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Allgemein ist die klassische Logik durch zwei Eigenschaften charakterisiert: Das Prinzip der Zweiwertigkeit wird oft mit dem Satz vom ausgeschlossenen Dritten verwechselt.
Die "klassische Aussagenlogik" ist jenes Gebiet der klassischen Logik, das die innere Struktur von Sätzen (Aussagen) daraufhin untersucht, aus welchen anderen Sätzen (Teilsätzen) sie zusammengesetzt sind und wie diese Teilsätze miteinander verknüpft sind.
Die innere Struktur von Sätzen, die ihrerseits nicht in weitere Teilsätze zerlegt werden können, wird von der Aussagenlogik nicht betrachtet.
Ein Beispiel: Die Aussage „Alle Katzen sind Hunde, und die Erde ist eine Scheibe“ ist mit dem Bindewort „und“ aus den beiden kürzeren Aussagen „Alle Katzen sind Hunde“ und „Die Erde ist eine Scheibe“ zusammengesetzt.
Diese beiden Aussagen lassen sich ihrerseits nicht mehr in weitere Aussagen zerlegen, sind aus aussagenlogischer Sicht also elementar oder atomar.
Andere, auf die Aussagenlogik aufbauende logische Systeme betrachten die innere Struktur solcher atomaren Aussagen; ein wichtiges Beispiel ist die Prädikatenlogik.
In Abgrenzung zur klassischen Logik entstehen "nichtklassische Logiksysteme", wenn man das Prinzip der Zweiwertigkeit, das Prinzip der Extensionalität oder sogar beide Prinzipien aufhebt.
Nichtklassische Logiken, die durch die Aufhebung des Prinzips der Zweiwertigkeit entstehen, heißen mehrwertige Logik.
Die Zahl der Wahrheitswerte (in diesem Falle üblicher: Pseudowahrheitswerte) kann dabei endlich sein (z. B.
dreiwertige Logik), ist aber oft auch unendlich (z. B.
Fuzzy-Logik).
Hingegen verwenden Logiken, die durch die Aufhebung der Extensionalität entstehen, Junktoren (Konnektive), bei denen sich der Wahrheitswert des zusammengesetzten Satzes nicht mehr eindeutig aus dem Wahrheitswert seiner Teile bestimmen lässt.
Ein Beispiel für nichtextensionale Logik ist die Modallogik, die die einstelligen nichtextensionalen Operatoren „es ist notwendig, dass“ und „es ist möglich, dass“ einführt.
Logische Systeme stehen innerhalb der Logik nicht in einem Konkurrenzverhältnis um Wahrheit oder Richtigkeit.
Die Frage, welches logische System für einen bestimmten Zweck genutzt werden soll, ist eher eine pragmatische.
Oft werden logische Systeme und logische Fragestellungen mit außerlogischen Fragen verwechselt oder vermischt, z. B.
mit der metaphysischen Frage, welches logische System „richtig“ sei, d. h. die Wirklichkeit beschreibe.
Zu dieser Frage gibt es unterschiedliche Standpunkte einschließlich des positivistischen Standpunkts, dass diese Frage sinnlos sei.
Diese Fragen fallen aber in andere Gebiete, z. B.
Philosophie, Wissenschaftstheorie und Sprachwissenschaft.
Wenn in diesem Artikel die klassische Aussagenlogik behandelt wird, so ist das also nicht als metaphysische Festlegung zu verstehen oder gar als Behauptung, dass „alle Aussagen wahr oder falsch sind“.
Es ist lediglich so, dass die klassische Aussagenlogik einfach nur solche Aussagen behandelt, die wahr oder falsch sind.
Das ist eine große formale Vereinfachung, die dieses System relativ leicht erlernbar sein lässt.
Braucht man aus metaphysischen oder pragmatischen Gründen mehr als zwei Wahrheitswerte, kann die klassische Aussagenlogik als Ausgangspunkt dienen, um ein geeignetes logisches System aufzustellen.
Umgangssprachliche Einleitung.
Einfache Aussage (Elementaraussage).
Eine Aussage A ist ein Satz, der entweder wahr (w, wahr, true, 1) oder nicht wahr (f, falsch, false, 0) ist.
Das gilt sowohl für einfache als auch für verknüpfte Aussagen.
„Halbwahrheiten“ gibt es nicht.
Eine Aussage kann sowohl der gewöhnlichen Sprache entstammen als auch der Sprache der Mathematik.
Eine Elementaraussage ist eine Aussage, die keine aussagenlogischen Verknüpfungen ("nicht, und, oder, wenn … dann, genau dann wenn") enthält.
Beispiele für Elementaraussagen: formula_2 ist offensichtlich wahr (triviale mathematische Aussage), formula_4 dagegen ist falsch (es gibt einfache Gegenbeispiele).
formula_1 stellt im mathematischen Sinne keine Aussage dar (ungenau genug in vielerlei Hinsicht, hat Interpretationsspielraum), gleiches gilt für formula_3.
In der klassischen Aussagenlogik ist eine Aussage entweder wahr oder nicht wahr, auch wenn man den Wahrheitsgehalt nicht kennt.
