Handlung vornimmt, mit Gefängnis bestraft. Der Grund für die geringere Strafdrohung beim Dritten liegt darin, dass dieser im Gegensatz zum Schuldner keine unmittelbaren Pflichten gegenüber den Gläubigern hat. Auch wenn der Dritte als Gehilfe oder Anstifter des Schuldners handelt, unterliegt er - in Anwendung von Art. 26 StGB - der geringeren Strafdrohung von Ziff. 2 (vgl. BGE 112 Ib 225 E. 3a S. 229). In der Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 24. April 1991 wird zu Art. 164 nStGB Folgendes gesagt: Im Unterschied zum geltenden Recht ist der Katalog der Varianten der Tathandlung ("Vermögen vermindert") abschliessend; das wird durch den Wegfall des Begriffs "namentlich" gekennzeichnet. Diese Änderung wurde im Vernehmlassungsverfahren mitunter beanstandet; insbesondere wurde die Befürchtung ausgesprochen, durch den Wegfall von "namentlich" würden andere denkbare Begehungsweisen von der Strafbarkeit ausgeschlossen. Dieser Systemwechsel ist allerdings bewusst vollzogen worden. Unter Art. 164 sollen nur klare, schwere Sachverhalte fallen, die eine Verbrechensstrafe rechtfertigen. Daher ist auf die Bestimmtheit der Vorschrift besonderes Gewicht zu legen (BBl 1991 II 1061). Im vorliegenden Fall geht es um die Tatbestandsvariante der Veräusserung von Vermögenswerten gegen eine Leistung mit offensichtlich geringerem Wert gemäss Art. 164 Ziff. 1 Abs. 3 nStGB. Diese Variante lehnt sich an die "Schenkungspauliana" nach Art. 286 SchKG an (Botschaft a.a.O.). BGE 126 IV 5 S. 10 Schuldner im Sinne von Art. 164 Ziff. 1 nStGB ist Y. Der Beschwerdeführer ist Dritter. Seine Strafbarkeit ist also zu prüfen aufgrund von Art. 164 Ziff. 2 nStGB. Diese Bestimmung nimmt mit der Wendung "unter den gleichen Voraussetzungen" Bezug auf die in Ziff. 1 umschriebene objektive Strafbarkeitsbedingung, d.h. die Eröffnung des Konkurses über den Schuldner oder die Ausstellung eines Verlustscheines gegen ihn (vgl. Botschaft, a.a.O., S. 1062; der Eröffnung des Konkurses und der Ausstellung eines Verlustscheines ist gleichgestellt der Liquidationsvergleich [Art. 171 Abs. 1 nStGB]). Die objektive Strafbarkeitsbedingung ist hier erfüllt. Am 4. September 1991 wurde über Y. der Konkurs eröffnet. Gemäss Ziff. 2 ist strafbar der Dritte, der "eine solche Handlung" vornimmt. Gemeint ist damit eine der in Ziff. 1 aufgezählten Handlungen (Botschaft, a.a.O., S. 1062; vgl. auch GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 5. Aufl., Bern 1995, § 23 N. 16; JÖRG REHBERG/NIKLAUS SCHMID, Strafrecht III, 7. Aufl., Zürich 1997, S. 273). In Ziff. 1 Abs. 3 ist einzig die Veräusserung erfasst, nicht aber der Erwerb. Der Beschwerdeführer hat das Forderungspaket erworben. Insoweit bildet Ziff. 2 für seine Verurteilung keine Grundlage. Veräussert wurde das Forderungspaket von Y. bzw. von der für diesen treuhänderisch handelnden S. AG. Es stellt sich die Frage, ob der Beschwerdeführer wegen Mittäterschaft oder Teilnahme an der Veräusserung zur Rechenschaft gezogen werden kann. Die Veräusserung setzt notwendig den Erwerb durch einen andern voraus. Es ist hier ein Fall gegeben der sog. notwendigen Teilnahme. Darunter versteht man die Erscheinung, dass manche Straftaten einen Tatbestand verwirklichen, der zu seiner Erfüllung notwendig die Beteiligung mehrerer erfordert (CLAUS ROXIN, Leipziger Kommentar, 11. Aufl., 1993, vor § 26 N. 32). Dabei kann es sich nicht nur um Teilnahme, sondern auch um eine mittäterschaftliche Mitwirkung handeln (GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 2. Aufl., Bern 1996, § 13 N. 148; JÖRG REHBERG, Strafrecht I, 6. Aufl., Zürich 1996, S. 135). Im zu beurteilenden Fall geht es um ein sog. Begegnungsdelikt. Dabei wirken die verschiedenen Beteiligten auf dasselbe Ziel hin, aber von verschiedenen Seiten her und mit unterschiedlichen Tätigkeitsakten (ROXIN, a.a.O., N. 33; PHILIPPE GRAVEN/BERNHARD STRÄULI, L'infraction pénale punissable, 2. Aufl., Bern 1995, S. 314/5). Beispiele eines Begegnungsdelikts bilden etwa der Wucher ( Art. 157 StGB ) oder die Gläubigerbevorzugung ( Art. 167 StGB ). Der Wucherer nimmt die Vermögensvorteile, der Bewucherte gibt sie; der Schuldner zahlt BGE 126 IV 5 S. 11 eine nicht verfallene Schuld, der Gläubiger nimmt die Zahlung entgegen. Wirkt bei derartigen Tatbeständen der notwendige Teilnehmer nicht weiter gehend mit, als begriffsnotwendig ist, damit der andere die Straftat überhaupt begehen kann, so ist er nach der Rechtsprechung nur strafbar, wenn das Gesetz auch ihn zum Täter stempelt ( BGE 80 IV 22 E. 2c S. 32). Das ist auch die Auffassung der Literatur (GRAVEN/STRÄULI, a.a.O., S. 315; STEFAN TRECHSEL/PETER NOLL, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 5. Aufl., Zürich 1998, S. 226; STRATENWERTH, Allgemeiner Teil I, § 13 N. 149 mit weiteren Hinweisen). Nicht als strafbar erklärt das Gesetz die notwendige Teilnahme im genannten Beispiel der Gläubigerbevorzugung. Wie das Bundesgericht entschieden hat, ist der Gläubiger, der die Leistung des Schuldners lediglich annimmt, nicht strafbar. Der Gläubiger macht sich erst dann strafbar, wenn er den Schuldner zur Tat anstiftet oder wenn er die Tat vorsätzlich durch Handlungen fördert, die über die blosse Annahme der Leistung hinausgehen. In diesem Fall hat sich der Gläubiger aufgrund von Art. 24 bzw. 25 StGB wie jeder Anstifter oder Gehilfe zu verantworten ( BGE 74 IV 40 E. 4; BGE 75 IV 106 E. 2 S. 112). Auch im vorliegenden Fall stellt das Gesetz die notwendige Teilnahme nicht unter Strafe. Hat der Beschwerdeführer das Angebot zum Erwerb der Forderungen lediglich angenommen und keine darüber hinaus gehenden Handlungen vorgenommen, die als Anstiftung, Gehilfenschaft oder gegebenenfalls Mittäterschaft zu qualifizieren wären, ist er deshalb nach Art. 164 nStGB nicht strafbar. In Art. 168 Abs. 3 StGB (Bestechung bei Zwangsvollstreckung) hat der Gesetzgeber die notwendige Teilnahme ausdrücklich unter Strafe gestellt. Daraus ist zu schliessen, dass dort, wo das Gesetz zur notwendigen Teilnahme schweigt, der Gesetzgeber diese nicht bestrafen wollte. Dafür sprechen bei Art. 164 nStGB auch die Materialien. Wie dargelegt hat der Gesetzgeber in Art. 164 nStGB die Tathandlungen bewusst abschliessend umschrieben und auf die Bestimmtheit der Vorschrift besonderes Gewicht gelegt. Für die Straflosigkeit des Erwerbs gibt es auch Gründe. Das von Art. 164 nStGB erfasste Unrecht besteht in der Verminderung des Vermögens des Schuldners, und diese Verminderung wird bewirkt durch die Veräusserung. Eine solche Veräusserung vornehmen kann auch der Dritte, wenn er als Vertreter des Schuldners handelt (vgl. PETER ALBRECHT, Kommentar zum schweizerischen Strafgesetzbuch, Besonderer Teil, 2. Band, Bern 1990, Art. 163 N. 16; YANN WERMEILLE, La diminution effective de l'actif au préjudice des créanciers et la BGE 126 IV 5 S. 12 gestion fautive, ZStrR 117/1999 S. 373 mit Hinweisen). Selbst wenn es sich bei der Straflosigkeit des Erwerbs des notwendigen Teilnehmers um ein gesetzgeberisches Versehen handeln sollte, würde das nichts daran ändern, dass es für eine Bestrafung insoweit an der gesetzlichen Grundlage fehlt. Gemäss Art. 1 StGB ist strafbar nur, wer eine Tat begeht, die das Gesetz ausdrücklich mit Strafe bedroht. Das ist beim Erwerb von Vermögenswerten durch den notwendigen Teilnehmer in Konstellationen wie hier nicht der Fall. Sollte der Gesetzgeber der Auffassung sein, dieses Verhalten sei strafwürdig, hat er eine gesetzliche Bestimmung zu erlassen, die es ausdrücklich unter Strafe stellt. e) Die Vorinstanz stellt nicht fest, dass der Beschwerdeführer Handlungen vorgenommen hätte, die über den Erwerb des Forderungspakets hinausgingen. Dies wurde dem Beschwerdeführer im Übrigen auch gar nicht vorgeworfen. Hat er lediglich das Angebot zum Kauf des Forderungspaketes angenommen, ist er straflos. f) Wie hier entscheidet die deutsche Rechtsprechung und Lehre beim Tatbestand des Bankrotts gemäss § 283 dStGB. Verschiedene der in dieser Bestimmung beschriebenen Bankrotthandlungen setzen die Mitwirkung eines Dritten typischerweise, teils sogar begrifflich voraus. Insoweit besteht Einigkeit, dass die Partner jener Geschäfte in den Grenzen der notwendigen Teilnahme straffrei bleiben sollen (WALTER GROPP, Deliktstypen mit Sonderbeteiligung, Tübingen 1992, S. 227/8; SCHÖNKE/SCHRÖDER/STREE, Strafgesetzbuch, Kommentar, 25. Aufl., München 1997, § 283 N. 65 mit Hinweisen). g) Die Beschwerde ist in diesem Punkt begründet. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen. 3. Auf die weiteren Einwände, es fehle am Schaden und die Kostenauferlegung im kantonalen Verfahren verletze das Europäische Auslieferungsübereinkommen, braucht damit nicht mehr eingetreten zu werden, zumal die Sache nun ohnehin verjähren dürfte. Wie dargelegt hat die Vorinstanz das angefochtene Urteil nur 11 Tage vor Eintritt der absoluten Verfolgungsverjährung gefällt. Damit hörte die Verjährung zu laufen auf ( BGE 121 IV 64 E. 2). Mit der Eröffnung des vorliegenden Urteils des Bundesgerichts nimmt sie ihren Fortgang ( BGE 111 IV 87 E. 3a mit Hinweis).
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Sachverhalt ab Seite 577 BGE 93 I 577 S. 577 A.- Die Firma J. Hummel Kommanditgesellschaft, in Massing (Bundesrepublik Deutschland), ist Inhaberin einer in der deutschen Warenzeichenrolle unter der Nr. 824 567 eingetragenen kombinierten Wort/Bild-Marke. Am 1. November 1966 liess sie diese gestützt auf das Madrider Abkommen von 1891 betreffend die internationale Eintragung der Fabrik- oder Handelsmarken BGE 93 I 577 S. 578 im internationalen Register unter der Nr. 324 710 eintragen. Die Marke ist für "Bougies (éclairage)", also für Kerzen zu Beleuchtungszwecken, bestimmt. Sie enthält das stilisierte Bild eines Insektes, unter dem der Firmanamen "J. Hummel KG" angebracht ist. B.- Das eidgenössische Amt für geistiges Eigentum teilte am 22. Mai 1967 dem internationalen Büro mit, der Marke werde in der Schweiz der Schutz nur für Kerzen gewährt, die aus Bienenwachs hergestellt seien. C.- Gegen diese teilweise Schutzverweigerung hat die Markeninhaberin verwaltungsgerichtliche Beschwerde eingereicht mit dem Antrag, die Verfügung des Amtes vom 22. Mai 1967 sei aufzuheben und ihrer Marke den Schutz für "Bougies (éclairage)" uneingeschränkt zu gewähren. Das Amt beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
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Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde ist das Madrider Abkommen betreffend die internationale Registrierung der Fabrik- oder Handelsmarken (MMA) in seiner am 15. Juni 1957 in Nizza revidierten Fassung massgebend, die sowohl von der Schweiz als auch von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert worden ist. Gemäss Art. 5 Abs. 1 MMA darf die Schweiz einer international registrierten Marke den Schutz nur unter den Bedingungen verweigern, unter denen sie nach der Pariser Verbandsübereinkunft (PVU) zum Schutze des gewerblichen Eigentums eine zur Eintragung in das schweizerische Register hinterlegte Marke zurückweisen dürfte. Massgebend ist die 1958 in Lissabon revidierte Fassung der PVU, die in Art. 6 Abs. 1 vorsieht, dass die Bedingungen für die Hinterlegung und Eintragung von Fabrik- oder Handelsmarken in jedem Lande durch die Landesgesetzgebung bestimmt werden. Nach Art. 6 quinquies, lit. B Ziff. 3 PVU sodann darf eine Eintragung verweigert werden, wenn die Marke gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung verstösst, insbesondere, wenn sie geeignet ist, das Publikum zu täuschen. 2. Nach Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG , der kraft der Verweisung in Art. 6 Abs. 1 PVU auf das Landesrecht anwendbar ist, hat das eidgenössische Amt für geistiges Eigentum die Eintragung BGE 93 I 577 S. 579 einer gegen die guten Sitten verstossenden Marke zu verweigern. Sittenwidrigkeit im Sinne dieser Vorschrift liegt nach der Rechtsprechung unter anderem vor, wenn die Marke geeignet ist, den Käufer in irgendeiner Hinsicht irrezuführen, insbesondere ihn über die Beschaffenheit der Ware zu täuschen ( BGE 91 I 52 Erw. 2, BGE 89 I 51 Erw. 4, 293 Erw. 2, 301 Erw. 2 und dort erwähnte Entscheide). Das schweizerische Recht stimmt also in diesem Punkte mit der in Art. 6 quinquies PVU getroffenen Regelung überein. Nach ständiger Rechtsprechung ist Sittenwidrigkeit schon dann zu bejahen, wenn eine objektive Täuschungsgefahr besteht; einer Täuschungsabsicht des Markeninhabers bedarf es nicht ( BGE 78 I 280 ). 3. Das Amt erachtet die streitige Marke als irreführend, weil die Kaufsinteressenten das darin abgebildete Insekt als Biene ansehen und daher annehmen könnten, die so gekennzeichneten Kerzen seien aus Bienenwachs hergestellt. Der Käufer bringe das Bienenmotiv in unmittelbaren Zusammenhang mit der Beschaffenheit der Kerze. Bienenwachskerzen würden aber ihres Wohlgeruches wegen von gewissen Käuferschichten den aus andern Stoffen (Stearin oder Paraffin) hergestellten Kerzen vorgezogen, obwohl sie qualitativ nicht besser, aber teurer seien als diese. Diese Ausführungen treffen in jeder Hinsicht zu und sind überzeugend. Was die Beschwerdeführerin demgegenüber vorbringt, hält der Prüfung nicht stand. a) Die Beschwerdeführerin macht geltend, das in der Marke abgebildete Insekt sei für jedermann als Hummel erkenntlich, da es keine Bienen mit ausgeprägten Querstreifen und einem durch einen dicken Querstreifen abgesetzten Kopf gebe; ebenso sei allgemein bekannt, dass die Hummel für die Herstellung von Bienenwachs nicht in Betracht komme. Die Beschwerdeführerin verkennt jedoch, dass die Ware, für welche die Marke bestimmt ist, dem breiten Publikum angeboten wird und der Durchschnittskäufer im allgemeinen ein oberflächlicher Beobachter ist ( BGE 84 II 581 ; vgl. ferner BGE 90 II 50 lit. c, 264 und dort erwähnte Entscheide). Vor allem aber verfügt die grosse Mehrheit des angesprochenen Publikums nicht über die von der Beschwerdeführerin vorausgesetzten zoologischen Kenntnisse und ist daher nicht befähigt, beim Kaufe von Kerzen derartige naturwissenschaftliche Überlegungen anzustellen. Zudem liegt die Gefahr einer Irreführung um so näher, als in der BGE 93 I 577 S. 580 Werbung und der Ausgestaltung von Bildmarken häufig stilisierte Darstellungen verwendet werden. b) Die Beschwerdeführerin glaubt, eine Irreführung des Publikums sei nicht zu befürchten, weil unterhalb des dargestellten Insekts das Wort "HUMMEL", d.h. der Name der Herstellerfirma, stehe; das rufe selbstverständlich sofort einer Gedankenverbindung zwischen dem dargestellten Insekt und dem Namen. Selbst wenn man das für den deutschsprachigen Teil der Bevölkerung gelten lassen müsste, versagt dieses Argument jedoch für die französisch oder italienisch sprechende Bevölkerung; für diese bleibt die Gefahr einer Irreführung unvermindert bestehen. Täuschungsgefahr auch nur für eines der verschiedenen Sprachgebiete der Schweiz genügt aber, um eine Marke unzulässig zu machen ( BGE 91 I 53 , BGE 82 I 51 und dort erwähnte Entscheide). c) Die Beschwerdeführerin befürchtet, in der angefochtenen Verfügung des Amtes zeichne sich eine Praxis ab, die "ein ausserordentliches Hemmnis für die Neueintragung von Warenzeichen darstellen würde". Es gehe nicht an, "aus einer bildlichen Darstellung irgendeine vollkommen abwegige Auffassung herauszulesen und diese dann zu ungunsten des Markeninhabers anzuwenden". Diese Rüge ist unbegründet. Die rechtliche Bewertung des Bildteils der streitigen Marke durch das Amt steht im Einklang mit Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG und ist daher keineswegs "völlig abwegig". Dass sich hieraus möglicherweise gewisse Erschwerungen für die Neueintragung von Warenzeichen ergeben, ist kein Grund, über die geltende gesetzliche Ordnung hinwegzugehen.
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Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2,016
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Sachverhalt ab Seite 342 BGE 142 II 340 S. 342 A. B. wandte sich am 25. Januar 2014 an das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic und ersuchte gestützt auf das Bundesgesetz vom 17. Dezember 2004 über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (BGÖ; SR 152.3) und die Verordnung vom 24. Mai 2006 über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (VBGÖ; SR 152.31) um Zugang zum Zulassungsentscheid für das Medikament C. und zu den entsprechenden Zulassungsunterlagen. In der Folge präzisierte er sein Begehren und beschränkte dieses auf den Zulassungsentscheid und - hinsichtlich der Zulassungsunterlagen - auf die Dokumente der Teile 1.4 (Informationen über die beteiligten Firmenexperten), 1.9 (Informationen zu ausserhalb der Europäischen Union oder der Schweiz durchgeführten Studien), 5.2 (Übersicht über sämtliche klinischen Studien) und 5.4 (Literaturangaben) des Common Technical Document (CTD). Nach Anhörung der Firma A. nahm Swissmedic am 19. März 2014 zum Zugangsgesuch Stellung. Es gewährte B. Zugang zum Zulassungsentscheid (unter Abdeckung eines Namens) und zu den Dokumenten der Teile 1.9, 5.2 und 5.4 des CTD. Dagegen verweigerte es die Bekanntgabe des Teils 1.4 des CTD. Dieses führt pro beteiligtem Firmenexperten jeweils auf Seite 1 dessen Namen und Vornamen, die Firma und Adresse des Arbeitgebers sowie eine datierte und unterschriebene Erklärung gemäss Art. 12 i.V.m. Anhang I Teil I Ziff. 1.4 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel auf und enthält dessen Lebenslauf. B. Daraufhin stellte B. beim Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) einen Schlichtungsantrag und verlangte, es sei ihm (auch) Zugang zu den Dokumenten von Teil 1.4 des CTD zu gewähren. Mit Empfehlung vom 17. März 2015 regte der EDÖB an, Swissmedic solle B. jeweils Zugang zu Seite 1 der Dokumente von Teil 1.4 des CTD gewähren, wobei die Unterschrift der Experten abzudecken sei. Zudem sei die aktuelle Position der Experten in der Rubrik "Occupational Experience/Employment" des BGE 142 II 340 S. 343 Lebenslaufs bekanntzugeben. Für den restlichen Lebenslauf des jeweiligen Firmenexperten sei der Zugang zu verweigern. C. Am 17. April 2015 teilte Swissmedic mit, es beabsichtige, den vom EDÖB empfohlenen Zugang zu verweigern. Nachdem sich B. in seiner Stellungnahme dem Standpunkt des EDÖB anschloss, erliess Swissmedic am 30. April 2015 die in Aussicht gestellte Verfügung mit der Begründung, die privaten Interessen der Firmenexperten an der Wahrung ihrer Privatsphäre überwögen das Transparenzinteresse. Die dagegen von B. erhobene Beschwerde hiess das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil A-3220/2015 vom 22. Februar 2016 gut. Es hob die Verfügung von Swissmedic auf und wies diese an, B. pro beteiligtem Firmenexperten jeweils Zugang zu Seite 1 der Dokumente von Teil 1.4 des CTD (ohne Unterschrift) und zur Angabe über die aktuelle Position (Angabe in Fettdruck) in der Rubrik "Occupational Experience/Employment" des Lebenslaufs im gleichen Teil des CTD zu gewähren. D. Gegen das bundesverwaltungsgerichtliche Urteil erhob die Firma A. am 24. März 2016 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Mit Verfügung vom 21. April 2016 erkannte der Präsident der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung dieser die aufschiebende Wirkung zu. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. (Zusammenfassung)
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Streitgegenstand bildet vorliegend einzig noch die Frage, ob Swissmedic in Nachachtung des Öffentlichkeitsprinzips dem Beschwerdegegner pro beteiligtem Firmenexperten jeweils Zugang zu Seite 1 der Dokumente von Teil 1.4 des CTD (ohne Unterschrift) und zur aktuellen Position gemäss der Rubrik "Occupational Experience/Employment" des Lebenslaufs (Angabe in Fettdruck) im gleichen Teil des CTD gewähren muss. Im Übrigen wurde dem Zugangsgesuch bereits Folge geleistet. Die Beschwerdeführerin spricht sich für die Geheimhaltung dieser Informationen aus, weil ihrer Ansicht nach durch deren Veröffentlichung Geschäftsgeheimnisse offenbart (vgl. E. 3 hiernach) und die Privatsphäre Dritter beeinträchtigt werden könnten (vgl. nachfolgend E. 4). BGE 142 II 340 S. 344 Dabei ist zu beachten, dass es um die Bekanntgabe von Personendaten der Firmenexperten geht, die für die Beschwerdeführerin im Rahmen des Zulassungsgesuchs und im dafür vorgesehenen Format, dem CTD, die qualitativen, präklinischen und klinischen Daten des Arzneimittels einer kritischen Analyse unterzogen und ausführliche Berichte darüber verfasst haben. Davon zu unterscheiden sind die Mitarbeitenden von Swissmedic, welche die Gesuchsunterlagen begutachten und die Ergebnisse ihrer Untersuchung in einem Evaluationsbericht festhalten, sowie die externen Experten des Human Medicines Expert Committee (HMEC). Diese sind vor allem insoweit an der Gesuchsprüfung beteiligt, als sie zu den Evaluationsberichten Stellung nehmen (vgl. E. 6 des angefochtenen Entscheids). 2.2 Im hier zu beurteilenden Fall ist unstreitig, dass es sich bei den Dokumenten von Teil 1.4 des CTD um amtliche Dokumente im Sinne von Art. 5 BGÖ handelt. Gemäss Art. 6 Abs. 1 BGÖ hat jede Person das Recht, solche Dokumente einzusehen und von den Behörden Auskünfte über deren Inhalt zu erhalten. Insoweit geht das Vorbringen der Beschwerdeführerin, die Beweggründe des Beschwerdegegners für sein Zugangsgesuch seien sachfremd und fielen nicht in den Geltungsbereich des BGÖ, fehl. Der Gesetzgeber hat mit dem Erlass des BGÖ einen Paradigmenwechsel vollzogen und den Grundsatz der Geheimhaltung der Verwaltungstätigkeit ("Geheimhaltung mit Öffentlichkeitsvorbehalt") zu Gunsten des Öffentlichkeitsprinzips ("Grundsatz der Öffentlichkeit mit Geheimhaltungsvorbehalt") umgekehrt. Jede Person, die amtliche Dokumente einsehen möchte, hat im persönlichen und sachlichen Geltungsbereich des BGÖ einen subjektiven, individuellen Anspruch darauf ( BGE 133 II 209 E. 2.1 S. 212; vgl. sodann BGE 136 II 399 E. 2.1 S. 401). Das BGÖ stellt mithin eine Vermutung des freien Zugangs zu amtlichen Dokumenten auf (vgl. Botschaft vom 12. Februar 2003 zum Bundesgesetz über die Öffentlichkeit der Verwaltung [BGÖ], BBl 2003 1963, 2002 Ziff. 2.2.1.1; URS STEIMEN, in: Basler Kommentar, Datenschutzgesetz, Öffentlichkeitsgesetz, 3. Aufl. 2014, N. 7 zu Art. 7 BGÖ ). Die Beschwerdeführerin beruft sich auf mehrere gesetzlich vorgesehene Ausnahmebestimmungen zum Transparenzgebot. Nach der Rechtsprechung muss die aufgrund der Zugangsgewährung drohende Verletzung der jeweiligen öffentlichen oder privaten Interessen zwar nicht mit Sicherheit eintreten, jedoch darf eine Gefährdung auch nicht lediglich denkbar oder (entfernt) möglich erscheinen; zudem muss diese ernsthaft sein, weshalb eine bloss geringfügige BGE 142 II 340 S. 345 oder unangenehme Konsequenz nicht als Beeinträchtigung gelten kann (vgl. BGE 142 II 324 E. 3.4 S. 335; BGE 133 II 209 E. 2.3.3 S. 215; Urteil 1C_74/2015 vom 2. Dezember 2015 E. 4.1.3). 3. 3.1 Die Beschwerdeführerin beruft sich zunächst auf die Ausnahmebestimmung von Art. 7 Abs. 1 lit. g BGÖ . Danach wird der Zugang zu amtlichen Dokumenten eingeschränkt, aufgeschoben oder verweigert, wenn durch seine Gewährung Berufs-, Geschäfts- oder Fabrikationsgeheimnisse offenbart werden können. Ihrer Ansicht nach sind die Namen der Firmenexperten vergleichbar mit den Angaben zu Lieferanten, die zu den Geschäftsgeheimnissen zählten. Sodann sei im Zeitpunkt der Zulassung ihres Medikaments durch Swissmedic ein Zulassungsgesuch eines anderen Unternehmens für ein vergleichbares Arzneimittel abgewiesen worden. Grund dafür könne sein, dass ihre Firmenexperten möglicherweise die kompetenteren Fachpersonen seien und den Nutzen sowie die Risiken des Arzneimittels womöglich besser aufgezeigt hätten als diejenigen des Konkurrenzbetriebs. Eine Offenlegung der Namen könne deshalb dazu führen, dass sie von diesem Mitbewerber abgeworben würden. Daraus entstünde ihr ein Wettbewerbsnachteil. 3.2 Dem Begriff der Geschäftsgeheimnisse werden etwa alle Informationen zugewiesen, die ein Unternehmer als Geheimnisherr berechtigterweise geheim halten möchte bzw., etwas konkreter, die zu einer Beeinträchtigung des geschäftlichen Erfolgs des Unternehmens bzw. zu einer Verfälschung des Wettbewerbs führen könnten, wenn sie Konkurrenzunternehmen bekannt würden. Insofern wird der Geheimnisbegriff in diesem Zusammenhang weit verstanden (Urteil 1C_50/2015 vom 2. Dezember 2015 E. 5.3; Botschaft zum BGÖ, BBl 2003 1963, 2011 f. Ziff. 2.2.2.1.7). Trotzdem ist hier nicht ersichtlich, inwiefern die Ausnahmebestimmung nach Art. 7 Abs. 1 lit. g BGÖ erfüllt sein könnte. Das von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Schadensrisiko erscheint rein hypothetisch und bloss entfernt möglich zu sein, insbesondere wenn man bedenkt, dass das Konkurrenzunternehmen ihren Angaben zufolge sein Zulassungsbegehren nicht weiter verfolgt hat. Ausserdem leuchtet nicht ein, weshalb die Namen der Firmenexperten - nur weil sie am Zulassungsdossier mitgewirkt haben - mit jenen von Lieferanten vergleichbar sein sollen. Auch diese gelten, wie bereits dargelegt, ohnehin erst dann als Geschäftsgeheimnis, wenn deren Offenlegung sich negativ auf das Geschäftsergebnis auswirken könnte. Mithin ist nicht zu BGE 142 II 340 S. 346 beanstanden, wenn die Vorinstanz das Vorliegen eines Ausnahmegrundes nach Art. 7 Abs. 1 lit. g BGÖ verneinte. 4. 4.1 Im vorliegenden Fall ist ferner unstreitig, dass es sich bei den in den Dokumenten von Teil 1.4 enthaltenen Informationen im noch strittigen Umfang um nicht besonders schützenswerte Personendaten handelt und dass deren Anonymisierung nicht möglich ist, weil gerade diejenigen Angaben unkenntlich zu machen wären, zu denen Zugang verlangt wird. Eine Unkenntlichmachung käme demnach in materieller Hinsicht einer Verweigerung des Zugangsgesuchs gleich (vgl. Urteil 1C_74/2015 vom 2. Dezember 2015 E. 3). Ist eine Anonymisierung nicht möglich, muss das Zugangsgesuch nach Art. 19 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (DSG; SR 235.1) beurteilt werden ( Art. 9 Abs. 2 Satz 1 BGÖ ). 4.2 Die Beschwerdeführerin beruft sich dabei auf Art. 19 Abs. 1 bis DSG . Nach dieser Bestimmung darf die Behörde gestützt auf das BGÖ Personendaten bekannt geben, wenn die betreffenden Personendaten im Zusammenhang mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben stehen (lit. a), und an deren Bekanntgabe ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht (lit. b). Erstere Voraussetzung ergibt sich für das Öffentlichkeitsgesetz bereits aus der Definition des Begriffs "amtliches Dokument" gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. c BGÖ . Vorliegend blieb unbestritten, dass die in den Dokumenten von Teil 1.4 enthaltenen Informationen die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe betreffen, zumal sie der Prüfung des Zulassungsgesuchs für das Medikament C. durch Swissmedic dienten (vgl. E. 3.2 des angefochtenen Entscheids). Die zweite Voraussetzung verlangt nach einer Güterabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse am Zugang zu den amtlichen Dokumenten und den privaten Interessen am Schutz der darin enthaltenen Personendaten (vgl. Botschaft zum BGÖ, BBl 2003 1963, 2033 Ziff. 2.5.2.1; JENNIFER EHRENSPERGER, in: Basler Kommentar, Datenschutzgesetz, Öffentlichkeitsgesetz, 3. Aufl. 2014, N. 44 zu Art. 19 DSG ; AMMANN/LANG, Öffentlichkeitsgesetz und Datenschutz, in: Datenschutzrecht, Passadelis/Rosenthal/Thür (Hrsg.), 2015, S. 924; MARKUS SCHEFER, Öffentlichkeit und Geheimhaltung in der Verwaltung, in: Die Revision des Datenschutzgesetzes, Epiney/Hobi (Hrsg.), 2009, S. 88). Dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und der Schutz der Privatsphäre im Rahmen von BGE 142 II 340 S. 347 Art. 19 Abs. 1 bis lit. b DSG zu berücksichtigen sind, lässt sich bereits aus dem Zweckartikel des DSG (vgl. Art. 1 DSG ) sowie aus Art. 13 BV herleiten. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gewährleistet Art. 13 BV allgemein das Recht auf eine Privat- und Geheimsphäre, wobei Abs. 2 im Besonderen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt. Dieser Anspruch impliziert, dass jede Person gegenüber fremder, staatlicher oder privater Bearbeitung und Speicherung von sie betreffenden Informationen bestimmen können muss, ob und zu welchem Zweck diese Informationen über sie bearbeitet und gespeichert werden ( BGE 140 I 2 E. 9.1 S. 22 f., BGE 140 I 381 E. 4.1 S. 384; BGE 138 II 346 E. 8.2 S. 359 f.; BGE 129 I 232 E. 4.3.1 S. 245; je mit Hinweisen). Der Begriff des Bearbeitens umfasst aus datenschutzrechtlicher Sicht auch die Bekanntgabe, d.h. das Einsichtgewähren, Weitergeben oder Veröffentlichen von Personendaten ( Art. 3 lit. e und f DSG ; zum Ganzen: Urteil 1C_74/2015 vom 2. Dezember 2015 E. 4.1). 4.3 Das BGÖ selbst kennt ebenfalls eine Ausnahmebestimmung zum Öffentlichkeitsprinzip, nach der eine Abwägung der sich gegenüberstehenden privaten und öffentlichen Interessen vorzunehmen ist. Gemäss Art. 7 Abs. 2 BGÖ wird der Zugang zu amtlichen Dokumenten eingeschränkt, aufgeschoben oder verweigert, wenn durch seine Gewährung die Privatsphäre Dritter beeinträchtigt werden kann; ausnahmsweise kann jedoch das öffentliche Interesse am Zugang überwiegen. Über das Verhältnis von Art. 7 Abs. 2 BGÖ einerseits und Art. 9 Abs. 2 BGÖ i.V.m. Art. 19 Abs. 1 bis DSG können unterschiedliche Auffassungen vertreten werden. Letztlich ist allerdings massgeblich, dass gestützt auf beide Bestimmungen eine Abwägung vorzunehmen ist zwischen dem öffentlichen Interesse am Zugang zu amtlichen Dokumenten und dem Schutz der Privatsphäre bzw. der informationellen Selbstbestimmung jener Personen, deren Daten im Dokument enthalten sind und zugänglich gemacht werden sollen (vgl. dazu Urteil 1C_74/2015 vom 2. Dezember 2015 E. 4.1.1). 4.4 Im Rahmen der Güterabwägung ist dem Interesse der Drittperson am Schutz ihrer Privatsphäre bzw. ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung zu tragen. Bei der Gewichtung dieser privaten Interessen sind insbesondere die Art der betroffenen Daten, die Rolle bzw. Stellung der in Frage stehenden Person sowie die Schwere der Konsequenzen einer Bekanntgabe für diese Person zu berücksichtigen (vgl. STEPHAN BRUNNER, Persönlichkeitsschutz bei der behördlichen Information der Öffentlichkeit von BGE 142 II 340 S. 348 Amtes wegen, ZBl 11/2010 S. 620 f.; AMMANN/LANG, a.a.O., S. 925 ff.). Die Gefahr einer Verletzung der Privatsphäre hängt nicht bloss davon ab, ob besonders schützenswerte Daten bzw. Persönlichkeitsprofile bekannt gegeben werden sollen; mitunter kann auch das Zugänglichmachen von "gewöhnlichen" Personendaten im Sinne von Art. 3 lit. a DSG für die betroffenen Personen schwerwiegende Konsequenzen haben, weshalb die Umstände im konkreten Einzelfall zu würdigen sind (vgl. AMMANN/LANG, a.a.O., S. 928). Schliesslich ist zu berücksichtigen, dass das Schutzbedürfnis grösser ist, wenn es sich bei der Person, deren Daten zugänglich gemacht werden sollen, um einen privaten Dritten handelt, als wenn die in Frage stehende Person eine des öffentlichen Lebens ist (vgl. BGE 137 I 16 E. 2.5 S. 22 mit Hinweis). Die Behörde muss beim Vorliegen überwiegender privater Interessen nicht in jedem Fall den Zugang verweigern, sondern kann ihn im Sinne des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit auch bloss einschränken oder aufschieben ( Art. 7 Abs. 2 BGÖ ). 4.5 Dem privaten Interesse am Schutz der Privatsphäre ist das öffentliche Interesse am Zugang zu den amtlichen Dokumenten gegenüberzustellen ( Art. 19 Abs. 1 bis lit. b DSG bzw. Art. 7 Abs. 2 BGÖ ). Im Vordergrund steht dabei das Interesse an der Öffentlichkeit der Verwaltung: Das Öffentlichkeitsprinzip dient der Transparenz der Verwaltung und soll das Vertrauen des Bürgers in die staatlichen Institutionen und ihr Funktionieren fördern; es bildet zudem eine wesentliche Voraussetzung für eine sinnvolle demokratische Mitwirkung am politischen Entscheidfindungsprozess und für eine wirksame Kontrolle der staatlichen Behörden (vgl. Art. 1 BGÖ ; BGE 136 II 399 E. 2.1 S. 401; BGE 133 II 209 E. 2.3.1 S. 213). Weitere Kriterien und Anhaltspunkte für besondere Informationsinteressen der Öffentlichkeit finden sich in Art. 6 Abs. 2 VBGÖ . Von Bedeutung ist lit. b, wonach das öffentliche Interesse überwiegen kann, wenn die Zugänglichmachung dem Schutz spezifischer öffentlicher Interessen dient, insbesondere dem Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit oder der öffentlichen Gesundheit. Zu nennen ist sodann lit. c, nach der das öffentliche Interesse vorgehen kann, wenn die Person, deren Privatsphäre durch die Zugänglichmachung beeinträchtigt werden könnte, zu einer dem Öffentlichkeitsgesetz unterstehenden Behörde in einer rechtlichen oder faktischen Beziehung steht, aus der ihr bedeutende Vorteile erwachsen. Diese Vorteile können etwa finanzieller Natur sein (vgl. AMMANN/LANG, a.a.O., S. 929 f.). BGE 142 II 340 S. 349 4.6 Vor diesem Hintergrund ist nachfolgend zu prüfen, ob die Vorinstanz dem Beschwerdegegner den Zugang zu den umstrittenen Personendaten zu Recht gewähren durfte. In Anwendung des Öffentlichkeitsgesetzes ist bei der Gewährung des Zugangs zu einem amtlichen Dokument, das persönliche Daten Dritter enthält, ein mehrstufiges Verfahren zu durchlaufen. In einem ersten Schritt ist aufgrund einer grundsätzlich vorläufigen Interessenabwägung zu prüfen, ob eine Veröffentlichung des Dokuments überhaupt in Betracht fällt oder aufgrund überwiegender öffentlicher oder privater Interessen von vornherein scheitert. Trifft letzteres Szenario zu, hat es dabei sein Bewenden. Wird indes die Möglichkeit einer Zugangsgewährung bejaht, so sind in der Regel die betroffenen Dritten anzuhören, d.h. es ist ihnen die Gelegenheit einzuräumen, ihre einer Publikation entgegenstehenden Interessen geltend zu machen ( Art. 11 Abs. 1 BGÖ ). Gestützt auf diese Stellungnahmen ist die definitive Interessenabwägung vorzunehmen und der eigentliche Entscheid über die Gewährung des Zugangs zum fraglichen Dokument zu fällen (Urteil 1C_74/2015 vom 2. Dezember 2015 E. 4.2). Von der Anhörung darf unter zwei Voraussetzungen ausnahmsweise abgesehen werden. Erstens muss die vorläufige Interessenabwägung so klar zugunsten der Veröffentlichung ausfallen, dass nicht ernsthaft damit zu rechnen ist, es gebe noch nicht erkannte private Interessen, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten. Und zweitens muss die Durchführung des Konsultationsrechts unverhältnismässig erscheinen, namentlich weil die Anhörung mit einem übergrossen Aufwand verbunden wäre (Urteil 1C_50/2015 vom 2. Dezember 2015 E. 6.3). 4.6.1 Die Vorinstanz erwog, die Firmenexperten erfüllten im Rahmen des Zulassungsgesuchs eine wichtige Funktion, die im öffentlichen Interesse liege, da das Zulassungsverfahren dem Schutz der öffentlichen Gesundheit diene. Bei ihren Berichten sei nicht auszuschliessen, dass sie den Zulassungsentscheid zu beeinflussen vermöchten. Insoweit bestehe ein öffentliches Interesse daran zu wissen, von wem diese Funktion ausgeübt werde. Dies erlaube eine Überprüfung der an die Firmenexperten gestellten Qualifikationen und ihrer Interessenbindungen, was zur Verwirklichung eines korrekten, von sachfremden Einflüssen freien Zulassungsverfahrens beitrage. Es sei demnach von einem nicht unerheblichen öffentlichen Interesse auszugehen. Daran ändere auch die Gesuchsüberprüfung durch externe Experten bzw. der Status des Medikaments als sog. BGE 142 II 340 S. 350 "Orphan Drug", d.h. als wichtiges Arzneimittel für seltene Krankheiten, nichts. Dagegen habe eine Offenlegung der fraglichen Personendaten, wenn überhaupt, lediglich unangenehme oder geringfügige Konsequenzen für die Firmenexperten zur Folge. Bei Zugangsgesuchen von Medienschaffenden sei grundsätzlich ein dem Schutz der öffentlichen Gesundheit dienendes öffentliches Interesse ( Art. 6 Abs. 2 lit. b VBGÖ ) an der Einsichtgewährung in die umstrittenen Daten zu bejahen. 4.6.2 Die Beschwerdeführerin wendet dagegen ein, bereits die Vermutung, eine Behörde beeinflusst oder dies versucht zu haben, rücke die Firmenexperten in der Regel in ein schlechtes Licht. Wenn ihre Arbeitgeber oder Geschäftspartner davon erführen, könne dies ihnen schaden. Zudem sei nicht auszuschliessen, dass sie durch eine negative Berichterstattung über ihre fachliche Tätigkeit mit ungerechtfertigten Unterstellungen konfrontiert würden, was sie auch dazu veranlassen könnte, nicht mehr für die Beschwerdeführerin tätig zu werden bzw. sich abwerben zu lassen. Diese Einwände vermögen nicht zu überzeugen. Die aufgezeigten, aufgrund der Offenlegung drohenden Beeinträchtigungen der privaten Interessen bewegen sich bloss im Bereich des Möglichen und basieren auf der Annahme, die Einflussnahme durch die im Rahmen des Zulassungsgesuchs eingereichten Berichte werde von Aussenstehenden negativ wahrgenommen. Objektiv betrachtet handelt es sich dabei aber lediglich um das für die Zulassung eines Arzneimittels vorgesehene Verfahren: Die Berichte der Firmenexperten stellen Unterlagen dar, die mit dem Zulassungsbegehren beizubringen sind und die der Zulassungsbehörde als Grundlage für ihre Beurteilung dienen. Auch erscheint wenig plausibel, dass die Firmenexperten ihre Zusammenarbeit mit der Beschwerdeführerin aufgrund einer kritischen Medienberichterstattung aufgeben würden. Die in diesem Zusammenhang dargelegten Gefahren könnten für die betroffenen Personen wohl bloss unangenehme Konsequenzen zur Folge haben. Das private Interesse am Schutz der Privatsphäre und der informationellen Selbstbestimmung ist somit aufgrund der von der Beschwerdeführerin eingebrachten Argumente zu relativieren. Diese Würdigung steht allerdings unter dem generellen Vorbehalt, dass sich die betroffenen Personen bislang noch nicht zu den bei einer Bekanntmachung drohenden Beeinträchtigungen ihrer Interessen äussern konnten. Auf das Vorbringen des Beschwerdegegners, eine BGE 142 II 340 S. 351 Veröffentlichung der Namen der Firmenexperten könne für diese sogar vorteilhaft sein, braucht hier nicht näher eingegangen zu werden. 4.6.3 Demgegenüber spricht das durch das Öffentlichkeitsprinzip statuierte öffentliche Interesse an der Transparenz der Verwaltungstätigkeit für die Offenlegung der umstrittenen Personendaten. Neben diesem allgemeinen Interesse an der Zugänglichkeit ist zu berücksichtigen, dass das Zulassungsverfahren für Arzneimittel dem Schutz der Gesundheit dient. Es soll sicherstellen, dass nur qualitativ hochstehende, sichere und wirksame Heilmittel in Verkehr gebracht werden (vgl. Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte [Heilmittelgesetz, HMG; SR 812.21] ). Die Berichte der Firmenexperten stellen dabei nach den unbestritten gebliebenen Ausführungen der Vorinstanz einen wichtigen Bestandteil der Gesuchsunterlagen für die Zulassung dar, weil sie alle wesentlichen Daten zusammenfassen und insbesondere eine sachliche und kritische Bewertung der Wirksamkeit, der Sicherheit und des Nutzen-Risiko-Verhältnisses des Präparats enthalten. Sie dienen Swissmedic als Grundlage für die Prüfung des Begehrens und für die Entscheidfindung über die Zulassung des Medikaments. Insoweit betreffen sie - wie bereits dargelegt - die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe, weshalb an der Bekanntgabe der Personendaten der Firmenexperten (im noch strittigen Umfang) ein nachvollziehbares Interesse besteht ( Art. 6 Abs. 2 lit. b VBGÖ ). Dass die Firmenexperten privat beauftragt worden sind und im Gegensatz zu den Mitarbeitenden von Swissmedic oder den Experten des HMEC nicht (direkt) öffentliche Funktionen ausüben, ist insoweit nicht von Belang. Zwar ist der Beschwerdeführerin darin zuzustimmen, dass bei Zugangsgesuchen von Medienschaffenden nicht grundsätzlich von einem dem Schutz der öffentlichen Gesundheit dienenden überwiegenden öffentlichen Interesse im Sinne von Art. 6 Abs. 2 lit. b VBGÖ ausgegangen werden kann. Indes kann ihr nicht gefolgt werden, wenn sie vorbringt, die Aufdeckung von Interessenbindungen der Firmenexperten durch die Zugangsgewährung sei mehr als fraglich. Wie Swissmedic in ihrer Stellungnahme ausführt, gibt der Abgleich der Namen der Firmenexperten mit jenen der Experten des HMEC, die auf ihrer Homepage öffentlich zugänglich sind, Aufschluss über allfällige Interessenkonflikte. Des Weiteren können auch die aufgrund der zahlreichen von der Beschwerdeführerin genannten Verhaltenskodizes oder Richtlinien mit Offenlegungspflichten gewonnenen BGE 142 II 340 S. 352 Informationen bei Bekanntgabe der Namen der Firmenexperten zur Aufklärung von Interessenbindungen beitragen. Diesbezüglich besteht mithin ein dem Öffentlichkeitsgebot entsprechendes Interesse an der Zugangsgewährung, denn dadurch wird das Zulassungsverfahren transparenter, was wiederum eine Kontrolle der Verwaltungstätigkeit ermöglicht. Schliesslich ist zu beachten, dass zwar nicht den Firmenexperten selbst, jedoch der Beschwerdeführerin, der sie zuzurechnen sind, durch die Zulassung des Arzneimittels C. ein erheblicher Wettbewerbsvorteil erwachsen ist. Dieser wirkt sich insbesondere auch in finanzieller Hinsicht positiv auf den geschäftlichen Erfolg der Beschwerdeführerin aus ( Art. 6 Abs. 2 lit. c VBGÖ ). Da in solchen Situationen das Bedürfnis, Missbräuchen zu begegnen, besonders gross ist, besteht ein gesteigertes Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der Schaffung von Transparenz. 4.6.4 Nach dem Gesagten erscheint das private Interesse an der Geheimhaltung der umstrittenen Personendaten der Dokumente von Teil 1.4 nicht besonders gewichtig. Es vermag in der hier vorgenommenen vorläufigen Interessenabwägung gegenüber den öffentlichen Transparenzinteressen nicht zu überwiegen. Die Folgerung der Vorinstanz, wonach grundsätzlich Zugang zu diesen Personendaten zu gewähren ist, lässt somit nicht von vornherein eine Bundesrechtswidrigkeit erkennen. Zu prüfen bleibt, ob die Firmenexperten im Sinne von Art. 11 Abs. 1 BGÖ anzuhören sind. 4.6.5 Die Vorinstanz sah davon ab, weil anzunehmen sei, die Beschwerdeführerin habe bereits sämtliche wesentlichen privaten Interessen in das Verfahren eingebracht. Zudem könne erwartet werden, dass sich die Firmenexperten ihrer Auffassung anschlössen. Die Beschwerdeführerin erblickt darin eine unvollständige Sachverhaltsfeststellung, die auf einer Verletzung des Anhörungsrechts der Firmenexperten beruht (vgl. nicht publ. E. 1.3 hiervor). 4.6.6 Bezieht sich ein Zugangsgesuch auf amtliche Dokumente, die Personendaten enthalten, und zieht die Behörde die Gewährung des Zugangs in Betracht, so konsultiert sie gemäss Art. 11 Abs. 1 BGÖ die betroffene Person und gibt ihr Gelegenheit zur Stellungnahme. Wenngleich das Gesetz nicht ausdrücklich Ausnahmen von dieser Verpflichtung vorsieht, kann das Anhörungsrecht nach der Rechtsprechung aus systematischen und teleologischen Gründen nicht absolut gelten. Es steht vielmehr unter einem Umsetzungsvorbehalt, BGE 142 II 340 S. 353 wie dies auch in der Botschaft zum BGÖ (BBl 2003 1963, 2017 Ziff. 2.2.3.4: "soweit dies möglich ist") und in der Literatur vermerkt wird (vgl. BHEND/SCHNEIDER, in: Basler Kommentar, Datenschutzgesetz, Öffentlichkeitsgesetz, 3. Aufl. 2014, N. 7 zu Art. 11 BGÖ ; ALEXANDRE FLÜCKIGER, in: Öffentlichkeitsgesetz, 2008, N. 11 zu Art. 11 BGÖ ). Ein Absehen von der Anhörung fällt allerdings nur ausnahmsweise in Betracht und bedarf einer entsprechenden Rechtfertigung (Urteil 1C_50/2015 vom 2. Dezember 2015 E. 6.2). 4.6.7 Das Bundesgericht hat bisher erst in einem Fall, in dem die 40 umsatzstärksten Kreditoren (Lieferfirmen) des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) des Jahres 2011 hätten konsultiert werden müssen, auf eine Nachholung der unterlassenen Anhörung verzichtet (Urteil 1C_50/2015 vom 2. Dezember 2015 E. 6.5). Dafür ausschlaggebend war in erster Linie, dass unter den gegebenen Umständen nicht ersichtlich war, welche zusätzlichen rechtserheblichen Einwände die betroffenen Unternehmen bei einer Gewährung des Anhörungsrechts hätten erheben können. Es war nicht ernsthaft damit zu rechnen, dass es noch nicht erkannte private Interessen gab, die zu einem von der vorgenommenen Interessenabwägung abweichenden Ergebnis hätten führen können. Die Durchführung eines Anhörungsverfahrens wäre überdies bei 40 Lieferfirmen aufwändig und komplex gewesen. Hinzu kam, dass die fraglichen Unternehmen Leistungen für das EFD erbracht hatten, deren Offenlegung im Sinne einer groben Auflistung des Umfangs und der Art diesen grundsätzlich nicht ernsthaft zum Nachteil gereicht hätte. Die Namen der Lieferfirmen waren denn auch zu einem grossen Teil bereits im Zusammenhang mit den durchgeführten Submissionsverfahren publiziert worden. Ausserdem hatte das Zugangsverfahren zur nachgesuchten Liste der Kreditoren schon einige Jahre in Anspruch genommen. Unter diesen speziellen Umständen befand das Bundesgericht, der Ausnahmevorbehalt zum Anhörungsrecht sei erfüllt, weshalb auf die Durchführung eines Konsultationsverfahrens verzichtet werden konnte. 4.6.8 Die Ausgangslage, die dem Urteil 1C_50/2015 zugrunde lag, ist hingegen mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Zwar dauert das Zugangsverfahren auch hier schon einige Zeit an. Jedoch gibt es keine Hinweise darauf, dass die Namen der Firmenexperten bereits in einem anderen Zusammenhang veröffentlicht worden sind. Auch würde das Anhörungsverfahren sich weder als ausgesprochen aufwändig noch als komplex erweisen, müssten doch lediglich drei BGE 142 II 340 S. 354 Firmenexperten konsultiert werden. Dabei erscheint fraglich, ob diese, weil sie im Ausland wohnen, tatsächlich über den diplomatischen oder konsularischen Weg aufzufordern wären, zunächst ein Zustelldomizil in der Schweiz zu bezeichnen (vgl. E. 7.7.2 des angefochtenen Entscheids). Immerhin müssten sie sich zuerst als Parteien konstituieren ( Art. 11b Abs. 1 VwVG [SR 172.021]), was im Stadium der Anhörung noch nicht der Fall ist. Vor allem kann hier aber im Gegensatz zum Urteil 1C_50/2015 nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die betroffenen Firmenexperten bei einer Gewährung des Anhörungsrechts keine zusätzlichen rechtserheblichen Einwände vorbringen könnten. Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Stellungnahme im vorinstanzlichen Verfahren lediglich den Schutzbereich der Privatsphäre umrissen und sich für die Geheimhaltung der Personendaten ausgesprochen. Eine, wie das Bundesverwaltungsgericht bemerkt, ausführliche Darlegung der Interessen der Firmenexperten findet sich darin nicht. Die Beschwerdeführerin hat sich kaum dazu geäussert und weist auch im vorliegenden Verfahren darauf hin, dass diese im Rahmen des Anhörungsrechts der betroffenen Personen erst noch zu erörtern wären. Mithin erweist sich die Annahme, wonach die Beschwerdeführerin bereits sämtliche wesentlichen privaten Interessen in das Verfahren eingebracht habe, als aktenwidrig. Es sind durchaus noch nicht vorgebrachte rechtserhebliche Privatinteressen denkbar, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten. So ist beispielsweise nicht auszuschliessen, dass bei einer Veröffentlichung der Namen der Firmenexperten wegen besonderen Konstellationen ihr berufliches Ansehen, ihr Ruf oder andere Aspekte ihrer beruflichen Stellung beeinträchtigt werden könnten. Ebenso könnte ihnen zum Nachteil gereichen, wenn dadurch Aufträge für Gutachten oder solche im Bereich der Forschung ausblieben. Gesamthaft betrachtet können demnach keine Gründe namhaft gemacht werden, die es rechtfertigten, von der Durchführung des Konsultationsverfahrens abzusehen. Im Gegenteil, würden die Ausnahmen zum Anhörungsrecht derart freizügig angewendet, wie dies die Vorinstanz getan hat, bestünde die Gefahr, dass das in Art. 11 Abs. 1 BGÖ vorgesehene Regelverfahren zur Ausnahme verkäme und der Persönlichkeitsschutz untergraben würde. Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt somit als begründet. (...)
