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2024-04-25
Wo die Probleme der Bundeswehr liegen
Wehrbericht im Bundestag
Der Bundestag beschäftigt sich heute erneut mit dem Zustand der Bundeswehr. Trotz Zeitenwende und Sondervermögen bleiben zahlreiche Mängel und Baustellen. Wo genau? Ein Überblick.
Der Bundestag beschäftigt sich heute erneut mit dem Zustand der Bundeswehr. Trotz Zeitenwende und Sondervermögen bleiben zahlreiche Mängel und Baustellen. Wo genau? Ein Überblick. Von Uli Hauck Trotz 100 Milliarden Sondervermögen und der "Zeitenwende" des Kanzlers hat die Bundeswehr weiterhin Personal-, Material- und Finanzprobleme. Das geht aus dem Bericht der Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Eva Högl, hervor. Sie mahnt unter anderem "substanzielle Verbesserungen bei Personal, Material und Infrastruktur" an. Heute befasst sich der Bundestag mit dem Zustand der Bundeswehr. Wo liegen die Probleme? Ein Überblick. Der Truppe fehlt das Personal "Die Truppe altert und schrumpft immer weiter", schreibt die Wehrbeauftragte Eva Högl in ihrer jährlichen Bestandsaufnahme für den Bundestag. Das Durchschnittsalter der Soldatinnen und Soldaten hat sich von 33,5 im Jahr 2022 auf 33,8 Jahre im vergangenen Jahr erhöht. Die Bewerberzahlen für die Bundeswehr sind leicht zurückgegangen. Seit Jahren sind tausende Dienstposten oberhalb der Mannschaftsdienstgrade nicht besetzt. Das Ziel, die Personalstärke bis 2031 von derzeit knapp 182.000 auf dann mindestens 203.000 Soldatinnen und Soldaten zu erhöhen, sei nur schwer zu erreichen - stellt Högl nüchtern und nicht zum ersten Mal in ihrem Wehrbericht fest. Vermutlich auch, weil gerade mal 13 Prozent der Uniformträger bei der Bundeswehr Frauen sind. Eine Lösung für den Personalbedarf sieht die Wehrbeauftragte in einem "Gesellschaftsjahr": das müssten junge Frauen und Männer in Bereichen wie Soziales, Umwelt, Kultur oder der Bundeswehr ableisten. Zur Wehrpflicht, die 2011 ausgesetzt worden ist, will niemand zurück. Schon allein, weil es gar nicht genug Unterkünfte, Ausrüstung und Ausbilder gäbe. Angesichts der eklatanten Personalnot lässt Verteidigungsminister Pistorius aktuell aber dennoch verschiedene Wehrpflichtmodelle anderer Staaten analysieren. Als Favorit gilt dabei das "schwedische Wehrpflichtmodell". Es beinhaltet eine Musterungspflicht, bei der allerdings nicht gesamte Jahrgänge zur Armee eingezogen werden. Auch wenn sich Pistorius bis Mitte des Jahres festlegen sollte, dürfte es dauern, bis die Bundeswehr wirklich wieder anwächst. Denn für eine "neue" Wehrpflicht könnte eine Verfassungsänderung mit Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat nötig sein und die dürfte dauern. Schnellere Erfolge erhoffte sich der Verteidigungsminister durch eine Task Force zur Personalgewinnung. Zudem hat er unlängst die Spitze seiner Personalabteilung im Verteidigungsministerium neu besetzt. Das Materialproblem Die persönliche Ausrüstung der Soldaten ist mittlerweile besser geworden. Aber: Es fehlen weiterhin Patronen für Gewehre, ganze Panzer oder Ersatzteile für Reparaturen. Die Bundeswehr ist mit Blick auf das Material "noch nicht vollständig einsatzbereit" - trotz des 100 Milliarden Euro schweren Sondervermögens. Ein Grund dafür ist die Abgabe von Waffensystemen und Munition an die Ukraine: Panzerhaubitzen 2000, Mehrfachraketenwerfer "Mars II", "Leopard"-2A6-Kampfpanzer, Artilleriemunition und zuletzt ein Flugabwehrraketensystem des Typs Patriot gingen in die Ukraine. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs hat Deutschland nach Regierungsangaben allein aus den Beständen der Bundeswehr Material mit einem geschätzten Beschaffungswert von über fünf Milliarden Euro abgegeben. Obwohl nachbestellt worden ist, hat die Ukraine-Unterstützung erstmal Löcher in die Ausstattung gerissen, die zum Teil jahrelang nicht geschlossen werden dürften. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an die Bundeswehr: Bis 2025 hat Deutschland der NATO eine voll ausgestattete und kurzfristig einsatzbereite Heeresdivision versprochen. Teil der rund 30.000 Soldatinnen und Soldaten soll die geplante Litauenbrigade werden. Bis 2027 wird erstmals eine komplette deutsche Kampfeinheit mit 4.800 Soldatinnen und Soldaten im Ausland einsatzfähig stationiert werden. Deren Ausstattung wird allerdings wiederum bei anderen Verbänden Lücken reißen. Heeresinspekteur Alfons Mais hat in der ARD erklärt, dass wir in den nächsten drei bis fünf Jahren "das nötige Personal und Material aus den Strukturen des Heeres quasi ausschwitzen müssen, um es nach Litauen zu schicken". Die Nachbeschaffung wird Jahre dauern. Für den Aufbau einer gefechtsbereiten deutschen Brigade an der Ostflanke der NATO in Litauen sind nach Planungen des Verteidigungsministeriums Rüstungsinvestitionen in Höhe von sechs bis neun Milliarden Euro nötig. Finanzfragen weiter ungeklärt Nicht nur für die Aufstellung der Litauenbrigade braucht Verteidigungsminister Pistorius dringend Geld. Auch für den regulären Verteidigungshaushalt 2025 verlangt er deutlich mehr Geld von Finanzminister Lindner. Im Raum stehen Forderungen von bis zu 6,5 Milliarden Euro für neue Investitionen. Und damit Deutschland das sogenannte Zwei-Prozent-Ziel der NATO erneut einhält. In diesem Jahr hat Deutschland, nach Regierungsangaben, zum ersten Mal seit drei Jahrzehnten das Ziel, zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung fürs Militär auszugeben, wieder erreicht. Mittelfristig ist auch deshalb mehr Geld nötig, weil das Bundeswehr-Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro mittlerweile für neue Waffensysteme und Munition verplant ist und es maximal noch bis zum Jahr 2027 reicht. Danach sieht es düster aus: Der "Spiegel" hatte Anfang des Jahres von einem drohenden Haushaltsloch im Jahr 2028 in Höhe von rund 56 Milliarden Euro berichtet und sich dabei auf eine interne Finanzbedarfsanalyse des Verteidigungsministeriums bezogen, die auch dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. Selbst wenn es nicht so schlimm kommen sollte, für die mittelfristige Finanzierung der Bundeswehr fehlen definitiv Milliarden. Wo sie herkommen sollen, ist weiterhin völlig unklar.
/inland/innenpolitik/bundeswehr-probleme-102.html
2024-04-25
Preissprung bei Kfz-Versicherungen
Höhere Kosten für Autobesitzer
Für Autobesitzer wird die Kfz-Versicherung künftig deutlich teurer. Nach dem Autokauf müssen Verbraucher mit einem Aufschlag von rund 20 Prozent rechnen. Der Grund sind unter anderem höhere Reparaturkosten.
Für Autobesitzer wird die Kfz-Versicherung künftig deutlich teurer. Nach dem Autokauf müssen Verbraucher mit einem Aufschlag von rund 20 Prozent rechnen. Grund sind höhere Reparaturkosten.      Autobesitzer in Deutschland müssen für ihre Kfz-Versicherung mittlerweile deutlich tiefer in die Tasche greifen als noch vor einem Jahr. Laut des Kfz-Versicherungsindex von Verivox ist die Autoversicherung innerhalb der vergangenen zwölf Monate im Schnitt um 20 Prozent teurer geworden. Das liegt weit über der allgemeinen Inflationsrate. Sie war im März auf 2,2 Prozent gesunken, den niedrigsten Wert seit fast drei Jahren. Laut der Verivox-Daten zahlen Verbraucher, wenn sie nach dem Autokauf eine neue Versicherung abschließen, im mittleren Preissegment im Schnitt für eine Haftpflichtpolice 18 Prozent mehr als noch im April 2023. Die Teilkaskoversicherung ist danach 19 Prozent, Vollkasko-Tarife 21 Prozent teurer als vor einem Jahr. Bei einem reinen Wechsel der Versicherung ohne Autokauf haben sich die Teil- und Vollkasko-Tarife danach sogar noch etwas stärker verteuert. Nach Angaben der Verbraucherzentrale differieren die Versicherungspreise zum Teil erheblich. Wer vergleiche, könne oftmals deutlich sparen, heißt es von den Verbraucherschützern.    Autoreparaturen werden immer teurer "Bereits zur Wechselsaison im Oktober und November haben die Kfz-Versicherer ihre Preise kräftig erhöht, um ihre Kosten zu decken", sagte Wolfgang Schütz, Geschäftsführer der Verivox Versicherungsvergleich. "Wegen der weiter steigenden Schadenkosten schreiben die Kfz-Versicherer aber immer noch Verluste." Mehrere Versicherer hätten im April neue Tarifgenerationen auf den Markt gebracht und ihre Prämien nochmals verteuert. Die Versicherer jedoch leiden unter starken Kostensteigerungen für Autoreparaturen, die nach Angaben des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) diesen Teilbereich der Schaden- und Unfallversicherung in die roten Zahlen getrieben haben. 2023 machten die deutschen Kfz-Versicherer danach über drei Milliarden Euro Defizit, für dieses Jahr prophezeite der GDV Anfang des Monats einen weiteren Verlust von bis zu zwei Milliarden Euro. So kostete laut GDV ein Pkw-Sachschaden die Kfz-Haftpflichtversicherer im Jahr 2022 durchschnittlich rund 3.700 Euro. 2017 hatte dieser Wert danach noch bei rund 2.700 Euro gelegen. Trend dürfte anhalten Stanislas Stürmer, Auto-Sachverständiger in Aschaffenburg, meint gegenüber tagesschau.de, dass sich die Versicherungsgebühren in den letzten zehn bis 15 Jahren vielleicht sogar verdoppelt hätten. Dieser Trend werde anhalten, so Stürmer. Auch nach Einschätzung von Verivox werde das kein Einzelfall bleiben. "Die Versicherer werden auch mittelfristig ihre Prämien weiter erhöhen müssen, um wieder in die Gewinnzone zu rutschen", sagte Schütz. Warum steigen die Preise für die Autoreparaturen so massiv? HUK-Coburg-Vorstandschef Klaus-Jürgen Heitmann wirft den Autoherstellern seit Jahren vor, die Preise für Ersatzteile weit überdurchschnittlich erhöht zu haben. Gestiegen sind aber auch die Werkstatt- und sonstige Kosten. Die HUK hatte daher ebenfalls Tariferhöhungen angekündigt. So sind die Stundensätze in den Kfz-Werkstätten zuletzt gestiegen, und zwar ebenfalls deutlich stärker als die allgemeine Teuerung. Neben den gestiegenen Preisen für Ersatzteile spielt aber auch die komplexere Technik und Elektronik, die in den Automodellen verbaut wird, eine Rolle. Insbesondere Assistenzsysteme und Sensoren, die etwa nach einem Aufprall Zusammenprall ersetzt und neu eingestellt werden müssen, treiben die Preise. Dem Aufwand entsprechend steigt auch die Reparaturdauer.
/wirtschaft/verbraucher/kfz-versicherung-preise-reparaturkosten-teurer-versicherungen-auto-100.html
2024-04-25
Ein Sommertag für die Veteranen
Abstimmung im Bundestag
Viele Soldaten vermissen in Deutschland eine Anerkennung ihrer Leistungen. Ein Veteranentag im Juni soll für mehr Wertschätzung sorgen. Aus der Politik kommt breite Unterstützung für das Vorhaben. Von Markus Sambale.
Viele Soldaten vermissen in Deutschland eine Anerkennung ihrer Leistungen. Ein Veteranentag im Juni soll für mehr Wertschätzung sorgen. Aus der Politik kommt breite Unterstützung für das Vorhaben. Von Markus Sambale Seit fast 70 Jahren gibt es die Bundeswehr, seit mehr als 30 Jahren sind deutsche Soldaten in Auslandseinsätzen. Doch viele vermissen echte Anerkennung dafür. Zum Beispiel Wolf Gregis, der selbst als Offizier in Afghanistan war: "Für mich der Höhepunkt der Nichtbeachtung war tatsächlich die Nichtbegrüßung am 30.6.2021, als das letzte deutsche Kontingent aus Afghanistan zurückgekommen ist, das niemand wahrgenommen hat", sagt er. Denken hat sich gewandelt Lange Zeit wurde das Militärische in der Öffentlichkeit gern verdrängt, oft mit Verweis auf die deutsche Geschichte. Inzwischen hat sich das Denken gewandelt - wohl auch durch Russlands Angriff auf die Ukraine. Der SPD-Politiker Johannes Arlt, selbst Offizier bei der Luftwaffe, hält die Einführung eines Veteranentags für überfällig: "Die Grundidee ist, Veteraninnen und Veteranen, also alle, die Dienst für ihr Land geleistet haben, ob als Wehrdienstleistende oder auch im Auslandseinsatz sichtbarer in der Gesellschaft zu machen, in den Mittelpunkt zu rücken." Rund zehn Millionen Veteranen Der Veteranen-Begriff der Bundeswehr reicht weit: Gemeint sind alle rund zehn Millionen Männer und Frauen, die jemals bei der Bundeswehr in Uniform waren oder es noch sind. Nicht nur die rund 500.000 Soldaten, die bislang in Auslandseinsätzen waren.  Verteidigungsminister Boris Pistorius erinnerte kürzlich daran, dass viele ihre Gesundheit und ihr Leben riskieren - und dass das zu wenig gewürdigt wird. "Andere Nationen haben ein ganz anderes Veteranen-Verständnis, nennt man das dann. Ein Umgang mit denjenigen, die sich im Dienst für ihr Land verletzt haben oder andere Schädigungen davongetragen haben." In Deutschland wachse das jetzt gerade. Breite Unterstützung in der Politik Vom Verteidigungsminister bis zum Bundeskanzler, quer durch die Regierungsfraktionen SPD, Grüne und FDP und bis zur Union reicht die Unterstützung. Die CDU-Verteidigungspolitikerin Kerstin Vieregge freut sich, dass es im Bundestag nach langen Diskussionen einen gemeinsamen Antrag gibt: "Es zeigt halt, dass die Breite der Gesellschaft wirklich hinter den Veteranen steht, dass es jetzt wirklich ein Moment ist, wo wir die Sichtbarkeit der Veteranen befördern wollen." Veteranentag für den Sommer geplant Für diese Sichtbarkeit soll der 15. Juni zum nationalen Veteranentag werden. Am Wochenende davor oder danach soll es jedes Jahr eine große Veranstaltung in Berlin geben. Als Ergänzung zum Volkstrauertag, der allein an die Kriegstoten erinnert - bewusst in den Sommer gelegt. "Mehr Picknick und Bands im Tiergarten als graue Handschuhe und Nieselregen im November", so stellt sich der SPD-Politiker Johannes Arlt den Veteranentag in Berlin vor. Dazu sollen ab dem nächsten Jahr deutschlandweit kleinere Veranstaltungen kommen.  Die symbolische Anerkennung ist das eine. Soldaten, die im Einsatz verletzt und traumatisiert wurden, sollen aber auch ganz konkret mehr Hilfe bekommen. Und nicht nur sie: "Wir möchten vor allen Dingen, dass Familien, die oft auch betroffen sind, die oft auch krank werden über die Krankheit ihres Vaters, ihrer Mutter, ihres Angehörigen, dass auch die eine Versorgung über die Bundeswehr bekommen", sagt Arlt. Veteran hofft auf mehr Bewusstsein Mehr Unterstützung, mehr Wertschätzung, mehr Anerkennung, darauf hofft jetzt auch Afghanistan-Veteran Wolf Gregis: "Wir Einsatzveteranen sind diejenigen, die letztendlich deutsche Sicherheits- und Außenpolitik auf den letzten Metern repräsentiert und umgesetzt haben." Dafür brauche man einfach ein Bewusstsein, dass das alles nicht "for free" sei. Ein Bewusstsein, das auch Ampel-Regierung und Union mit dem neuen Veteranentag stärken wollen.
/inland/innenpolitik/veteranentag-deutschland-bundestag-100.html
2024-04-25
"Verbot durch die Hintertür"
Regeln für Cannabis im Straßenverkehr
Nach der teilweisen Legalisierung von Cannabis fehlt es weiter an klaren Regelungen für den Straßenverkehr. Ein Papier aus dem Bundesverkehrsministerium sieht nun klare Regeln vor. Einigen sind diese zu streng. Von Moritz Rödle.
Nach der teilweisen Legalisierung von Cannabis fehlt es weiter an klaren Regelungen für den Straßenverkehr. Ein Papier aus dem Bundesverkehrsministerium sieht nun klare Regeln vor. Einigen sind diese zu streng. Von Moritz Rödle Wie soll Cannabis-Konsum im Straßenverkehr geregelt werden? Aus dem Bundesverkehrsministerium haben die Ampelfraktionen dafür eine sogenannte Formulierungshilfe bekommen, die dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt - an der es nun Kritik aus den Reihen der Grünen gibt. Der Anstoß der Kritik: Vorgesehen ist ein Grenzwert für den Cannabis-Wirkstoff THC - entsprechend der Empfehlung einer Expertenkommission. Die hatte Ende März einen Grenzwert von 3,5 ng/ml Blutserum empfohlen. Für Fahranfänger sind noch strengere Regeln geplant. Konkret heißt in der Formulierungshilfe: "Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig in der Probezeit nach §2a oder vor Vollendung des 21. Lebensjahres als Führer eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr (…) die Substanz Tetrahydrocannabinol zu sich nimmt oder (…) die Fahrt antritt, obwohl er unter der Wirkung (…) der Substanz Tetrahydrocannabinol steht." Weil der Cannabis-Wirkstoff im Blut deutlich länger nachgewiesen werden kann, käme das einem kompletten Cannabis-Konsum-Verbot für alle Fahranfänger und Menschen unter 21 Jahren gleich, die zumindest gelegentlich Autofahren wollen. Deutliche Kritik der Grünen Die Grünen kritisieren die Pläne nun massiv. Sie sprechen von einem "Verbot durch die Hintertür". Die Abgeordnete Swantje Michaelsen sagte dem ARD-Hauptstadtstudio: "Der von der Expertenkommission vorgeschlagene Grenzwert von 3,5 ng/ml THC im Blutserum ist ein sehr strenger Wert. Er entspricht mit Blick auf die Wahrscheinlichkeit von Ausfallerscheinungen etwa 0,2 Promille beim Alkohol und damit der Regelung, die laut Rechtsprechung beim Alkohol für Fahranfänger gilt. Aus diesem Grund braucht es keine Sonderregelung für Fahranfänger*innen." Ähnlich sieht das der deutsche Hanfverband. Geschäftsführer Georg Wurth sieht aber noch Konkretisierungsbedarf. Dem ARD-Hauptstadtstudio sagte Wurth, es bleibe zunächst unklar, welche Abstände Fahranfänger zwischen Konsum und Fahren einhalten müssten, falls das Gesetz so in Kraft treten würde. In der Formulierungshilfe werde nicht weiter definiert, ab wann davon auszugehen sei, "ob die Betroffenen unter der Wirkung von THC stehen". Im Zweifelsfall müssten sich damit letztlich Gerichte auseinandersetzen. Verkehrsministerium: Ein konservativer Ansatz Der ADAC hingegen begrüßt den Entwurf aus dem Bundesverkehrsministerium. Unternehmenssprecher Andreas Hölzel sagte dem ARD-Hauptstadtstudio, entscheidend für die Verkehrssicherheit sei, dass zwischen dem Konsum und der Fahrt ausreichend zeitlicher Abstand eingehalten werde. Ein niedrigerer Grenzwert würde deshalb "den Konsum von Cannabis stark einschränken." Für den ADAC gelte aber generell, "wer fährt, kifft nicht".   Das Bundesverkehrsministerium selbst spricht von einem konservativen Ansatz, den die Experten der Arbeitsgruppe gewählt hätten. Dieser werde nun im Bundestag im parlamentarischen Verfahren behandelt. Der parlamentarische Staatsekretär Oliver Luksic sagte gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio: "Bis dies und die darauffolgende Anpassung im Straßenverkehrsgesetz abgeschlossen ist, gilt dabei weiter die bestehende Rechtsprechung."
/inland/innenpolitik/cannabis-strassenverkehr-102.html
2024-04-25
Lindner plant Kindergelderhöhung für 2025
Mehr Geld für Familien
Bundesfinanzminister Lindner hat eine Erhöhung des Kindergeldes für 2025 angekündigt. Auch Kinderfreibetrag und Grundfreibetrag sollen steigen. Die genauen Höhen sind aber noch offen.
Bundesfinanzminister Lindner hat eine Erhöhung des Kindergeldes für 2025 angekündigt. Auch Kinderfreibetrag und Grundfreibetrag sollen steigen. Die genauen Höhen sind aber noch offen. Bundesfinanzminister Christian Lindner hat eine Erhöhung des Kindergelds im kommenden Jahr in Aussicht gestellt. Seit 2023 bekommen Eltern einheitlich 250 Euro pro Monat und Kind. Wie viel Geld sie künftig mehr erhalten, steht aber noch nicht fest. Für die genaue Höhe müsse man den Existenzminimumbericht im Herbst abwarten, sagte der FDP-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Das Kindergeld sei bereits 2023 "sehr stark und überproportional erhöht" worden, um Familien zu entlasten, sagte der Minister. Das sei ein "großer Erfolg" gewesen. Deshalb stehe aber erst 2025 die nächste Erhöhung an. Zusammen mit einer Kindergelderhöhung soll es laut Lindner 2025 auch eine weitere Anhebung des Grundfreibetrags und des Kinderfreibetrags in der Lohn- und Einkommensteuer geben. Der Finanzminister forderte erneut, Grund- und Kinderfreibetrag auch rückwirkend für 2024 anzuheben. Das sei aus verfassungsrechtlichen Gründen nötig. Diskussion über Kindergeld und -freibeträge Eine Diskussion über Kindergeld und Kinderfreibetrag gibt es in der Ampelkoalition schon länger. Lindner will den Steuerfreibetrag für Kinder anheben, ohne gleichzeitig das Kindergeld zu erhöhen. Die SPD hält dies für ungerecht, weil so nur Familien mit hohen Einkommen entlastet würden. Von den Grünen hieß es, es sei geübte Praxis, Kindergeld und Kinderfreibetrag gleichermaßen zu erhöhen. Diese Verlässlichkeit werde zu Recht von den Bürgerinnen und Bürgern erwartet. Freibetrag lohnt sich bei höheren Einkommen Eltern bekommen automatisch entweder Kindergeld oder die Freibeträge für Kinder bei der Einkommensteuer. Das Finanzamt prüft, was für sie vorteilhafter ist. Der Freibetrag lohnt sich oft nur bei höheren Einkommen. Für Familien mit niedrigeren Einkommen ist das Kindergeld ausschlaggebend, vom Kinderfreibetrag profitieren sie nicht. Der Freibetrag wurde zum 1. Januar bereits von 6.024 auf 6.384 Euro angehoben und soll nach den Plänen des Finanzministeriums rückwirkend auf 6.612 Euro steigen. Das Kindergeld war zuletzt im Jahr 2023 gestiegen. Kinder aus einkommensschwachen Familien können neben dem Kindergeld auch einen Kinderzuschlag erhalten. 2024 war der Höchstbetrag wegen der Inflation deutlich gestiegen - von 250 auf 292 Euro. Damit bekommen Familien mit niedrigen Einkommen aktuell zusammen mit dem Kindergeld von 250 Euro insgesamt maximal 542 Euro im Monat für ihr Kind.
/inland/innenpolitik/kindergeld-erhoehung-2025-lindner-100.html
2024-04-25
Schmerzen im Rückgrat der Wirtschaft
Familienunternehmen
Familienunternehmen spielen für die deutsche Wirtschaft eine wichtige Rolle. Doch sie kämpfen mit Standort-Problemen - von Fachkräftemangel bis zu hohen Energiekosten. Kann der Kanzler helfen? Von Joscha Bartlitz.
Familienunternehmen spielen für die deutsche Wirtschaft eine wichtige Rolle. Doch sie kämpfen mit Standort-Problemen - von Fachkräftemangel bis zu hohen Energiekosten. Kann der Kanzler helfen? Von Joscha Bartlitz Wenn Marie-Christine Ostermann bei den Feierlichkeiten zum 75. Jubiläum ihres Verbandes "Die Familienunternehmer" in Wiesbaden auf Bundeskanzler Olaf Scholz trifft, könnten ihre Erwartungen kaum größer sein. "Auf den Kanzler kommt es jetzt an", betont die Verbandspräsidentin. "Von ihm erwarten wir jetzt, dass er Wirtschaftspolitik in dieser schwierigen Zeit, in der sich seine Regierung auch gerne streitet, zur Chefsache macht und Führung zeigt." In einer wirtschaftlich schwierigen Lage sei das für den deutschen Mittelstand dringend notwendig. Die 46-Jährige ist selbst geschäftsführende Gesellschafterin beim Lebensmittelgroßhandel Rullko Großeinkauf in Hamm, der vor allem Seniorenheime, Krankenhäuser und Reha-Einrichtungen mit Lebensmitteln aller Art beliefert. Ihr Familienunternehmen mit 200 Mitarbeitenden ist stolze 101 Jahre alt. Ostermann führt es bereits in vierter Generation. "Meine Urgroßmutter war für mich ein inspirierendes Vorbild, ich durfte sie als Kind noch kennenlernen", erzählt sie. Durch die Corona-Pandemie hatte Rullko "extrem hohe Umsatzeinbußen", wie Ostermann sagt. Doch seitdem sei die Entwicklung positiv. Das Unternehmen musste kein Personal entlassen, im Gegenteil: "Wir haben seitdem die Anzahl unserer Ausbildungsplätze verdoppelt." Allerdings gebe es immer weniger qualifizierte Bewerber. Der Fachkräftemangel verschärfe sich für die Unternehmen generell immer weiter. Kostendruck im internationalen Wettbewerb Die meisten der 6.500 Mitglieder im Verband der Familienunternehmer bekommen die angespannte wirtschaftliche Lage noch deutlich stärker zu spüren. Der Grund dafür ist simpel: "Mein Unternehmen Rullko steht nicht im internationalen Wettbewerb. Wir konkurrieren also nur mit Unternehmen in Deutschland, die mit den gleichen Standortkosten konfrontiert sind wie wir", sagt Ostermann. "Die große Mehrheit unserer Mitglieder sagt, dass sie gerade in den letzten zwei Jahren deutlich an Wettbewerbsfähigkeit verloren hat", so die Verbandspräsidentin. Die Produktionskosten, vor allem für Energie, sind de facto in anderen Ländern deutlich geringer. In der jüngsten Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zur industriellen Standortqualität liegt Deutschland im internationalen Vergleich von 45 Ländern bei den Kosten auf dem vorletzten Platz. "Dort, wo das Preisschild hängt, sind wir immer teurer geworden", sagt IW-Geschäftsführer Hubertus Bardt. Diese Kosten müssten von den Unternehmen erst einmal erwirtschaftet werden. "Das fällt schwer. Das erklärt auch, warum wir, was Investitionen angeht, so langsam vorankommen." Gesamtwirtschaftlich befinde sich Deutschland seit 2019 in einer Stagnation. Es mangele an Wachstum und Investitionsfreude. Frust und Zukunftsängste Mit dem Haushaltsgerätehersteller Miele hat ein familiengeführtes Traditionsunternehmen im Februar beschlossen, die Produktion aller Haushaltswaschmaschinen ab 2027 nach Polen zu verlagern. "Natürlich ist das schade, wenn Unternehmen Standortentscheidungen gegen Deutschland treffen", sagt Familienunternehmerin Ostermann. "Wir sind hier am Standort verwurzelt und wollen auch hier bleiben. Aber wir können ja nicht von Luft und Liebe leben, genauso wenig wie von Patriotismus." Investitionen müssten sich wirtschaftlich rechnen. Und das tun sie aktuell nicht. Die aktuelle Lage "stimmt mich besorgt, um nicht zu sagen traurig", sagt auch Rüdiger Behn vom Getränkegroßhändler und Spirituosenhersteller Behn, der in 90 Ländern bekannte Marken wie "Kleiner Feigling" vertreibt. "Manchmal habe ich ein schlechtes Gewissen und frage mich, ob es eigentlich gut ist, dass ich das Unternehmen bald meinem Sohn und meiner Nichte übergebe", so der 66-jährige Firmenchef. Grund dafür sei auch die überbordende Bürokratie. "Das ist eine Situation, die ich so bisher noch nie erlebt habe. Was uns derzeit aus Brüssel, aber auch aus Berlin aufgetragen wird - von ESG-Berichterstattung bis zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz -, das ist nicht mehr beherrschbar." Auch Hubertus Bardt vom Institut der deutschen Wirtschaftet weist darauf hin, dass mittelständische Familienunternehmen noch stärker "unter den Bürokratielasten" litten als "die großen Unternehmen".  "Das komplizierteste Steuerrecht von allen" Aus der Sicht von Rüdiger Behn ist die Kernaufgabe der Politik jetzt, "sich von Gesetzen zu verabschieden" oder sie zumindest zu verschlanken. Deutschland habe etwa "das komplizierteste Steuerrecht von allen", auch die Finanzämter seien überfordert. Von Olaf Scholz wünscht er sich beim Festakt zum 75. Jubiläum des Verbands der Familienunternehmen im Wiesbadener Kurhaus, dass der Bundeskanzler ernst nehme, was die Unternehmer sagen. "Er muss dafür sorgen, dass diese vielen Restriktionen, die wir haben, entfesselt werden", appelliert Behn an Scholz. Hohe Steuern und steigende Sozialabgaben belasteten den Mittelstand zusätzlich, kritisiert Verbandspräsidentin Marie-Christine Ostermann. Sie hat drei Kernforderungen an den Bundeskanzler: eine Senkung der Unternehmenssteuer, eine marktwirtschaftlichere Energiepolitik und eine Reform der Sozialversicherung. Es brauche dringend Entlastungen. Immerhin erwirtschafteten die vielen Familienbetriebe "gemeinsam mit unseren Mitarbeitern nach wie vor Rekordsteuereinnahmen für den Standort Deutschland". Das werde aber nicht so bleiben, "wenn die Regierung nichts verbessert", so Ostermann.   Ihre Enttäuschung über Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen ist riesig. "Beim Wirtschaftsminister spüren wir aktuell nicht, dass er Wirtschaftsminister auch für uns ist, für den Mittelstand", kritisiert sie. Daher sei es umso wichtiger, dass der Verband der Familienunternehmer mit Kanzler Scholz sprechen könne. Er müsse nun dafür sorgen, dass seine Regierungskoalition die richtigen Entscheidungen treffe. "Wir hoffen wirklich auf den Kanzler", sagt Ostermann, "und dass er die Wirtschaftspolitik ernster nimmt als der Wirtschaftsminister".
/wirtschaft/unternehmen/familienunternehmen-104.html
2024-04-25
Cannabis-Verbot für Fahranfänger im Gespräch
Regelungen im Straßenverkehr
Cannabis ist teilweise legal. Doch was gilt im Straßenverkehr? Ein Papier aus dem Bundesverkehrsministerium zeigt nun: Vor allem für Fahranfänger könnten künftig strenge Regeln gelten. Von Moritz Rödle.
Cannabis ist teilweise legal. Doch was gilt im Straßenverkehr? Ein Papier aus dem Bundesverkehrsministerium zeigt nun: Vor allem für Fahranfänger könnten künftig strenge Regeln gelten. Von Moritz Rödle Seit knapp einem Monat ist das Cannabis-Gesetz in Kraft, wodurch der Cannabis-Konsum in Deutschland teilweise legalisiert wurde. Noch offen ist bisher eine neue Regelung für den Straßenverkehr. Jetzt hat das parlamentarische Verfahren für die noch anstehenden Änderungen im Straßenverkehrsgesetz begonnen. Aus dem Bundesverkehrsministerium haben die Ampelfraktionen dafür eine sogenannte Formulierungshilfe bekommen, die dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. In Zukunft soll neben einem bestehenden Grenzwert für Alkohol auch ein Grenzwert für den Cannabis-Wirkstoff THC im Gesetz stehen. Dabei hat sich das Ministerium an die Empfehlung der Expertenkommission gehalten. Die hatte Ende März einen Grenzwert von 3,5 ng/ml Blutserum empfohlen. Das Bundesverkehrsministerium spricht von einem konservativen Ansatz, den die Experten der Arbeitsgruppe gewählt hätten. Dieser werde nun im Bundestag im parlamentarischen Verfahren behandelt. Der parlamentarische Staatsekretär Oliver Luksic warnt aber gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio: "Bis dies und die darauffolgende Anpassung im Straßenverkehrsgesetz abgeschlossen ist, gilt dabei weiter die bestehende Rechtsprechung." Scharfe Regeln für Fahranfänger Ein Punkt in der Formulierungshilfe hat es besonders in sich. Nach internen Ampel-Diskussionen hat es ein absolutes Cannabis-Verbot für Fahranfängerinnen und Fahranfänger in das Papier geschafft. Wie beim Alkohol soll für diese ein Grenzwert von 0,0 gelten. Konkret heißt es in der Formulierungshilfe: "Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig in der Probezeit nach §2a oder vor Vollendung des 21. Lebensjahres als Führer eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr (…) die Substanz Tetrahydrocannabinol zu sich nimmt oder (…) die Fahrt antritt, obwohl er unter der Wirkung (…) der Substanz Tetrahydrocannabinol steht." Gefahr von Restmengen im Blut Das Problem dabei: Alkohol baut sich im Körper schneller ab als THC, sodass Fahranfängerinnen und Fahranfänger nur im direkten zeitlichen Zusammenhang mit dem Konsum kein Auto fahren dürfen. Weil der Cannabis-Wirkstoff im Blut deutlich länger nachgewiesen werden kann, würde diese Regel wohl zu einem kompletten Cannabis-Konsum-Verbot für alle Fahranfänger und Menschen unter 21 Jahren führen. Cannabis-Konsum und Autofahren würden sich de facto ausschließen, auch wenn es keinen direkten zeitlichen Zusammenhang zwischen Konsum und Fahrt gäbe. Immer würde die Gefahr bestehen, noch Restmengen THC im Blut zu haben.
/inland/innenpolitik/cannabis-strassenverkehr-100.html
2024-04-25
Trump-Vertraute in Arizona wegen Wahlbetrugs angeklagt
US-Präsidentenwahl 2020
Sie sollen 2020 fälschlicherweise seinen Sieg im Bundesstaat Arizona verkündet haben: 18 Personen, unter ihnen Vertraute des ehemaligen US-Präsidenten Trump, wurden nun wegen Wahlbeeinflussung angeklagt.
Sie sollen 2020 fälschlicherweise seinen Sieg im Bundesstaat Arizona verkündet haben: 18 Personen, unter ihnen Vertraute des ehemaligen US-Präsidenten Trump, wurden nun wegen Wahlbeeinflussung angeklagt. Im US-Bundesstaat Arizona müssen sich 18 Personen wegen möglichen Wahlbetrugs bei der Präsidentschaftswahl 2020 vor Gericht verantworten. Unter ihnen sind mutmaßlich mehrere Vertraute des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump. Sie sollen sich der Verschwörung zur Wahlmanipulation schuldig gemacht und versucht haben, Trumps Wiederwahl 2020 zu ermöglichen, heißt es in der Anklageschrift. Angeklagte proklamierten Trumps Sieg in Arizona Arizona war einer von sieben Bundesstaaten, in denen Trumps Verbündete versuchten, die für die Wahl zum Präsidenten wichtigen Stimmen der Wahlleute des Staates für Trump zu sichern, obwohl diese tatsächlich an Joe Biden gingen. Bei elf der Angeklagten handelt es sich um Republikaner, die als Wahlleute für den Staat Arizona nominiert worden waren. Sie trafen sich laut Anklageschrift am 14. Dezember 2020 in Phoenix, um ein Dokument zu unterzeichnen, in dem sie sich als "die rechtmäßig gewählten und qualifizierten" Wahlleute bezeichneten und behaupteten, dass Trump die Präsidentschaftswahl in dem Staat gewonnen habe. Ein kurzes Video von der Unterzeichnungszeremonie wurde damals von der Republikanischen Partei in Arizona in den sozialen Medien gepostet. Das Papier wurde später an den Kongress und das Nationalarchiv gesandt, wo es aber ignoriert wurde. Biden holte nach offiziellen Angaben damals in Arizona mit einem Vorsprung von mehr als 10.000 Stimmen den Sieg. Vertraute Trumps unter den Angeklagten Unter den Angeklagten sei auch Trumps Anwalt Rudy Giuliani, räumte dessen Sprecher Ted Goodman ein. Giulianis Name sowie die Namen von sieben weiteren Angeklagten seien bis zur Zustellung der Anklageschrift geschwärzt, erklärte der Generalstaatsanwalt von Arizona. Eine der Personen wurde in den Gerichtsdokumenten zwar namentlich unkenntlich gemacht, aber als Stabschef im Jahr 2020 aufgeführt - eine Position, die zu diesem Zeitpunkt Mark Meadows im Weißen Haus innehatte. In den Gerichtsdokumenten wird auch ein "ehemaliger US-Präsident" als nicht angeklagter Mitverschwörer der insgesamt 18 Angeklagten aufgeführt - dabei handelt es sich in aller Wahrscheinlichkeit um Donald Trump. Der Wahlbetrug ist zudem Gegenstand zweier weiterer Strafverfahren in Washington, D.C. und Georgia, in denen Trump vorgeworfen wird, illegal versucht zu haben, Bidens Sieg zu kippen.
/ausland/amerika/trump-anklage-arizona-wahleinmischung-100.html
2024-04-25
USA bestätigen Lieferung von ATACMS-Raketen
Krieg gegen die Ukraine
Lange wurde gezögert, jetzt ist es offiziell: Die Ukraine hat weitreichende ATACMS-Raketen aus den USA erhalten. Weitere sollen folgen. Steigt dadurch der Druck auf Deutschland, "Taurus"-Marschflugkörper zu liefern? Von Ralf Borchard.
Lange wurde gezögert, jetzt ist es offiziell: Die Ukraine hat weitreichende ATACMS-Raketen aus den USA erhalten. Weitere sollen folgen. Steigt dadurch der Druck auf Deutschland, "Taurus"-Marschflugkörper zu liefern? Von Ralf Borchard Kaum hatte US-Präsident Joe Biden versichert, neue Waffenlieferungen an die Ukraine würden sofort auf den Weg gebracht, standen plötzlich Lieferungen der Vergangenheit im Fokus. Jake Sullivan, nationaler Sicherheitsberater des Präsidenten, bestätigte einen Bericht der New York Times, nach dem die USA schon vor Wochen heimlich Raketen mit deutlich größerer Reichweite als bisher an die Ukraine geliefert haben. "Im Februar hat der Präsident sein Team angewiesen, der Ukraine eine bedeutende Zahl an ATACMS-Raketen bereitzustellen", sagte Sullivan und fügte hinzu: "zur Verwendung innerhalb ihres eigenen Territoriums." Reichweite von bis zu 300 Kilometern Der Zusatz ist wichtig. Denn die neu gelieferten Präzisionswaffen haben eine Reichweite von bis zu 300 Kilometern. Die Ukraine kann so auf russische Stellungen deutlich hinter den Frontlinien zielen und hat dies offenbar vergangene Woche schon zweimal getan: Beschossen wurden ein Flugfeld auf der von Russland besetzten Halbinsel Krim und russische Stellungen im besetzten Südosten der Ukraine. Gleichzeitig hat die Ukraine den USA laut Sullivan zugesichert, mit den ATACMS keine Ziele in Russland selbst anzugreifen. Die Abkürzung ATACMS steht für Army Tactical Missile Systems - Raketensysteme, die von Wirkung und Reichweite häufig mit den britischen "Storm Shadow" und den deutschen "Taurus"-Marschflugkörpern verglichen werden. Die USA hatten lange gezögert, die Systeme zu liefern - nicht nur, weil die eigenen Bestände knapp sind, sondern auch, weil sie befürchteten, der Krieg könne sich auf russisches Territorium ausweiten. Sullivan nannte zwei Gründe für den Positionswechsel: Russland habe Raketen aus Nordkorea gegen die Ukraine eingesetzt und die Angriffe auf die zivile Infrastruktur der Ukraine deutlich ausgeweitet. "Da würde ich Sie an Berlin verweisen" Auch in der ersten, möglichst schnellen Lieferung nach der Entscheidung des US-Kongresses sollen weitere ATACMS großer Reichweite enthalten sein. Auf die Frage, ob dieser neue Waffentyp den Kriegsverlauf zugunsten der Ukraine wenden könne, sagte Bidens Sicherheitsberater: "Es gibt keine Wunderwaffe in diesem Konflikt. Diese eine neue Fähigkeit wird keine endgültige Lösung bringen." Sullivan betonte aber auch: "Mit der Zeit wird sich die Position der Ukraine unserer Einschätzung nach verbessern. Wir glauben, die Ukraine kann und wird gewinnen." Wird die Entscheidung der USA für weitreichende ATACMS-Raketen den Druck auf Deutschland erhöhen, doch noch "Taurus"-Marschflugkörper zu liefern, was Bundeskanzler Olaf Scholz bisher entschieden ablehnt? Würden die USA eine deutsche "Taurus"-Lieferung begrüßen? Auch danach wurde Sullivan gefragt. "Da würde ich Sie an Berlin verweisen", war seine einzige Antwort. Die Diskussion, welche Waffen die Ukraine benötigt, scheint jedenfalls auf beiden Seiten des Atlantiks noch nicht zu Ende.
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2024-04-25
"Machen nicht die Fortschritte, die wir machen sollten"
Welt-Malaria-Tag
Weltweit stecken sich jährlich rund 250 Millionen Menschen mit Malaria an, viele sterben an einer Infektion - vor allem in Afrika. In Kamerun läuft eine Impfkampagne, die Hoffnung macht, aber auch auf Widerstand stößt. Von K. Küstner.