Das ist zum Beispiel bei den ungelösten mathematischen Problemen der Fall.
"Anmerkung:" formula_4 ist eine All-Aussage; die Struktur solcher Aussagen ist Gegenstand der Prädikatenlogik.
Im Sinne der Aussagenlogik ist es eine Elementaraussage.
Verneinte Aussage – Negation.
Die "Verneinung" bzw. "Negation" (auch: "Satzverneinung", "äußere Verneinung", "kontradiktorisches Gegenteil") einer Aussage A ist diejenige Aussage ¬A, die genau dann wahr ist, wenn A falsch ist, und die genau dann falsch ist, wenn A wahr ist.
Einfacher: Die Verneinung einer Aussage A dreht den Wahrheitswert von A in sein Gegenteil um.
Man erhält die Verneinung einer Aussage A immer dadurch, dass man ihr die Formulierung „Es ist nicht der Fall, dass“ voranstellt.
Zwar lässt sich ein natürlichsprachlicher Satz auch verneinen, indem man das Wort „nicht“ oder eine andere negative Formulierung an geeigneter Stelle einfügt – es ist aber nicht immer ganz einfach, zu erkennen, welche Formulierung zu verwenden und an welcher Stelle einzufügen ist.
Formal schreibt man für „nicht A“ in der gebräuchlichsten Notation (Schreibweise) ¬A, auf Englisch und in der Schaltalgebra auch „NOT A“, gelegentlich auch „~A“.
Wir verneinen die obigen Beispiele: Allgemein gilt für die Verneinung: Und-verknüpfte Aussagen – Konjunktion.
Eine "Konjunktion" ist eine aus zwei Aussagen zusammengesetzte Aussage, die die Wahrheit all ihrer Teilaussagen behauptet.
Umgangssprachlich verbindet man zwei Aussagen A und B durch das Bindewort „und“ zu einer Konjunktion „A und B“, in der logischen Sprache verwendet man meist das Zeichen formula_21 (Schreibweise: formula_22), gelegentlich auch das kaufmännische Und, den Ampersand (&).
Die Aussage formula_22 ist immer dann wahr, wenn sowohl A als auch B jeweils wahr sind.
Andernfalls ist formula_22 falsch, nämlich dann, wenn entweder A oder B oder beide Aussagen falsch sind.
Beispiele für eine "Und"-Verknüpfung: Diese Teilaussagen und ihre Negationen werden nun durch formula_21 miteinander verknüpft: Nur formula_31 ist wahr, weil formula_14 wahr ist und auch formula_33 wahr ist.
formula_34 ist falsch, weil formula_15 falsch ist.
formula_36 ist falsch, weil formula_37 falsch ist.
formula_38 ist falsch, weil sowohl formula_15 als auch formula_37 falsch ist.
Nichtausschließendes Oder – Disjunktion.
Eine "Disjunktion" ist eine zusammengesetzte Aussage, die behauptet, dass mindestens eine ihrer Teilaussagen wahr ist.
Die Disjunktion in diesem Sinn wird auch "nichtausschließendes Oder" genannt.
(Aber Achtung: Die Bezeichnung „Disjunktion“ wurde und wird oft auch für das ausschließende Oder, „entweder … oder“, verwendet – man denke an das Konzept der disjunkten Mengen.
Einige Autoren verwenden daher für das Nichtausschließende Oder den Begriff "Adjunktion".)
Das Formelzeichen „formula_41“ stammt von dem lateinischen Wort „vel“; für ausschließendes Oder wurde im Lateinischen „aut ... aut“ verwandt.
Die Aussage formula_42 ist immer dann wahr, wenn mindestens eine der Teilaussagen A oder B wahr ist, bzw. wenn beide Teilaussagen wahr sind.
Andernfalls ist formula_42 falsch, nämlich dann, wenn sowohl A als auch B falsch sind.
Beispiel für eine "Oder"-Verknüpfung: Diese Teilaussagen und ihre Negationen werden nun durch formula_41 miteinander verknüpft: formula_50 ist wahr, weil sowohl formula_14 als auch formula_33 wahr sind.
formula_53 ist wahr, weil formula_33 wahr ist.
formula_55 ist wahr, weil formula_14 wahr ist.
Nur formula_57 ist falsch, weil sowohl formula_15 als auch formula_37 falsch sind.
Materiale Implikation.
Die "materiale Implikation", auch "Konditional" oder "Subjunktion" genannt, drückt die "hinreichende Bedingung" aus: Sie sagt, dass die Wahrheit des einen Satzes eine hinreichende Bedingung für die Wahrheit des anderen Satzes ist.
Man schreibt oder auch und liest oder auch nur In einem Konditional nennt man A das "Antezedens", B das "Konsequens" oder "Sukzedens".
Beispiele: Die Lesart „wenn … dann“ ist insofern problematisch, als mit dem natürlichsprachlichen „wenn … dann“ vor allem inhaltliche Zusammenhänge wie Kausalität oder zeitliche Nähe ausgedrückt werden.
All das macht die materiale Implikation nicht, sie nennt nur den formalen Zusammenhang: „Dass es regnet, ist eine hinreichende Bedingung dafür, dass die Straße nass ist“.