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Muss sich das Berufungsgericht nach einer Rückweisung durch das Bundesgericht nochmals mit der Beweislage befassen, darf es im Vergleich zu seinem ersten Berufungsurteil auch eine andere Beweiswürdigung vornehmen, wenn es diese für richtiger hält. Eine neue, abweichende Beweiswürdigung durch die Berufungsinstanz in einem Rückweisungsverfahren ist zulässig, soweit der entsprechende Sachverhalt mit einer Willkürrüge vor Bundesgericht noch angefochten werden kann und demnach noch nicht verbindlich feststeht (E. 5.3.2). Der Berufungskläger muss seine Beweisanträge im Berufungsverfahren - Noven vorbehalten - in der Berufungserklärung (vgl. Art. 399 Abs. 3 lit. c StPO ) oder spätestens vor Abschluss des Beweisverfahrens stellen. Das Berufungsgericht muss die Parteien nicht nach Art. 345 StPO zur Nennung von Beweisen auffordern. Allerdings gilt der Wahrheits- und Untersuchungsgrundsatz auch im Rechtsmittelverfahren und folglich auch in einem Rückweisungsverfahren. Dem Berufungsgericht ist es in einem Rückweisungsverfahren daher nicht untersagt, zusätzliche Beweise, welche bereits in einem früheren Verfahrensstadium hätten erhoben werden können, abzunehmen, wenn dies seines Erachtens der Wahrheitsfindung dient (E. 5.4). Regeste b Art. 17 Abs. 3 BV , Art. 10 Ziff. 1 EMRK , Art. 28a StGB und Art. 172 StPO ; Quellenschutz der Medienschaffenden im Strafverfahren; Grenzen des Zeugnisverweigerungsrechts; Verhältnismässigkeit der Zeugnispflicht. Vorliegend ging es um die Aufklärung eines versuchten Mordes, d.h. um ein Tötungsdelikt nach Art. 111-113 StGB . Das Zeugnisverweigerungsrecht von Art. 172 Abs. 1 StPO kam insoweit nicht zum Tragen ( Art. 28a Abs. 2 lit. b StGB und Art. 172 Abs. 2 lit. b Ziff. 1 StPO; E. 16.5.1). Bestätigung der Rechtsprechung zum Erfordernis der Verhältnismässigkeit der Aufhebung des Quellenschutzes ( BGE 132 I 181 E. 4.2). Verhältnismässigkeit der Pflicht zur Herausgabe von Unterlagen und Aufzeichnungen in casu verneint, da diese für die Beweiswürdigung nicht relevant waren (E. 16.5.2). Sachverhalt ab Seite 216 BGE 143 IV 214 S. 216 A. Die Anklage wirft X. u.a. vor, er habe am 4. Januar 2010, um ca. 05.00 Uhr, vor dem Nachtlokal C. in Erstfeld mit einer Pistole einen gezielten Schuss in Richtung des ca. 10-15 Meter entfernten B. abgefeuert, mit dem er kurz zuvor in der C. einen Streit gehabt habe, obwohl er im Umgang mit Schusswaffen nicht geübt und der Standort von B. nur wenig beleuchtet gewesen sei. Y. habe am 12. November 2010, um ca. 00.40 Uhr, in Erstfeld mit einer Pistole aus einer Distanz von einigen Metern mindestens drei Schüsse auf A. abgefeuert mit der Absicht, diese zu töten. Ein Projektil habe A. in den Rücken getroffen, weshalb sie eine zu unmittelbarer Lebensgefahr führende Thoraxverletzung mit Rippenbruch erlitten und während einer Woche habe hospitalisiert werden müssen. Ein weiteres Projektil habe sie am Oberarm und Thorax rechts verletzt. X. habe die Tat zuvor zusammen mit Y. geplant und mit BGE 143 IV 214 S. 217 diesem den Entschluss dazu gefasst, wobei X. Y. die Waffe für die Tat verschafft und ihm ein Entgelt dafür versprochen habe. Eventualiter habe X. Y. mit der Ausführung der Tat gegen ein Entgelt beauftragt und diesem die Waffe dafür verschafft. B. B.a Das Landgericht Uri verurteilte X. am 24. Oktober 2012 wegen versuchten Mordes, Gefährdung des Lebens und mehrfacher Widerhandlung gegen das Waffengesetz zu einer Freiheitsstrafe von 10 Jahren und einer Busse von Fr. 1'000.-. Zudem widerrief es den bedingten Vollzug der mit Urteil des Obergerichts des Kantons Uri vom 17. Juli 2009 bedingt ausgesprochenen Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Fr. 50.-. Die Genugtuungsforderung von A. hiess es im Umfang von Fr. 10'000.- (zzgl. Zins) und diejenige von B. im Umfang von Fr. 500.- (zzgl. Zins) gut. Zudem sprach es der D.-Versicherung Fr. 15'382.75 Schadenersatz zu. Die Schadenersatzforderung von A. verwies es auf den Zivilweg. Über die Kostennoten der unentgeltlichen Rechtsbeistände der Privatkläger und des amtlichen Verteidigers von X., Rechtsanwalt Linus Jäggi, befand es je in separaten Beschlüssen. Gegen das Urteil vom 24. Oktober 2012 erhoben X. und A. Berufung und die Staatsanwaltschaft Anschlussberufung. B.b Das Obergericht des Kantons Uri sprach X. am 11. September 2013 des versuchten Mordes, der versuchten Tötung und der mehrfachen Widerhandlung gegen das Waffengesetz schuldig und bestrafte ihn mit einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren sowie einer Busse von Fr. 1'000.-. Es widerrief den bedingten Vollzug der Geldstrafe gemäss Urteil vom 17. Juli 2009 und sprach A. eine Genugtuung von Fr. 25'000.- (zzgl. Zins) zu. Im Übrigen bestätigte es im Zivilpunkt das erstinstanzliche Urteil. Rechtsanwalt Linus Jäggi entschädigte es für das Berufungsverfahren mit Fr. 40'000.-. Das Obergericht hielt für erwiesen, dass X. den in der Anklage beschriebenen gezielten Schuss in Richtung von B. abgab und dass er Y. den Auftrag erteilte, auf A. zu schiessen, was dieser am 12. November 2010 auch tat. B.c Das Bundesgericht hiess am 10. Dezember 2014 die von X. gegen das Urteil vom 11. September 2013 erhobene Beschwerde teilweise gut, soweit es darauf eintrat. Es hob das angefochtene Urteil auf und wies die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück (Urteil 6B_529/2014). BGE 143 IV 214 S. 218 C. Mit Urteil vom 18. April 2016 erklärte das Obergericht des Kantons Uri X. der Gefährdung des Lebens und der mehrfachen Widerhandlung gegen das Waffengesetz schuldig. Von den Vorwürfen des versuchten Mordes und des Übertragens einer Waffe an einen Staatsangehörigen, der keine Waffe erwerben darf, sprach es ihn frei. Es verurteilte X. zu einer Freiheitsstrafe von 28 Monaten, zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu Fr. 10.- sowie einer Busse von Fr. 900.- und widerrief den bedingten Vollzug der Geldstrafe gemäss Urteil vom 17. Juli 2009. Die Schadenersatz- und Genugtuungsforderung von A. und die Schadenersatzforderung der D.-Versicherung verwies es auf den Zivilweg. Die Genugtuungsforderung des zwischenzeitlich verstorbenen B. hiess es im Umfang von Fr. 500.- (zzgl. Zins) gut. Rechtsanwalt Linus Jäggi sprach es im Urteil vom 18. April 2016 sowie mit separatem Beschluss vom gleichen Tag für die amtliche Verteidigung von X. im zweiten Berufungsverfahren eine Entschädigung von Fr. 111'408.50 zu. Anders als im Urteil vom 11. September 2013 hält das Obergericht im Urteil vom 18. April 2016 lediglich für erstellt, dass X. am 4. Januar 2010 ohne Tötungsabsicht in die ungefähre Richtung von B. schoss. Nicht als zweifelsfrei nachgewiesen erachtet das Obergericht, dass X. an der Tat vom 12. November 2010 zum Nachteil von A. im Sinne der Anklage beteiligt war, indem er diese zusammen mit Y. plante, diesem die Tatwaffe verschaffte und ihm ein Entgelt versprach bzw. indem er Y. gegen ein Entgelt mit der Ausführung der Tat beauftrage und diesem die Waffe dafür verschaffte. D. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Uri (Beschwerdeführerin 1) wandte sich mit Beschwerde an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts. Sie beantragt, der Beschluss vom 18. April 2016 sei aufzuheben und über die Entschädigung der amtlichen Verteidigung sei im Urteil in der Hauptsache zu befinden. Eventualiter sei die Entschädigung der amtlichen Verteidigung um Fr. 58'500.-, von ursprünglich Fr. 111'408.50 auf Fr. 52'908.50, zu kürzen. Die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts trat auf die Beschwerde mit Beschluss vom 19. Juli 2016 nicht ein und überwies die Angelegenheit zuständigkeitshalber dem Bundesgericht (Entscheid des Bundesstrafgerichts BB.2016.287 vom 19. Juli 2016; Verfahren 6B_824/2016). E. Die Staatsanwaltschaft führt zudem beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das Urteil vom 18. April 2016 BGE 143 IV 214 S. 219 sei aufzuheben, X. sei wegen versuchten Mordes in Mittäterschaft, versuchter vorsätzlicher Tötung und mehrfacher Widerhandlung gegen das Waffengesetz mit einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren und einer Busse von Fr. 1'000.- zu bestrafen und zur Sicherung des Vollzugs unverzüglich in Sicherheitshaft zu nehmen. Der Beschluss betreffend die Entschädigung der amtlichen Verteidigung sei ebenfalls aufzuheben. Eventualiter sei die Entschädigung der amtlichen Verteidigung um Fr. 58'500.-, von ursprünglich Fr. 111'408.50 auf Fr. 52'908.50, zu kürzen (Verfahren 6B_946/2016). F. A. (Beschwerdeführerin 2) beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, X. sei wegen versuchten Mordes in Mittäterschaft, eventualiter wegen Gehilfenschaft zum versuchten Mord, subeventualiter wegen Gefährdung des Lebens in Mittäterschaft, schuldig zu sprechen und entsprechend zu bestrafen. Sie ersucht um unentgeltliche Rechtspflege (Verfahren 6B_844/2016). G. X. (Beschwerdeführer 3) beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das angefochtene Urteil sei mit Ausnahme der Freisprüche aufzuheben und er sei von Schuld und Strafe freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er stellt ebenfalls ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (Verfahren 6B_960/2016). H. Die Vorinstanz verzichtete auf Vernehmlassungen. Rechtsanwalt Linus Jäggi beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventualiter sei diese abzuweisen (Verfahren 6B_824/2016). X. stellt Antrag auf Abweisung der Beschwerden (Verfahren 6B_844/2016 und 6B_946/2016). Das Bundesgericht heisst die Beschwerde im Verfahren 6B_824/2016 gut. Die Beschwerde im Verfahren 6B_844/2016 heisst es gut, soweit darauf einzutreten ist. Die Beschwerde im Verfahren 6B_946/2016 heisst es teilweise gut und weist sie im Übrigen ab, soweit darauf einzutreten ist. Die Beschwerde im Verfahren 6B_960/2016 weist es ab, soweit darauf einzutreten ist.
2,296
1,671
Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. 5.1 Die Beschwerdeführerin 1 rügt, der angefochtene Entscheid missachte die Bindungswirkung des bundesgerichtlichen Rückweisungsentscheids vom 10. Dezember 2014. Die Vorinstanz hätte nach der Rückweisung durch das Bundesgericht kein neues BGE 143 IV 214 S. 220 Beweisverfahren eröffnen dürfen. Als neue Beweismittel wären nur echte Noven zulässig gewesen. Stattdessen habe die Vorinstanz beinahe alle Beweisergänzungsbegehren des Beschwerdegegners 2 (X.) gutgeheissen, obschon dieser die entsprechenden Beweise bereits bei der erstinstanzlichen Verhandlung, spätestens aber bei der ersten Berufungsverhandlung hätte vorbringen können bzw. müssen. Die Vorinstanz habe in ihrem neuen Entscheid gegenüber ihrem Urteil vom 11. September 2013 zudem in Verletzung der Bindungswirkung eine komplett neue Beweiswürdigung vorgenommen. Richtigerweise hätte sie sich bloss noch mit den gutgeheissenen Rügen und den sich daraus ergebenden Sachverhalts- und Rechtsfragen auseinandersetzen müssen und dürfen. Zufolge unveränderten Sachverhalts hätte sie die gleichen Schuldsprüche wie im Urteil vom 11. September 2013 fällen müssen. Das Bundesgericht habe das Urteil vom 11. September 2013 nur in Bezug auf die Befragung des Beschwerdegegners 4 (B.) und die Verwendung der DNA-Spur auf der Patronenhülse aufgehoben. Materiell handle es sich demnach um eine Teilaufhebung. Im Übrigen gelte das Urteil vom 11. September 2013 als bestätigt. Die Vorinstanz hätte die Beurteilung des Vorfalls vom 12. November 2010 (Sachverhaltskomplex A.) daher nicht neu aufrollen und beurteilen dürfen. 5.2 5.2.1
344
245
Heisst das Bundesgericht eine Beschwerde gut und weist es die Angelegenheit zur neuen Beurteilung an das Berufungsgericht zurück, darf sich dieses von Bundesrechts wegen nur noch mit jenen Punkten befassen, die das Bundesgericht kassierte. Die anderen Teile des Urteils haben Bestand und sind in das neue Urteil zu übernehmen. Irrelevant ist, dass das Bundesgericht mit seinem Rückweisungsentscheid formell in der Regel das ganze angefochtene Urteil aufhebt. Entscheidend ist nicht das Dispositiv, sondern die materielle Tragweite des bundesgerichtlichen Entscheids (vgl. Urteile 6B_765/2015 vom 3. Februar 2016 E. 4; 6B_372/2011 vom 12. Juli 2011 E. 1.3.2 mit Hinweisen). Die neue Entscheidung der kantonalen Instanz ist somit auf diejenige Thematik beschränkt, die sich aus den bundesgerichtlichen Erwägungen als Gegenstand der neuen Beurteilung ergibt. Das Verfahren wird nur insoweit neu in Gang gesetzt, als dies notwendig ist, um den verbindlichen Erwägungen des Bundesgerichts Rechnung zu tragen ( BGE 123 IV 1 E. 1; BGE 117 IV 97 E. 4; Urteile 6B_408/2013 vom 18. Dezember 2013 E. 3.1; 6B_35/2012 vom 30. März 2012 E. 2.2). BGE 143 IV 214 S. 221 5.2.2 Das Bundesgericht hiess im Urteil 6B_529/2014 vom 10. Dezember 2014 die Rüge des Beschwerdegegners 2 gut, die Vorinstanz habe zu Unrecht auf eine gerichtliche Befragung des Beschwerdegegners 4 verzichtet (Urteil, a.a.O., E. 4.4, publ. in: BGE 140 IV 196 ). Der Beschwerdegegner 4 war infolge dieser Gutheissung noch gerichtlich einzuvernehmen, weshalb keine verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen zur Täterschaft des Beschwerdegegners 2 im Sachverhaltskomplex B. vorlagen. Noch offen war damit namentlich auch die Frage, ob der Beschwerdegegner 2 im Januar 2010 im Besitz der Waffe war, mit welcher im November 2010 auf die Beschwerdeführerin 2 (A.) geschossen wurde. Da dies im damals angefochtenen Urteil vom 11. September 2013 für die Beweisführung im Sachverhaltskomplex A. herangezogen wurde, wirkte sich die Gutheissung der Beschwerde auch darauf aus. Auch der Schuldspruch des Beschwerdegegners 2 wegen versuchten Mordes zum Nachteil der Beschwerdeführerin 2 (A.) wurde mit dem Bundesgerichtsurteil 6B_529/2014 vom 10. Dezember 2014 wegen der zu Unrecht unterbliebenen gerichtlichen Befragung des Beschwerdegegners 4 daher materiell aufgehoben. Damit erübrigte sich eine Behandlung der Rügen des Beschwerdegegners 2 betreffend die ihm vorgeworfene Tat zum Nachteil der Beschwerdeführerin 2 (Urteil, a.a.O., E. 7). 5.3 5.3.1 Fraglich ist, ob die Vorinstanz die bereits im ersten Berufungsverfahren vorhandenen Beweise im Rückweisungsverfahren neu würdigen und im Vergleich zum Urteil vom 11. September 2013 abweichende Sachverhaltsfeststellungen treffen durfte. 5.3.2 Bezüglich des Sachverhaltskomplexes B. ist dies ohne Weiteres zu bejahen, zumal das Bundesgericht die Vorinstanz - für den Fall, dass eine gerichtliche Befragung des Beschwerdegegners 4 nicht möglich sein sollte - ausdrücklich anwies, ihren Entscheid besonders sorgfältig zu begründen und in Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" nötigenfalls von einem für den Beschwerdegegner 2 günstigeren Sachverhalt auszugehen (Urteil 6B_529/2014 vom 10. Dezember 2014 E. 4.4.5, publ. in: BGE 140 IV 196 ). Gleiches gilt aber auch für den Sachverhaltskomplex A., da auch diesbezüglich keine verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen vorlagen. Die Vorinstanz musste bezüglich beider Sachverhaltskomplexe eine neue mündliche Verhandlung ansetzen, da noch Tatfragen zu beurteilen BGE 143 IV 214 S. 222 waren (vgl. Art. 405 f. StPO; Urteile 6B_57/2016 vom 26. Mai 2016 E. 1.3; 6B_1220/2013 vom 18. September 2014 E. 1.4; je mit Hinweisen). Sie musste sich mit der Beweislage daher nochmals befassen und durfte auch eine andere Beweiswürdigung vornehmen, wenn sie diese für richtiger hielt. Eine neue, abweichende Beweiswürdigung durch die Berufungsinstanz in einem Rückweisungsverfahren muss zulässig sein, soweit der entsprechende Sachverhalt mit einer Willkürrüge vor Bundesgericht noch angefochten werden kann und demnach noch nicht verbindlich feststeht (anders noch Urteil 6B_35/2012 vom 30. März 2012 E. 2.4). 5.3.3 Die Bindungswirkung bundesgerichtlicher Rückweisungsentscheide ergibt sich aus ungeschriebenem Bundesrecht ( BGE 135 III 334 E. 2.1 S. 335; Urteile 6B_35/2012 vom 30. März 2012 E. 2.2; 6B_372/2011 vom 12. Juli 2011 E. 1.1.1). Im Falle eines Rückweisungsentscheids hat die mit der Neubeurteilung befasste kantonale Instanz nach ständiger Rechtsprechung die rechtliche Beurteilung, mit der die Zurückweisung begründet wird, ihrer Entscheidung zugrunde zu legen. Wegen dieser Bindung der Gerichte ist es diesen wie auch den Parteien, abgesehen von allenfalls zulässigen Noven, verwehrt, der Beurteilung des Rechtsstreits einen anderen als den bisherigen Sachverhalt zu unterstellen oder die Sache unter rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen, die im Rückweisungsentscheid ausdrücklich abgelehnt oder überhaupt nicht in Erwägung gezogen worden sind ( BGE 135 III 334 E. 2 und E. 2.1 S. 335 f. mit Hinweisen). Die zitierte Rechtsprechung kommt zum Tragen, wenn das Bundesgericht eine Angelegenheit lediglich zur neuen rechtlichen Würdigung an die Vorinstanz zurückweist. Dies ist der Fall, wenn die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung vor Bundesgericht nicht angefochten war, wenn die Sachverhaltsrügen vom Bundesgericht als unbegründet abgewiesen und daher definitiv entschieden wurden (vgl. BGE 131 III 91 E. 5.2 S. 94 mit Hinweisen) oder wenn auf Rügen betreffend die Beweiswürdigung nicht eingetreten wurde, da sie den gesetzlichen Begründungsanforderungen nicht genügten (siehe dazu nicht publ. E. 8.3). Steht im Rückweisungsverfahren nur noch die rechtliche Würdigung zur Diskussion, muss die mit der Neubeurteilung befasste kantonale Instanz keine neue mündliche Berufungsverhandlung durchführen und sie darf, abgesehen von allenfalls zulässigen Noven, auch keine neue Beweiswürdigung vornehmen. Wegen BGE 143 IV 214 S. 223 der Bindungswirkung von bundesgerichtlichen Rückweisungsentscheiden ist es dem Gericht in solchen Fällen in der Regel daher verwehrt, auf ihre Sachverhaltsfeststellungen zurückzukommen (vgl. BGE 135 III 334 E. 2 und E. 2.1 S. 335 f. mit Hinweisen). Vorliegend stand der Sachverhalt nach dem bundesgerichtlichen Rückweisungsentscheid vom 10. Dezember 2014 wie dargelegt weder im Sachverhaltskomplex B. noch im Sachverhaltskomplex A. verbindlich fest. Unbegründet ist daher der Einwand der Beschwerdeführerin 1, die Vorinstanz hätte im angefochtenen Entscheid keine abweichenden Sachverhaltsfeststellungen treffen dürfen. 5.4 Zu prüfen ist sodann, ob die Vorinstanz im Rückweisungsverfahren neue Beweise erheben durfte. Das Bundesgericht wies die Vorinstanz im Urteil 6B_529/2014 vom 10. Dezember 2014 an, den Beschwerdegegner 4 noch gerichtlich einzuvernehmen. Im Übrigen verlangte es jedoch keine Beweisergänzungen, sondern wies die Angelegenheit lediglich zur erneuten Beweiswürdigung an die Vorinstanz zurück. Die Vorinstanz informierte die Parteien mit Schreiben vom 27. April 2015, dass eine erneute Befragung des Beschwerdegegners 4 kaum möglich sein werde. Gleichzeitig räumte sie diesen eine Frist von 20 Tagen ein, um allfällige Beweisanträge zu stellen und zu begründen. In der Folge nahm die Vorinstanz gestützt auf die Beweisergänzungsbegehren des Beschwerdegegners 2 vom 8. Juni 2015, 5. Juli 2015, 18. August 2015 und 22. Januar 2016 zahlreiche Beweisergänzungen vor. Die neuen Beweisanträge des Beschwerdegegners 2 im vorinstanzlichen Rückweisungsverfahren betrafen zumindest grossmehrheitlich keine Noven und wurden auch nicht durch den bundesgerichtlichen Rückweisungsentscheid veranlasst. Von diesem wäre daher zu erwarten gewesen, dass er seine Beweisanträge rechtzeitig im ersten Berufungsverfahren stellt, d.h. in der Berufungserklärung (vgl. Art. 399 Abs. 3 lit. c StPO ) oder spätestens vor Abschluss des Beweisverfahrens im ersten Berufungsverfahren (vgl. Urteil 6B_591/2013 vom 22. Oktober 2014 E. 2.1). Das Berufungsverfahren beruht gemäss Art. 389 Abs. 1 StPO auf den Beweisen, die im Vorverfahren und im erstinstanzlichen Hauptverfahren erhoben worden sind. Im Berufungsverfahren sind die Beweisanträge bereits in der Berufungserklärung anzugeben ( Art. 399 Abs. 3 lit. c StPO ). Das BGE 143 IV 214 S. 224 Berufungsgericht muss die Parteien daher nicht nach Art. 345 StPO zur Nennung von Beweisen auffordern (Urteile 6B_4/2016 vom 2. Mai 2016 E. 3.2; 6B_1196/2013 vom 22. Dezember 2014 E. 1.6; 6B_859/2013 vom 2. Oktober 2014 E. 3.4.3 mit Hinweisen auf die Lehre). Dass die Vorinstanz die Parteien nach der Rückweisung durch das Bundesgericht explizit einlud, neue Beweisanträge zu stellen, war daher nicht zwingend. Zu beachten ist allerdings, dass der Wahrheits- und Untersuchungsgrundsatz auch im Rechtsmittelverfahren ( BGE 140 IV 196 E. 4.4.1 S. 199; Urteil 6B_1212/2015 vom 29. November 2016 E. 1.3.2) und folglich auch in einem Rückweisungsverfahren gilt. Vorliegend war der Sachverhalt im Rückweisungsverfahren vor der Vorinstanz einer Neubeurteilung zugänglich (oben E. 5.3). Dieser war es daher nicht untersagt, zusätzliche Beweise, welche bereits in einem früheren Verfahrensstadium hätten erhoben werden können, abzunehmen, wenn dies ihres Erachtens der Wahrheitsfindung diente. Neue Beweise sind auch im Berufungsverfahren grundsätzlich jederzeit zulässig. Gemäss Art. 349 i.V.m. Art. 379 StPO und Art. 389 Abs. 2 und 3 StPO kann das Berufungsgericht selbst im Stadium der Urteilsberatung noch Beweisergänzungen vornehmen, wenn es dies als notwendig erachtet. Dass der Beschwerdegegner 2 gewisse Beweisanträge bereits im ersten Berufungsverfahren hätte stellen können und müssen, führt daher auf jeden Fall nicht zur Unverwertbarkeit der im zweiten Berufungsverfahren neu erhobenen Beweise. (...) 16. 16.1 Der Beschwerdegegner 2 macht geltend, im Falle einer Aufhebung des angefochtenen Freispruchs seien die Passagen des Fernsehinterviews von Y., in welchen der Schütze benannt werde, zwangsweise zu edieren. Er habe dies bereits im Verfahren vor der Vorinstanz beantragt. Obschon es sich beim infrage stehenden Delikt (Mord) um eine Katalogtat handle und die Voraussetzungen dafür daher erfüllt gewesen wären, habe die Vorinstanz nur einen halbherzigen Versuch dazu unternommen und auf eine weitere Durchsetzung verzichtet. 16.2 Art. 17 Abs. 3 BV gewährleistet in genereller Weise das Redaktionsgeheimnis. Ein entsprechender Schutz journalistischer Quellen leitet sich zudem aus Art. 10 Ziff. 1 EMRK ab ( BGE 136 IV 145 E. 3.1 S. 149; BGE 132 I 181 E. 2 S. 184). Im Strafverfahren wird der BGE 143 IV 214 S. 225 Quellenschutz für Medienschaffende und dessen Einschränkung - materiell übereinstimmend - in Art. 28a StGB und Art. 172 StPO umschrieben und konkretisiert (vgl. BGE 136 IV 145 E. 3.1 S. 149; Urteil 1B_293/2013 vom 31. Januar 2014 E. 2.1.1). Personen, die sich beruflich mit der Veröffentlichung von Informationen im redaktionellen Teil eines periodisch erscheinenden Mediums befassen, sowie ihre Hilfspersonen können gemäss Art. 172 Abs. 1 StPO das Zeugnis über die Identität des Autors oder über Inhalt und Quellen ihrer Informationen verweigern. Verweigert eine Person unter Berufung auf den Quellenschutz der Medienschaffenden das Zeugnis, so dürfen nach Art. 28a Abs. 1 StGB weder Strafen noch prozessuale Zwangsmassnahmen gegen sie verhängt werden. Der Quellenschutz gilt gemäss Art. 28a Abs. 2 lit. b StGB und Art. 172 Abs. 2 lit. b Ziff. 1 StPO nicht und die betroffenen Personen haben auszusagen, wenn ohne das Zeugnis ein Tötungsdelikt im Sinne der Art. 111-113 StGB nicht aufgeklärt werden oder die einer solchen Tat beschuldigte Person nicht ergriffen werden kann. 16.3 Die Vorinstanz forderte Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) mit Verfügung vom 26. August 2015 auf, sämtliche Bild- und Tonaufnahmen der mit Y. geführten Gespräche, sämtliche von Y. an die Redaktion oder an Redaktionsmitglieder der Rundschau gerichtete Schreiben und sämtliche sonstige Unterlagen und Aufzeichnungen im Zusammenhang mit den von Redaktionsmitgliedern der Rundschau mit Y. geführten Gespräche und Korrespondenz einzureichen. SRF stellte der Vorinstanz daraufhin am 1. September 2015 verschiedene schriftliche Unterlagen sowie zwei DVDs zu, die bereits ausgestrahlte oder auf der Webseite publizierte Interviewausschnitte und eine Rohfassung eines am 21. Mai 2015 aufgenommenen Interviews enthalten. Die schriftlichen Unterlagen waren teilweise geschwärzt und die Filmaufnahmen so bearbeitet, dass der von Y. genannte Name des angeblichen Schützen nicht daraus hervorging. Bei den herausgegebenen Unterlagen handelte es sich bloss um eine Auswahl. Insbesondere fehlten die Aufnahmen der bereits vor dem 21. Mai 2015 mit Y. geführten Interviews. Die Vorinstanz verlangte von SRF mit Verfügung vom 16. November 2015 daher nochmals die Herausgabe der vollständigen Aufnahmen und Unterlagen und zwar in unbearbeiteter und ungeschwärzter Form. Zudem ersuchte sie um schriftliche Beantwortung der Fragen, aufgrund welcher Kriterien, auf wessen Veranlassung und mit welcher Absicht BGE 143 IV 214 S. 226 bei den am 1. September 2015 zugestellten Unterlagen eine Selektion getroffenen worden sei. Mit Schreiben vom 23. November 2015 verweigerte SRF die Herausgabe weiterer Unterlagen und Informationen. 16.4 Die von SRF herausgegebenen Unterlagen sind offensichtlich unvollständig. Unklar ist, wie die Interviews zustande kamen, welche Vorbesprechungen stattfanden und mit welchen Informationen und Anliegen der Journalist zuerst an Y. herantrat. Nicht herausgegeben wurden auch die vor dem 21. Mai 2015 mit Y. geführten Interviews. Die Vorinstanz weist darauf hin, dass Y. gemäss der Rohfassung des Interviews vom 21. Mai 2015 in einem früheren Interview offenbar abweichende Äusserungen tätigte, was die Würdigung erschwere (vgl. angefochtenes Urteil E. 12.5.2 S. 100). Das Schreiben von Y. vom 5. April 2015, in welchem dieser die Planung und Ausführung des angeblichen Komplotts schildert, wurde in ungeschwärzter Form auch im Rahmen einer Hausdurchsuchung im Kanton Luzern sichergestellt. Der Vergleich zwischen der ungeschwärzten und der von SRF eingereichten geschwärzten Version dieses Schreibens zeigt weiter, dass die Einschwärzungen offenbar selektiv vorgenommen und der Sinn des Dokuments dadurch verändert wurde. So vermittelt die Lektüre des ungeschwärzten Schreibens vom 5. April 2015 den Eindruck, V. habe geschossen, da Y. die Tatwaffe von diesem unmittelbar nach den Schüssen entgegengenommen haben will. Durch die selektive Einschwärzung des Namens "V." entsteht demgegenüber der Eindruck, eine vierte Person, deren Namen nicht genannt werden soll, sei als Schütze ebenfalls in das Komplott involviert gewesen. Dies kommt einer eigentlichen Manipulation gleich. Anders lässt sich nicht erklären, warum der Name "V." im Schreiben vom 5. April 2015 genannt wird, soweit Y. diesen zusammen mit der Beschwerdeführerin 2 des Komplotts beschuldigt, dessen Name aber dort eingeschwärzt wird, wo der Leser davon ausgeht, es handle sich bei diesem um den Schützen. Dies lässt sich insbesondere auch nicht damit begründen, dass sich der Journalist gegenüber seiner Quelle verpflichtet haben soll, Namensnennung und Identifizierung des angeblichen Dritttäters zu unterlassen. Das erwähnte Vorgehen (selektive Herausgabe von Unterlagen und selektive, den Sinn verändernde Einschwärzung einzelner Unterlagen) erscheint wenig verständlich. BGE 143 IV 214 S. 227 16.5 16.5.1 Vorliegend geht es um die Aufklärung eines versuchten Mordes, d.h. um ein Tötungsdelikt nach Art. 111-113 StGB . Das Zeugnisverweigerungsrecht von Art. 172 Abs. 1 StPO kommt insoweit nicht zum Tragen ( Art. 28a Abs. 2 lit. b StGB und Art. 172 Abs. 2 lit. b Ziff. 1 StPO). Nicht gefolgt werden kann dem Rechtsanwalt von SRF im Schreiben vom 23. November 2015, der eine Katalogtat verneint mit der Begründung, es liege lediglich ein Mordkomplott vor. 16.5.2 Eine Pflicht zur Herausgabe der Unterlagen und Aufzeichnungen besteht allerdings nur, wenn das Tötungsdelikt anders nicht aufgeklärt werden kann (vgl. Art. 28a Abs. 2 lit. b StGB und Art. 172 Abs. 2 lit. b Ziff. 1 StPO). Dies ergibt sich aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Dieser verlangt zunächst, dass die Zeugenaussage geeignet ist, zur Aufklärung des fraglichen Delikts unmittelbar beizutragen. Es muss eine einigermassen begründete Erwartung bestehen, dass die Aussage eine für die Beurteilung wesentliche Abklärung der mutmasslichen Straftat erlaubt. Ob das Zeugnis letztlich zur Überführung des Täters oder aber zu dessen Entlastung beiträgt, ist nicht entscheidend, denn im einen wie im anderen Fall dient es der Wahrheitsfindung im Strafprozess. Die Verhältnismässigkeit bleibt sodann nur gewahrt, wenn das Zeugnis erforderlich ist. Eine Zeugnispflicht besteht nicht, wenn und solange andere taugliche Beweismittel zur Verfügung stehen. Schliesslich gebietet das Verhältnismässigkeitsprinzip eine Abwägung der einander entgegengesetzten Interessen (vgl. zum Ganzen BGE 132 I 181 E. 4.2 S. 191). Verlangt wird demnach, dass die zu edierenden Fernsehinterviews für die Beweiswürdigung relevant sind. Davon kann nicht ausgegangen werden, da die Komplotttheorie klar verworfen werden muss und nicht ersichtlich ist, inwiefern die Unterlagen und Aufzeichnungen anderweitig zur Klärung der Tat beitragen könnten. Die Vorinstanz durfte daher in antizipierter Beweiswürdigung auf den Beizug der erwähnten Fernsehinterviews verzichten. Der angefochtene Entscheid ist insofern nicht zu beanstanden. (...)