Weltweit stecken sich jährlich rund 250 Millionen Menschen mit Malaria an, viele sterben an einer Infektion - vor allem in Afrika. In Kamerun läuft eine Impfkampagne, die Hoffnung macht, aber auch auf Widerstand stößt. Von Kai Küstner, ARD-Studio Nordwestafrika Gleich ist es so weit: Zusammen mit etwa 200 weiteren jungen Müttern hat Hélène, die nur ihren Vornamen nennt, stundenlang geduldig in der Schlange gewartet - inmitten von viel Gewusel und Geschrei hörbar verdrossener Säuglinge. Doch nun werden die Zwillingsmädchen von Hélène im Krankenhaus der Region Soa nahe der kamerunischen Hauptstadt Jaunde, endlich gegen Malaria geimpft: "Ich bin gekommen, weil ich nicht will, dass meine Kinder krank werden", erklärt die Mutter. Und gibt gleichzeitig zu: "Früher habe ich nicht an Impfungen geglaubt." Heute ist sie überzeugt davon. Weil sie weiß, dass in Kamerun der durch die Anopheles-Mücke übertragene Malaria-Parasit todbringender ist als jede andere Krankheit. Weltweit stecken sich jährlich rund 250 Millionen Menschen mit der tückischen Infektion an. Mehr als 600.000 fallen ihr zum Opfer, vor allem in Afrika. Doch mit ihrer einstmaligen Impfskepsis ist die junge Mutter in Kamerun keineswegs allein. In sozialen Medien Afrikas kursieren haufenweise Horror- und Falschmeldungen, dass die Medizin töte statt schütze. Viel Aufklärungsarbeit nötig "Das ist ein Problem, das jedes Mal auftaucht, wenn es um einen neuen Impfstoff geht", erklärt Dorothy Fosah Achu, die im Afrika-Büro der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für das Malaria-Programm zuständig ist. Es sei weiter viel Aufklärungsarbeit nötig. Diese Aufklärungsarbeit übernimmt in der kamerunischen Klinik Soa Krankenschwester Biko'o Priso, die den Hunderten Wartenden mit eindringlicher Stimme nahelegt, alle Kinder zwischen null und fünf Jahren herzubringen: "Das ist zu eurem eigenen Vorteil", schärft sie den Müttern ein. "Der Staat will die Kindersterblichkeit aufgrund von Malaria ausradieren. Und Ihr wisst ja, dass Malaria eure Kinder tötet." Kamerun bietet seit drei Monaten Impfungen an Im Krankenhaus Soa, wurde vor etwa drei Monaten die erste Nadel im westafrikanischen Kamerun mit dem neuen Impfstoff gesetzt. Er sei nach wie vor überwältigt vom großen Andrang, gesteht Krankenhausdirektor Ekani Bukar: "Vom ersten Tag an kamen die Menschen - trotz aller Gegenkampagnen in den sozialen Netzwerken. Es kommen sogar Erwachsene, die fragen, ob sie nicht auch geimpft werden können." Trotz des Hochbetriebs hier: Der Kampf gegen Malaria ist alles andere als gewonnen. Der Impfschutz liegt WHO-Berechnungen zufolge nur bei 30 bis 50 Prozent, kann also nur ein Heilmittel unter vielen sein. Und in Kamerun selbst wurde bislang nur in jedem vierten Distrikt geimpft. Zahlen geben Anlass zur Sorge Weitet man den Blick auf Afrika, den von Malaria weltweit am schwersten betroffenen Kontinent, so geben die jüngsten Zahlen eher Anlass zur Sorge: In den vergangenen zwei Jahrzehnten ist es nach Angaben der WHO zwar gelungen, die Zahl der Ansteckungs- und Todesfälle massiv herunterzuschrauben. Aber: "Zuletzt haben wir wieder einen leichten Anstieg bei den Fällen festgestellt. Man kann sagen, dass bei der Bekämpfung in den letzten sechs bis sieben Jahren Stillstand herrschte. Wir machen nicht mehr die Fortschritte, die wir machen sollten", beklagt Dorothy Fosah Achu von der WHO. Als einen von mehreren Gründen nennt sie das rasante Bevölkerungswachstum. Aber auch die Tatsache, dass aufgrund von Krisen, Kriegen und Terror viele Menschen innerhalb Afrikas keine feste Bleibe mehr haben und deshalb besonders gefährdet sind für den Stich der Anopheles-Mücke. Die so klein und unscheinbar scheint, und doch das wohl gefährlichste Tier auf diesem Erdball ist. Kapverdische Inseln sind malariafrei Doch es gibt auch gute Nachrichten: An einer Straßenbiegung in Praia, der Hauptstadt der Kapverdischen Inseln, ist an eine Wand ein Anopheles-Moskito gemalt. Rot durchgestrichen. Und mit dem Schriftzug darüber: "Null Malaria fängt bei mir an." Null Malaria - das haben die Kapverdischen Inseln geschafft. Seit Anfang des Jahres trägt der Atlantik-Staat vor der Küste Westafrikas stolz das WHO-Gütesigel "malariafrei". "Die Kapverden sind ein Musterbeispiel dafür, wie eine politische Führung Malaria zur Chefsache gemacht und viel investiert hat", erklärt Expertin Achu. Menschen können Kampf gegen Mücken gewinnen Den Mücken die Brutstätten nehmen, großflächiges Sprühen, das Verteilen von Moskitonetzen - all das erweist sich weltweit als wirksames Mittel gegen Malaria. Hinzu kommen nun Impfungen. Was die Kapverden betrifft, so hat es - zugegeben - ein Inselstaat mit vergleichsweise geringer Einwohnerzahl leichter als ein 225-Millionen-Einwohner-Land mit einem Terrorismusproblem wie Nigeria, in dem Malaria weltweit am schlimmsten wütet. Doch die Kapverden beweisen, dass der Kampf gegen die tödlichen Mücken keiner ist, in dem die Menschen automatisch unterliegen müssen.
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2024-04-25
Kaum Schutz vor Angriffen aus der Luft
Deutsche Abwehrsysteme
Seit Russlands Überfall auf die Ukraine steckt Deutschland viele zusätzliche Milliarden in die Bundeswehr. Doch zentrale Projekte dauerten zu lange, kritisieren Experten. Von Tim Diekmann.
Seit Russlands Überfall auf die Ukraine steckt Deutschland viele zusätzliche Milliarden in die Bundeswehr. Doch zentrale Projekte dauerten zu lange, kritisieren Experten. Von Tim Diekmann Die kleinste Verunreinigung kann die Arbeit der rund 85 Mitarbeitenden in der hauseigenen "Microwave Factory" zunichte machen. Beim Rüstungshersteller Hensoldt findet die Produktion von Sende- und Empfangsmodulen für Radare deshalb in einem Reinraum statt. In die nahezu staub- und keimfreie Umgebung kommt nur, wer sich vorher Schutzkleidung überstreift und durch eine Schleuse geht. Fläche günstiger als Leistung "Die Module, die hier entstehen, sind als geheim eingestuft", sagt Fabian Kast, Head of Microwave Components bei Hensoldt. Das, was hier entstehe, seien Schlüsselkomponenten, die man allein aus Sicherheitsgründen nicht so einfach extern beauftragen könne. Über viele Jahre habe man die Prozesse dieser Hochfrequenzmodule immer weiter verfeinert. Und die Ansprüche sind hoch: Militärisch genutzte Module müssen jahrzehntelang zuverlässig ihren Dienst tun. Zum Beispiel im Großradar TRML-4D, das in der Ukraine als Teil des Flugabwehrsystems Iris-T bereits im Einsatz ist und unbekannte Flugobjekte ortet, lange bevor das menschliche Auge überhaupt etwas wahrnehmen kann. Dafür müssten die Radare auch eine gewisse Größe haben, erklärt der Leiter der Radarsparte, Markus Rothmaier. "Am Ende ist das Physik: Antennenfläche produziert Reichweite. Leistung produziert Reichweite. Leistung ist teuer. Fläche ist nicht so teuer." Zwei Tonnen wiegt das Großradar, muss auf einen eigenen Lkw montiert werden, um überhaupt mobil zu sein. Auftragsboom und Imagewandel Früher haben sie in Ulm solche mehrere Millionen Euro teuren Radare nur nach Auftragseingang individuell angefertigt - einige wenige pro Jahr. Mit Beginn der Invasion in die Ukraine wurde aus der Radarmanufaktur eine Serienfertigung. "Heute produzieren wir 20 Radare pro Jahr, ohne zu wissen, wer am Ende der Kunde wird", so Rothmaier. Man habe durch den Schritt die Lieferzeit von 18 auf zwölf Monate reduzieren können. Der russische Angriffskrieg habe vieles verändert, sagt der gelernte Nachrichtentechniker, der seit 30 Jahren im Unternehmen arbeitet: "Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von mir haben über Weihnachten noch zwei Radare nach Polen zur Auslieferung gebracht, weil es ihnen einfach am Herzen lag, dass dort die Infrastruktur und die Bevölkerung geschützt werden." Der Blick von außen auf ihre Arbeit habe sich verändert. Freunde und Familie interessierten sich plötzlich für den Job im Unternehmen, erzählt Rothmaier. "Flächendeckenden Schutz gibt es nicht" Während andernorts in Luftverteidigung investiert wird, halten Experten Deutschland aktuell für kaum in der Lage, feindliche Raketen und Drohnen abzuwehren. "In Deutschland selbst gibt es nur eine begrenzte Anzahl von Patriot-Flugabwehrsystemen. Die Bundeswehr hat jetzt noch neun, nachdem sie drei an die Ukraine abgegeben hat", sagt der Sicherheitsexperte und Journalist Thomas Wiegold. "Einen flächendeckenden Schutz Deutschlands vor Angriffen aus der Luft, wie manche sich das vorstellen, den gibt es nicht." In Zeiten des Kalten Krieges haben nach Berechnungen der Militärhistorikerin Friederike Hartung noch rund 18.600 deutsche Soldaten den Luftraum gesichert. Nach Angaben der Bundeswehr sind es heute noch 2.600. Verbund plant europäischen Luftschild Künftig könnte die Zahl der Soldaten in der Luftverteidigung wieder steigen, denn Deutschland will gemeinsam mit 21 weiteren Staaten einen europäischen Luftschild aufbauen. Vier Systeme sollen dann den Luftraum in unterschiedlichen Schichten überwachen. Zur Abwehr von Langstrecken-Raketen soll das israelische System Arrow 3 beschafft werden, das Raketen in bis zu 100 Kilometer Entfernung ausschalten kann. Darunter sichern Patriot vor Mittelstreckenraketen bis 70 Kilometer und Iris-T bis 40 Kilometer Reichweite den Luftraum. Für Drohnen und kleine Flugobjekte im Nah- und Nächstbereich soll künftig der Skyranger dienen. Das Rüstungsunternehmen Rheinmetall hat dafür kürzlich einen Auftrag in Höhe von rund 600 Millionen Euro vom Bund erhalten. 21 Länder tun sich zusammen Sicherheitsexperte Wiegold hält den Aufbau eines europäischen Luftschilds für sinnvoll. "Es könnte alles besser werden, aber es wird noch ein paar Jahre dauern", gibt Wiegold zu bedenken. "Die European-Sky-Shield-Initiative ist im Grunde genommen eine Einkaufsgenossenschaft, wo sich 21 Länder darauf verständigt haben, gemeinsam Flugabwehrsysteme zu kaufen." Damit könne man Geld bei der Anschaffung sparen. Der Experte kritisiert die zögerliche Bestelltaktik der beteiligten Nationen. "Das, was man in diesem Jahr bestellt hat, das hätte man eigentlich vor zwei Jahren schon bestellen müssen." Hersteller pocht auf Planungssicherheit Klar scheint zudem, dass das vom Bund ausgerufene Sondervermögen für den Aufbau eines nationalen Flugabwehr-Schutzschilds nicht ausreichen wird. Der Vorstandsvorsitzende des Rüstungskonzerns Hensoldt, Oliver Dörre, fordert Planungssicherheit: "Wir als Industrie investieren natürlich massiv in die Fähigkeit unsere Produktionskapazitäten zu erhöhen. Aber wir brauchen zusätzlich zu dieser Anschubfinanzierung, die das Sondervermögen gebracht hat, jetzt langfristige Planungssicherheit." Planungssicherheit, die sich sicher auch die vielen neuen Mitarbeiter im Unternehmen wünschen. Zuletzt hat Hensoldt jedes Jahr rund 500 neue Beschäftigte eingestellt, die deutsche Technologie voranbringen sollen. Denn sie könnte einmal den entscheiden Vorteil im Kriegseinsatz bringen.
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2024-04-25
Wer muss für Einsätze bei Risikospielen zahlen?
Bundesverfassungsgericht
Darf der Staat die DFL an den Kosten für Polizeieinsätze bei Fußballspielen beteiligen? Oder ist die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit vom Steuerzahler zu bezahlen? Darüber verhandelt heute das Bundesverfassungsgericht. Von Kolja Schwartz.
Darf der Staat die DFL an den Kosten für Polizeieinsätze bei Fußballspielen beteiligen? Oder ist die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit vom Steuerzahler zu bezahlen? Darüber verhandelt heute das Bundesverfassungsgericht. Von Kolja Schwartz Wenn Dortmund gegen Schalke spielt, der Hamburger SV zum Stadtderby gegen St. Pauli oder zum Nordderby bei Werder Bremen antritt oder andere Vereine mit langjährigen Rivalitäten aufeinandertreffen - dann werden Fußballspiele zum Großeinsatz für die Polizei. Um die Sicherheit im deutschen Fußball zu gewährleisten, fielen in der Saison 2022/23 allein in der ersten und zweiten Bundesliga insgesamt gut 1,6 Millionen Polizei-Arbeitsstunden an. Das entspricht der Arbeitszeit von etwa 1.238 vollzeitbeschäftigten Polizeibeamten. Gut 1.200 Polizeibeamte - viele Millionen Euro, um rund um die Stadien für Ordnung zu sorgen. In manch anderen Ländern beteiligen sich die Ligen oder die Vereine an diesen Kosten. In Deutschland zahlt alles der Steuerzahler. Bremen will König Fußball an Kosten beteiligen Bisher jedenfalls, denn 2014 hat ausgerechnet das kleinste Bundesland Bremen die Voraussetzungen geschaffen, um König Fußball zur Kasse zu bitten. Seitdem heißt es in Paragraf 4 des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes: Eine Gebühr wird von Veranstaltern oder Veranstalterinnen erhoben, die eine gewinnorientierte Veranstaltung durchführen, an der voraussichtlich mehr als 5.000 Personen zeitgleich teilnehmen werden, wenn wegen erfahrungsgemäß zu erwartender Gewalthandlungen vor, während oder nach der Veranstaltung am Veranstaltungsort, an den Zugangs- oder Abgangswegen oder sonst im räumlichen Umfeld der Einsatz von zusätzlichen Polizeikräften vorhersehbar erforderlich wird. Es geht um Mehrkosten für Hochrisikospiele Bremen will also nicht die kompletten Kosten für die Polizeieinsätze ersetzt haben, sondern nur die Mehrkosten für Veranstaltungen, bei denen zusätzliche Polizeikräfte erforderlich sind. Im Fußball ist das bei den sogenannten Hochrisikospielen der Fall. Anstelle von ein paar Hundert Polizeibeamten sorgen bei diesen Spielen, zum Beispiel bei Derbys, oft Tausend oder mehr Polizisten für Sicherheit. Beim Nordderby Werder Bremen gegen den HSV am 19. April 2015 machte Bremen dann ernst und erließ nach vorheriger Ankündigung einen Gebührenbescheid über 425.718,11 Euro an die Deutsche Fußball Liga (DFL). Die DFL ist der Zusammenschluss der 36 Fußballvereine der Bundesliga und der 2. Bundesliga der Männer. Sie hat die vollständigen Vermarktungsrechte an den beiden Ligen und tritt neben den Vereinen selbst als Veranstalter auf. Weil sie die Kosten nicht übernehmen wollte, landete die Sache vor Gericht. Im Mai 2017 erklärte das Verwaltungsgericht Bremen in erster Instanz die Kostenbeteiligung nach dem Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetz für rechtswidrig. Das Oberverwaltungsgericht Bremen entschied in der Berufung im Februar 2018 hingegen: Die DFL muss zahlen. Im Verfahren hatte Bremen auf ein paar Tausend Euro verzichtet, so dass es nunmehr nur noch um 415.000 Euro ging. Im März 2019 bestätigte dann auch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in der Revision das Vorgehen Bremens. Gegen diese Urteile und gegen Paragraf 4 des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes wendet sich die Deutsche Fußballliga mit der Verfassungsbeschwerde. Jetzt muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Muss die Allgemeinheit für die öffentliche Sicherheit aufkommen? Beim Streit um die Polizeikosten für Hochrisikospiele gibt es einige rechtlich spannende Streitpunkte. In der öffentlichen Wahrnehmung geht es in erster Linie um die Grundsatzfrage, ob der Staat die ureigene Aufgabe "öffentliche Sicherheit" aus Steuermitteln finanzieren muss. Die DFL sieht das so. Sie hält deshalb das bremische Gesetz, mit dem die Veranstalter an den Mehrkosten beteiligt werden können, für verfassungswidrig. Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit werde im allgemeinen Interesse wahrgenommen. Deshalb müsse sie auch aus den allgemeinen Mitteln der öffentlichen Hand finanziert werden, also aus Steuermitteln. Außerdem sei der Fußball auch gar nicht verantwortlich für Gewalthandlungen, die außerhalb der Stadien geschehen. Das Bundesverwaltungsgericht überzeugten die Argumente nicht, und so bestätigte es klar die Vorinstanz: Es sei zwar richtig, dass die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit im Allgemeininteresse liege. Die Verfassung fordere aber nicht, dass alle Leistungen aus dem Bereich der staatlichen Kernaufgaben ausschließlich über Steuern zu finanzieren seien. Die DFL erhalte für die Gebühr eine klare Gegenleistung. Die Polizei sorge nämlich für einen reibungslosen Ablauf der Spiele. Daraus entstehe auch ein wirtschaftlicher Vorteil. Viele friedliche Fans würden nur deshalb ins Stadion gehen, weil das Risiko von Gewalthandlungen für sie durch die Polizei konkret gemindert werde. Es komme also nicht darauf an, wer für die Gewalthandlungen verantwortlich sei, sondern wer von der Mehrarbeit der Polizei profitiere. Auch im Bundesverfassungsgericht wird es hauptsächlich darum gehen, welche Grenzen die Verfassung einer solchen Gebühr setzt. Gesetz zu unbestimmt? Die DFL bemängelt darüber hinaus, dass das Gesetz zu "unbestimmt" sei. Vor allem die Höhe der Gebühr lasse sich nicht im Vorfeld berechnen. So könne man auch nicht entscheiden, ob man das Spiel wegen der hohen Kosten lieber absage. Außerdem handele es sich aus ihrer Sicht um ein so genanntes Einzelfallgesetz, weil es nur auf den Fußball zugeschnitten sei. Und Einzelfallgesetze seien verboten. Tatsächlich ergibt sich aus dem Grundgesetz, dass es dem Gesetzgeber verboten ist, aus einer Reihe gleichgelagerter Sachverhalte einen Fall herauszugreifen und zum Gegenstand einer Sonderregel zu machen. Der Wortlaut des Gesetzes in Bremen betrifft alle Veranstalter von gewinnorientierten Veranstaltungen, wenn die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind, also nicht explizit nur den Fußball und die DFL. Die wendet aber ein, dass nur Risikospiele und keine anderen Veranstaltungen betroffen seien. Außerdem habe die bremische Bürgerschaft in erster Linie über die Bundesligaspiele diskutiert, als sie das Gesetz erlassen hat. Müssen die Vereine oder die DFL zahlen? Zu guter Letzt ging es in dem langen Streit auch immer darum, ob die DFL überhaupt der richtige Ansprechpartner ist. Die DFL sagt, dass die Heimvereine die Spiele austragen würden. Wenn überhaupt, dann seien diese zur Kasse zu bitten. All das wird sie während der eintägigen Verhandlung in Karlsruhe vortragen. Ein Urteil könnte das Bundesverfassungsgericht in einigen Monaten verkünden.
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2024-04-25
Das lange Leiden von Kindern und Jugendlichen
Auswirkungen der Corona-Maßnahmen
Tausende junge Menschen leiden bis heute an den Nachwirkungen der Corona-Pandemie. Vor allem die Schulschließungen haben ihnen zugesetzt. Die Folge: ein massiver Anstieg psychischer Erkrankungen. Von J. Arendt, L. Polanz und A. Pollmeier.
Tausende junge Menschen leiden bis heute an den Nachwirkungen der Corona-Pandemie. Vor allem die Schulschließungen haben ihnen zugesetzt. Die Folge: ein massiver Anstieg psychischer Erkrankungen. Von J. Arendt, L. Polanz und A. Pollmeier. Von Janine Arendt, Lutz Polanz und Achim Pollmeier, WDR. Es war der zweite Corona-Lockdown, der sie aus der Bahn warf. So sehr, dass sie beinahe gestorben wäre. Philina (Name von der Redaktion geändert) leidet seit dreieinhalb Jahren an Magersucht, seit die Corona-Pandemie ihr Leben veränderte. Zum dritten Mal ist sie deshalb schon in einer psychiatrischen Klinik für Kinder und Jugendliche. Getrennt von Freunden und ihrer Familie. An die Schulschließungen erinnert sich Philina noch ganz genau. Das erste Mal habe sie es noch gut verkraftet, erzählt sie. Als die Schulen Weihnachten 2020 aber erneut in den Lockdown gehen, verschlechtert sich ihre Stimmung dramatisch. "Am schlimmsten war, dass ich meine Freunde so wenig sehen konnte, man einfach auf das Handy angewiesen war, um irgendwie noch Kontakt zu halten." Sie zieht sich zurück, verliert sich in den sozialen Medien, in immer intensiveren Sport-Workouts und unrealistischen Schönheitsidealen. Irgendwann ist sie so lebensgefährlich abgemagert, dass sie ins Krankenhaus muss. Angststörungen, Depressionen, Essstörungen Die Schule als Lebensort: plötzlich weg. Das belastete nicht nur Philina, sondern Tausende andere junge Menschen. So schwer, dass viele bis heute Hilfe brauchen. Wie hoch die Zahl der Hilfsbedürftigen ist, kann niemand genau sagen. Aber schon ein Jahr nach Beginn der Pandemie stieg die Nachfrage nach Behandlungen bei Kinder- und Jugendpsychotherapeuten um 60 Prozent. Krankenkassendaten der DAK zeigen, dass vor allem Mädchen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren betroffen sind. Bei ihnen stieg die Zahl neu diagnostizierter Essstörungen während der Pandemie um 51 Prozent. Auch Angststörungen und Depressionen nahmen deutlich zu. Zahlen, die eindeutig auch auf die Schulschließungen zurückzuführen seien, sagt Julian Schmitz, Professor für Kinder- und Jugendpsychologie an der Universität Leipzig. Er hat zahlreiche nationale und internationale Studien ausgewertet und sieht einen klaren Zusammenhang: "Je länger Schulschließungen gedauert haben, desto stärker war auch die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen beeinträchtigt." Viele Probleme zeigen sich erst zeitversetzt Mit fatalen Folgen, denn die Nachfrage nach Hilfe ist auch heute noch ungebrochen hoch. Der Grund: Viele Probleme zeigen sich erst zeitversetzt. Durch die Schulschließungen haben Kinder wichtige Entwicklungsschritte, etwa beim Spracherwerb, verpasst. Auch Erfahrungen im Sozialverhalten ließen sich nicht einfach nachholen. Viele Kinder und Jugendliche seien in ihrer Entwicklung zurückgeworfen, erklärt Thomas Fischbach, ehemaliger Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte. Auch wenn dies nicht die einzige Ursache für den Anstieg psychischer Erkrankungen bei Kinder und Jugendlichen sei, gebe es hier doch einen kausalen Zusammenhang. Laut der neu veröffentlichten Trendstudie Jugend in Deutschland ist jeder zehnte Jugendliche aktuell wegen psychischer Störungen in Behandlung. Waren Schulschließungen notwendig? Die Wirkung von Schulschließungen war schon früh umstritten. Im August 2020 warnte etwa das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten davor, Kinder und Jugendliche als Pandemietreiber zu betrachten. Doch Schulschließungen wurden für Bund und Länder zu einem Mittel der Wahl, um die Zahl der Corona-Infektionen zu reduzieren. Den Preis für "das möglichst normale Leben der Erwachsenen", habe vor allem die junge Generation zahlen müssen, sagt Jugendpsychologe Schmitz rückblickend. Dabei hätte es andere Möglichkeiten gegeben. In der Schweiz galt eine Homeoffice-Pflicht für Erwachsene, damit Kinder und Jugendliche zur Schule gehen konnten. Auch andere Länder verzichteten nahezu komplett auf Schulschließungen. Schwedischer Epidemiologe: "Das war es uns nicht wert” Insbesondere Schweden setzte in der Pandemiebekämpfung auf Eigenverantwortung statt Lockdown - vor allem in den Schulen. Nur die älteren Jahrgänge wurden ins Homeschooling geschickt. Für die Jüngeren blieben die Schulen während der Pandemie geöffnet. Im Vergleich zu Deutschland starben in Schweden - gemessen an der Einwohnerzahl zu Beginn der Pandemie - zwar deutlich mehr Menschen im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion. Während der zweiten und dritten Infektionswelle aber glichen sich die Zahlen in Schweden im Vergleich an, obwohl die Schulen offen blieben. Geprägt hat den schwedischen Weg der Epidemiologe Anders Tegnell. Im Monitor-Interview betont er, man habe gewusst, dass Schulschließungen nur einen kleinen Einfluss auf die Ausweitung der Krankheit hatten, aber einen großen Einschnitt für Kinder bedeuten würden: "Das war es uns nicht wert." Auch in Schweden sehe man, dass die Pandemie Kinder und Jugendliche psychisch belastet habe. So deutliche Auswirkungen wie hierzulande blieben aber aus. Kinder und Jugendliche profitieren kaum von Maßnahmen In Deutschland hat eine Arbeitsgruppe der Bundesregierung 2023 die Folgen der Schulschließungen untersucht und Handlungsempfehlungen beschlossen. Der Kinderarzt Thomas Fischbach war Mitglied der Arbeitsgruppe. Die Empfehlungen seien gut, die Umsetzung lasse aber zu wünschen übrig, sagt er heute. Ein Beispiel: der öffentliche Gesundheitsdienst. Den wollte der Bund mit vier Milliarden Euro stärken, das Geld floss vor allem für mehr Personal und eine bessere Bezahlung. Aber nur etwa 70 der bundesweit 377 Gesundheitsämter hielten in Deutschland kinder- und jugendpsychiatrische Angebote vor, kritisiert Matthias Albers, Sprecher des Fachausschusses Psychiatrie beim Bundesverband Öffentlicher Gesundheitsdienst. Warten auf bessere Zeiten Ein weiteres Problem ist der Mangel an Therapieplätzen. Untersuchungen an der Uni Leipzig zeigen: Wartezeiten bei ambulanten Therapeuten haben sich in der Pandemie verdoppelt und sind bis heute nicht wesentlich zurückgegangen. Dabei wollte die Regierung schon vor zwei Jahren mehr Therapieplätze schaffen. So stand es in ihrem Koalitionsvertrag. Geändert habe sich seitdem zu wenig, kritisieren Experten. Das Kölner Gesundheitsamt etwa berichtet, dass Betroffene und ihre Familien oft allein sechs Monate auf eine Diagnose warten müssten. Je länger die Wartezeit, desto höher ist aber die Gefahr, dass sich die Krankheitsbilder chronifizieren und nur noch mit hohem Aufwand zu korrigieren sind. Bis zu einer Therapie verlängere sich die Wartezeit noch mal auf bis zu ein Jahr. Die Suche nach klinischen Behandlungsplätzen etwa sei so aufwändig, dass viele Familien aufgäben. Das träfe vor allem sozial benachteiligte Familien und Einwanderer. Aktuell arbeitet das Bundesgesundheitsministerium an einem Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in den Kommunen. Das soll den Bedarf vor Ort gezielt an der Patientengruppe der Kinder und Jugendlichen ausrichten und für eine gerechtere Verteilung psychotherapeutischer Angebote auch in ländlichen Regionen sorgen. Wann das Gesetz kommt und wie viele zusätzliche Therapieplätze entstehen, ist bis heute allerdings unklar. Eine schnelle Umsetzung wäre laut Fachleuten dringend geboten, um die langen Wartezeiten endlich zu verkürzen und so die Gefahr psychischer Langzeitschäden zu verringern.
/investigativ/monitor/corona-gesundheit-jugendliche-kinder-schulschliessungen-pandemie-auswirkungen-100.html
2024-04-25
Beschwerde gegen Bayer bei der OECD
Menschenrechtler zu Glyphosat-Einsatz
Abholzungen, Landvertreibung, Glyphosat im Trinkwasser: Menschenrechtsorganisationen werfen dem Bayer-Konzern vor, seiner Verantwortung für den Einsatz von Gensoja und Glyphosat nicht nachzukommen - und legen Beschwerde bei der OECD ein. Von F. Grieger und J. Wiese.
Abholzungen, Landvertreibung, Glyphosat im Trinkwasser: Menschenrechtsorganisationen werfen dem Bayer-Konzern vor, seiner Verantwortung für den Einsatz von Gensoja und Glyphosat nicht nachzukommen - und legen Beschwerde bei der OECD ein. Von Fabian Grieger und Jan Wiese, rbb Erstmals reicht eine internationale Gruppe von Menschenrechtsorganisationen Beschwerde gegen den Bayer-Konzern wegen Verstoßes gegen die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen ein. Dem Konzern wird vorgeworfen, seiner Verantwortung für die Anwendung von Glyphosat und die Nutzung von Gensoja nicht nachgekommen zu sein. Die Leitsätze der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wurden 2011 verabschiedet und sehen unter anderem vor, dass Unternehmen, die im Ausland aktiv sind, die Risiken bei der Anwendung ihrer Produkte analysieren und Schäden vorbeugen sollen. Bayer bekennt sich öffentlich zur Einhaltung dieser Regeln. Klagen über Übelkeit und Atemprobleme Im Beschwerdetext, der rbb24 Recherche exklusiv vorliegt, wird unter anderen der Fall von Sabrina Ortiz im argentinischen Pergamino dokumentiert. Ortiz lebte in der Nähe riesiger Sojafelder. Nach dem Ausbringen der Pestizide klagten Anwohner über Übelkeit, Atemprobleme oder Hautausschläge. Ortiz zeigte 2011 Vergiftungssymptome und hatte eine Fehlgeburt. Auch ihre Kinder leiden unter schweren Beschwerden wie Zysten. Bei Urinuntersuchungen wurden hohe Konzentrationen von Glyphosat bei ihnen festgestellt. Der Fall kam in Argentinien vor Gericht, wo weitere Gutachten einen Zusammenhang zwischen den Erkrankungen und der Pestizidbelastung nahelegten. Bayer widerspricht auf rbb-Anfrage. Der konkrete Fall aus Argentinien sei dort nicht bekannt und er passe nicht zum "Produkt- und Sicherheitsprofil von Glyphosat, welches eines der am besten untersuchten Pflanzenschutzmittel weltweit ist." Ein argentinisches Gericht gab Ortiz Recht und legte 2019 Abstandsregeln von mindestens 1.095 Metern für die Ausbringung von Pestiziden fest. Sie selbst zog auf ärztlichen Rat hin aus ihrem von Sojafeldern umgebenen Heimatviertel weg. Bayer verweist auf Schulungsprogramm Bayer sei seiner Verantwortung für den Einsatz des von ihm angebotenen Gensojas und Glyphosats nicht in dem Maße nachgekommen, wie es die OECD-Leitsätze vorschreiben, sagt Christian Schliemann-Radbruch, Jurist und Leiter des Programms Wirtschaft und Menschenrechte des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR): "Ein Punkt ist auch, dass die Firmen dafür Sorge tragen müssen, was passiert, wenn ihre Produkte missbraucht werden." Seit 20 Jahren werde über die Situation vor Ort berichtet und es sei daher eindeutig vorhersehbar, dass es zu solchen Schäden komme - "und das sehen wir bisher überhaupt nicht in die konkrete Praxis der Firma integriert", so Schliemann-Radbruch. Bayer verweist auf rbb-Anfrage auf sein Schulungsprogramm für den sicheren Umgang mit Pestiziden: "Allein in Lateinamerika haben wir im vergangenen Jahr 300.000 Landwirte mit Trainings erreicht. Wenn wir Hinweise erhalten, die auf einen nicht sachgemäßen Verbrauch hindeuten, gehen wir diesen konsequent nach." Auswirkungen von Glyphosat umstritten Einer, der seit Jahren vor Gesundheitsschäden des massiven Pestizideinsatzes warnt, ist Damian Verzeñassi, Medizinprofessor an der Universität von Rosario in Argentinien. Er wertete Gesundheitsdaten von 130.000 Menschen aus, die in unmittelbarer Nähe zu Gensojafeldern leben und stellte fest: Bei jüngeren Personen gab es auffällig viele Krebsfälle sowie Atemwegserkrankungen und Schilddrüsen- und Fruchtbarkeitsprobleme. "Die gesundheitlichen Probleme setzten erst Ende der 1990er-Jahre ein, als in Argentinien der massive Einsatz von Pestiziden begann", erklärt Verzeñassi. Die Auswirkungen von Glyphosat und weiteren beigemischten Chemikalien sind weltweit umstritten. Bayer schreibt in seiner Antwort an den rbb, "dass Glyphosat bei sachgemäßer Anwendung sicher und nicht krebserregend ist". Dies sei von den führenden Gesundheits- und Zulassungsbehörden wie jenen der EU und der USA bestätigt worden. Anbau von Gensoja in der Kritik Doch bei der nun eingereichten Beschwerde gegen Bayer geht es nicht nur um die Gesundheitsauswirkungen von Glyphosat, sondern auch um die sozialen und ökologischen Folgen des Agrarmodells, das die Bayer-Tochter Monsanto ab den 1990er-Jahren weltweit durchzusetzen versuchte. Das basiert auf dem Anbau von glyphosatresistentem Gensoja und dem dadurch möglichen massiven Einsatz von Glyphosat zur Unkrautbekämpfung. Beide Produkte verkaufte der Chemiekonzern quasi im Paket. In Bolivien beherrschte Bayer 67 Prozent (2019) des Marktes, in Brasilien, dem weltweit wichtigsten Sojaexporteur, sind es 44 Prozent. Die Verbreitung des flächenintensiven Gensojaanbaus setzte einen doppelten Verdrängungsprozess in Gang: Schätzungen zufolge wurden bis 2017 jedes Jahr mehr als zwei Millionen Hektar Wald - in etwa die Fläche von Rheinland-Pfalz - im südlichen Südamerika gerodet, um Platz für den Anbau von genverändertem Soja zu schaffen. Bayer: Gensoja-Anbau nicht der Grund für Abholzung Außerdem verdrängten die Monokulturen die kleinbäuerliche Landwirtschaft, die kaum mehr Zugriff auf Land oder nur auf "Glyphosat-kontaminiertes" Land hat. "Indigene Gemeinden können dann oft nicht mehr genug anbauen und müssen sich Nahrungsmittel am Markt besorgen, für das ihnen das Geld fehlt. Das übersetzt sich dann in eine klare Verletzung ihrer Menschenrechte, also das Recht auf Nahrung oder das Recht auf Land", so Schliemann-Radbruch vom ECCHR. Auch hier widerspricht Bayer den Beschwerdeführern und sieht nicht die Verbreitung von Gensoja als maßgeblich für Waldrodung und Vertreibung von Kleinbauern: "Die Konsolidierung der Landwirtschaft ist ein weltweiter Vorgang und ist völlig unabhängig von genmodifiziertem Saatgut. Wir beobachten dieses Phänomen im Übrigen auch in Europa seit Jahrzehnten, wo genmodifiziertes Saatgut nicht zugelassen ist." Nach der Einschätzung der Organisationen leiden Kleinbauern - zum Beispiel in Paraguay - in unmittelbarer Nachbarschaft zu Gensoja-Feldern auch darunter, dass die Glyphosatanreicherung im Boden und im Wasser ihre Ernten zerstört. Denn anders als Gensoja von Bayer sind ihre eigenen Pflanzen nicht gegen Glyphosat resistent und gehen ein. Menschenrechtler kritisieren Glyphosatbelastung Außerdem sei in mehreren Fällen Trinkwasser durch Glyphosat verunreinigt. Ein weiteres beanstandetes Problem ist der Verlust der Biodiversität durch die Gen-Monokulturen und den Glyphosateinsatz. Laut Bayer zeigen Studien dagegen, dass bei sachgemäßem Gebrauch der Produkte "weder Menschen noch die Umwelt einem inakzeptablen Risiko ausgesetzt" seien. "Was wir in unserer Untersuchung festgestellt haben, ist, dass die Probleme sich in den verschiedenen Ländern stark ähneln, das zeigt, dass es keine Einzelfälle sind und sich das Agrarmodell ändern muss", sagt Daisy Ribeiro von der brasilianischen Menschenrechtsorganisation Terra de Direitos, die an der Beschwerde gegen Bayer beteiligt ist. Wirtschaftsministerium muss Vorwürfe prüfen Eine Abteilung des Bundeswirtschaftsministeriums muss jetzt die gegen Bayer erhobenen Vorwürfe prüfen. Wenn sie die Beschwerde annimmt, wird ein Mediationsverfahren eingeleitet. "Das ist auch erst mal unser primäres Ziel", sagt ECCHR-Jurist Schliemann-Radbruch. "Wir wollen am Ende mit Bayer an einen Tisch kommen und die Schwachstellen in seiner Unternehmenspolitik gemeinsam beleuchten, um dann rauszufinden: Okay, wo muss man eigentlich die Stellschraube drehen, damit nicht weiterhin so viele negative Schäden in den vier Ländern passieren?" In der Mediation soll es nach seinem Wunsch dann auch um die Frage von Schadensersatzzahlungen für die Betroffenen in Südamerika gehen. Ein juristischer Anspruch auf Entschädigung leitet sich aus den OECD-Leitsätzen nicht ab.
/investigativ/rbb/bayer-glyphosat-gensoja-beschwerde-oecd-100.html
2024-04-25
"Kommunale Notwehr" oder Populismus?
Freie Wähler in Sachsen
In den Kommunen wächst die Unzufriedenheit. Die Freien Wähler in Sachsen wollen davon zwischen CDU und AfD profitieren - mit Grimmas populärem Oberbürgermeister Matthias Berger. Er polarisiert auch in seiner Stadt. Von T. Vorreyer.