Zur Frage, "warum" das eine hinreichende Bedingung ist – ob auf Grund eines kausalen Zusammenhangs oder auch nur rein zufällig –, nimmt die materiale Implikation nicht Stellung.
Als "Umkehrschluss" bezeichnet man den Schluss von formula_60 auf formula_63.
Für die Beispiele bedeutet das: Umgangssprachlich lässt man sich gelegentlich zu weiteren – "falschen" – Aussagen verleiten: Das bedeutet: Wenn die Folgerung formula_60 wahr ist, dann erhält man aus der Aussage ¬A keine Aussage über B; B kann wahr oder falsch sein.
(„Ex falso sequitur quodlibet“ – „Aus Falschem folgt Beliebiges“) Die Implikation ist ein wichtiges Mittel in der Mathematik.
Die meisten mathematischen Beweise verwenden das Konzept der Implikation.
Bikonditional.
Das "Bikonditional", oft auch "objektsprachliche Äquivalenz" oder "materiale Äquivalenz" genannt, drückt die "hinreichende und notwendige Bedingung" aus, sagt also, dass eine Aussage A genau dann zutrifft, wenn eine Aussage B zutrifft.
Man schreibt: und liest Auch beim Bikonditional wird eine rein formale Aussage getroffen, die nichts über einen allfälligen inhaltlichen Zusammenhang von A und B aussagt.
Statt formula_65 zu sagen, kann man auch sagen, dass A eine hinreichende Bedingung für B und dass B eine hinreichende Bedingung für A ist, also formula_67.
Tatsächlich sind diese beiden Aussagen logisch äquivalent.
Beispiel: Das Bikonditional als zusammengesetzte Aussage innerhalb der logischen Sprache (siehe Objektsprache) wird oft mit dem Konzept der logischen Äquivalenz verwechselt oder vermischt.
Die logische Äquivalenz ist eine metasprachliche, meist natürlichsprachlich formulierte Eigenschaft zweier Aussagen der logischen Sprache.
Ein Zusammenhang zwischen logischer Äquivalenz und Bikonditional besteht nur insofern, als das Metatheorem gilt, dass ein Bikonditional formula_65 genau dann eine Tautologie ist, wenn die beiden Aussagen A und B logisch äquivalent sind.
Ausschließendes Oder.
Das ausschließende Oder (Kontravalenz oder Antivalenz), „entweder A oder B“, besagt, dass genau eine der beiden von ihm verknüpften Aussagen wahr ist.
Entsprechend ist ein ausschließendes Oder nicht nur dann falsch, wenn sowohl A als auch B falsch sind, sondern auch, wenn "beide" wahr sind.
(Einige Autoren verwenden für das Ausschließende Oder den Begriff "Alternative".)
Obwohl das ausschließende Oder ein Konzept ist, mit dem man in der natürlichen Sprache immer wieder zu tun hat, wird es in den meisten logischen Sprachen nicht als eigenständiger Junktor eingeführt.
Stattdessen wird das ausschließende Oder zum Beispiel als verneintes Bikonditional ausgedrückt, also als formula_69.
Große Bedeutung genießt das ausschließende Oder hingegen in der Schaltalgebra, wo es meist als XOR "(eXclusive OR)" aufgeschrieben wird.
Verneinung einer verknüpften Aussage (De Morgansche Gesetze).
Verneinung einer Konjunktion.
Die Verneinung der Konjunktion „A und B“ (in der logischen Schreibweise: formula_22) lautet „Es ist nicht der Fall, dass A und B zutreffen“ (in der logischen Schreibweise: formula_71).
Diese ist logisch äquivalent mit der Aussage „A ist nicht der Fall, oder B ist nicht der Fall (oder beides)“ (in logischer Schreibweise: formula_72).
Ein Beispiel: Wenn man die Aussage verneinen möchte, dann kann man entweder sagen oder man sagt In der Schaltalgebra wird sehr oft der Junktor NAND verwendet, wobei „A NAND B“ denselben Wahrheitswertverlauf hat wie der Ausdruck formula_71.
Verneinung einer Disjunktion.
Die Verneinung der Disjunktion „A oder B (oder beides)“ (in der logischen Schreibweise: formula_74) lautet „Es ist nicht der Fall, dass A oder B zutrifft“ (in logischer Schreibweise: formula_75).
Diese ist logisch äquivalent mit der Aussage „A ist nicht der Fall, und B ist nicht der Fall“ (in logischer Schreibweise: formula_76).
Ein Beispiel: Wenn man die Aussage verneinen möchte, so sagt man Nach dem Gesetz von De Morgan kann man nun aber auch sagen: oder in schönerem Deutsch In der Schaltalgebra wird das Konnektiv NOR verwendet, das denselben Wahrheitswertverlauf hat wie die Aussage formula_75.
Hinreichende und notwendige Bedingung.
Dieser Abschnitt soll den zunächst oft als kontraintuitiv empfundenen Zusammenhang zwischen hinreichender und notwendiger Bedingung, wie er im Abschnitt über die materiale Implikation angesprochen wurde, wiederaufgreifen und näher ausführen.