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de
Sachverhalt ab Seite 98 BGE 124 III 97 S. 98 Unter dem Namen X. Stiftung (nachfolgend Stiftung oder Beschwerdeführerin) besteht seit 1951 eine Stiftung gemäss Art. 80 ff. ZGB mit Sitz in Sent. Sie bezweckt einerseits die Pflege des Andenkens des Stifters und die Ausrichtung von Stipendien an begabte Musikschüler; anderseits hat sie verdienten Musikern Ferien in der U. auf Hof Y. zu ermöglichen. Laut Art. 5 lit. A Ziff. 7 der "Satzungen" vom 9. August 1951 soll das Stiftungsvermögen grundsätzlich nicht angetastet werden. Ferner sieht Ziff. 8 Abs. 1 der genannten Bestimmung vor, dass der Stiftungsrat die Verwaltung, Anlage und Aufbewahrung des Stiftungsvermögens bestimmt und für eine sorgfältige Verwaltung verantwortlich ist. Weitere Vorschriften über die Art der Anlage des Stiftungsvermögens sind in den "Satzungen" nicht enthalten. Das Vermögen der Stiftung besteht aus dem Hof Y. samt grossem Umschwung und aus Wertschriften im Werte von ca. Fr. 900'000.--. Am 13. Januar 1997 erliess das Amt für Zivilrecht des Kantons Graubünden eine Verfügung folgenden Inhalts: "Mangels vernünftiger anderweitiger Vorschriften nehmen wir für alle Stiftungen die eidgenössischen Anlagevorschriften für Pensionskassen als Richtlinie für die Vermögensanlage. Wir ersuchen Sie spätestens bis Ende 1999 die beiliegenden Richtlinien einzuhalten. (Sie haben zuviel ausländische Schuldner und zuviel Fremdwährung)." Dagegen führte die Stiftung erfolglos Beschwerde beim Justiz-, Polizei- und Sanitätsdepartement des Kantons Graubünden. Eine gegen dessen Entscheid eingereichte Berufung wies das Kantonsgericht von Graubünden seinerseits am 10. April 1997 ab. Die Stiftung hat gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht mit dem Begehren, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. BGE 124 III 97 S. 99
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. a) Das Bundesrecht enthält bezüglich der hier in Frage stehenden sogenannten "gewöhnlichen" oder "klassischen" Stiftungen keine Vorschriften über die Vermögensanlage; so verhält es sich auch im Recht des Kantons Graubünden. Aus der Pflicht der Stiftungsaufsichtsbehörden, für eine zweckgemässe Verwendung des Stiftungsvermögens zu sorgen ( Art. 84 Abs. 2 ZGB ), wird jedoch abgeleitet, Stiftungen hätten bei ihrer Kapitalanlagepolitik generell die Grundsätze der Sicherheit, Rentabilität, Liquidität, Risikoverteilung und Substanzerhaltung zu beachten (vgl. BGE 99 Ib 255 E. 3-5; BGE 108 II 254 E. 5bb S. 268 und insbes. BGE 108 II 352 E. 5a S. 359 mit Hinweisen; VEB 30/1961 Nr. 45 S. 78; RIEMER, Berner Kommentar, N. 68 ff. zu Art. 84 ZGB ; GRÜNINGER, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Basel 1996, N. 14 zu Art. 84 ZGB ); dabei können die verschiedenen Grundsätze miteinander in Konflikt geraten, insbesondere auch jener der Sicherheit mit jenem der Rentabilität (vgl. BGE 99 Ib 261 ). Stets sind die genannten Grundsätze in Berücksichtigung der gesamten Umstände in einer Weise anzuwenden, dass dem Stiftungszweck dauernd Nachachtung verschafft werden kann, wobei auch der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten ist ( BGE 108 II 352 E. 5a S. 359 mit Hinweisen). b) Anders als für die "gewöhnlichen" bzw. "klassischen" Stiftungen enthält das Bundesrecht seit 1985 in Art. 49 ff. der Verordnung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2; SR 831.441.1) für Personalvorsorgestiftungen detaillierte Kapitalanlagevorschriften. Während die erste und die zweite kantonale Instanz die genannten Vorschriften der BVV 2 auf die Beschwerdeführerin analog anwenden wollten, hat das Kantonsgericht diese Analogie erheblich relativiert und diese Normen lediglich als eine Art Orientierungshilfe betrachtet. c) Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde ist eine Berücksichtigung von Art. 49 ff. BVV 2 als Orientierungshilfe bundesrechtlich nicht zu beanstanden, stellen sich doch trotz aller sonstigen Unterschiede zwischen gewöhnlichen und Personalvorsorgestiftungen bei beiden Stiftungsarten vergleichbare Probleme im Zusammenhang mit der Sicherheit von Kapitalanlagen. Abgesehen davon dürfte diese Orientierungshilfe den Aufsichtsbehörden eine objektivere Beurteilung in bezug auf die Sicherheit der Anlage von Stiftungsvermögen ermöglichen. BGE 124 III 97 S. 100 3. a) In Berücksichtigung der BVV 2-Vorschriften hat die Vorinstanz die Kapitalanlagepolitik der Stiftung unter dem Gesichtswinkel der Risikoverteilung und der Sicherheit kritisiert. Sie hat dabei nicht verkannt, dass die Anlagen nach einem Schreiben der Z. vom 5. Mai 1997 an sich eine hohe Sicherheit aufweisen; beanstandet wurde jedoch, dass praktisch das gesamte Vermögen bei ausländischen Schuldnern, und zwar gegen die Hälfte in DM und erst noch bei einem einzigen Schuldner, angelegt ist. Für die andere Hälfte sei zwar eine Anlage in sFr. erfolgt, jedoch je ungefähr zur Hälfte bei nur zwei Schuldnern. b) Diese Ausführungen kritisiert die Beschwerdeführerin; sie weist dabei einerseits auf ihren hohen Ertragsbedarf hin, den sie zur Deckung der beträchtlichen Kosten für den Unterhalt der Gebäulichkeiten in Y. und für den Erhalt des Umschwungs, der besonderen Strassen, Wege und Brücken benötigt; anderseits betont sie die effektive Bonität ihrer Schuldner. c) Diese Rügen sind indessen nicht geeignet, das Urteil der Vorinstanz als bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen. Vor allem verkennt die Beschwerdeführerin ihr hohes Fremdwährungs- bzw. Wechselkursrisiko, welches um so mehr ins Gewicht fällt, als die Stiftung ihre Verpflichtungen grundsätzlich im Inland erfüllen muss; unter diesem Gesichtswinkel dürfte sie allein seit Ende 1996, als der Umrechnungskurs gemäss dem von ihr selbst eingereichten Anlageverzeichnis der Z. DM 100 = sFr. 86.80 betrug, bereits erhebliche Verluste an Kapital und Ertrag erlitten haben. Sodann befindet sich die Beschwerdeführerin mit ihrem Anteil an Fremdwährung von gegen 50% weit ausserhalb der Limite von 20% gemäss Art. 54 lit. f BVV 2 , was somit auch dann zu beanstanden ist, wenn man diese Grenzwerte lediglich als Orientierungshilfe betrachtet (vgl. E. 2c hievor). Entsprechendes gilt für die Auslandsanlagen der Stiftung insgesamt, zumal fast 100% der Wertschriften im Ausland angelegt sind, während dieser Anteil laut Art. 54 lit. e BVV 2 lediglich 30% betragen darf. Unter dem Gesichtswinkel von Risikoverteilung und Sicherheit kritisierte die Vorinstanz schliesslich zu Recht, dass das Wertschriftenvermögen der Stiftung bei insgesamt lediglich drei Schuldnern angelegt ist; einerseits sehen Art. 54 lit. e und f BVV 2 nur gerade einen Anlageanteil von 5% pro Schuldner vor; anderseits ist in diesem Zusammenhang auf das Schreiben der Z. vom 5. Mai 1997 zu verweisen, das zwar die Bonität der berücksichtigten Unternehmen bejaht, jedoch eine Verteilung der Anlage auf insgesamt vier bis fünf Schuldner in Erwägung zieht. BGE 124 III 97 S. 101 Im Ergebnis ist somit der vorinstanzliche Entscheid nicht zu beanstanden, zumal die Art der Kapitalanlage der Beschwerdeführerin zu sehr von den BVV 2-Vorschriften abweicht.
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Erwägungen ab Seite 175 BGE 103 V 175 S. 175 Extrait des considérants: a) Aux termes de l' art. 67 al. 1er LAMA , la Caisse nationale assure contre les risques d'accidents professionnels ou non professionnels suivis de maladie, d'invalidité ou de mort. La loi ne définit pas l'accident mais, dès le début de son activité, le Tribunal fédéral des assurances a déclaré qu'il fallait entendre par là une atteinte dommageable, soudaine et involontaire portée au corps humain par une cause extérieure plus ou moins exceptionnelle (voir p.ex. ATF 100 V 76 et la jurisprudence citée; MAURER, Recht und Praxis der schweizerischen obligatorischen Unfallversicherung, Berne, 1963, pp. 86-96). Autant que les circonstances permettent de l'exiger d'eux, l'assuré ou ses survivants qui entendent réclamer les prestations de la Caisse nationale doivent, sinon prouver, du BGE 103 V 175 S. 176 moins rendre vraisemblable que les éléments d'un accident, tel qu'il a été défini ci-dessus, sont réunis dans l'espèce. Il suffit qu'un élément en question fasse défaut pour que l'assurance soit dégagée de sa responsabilité. La Cour de céans a d'autre part déjà jugé à de nombreuses reprises que, lorsque l'accident incriminé est survenu en l'absence de témoins, l'administration ne saurait subordonner la reconnaissance du cas à la condition que l'intéressé apporte des preuves strictes de toutes les circonstances de temps et de lieu qui ont accompagné l'événement allégué. L'assuré serait souvent, en effet, dans l'impossibilité de le faire. Mais la Caisse nationale ne peut pas non plus être astreinte à accepter sans condition les dires du requérant: elle est en droit d'exiger de ce dernier qu'il donne de ces circonstances une version plausible. S'il ne le fait pas, s'il fournit des explications inexactes ou contradictoires, si la description de l'accident n'est pas convaincante, l'existence de celui-ci n'est pas vraisemblable, la demande de prestations manque de base et la Caisse nationale doit refuser le cas. Il appartient cependant, en définitive, au juge de dire si les conditions de l'accident sont réalisées; il doit d'ailleurs enquêter d'office sur les faits de la cause (voir ATF 96 V 95 ) et a la faculté de requérir en ce faisant l'assistance des parties, qui ont l'obligation de la lui fournir. Si l'instruction ne permet pas de tenir un accident pour établi ou du moins pour vraisemblable (la simple possibilité ne suffit pas), le juge constatera l'absence de preuves ou d'indices pertinents et, par conséquent, l'inexistence juridique d'un accident. Le Tribunal fédéral des assurances a rappelé ces principes notamment dans l'arrêt non publié Nordmann du 8 juin 1972 (voir également MAURER, op.cit., pp. 171 ss ch. II). Lorsque les lésions peuvent avoir une origine purement pathologique, la jurisprudence s'est toujours montrée particulièrement exigeante pour apprécier le caractère - accidentel ou non - de l'événement (voir p.ex. ATF 99 V 136 et les arrêts cités ainsi que MAURER, op.cit., pp. 88 ss, 96 ss). b) D'autre part, le dommage subi doit être la conséquence de l'événement assuré. Il doit y avoir entre celui-ci et l'atteinte à la santé un rapport de causalité adéquate; il faut donc que l'événement soit, dans le cours normal des choses, apte à entraîner une telle conséquence dommageable (voir MAURER, op.cit., pp. 95 et 287 ss).
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Sachverhalt ab Seite 311 BGE 121 III 310 S. 311 W. und B. waren einzige Aktionäre der Firma M. AG. Ende 1987 vereinbarten sie, dass B. die Gesellschaft allein weiterführe und die 300 Namenaktien von W. erwerbe. Da B. nicht über die für den Aktienkauf nötigen Mittel verfügte, stellte ihm der mit ihm befreundete T. ein Darlehen von Fr. 300'000.-- in Aussicht und erklärte sich bereit, den Betrag sogleich auf ein Sperrkonto bei der Bank Y. zu überweisen. B. sollte auf diese Weise ermöglicht werden, sich in den Kaufverhandlungen über die erforderlichen Mittel auszuweisen, über das Geld aber erst nach Abschluss eines schriftlichen Darlehensvertrags mit T. verfügen können. Am 14. Dezember 1987 wies T. die Bank Z. AG mit Vergütungsauftrag an, der Bank Y. Fr. 300'000.-- zu überweisen. Die Bank Z. AG führte den Auftrag mittels des On-line-Bankenclearingsystems SIC (Swiss Interbank Clearing) aus. In der SIC-Überweisung waren "B. & T. Sperrkonto" als Begünstigte aufgeführt. Am 16. Dezember 1987 liess die Bank B. wissen, die von T. überwiesenen Fr. 300'000.-- seien einem am gleichen Tag auf seinen Namen eröffneten Konto gutgeschrieben worden. Dieses Konto trug die bankinterne Bezeichnung "Sperrkonto B. & T.". Gegenüber T. erfolgte von seiten der Bank keine Mitteilung. Entgegen den Abmachungen von T. mit B. kam in der Folge kein schriftlicher Darlehensvertrag zwischen ihnen zustande. Am 18. März 1988 verkaufte W. seinen Aktienanteil an der Firma M. AG zum Preis von Fr. 372'000.-- an B. Der Kaufpreis war mit Fr. 300'000.-- "in bar sofort" und darüber hinaus ab 1. April 1988 in monatlichen Raten von Fr. 2'000.-- zu tilgen. Mit Vergütungsauftrag vom 29. März 1988 gab B. den von T. überwiesenen Betrag von Fr. 300'000.-- zugunsten von W. gegen Aushändigung der Namenaktien frei. Die Bank Y. verwendete ihn zur Verrechnung mit Forderungen, die sie gegenüber W. hatte. T. wurden diese Vorgänge Mitte 1988 bekannt. Auf Anfrage von T. bestätigte die Bank Y. mit Schreiben vom 19. Januar 1989, "per 17. Dezember 1987 Fr. 300'000.-- auf Sperrkonto B. & T. gutgeschrieben zu haben". Am 23. März 1989 teilte sie dem von T. beauftragten Anwalt mit, das Geld sei für den Aktienkauf verwendet worden. BGE 121 III 310 S. 312 T. liess ihr darauf mit Schreiben vom 5. Mai 1989 mitteilen, er mache vorsorglich Schadenersatzansprüche geltend. Zwischen Juli 1990 und November 1991 erwirkte T. von B. mehrere Abzahlungen an die Darlehensschuld im Gesamtbetrag von Fr. 39'640.--. Danach stellte B. seine Zahlungen ein. Am 22. Juni 1992 erhob T. beim Bezirksgericht Aarau Klage gegen die Bank X. als Rechtsnachfolgerin der Bank Y. Er stellte den Antrag, die Beklagte zur Zahlung von Fr. 270'000.-- nebst 8 1/4% Zins seit 1. Oktober 1991 sowie von Fr. 568.75 rückständiger Zinsen zu verpflichten. Das Bezirksgericht wies die Klage mit Urteil vom 21. April 1993 ab. Der Kläger appellierte an das Obergericht des Kantons Aargau, das sein Rechtsmittel mit Urteil vom 18. März 1994 abwies. Wie bereits das Bezirksgericht verneinte auch das Obergericht mangels Vertragsbeziehungen einen vertraglichen Schadenersatzanspruch des Klägers. Es bejahte dagegen grundsätzlich eine Haftung der Beklagten aus unerlaubter Handlung im Sinne von Art. 41 OR , kam indessen zum Ergebnis, die entsprechende Forderung des Klägers sei verjährt. Der Kläger hat das Urteil des Obergerichts mit Berufung angefochten, die vom Bundesgericht teilweise gutgeheissen wird.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Zu prüfen bleibt, ob sich nicht aus den Abläufen im Zusammenhang mit der Ausführung des Vergütungsauftrags durch die beiden Banken vertragliche Ansprüche des Klägers gegenüber der Beklagten ergeben können. Zu erörtern ist zunächst die rechtliche Bedeutung des von den Banken verwendeten Clearingsystems. a) Das Bankenclearingsystem SIC steht als Girosystem im Dienste des mehrgliedrigen Überweisungsverkehrs (vgl. zur Ausgestaltung des Systems: EMCH/RENZ/BÖSCH, Das Schweizerische Bankgeschäft, 4. Aufl., S. 552 ff.). Das System ermöglicht eine zentral gesteuerte und damit schnelle Abwicklung von Kettenüberweisungen, die ihren Grund darin haben, dass der Überweisungsempfänger sein Konto nicht bei der gleichen Kontostelle unterhält wie der Überweisende. Im mehrgliedrigen Überweisungsverkehr handeln die zwischengeschalteten Banken in eigenem Namen, aber auf fremde Rechnung, somit als indirekte Stellvertreterinnen. Eine dergestalt vorgenommene Überweisung wird mittels mehrerer, kettenartig verbundener Verträge abgewickelt, an denen unterschiedliche Parteien beteiligt sind, wobei die Relativität der BGE 121 III 310 S. 313 jeweiligen Rechtsbeziehungen zu beachten ist. So besteht zwischen dem Überweisenden und der Erstbank ein Girovertrag, auf den die Regeln des Auftragsrechts Anwendung finden. Der in diesem Rahmen erfolgende Vergütungsauftrag ist eine an die Erstbank gerichtete Weisung ( Art. 397 OR ) des Inhalts, mit der kontoführenden Bank des Empfängers ein Anweisungsverhältnis im Sinne von Art. 466 ff. OR einzugehen. Die beteiligten Banken sind sodann unter sich durch selbständige Giroverträge verbunden, auf die ebenfalls die Regeln des Auftragsrechts anwendbar sind. Aus alldem ergibt sich, dass zwischen dem Überweisenden und der Empfängerbank grundsätzlich keine unmittelbaren Vertragsbeziehungen bestehen (vgl. GUGGENHEIM, Die Verträge der schweizerischen Bankpraxis, 3. Auflage, S. 234 und 238 ff.; CLAUS HELBIG, Die Giroüberweisung, deren Widerruf und Anfechtung nach deutschem und schweizerischem Recht, Diss. Genf 1970, S. 60 ff.; CdJ GE in SJ 105/1983 78 mit Hinweisen; zum deutschen Recht: CANARIS, in Grosskomm. HGB, 4. Auflage, Bankvertragsrecht, Erster Teil, Rz. 392; zum österreichischen: AVANCINI/IRO/KOZIOL, Österreichisches Bankvertragsrecht, Band I, Rz. 6/21; zum französischen: RIVES-LANGE/CONTAMINE-RAYNAUD, Droit bancaire, 6. Auflage, Rz. 296 ff.). b) Zu beachten ist allerdings, dass nach Art. 32 Abs. 2 OR eine direkte Stellvertretung auch dann gegeben sein kann, wenn sich der Vertreter beim Vertragsabschluss nicht als solcher zu erkennen gibt. Die Anwendung dieser Bestimmung liesse sich im Fall von mehrgliedrigen Überweisungen damit begründen, dass sich die mitwirkenden Banken des gegenseitigen Handelns auf fremde Rechnung bewusst sind und es ihnen gleichgültig sein kann, mit wem sie den Vertrag schliessen. Letzteres trifft indessen nicht zu. Es ist offensichtlich, dass den am Clearingverkehr beteiligten Banken nicht gleichgültig sein kann, ob sie nur unter sich oder auch mit einer möglicherweise unbestimmten Anzahl fremder Bankkunden vertraglich verbunden sind, ergäben sich in der Geschäftsabwicklung doch erhebliche Unsicherheiten, wenn sie sich auch um die internen Beziehungen zwischen ihren Clearingpartnern und deren Kunden kümmern müssten. Aus Art. 32 Abs. 2 OR abgeleitete vertragliche Bindungen der Prozessparteien fallen somit ausser Betracht. 4. Zu berücksichtigen und von entscheidender Bedeutung ist indessen, dass die Erstbank vom Kläger mit der Ausführung eines Auftrags betraut worden ist, den sie nur mit Hilfe der Empfängerbank erfüllen konnte. Art. 398 Abs. 3 OR BGE 121 III 310 S. 314 sieht als Ausnahme von der Regel der persönlichen Auftragsbesorgung jene Fälle vor, in welchen der Beauftragte ermächtigt oder durch die Umstände genötigt ist, einen Dritten mit der Besorgung des Geschäfts zu betrauen, oder wenn dies übungsgemäss als zulässig betrachtet wird. Als "übungsgemäss zulässig" gilt die Übertragung der Geschäftsbesorgung auf einen Dritten auch dann, wenn der Auftraggeber von vornherein weiss, dass der Erstbeauftragte zur persönlichen Ausführung ausserstande ist (FELLMANN, Berner Kommentar, N. 580 zu Art. 398 OR ). Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Erstbank erhielt vom Kläger den Auftrag, den Begünstigten "B. & T." Fr. 300'000.-- auf ein "Sperrkonto" bei der Bank Y. zu überweisen. Der Kläger durfte nach dem Vertrauensprinzip erwarten, dass auch der Vollzug der Gutschrift auf dem "Sperrkonto" zum Vertragsinhalt gehörte. Die Erstbank war deshalb gegenüber dem Kläger nicht nur dazu verpflichtet, der Empfängerbank seine Zahlungsbereitschaft anzuzeigen, sondern auch, die Gutschrift auf dem angegebenen Konto zu veranlassen. Die Gutschrift konnte sie aus rechtlichen Gründen nicht selbst vornehmen, sondern sie musste die kontoführende Empfängerbank damit beauftragen; zur Erreichung des Vertragsziels und Erfüllung eines Teils des Vertrages somit im Interesse des Auftraggebers eine am Vertrag nicht beteiligte Drittpartei beiziehen. Unter diesen Umständen ist die Empfängerbank als Substitutin im auftragsrechtlichen Sinn zu betrachten (vgl. BGE 110 II 183 E. 2 S. 196; FELLMANN, Berner Kommentar, N. 535 ff. zu Art. 398 und N. 35 ff. zu Art. 399 OR ; GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Band II, 5. Auflage, Rz. 2842 ff.; HONSELL, Obligationenrecht, Besonderer Teil, S. 274; BUCHER, Obligationenrecht, Besonderer Teil, 3. Auflage, S. 232). a) Gemäss Art. 399 Abs. 3 OR kann der Auftraggeber die Ansprüche, welche dem Beauftragten gegenüber dem Substituten zustehen, unmittelbar gegen diesen geltend machen. Als Vorbild für diese Bestimmung diente Art. 1994 Abs. 2 des französischen Code Civil, welcher den Auftraggeber ohne Einschränkung berechtigt, direkt gegen den Substituten vorzugehen ("Dans tous les cas, le mandant peut agir directement contre la personne que le mandataire s'est substituée". Vgl. dazu FELLMANN, Berner Kommentar, N. 3 und 5 zu Art. 399 OR ). Nach einem Teil der Lehre soll die Regelung von Art. 399 Abs. 3 OR einen Ausgleich schaffen für das Haftungsprivileg des Beauftragten im Falle befugter Substitution ( Art. 399 Abs. 2 OR : Beschränkung auf die Haftung für gehörige Sorgfalt bei der Wahl und Instruktion des Substituten; HOFSTETTER, in Schweiz. Privatrecht, Bd. BGE 121 III 310 S. 315 VII/2, S. 75; FELLMANN, Berner Kommentar, N. 93 zu Art. 399 OR mit Hinweisen). Nach dem Wortlaut von Art. 399 Abs. 3 OR kann der Auftraggeber nur solche Ansprüche geltend machen, welche dem Beauftragten gegenüber dem Substituten zustehen. In der Lehre besteht indessen Einigkeit, dass diese Bestimmung, falls sie nach ihrem Wortlaut ausgelegt wird, insbesondere unter Berücksichtigung des erwähnten Haftungsprivilegs des Beauftragten zu unbefriedigenden Ergebnissen führt. Wäre nämlich auf den Wortlaut abzustellen, so könnte sich der Hauptauftraggeber für den Ersatz von Schaden, der aus nicht gehöriger Auftragsausführung durch den Substituten entstanden ist, meistens nicht gegen diesen wenden, denn der Schaden tritt in solchen Fällen regelmässig nicht beim Beauftragten, sondern beim Auftraggeber ein (vgl. zum Ganzen FELLMANN, Berner Kommentar, N. 600 ff. zu Art. 398 OR ). Aus diesen Gründen wird in der Literatur durchwegs befürwortet, den direkten Anspruch des Auftraggebers gegen den Substituten nicht davon abhängig zu machen, ob dieser den Beauftragten durch sein Verhalten geschädigt hat. Die rechtliche Grundlage für den Direktanspruch des Auftraggebers sieht die Mehrheit der Lehre in solchen Fällen allerdings nicht in Art. 399 Abs. 3 OR , sondern im Vertragsverhältnis zwischen dem Beauftragten und dem Substituten. Dieses wird teils als Vertrag zugunsten eines Dritten, des Hauptauftraggebers, im Sinne von Art. 112 OR qualifiziert (GAUTSCHI, Berner Kommentar, N. 10a zu Art. 399 OR ; BUCHER, a.a.O., S. 232; WEBER, in Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Basel, N. 6 zu Art. 399; HOFSTETTER, a.a.O., S. 75; vgl. auch BGE 110 II 183 E. 2b S. 186). Teils wird im Substitutionsauftrag ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gesehen (FELLMANN, N. 615 ff. zu Art. 398 OR und N. 102 zu Art. 399 OR ). Vereinzelt wird schliesslich die Auffassung vertreten, der Direktanspruch lasse sich unmittelbar aus Art. 399 Abs. 3 OR ableiten, weil diese Bestimmung als gesetzlich geregelter Fall der Drittschadensliquidation zu deuten sei (HONSELL, a.a.O., S. 275). Im Ergebnis stimmen diese Auffassungen mit dem bereits zitierten Bundesgerichtsentscheid überein, wo festgehalten wurde, der Hauptauftraggeber sei gegenüber dem Substituten weisungsberechtigt, und dieser werde schadenersatzpflichtig, wenn er eine solche Weisung nicht befolge ( BGE 110 II 183 E. 2b S. 186 f.). b) Ein Vergleich mit dem Recht und der Rechtsprechung der Nachbarländer zeigt, dass ein Direktanspruch des Hauptauftraggebers gegenüber dem BGE 121 III 310 S. 316 Substituten insbesondere auch für den Fall der mehrgliedrigen Banküberweisung allgemein anerkannt ist. Wie bereits festgehalten, gibt Art. 1994 Abs. 2 des französischen Code civil (CC) dem Auftraggeber das Recht, direkt gegen den Substituten vorzugehen. Nach französischer Lehrmeinung ist die Empfängerbank im mehrgliedrigen Überweisungsverkehr Substitutin der erstbeauftragten Bank. Unterlaufen ihr bei der Auftragsausführung Fehler, so kann der Hauptauftraggeber den ihm daraus entstandenen Schaden gestützt auf Art. 1994 Abs. 2 CC gegen sie einklagen (RIVES-LANGE/CONTAMINE-RAYNAUD, a.a.O., Rz. 297; Encyclopédie juridique DALLOZ, Droit commercial, Rz. 73 f. zum Stichwort "virement"). Nach mehrheitlicher deutscher Lehre liegt beim mehrgliedrigen Überweisungsverkehr der Fall eines zwischen den Banken geschlossenen Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte vor. Der Hauptauftraggeber kann als "geschützter Dritter" vertragliche Schadenersatzansprüche direkt gegen die Empfängerbank geltend machen (MünchKomm/GOTTWALD, N. 120 zu § 328 BGB; LARENZ, Lehrbuch des Schuldrechts, Band I, 14. Auflage, S. 228 Fn. 28; CANARIS, in Grosskomm. HGB, Rz. 21 ff. und 395; VON GABLENZ, Die Haftung der Banken bei Einschaltung Dritter, S. 225). Begründet wird die Schutzwürdigkeit des Hauptauftraggebers mit dem Hinweis darauf, dass in den Massengeschäften des bankenmässigen Zahlungsverkehrs der Publikumsschutz als Korrelat der mit der Verfahrensstandardisierung erzielten Kostenvorteile zu betrachten sei (ESSER/SCHMIDT, Schuldrecht, Band I/2, 7. Auflage, S. 253). Als weiteres Argument wird zudem vorgebracht, der Schutz des Hauptauftraggebers könne nicht von der Zufälligkeit der Zwischenschaltung einer weiteren Bank abhängen, wenn diese einen haftungsbegründenden Fehler gemacht habe (CANARIS, Schutzwirkungen zugunsten Dritter bei "Gegenläufigkeit" der Interessen, JZ 1995, S. 441 ff., S. 443). In der österreichischen Literatur wird ebenfalls die Auffassung vertreten, das Verhältnis zwischen der Bank des Auftraggebers und der Empfängerbank könne als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten des Auftraggebers angesehen werden. Bei Einschaltung weiterer Banken liege eine Kette von Verträgen vor, die mit Schutzwirkung zugunsten des Auftraggebers ausgestattet seien. Zu bedenken sei jedoch, dass die dem Auftraggeber entstehenden Nachteile stets blosse Vermögensschäden seien und diese in der Regel nicht in den Schutzbereich einbezogen seien. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz werde allerdings dann anerkannt, wenn die Hauptleistung ersichtlich gerade dem BGE 121 III 310 S. 317 geschädigten Dritten zukommen solle, was insbesondere bei Verträgen zugunsten Dritter oder bei mittelbarer Stellvertretung der Fall sei. Diese Voraussetzung könne bei der Überweisung wohl als gegeben angesehen werden, da die Hauptleistung in der Zahlung für den Überweisenden liege und die Bank des Überweisenden - erkennbar - als dessen mittelbarer Stellvertreter agiere (AVANCINI/IRO/KOZIOL, a.a.O., Band I, Rz. 6/24; vgl. auch Band II, Rz. 3/142 mit Hinweisen). c) Zu berücksichtigen ist schliesslich, dass sich die Anerkennung eines Direktanspruchs auch aufgrund von - zum Teil bereits erwähnten - Überlegungen aufdrängt, die unabhängig von der Frage der Anwendbarkeit von Art. 399 Abs. 3 OR unmittelbar auf die rechtliche Wertung der Interessen der am Überweisungsverhältnis beteiligten Parteien abstellen. Als Ausgangspunkt dient der Umstand, dass die indirekten Vertretungsverhältnisse im mehrgliedrigen Überweisungsverkehr regelmässig offenliegen, weil keine der beteiligten Banken davon ausgehen darf, die andere handle ausschliesslich auf eigene Rechnung. Das Drittinteresse ist dem bankeninternen Giroverkehr immanent und allseits erkennbar, ebenso das Schutzbedürfnis des Überweisenden gegenüber Fehlleistungen der Banken. Der bankeninterne Giroverkehr steht im Dienste der Überweisungspartner und soll die Geschäftsabwicklung zwischen den Banken erleichtern. Die mit dieser Erleichterung einhergehenden Risiken von Fehlleistungen aber müssen sachgerecht die Banken und nicht die Überweisungspartner tragen. Diese dürfen nicht allein wegen der Zwischenschaltung einer weiteren Bank schutzlos bleiben, obwohl die Voraussetzungen einer Pflichtverletzung an sich vorliegen. Es geht letztlich darum, zu verhindern, dass aufgrund rein zahlungstechnischer oder organisatorischer Zufälligkeiten Schutzansprüche wegfallen bzw. Pflichten leerlaufen, die "eigentlich", das heisst abgesehen von der Vertragsgläubigerstellung des Geschädigten, gegeben sind (CANARIS, JZ 1995, S. 443). 5. a) Der Direktanspruch des Hauptauftraggebers ist vertraglicher Natur. Das gilt unabhängig davon, ob er unmittelbar aus Art. 399 Abs. 3 OR abgeleitet oder seine Grundlage in einem Vertrag zugunsten Dritter im Sinne von Art. 112 OR gesehen wird. Anwendbar ist somit die zehnjährige Verjährungsfrist von Art. 127 OR , die mit der Klageeinreichung im Juni 1992 offensichtlich eingehalten worden ist. b) Das Obergericht wirft der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin vor, sie hätte dem Vermerk auf dem Formular der SIC-Überweisung entnehmen BGE 121 III 310 S. 318 müssen, dass der Kläger mit aller Wahrscheinlichkeit das Geld nicht B. allein, sondern ihm und einer weiteren Person, "T.", habe gutschreiben wollen, wobei aber unklar gewesen sei, ob diese zwei Personen an den Fr. 300'000.-- als Solidargläubiger oder als Gläubigergemeinschaft hätten berechtigt sein sollen. Diese Zweifel hätten die Bank Y. veranlassen müssen, die Absenderbank oder den in der SIC-Überweisungsanzeige aufgeführten Absender aufzufordern, das begünstigte Konto bzw. die begünstigten Personen eindeutig zu bezeichnen, oder "das Geld zu retournieren". Dem Obergericht ist zuzustimmen, dass der Vermerk, Begünstigte seien "B. & T. Sperrkonto" unter den gegebenen Umständen zwar keine eindeutige Bedeutung hatte, von der Adressatin aber jedenfalls nicht als Weisung verstanden werden durfte, den Betrag von Fr. 300'000.-- einem Konto gutzuschreiben, über das B. allein verfügen konnte. Nach der hier massgebenden Fachsprache liegt das entscheidende Kriterium des Sperrkontos nicht in einer Mehrzahl von Inhabern, sondern allgemeiner darin, dass die Verfügungsmacht des Kontoinhabers über das Guthaben besonderen Einschränkungen, namentlich der Zustimmung eines Dritten, unterstellt ist (CANARIS, in Grosskomm. HGB, Rz. 250; AVANCINI/IRO/KOZIOL, a.a.O., Rz. 4/201). Beim sogenannten Und-Konto, auf welches das Obergericht offenbar Bezug nimmt, handelt es sich um eine besondere Ausgestaltung des Sperrkontos mit mehreren Inhabern, die nur gemeinsam - als Gläubigergemeinschaft - darüber verfügen können (GUGGENHEIM, a.a.O., S. 212; CANARIS, in Grosskomm. HGB, Rz. 230 und 251). Die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin handelte somit weisungswidrig, das heisst in Verletzung des im Überweisungsverhältnis eingegangenen Girovertrags, indem sie den vom Kläger überwiesenen Betrag dem Konto von B. gutschrieb. Diese Vertragsverletzung bildet nach den vorangehenden Ausführungen die Grundlage des Direktanspruchs des Klägers gegenüber der Beklagten. c) Das Obergericht hat sich - entsprechend seiner Rechtsauffassung - zu den übrigen Voraussetzungen einer vertraglichen Schadenersatzpflicht der Beklagten noch nicht geäussert. Dabei handelt es sich insbesondere um die Fragen der Kausalität der Vertragsverletzung für den geltend gemachten Schaden, des Verschuldens der Beklagten und des Ausmasses ihrer Ersatzpflicht. In Gutheissung des Eventualbegehrens der Berufung ist daher die Streitsache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Sachverhalt ab Seite 441 BGE 138 II 440 S. 441 A. Die in der Anwaltskanzlei X. in St. Gallen tätigen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ersuchten am 25. Mai 2010 die Anwaltskammer St. Gallen um Feststellung, dass sie nach der Umstrukturierung ihrer Kanzlei in eine Aktiengesellschaft im Anwaltsregister des Kantons St. Gallen eingetragen bleiben können. Die Anwaltskammer lehnte dieses Begehren am 28. Juli 2010 ab und hielt fest, dass die Gesuchsteller nach der vorgesehenen Umstrukturierung im kantonalen Anwaltsregister gelöscht würden. Das Kantonsgericht St. Gallen wies am 18. Januar 2011 die gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde ab. B. A., die übrigen neun Partner und die Partnerin der Kanzlei X. (St. Gallen) beantragen dem Bundesgericht mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, den erwähnten Entscheid des Kantonsgerichts aufzuheben und festzustellen, dass sie nach der Umstrukturierung ihrer Kanzlei in eine Aktiengesellschaft im Anwaltsregister des Kantons St. Gallen als deren Angestellte eingetragen bleiben können. (...) BGE 138 II 440 S. 442 Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und stellt fest, dass die Beschwerdeführer nach der Umstrukturierung ihrer Kanzlei in eine Anwaltsaktiengesellschaft im Anwaltsregister des Kantons St. Gallen als Angestellte der Anwaltsaktiengesellschaft eingetragen bleiben. (Auszug)