In den Kommunen wächst die Unzufriedenheit. Die Freien Wähler in Sachsen wollen davon zwischen CDU und AfD profitieren - mit Grimmas populärem Oberbürgermeister Matthias Berger. Er polarisiert auch in seiner Stadt. Von Thomas Vorreyer Matthias Berger mag es drastisch. Dass er für den sächsischen Landtag kandidiert, sei nicht weniger als ein "Akt kommunaler Notwehr" - gegen eine chronische Unterfinanzierung, gegen Bürokratie. "Wir haben Angst, dass wir unausweichlich gegen die Wand gefahren werden", sagt der Oberbürgermeister von Grimma. "Wir", das sind fünf Bürgermeister, die bei der Wahl im September in den Landtag einziehen wollen. Aufgestellt haben sie die Freien Wähler. Der parteilose Berger ist ihr Spitzenkandidat. Parteien als Auslaufmodell Berger, Jahrgang 1968, übernahm 2001 das Grimmaer Rathaus. Zwei schwere Hochwasser - 2002 und 2013 - machten ihn als Katastrophenmanager bundesweit bekannt. Als "Macher von Grimma" (Leipziger Volkszeitung) meisterte er den Wiederaufbau. Bei seinen drei Wiederwahlen erhielt er 98, 90 und 86 Prozent der Stimmen.  Dass es ihn nun nicht mehr in Grimma hält, passt in die Zeit: Mit der Corona- und der Asyl-Debatte gewann die kommunale Ebene an Gewicht. Landrätinnen und Landräte sowie Bürgermeisterinnen und Bürgermeister gehören zum Inventar politischer Talkshows. Sie erklären dort, wie die Beschlüsse aus Berlin und Dresden vor Ort umgesetzt werden - oft geht es nur um das Wie, nicht das Ob. Zu Bergers Forderungen gehören kostenlose Kitas, kostenlose Schulspeisungen und die steuerliche Entlastung junger Familien. Er stellt aber auch Grundsatzfragen: Berger will direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild. Mit der "Parteiendemokratie", die vor allem lange Parteizugehörigkeiten belohnen würde, "wird das nichts mehr", meint er. Berger will Fördermittel weitestgehend abschaffen. Diese dienten nur "der politischen Einflussnahme" von Bund und Ländern. Rund 30 Fördermittelanträge der Stadt wurden laut Berger zuletzt abgelehnt. Im Fall einer Entlüftungsanlage für eine Grundschule klagt er jetzt. Radikales Werben um Konservative Grundsätzliches formuliert Berger radikal. "Der Staat degeneriert", sagt er. Das Fördermittelsystem sei "krank". Das Wort benutzt Berger oft. Die Grünen seien "die übelsten Polarisierer der Gesellschaft", Demokratieförderprogramme brauche es nicht. Politiker anderer Parteien nannte er auch schon "Polit-Zombies". Wo ist da der Unterschied zur AfD? Die AfD stehe nicht in der Mitte, sagt Berger. Deren Forderungen wie Atomkraftwerke in Sachsen könne man nicht ernst nehmen. Dennoch wollen sich Berger und der Landesverband der Freien Wähler nicht an das Kooperationsverbot ihrer Partei mit der AfD halten. Sprich: Im Zweifel würde Berger im Landtag auch für einen AfD-Antrag stimmen. Überhaupt, der Vorwurf, "rechts zu sein", werde benutzt, um jede Debatte um Veränderungen "abzuwürgen". So hat es Berger im Januar auf einer Demo von Landwirten gesagt. Immer wieder verweist er auf das sinkende Vertrauen der Menschen in Parteien, Staats- und Bundesregierung und auch Medien. Ohne Angebote wie die Freien Wähler drohe die aus seiner Sicht konservative Mehrheit der sächsischen Bevölkerung zwischen extremistischen Polen zerrieben zu werden. Freie Wähler wollen trotzdem mitregieren Bei der Landtagswahl vor fünf Jahren - die Freien Wähler kamen damals auf 3,4 Prozent - trat Berger nicht selbst an. Dass das heute anders ist, liegt an Thomas Weidinger. Der Wirtschaftsanwalt führt seit drei Jahren den Landesverband. Die Freien Wähler können nur mit ihren kommunalen Spitzenkräften in den Landtag kommen, sagt Weidinger. Mit rund 60 parteilosen Bürgermeistern will er deshalb gesprochen haben. Berger stand ganz oben auf der Liste. Der sei "kommunal, bürgernah, sachorientiert" und spreche die Sprache der Menschen, sagt Weidinger. Bergers Formulierungen will er sich aber nicht zu eigen machen. Weidinger hält dieses Mal zehn Prozent für möglich. Das erklärte Ziel lautet nicht Opposition, sondern: eine "bürgerliche Regierung" von CDU und Freien Wählern - diese könnte auch die AfD "kleinkriegen", so Weidinger. Kann Grimma auf Berger verzichten? Ein Direktmandat für Berger ist nahezu fest eingeplant. Aber wollen die Grimmaer ihren Oberbürgermeister ziehen lassen? Manche hätten ihm gesagt, das könne er nicht machen, sagt Berger. Es ginge aber nicht anders. Zudem gebe es "im linksgrünen Milieu" der Stadt wohl einige, "die die einmalige Chance haben, mich loszuwerden". Damit meint er unter anderem Kerstin Köditz. Für die Grimmaer Landtagsabgeordnete der Linkspartei ist Berger ein "Rechtspopulist". Sie würde ihn allerdings lieber in Grimma "behalten, um Sachsen zu retten", scherzt Köditz. Sie selbst tritt nicht wieder an, sondern will im Juni mit einem Bündnis in den Stadtrat: "Grimma zeigt Kante" dürfte die deutschlandweit erste Liste stellen, auf der eine Politikerin der Linken neben einem der FDP kandidiert. Spitzenkandidat ist der 19-jährige Jonas Siegert, ein Liberaler. Daneben finden sich ein Grünen-Mitglied und mehrere Parteilose. Dahinter steckt ein gleichnamiges Bündnis, das sich laut Köditz und Siegert 2022 als Reaktion auf rassistische Vorfälle und extrem rechte Corona-Demos in Grimma gegründet hat. Seitdem organisiert "Grimma zeigt Kante" Gegenproteste und ein jährliches Demokratiefest in der Stadt.  Zu einer Demonstration gegen Rechtsextremismus Anfang Februar kamen mehrere Hundert Menschen. Oberbürgermeister Berger schaute nur kurz vorbei. Er war nicht als Redner eingeladen. "Grimma zeigt Kante" mit Linken und FDP Dass "Grimma zeigt Kante" jetzt für den Stadtrat antritt, läge zum einen an Parteien wie der AfD und den Freien Sachsen, zum anderen an Berger, sagt Köditz. "Entweder man steht auf seiner Seite - oder gegen ihn", beschreibt sie die Stimmung in der Stadt. Siegert sagt, Berger habe als Oberbürgermeister viele Abhängigkeiten geschaffen. "Die politische Kultur in Grimma lässt deshalb kaum andere Meinungen zu." Ein von Siegert gegründetes "Jugendforum" hat die Unterstützung Bergers und der Stadt verloren, nachdem man begonnen habe, auch Kritik zu üben. Ähnlich wie Berger im Landtag wollen Siegert und Köditz mehr Mitbestimmung und Demokratie in Grimma erreichen. Bündnisse wie ihres würden als Ansprechpartner für Menschen fungieren, die Angst vor einem Rechtsruck hätten, sagt Köditz. Und hier, beim Einsatz für die Demokratie, dürfe das Parteibuch keine Rolle spielen, sagt FDP-Mann Siegert: "Es geht um Kommunalpolitik und nicht um das Verbrenner-Aus." "Grimma zeigt Kante" hofft auf ein zweistelliges Ergebnis bei der Stadtratswahl. Schon jetzt haben es Parteien dort schwer: 17 der 26 Stadträte kommen von Wählervereinigungen - auch dank der Unterstützung von Matthias Berger.
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2024-04-25
Russlands Krieg im Fokus
US-Außenminister Blinken in China
US-Außenminister Blinken will in China unter anderem Staats- und Parteichef Xi treffen - und die chinesische Führung davor warnen, Russland weiter militärisch zu unterstützen. Von Benjamin Eyssel.
US-Außenminister Blinken will in China unter anderem Staats- und Parteichef Xi treffen - und die chinesische Führung davor warnen, Russland weiter militärisch zu unterstützen. Von Benjamin Eyssel In den jüngsten Jahren ging es auf und ab in den Beziehungen zwischen den USA und China: Nach dem Besuch der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi in Taiwan im Sommer 2022 und dem Abschuss eines mutmaßlichen chinesischen Spionageballons über Nordamerika Anfang vergangenen Jahres gab es monatelang keine offiziellen Kontakte zwischen den beiden Supermächten. Inzwischen spricht man zumindest wieder miteinander, sagt Bonnie Glaser vom US-Thinktank German Marshall Fund. "Das Ziel der USA besteht darin, stabilere und vorhersehbare Beziehungen aufzubauen, in denen es offene Kommunikationskanäle gibt, in denen sich die Staats- und Regierungschefs treffen und Vertreter verschiedener Ebenen zusammenkommen", so Glaser. "Sie tragen ihre Anliegen vor und erläutern ihre Politik. Und dort, wo ihre Interessen übereinstimmen, wird geschaut, ob man zusammenarbeiten kann. Die beiden Länder sind auf dem Weg, ihre Beziehungen zu stabilisieren. Offen ist, ob das erfolgreich sein wird." US-Kritik an Chinas Unterstützung Moskaus Streitpunkte zwischen China und den USA gibt es nach wie vor viele. Allen voran: der Umgang mit dem Angriffskrieg in der Ukraine und Chinas Freundschaft mit dem Aggressor Russland. China sei der Hauptlieferant für die russische Rüstungsindustrie, sagte Antony Blinken vergangene Woche in Italien. Werkzeugmaschinen, Microchips und andere Dual-Use-Güter - also Technologie, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden kann. Der US-Außenminister werde dem Thema oberste Priorität einräumen bei seinen Gesprächen in Peking, sagte Glaser vor der Reise: "Der Krieg in der Ukraine läuft nun schon mehr als zwei Jahre, und offenbar wurde der russische Verteidigungssektor im Wesentlichen mit Chinas Hilfe neu aufgestellt", so Glaser. "Die Volksrepublik hat offenbar auch Dual-Use- und Waffenkomponenten geliefert. Und das ist etwas, worüber die Vereinigten Staaten und auch Europa sehr besorgt sind." China profitiert von Russlands Krieg Wang Wenbin, der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, wies die Vorwürfe kürzlich zurück und drehte den Spieß um. Dass die USA auf der einen Seite die Ukraine militärisch unterstützten und gleichzeitig Chinas "normale" wirtschaftliche Beziehungen mit Russland diskreditierten, sei unverantwortlich und heuchlerisch. China gieße weder Öl ins Feuer, noch profitiere das Land von dem Krieg - und schon gar nicht werde man solche Anschuldigungen tolerieren. Dass China nicht von dem Krieg profitiert, ist nachweislich falsch. Der Handel zwischen den beiden autokratisch regierten Nachbarn blüht seit Kriegsbeginn. Das Land liefert inzwischen fast alles nach Russland, was demokratische Nationen gestoppt haben, und ermöglicht der russischen Bevölkerung so ein weitgehend normales Leben - während in der Ukraine Krieg geführt wird. Im Gegenzug kauft die Volksrepublik große Mengen Energie - Einnahmen für die russische Kriegskasse. Auch Taiwan bleibt ein Streitthema Weiterer Streitpunkt zwischen China und den USA ist Washingtons Unterstützung für Taiwan. Der US-Kongress hat am Dienstag Militärhilfen in Höhe von acht Milliarden Dollar für die demokratisch regierte Insel bewilligt. Die Kommunistische Partei betrachtet dies als Einmischung, da Taiwan als eigenes Staatsgebiet gesehen wird. Die Führung in Peking beklagt zudem US-Sanktionen. Die Regierung in Washington versucht unter anderem, China davon abzuhalten, an hochleistungsfähige Mikrochips zu kommen, die zum Beispiel für die Produktion von modernen Waffen benötigt werden. China wirft den USA vor, den Aufstieg des Landes behindern zu wollen. Sorge vor erneuter Wahl Trumps Und dann schwebt über allem der Wahlkampf in den USA. China-Analystin Glaser geht davon aus, dass die meisten Chinesen sich Donald Trump und die Unberechenbarkeit, die mit einer weiteren Präsidentschaft einherginge, nicht zurückwünschen. "China hat mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen und hat im eigenen Land Schwierigkeiten, zum Beispiel Korruption im Militär", so Glaser. "Außerdem gibt es vielleicht noch andere Anzeichen von Instabilität. Daher ist es für das Land zum jetzigen Zeitpunkt das Beste, wenn Präsident Joe Biden wiedergewählt wird. Ich glaube nicht, dass sich in diesem Punkt in China alle einig sind, aber ich glaube, dass ist die Mehrheitsmeinung. Dennoch wird China, egal wie die US-Wahl ausgeht, natürlich mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten klarkommen müssen."
/ausland/asien/blinken-china-reise-100.html
2024-04-25
Konnte Trump machen, was er wollte?
US-Supreme Court zur Immunität
Genießt Donald Trump weitreichende Immunität für seine Zeit als US-Präsident? Könnte er am Ende gar nicht belangt werden wegen versuchter Wahlmanipulation und des Sturms auf das Kapitol? Damit befasst sich heute das Oberste Gericht. Von Nina Barth.
Genießt Donald Trump weitreichende Immunität für seine Zeit als US-Präsident? Könnte er am Ende gar nicht belangt werden wegen versuchter Wahlmanipulation und des Sturms auf das Kapitol? Damit befasst sich heute das Oberste Gericht. Von Nina Barth Für Ex-Präsident Donald Trump ist der Fall klar: "Ein Präsident muss Immunität genießen", betont Trump bei jeder Gelegenheit. Und deshalb darf er - aus seiner Sicht - auch nicht angeklagt werden wegen seiner Versuche, seine Wahlniederlage gegen den heutigen Präsidenten Joe Biden zu kippen. Trump sagt, Präsidenten müssten schon allein deshalb absolute Immunität genießen, weil sie sonst von der gegnerischen Partei für alles, was sie tun, angeklagt würden. Ein bislang einmaliger Vorgang Die Frage klingt einfach: Ist ein ehemaliger US-Präsident immun gegen Strafverfolgung für sein Handeln während seiner Amtszeit? Aber in der US-Verfassung ist die Frage nicht beantwortet. Und sie hat sich so auch noch nie gestellt. Denn bisher ist kein ehemaliger US-Präsident strafrechtlich angeklagt worden. Bis der Supreme Court eine Antwort auf die Immunitäts-Frage gibt, kann der Wahlbetrugsprozess gegen Trump vor einem Bundesgericht in der US-Hauptstadt Washington nicht beginnen. Eigentlich hätte er Anfang vergangenen Monats starten sollen. Chef-Ankläger und Sonderermittler Jack Smith macht daher Druck und argumentiert unter anderem, niemand stehe über dem Gesetz. Auch nicht Trump. Viele Rechtsexperten sagen, wenn es nach Trump ginge, könne ein Präsident sogar ungestraft Kapitalverbrechen begehen. Allein die Idee der absoluten Immunität sei beispiellos und widerspreche dem System der Gewaltenteilung, erklärte John Dean, Berater im Weißen Haus unter Präsident Nixon, auf CNN. Wie weit geht die Immunität? Wozu die Immunität eines Präsidenten führen könnte, wurde bei der Anhörung einer Vorinstanz zu dem Fall deutlich. Eine Richterin fragte, ob ein Präsident denn angeklagt werden könne, wenn er die Spezialeinheit Seal Team 6 beauftragen würde, einen politischen Rivalen zu ermorden. Trump-Anwalt John Sauer antwortete: Nur, wenn er zuvor vom US-Kongress verurteilt worden sei - also in einem politischen Prozess vom Parlament und nicht in einem Strafverfahren. Das ist eines der Argumente von Trumps Anwalt-Team. Sie sagen: Wenn überhaupt, kann ein Präsident nur dann strafrechtlich verfolgt werden, wenn er zuvor in einem Amtsenthebungsverfahren durch den US-Kongress verurteilt wurde. Das ist bei Trump nicht der Fall. Ein sogenanntes Impeachment-Verfahren gegen ihn scheiterte im Senat. Trump wurde von den Vorwürfen im Zusammenhang mit der Erstürmung des Kapitols mit den Stimmen seiner Parteifreunde freigesprochen. Trumps Team setzt auf Verzögerungstaktik Zwei Gerichte haben Trumps Immunitäts-Anspruch bereits abgelehnt. Dass der Supreme Court Trump nun absolute Immunität gewährt, halten die meisten Experten in den USA für unwahrscheinlich. Die neun Richterinnen und Richter könnten Trumps Anspruch also ebenfalls ablehnen. Oder aber, Möglichkeit Nummer drei: eine Teil-Immunität gewähren. Er halte eine Teil-Immunität für Trump für wahrscheinlich, erklärte zum Beispiel der Jurist Andrew Cherkasky im TV-Sender Fox News. Sollte der Supreme Court so entscheiden, könnte er den Fall zurück an das Bundesgericht in Washington geben. Mit dem Auftrag an die Richterin, zu entscheiden, ob Trumps umstrittene Kampagne gegen angeblichen Wahlbetrug - die im Sturm auf das Kapitol mündete - Amtshandlungen waren oder nicht. Der Wahlbetrugsprozess würde sich dadurch noch weiter verzögern. Trump könnte jubeln. Denn schon allein die Tatsache, dass sich der Supreme Court überhaupt mit der Immunitäts-Frage befasst, ist ein Erfolg für den Ex-Präsidenten. Denn ob der Wahlbetrugs-Prozess - wenn er denn stattfindet - vor der Präsidentschaftswahl im November entschieden werden kann, ist offen. Und Trumps Kalkül ist: die Wahl im November gewinnen - und den Wahlbetrugsprozess dann stoppen. Oder aber: sich selbst begnadigen.
/ausland/amerika/supreme-court-immunitaet-trump-100.html
2024-04-25
Präsidentenwahl geht in zweite Runde
Nordmazedonien
Bei der ersten Runde der Präsidentenwahl in Nordmazedonien hat die Kandidatin der Mitte-Rechts-Opposition eine absolute Mehrheit aber verfehlt. Am 8. Mai folgt nun eine Stichwahl - und die Parlamentswahl.
Bei der ersten Runde der Präsidentenwahl in Nordmazedonien hat die Kandidatin der Mitte-Rechts-Opposition eine absolute Mehrheit aber verfehlt. Am 8. Mai folgt nun eine Stichwahl - und die Parlamentswahl. Die Präsidentenwahl in Nordmazedonien wird in einer zweiten Wahlrunde entschieden. Bei der ersten Wahlrunde bekam keiner der Kandidaten genug Stimmen, um sich direkt durchzusetzen. Die Stichwahl soll am 8. Mai stattfinden, am Tag der Parlamentswahlen. Nach Auszählung von 90 Prozent der Stimmen lag die von der  Opposition unterstützte Kandidatin Gordana Siljanovska-Davkova mit knapp 40 Prozent deutlich vor der Konkurrenz. Der amtierende Präsident Stevo Pendarovski kam laut Wahlkommission auf knapp 20 Prozent der Stimmen. Er wird von den regierenden Sozialdemokraten unterstützt. Diese beiden Kandidaten treten bei der Stichwahl an. EU-Beitritt dominierendes Wahlkampfthema Insgesamt hatten sich sieben Kandidaten um das weitgehend zeremonielle Präsidentenamt beworben. Im Wahlkampf dominierten Themen wie der Wunsch nach einem EU-Beitritt, Rechtsstaatlichkeit, der Kampf gegen Korruption und die Verringerung der Armut. In dem Land mit 2,3 Millionen Einwohnern waren etwa 1,8 Millionen Wähler registriert. Die Wahlbeteiligung lag offiziellen Angaben zufolge bei mehr als 49 Prozent und damit etwa acht Prozentpunkte über der Beteiligung bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl 2019. Nordmazedonien ist seit 2005 Beitrittskandidat der Europäischen Union. Die Gespräche über eine Mitgliedschaft begannen aber erst im Jahr 2022. Bis es zu einer Entscheidung kommt, dürften Jahre vergehen. Sowohl Siljanovska-Davkova als auch Pendarovski sind für den EU-Beitritt.
/ausland/europa/nordmazedonien-wahlen-100.html
2024-04-25
Venedig-Besucher zahlen jetzt fünf Euro Eintritt
Zu viele Touristen
Venedig ist beliebt - zu beliebt. Die Touristenmassen setzen der Stadt zu. Heute müssen Besucher erstmals fünf Euro Eintritt zahlen. Aktivisten und Hoteliers sehen das skeptisch. Von Elisabeth Pongratz.
Venedig ist beliebt - zu beliebt. Die Touristenmassen setzen der Stadt zu. Heute müssen Besucher erstmals fünf Euro Eintritt zahlen. Aktivisten und Hoteliers sehen das skeptisch. Von Elisabeth Pongratz Ein ganz normaler Tag in Venedig. Durch die engen Gassen schieben sich Männer, Frauen und Kinder, auf einer der vielen Brücken steht eine Gruppe von Touristen und hört ihrem Reiseleiter zu. Ein Durchkommen ist kaum mehr möglich. Vor einer Anlegestelle der Vaporetti, der berühmten Wasserbusse, bilden sich lange Schlangen. Wohl auch deshalb haben viele Touristen nichts gegen das Tagesticket von fünf Euro. Eine Frau erzählt, sie komme seit ihrer Kindheit regelmäßig nach Venedig. Mit der neuen Gebühr sei sie zwar nicht einverstanden - "aber es ist notwendig und wir werden uns anpassen." Ein anderer meint: "Millionen Touristen jedes Jahr, da muss jeder seinen Beitrag dazu leisten." Fünf Euro Eintritt sollen Tagesgäste abschrecken Mit dem Eintritt, sagt Bürgermeister Luigi Brugnaro, wolle Venedig kein Geld verdienen. Es gehe nicht darum zu zählen, wie viele Menschen bezahlt haben und wie viele nicht. "Uns ist es wichtig, dass die Stadt weniger überlastet ist, es soll eher abschrecken, an dem oder dem Tag als Tagestourist zu kommen." Insgesamt an 29 Tagen wird in diesem Jahr zwischen 8:30 Uhr und 16 Uhr Eintritt für die Lagunenstadt verlangt. Zunächst bis zum 5. Mai, dann an mehreren Wochenenden bis zum 14. Juli. Es ist eine Testphase. Es sind die Tage, an denen erfahrungsgemäß viele Besucher kommen - manchmal sind es 100.000 Menschen. Ohne QR-Code drohen 300 Euro Strafe Wer als Tagestourist Venedig besuchen will, muss sich auf einer Internetseite registrieren und die Eintrittsgebühr bezahlen, Kinder unter 14 Jahren sind davon ausgenommen. Nach der Bezahlung erhält man einen QR-Code, den man bei Kontrollen vorzeigen muss. Nach Angaben von Simone Venturini, dem Stadtrat für Tourismus, wird es keine Drehkreuze und keine Schranken geben. Mit Informationssäulen würden die Leute darauf aufmerksam gemacht, dass sie die Altstadt betreten. Die Besucher werden stichprobenartig kontrolliert. Ohne das Ticket werden Strafen von bis zu 300 Euro fällig. Jeder muss an den festgelegten Tagen den QR-Code bei sich haben, auch Übernachtungsgäste, die allerdings nichts bezahlen müssen. In einer kleinen Straße in der Nähe des Bahnhofs liegt das Hotel Tivoli, mit 22 Zimmern, seit Jahrzehnten von einer Familie geführt. Für die Hotels bedeutet die neue Gebühr vor allem viel zusätzliche Arbeit. Emilia, die an der Rezeption arbeitet, erzählt, dass man eine E-Mail vorbereitet habe, die automatisch den Gästen zugesandt wird. "Mit allen Regeln und Hinweisen und mit der Beschreibung, wie man den QR-Code für den Zeitraum ihres Aufenthalts herunterlädt." Warnungen der UNESCO Jahrelang wurde in der Stadt darüber gestritten, was man gegen die Touristenströme tun könne. Die Kulturorganisation der Vereinten Nationen (UNESCO) drohte damit, Venedig als gefährdetes Welterbe einzustufen. Die bisherigen Maßnahmen seien nicht ausreichend, um den universellen Wert der historischen Stadt und ihrer Lagunen zu schützen. Für Giacomo Salerno von der Initiative "OCIO" ändert auch die Eintrittsgebühr nichts daran. Ein großes Problem sei die Wohnungsnot, so der Venezianer. So hätte die Stadtspitze in den vergangenen zwei Jahren Regeln für die Ferienwohnungen schaffen können, um die Zahl der Airbnbs und Touristenunterkünfte in der Stadt zu reduzieren. "Das wollte sie nicht", so Salerno. In der Altstadt leben inzwischen weniger als 50.000 Einwohner, ihre Zahl ist in den vergangenen Jahren stetig zurückgegangen. Emilia vom Hotel Tivoli hat nichts gegen Touristen, schließlich lebt ihr Familienhotel von ihnen. Und doch hat sie einen Wunsch an sie: "Ich glaube, es geht weniger darum, wie viele Menschen kommen, als um das Einhalten der Regeln, wie etwa: Rechts gehen oder nicht im Kanal schwimmen gehen. Das ist das Problem."
/ausland/europa/italien-eintritt-fuer-venedig-100.html
2024-04-24
++ Israel kritisiert deutsche UNRWA-Kooperation ++
Nahost-Krieg
Israel hat sich enttäuscht über die Ankündigung der Bundesregierung gezeigt, wieder mit dem UN-Palästinenserhilfswerk zusammenzuarbeiten. US-Präsident Biden fordert Israel auf, Hilfen in Gaza rasch zu verteilen. Alle Entwicklungen vom Mittwoch zum Nachlesen.
Israel hat sich enttäuscht über die Ankündigung der Bundesregierung gezeigt, wieder mit dem UN-Palästinenserhilfswerk zusammenzuarbeiten. US-Präsident Biden fordert Israel auf, Hilfen in Gaza rasch zu verteilen. Alle Entwicklungen vom Mittwoch zum Nachlesen. Israel enttäuscht über DeutschlandHamas veröffentlicht weiteres Geisel-VideoEU fordert Untersuchung zu Berichten über MassengräberEU-Kommissar fordert Unterstützung für UN-Palästinenser-HilfswerkPentagon: USA beginnen "sehr bald" mit Bau von Hafen im Gazastreifen Ende des Liveblogs Damit beenden wir den Liveblog für heute. Vielen Dank für Ihr Interesse. Geisel-Video löst Proteste in Israels aus Ein von der Hamas ausgestrahltes Video einer israelisch-amerikanischen Geisel hat in mehreren Städten Israels Proteste gegen die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und das Militär ausgelöst. In Jerusalem marschierten Hunderte Personen vor die Residenz des Premiers, entzündeten ein Lagerfeuer und forderten die Freilassung von Hersh Goldberg-Polin und der übrigen Geiseln. Goldberg-Polin hatte in dem gut zweiminütigen Video schwere Vorwürfe gegen die Regierung und das Militär gerichtet. "Sie sollten sich schämen, dass Sie mich und Tausende von Bürgern an jenem Tag im Stich gelassen haben." Sie sollten sich schämen, dass seit 200 Tagen alle Versuche, sie zu retten, gescheitert seien, sagte der 24-Jährige. Biden fordert Israel auf, US-Hilfen schnell zu verteilen US-Präsident Joe Biden hat Israel dazu aufgefordert, zusätzliche US-Hilfe für den Gazastreifen umgehend an die dortige Bevölkerung zu verteilen. "Wir werden diese Hilfe sofort sichern und aufstocken", sagte Biden nach der Unterzeichnung eines zuvor vom Kongress verabschiedeten Hilfspakets für Israel und die Ukraine, das auch eine Milliarde US-Dollar an humanitärer Hilfe für den Gazastreifen umfasst. Die zusätzliche US-Hilfe enthalte Lebensmittel, Medikamente und Trinkwasser, sagte Biden. Israel müsse "dafür sorgen, dass diese Hilfe die Palästinenser im Gazastreifen ohne Verzögerung erreicht", sagte Biden weiter. Mit dem Gesetzentwurf werde die humanitäre Hilfe für die "schwer leidenden, unschuldigen Menschen im Gazastreifen, erheblich ausgeweitet." Diese litten "unter den Folgen des Kriegs, den die Hamas begonnen hat", die USA arbeiteten seit Monaten intensiv daran, so viel Hilfe wie möglich in das Palästinensergebiet zu bringen. Israel enttäuscht über Deutschland Israel hat sich enttäuscht über die Ankündigung der Bundesregierung gezeigt, ihre Zusammenarbeit mit dem UN-Palästinenserhilfswerk (UNRWA) im Gazastreifen wieder aufzunehmen. "Die Entscheidung Deutschlands, die Zusammenarbeit mit der UNRWA in Gaza zu erneuern, ist bedauerlich", schrieb ein Sprecher des israelischen Außenministeriums auf der Plattform X (vormals Twitter). Israel habe mit Deutschland und anderen Geberländern detaillierte Informationen über Hunderte UNRWA-Mitarbeiter geteilt, die auch Hamas-Kämpfer seien. Gleiches gelte für Hunderte weitere Beschäftigte des Hilfswerks, die zugleich Mitglieder der Hamas beziehungsweise des Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ) seien. Hamas veröffentlicht weiteres Geisel-Video Die islamistische Terrormiliz Hamas hat ein Video veröffentlicht, das Hersh Goldberg-Polin, einen israelischen Amerikaner, der während des Angriffs auf Israel am 7. Oktober gefangen genommen und als Geisel in den Gazastreifen gebracht wurde, lebend zeigt. Das kurze Video ist nicht datiert. Dem 23-Jährigen fehlt ein Unterarm, der ihm bei dem Terrorangriff der Hamas im Oktober weggesprengt wurde; ansonsten ist er offenbar gesund. Seine Mutter, Rachel Goldberg-Polin, hat sich aktiv für die Freilassung ihres Sohnes eingesetzt. Er wurde auf dem Nova-Musikfestival entführt, das am frühen Morgen des 7. Oktober von bewaffneten Hamas-Terroristen angegriffen wurde. Er ist eine von 133 israelischen Geiseln, die sich noch immer in Gefangenschaft befinden, nachdem im vergangenen Jahr etwa 100 freigelassen wurden. Biden unterzeichnet Hilfspaket für Ukraine, Israel und Taiwan US-Präsident Joe Biden hat ein Gesetzespaket mit milliardenschweren Hilfen für die Ukraine, Israel und Taiwan unterzeichnet. Das Gesamtpaket umfasst 95 Milliarden US-Dollar und war vom Senat am Dienstagabend gebilligt worden. Neben den 61 Milliarden US-Dollar für die Ukraine sind Kriegshilfen für Israel und humanitäre Unterstützung für die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen im Umfang von 26 Milliarden Dollar vorgesehen, außerdem acht Milliarden Dollar für Taiwan und den indopazifischen Raum, um auf die Bedrohung durch China zu reagieren. Biden betonte, Israel müsse sicherstellen, dass die humanitäre Hilfe für die Palästinenser im Gazastreifen "ohne Verzögerung" ankomme. Erdogan kritisiert westliche Haltung im Nahost-Krieg Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat dem Westen bei einem Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vorgeworfen, die Augen vor dem Leid der Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu verschließen. Gaza sei dem Erdboden gleichgemacht worden - "unsere deutschen Freunde müssen diese tragische Situation sehen", sagte Erdogan in Ankara. Erdogan forderte zudem, Beschränkungen beim Rüstungsexport in die Türkei vollständig aufzuheben. Er äußerte sich außerdem besorgt über steigenden Rassismus in Deutschland.  Deutschland und die Türkei haben im Nahost-Konflikt unterschiedliche Positionen. Die deutsche Seite ist irritiert von Erdogans Haltung zur Terrororganisation Hamas, die vom türkischen Präsidenten als Befreiungsorganisation bezeichnet wird. Erdogan unterhält enge Kontakte zur Hamas. Am Wochenende hatte er sich mit deren Auslandschef Ismail Hanija getroffen. Vorbereitungen für Angriff auf Rafah abgeschlossen Das israelische Militär hat alle Vorbereitungen für einen Angriff auf Rafah abgeschlossen. Das teilte ein hochrangiger Regierungsmitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters mit. Die Offensive könne starten, sobald die Regierung in Jerusalem grünes Licht gebe. Israel zufolge ist die Stadt im Süden des Gazastreifens die letzte verbliebene Hochburg der radikal-islamistischen Hamas. In die Stadt an der Grenze zu Ägypten haben sich Hunderttausende Palästinenser vor den Kämpfen geflüchtet. Westliche Staaten warnen vor einer Offensive gegen Rafah wegen unkalkulierbarer humanitärer Risiken. Israel und Hisbollah liefern sich schwere Gefechte Israel und die radikal-islamische Hisbollah haben sich nach Angaben aus Sicherheitskreisen zunehmende Gefechte im libanesischen Grenzgebiet geliefert. Die Hisbollah feuerte eigenen Angaben zufolge Dutzende Raketen auf den Norden Israels an der Grenze zum Libanon. Aus Sicherheitskreisen im Libanon hieß es, Israel habe im Gegenzug schwere Luftangriffe auf Ziele im Süden Libanons geflogen. Propalästinensische Aktivisten bei Protest in Kairo festgenommen Im Zusammenhang mit einem Protest vor einer UN-Einrichtung in Kairo hat die ägyptische Polizei mehrere propalästinensische Aktivisten festgenommen. Der Anwalt Chaled Ali teilte mit, insgesamt seien mindestens 18 Aktivisten, überwiegend Frauen, in Gewahrsam genommen worden, als die Polizei am Dienstag den Protest vor dem Regionalbüro der UN-Frauenorganisation UN Women aufgelöst habe. EU fordert Untersuchung zu Berichten über Massengräber Nach Berichten über rund 200 Leichen in Massengräbern am Nasser-Krankenhaus im Süden des Gazastreifens hat die EU eine unabhängige Untersuchung gefordert. "Dies ist etwas, das uns zwingt, eine unabhängige Untersuchung aller Verdachtsmomente und aller Umstände zu fordern", sagte der Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, Peter Stano. Es sei der Eindruck entstanden, dass es zu "Verletzungen der internationalen Menschenrechte gekommen sein könnte". Zuvor hatten auch bereits die Vereinten Nationen eine internationale Untersuchung gefordert. Am Montag hatte die von der Hamas kontrollierte Zivilschutzbehörde mitgeteilt, in den vergangenen drei Tagen rund 200 Leichen in Massengräbern in dem Krankenhaus entdeckt zu haben. Demnach wurden auf dem Klinikgelände insgesamt 283 Leichen gefunden. Mehrere Medien berichteten, die Terrororganisation Hamas behaupte, die israelische Armee habe Palästinenser im Nasser-Krankenhauses getötet und dort begraben. Die israelische Armee bestreitet die Vorwürfe. Nach ihren Worten seien die Leichen nicht von israelischen Soldaten, sondern von Palästinensern begraben worden. Israel greift Ziele im Südlibanon an Die israelische Luftwaffe hat mehrere Ziele in Grenzgebieten im Süden des Libanon angegriffen. Stunden zuvor hatte die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah nach eigenen Angaben Dutzende Raketen auf das nordisraelische Dorf Schomera abgefeuert und dies als Vergeltung für israelische Angriffe vom Vortag bezeichnet, bei denen eine Frau und ein zehnjähriges Mädchen getötet sowie sechs weitere Menschen verletzt wurden. Al-Manar TV, der Fernsehsender der Hisbollah, meldete 14 Luftangriffe auf die Ausläufer der Grenzdörfer Aita al-Schaab und Ramia. Ein israelischer Militärsprecher bestätigte Angriffe auf Hisbollah-Ziele im Südlibanon. Die Hisbollah teilte außerdem mit, sie habe zwei Raketen auf ein Gebäude im nordisraelischen Dorf Awiwim abgefeuert, in dem israelische Soldaten Position bezogen hätten. Israels Militär: Palästinenserin bei versuchtem Anschlag getötet Eine junge Palästinenserin ist nach Angaben der israelischen Armee bei einer versuchten Messerattacke auf Soldaten getötet worden. Sie sei in der Nähe von Hebron im südlichen Westjordanland mit einem Messer bewaffnet auf die Soldaten zugerannt, hieß es in einer Mitteilung der Armee. Diese hätten das Feuer eröffnet und die Frau "ausgeschaltet". Unter den Soldaten habe es keine Verletzten gegeben. Das palästinensische Gesundheitsministerium in Ramallah teilte mit, es sei über den Tod einer 20-Jährigen durch Schüsse von Soldaten nördlich von Hebron informiert worden.  WFP: Hungersnot in Gaza kommt "jeden Tag näher" Im Gazastreifen droht in nächster Zukunft eine Hungersnot, wenn nicht massiv mehr Nahrungsmittel verteilt werden - davor warnt der Direktor des Genfer Büros des Welternährungsprogramms (WFP), Gian Carlo Cirri. "Die Situation ist extrem besorgniserregend", sagte er bei der Vorstellung eines Berichts über die Hungerkrisen der Welt in Genf. "Wir kommen einer Hungersnot jeden Tag näher." Er erinnerte an bereits veröffentlichte Einschätzungen, dass ein Drittel der Kinder im Gazastreifen unter zwei Jahren akut unterernährt sind.  "Es gibt hinreichende Anzeichen dafür, dass alle drei Schwellenwerte für eine Hungersnot - Ernährungsunsicherheit, Unterernährung und Sterblichkeit - in den nächsten sechs Wochen überschritten werden", sagte Cirri. Menschen äßen teils Tierfutter, um zu überleben. Eine Hungersnot könne nur abgewendet werden, wenn es sofort deutlich aufgestockte und anhaltende Nahrungsmittellieferungen gebe.  Israel mobilisiert weitere Kräfte für Gaza-Einsatz Vor einem möglichen Einsatz in der Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen hat die israelische Armee zwei weitere Reservebrigaden mobilisiert. Diese sollten "defensive und taktische Einsätze im Gazastreifen" übernehmen, teilte das Militär mit. Die Brigaden seien zuvor an Israels Grenze zum Libanon eingesetzt worden. In den vergangenen Wochen hätten sie aber für Operationen im Gazastreifen trainiert.  Iran und Pakistan fordern Maßnahmen gegen Israel In einer gemeinsamen Erklärung fordern Iran und Pakistan den Sicherheitsrat der Vereinten Nation dazu auf, Maßnahmen gegen Israel zu ergreifen. Die beiden Länder werfen Israel vor, Nachbarländer und ausländische diplomatische Einrichtungen illegal angegriffen zu haben. Veröffentlicht hatte die Erklärung das pakistanische Außenministerium. In den vergangenen Tagen war der iranische Präsident Ebrahim Raisi in Pakistan zu Besuch. Laut Medienberichten: Offensive in Rafah steht kurz bevor Die seit längerem erwartete israelische Offensive in Rafah im Süden des Gazastreifens steht israelischen Medienberichten zufolge kurz bevor. Derzeit liefen die Vorbereitungen, Zivilisten die in Rafah Schutz gesucht hatten, in Sicherheit zu bringen. Dies berichten diverse israelische Zeitungen, darunter das auflagenstarke Blatt "Israel Hayom". Spekulationen über eine Offensive kursieren schon länger. Weder das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu noch das israelische Militär wollten sich zunächst zu den Medienberichten äußern. International war Israel aufgefordert worden, aus Sorge um die vielen Flüchtlinge in Rafah auf eine Offensive zu verzichten. Deutschland setzt Hilfe für UN-Palästinenserhilfswerk fort Die Bundesregierung will ihre Zusammenarbeit mit dem umstrittenen UN-Palästinenserhilfswerk (UNRWA) im Gazastreifen fortsetzen. Das teilten das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in einer gemeinsam veröffentlichten Stellungnahme mit. Hintergrund seien die jüngsten Empfehlungen eines Berichts der von den Vereinten Nationen eingesetzten Gruppe unter Leitung der ehemaligen französischen Außenministerin Catherine Colonna. Die Empfehlungen des Berichts müssten nun unverzüglich umgesetzt werden. Der kurzfristige Finanzbedarf von UNRWA in Gaza sei derzeit durch vorhandene Gelder gedeckt, hieß es weiter. Schulze startet Job-Initiative Entwicklungsministerin Svenja Schulze hat bei einem Treffen mit dem neuen palästinensischen Ministerpräsidenten Mohammed Mustafa eine Beschäftigungsinitiative vereinbart, die für mehr Stabilität in der Region sorgen soll. "Die Arbeitslosigkeit im Westjordanland hat sich nahezu verdreifacht und liegt bei 40 Prozent", so Schulze. Ziel sei es, zunächst im Westjordanland und im arabisch geprägten Ostteil Jerusalems binnen drei Jahren rund 25.000 neue Jobs zu schaffen und bestehende Arbeitsplätze zu erhalten. Zum Start investiere das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in diesem Jahr 25 Millionen Euro. Weitere Mittel sollten im kommenden Jahr folgen.  Amnesty International kritisiert Bundesregierung In ihrem vorgestellten Jahresbericht 2023/24 legt Amnesty International die Lage der Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit weltweit dar und kritisiert die Bundesregierung für ihren Umgang mit dem Krieg in Nahost. Die NGO wirft dem israelischen Militär vor, Kriegsverbrechen in Gaza zu begehen und kritisiert, dass die Bundesregierung dazu schweige. Die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Julia Duchow, sagte, die deutsche Regierung trage damit zur Erosion der internationalen Ordnung bei. EU-Kommissar fordert Unterstützung für UN-Palästinenser-Hilfswerk Der für humanitäre Hilfe zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic hat angesichts der katastrophalen Lage der Menschen im Gazastreifen dazu aufgerufen, das umstrittene Palästinenserhilfswerk UNRWA zu unterstützen. "Ich rufe die Geberländer auf, das UNRWA zu unterstützen - die Lebensader für die palästinensischen Flüchtlinge", schrieb er auf der Plattform X (vormals Twitter). Er begrüßte den am Vortag veröffentlichten Untersuchungsbericht über das UNRWA, da dieser "die zahlreichen Systeme des Hilfswerks zur Einhaltung der Vorschriften sowie die Empfehlungen für deren weitere Verbesserung" hervorhebe.  Pentagon: USA beginnen "sehr bald" mit Bau von Hafen im Gazastreifen Der von den USA angekündigte Bau eines temporären Hafens zur Lieferung von Hilfsgütern in den umkämpften Gazastreifen wird nach Angaben des Pentagons bald beginnen. "Alle erforderlichen Schiffe befinden sich im Mittelmeerraum", sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, Pat Ryder. "Wir sind in der Lage, sehr bald mit dem Bau zu beginnen." Die US-Regierung hatte im März angekündigt, angesichts der humanitären Notlage in Gaza infolge der Kämpfe zwischen Israel und der islamistischen Terrororganisation Hamas einen temporären Hafen einrichten zu wollen, um Lebensmittel, Wasser und Medikamente in das Kriegsgebiet zu bringen. Die USA hatten angesichts der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen kürzlich ihren Verbündeten Israel zur raschen Ausweitung der Hilfslieferungen für die Zivilbevölkerung aufgefordert. Der Liveblog vom Dienstag zum Nachlesen Vor einer geplanten Militäroffensive in Rafah werden in der Nähe der Nachbarstadt Chan Yunis Zelte aufgebaut. Die israelische Armee hat zwei ranghohe Mitglieder der libanesischen Hisbollah-Miliz getötet. Die Entwicklungen vom Dienstag zum Nachlesen.
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2024-04-24
++ Ukraine stoppt Ausgabe von Reisepässen an Männer ++
Krieg gegen die Ukraine
Die Ukraine stoppt die Ausgabe von Reisepässen an wehrfähige Männer. Nach Angaben der USA hat die Ukraine erstmals mit weitreichenden ATACMS-Raketen einen Flugplatz auf der Krim beschossen. Alle Entwicklungen vom Mittwoch zum Nachlesen.