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Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Streitgegenstand bildet die Frage, ob Anwälte, die bei einer als Aktiengesellschaft organisierten Anwaltskanzlei angestellt sind, ins kantonale Anwaltsregister eingetragen werden können. Zu beurteilen ist damit gleichzeitig, ob die Aktiengesellschaft als Organisationsform für Anwaltskanzleien, die im Monopolbereich tätig sein wollen, bundesrechtlich zulässig ist. Die Vorinstanz gelangte gestützt auf eine Analyse von Art. 8 Abs. 1 lit. d des Bundesgesetzes vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA; SR 935.61) zu einer negativen Antwort. Sie erachtete es mit der genannten Norm grundsätzlich für unvereinbar, dass sich eine Anwaltskanzlei als Aktiengesellschaft konstituiere. Sie lehnte somit die weitere Eintragungsfähigkeit der Beschwerdeführer im Anwaltsregister allein wegen der beabsichtigten Rechtsform ihrer Kanzlei ab. Die Abweisung des Gesuchs erfolgte also nicht bloss deshalb, weil die Aktiengesellschaft als Rechtsform für Anwaltskanzleien an sich in Betracht käme, die Kanzlei der Beschwerdeführer aber einzelne Anforderungen bei der Wahl dieser Rechtsform nicht erfüllte. Die Beschwerdeführer kritisieren die vorinstanzliche Auslegung von Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA unter verschiedenen, nachstehend näher zu prüfenden Gesichtspunkten. Insbesondere rügen sie, dass die Interpretation der Vorinstanz zu einer Verfassungsverletzung führe. Ein Verbot, Anwaltskanzleien als Aktiengesellschaften zu organisieren, sei mit der Wirtschaftsfreiheit ( Art. 27 BV ) nicht vereinbar. 2. Zur Beurteilung der aufgeworfenen Streitfrage ist von der allgemeinen Tragweite von Art. 8 BGFA (E. 3-5) und dessen Auslegung in der bisherigen Rechtsprechung auszugehen (E. 6 und 7). Anschliessend sind die bisherige kantonale Praxis zur Zulassung von Anwaltsaktiengesellschaften (E. 8), die heutigen faktischen Verhältnisse (E. 9), die in der Lehre vertretenen Auffassungen (E. 10), die Rechtslage in den Nachbarländern (E. 11) und die gegenwärtigen BGE 138 II 440 S. 443 gesetzgeberischen Bestrebungen (E. 12) darzustellen. Vor diesem Hintergrund ist darauf durch Auslegung zu ermitteln, ob Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA die Aktiengesellschaft als Rechtsform für Anwaltskanzleien ausschliesst (E. 13-22). Schliesslich ist das konkret gestellte Feststellungsbegehren zu beurteilen (E. 23). 3. Wer als Anwalt in der ganzen Schweiz Parteien vor Gericht vertreten will, muss sich im Anwaltsregister des Kantons, in dem sich seine Geschäftsadresse befindet, eintragen lassen ( Art. 4 und 6 Abs. 1 BGFA ). Für eine solche Eintragung ist als fachlicher Ausweis ein Anwaltspatent erforderlich ( Art. 7 Abs. 1 BGFA ). Ausserdem wird ins kantonale Register nur eingetragen, wer bestimmte persönliche Voraussetzungen erfüllt ( Art. 8 BGFA ). Zu diesen zählt die Unabhängigkeit. Nach Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA müssen Anwältinnen und Anwälte in der Lage sein, den Anwaltsberuf unabhängig auszuüben; sie können Angestellte nur von Personen sein, die ihrerseits in einem kantonalen Register eingetragen sind. Die Unabhängigkeit, die Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA verlangt, ist institutioneller Natur (indépendance institutionnelle). Die Anwaltstätigkeit muss organisatorisch so strukturiert sein, dass sie unabhängig erfolgen kann. Darüber hinaus haben die Anwälte nach Art. 12 lit. b und c BGFA auch in jedem einzelnen Fall für eine unabhängige und von Interessenkonflikten freie Berufsausübung zu sorgen (indépendance matérielle). Sie sind mithin nicht nur zu institutioneller, sondern auch zu mandatsbezogener Unabhängigkeit verpflichtet. Während die Erstere Eintragungs- und damit Zulassungsvoraussetzung für die Anwaltstätigkeit bildet, erscheint die Zweite als Berufsregel, deren Verletzung disziplinarisch zu ahnden ist (vgl. BOHNET/MARTENET, Droit de la profession d'avocat, 2009, N. 1328 f.; WALTER FELLMANN, Anwaltsrecht [im Folgenden: Anwaltsrecht], 2010, N. 110 ff.; KASPAR SCHILLER, Schweizerisches Anwaltsrecht, 2009, N. 1022 und 1059; STAEHELIN/OETIKER, in: Kommentar zum Anwaltsgesetz, Fellmann/Zindel [Hrsg.], 2. Aufl. 2011, N. 31 zu Art. 8 BGFA ; MICHEL VALTICOS, in: Commentaire romand, Loi sur les avocats, Valticos/Reiser/Chappuis [Hrsg.], 2010, N. 74 f. zu Art. 12 BGFA ). Wenn das Gesetz die Unabhängigkeit der Anwaltstätigkeit angesichts ihrer grossen Bedeutung auf zwei verschiedenen Ebenen sicherstellt, ist die unterschiedliche Ausrichtung der beiden Arten der Unabhängigkeit im Blick zu behalten. Die Prüfung der institutionellen Seite bezweckt, jene Anwälte von der Berufsausübung auszuschliessen, BGE 138 II 440 S. 444 bei denen die Unabhängigkeit von vornherein, aus strukturellen Gründen fehlt. Auch nach einem Eintrag ins Register bleibt jedoch jeder Anwalt verpflichtet, bei Übernahme jedes einzelnen Mandats allfällige Interessenkonflikte zu prüfen und das Unabhängigkeitsgebot gemäss Art. 12 lit. b und c BGFA zu beachten. Wie das Bundesgericht bereits erkannt hat, wirkt sich das auf den Beurteilungsmassstab aus, der an die institutionelle Unabhängigkeit zu stellen ist. Die Anforderungen dürfen hier nicht so hoch angesetzt werden, dass jegliche Beeinträchtigung der Unabhängigkeit schon von vornherein ausgeschlossen erscheint ( BGE 130 II 87 E. 5.2 S. 103 f.). Der Eintrag darf deshalb nur demjenigen verweigert werden, bei dem angesichts seines besonderen Status ohne umfangreiche Abklärungen mit einiger Wahrscheinlichkeit auf das Fehlen der Unabhängigkeit geschlossen werden muss (Urteil 2A.126/2003 vom 13. April 2004 E. 4.3). Auch in der Literatur wird die Auffassung vertreten, die verlangte institutionelle Unabhängigkeit sei eng auszulegen, ja sie zähle nicht zum rechtstaatlich zwingenden Kernbereich des Anwaltsrechts (SCHILLER, a.a.O., N. 1146). 4. Die institutionelle Unabhängigkeit schränkt als Erfordernis des Registereintrags die Wirtschaftsfreiheit jener ein, die in der ganzen Schweiz als Anwalt im Monopolbereich tätig sein wollen. Art. 27 Abs. 2 BV gewährleistet ausdrücklich den freien Zugang zu einer privatwirtschaftlichen Tätigkeit. Dazu zählt auch die Anwaltstätigkeit im Monopolbereich ( BGE 130 II 87 E. 3 S. 92). Einschränkungen dieser Freiheit sind nur unter den in Art. 36 BV genannten Voraussetzungen zulässig. In Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA findet das Erfordernis der institutionellen Unabhängigkeit eine genügende gesetzliche Grundlage. Nach Art. 36 Abs. 2 und 3 BV muss eine Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit auch durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sein; sie muss sich überdies als verhältnismässig erweisen. Art. 190 BV verwehrt es dem Bundesgericht zwar, Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA aus verfassungsrechtlichen Gründen die Anwendung zu versagen. Doch hat es bei der Auslegung die verfassungsrechtliche Bedeutung der Norm mitzuberücksichtigen. Auch aus diesem Grund ist nach der Rechtsprechung darauf zu achten, dass die Anforderungen an die institutionelle Unabhängigkeit nicht überspannt werden. Die genannte Bestimmung ist so auszulegen, dass patentierten Anwälten die Parteivertretung vor Gericht nur insoweit verwehrt bleibt, als dies zur Verwirklichung der mit der BGE 138 II 440 S. 445 Zulassungsbeschränkung verfolgten Zielsetzung notwendig ist ( BGE 130 II 87 E. 3 S. 92 f.). 5. Der Sinn der Unabhängigkeit anwaltlicher Tätigkeit, die Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA in institutioneller Hinsicht gewährleistet, ist unter den Beteiligten unbestritten. Das Bundesgericht hat schon mehrfach dargelegt, die Unabhängigkeit bezwecke, dass der Anwalt sich ganz der Wahrung der Interessen seines Klienten widmen könne, ohne durch sachfremde Umstände beeinflusst zu sein. Er soll Gewähr dafür bieten, dass sämtliche Handlungen, die er in einer Angelegenheit vornimmt, ausschliesslich vom Interesse seines Mandanten geleitet sind. Wer sich an einen Anwalt wendet, soll gewiss sein, dass dieser in keiner Weise an einen Dritten gebunden ist, dessen Interessen den eigenen in irgendeiner Weise entgegenstehen könnten. Die Unabhängigkeit erscheint so als wesentliche Grundlage des Vertrauens in die Anwaltschaft ( BGE 130 II 87 E. 4.1 und 4.2 S. 93 ff. mit Hinweisen). Die Pflicht zur Unabhängigkeit untersagt es dem Anwalt aus diesen Gründen, Bindungen einzugehen, die ihn bei der Wahrnehmung der Klienteninteressen beeinträchtigen. Der Anwalt darf sich deshalb nicht in wirtschaftliche oder sonstige Abhängigkeiten zu staatlichen Behörden, zu Drittpersonen, aber auch zu seinen Klienten begeben. Er soll vielmehr die Interessen seines Mandanten uneingeschränkt und aus objektiver Warte, ohne Rücksichtnahme auf persönliche und wirtschaftliche Bindungen, vertreten können (vgl. BGE 130 II 87 E. 4.2 S. 95). Das Gebot zur Unabhängigkeit besteht insbesondere gegenüber Personen, die ihrerseits nicht in einem kantonalen Anwaltsregister eingetragen sind (Art. 10 Abs. 2 der Standesregeln des Schweizerischen Anwaltsverbands vom 10. Juni 2005 [ http://www.sav-fsa.ch/Regelwerk-national.769.0.html ]; FELLMANN, Anwaltsrecht, a.a.O., N. 268 f.). Der Anwalt hat seine Unabhängigkeit nicht nur in geistiger Hinsicht ("independence in mind"), sondern auch bei seinem nach aussen sichtbaren Geschäftsgebaren ("independence in appearance") zu wahren (STAEHELIN/OETIKER, a.a.O., N. 33 zu Art. 8 BGFA ). Das Gebot anwaltlicher Unabhängigkeit ist zwar allgemein anerkannt; seine Tragweite in den nationalen Rechtsordnungen aber sehr unterschiedlich. So untersagen die Länder des romanischen Rechtskreises dem Anwalt zusätzliche Erwerbstätigkeiten ausserhalb seines Berufs weitgehend. In den Staaten mit angelsächsischer Tradition sind demgegenüber solche Nebentätigkeiten in weitgehendem Mass erlaubt, BGE 138 II 440 S. 446 während das deutsche Recht in dieser Frage eine Mittelposition einnimmt ( BGE 123 I 193 E. 4a S. 195 f.; BOHNET/MARTENET, a.a.O., N. 1310 ff.). 6. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung hatte sich bisher bei der Anwendung von Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA allein mit der Frage zu befassen, in welchem Umfang Angestellte von Personen, die nicht im Anwaltsregister eingetragen sind, als unabhängig gelten. Nach dem Wortlaut dieser Norm schliesst jede Anstellung bei einem Nichtanwalt - abgesehen von dem in Art. 8 Abs. 2 BGFA geregelten Sonderfall der Anstellung bei anerkannten gemeinnützigen Organisationen - die Unabhängigkeit aus. Das Bundesgericht erkannte indessen, dass der Wortlaut zu weit gefasst ist und den Sinn der Bestimmung nicht richtig wiedergibt. Denn eine rein wörtliche Auslegung hätte zur Folge, dass auch eine bloss teilzeitliche Anstellung eine selbständige Anwaltstätigkeit ausschlösse. Ein solches Ergebnis ist indessen mit der Wirtschaftsfreiheit, die bei der Auslegung mitzuberücksichtigen ist (vgl. E. 4), nicht zu vereinbaren. Das Erfordernis institutioneller Unabhängigkeit untersagt nur Anstellungsverhältnisse, welche die Anwaltstätigkeit selber betreffen und bei denen der Arbeitgeber nicht im Anwaltsregister eingetragen ist. Hingegen steht die verlangte Unabhängigkeit einer Anwaltstätigkeit ausserhalb des Gebiets des Anstellungsverhältnisses nicht entgegen ( BGE 130 II 87 E. 5.2 S. 102 f.). Gestützt auf diese Auslegung von Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA hat das Bundesgericht erklärt, einem vollzeitlich bei einem Industriebetrieb angestellten Anwalt, der in seiner Freizeit und mit ausdrücklicher Erlaubnis des Arbeitgebers private Mandate betreue, könne der Eintrag im kantonalen Anwaltsregister nicht verwehrt werden. Die Gefahr von Interessenkonflikten sei bei einer solchen Anstellung von vornherein viel kleiner als bei Tätigkeiten in Unternehmen, zu deren Aufgabenkreis die Beratung in Rechts- und Wirtschaftsfragen gehöre (Urteil 2A.111/2003 vom 29. Januar 2004 E. 7). Allerdings erachtete es den Eintrag im kantonalen Anwaltsregister auch bei einem vollzeitlich bei einer Versicherung angestellten Mitarbeiter als zulässig, der durch eine vertragliche Vereinbarung jede Vermischung zwischen arbeitsvertraglicher und anwaltlicher Tätigkeit ausgeschlossen hatte (Urteil 2A.124/2005 vom 25. Oktober 2005 E. 2). Umgekehrt sprach das Bundesgericht einem bei einem Medienunternehmen angestellten Anwalt, der Mandate des Arbeitgebers und dessen Mitarbeiter bzw. solche ihm nahestehender Gesellschaften übernehmen BGE 138 II 440 S. 447 wollte, die erforderliche institutionelle Unabhängigkeit ab (Urteil 2A.285/2003 vom 7. April 2004 E. 2), ebenso einem Vizedirektor einer Bank und einem Verwaltungsrat einer Treuhandgesellschaft, da diese die erforderliche Entflechtung der Anwaltstätigkeit von ihrer Tätigkeit als Angestellte nicht hinreichend dargetan hatten ( BGE 130 II 87 E. 7 S. 107 f.; Urteil 2A.126/2003 vom 13. April 2004 E. 5.2). Von den dargestellten Grundsätzen liess sich das Bundesgericht auch leiten, als es die Vereinbarkeit von Tätigkeiten für die öffentliche Hand mit der Anwaltstätigkeit mit Blick auf die Unabhängigkeit der Justiz ( Art. 30 BV ) zu beurteilen hatte. Es erklärte es als unverhältnismässig, einer teilzeitlich an einem Aargauer Bezirksgericht angestellten Gerichtsschreiberin eine nebenamtliche Tätigkeit als Anwältin für das ganze Kantonsgebiet zu untersagen; eine Beschränkung der Anwaltstätigkeit auf Mandate ausserhalb der Zuständigkeit des fraglichen Bezirksgerichts sei ausreichend zur Wahrung der Unabhängigkeit (Urteil 2P.301/2005 vom 23. Juni 2006 E. 5, in: ZBl 107/2006 S. 586 ff., 589 ff.). Die Rechtsprechung hält überdies - mit Blick auf die richterliche Unabhängigkeit - eine Anwaltstätigkeit mit einem nebenamtlichen Richteramt grundsätzlich für vereinbar ( BGE 133 I 1 E. 6.4.1 und 6.4.2 S. 7; kritisch zu dieser Praxis jedoch KIENER/MEDICI, Anwälte und andere Richter, SJZ 107/2011 S. 373 ff.). 7. Die dargestellte Rechtsprechung betraf stets Anstellungen von Anwälten bei Arbeitgebern, die nicht im Anwaltsregister eingetragen sind. Dagegen hatte sich das Bundesgericht bis heute nie näher mit der Unabhängigkeit von Anwälten zu befassen, die bei Anwaltsbüros angestellt sind. Die bisherigen Äusserungen lassen jedoch darauf schliessen, dass es solche Anstellungen für unproblematisch hält, da in diesem Fall der Arbeitgeber selber die notwendigen Garantien bietet ( BGE 130 II 87 E. 4.3.4 S. 99). Das Bundesgericht erklärte auch, dass der eingetragene Rechtsanwalt als Arbeitgeber im Gegensatz zu einer Treuhandfirma selber an die Standesregeln gebunden und damit ebenso der Disziplinargewalt unterworfen sei. Er dürfe deshalb nicht im Interesse eines anderen Klienten Einfluss auf seinen angestellten Kollegen ausüben, und bei Interessenkonflikten bestehe sowohl beim angestellten als auch bei dem als Arbeitgeber auftretenden Anwalt die Pflicht zur Mandatsniederlegung (Urteil 2P.187/2000 vom 8. Januar 2001 E. 4c, in: Pra 2001 Nr. 141 S. 835 ff., 843 f.). 8. Im Zeitpunkt, als das Anwaltsgesetz erlassen wurde, war das Bedürfnis bereits absehbar, Anwaltskanzleien als BGE 138 II 440 S. 448 Kapitalgesellschaften oder als andere Körperschaften zu organisieren. Der Bundesrat wollte die Entwicklung in diesem Bereich nicht blockieren und sah bewusst von einer Regelung ab (Botschaft vom 28. April 1999 zum Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte, BBl 1999 6013, 6038 Ziff. 172.17 Anm. 44). Auch die Eidgenössischen Räte verzichteten auf eine Regelung der Frage. Sie überwiesen indessen eine Motion von Ständerat Anton Cottier (99.3656), die den Bundesrat beauftragte, die verschiedenen Organisationsformen für den Zusammenschluss von Angehörigen der freien Berufe abzuklären und dem Parlament nötigenfalls eine geeignete rechtliche Grundlage zu unterbreiten. Die Bearbeitung der Motion wurde in der Folge jedoch zurückgestellt. Die in Aussicht genommene gesetzliche Regelung erfolgte bis heute nicht (vgl. E. 12). Ungeachtet der ausgebliebenen gesetzlichen Regelung werden die kantonalen Aufsichtsbehörden seit 2006 mit Eintragungsgesuchen von Anwälten konfrontiert, die als Angestellte einer als Aktiengesellschaft oder GmbH organisierten Kanzlei tätig sein wollen. Nach einem ersten positiven Entscheid im Kanton Obwalden stellte die Zürcher Aufsichtskommission in einem viel beachteten Entscheid am 5. Oktober 2006 fest, dass auch in einer von Anwälten beherrschten Aktiengesellschaft die von ihr angestellten Anwälte über die erforderliche Unabhängigkeit gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA verfügten. Die Aufsichtskommission knüpfte an die dargestellte bundesgerichtliche Rechtsprechung zur institutionellen Unabhängigkeit (E. 6) an und erklärte, bei geeigneter Ausgestaltung der Aktiengesellschaft könne ausgeschlossen werden, dass nicht im Anwaltsregister eingetragene Personen auf die angestellten Anwälte Einfluss nähmen. Subordinationsverhältnisse, wie sie bei Anstellungen von Anwälten bei Treuhand- und Versicherungsgesellschaften oder bei Banken häufig bestünden, liessen sich von vornherein vermeiden (Beschluss der Aufsichtskommission über die Anwältinnen und Anwälte vom 5. Oktober 2006, in: ZR 105/2006 Nr. 71 S. 294 ff., 299 f.). Dieser Auffassung schlossen sich in den Jahren 2007 und 2008 die Aufsichtskommissionen der Kantone Aargau, Basel-Stadt, Bern, Graubünden, Luzern, Schwyz, Tessin, Uri, Waadt, Wallis und Zug an (vgl. die auf http://www.bgfa.ch unter Rechtsprechung/Kantone gesammelten Entscheide und die näheren Hinweise bei GAUDENZ G. ZINDEL, Anwaltsgesellschaften in der Schweiz, SJZ 108/2012 S. 249 ff., 253; FELLMANN, Anwaltsrecht, a.a.O., N. 1600 ff.). Im Kanton Genf lehnte BGE 138 II 440 S. 449 die Aufsichtskommission die Eintragung aufgrund einer besonderen kantonalen Bestimmung zunächst ab; doch das Verwaltungsgericht hob diesen Entscheid auf und erlaubte die Eintragung gestützt auf das Bundesrecht (vgl. MEIER/REISER, in: Commentaire romand, Loi sur les avocats, 2010, N. 55 zu Art. 8 BGFA ). Heute lassen damit 14 Kantone die Organisation von Anwaltskanzleien in der Form einer Kapitalgesellschaft zu (ZINDEL, a.a.O., S. 253). Allerdings gestatten nicht alle Kantone auch branchenübergreifende Gesellschaften, sog. Multidisciplinary Partnerships (vgl. MEIER/REISER, a.a.O., N. 57 zu Art. 8 BGFA ). Einzig im Kanton St. Gallen lehnte es die Anwaltskammer am 28. Juli 2010 ab, die erwähnte Praxis zu übernehmen und Anwälte, die bei einer Anwaltsaktiengesellschaft angestellt sind, im kantonalen Register einzutragen. Die Vorinstanz bestätigte diesen Entscheid, und das Bundesgericht hat nun erstmals über die Zulässigkeit von Anwaltskörperschaften zu befinden. 9. In den erwähnten 14 Kantonen ist von der Möglichkeit, Anwaltskanzleien als Kapitalgesellschaften zu organisieren, in reichem Mass Gebrauch gemacht worden. Bereits Ende 2009 hatten sich nach einer Erhebung unter den Mitgliedern des Schweizerischen Anwaltsverbands 80 Kanzleien mit insgesamt 908 Mitgliedern als Anwaltskörperschaften organisiert. Dabei wählten nicht nur grosse, sondern auch mittlere und kleinere Anwaltsbüros körperschaftliche Rechtsformen. In den meisten Fällen konstituierten sich Anwaltskanzleien als Aktiengesellschaften; vereinzelt kommt aber auch die Gesellschaft mit beschränkter Haftung vor (vgl. BEAT VON RECHENBERG, Die Anwalts-Gesellschaft als Faktum, Anwaltsrevue 2010 S. 190 ff.; ZINDEL, a.a.O., S. 250). Die Gründe für eine körperschaftliche Organisationsform sind vielfältig. Im Vordergrund stehen Erleichterungen beim Wechsel in der Partnerschaft und Vorteile bei der Professionalisierung der Kanzlei (namentlich Etablierung der Firma, Festigung des Goodwills, flexiblere Entscheidungsprozesse, Finanz- und Risikokontrolle nach den Standards des Körperschaftsrechts). Weiter ermöglichen die Kapitalgesellschaften eine Haftungsbeschränkung für die einzelnen Gesellschafter, die angesichts des erhöhten Schadenspotenzials in einzelnen Bereichen einem zunehmenden Bedürfnis entspricht. In diesem Zusammenhang wird auch darauf hingewiesen, dass Schweizer Anwaltskanzleien der gleichen organisatorischen Möglichkeiten BGE 138 II 440 S. 450 bedürfen, wie sie im Ausland bestehen, um sie im internationalen Umfeld konkurrenzfähig zu erhalten, ihnen ein sog. level playing field zu gewährleisten (ZINDEL, a.a.O., S. 251 ff.; vgl. auch BOHNET/MARTENET, a.a.O., N. 2359; SCHILLER, a.a.O., N. 1247; VALTICOS, a.a.O., N. 123 zu Art. 12 BGFA ). 10. Von Seiten der Wissenschaft wird heute die Zulassung von Anwaltskörperschaften praktisch einhellig begrüsst. Sie betont, dass die Verfassung den Anwälten - gleich wie Angehörigen anderer Berufe - die Freiheit gewähre, ihre Tätigkeit ihren Bedürfnissen entsprechend zu organisieren. Ein Verbot körperschaftlicher Kanzleistrukturen sei nicht erforderlich, um die Unabhängigkeit und das Berufsgeheimnis zu gewährleisten. Es genüge, die Beherrschung der Gesellschaft durch registrierte Anwälte sicherzustellen. Eine solche Organisationsform sei nicht mit Nachteilen für die Klienten verbunden (vgl. namentlich BOHNET/MARTENET, a.a.O., N. 2401; FELLMANN, Anwaltsrecht, a.a.O., N. 1593 ff.; NATER/RAUBER, Zulässigkeit der Anwalts-AG: Stunde der Wahrheit, SJZ 107/2011 S. 212 ff., 214 f.; SCHILLER, a.a.O., N. 1248 ff.; ZINDEL, a.a.O., S. 259). Allerdings ist nicht zu übersehen, dass in der Lehre Anwaltskörperschaften lange Zeit als unvereinbar mit der Unabhängigkeit galten (vgl. etwa RETO SANWALD, Rechtsformen für freie Berufe - eine Auslegeordnung, in: Festschrift 100 Jahre Verband bernischer Notare, Ruf/Pfäffli [Hrsg.], 2003, S. 239 ff., 242). Ein Meinungsumschwung setzte erst vor etwas mehr als zehn Jahren ein, als Marktveränderungen - insbesondere die verstärkte internationale Vernetzung - die Anwaltskanzleien vermehrt zu einer Überprüfung und Anpassung ihrer Organisationsstrukturen zwangen (vgl. BOHNET/MARTENET, a.a.O., N. 2359; PETER NOBEL, Rechtsformen der Zusammenarbeit von Anwälten: Organisationsfreiheit für Anwälte!, in: Schweizerisches Anwaltsrecht, Fellmann und andere [Hrsg.], 1998, S. 339 ff., 369 f.; MICHAEL PFEIFFER, Der Rechtsanwalt in der heutigen Gesellschaft, ZSR 115/1996 II S. 253 ff., 291 ff.; RETO VONZUN, Die Anwalts-Kapitalgesellschaft - Zulässigkeit und Erfordernisse, ZSR 120/2001 I S. 447 ff.). Inzwischen wird auch auf die mit Anwaltskörperschaften gemachten positiven Erfahrungen verwiesen und festgestellt, dass sich die früher geäusserten Befürchtungen nicht bewahrheitet hätten, ja den Aspekten der Unabhängigkeit und des Berufsgeheimnisses aufgrund der durch die Umstrukturierung bewirkten Sensibilisierung sogar verstärkt Beachtung geschenkt werde (ZINDEL, a.a.O., S. 260). BGE 138 II 440 S. 451 11. Zahlreiche Länder lassen für die Ausübung des Anwaltsberufs nicht nur Personen-, sondern auch Kapitalgesellschaften zu. So können sich Anwaltskanzleien in Deutschland, Österreich, Frankreich und weiteren europäischen Ländern, aber auch in den USA als Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder als Aktiengesellschaften konstituieren (vgl. BOHNET/MARTENET, a.a.O., N. 2345 ff.; SANWALD, a.a.O., S. 273 und 282). Besonders vielfältige Rechtsformen für Anwaltskanzleien stellt das französische Recht zur Verfügung; sie können sich in vier verschiedenen Formen einer société d'exercice libéral (à responsabilité limitée, à forme anonyme, par actions simplifiées, en commandite par actions) organisieren (Art. 1 und 2 der Loi n o 90-1258 du 31 décembre 1990 relative à l'exercice sous forme de sociétés des professions libérales soumises à un statut législatif ou réglementaire ou dont le titre est protégé et aux sociétés de participations financières de professions libérales). Aufschlussreich ist die Entwicklung der Rechtslage in Deutschland, da sie gewisse Parallelen zu jener in der Schweiz aufweist (vgl. dazu VOLKER RÖMERMANN, Anwalts-AG - Ein Zwischenruf aus Deutschland, in: Jusletter vom 15. Januar 2007, Rz. 1 ff.). Der Gesetzgeber sah zunächst bewusst davon ab, eine Regelung über Anwaltsgesellschaften zu treffen. Nachdem das Bayerische Oberlandesgericht im Jahr 1994 einer Anwalts-GmbH eine Eintragung im Handelsregister ermöglicht hatte, wurde die Bundesrechtsanwaltsordnung vom 1. August 1959 (BRAO) um die §§ 59c-m ergänzt. Danach können Rechtsanwaltsgesellschaften als GmbH zugelassen werden (§ 59c Abs. 1 BRAO). Der Gesetzgeber hielt fest, er beschränke sich auf die Regelung der Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung. Im Jahr 2000 liess das Bayerische Oberlandesgericht auch die Aktiengesellschaft als Rechtsform für Anwaltskanzleien zu. Der Bundesgerichtshof in Zivilsachen erklärte in seinem Beschluss vom 10. Januar 2005 ebenfalls, aus dem Verzicht des Gesetzgebers, den Anwaltskanzleien die Aktiengesellschaft als Rechtsform zur Verfügung zu stellen, könne ein gesetzliches Verbot dieser Gesellschaftsform nicht hergeleitet werden (in: Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen [BGHZ] 161 [2005] S. 376 ff.). Denn für die Beurteilung, ob eine Aktiengesellschaft anwaltlich tätig sein dürfe, sei es nicht ausschlaggebend, ob es gesetzliche Bestimmungen gebe, die diese Tätigkeit zuliessen. Vielmehr sei umgekehrt zu prüfen, ob es rechtliche Regelungen gebe, die eine entsprechende Berufsausübung verböten, und ob solche Regelungen, falls sie bestünden, mit dem Grundrecht auf freie BGE 138 II 440 S. 452 Berufsausübung gemäss Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes vereinbar seien (S. 382 f.). 12. Auf Bundesebene stimmte das Parlament im Jahr 2011 der vom Bundesrat beantragten Abschreibung der in E. 8 erwähnten Motion von Anton Cottier zu. Der Bundesrat erklärte, aus heutiger Sicht bestehe kein Handlungsbedarf mehr, da die Praxis Wege gefunden habe, das Anliegen der Motion umzusetzen. Die kantonalen Aufsichtsbehörden würden unter bestimmten standesrechtlichen (recte: berufsrechtlichen) Voraussetzungen die Aktiengesellschaft und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als Organisationsformen für Anwaltskanzleien zulassen (Bericht vom 4. März 2011 über Motionen und Postulate der gesetzgebenden Räte im Jahre 2010, Auszug: Kapitel I, BBl 2011 2641, 2656). Dieser Beurteilung wird von Anwaltsseite zugestimmt (vgl. BEAT VON RECHENBERG, Anwaltskörperschaft - Wohin führt der Weg?, Anwaltsrevue 2010 S. 425 f.). Allerdings wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass eine gesetzgeberische Regelung auf Bundesebene zur Rechtsklarheit und Rechtssicherheit beitrüge und deshalb weiterhin wünschenswert erscheine (BOHNET/MARTENET, a.a.O., N. 2356; MEIER/REISER, a.a.O., N. 56 und 58 zu Art. 8 BGFA ; SCHILLER, a.a.O., N. 1425; ZINDEL, a.a.O., S. 259). In der Zwischenzeit hat der Schweizerische Anwaltsverband Vorarbeiten unternommen, um das Anwaltsrecht auf gesamtschweizerischer Ebene vollständig zu vereinheitlichen. Er hat einen Entwurf für ein Schweizerisches Anwaltsgesetz ausgearbeitet und im Februar 2012 der Bundesverwaltung eingereicht (vgl. ERNST STAEHELIN, Der Entwurf zum neuen Schweizerischen Anwaltsgesetz, Anwaltsrevue 2012 S. 68 ff.). Dieser sieht in Art. 38-42 auch eine ausdrückliche Regelung für Anwaltsgesellschaften vor. Danach könnten sich Anwaltskanzleien in allen im schweizerischen Recht zulässigen Rechtsformen und damit insbesondere auch in einer AG oder GmbH organisieren. Dabei wären bestimmte Voraussetzungen zu beachten, die sich an der bisherigen Praxis der kantonalen Aufsichtsbehörden orientieren. Neu sieht der Entwurf eine Meldepflicht für Anwaltsgesellschaften mit ausschliesslich registrierten Gesellschaftern bzw. eine Genehmigungspflicht für Gesellschaften mit registrierten und nicht registrierten Gesellschaftern vor (vgl. näher zum Entwurf ZINDEL, a.a.O., S. 256 ff.). Zudem ist eine Motion von Nationalrat Karl Vogler zum Erlass eines umfassenden Anwaltsgesetzes hängig (12.3372). Der Bundesrat beantragt die Annahme der Motion. BGE 138 II 440 S. 453 13. Die dargestellte Ausgangslage ist bei der Beurteilung der Frage, ob Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA eine Anstellung von Anwälten bei einer Anwaltsaktiengesellschaft von vornherein ausschliesse, in verschiedener Hinsicht mitzuberücksichtigen. Das Bundesgericht hat sich jedoch bei seinem Entscheid auf die Auslegung und Anwendung der erwähnten geltenden Bestimmung zu beschränken und nicht rechtspolitisch tätig zu werden. Es hat sich insbesondere an die in seiner Rechtsprechung aufgestellten Auslegungsgrundsätze zu halten. Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet danach der Wortlaut der massgeblichen Norm. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so muss nach der wahren Tragweite der Bestimmung gesucht werden, wobei alle Auslegungselemente zu berücksichtigen sind (Methodenpluralismus). Dabei kommt es namentlich auf den Zweck der Regelung, die dem Text zugrunde liegenden Wertungen sowie auf den Sinnzusammenhang an, in dem die Norm steht. Die Entstehungsgeschichte ist zwar nicht unmittelbar entscheidend, dient aber als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen. Namentlich bei neueren Texten kommt ihr eine besondere Bedeutung zu, weil veränderte Umstände oder ein gewandeltes Rechtsverständnis eine andere Lösung weniger nahelegen. Vom Wortlaut darf abgewichen werden, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass er nicht den wahren Sinn der Regelung wiedergibt. Sind mehrere Auslegungen möglich, ist jene zu wählen, die der Verfassung am besten entspricht. Allerdings findet auch eine verfassungskonforme Auslegung ihre Grenzen im klaren Wortlaut und Sinn einer Gesetzesbestimmung ( BGE 137 III 217 E. 2.4.1 S. 221 f.; BGE 131 II 697 E. 4.1 S. 702 f.). 14. Nach dem Wortlaut von Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA können die Anwälte, die sich im kantonalen Register eintragen lassen wollen, Angestellte nur von Personen sein, die ihrerseits in einem kantonalen Register eingetragen sind. Da Körperschaften nicht eintragungsfähig sind, schliesst die Vorinstanz, könnten auch die bei ihnen angestellten Anwälte nicht ins Register eingetragen werden. Der Wortlaut der Norm ist jedoch nur vordergründig klar. Wie das Bundesgericht bereits früher erkannt hat, kommen der Rechtssinn der Norm und namentlich auch der Wille des Gesetzgebers im Wortlaut nur unklar zum Ausdruck ( BGE 130 II 87 E. 5.1 und 5.2 S. 99 ff.). So schliessen nicht alle Anstellungen bei nicht registrierten Personen von vornherein eine Eintragung als Anwalt aus (vgl. E. 6). Vielmehr begründet der zweite Teilsatz von Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA eine BGE 138 II 440 S. 454 widerlegbare Vermutung fehlender Unabhängigkeit bei (nicht von Anwälten) angestellten Anwälten ( BGE 130 II 87 E. 5.1.1 S. 100). Noch nicht zu prüfen hatte das Bundesgericht bislang, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Vermutung fehlender Unabhängigkeit bei körperschaftlich organisierten Anwaltskanzleien widerlegt werden kann (vgl. E. 7). Mit Blick auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichts, mit der sich die Vorinstanz nicht näher auseinandersetzt, kommt dem Wortlaut für die aufgeworfene Auslegungsfrage keine ausschlaggebende Bedeutung zu. 15. Der angefochtene Entscheid misst bei der Auslegung der erwähnten Norm der Entstehungsgeschichte ein besonderes Gewicht zu. Das entspricht der erwähnten Rechtsprechung, welche bei jüngeren Gesetzen verstärkt auf die Materialien abstellt (E. 13). Wie bereits ausgeführt wollte der Bundesrat bei Erlass des Anwaltsgesetzes auf eine Regelung der zulässigen Organisationsformen von Anwaltskanzleien verzichten (E. 8 am Anfang). Der Ständerat folgte dagegen in seiner ersten Beratung einem Antrag der vorberatenden Kommission und nahm in Art. 11 lit. b E-BGFA (= Art. 12 lit. b BGFA ) den Zusatz auf, dass Anwälte in der rechtlichen Organisation ihrer Kanzleien frei seien (vgl. AB 1999 S 1170 ff.). Bei der Beratung im Nationalrat beantragte die Mehrheit der vorberatenden Kommission, diesen Zusatz wieder zu streichen; eine Minderheit wollte die ständerätliche Fassung in modifizierter Weise übernehmen (vgl. AB 2000 N 41). Der Nationalrat folgte unter Verweis auf die bereits erwähnte Motion Cottier (E. 8) dem Antrag der Kommissionsmehrheit. Der Regelungsbedarf war zwar unbestritten, doch war die Mehrheit der Auffassung, mit dem Erlass einer Norm solle zugewartet werden, bis in Erfüllung der Motion Cottier die Anschlussfragen genügend abgeklärt seien. Die Voten im Nationalrat zeugen davon, dass man die Frage vorerst offenlassen wollte (vgl. AB 2000 N 42 ff.). Der Ständerat schloss sich dem Nationalrat an und verwies darauf, dass damit die geltende Rechtslage weitergeführt werde (vgl. AB 2000 S 239). Dabei fällt auf, dass der Ständerat die Organisationsfreiheit der Anwälte losgelöst von der Formulierung des heutigen Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA (= Art. 7 lit. e E-BGFA) diskutierte. So sprach sich der Ständerat in erster Beratung gleichzeitig für die Organisationsfreiheit der Anwälte (Art. 11 lit. b E-BGFA) und eine weit strenger gefasste Fassung der institutionellen Unabhängigkeit aus, als sie heute gilt (vgl. BGE 138 II 440 S. 455 AB 1999 S 1164 ff.). Gemäss ständerätlichem Beschluss hätte Unabhängigkeit nur vorgelegen, "wenn keine Bindungen bestehen, welche die Anwältin und den Anwalt bei der Berufsausübung irgendwelchem Einfluss von Dritten, die nicht in einem kantonalen Register eingetragen sind, aussetzen" (AB 1999 S 1164). Der Nationalrat sprach sich für eine enger gefasste Umschreibung der institutionellen Unabhängigkeit aus und fügte das Kriterium "Anstellung" ein, welches letztlich auch vom Ständerat übernommen wurde (vgl. AB 2000 N 38 ff.; AB 2000 S 234 ff.). Unvereinbar mit dem Unabhängigkeitsgebot sollte - in Fortführung des Status quo - nur eine eigentliche Anstellung bei einem Nichtanwalt sein; Nebenbeschäftigungen eines Anwalts sollten dagegen weiterhin möglich sein, soweit sie seine Berufsausübung nicht beeinflussen (vgl. insb. die Voten von Nationalrat Erwin Jutzet, AB 2000 N 38, und Ständerat Rolf Schweiger, AB 2000 S 235). Daraus ergibt sich, dass die institutionelle Unabhängigkeit nach dem Willen des Gesetzgebers darauf abzielt, Anstellungsverhältnisse bei nicht registrierten Personen auszuschliessen, soweit damit die Gefahr einer Beeinflussung durch Dritte bei der anwaltlichen Berufsausübung einhergeht (vgl. BGE 130 II 87 E. 5.2 S. 103). Der Gesetzgeber beabsichtigte jedoch nicht, mit Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA Anwaltskörperschaften auszuschliessen, sondern er fasste lediglich ins Auge, den Fragenkreis allenfalls in einem späteren Zeitpunkt näher zu regeln (ebenso BOHNET/MARTENET, a.a.O., N. 2343; FELLMANN, Anwaltsrecht, a.a.O., N. 1593; MEIER/REISER, a.a.O., N. 56 zu Art. 8 BGFA ; STAEHELIN/OETIKER, a.a.O., N. 55c zu Art. 8 BGFA ; VONZUN, a.a.O., S. 459 f.). 16. Die Vorinstanz begründet ein Verbot von Anwaltskörperschaften nach dem geltenden Recht auch mit allgemeinen Erwägungen. Nach ihrer Auffassung würde die mit dem Anwaltsgesetz beabsichtigte - teilweise - Vereinheitlichung des Anwaltsrechts wieder rückgängig gemacht, wenn die Bestimmung der zulässigen Organisationsformen für Anwaltskanzleien der kantonalen Praxis überlassen würde. Ausserdem bedinge die Zulassung von Anwaltskörperschaften die gleichzeitige Festlegung der Voraussetzungen, die dabei einzuhalten seien. Trotz des Versäumnisses des Gesetzgebers, die Motion Cottier zu erfüllen und eine Regelung zu erlassen, komme ein richterliches Eingreifen - gewissermassen als Ersatzgesetzgeber - nicht in Betracht. Eine richterliche Gesetzeskorrektur bzw. das Füllen sog. unechter Lücken sei nicht zulässig. BGE 138 II 440 S. 456 Diese Argumentation geht von der Vorstellung aus, dass der Gesetzgeber alle wesentlichen Belange der Anwaltstätigkeit regeln sollte und neue Organisationsformen erst zulässig sind, wenn entsprechende gesetzliche Bestimmungen vorliegen. Damit wird jedoch übersehen, dass die Ausübung und Organisation der Anwaltstätigkeit den Schutz der Wirtschaftsfreiheit geniesst und sie deshalb grundsätzlich erlaubt ist, soweit sie nicht durch eine gesetzliche Regelung eingeschränkt wird, die den Anforderungen von Art. 36 BV genügt (SCHILLER, a.a.O., N. 1222; vgl. auch E. 4). Die Wirtschaftsfreiheit erstreckt sich auch auf die Befugnis, darüber zu entscheiden, in welcher Rechtsform die Anwaltstätigkeit ausgeübt wird ( BGE 131 I 223 E. 1.1 S. 226). Die Beschwerdeführer machen deshalb zu Recht geltend, dass nicht danach zu fragen ist, ob es gesetzliche Bestimmungen gibt, welche die Anwaltskörperschaft zulassen, sondern umgekehrt zu prüfen ist, ob Normen bestehen, die eine solche Rechtsform verbieten (vgl. ZINDEL, a.a.O., S. 254, sowie das in E. 11 zitierte Urteil des deutschen Bundesgerichtshofs). Die Zulässigkeit von Anwaltskörperschaften hängt demnach allein davon ab, ob Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA eine solche Organisationsform untersagt; sie setzt indessen entgegen der vorinstanzlichen Auffassung nicht voraus, dass der Bundesgesetzgeber sie ausdrücklich gestattet. Mit der Garantie der Wirtschaftsfreiheit ( Art. 27 BV ) und der Pflicht zu institutioneller Unabhängigkeit ( Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA ) umschreibt das Bundesrecht den Rahmen zur Organisation der Anwaltstätigkeit für die ganze Schweiz einheitlich. Soweit erforderlich obliegt es dem Bundesgericht, die Tragweite von Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA für die körperschaftliche Organisationsform von Anwaltskanzleien zu klären. Die Gefahr einer Rechtszersplitterung erscheint damit nicht grösser als in anderen bundesrechtlich geregelten Gebieten, die durch die Kantone vollzogen werden. 17. Nach dem Ausgeführten kommt bei der Auslegung von Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA weder dem Wortlaut noch der Entstehungsgeschichte ein ausschlaggebendes Gewicht zu. Ebenso wenig führen die erwähnten allgemeinen Erwägungen der Vorinstanz zu einem eindeutigen Ergebnis. Abzustellen ist unter diesen Umständen auf den Sinn und Zweck der Norm. Dabei ist auch ihre verfassungsrechtliche Tragweite mitzuberücksichtigen (vgl. E. 4). Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA bezweckt, die Unabhängigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sicherzustellen. Die Norm will diejenigen BGE 138 II 440 S. 457 Beeinflussungen ausschliessen, die sich aus einer Anstellung ergeben (vgl. E. 5 und 15). Der Gesetzgeber erachtet allerdings nicht alle Anstellungsverhältnisse als unvereinbar mit der Unabhängigkeit. Das zeigt Art. 8 Abs. 2 BGFA , der Anstellungen bei anerkannten gemeinnützigen Organisationen erlaubt, aber auch Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA selber, der Anstellungen bei Personen zulässt, die ihrerseits in einem kantonalen Anwaltsregister eingetragen sind. Diese letzte Ausnahme entspricht der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach Anstellungen von Anwälten bei anderen Anwälten dem Erfordernis der Unabhängigkeit nicht entgegenstehen (vgl. E. 7). Das Bundesgericht legt Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA überdies im Lichte des Gesetzeszwecks einschränkend aus; Anstellungen, welche die Anwaltstätigkeit nicht berühren und die Unabhängigkeit nicht gefährden, werden von der Bestimmung nicht erfasst (vgl. E. 6). Der Kreis der Personen, bei denen eine Anstellung nach Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA zulässig erscheint, ist ebenfalls mit Blick auf den Gesetzeszweck zu bestimmen. Wie erwähnt gefährdet eine Anstellung bei registrierten Anwälten die Unabhängigkeit nicht. Nicht anders ist es indessen, wenn die Anstellung nicht bei den registrierten Anwälten selber, sondern bei einer körperschaftlich organisierten Anwaltskanzlei erfolgt, die vollständig von diesen Anwälten beherrscht wird. Das formale Argument, dass juristische Personen selber nicht im Anwaltsregister eingetragen werden können, erscheint mit Blick auf die Unabhängigkeit ohne Bedeutung. Die Wirkung der Anstellung ist unter diesem Gesichtspunkt dieselbe, wie wenn sie direkt bei einem registrierten Anwalt erfolgt (vgl. SCHILLER, a.a.O., N. 1257 f.; STAEHELIN/OETIKER, a.a.O., N. 37 zu Art. 8 BGFA ). Ob die Unabhängigkeit gegeben ist, hängt nicht von der Rechtsform einer Anwaltskanzlei, sondern von deren konkreter Organisationsstruktur ab. Ist diese so ausgestaltet, dass lediglich registrierte Anwälte auf die Anstellung Einfluss nehmen können, ist die erforderliche Unabhängigkeit gewahrt. Diese Voraussetzung kann auch bei Körperschaften erfüllt werden. Der Zweck von Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA erfordert demnach nicht, körperschaftliche Rechtsformen von Anwaltskanzleien generell zu untersagen. 18. Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA eine weiterreichende Bedeutung zu geben, verbietet sich auch aus verfassungsrechtlichen Gründen . Da die Wahl der Rechtsform für die Anwaltstätigkeit den Schutz der Wirtschaftsfreiheit geniesst, darf sie nur in dem Umfang eingeschränkt werden, als es zur Wahrung öffentlicher Interessen erforderlich ist. BGE 138 II 440 S. 458 Von keiner Seite - auch nicht von der Vorinstanz - wird indessen geltend gemacht, dass zur Wahrung der institutionellen Unabhängigkeit Anwaltskörperschaften generell untersagt werden müssten. Auch bei der Beratung von Art. 8 BGFA in den Eidgenössischen Räten vertrat niemand diesen Standpunkt. Die breite Zulassung körperschaftlicher Rechtsformen im Ausland (vgl. E. 11) und die bisher in der Schweiz gemachten Erfahrungen mit Anwaltskörperschaften (vgl. E. 10) belegen, dass keine Notwendigkeit besteht, solche Rechtsformen im Interesse der Unabhängigkeit generell zu verbieten. Wenn die Vorinstanz erklärt, eine Zulassung von Anwaltskörperschaften komme erst in Betracht, wenn der Bundesgesetzgeber die dabei zu beachtenden Rahmenbedingungen näher umschrieben habe, verkennt sie, dass die Wirtschaftsfreiheit die Wahl der Rechtsform anwaltlicher Tätigkeit schützt und diese nur eingeschränkt ist, soweit dafür eine gesetzliche Grundlage besteht. Der Gesetzgeber hat zwar die Möglichkeit, die Anforderungen an die Anwaltskörperschaften detaillierter festzulegen als in Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA . Solange eine solche nähere Regelung fehlt, findet die Wirtschaftsfreiheit ihre Grenzen allein in der zuletzt genannten Norm (vgl. E. 16). Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA schliesst demnach Anwaltskörperschaften nicht von vornherein aus. Diese sind jedoch nur in dem Umfang zulässig, als die Unabhängigkeit der angestellten Anwälte in gleicher Weise sichergestellt ist, wie dies bei einer Anstellung durch registrierte Anwälte selber der Fall ist. 19. Nach Auffassung der Vorinstanz ist eine Zulassung von Anwaltskörperschaften allerdings neben der Unabhängigkeit auch mit weiteren Berufspflichten des Anwalts nicht zu vereinbaren. Dieser Umstand müsse bei der Auslegung von Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA mitberücksichtigt werden. Zunächst bezieht sich die Vorinstanz auf Art. 12 lit. b BGFA . Danach übt der Anwalt seinen Beruf in eigenem Namen aus. Daraus den Schluss zu ziehen, dass damit ein direktes Mandat zwischen dem Anwalt und dem Klienten vorausgesetzt werde, wie dies die Vorinstanz annimmt, geht zu weit. Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA lässt ausdrücklich zu, dass Anwälte in einem Anstellungsverhältnis bei anderen registrierten Anwälten tätig sind. In diesem Fall besteht zwischen dem angestellten Anwalt und dem Klienten kein Auftragsverhältnis; das Mandat wird vielmehr mit dem Anwalt, der Arbeitgeber des angestellten Anwalts ist, abgeschlossen. Gleich verhält es sich bei BGE 138 II 440 S. 459 Mandaten, die mit Anwaltskanzleien abgeschlossen werden, die als Kollektivgesellschaften organisiert sind. Die Aufsichtsbehörden haben soweit ersichtlich in einem solchen Vorgehen nie einen Verstoss gegen Art. 12 lit. b BGFA gesehen. Die genannte Norm bezieht sich offensichtlich nicht auf das Auftragsverhältnis mit dem Klienten, sondern allein auf die berufsrechtliche Stellung des Anwalts, der das Mandat ausführt. Er handelt insofern in eigenem Namen, als er das Mandat unter eigener fachlicher Verantwortung erfüllt und dabei selber die spezifisch anwaltsrechtlichen Berufsregeln einzuhalten hat, auch wenn er angestellt ist. Er tritt auch allein vor Gericht auf und untersteht selber der disziplinarischen Aufsicht. Art. 12 lit. b BGFA steht Mandaten mit Anwaltskörperschaften nicht entgegen (ebenso BOHNET/MARTENET, a.a.O., N. 2408; FELLMANN, in: Kommentar zum Anwaltsgesetz [im Folgenden: Kommentar], 2. Aufl. 2011, N. 62 zu Art. 12 BGFA ; SCHILLER, a.a.O., N. 1261 ff.; VALTICOS, a.a.O., N. 125 ff. zu Art. 12 BGFA ; VONZUN, a.a.O., S. 468 f.). 20. Aus den gleichen Gründen schliesst Art. 12 lit. b BGFA eine körperschaftliche Organisation von Anwaltskanzleien auch nicht aus, soweit er eine Berufsausübung auf eigene Verantwortung verlangt. Diese Vorschrift bezieht sich ebenfalls allein auf die fachliche Verantwortung für die Einhaltung der Berufsregeln; dagegen verlangt sie nicht eine persönliche Haftung des Anwalts auf der zivilrechtlichen Ebene (vgl. BOHNET/MARTENET, a.a.O., N. 2413; FELLMANN, Kommentar, a.a.O., N. 63 zu Art. 12 BGFA ; SCHILLER, a.a.O., N. 1276). Andernfalls ergäbe sich der bereits erwähnte Widerspruch zu Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA , der eine Anstellung eines Anwalts bei einem anderen Anwalt zulässt, obwohl der Erstere gegenüber dem Klienten zivilrechtlich nicht persönlich haftet. Eine persönliche Haftung der Anwälte vermöchte im Übrigen auch den Klienten im Allgemeinen keinen besseren Schutz zu gewähren, als er bei Einschaltung einer Körperschaft besteht. Denn die Zahlungsfähigkeit hängt nicht von der gewählten Rechtsform, sondern von den vorhandenen Mitteln ab (BOHNET/MARTENET, a.a.O., N. 2414, die darauf hinweisen, dass die Vermögenssituation von Aktiengesellschaften für Aussenstehende transparenter ist als bei Einzelpersonen und zudem Schutzvorschriften bei Überschuldung bestehen). Die Vorinstanz erwägt diese Gesichtspunkte zwar auch. Sie gelangt aber zu einem anderen Schluss, weil sie befürchtet, dass der Ausschluss der persönlichen Haftung das Verantwortungsbewusstsein BGE 138 II 440 S. 460 der Anwälte und damit das Vertrauen in die Anwaltschaft generell schmälern könnte. So sporne die Gefahr, persönlich haften zu müssen und allenfalls sogar wegen der Ausstellung von Verlustscheinen den Beruf nicht mehr ausüben zu können (vgl. Art. 8 Abs. 1 lit. c BGFA ), zur Sorgfalt bei der Berufsausübung an. Dieses Argument vermag nicht zu überzeugen. Wie die Vorinstanz selbst einräumt, zeigt die berufsrechtliche Pflicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung ( Art. 12 lit. f BGFA ), dass dem Gesetzgeber die Sicherstellung eines ausreichenden Haftungssubstrats und weniger die unbeschränkte persönliche Haftung des Anwalts wichtig war (SCHILLER, a.a.O., N. 1276; ZINDEL, a.a.O., S. 253). So reduziert sich mit dem Abschluss einer Haftpflichtversicherung das Risiko eines Konkurses (und damit von Verlustscheinen) erheblich. Die vorinstanzliche Argumentation blendet weiter aus, dass angestellte Anwälte bei Fehlern der Körperschaft gegenüber haftbar werden können und auch für sie das Risiko besteht, wegen Verlustscheinen die Berufsausübungsbewilligung zu verlieren. Darüber hinaus haben die Angestellten und namentlich die Gesellschafter einer Anwaltskörperschaft ein eigenes wirtschaftliches Interesse daran, dass die Gesellschaft ertragreich arbeitet und ein Konkurs, nicht zuletzt aufgrund des damit einhergehenden Reputationsschadens, unter allen Umständen vermieden wird. Dies zeigt, dass die mit der Wahl der Körperschaftsform zweifellos angestrebte Haftungsbegrenzung das Verantwortungsbewusstsein jedenfalls nicht in einem Mass einschränkt, dass dadurch das Vertrauen in die Anwaltschaft ernsthaft Schaden nehmen könnte. 21. Schliesslich sieht die Vorinstanz in Art. 13 BGFA , der die Anwälte zur Wahrung des Berufsgeheimnisses verpflichtet, ein Hindernis für die Zulassung von Anwaltskörperschaften. Sie verweist darauf, dass die bei einzelnen Körperschaften vorgeschriebene Revisionsstelle kein Hilfsorgan im Sinne von Art. 13 Abs. 2 BGFA darstelle und daher nicht zur Wahrung des Anwaltsgeheimnisses verpflichtet werden könne. Allerdings räumt sie ein, dass das Berufsgeheimnis durch die gegenüber Steuerbehörden übliche Anonymisierung auch gegenüber Revisoren gewahrt werden könne; doch gelte dies nicht mehr bei einer aktienrechtlichen Sonderprüfung. Die Lehre erachtet demgegenüber das Berufsgeheimnis auch in Anwaltskörperschaften als gewahrt, da Revisoren und Sonderprüfer selber einer Geheimhaltungspflicht unterstünden (vgl. für die BGE 138 II 440 S. 461 Aktiengesellschaft Art. 697d Abs. 4, Art. 697e Abs. 1 und Art. 730b Abs. 2 OR in Verbindung mit Art. 321 StGB ), die mindestens gleichwertig sei wie das anwaltliche Berufsgeheimnis (BOHNET/MARTENET, a.a.O., N. 2409 f.; FELLMANN, Anwaltsrecht, N. 1636; NATER/ZINDEL, in: Kommentar zum Anwaltsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 39 f. zu Art. 13 BGFA ; VONZUN, a.a.O., S. 467 f.; gleicher Meinung, aber mit teilweise anderer Begründung SCHILLER, a.a.O., N. 1348 ff.). Die Beschwerdeführer machen ausserdem geltend, dass nach Art. 727a Abs. 2 OR bei kleinen Aktiengesellschaften auf eine Revisionsstelle verzichtet werden könne. Da viele Anwaltsgesellschaften von dieser Möglichkeit Gebrauch machen könnten, ergäben sich bei ihnen von vornherein keine Konflikte mit dem Berufsgeheimnis. Es erübrigt sich, zu den von der Vorinstanz aufgeworfenen Fragen abschliessend Stellung zu nehmen. Ausschlaggebend ist, dass Art. 13 BGFA gegenüber den gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen über die Revision und Sonderprüfung nicht den Vorrang beanspruchen kann. Zwar wird das Berufsgeheimnis des Anwalts in der Rechtsordnung besonders geschützt, weil es für die anwaltliche Berufsausübung und damit für eine ordnungsgemässe Rechtspflege unerlässlich ist (Urteil 2P.187/2000 vom 8. Januar 2001 E. 4c, in: Pra 2001 Nr. 141 S. 835 ff., 843). Doch gilt es nicht absolut, sondern ist in die Rechtsordnung eingebunden und wird durch sie ausgestaltet. Bereits aus Art. 13 Abs. 2 BGFA geht hervor, dass eine absolute Wahrung des Berufsgeheimnisses aus praktischen Gründen nicht möglich und daher auch nicht vorgeschrieben ist (VONZUN, a.a.O., S. 467). Aus diesem Grund kann aus dem Umstand, dass das Berufsgeheimnis bei einer körperschaftlichen Organisation einer Anwaltskanzlei allenfalls gewisse Relativierungen erfährt, nicht auf die Unzulässigkeit von Anwaltskörperschaften geschlossen werden. Offenbleiben kann, ob die Revisoren und Sonderprüfer nicht insoweit zu den Hilfspersonen (der registrierten Anwälte) zu zählen sind, als die Bekanntgabe von vertraulichen Informationen an sie aus (kanzlei-)organisatorischen Gründen notwendig ist (vgl. SAVERIO LEMBO, L'exercice de la profession en société de capitaux, in: Défis de l'avocat au XXI e siècle, Jeanneret/Hari [Hrsg.], 2008, S. 365 ff., 382). Unabhängig davon kann jedenfalls angesichts der erwähnten strengen Geheimhaltungspflichten von Revisoren und Sonderprüfern keine Rede davon sein, dass der zur anwaltlichen Berufsausübung notwendige Vertraulichkeitsschutz durch die Wahl einer körperschaftlichen BGE 138 II 440 S. 462 Rechtsform ernsthaft gefährdet würde. Zudem weisen die Beschwerdeführer zu Recht darauf hin, dass vergleichbare Relativierungen auch bei anderen Tätigkeiten möglich sind, die Berufs- und Geschäftsgeheimnisse zu wahren haben und die häufig als Körperschaften organisiert sind (Spitäler, Krankenversicherungen, Revisionsgesellschaften und Banken). 22. Die von der Vorinstanz genannten Berufspflichten lassen demnach Anwaltskörperschaften ebenfalls nicht von vornherein als unzulässig erscheinen. Der angefochtene Entscheid erweist sich damit als bundesrechtswidrig und ist aufzuheben. Bei diesem Ergebnis verlieren die Beschwerdeführer ihre Eintragungsfähigkeit im kantonalen Anwaltsregister nicht bereits dadurch, dass sie ihre Anwaltskanzlei in eine Aktiengesellschaft umwandeln. Dasselbe würde auch bei Wahl einer anderen Rechtsform gelten, solange die Unabhängigkeit der angestellten Anwälte in gleicher Weise sichergestellt ist, wie dies bei einer Anstellung durch registrierte Anwälte selber der Fall ist (vgl. E. 18). 23. Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, dass ihre Unabhängigkeit bei der vorgesehenen Umwandlung ihrer Kanzlei in eine Aktiengesellschaft genügend sichergestellt ist. Sie beantragen deshalb neben der Aufhebung des angefochtenen Entscheids auch die Feststellung, dass sie nach der Umstrukturierung ihrer Kanzlei in eine Aktiengesellschaft im Anwaltsregister des Kantons St. Gallen eingetragen bleiben können. Da der Sachverhalt aus den eingereichten Dokumenten über die neue Organisationsstruktur (Statuten, Organisationsreglement, Aktionärbindungsvertrag und Arbeitsverträge mit Gesellschaftern und mitarbeitenden Rechtsanwälten) eindeutig hervorgeht, rechtfertigt es sich, dass das Bundesgericht die erforderlichen Feststellungen selber trifft und auch das erwähnte Begehren beurteilt ( Art. 105 Abs. 2 und Art. 107 Abs. 2 BGG ). Die Leitung der Anwalts-AG, in welche die Beschwerdeführer ihre Kanzlei überführen wollen, liegt ganz in den Händen von registrierten Anwälten. Das ist bereits im Zweck der Gesellschaft angelegt ("Erbringen von Rechtsdienstleistungen im In- und Ausland durch in der Schweiz registrierte Anwältinnen und Anwälte") und wird durch die Statuten und einen Aktionärbindungsvertrag abgesichert. Mit Letzterem schliessen sich die Aktionäre zu einer einfachen Gesellschaft zusammen, über welche die Aktionäre/Gesellschafter BGE 138 II 440 S. 463 sämtliche Aktien gesamthänderisch halten. Alle Gesellschafter müssen in der Schweiz registrierte Anwälte sein. Bei Austritt eines Gesellschafters (insb. infolge Verlustes des Registereintrags, Kündigung, Todes oder der übrigen in Art. 545 OR genannten Gründe) führen die Verbleibenden die Gesellschaft weiter. Statutarisch sind die Aktien vinkuliert und der Verwaltungsrat muss die Übertragung (wie auch die Bestellung einer Nutzniessung) verweigern, wenn der Erwerber kein in der Schweiz registrierter Anwalt ist. In der Generalversammlung ist eine Vertretung nur durch andere Aktionäre zulässig. Der Verwaltungsrat setzt sich aus Aktionären zusammen. Die Geschäftsführung kann delegiert werden, wobei auch die Delegierten Aktionäre der Anwalts-AG sein müssen. Die genannten vertraglichen und statutarischen Massnahmen gewährleisten, dass die Anwalts-AG vollständig durch in der Schweiz registrierte Anwälte beherrscht wird. Damit ist das gesetzliche Erfordernis der institutionellen Unabhängigkeit erfüllt ( Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA ) und das Feststellungsbegehren gutzuheissen. Weitere Vorkehren, wie sie vorliegend auf Stufe Organisationsreglement und Arbeitsvertrag getroffen werden, sind keine Eintragungsvoraussetzung, sondern sichern die Einhaltung der Berufsregeln des Art. 12 BGFA innerhalb der Anwaltskörperschaft ab. Das Treffen solcher Vorkehren liegt - bei körperschaftlich wie anders organisierten Anwaltskanzleien - in der Verantwortung der einzelnen Anwälte, die dafür berufsrechtlich einzustehen haben (vgl. Urteil 2P.187/2000 vom 8. Januar 2001 E. 4c, in: Pra 2001 Nr. 141 S. 835 ff., 843 f.). Nicht zu befinden ist an dieser Stelle darüber, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen auch eine branchenübergreifende Organisationsform (Multidisciplinary Partnership), an der neben registrierten Anwälten auch Nichtanwälte bzw. nicht registrierte Anwälte Gesellschaftsanteile besitzen, mit dem Unabhängigkeitsgebot von Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA vereinbar ist.
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CH_BGE_004
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Federation
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1,973
fr
Sachverhalt ab Seite 349 BGE 99 II 349 S. 349 A.- Par arrêt du 1er février 1973 (RO 99 II 121), la Ire Cour civile du Tribunal fédéral a déclaré irrecevable en vertu de l'art. 29 al. 2 OJ le recours en réforme signé au nom et par mandat d'Industriewerk Schaeffier OHG par un avocat stagiaire. Celui-ci était au bénéfice d'une autorisation ad hoc qui lui donnait pouvoir de rédiger et de déposer l'acte de recours et qui émanait de l'avocat X., membre du barreau bernois, lui-même mandaté par la recourante selon un procuration écrite avec clause de substitution. Le Tribunal fédéral a considéré que l'art. 29 al. 2 OJ ne permettait d'agir devant lui comme mandataires dans les affaires civiles et pénales qu'aux avocats patentés, à l'exclusion des avocats stagiaires. L'avocat X. a reçu l'expédition complète de cet arrêt le 4 mai 1973. B.- Par acte du 14 mai 1973, Industriewerk Schaeffier OHG, représentée par Me X., a déposé une demande de restitution BGE 99 II 349 S. 350 du délai de recours en réforme, accompagnée d'un nouveau mémoire de recours portant la signature de ce dernier. Les intimés ont conclu au rejet de la demande de restitution.
302
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Erwägungen Considérant en droit: 1. Le mandataire de la requérante fait valoir qu'il a participé à un congrès tenu à Mexico du 12 au 18 novembre 1972, avec lequel il a fait coïncider ses vacances. Il a ainsi été tenu absent de son étude du 10 novembre au 11 décembre 1972. A supposer ce motif valable au regard de l'art. 35 al. 1 OJ, la demande de restitution du délai et l'acte de recours en réforme devaient selon cette disposition être présentés dans les dix jours à compter de celui où l'empêchement avait cessé. En l'espèce, ils devaient donc intervenir le 21 décembre 1972 au plus tard. Ce terme était reporté au 2 janvier 1973 en vertu de l'art. 34 al. 1 litt. c OJ. Expédiée le 14 mai 1973, la présente demande de restitution est tardive, et pour cela irrecevable. 2. Selon la requérante, c'est la notification, le 4 mai 1973, de l'expédition complète de l'arrêt du 1er février 1973 qui a mis fin à l'empêchement. Elle ignorait jusqu'alors le vice retenu par le Tribunal fédéral pour déclarer le recours en réforme irrecevable. La requérante invoque les arrêts RO 84 II 404, 94 IV 95 et 96 II 245 (recte: 265). a) Dans les arrêts RO 84 II 406 (consid. 1 in fine) et 94 IV 96, le Tribunal fédéral mentionne la faculté de la partie dont le recours est déclaré irrecevable en vertu de l'art. 29 al. 2 OJ de demander la restitution pour inobservation du délai de recours. Mais il précise expressément dans le premier de ces arrêts que les conditions de l'art. 35 OJ doivent être remplies ("beim Zutreffen der Voraussetzungen von art. 35 OG "). Or on a vu que tel n'était précisément pas le cas en l'espèce. b) L'arrêt RO 96 II 265 s. admet qu'il y a empêchement sans faute au sens de l'art. 35 OJ lorsque deux sections du Tribunal fédéral ont développé une jurisprudence divergente sur un point déterminé - l'une d'elles seulement ayant publié ses décisions à ce sujet - et que le justiciable, fort de la jurisprudence publiée, s'engage dans une voie de recours qui se révèle ensuite erronée. Les circonstances de cet arrêt ne sont aucunement réalisées en l'espèce. A supposer même que la requérante ait été induite BGE 99 II 349 S. 351 en erreur par un arrêt publié du Tribunal fédéral (RO 82 II 108 ss.), comme elle l'allègue, cela n'a pas eu pour effet de l'amener à choisir une voie de droit inappropriée, et partant de l'empêcher d'agir dans le délai fixé par la voie du recours en réforme. Elle a au contraire respecté ce délai en déposant le 27 novembre 1972 son acte de recours en réforme. Au surplus, c'est à tort que la requérante prétend qu'elle pouvait déduire la recevabilité de cet acte de la jurisprudence publiée du Tribunal fédéral, en particulier de l'arrêt RO 82 II 108 consid. 2 rendu par la IIe Cour civile. Il s'agissait là d'une affaire provenant d'un canton où l'exercice du barreau est libre (art. 29 al. 2, deuxième phrase, OJ), ce qui n'est pas le cas du canton de Berne. Or deux ans plus tard et dans un arrêt également publié (RO 84 II 405 s.), la IIe Cour civile a laissé ouverte la question de savoir si cette jurisprudence était applicable à des litiges provenant de cantons où la profession d'avocat est soumise à autorisation. Ce dernier arrêt se référait en outre à deux décisions antérieures prononçant l'irrecevabilité de recours déposés par des mandataires qui ne satisfaisaient pas aux exigences de l'art. 29 al. 2 OJ (RO 78 II 117, 79 II 104 ss.). Par la suite, le Tribunal fédéral a encore publié quatre arrêts dans le même sens (RO 87 II 130, 89 IV 180 consid. 1, 94 IV 95 s., 97 II 95 s.). 3. Le vice que la requérante entend faire corriger n'est en réalité pas l'inobservation d'un délai, condition d'application de l'art. 35 OJ. Il réside dans l'ignorance en laquelle son mandataire et le signataire du recours en réforme se trouvaient de l'incapacité des avocats stagiaires d'agir valablement dans une affaire civile devant le Tribunal fédéral, c'est-à-dire dans leur méconnaissance de l'art. 29 al. 2 OJ et de la jurisprudence y relative. En sollicitant la restitution du délai de recours en réforme, la requérante vise à obtenir du Tribunal fédéral qu'il revienne sur son arrêt du 1er février 1973, c'est-à-dire qu'il modifie sa jurisprudence; elle voudrait que la solution consacrée par l'arrêt RO 82 II 110 consid. 2 in fine, selon laquelle le vice résultant de l'inobservation de l'art. 29 al. 2 OJ peut sous certaines conditions être corrigé par l'octroi d'un délai supplémentaire pour la signature de l'acte de recours, fût étendue aux litiges provenant des cantons où la profession d'avocat est soumise à autorisation. Pareille prétention est totalement étrangère au but poursuivi par l'art. 35 OJ. BGE 99 II 349 S. 352 4. Au demeurant, la requérante n'établit ni l'impossibilité d'agir valablement dans le délai légal de 30 jours, ni l'absence de faute de sa part ou de la part de son mandataire (art. 35 al. 1 OJ; RO 78 IV 132 s., 87 IV 150 s.). L'absence pour cause de vacances n'excuse ni une partie ni son avocat, qui doivent s'organiser en sorte que les délais soient respectés en leur absence (RO 63 II 422, 91 II 152 et les arrêts cités; BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, n. 3 ad art. 35 p. 38 s.). Le surcroît de travail du mandataire, le manque de temps, la difficulté de rédiger un recours important ne sont pas des motifs suffisants. En l'espèce, l'arrêt cantonal a été prononcé publiquement le 20 octobre 1972. L'avocat genevois de la requérante a reçu l'arrêt motivé le 27 octobre et l'a communiqué le même jour au mandataire bernois, qui dit l'avoir reçu le 30 octobre. Il restait suffisamment de temps à ce dernier pour organiser avec sa mandante le dépôt du recours en temps utile et conformément aux exigences légales, jusqu'à son départ le 10 novembre. 5. La demande de restitution étant irrecevable, il est superflu d'examiner si la requérante était déchue du droit d'invoquer l'art. 35 OJ pour avoir payé les dépens à sa partie adverse et avoir ainsi acquiescé au prononcé du Tribunal fédéral, comme le font valoir les intimés.
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1,301
Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Déclare la requête irrecevable.
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Sachverhalt ab Seite 88 BGE 92 I 88 S. 88 A.- Das bern. Gesetz betreffend die Amts- und Gerichtsschreibereien vom 24. März 1878 (GAG) bestimmt in § 16 Ziff. I (Fassung vom 30. Juni 1935): "Von jeder Handänderung eines Grundstückes ist eine Abgabe von 10‰, mindestens jedoch Fr. 3.-, zu entrichten. Für die Berechnung dient als Grundlage der Kapitalbetrag aller in bestimmten oder bestimmbaren Summen ausgesetzten Leistungen, zu denen der Erwerber sich gegenüber dem Veräusserer oder Dritten verpflichtet." Ziff. II umschreibt den Begriff der Handänderung und fügt bei: "Eine Abgabepflicht besteht auch dann, wenn ein nach den Bestimmungen dieses Gesetzes abgabepflichtiges Rechtsgeschäft durch eine andere Form der Eigentumsübertragung verdeckt wird, oder wenn an Stelle der förmlichen Eigentumsübertragung einer Drittperson auf andere Weise ermöglicht wird, über eine Liegenschaft wie ein Eigentümer zu verfügen." B.- Die Firma Merz & Co AG räumte der Immobiliengesellschaft Emiba AG mit Vertrag vom 6. Dezember 1962 ein bis zum 31. März 1963 befristetes, übertragbares und im Grundbuch BGE 92 I 88 S. 89 vorzumerkendes Kaufrecht an einem Grundstück in Bern ein und erhielt dafür Fr. 5000.--, die bei Ausübung des Kaufrechts auf den vereinbarten Kaufpreis von Fr. 632 625.-- angerechnet werden sollten. Die Emiba AG trat das Kaufrecht am gleichen Tag zum Preis von Fr. 10 000.-- an Paul Kolb ab. Dieser trat es am 1. Februar 1963 für Fr. 150 000.-- an Th. Quiblier ab, der es am 23. März 1963 ausübte. Die Eintragung dieser Handänderung wurde vom Grundbuchamt (ausser von der Bezahlung der unbestrittenen Handänderungsabgabe für die Kaufrechtsabtretung von Kolb an Quiblier) von der Entrichtung folgender Abgaben abhängig gemacht: "1. Kaufrechtsvertrag Merz AG/Emiba AG vom 6. Dez. 1962, 1% von Fr. 632 625.-- = Fr. 6326.25 2. Kaufrechtsabtretung Emiba AG/Paul Kolb vom 6. Dez. 1962, 1% von Fr. 642 625.-- = Fr. 6426.25 Total Fr. 12752.50" Kolb zahlte diesen Betrag unter Vorbehalt der Rückforderung und belangte dann den Kanton Bern beim kantonalen Verwaltungsgericht auf Bezahlung von Fr. 12 752.50 nebst 5% Zins seit 17. Mai 1963. Er bestritt, dass Kaufrechtsbegründung und -abtretung abgabepflichtig seien, machte geltend, er sei an der Kaufrechtsbegründung nicht beteiligt gewesen, und beanstandete eventuell die Höhe der Abgabe. Der Kanton Bern erklärte sich im Hinblick auf die bei der Kaufrechtsbegründung anbezahlten Fr. 5000.-- zur Rückerstattung von Fr. 100.-- bereit und beantragte im übrigen Abweisung der Klage. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern nahm mit Urteil vom 6. April 1964 von der Bereitschaft des Beklagten zur Rückerstattung von Fr. 100.-- Kenntnis und verurteilte ihn darüber hinaus zur Rückerstattung von Fr. 6326.25 nebst 4% Zins seit 17. Mai 1963; im übrigen wies es die Klage ab. Die Gutheissung der Klage betrifft die für die Kaufrechtsbegründung erhobene Abgabe und erfolgte, weil der Kläger an diesem Vertrag nicht beteiligt gewesen war. Für die Abtretung des Kaufrechts von der Emiba AG an den Kläger bejahte das Verwaltungsgericht die Abgabepflicht, weil die entgeltliche Übertragung eines Kaufrechts als eine (wirtschaftliche) Handänderung im Sinne von BGE 92 I 88 S. 90 § 16 Ziff. II/2 GAG zu betrachten sei. Zur Bemessung der Abgabe führte es aus: Als Grundlage diene nach § 16 Ziff. I Abs. 1 GAG der Kapitalbetrag aller in bestimmten oder bestimmbaren Summen ausgesetzten Leistungen, zu denen der Erwerber sich gegenüber dem Veräusserer oder Dritten verpflichte. "In richtiger Anwendung dieser Bemessungsvorschrift wurde - da davon auszugehen ist, dass mit der Abtretung des Kaufrechts die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Liegenschaft übertragen wird - die Abgabe vom Grundbuchamt Bern zu recht von dem um Fr. 10 000.-- (Preis für die Abtretung des Kaufrechts) vermehrten Kaufpreis gemäss Kaufrechtsvertrag erhoben." C.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde stellt Paul Kolb den Antrag, es sei das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 6. April 1964 insofern, als er durch das Urteil beschwert sei, aufzuheben. Er macht Verletzung des Art. 4 BV (Willkür) sowie des Art. 89 bern. KV (Eigentumsgarantie) geltend und bringt zur Begründung im wesentlichen vor: a) Die Erhebung der Abgabe auf dem für die Liegenschaft vereinbarten Kaufpreis von Fr. 632 625.-- und auf dem Fr. 10 000.-- betragenden Entgelt für die Abtretung des Kaufrechts sei willkürlich. Die Handänderungsabgabe sei eine Rechtsverkehrssteuer. Steuerobjekt und Grundlage der Steuerbemessung sei die Übertragung bzw. Einräumung der Verkaufsmöglichkeit am Grundstück und nicht Erscheinungen, die mit der zivilrechtlichen Eigentumsübertragung oder der Einräumung der vollen Verfügungsgewalt über das Grundstück zusammenhängen. Für die Einräumung der Verkaufsmöglichkeit seien hier nur Fr. 10 000.-- bezahlt worden. Der vereinbarte Grundstückpreis von Fr. 632 625.-- dagegen sei keine Gegenleistung für die Einräumung der Verkaufsmöglichkeit, sondern das Entgelt für eine eventuelle spätere, vorläufig aber nicht realisierte Übertragung der vollen Verfügungsgewalt über die Liegenschaft, weshalb es willkürlich sei, die Steuer auch auf diesem Betrag zu erheben. Würde bei der Besteuerung der Übertragung des Kaufrechts allein jeweils auch der ganze Kaufpreis zu dem für die Kaufrechtsübertragung geleisteten Betrag hinzugezählt, so würde der Kaufpreis statt einmal mehrmals besteuert, obwohl er nur ein einziges Mal bezahlt werde. Auch wirtschaftlich sei das Ergebnis unhaltbar, da der Erwerber eines Kaufrechts noch nicht verpflichtet sei, den Kaufpreis zu bezahlen, diese Verpflichtung vielmehr erst mit der Ausübung und nur für den Ausübenden BGE 92 I 88 S. 91 entstehe. Das Verwaltungsgericht gehe nach dem Grundsatz "in dubio pro fisco" willkürlich bald von der äusseren Form, bald von der wirtschaftlichen Betrachtungsweise aus. b) Die geltend gemachte Willkür verletze auch die Eigentumsgarantie, die das Gemeinwesen bei Eingriffen in das Privateigentum verpflichte, die gesetzlichen Bestimmungen sachgemäss auszulegen und anzuwenden. D.- Das Verwaltungsgericht und der Kanton Bern beantragen Abweisung der Beschwerde.
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1,041
Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. (Prozessuales). 2. Der Beschwerdeführer erblickt die geltend gemachte Verletzung der Eigentumsgarantie in der in erster Linie gerügten unsachgemässen, ja willkürlichen Auslegung und Anwendung von § 16 GAG. Die Berufung auf die Eigentumsgarantie hat somit keine selbständige Bedeutung, sondern fällt, da das Bundesgericht die Auslegung und Anwendung von § 16 GAG nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel des Art. 4 BV überprüfen kann, mit der Rüge der Willkür zusammen. 3. Nach dem angefochtenen Entscheid ist die für die Begründung des Kaufrechts entrichtete Abgabe dem Beschwerdeführer zurückzuerstatten, weil er an diesem Rechtsgeschäft nicht beteiligt war. Streitig ist nur noch die für die Abtretung des Kaufrechts von der Emiba AG an den Beschwerdeführer erhobene Abgabe. Während der Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren inbezug auf diese Abtretung noch jede Abgabepflicht bestritten hat, anerkennt er in der staatsrechtlichen Beschwerde, dass das Verwaltungsgericht ohne Willkür sich auf die in § 16 Ziff. II GAG verankerte wirtschaftliche Betrachtungsweise stützen und die Abtretung des Kaufrechts als abgabepflichtig im Sinne dieser Bestimmung erklären durfte. Er bestreitet nur noch die Höhe der Abgabe, indem er bloss das für das Kaufrecht selbst geleistete Entgelt von Fr. 10 000.--, nicht aber den Kaufpreis der Liegenschaft als Bemessungsgrundlage gelten lässt. 4. Nachdem die Handänderungsabgabe ursprünglich nur im Falle des zivilrechtlichen Eigentumsübergangs erhoben worden war, sind verschiedene Kantone, durch die Entwicklung im Geschäftsleben veranlasst, dazu übergegangen, die Abgabe auch BGE 92 I 88 S. 92 zu erheben bei Vorgängen, die angesichts ihrer Wirkungen einem Eigentumswechsel wirtschaftlich nahe kommen. In einzelnen Kantonen geschah dies ohne Änderung der massgebenden gesetzlichen Bestimmungen durch (ausdehnende) Auslegung derselben im Sinne der sog. wirtschaftlichen Betrachtungsweise, was das Bundesgericht unter dem Gesichtswinkel des Art. 4 BV zuliess (vgl. BGE 91 I 176 Erw. 3 und dort angeführte frühere Urteile). In anderen Kantonen wurde das Gesetz geändert, sei es durch Aufnahme von genau umschriebenen, dem zivilrechtlichen Eigentumsübergang gleichzustellenden Tatbeständen (§§ 3 a und 3 b des basel-städtischen Handänderungssteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 10. April 1958), sei es durch Beifügung einer Generalklausel, welche die Erfassung der sog. wirtschaftlichen Handänderungen gestattet (vgl. hiezu IRENE BLUMENSTEIN, Zum Problem des Steuerobjekts der Handänderungssteuern, ASA 30 S. 209 ff.). Eine solche Generalklausel enthält auch das bern. GAG in der Fassung des Gesetzes vom 30. Juni 1935. Der Sinn dieser Bestimmung ist nicht zu verkennen. Es soll mit der Handänderungsabgabe nicht nur der zivilrechtliche Eigentumsübergang an Grundstücken belastet werden, sondern jede Vorkehr, die einem Dritten eine Rechtsstellung verschafft, die derjenigen des Eigentümers entspricht oder wirtschaftlich nahe kommt. Als eine solche wirtschaftliche Handänderung kann auch die Begründung eines frei übertragbaren Kaufrechts und dessen Abtretung aufgefasst werden. Das ist vom Bundesgericht in einem Falle, wo keine ausdrückliche Bestimmung die wirtschaftliche Betrachtungsweise gestattete, entschieden worden (Urteil vom 29. Juni 1960 i.S. W., ASA 30 S. 50 ff.) und muss erst recht gelten, wenn, wie hier, eine solche Bestimmung besteht. Insbesondere dort, wo ein übertragbares Kaufrecht begründet und mehrfach weiterveräussert wird, ist die Gleichbehandlung mit einem eigentlichen Kettenverkauf der Liegenschaft sachlich gerechtfertigt, denn der Kaufrechtshändler erwirbt und veräussert das einen wesentlichen Teil der Verfügungsgewalt über das Grundstück ausmachende Recht, die Liegenschaft unabhängig vom Willen des bisherigen Eigentümers innert einer bestimmten Frist jederzeit zu einem bereits festgelegten Kaufpreis zu erwerben. Der Beschwerdeführer hat daher mit Recht anerkannt, dass im vorliegenden Falle die Abtretung des Kaufrechts von der Emiba AG an ihn ohne Willkür als abgabepflichtige BGE 92 I 88 S. 93 Handänderung im Sinne von § 16 Ziff. II GAG erklärt werden durfte. 5. Stellt man aber die Abtretung des Kaufrechts wirtschaftlich und damit abgaberechtlich dem Eigentumsübergang gleich, so erweisen sich die vom Beschwerdeführer gegen die Bemessung der Abgabe erhobenen Willkürrügen als unbegründet. Der Beschwerdeführer betrachtet den Einbezug des Kaufpreises von Fr. 632 625.-- in die als Grundlage der Abgabebemessung dienenden "Leistungen" des Kaufrechtserwerbers gemäss § 16 Ziff. I Abs. 1 GAG als unhaltbar und ist der Auffassung, die Abgabe dürfe nur von den für den Erwerb des Kaufrechts entrichteten Fr. 10 000.-- erhoben werden, weil der Kaufpreis ja erst bei der späteren Ausübung des Kaufrechts habe bezahlt werden müssen. Damit verlässt der Beschwerdeführer indessen die von ihm selbst anerkannte wirtschaftliche Betrachtungsweise. Die Übertragung des Kaufrechts ist gerade deshalb abgabepflichtig, weil sie in ihren Wirkungen über die Einräumung eines obligatorischen Rechts hinausgeht und dem Erwerber eine derjenigen des Liegenschaftseigentümers nahekommende Stellung verschafft, indem er nicht nur das Recht erhält, jederzeit unabhängig vom Willen des Eigentümers durch einfache Erklärung die Liegenschaft an sich zu ziehen, sondern dieses Recht auch auf Dritte übertragen kann. Wird im Hinblick hierauf die Übertragung des Kaufrechts für die Handänderungsabgabe dem zivilrechtlichen Eigentumsübergang gleichgestellt, so ist es folgerichtig und jedenfalls nicht willkürlich, bei der Bemessung der Abgabe nicht nur die vom Kaufrechtserwerber bereits erbrachte Leistung (Entgelt für den Erwerb des Kaufrechts) zu berücksichtigen, sondern auch die bei Ausübung des Rechts erwachsenden Pflichten, vorab diejenige zur Bezahlung des Kaufpreises der Liegenschaft. In den vom Bundesgericht bisher beurteilten Fällen der Erhebung der Handänderungsabgabe bei der Übertragung eines Kaufrechts wurde denn auch die Abgabe nicht nur auf dem Entgelt für die Kaufrechtsübertragung, sondern auch auf dem im Kaufrechtsvertrag festgelegten Kaufpreis. des Grundstücks erhoben (nicht veröffentlichte Urteile vom 17. Mai 1950 i.S. André und vom 29. Juni 1960 i.S. W., ASA 30 S. 50 ff.). Das basel-städt. Handänderungssteuergesetz, das die Übertragung eines Kaufrechts in § 3 a ausdrücklich als abgabepflichtig erklärt, bestimmt ebenfalls, dass weitere Inhaber dieses Rechts die Steuer "vom vereinbarten BGE 92 I 88 S. 94 Preis und von den Entschädigungen an ihre Rechtsvorgänger" schulden. Dass die entsprechende, im angefochtenen Entscheid getroffene Lösung willkürlich, d.h. mit dem klaren Wortlaut und Sinn der massgebenden Gesetzesbestimmungen unvereinbar, mit keinen sachlichen Gründen vertretbar sei, tut die Beschwerde nicht dar. Da das GAG die Besteuerung der sog. wirtschaftlichen Handänderungen durch eine Generalklausel gestattet, jedoch nicht näher bestimmt, wie die Steuer bei den darunter fallenden Tatbeständen zu berechnen sei, ist es Sache der rechtsanwendenden Behörden, die auf die einzelnen Tatbestände zutreffende Bemessungsweise zu finden. Wird die Übertragung eines Kaufrechts einem Eigentumsübergang am Grundstück selber gleichgestellt, so ist es, wie bereits ausgeführt, folgerichtig, die Abgabe auch auf dem im Kaufrechtsvertrag vereinbarten Kaufpreis des Grundstücks zu erheben. Dass dieser, obwohl nur einmal, nämlich bei der Ausübung des Kaufrechts, bezahlt, mehrmals besteuert wird, bedeutet keinen Widerspruch, sondern entspricht der Gleichstellung der Kaufrechtsübertragung mit einer eigentlichen Handänderung. Der Beschwerdeführer wendet zu Unrecht ein, dass nach § 16 Ziff. I GAG auf die Leistungen, zu denen sich der Erwerber "verpflichtet", abzustellen sei, dass hier jedoch weder die Emiba AG noch der Beschwerdeführer sich verpflichtet hätten, den Kaufpreis zu leisten. Mit dem Erwerb des Kaufrechts haben sie für den Fall der Ausübung desselben auch die Pflicht zur Bezahlung des Kaufpreises übernommen. Entscheidend ist nicht, ob der bisherige Eigentümer die Zahlung tatsächlich schon verlangen könnte, sondern ob in der Übertragung des Kaufrechts ein Geschäft liegt, das wirtschaftlich einem Liegenschaftskauf gleichzustellen ist, weil damit die Übertragung wesentlicher Teile der Verfügungsgewalt des Eigentümers verbunden ist. Diese Gleichstellung betrifft nicht nur die Rechte des Erwerbers, sondern auch seine Pflichten. Wenn die Übertragung eines Kaufrechts einem Liegenschaftskauf gleichgestellt werden darf, obwohl der Erwerber des Kaufrechts zivilrechtlich nicht Eigentümer des Grundstücks wird und es infolge Weiterveräusserung des Kaufrechts auch später nicht wird, ist es aus dem Gesichtswinkel der Willkür auch nicht zu beanstanden, wenn der Kaufpreis der Abgabebemessung zugrunde gelegt wird, obwohl der Erwerber des Kaufrechts, eben weil er nicht Eigentümer des Grundstücks wird, den Kaufpreis desselben BGE 92 I 88 S. 95 nicht zu bezahlen hat. Es ist nicht einzusehen, inwiefern hierin ein willkürlicher Wechsel von der wirtschaftlichen zu einer engrechtlichen Betrachtungsweise liegen sollte. Dieser Vorwurf trifft viel eher die Argumentation des Beschwerdeführers.