Die Ukraine stoppt die Ausgabe von Reisepässen an wehrfähige Männer. Nach Angaben der USA hat die Ukraine erstmals mit weitreichenden ATACMS-Raketen einen Flugplatz auf der Krim beschossen. Alle Entwicklungen vom Mittwoch zum Nachlesen. Ukraine setzt erstmals weitreichende ATACMS-Raketen einUkraine und Russland vereinbaren Austausch vertriebener KinderUkraine erhält Geld-Tranche von EU-PaketÖkonomen: Putin geht das Geld für den Krieg nicht ausPriester der Nawalny-Beisetzung suspendiert Ende des Liveblogs Damit beenden wir den Liveblog für heute. Vielen Dank für Ihr Interesse. Ukraine stoppt Ausgabe von Reisepässen an wehrfähige Männer Die Ukraine hat die Ausgabe von Reisepässen an Männer in wehrfähigem Alter gestoppt. Die Regierung kündigte Regeln an, nach denen Pässe für Männer im wehrfähigen Alter nur noch innerhalb des Landes und nicht mehr in ausländischen diplomatischen Vertretungen ausgestellt werden können. Dies hat zur Folge, dass im Ausland lebende Männer im Alter zwischen 18 und 59 Jahren keine Möglichkeit haben, ablaufende Pässe zu verlängern oder neue Pässe zu erhalten. Polen hat derweil angekündigt, der Ukraine dabei zu helfen, männliche Bürger im wehrfähigen Alter zur Rückkehr zu bewegen, damit sie ihrem Heimatland im Krieg gegen Russland helfen können, sagte Verteidigungsminister Wladyslaw Kosiniak-Kamysz. Ukraine setzt erstmals weitreichende ATACMS-Raketen ein Die Ukraine hat erstmals von den USA gelieferte weitreichende ATACMS-Raketen gegen die russischen Invasionstruppen eingesetzt. Dabei sei vergangene Woche ein Flugfeld auf der Halbinsel Krim beschossen worden, sagten zwei US-Regierungsvertreter. In der vergangenen Nacht habe die Ukraine dann russische Truppen in einem anderen besetzen Gebiet auf diese Weise angegriffen. Die ukrainische Führung hatte solche ATACMS-Raketen lange gefordert. Sie verfügen mit bis zu 300 Kilometern über eine fast doppelt so große Reichweite wie die ATACMS-Mittelstreckenversion, die die USA im Oktober vergangenen Jahres geliefert haben. Einer der US-Vertreter sagte, dass die Vereinigten Staaten der Ukraine auf direkte Anweisung des Präsidenten ATACMS mit großer Reichweite geliefert hätten. Die Raketen seien Teil eines Hilfspakets aus dem März gewesen und "diesen Monat" in der Ukraine angekommen, erläuterte der Sprecher. Die Lieferung sei zunächst nicht bekannt gegeben worden, "um die operative Sicherheit der Ukraine auf deren Wunsch hin aufrechtzuerhalten". Selenskyj dankt Biden Der ukrainische Präsident hat sich hocherfreut gezeigt über Hilfspaket der amerikanischen Regierung. "Ich bin Präsident Biden, dem Kongress und allen Amerikanern dankbar, die erkannt haben, dass wir Putin den Boden unter den Füßen wegziehen müssen", schrieb er bei X. Nur so lasse sich die Bedrohung der Freiheit verringern. Sein Land erhalte nun "die Unterstützung, die wir brauchen, um weiterhin Leben vor russischen Angriffen zu schützen". Social-Media-Beitrag auf X von Volodymyr Zelenskyy / Володимир Зеленський: "President Biden signed into law today the support package approved by Congress, which includes Ukraine aid. We completed this half-year path. Regardless of what anyone says, we are gaining the support we need to continue protecting lives from Russian attacks.Over the past few…" Drohnen treffen russisches Stahlwerk Ukrainische Drohnen haben in der Nacht ein großes russisches Stahlwerk in der Region Lipezk angegriffen und beschädigt. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf eine Quelle des Kiewer Geheimdienstes. Demnach zerstörte der Angriff eine Sauerstoffstation im Nowolipezker Hüttenwerk teilweise, was langfristige Auswirkungen auf die Arbeit des Unternehmens haben werde. Ukraine und Russland vereinbaren Austausch vertriebener Kinder Russland und die Ukraine haben sich darauf geeinigt, 48 Kinder auszutauschen, die infolge von Moskaus Invasion vertrieben wurden. Das durch Katar vermittelte Abkommen sehe vor, dass 29 Kinder in die Ukraine und 19 nach Russland gebracht werden sollten, kündigte Russlands Kinderrechtsbeauftragte Maria Lwowa-Belowa in Doha an. "Zum ersten Mal haben wir von Angesicht zu Angesicht mit der ukrainischen Seite gesprochen", fügte Lwowa-Belowa hinzu. Moskau wird vorgeworfen, ukrainische Kinder auf russisches Staatsgebiet zu verschleppen. Gegen Lwowa-Belowa wurde in diesem Zusammenhang vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag 2023 ein Haftbefehl ausgestellt. Die Kinderrechtsbeauftragte des Kreml gab keine Details dazu an, warum die Kinder sich in russischen Händen befinden oder woher sie gekommen sind.  Kiew geht davon aus, dass Russland seit Beginn der Invasion im Februar 2022 mehr als 19.000 ukrainische Kinder entführt hat. Lediglich 400 wurden bisher zurückgebracht.  Biden unterzeichnet Gesetz mit Ukraine-Hilfen US-Präsident Joe Biden hat mit seiner Unterschrift das vom Kongress verabschiedete Gesetz mit Milliardenhilfen für die Ukraine, für Israel und für Taiwan in Kraft gesetzt. "Wir haben uns der Situation gestellt, wir haben uns zusammengetan und wir haben es geschafft", sagte Biden. "In den nächsten Stunden" werde man damit beginnen, Ausrüstung für die Flugabwehr, Artillerie, Raketensysteme und gepanzerte Fahrzeuge in die Ukraine zu schicken. Das Gesetz sieht Unterstützung im Umfang von rund 61 Milliarden US-Dollar (57 Milliarden Euro) für Kiew vor. "Es gibt Amerikas Partnern entscheidende Unterstützung. So können sie sich gegen Bedrohungen ihrer Souveränität und des Lebens und der Freiheit ihrer Bürger verteidigen. Und es ist eine Investition in unsere eigene Sicherheit", so Biden. Beerdigungszeremonie für ukrainischen Militärsanitäter Angehörige und Kameraden nahmen auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew an einer Beerdigungszeremonie für den ukrainischen Militärsanitäter Nazarii Lavrovskyi teil. Der Sanitäter des 244. Bataillons starb, als er bei der Evakuierung von Verwundeten an der Front half, hieß es in einer Erklärung des Zentrums für öffentliche Gesundheit der Ukraine. Sunak lobt deutsche Unterstützung für Ukraine Der britische Premierminister Rishi Sunak hat bei seinem Besuch in Berlin die deutsche Unterstützung für die Ukraine gelobt. "Man kann die Tatsache nicht übersehen, dass Deutschland neben Großbritannien der wichtigste Unterstützer der Ukraine ist", sagte der konservative Politiker bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundeskanzleramt. Scholz will weiter keine "Taurus" liefern Bundeskanzler Olaf Scholz hat betont, dass er auch nach der Zustimmung des US-Kongresses für ein milliardenschweres militärisches Hilfspaket für die Ukraine bei seiner Ablehnung bleibt, "Taurus"-Marschflugkörper zu liefern. Es bleibe bei seiner Entscheidung, sagte er und verwies darauf, dass Deutschland in Europa auch so der größte militärische Unterstützer der Ukraine sei. Ukraine erhält Geld-Tranche von EU-Paket Die Ukraine hat eine Tranche von 1,5 Milliarden Euro im Rahmen eines EU-Hilfspakets erhalten. "Die Ukraine trägt für uns alle eine schwere Last auf ihren Schultern", erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. "Die zusätzlichen 1,5 Milliarden Euro, die wir heute auszahlen, werden sicherstellen, dass die Ukraine weiterhin den Staat und die Grundversorgung für die Bevölkerung aufrechterhalten kann, während sie gleichzeitig den Aggressor bekämpft." Die Mittel sind Teil der sogenannten Ukraine-Fazilität. Dieses EU-Hilfsprogramm wurde Anfang Februar beschlossen und soll bis Ende 2027 Finanzhilfen in Höhe von 50 Milliarden Euro ermöglichen. Die Mittel stärkten die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit und Stabilität des Landes, sagte Ministerpräsident Denys Schmyhal. Mit den Finanzhilfen will die EU es dem ukrainischen Staat etwa ermöglichen, weiter Löhne und Renten zu zahlen. Ökonomen: Putin geht das Geld für den Krieg nicht aus Russlands Kriegswirtschaft wird laut der Prognose einer Wiener Denkfabrik dieses Jahr um 2,8 Prozent zulegen und nächstes Jahr mit 2,5 Prozent etwas langsamer expandieren. Präsident Wladimir Putin könne in dieser Boomphase auf sprudelnde Steuereinnahmen zurückgreifen, sagte Vasily Astrow vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW). "Putin wird das Geld für den Krieg nicht ausgehen", meinte der Russland-Experte. "Für die russische Wirtschaft stellt sich eher die Frage, was nach dem Krieg kommt, da sie momentan vollkommen von ihm abhängig ist", sagte Astrov.  Wegen des Fachkräftemangels und der staatlich gesteuerten Kriegswirtschaft seien russische Reallöhne voriges Jahr um fast 8 Prozent gestiegen, während sich der private Konsum um 6,5 Prozent erhöht habe, hieß es in dem Bericht des auf das östliche Europa spezialisierten Instituts. Das Bruttoinlandsprodukt sei um 3,6 Prozent gewachsen.  Ukraine will russische Öldepots getroffen haben Die Ukraine hat nach Angaben aus ihrem Geheimdienst zwei Öldepots in der westrussischen Region Smolensk bei einem nächtlichen Angriff getroffen. Die Lager gehörten dem russischen Energiekonzern Rosneft und enthielten 26.000 Kubikmeter Treibstoff, verlautete aus dem ukrainischen Inlandsgeheimdienst SBU. Diese Einrichtungen seien legitime Ziele für die Ukraine, weil sie die russische Armee mit Nachschub versorgten. Die südwestrussische Stadt Lipetsk wurde nach dem Angriff teilweise evakuiert. Es gebe keine Berichte über Verletzte, schrieb der Regionale Gouverneur Vassili Anochin auf der Messenger-App Telegram. Priester der Nawalny-Beisetzung suspendiert Der russisch-orthodoxe Priester Dmitri Safronow, der im März die Trauerfeier und das Begräbnis für den in Haft verstorbenen russischen Oppositionellen Alexej Nawalny geleitet hatte, ist von seinen priesterlichen Pflichten für drei Jahre suspendiert worden. "Nach Ablauf der Bußzeit wird auf Grundlage der Rückmeldungen vom Ort des Gehorsams über die Möglichkeit seiner weiteren priesterlichen Tätigkeit entschieden", teilte die Moskauer Diözese der Russisch-Orthodoxen Kirche mit. Stellvertretender russischer Verteidigungsminister verhaftet Ein stellvertretender russischer Verteidigungsminister ist unter dem Verdacht der Bestechlichkeit verhaftet worden. Das teilten die russischen Behörden mit. Der 48-jährige Timur Iwanow ist einer von zwölf Stellvertretern des russischen Verteidigungsministers Sergej Schoigu. Er wurde nach der russischen Invasion in die Ukraine im Jahr 2022 von den USA und der EU mit Sanktionen belegt. Sowohl Schoigu als auch der russische Präsident Wladimir Putin seien über den Vorgang informiert worden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Ria Nowosti. Das russische Ermittlungskomitee erklärte, Iwanow stehe im Verdacht, eine besonders hohe Bestechungssumme angenommen zu haben. Strack-Zimmermann erneuert "Taurus"-Forderung Nach dem Beschluss des US-Kongresses für milliardenschwere Waffenlieferungen an die Ukraine hat die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann ihre Forderung an die Bundesregierung für eine Lieferung von "Taurus"-Marschflugkörpern erneuert. "Der Kanzler hat immer versichert, dass er sich an den Vereinigten Staaten orientiert", sagte Strack-Zimmermann dem Nachrichtenportal T-Online. Durch die Entscheidung der USA sieht die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag nun auch bei der Ampel-Regierung Handlungsbedarf. Russische Behörden melden Drohnenattacken Aus Russland werden wieder ukrainische Drohnenangriffe gemeldet. In der westlichen Region Smolensk an der Grenze zu Belarus seien infolge der Angriffe Brände in zivilen Treibstoff- und Energieanlagen ausgebrochen, teilte der Gouverneur der Region, Wassili Anochin, auf dem Kurznachrichtendienst Telegram mit. Es war zunächst unklar, welche Anlagen betroffen waren. In der Region Smolensk gibt es keine großen Ölraffinerien. In sozialen Netzwerken wurden Videos eines Großbrands verbreitet, der in einer Raffinerie im Landkreis Jarzewo, 60 Kilometer nordöstlich von Smolensk, ausgebrochen sein soll. Anwohner berichten von mehreren Explosionen. In der südwestlichen Region Lipezk stürzte nach Angaben der Behörden eine Drohne auf ein Industriegebiet. Verletzte habe es nicht gegeben, aber die Anwohner seien vorsorglich evakuiert worden, erklärt Regionalgouverneur Igor Artamonow auf Telegram. Unklar war, was angegriffen wurde und ob es Schäden gab. Selenskyj dankt den USA für "lebenswichtige Hilfe" Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat dem US-Senat nach der Billigung eines milliardenschweren Hilfspakets für die "lebenswichtige Hilfe" im Abwehrkampf gegen Russland gedankt. Er schrieb am frühen Morgen auf der Plattform X: "Diese Abstimmung stärkt Amerikas Rolle als Leuchtturm der Demokratie und als Führer der freien Welt." Er sei auch allen Amerikanern dankbar, die die Ukraine weiterhin unterstützten und erkennen würden, dass die historische Bedeutung dieses Gesetzes über die Politik hinausgehe, schrieb Selenskyj. "Die Langstreckenkapazitäten, die Artillerie und die Luftverteidigung der Ukraine sind entscheidende Instrumente für die baldige Wiederherstellung eines gerechten Friedens." Social-Media-Beitrag auf X von Volodymyr Zelenskyy / Володимир Зеленський: "I am grateful to the United States Senate for approving vital aid to Ukraine today.I thank Majority Leader Chuck Schumer @SenSchumer and Republican Leader Mitch McConnell @LeaderMcConnell for their strong leadership in advancing this bipartisan legislation, as well as all US…" Biden: Waffenlieferungen noch in dieser Woche US-Präsident Joe Biden will noch in dieser Woche mit der Lieferung von Waffen und Ausrüstung an die Ukraine beginnen. Das kündigte er am späten Abend (Ortszeit) unmittelbar nach der Freigabe neuer Milliardenhilfen für das von Russland angegriffene Land durch das US-Parlament an. "Ich werde dieses Gesetz unterzeichnen und mich an das amerikanische Volk wenden, sobald es morgen auf meinem Schreibtisch liegt, damit wir noch in dieser Woche mit der Lieferung von Waffen und Ausrüstung an die Ukraine beginnen können", teilte Biden mit.  US-Senat billigt milliardenschwere Ukraine-Hilfen Der US-Kongress hat mit der Zustimmung des Senats am Abend (Ortszeit) milliardenschwere Hilfen für die von Russland angegriffene Ukraine gebilligt. Der Gesetzentwurf, der Hilfen im Umfang von rund 61 Milliarden US-Dollar (57 Milliarden Euro) für Kiew vorsieht, muss nun noch von US-Präsident Joe Biden unterschrieben werden, was als Formalie gilt. Bürgermeister: Russische Raketen treffen Wohngebiet in Charkiw In der zweitgrößten ukrainischen Stadt Charkiw sind nach ukrainischen Angaben russische Raketen in einem Wohnviertel eingeschlagen. Das teilte Bürgermeister Ihor Terechow über den Kurznachrichtendienst Telegram mit. Informationen über Opfer würden noch geprüft, so Terechow. Nach Angaben des staatlichen Radiosenders Suspilne wurde bei dem Angriff die zivile Infrastruktur zerstört. Der Flugalarm in der Region Charkiw wurde später wieder aufgehoben. Der Liveblog vom Dienstag zum Nachlesen Das US-Verteidigungsministerium will offenbar direkt nach der Billigung der Ukraine-Hilfen durch den Senat ein erstes Paket auf den Weg bringen. Litauen hat gepanzerte Fahrzeuge an Kiew übergeben. Alle Entwicklungen im Liveblog zum Nachlesen.
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2024-04-24
Börsen kommen nicht mehr voran
Gewinnmitnahmen
An sich sind die Investoren recht zufrieden mit den jüngsten Unternehmenszahlen. Dass die jüngste Erholung zur Wochenmitte dennoch stockte, lag wohl vor allem an Gewinnmitnahmen.
An sich sind die Investoren recht zufrieden mit den jüngsten Unternehmenszahlen. Dass die jüngste Erholung zur Wochenmitte dennoch stockte, lag wohl vor allem an Gewinnmitnahmen. Nach zwei Gewinntagen ist die Erholung an der Wall Street zum Stillstand gekommen. Der Leitindex Dow Jones ging mit 38.460 Punkten 0,11 Prozent tiefer aus dem Handel. "Die Anleger werden etwas vorsichtiger, obwohl die Konzernbilanzen immer noch ziemlich stark zu sein scheinen", sagte Brian Nick vom Finanzdienstleister The Macro Institute. Jedenfalls nutzten einige Anlegerinnen und Anleger die jüngste Aufwärtsbewegung, um ihre Gewinne mitzunehmen. Die Auftragseingänge langlebiger Güter deuteten auf eine robuste Verfassung der US-Industrie hin. Die Bestellungen für Güter wie Flugzeuge und Maschinen legten im März um 2,6 Prozent zum Vormonat zu. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Volkswirte hatten lediglich mit einem Zuwachs von 2,5 Prozent gerechnet. Das Bestellplus aus dem Vormonat wurde im Zuge einer Revision allerdings deutlich eingedampft - auf 0,7 Prozent von zunächst für Februar gemeldeten 1,3 Prozent. An der Technologiebörse Nasdaq wurden die Kurse zunächst von der Erholung der Tesla-Aktie und ermutigenden Zahlen von Texas Instruments angetrieben. Am Ende blieb aber nur ein Plus von 0,32 Prozent im Nasdaq 100. Nach Börsenschluss erwarten die Investoren noch die Quartalsberichte der Facebook-Mutter Meta und des IT-Konzerns IBM. DAX kann Plus nicht über Ziellinie retten Auch am deutschen Aktienmarkt hatte es zunächst nach dem dritten Erholungstag in Folge ausgesehen. Am Nachmittag driftete der DAX dann aber fast kontinuierlich nach unten und schloss 0,27 Prozent tiefer bei 18.088 Punkten. Der Schlusskurs des DAX wird übrigens künftig erst um 18.00 Uhr vorliegen. Die Deutsche Börse hat die Berechnungszeit des deutschen Leitindex' an die europäischen Stoxx Indizes angeglichen. Rückenwind für den DAX war zunächst von der Konjunkturseite gekommen. Der wichtigste deutsche Frühindikator, das ifo-Geschäftsklima, stieg auf 89,4 Punkte von revidiert 87,9 Zählern im Vormonat. Das war bereits der dritte Anstieg in Folge. Das schürt Hoffnungen auf eine konjunkturelle Wende zum Besseren, zumal zuletzt auch andere Frühindikatoren positiv überrascht hatten. "Von nun an sollte die deutsche Wirtschaft wieder wachsen, nachdem sich die Unternehmen an die höheren Leitzinsen gewöhnt haben und die Energiekosten gefallen sind", kommentierte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Gold kaum verändert Die Feinunze Gold kostet zur Stunde 2.322 Dollar und damit etwa so viel wie gestern Abend. Seit seinem Rekordhoch bei rund 2.432 Dollar hat das gelbe Edelmetall über 100 Dollar eingebüßt. Der Euro liegt mit 1,07 Dollar ebenfalls kaum verändert im Markt. Bitcoin fällt zurück Der Bitcoin hat seine zu Wochenbeginn erzielten Gewinne bereits wieder aufgezehrt. Am Abend kostete eine Einheit der bekanntesten Kryptowährung um 60.100 Dollar. Am Wochenende hatte das zuvor mit Spannung erwartete "Halving" stattgefunden, durch das die Belohnung für die Verifizierung von Bitcoin-Transaktionen alle vier Jahre halbiert wird. Das war in der Vergangenheit in der Regel mit Kurszuwächsen einhergegangen. Die moderate Kursreaktion am Montag und die Verluste seit Dienstag deuten aber darauf hin, dass die Anleger den Effekt des "Halving" bereits antizipiert hatten. Die Aussicht auf global sinkende Kapitalmarktzinsen dürfte die Attraktivität von Bitcoin perspektivisch aber erhöhen, meinte Timo Emden von Emden Research. Öl dreht ins Minus Die Ölpreise drehten nach anfänglichen Zuwächsen ins Minus. Am späten Abend kostet ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent 87,17 Dollar und damit 1,4 Prozent weniger als am Vortag. Auch der unerwartet deutliche Rückgang der Ölreserven in den USA stützte die Notierungen nur wenig. Die Bestände an Rohöl sanken im Vergleich zur Vorwoche um 6,4 Millionen auf 453,6 Millionen Barrel. Das war der größte Rückgang seit Januar. Analysten hatten im Schnitt mit einem Anstieg um 2,0 Millionen Barrel gerechnet. Tesla: Neue Modelle kommen früher Der auffälligste Titel unter den großen Technologietiteln an der Nasdaq war Tesla. Die Aktie erholte sich nach ihrem monatelangen Kursverfall zweistellig. Der Elektroautobauer hat eine frühere Markteinführung neuer Modelle angekündigt und damit die Anleger trotz eines Umsatzrückgangs erfreut. Man werde die ursprünglich für das zweite Halbjahr 2025 geplante Produktion auf den Jahresanfang 2025 oder gar auf Ende 2024 vorziehen, sagte Tesla-Chef Elon Musk. Boeing bleibt wegen 737 MAX in den roten Zahlen Die Krise um den Mittelstreckenjet 737 MAX hat dem US-Flugzeughersteller Boeing im ersten Quartal einen weiteren Verlust eingebrockt. Unter dem Strich lag der Fehlbetrag mit 355 Millionen Dollar allerdings 16 Prozent niedriger als ein Jahr zuvor, wie der Konkurrent des weltgrößten Flugzeugbauers Airbus kurz vor US-Börsenbeginn mitteilte. Analysten hatten ein noch größeres Minus erwartet. Auch der bereinigte Mittelabfluss fiel mit 3,9 Milliarden Dollar nicht ganz so hoch aus wie erwartet. ASMI und TI schieben Infineon an Am deutschen Markt hellten positiv aufgenommene Zahlen des niederländischen Halbleiter-Zulieferers ASM International (ASMI) die Stimmung auf. Im DAX war die Infineon-Aktie mit einem Plus von über fünf Prozent der mit Abstand größte Kursgewinner. Im MDAX lag die Aixtron-Aktie vorn, im SDAX haussierten Papiere von Elmos Semiconductor. ASMI profitiert nach eigenen Angaben von einer überraschend starken Nachfrage aus China. Analysten gefiel die höher als erwartet ausgefallene Profitabilität im Quartal. Gute Zahlen des US-Konzerns Texas Instruments vom Vorabend schoben die europäischen Technologiewerte zusätzlich an. Deutsche Börse trotz guter Zahlen im Minus Die Deutsche Börse bleibt dank einer Übernahme und gut laufender Geschäfte auf Rekordkurs. Der Reingewinn des Börsenbetreibers stieg zum Jahresauftakt überraschend deutlich um fünf Prozent auf 497,6 Millionen Euro. Die Erlöse zogen um 16 Prozent auf 1,43 Milliarden Euro an. Die Aktie lag dennoch im Minus, Marktbeobachterinnen und Marktbeobachter sprachen von Gewinnmitnahmen. Evotec mit historischem Kurseinbruch Im MDAX brach die Evotec-Aktie zeitweise um rund 40 Prozent ein - und damit so stark wie noch nie. Mit zwischenzeitlich 8,63 Euro markierte sie den niedrigsten Stand seit sieben Jahren. Der Hamburger Biotech-Konzern sorgte mit seinem Geschäftsausblick für herbe Enttäuschung unter den Anlegern: Das Unternehmen peilt für das bereinigte Ebitda ein Wachstum im zweistelligen Prozentbereich an. "Der Konsensus lag bei einem Anstieg von 140 Prozent", erklärte ein Händler. Gestern Abend hatte Evotec den neuen Konzernchef Christian Wojczewski vorgestellt, der allerdings erst im Juli antreten wird. Hugo Boss beendet Russland-Engagement Hugo Boss will sich komplett von seinem Russland-Geschäft trennen. Der Modekonzern wolle seine russische Tochtergesellschaft an den langjährigen Großhandelspartner Stockmann JSC verkaufen, teilte eine Sprecherin des MDAX-Konzerns auf Anfrage mit. Die russischen Behörden hätten bereits zugestimmt. Kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine hatte Hugo Boss im März 2022 seine Filialen in Russland geschlossen und das Online-Geschäft ausgesetzt. Zusammen mit der Ukraine habe das Russland-Geschäft 2021 rund drei Prozent des Konzernumsatzes ausgemacht. Das Modelabel war im vergangenen Jahr in die Kritik geraten, weil über den Großhandel weiter Ware in Russland verfügbar ist. Intershop dampft Minus ein Das Jenaer Software-Unternehmen Intershop steckt nur noch leicht in den roten Zahlen. In den ersten drei Monaten des Jahres stand unterm Strich ein Minus von etwa 100.000 Euro. Intershop hatte das vergangene Jahr mit 3,6 Millionen Euro Verlust abgeschlossen. Das erste Quartal 2023 war mit einem Minus von etwa einer Million Euro abgeschlossen worden. CureVac streicht 150 Jobs Die Tübinger Biotechfirma CureVac muss nach höheren Verlusten im vergangenen Geschäftsjahr Kosten senken und will mehr als ein Zehntel der Arbeitsplätze streichen. Über ein Freiwilligen-Programm sollen 150 Jobs abgebaut werden, wie das Unternehmen, das in der Pandemie mit der Entwicklung seines Corona-Impfstoffs scheiterte, mitteilte. Betriebsbedingte Kündigungen seien nicht geplant. Gegenwärtig hat CureVac weltweit rund 1.100 Beschäftigte. Unternehmensstrukturen sollen gestrafft und die Betriebskosten gesenkt werden. Zur Höhe der ab dem zweiten Halbjahr erhofften Einsparungen äußerte sich CureVac nicht. Gucci-Eigner Kering warnt vor Ergebniseinbruch Eine düstere Prognose von Kering lastete auf dem Luxusgüter-Sektor. Der französische Modekonzern (Gucci, Yves Saint Laurent, Balenciaga) rechnet nach einem mageren Auftakt mit einem deutlichen Ergebniseinbruch im ersten Halbjahr. Das wiederkehrende operative Ergebnis dürfte gegenüber dem Vorjahreswert von gut 2,7 Milliarden Euro nun um 40 bis 45 Prozent sinken.
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2024-04-24
Wie geht es nach dem TikTok-Ultimatum weiter?
USA
Verkauf oder faktisches Verbot: Mit dem vom US-Kongress gesetzten Ultimatum eskaliert der Streit um TikTok in den USA. Was folgt aus der überparteilichen Initiative - und wie realistisch ist, dass TikTok sich fügt?
Verkauf oder faktisches Verbot: Mit dem vom US-Kongress gesetzten Ultimatum eskaliert der Streit um TikTok in den USA. Was folgt aus der überparteilichen Initiative - und wie realistisch ist, dass TikTok sich fügt? Warum will der US-Kongress TikTok verbieten? Abgeordnete sowohl der Demokraten als auch der Republikaner betrachten die App als Risiko für die nationale Sicherheit, weil die Regierung in Peking das Unternehmen zwingen könnte, Nutzerdaten herauszugeben. Bei einer Anhörung im US-Repräsentantenhaus warnte Geheimdienst-Koordinatorin Avril Haines, dass die Regierung in Peking versuchen könnte, die Kurzvideo-Platform TikTok zur Beeinflussung der anstehenden US-Präsidentschaftswahlen zu nutzen. Im aktuellen Wahljahr wollen viele US-Politiker gegenüber China Härte zeigen. Der Streit um TikTok ist nur einer von vielen: Um den technologischen und militärischen Aufstieg Chinas zu bremsen, haben die USA unter anderem die Exporte hochmoderner Computerchips in die Volksrepublik eingeschränkt. Der ehemalige US-Präsident Donald Trump hatte während seiner Amtszeit bereits versucht, TikTok zu verbieten. Er war damals an den US-Gerichten gescheitert. Wer hat für das Gesetz gestimmt, wer dagegen? Das US-Repräsentantenhaus hat die Vorlage mit einer überparteilichen Mehrheit von 360 zu 58 Stimmen verabschiedet. Im Senat waren es 79 zu 18 Stimmen. Führende Demokraten und Republikaner hatten die Initiative gemeinsam angestoßen. Zu den Gegnern des Gesetzes gehört die prominente demokratische Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez, die mit Nein gestimmt hat. Ihrer Ansicht nach gibt es "ernsthafte kartell- und datenschutzrechtliche Fragen". Sie forderte, alle Bedenken hinsichtlich der nationalen Sicherheit sollten vor einer Abstimmung der Öffentlichkeit dargelegt werden. Ihr demokratischer Kollege Ro Khanna befürchtet, dass das Gesetz einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten wird, da die Redefreiheit ein hohes Gut sei. Zahlreiche Jungwähler stehen einem möglichen Verbot kritisch gegenüber. Für sie ist die App ein wichtiges Werkzeug, um politische Themen zu verfolgen oder ihre Ansichten zu teilen. Das Wahlkampfteam des US-Präsidenten Joe Biden hat einen eigenen TikTok-Kanal eingerichtet. In Deutschland ist inzwischen auch Bundeskanzler Olaf Scholz auf der Plattform präsent. Wie geht es nun weiter? Mit der Unterzeichnung des Gesetzes durch US-Präsident Biden am Mittwoch begann eine Frist für den Verkauf - sie läuft neun Monate. Sie kann um drei Monate verlängert werden, sollte der Präsident der Ansicht sein, dass sich die Transaktion ihrem Abschluss nähert. Diese Entscheidung muss voraussichtlich rund um den 20. Januar 2025 gefällt werden, dem Datum für die Vereidigung des künftigen US-Präsidenten. Diese Aufgabe würde also entweder einem wiedergewählten Biden oder seinem wahrscheinlichen Herausforderer Trump zufallen. Es ist allerdings unklar, ob die chinesische Regierung einen TikTok-Verkauf zulassen würde oder diese Transaktion im vorgegebenen Zeitrahmen abgewickelt werden kann. Wie reagiert TikTok? Nach Angaben seines Chefs will TikTok vor Gericht gegen das US-Ultimatum vorgehen. In einem Video in dem Internetdienst nannte Shou Zi Chew den Beschluss ein "Verbot von TikTok". An die User gewandt sprach er von einem Verbot "von Ihnen und Ihrer Stimme". Der TikTok-Chef sprach von einem "enttäuschenden Moment". Es sei "ironisch", da die freie Meinungsäußerung auf TikTok "dieselben amerikanischen Werte widerspiegelt, die aus den USA einen Leuchtturm der Freiheit machen". Er lud die Nutzer dazu ein, zu erzählen, welchen positiven Einfluss TikTok auf ihr Leben gehabt habe. Das Unternehmen bestreitet jegliche Verbindungen zur chinesischen Regierung und versichert, es habe sich so umstrukturiert, dass die Nutzerdaten in den USA blieben.  TikTok-Anwälte werden wohl zunächst eine einstweilige Verfügung beantragen, um eine Umsetzung des Gesetzes zu verhindern, bis dessen Verfassungsmäßigkeit überprüft wurde. Dieses Verfahren könnte sich bis ins kommende Jahr hineinziehen. Bei einer ähnlichen Klage gegen ein Verbot im US-Bundesstaat Montana wurde eine einstweilige Verfügung gewährt. Wer könnte TikToks US-Geschäft übernehmen? Analysten des Vermögensverwalters Wedbush sehen Microsoft und Oracle als mögliche Käufer für TikTok. Die beiden US-Konzerne hätten in der Vergangenheit bereits Interesse bekundet. Auch diverse Finanzinvestoren und Konsortien, darunter eines um den früheren US-Finanzminister Steven Mnuchin, stünden bereit. Experten zufolge würde der chinesische Mutterkonzern ByteDance TikTok niemals inklusive der Algorithmen verkaufen, die unter anderem Nutzern neue Clips vorschlagen. Sie fielen unter Technologien, für deren Export eine staatliche Genehmigung der Regierung in Peking notwendig sei. Ohne diese Algorithmen sei die Video-Plattform deutlich weniger wert als aktuell. Wie würde ein Verbot durchgesetzt? Sollte sich ByteDance nicht innerhalb der Frist vom US-Geschäft der Tochter trennen, müssen Anbieter wie Apple oder die Alphabet-Tochter Google TikTok aus ihren jeweiligen App Stores werfen. Außerdem dürfen US-Unternehmen die Dienste von Firmen, die von ByteDance kontrolliert werden, nicht mehr auf ihren Servern laufen lassen. Theoretisch würde US-Nutzern damit der Zugriff auf TikTok unmöglich gemacht. Ist TikTok auch in anderen Ländern verboten? TikTok und die Programme einiger anderer chinesischer Anbieter sind in Indien seit Mitte 2020 komplett verboten. Das Land begründete dies mit einer Gefahr für die nationale Sicherheit. Auch Nepal hat die Video-App verbannt. In zahlreichen anderen Staaten mussten Regierungsvertreter und Staatsbedienstete TikTok von ihren Diensthandys löschen, unter anderem in Großbritannien. In Deutschland ist Bediensteten des Bundespresseamts die Nutzung von TikTok auf ihren dienstlichen Geräten untersagt. Einem Medienbericht zufolge prüft das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) mögliche Risiken der App. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden zunächst nicht öffentlich gemacht. Der Beauftragte für Datenschutz, Ulrich Kelber, hat nach eigenen Aussagen bereits 2021 sämtlichen Bundesministerien und -behörden von einer Installation der App auf Diensthandys abgeraten. Auch bei der EU-Kommission ist die App auf diesen Geräten tabu. Auf deren Druck hat TikTok jetzt ein umstrittenes Belohnungssystem vorerst ausgesetzt - wegen mutmaßlicher Suchtgefahren für Minderjährige. "Wir setzen die Belohnungsfunktion in TikTok Lite freiwillig aus, während wir uns mit den Bedenken auseinandersetzen", teilte das Unternehmen mit. Brüssel hatte zuvor mit einer Blockade der Funktion, die seit April in Frankreich und Spanien verfügbar war, in der EU gedroht. TikTok Lite enthält ein Punktesystem: Wer sich anmeldet, mehrere Stunden Videos schaut oder Freunde zu TikTok einlädt, wird mit digitalen Münzen belohnt.
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2024-04-24
EU-Parlament schwächt Umweltauflagen für Bauern ab
Nach europaweiten Protesten
Nach wochenlangen Bauernprotesten hat das Europaparlament einige Umweltauflagen in der Landwirtschaft zurückgenommen. Die Änderungen wurden im Eilverfahren gebilligt und gelten zum Teil sogar rückwirkend. Kritik daran kommt von den Grünen.
Nach wochenlangen Bauernprotesten hat das Europaparlament einige Umweltauflagen in der Landwirtschaft zurückgenommen. Die Änderungen wurden im Eilverfahren gebilligt und gelten zum Teil sogar rückwirkend. Kritik daran kommt von den Grünen. Das EU-Parlament hat den Weg für abgeschwächte Umweltauflagen in der Landwirtschaft frei gemacht. Die Abgeordneten stimmten in Straßburg dafür, dass Bauern bei der Erfüllung von Umweltvorschriften mehr Flexibilität zugestanden werden kann. Bei den Änderungen an der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) geht es unter anderem um Standards, die für guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand von Böden sorgen sollen. Grundsätzlich müssen sich Landwirte an diese halten, um von den milliardenschweren EU-Agrarsubventionen zu profitieren. Dabei handelt es sich etwa um Vorgaben für Brachflächen, Pufferstreifen entlang von Gewässern und Fruchtfolgen, mit denen sichergestellt werden soll, dass Böden durch die landwirtschaftliche Nutzung nicht zu sehr in Mitleidenschaft gezogen werden. Kein Zwang mehr, Flächen brach liegen zu lassen Bisher sind Bauern beispielsweise dazu verpflichtet, einen Teil ihrer Ackerfläche brach liegen zu lassen oder unproduktiv zu nutzen. Bis mindestens 2027 können sie das nun freiwillig tun. Dafür sollen sie dann wiederum von den EU-Staaten belohnt werden. Bei den Vorgaben für den Anbau von Zwischenfrüchten sollen die EU-Staaten mehr Spielraum bekommen. Landwirtschaftliche Betriebe sollen zudem mehr Wiesenflächen in Ackerland umwandeln dürfen. Das würde vor allem Tierhaltern zugute kommen, die wegen schlecht laufender Geschäfte auf den Getreideanbau umstellen. Weniger Kontrollen auf kleineren Höfen Wenn Landwirte unter Dürren oder Überschwemmungen leiden, sollen zudem Vorgaben für die Fruchtfolge abgeschwächt werden. Die Betriebe müssten dann lediglich mehr verschiedene Pflanzenarten anbauen, die Sorten aber nicht mehr jährlich wechseln. Die Pläne sehen auch vor, dass kleine landwirtschaftliche Höfe mit einer Fläche von weniger als zehn Hektar von Kontrollen und Sanktionen im Zusammenhang mit Umweltanforderungen ausgenommen werden können.  Die meisten geplanten Änderungen an der GAP sollen 2025 in Kraft treten, einige aber auch rückwirkend zum 1. Januar 2024. Betriebe würden damit Sanktionen entgehen, wenn sie die Auflagen bislang nicht beachtet haben. Lob von der CDU, Kritik von Grünen Schon länger machen Bauern Druck auf die Politik - unter anderem beklagen sie zu viel Bürokratie. Zu Beginn des Jahres gingen sie in vielen EU-Ländern auf die Straße und demonstrierten teils gewaltvoll. Mit ihren Vorschlägen war die EU-Kommission deutlich auf die Landwirte zugegangen. Der Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses im Europaparlament, Norbert Lins, lobte die Abstimmung als "großen Erfolg für die europäische Landwirtschaft". Man habe die Proteste der Landwirte gehört und geliefert. Er forderte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) auf, "die heutigen Beschlüsse in Deutschland eins zu eins umzusetzen". Die Grünen-Politikerin Jutta Paulus kritisierte dagegen: "Nicht die Bauern profitieren hiervon, sondern die Düngemittel- und Pestizidindustrie." Die Abstimmung sei ein "Schlag ins Gesicht der Wissenschaft". Die EU-Staaten müssen noch zustimmen, das gilt aber als sehr wahrscheinlich. Die neuen Auflagen könnten bereits in diesem Jahr Anwendung finden. Das von der Kommission vorgeschlagene Vorhaben wurde in einem Eilverfahren durch das Parlament gebracht.
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2024-04-24
"Fräulein Lieser" in nur zweieinhalb Minuten versteigert
Klimt-Gemälde
Es ist eines der letzten großen Porträts von Gustav Klimt - das "Bildnis Fräulein Lieser". In Wien wurde das Gemälde nun versteigert - ohne Bietergefecht. Das Ganze dauerte gerade einmal zweieinhalb Minuten. Von W. Vichtl.
Es ist eines der letzten großen Porträts von Gustav Klimt - das "Bildnis Fräulein Lieser". In Wien wurde das Gemälde nun versteigert - ohne Bietergefecht. Das Ganze dauerte gerade einmal zweieinhalb Minuten. Von Wolfgang Vichtl Nach zweieinhalb Minuten war es vorbei: für 30 Millionen Euro wechselt das "Bildnis Fräulein Lieser" den unbekannten Besitzer. Es ist eines der letzten großen Porträts, an denen Gustav Klimt vor seinem frühen Tod 1918 noch gearbeitet hat. 30 Millionen Euro, das liegt am unteren Ende der Erwartungen - 30 bis 50 Millionen waren aufgerufen. Aber niemand der weltweit ins Wiener Auktionshaus Kinsky Zugeschalteten wollte den Preis weiter treiben. Obwohl es eine Exportgenehmigung des österreichischen Bundesdenkmalamtes gibt, weil die aktuellen Erben alle juristischen Fragen der Eigentumsverhältnisse laut Auktionshaus geklärt hätten. Fast 100 Jahre verschollen Das Gemälde war fast 100 Jahre lang verschollen. Wer es zwischenzeitlich an der Wand hängen hatte, konnte bis heute nicht lückenlos dokumentiert werden. Im Dunkeln vor allem die Jahre 1925 bis 1960. Bleibt also die Frage, wer es während der Nazizeit besaß. Zuvor hing das Bild bei Henriette "Lilly" Lieser. Eine prominente und wohlhabend Kunst-Mäzenin zu Zeiten Gustav Klimts, die aus einer verzweigten jüdischen Fabrikantenfamilie stammt. Sie wurde später von den Nazis zuerst enteignet, später nach Riga deportiert und - vermutlich in Auschwitz - ermordet.
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2024-04-24
Ist die Wahlrechtsreform verfassungsgemäß?
Bundesverfassungsgericht
Zwei Tage lang hat das Verfassungsgericht über die Reform des Wahlrechts beraten. CSU, Linke und 4.000 Privatpersonen hatten sich an das oberste deutsche Gericht gewandt, weil sie die neuen Regeln für verfassungswidrig halten. Von Gigi Deppe.