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Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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Erwägungen ab Seite 176 BGE 103 IV 176 S. 176 Extrait des considérants: 2. a) En qualité d'administrateur délégué de la Société X., K. a ouvert, en septembre 1962, auprès de la société Y., un compte numéroté pour l'exploitation duquel il avait la signature individuelle. Il a utilisé ce compte, alimenté par les débiteurs de la première société, principalement à fournir des compléments de rétribution "hors fiscalité" tant à lui-même qu'à C., le président du conseil d'administration. Ce "compte noir" était géré en dehors de la comptabilité de la société et sans apparaître dans les livres de celle-ci. Selon l'autorité cantonale, un tel procédé réaliserait sans doute objectivement l'infraction de faux dans les titres, mais, d'une part, le dessein de porter atteinte aux intérêts pécuniaires de tiers ne serait pas suffisamment établi et, d'autre part, la caisse noire aurait été constituée et exploitée pour abuser le fisc en permettant à ses bénéficiaires d'éluder les BGE 103 IV 176 S. 177 impôts sur le revenu. Une falsification de document destinée exclusivement à tromper le fisc ne serait pas réprimée par l' art. 251 CP , mais seulement par les dispositions pénales particulières du droit fiscal. b) Le Ministère public fait valoir que lorsqu'un écrit est objectivement destiné par la loi ou par sa nature à servir de preuve, comme la comptabilité même non commerciale, cette destination et non le but poursuivi par l'auteur, entraîne l'application du droit commun à l'exclusion du droit fiscal cantonal ou fédéral. Ce point de vue, conforme à une jurisprudence déjà ancienne et qui n'a pas été démentie ( ATF 101 IV 57 consid. 1b et cit.), est justifié. La comptabilité que doivent tenir les personnes qui ont l'obligation de faire inscrire leur raison au registre du commerce ( art. 957 CO ) est destinée par la loi à servir de preuve dans les relations de droit civil, indépendamment des buts particuliers que peut lui assigner celui qui la tient (cf. arrêt précité ATF 101 IV 57 consid. 1c et cit.). L' art. 251 CP est donc applicable en cas de falsification de cette comptabilité, même si elle n'est intervenue que dans un dessein de fraude fiscale. Lorsque les mouvements d'argent d'une entreprise s'effectuent en partie par l'intermédiaire d'un compte noir, hors comptabilité, cela représente objectivement, comme le relève l'autorité cantonale, un faux dans les titres. Comme, sur le plan subjectif, l'art. 251 réprime l'infraction non seulement lorsque l'auteur a voulu porter atteinte aux intérêts pécuniaires d'autrui ou au droit d'autrui, mais également lorsqu'il a entendu procurer à lui-même ou à un tiers un avantage illicite (voire dans le domaine fiscal), il est sans intérêt de savoir si l'existence d'un dommage causé à autrui est suffisamment établie, dès lors que la volonté d'éluder une part de l'impôt sur le revenu, qui n'est pas contestée, suffit à réaliser l'élément subjectif de l'infraction.
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Sachverhalt ab Seite 338 BGE 126 III 337 S. 338 A.- X. S.A. exploite une agence de publicité à Genève. Le 3 février 1997, elle a signé un contrat de travail avec E. pour une durée indéterminée. Le salaire convenu était de 9000 fr. brut versé treize fois l'an, en partie sous forme de frais de représentation et d'indemnités. L'entreprise fournissait en outre à l'employée une voiture de fonction dont elle prenait en charge les frais de leasing, d'entretien et d'assurance; elle payait également une partie des primes d'assurance-maladie. La nouvelle collaboratrice avait droit à 4 semaines de vacances par année. L'horaire de travail était de 8 heures 30 à 12 heures et de 13 heures à 17 heures 30, 5 jours par semaine. L'art. 10 du contrat stipulait encore ce qui suit: "Les heures supplémentaires étant inévitables dans une agence de publicité, l'employé(e) est tenu de les accomplir dans la mesure où cela peut être raisonnablement exigé de lui (d'elle). La rémunération de ces heures supplémentaires est déjà comprise dans le salaire. Il ne résulte donc aucun droit à une compensation ou à un salaire complémentaire." S'agissant du temps de travail, E. a expressément admis avoir été informée, pendant les négociations, que les fonctions qu'elle serait amenée à exercer exigeraient d'elle "une importante charge de travail, laquelle devait être compensée par son intégration dans la direction de l'entreprise et une participation au profit-sharing". Un cahier des charges était annexé au contrat. D'après celui-ci, E. avait la mission de créer puis de développer au sein de la société une nouvelle division dont elle prendrait la direction. Son rôle consistait à rechercher de nouveaux clients, à maintenir et à étendre les rapports avec ceux-ci, de manière autonome et en s'appuyant sur la structure internationale de l'entreprise. Elle assumait la responsabilité des budgets de sa division. Comme les autres responsables des différentes unités du département commercial dont elle faisait partie, E. était directement subordonnée au directeur général. Avec quatre ou cinq autres responsables, elle appartenait, dès fin 1997, à la "direction élargie" de l'entreprise et participait à ce titre aux réunions régulières de la direction. BGE 126 III 337 S. 339 E. ne disposait d'aucune autonomie budgétaire; elle n'avait pas la signature sociale; les contrats qu'elle négociait devaient recevoir l'aval de la direction. En revanche, elle était entièrement autonome dans l'organisation de son travail et ses notes de frais lui étaient remboursées sur présentation de justificatifs. Elle disposait pour l'ensemble de ses tâches d'une assistante à plein temps. E. a régulièrement remis à son employeur la liste des heures qu'elle avait effectuées en dehors de l'horaire contractuellement fixé, sans toutefois demander, pendant toute la durée de son engagement et jusqu'au 23 octobre 1998, à être rémunérée de ce fait. Les parties admettent qu'elle a accompli, en sus des 45 heures hebdomadaires représentant la durée maximale du travail selon la législation publique sur le travail, 366 heures de "travail supplémentaire" ou "Überzeit" en 1997 et 223 heures en 1998, soit un total de 589 heures. A fin juillet 1998, X. S.A. a résilié le contrat pour le 31 octobre 1998. B.- E. a assigné son employeur devant la juridiction des prud'hommes du canton de Genève afin d'obtenir, notamment, le paiement de ses heures supplémentaires. Le Tribunal et la Chambre d'appel ont rejeté toutes ses conclusions. Le Tribunal fédéral a annulé l'arrêt cantonal et admis les prétentions de la travailleuse concernant la rétribution de ses heures supplémentaires.
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Erwägungen Extrait des considérants: 4. a) Sur le fond, on l'a vu, la demanderesse reproche à la Chambre d'appel de s'être placée dans une optique erronée. Il lui aurait échappé que la travailleuse ne réclamait pas le paiement de ses "heures supplémentaires" au sens de l' art. 321c al. 3 CO , mais de son "travail supplémentaire" ou "Überzeit" selon l'art. 13 de la loi fédérale du 13 mars 1964 sur le travail dans l'industrie, l'artisanat et le commerce (LTr, RS 822.11). Ainsi, au lieu de se concentrer sur l' art. 321c al. 3 CO , la cour cantonale aurait dû examiner si la LTr s'appliquait au cas d'espèce. Si, comme la demanderesse le soutient, la question appelait une réponse positive, la cour cantonale devait ensuite se pencher sur la possibilité ou non de déroger contractuellement à l' art. 13 LTr prévoyant la rémunération du travail supplémentaire au taux de 125%, question qui, elle, devrait être résolue par la négative. b) L' art. 321c al. 3 CO dispose que l'employeur est tenu de rétribuer les heures de travail supplémentaires qui ne sont pas compensées BGE 126 III 337 S. 340 par un congé en versant le salaire normal majoré d'un quart au moins, sauf clause contraire d'un accord écrit, d'un contrat-type de travail ou d'une convention collective. Combiné avec une ordonnance du 26 novembre 1975 (RS 822.110), l' art. 9 LTr fixe la durée maximum de la semaine de travail à 45 heures pour la catégorie de travailleurs à laquelle la demanderesse appartient. L' art. 12 LTr permet toutefois, sous certaines conditions et à titre exceptionnel, le dépassement de cette durée maximum. Ce travail supplémentaire sera, d'après l' art. 13 LTr , rétribué par un supplément de salaire d'au moins 25% à partir de la 61ème heure supplémentaire accomplie dans l'année civile. c) Il est constant que la défenderesse est soumise à la LTr. En revanche, les parties s'opposent sur le point de savoir si la demanderesse peut se prévaloir de cette loi, dans la mesure où son art. 3 let . d exclut de son champ d'application les travailleurs exerçant une fonction dirigeante élevée. On examinera en premier lieu ce point qui, s'il devait être résolu par la négative, entraînerait d'emblée le rejet du recours, sans qu'il soit besoin d'entrer en matière sur la question de savoir quel est le rapport entre les réglementations concernant les heures supplémentaires telles que les définit le droit privé et celles que vise le droit public. 5. a) En vertu de l'art. 7 de l'ordonnance 1 du 14 janvier 1966 concernant la LTr (OLT 1; RS 822.111), est réputé exercer une fonction dirigeante élevée, au sens de l' art. 3 let . d LTr, celui qui, dans une entreprise ou une partie d'entreprise, dispose d'un pouvoir de décision dans des affaires essentielles et assume une responsabilité correspondante. Le Tribunal fédéral a circonscrit la notion de fonction dirigeante élevée dans une jurisprudence dont il n'y a pas lieu de s'écarter ( ATF 98 Ib 344 consid. 2). En bref, le fait qu'un travailleur bénéficie d'une position de confiance au sein de l'entreprise ne permet pas à lui seul d'admettre que cette personne y exerce une fonction dirigeante. Ni la compétence d'engager l'entreprise par sa signature ou de donner des instructions, ni l'ampleur du salaire ne constituent en soi des critères décisifs. Quant aux affaires essentielles, visées par l' art. 7 OLT 1 , ce sont celles qui influencent de façon durable la vie ou la structure de l'entreprise dans son ensemble ou, du moins, dans l'un de ses éléments principaux. S'agissant, au demeurant, de dispositions d'exception, les normes susmentionnées doivent être interprétées restrictivement. En tout état de cause, il faut trancher la question de cas en cas, sans égard ni au titre ni à la formation reçue par la personne concernée, mais d'après la nature réelle BGE 126 III 337 S. 341 de la fonction et en tenant compte des dimensions de l'entreprise (arrêt du 4.7.1997 dans la cause 4C.322/1996, consid. 2b/aa; voir aussi REHBINDER/MÜLLER, Arbeitsgesetz, 5e éd., n. 1 ad art. 3 al. 1 let . d, p. 38; F. WALTER BIGLER, Kommentar zum Arbeitsgesetz, 3e éd., n. 7 ad art. 3 LTr ). b) Que la demanderesse soit désignée comme étant la responsable d'une unité, ou d'une division, du département commercial de la défenderesse, voire qu'elle soit responsable des budgets de sa division, ne signifie pas sans autre, au vu des principes qu'on vient de rappeler, qu'elle ait exercé une fonction dirigeante élevée. Plus que les titres utilisés, ce sont les véritables responsabilités exercées qui comptent (nombre de subordonnés, chiffre d'affaires, etc.). La tâche essentielle de la demanderesse consistait à rechercher de nouveaux clients, de manière autonome; elle est caractéristique d'un employé de bon niveau, voire de haut niveau, mais ne ressortit nullement au rôle d'un dirigeant et encore moins d'un dirigeant élevé. En revanche, l'absence d'autonomie budgétaire constatée par la cour cantonale, ainsi que le fait que la demanderesse n'avait pas la signature sociale plaident contre la qualité de dirigeant élevé. En dépit de la participation de la demanderesse aux réunions régulières de la "direction élargie", rien ne permet de dire qu'elle jouissait d'un pouvoir de décision dans la marche des affaires de l'entreprise, et encore moins d'un pouvoir de décision en ce qui concerne les affaires essentielles visées par l'OLT 1. Enfin, rien n'indique non plus que la demanderesse, qui disposait d'une assistante à plein temps, ait joui d'une quelconque compétence en matière d'engagement et de licenciement du personnel, constitué d'une cinquantaine de personnes. Au vu de ces éléments, la cour cantonale a considéré à tort que la demanderesse exerçait une fonction dirigeante élevée. Sur ce point, le recours est bien fondé. 6. a) Jusqu'ici, le Tribunal fédéral a laissé ouverte la question - controversée - des rapports entre l' art. 13 LTr et l' art. 321c al. 3 CO , ou, autrement dit, la question de savoir si la disposition de droit public revêt un caractère impératif dans la mesure où elle ne prévoit pas, contrairement à l' art. 321c al. 3 CO , la possibilité de supprimer la rétribution du travail supplémentaire (arrêt reproduit in SJ 1988 p. 565 consid. 3b/cc; ATF 110 II 264 consid. 2; cf. aussi arrêt non publié du 1.5.1990 dans la cause 4C.220/1989). A titre liminaire, il sied de souligner que l' art. 13 LTr concerne le travail supplémentaire, à savoir le travail dont la durée excède le maximum légal, soit 45 heures pour la catégorie de travailleurs à BGE 126 III 337 S. 342 laquelle appartient la demanderesse, comme on l'a vu. L' art. 321c al. 3 CO , lui, se réfère aux heures supplémentaires, c'est-à-dire aux heures de travail effectuées au-delà de l'horaire contractuel. On rappellera aussi que la LTr n'impose, textuellement, que le paiement d'un supplément de salaire d'au moins 25%; se pose par conséquent également la question de l'extension du caractère impératif de la LTr au salaire de base. b) Pour une minorité de la doctrine, au vu de l' art. 321c al. 3 CO , qui permet de déroger à l'obligation de verser le salaire de base (et le supplément) pour les heures supplémentaires, la renonciation par le travailleur à son salaire de base en cas d'heures supplémentaires entraîne également l'abandon du droit au complément de salaire en cas de travail supplémentaire. En tant qu'il touche le paiement du salaire et du supplément, l' art. 13 LTr ne revêtirait pas un caractère impératif. Tel est notamment l'avis de STAEHELIN (Commentaire zurichois, n. 23 ad art. 321c CO et les références). La doctrine dominante est en revanche d'avis que la règle de droit public ancrée à l' art. 13 LTr est impérative. Les opinions divergent cependant sur la portée de cette disposition. Certains - encore que tous les auteurs ne se prononcent pas très clairement sur ce point précis - estiment que le caractère impératif de l' art. 13 LTr ne touche que le supplément de 25% mais que le paiement du salaire de base serait réglé suivant les dispositions de droit privé et pourrait dès lors être exclu par le biais d'un accord écrit (DUC/SUBILIA, Commentaire du contrat individuel de travail, n. 33-35 ad art. 321c; cf. aussi BRÜHWILER, Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, 2e éd., n. 15b ad art. 321c CO ; REHBINDER/MÜLLER, op. cit., n. 2 ad art. 13 LTr , p. 92; STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, 5e éd., n. 4, 5 et 9 ad art. 321c CO ; MEIER-SCHATZ, Arbeitsrecht, 2e éd., vol. I, p. 126; REHBINDER, Commentaire bâlois, n. 4 ad art. 321c, Commentaire bernois, n. 11 ad art. 321c CO ; BIGLER, op. cit., n. 1 ad art. 13 LTr ; BRAND ET AL., Der Einzelarbeitsvertrag im Obligationenrecht, n. 14 ad art. 321c CO ). Une partie de la doctrine, enfin, défend l'avis que le caractère impératif de l' art. 13 LTr s'étend également au salaire de base, et que le travailleur ne peut pas renoncer à la rétribution du travail supplémentaire au taux de 125% (GABRIEL AUBERT, note citée in SJ 1988 p. 568 ss; VON KAENEL, Arbeitsrecht, 1999, p. 37; KUHN/KOLLER, Aktuelles Arbeitsrecht für die betriebliche Praxis, vol. V partie 16, chapitre 8, p. 12-13; BRUNNER/BÜHLER/WAEBER, Commentaire du contrat de travail, 2e éd., n. 9 ad art. 321c CO ; ENGEL, Contrats de BGE 126 III 337 S. 343 droit suisse, 2e éd., p. 304-305; DAXELHOFER, Untersuchungen zu den zweiseitig zwingenden Bestimmungen des Arbeitsvertragsrechts, thèse Berne 1980, p. 59-60). c) Ces dernières opinions correspondent au but ainsi qu'au sens de la loi, et emportent la conviction. S'il est vrai que, à première vue, l' art. 13 LTr ne règle pas le droit au salaire de base en cas de travail supplémentaire, le législateur est visiblement parti de l'idée que, en droit privé, le travail supplémentaire donne droit au "salaire de base correspondant, augmenté d'un supplément" (FF 1960 II 950), ce sous réserve des 60 premières heures supplémentaires des employés, qui sont d'ordinaire fournies gratuitement (FF 1960 II 951). L' art. 13 LTr présuppose ainsi que le travail supplémentaire donne droit au paiement du salaire de base. Il prend lui-même en compte les cas dans lesquels ni ce salaire de base, ni le supplément, ne sont dus. Il est donc inutile de s'interroger, dans le cadre de son application, sur la réglementation civile des heures supplémentaires. De plus, comme le souligne GABRIEL AUBERT (note précitée), le législateur a voulu que le travail supplémentaire revienne plus cher à l'employeur que le travail effectué dans les limites de l'horaire maximum normal. C'est pourquoi il n'a dispensé l'employeur de ses obligations pécuniaires que si le travail supplémentaire est compensé par un congé de même durée avec l'accord du travailleur ( art. 13 al. 2 LTr ). L'exigence d'un tel accord n'a de sens que si la rétribution à laquelle le salarié renonce comporte non seulement le supplément de 25%, mais aussi le salaire de base. Rien, dans le texte de l' art. 13 LTr , ne donne à penser qu'il s'agisse d'une règle dispositive. Le législateur a employé le futur impératif, et n'a prévu que deux exceptions à l'obligation de payer une indemnité pour le travail supplémentaire (le cas des employés ayant effectué moins de 61 heures supplémentaires et la compensation par un congé de même durée). On doit donc poser en conclusion que la rétribution des heures supplémentaires, soit celles dépassant l'horaire contractuel, est réglée par l' art. 321c CO et que, dès que les heures supplémentaires dépassent le maximum légal (en l'espèce 45 heures par semaine), elles constituent du travail supplémentaire au sens de l' art. 12 LTr et doivent impérativement faire l'objet d'une rétribution comprenant le salaire de base majoré de 25% selon l' art. 13 LTr (seulement à partir de la 61ème heure supplémentaire accomplie dans l'année civile pour la catégorie de travailleurs ici en cause). La demanderesse a donc droit au paiement de son travail supplémentaire dans les limites indiquées. BGE 126 III 337 S. 344 7. a) La défenderesse fait valoir, dans sa réponse au recours, que la cour cantonale a écarté à tort le grief subsidiaire d'abus de droit qu'elle avait soulevé. Invoquant DUC/SUBILIA (n. 6 ad art. 321c CO ) et des arrêts cantonaux, elle allègue que tout cadre exerçant une fonction d'une certaine importance, qui estime avoir droit à une rémunération pour des heures supplémentaires ou "excédentaires" au sens de la LTr, doit présenter sans tarder une demande d'indemnisation à l'employeur s'il ne veut pas que son droit à cette rémunération se périme pour cause d'abus de droit. Elle reproche à la demanderesse de n'avoir indiqué nulle part dans ses écritures ce qui l'aurait empêchée de l'informer en temps utile de ses prétentions en matière de rémunération fondées sur son travail excédentaire, alors qu'elle n'hésitait pas à élever toutes sortes de revendications pécuniaires. b) Dans une affaire récente, examinée sous l'angle des art. 321c al. 3 et 341 al. 1 CO, le Tribunal fédéral a jugé qu'il fallait s'en tenir au principe selon lequel, en l'absence d'un accord formellement valable et antérieur à leur accomplissement, le droit à la rétribution des heures supplémentaires revêt un caractère impératif ( ATF 124 III 469 consid. 3). Et, dans un consid. 4 non publié, il a ajouté que l'employé n'abusait nullement de son droit en invoquant l' art. 341 al. 1 CO , aux termes duquel le travailleur ne peut pas renoncer, pendant la durée du contrat et durant le mois qui suit la fin de celui-ci, aux créances résultant de dispositions impératives de la loi ou d'une convention collective. En effet, selon une jurisprudence fermement établie, il serait contraire à l'esprit de la loi de priver le travailleur, par le biais de l' art. 2 al. 2 CC , de la protection accordée par cette disposition, sauf circonstances tout à fait particulières ( ATF 110 II 168 consid. 3c; ATF 105 II 39 consid. 1b). Ce qui vaut pour une disposition impérative de droit privé vaut aussi pour une disposition impérative de droit public. Quant à l'écoulement du temps, dont se prévaut aussi la défenderesse, il ne peut être interprété ni comme une renonciation à la prétention de la demanderesse, ni comme le signe de son exercice abusif. La jurisprudence ne laisse pas planer le doute sur ce point ( ATF 110 II 273 ; ATF 125 I 14 consid. 3g). Le moyen tiré de l'abus de droit sera donc rejeté.
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Sachverhalt ab Seite 320 BGE 94 II 319 S. 320 A.- La Fabrique des montres Vulcain et Studio SA, précédemment Ditisheim et Cie, est titulaire du brevet suisse no 259 170, enregistré le 15 janvier 1949 et pour lequel la demande avait été déposée le 27 septembre 1943. Ce brevet comporte la revendication suivante: Montre-bracelet-réveil caractérisée en ce qu'elle comporte un fond mince constituant une membrane acoustique, et des moyens pour que ladite membrane puisse transmettre dans de bonnes conditions son mouvement vibratoire à l'air ambiant, et pour la préserver du contact de tout objet extérieur à la montre et de toute partie du corps de l'usager pouvant amortir ledit mouvement vibratoire. BGE 94 II 319 S. 321 La description spécifie que l'organe de protection, qui peut consister en une plaque percée d'ouvertures ou en un treillis, est établi conjointement avec la boîte de façon que le volume d'air compris entre cet organe, la membrane acoustique et la lunette "constitue un petit résonateur et communique avecl'air ambiant, ce qui est nécessaire à la bonne audition de la sonnerie". La montre fabriquée selon ce brevet fut mise sur le marché sous le nom de montre Cricket. Elle connut d'emblée un grand succès et fut contrefaite par plusieurs entreprises. En 1950 déjà, Ditisheim a actionné pour contrefaçon Lecoultre et Cie SA et la société Jäger Lecoultre, lesquelles ont conclu reconventionnellement à l'annulation du brevet. Statuant en dernière instance le 18 mars 1958, le Tribunal fédéral a admis la validité du brevet. En 1960, dans un procès pour contrefaçon, porté en première instance devant le Tribunal fédéral par la Fabrique des montres Vulcain et Studio SA, Enicar SA, fabrique d'horlogerie à Longeau, a conclu à la nullité du brevet. Statuant, le 14 novembre 1961, le Tribunal fédéral en a derechef reconnu la validité. B.- Le 31 janvier 1963, la Fabrique des montres Vulcain et Studio SA a ouvert action devant le Tribunal cantonal neuchâtelois contre treize fabriques d'horlogerie. Elle demandait des dommages-intérêts pour contrefaçon du brevet no 259 170, décrit ci-dessus et expiré aujourd'hui depuis plus de sept ans. Les défenderesses ont invoqué la nullité du brevet. Contre trois défenderesses, l'action a pris fin par une transaction. Le 1er juillet 1968, le Tribunal cantonal neuchâtelois a prononcé la nullité du brevet no 259 170. C.- La Fabrique des montres Vulcain et Studio SA a formé un recours en réforme; elle requiert le Tribunal fédéral de constater la validité du brevet no 259 170 et de renvoyer la cause à la cour cantonale. Les intimées concluent au rejet du recours.
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Erwägungen Considérant en droit: I. ... II. Le brevet litigieux ayant été délivré avant le 1er janvier 1956, sa validité doit, selon l'art. 112 LBI, être établie conformément à l'art. 16 LBI 1907. BGE 94 II 319 S. 322 III. Les défenderesses, et après elles le Tribunal cantonal neuchâtelois, admettent - ce qui avait déjà été soutenu dans les deux procès précédents - que les brevets français, américain, belge et anglais, obtenus en 1885 et 1886 par Bapst et Falize, ainsi que la montre de poche dite "Cigale", qui en est l'application pratique, constituent une antériorité. Ils soutiennent qu'au regard de celle-ci, le brevet no 259 170 ne définit pas une invention nouvelle et, de plus, qu'en considération de l'état de la technique au jour du dépôt de la demande, état qui serait déterminé par le brevet Bapst et Falize, le brevet no 259 170 n'emporterait pas un progrès technique et ne procéderait pas non plus d'une idée créatrice. IV.1. Selon l'art. 4 LBI 1907, ne sera pas réputée nouvelle l'invention qui, avant le dépôt de la demande, aura été divulguée en Suisse ou exposée, par des écrits ou des dessins, dans des publications se trouvant en Suisse, de manière à pouvoir être exécutée par des hommes de métier. Il suffit donc en principe que l'invention ait été exposée d'une façon quelconque et rendue accessible au public; peu importe que les gens du métier en aient effectivement pris connaissance et qu'elle ait été ou non insérée dans des publications où ils puisent, d'ordinaire, leurs informations. IV.2. Du point de vue de la nouveauté, le brevet Bapst et Falize pourrait en tout cas exclure la validité du brevet no 259 170 du fait qu'il a été divulgué en Suisse dans l'acception que ce terme prend à l'art. 4 LBI 1907 et que l'on vient de définir. Premièrement, en effet, trois exemplaires de la montre Cigale ont été périodiquement exposés en vitrine, à Genève, par la maison Vacheron et Constantin et ont été vendus, l'un en 1910, les deux autres en 1923. Secondement, un résumé en anglais du brevet américain de Bapst et Falize a été publié et se trouve à la disposition du public à la bibliothèque de l'Ecole polytechnique fédérale depuis le 21 octobre 1900 au moins; cette publication est assez explicite pour que l'homme du métier puisse exécuter l'objet du brevet. Ces deux faits constituent, à eux seuls, une divulgation suffisante, de sorte qu'il n'est pas nécessaire de rechercher ce qu'il en est à cet égard de la publication BGE 94 II 319 S. 323 - ignorée avant la présente procédure - d'une description de la montre Cigale dans la revue "La Nature", qui se trouve dans quinze bibliothèques publiques, en Suisse. IV.3. Selon la doctrine et la jurisprudence constante, l'invention est réputée nouvelle tant qu'une antériorité, fût-elle divulguée, n'en fournit pas, prise isolément, tous les éléments constitutifs. Pour qu'elle exclue la nouveauté, il faut que l'antériorité pose le même problème et le résolve d'une façon identique dans tous les éléments nécessaires à l'homme du métier. Il doit y avoir identité des éléments constitutifs du brevet (RO 58 II 69 s.; BLUM et PEDRAZZINI, n. 7 ad art. 7 LBI, p. 344; TROLLER, Immaterialgüterrecht, t. I, p. 203). La divulgation étant prise, à l'art. 4 LBI 1907, dans un sens très large, il est juste, en revanche, d'exiger que les éléments constitutifs des deux inventions comparées soient strictement identiques. Se fondant sur l'avis des experts judiciaires, l'autorité cantonale a admis que les brevets Bapst et Falize, divulgués comme on l'a dit plus haut, excluaient la nouveauté du brevet no 259 170, lequel n'innoverait que par la réduction d'une montre de poche au calibre d'une montre-bracelet, réduction qui serait à la portée d'un homme du métier. C'est là une appréciation juridique reposant sur des constatations de fait d'ordre technique, que le Tribunal fédéral revoit librement de par l'art. 67 OJ. La cour recherchera donc s'il y a identité entre les éléments constitutifs de l'un et l'autre brevet. IV.4. a) Le mécanisme qui provoque la vibration de la membrane diffère dans les deux montres (Cigale et Cricket); il est hors de cause, car il ne fait pas l'objet du brevet. b) Les montres, objets des deux brevets, diffèrent par leurs dimensions. Les experts estiment cependant que, sur la base du brevet Bapst et Falize tel qu'il a été divulgué en Suisse, l'homme du métier est en mesure d'exécuter, au lieu de la montre de poche décrite, une montre-bracelet, c'est-à-dire un mouvement d'un calibre très sensiblement inférieur. C'est là un point de fait de nature technique. La cour n'a cependant aucune raison de révoquer en doute les constatations des experts, ni d'ordonner un complément d'instruction à cet égard, complément qui n'est du reste pas requis (RO 91 II 70 s.). Du fait qu'un homme du métier pouvait, sur la base de ce qu'on avait divulgué du brevet Bapst et Falize, reproduire la montre de poche à une échelle réduite pour en faire une montrebracelet, BGE 94 II 319 S. 324 seul point décisif pour la nouveauté, il ne suit du reste pas encore que le modèle ainsi réduit présenterait les mêmes qualités techniques. A cet égard, par conséquent, la recourante allègue en vain que, si l'on diminuait d'un tiers environ la surface de la membrane acoustique, la sonorité en serait réduite au point que le fonctionnement du dispositif d'alarme ne serait pratiquement plus du tout audible. c) Sur une autre question, en revanche, les deux inventions diffèrent nettement l'une de l'autre. Selon le brevet no 259 170, la membrane acoustique sert en même temps de fond à la montre; sa fonction est d'assurer à la fois l'étanchéité de la boîte et de propager avec un rendement élevé les vibrations sonores. Dans le brevet Bapst et Falize, la membrane sonore est, au contraire, fixée à la cuvette, qui est ajourée pour laisser passer le son; un couvercle ajouré lui aussi, s'y ajoute encore. Du côté opposé au cadran, le mouvement de la montre Cigale est ainsi couvert par trois organes successifs, tandis qu'il n'y en a que deux dans la montre Cricket, la membrane sonore et le fond étant combinés en une seule pièce. Sans doute, dans la montre Cigale, la membrane acoustique, sertie sur le bord de la cuvette, assure-t-elle en fait une certaine étanchéité. Mais, de l'avis des experts judiciaires, elle ne remplit cette fonction que partiellement. Dans la montre Cricket, en revanche, la membrane sonore, du fait qu'elle réalise une étanchéité - dont on ne se préoccupait nullement à l'époque où Bapst et Falize ont pris leur brevet - constitue quelque chose de nouveau, de différent par rapport à la prétendue antériorité. Peu importe, du point de vue de la nouveauté, que, comme le relèvent les experts, cette modification fût commandée par l'abandon de la cuvette dans la montre moderne. d) Le brevet Bapst et Falize ne s'occupe que de la vibration de la membrane acoustique; il est muet sur les moyens qui permettraient de transmettre cette vibration à l'air ambiant. Cette transmission, au contraire, est gênée par le couvercle. De plus, le même brevet ignore le problème de la protection de la membrane; l'existence d'une cuvette éliminait le problème. La revendication du brevet no 259 170, en revanche, pose ces deux questions. Les moyens employés pour les résoudre sont exposés dans la description qui est jointe à la revendication et se réfère à deux dessins, l'un en plan, l'autre en coupe: la membrane acoustique avec le couvercle de la montre (qui joue, BGE 94 II 319 S. 325 lui aussi le rôle d'organe protecteur) et le volume d'air compris entre eux constituent un petit résonateur. e) Vu ces différences, qui portent sur les éléments constitutifs des deux objets brevetés, on ne saurait admettre que ces objets soient identiques. Partant, la solution adoptée, sur ce point, par la cour cantonale repose sur une application erronée de l'art. 4 LBI 1907. Au contraire de ce qu'a jugé cette cour, le brevet no 259 170 définit un objet nouveau. V.1. Pour que l'objet d'un brevet constitue une invention, il ne suffit pas qu'il soit nouveau; il faut encore qu'il réalise un progrès technique clairement reconnaissable et essentiel dans le domaine qu'elle concerne. Pour juger si cette condition est remplie, on compare l'état de la technique avant et après le dépôt du brevet litigieux. Enfin, l'objet du brevet doit procéder d'une idée créatrice, d'un certain degré d'originalité, le niveau inventif. Ici encore, il faut se référer à l'état de la technique et rechercher si un homme du métier, possédant une bonne formation et connaissant ainsi l'état de la technique, était capable de réaliser l'invention, grâce à son expérience et à ses capacités, par un effort intellectuel normal (RO 85 II 138 et 513 et les arrêts cités). V.2. Pour son appréciation du progrès technique et du niveau inventif, la cour cantonale s'est fondée sur l'état de la technique résultant de la description de la montre Cigale, parue dans la revue "La Nature", en 1890. Elle a jugé à bon droit que si c'est bien ce critère qui détermine l'état de la technique au jour du dépôt de la demande, le brevet no 259 170 n'entraîne pas un progrès technique et n'atteint pas non plus un niveau inventif suffisant. Mais elle a constaté aussi que la publication parue dans la revue "La Nature", touchant la montre Cigale, était le seul élément qui justifiait cette conclusion. Si l'on fait abstraction de cet article, en revanche, il faut admettre que le brevet no 259 170 apporte un progrès technique et une idée nouvelle répondant au niveau inventif indispensable. Les défenderesses, en effet, n'ont offert aucune autre preuve que la montre Cigale et leur démonstration repose uniquement sur sur cette base. Quant à l'expertise, elle se ramène tout entière à une appréciation du brevet no 259 170 par référence à la montre Cigale. BGE 94 II 319 S. 326 Le jugement attaqué ne pourra donc subsister que si la cour cantonale s'est fondée sur une juste notion de l'état de la technique et du niveau inventif en faisant intervenir, pour en juger, la publication relative à la montre Cigale dans la revue "La Nature", en 1890. V.3. Dans son arrêt du 14 novembre 1961, rendu dans une cause qui opposait la présente demanderesse et recourante à Enicar SA (RO 87 II 269), le Tribunal fédéral a défini l'état de la techique dans les termes suivants: "Une antériorité peut consister, selon l'art. 4 LBI de 1907, dans une realisation ou une publication antérieure ignorée ou complètement oubliée des techniciens. Cette disposition introduit donc, en matière de nouveauté, une notion de l'état de la technique qui est une pure fiction (BLUM/PEDRAZZINI, Das schweiz. Patentrecht I ad art. 7, rem. 6 p. 342; TROLLER, Immaterialgüterrecht I p. 202 et ss.). " Il n'en est pas de même dans le domaine du progrès techique et du niveau inventif, Ici, l'état de la technique s'apprécie selon les connaissances effectives des hommes du métier. On ne doit tenir compte d'une invention antérieure que si elle a réellement exercé une influence sur l'état de la technique. Lors donc que, par exemple, une publication n'a pas été divulguée ou est tombée dans l'oubli, on ne peut la prendre en considération pour juger si l'objet d'un brevet litigieux constitue une invention (MATTER, Aktuelle Fragen aus dem Gebiet des Patent- und des Patentprozessrechtes, RDS 1944, p. 30 a; TROLLER, op.cit., p. 199)". TROLLER, dans la 2e édition de l'ouvrage précité (p. 220), a souscrit à cette jurisprudence. On recherchera donc, en l'espèce, si l'invention de Bapst et Falize a réellement exercé une influence sur l'état de la technique et faisait partie des connaissances effectives de l'homme du métier. V.4. Lorsqu'un périodique largement diffusé dans les milieux techniques décrit un procédé ou un mécanisme nouveau, on peut présumer que les techniciens en ont pris connaissance et que ce procédé ou ce mécanisme s'est inséré dans l'état de la technique. Mais la présomption n'existe pas lorsque la description remonte à de nombreuses années et n'a eu aucune influence sur la technique (très nettement dans ce sens; MATTER, loc.cit.; cf. GRUR Ausl. 1965 p. 577). V.5. En l'espèce, la cour cantonale, suivant l'avis des experts, BGE 94 II 319 S. 327 admet que l'existence, en Suisse, depuis 1902, d'une ou plusieurs montres de poche Cigale n'était apparemment connue que de quelques personnes et que l'on n'en saurait conclure que tout homme du métier devait en être informé. En revanche, de l'avis de cette même cour, tel n'est pas le cas de la description de la montre Cigale parue dans "La Nature", et cela à cause de la large diffusion de cette revue. C'est en raison de cet unique "fait nouveau" que la cour cantonale a admis que la montre Cigale avait exercé une influence sur l'état de la technique et que, partant, le brevet no 259 170 n'avait pas entraîné de progrès technique. Cependant, la publication, dans la revue "La Nature", est antérieure de plus de cinquante ans au dépôt de la demande de brevet. De plus, même si cette revue est largement répandue et accessible au public dans plusieurs bibliothèques, en Suisse, elle n'est cependant pas spécialisée dans les problèmes de l'horlogerie ou, plus généralement, de la mécanique. Elle s'occupe de toutes les sciences, de la géographie à la botanique et à la biologie; c'est une revue de culture scientifique générale. Ce n'est pas là que le technicien de l'horlogerie, au cours de recherches, ira puiser sa documentation technique spéciale. La cour cantonale n'a pas constaté et les défenderesses ne semblent pas avoir tenté de prouver que la publication touchant la montre Cigale eût encore été connue de quiconque lors du dépôt de la demande. Au surplus, le jugement déféré rappelle lui-même que Guye, directeur de l'Ecole d'horlogerie de La Chaux-de-Fonds, un des meilleurs connaisseurs de l'état de la technique horlogère, chargé par le Département fédéral de l'économie publique d'examiner la valeur du mécanisme breveté sous le no 259 170, n'a pas mentionné le brevet Bapst et Falize au nombre de ceux qu'il cite dans le domaine des montresréveils; il paraît ne pas le connaître. V.6. Sans doute, il importerait peu que la publication fût oubliée et que l'auteur de l'invention eût sombré dans l'oubli si l'invention, elle, se fût imposée dans la pratique et eût été effectivement connue des horlogers, en 1943. Or, bien au contraire, selon les faits constants, la publication dans la revue "La Nature" n'a pas eu d'influence sur la technique ou, tout au moins, n'en avait plus aucune au mois de septembre 1943 lorsque la demande de brevet fut déposée (montre Cricket). A ce moment en effet et depuis un certain nombre d'années, BGE 94 II 319 S. 328 selon le jugement attaqué, plusieurs fabriques d'horlogerie importantes s'étaient attaquées, sans parvenir à le résoudre, au problème de la montre-bracelet-réveil. Aucune solution n'avait été trouvée. Divers systèmes ont été proposés dans ce domaine, fondés sur des techniques différentes, allant jusqu'à l'avertisseur tactile; mais ils n'ont eu aucun succès. De plus, la forte sonorité de la montre Cricket a surpris le monde horloger. Par la réalisation de cette montre, la recourante a vaincu un préjugé technique, les gens du métier ne pensant pas que l'on pût obtenir un son aussi intense d'un dispositif acoustique logé dans une boîte de petites dimensions. Enfin, dès son apparition sur le marché, la montre Cricket a été contrefaite par de nombreux fabricants, qui en ont produit des dizaines de milliers d'exemplaires. Ces faits prouvent qu'au mois de septembre 1943, les connaissances effectives des hommes du métier ne permettaient pas de résoudre convenablement le problème de la montre-braceletréveil. Ils établissent de façon manifeste que le procédé Bapst et Falize, qui, selon la cour cantonale, met à la portée de l'homme du métier la solution de ce problème, n'avait, en réalité, exercé aucune influence sur l'état de la technique et ne faisait pas partie des connaissances effectives de l'homme du métier. Sur ce point, par conséquent, l'arrêt entrepris se fonde sur une conception erronée de l'état de la technique. Car on ne saurait tenir compte, pour déterminer cet état, de publications qui, comme celle de la revue "La Nature", étaient totalement tombées dans l'oubli, d'où on les a tirées pour les fins d'un procès relatif à un brevet (MATTER, loc.cit.). Dans la présente espèce, la profondeur de l'oubli où était tombée la description de la montre Cigale se mesure à la peine que l'on a eue à la redécouvrir; ce n'est qu'au troisième procès, plus d'une dizaine d'années après les nombreuses mises en garde et démarches diverses de la recourante, que les défenderesses sans doute actives et disposant de moyens de recherche efficaces, ont pu alléguer ce fait nouveau. Du reste, la nouveauté du fait, à elle seule, prouve que les hommes du métier l'ignoraient.