Zwei Tage lang hat das Verfassungsgericht über die Reform des Wahlrechts beraten. CSU, Linke und 4.000 Privatpersonen hatten sich an das oberste deutsche Gericht gewandt, weil sie die neuen Regeln für verfassungswidrig halten. Von Gigi Deppe Es ist ein schlichter Satz im Grundgesetz, über den an zwei langen Tagen im Verhandlungssaal des Bundesverfassungsgerichts gestritten wurde. Artikel 38 gibt den Rahmen vor: "Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt." Aber zählen alle Wähler-Stimmen wirklich gleich, wenn 2025 nach neuen Regeln für den Bundestag gewählt wird? Denn in Zukunft spielt die Direktwahl von einzelnen Personen in den Wahlkreisen nur noch eine untergeordnete Rolle. Mit der Erststimme können sich die Wähler zwar weiter für einen bestimmten Kandidaten entscheiden - aber eventuell geht das ins Leere. Denn alles hängt von den Zweitstimmen ab: Wenn nach dem Ergebnis der Zweitstimmen die Partei des Kandidaten an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert, kommt er nicht in den Bundestag.    Kritik von der CSU Alexander Dobrindt kritisiert im Gericht das neue System massiv: "Dieses Wahlrecht der Ampel ist ein Wahlrecht der Täuschung des Wählers. Es suggeriert, dass er mit der Erststimme eine echte Wahl hätte und einen Kandidaten in den Deutschen Bundestag wählt", so der CSU-Politiker. Das schaffe aber genau dieses Wahlrecht für die Zukunft ab. Das Wahlrecht sei genauso konzipiert, "dass eine Situation entstehen kann, dass beispielsweise in Bayern die CSU alle 47 Wahlkreise gewinnen kann, aber kein einziger Vertreter der CSU in den Deutschen Bundestag einzieht." Grüne fordern "faire Regeln" Till Steffen von den Grünen findet, dass es nicht anders geht, wenn der Bundestag kleiner werden soll. „Wir brauchen faire Regeln, die für alle gelten. Und es ist eben so, dass bestimmte Effekte für alle Parteien natürlich eintreten können. Es kann natürlich auch bei anderen Parteien dazu kommen, dass Wahlkreis-Erste nicht zum Zug kommen, das kann auch uns Grünen passieren. Das kann der SPD passieren, das kann allen Parteien passieren." Das sieht SPD-Politiker Sebastian Hartmann genauso: "Die Rahmenbedingung privilegiert keine einzige Partei mehr. Das ist in der Vergangenheit bei der CSU so gewesen, weil es unausgeglichene Überhangmandate gab. Das ist jetzt sichergestellt, dass es keine Verzerrung mehr im Wahlergebnis gibt." Vielmehr sei nun ein Gleichheitsgrundsatz hergestellt worden. Bedeutung der Direktwahl Wie wichtig sind die direkt gewählten Abgeordneten für die Demokratie? Das wollten die Verfassungsrichter von Sachverständigen hören. Auf deren Schilderungen bezogen sich später viele Redner, denn die Politikwissenschafter hatten die Bedeutung der Direktwahl in ihrer Bedeutung eher herabgestuft. Sie schilderten, die meisten Wählerinnen und Wähler würden das System mit Erst- und Zweitstimme nach wie vor nicht genau verstehen. Viele würden auch nicht den Namen des direkt gewählten Abgeordneten im Wahlkreis kennen. Und wie weit sich ein Parlamentarier im Bundestag für seine Region engagiert, dafür sei auch nicht entscheidend, ob er direkt gewählt wurde oder über die Liste seiner Partei ins Parlament gekommen ist.   Daraufhin meldeten sich mehrere Abgeordnete zu Wort und schilderten ihren politischen Alltag. Aber das Bild blieb uneinheitlich. Ob der Bundestag überhaupt verkleinert werden muss und wie wichtig das Direktmandat ist, dazu gab es sich widersprechende Berichte.   "Stimmen fallen unter den Tisch" Im Gerichtssaal wurde auch die Frage diskutiert, ob die Fünf-Prozent-Hürde eigentlich demokratisch ist. Der Verein "Mehr Demokratie e.V." - der vor Gericht über 4.000 Privatpersonen vertritt - hält das neue Wahlrecht für verfassungswidrig. Denn im neuen Wahlrecht würde diese Hürde noch viel strenger gehandhabt. Alle Wählerstimmen, die für kleine Parteien abgegeben werden, seien schlicht wertlos, wenn die gewählte Partei nicht die nötigen fünf Prozent der Stimmen bekommt. Bundesvorstandssprecher Uwe Beck bemängelte: "Es sind bei der letzten Bundestagswahl vier Millionen Stimmen unter den Tisch gefallen, sind nicht im Bundestag repräsentiert. Mit der jetzigen Wahlrechtsreform könnte sich die Zahl verdoppeln. Es könnte jede fünfte Stimme nicht im Bundestag vertreten sein." Entscheidung steht aus Es sind sehr grundsätzliche Fragen, über die das Verfassungsgericht zu entscheiden hat. Und sicher ist den Richterinnen und Richtern bewusst, dass sie bald das Urteil verkünden müssen, damit klar ist, wie die Bundestagswahl 2025 auszusehen hat.
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2024-04-24
Schwierige Abwägung zwischen Kosten und Nutzen
Bezahlkarte für Asylbewerber
Mehrere Landkreise vermelden, dass die Einführung der Bezahlkarte bereits Asylbewerber dazu bewogen habe, auszureisen oder eine Arbeit anzunehmen. Welche Auswirkungen das Modell tatsächlich hat, ist jedoch umstritten.
Mehrere Landkreise vermelden, dass die Einführung der Bezahlkarte bereits Asylbewerber dazu bewogen habe, auszureisen oder eine Arbeit anzunehmen. Welche Auswirkungen das Modell tatsächlich hat, ist jedoch umstritten. Nach der Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber seien 56 Flüchtlinge aus seinem Landkreis ausgereist, "die meisten vermutlich in ihre Heimat nach Georgien und in den Westbalkan". Weitere 43 gingen inzwischen arbeiten - das erklärte Werner Henning. Landrat im Eichsfeld, gegenüber der "Bild". Seine Greizer Kollegin Martina Schweinsburg berichtet ebenfalls von einer erfolgreichen Einführung. Integrationsbeauftragte bezweifelt Effekt Die Thüringer Beauftragte für Integration, Migration und Flüchtlinge, Mirjam Kruppa, sieht solche Aussagen jedoch kritisch. "Bei der Debatte um die Bezahlkarte für Geflüchtete werden immer wieder Argumente ins Feld geführt, die schlicht falsch oder nicht belegt sind", kritisiert sie in einer Stellungnahme. Sie zieht in Zweifel, dass diese Entwicklung als "Erfolg" oder unmittelbare Konsequenz der Bezahlkarte gewertet werden könne: Ausreisen habe es immer gegeben und die Aufnahme von Arbeit entspricht unabhängig von der Bezahlkarte dem Wunsch der allermeisten Asylsuchenden. Wohl keine "Wanderbewegungen" Die Behauptung des Erfurter Oberbürgermeister Andreas Bausewein, dass es bereits "Wanderungsbewegungen" von Asylbewerbern aus Landkreisen, die die Karte eingeführt haben, in seine Stadt gebe, sei falsch: "Diese Aussage kann nicht stimmen. All diejenigen, die in den Thüringer Landkreisen eine Bezahlkarte ausgehändigt bekommen, sind Asylsuchende oder geduldete Menschen mit einer Wohnsitzauflage." Migrationsforscher skeptisch Herbert Brücker, Forschungsbereichsleiter im Bereich Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, glaubt nicht, dass die Bezahlkarte nachhaltig positive Effekte für die Landkreise haben wird. Zunächst einmal erzeuge sie im Vergleich zur Überweisung auf ein Konto in mehrerlei Hinsicht einen höheren Aufwand: So müssten mit dem Finanzdienstleister, der die Karte ausgibt, Verträge geschlossen und an ihn Gebühren bezahlt werden, sowie, je nach Ausgestaltung, Verträge mit Geschäften wie zum Beispiel Supermarktketten. Lediglich in dem Fall, dass Sachleistungen durch die Bezahlkarte ersetzt werden, könnte er sich eine Entlastung vorstellen - um die würde es jedoch in diesem Fall aber häufig gar nicht gehen. Experten sehen Reihe von Nachteilen "Je stärker die Einschränkungen der Bezahlmöglichkeiten, umso größer wird der Verwaltungsaufwand", erklärt der Migrationsforscher gegenüber dem ARD-faktenfinder. Weiterhin gebe es durch das System indirekte Kosten, befürchtet Brücker: "Durch die Bezahlkarte wird die Mobilität und damit auch die Integration eingeschränkt: Die Jobsuche wäre schwieriger, die Asylbewerber von bestimmten Waren und Dienstleistungen abgeschnitten." Ähnlich sieht das der Thüringer Flüchtlingsrat. Sowohl in Greiz als auch im Eichsfeld gebe es erhebliche Einschränkungen für die Betroffenen. So könne zwar in Supermärkten bezahlt werden, beim Friseur, in kleineren Geschäften oder beim Erwerb eines Deutschlandtickets gebe es aber Probleme. Die Vertragshändler könnten zudem ihre Preise erhöhen, sofern sie eine Art lokale Monopolstellung in Bezug auf die Bezahlkartenanwender haben, befürchtet Migrationsforscher Brücker, der auch Professor für Volkswirtschaftslehre an der Humboldt-Universität zu Berlin ist. "Solche indirekten Effekte müssten seriöserweise bei der Bewertung mitberücksichtigt werden, auch wenn sie sich schwer messen lassen." Rücküberweisungen in Herkunftsländer oft überschätzt Brücker denkt zudem, dass die Summe, die in die Asylherkunftsländer überwiesen wird, oft massiv überschätzt wird. Die Bundesbank gibt den Betrag, der 2023 in die acht wichtigsten Asylherkunftsländer überwiesen wurde, mit 829 Millionen Euro an. Es deute viel darauf hin, dass der Großteil der Summe von Migranten transferiert werde, die in Deutschland regulär beschäftigt seien, so der Migrationsforscher. So entsprächen die Rücküberweisungen rund fünf Prozent der Lohnsumme der Beschäftigten aus den Asylherkunftsländern in Deutschland. Auch sei die Summe, die Asylbewerber zur Verfügung stehe, viel zu gering, um Schlepper zu finanzieren: Wenn Asylbewerber zehn Prozent ihrer empfangenen Transferleistungen überwiesen, würde es etwa zehn Jahre dauern, bis aus den Mitteln eine Flucht finanziert werden könnte, bei einem Anteil von 20 Prozent etwa fünf Jahre. Gelder eher für Familien als für Schlepper Die Behauptung, dass über diese Gelder Schlepper direkt bezahlt werden, hält Brücker für wenig glaubhaft: Diese Fluchthelfer ließen sich grundsätzlich im Voraus und in bar bezahlen, um das Risiko des Verlustes möglichst kleinzuhalten - und sich kaum darauf einlassen, die 5.000 bis 7.000 Euro, die für die Flucht nach Europa bezahlt werden müssen, über einen derartig langen Zeitraum abzahlen zu lassen. Vielmehr würden diese Gelder an Verwandte und Freunde gehen, die damit auch ihren Lebensunterhalt sowie Gesundheits- und Ausbildungskosten bezahlen. Dadurch würde sich in diesen Ländern der Migrationsdruck verringern, da sich die Lebensbedingungen vor Ort verbesserten. Landkreistag widerspricht Dieses Argument lässt Markus Mempel vom Deutschen Landkreistag nicht gelten: "Die Leistungen aus dem Asylbewerbergesetz sind zur Deckung der Lebenshaltungskosten in Deutschland vorgesehen", erklärt er gegenüber dem ARD-faktenfinder. Er könne es nachvollziehen, dass Asylbewerber ihre Familien in der Heimat unterstützen wollen, dies sei aber nicht das Ziel der Leistung: Es sei richtig, dass der Gesetzgeber darauf achte, den gesetzlichen Zweck einzuhalten. Außerdem soll die Bezahlkarte verhindern, dass Geld für Schlepper ins Ausland transferiert werde. Den Vorwurf der durch die Bezahlkarte eingeschränkten Mobilität lässt Mempel ebenfalls nicht gelten: Während des Asylverfahrens, aber auch bei einer Duldung oder Ausreisepflicht - also in den Fällen, in denen die Bezahlkarte ausgegeben wird -, gebe es in weiten Teilen eine Residenzpflicht. Deshalb dürfen Asylbewerber ohnehin nicht aus dem Bundesland oder dem Landkreis wegziehen, denn es solle eine einigermaßen gleichmäßige Verteilung der Flüchtlinge im Land sichergestellt werden. Auch eine Frage der Gerechtigkeit Eine Vereinfachung der Verwaltung durch die Bezahlkarte sieht Mempel als ebenfalls wichtigen Effekt. Zudem gehe davon eine Signalwirkung nach innen wie nach außen aus: "Es wird Klarheit geschaffen, wie die Bedingungen von Sozialleistungen der Leistungsnahme in Deutschland sind." Konsequente und geordnete Strukturen in der Migrationspolitik seien letztlich auch eine Frage der Gerechtigkeit, so Mempel. Die Erfahrungen im Eichsfeld könnten möglicherweise darauf hindeuten, dass die dort weggezogenen Asylbewerber die Leistungen nicht primär zur Deckung ihres unmittelbaren Lebensbedarfs in Deutschland benötigt hätten.
/faktenfinder/kontext/bezahlkarte-asylbewerber-108.html
2024-04-24
Döner und Differenzen
Steinmeier in der Türkei
An Steinmeiers drittem Tag in der Türkei sind Differenzen deutlich geworden. Beim Treffen mit Präsident Erdogan ging es auch um den Gazastreifen und unterschiedliche Positionen. Einig waren sich beide zumindest beim Döner. Von Kilian Pfeffer.
An Steinmeiers drittem Tag in der Türkei sind Differenzen deutlich geworden. Beim Treffen mit Präsident Erdogan ging es auch um den Gazastreifen und unterschiedliche Positionen. Einig waren sich beide zumindest beim Döner. Von Kilian Pfeffer Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Präsident Recep Tayyip Erdogan hatten viel zu besprechen: Erst nach fast zwei Stunden kamen sie zu der abschließenden Pressekonferenz. Beide lobten die jahrzehntelangen wirtschaftlichen, kulturellen, familiären und freundschaftlichen Verbindungen von Deutschen und Türken ausführlich. Erdogan hob auch die Hilfe der Deutschen nach dem Erdbeben im Jahr 2023 hervor und bedankte sich. Also - keine Probleme? Probleme in der Gaza-Frage Nun ja. Jeweils am Ende ihrer Pressestatements gingen die beiden Präsidenten auf ihre Differenzen ein. Besonders deutlich wurden sie in der jeweiligen Betrachtung der Auseinandersetzungen in Gaza. Präsident Erdogan nannte sie ein "Verbrechen gegen die Menschlichkeit", er habe den israelischen Premierminister Benjamin Netanyahu wiederholt aufgefordert, die "beispiellose Grausamkeit zu beenden". Der Türkei (und sich selbst) bescheinigte Erdogan ein "gewissenhaftes, beschlossenes und mutiges Auftreten". Die Hamas und ihren brutalen Überfall vom 7. Oktober 2023 erwähnte der türkische Präsident dagegen mit keinem Wort. Die deutsche Perspektive Steinmeier wiederum verwies auf die deutsche Perspektive: "Ohne den 7. Oktober gäbe es auch den Krieg nicht", so der Bundespräsident. Die Hamas habe bei ihrem Überfall 1.200 Menschen ermordet und viele Geiseln genommen. Apropos Hamas: Erdogan nennt sie eine "Befreiungsorganisation", hatte den Hamas-Auslandschef Ismail Hanija am Wochenende freundlich in Istanbul empfangen und Unterstützung zugesagt. Für die EU ist die Hamas dagegen eine Terrororganisation. Weiter kann man nicht auseinanderliegen. Dennoch fand Steinmeier auch hier eine Gemeinsamkeit: Man sei sich einig, dass die humanitäre Lage der Menschen im Gazastreifen verbessert werden müsste. Man wolle verhindern, dass sich die Lage im Nahen Osten zu einem Flächenbrand ausweite. Die Beziehungen müssten genutzt werden, damit die israelischen Geiseln freigelassen würden. Der Preis für bessere wirtschaftliche Beziehungen Verbesserungen bei der Visaerteilung für türkische Staatsbürger hat Erdogan im Laufe der Jahre immer wieder mal angemahnt, auch den wirtschaftlichen Austausch möchte er weiter verstärken. Deutschland habe daran ein handfestes Interesse, sagte Steinmeier. Aber die Bedingungen dafür seien Rechtssicherheit, Rechtsstaatlichkeit und die Beachtung der Menschenrechte. Das ist deutlich. Aber auch hier gelang es dem Bundespräsidenten, die Härte abzumildern: Man könne vorankommen, die Menschen in der Türkei wollten das, sie seien europäisch orientiert. Döner - auch im Präsidentenpalast Am Ende ging es auch nochmal kurz um den Döner aus Berlin, den Steinmeier bei einem Empfang in der Kulturakademie Tarabya hatte servieren lassen. Nicht von allen wurde dieses Mitbringsel positiv aufgenommen - zum Teil sogar harsch kritisiert. Steinmeier zählte dagegen die Menschen auf, die Teil seiner Delegation waren, und die "das neue Deutschland mitgeprägt haben": Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoguz, der Autor Dincer Gücyeter, der Schauspieler Adnan Maral, der Hannoveraner Oberbürgermeister Belit Onay oder die Bundestagsabgeordnete Serap Güler. Der Döner des Gastronomen Arif Keles gehöre zu dieser Vielfalt, so der Bundespräsident. "Ich hoffe, dass das verstanden wird." Erdogan scheint es verstanden zu haben: Auch er ließ zum Abschied Döner servieren.
/inland/steinmeier-tuerkei-126.html
2024-04-24
Gefahr für die deutsche Wirtschaft
Chinesische Spionage
Wie wirkt sich Chinas Handeln auf die Sicherheit deutscher Unternehmen aus? Darüber diskutierten Vertreter von Verfassungsschutz und Wirtschaft in Berlin. Thema waren auch die jüngsten Spionagevorwürfe. Von Philipp Eckstein.
Wie wirkt sich Chinas Handeln auf die Sicherheit deutscher Unternehmen aus? Darüber diskutierten Vertreter von Verfassungsschutz und Wirtschaft in Berlin. Thema waren auch die jüngsten Spionagevorwürfe. Von Philipp Eckstein Die Warnungen und Aufforderungen, im Umgang mit China nicht naiv zu sein, sind lange bekannt. Und doch war es Sinan Selen, Vizechef des Bundesamts für Verfassungsschutz, offenbar ein Anliegen, sie noch einmal mit deutlichen Worten zu unterstreichen. Auch angesichts der aktuell bekannt gewordenen mutmaßlichen Spionagefälle. "Im Grunde hängt es am Ende des Tages von Ihrer Beratung ab, ob Ihre Unternehmen fortbestehen werden oder nicht", sagte er. Der Verfassungsschützer richtete seine Worte direkt an die Sicherheitsberaterinnen und -berater deutscher Unternehmen im Publikum. Es gebe eine Vielzahl von Fallbeispielen, in denen die "höchst optimistische und zu positive Haltung hinsichtlich der Handelsbeziehungen zu China" dazu geführt habe, dass sich diese Unternehmen praktisch aufgelöst hätten. "Das droht auch Ihnen." Selen nannte als mögliche Gefahren: zu große Abhängigkeiten von China, geopolitische Konflikte - etwa um Taiwan - mit Auswirkungen auf Lieferketten, Sabotage, Cyber-Crime und Industriespionage. Unter Chinas Führung Und er machte deutlich: Wenn deutsche Unternehmen in China Geschäfte machen, "prallen zwei Welten aufeinander und zwar asymmetrisch". Auf der einen Seite stehen deutsche Privatunternehmen, die gerne gute Geschäfte machen wollen. Auf der anderen Seite chinesische Unternehmen, die stark von der Politik abhängig sind. Denn Politik steht in China an erster Stelle. Unternehmen müssen sich dem unterordnen, im Zweifelsfall auch mit dem Staat kooperieren. Das betonte auch Sandra Heep, China-Expertin von der Hochschule Bremen. Es gehe der chinesischen Führung, sagte Heep, "im Wesentlichen darum sicherzustellen, dass die Wirtschaft insgesamt so ausgerichtet ist, dass China selbst weniger verletzlich wird und vielleicht auch umgekehrt eher dazu in die Lage versetzt wird, andere zu verletzen oder anderen gefährlich zu werden". "Unsere Unternehmen sind sensibilisiert" Für die etwa 5.000 deutschen Unternehmen, die in China tätig sind, ist das eine Herausforderung - genauso für Firmen, die chinesische Investoren haben. "Die Nachricht ist angekommen", sagte Alexander Borgschulze, Vorstand der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft. "Und ich kann Ihnen auch sagen: nicht erst seit heute und seit den Festnahmen der vergangenen Tage." Borgschulze wehrte sich im Interview gegen den häufig geäußerten Vorwurf, die deutsche Wirtschaft sei im Umgang mit China zu naiv: "Unsere Unternehmen sind sensibilisiert und sind vorbereitet und passen sich natürlich auch diesen dynamischen Bedrohungssituationen immer wieder an." Selen: "Besser, aber nicht gut genug" Dabei ist es für Unternehmerinnen und Unternehmer häufig ein Spagat, zwischen wirtschaftlichen Chancen und Risiken, etwa durch Industriespionage oder wachsende Abhängigkeiten, abwägen zu müssen. Insgesamt seien dabei viele Unternehmen heute besser aufgestellt als noch vor einigen Jahren, sagte Verfassungsschutz-Vizepräsident Selen. "Besser, aber nicht gut genug. Ich denke wir haben einen Weg vor uns." Die Debatte um den richtigen Umgang mit China geht weiter: in der Wirtschaft und der Politik.
/wirtschaft/weltwirtschaft/china-spionage-verfassungsschutz-100.html
2024-04-24
Biden kündigt sofortige Lieferung an
US-Militärhilfe für Ukraine
Nachdem Repräsentantenhaus und Senat die neuen Militärhilfen für die Ukraine bewilligt haben, hat nun auch US-Präsident Biden das Gesetzespaket unterzeichnet. Bereits "in den nächsten Stunden" werde man das Kriegsgerät zur Verfügung stellen.
Nachdem Repräsentantenhaus und Senat die neuen Militärhilfen für die Ukraine bewilligt haben, hat nun auch US-Präsident Biden das Gesetzespaket unterzeichnet. Bereits "in den nächsten Stunden" werde man das Kriegsgerät zur Verfügung stellen. US-Präsident Joe Biden hat das Gesetzespaket mit milliardenschweren Hilfen für die von Russland angegriffene Ukraine unterzeichnet. "Ich habe gerade das nationale Sicherheitspaket unterzeichnet, das am Wochenende vom Repräsentantenhaus und gestern vom Senat verabschiedet wurde. Es wird Amerika sicherer machen. Es wird die Welt sicherer machen", sagte Biden bei einer Rede im Weißen Haus. "Jetzt müssen wir schnell handeln, und das tun wir auch", sagte der US-Präsident und kündigte an, die Ukraine umgehend mit Kriegsgerät beliefern zu wollen: "In den nächsten Stunden" werde man damit beginnen, Ausrüstung für die Flugabwehr, Artillerie, Raketensysteme und gepanzerte Fahrzeuge in die Ukraine zu schicken, so Biden. Auch Hilfen für Israel, Gazastreifen und Taiwan Der Senat hatte das Hilfspaket im Umfang von 95 Milliarden US-Dollar (knapp 89 Milliarden Euro) erst am Dienstagabend gebilligt. Zuvor hatte es monatelang im Repräsentantenhaus festgehangen. Die bisherigen US-Hilfen für die Ukraine waren zuvor ausgelaufen. Seit Ende des vergangenen Jahres blieb neue Unterstützung aus den USA weitgehend aus. Dabei ist Kiew dringend auf die Hilfen angewiesen. "Amerika steht an der Seite unserer Freunde. Wir stellen uns gegen Diktatoren", sagte Biden. Die USA würden vor Kremlchef Wladimir Putin nicht klein beigeben.  Neben 61 Milliarden Dollar für die Ukraine sind Kriegshilfen für Israel und humanitäre Unterstützung für die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen im Umfang von 26 Milliarden Dollar vorgesehen, außerdem acht Milliarden Dollar für Taiwan und den indopazifischen Raum, um auf die Bedrohung durch China zu reagieren.
/ausland/amerika/usa-biden-ukraine-hilfen-100.html
2024-04-24
Gemeinsame Pläne und unangenehme Fragen
Treffen von Scholz und Sunak
Radpanzer, Artillerie oder Kampfjets: Deutschland und Großbritannien wollen bei Rüstungsprojekten künftig enger zusammenarbeiten. Bei einem Besuch von Premier Sunak in Berlin ging es auch um die Ukraine und die "Taurus"-Frage.
Radpanzer, Artillerie oder Kampfjets: Deutschland und Großbritannien wollen bei Rüstungsprojekten künftig enger zusammenarbeiten. Bei einem Besuch von Premier Sunak in Berlin ging es auch um die Ukraine und die "Taurus"-Frage. Beim verspäteten Antrittsbesuch von Rishi Sunak im Kanzleramt 18 Monate nach seiner Ernennung als Premier haben Deutschland und Großbritannien eine engere Rüstungskooperation vereinbart. "Ganz praktisch tun wir das bei einer ganzen Reihe von Projekten" wie etwa bei "einem neuen Artilleriesystem und beim Radpanzer 'Boxer'", sagte Kanzler Olaf Scholz bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Dabei geht es um die Radhaubitze "RCH 155", die Deutschland und Großbritannien gemeinsam "erwerben, bewerten und optimieren" wollen. Auch mehr Kooperation der Streitkräfte Zudem solle der Kampfjet Eurofighter/Typhoon modernisiert werden. Auch bei Exporten wolle man mehr kooperieren. Scholz betonte, dass Großbritannien zudem bei dem von Deutschland angestoßenen Luftverteidigungssystem European Sky Shield Initiative mitarbeiten wolle. Er sei auch optimistisch, dass sich Großbritannien dem deutsch-französisch-spanischen Übereinkommen zu Ausfuhrkontrollen anschließen werde. Zudem solle "die Interoperabilität unserer Streitkräfte weiter voranbringen", hieß es in einer gemeinsamen Verständigung der beiden Länder. "Ein neues Kapitel in den Sicherheitsbeziehungen" Sunak sagte, die Bundesrepublik und Großbritannien hätten "eine größere Verantwortung für unsere kollektive Sicherheit übernommen und gehen heute sogar noch einen Schritt weiter, indem wir ein neues Kapitel in den Sicherheitsbeziehungen zwischen unseren beiden Nationen aufschlagen". Beide Länder hätten sich verpflichtet, einen neuen Rahmen für unsere Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich zu schaffen. Sunak lobte auch die deutsche Unterstützung für die Ukraine. "Man kann die Tatsache nicht übersehen, dass Deutschland neben Großbritannien der wichtigste Unterstützer der Ukraine ist", sagte der konservative Politiker. Er hob besonders Deutschlands Entscheidung hervor, ein weiteres "Patriot"-Luftabwehrsystem an die Ukraine zu liefern. Mit Blick auf die "Taurus"-Debatte erklärte Scholz, er werde einer Lieferung der Präzisionsbomben an die Ukraine weiter nicht zustimmen. Daran ändere auch das gerade vom US-Kongress verabschiedete Hilfspaket für Kiew nichts. Was den "Taurus" betreffe, "wird sich meine Entscheidung nicht ändern", sagte Scholz. Deutschland und Großbritannien gehören zu den wichtigsten Unterstützern der Ukraine im Krieg gegen die russischen Angreifer.
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2024-04-24
Ein Spitzenkandidat, der versteckt werden muss
Verdacht gegen Krah-Mitarbeiter
Die AfD wird ihren Spitzenkandidaten zur Europawahl nicht mehr los. Sie versucht Maximilian Krah nun im Wahlkampf zu verstecken. Das wird nichts helfen, meint Gabor Halasz. Es bleiben drängende Fragen.
Die AfD wird ihren Spitzenkandidaten zur Europawahl nicht mehr los. Sie versucht Maximilian Krah nun im Wahlkampf zu verstecken. Das wird nichts helfen. Es bleiben drängende Fragen. Von Gabor Halasz Die AfD versteckt ihren Spitzenkandidaten. Maximilian Krah scheint ihr zu peinlich zu sein. Er wird beim Wahlkampfauftakt von der Bühne verbannt. Das wird nichts helfen, denn die drängenden Fragen verschwinden nicht, wenn man wie die AfD davor wegläuft. Es sind sehr unangenehme Fragen: Erst recht für eine Partei wie die AfD, die ja immer wieder sagt, sie vertrete die deutschen Interessen, sie sei patriotisch. Könnte es sein, dass es ganz anders ist? Dass über die AfD China und auch Russland Einfluss nehmen? Dass es also gar nicht um deutsche Interessen geht? Machtverteilung in der Partei Die AfD-Vorsitzenden müssen ertragen, dass ein Spitzenkandidat wie Maximilian Krah sich herausredet und der AfD auf der Nase herumtanzt. Krah weiß: Die AfD kann ihn nicht mehr von der Europawahlliste streichen. Krah war nie ein geliebter Kandidat. Aber dass er gewählt wurde, zeigt auch, wie die Macht in der Partei verteilt ist. Er war der Kandidat des Rechtsextremisten Björn Höcke. Da hat niemand den offenen Konflikt gewagt. Auch wenn wohl viele ahnten, dass es mit Krah ein unschöner Wahlkampf werden könnte. Genau so kam es auch. Krah fällt mit Aussagen auf, die als rassistisch oder frauenfeindlich gelesen werden. Er stellt absurde Thesen auf. Darüber, dass Ausländer zu blöd seien, sich auf deutschen Flughäfen zurechtzufinden. Oder dass es bei Frauen seltener zum Nobelpreis oder DAX-Vorstand reiche. Und nun offenbar ein chinesischer Spion im eigenen Büro. Ausgerechnet China? Krah hat ja immer wieder damit kokettiert, er habe gute Kontakte in diese Diktatur. Am Ende entscheiden die Wähler Immer wieder wird die Parteispitze nach Krah gefragt. Zurecht. Es ist schließlich der Spitzenkandidat. Doch Alice Weidel und Tino Chrupalla schweigen oder versuchen sich herauszureden. "Fragen Sie das doch Herrn Krah" lautet eine Standardantwort. Damit werden sie nicht durchkommen. Aber am Ende entscheiden ja die Wählerinnen und Wähler. Wer soll in Brüssel ihre Interessen vertreten? Nicht die aus China oder Russland. Darauf kommt es jetzt an. Und diese Frage kann sich jede und jeder vor der Wahl stellen.
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2024-04-24
Ein Versuch, auf Distanz zu gehen
Spionageaffäre in der AfD
Spionage müsse "aufgeklärt und mit aller Härte unterbunden werden", betont die AfD. Dennoch will die Partei an ihrem Europawahl-Spitzenkandidaten Krah festhalten. Am Donnerstag soll die Spionageaffäre Thema im Bundestag sein. Von Björn Dake.
Spionage müsse "aufgeklärt und mit aller Härte unterbunden werden", betont die AfD. Dennoch will die Partei an ihrem Europawahl-Spitzenkandidaten Krah festhalten. Am Donnerstag soll die Spionageaffäre Thema im Bundestag sein. Von Björn Dake Maximilian Krah ist am Morgen an die Spree gekommen. Vor dem Bundestag spricht der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl in ein halbes Dutzend Mikrofone: "Ich bin und bleibe Spitzenkandidat. Es geht jetzt darum, dass wir den Wahlkampf wieder auf die europäischen Themen fokussieren und wegkommen, von dieser letztlich sehr unangenehmen Angelegenheit." Die "unangenehme Angelegenheit" ist der Spionageverdacht gegen einen seiner Mitarbeiter. Dieser sitzt mittlerweile in Untersuchungshaft. Der Generalbundesanwalt wirft ihm vor, Informationen an den chinesischen Geheimdienst weitergegeben zu haben. "Es ist ein sehr schwerwiegender Vorwurf", sagt Krah. "Nachdem heute der Haftbefehl bestätigt wurde, werde ich noch heute den Mitarbeiter kündigen." Krah hatte sich am Morgen im Bundestag mit den AfD-Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla beraten. Danach sagte der Spitzenkandidat seinen Auftritt beim Europa-Wahlkampfauftakt am kommenden Wochenende ab. Krah steht schon länger in der Kritik Wie Weidel und Chrupalla zu Krahs Kandidatur stehen, sagen sie nach dem Krisengespräch hinter verschlossenen Türen nicht. Wortlos verlassen sie den Sitzungssaal im Bundestag. Später kommt ein schriftliches Statement. Vier Sätze lang, mit dem Versuch, auf Distanz zu gehen: Jegliche Einflussnahmen fremder Staaten durch Spionage, aber auch der Versuch, Meinungen und Positionen zu kaufen, müssen aufgeklärt und mit aller Härte unterbunden werden. In der AfD scheint sich die Verwunderung über die Vorwürfe aber in Grenzen zu halten. Krah steht schon länger in der Kritik, er sei zu freundlich gegenüber China und Russland. Ende vergangenen Jahres hatte ihn die US-Bundespolizei FBI bei einem USA-Besuch zu möglichen Geldzahlungen aus Russland befragt. Von Notz: Rechtsextreme als "Allianzpartner der Autokratien" Auch für Konstantin von Notz kommen die Vorwürfe gegen die AfD nicht überraschend: "Man versucht, den Laden schlechtzureden und durch Wahlen in die Verantwortung zu kommen, um die Demokratie zu schleifen und abzuschaffen", so Notz. "Deswegen sind diese rechtsextremen Parteien der natürliche Allianzpartner der Autokratien dieser Welt." Der Grünen-Fraktionsvize ist Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Bundestag, das die Geheimdienste kontrollieren soll. Er warnt schon länger vor den Einflussversuchen Chinas und Russlands und den Verbindungen zu rechtsextremen Parteien in Europa. Scholz: "Sehr, sehr, sehr besorgniserregend" Wie ernst die Bundesregierung die Spionagevorwürfe nimmt, wird am Nachmittag klar. "Das, was wir da erfahren haben, das finde ich sehr, sehr, sehr besorgniserregend." Olaf Scholz betont, wie wichtig die Spionageabwehr ist. Aus Sicht des Bundeskanzlers läuft sie erfolgreich. Man sehe an den jüngsten Verhaftungen, dass das ziemlich gut gelingt. "Und das sollte uns anspornen, mit aller Kraft alles dafür zu tun, dass wir allen auf die Schliche kommen, die gegen uns und unsere Sicherheit spionieren." Morgen will die Ampel die Vorwürfe gegen die AfD auf die Tagesordnung des Bundestags setzen. Jeder soll sich ein Bild machen können, erklärt der Grünen-Innenpolitiker von Notz: "Das wirksamste aller Mittel ist, dass solche Skandale Konsequenzen haben und die Leute sehen, dass die AfD nicht für die Interessen Deutschlands eintritt, sondern für die fremder Mächte."  Eine Stunde wollen die Abgeordneten darüber diskutieren. Und nicht zulassen, dass die AfD einen Schlussstrich zieht.
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2024-04-24
Slowakische Regierung will Sendeanstalt auflösen
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk RTVS
Die öffentlich-rechtliche Sendeanstalt RTVS sei politisch voreingenommen - das wirft die slowakische Regierung ihr vor. Daher will sie diese nun auflösen und ersetzen. An der Reform gibt es von vielen Seiten Kritik.
Die öffentlich-rechtliche Sendeanstalt RTVS sei politisch voreingenommen - das wirft die slowakische Regierung ihr vor. Daher will sie diese nun auflösen und ersetzen. An der Reform gibt es von vielen Seiten Kritik. Die slowakische Regierung hat eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehsystems beschlossen. Danach soll der Sender RTVS aufgelöst und durch ein neues Unternehmen namens STVR ersetzt werden. Die Dreiparteien-Regierung unter dem linkspopulistischen Ministerpräsidenten Robert Fico nahm den umstrittenen Gesetzesvorschlag der nationalistischen Kulturministerin Martina Simkovicova an. Oppositionspolitiker und regierungskritische Journalisten werfen der Koalition seit Wochen vor, die in Umfragen als objektiv und vertrauenswürdig eingeschätzte Medienanstalt durch einen willfährigen Propagandasender der Regierung ersetzen zu wollen. Auch internationale Medienorganisationen und die EU-Kommission kritisieren die Pläne. Mehrere Nichtregierungsorganisationen kündigten Briefe an die EU an, um Hilfe aus Brüssel gegen die Regierungspläne zu bekommen. Tausende protestierten gegen die Pläne Schon Mitte März hatten Tausende Menschen in den beiden größten Städten Bratislava und Kosice gegen die drohende RTVS-Auflösung protestiert. Auch Präsidentin Zuzana Caputova, deren Amtszeit im Juni endet, kritisierte das Vorhaben. Fico sagte dagegen, die Reform sei notwendig, weil RTVS politisch voreingenommen sei und "im Konflikt mit der slowakischen Regierung stehe". Kulturministerin Simkovicova wirft RTVS vor, nur Mainstream-Meinungen Platz einzuräumen und den Rest zu zensieren. Der Sender weist das zurück. Auch die Europäische Rundfunkunion EBU, der RTVS ebenso wie die deutschen Sendeanstalten ARD und ZDF angehören, kritisierte die Auflösungpläne der slowakischen Regierung als Gefährdung der Unabhängigkeit des Mediums. Parlament muss noch zustimmen Den für eine Funktionsperiode bis 2027 gewählten RTVS-Generaldirektor und sein Team konnte die Regierung aufgrund der bestehenden Gesetzeslage aber nicht absetzen. Dieses Hindernis will die Regierung damit umgehen, dass sie mit ihrem neuen Gesetz RTVS einfach auflöst und durch eine neue Sendeanstalt namens STVR ersetzt. Der Direktor soll von einem Rat gewählt werden, der neun Mitglieder hat. Die Ratsmitglieder sollen vom Kulturministerium und dem Parlament bestimmt werden. Den endgültigen Beschluss kann nur das Parlament fassen, in dem die Regierungsparteien aber eine ausreichende Mehrheit haben. Fico sagte der Nachrichtenagentur TASR, er rechne mit einem Beschluss des Parlaments im Juni.
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2024-04-24
Deutscher Klimaschützer organisiert Gas aus Nigeria
Energieimporte
Erstmals will Deutschland auf direktem Wege Erdgas aus Nigeria beziehen. Eingefädelt hat dieses Import-Geschäft Frank Otto. Das Kuriose: Der Hamburger Unternehmer engagiert sich seit Jahren für globalen Klimaschutz. Von A. Höber und I. Altemeier.
Erstmals will Deutschland auf direktem Wege Erdgas aus Nigeria beziehen. Eingefädelt hat dieses Import-Geschäft Frank Otto. Das Kuriose: Der Hamburger Unternehmer engagiert sich seit Jahren für globalen Klimaschutz. Von Alexa Höber und Inge Altemeier, NDR "Es ist alles ein Witz", so kommentiert Nnimmo Bassey aus Nigeria, was in seinem Land vor sich geht. 2010 erhielt er den alternativen Nobelpreis, weil er die Kosten der Ölförderung für die Menschheit aufgrund der zu erwartenden Umweltfolgen ermittelt hatte. Jetzt beobachtet er, wie in Nigeria zusätzlich zu den bestehenden Ölfeldern neue Gasfelder erschlossen werden. Eines dieser Felder will ein deutsches Unternehmen nutzen: die Hamburger Johannes Schütze AG. Der Hamburger Unternehmer Frank Otto hat als Vorstand der Schütze Vertriebs AG das Gasgeschäft initiiert. Zwölf Jahre lang sollen deutsche Stadtwerke mit Erdgas aus Nigeria beliefert werden. Es geht um ein Handelsvolumen von fünf Milliarden Euro. Die Vertragsunterzeichnung soll unmittelbar bevorstehen, so die Schütze AG. Unterstützung von Olaf Scholz Otto erzählt, er habe vor einiger Zeit Bundeskanzler Olaf Scholz auf sein Vorhaben angesprochen, Gas aus Nigeria zu beziehen. Der habe das dann auf seiner Nigeria-Reise im vergangenen Herbst thematisiert. Tatsächlich verkündete Scholz 2023 eine Energiepartnerschaft mit Nigeria, bei der es um den Bezug von Gas und Wasserstoff gehe. Das Kanzleramt teilte gegenüber Plusminus mit, die Bundesregierung unterstütze das Gasgeschäft der Schütze AG finanziell aktuell nicht. Johannes Schütze ist trotzdem zufrieden: "Wenn Herr Scholz sagt, wir fliegen nach Nigeria und suchen Gas, dann ist das auch politisch gewollt, und ich freue mich darüber." Das grüne Verkaufsargument Der geplante Gasimport der Schütze AG soll Menschen in den nigerianischen Fördergebieten und das Klima schützen. Genutzt werden soll dafür Begleitgas, das bei der Ölförderung mit an die Oberfläche kommt und bisher häufig einfach abgefackelt wird, so die Johannes Schütze AG. Das reduziere die Atemprobleme der Menschen in den nigerianischen Fördergebieten, sagt der nigerianische Exporteur David Ige. Er ist Manager des Unternehmens Riverside LNG, das das Gas in Nigeria organisieren wird. Doch mit dem Erdölbegleitgas allein lasse sich keine stabile Versorgung sicherstellen, gibt Ige zu bedenken. Er rechne damit, dass sich zunächst für 30 Prozent der vereinbarten Menge Begleitgas aus der Ölförderung nutzen lasse. Später falle der Anteil dann wahrscheinlich auf 15 bis 20 Prozent. Mindestens 70 Prozent des Gases für die Schütze AG wird daher aus einem extra neu angelegten Gasförderfeld stammen. Das sei im Sinne der Menschen vor Ort, rechtfertigt Unternehmer Otto das Gasgeschäft. Schließlich arbeite man mit Unternehmern und Investoren aus Nigeria zusammen: "Und die haben die Bedürfnisse und Belange der Bevölkerung sehr genau im Blick." Enttäuschung und Ressourcenfluch Der alternative Nobelpreisträger Bassey ist tief enttäuscht darüber, dass deutsche Investoren neue Gasprojekte in Nigeria anstoßen. Es sei nicht im Interesse afrikanischer Länder, wenn sich die Erde immer weiter aufheize. Schon jetzt sei das Leben vieler Menschen durch anhaltende Dürren und Starkregenereignisse bedroht. Franziska Holz vom deutschen Institut für Wirtschaftsforschung hat sich in den vergangenen Monaten intensiv mit den Bedingungen für die Öl- und Gasförderung in Nigeria beschäftigt. Auch sie sieht das Gasgeschäft der Schütze AG kritisch. Nigeria sei für Ökonomen ein klassisches Beispiel für den sogenannten "Ressourcenfluch". Der Ressourcenreichtum des Landes habe zu einseitiger Abhängigkeit von Öl und Gas und zu einem geringen Lebensstandard der Bevölkerung geführt. Und das bei gleichzeitiger weitreichender Korruption und Bereicherung einiger weniger Eliten. Es sei bedauerlich, dass deutsche Importeure in einem Land mit diesen strukturellen Problemen die Situation weiter stützen. Es fehle offensichtlich auch eine strategische Begleitung durch die deutsche Bundesregierung, um strukturelle Änderungen in Nigeria auszulösen. Trauriger Rekord Im vergangenen Jahr war der Ausstoß von CO2 durch fossile Energieträger so hoch wie nie zuvor. In Nigeria und in Russland entweicht besonders viel Methan aus Öl- und Erdgasförderfeldern. Das zeigen Satelittenaufnahmen. In Sibirien förderte der deutsche Konzern Wintershall Dea gemeinsam mit dem russischen Staatskonzern Gazprom Gas. Als Minderheitsanteilseigner habe man nur begrenzt auf die russische Seite einwirken können, um das Entweichen des klimaschädlichen Gases zu reduzieren, so Wintershall Deas Mutterkonzern BASF. Der Umweltbericht aus einem gemeinsamen betriebenen Förderfeld in Sibirien zeigt, dass das aus Anlageteilen entweichende Methan allein aus einem Jahr einen globalen Umweltschaden von 756 Millionen Euro verursachen wird, den heutige und zukünftige Generationen werden zahlen müssen. Was bei der Förderung in Russland gemeinsam mit Gazprom problematisch war, könnte sich jetzt durch die Erschließung neuer Gasfelder in Nigeria wiederholen. Nigeria ist ein Land, in dem Umweltrechtsverstöße kaum geahndet werden. Das Abfackeln von Begleitgas aus der Ölförderung zum Beispiel ist seit 1984 illegal. Trotzdem brennen die Fackeln bis heute.