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3,262
Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: 1. Admet le recours, annule l'arrêt attaqué et renvoie la cause à l'autorité cantonale pour nouvelle décision.
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de
Sachverhalt ab Seite 369 BGE 97 II 369 S. 369 In einem Scheidungsprozess hat die letzte kantonale Instanz die Klage der Ehefrau abgewiesen, ohne verschiedene von der Klägerin angerufene Zeugen zu vernehmen. In Gutheissung der Berufung der Klägerin hat das Bundesgericht das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur Vornahme der notwendigen Beweisergänzungen und zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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Erwägungen Aus den Erwägungen: Die Klägerin hat ein vom 29. Januar 1969 datiertes Arztzeugnis von Dr. X. zu den Akten gegeben und dessen Einvernahme als Zeuge verlangt. Dieser Antrag wurde vom Obergericht BGE 97 II 369 S. 370 abgelehnt mit dem Hinweis, dass Ärzte über die von ihnen in einem ärztlichen Zeugnis festgehaltenen medizinischen Befunde nur beim Vorliegen besonderer Gründe als Zeugen einvernommen würden. Im vorliegenden Fall sei kein solcher Grund gegeben. Soweit das ärztliche Zeugnis von Dr. X. auch Feststellungen nichtmedizinischer Art enthalte, beruhe es nicht auf eigenen Wahrnehmungen, sondern auf Angaben der Klägerin. Hätte der Arzt über die Beziehungen der Parteien eigene Beobachtungen gemacht, dürfte er übrigens ohne Zustimmung des Beklagten nicht darüber aussagen, da diese Wahrnehmungen wohl unter das ärztliche Berufsgeheimnis fallen würden. Die Auffassung der Vorinstanz, wonach die Zustimmung des Ehemannes der Patientin notwendig wäre, um ihren Arzt vom Berufsgeheimnis zu entbinden, erscheint indessen als abwegig. Durch das Arztgeheimnis geschützt ist allein der Patient, hier also die Klägerin. Der Patient ist der Berechtigte im Sinne von Art. 321 Ziff. 2 StGB , welcher den Arzt vom Berufsgeheimnis befreien kann ( BGE 75 IV 75 Erw. 3; LOGOZ, Commentaire du code pénal suisse, Bd. II, N. 8 a zu Art. 321 StGB ). Das gleiche gilt auch im Zivilprozess (LEUCH, Kommentar zur Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 3. Aufl., N. 4 zu Art. 246 ZPO ; Luzern, Entscheidungen des Obergerichts oder Maximen, Bd. IX S. 580 f. Nr. 676). Die Befreiung des Arztes vom Berufsgeheimnis liegt hier schon in seiner Anrufung als Zeuge durch den Berechtigten (LEUCH, a.a.O.). Der vom Berufsgeheimnis befreite Arzt untersteht der allgemeinen Zeugnispflicht (Entscheidungen des Luzerner Obergerichts, a.a.O.). Abwegig ist demnach auch die im angefochtenen Urteil vertretene Ansicht, wonach Ärzte über die von ihnen in einem Zeugnis festgehaltenen medizinischen Befunde in der Regel nicht einvernommen werden. Das würde eine unzulässige Beschränkung der Beweisrechte des Patienten bedeuten. In dem bei den Akten liegenden ärztlichen Zeugnis weist Dr. X. darauf hin, dass er die häuslichen Verhältnisse der Parteien ziemlich gut kenne. Er betreute die Klägerin während Jahren und musste daher in der Lage sein, auch eigene Beobachtungen über die gegenseitigen Beziehungen der Parteien zu machen. Seine Einvernahme als Zeuge drängte sich daher auf. Die Vorinstanz hat diesem Beweisantrag grundsätzlich Folge zu leisten.
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2,024
de
Sachverhalt ab Seite 296 BGE 102 Ib 296 S. 296 Die Polizeidirektion des Kantons Zürich entzog Adrian Fatzer am 19. Juni 1975 den Führerausweis für die Dauer von zwei Monaten. Sie ging davon aus, dass er am 13. April 1975 auf der Autobahn bei Kilchberg sein Fahrzeug nicht beherrscht hatte. Der Regierungsrat des Kantons Zürich hielt auf Beschwerde hin die Massnahme, die er auf Art. 16 Abs. 2 SVG stützte, aufrecht. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt BGE 102 Ib 296 S. 297 Fatzer, es sei der Entscheid des Regierungsrates aufzuheben, eventuell sei eine Verwarnung auszusprechen. Ferner beantragt er, eventuell sei auf den Vollzug der Massnahme zu verzichten. Der Regierungsrat des Kantons Zürich und das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement beantragen Abweisung der Beschwerde. Das EJPD fügt bei, es habe gegen einen Verzicht auf den Vollzug der Massnahme nichts einzuwenden. Das Bundesgericht erachtet den Entzug des Führerausweises als gerechtfertigt und nimmt zur Frage des Vollzugsverzichtes wie folgt Stellung:
231
179
Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. a) Eventualiter beantragt der Beschwerdeführer, es sei auf die Vollstreckung des Führerausweisentzuges zu verzichten. Er stützt sich dabei auf die Praxis des EJPD, wonach ein fakultativer Warnungsentzug nicht mehr vollzogen wird, wenn seit der ihm zu Grunde liegenden Widerhandlung mehr als ein Jahr verstrichen ist und der Täter durch sein seitheriges Wohlverhalten gezeigt hat, dass er der Warnungsmassnahme nicht mehr bedarf (VPB 39/1975 Nr. 100). Nach dieser Praxis wären im vorliegenden Fall die Voraussetzungen gegeben, um auf einen Vollzug zu verzichten. Das EJPD unterstützt denn auch in seiner Vernehmlassung einen Verzicht auf den Vollzug der Massnahme. b) Das Bundesgericht hat bis jetzt zu dieser Praxis des EJPD nie Stellung nehmen müssen und hat die Frage offen gelassen, ob diese mit dem Gesetz vereinbar sei ( BGE 96 I 779 , Entscheid des Bundesgerichts vom 24.5.1972 i.S. T., in ZWallRspr. 1972, S. 445). Dabei wurde allerdings ausgeführt, es sei fraglich, ob die Behörden auf die Vollstreckung des Führerausweisentzuges verzichten könnten ( BGE 96 I 779 ). c) Der Verzicht auf den Vollzug des Führerausweisentzuges ist nicht eine Massnahme oder Modalität der Vollstreckung. Er ändert vielmehr mit einer neuen, selbständigen Verfügung zum Teil die ursprüngliche Entzugsverfügung ( BGE 97 I 605 f.). Diese wird zwar formell in Kraft gelassen und belastet damit den automobilistischen Leumund eines fehlbaren Lenkers. Sie erfährt aber eine Änderung, indem sie als nicht mehr vollziehbar erklärt wird. Die Änderung von Entzugsverfügungen durch Verzicht auf die Vollstreckung findet ihre Grundlage nicht im Gesetz. Darauf BGE 102 Ib 296 S. 298 ist bereits in der Doktrin hingewiesen worden (GYGI, Bundesrechtliche Rechtsmittel beim Entzug von Führerausweisen, in Rechtsprobleme des Strassenverkehrs, 1975, S. 127; STAUFFER, Der Entzug des Führerausweises, Diss. Bern 1966, S. 88 f.). d) Die nachträgliche Änderung oder Aufhebung von Verfügungen durch die Verwaltung ist jedoch nicht ausgeschlossen, wenn das betreffende Gesetz keinen Hinweis darauf enthält. Die Rechtsprechung und Doktrin haben vielmehr Kriterien entwickelt für die Anpassung einer ursprünglich fehlerfreien Verfügung an inzwischen eingetretene Tatsachen, für die Rücknahme von fehlerhaften Verfügungen und schliesslich für die Feststellung der Nichtigkeit. Der Verzicht auf den Vollzug des Führerausweisentzuges kann keiner dieser Fallgruppen zugeordnet werden. Am ähnlichsten ist er der Anpassung von Verfügungen an inzwischen eingetretene Tatsachen. Die Kriterien für diese Anpassung sind bei Verfügungen entwickelt worden, die dauernde Rechtsverhältnisse begründen und darum durch die zeitliche Entwicklung überholt werden können. Zudem bedeutet eine Anpassung einer Verfügung, wie sie von der Praxis entwickelt worden ist, meistens eine Verschlechterung der Rechtsstellung des Verfügungsadressaten, die u.U. mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes in Konflikt kommen kann. Darum wird in solchen Fällen eine Wertabwägung durchgeführt, auf Grund welcher eine Verfügung den neuen Verhältnissen angepasst wird, wenn das Interesse an der richtigen Anwendung des Rechtes dem Interesse an der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vorgeht. Beim Verzicht auf die Vollstreckung des Führerausweisentzuges ist die Problemlage jedoch anders. Erstens ist die Dauer der Massnahme in den meisten Fällen nicht so lang, dass es nötig werden kann, inzwischen eingetretene Tatsachen zu berücksichtigen. Zweitens handelt es sich beim Verzicht auf den Vollzug um eine Verbesserung der Stellung des Verfügungsadressaten. Aus diesem Grund dürfte die Rechtssicherheit und der Vertrauensschutz keine Rolle spielen. Der Verzicht auf den Vollzug des Führerausweisentzuges kann somit nicht dem Institut der Anpassung von Verfügungen, wie es von der Praxis entwickelt worden ist, zugeordnet werden. BGE 102 Ib 296 S. 299 Die Praxis des Vollzugsverzichtes beim Führerausweisentzug ist denn auch nicht als Ausgleich der Prinzipien der Rechtssicherheit, Vertrauensschutz und Legalität zu verstehen, sondern wurde durch die grossen Rückstände, die die Behörden bei der Behandlung von Beschwerden gegen solche Entzüge aufweisen, motiviert. Diese Rückstände entstehen zum Teil dadurch, dass die Administrativbehörden den Ausgang eines Strafverfahrens abwarten, bis sie selber entscheiden. Es ist denkbar, dass infolge dieser langen Rechtsmittelverfahren ein fehlbarer Fahrzeuglenker seinen Führerausweis noch Jahre nach einer Verkehrsregelverletzung zu deponieren hat. Es ist zwar verständlich, dass mit einem Verzicht auf den Vollzug versucht wurde, solche unbefriedigende Situationen für den fehlbaren Fahrzeuglenker zu mildern. Die Verwaltung darf aber auf Grund des Gesetzes verhängte Massnahmen nicht darum abändern, weil die Behandlung von Rechtsmitteln eine lange Zeit beansprucht hat. Bei den erwähnten Fallgruppen der Anpassung, Rücknahme und Feststellung der Nichtigkeit verlangt das Interesse an der Legalität die Änderung von Verfügungen. Im Fall des Verzichtes auf die Vollstreckung des Führerausweisentzuges verbietet aber gerade die Gesetzestreue eine Änderung einer Verfügung, während eine solche durch das Interesse an der Vermeidung der unbefriedigenden Folgen von langen Rechtsmittelverfahren motiviert ist. Ein solches Interesse kann jedoch nicht die Änderung von Massnahmen rechtfertigen, die auf gesetzliche Weise verhängt worden sind. e) Der Vollzugsverzicht ist vor allem auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit zu beanstanden (GYGI, a.a.O. S. 127). Fahrzeuglenker, die einen Führerausweisentzug nämlich ohne Ergreifen eines Rechtsmittels akzeptieren, gelangen nie in den Genuss eines Vollzugsverzichtes. Fehlbare Fahrzeuglenker jedoch, die alle ihnen zur Verfügung stehenden Rechtsmittel bis zur letzten Instanz benützen, werden den Vollzug des Führerausweisentzuges vielfach so lange hinauszögern können, bis ein Vollzugsverzicht bei gleichzeitigem Vorliegen der anderen vom EJPD verlangten Voraussetzungen in Frage kommt. Dies ist um so eher möglich, wenn die Administrativbehörden den Ausgang eines länger dauernden Strafverfahrens in der gleichen Sache abwarten, bevor sie über den Führerausweisentzug entscheiden. Der Vollzugsverzicht bevorzugt mit anderen Worten den BGE 102 Ib 296 S. 300 beschwerdefreudigen vor dem einsichtigen fehlbaren Lenker. Eine solche, im Gesetz nicht vorgesehene ungleiche Behandlung verletzt den Grundsatz der Rechtsgleichheit. f) Unzulässig ist es schliesslich, die Praxis des Verzichtes auf den Entzug des Führerausweises als Gewohnheitsrecht zu betrachten, wie dies von STAUFFER vorgeschlagen wird (a.a.O. S. 89). Einmal scheint die zeitliche Dauer der Praxis für eine Bildung von Gewohnheitsrecht sehr kurz. Entscheidend ist aber, dass das Bundesgericht mehrmals Vorbehalte zu dieser Praxis angebracht oder die Frage der Vereinbarkeit mit dem Gesetz zumindest offen gelassen hat. Die Praxis des Entzugsverzichtes kann bei dieser Lage nicht die opinio iuris et necessitatis für sich in Anspruch nehmen, die Voraussetzung für die Bildung von Gewohnheitsrecht wäre. g) Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass der Verzicht auf die Vollstreckung des Führerausweisentzuges eine Massnahme ist, die weder vom Gesetz noch durch die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts gerechtfertigt wird. Diese Praxis ist daher rechtswidrig und muss aufgegeben werden (so auch GYGI, a.a.O. S. 127).
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1,187
Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
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1,988
de
Sachverhalt ab Seite 94 BGE 114 V 94 S. 94 A.- Mit Verfügung vom 6. Februar 1986 verneinte die Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen den Anspruch des 1920 geborenen Wilhelm K. auf eine halbe Invalidenrente bei einem ab Dezember 1983 bestehenden Invaliditätsgrad von 44% mangels Vorliegens eines Härtefalles. Der Versicherte focht die - ausschliesslich an ihn gerichtete - Verfügung nicht an. In der Folge verlangte die Schweizerische Betriebskrankenkasse (SBKK), welche ihm bis zu seiner Pensionierung am 6. August 1985 für BGE 114 V 94 S. 95 720 Tage Krankengeld in der versicherten Höhe ausgerichtet hatte, mit Schreiben vom 14. Februar und 21. März 1986 die Zustellung einer Verfügung an sie. Die Ausgleichskasse kam diesem Begehren am 25. März 1986 nach. B.- Die SBKK erhob gegen die Verfügung der Ausgleichskasse am 4. April 1986 Beschwerde. Sie beabsichtigte, im Falle der Zusprechung einer Invalidenrente einen Teil des Krankengeldes infolge Überversicherung zurückzufordern. Sie verlangte daher die Herausgabe der IV-Akten und stellte vorsorglich das Begehren, es sei Wilhelm K. ab 1. Dezember 1983 eine halbe Invalidenrente zu gewähren. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen trat auf die Beschwerde mit Entscheid vom 2. Juli 1986 nicht ein. Dabei verneinte es die Beschwerdelegitimation der SBKK. C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die SBKK, es sei der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und ihr die Beschwerdelegitimation zuzuerkennen. Ausgleichskasse und Bundesamt für Sozialversicherung schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
644
267
Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Das Eidg. Versicherungsgericht hat von Amtes wegen zu prüfen, ob die Vorinstanz auf die Beschwerde der SBKK gegen die ablehnende Rentenverfügung der Ausgleichskasse zu Recht nicht eingetreten ist (vgl. BGE 112 V 83 Erw. 1 mit Hinweisen). Es stellt sich die Frage, ob die SBKK im Sinne der Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde im vorinstanzlichen Verfahren beschwerdebefugt war. Dabei ist die Beschwerdelegitimation der Krankenkasse unter dem Titel von Art. 103 lit. a OG zu prüfen. Denn sie verfolgt mit der Beschwerdeführung nicht nur ein öffentliches Interesse an der richtigen Durchführung der Kranken- und Invalidenversicherung, sondern - wie dies nach der Rechtsprechung für die Berechtigung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss lit. a von Art. 103 OG vorausgesetzt ist - wie ein Privater ein angeblich bestimmtes, eigenes finanzielles Interesse (vgl. BGE 113 Ib 32 Erw. 2, BGE 110 Ib 154 Erw. 1c und 197, BGE 108 Ib 170 ). a) Die Massstäbe, welche Art. 103 lit. a OG und die Praxis bezüglich der Beschwerdebefugnis im letztinstanzlichen Verfahren setzen, sind auch für das erstinstanzliche Beschwerdeverfahrenrichtungsweisend. BGE 114 V 94 S. 96 Im Hinblick auf die derogatorische Kraft des Bundesrechts und entsprechend dem Grundsatz der Einheit des Verfahrens dürfen nach der Rechtsprechung bei Streitigkeiten des Bundesverwaltungsrechts, die mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidg. Versicherungsgericht weitergezogen werden können, auf kantonaler Ebene an die Beschwerdebefugnis nicht strengere Anforderungen gestellt werden, als sie Art. 103 lit. a OG für die Legitimation zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorsieht. Wer gemäss Art. 103 lit. a OG im letztinstanzlichen Verfahren beschwerdebefugt ist, muss deshalb auch im kantonalen Rechtsmittelverfahren zum Weiterzug berechtigt sein ( BGE 112 Ib 173 Erw. 5a, BGE 111 V 350 Erw. 2b, ARV 1983 S. 41 Erw. 2b, je mit Hinweisen). b) Nach Art. 103 lit. a in Verbindung mit Art. 132 OG ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidg. Versicherungsgericht berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Die Rechtsprechung betrachtet als schutzwürdiges Interesse im Sinne von Art. 103 lit. a OG jedes praktische oder rechtliche Interesse, welches eine von einer Verfügung betroffene Person an deren Änderung oder Aufhebung geltend machen kann. Das schutzwürdige Interesse besteht somit im praktischen Nutzen, den die Gutheissung der Beschwerde dem Verfügungsadressaten verschaffen würde, oder - anders ausgedrückt - im Umstand, einen Nachteil wirtschaftlicher, ideeller, materieller oder anderweitiger Natur zu vermeiden, welchen die angefochtene Verfügung mit sich bringen würde. Das rechtliche oder auch bloss tatsächliche Interesse braucht somit mit dem Interesse, das durch die vom Beschwerdeführer als verletzt bezeichnete Norm geschützt wird, nicht übereinzustimmen. Immerhin wird verlangt, dass der Beschwerdeführer durch die angefochtene Verfügung stärker als jedermann betroffen sei und in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache stehe ( BGE 111 V 152 Erw. 2a, 350 Erw. 2b und 388 Erw. 1b). 3. a) Die Ausgleichskasse richtete ihre Verfügung vom 6. Februar 1986 an Wilhelm K. als einzigen Adressaten. Da der SBKK nicht die Stellung eines Adressaten zukommt, ist ihre Befugnis zur Beschwerde bei der Vorinstanz nicht unter dem Titel "Verfügungsadressat", sondern unter jenem eines "Nichtadressaten bzw. Drittbeschwerdeführers" zu beurteilen (vgl. in diesem Zusammenhang ARV 1983 S. 40 Erw. 2a). BGE 114 V 94 S. 97 b) Das Eidg. Versicherungsgericht hatte sich schon mehrmals mit der Frage zu befassen, ob ein Dritter beschwerdebefugt ist. In BGE 106 V 187 hat es entschieden, dass ein Rückversicherungsverband nicht berechtigt ist, den Entscheid eines kantonalen Versicherungsgerichts anzufechten, der eine dem Verband angeschlossene Krankenkasse zu Leistungen an einen Versicherten verpflichtete. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Möglichkeit, dass die Belastung der Krankenkasse eventuell eine Ausgleichspflicht des Verbandes auslösen könnte, bestehe bloss theoretisch und hänge von verschiedenen, derzeit weitgehend noch unbekannten und nicht voraussehbaren Faktoren ab; aus diesem Grunde liege kein hinreichendes prozessuales Rechtsschutzinteresse vor. Ebenfalls verneint wurde die Beschwerdebefugnis des Gläubigers eines verstorbenen Versicherten, den die Arbeitslosenkasse in der Anspruchsberechtigung eingestellt hatte; das Interesse des Gläubigers, allfällige Nachzahlungen aus der Arbeitslosenversicherung mit seinem Guthaben gegenüber dem Verstorbenen verrechnen zu können, wurde als bloss mittelbar bezeichnet (ARV 1980 S. 61). Sodann hat das Eidg. Versicherungsgericht unter der Herrschaft des alten, bis Ende 1983 geltenden Rechts zur Arbeitslosenversicherung erkannt, dass der Arbeitgeber durch die Einstellung seiner Arbeitnehmer in der Anspruchsberechtigung zwar mehr als irgendein Dritter berührt sei, aber grundsätzlich kein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung einer den Anspruch auf Leistungen seiner Arbeitnehmer betreffenden Verfügung hat. Sein Interesse wurde als nicht unmittelbar und auch zu wenig konkret erachtet. Hinzu kam, dass die erfolgreiche Anfechtung einer Verfügung, welche Leistungen an den Arbeitnehmer verweigert, dem Arbeitgeber ohnehin praktisch nicht viel nützen würde. Denn er kann den Arbeitnehmer nicht dazu verhalten, auf den vertraglichen Lohn zu verzichten und statt dessen den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung bei der Arbeitslosenkasse und gegebenenfalls auch auf dem Beschwerdeweg geltend zu machen. Ohne oder gegen den Willen des versicherten Arbeitnehmers hat die Arbeitslosenversicherung keine Leistungen zu erbringen (ARV 1983 S. 38). Ferner wurde die Beschwerdelegitimation des Arbeitgebers mangels eines schutzwürdigen Interesses verneint bezüglich einer Verfügung, womit eine Ausgleichskasse die Rückerstattung von Beiträgen anordnete, welche zu Unrecht von Personen bezahlt wurden, die der AHV als Versicherte ohne beitragspflichtigen Arbeitgeber unterstellt worden sind ( BGE 110 V 165 ). Im weiteren BGE 114 V 94 S. 98 wurde einer Durchführungsstelle die Beschwerdelegitimation hinsichtlich Eingliederungsmassnahmen für Versicherte abgesprochen. Zur Begründung führte das Eidg. Versicherungsgericht aus, die Durchführungsstelle sei zwar durch die Kassenverfügung berührt, mit welcher die Invalidenversicherung die Übernahme der Kosten des im Ergotherapie-Zentrum absolvierten Haushalttrainings ablehnte. Indessen könne ihr ein schutzwürdiges Interesse an der Beschwerdeerhebung nicht zugebilligt werden, da sie in keiner näheren Beziehung zur Versicherten stehe. Ausserdem gestatte Art. 103 lit. a OG nicht jedem beliebigen Gläubiger, die Rechte des Versicherten in seinem eigenen Namen geltend zu machen (ZAK 1979 S. 122). Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangte das Eidg. Versicherungsgericht auch in einem Fall, in welchem eine Nichte die Rückerstattung eines Teils der für ihre Tante übernommenen Krankheitskosten zu deren Lebzeiten verlangte. Da die Nichte nach Art. 328 Abs. 1 ZGB nicht verpflichtet war, ihre Tante zu unterstützen, war sie bezüglich des Anspruches auf Rückerstattung der von ihr erbrachten Leistungen nur als Gläubigerin zu betrachten. Sie war daher nicht berechtigt, im erstinstanzlichen Verfahren die Nichtberücksichtigung von Behandlungskosten und Medikamenten bei der Prüfung des Anspruchs ihrer Tante auf Ergänzungsleistungen anzufechten. Denn mit Art. 103 lit. a OG - sinngemäss anwendbar im erstinstanzlichen Verfahren - wollte der Gesetzgeber sicherlich nicht jeden beliebigen Gläubiger eines Versicherten ermächtigen, seine Rechte stellvertretend geltend zu machen ( BGE 101 V 120 ). c) Schliesslich ist auf Art. 76 Abs. 1 lit. h IVV hinzuweisen, wonach die Verfügung der Ausgleichskasse der vom Bund anerkannten Krankenkasse in den Fällen von Artikel 88quater zuzustellen ist. Absatz 1 dieser Verordnungsbestimmung lautet: Hat eine Krankenkasse dem Sekretariat der zuständigen Kommission mitgeteilt, dass sie für einen ihr gemeldeten Versicherten Kostengutsprache oder Zahlung geleistet habe, so ist ihr die Verfügung der Ausgleichskasse über die Zusprechung oder Ablehnung medizinischer Massnahmen zuzustellen. Art. 88quater Abs. 2 IVV ordnet an: Lehnt die Versicherung medizinische Massnahmen ganz oder teilweise ab und würde deswegen die Krankenkasse leistungspflichtig, so kann diese die entsprechende Verfügung der Ausgleichskasse selbständig mit den in Artikel 69 IVG vorgesehenen Rechtsmitteln anfechten. BGE 114 V 94 S. 99 Die Verfügung der Ausgleichskasse über die Zusprechung oder Ablehnung von Invalidenrenten ist nach dieser Regelung der Krankenkasse nicht zuzustellen, und auch die Anfechtung einer ablehnenden Rentenverfügung durch die Krankenkasse ist nach der erwähnten Ordnung nicht vorgesehen. Hätte der Bundesrat das Beschwerderecht der Krankenkassen ausdehnen wollen, so hätte er hiezu Gelegenheit gehabt, als er am 20. Dezember 1982 die Verordnung über die Unfallversicherung und gleichzeitig Art. 76 Abs. 1 lit. e IVV erliess. Danach ist die Verfügung der Ausgleichskasse u.a. dem zuständigen Unfallversicherer zuzustellen, sofern er dem Versicherten Leistungen erbringt. Zwar kann eine anerkannte Krankenkasse nach Art. 68 Abs. 1 lit. c UVG auch ein "zuständiger Unfallversicherer" im Sinne von Art. 76 Abs. 1 lit. e IVV sein. Indessen hat der Bundesrat Art. 76 Abs. 1 lit. h IVV nicht geändert und damit eine Unterscheidung getroffen bezüglich des Beschwerderechts der Krankenkassen, je nachdem, ob sie als Unfallversicherer oder als Krankenversicherer handeln. d) Art. 88quater Abs. 2 IVV , gemäss welchem Krankenkassen Verfügungen der Ausgleichskassen bezüglich medizinischer Massnahmen anfechten können, stützte sich zunächst auf lit. b des nunmehr aufgehobenen Art. 45bis IVG mit dem Randtitel "Verhältnis zur Krankenversicherung" (in Kraft vom 1. Januar 1968 bis 31. Dezember 1978), welche Bestimmung wie folgt gelautet hatte: Der Bundesrat regelt das Verhältnis zur Krankenversicherung, insbesondere: a. hinsichtlich der Rückerstattung der Kosten von medizinischen Massnahmen, die von einer vom Bund anerkannten Krankenkasse bezahlt worden sind und nachträglich von der Invalidenversicherung übernommen werden; b. hinsichtlich der Anfechtung von Verfügungen der Ausgleichskassen durch die vom Bund anerkannten Krankenkassen in Fällen, in denen diese für Kosten medizinischer Massnahmen Gutsprache erteilt oder vorläufig Zahlung geleistet haben. Der Bundesrat, welcher von der an ihn delegierten Kompetenz Gebrauch machte, beschränkte in Art. 88quater Abs. 2 IVV das Beschwerderecht der Krankenkassen gegen ablehnende Verfügungen der Invalidenversicherung bewusst auf medizinische Massnahmen, obwohl der Ausdruck "insbesondere", welcher am Anfang der Delegationsnorm in Art. 45bis IVG stand, es ihm gestattet hätte, das Beschwerderecht der Krankenkassen auszudehnen (vgl. ZAK 1968 S. 42 ff.). BGE 114 V 94 S. 100 Art. 45bis IVG mit dem Marginale "Verhältnis zu anderen Sozialversicherungszweigen" in der neuen, seit 1. Januar 1979 in Kraft stehenden Fassung lautet: Der Bundesrat ordnet das Verhältnis zu den anderen Sozialversicherungszweigen und erlässt ergänzende Vorschriften zur Verhinderung von Überentschädigungen beim Zusammenfallen von Leistungen. Der Wortlaut dieser neuen, weiter gefassten Delegationsnorm hätte den Bundesrat zweifellos berechtigt, das Beschwerderecht der Krankenkassen extensiver zu regeln. Wenn er dennoch davon abgesehen hat, so nicht deshalb, weil er diese Möglichkeit übersehen hätte, wie dies von der Beschwerdeführerin behauptet wird. Vielmehr ist von einem qualifizierten Schweigen des Verordnungsgebers auszugehen, welches eine Lückenfüllung oder analoge Anwendung von Art. 88quater Abs. 2 IVV im Sinne ihrer Ausführungen ausschliesst. Namentlich kann auch nicht angenommen werden, der Bundesrat wäre im Hinblick auf die Neufassung des Art. 45bis IVG verpflichtet gewesen, das Recht der Krankenkassen auf Beschwerde gegen Verfügungen der Invalidenversicherung umfassender auszugestalten, als dies in der geltenden Regelung vorgesehen ist. e) Die SBKK hat ein rein pekuniäres Interesse an der Beschwerdeführung, indem sie davon ausgeht, im Falle einer Rentenzusprechung durch gerichtlichen Entscheid von Wilhelm K. ihre erbrachten Krankengeldleistungen infolge Überversicherung teilweise zurückfordern zu können. Dieses Interesse im Hinblick auf eine mögliche - nicht näher substantiierte - Überversicherung erweist sich nicht als schützenswert, weil es nicht unmittelbar und auch zu wenig konkret im Sinne der dargelegten Rechtsprechung ist. Insbesondere kann die Beschwerdelegitimation auch nicht mit dem Bemühen um Verhinderung einer Überversicherung begründet werden. Denn eine Überversicherung würde ja allenfalls überhaupt erst entstehen, wenn die Beschwerdeerhebung zu einer Rentenzusprechung führt. Das Interesse der Beschwerdeführerin, durch (erfolgreiche) Beschwerdeführung gegebenenfalls eine Überversicherung auszulösen und diese dann durch Rückforderung der erbrachten eigenen Versicherungsleistungen wieder zu beseitigen, vermag den praxisgemäss an das erforderliche Rechtsschutzinteresse gestellten strengen Anforderungen nicht zu genügen (vgl. hiezu GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., 1983, S. 161 f.). Begründet die bloss theoretische Möglichkeit einer eventuellen finanziellen Entlastung kein hinreichendes prozessuales BGE 114 V 94 S. 101 Rechtsschutzinteresse (vgl. BGE 106 V 187 ), so verneinte die Vorinstanz die Beschwerdelegitimation der SBKK als "Drittbeschwerdeführerin" zu Recht. Sie trat somit richtigerweise auf die Beschwerde nicht ein, was zur Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde führt.
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Sachverhalt ab Seite 335 BGE 114 Ib 334 S. 335 La société L'Energie de l'Ouest-Suisse S.A. (ci-après: EOS) est engagée dans la construction d'une ligne électrique aérienne à haute tension de 380 kV reliant Galmiz à Verbois. Prévu dans la campagne en arrière du vignoble de La Côte jusqu'à la hauteur de Vinzel, le tracé de cette ligne traverse ensuite le haut du coteau pour rejoindre la région de Begnins. En octobre 1986, Franz Weber a lancé une initiative cantonale intitulée "Sauvez la Côte" exigeant que le canton de Vaud intervienne pour que toute nouvelle ligne à haute tension (ou agrandissement de ligne) soit enterrée à partir du 1er janvier 1987. Cette initiative a été très nettement rejetée par le peuple vaudois lors des votations du 28 juin 1987. A l'occasion du lancement de l'initiative, la télévision suisse romande a présenté, au cours de l'émission "Téléjournal" du 23 octobre 1986 à 19 h 30, un bref reportage de 4 minutes et demie consacré à l'éventuelle mise sous terre de la ligne électrique. Parlant au nom d'EOS, son directeur, Jean Remondeulaz, a mis l'accent sur les difficultés techniques et le coût jugé prohibitif d'un tel projet; Franz Weber et Chaïm Nissim ont eu l'occasion d'exposer leur avis en faveur d'une ligne souterraine. L'élément central du reportage était constitué par un dossier émanant de la société Pirelli qui démontrerait la faisabilité d'une mise sous terre des câbles à haute tension. A l'issue de l'émission, il fut annoncé aux téléspectateurs que la télévision consacrerait un "dossier" au même sujet le samedi suivant. Le 25 octobre 1986, le "Téléjournal" a présenté le reportage comme indiqué. D'une durée inférieure à 6 minutes et demie, il aborde principalement la question des répercussions négatives de la ligne aérienne sur le paysage, en exposant les sentiments ressentis par quelques personnes choisies. Parmi les opposants, outre Franz Weber, un géographe et un vigneron ont exprimé leur émotion. Paul de Weck, sous-directeur d'EOS, a été, quant à lui, appelé à décrire très brièvement l'importance et la nécessité de la ligne litigieuse. Le 21 novembre 1986, EOS a saisi l'Autorité indépendante d'examen des plaintes en matière de radio-télévision (ci-après: BGE 114 Ib 334 S. 336 l'Autorité de plainte) en soutenant que les émissions des 23 et 25 octobre 1986 ont violé les règles de l'art. 13 de la concession du 27 octobre 1964/22 décembre 1980 dont bénéficie la Société suisse de radiodiffusion et télévision, notamment celles relatives à l'objectivité. Le 23 décembre 1986, EOS a déposé une plainte complémentaire visant l'émission "Journal romand" du 25 novembre 1986; alors qu'il commentait l'approbation d'un rapport favorable à la ligne aérienne par le Grand Conseil vaudois, un journaliste avait lié la construction de la ligne à l'énergie nucléaire en affirmant que l'abandon de ligne risquait de mettre en échec tout le programme nucléaire. Selon EOS, cette affirmation constituerait une tromperie inadmissible du public. Par décision du 16 avril 1987, l'Autorité de plainte a estimé que, bien qu'elles aient été parfois maladroites, les émissions litigieuses n'avaient pas transgressé l'art. 13 de la concession. Agissant en temps utile par la voie du recours de droit administratif, EOS demande au Tribunal fédéral de réformer la décision du 16 avril 1986 "en constatant que les émissions Téléjournal de la TSR des 23 et 25 octobre 1986 et Journal romand du 25 novembre 1986 ont violé la règle d'objectivité posée par l'art. 13 de la concession". Considérant que l'Autorité de plainte a restreint son pouvoir de cognition d'une manière contraire au droit fédéral, la recourante reprend pour l'essentiel les arguments formulés devant l'instance inférieure. Elle se plaint tout d'abord du non-respect du principe d'équilibre, les opposants à la ligne aérienne ayant disposé à ses yeux d'un temps de parole trop important par rapport à son propre temps d'antenne. Elle soutient par ailleurs que les interviews de ses représentants ont été recueillies et présentées d'une façon contraire aux règles de la déontologie et que des images ont été manipulées au profit d'une des thèses en présence. Enfin, s'agissant particulièrement du "Journal romand", la recourante réitère ses critiques relatives à une tromperie du public. Dans leurs observations respectives, l'autorité intimée et la Société suisse de radiodiffusion et télévision ont conclu au rejet du recours. Le 9 mars 1988 a eu lieu une audience d'instruction au cours de laquelle la délégation du Tribunal fédéral a procédé au visionnement des émissions litigieuses ainsi qu'à l'interrogatoire des parties. BGE 114 Ib 334 S. 337 A l'issue d'un second échange d'écritures, les parties ont maintenu leurs conclusions.