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2024-04-24
Erfolg im Kampf gegen die nigerianische Mafia
Elf Festnahmen bei Razzia
Sie machen Geld mit vorgegaukelter Liebe und Geldwäsche: Bei einer Razzia gestern wurden erstmals in Deutschland mutmaßliche Mitglieder der nigerianischen Mafia festgenommen. Doch die Ermittlungen zu "Black Axe" stehen am Anfang.
Sie machen Geld mit vorgegaukelter Liebe und Geldwäsche: Bei einer Razzia gestern wurden erstmals in Deutschland mutmaßliche Mitglieder der nigerianischen Mafia festgenommen. Doch die Ermittlungen zu "Black Axe" stehen am Anfang. Es war der bundesweit erste Schlag gegen die nigerianische Mafia in Deutschland: Elf Männer wurden bei einer Razzia am Dienstag in mehreren Bundesländern festgenommen. Es handle sich um höchstrangige Vertreter der nigerianischen "Black Axe"-Bruderschaft, darunter der aktuelle und der ehemalige Deutschland-Chef, der sogenannte "Head" der Vereinigung, sowie der "Chief Priest" genannte Stellvertreter. Das teilten das bayerische Landeskriminalamt und die Staatsanwaltschaft München I mit, die federführend bei der Aktion waren. Großteil der Festnahmen in Bayern Die Tatverdächtigen seien zwischen 29 und 53 Jahren alt und alle nigerianische Staatsbürger, die sich zum größten Teil seit vielen Jahren in Deutschland aufhielten. Neben Wohnungen wurden nach LKA-Angaben auch Asylunterkünfte durchsucht. Zwei Männer wurden in München festgenommen, einer in Rosenheim, einer in Augsburg, jeweils einer in den Landkreisen Fürstenfeldbruck, Landsberg am Lech und Miesbach. Zwei weitere Festnahmen gab es in Baden-Württemberg in Filderstadt und im Landkreis Tübingen, außerdem eine in Hamburg und eine im hessischen Hochtaunuskreis. Illegale Geschäfte mit Love Scamming Der kriminelle Hauptgeschäftszweig der Mafia in Deutschland ist laut Verfassungsschutz die verbreitete Masche des Love oder Romance Scammings sowie Geldwäsche. Bei dem Dating-Betrug arbeiten die Täter mit Fake-Profilen in sozialen Netzwerken und auf Dating-Plattformen. Weltweit hat die nigerianische Mafia geschätzt 30.000 Mitglieder. Dass "Black Axe" auch in Deutschland verstärkt tätig ist, war bislang weitgehend unbekannt. Laut Ermittlern haben sie als "Neo Black Movement Africa" und in einem eingetragenen Verein operiert. Schwerpunkt ist laut den Ermittlern Bayern. Wie die nigerianische Mafia in Deutschland organisiert ist Laut dem Jahresbericht des bayerischen Verfassungsschutzes 2023 ist die "Confraternity Black Axe" eine von vier mafiaähnlichen nigerianischen Organisationen, deren Mitglieder hauptsächlich in Bayern aktiv sind. Jede der vier "Bruderschaften" habe eine Deutschlandführung und mehrere regionale Organisationseinheiten auf Ebene von Bundesländern oder Regionen um größere Städte. Die "Confraternities" seien ursprünglich aus universitären Bruderschaften entstanden, die sich in den 1960er- und 1970er-Jahren für die Forderung nach der Unabhängigkeit Nigerias einsetzten. Italien ursprünglicher Europa-Schwerpunkt von "Black Axe" Einige der Gruppen hätten sich später aber zu mafiaähnlichen Vereinigungen entwickelt, die weltweit und in Europa vor allem in Italien mit Drogen und Menschen handeln, im Internet betrügen, Geld waschen und an Schleusungen beteiligt sein sollen. In Italien als europaweitem Schwerpunkt wurden in den vergangenen Jahren vermehrt bei großen Aktionen Mitglieder festgenommen und verurteilt, heißt es im Verfassungsschutzbericht. Aufruf an Betroffene Von dort sei mittlerweile aber eine "Ausweitung und Verlagerung bestehender krimineller Strukturen" nach Deutschland und vor allem nach Bayern festzustellen. Allein in Bayern wurden 2023 mehr als 450 Love-Scamming-Fälle gezählt. Dabei wurden die Opfer um insgesamt 5,3 Millionen Euro gebracht. Die Ermittler gehen von einer hohen Dunkelziffer aus. Viele Betroffene würden sich aus Scham nicht an die Polizei wenden. LKA und Staatsanwaltschaft riefen dazu auf, Betrug anzuzeigen. Bei den Ermittlungen gegen die nigerianische Mafia stehe man erst am Anfang.
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2024-04-24
Einweg-Plastik-Verpackungen ab 2030 tabu
Beschluss des EU-Parlaments
Die EU sagt dem Einweg-Plastik den Kampf an: Von 2030 an soll jede Verpackung recycelbar sein. Viele kleine Packungen wie Ketchup-Tütchen soll es dann nicht mehr geben. Zudem setzt die EU künftig auf Mehrwegsysteme.
Die EU sagt dem Einweg-Plastik den Kampf an: Von 2030 an soll jede Verpackung recycelbar sein. Viele kleine Packungen wie Ketchup-Tütchen soll es dann nicht mehr geben. Zudem setzt die EU künftig auf Mehrwegsysteme. Das Ketchup zu den Pommes, das Shampoo im Hotel, das vorgeschnittene Obst im Supermarkt - all das muss in Zukunft ohne Einweg-Plastikverpackung auskommen. Denn ab 2030 soll jede Verpackung in der EU recycelbar sein - mit wenigen Ausnahmen, etwa bei Medikamentenverpackungen. Das entsprechende Gesetz wurde von den Abgeordneten des EU-Parlaments mehrheitlich beschlossen. Auch unbehandeltes Obst und Gemüse unter anderthalb Kilogramm darf dann nicht mehr in einer Plastikhülle erhältlich sein. Weitere Beispiele: die Plastik-Tragetaschen im Supermarkt fallen weg und am Flughafen darf kein Koffer und keine Tasche für den Transport mit Plastik umwickelt werden. Ausnahmen für Medizin-Produkte und Camembert Ausnahmen vom Verbot sollen für medizinische Produkte gelten. Eine weitere Ausnahme geht vor allem auf Widerstand aus Frankreich zurück. Dabei drehte es sich um die traditionellen Holzschachteln, in denen Camembert verkauft wird. Nun gilt künftig auch für Verpackungen aus Holz und Wachs eine Ausnahmeregelung. Auch für Verpackungen aus Papier gilt der neue Beschluss nicht. Damit können beispielsweise Zucker und Pfeffer auch in Zukunft in kleine Papiertüten verpackt werden. Die EU setzt auf Mehrweg Um das Recyceln voranzutreiben und die Menge an Verpackungsmüll zu senken, sollen bis 2030 zudem alle EU-Mitglieder auf Mehrwegsysteme umsteigen - also auf ähnliche Verfahren, wie sie in Deutschland bei den Pfandflaschen bereits gängig sind. Die Verpackungsindustrie soll in Zukunft verpflichtende Mehrweg-Quoten einhalten. Im Getränkesektor können sich bis zu fünf Unternehmen zusammenschließen, um die Ziele gemeinsam zu erfüllen. Ein weiterer Punkt des EU-Beschlusses: Lebensmittelverpackungen dürfen künftig keine sogenannten ewigen Chemikalien mehr enthalten, die besonders langlebig sind und als gesundheitsschädlich gelten. Dazu zählen etwa sogenannte PFAS - also per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen - oder Bisphenol A, dem unter anderem die WHO eine hormonähnliche Wirkung zuschreibt. Die Stoffe werden häufig verwendet, um Lebensmittelverpackungen aus Papier und Pappe feuerfest oder wasserdicht zu machen. Zwar dauert es noch etwas, bis die Regelungen greifen, doch schon jetzt spricht Frédérique Ries, Verhandlungsführerin des EU-Parlaments, von einem "großen Sieg für die Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher". Im Durchschnitt 190 Kilo pro EU-Bürger und Jahr Mit dem Verbot von Einweg-Plastik bei Verpackungen will die EU ihrem Ziel näherkommen, bis 2040 mindestens 15 Prozent an Verpackungsmüll einzusparen - verglichen mit dem Basiswert aus dem Jahr 2018. Immerhin kommen auf jede Bürgerin und jeden Bürger in der EU pro Jahr durchschnittlich 190 Kilogramm Verpackungsmüll. Ohne zusätzliche Maßnahmen könnte die Zahl Experten zufolge bis 2030 auf mehr als 200 Kilogramm steigen. Die Deutschen liegen sogar noch über diesem Durchschnittswert: In der Bundesrepublik fallen pro Einwohnerin und Einwohner jährlich im Durchschnitt etwa 225 Kilogramm an Verpackungsabfall an. Mit Informationen von Paul Vorreiter, ARD Brüssel
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2024-04-24
Bundesregierung rechnet mit etwas mehr Wachstum
Frühjahrsprognose angehoben
Statt mit 0,2 Prozent rechnet die Bundesregierung für das laufende Jahr mit 0,3 Prozent Wachstum - das geht aus der Frühjahrsprojektion von Wirtschaftsminister Habeck hervor. 2025 erwartet er ein Wachstum von 1,0 Prozent.
Statt mit 0,2 Prozent rechnet die Bundesregierung für das laufende Jahr mit 0,3 Prozent Wachstum - das geht aus der Frühjahrsprojektion von Wirtschaftsminister Habeck hervor. 2025 erwartet er ein Wachstum von 1,0 Prozent. Die Bundesregierung schätzt die wirtschaftlichen Aussichten für Deutschland etwas günstiger ein als noch am Jahresanfang. Die Prognose für das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr wird um 0,1 Prozentpunkte auf 0,3 Prozent angehoben. Dies geht aus der Frühjahrsprojektion vor, die Wirtschaftsminister Robert Habeck vorgestellt hat. "Konjunktureller Wendepunkt" "Es mehren sich die Anzeichen dafür, dass die deutsche Wirtschaft im Frühjahr 2024 an einem konjunkturellen Wendepunkt steht", heißt es in einer Pressemitteilung des Wirtschaftsministeriums. Nach den Preissteigerungen vor allem im Energiebereich und der hohen Inflation seien nun neue Auftriebskräfte bemerkbar. "Strom und Gas kosten heute an der Börse etwa so viel wie vor den Energiepreisschocks. Und: Die Preise sind schneller zurückgegangen als von vielen vorhergesagt", wird Habeck in der Mitteilung zitiert. Die Maßnahmen der Regierung zeigten ihre Wirkung. Von den gesunkenen Preisen profitiere die Industrie und vor allem die energieintensiven Bereiche. Seit Jahresbeginn gehe es bei der Produktion spürbar bergauf. Niedrigere Inflation, mehr privater Konsum Für das laufende Jahr rechnet die Regierung damit, dass sich die Wirtschaft erholt und an Dynamik gewinnt. Gründe seien niedrigere Inflationsraten, geldpolitische Lockerungen und die wachsende Weltwirtschaft, von der die exportorientierte deutsche Wirtschaft profitiert. Wichtige Wachstumsimpulse dürften im weiteren Jahresverlauf zudem vom privaten Verbrauch ausgehen, heißt es in der Mitteilung: Durch höhere Reallöhne und einen stabilen Arbeitsmarkt könnten die Kaufkraftverluste der privaten Haushalte überwunden werden und zu einer Belebung des privaten Konsums führen. Darauf deuteten auch der GfK-Konsumklimaindex und das HDE-Konsumbarometer hin. Ein Prozent Wachstum in 2025 erwartet "Für 2025 rechnen wir weiterhin damit, dass sich die Erholung bei weiter abnehmender Inflation und steigenden realen Einkommen verfestigt. Insgesamt erwarten wir dann weiterhin ein reales BIP-Wachstum von 1,0 Prozent", so Habeck. Laut Wirtschaftsministerium dürften sich die Verbraucherpreise nach einer Rate von 5,9 im vorangegangenen Jahr weiter deutlich auf 2,4 Prozent im laufenden Jahr verringern. Im Jahr 2025 soll die Inflationsrate demnach mit 1,8 wieder unter dem EZB-Zielwert von 2,0 Prozent liegen. "Nichts, mit dem wir zufrieden sein können" Dennoch übte Habeck auch Selbstkritik: "0,3 Prozent ist natürlich nichts, mit dem wir zufrieden sein können", sagte er. Die Bundesregierung müsse weiter daran arbeiten, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken. "Trotz dieser Hoffnungssignale machen mir die strukturellen Probleme weiterhin Sorge", erklärte er. "Wenn wir mittel- und langfristig wieder höheres Wachstum erreichen wollen, brauchen wir daher strukturelle Veränderungen." Dazu gehörten die Stärkung von Innovationen und der Abbau unnötiger Bürokratie, aber auch Arbeitsanreize, "damit mehr Menschen freiwillig mehr und länger arbeiten". Wirtschaftsverbände fordern seit Längerem deutliche Entlastungen für Unternehmen. Auch mit dem leicht verbesserten Wachstums steht Deutschland im internationalen Vergleich schlecht da. Zumal die Ausgangslage schlecht ist: Im vergangenen Jahr war die deutsche Wirtschaft noch um 0,3 Prozent geschrumpft. Kein anderes großes Industrieland entwickelt sich derzeit schlechter.
/wirtschaft/konjunktur/fruehjahrsprognose-bundesregierung-wachstum-100.html
2024-04-24
Zahlreiche Unverpackt-Läden mussten 2023 schließen
Geschäfte mit losem Sortiment
Die hohe Inflation hat die Zahl der Unverpackt-Läden in Deutschland im vergangenen Jahr einbrechen lassen. Doch Experten sehen eine Trendwende. Denn die Vermeidung von Müll treffe immer noch einen Nerv.
Die hohe Inflation hat die Zahl der Unverpackt-Läden in Deutschland im vergangenen Jahr einbrechen lassen. Doch Experten sehen eine Trendwende. Denn die Vermeidung von Müll treffe immer noch einen Nerv. Die gestiegenen Lebenshaltungskosten der Haushalte infolge der hohen Inflation machen den Unverpackt-Läden in Deutschland zu schaffen. Etliche mussten im vergangenen Jahr aufgeben. Derzeit sind beim Verband der Unverpackt-Läden bundesweit 235 dieser Geschäfte verzeichnet, die Verpackungsmüll vermeiden wollen. Das waren 50 weniger als noch vor einem Jahr. Im Jahr 2022 zählte "unverpackt e.V." sogar 70 Schließungen. Dem standen 44 Ladeneröffnungen von Mitgliedern des 2018 gegründeten Verbands im selben Zeitraum gegenüber. Menschen weiterhin sehr preisbewusst Unverpackt-Läden sind Geschäfte, in denen das gesamte Sortiment lose - also ohne Verpackungen - angeboten wird. Ziel ist es, Lebensmittelabfall und Müll zu vermeiden. Etwa in Deutschland war im Jahr 2021 deutlich mehr Verpackungsmüll pro Kopf verbraucht worden als im europäischen Durchschnitt. Rund 237 Kilogramm Kunststoff, Papier- oder Glasverpackungen fielen nach Angaben des Statistischen Bundesamts hierzulande pro Kopf an. Lediglich Irland produzierte pro Kopf mit 246 Kilogramm mehr. Mit Blick auf die negative Entwicklung der Unverpackt-Läden verweist der Verband auf den Zusammenhang mit der allgemeinen Krise des Einzelhandels und das vergleichsweise junge Alter der Branche, in der nicht jeder Laden die ersten fünf Jahre überstehe. Hinzu kommt, dass viele Verbraucherinnen und Verbraucher dem Marktforschungsinstitut GfK zufolge gerne schnell ihre Einkäufe erledigen wollen. Außerdem sorgten sich Konsumenten der GfK-Studie "Consumer Life" im vergangenen Jahr mehr um die Inflation und darum, ihre Rechnungen begleichen zu können als um den Klimawandel. Das sei auch heute noch teilweise so, erklärte NIQ/GfK-Nachhaltigkeitsexpertin Petra Süptitz. Verbraucherinnen und Verbraucher reagierten immer noch sehr preisbewusst. Viele suchten weiterhin nach Angeboten und günstigen Produkten. "Unverpackt trifft immer noch den Nerv" Der Tiefpunkt ist nach Ansicht der Expertin allerdings überwunden. Die Läden, die es mit guten Konzepten, Service und Ambiente bisher geschafft hätten, würden wahrscheinlich auch weiterhin bestehen, meint Süptitz. Nach Angaben des Unverpackt-Verbands ist die Zahl der Schließungen derzeit gering. Im Gegenzug seien 63 neue Läden in Planung. Tatsächlich gebe es sogar Anzeichen für eine Trendwende, meint GfK-Expertin Süptitz. Das Qualitätsbewusstsein steige, und es werde nicht mehr nur das Nötigste gekauft. Zwar könnten die Unverpackt- und Bio-Läden davon aktuell noch nicht profitieren. Doch: "Unverpackt trifft immer noch den Nerv der Menschen." So zeigte etwa der GfK-Nachhaltigkeitsindex zu Beginn des Jahres einen leichten Aufwind: 58 Prozent der Deutschen kaufen danach lieber weniger, dafür aber qualitätsbewusster. 74 Prozent achten außerdem auf Langlebigkeit. Das wirkt sich auch auf Verpackungen aus. Eine Befragung im Januar habe ergeben, dass sich 69 Prozent der Befragten wünschten, mehr Produkte ohne Verpackung kaufen zu können, berichtet Süptitz.
/wirtschaft/unternehmen/unverpackt-laeden-verpackungsmuell-100.html
2024-04-24
Konjunkturprognosen für Deutschland
Überblick
Möglichst genaue Vorhersagen der wirtschaftlichen Entwicklung bilden die Grundlage für Planungen des Staates wie den Haushalt. Die aktuellsten Konjunkturprognosen für Deutschland im Überblick.
Egal ob Rezession oder Aufschwung: Möglichst genaue Vorhersagen der wirtschaftlichen Entwicklung bilden die Grundlage für viele Planungen des Staates wie den Haushalt. Die aktuellen Schätzungen wichtiger Institutionen für Deutschland im Überblick. Wie sich die Wirtschaft in naher Zukunft entwickelt, lässt sich nur schätzen. Regierungen, internationale Organisationen und Wirtschaftsforscher versuchen regelmäßig, die konjunkturelle Entwicklung anhand verschiedener Annahmen möglichst genau vorherzusagen. Prognosen bilden dabei unter anderem die Grundlage für die Steuerschätzung und die Haushaltsplanung des Staates. Die Vorhersagen für das Wirtschaftswachstum schwanken teilweise sehr stark und werden im Laufe eines Jahres regelmäßig nach oben oder unten korrigiert. Die aktuellen Prognosen für die Entwicklung des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Überblick. Prognosen zur Entwicklung des deutschen BruttoinlandsproduktsQuellePrognose vomPrognose für 2024Prognose für 2025Bundesregierung (Frühjahrsprojektion)April 2024+0,3%+1,0%BundesregierungFebruar 2024+0,2%EU-KommissionFebruar 2024+0,3%+1,2%Internationaler WährungsfondsJanuar 2024+0,5%+1,6%OECDFebruar 2024+0,3%+1,1%BundesbankDezember 2023+0,4%+1,2%Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen EntwicklungNovember 2023+0,7%Gemeinschaftsdiagnose der führenden WirtschaftsforschungsinstituteSeptember 2023+1,3%+1,5%ifo Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität MünchenMärz 2024+0,2%+1,5%Institut für Weltwirtschaft IfW KielMärz 2023+0,1%+1,2%Institut der deutschen Wirtschaft KölnDezember 2023-0,5%Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitutMärz 2024+0,2%+1,0%Institut für Wirtschaftsforschung Halle IWHDezember 2023+0,5%+1,2%Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung IMKDezember 2023-0,3%RWI – Leibniz-Institut für WirtschaftsforschungDezember 2023+0,8%+1,4%
/wirtschaft/konjunktur/konjunkturprognose-ts-112.html
2024-04-24
Kyrill straft Priester nach Nawalny-Gedenkfeier ab
Russisch-orthodoxe Kirche
Er leitete die Totenmesse für Kreml-Kritiker Nawalny - nun wurde der russisch-orthodoxe Priester Safronow von seinen kirchlichen Diensten entbunden. Eine Begründung dafür nannte Patriarch Kyrill I. nicht.
Er leitete die Totenmesse für Kreml-Kritiker Nawalny - nun wurde der russisch-orthodoxe Priester Safronow von seinen kirchlichen Diensten entbunden. Eine Begründung dafür nannte Patriarch Kyrill I. nicht. Die russisch-orthodoxe Kirche hat den Priester Dmitrij Safronow degradiert. Dem Moskauer Geistlichen sei für die nächsten drei Jahre das Abhalten von Gottesdiensten verboten worden, heißt es auf der Website der Moskauer Diözese unter Berufung auf den Moskauer Patriarchen Kyrill I. Er dürfe keinen Segen mehr erteilen und weder Kutte noch Priesterkreuz tragen, heißt es. Zudem wurde er als Diakon in der Moskauer Mariä-Schutz-Kirche entlassen. Er soll stattdessen nun als Psalmsänger in einer anderen Kirche Hilfsarbeiten leisten. "Nach Ablauf der Bußzeit wird auf Grundlage der Rückmeldungen vom Ort des Gehorsams über die Möglichkeit seiner weiteren priesterlichen Tätigkeit entschieden." Totenmesse für Nawalny Safronow hatte 40 Tage nach dem Tod des in einem Straflager umgekommenen Oppositionellen Alexej Nawalny an dessen Grab die Totenmesse gelesen. In der orthodoxen Kirche ist es üblich, der Verstorbenen am 3., 9. und 40. Tag nach ihrem Tod besonders zu gedenken. Nawalny, der als prominentester Kritiker von Kremlchef Wladimir Putin galt, war im Februar in einem Straflager nördlich des Polarkreises ums Leben gekommen. Seine Anhänger sprechen von Mord. Bereits mehreren Geistlichen Priesterwürde entzogen Safronow hatte sich aus Sicht der russisch-orthodoxen Kirchenführung allerdings noch weiteres zuschulden kommen lassen. So hatte er einen Brief von Klerikern an Putin unterschrieben mit der Forderung, den tagelang von den Behörden versteckten Leichnam Nawalnys an die Angehörigen herauszugeben. Zudem hatte sich Safronow geweigert, ein Gebet für den Sieg im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu lesen. Das fordert die Moskauer Patriarchat seit Herbst 2022 von allen ihr unterstehenden Kirchen. Die russisch-orthodoxe Kirche hat bereits mehreren Geistlichen die Priesterwürde entzogen, die sich gegen die russische Annexion von ukrainischen Gebieten und den Angriffskrieg gegen das Nachbarland gewandt hatten. Kyrill treuer Unterstützer Putins Patriarch Kyrill I. ist ein wichtiger Verbündeter des russischen Präsidenten. Dieser hat während seiner mehr als zwei Jahrzehnte an der Macht den Einfluss und das Prestige der russisch-orthodoxen Kirche massiv gestärkt, die zu Zeiten der Sowjetunion unterdrückt oder vernachlässigt worden war. Im Gegenzug haben Leute wie ihr Oberhaupt Kyrill Putins Politik unterstützt. Die Kirche hat sich für den Krieg gegen die Ukraine stark gemacht, und es ist gang und gäbe, dass ihre Geistlichen Truppen sowie Waffen segnen und Gott um Hilfe für den Feldzug bitten.
/ausland/europa/moskau-priester-suspendiert-100.html
2024-04-24
Krah hält an Spitzenkandidatur für Europawahl fest
Spionagevorwurf gegen Mitarbeiter
Trotz Spionagevorwürfen gegen einen seiner Mitarbeiter bleibt Maximilian Krah AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl. Beim Wahlkampfauftakt seiner Partei wird er aber fehlen. Kanzler Scholz nannte die Vorwürfe "sehr besorgniserregend".
Trotz Spionagevorwürfen gegen einen seiner Mitarbeiter bleibt Maximilian Krah AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl. Beim Wahlkampfauftakt seiner Partei wird er aber fehlen. Kanzler Scholz nannte die Vorwürfe "sehr besorgniserregend". Der AfD-Europaabgeordnete Maximilian Krah bleibt Spitzenkandidat seiner Partei bei der Europawahl - trotz des Verdachts gegen einen seiner Mitarbeiter, für den chinesischen Geheimdienst spioniert zu haben. Das kündigte er nach einem Krisengespräch mit den Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla in Berlin an. Ihm selbst sei "kein persönliches Fehlverhalten" vorzuwerfen, betonte Krah. Aus dem Wahlkampf wird er sich aber zumindest zeitweise zurückziehen. Er werde am Wochenende beim Wahlkampfauftakt der AfD in Donaueschingen nicht teilnehmen, darauf hätten sich die drei in der Runde verständigt. "Wenn Sie jetzt aber glauben, das sei das Ende meiner Spitzenkandidatur, dann muss ich Sie enttäuschen. Ich bin und bleibe Spitzenkandidat." Vonseiten der Parteispitze hieß es, Krah habe selbst entschieden, beim Wahlkampfauftakt auszusetzen - "um den Wahlkampf sowie das Ansehen der Partei nicht zu belasten", teilten Weidel und Chrupalla mit. Beide forderten die Aufklärung der Vorwürfe gegen Krahs Mitarbeiter. Der AfD bleiben kaum Möglichkeiten Mit Blick auf die Europawahl und die Aufstellung der Spitzenkandidaten blieben der AfD auch quasi keine Einflussmöglichkeiten mehr, sagt ARD-Korrespondent Martin Schmidt. Die Partei könne die Liste nicht mehr anpassen, ohne dass diese dann komplett ungültig würde. Es gibt nur wenige Ausnahmen. Wenn zum Beispiel der Kandidat stirbt oder wegen eines Urteils nicht mehr wählbar ist, kann die Liste verändert werden. Die AfD könnte wohl nur ihre Spitzenkandidaten Krah und den von Korruptionsvorwürfen belasteten Petr Bystron - Platz zwei der Europaliste der AfD - von Plakaten oder den Wahlkampfbühnen verbannen. Auffällig sei, dass die Parteispitze zu keinem gemeinsamen Statement mit Krah bereit gewesen sei, so Schmidt weiter. Es solle keine Bilder mit Krah geben, nur eine Erklärung der AfD-Führung sei angekündigt. Aus Sicht von Schmidt ein Versuch der Spitze, "den Schaden, den Krah jetzt erlitten hat, nicht auf sich selbst übertragen zu bekommen". Mitarbeiter wird entlassen Krah sprach erneut von einem "sehr schwerwiegenden Vorwurf" gegen seinen Mitarbeiter. Dem beschuldigten Jian G. will Krah noch im Laufe des Tages kündigen. Er selbst sei an der Aufklärung der Vorwürfe gegen seinen Assistenten "sehr interessiert". In seinem Büro "werden wir weiter daran arbeiten, alles zu rekonstruieren, was im fraglichen Zeitraum von ihm überarbeitet wurde", so Krah weiter. Der Wahlkampf werde von den Vorwürfen "leider furchtbar überschattet": "Wir reden über China, nicht über Europa", so Krah und fügte hinzu: "Wir müssen wieder wegkommen von dieser sehr unangenehmen Angelegenheit." Die "Angelegenheit" müsse "dahin kommen, wo sie hingehört - zu den Justizbehörden". Krah ist Mitglied in den Ausschüssen für internationalen Handel, aber auch in den Unterausschüssen für Menschenrechte sowie Sicherheit und Verteidigung, außerdem ist er Teil der Delegation für Beziehungen zu den USA. Scholz äußerte sich besorgt Bundeskanzler Olaf Scholz nannte den Spionage-Verdacht "sehr besorgniserregend". Bei einer Pressekonfernz mit dem britischen Premierminister Rishi Sunak, der heute zu Besuch in Berlin ist, sprach er sich für ein konsequentes Vorgehen der Sicherheitsbehörden aus. "Wir können Spionage gegen uns nicht akzeptieren, egal, aus welchem Land sie kommt. Und deshalb muss sie entdeckt und diejenigen, die Verantwortung haben, verhaftet werden und vor Gericht gestellt werden." Beschuldigter sitzt in U-Haft Jian G. befindet sich mittlerweile in Untersuchungshaft. Ein Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof habe den Haftbefehl in der Nacht zum Mittwoch in Vollzug gesetzt, teilte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mit. Der Vorwurf lautet auf Agententätigkeit für einen ausländischen Geheimdienst in einem besonders schweren Fall. Der Festgenommene soll laut Generalbundesanwalt (GBA) Informationen aus dem EU-Parlament weitergegeben haben. Der Mitarbeiter war laut Bundesanwaltschaft vom Landeskriminalamt Sachsen am Montag in Dresden festgenommen worden. Wohnungen des Beschuldigten wurden demnach durchsucht. G. seit 2019 Mitarbeiter Krahs Der deutsche Staatsangehörige G. soll Mitarbeiter eines chinesischen Geheimdienstes sein. Seit 2019 soll er für Krah gearbeitet haben. Im Januar dieses Jahres soll er laut Generalbundesanwalt wiederholt Informationen über Verhandlungen und Entscheidungen im Europaparlament weitergegeben haben. Zudem habe er für den Nachrichtendienst chinesische Oppositionelle in Deutschland ausgespäht. China hatte die Spionagevorwürfe bisher klar zurückgewiesen. Die Anschuldigungen dienten dazu, "China zu verleumden und zu unterdrücken" und hätten das Ziel, "die Atmosphäre der Zusammenarbeit zwischen China und Europa zu zerstören", teilte Wang Wenbin, Sprecher des Außenministeriums in Peking, am Dienstag mit.
/inland/innenpolitik/krah-spitzenkandidatur-afd-100.html
2024-04-24
Gewerkschaft für Tarifabschluss bei Lufthansa
Einigung für Kabinenpersonal
Neue Streiks bei der Lufthansa sind vorerst nicht in Sicht. Der Tarifabschluss für das Kabinenpersonal der Airline hat die Zustimmung der Gewerkschaft UFO gefunden. Eine Urabstimmung hat ein klares Votum gebracht.
Neue Streiks bei der Lufthansa sind vorerst nicht in Sicht. Der Tarifabschluss für das Kabinenpersonal der Airline hat die Zustimmung der Gewerkschaft UFO gefunden. Eine Urabstimmung hat ein klares Votum gebracht. Die Mitglieder der Gewerkschaft UFO haben dem Tarifabschluss mit der Lufthansa für das Kabinenpersonal zugestimmt. Bei der Urabstimmung lag die Zustimmungsquote bei 80,5 Prozent, wie die Gewerkschaft mitteilte. Damit greifen die ausgehandelten höheren Vergütungen für die rund 19.000 Flugbegleiter der Airline. Laut Gewerkschaft zeigt das Abstimmungsergebnis, dass es sich gelohnt habe zu kämpfen - auch mit Streiks, so der UFO-Vorsitzende Joachim Vázquez Bürger. Eine erste Urabstimmung hatte Anfang des Jahres während der Verhandlungen noch eine klar Mehrheit für einen Streik ergeben, der dann im März auch stattfand. Nach dem neuen Angebot der Lufthansa erhalten die Mitarbeitenden der Kabine in drei Stufen insgesamt 16,5 Prozent mehr Tarifgehalt ab Mai. Die Laufzeit beträgt 36 Monate bis Ende 2026. Hinzu kommen eine Inflationsausgleichsprämie von 3.000 Euro und die Erhöhung diverser Zulagen. Dazu gehören etwa Zulagen zum Urlaubsgeld oder für Fremdsprachenkenntnisse. Einigung für Beschäftige von Cityline und Discover steht noch aus Nicht von der Einigung erfasst sind allerdings die Beschäftigten in den Flugzeugen der Lufthansa-Töchter Cityline und Discover. Bei beiden Gesellschaften dauerten die Gespräche mit dem Konzern an, teilte UFO mit. Gewerkschaftschef Bürger hofft, "dass wir in Kürze ebenfalls die Lufthansa Cityline Kollegen über ein ähnlich gutes Tarifpaket abstimmen lassen und bei Discover Airlines die ersten Tarifabschlüsse vermelden können". Erst Ende März hatte sich die Lufthansa auch mit der Gewerkschaft ver.di nach insgesamt fünf Warnstreiks auf einen Tarifabschluss für das Bodenpersonal geeinigt. Die dort Beschäftigten bekommen bis zu 18 Prozent mehr Lohn. Die rund 25.000 Mitarbeitenden erhalten rückwirkend zum 1. Januar 2024 sieben Prozent mehr Geld, mindestens jedoch 280 Euro mehr.
/wirtschaft/unternehmen/lufthansa-flugbegleiter-tarifvertrag-100.html
2024-04-24
Erste Fabrik für "klimapositiven" Beton eröffnet
Soltau in Niedersachsen
Beton ist für fast acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. In Soltau kommt erstmals eine neue Technologie zum Einsatz, den Ausstoß massiv senken könnte. Von Maximilian Seib.
Beton ist für fast acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. In Soltau kommt erstmals eine neue Technologie zum Einsatz, den Ausstoß massiv senken könnte. Von Maximilian Seib, NDR Zehn Jahre hat Antonio Catarino auf diesen Tag hingearbeitet: "Wir haben die Technologie, um einen großen Beitrag zu leisten, damit die Bauindustrie dekarbonisiert wird", sagt der Chef des Betonherstellers Bton. Zusammen mit seinen Mitstreitern eröffnet er in Soltau im Heidekreis die erste Fabrik in Deutschland, die "klimapositiven" Beton herstellt. Klimapositiv heißt, dass mehr CO2 eingespart als freigesetzt wird. Herzstück ihrer Produktion ist eine neue Mischtechnologie - durchgeführt auf einem Mischturm, wie es ihn laut Catarino weltweit kein zweites Mal gibt. Produktion in zwei Schritten Bisher wurden bei der Herstellung von Beton Wasser, Sand, Kies und Zement gleichzeitig zusammengemischt. Damit Wasser und Zement miteinander reagieren können und der Beton aushärtet, war stets Klinker im Zement nötig. Dieser Klinker wird unter hoher Temperatur hergestellt und verbraucht dabei viel Energie und CO2. Auf dem neuen Mischturm in Soltau geht es nun mit deutlich weniger Klinker. Dafür wird Beton in zwei Schritten produziert. Zunächst werden nur Wasser und Zement miteinander vermischt. Die sogenannte Hydratation, also das "Aktivieren" der Zementpartikel durch den Kontakt mit Wasser, funktioniert ohne die anderen Zusatzstoffe Sand und Kies schneller und effektiver. Deswegen kann hier Zement verwendet werden, der weniger Klinker enthält. Allein dadurch können laut der Betreiber bis zu 80 Prozent CO2 gespart werden. Erst im zweiten Schritt werden Sand und Kies dazugegeben.  Beton soll leichter werden Insgesamt 9 Millionen Euro hat das Unternehmen Bton in das neue Werk investiert. Laut Geschäftsführer Thomas Demmel hat das Material, das sie über die neue Mischtechnologie gewinnen, die gleiche Qualität wie herkömmlicher Beton und kostet auch nicht mehr. Klimapositiv werde der Beton, wenn im Mischprozess auch noch kohlenstoffsenkende Materialien hinzugefügt werden. So werde am Ende mehr als CO2 absorbiert als in der gesamten Herstellung freigeworden sei.  "Wir glauben, dass es technologisch ein Gamechanger ist", sagt Demmel. Vor allem, weil es auch möglich sei, den in Soltau hergestellten Beton 40 Prozent leichter zu machen als bisher. Damit spare man Ressourcen. Zudem könne bei der neuen Mischtechnologie auch Sand eingesetzt werden, der nicht grobkörnig ist und bei bisherigen Betonmischanlagen nicht genutzt werden konnte, darunter auch Wüstensand.  Wirtschaftlichkeit als Knackpunkt Um die Baubranche dauerhaft klimafreundlicher zu machen, muss die Produktion allerdings massiv ausgeweitet werden. In ihrem Werk in Soltau plant Bton im nächsten Jahr Wände und Fassadenelemente für 1.600 bis 2.000 Wohnungen herzustellen. Das alleine reicht nicht für den großen Wurf. Deswegen sollen weitere Werke in Deutschland und im Ausland folgen. Erste Anfragen und Aufträge kommen aus Brasilien, den USA, Singapur, Dubai und Saudi-Arabien.  Für Thorsten Leusmann, Beton-Experte der TU Braunschweig, ist die Wirtschaftlichkeit die zentrale Herausforderung, wenn es um Investitionen in neue Werke geht. "Wenn die Firma alles, was sie sich vorgenommen hat, umsetzen kann, umfasst das ein breites Spektrum dessen, was in der Betontechnologie derzeit erforscht wird." Fraglich sei nur, ob es nicht zu ambitioniert sei, gleich mehrere große Problemfelder in einem einzigen Werk lösen zu wollen. Auch den Geschäftsführern Catarino und Demmel ist klar, dass sie weitere Partner und mehr Geld brauchen. Doch man gehe davon aus, schnell im Markt Anschluss zu finden. Das Werk in Soltau ist dabei neben der Produktion auch als Schulungswerk gedacht, an dem sich die nächsten Fertigteil-Produktionsstätten im In- und Ausland orientieren sollen.
/wirtschaft/energie/beton-bton-klimaneutral-soltau-100.html
2024-04-24
Regierung will Wohnungslosigkeit beenden
Aktionsplan bis 2030
Hunderttausende Menschen gelten als wohnungslos. Mit einem Aktionsplan aus 31 Punkten will die Regierung das Problem bis 2030 in den Griff bekommen. Kritikern ist der Plan nicht konkret genug.
Hunderttausende Menschen gelten als wohnungslos. Mit einem Aktionsplan aus 31 Punkten will die Regierung das Problem bis 2030 in den Griff bekommen. Kritikern ist der Plan nicht konkret genug. Die Bundesregierung hat erstmals ein Gesamtkonzept gegen Wohnungslosigkeit beschlossen. Das Kabinett billigte am Mittag den "Nationalen Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit". Ziel ist es, die Obdach- und Wohnungslosigkeit in Deutschland bis 2030 zu überwinden. Für den Aktionsplan haben sich Bund, Länder, Kommunen und Akteure aus Praxis und Wissenschaft zusammengetan. Insgesamt sieht der Plan 31 Maßnahmen vor. Kernpunkt für die Bekämpfung von Wohnungslosigkeit seien mehr bezahlbare Wohnungen, erklärte Bauministerin Klara Geywitz. Sie sprach von einer "Mammutaufgabe". Auch Migranten helfen Oberstes Ziel ist es, dass jede und jeder Betroffene "bis 2030 ein passendes Wohnungsangebot erhält". Um das Ganze umzusetzen, will die Bundesregierung ein Nationales Forum gegen Wohnungslosigkeit einrichten. "Auch Eingewanderte oder Geflüchtete sollen möglichst schnell selbstbestimmt in vier Wänden wohnen", erklärte die Migrationsbeauftragte Reem Alabali-Radovan den Aktionsplan. Hierfür müssten der Übergang von der Gemeinschaftsunterkunft in Wohnraum schneller gelingen, der Kampf gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt verstärkt sowie Beratungsangebote leichter erreichbar gemacht werden. Kritik von Sozialverbänden Sozialverbände und Vertreter von Betroffenen erklärten, es sei gut, dass die Bundesregierung das Problem anpacke. Im Aktionsplan fehlen ihnen allerdings mehr konkrete Lösungsansätze. Im Mietrecht zum Beispiel fehle eine Reform zur Schonfristzahlung, erklärten die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) und der Mieterbund. Dabei geht es um die Frage, ob eine Kündigung bei Nachzahlung von Mietschulden noch wirksam ist oder nicht. Die Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau reichten zudem nicht aus. Die Diakonie kritisierte: "Es fehlt an konkreten, wirksamen sozialen und wohnungsbezogenen Maßnahmen zur Schaffung von Wohnraum für wohnungslose Menschen sowie zur Verhinderung von Wohnungsverlusten." Unterschiedliche Zahlen zu Wohnungslosigkeit Die Zahl der Obdachlosen und Wohnungslosen in Deutschland ist schwer zu ermitteln. Etwa 372.000 Menschen gelten laut Bundesbauministerium in Deutschland als "untergebracht wohnungslos". Davon stammen 80 Prozent nicht aus Deutschland. Diese Menschen leben in öffentlichen Unterbringungen, etwa in Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber. Neue Zahlen werden Ende dieses Jahres veröffentlicht. Hinzu kommen verdeckt Wohnungslose, die bei Bekannten leben oder auf der Straße. Diese Zahl beziffert das Ministerium mit etwa 86.700. Die BAG W dagegen spricht von 600.000 Wohnungslosen, von denen etwa 50.000 auf der Straße leben.
/inland/wohnungslosigkeit-aktionsplan-bundesregierung-100.html
2024-04-24
CDU-Politiker will Klimaschutzgesetz stoppen
Antrag beim Verfassungsgericht
Nach dem Heizungsgesetz schaltet der CDU-Bundestagsabgeordnete Heilmann nun auch beim Klimaschutzgesetz das Verfassungsgericht ein. Er will damit verhindern, dass es am Freitag im Bundestag verabschiedet wird.