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Erwägungen Considérant en droit: 1. a) Dans la mesure où la recourante est directement touchée par les émissions contestées et remplit, par conséquent, les conditions posées par l' art. 103 lettre a OJ , le recours de droit administratif qu'elle forme est recevable en vertu de la disposition particulière de l'art. 25 de l'arrêté fédéral du 7 octobre 1983 sur l'Autorité indépendante d'examen des plaintes en matière de radio-télévision (RS 784.45; ci-après: l'arrêté fédéral; cf. 111 Ib 296 consid. 1b). b) Selon l' art. 104 OJ , le recours de droit administratif peut être formé pour violation du droit public fédéral, pour excès ou abus du pouvoir d'appréciation (lettre a) ainsi que pour constatation incomplète ou inexacte des faits (lettre b). En revanche, sauf dans les cas exceptionnels visés par l'art. 104 lettre c OJ - non réalisés en l'espèce -, un recourant ne peut pas se plaindre de l'inopportunité de la décision attaquée, c'est-à-dire d'une simple erreur d'appréciation de l'autorité intimée (cf. Archives 48, p. 345 consid. 2). c) Bien que l'Autorité de plainte soit indépendante de l'administration, ses décisions concernant les émissions de la Société suisse de radiodiffusion et télévision ne sont pas prises sur recours, mais en première instance: elle ne peut dès lors être mise au bénéfice de l' art. 105 al. 2 OJ qui limite le pouvoir d'examen du Tribunal fédéral sur les questions de fait lorsque les constatations en la matière émanent d'une commission de recours. Le Tribunal fédéral peut donc revoir d'office les constatations de fait de l'autorité intimée ( art. 105 al. 1 OJ ; cf. dans ce sens ATF 108 Ib 274 consid. 2a). Certes la question du pouvoir d'examen du Tribunal fédéral sur les faits apparaît plus délicate lorsque l'Autorité de plainte statue, en application de l'art. 16 de l'arrêté fédéral, sur des émissions de diffuseurs locaux dans la mesure où ces derniers disposent déjà de leur propre autorité de contrôle. Toutefois, cette hypothèse n'étant pas réalisée en l'espèce, rien ne justifie de trancher d'ores et déjà la question. d) Sur le plan juridique, le Tribunal fédéral vérifie d'office l'application du droit public fédéral. Il se prononce librement sur BGE 114 Ib 334 S. 338 le respect de la concession et en particulier sur l'objectivité des émissions. Il n'a pas en revanche à contrôler si les directives des diffuseurs en matière de programmes ou les règles de déontologie applicables à la profession de journaliste ont été observées. Il n'en tiendra compte que dans la mesure où ces règles permettent une interprétation plus précise des notions contenues à l'art. 13 de la concession. 2. a) Bien que les plaintes radio-TV soient exclues du champ d'application de la loi fédérale sur la procédure administrative (art. 3 lettre ebis PA), l'Autorité de plainte n'est pas démunie de moyens procéduraux pour obtenir des informations. L'arrêté fédéral prévoit à son art. 20 al. 2 que les diffuseurs doivent lui fournir "tous les renseignements nécessaires à l'exercice de son activité". La question se pose dès lors de déterminer l'ampleur de cette obligation et les facultés qui en découlent pour l'autorité intimée. b) Selon l'art. 21 de l'arrêté fédéral, l'Autorité de plainte établit, dans sa décision, si l'émission ou les émissions incriminées ont violé les dispositions de la concession relatives aux programmes. Or, pour juger de la conformité d'une émission au principe d'objectivité énoncé à l'art. 13 de la concession 1964/1980 - encore applicable à la présente affaire -, il n'est pas possible de se contenter d'un simple examen subjectif de l'émission, en se mettant à la place d'un téléspectateur. Dans la mesure où l'objectivité d'une émission dépend de la véracité des éléments fournis aux destinataires et de la diligence déployée par le journaliste dans son travail de préparation (SJ 1982, p. 372), le respect de la concession implique de contrôler si, d'un point de vue objectif, ce qui est dit ou montré dans l'émission litigieuse est vrai, ou pouvait être tenu comme tel, et si la diligence journalistique a été respectée. Cela suppose, pour le moins, de disposer d'un état de fait complet sur les conditions dans lesquelles l'émission a été produite. En excluant ce contrôle sous prétexte qu'elle ne dispose pas des moyens procéduraux adéquats, l'Autorité de plainte ne remplit pas la mission qui lui a été confiée par le législateur. Or, de par sa formulation très large, l'art 20 al. 2 de l'arrêté fédéral n'implique pas forcément une restriction des moyens d'enquête de l'Autorité de plainte; cette dernière doit donc interpréter la disposition de manière à être en mesure de s'acquitter de sa tâche. c) En procédant à cette interprétation, l'autorité intimée ne peut ignorer les compétences dont dispose le Tribunal fédéral dans BGE 114 Ib 334 S. 339 le cadre du recours de droit administratif. En principe, le pouvoir d'examen de l'autorité inférieure sur les faits est au moins aussi étendu que celui de l'autorité de recours (cf. GRISEL, Traité de droit administratif, p. 929). Il s'avérerait illogique d'attendre que la cause soit soumise à la juridiction suprême pour que soient ordonnées les mesures nécessaires à une instruction sérieuse du dossier. Etant l'unique instance spécifique en matière de surveillance des émissions de radio et de télévision, c'est à l'Autorité de plainte, et non pas au Tribunal fédéral, qu'il appartient de procéder aux enquêtes nécessaires pour élucider les questions de fait. Or, si l'Autorité de plainte devait ne pas disposer des moyens suffisants à cette tâche, la surveillance effective des émissions reviendrait - lorsque le recourant satisfait aux conditions de l' art. 103 OJ - au seul Tribunal fédéral qui devrait à chaque fois établir les faits comme s'il statuait en instance unique. Une telle solution est contraire au système choisi non seulement par le législateur, mais également par le constituant qui a expressément voulu la création d'une autorité indépendante chargée de l'examen des plaintes ( art. 55bis al. 5 Cst. ). d) Sous l'angle de l'interprétation de l'art. 20 al. 2 de l'arrêté fédéral, il importe peu que la procédure administrative fédérale ne soit pas directement applicable à la procédure de plainte en matière de radio-télévision. En effet, il ne faut pas perdre de vue le but que poursuivait le législateur en restreignant le champ d'application de la PA. Prenant acte du fait que les émissions de télévision et de radio ne sont pas des décisions au sens de l' art. 5 PA , et que, dans le système de la procédure administrative, les plaintes qui les visent ne pourraient être mieux que de simples dénonciations ( art. 71 PA ) ne garantissant pas au plaignant une procédure complète, le législateur a constaté l'inadéquation de cette loi fédérale pour réglementer la manière de traiter les plaintes dirigées contre les programmes (BO CN 1983, p. 473; cf. aussi Message du 8 juillet 1982, FF 1981 III p. 109 et 116). Son but premier n'était pas de priver l'Autorité de plainte des moyens procéduraux nécessaires, mais de prévoir une normalisation de la procédure de réclamation, en améliorant la situation des plaignants. Dans ces conditions, il n'est pas contraire à l'intention du législateur d'interpréter l'art. 20 al. 2 de l'arrêté fédéral de façon à reconnaître à l'Autorité de plainte le pouvoir d'examen nécessaire pour remplir complètement la mission qui lui est assignée. Au surplus, rien ne s'oppose, dans ce cadre, à une application par analogie de certains instruments BGE 114 Ib 334 S. 340 procéduraux organisés par la loi de procédure administrative (cf. BO CN 1982, p. 468; CORBOZ, Le contrôle populaire des émissions de la radio et de la télévision, in Mélanges Robert Patry, Lausanne 1988, n. 31 p. 287). e) L'étendue concrète du devoir d'investigation qui incombe à l'autorité intimée dépend des circonstances de fait de la cause; par ailleurs, les enquêtes seront plus ou moins poussées selon la nature de l'émission litigieuse et les reproches du plaignant. Cette situation exclut, par conséquent, de fixer sur un plan purement théorique les mesures d'instruction susceptibles d'être adoptées; celles-ci varieront de cas en cas. 3. a) En l'occurrence, l'audience d'instruction à laquelle a exceptionnellement procédé le Tribunal fédéral a montré à quel point il importe de connaître les circonstances ayant présidé à l'élaboration d'une émission. Cette connaissance a été acquise dans le cas particulier en visionnant les séquences litigieuses, en interrogeant les divers protagonistes et en obtenant la documentation utilisée pour préparer l'émission. Le résultat de ces investigations modifie fondamentalement l'appréciation des émissions litigieuses. b) S'agissant tout d'abord de l'émission "Téléjournal" du 23 octobre 1986, il faut constater que l'affirmation selon laquelle une tranchée d'un mètre suffirait pour enterrer la ligne à haute tension Galmiz-Verbois constitue l'élément central du reportage; or, cette information est fausse. Il ressort clairement de la documentation que l'entreprise Pirelli a fournie au journaliste qu'une mise sous terre de la ligne Galmiz-Verbois aurait nécessité une tranchée d'un mètre au moins pour chacun des 6 à 10 câbles composant la ligne. Laisser entendre qu'une seule tranchée aurait suffi pour enterrer la ligne s'avère donc inexact et fausse gravement le processus de formation de l'opinion du téléspectateur. De plus, le journaliste n'a pas pris la peine d'énoncer les réserves qui découlaient du dossier Pirelli; l'entreprise italienne insistait notamment sur le fait que le problème de la mise sous terre de la ligne ne concerne pas seulement les câbliers, mais également au premier chef, les électriciens (sélectivité de protection, stabilité du réseau) dont l'avis sur la faisabilité de la ligne est au moins aussi important que le sien. N'ayant pas apporté cette précision nécessaire à une bonne compréhension de la position des partisans de la ligne aérienne, le journaliste a tronqué l'information d'une de ses composantes importantes. BGE 114 Ib 334 S. 341 En outre, à la différence des promoteurs de l'initiative "Sauvez la Côte", les représentants d'EOS ne connaissaient pas le contenu du dossier Pirelli; ils n'ont pu dès lors émettre que des généralités sur la faisabilité de la mise sous terre de la ligne et leurs propos à ce sujet apparaissent maladroits et peu précis; en face, les initiants ont pu, eux, se prononcer concrètement sur le problème, en soulignant les seuls éléments du dossier qui étaient en leur faveur. En raison de cette inégalité flagrante, leur intervention se révèle nettement plus crédible que celle d'EOS qui semble nier l'évidence en adoptant une attitude de refus obstiné. Malgré l'ignorance de la recourante et, partant, son impossibilité à apporter les précisions nécessaires à un débat équilibré, le journaliste n'a pas jugé utile d'intervenir pour souligner les réserves qui découlaient du dossier Pirelli et dont les initiants ont tu l'existence. L'impression négative laissée par la recourante est encore renforcée par l'utilisation du discours alterné. En fonction de chaque affirmation d'EOS, l'usage de cette méthode de reportage met en évidence les conclusions diamétralement opposées des initiants que semble corroborer à chaque fois le dossier Pirelli présenté comme critère de la vérité par le commentateur lui-même. Ce procédé accentue gravement le déséquilibre constaté dans la connaissance de la documentation Pirelli dès lors que les très brèves interventions d'EOS sont immédiatement balayées par les réponses conjuguées des initiants et du journaliste de manière à créer une dynamique favorable à la thèse de la mise sous terre de la ligne. c) L'examen de l'émission du 25 octobre 1986 a révélé également l'usage de certains procédés dont la compatibilité avec la diligence journalistique s'avère plus que douteuse. Cette émission vise essentiellement à décrire les sentiments suscités par la construction de la ligne auprès de quelques personnes; elle souligne par les images et le son l'aspect émotionnel de l'événement. Dans ce contexte, le diffuseur s'est efforcé de maintenir l'attention du spectateur en multipliant la brusque alternance des séquences montrant des pylônes à haute tension et celles plus bucoliques exposant des vues du vignoble de Féchy ou de la région de Lavaux. Or, ces dernières images ne concernent pas des régions menacées par le passage de la ligne Galmiz-Verbois. Leur diffusion alors qu'elles ne présentent pas un rapport direct avec cette ligne à haute tension est de nature à tromper le public. En effet, même si les vues de Lavaux ne font qu'illustrer les propos BGE 114 Ib 334 S. 342 de Franz Weber, leur intégration dans le reportage peut facilement provoquer une confusion sur les régions véritablement menacées par la ligne contestée. Il en va de même d'ailleurs de la présentation de l'église et du village de Féchy situés hors du tracé de la construction. Le fait d'associer implicitement ces paysages à la ligne aérienne litigieuse peut renforcer dès lors la position des initiants auprès d'un vaste auditoire, ému en l'espèce par la sauvegarde d'un patrimoine nullement menacé. Il est apparu, en outre, lors de l'interrogatoire des parties, que l'interview de M. de Weck, représentant d'EOS, avait été réalisée le 19 septembre 1986, soit un mois avant sa diffusion, de manière fortuite lors d'une inspection des lieux et dans une ambiance de rue, juste avant de monter dans un car. Son intégration dans un contexte différent où tous les intervenants soulignent avec gravité l'atteinte au paysage provoquée par la ligne donne indûment à penser que la direction d'EOS prend ce problème à la légère. Cette impression est d'ailleurs renforcée par le choix des raccords liant les brèves interventions de M. de Weck; montrant d'énormes pylônes métalliques filmés en contre-plongée, ces raccords accentuent le peu de consistance du discours sorti de son contexte. d) Les résultats de l'instruction visant à déterminer la véracité des faits diffusés lors des émissions attaquées et le respect de la diligence journalistique influencent en l'occurrence de manière déterminante le jugement sur le respect de la concession. L'autorité intimée ne pouvait par conséquent se contenter du simple visionnement des émissions litigieuses et des pièces figurant à ce moment au dossier, sans procéder à l'audition des personnes concernées. Sa décision, entachée d'une constatation incomplète des faits, doit dès lors être annulée. 4. Sur le plan juridique, la décision attaquée n'échappe pas non plus à la critique. a) Dans la mesure où la finalité ultime du devoir d'objectivité est d'apporter au destinataire de l'émission les éléments nécessaires à la formation de sa propre opinion (BARRELET, Droit suisse des mass-média, Berne 1987, p. 320 No 1035; PONCET, La surveillance de l'Etat sur l'information télévisée en régime de monopole, Bâle 1985, p. 133; RIKLIN, Rechtsfragen der (externen) Programmaufsicht über Radio und Fernsehen in der Schweiz, in Aspect du droit des médias II, Fribourg 1984, p. 45; ROSTAN, Le service public de radio et de télévision, p. 220), il n'est pas possible de réduire le contrôle de l'émission contestée à un examen successif des BGE 114 Ib 334 S. 343 différents faits et opinions qui y sont contenus, considérés d'une manière fractionnée. S'il est juste d'opérer une appréciation de chaque information prise isolément (SJ 1982, p. 373), l'Autorité de plainte ne saurait s'arrêter à ce stade. Elle doit, en plus, examiner l'impression générale qui se dégage de l'émission dans son ensemble, dès l'instant qu'un enchaînement de faits vrais ou vraisemblables selon un ordre établi n'aboutit pas forcément à une information objective. Il lui incombe également, lorsqu'une série d'émissions est contestée, de regarder si l'ensemble formé par toutes les transmissions respecte les exigences posées par la concession. b) En l'espèce, l'autorité intimée n'a pas procédé à cette appréciation globale des émissions qui lui étaient soumises. Elle les a découpées en séquences et s'est prononcée sur chacune d'entre elles individuellement; sous cet angle restreint, elle a constaté un certain nombre de manquements et de maladresses mineures sans prendre la peine d'examiner si ces inadvertances et erreurs ne faussaient pas en définitive l'objectivité de l'ensemble des émissions de manière non négligeable. En outre, dans la mesure où les transmissions litigieuses illustrent un débat d'idées concrétisé par le lancement d'une initiative, elle ne devait admettre qu'avec prudence qu'une violation marginale de l'objectivité ne constitue pas en l'occurrence une atteinte à la concession. Il lui fallait regarder en particulier si les erreurs en cause n'étaient pas de nature à fausser le processus démocratique en facilitant indûment la collecte des signatures auprès des citoyens vaudois.
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Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Admet le recours, annule la décision attaquée et renvoie la cause à l'autorité intimée pour nouvelle décision au sens des considérants.
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BGE_114_Ib_334
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Sachverhalt ab Seite 129 BGE 137 II 128 S. 129 A. Mit Schlussverfügung vom 16. August 2010 bewilligte die Eidgenössische Steuerverwaltung (EStV), Task Force Amtshilfe USA, Amtshilfe an die USA. Auf eine Beschwerde von X. und Y., zwei von der Schlussverfügung betroffenen Bankkunden der UBS AG (Schweiz), trat das Bundesstrafgericht, II. Beschwerdekammer, am 13. Oktober 2010 (mangels Zuständigkeit) nicht ein. B. Gegen den Nichteintretensentscheid des Bundesstrafgerichts gelangten die betroffenen Bankkunden mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 25. Oktober 2010 an das Bundesgericht. Sie rügen u.a. Verstösse gegen den Rechtshilfevertrag mit den USA (RVUS), die Bundesverfassung, die EMRK, den UNO-Pakt II und das Bundesgesetz betreffend den Rechtshilfevertrag mit den USA (BG-RVUS). Die Beschwerdeführer beantragen im Hauptstandpunkt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides. (...) (Auszug)
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Aus den Erwägungen: Erwägungen 1. Gemäss Art. 84 BGG ist gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nur zulässig, wenn er eine Auslieferung, eine Beschlagnahme, eine Herausgabe von Gegenständen oder Vermögenswerten oder eine Übermittlung von Informationen aus dem Geheimbereich betrifft und es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt (Abs. 1). Ein besonders bedeutender Fall liegt insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist (Abs. 2). Auch Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung können nach der Praxis eine materielle Prüfung durch das Bundesgericht nach sich ziehen (vgl. BGE 136 IV 20 E. 1.2 S. 22, BGE 133 IV 88 E. 3 S. 89 ff.; BGE 134 IV 156 E. 1.3.3 S. 160 f.; BGE 133 IV 215 E. 1.2 S. 217 f., BGE 133 IV 271 E. 2 S. 273 ff.; Pra 2010 Nr. 22 S. 141; zur betreffenden Rechtsprechung s. AEMISEGGER/FORSTER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 29-32 zu Art. 84 BGG ). In begründeten Fällen kann dies auch für wichtige Fragen betreffend Sachurteilsvoraussetzungen im Beschwerdeverfahren (etwa zur Beschwerdelegitimation) zutreffen (Urteil 1C_287/2008 vom 12. Januar 2009 E. 1.3, in: Pra 2010 Nr. 22 S. 141). BGE 137 II 128 S. 130 1.1 In der streitigen Schlussverfügung der EStV wurde unbestrittenermassen die Übermittlung von Informationen aus dem Geheimbereich an die USA bewilligt. Insofern ist die Sachurteilsvoraussetzung von Art. 84 Abs. 1 BGG erfüllt. Die Frage, ob hier Rechts- oder Amtshilfe zu gewähren sei ( Art. 84 und 83 lit. h BGG ) bzw. ob eine Umgehung von Rechtshilfevorschriften vorliege, bildet Streitgegenstand der Beschwerde. Die Beschwerdeführer vertreten die Ansicht, es stelle sich im vorliegenden Zusammenhang eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die vom Bundesgericht (unter dem Gesichtspunkt von Art. 84 BGG ) materiell zu prüfen sei. 1.2 Die Frage, ob in Fällen wie dem vorliegenden das Bundesverwaltungsgericht als einzige gerichtliche Instanz (oder aber das Bundesstrafgericht bzw. das Bundesgericht) zur Beurteilung von Beschwerden zuständig sei, stellt im Lichte der oben dargelegten Praxis eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar. Dabei ist auch der wirtschafts- und rechtspolitischen Wichtigkeit und Tragweite der Angelegenheit "UBS-Fiskalauskünfte USA" Rechnung zu tragen (vgl. dazu Botschaft des Bundesrates vom 14. April 2010 zur Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika über ein Amtshilfegesuch betreffend UBS AG sowie des Änderungsprotokolls, BBl 2010 2965 ff., 2969 ff.; s. auch URS R. BEHNISCH, Aktuelle Entwicklungen in der Amts- und Rechtshilfe im Steuerbereich, in: Aktuelle Fragen der internationalen Amts- und Rechtshilfe, Breitenmoser/Ehrenzeller [Hrsg.], 2009, S. 249 ff.; BONNARD/GRISEL, L'Accord UBS: spécificités, validité, conformité aux droits de l'homme, RDAF 2010 II S. 361 ff.; COTTIER/MATTEOTTI, Der Grundsatzentscheid des Bundesverwaltungsgerichtes zum UBS-Amtshilfeabkommen, erste Einschätzungen und Auswirkungen, Jusletter vom 8. März 2010; LEUPOLD/KUSTER, Hintergrund und Zustandekommen des Abkommens über ein Amtshilfegesuch betreffend UBS AG, ASA 2009 S. 345 ff.; LÖTSCHER/BUHR, Abkommen Schweiz-USA in Sachen UBS: sind dem Bundesverwaltungsgericht die Hände gebunden-, Anwaltsrevue 13/2010 S. 9 ff.; MARKUS REICH, Das Amtshilfeabkommen in Sachen UBS oder die Grenzen der Staatsvertragskompetenz des Bundesrats: die Rechtslage nach dem BVGer-Urteil vom 21. Januar 2010, IFF Forum für Steuerrecht 2010 S. 111 ff.; HENRI TORRIONE, Abus [impôt éludé], fraude et soustraction en droit fiscal suisse, une étude comparative de ces notions à partir de la jurisprudence du TF et de l'arrêt du TAF du 5 mars 2009 dans l'affaire UBS, in: Evasion fiscale, 2010, S. 149 ff.; ROBERT BGE 137 II 128 S. 131 WALDBURGER, Das Amtshilfeverfahren wegen "Steuerbetrugs und dergleichen" mit den USA, IFF Forum für Steuerrecht 2009 S. 91 ff.). Das Bundesgericht hat sich zur Frage der Zuständigkeiten (in der vorliegenden Konstellation) bisher noch nicht äussern können. 1.3 Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde im Hinblick auf Art. 84 BGG als zulässig. Sie ist (im ordentlichen Verfahren und in Besetzung mit fünf Richtern nach Art. 20 Abs. 2 BGG ) materiell zu beurteilen. (...) 2. Das Bundesstrafgericht (BStGer) begründet seinen Nichteintretensentscheid damit, dass es sich bei der streitigen erstinstanzlichen Verfügung der EStV nicht um eine Schlussverfügung betreffend internationale Rechts-, sondern betreffend internationale Amtshilfe handle. Zuständige Beschwerdeinstanz sei daher nicht das BStGer, sondern das Bundesverwaltungsgericht (BVGer). 2.1 Die Beschwerdeführer machen im Wesentlichen zusammengefasst Folgendes geltend: Die von den eidgenössischen Behörden als Amtshilfeverfahren behandelte Streitsache sei als internationales Rechtshilfeverfahren in Strafsachen mit den USA zu qualifizieren. Daher müsse das amerikanische Ersuchen aufgrund der verfahrensrechtlichen und materiellen Bestimmungen des Staatsvertrags vom 25. Mai 1973 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen (RVUS; SR 0.351.933.6) und des Bundesgesetzes vom 3. Oktober 1975 zum Staatsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen (BG-RVUS; SR 351.93) geprüft werden. Für die Schlussverfügung zuständig sei nicht die EStV, sondern das Bundesamt für Justiz (Zentralstelle USA). In diesem Zusammenhang erhobene Beschwerden habe das BStGer zu prüfen. Für die streitige Frage, ob das BStGer oder das BVGer als Beschwerdeinstanz zuständig sei, habe das Bundesgericht eine inhaltliche Abgrenzung zwischen Amts- und Rechtshilfe zu treffen. Das BStGer habe im angefochtenen Entscheid eine "rein formale" Abgrenzung vorgenommen, was unzulässig sei und zur rechtsmissbräuchlichen Umgehung der Vorschriften über die internationale Strafrechtshilfe führe. Die bestehenden Amtshilfenormen (insbesondere das Doppelbesteuerungsabkommen mit den USA oder das Abkommen zwischen der Schweiz und den USA betreffend Amtshilfegesuch UBS BGE 137 II 128 S. 132 AG) bildeten keine Grundlage für das streitige Auskunftsersuchen bzw. für eine Zuständigkeit des BVGer. Mit der nachträglichen Genehmigung des Abkommens USA/UBS habe der Gesetzgeber u.a. die innerstaatliche Zuständigkeitsordnung, das Rechtsgleichheitsprinzip und das Rückwirkungsverbot verletzt. Auch die materiellen Voraussetzungen der internationalen Strafrechtshilfe seien nicht erfüllt, was vom BStGer festzustellen sei. Die anderslautende Rechtsauffassung des BStGer verstosse gegen Völkerrecht (diverse Bestimmungen des UNO-Paktes II, der EMRK und des RVUS) und Bundesrecht (diverse Vorschriften der BV und des BG-RVUS). 2.2 Die Zuständigkeit der Rechtsmittelbehörden des ersuchten Staates in internationalen Amts- und Rechtshilfeverfahren ist im innerstaatlichen Recht geregelt (vgl. BGE 132 II 1 E. 2 S. 5 ff.; BGE 128 II 355 E. 1.1-1.2 S. 357 ff.; BGE 126 II 495 E. 3-5 S. 497 ff.; BGE 125 II 65 E. 1-2 S. 69 ff.; Urteil 1C_287/2008 vom 12. Januar 2009, in: Pra 2010 Nr. 22 S. 141 E. 2.1-2.2). Eine Zuständigkeit des BStGer zur Prüfung von Schlussverfügungen der EStV betreffend Fiskalamtshilfe an die USA lässt sich aus dem massgeblichen schweizerischen Recht nicht ableiten: 2.2.1 Im Rahmen der Totalrevision der Bundesrechtspflege übertrug der Gesetzgeber (per 1. Januar 2007) die Zuständigkeit für die erstinstanzliche gerichtliche Beurteilung von Rechtshilfe fällen dem BStGer ( Art. 28 Abs. 1 lit. e SGG [in der Fassung gemäss Anhang VGG Ziff. 14; AS 2006 2235]; Art. 25 Abs. 1 und Art. 80e Abs. 1IRSG [je in den Fassungen gemäss Anhang VGG Ziff. 30]). Rechtshilfeentscheide der kantonalen und eidgenössischen Behörden stellen zwar grundsätzlich Verfügungen i.S.v. Art. 5 VwVG (SR 172.021) dar. Gemäss Art. 25 Abs. 1 und Art. 80e Abs. 1 IRSG (SR 351.1) sowie Art. 17 BG-RVUS (in der Fassung gemäss Anhang VGG Ziff. 33) i.V.m. Art. 28 Abs. 1 lit. e Ziff. 4 SGG unterliegen erstinstanzliche Schluss- und Zwischenverfügungen der kantonalen und der Bundesbehörden, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, jedoch unmittelbar der Beschwerde an die zuständige Beschwerdekammer des BStGer. Damit ist in Rechtshilfe sachen der Ausschlussgrund für eine Beschwerde ans BVGer gemäss Art. 32 Abs. 2 lit. a VGG (SR 173.32) erfüllt. Art. 25 IRSG und Art. 17 BG-RVUS stellen insofern (im Sinne von Art. 32 Abs. 2 lit. a VGG ) spezialgesetzliche Regelungen dar (vgl. zum Ganzen AEMISEGGER/FORSTER a.a.O., N. 6-8 zu Art. 84 BGG ; zur Unterscheidung zwischen Rechtshilfe BGE 137 II 128 S. 133 und Amtshilfe an die USA s. auch Urteil des BGer 1C_47/2010 vom 4. März 2010 E. 2.2). 2.2.2 Die internationale Amtshilfe (insbesondere in Fiskalsachen) hat der Gesetzgeber demgegenüber in den justiziellen Aufgabenbereich des BVGer gelegt, welches (gestützt auf Art. 31 und 33 lit. d VGG i.V.m. Art. 83 lit. h BGG ) in diesem Sachbereich auf Beschwerde hin endgültig entscheidet (vgl. AEMISEGGER/FORSTER, a.a.O., N. 6 zu Art. 84 BGG ; HEINZ AEMISEGGER, Der Beschwerdegang in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, in: Reorganisation der Bundesrechtspflege: Neuerungen und Auswirkungen in der Praxis, Ehrenzeller/Schweizer [Hrsg.], 2006, S. 103 ff., 136; THOMAS HÄBERLI, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 178-180 zu Art. 83 BGG ; für Fiskalamtshilfe an die USA s. auch Art. 20k der Verordnung vom 15. Juni 1998 zum schweizerisch-amerikanischen Doppelbesteuerungsabkommen vom 2. Oktober 1996 [SR 672. 933.61; im Folgenden: Vo DBA-USA;] ; Urteil des BVGer A-7789/2009 vom 21. Januar 2010, teilweise publ. in: BVGE 2010/7 ). 2.3 Im vorliegenden Fall stützt sich die erstinstanzliche Schlussverfügung der EStV auf internationales Amtshilferecht , nämlich auf das Doppelbesteuerungsabkommen vom 2. Oktober 1996 mit den USA (SR 0.672.933.61; im Folgenden: DBA-USA, mit Änderungsprotokoll vom 23. September 2009 [BBl 2010 4359; 2010 235, 247];s. auch Vo DBA-USA; ADV [SR 672.204]) sowie auf das Abkommen vom 19. August 2009 zwischen der Schweiz und den USA über ein Amtshilfegesuch betreffend die UBS AG (Schweiz) mit Änderungsprotokoll vom 31. März 2010 (SR 0.672.933.612; AS 2010 1459; BBl 2010 3001, 3027; im Folgenden: Abkommen USA/UBS, genehmigt von der Bundesversammlung mit Bundesbeschluss vom 17. Juni 2010 [AS 2010 2907, 2909; BBl 2010 2965 ff.]). DieEStV bewilligte in ihrer Verfügung ein Amtshilfeersuchen der USA (nämlich des U.S. Internal Revenue Service in Washington, D.C.). Nach den anwendbaren völkerrechtlichen Normen steht es dem ersuchenden Staat (auch im Fiskalauskunftsrecht) grundsätzlich frei, ob er gestützt auf die Bestimmungen des Rechtshilferechts (RVUS, BG-RVUS, IRSG i.V.m. VStrR usw.) ein Rechtshilfegesuch stellen will oder - wie hier - ein Amtshilfeersuchen gestützt auf die oben genannten einschlägigen Rechtsquellen. Zwar kann der ersuchende Staat nicht autonom bestimmen, ob und in welchem Umfang er Amtshilfe erhält; diesbezüglich hat er den Verfahrensweg vor den Behörden des ersuchten Staates zu durchlaufen. Der ersuchende BGE 137 II 128 S. 134 Staat kann jedoch selber wählen, ob er ein Amts- oder ein Rechtshilfegesuch einreichen und prüfen lassen will (s. dazu BEHNISCH, a.a.O., S. 250; WALDBURGER, a.a.O., S. 94 f., 105; zum Abkommen USA/UBS als völkerrechtlich verbindlicher Staatsvertrag, seiner nachträglichen Genehmigung durch das Parlament und seinem Verhältnis zum DBA-USA vgl. Botschaft, a.a.O., BBl 2010 2965 ff., 2985 f. Ziff. 6.2-6.3; REICH, a.a.O., S. 112-127). Auch die Rüge von Betroffenen, ein Amtshilfegesuch sei rechtsmissbräuchlich gestellt worden (oder diene der blossen Umgehung der Bestimmungen über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen), ist von den im Amtshilfeverfahren zuständigen Justizbehörden des ersuchten Staates zu beurteilen (dazu oben, E. 2.2.2). 2.3.1 Daran vermag auch das Vorbringen der Beschwerdeführer nichts zu ändern, der streitige Amtshilfeentscheid der EStV komme faktisch einem Rechtshilfeentscheid gleich. Die Frage, ob es sich um eine Amts- oder eine Rechtshilfeangelegenheit handelt, richtet sich nach den anwendbaren internationalen und innerstaatlichen Rechtsquellen. Da die amerikanischen Behörden ihr Auskunftsersuchen auf spezifisches (völkerrechtlich verbindliches) materielles und formelles Amtshilferecht stützen (und nicht auf die separaten Bestimmungen der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen), bleibt bei der Bestimmung des Verfahrens und der behördlichen bzw. gerichtlichen Prüfungszuständigkeiten kein Platz für eine weitere (rechtsdogmatisch-begriffliche) "Abgrenzung" zwischen Amts- und Rechtshilfe: Fiskalauskunftsfälle wie den vorliegenden haben die Vertragsstaaten verbindlich dem Amtshilferecht zugewiesen (vgl. Botschaft, a.a.O., BBl 2010 2965 ff., 2976 Ziff. 4.2). Diese normative Festlegung der Verfahren und Zuständigkeiten ist (gemäss Art. 190 BV ) auch für das Bundesgericht massgebend (vgl. Botschaft, a.a.O., BBl 2010 2985 Ziff. 6.2; REICH, a.a.O., S. 120 f., 126). Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer lässt sich der rechtspolitische Entscheid des Gesetzgebers auch nicht über begriffliche Argumentationen zur (rechtsdogmatisch schwierigen und ungeklärten) Abgrenzung zwischen Amts- und Rechtshilfe umstossen (vgl. zu den wissenschaftlichen Definitionsbemühungen z.B. CAROLIN HÜRLIMANN-FERSCH, Die Voraussetzungen für die Amts- und Rechtshilfe in Steuerstrafsachen, 2010, S. 6-10; WALDBURGER, a.a.O., S. 93-96; ROBERT ZIMMERMANN, La coopération judiciaire internationale en matière pénale, 3. Aufl. 2009, Rz. 9-10). Die materielle Eingrenzung der Amts- und Rechtshilfe, insbesondere die Prüfung der Frage, ob im Einzelfall die BGE 137 II 128 S. 135 Amts- bzw. Rechtshilfevoraussetzungen erfüllt sind, bleibt den dafür zuständigen Justizbehörden vorbehalten. 2.3.2 Dass ein Vertragsstaat den Verfahrensweg der internationalen Amtshilfe wählt und sein Ersuchen durch die dafür zuständigen Amtshilfebehörden und Justizorgane des ersuchten Staates prüfen lässt, bildet entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer keine unzulässige Umgehung der Rechtshilfe in Strafsachen. Für die Prüfung und Gewährleistung, dass Amtshilfeersuchen nicht "missbräuchlich" gestellt werden bzw. dass Amtshilfe - insbesondere in Form von Bankauskünften an ausländische Fiskalbehörden - nur unter den geltenden völkerrechtlichen und gesetzlichen Voraussetzungen bewilligt wird, sind die im Amtshilfeverfahren zuständigen Behörden und Justizorgane des ersuchten Staates zuständig. Wie bereits dargelegt (E. 2.2.2), hat der schweizerische Gesetzgeber die letztinstanzliche justizielle Prüfung von Amtshilfeersuchen in die Hände des BVGer gelegt. 2.3.3 Auch das Vorbringen der Beschwerdeführer, materiellrechtlich sei Amtshilfe (oder Rechtshilfe) nicht zulässig, führt weder zur "Umdeutung" des streitigen Amtshilfeverfahrens in ein Rechtshilfeverfahren noch zur Zuständigkeit des BStGer als Beschwerdeinstanz in Rechtshilfeangelegenheiten. Die materiellen Einwände gegen die Schlussverfügung der EStV betreffend Amtshilfe an die USA wären vielmehr im Beschwerdeverfahren vor dem BVGer vorzubringen. Dies gilt insbesondere für die Rügen, mit der nachträglichen Genehmigung des Abkommens USA/UBS (samt Änderungsprotokoll) habe der Gesetzgeber die innerstaatliche Zuständigkeitsordnung (sowie diverse verfassungs- und völkerrechtliche Normen) verletzt, oder es sei ihnen, den Beschwerdeführern, kein Abgabebetrug vorzuwerfen. Das BVGer hat seine Zuständigkeit in solchen Fällen denn auch schon (gestützt auf das VGG) mit Recht bejaht (vgl. Urteil des BVGer A-7789/2009 vom 21. Januar 2010, teilweise publ. in: BVGE 2010/7 ). Im vorliegenden Fall hat das BVGer seine Zuständigkeit mit Zwischenverfügung vom 23. September 2010 bereits ausdrücklich bestätigt. 2.4 Die übrigen von den Beschwerdeführern angerufenen diversen Bestimmungen des Völker- und Bundesrechts haben im vorliegenden Zusammenhang (streitige Zuständigkeitsfrage) keine über das Dargelegte hinausgehende selbstständige Bedeutung. BGE 137 II 128 S. 136 2.5 Der angefochtene Nichteintretensentscheid des BStGer erweist sich als bundes- und völkerrechtskonform. Die Beschwerde ist insoweit abzuweisen. 2.6 Soweit die Vorbringen und Rechtsbegehren der Beschwerdeführer sich auf materiellrechtliche Fragen des Amts- und Rechtshilferechts beziehen, die nicht Gegenstand des angefochtenen Entscheides bilden, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.
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Sachverhalt ab Seite 75 BGE 114 Ib 74 S. 75 Par décision du 17 juin 1986, la Commission fédérale d'estimation du 3e arrondissement a prononcé l'expropriation, en faveur du Département militaire fédéral, d'une parcelle appartenant à M. sur le territoire de la commune de Sion, et a fixé l'indemnité totale, payable à ce propriétaire en conformité de l' art. 88 LEx , à 370'390 francs (244'320 francs pour le terrain, 123'070 francs pour les bâtiments et 3'000 francs pour le déménagement). Le 18 août 1986, la Confédération suisse a formé un recours de droit administratif contre cette décision, en concluant à ce que le montant de l'indemnité soit arrêté à 261'785 francs. M. a conclu de son côté au rejet du recours, estimant que l'indemnité d'expropriation fixée par la Commission fédérale n'avait rien d'exagéré et ne violait pas l' art. 16 LEx . BGE 114 Ib 74 S. 76 Une délégation du Tribunal fédéral, accompagnée de deux experts de la Commission fédérale supérieure d'estimation, a procédé, le 31 août 1987, à une inspection locale et, le 1er septembre 1987, à une séance d'instruction avec les parties. Au cours de celles-ci, la délégation et les experts ont exprimé l'avis que l'indemnité allouée par la Commission fédérale d'estimation pour le terrain, soit 120 francs/m2, s'avérait en l'espèce admissible, compte tenu de prix payés dans des contrats de gré à gré avant le dies aestimandi (23 octobre 1983), ou par référence éventuellement à des indemnités d'expropriation concluantes en raison de leur nombre et du fait qu'elles n'avaient pas été attaquées. La confirmation du prix de 120 francs ne se justifiait toutefois que si l'on considérait la parcelle en cause comme un terrain libre à bâtir, c'est-à-dire qu'un acheteur éventuel disposé à verser le prix d'un terrain à bâtir ne payerait pas, en plus, les constructions vétustes et mal situées qui s'y trouvaient et qui empêchaient au surplus par leur emplacement toute utilisation rationnelle d'une partie de la parcelle. Une évaluation du dépôt de l'exproprié a néanmoins été faite par la délégation et les experts. Toutefois, vu le montant qui aurait pu être alloué pour les constructions et le terrain, l'hypothèse la plus favorable pour l'exproprié restait encore l'indemnité basée sur la pleine valeur du seul terrain considéré comme terrain libre à bâtir, soit 244'320 francs (2036 m2 * 120 francs). Sur la base de ces éléments, et après avoir rappelé aux parties que le Tribunal fédéral est lié par leurs conclusions prises dans leur ensemble - soit en l'occurrence par la somme de 261'785 francs offerte par la recourante ( art. 114 al. 1 OJ ) -, la délégation du Tribunal fédéral a proposé aux parties une solution transactionnelle. Le Chef de la division des immeubles du Département militaire fédéral, présent à l'audience, s'étant déclaré d'accord pour que l'exproprié soit indemnisé de la perte de loyer subie du fait de la résiliation de bail de son locataire, un montant de 265'000 francs a été avancé à titre d'indemnité forfaitaire, payable aux conditions de l' art. 88 LEx . Cette proposition a été acceptée séance tenante par la Confédération. L'audience a été suspendue quelques instants pour permettre à l'exproprié de réfléchir. Lors de la reprise de séance, l'avocat de celui-ci exprima la déception de son client quant à la possibilité de trouver un autre terrain, mais il confirma l'acceptation de la proposition transactionnelle. Les parties sont dès lors convenues que la délégation du Tribunal BGE 114 Ib 74 S. 77 fédéral statuerait sur les frais et dépens dans l'ordonnance de radiation à rendre selon les termes de l'accord intervenu. Par décision du 22 septembre 1987, la délégation du Tribunal fédéral a, en application des art. 40 OJ et 73 al. 1 PCF, pris acte de la transaction par laquelle les parties mettaient fin à la procédure d'expropriation et rayé la cause du rôle. M. a formé une demande de revision contre cette décision, en concluant au rejet du recours déposé le 18 août 1986 par la Confédération. Il affirmait en substance que l'estimation qui avait servi de base à la transaction lui portait un préjudice important. Selon lui, cette estimation accusait une différence importante et inexplicable par rapport à celle, détaillée, de la Commission fédérale d'estimation, lui reprochant notamment de ne pas prévoir d'indemnité pour les constructions, de ne pas respecter l' art. 16 LEx et de violer le principe de l'égalité de traitement (surtout par rapport au cas de l'hoirie X., objet d'une décision de la Commission fédérale d'estimation du 20 octobre 1987). Le Tribunal fédéral a déclaré la requête irrecevable dans la mesure où elle tendait à la revision de la décision du 22 septembre 1987; il l'a rejetée dans la mesure où elle tendait à l'annulation de la transaction du 1er septembre 1987 et à la réouverture de la procédure d'expropriation.
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Erwägungen Extrait des considérants: 1. Formellement, le requérant demande la revision du prononcé de radiation de la cause. Ce prononcé s'étant borné, sur le fond, à prendre acte de la transaction des parties, tout en en reprenant les termes essentiels, on peut admettre que la revision demandée porte aussi sur cet accord. Au vu des conclusions prises, la démarche du requérant tend à vrai dire à la réouverture de la procédure devant le Tribunal fédéral, ce qui implique d'annuler préalablement, ou tout au moins de ne pas prendre en considération, la transaction intervenue. Aux termes de l' art. 73 al. 4 PCF , applicable par renvoi de l' art. 40 OJ , la transaction judiciaire a la force exécutoire d'un jugement. Cette assimilation légale de la transaction au jugement a cependant des limites fixées par la différence essentielle qui existe entre ces deux institutions juridiques. Le jugement est un acte émanant de l'autorité et repose sur l'examen complet du fait et du droit de la cause par le juge conformément aux prescriptions de la BGE 114 Ib 74 S. 78 procédure; on conçoit donc que, pour assurer le plus possible la sécurité du droit, on lui reconnaisse une force définitive et inattaquable, hormis l'éventualité exceptionnelle de la revision. La transaction a certes ceci de commun avec le jugement que, tout comme lui, elle met fin au litige, mais - différence fondamentale - cet effet n'est pas la conséquence d'un acte de l'autorité; il résulte d'une convention de droit privé par laquelle les parties règlent à nouveau leurs rapports. La nature contractuelle de la transaction subsiste même si les parties n'ont pas été seules en pourparlers et que le juge délégué ou la délégation du tribunal y soient intervenus et aient fait des propositions de transaction. La transaction n'est donc assimilée au jugement qu'en ce qui concerne sa force exécutoire ( art. 73 al. 4 PCF ) et n'est pas susceptible de revision au sens des art. 136 ss OJ , procédure réservée aux "arrêts" du Tribunal fédéral. En tant que convention réglant les rapports de droit privé des parties, elle peut en revanche être déclarée nulle ou annulée pour les motifs et par les voies et moyens du droit civil, chacune des parties ayant donc la faculté d'intenter action pour faire constater que la transaction ne la lie pas (cf. ATF 60 II 57 ; BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, p. 499, n. e ad 136 OJ). Selon la jurisprudence, la décision sur la validité d'une transaction en matière d'expropriation incombe à l'autorité devant laquelle la cause était pendante avant la conclusion de la transaction ( ATF 108 Ib 375 consid. 2; GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2e éd. p. 327). Le Tribunal fédéral peut donc entrer en matière sur la requête de M. aux fins de statuer non pas sur la revision de la décision du 22 septembre 1987, mais sur le caractère obligatoire de la transaction passée entre les parties. Suivant les résultats de son examen, il confirmera la décision de radiation ou ordonnera la réouverture de la procédure. 2. Conclue pour mettre fin à une contestation par des concessions réciproques, la transaction peut être attaquée pour disproportion évidente entre la prestation promise et la contre-prestation (lésion, art. 21 CO ), erreur ( art. 23 ss CO ), dol ( art. 28 CO ) ou crainte fondée (art. 29 s CO). Aucun de ces motifs n'est expressément invoqué en l'espèce. a) S'agissant d'une éventuelle lésion, il convient de relever que l'on ne saurait obtenir par une transaction autant que l'on aurait, au mieux, pu toucher en soumettant la prétention à l'appréciation du juge (cf. MEIER-HAYOZ, FJS No 463). Dans le cas particulier, il ressort de l'état de fait ci-dessus que selon l'avis - partagé par BGE 114 Ib 74 S. 79 la délégation du Tribunal fédéral - des deux experts membres de la Commission fédérale supérieure d'estimation, l'hypothèse la plus favorable pour l'exproprié était une indemnité de 244'320 francs, et qu'en cas de jugement, le Tribunal fédéral aurait été lié, en vertu de l' art. 114 al. 1 OJ , par les conclusions de la recourante tendant au versement d'une indemnité totale de 261'785 francs. Or, par transaction, l'exproprié s'est vu allouer un montant de 265'000 francs; c'est dire qu'on peut écarter d'emblée le cas de lésion. b) Parmi les vices du consentement, seule l'erreur serait peut-être susceptible d'entrer en ligne de compte, le dol et la crainte fondée n'ayant manifestement pas à être envisagés in casu. Les parties transigent souvent pour mettre fin à un litige ou à une incertitude, sans élucider complètement la situation en fait et en droit. En transigeant, elles renoncent précisément à le faire. Le fait que, par la suite, elles constatent qu'elles étaient dans l'erreur au sujet de points contestés ne saurait les autoriser à attaquer la transaction en invoquant cette erreur ( ATF 105 Ia 119 , 82 II 375; MEIER-HAYOZ, loc.cit.). Le requérant se plaint principalement de ce que l'on aurait ignoré l'estimation faite dans le cadre de la procédure d'expropriation du domaine de l'hoirie X. Il suffit de constater à ce propos que cette estimation date du 20 octobre 1987, qu'elle est donc postérieure à la transaction ici en cause et qu'elle ne pouvait à l'évidence pas être prise en considération. On peut au reste laisser indécise la question de savoir s'il eût même été opportun de s'y référer au cas où elle aurait précédé la transaction, vu les particularités de chacune de ces affaires. On peut notamment relever à cet égard qu'une compensation en nature des surfaces expropriées a été admise dans un cas, mais pas dans l'autre; que pour l'hoirie X. le bâtiment principal à exproprier était une grange-écurie, alors que dans le cas du requérant il s'agissait d'un atelier-dépôt, dont la délégation du Tribunal fédéral et les experts ont d'ailleurs constaté la vétusté et le mauvais emplacement pour une exploitation rationnelle. ... Ces considérations ne peuvent conduire qu'à affirmer le caractère obligatoire de la transaction du 1er septembre 1987 et à entériner par conséquent l'ordonnance de radiation rendue le 22 septembre 1987 par la délégation du Tribunal fédéral. 3. Même si, contre toute attente, il devait rouvrir la procédure d'expropriation en l'état où elle se trouvait avant la transaction, le Tribunal fédéral n'aurait vraisemblablement pas de raisons BGE 114 Ib 74 S. 80 sérieuses de s'écarter des conclusions auxquelles sont parvenus la délégation et les deux experts requis de coopérer en qualité de membres de la Commission fédérale supérieure d'estimation ( art. 80 et 82 LEx ). La concession faite par le représentant du DMF (indemnisation pour perte de loyer) tombant ensuite d'annulation de la transaction, c'est probablement le montant de 261'785 francs offert par l'expropriante qui devrait alors être alloué à l'exproprié en vertu de l' art. 114 al. 1 OJ , soit 3215 francs de moins que la somme obtenue par voie de transaction.
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