Nach dem Heizungsgesetz schaltet der CDU-Bundestagsabgeordnete Heilmann nun auch beim Klimaschutzgesetz das Verfassungsgericht ein. Er will damit verhindern, dass es am Freitag im Bundestag verabschiedet wird. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Heilmann schaltet zum zweiten Mal bei einem wichtigen Gesetz der Bundesregierung Karlsruhe ein. Er zieht gegen die Reform des Klimaschutzgesetzes vor das Bundesverfassungsgericht. Heilmann beantragte eine einstweilige Anordnung zum Stopp des Gesetzes, wie sein Büro in Berlin bestätigte. Im vergangenen Sommer hatte das Gericht die Verabschiedung des Heizungsgesetzes gestoppt, bei dem Heilmann den engen Zeitplan bemängelt hatte. Das Gesetz wurde dann im September vom Bundestag verabschiedet. Heilmanns Kritik: zu schnelles Verfahren Heilmann begründet den Schritt zum Klimaschutzgesetz nun ähnlich wie bei dem erfolgreichen Verfahren gegen das Heizungsgesetz mit dem aus seiner Sicht zu schnellen Gesetzgebungsverfahren. Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, hatte die Bedenken der Unionsfraktion zuvor zurückgewiesen. "Also, wir beschleunigen da nichts, sondern es ist ein ganz normales Verfahren, und deswegen haben wir damit kein Problem, das auch so zu machen", sagte sie am Mittwochmorgen noch vor Heilmanns Antrag in Karlsruhe zur Kritik aus der Opposition. Die jüngsten Änderungen am Gesetzentwurf lägen den Abgeordneten schon seit Tagen vor. "Es hatten alle die Gelegenheit, sich damit auseinanderzusetzen, und deswegen sehen wir nicht, warum das Gesetzgebungsverfahren nicht wie geplant durchgeführt werden kann", sagte sie.  Bundestag soll am Freitag entscheiden Heilmann befürchtet, dass der Klimaschutz geschwächt wird. Die Regierung weiche "Klimaschutzziele unzulässig auf", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Außerdem seien die Fehler "massiver" als beim Heizungsgesetz. Mit seiner einstweilige Anordnung will er verhindern, dass der Bundestag das Gesetz am Freitag beschließt. Aus Heilmanns Sicht sind weitreichende Änderungen geplant, weshalb die Abgeordneten Zeit zur Prüfung bräuchten. Umweltverbände hatten die Reform als Verwässerung der geltenden Regeln kritisiert. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bemängelt etwa, dass nach der Reform erst ab 2030 zusätzliche Anstrengungen für das Erreichen der Klimaziele späterer Jahre vorgeschrieben seien - was Klimaschutz letztlich in die Zukunft verschiebe. Zankapfel der Ampel-Koalition Die mögliche Aufweichung des Klimaschutzes mit der Reform ist seit langem ein Streitthema der Koalitionsparteien. Überraschend hatte die Regierung vergangene Woche einen Änderungsantrag eingebracht. Bisher gilt: Wenn einzelne Sektoren wie der Verkehrs- oder Gebäudebereich gesetzliche Vorgaben zum CO2-Ausstoß verfehlen, müssen die zuständigen Ministerien im nachfolgenden Jahr Sofortprogramme vorlegen. Das soll sich in Zukunft ändern: Die Einhaltung der Klimaziele soll nun nicht mehr rückwirkend nach Sektoren kontrolliert werden, sondern mehrjährig mit Blick in die Zukunft und sektorübergreifend. Erst wenn sich in zwei aufeinanderfolgenden Jahren abzeichnet, dass die Bundesregierung bei ihrem Klimaziel für das Jahr 2030 nicht auf Kurs ist, muss sie nachsteuern. Bis 2030 muss Deutschland laut Gesetz seinen Ausstoß von Treibhausgasen um mindestens 65 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 senken. Bis 2045 soll die Klimaneutralität erreicht werden. Dann dürfen also nicht mehr Treibhausgase ausgestoßen werden als auch wieder gebunden werden können.
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2024-04-24
Europäisches Lieferkettengesetz beschlossen
EU-Parlament
Das EU-Parlament hat dem Lieferkettengesetz zugestimmt. Es verpflichtet europäische Unternehmen, Menschenrechts- und Umweltstandards in ihren Lieferketten einzuhalten. Die FDP hatte mit Widerstand dagegen einen Koalitionsstreit ausgelöst.
Das EU-Parlament hat dem Lieferkettengesetz zugestimmt. Es verpflichtet europäische Unternehmen, Menschenrechts- und Umweltstandards in ihren Lieferketten einzuhalten. Die FDP hatte mit Widerstand dagegen einen Koalitionsstreit ausgelöst. Das EU-Parlament hat das umstrittene EU-Lieferkettengesetz angenommen. 374 Abgeordnete stimmten für das Gesetz, 235 dagegen und 19 enthielten sich bei der finalen Abstimmung in Straßburg. Das Gesetz soll sicherstellen, dass europäische Unternehmen die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards in ihren Lieferketten sicherstellen. So will die EU gegen Kinderarbeit, Ausbeutung und Umweltverschmutzung vorgehen. Wenn beispielsweise große Modeunternehmen ihre Pullis und Hosen von Kindern in Asien nähen lassen, sollen die Opfer solcher Ausbeutung nach dem neuen Lieferkettengesetz künftig auch Schadenersatz verlangen können. Die Strafen können bei bis zu fünf Prozent des weltweiten Umsatzes liegen. Die EU-Staaten müssen dem Gesetz nun noch offiziell zustimmen. Das gilt aber als Formsache, denn Mitte März hatte im Ausschuss der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten eine ausreichende Mehrheit der EU-Staaten ihre Zustimmung signalisiert. Streit in der Bundesregierung Das Gesetz hatte zuletzt auch in der Bundesregierung Streit ausgelöst. Während die FDP vor einer zu großen Belastung von Unternehmen warnt, sehen Vertreterinnen und Vertreter von SPD und Grünen im EU-Lieferkettengesetz einen großen Gewinn für den Schutz von Menschenrechten. Mit dem heutigen Beschluss wurde Deutschland überstimmt, das sich auf Drängen der FDP enthalten hatte. Eine Enthaltung in dem Gremium wirkt wie eine Nein-Stimme. Die Bundesregierung findet bei wichtigen EU-Gesetzen häufiger keine gemeinsame Position und muss sich deswegen bei entscheidenden Abstimmungen enthalten. Ursprüngliches Gesetz abgeschwächt Weil auch andere Länder wie Italien zunächst Bedenken hatten, wurden die Vorgaben aufgeweicht. Ursprünglich sollte das Lieferkettengesetz bereits für Unternehmen ab 500 Beschäftigten mit einem globalen Umsatz von mehr als 150 Millionen Euro im Jahr gelten. Das nun angenommene Gesetz gilt aber nur für Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten. Die jährliche Umsatzschwelle liegt bei 450 Millionen Euro. Auch die Möglichkeit einer zivilrechtlichen Haftung wurde abgeschwächt. In Deutschland ist bereits seit dem 1. Januar 2023 ein nationales Lieferkettengesetz in Kraft. Für 2023 galt es für Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeitenden. 2024 hat sich diese Grenze gesenkt und gilt somit für Unternehmen mit mindestens 1.000 Arbeitnehmern. Die neuen EU-Regelungen werden trotz der Abschwächungen in bestimmten Aspekten über das deutsche Lieferkettengesetz hinausgehen. Große Verbände wie die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sind gegen das Lieferkettengesetz. Die EU-Richtlinie sei "weder praxistauglich noch verhältnismäßig", sagte etwa der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. Es gibt jedoch auch Unternehmen, die für das Regelwerk sind.
/ausland/europa/lieferkettengesetz-beschlossen-100.html
2024-04-24
Warum die Renten spürbar steigen
Kabinett beschließt Erhöhung
Die Renten steigen im Sommer spürbar - und erstmals in Ost und West in gleicher Weise. Künftig müssen die Rentnerinnen und Rentner aber wohl mit geringen Erhöhungen auskommen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Die Renten steigen im Sommer spürbar - und erstmals in Ost und West in gleicher Weise. Künftig müssen die Rentnerinnen und Rentner aber wohl mit geringen Erhöhungen auskommen. Die wichtigsten Fragen und Antworten. Die Renten in Deutschland sollen spürbar steigen. Das Kabinett hat heute die Anpassung zum 1. Juli beschlossen. Wie bereits im März bekannt wurde, erhalten die mehr als 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner in Deutschland um 4,57 Prozent höhere Bezüge. Ist die Erhöhung ungewöhnlich stark? Zumindest ist sie stärker als noch im Herbst vorhergesagt. Damals gingen Schätzungen von einem Plus von rund 3,5 Prozent im Juli aus. Hauptgründe für die deutliche Erhöhung sind nun der stabile Arbeitsmarkt in Deutschland und gute Lohnabschlüsse. Für die Rentenanpassung maßgeblich waren Lohnsteigerungen von 4,72 Prozent. Frisst die Inflation die Rentenerhöhung wieder auf? Nein. Arbeitsminister Hubertus Heil hatte bereits darauf verweisen, dass die Rentenanpassung "deutlich" über der Inflationsrate liege. Im vergangenen Jahr war die Rentenerhöhung dahinter zurückgeblieben. Im März hatte sich die Inflation aber weiter abgeschwächt. Die Verbraucherpreise lagen noch um 2,2 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats.  Fällt die Erhöhung in Ost und West gleich aus? Ja, dies ist erstmals der Fall. 2023 waren die Altersbezüge in den alten Ländern noch um 4,39 und im Osten um 5,86 Prozent gestiegen. Damit hatten sich die Renten aber bereits vergangenes Jahr angeglichen - früher als vorgesehen, weil die Löhne im Osten zuvor deutlich stärker gestiegen waren als im Westen.  Wie sind die Perspektiven? Rentensteigerungen dürfte es auch künftig geben - aber laut aktuellem Rentenversicherungsbericht in geringerem Ausmaß. So geht der Bericht bis 2037 von einer durchschnittlichen Steigerungsrate von 2,6 Prozent pro Jahr aus - insgesamt gut 43 Prozent. Ohne gesetzliche Eingriffe würde der Übertritt von Millionen sogenannter Babyboomer in die Rente immer deutlicher spürbar werden. Laut dem Bericht dürfte das Rentenniveau ohne Reform von derzeit 48,2 Prozent bis auf 45,0 Prozent im Jahr 2037 sinken. Die Renten würden dann generell nicht mehr so stark wie die Löhne steigen. Wie reagiert die Koalition? Mit einem Gesetzespaket, das bereits vorgestellt wurde und in den kommenden Wochen ins Kabinett soll. Mit ihrer Reform wollen Heil und Finanzminister Christian Lindner das Rentenniveau von 48 Prozent für die Zukunft garantieren. Bis Mitte der 2030er-Jahre will die Regierung zudem mindestens 200 Milliarden Euro aus Bundesmitteln am Kapitalmarkt anlegen. Mit den Erträgen sollen Beitragsanstiege gedämpft werden.  Wie entwickeln sich die Rentenausgaben? Die Rentenausgaben würden ohne Reform laut Gesetzentwurf bis 2045 von derzeit 372 auf 755 Milliarden Euro steigen. Durch das 48-Prozent-Rentenniveau dürften es 800 Milliarden Euro werden. Der Rentenbeitrag würde ohne Geldanlage am Kapitalmarkt von 18,6 Prozent bis 2045 auf 22,7 Prozent steigen. Mit Generationenkapital sollen es dann 22,3 Prozent werden. (Quelle: dpa)
/inland/innenpolitik/rente-erhoehung-kabinett-100.html
2024-04-24
Fahrraddiebstähle werden teurer - für Versicherungen
E-Bikes im Visier Krimineller
Fahrraddiebstähle in Deutschland verursachen immer größere Schäden bei Versicherern. Im vergangenen Jahr lag die Summe der Entschädigungen auf einem Höchstwert, so der Branchenverband.
Fahrraddiebstähle in Deutschland verursachen immer größere Schäden bei Versicherern. Im vergangenen Jahr lag die Summe der Entschädigungen auf einem Höchstwert, so der Branchenverband. Die Fahrräder der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger werden immer teurer. Und damit wächst auch der Schaden, der durch den Diebstahl versicherter Räder entsteht. Das teilte der Gesamtverband der Versicherer (GDV) nun mit. 160 Millionen Euro Schaden Im vergangenen Jahr lag die durchschnittliche Entschädigung für versicherte Fahrräder bei 1.100 Euro. Ein neuer Höchstwert, wie der Branchenverband mittteilte. Rund 160 Millionen Euro mussten die Versicherungen 2023 für 150.000 als gestohlen gemeldete Räder auszahlen, ebenfalls die höchste Summe bislang. In den Jahren 2020 und 2021 hatte die Summe bei jeweils 110 Millionen Jahre gelegen und damit coronabedingt niedriger als zuvor. 2022 dann schnellte der Betrag aber bereits auf 150 Millionen Euro nach oben. Laut GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen sind vor allem hochwertige Fahrräder im Visier von Dieben: "Nach wie vor werden vor allem teure Fahrräder gestohlen. Diebe haben es gezielt auf hochwertige Rennräder, E-Bikes oder Mountainbikes abgesehen, um sie weiterzuverkaufen." Hohe Dunkelziffer Rund 150.000 Räder wurden Versicherungen 2023 als gestohlen gemeldet. Deutlich mehr Räder werden aber tatsächlich gestohlen - denn nicht alle Fahrräder sind versichert. Laut Polizeistatistik 2022 wurden rund 266.000 Fahrräder als gestohlen angezeigt. Viele Besitzer gehen allerdings gar nicht davon aus, dass sie ihr Fahrrad zurück erhalten werden, und verzichten auf eine Anzeige. Wie die Polizei raten auch Versicherungen dazu, besonders hochwertige Fahrräder mit guten Ketten- oder Bügelschlössern zu sichern und möglichst auch an festen Gegenständen anzuschließen. Das gelte selbst dann, wenn sie in Kellern stünden. Polizeibehörden warnen immer wieder besonders vor gut organisierten Banden von Fahrraddieben, die mit Spezialwerkzeug unterwegs sind und gezielt teure Räder ins Visier nehmen.
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2024-04-24
Israel schickt weitere Reservisten nach Gaza
Vor möglicher Rafah-Offensive
Israel bereitet sich offenbar auf eine Bodenoffensive in Rafah vor und hat nun weitere Reservisten in den Gazastreifen geschickt - ihre Zahl dürfte in die Tausenden gehen. Israels Verbündete warnen vor einem Einsatz.
Israel bereitet sich offenbar auf eine Bodenoffensive in Rafah vor und hat nun weitere Reservisten in den Gazastreifen geschickt - ihre Zahl dürfte in die Tausenden gehen. Israels Verbündete warnen vor einem Einsatz. Das israelische Militär schickt nach eigenen Angaben zwei zusätzliche Brigaden von Reservisten in den Gazastreifen. Die Ankündigung fällt in eine Zeit, in der sich das Land auf eine Ausweitung seiner Bodenoffensive auf die südliche Stadt Rafah vorbereitet, die aus Sicht des Militärs letzte Hochburg der Hamas im Küstengebiet. Die Reservebrigaden sollten "defensive und taktische Einsätze im Gazastreifen" übernehmen, teilte das Militär mit. Zuvor seien sie an Israels Grenze zum Libanon eingesetzt worden. Dort liefern sich israelische Truppen und die vom Iran gestützte libanesische Hisbollah-Miliz seit Beginn des Kriegs Gefechte. "Lehren aus Bodenmanöver gelernt" In den jüngsten Wochen hätten die Reservisten aber für Operationen im Gazastreifen trainiert. "Die Soldaten haben Kampftechniken geübt und die wichtigsten Einsichten und Lehren aus den bisherigen Kämpfen und dem Bodenmanöver im Gazastreifen gelernt", hieß es weiter in der Mitteilung. Zu Beginn des Kriegs in Israel und Gaza vor mehr als sechseinhalb Monaten hatte Israel rund 300.000 Reservisten mobilisiert. Die meisten davon wurden jedoch inzwischen wieder entlassen. Israel hat die Zahl der Soldaten im Gazastreifen schrittweise reduziert, zuletzt waren vor allem aktive Truppen dort. Das Land veröffentlicht seine Truppenstärke nicht, eine Brigade besteht jedoch üblicherweise aus mehreren Tausend Soldaten. UN warnen Israel vor Großangriff auf Rafah Trotz internationaler Warnungen plant Israel eine Bodenoffensive in Rafah und will dort verbliebene Bataillone der islamistischen Terrororganisation Hamas zerschlagen. Israels Verbündete wie die USA haben eindringlich vor dem Einsatz in Rafah gewarnt. Mehr als die Hälfte der 2,3 Millionen Einwohner des Gazastreifens hat in der Stadt Schutz vor Angriffen gesucht. Sie gilt als die einzige Stadt in dem abgeriegelten Küstenstreifen, die noch vergleichsweise intakt ist. International besteht große Sorge, dass eine Offensive dort viele Zivilisten das Leben kosten könnte. Evakuierung geplant - doch wohin? Laut Israel soll die Zivilbevölkerung in "Schutzzonen" evakuiert werden, beispielsweise in das Al-Mawasi-Lager an der Mittelmeerküste im Süden des Gazastreifens. Dort sind nach UN-Angaben vom Dienstag bereits mehr als 400.000 Menschen registriert. In der Nähe von Rafahs Nachbarstadt Chan Yunis werden außerdem offenbar Zelte aufgebaut. Ein israelischer Armeesprecher sagte, das Militär wisse vom Aufbau der Zelte, dies sei jedoch nicht mit der Armee koordiniert. Die israelische Zeitung Haaretz schrieb, Ägypten sei daran beteiligt. Die Hilfsorganisation Ägyptischer Roter Halbmond und ägyptische Sicherheitskreise wiesen die Berichte über den Aufbau neuer Zelte allerdings zurück.
/ausland/israel-gaza-reservisten-100.html
2024-04-24
Streit um TV-Bundesligarechte geht weiter
DAZN gegen DFL
Im Streit um die Fußball-Medienrechte hat DAZN nachträglich die von der DFL geforderte Bankbürgschaft eingereicht. Das hat in der Vergabe aber wohl keinen Einfluss mehr. Derweil läuft eine Sammelklage gegen DAZN.
Im Streit um die Fußball-Medienrechte hat DAZN nachträglich die von der DFL geforderte Bankbürgschaft eingereicht. Das hat in der Vergabe aber wohl keinen Einfluss mehr. Derweil läuft eine Sammelklage gegen DAZN. Im Streit um die Unterbrechung der TV-Rechte-Auktion hat DAZN eine Forderung der Deutschen Fußball Liga (DFL) erfüllt. "Die geforderte Bankbürgschaft liegt uns nun vor", sagte ein DAZN-Sprecher der Nachrichtenagentur dpa. Das Verfahren des Verkaufs der audiovisuellen Medienrechte der Fußball-Bundesliga war am Montag vor einer Woche nach einer Beschwerde des Streamingdienstes schon nach dem ersten Tag vorerst gestoppt worden - erstmals in der Geschichte des Profifußballs. Nachreichen hat offenbar "keine Wirkung" Die Liga hatte nach DAZN-Angaben überraschend eine Bankbürgschaft verlangt, was nach Ansicht des Unternehmens nicht innerhalb eines Tages möglich war. DFL und DAZN erhoben danach in Briefen an die 36 Profivereine gegenseitige Vorwürfe. Der Streamingdienst hatte nach Informationen der dpa und der "BILD" rund 400 Millionen Euro jährlich für das Paket B, das insgesamt 196 Live-Spiele umfasst, geboten. Die nun vorliegende Bankbürgschaft soll danach wie von der DFL gefordert für rund 200 Millionen Euro gelten.   Doch offenbar wird dies im Kampf um das größte Rechtepaket der Ausschreibung nichts mehr nützen. "Das Rechtepaket B der Rechteperiode 2025/26 bis 2028/29 ist am 16. April nach den allen interessierten Unternehmen bekannten Auktionsregeln vergeben worden. Grundlage waren die bis dahin eingereichten Angebote inklusive der begleitenden Unterlagen", teilte die DFL auf Anfrage der Nachrichtenagentur SID mit. Das Nachreichen von Unterlagen habe "nach dem gemäß den Auktionsregeln erteilten Zuschlag über ein Rechtepaket keine Wirkung". DAZN hatte in der Vorwoche in einem Brief an die DFL eine Ungleichbehandlung im Bieterverfahren beklagt. Der Streaminganbieter fühlt sich benachteiligt, weil sein Angebot für das Paket B abgelehnt wurde, obwohl es "das finanziell attraktivste und überzeugendste" gewesen sei. Dem Vernehmen nach erhielt stattdessen Sky den Zuschlag, will sich dazu aber nicht äußern. Die DFL wies die Vorwürfe daraufhin deutlich zurück: "Die DFL hat keinen Formfehler im laufenden Auktionsverfahren gemacht." Derzeit prüft das eingeschaltete Bundeskartellamt den Streitfall. Sammelklage wegen offenbar unzulässiger Preiserhöhungen Neben dem Streit um die Fußball-Medienrechte sieht sich DAZN derzeit noch an anderer Stelle mit Problemen konfrontiert. So hat der Verbraucherzentrale Bundesverbamd (vzbv) wegen unzulässiger Preiserhöhungen für Bestandskunden in den Jahren 2021 und 2022 eine Sammelklage gegen die Streaming-Plattform eingereicht. Allein 2023 seien 500 Beschwerden eingegangen, teilte der vzbv gestern mit. Das seien etwa siebenmal so viele wie im Vorjahr. "Saftige Preiserhöhungen in laufenden Verträgen bei DAZN sind für Sportfans nicht nur ärgerlich, sondern ohne Zustimmung der Nutzer:innen auch rechtlich nicht zulässig", sagte vzbv-Vorständin Ramona Pop. "Die Preiserhöhungsklauseln, die wir mit der Sammelklage angreifen, sind nach vzbv-Auffassung unangemessen benachteiligend und intransparent. Deshalb sind sie unwirksam." Betroffene hätten außerdem von erschwerten Kündigungen der Abonnements berichtet. Zum 1. August 2022 hatte DAZN seine Preise für Bestandskunden der Mitteilung zufolge deutlich erhöht. Sie stiegen von monatlich 14,99 auf 29,99 Euro und bei Einmalzahlung von 149,99 auf 274,99 Euro pro Jahr. Eventuelle spätere Preiserhöhungen seien von der Klage nicht erfasst, hieß es weiter. Betroffene sollen nun die zusätzlichen Kosten zurückerstattet bekommen. Sobald das sogenannte Klageregister eröffnet ist, können sich Verbraucherinnen und Verbraucher der Sammelklage anschließen.
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2024-04-24
USA stellen TikTok ein Ultimatum
Verkauf oder Verbot
Die Kurzvideo-App TikTok muss sich in den USA von ihrem chinesischen Mutterkonzern Bytedance lösen. Das beschloss nun auch der Senat. Das Unternehmen hat jetzt ein Jahr Zeit - ansonsten droht ein Verbot.
Die Kurzvideo-App TikTok muss sich in den USA von ihrem chinesischen Mutterkonzern Bytedance lösen. Das beschloss nun auch der Senat. Das Unternehmen hat jetzt ein Jahr Zeit - ansonsten droht ein Verbot. Das US-Gesetz, das einen Eigentümerwechsel bei der Kurzvideo-App TikTok erzwingen soll, hat auch den Senat als zweite Kongresskammer passiert. Damit kommt es nun auf den Tisch von Präsident Joe Biden, der bereits ankündigte, dass er es unterschreiben wird. Der in China ansässige Bytedance-Konzern hätte danach maximal ein Jahr Zeit, sich von TikTok zu trennen. Ansonsten soll die App aus US-amerikanischen App-Stores verbannt werden. Unklar ist, ob das Vorhaben vor US-Gerichten bestehen kann. Schon eine früheren Verbotsdrohung scheiterte dort. Vorwurf der Einflussnahme Das Gesetz wurde vom Senat in der Nacht mit einer großen Mehrheit von 79 zu 18 Stimmen angenommen. Bytedance wird in den USA parteiübergreifend als chinesisches Unternehmen gesehen, das sich entsprechend dem Willen der Kommunistischen Partei Chinas beugen müsse. Deshalb wird gewarnt, chinesische Behörden könnten sich in großem Stil Zugriff auf Daten der US-Nutzer verschaffen und die Plattform auch für politische Einflussnahme nutzen. TikTok bestreitet dies seit Jahren. "Jahrelang haben wir der Kommunistischen Partei Chinas erlaubt, eine der beliebtesten Apps Amerikas zu kontrollieren, und das war gefährlich kurzsichtig", sagte Senator Marco Rubio, der führende Republikaner im Geheimdienstausschuss. "Ein neues Gesetz wird den chinesischen Eigentümer zwingen, die App zu verkaufen. Das ist gut für Amerika." Das vor wenigen Tagen im Repräsentantenhaus zum zweiten Mal verabschiedete Gesetz ist diesmal Teil eines Pakets, das unter anderem auch neue Hilfen für die von Russland angegriffene Ukraine möglich machen soll. Deshalb kam es im zweiten Anlauf auch schnell durch den Senat. TikTok: Sind keine Tochter eines chinesischen Unternehmens Bidens Demokraten bringt das Gesetz in eine Zwickmühle: Denn zum einen will der Präsident eine harte Position gegenüber China einnehmen, zum anderen ist die App bei jungen Nutzern populär, deren Stimmen er für eine Wiederwahl im November braucht. Bidens Wahlkampf-Team eröffnete erst in diesem Jahr selbst einen TikTok-Account.  TikTok betont, man sehe sich nicht als Tochter eines chinesischen Unternehmens. Bytedance sei zu 60 Prozent im Besitz westlicher Investoren. Der Firmensitz liege auf den Cayman-Inseln in der Karibik. Allerdings kontern US-Politiker, dass die chinesischen Gründer bei einem Anteil von 20 Prozent die Kontrolle dank höherer Stimmrechte hielten und das Hauptquartier von Bytedance in Peking sei, wo man sich dem Einfluss der Behörden nicht entziehen könne. Direkt nach der Abstimmung äußerte sich TikTok bislang nicht. Schon am Wochenende hatte das Unternehmen aber angekündigt, rechtlich gegen das Gesetz vorgehen zu wollen. US-Gerichte stoppten ähnlichen Verbotsversuch TikTok hat nach eigenen Angaben 170 Millionen Nutzer in den USA. Schon Donald Trump versuchte während seiner Amtszeit als US-Präsident, mit Verbotsdrohungen einen Verkauf des US-Geschäfts von TikTok an amerikanische Investoren durchzusetzen.  Doch das Vorhaben scheiterte vor allem daran, dass US-Gerichte in den Plänen für ein TikTok-Verbot einen Verstoß gegen die in der US-Verfassung verankerte Redefreiheit vermuteten. Auch ein aktuelles Gesetz im Bundesstaat Montana, das TikTok dort aus den App-Stores verbannen sollte, liegt deswegen auf Eis. Trump ist inzwischen von den Verbotsforderungen abgerückt.
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2024-04-24
Viele Lehrkräfte sehen Gewalt an ihrer Schule
Schulbarometer 2024
Gewalt, Lehrkräftemangel und marode Schulen: Lehrer in Deutschland sind laut einer Umfrage mit vielen Problemen konfrontiert. Trotzdem ist die Mehrheit zufrieden mit ihrem Job.
Gewalt, Lehrkräftemangel und marode Schulen: Lehrer in Deutschland sind mit vielen Problemen konfrontiert. Trotzdem ist die Mehrheit laut einer Umfrage zufrieden mit ihrem Job. Fast jede zweite Lehrkraft in Deutschland sieht an der eigenen Schule psychische oder physische Gewalt unter Schülerinnen und Schülern. Das geht aus einer Umfrage der Robert Bosch Stiftung hervor. Demnach gaben 47 Prozent der befragten Lehrerinnen und Lehrer an, dass es diese Probleme an ihrer Schule gebe. Besonders betroffen seien Schulen in sozial benachteiligter Lage. Darunter litten wiederum auch die Lehrerinnen und Lehrer: 36 Prozent gaben an, mehrmals pro Woche "emotional erschöpft" zu sein. 27 Prozent würden gerne kündigen. Für die aktuelle Ausgabe des Deutschen Schulbarometers wurden zwischen dem 13. November und 3. Dezember vergangenen Jahres 1608 Lehrkräfte an allgemein- und berufsbildenden Schulen in Deutschland vom Meinungsforschungsinstitut Forsa befragt. Die Robert Bosch Stiftung lässt die repräsentative Befragung seit 2019 durchführen. Herausforderung Inklusion Lehrkräfte sehen das Verhalten von Schülerinnen und Schülern als größte Herausforderung. Das sagten 35 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer. Am zweithäufigsten (33 Prozent) nannten sie den Umgang mit Klassen, in denen es Unterschiede zwischen den Schülerinnen und Schülern gibt. Gemeint sind damit Klassen, in denen Schülerinnen und Schüler unterschiedlich weit in ihrer Lernentwicklung sind, unterschiedliche kulturelle und familiäre Hintergründe haben und teilweise auch besonders gefördert werden müssen. Weniger als die Hälfte der Lehrkräfte sehen inklusive Beschulung als Gewinn. 77 Prozent der Befragten glauben außerdem, dass die Kinder in einem inklusiven Unterricht nicht die spezielle Unterstützung erhalten, die sie benötigen. "Massiver Personalmangel" Bei der Frage, was an den Schulen am dringendsten getan werden müsse, sahen 41 Prozent Handlungsbedarf beim Personalmangel. Dagmar Wolf von der Robert Bosch Stiftung wertete die Ergebnisse der Umfrage als Momentaufnahme eines kranken Systems: Lehrerinnen und Lehrer müssten seit Langem die Folgen des "massiven Personalmangels" ausgleichen. Dazu kämen immer neue Belastungen. Um Lehrkräfte in Zukunft an den Schulen zu halten, werde das berufliche Wohlbefinden enorm wichtig sein. So werde der Beruf für junge Menschen wieder attraktiver. Auch die maroden Schulgebäude beschäftigen die Lehrerinnen und Lehrer: 35 Prozent der Befragten glauben, dass mehr Geld für die Sanierung und Renovierung ausgegeben werden sollte. Bildungsministerin Stark-Watzinger: Alarmierende Ergebnisse Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) nannte die Ergebnisse alarmierend. Der Bericht mache deutlich, wie groß mittlerweile der Handlungsdruck in der Bildung sei, sagte sie den Tageszeitungen der Funke Mediengruppe. Mit Blick auf die Umfrage sagte die Vorsitzende des Philologenverbandes Susanne Lin-Klitzing, dem Tagesspiegel: "Es ist erschütternd, dass so viele Lehrkräfte im Alltag verschiedene Formen von Gewalt erleben müssen." Das wachsende Ausmaß von Gewalt an Schulen, der Lehrkräftemangel und der marode Zustand vieler Schulen führten zu zusätzlichem Stress für alle. Deshalb müsse in die Schulen investiert werden. Viele Lehrkräfte grundsätzlich zufrieden Ganz grundsätzlich zeigt die Umfrage aber auch: Die Mehrheit (75 Prozent) der Lehrkräfte ist zufrieden mit ihrem Beruf und ihrer Schule. Und fast alle Lehrer sind überzeugt, dass sich die Schülerinnen und Schüler bei ihnen an der Schule wohlfühlen: das glauben 92 Prozent.
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2024-04-24
Tesla-Billigmodell soll schneller auf den Markt
Umsatz zuletzt gesunken
Tesla will günstigere Modelle schneller als zunächst geplant Produzieren. Der US-E-Auto-Hersteller reagiert damit auf die Nachfrage-Schwäche am Markt und die zunehmende Konkurrenz aus China.
Tesla will günstigere Modelle schneller als zunächst geplant Produzieren. Der US-E-Auto-Hersteller reagiert damit auf die Nachfrage-Schwäche am Markt und die zunehmende Konkurrenz aus China. Eine frühere Markteinführung von günstigeren Tesla-Modellen hat sich das US-Unternehmen mit Elon Musk an der Spitze vorgenommen. Das teilte der Konzern gestern Abend aus Anlass der Veröffentlichung seiner Quartalsbilanz mit. Die ursprünglich für das zweite Halbjahr 2025 geplante Produktion soll auf den Jahresanfang 2025 oder sogar bereits auf Ende 2024 vorgezogen werden, so Musk. "Diese Aktualisierung könnte zu einer geringeren Kostenreduzierung führen als ursprünglich erwartet", erklärte der Konzern allerdings. Stapellauf für das Modell 2? Wann genau die neuen E-Autos in den Markt kommen und welche Modelle die neue Billigoffensive stützen sollen, dazu machte das Unternehmen nur wenige Angaben. Die neuen "erschwinglicheren Modelle" sollen mit den bestehenden Anlagen hergestellt werden und Aspekte gegenwärtiger Modelle übernehmen. Ein Preis wurde nicht genannt. Musk hatte im Januar noch erklärt, ab Mitte 2025 solle die Fertigung eines kostengünstigeres Modells in Texas beginnen. Investoren gehen bislang davon aus, dass dieses als "Model 2" bezeichnete Fahrzeug 25.000 Dollar kosten werde. Derzeit ist das "Modell 3" das wichtigste Volumenmodell für das untere Preissegment. Der Markt für Elektroautos leidet derzeit unter einer schwächeren Nachfrage. Zudem hat die Konkurrenz zugenommen, etwa durch chinesische Anbieter wie BYD oder Nio und das wachsende Angebot an E-Autos etablierter Hersteller wie VW. Preisnachlässe und Stellenabbau Tesla hatte bislang versucht, mit Preissenkungen Marktanteile zu sichern. Der von dem US-Konzern 2023 begonnene Preiskrieg dämpft schon länger den Gewinn. Tesla reagiert auch mit Personalabbau. Weltweit sollen mehr als zehn Prozent der insgesamt rund 140.000 Arbeitsplätze wegfallen. In Deutschland will Tesla im Werk Grünheide etwa 400 Stellen über ein Freiwilligenprogramm abbauen. Laut der Nachrichtenagentur Reuters will Tesla parallel zur Offensive im unteren Preisbereich auf seiner Kompaktwagenplattform auch ein Robotaxi bauen. Gestern hieß es ohne Angabe eines Zeitpunktes, es werde ein "speziell angefertigtes Robotaxi-Produkt" geschaffen, das mit einem revolutionären Fertigungsverfahren hergestellt werden solle. Einige Experten halten das Robotaxi für ein unrealistisches Unterfangen, nachdem die General-Motors-Tochter Cruise wegen technischer Probleme den Betrieb ihres automatisierten Fahrdienstes eingestellt hat. Umsatz im Quartal rückläufig Die aktuellen Geschäftszahlen, die Tesla gestern bekannt gab, zeigen Spuren des harten Kampfes im Elektoautomarkt. Der Umsatz im ersten Quartal lag bei 21,3 Milliarden Dollar nach 23,33 Milliarden im Vorjahresquartal. Analysten hatten mit 22,15 Milliarden gerechnet. Der Nettogewinn bis Ende März belief sich auf 1,13 Milliarden Dollar nach 2,51 Milliarden vor Jahresfrist. Zwar ging auch die mit Spannung erwartete Bruttomarge auf 17,4 Prozent zurück. Analysten jedoch nur 15,2 Prozent erwartet im Vergleich zu 19 Prozent im Vorjahreszeitraum. Die Tesla-Aktie legte daraufhin deutlich zu.
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2024-04-24
Wechselstimmung Richtung rechts
Wahl in Nordmazedonien
Im Nordmazedonien wird heute ein neuer Staatspräsident gewählt. Die Kandidatin der oppositionellen Rechtspopulisten liegt in Umfragen deutlich vorn. Doch den Ausschlag könnte eine Minderheitspartei geben. Von O. Soos.
Im Nordmazedonien wird heute ein neuer Staatspräsident gewählt. Die Kandidatin der oppositionellen Rechtspopulisten liegt in Umfragen deutlich vorn. Doch den Ausschlag könnte eine Minderheitspartei geben. Von Oliver Soos Gordana Siljanovska-Davkova ist 70 Jahre alt und eine kleine zierliche Frau. Laut Umfragen wird sie heute in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am stärksten abschneiden. Amtsinhaber Stevo Pendarovski von den mazedonischen Sozialdemokraten strebt eine zweite Amtszeit an. Doch im Land gibt es eine Wechselstimmung zugunsten der Nationalkonservativen. Denn es gibt eine große Unzufriedenheit in Nordmazedonien, wo der Staatspräsident vom Volk gewählt wird: Die Wirtschaft stagniert, die Abwanderung ist groß und der EU-Beitritt Nordmazedoniens zieht sich seit fast 20 Jahren hin. Parteilose Juraprofessorin Mit fester Stimme spricht sie vor 50.000 begeisterten Anhängern auf dem Boulevard vor dem Regierungsgebäude in der Hauptstadt Skopje: "Ihr seid die Quelle unseres Stolzes, und deshalb stehe ich hier. Und jetzt frage ich Euch: Seid Ihr stolz auf Euren Präsidenten, auf Euren Premier auf den Parlamentspräsidenten?" Die parteilose Siljanovska-Davkova ist Juraprofessorin an der Universität von Skopje und wurde von der nationalkonservativen Partei VMRO-DPMNE als Präsidentschaftskandidatin aufgestellt. "Mazedonien soll wieder stolz sein" Die Partei gilt als rechtspopulistisch, ist aber auf EU-Ebene ein Partner der Konservativen, auch der CDU. Ihr Wahlkampfslogan könnte vom ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump stammen: "Makedonija povtorno gorda" - Mazedonien soll wieder stolz sein. "Wir werden stolz sein, wenn wir in einem anständigen Staat leben. In dem die Studenten bleiben, in dem es keinen Massenexodus mehr gibt", sagt Siljanovska-Davkova. "Wir wollen das Land zu neuen Siegen führen. Mazedonien muss wieder stolz sein." Die Nationalkonservativen werfen den regierenden Sozialdemokraten vor, die mazedonische Identität verraten zu haben - für einen EU-Beitritt, der bislang ausgeblieben ist. 2019 wurde Mazedonien in Nordmazedonien umbenannt, um Griechenland zufrieden zu stellen. Und nun blockiert Bulgarien die Beitrittsverhandlungen, weil es verlangt, dass Nordmazedonien den bulgarischen Ursprung seiner Geschichte, Kultur und Sprache anerkennt und die bulgarische Minderheit in die nordmazedonische Verfassung aufnimmt. Die VMRO-DPMNE hat diese Verfassungsänderung im Parlament blockiert. Präsident warnt vor Folgen Der amtierende Präsident Pendarovski liegt in den Umfragen zehn Prozentpunkte hinter Siljanovska-Davkova und wird aller Voraussicht nach zusammen mit ihr in die Stichwahl gehen. Pendarovski warnt vor einem Erstarken der Nationalkonservativen: "Das würde bedeuten, dass Nordmazedonien nicht mehr voranschreiten kann auf dem Weg in die Europäische Union. Wir haben 17 Jahre darauf gewartet, die Beitrittsverhandlungen zu beginnen, und wir hatten gute Fortschritte gemacht. Und dann blockiert die VMRO-DPMNE die Verfassungsänderung, und plötzlich stecken wir wieder fest in der Ecke des Balkans, in der Ecke Europas." Entscheidet die Albaner-Partei? Doch auch wenn die nationalkonservative Kandidatin Siljanovska-Davkova laut Prognosen in der ersten Wahlrunde deutlich vor Pendarovsi liegt, heißt das noch nicht, dass sie auch Präsidentin wird. Es gibt sieben Kandidaten - und das Zünglein an der Waage waren bislang immer die albanischen Parteien. Knapp ein Drittel aller Nordmazedonier sind ethnische Albaner. Einer ihrer wichtigsten Politiker ist Talat Xhaferi. Er war bis vor kurzem Parlamentspräsident und führt jetzt das Land als Interimspremier und Regierungschef in die Parlamentswahlen am 8. Mai. Das Gesetz sieht vor, dass die nordmazedonische Regierungspartei kurz vor den Wahlen zurücktritt. Xhaferi hat mit seiner albanischen Mitte-Links-Partei DUI mit beiden regiert, zuletzt mit den Sozialdemokraten und davor mit der nationalkonservativen VMRO-DPMNE. Xhaferi sagt, dass seine Partei jetzt nur jemanden unterstützen werde, der bereit ist, die Verfassung zugunsten der bulgarischen Minderheit zu ändern: "Gehen wir voran oder fallen wir zurück auf unserem Weg in die EU? Das wird die zentrale Frage aller Verhandlungen nach diesen Wahlen sein. Derjenige, der bereit ist voranzugehen, der wird unterstützt. Derjenige, der nicht bereit ist, kann auch nicht mit Unterstützung rechnen." Bei der letzten Präsidentschaftswahl 2019 gab es eine Stichwahl mit demselben Duell: Pendarovski gegen Siljanovska Davkova. Pendarovski lag damals auch in der ersten Wahlrunde hinten und gewann dann mit der Unterstützung der albanischen Parteien. Doch dieses Mal steht er in den Umfragen etwas schlechter da.
/ausland/europa/wahl-nordmazedonien-102.html
2024-04-24
Stimmung in der Wirtschaft weiter verbessert
Ifo-Geschäftsklima im April
Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich im April weiter verbessert und ist so gut wie seit fast einem Jahr nicht mehr. Damit könnte die Konjunktur ihr Tief überwunden haben - vor allem dank der Verbraucher.
Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich im April weiter verbessert und ist so gut wie seit fast einem Jahr nicht mehr. Damit könnte die Konjunktur ihr Tief überwunden haben - vor allem dank der Verbraucher. Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich im April erneut aufgehellt und ist so gut wie seit Mai 2023 nicht mehr. Das ifo-Geschäftsklima kletterte zum Vormonat um 1,5 Punkte auf 89,4 Zähler, wie das Münchener ifo-Institut heute mitteilte. Es ist der dritte Anstieg des wichtigen Konjunkturbarometers in Folge. Ökonomen sprechen nach einer solchen Serie häufig von einer konjunkturellen Wende zum Besseren. Zudem wurden die Markterwartungen übertroffen. Analysten hatten im Schnitt lediglich mit einem Anstieg auf 88,8 Punkte gerechnet. Die rund 9.000 befragten Unternehmen bewerteten sowohl die Aussichten auf ihre künftigen Geschäfte als auch die aktuelle Lage besser als im Vormonat. Banken sehen "Trendwende" gekommen "Die Konjunktur stabilisiert sich, vor allem durch die Dienstleister", sagte ifo-Präsident Clemens Fuest. Aber auch in allen anderen betrachteten Wirtschaftsbereichen stieg der Index, was besonders auf die weniger pessimistischen Erwartungen zurückzuführen ist. Die aktuelle Lage verbesserte sich der Mitteilung zufolge zwar nur im Dienstleistungssektor. Im Verarbeitenden Gewerbe, im Bauhauptgewerbe sowie im Handel zeigten sich die Unternehmen weniger zufrieden. Und dennoch: "Mit dem dritten Anstieg in Folge geht vom ifo-Geschäftsklima mittlerweile ein recht klares Aufwärtssignal aus", betonte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Nachdem sich die Unternehmen an die höheren Leitzinsen gewöhnt haben und die Energiekosten wieder fallen, könne die Wirtschaft nun wieder wachsen. "Die Phase fallender Konjunkturprognosen dürfte vorüber sein." "Der dritte Anstieg in Folge und das zweite kräftige Plus hintereinander. Das sieht nach Trendwende aus", kommentierte auch Jens-Oliver Niklasch von der LBBW. In schwierigen Zeiten müsse man zwar vorsichtig bleiben, doch zumindest spreche nun einiges dafür, dass das Konjunkturtief überwunden sei. "Wenn ab voraussichtlich Mitte des Jahres auch Zinssenkungen der EZB anschieben, dann dürfte es im laufenden Jahr für die deutsche Wirtschaft für ein kleines BIP-Plus reichen." Bundesregierung stellt Konjunkturprognose vor Alexander Krüger, Chefvolkswirt von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, bleibt dagegen skeptisch: "Im tiefen Schacht geht die Lampe an. Die Lagebeurteilung lässt für Konjunkturoptimismus aber weiter keinen Raum." Der Großteil der verbesserten Stimmung gehe auf die schnelllebigen Erwartungen zurück. Den grundsätzlichen Blick auf die Wirtschaft ändere das Geschäftsklima daher nicht. "Strukturprobleme bestehen weiter, Impulse kommen vor allem von der Weltwirtschaft", so der Experte. Die Wirtschaft steckt derzeit wegen sinkender Investitionen und einer Flaute am Bau im Konjunkturtal und schrumpfte Ende 2023 um 0,3 Prozent. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte laut Bundesbank im ersten Quartal 2024 allerdings "leicht zugenommen haben". Damit bliebe Deutschland eine Rezession erspart. "Die Konjunktur in Deutschland hat sich etwas aufgehellt, eine durchgreifende Belebung ist aber noch nicht gesichert", erklärte die Bundesbank jüngst. Allerdings hatten zuletzt auch andere Frühindikatoren positiv überrascht. So zeigte eine am Finanzmarkt viel beachtete Umfrage unter Einkaufsmanagern, dass die Wirtschaft die lange Durststrecke langsam hinter sich lassen könnte. Die Bundesregierung rechnet ebenfalls mit etwas mehr Wachstum. Wirtschaftsminister Robert Habeck stellte am Nachmittag die neue Konjunkturprognose vor: Demnach soll die deutsche Wirtschaft statt um 0,2 nun um 0,3 Prozent im laufenden Jahr wachsen. Verbraucherinnen und Verbraucher werden kauffreudiger Hintergrund der Konjunkturaufhellung sind offenbar die Verbraucherinnen und Verbraucher. Besonders bei konsumnahen Dienstleistern und im Einzelhandel gehe es bergauf, sagte ifo-Umfragechef Klaus Wohlrabe. "Die Verbraucher scheinen etwas konsumfreudiger zu werden." Laut Wohlrabe spielten dabei insbesondere Reallohnzuwächse eine Rolle. Die Inflation war zuletzt deutlich gesunken, während in vielen Branchen kräftige Lohnerhöhungen vereinbart wurden. Das stützt die Kaufkraft. Einem kräftigen Aufschwung steht aber die schwächelnde Industrie im Weg. "Die Industrie kämpft immer noch mit einem Auftragsmangel", so Wohlrabe. Auch die ausländische Nachfrage nach Waren "Made in Germany" ziehe noch nicht wieder nachhaltig an. "Die Exporterwartungen der Industrie sogar sind leicht gesunken, da ist im Moment wenig Dynamik drin", so der ifo-Experte. Ein Sorgenkind sei nach wie vor auch die Baukonjunktur. "Der Auftragsmangel bleibt hier ein zentrales Problem."
/wirtschaft/konjunktur/ifo-geschaeftsklima-april-100.html
2024-04-24
Wie China in Deutschland spioniert
Verdeckte Einflussnahme
Deutsche Sicherheitsbehörden warnen schon lange vor zunehmender Spionage aus China. Die aktuellen Verdachtsfälle zeigen, wie akut die Gefahr verdeckter Einflussnahme auf die Politik ist. Wie geht China dabei vor? Von Florian Flade.
Deutsche Sicherheitsbehörden warnen schon lange vor zunehmender Spionage aus China. Die aktuellen Verdachtsfälle zeigen, wie akut die Gefahr verdeckter Einflussnahme auf die Politik ist. Wie geht China dabei vor? Von Florian Flade, WDR Es gab eine Zeit, da war chinesische Spionage in Deutschland offenbar kein großes Thema. Zumindest gab es ein erstaunliches Desinteresse an deren Spitzeleien hierzulande. In den alljährlichen Verfassungsschutzberichten der Jahre 1982 bis 1995 tauchten die Chinesen schlichtweg nicht auf. Die Bundesregierungen damals wollten das wohl so, vielleicht weil gute Beziehungen zu China wichtig waren - vor allem für die deutsche Wirtschaft. Heute aber hat sich zumindest der Ton der Sicherheitsbehörden deutlich verändert. Thomas Haldenwang, Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), führt gerne einen Vergleich an, den sein britischer Amtskollege vom MI5 geprägt hat: Russland ist ein Sturm, China aber ist der Klimawandel. Soll heißen: Peking ist inzwischen eine nahezu beispiellose sicherheitspolitische Herausforderung. Und das auf vielen Ebenen. Spionagevorwürfe gegen AfD-Mitarbeiter In diesen Tagen wird das deutlicher denn je: Erst wurden am frühen Montagmorgen in Düsseldorf und Bad Homburg ein Ehepaar und ein Mann festgenommen, die seit Jahren im Verdacht stehen über eine Firmenstruktur, die von London über Düsseldorf bis nach China reicht, militärisch nutzbare Technologien und Know-how beschafft zu haben - und zwar für den chinesischen Auslandsgeheimdienst, das Ministerium für Staatssicherheit (MSS). China bestreitet den Spionagevorwurf.  Noch am Montagabend dann wurde der 43-jährige Deutsch-Chinese Jian G. in Dresden festgenommen, ein enger Mitarbeiter des AfD-Europaabgeordneten Maximilian Krah. Der Generalbundesanwalt ermittelt gegen G. wegen des Verdachts der Spionage für Peking. Er soll "wiederholt Informationen über Verhandlungen und Entscheidungen im Europäischen Parlament" an China verraten und chinesische Oppositionelle in Deutschland ausgespäht haben. Die Festnahme erfolgte, weil die Ermittler glaubten, G. plane womöglich, sich ins Ausland abzusetzen. Zwischenzeitlich gab es auch in Großbritannien Festnahmen: Zwei Briten sollen für China spioniert haben, einer der Beschuldigten ist ein wissenschaftlicher Mitarbeiter der konservativen Partei im Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten. China hat Aktivitäten spürbar verstärkt Pekings Geheimdienste haben nach Erkenntnissen der deutschen Sicherheitsbehörden ihre Aktivitäten in den vergangenen Jahren wieder spürbar verstärkt. Früher war es vor allem die klassische Wirtschafts- und Industriespionage, die deutschen Unternehmen zu schaffen machte. Dazu gehörten Cyberangriffe auf Großkonzerne, für deren Produkte und Entwicklungsarbeit sich China interessierte. Aber auch auf kleine, mittelständische "Hidden Champions", also Firmen, die aufgrund besonderer Innovationsleistung zu den Weltmarktführern in einem bestimmten Segment gehören. Der Fokus verlagerte sich zuletzt zunehmend auf die Wissenschaft. Universitäten und Hochschulen sind in den Blick der chinesischen Spione geraten, die dort wertvolle Forschungsergebnisse abgreifen wollen. Und zwar nicht nur durch Hacker, die Daten stehlen oder durch Spione in sozialen Netzwerken wie LinkedIn, die sich als Geschäftsleute oder Wissenschaftler tarnen, sondern schlichtweg über akademischen Austausch, über Kooperationen, gemeinsame Projekte, Gastprofessuren oder Studenten. Studenten mit enger Anbindung nach Peking Mehr als 40.000 chinesische Studentinnen und Studenten gibt es Schätzungen zufolge aktuell in der Bundesrepublik. Beim Verfassungsschutz geht man davon aus, dass ein großer Teil dieser Personen eine enge Anbindung an den chinesischen Staat hat - etwa über die Botschaften, Konsulate und vor allem über Chatgruppen. Dies gilt insbesondere für diejenigen, die mittels bestimmter Stipendienprogramme nach Deutschland entsandt werden. Militärische Technologie im Fokus Für Pekings Spione sollen vor allem militärisch nutzbare Technologien von Interesse sein, zum Beispiel Antriebstechnologien für Raketen oder Marschflugkörper, aber auch Laser, Mikrochips, Robotik und Systeme der Künstlichen Intelligenz. Oft wird dabei nicht nur Spionage eingesetzt, sondern ein Know-how-Transfer durch Firmenübernahmen oder Direktinvestitionen angestrebt. Daneben späht China laut Verfassungsschutz auch weiterhin die Exil-Community aus: Oppositionelle, Regime-Kritiker, Vertreter der uigurischen und tibetischen Volksgruppe und die in China verbotene religiöse Falun-Gong-Bewegung. Einflussnahme auf EU-Politik Was die Sicherheitsbehörden seit geraumer Zeit ebenfalls feststellen: Die politische Spionage in Europa gewinnt für China an Bedeutung, und dabei geht es längst nicht mehr nur um die heimliche Beschaffung von Informationen, sondern um verdeckte Einflussnahme. Etwa auf die deutsche und die europäische Außen-, Wirtschaft- und Sicherheitspolitik. Bislang standen vor allem drei chinesische staatliche Stellen im Fokus der hiesigen Spionageabwehr: Das für die Auslandsspionage zuständige Ministerium für Staatssicherheit mit seinen mehr als 100.000 Mitarbeitern, das Ministerium für Öffentliche Sicherheit, das unter anderem dafür zuständig ist, Exil-Chinesen im Blick zu behalten, und die Volksbefreiungsarmee (PLA) mit ihren Hackereinheiten. Spionage über chinesisches Verbindungsbüro Zunehmend aber kommt ein neuer Akteur ins Spiel: Das Internationale Verbindungsbüro der Kommunistischen Partei Chinas (IDCPC), das ein weltweites Netzwerk im politischen Spektrum unterhält, unter anderem über diplomatische Vertretungen, und offenbar mit hohem Aufwand und Geldeinsatz damit befasst ist, politische Prozesse im Sinne Pekings zu beeinflussen. "Inzwischen agiert das IDCPC de facto auch wie ein Nachrichtendienst der Volksrepublik China und ist somit dem chinesischen Nachrichtendienstapparat zuzurechnen", so der Verfassungsschutz. Es gehe vor allem um den Aufbau und die Pflege von Kontakten zu Parteien und Abgeordneten, insbesondere zu solchen, die eine "vergleichsweise unkritische Haltung zur chinesischen Regierung vertreten". Langfristiges Ziel sei es, "einflussreiche Personen zu Äußerungen und Handlungen im Sinne der Interessen der Kommunistischen Partei Chinas zu bewegen". In Deutschland ist die verdeckte und illegitime Einflussnahme fremder Staaten an sich kein Straftatbestand. Lediglich die Agententätigkeit, für die allerdings der Beweis einer Anbindung an einen ausländischen Geheimdienst nötig ist, und die Bestechung von Mandatsträgern ist strafbar.
/investigativ/wdr/spionage-china-deutschland-100.html
2024-04-24
Deutschland nimmt UNRWA-Unterstützung wieder auf
UN-Palästinenserhilfswerk
Seit Monaten liegen die Zahlungen Deutschlands an das UN-Palästinenserhilfswerk auf Eis. Hintergrund waren Vorwürfe gegen UNRWA-Mitarbeiter, in den Angriff der Hamas auf Israel verwickelt gewesen zu sein. Nun sollen die Gelder wieder fließen.
Seit Monaten liegen die Zahlungen Deutschlands an das UN-Palästinenserhilfswerk auf Eis. Hintergrund waren Vorwürfe gegen UNRWA-Mitarbeiter, in den Angriff der Hamas auf Israel verwickelt gewesen zu sein. Nun sollen die Gelder wieder fließen. Deutschland will seine Unterstützung für das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA wiederaufnehmen. Die Zahlungen an das Hilfswerk waren Ende Januar eingestellt worden, nachdem Vorwürfe laut geworden waren, dass Mitarbeiter in den Angriff der Terrormiliz Hamas auf Israel verwickelt gewesen sein könnten. Die Ankündigung des Auswärtigen Amtes und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, die Unterstützung wiederaufnehmen zu wollen, erfolgte zwei Tage, nachdem eine UN-Untersuchungskommission ihren Bericht zum Palästinenserhilfswerk vorgelegt hatte. Das Expertengremium hatte nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe die Mechanismen und Verfahren der UN-Einrichtung unter die Lupe genommen, die die Einhaltung von Neutralitätsprinzipien garantieren sollen. Die Untersuchung der Kommission, die von der ehemaligen französischen Außenministerin Catherine Colonna geleitet wurde, kam zu dem Schluss, dass es bei UNRWA durchaus Probleme bei der Wahrung der Neutralität gebe. Eine Reihe von Reformen soll künftig eine neutralere Arbeit des Hilfswerks garantieren. Deutschland fordert Umsetzung von Reformen In der Erklärung des Auswärtigen Amtes und des Bundesentwicklungsministeriums heißt es, der Bericht der Experten werde begrüßt und die darin vorgesehenen Reformen müssten "rasch und vollumfänglich" umgesetzt werden. Die Untersuchungskommission fordert unter anderem eine genauere Überprüfung der UNRWA-Mitarbeiter und einen besseren Schutz der Einrichtungen des Hilfswerks vor missbräuchlicher militärischer Nutzung. "Vor diesem Hintergrund und in Begleitung dieser Reformen wird die Bundesregierung die Zusammenarbeit mit UNRWA in Gaza in Kürze fortsetzen", heißt es in dem auf der Internetseite des Auswärtigen Amtes veröffentlichten Statement weiter. Mehrere Staaten stoppten Zahlungen Die Vorwürfe gegen das Hilfswerk waren Ende Januar bekannt geworden. Philippe Lazzarini, UNRWA-Generalkommissar, teilte selbst mit, dass Israel dem Hilfswerk Informationen übermittelt habe, wonach mehrere Mitarbeiter in den Terrorangriff der Hamas auf Israel verwickelt gewesen sein sollen. Bei dem Angriff wurden mehr als 1.100 Menschen getötet, etwa 250 Menschen wurden von der Terrormiliz als Geiseln verschleppt. Die Vereinten Nationen kündigten umgehend eine intensive Überprüfung der Vorwürfe an. Neben Deutschland stoppten mehrere Staaten ihre Zahlungen an das Hilfswerk, darunter die USA, Großbritannien, Kanada, Australien, Frankreich, Finnland und Italien. Einige dieser Länder haben ihre Unterstützung aber bereits wieder aufgenommen, etwa Schweden, Australien, Kanada und Japan. "Mit der Fortsetzung der akuten Zusammenarbeit stützen wir die lebenswichtige und derzeit nicht zu ersetzende Rolle von UNRWA für die Versorgung der Menschen in Gaza, denn auch andere internationale Hilfsorganisationen sind auf die operativen Strukturen von UNRWA in Gaza derzeit angewiesen", teilte das Auswärtige Amt mit. Im vergangenen Jahr hatte Deutschland UNRWA, welches sich unter anderem auch in Ländern wie Syrien, dem Libanon und Jordanien engagiert, mit mehr als 200 Millionen Euro unterstützt. Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes hieß es fälschlich, Deutschlands Zahlungen an das UNRWA seien "seit fast einem Monat" ausgesetzt. Wir haben diesen Fehler korrigiert.
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2024-04-24
Russlands Vize-Verteidigungsminister festgenommen
Korruptionsvorwürfe
In Russland steht einer von zwölf Stellvertretern des Verteidigungsministers Schoigu unter Korruptionsverdacht: Timur Iwanow, der auf Sanktionslisten der EU und der USA steht, soll Bestechungsgelder im großen Stil angenommen haben.
In Russland steht einer von zwölf Stellvertretern des Verteidigungsministers Schoigu unter Korruptionsverdacht: Timur Iwanow, der auf Sanktionslisten der EU und der USA steht, soll Bestechungsgelder im großen Stil angenommen haben. In Russland ist nach Angaben der Staatsanwaltschaft Vize-Verteidigungsminister Timur Iwanow wegen Korruptionsvorwürfen festgenommen worden. Iwanow werde vorgeworfen, "eine Straftat nach Abschnitt 6 des Artikels 290 des Strafgesetzbuches (Bestechlichkeit) begangen zu haben", erklärte das russische Ermittlungskomitee. Dabei soll es offenbar um eine "besonders hohe" Bestechungssumme gehen. Wie die Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf das Moskauer Basmannyj-Gericht berichtet, sollen sich Iwanow und ein Bekannter, der ebenfalls festgenommen worden sein soll, auf "eine kriminelle Verschwörung mit anderen Personen" eingelassen haben. Demnach verfügte das Moskauer Gericht für Iwanow eine zweimonatige Untersuchungshaft. Russischen Medien zufolge drohen ihm bis zu 15 Jahre Haft. Verantwortlicher für militärische Bauvorhaben Laut Kremlsprecher Dmitri Peskow ist Präsident Wladimir Putin ein Bericht über die Festnahme Iwanows vorgelegt worden. Verteidigungsminister Sergej Schoigu sei vorab darüber informiert gewesen. Iwanow ist einer von zwölf Stellvertretern Schoigus. In seiner Funktion, die er seit 2016 innehat, war er bislang für Immobilienfragen zuständig - unter anderem für die Organisation der Grundstücksverwaltung, den Bau militärischer Einrichtungen und Truppenunterkünfte oder auch die Unterbringung der medizinischen Versorgung der Streitkräfte. Umgehung von EU-Sanktionen durch Scheidung? Im Zusammenhang mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine steht Iwanow auf Sanktionslisten sowohl in den USA als auch in der EU. So war er laut Medienberichten auch für Bauvorhaben in der besetzten ostukrainischen Stadt Mariupol zuständig, die Russlands Armee während der Belagerung in den ersten Kriegsmonaten 2022 völlig zerstört hatte. Den Recherchen von Nawalnys Anti-Korruptionsstiftung zufolge profitierte Iwanow aber auch persönlich von der Vergabe von Bauaufträgen in Mariupol. Zudem soll der 48-Jährige sich von seiner Frau scheiden lassen haben, um ihr die Umgehung von EU-Sanktionen zu ermöglichen. Die Zeitschrift Forbes führte den Experten für Kybernetik und die Atomindustrie als einen der reichsten Personen in den russischen Sicherheitsstrukturen.
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2024-04-24
Wenn die Miete nicht nur gefühlt zu hoch ist
Wohnen
Die Mietpreisbremse ist noch einmal verlängert worden - bis 2029. Als großer wohnungspolitischer Wurf galt sie nie. Sie kann finanziell belasteten Mietern aber Erleichterung bringen. Was Sie tun können, wenn Ihre Miete zu hoch ist. Von Meike Fries.
Die Mietpreisbremse ist noch einmal verlängert worden - bis 2029. Als großer wohnungspolitischer Wurf galt sie nie. Sie kann finanziell belasteten Mietern aber Erleichterung bringen. Was Sie tun können, wenn Ihre Miete zu hoch ist. Von Meike Fries, tagesschau.de Was ist die Mietpreisbremse und was ist ihr Zweck? Die sogenannte Mietpreisbremse soll verhindern, dass Mieten in Regionen mit angespanntem Wohnungsmarkt in Deutschland unkontrolliert ansteigen. Das dazugehörige Gesetz hat 2015 die damalige Große Koalition aus CDU/CSU und SPD verabschiedet - die Mietpreisbremse wird also bald schon zehn Jahre alt. 2019/2020 wurde sie erstmals verlängert und dabei auch verschärft; nun hat die Ampel-Koalition sie noch einmal bis 2029 verlängert. Die Mietpreisbremse gilt in Deutschland aber bei Weitem nicht flächendeckend: Ihre Umsetzung ist Ländersache. Und stark umstritten ist sie auch. Was besagt die Mietpreisbremse? Bei der Wieder- oder Neuvermietung einer Bestandswohnung in bestimmten Regionen darf die neue Miete nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Allerdings gibt es viele Ausnahmen, die das Ganze etwas kompliziert machen. Welche Ausnahmen sind das? Udo Casper, Geschäftsführer vom Deutschen Mieterbund Baden-Württemberg e.V., erklärt: "Die Mietpreisbremse gilt nicht für Wohnungen, die nach dem Oktober 2014 erstmals genutzt und vermietet wurden, nach einer umfassenden Modernisierung oder wenn der Vormieter schon eine höhere Miete bezahlt hat." In letzterem Fall darf die neue Miete die des Vormieters allerdings nicht übersteigen. Der Vermieter ist außerdem verpflichtet, den zuletzt angesetzten Mietpreis offenzulegen - oder muss es begründen, wenn er mehr als die ortsübliche Vergleichsmiete plus zehn Prozent verlangt. Das muss er unaufgefordert vor Abschluss des Mietvertrags tun. Wenn er das versäumt, können Mieter dies auch einfordern, wenn sie bereits eingezogen sind. "Die Feinheiten liegen im Detail, man sollte gut prüfen, ob die Ausnahmen greifen", sagt Casper. Was kann ich tun, wenn ich eine überhöhte Miete vermute? Finden Sie als erstes heraus, ob die Mietpreisbremse an Ihrem Wohnsitz überhaupt gilt. Wenn das so ist, müssen Sie die ortsübliche Vergleichsmiete recherchieren - das geht üblicherweise über den qualifizierten Mietspiegel. Wenn Sie die Vergleichsmiete herausgefunden haben, schlagen sie zehn Prozent auf und berechnen die Differenz zu Ihrer aktuellen Kaltmiete. Das ist die Summe, die Sie monatlich mutmaßlich zuviel zahlen. Wie gehe ich jetzt vor? Wenn Ihr Vermieter zugänglich ist, können Sie erst einmal das Gespräch suchen. Vielleicht haben Sie Glück und die Sache ist schnell geklärt. Das ist aber eher unwahrscheinlich, schließlich geht es ums Geld. Wenn der Vermieter nicht reagiert oder sich weigert, die Miete anzupassen, sprechen Sie eine schriftliche Rüge aus. Vorlagen dazu gibt es im Internet, etwa bei den Mietervereinen. Der Vermieter muss dann schriftlich erklären, warum er eine höhere Miete verlangt. Dann muss man weitersehen, ob diese höhere Miete berechtigt ist - oder eben nicht. Ich bin unsicher, ob meine Miete zu hoch ist - wer kann mir helfen? Die örtlichen Mietervereine, Rechts- und Verbraucherberatungen, eine Anwältin oder ein Anwalt. Ich bin sicher, dass meine Miete zu hoch ist - wie stehen meine Chancen auf Erfolg? Die festgelegten Obergrenzen sind zwingend, Vermieter müssen sich an diese halten. Seit der Verschärfung der Mietpreisbremse 2020 sind Vermieter auch verpflichtet, zu viel gezahlte Miete rückwirkend zu erstatten. Das muss man natürlich einfordern. Möglich ist das bis zu 30 Monate nach Beginn des Mietverhältnisses, und zwar bei Mietverträgen, die nach dem 1. April 2020 geschlossen wurden. Bei älteren Verträgen wirkt die Rüge nur für die Zukunft. Mein Vermieter weigert sich, die Rüge zu akzeptieren. Was jetzt? Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, sich Beratung und Unterstützung zu holen, siehe oben. Mietervereine beobachten, dass nur wenige Menschen die Mietpreisbremse nutzen. Warum ist das so? Für Udo Caspers vom Mieterbund Baden-Württemberg gibt es dabei zwei wesentliche Punkte: Die komplizierten Regeln - und die Psychologie: "Man muss sich mit der Mietpreisbremse auskennen. Außerdem haben viele Mieter Angst um ihre Wohnung. Wer angesichts des enormen Wohnungsmangels endlich die Chance auf eine Wohnung hat, hat wohl Bedenken, eine Mietpreissenkung zu fordern. Es ist also wichtig, sich zu informieren und auch den Mut aufzubringen, gegen eine zu hohe Miete vorzugehen." Was sollte man bedenken, bevor man tätig wird? Abwägen: Lohnt die Auseinandersetzung, wenn es um 0,50 Euro oder einen Euro Differenz pro Quadratmeter geht? Wenn Sie 15, 16, 17 Euro oder noch mehr Kaltmiete pro Quadratmeter zahlen, obwohl nur zehn, elf oder zwölf Euro erlaubt sind, sieht die Sache schon anders aus. Man sollte sich bewusst machen, dass ein Mietverhältnis eine Geschäftsbeziehung ist - und in aller Regel auch nicht für die Ewigkeit gedacht. Warum ist es auch für andere relevant, wie viel Miete ich zahle? Noch einmal Udo Caspers: "Die Mietpreisbremse betrifft nur Neuverträge. Wenn Wohnungen neu vermietet werden, geht die Miete oft sprunghaft nach oben. Diese hohen Wiedervermietungsmieten fließen dann eben auch in die Mietspiegelberechnungen ein. Und das führt dann dazu, dass die Bestandsmieten ebenfalls ansteigen, Wohnen also für viele Menschen immer teurer wird." Und warum ist die Mietpreisbremse so umstritten? Kurz gesagt: Den einen geht sie nicht weit genug, den anderen geht sie zu weit. Mietervereine kritisieren unter anderem, dass Mieter selbst tätig werden müssen, dass es zu viele Schlupflöcher gibt und dass Vermietern keine Sanktionen drohen, wenn sie sich nicht an die Obergrenzen halten. Der Eigentümerverband Haus & Grund hingegen würde die Mietpreisbremse am liebsten abgeschafft sehen und hat kürzlich Klage gegen die Verlängerung angekündigt. Das Instrument sei nicht geeignet, um bezahlbare Mieten für alle Einkommensgruppen in Ballungsgebieten zu sichern und habe die Wohnungsnot verschärft. Bundesbauministerin Klara Geywitz sagte dem rbb dazu, sie gehe davon aus, dass das zuständige Justizministerium die Verlängerung "hinreichend gründlich geprüft" habe.
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2024-04-24
Menschenrechte so bedroht wie seit Jahrzehnten nicht
Amnesty International
Unterdrückung, Verfolgung, Kriegsverbrechen - Amnesty International prangert eine massive Zunahme an Verstößen gegen Menschenrechte weltweit an. Im Fokus stehen die Kriege in der Ukraine und in Nahost.
Unterdrückung, Verfolgung, Kriegsverbrechen - Amnesty International prangert eine massive Zunahme an Verstößen gegen Menschenrechte weltweit an. Im Fokus stehen die Kriege in der Ukraine und in Nahost. Es ist ein düsteres Bild, das die Nichtregierungsorganisation Amnesty International in ihrem Jahresbericht zur weltweiten Einhaltung von Menschenrechten zeichnet: mehr Verstöße in mehr Ländern - nicht nur in bereits bekannten Krisenregionen, auch die Kriege in Nahost und gegen die Ukraine haben zu einer Verschlechterung der internationalen Lage geführt. Auch an Deutschland übt die Organisation scharfe Kritik. "Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte sind weltweit so bedroht wie seit Jahrzehnten nicht mehr", zieht Amnesty International Bilanz. Im Vorwort des Berichts spricht Agnès Callamard, die Internationale Generalsekretärin der NGO, sogar von deutlichen Rückschritten bei der Wahrung von Menschenrechten. Der Stand der Menschen, die in Demokratien leben, sei weltweit auf den Stand von 1985 zurückgegangen. Als Demokratie zählen dabei Länder, die rechtsstaatliche Prinzipien einhalten, etwa die Trennung von Exekutive, Judikative und Legislative und in denen bürgerliche Grundrechte gewahrt werden. 1985 - "das ist die Zeit vor der Entlassung Nelson Mandelas aus dem Gefängnis, vor dem Fall der Berliner Mauer, vor dem Ende des Kalten Krieges und vor all den damit verbundenen Hoffnungen auf eine neue Ära für die Menschheit", schreibt Callamard. Kriege in Ukraine und Nahost verschärfen Missstände Zur Verschlechterung der weltweiten Lage haben aus Sicht von Amnesty International auch der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und der Krieg in Nahost beigetragen. Russland greife gezielt dicht besiedelte zivile Gebiete an sowie Infrastruktur, die für die Energieversorgung notwendig sei. Laut der NGO sind zudem Fälle von Folter und Misshandlungen von Kriegsgefangenen durch das russische Militär dokumentiert. Mit Blick auf den Nahen Osten wirft Amnesty International sowohl der militant-islamistischen Hamas als auch der israelischen Armee Kriegsverbrechen vor. Das Leid der Opfer des Überfalls der Hamas auf Israel Anfang Oktober des vergangenen Jahres sei "durch nichts zu relativieren", betonte die Generalsekretärin von Amnesty International Deutschland, Julia Duchrow. Doch gleichzeitig kritisierte sie, dass der Militäreinsatz Israels im Gazastreifen "jedes Maß verloren" habe. Es würden Kriegsverbrechen verübt und Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht in Kauf genommen. Ein Vorwurf, mit dem sich Israel bereits von mehren Seiten konfrontiert sieht. Auch die USA und die Vereinten Nationen haben wiederholt gemahnt, dass das israelische Militär bei seiner Offensive die im Gazastreifen lebende zivile Bevölkerung besser schützen müsse. Zuletzt hatte die Kritik angesichts einer drohenden Offensive auf Rafah erneut zugenommen. In dem Ort nahe der Grenze zu Ägypten haben mehr als eine Million Bewohnerinnen und Bewohner aus Gaza Zuflucht gesucht. Viele Verstöße seit Langem in der Kritik Doch auch andere Krisen- und Konliktherde greift Amnesty International im Jahresbericht auf. Darunter den Sudan, in welchem seit mehr als einem Jahr ein Bürgerkrieg tobt und die beiden um Macht ringenden Konliktparteien ebenso gezielte und wahllose Angriffe auf Zivilisten verüben würden. Viele der von Amnesty International thematisierten Menschenrechtsverstöße prangert die Organisation schon seit längerem an. In Afghanistan seien die Möglichkeiten für Mädchen, eine Schule zu besuchen, weiter eingeschränkt worden. Der Iran geht verschärft gegen Frauen vor, die sich der Verschleierungspflicht widersetzen. In mehr als 60 Ländern werden gleichgeschlechtliche Handlungen nach wie vor kriminalisiert und unter Strafe gestellt. Auch die USA und die dort verschärften Gesetze zu Abtreibungen nimmt Amnesty International in seinem Bericht ins Visier Bundesregierung "schweigt zu Kriegsverbrechen" Israels Im Umgang mit dem Nahost-Krieg gerät auch die Bundesregierung in die Kritik der NGO - allen voran Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, die für eine menschenrechtsbasierte Außenpolitik stehen wolle. Und doch schweige die Bundesregierung "zu den Kriegsverbrechen der israelischen Armee und verspielt damit ihre Glaubwürdigkeit", mahnte Duchrow. Mit Blick auf Deutschland ist es nicht der einzige Kritikpunkt des Jahresberichts. Die Bundesrepublik erkenne strukturellen Rassismus zu wenig an und setze sich zu wenig für den Schutz der Bevölkerung vor Hasskriminalität ein. Auch die Meinungs- und Versammlungsfreiheit droht in der Bundesrepublik laut Organisation teils eingeschränkt zu werden. Als Beispiel nennt die Organisation Verbote von pro-palästinensischen Demonstrationen. Ein anderes Beispiel: das Vorgehen gegen die Klimaschutzbewegung "Letzte Generation". In Bayern können Mitglieder der Bewegung bis zu 30 Tage in Präventivhaft genommen werden, in mehreren Bundesländern wird gegen die Gruppierung wegen des Vorwurfs der Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt. "Das ist ein Angriff auf das Recht auf friedlichen Protest und die Zivilgesellschaft", warnt Amnesty-Generalsekretärin Duchrow. Künstliche Intelligenz als Risikofaktor Zu einer Gefahr für Menschenrechte könnte sich auch die Nutzung von Künstlicher Intelligenz entwickeln, warnt Amnesty International. So werde derzeit über die Nutzung von Videoüberwachung und Gesichtserkennung sowohl bei den Olympischen Spielen in Frankreich als auch bei der Fußball-Europameisterschaft debattiert - entgegen dem von Deutschland in Aussicht gestellten Verbot der Gesichtserkennung. In einer solchen Praxis sieht die NGO einen möglichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Menschen. Eine andere von Amnesty International kritisierte Einsatzmöglichkeit von Systemen, die mit Künstlicher Intelligenz arbeiten, ist die biometrische Erfassung von nach Europa Geflüchteten. Auch bei der Verbreitung von Hetze könnten Systeme wie etwa ChatGPT genutzt werden, um Hassreden zu erstellen.
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2024-04-24
Haftbefehl gegen AfD-Mitarbeiter Jian G.
Vorwurf der Spionage für China
Ein Mitarbeiter des AfD-Spitzenkandidaten Krah soll für den chinesischen Geheimdienst spioniert haben. Jetzt hat ein Ermittlungsrichter einen Haftbefehl gegen Jian G. in Vollzug gesetzt, teilte die Bundesanwaltschaft mit.
Ein Mitarbeiter des AfD-Spitzenkandidaten Krah soll für den chinesischen Geheimdienst spioniert haben. Jetzt hat ein Ermittlungsrichter einen Haftbefehl gegen Jian G. in Vollzug gesetzt, teilte die Bundesanwaltschaft mit. Der wegen Spionageverdachts für China festgenommene Mitarbeiter des AfD-Europaabgeordneten Maximilian Krah ist in Untersuchungshaft. Ein Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof habe den Haftbefehl in der Nacht zum Mittwoch in Vollzug gesetzt, teilte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mit. Der Vorwurf lautet auf Agententätigkeit für einen ausländischen Geheimdienst in einem besonders schweren Fall. Der festgenommene Jian G. soll laut Generalbundesanwalt (GBA) Informationen aus dem EU-Parlament weitergegeben haben. Der Mitarbeiter war laut Bundesanwaltschaft vom Landeskriminalamt Sachsen am Montag in Dresden festgenommen worden. Wohnungen des Beschuldigten wurden demnach durchsucht. Krah bleibt Spitzenkandidat Krah selbst sprach erneut von einem "sehr schwerwiegenden Vorwurf". Er war am Vormittag zu Beratungen mit der AfD-Spitze zusammengekommen. AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl will er bleiben. Ihm sei "kein persönliches Fehlverhalten" vorzuwerfen. Seinem beschuldigten Mitarbeiter werde er noch im Laufe des Tages kündigen, sagte Krah in Berlin. Er sei an der Aufklärung der Vorwürfe gegen seinen Assistenten "sehr interessiert". In seinem Büro "werden wir weiter daran arbeiten, alles zu rekonstruieren, was im fraglichen Zeitraum überarbeitet wurde", so Krah weiter. Der Wahlkampf werde von den Vorwürfen "leider furchtbar überschattet". "Wir reden über China, nicht über Europa", so Krah und fügte hinzu: "Wir müssen wieder wegkommen von dieser sehr unangenehmen Angelegenheit." Die "Angelegenheit" müsse "dahin kommen, wo sie hingehört - zu den Justizbehörden". Krah ist Mitglied in den Ausschüssen für internationalen Handel, aber auch in den Unterausschüssen für Menschenrechte sowie Sicherheit und Verteidigung, außerdem ist er Teil der Delegation für Beziehungen zu den USA. Jian G. wohl für Chinas Geheimdienst tätig Der deutsche Staatsangehörige G. soll Mitarbeiter eines chinesischen Geheimdienstes sein. Seit 2019 soll er für Krah gearbeitet haben. Im Januar dieses Jahres soll er laut Generalbundesanwalt wiederholt Informationen über Verhandlungen und Entscheidungen im Europaparlament weitergegeben haben. Zudem habe er für den Nachrichtendienst chinesische Oppositionelle in Deutschland ausgespäht. China hatte die Spionagevorwürfe bisher klar zurückgewiesen. Die Anschuldigungen dienten dazu, "China zu verleumden und zu unterdrücken" und hätten das Ziel, "die Atmosphäre der Zusammenarbeit zwischen China und Europa zu zerstören", teilte Wang Wenbin, Sprecher des Außenministeriums in Peking, am Dienstag mit.
/inland/innenpolitik/haftbefehl-jian-g-afd-100.html
2024-04-24
Frauen haben weniger Geld im Alter
Gender Pension Gap bleibt groß
Die Alterseinkünfte von Frauen und Männern sind weiterhin unterschiedlich hoch. Der sogenannte Gender Pension Gap lag 2023 bei mehr als einem Viertel. Dadurch sind Frauen im Alter auch stärker von Armut betroffen.
Die Alterseinkünfte von Frauen und Männern sind weiterhin unterschiedlich hoch. Der sogenannte Gender Pension Gap lag 2023 bei mehr als einem Viertel. Dadurch sind Frauen im Alter auch stärker von Armut betroffen. Eine große Lücke klafft zwischen dem durchschnittlichen Einkommen im Alter zwischen Frauen und Männern. Was während des Berufslebens als Gender Pay Gap eine ungleiche Lohn- und Einkommenshöhe bezeichnet, findet im Gender Pension Gap seinen Ausdruck in unterschiedlich hohen Renten und Pensionen. Laut Berechnungen des Statistischen Bundesamtes bezogen Frauen ab 65 Jahren im vergangenen Jahr durchschnittliche Alterseinkünfte von rund 18.700 Euro brutto im Jahr. Bei Männern lag der Wert bei rund 25.600 Euro. Zu den Alterseinkünften zählen Alters- und Hinterbliebenenrenten und -pensionen sowie Renten aus individueller privater Vorsorge. Ohne Hinterbliebenenrenten ist die Kluft noch größer Wie die Behörde ermittelt hat, lag damit das geschlechtsspezifische Gefälle bei den Alterseinkünften bei 27,1 Prozent. Die Alterseinkünfte von Frauen waren danach durchschnittlich mehr als ein Viertel niedriger als die von Männern. Rechnet man die Hinterbliebenenrenten aus dieser Betrachtung heraus, liegt die geschlechtsspezifische Lücke sogar 39,4 Prozent, Frauen erhalten deutlich häufiger als Männer eine Hinterbliebenenrente ihres Partners. Für die deutliche Lücke bei den Alterseinkünften gibt es mehrere Gründe: Frauen erwerben im Laufe ihres Erwerbslebens im Schnitt geringere Rentenansprüche, weil sie teilweise in schlechter bezahlten Branchen arbeiten als Männer. Zudem arbeiten sie häufiger in Teilzeit, nehmen häufiger und längere Auszeiten für Betreuungsarbeit und sind seltener in Führungspositionen tätig. Armut im Alter ist vor allem weiblich Durch die geringeren Einkünfte im Alter sind Frauen stärker armutsgefährdert: 20,8 Prozent der Frauen ab 65 gelten als armutsgefährdet, bei den Männern derselben Altersgruppe liegt die Quote bei 15,9 Prozent. Eine Person gilt nach einer EU-Definition als armutsgefährdet, wenn sie über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt. 2023 lag dieser Wert für eine alleinlebende Person in Deutschland bei 15.715 Euro netto im Jahr (1.310 Euro netto im Monat). Das geschlechtssezifische Rentengefälle ist im Westen deutlich höher als im Osten Deutschlands. Während der Gender Pension Gap im früheren Bundesgebiet (ohne Berlin) 31,5 Prozent beträgt, liegt er in den neuen Ländern (einschließlich Berlin) bei 6,1 Prozent. Der Abstand zwischen den durchschnittlichen Bruttoalterseinkünften der Männer und Frauen ab 65 Jahren ist damit im Osten geringer als im Westen. Dabei erhalten Männer im Osten im Schnitt geringere Alterseinkünfte als Männer im Westen (Ost: 20.404 Euro, West: 26.541 Euro). Frauen beziehen hingegen im Osten im Schnitt höhere Alterseinkünfte als Frauen im Westen (Ost: 16.605, West: 14.916). Rentenerhöhung zum 1. Juli geplant Das Bundeskabinett entscheidet heute über die zum 1. Juli geplante Rentenerhöhung. Vorgesehen ist eine Anhebung der gesetzlichen Rente um 4,57 Prozent. Diese soll erstmals einheitlich im gesamten Bundesgebiet gelten, Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland gibt es nicht mehr. Die Erhöhung der Altersbezüge ergibt sich aus der Lohnentwicklung im Vorjahr. Anders als im vergangenen Jahr steigen die Renten damit wieder stärker als die Inflation. Die Teuerung war im März auf 2,2 Prozent zurückgegangen. Ökonomen haben die geplante Rentenerhöhung als wichtige Stütze für die Kaufkraft von Rentnern und für die Konjunktur begrüßt. "Auch mit diesem Anstieg liegt die Kaufkraft der Renten Ende 2024 noch immer niedriger als 2019, also vor Pandemie und Energiepreisschock", sagte der Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien, der "Rheinischen Post" (Mittwochsausgabe).
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2024-04-24
Deutschland attraktiv für ausländische Arbeitnehmer
Beliebteste Arbeitsstandorte
Deutschland belegt laut einer Umfrage den fünften Rang der beliebtesten Arbeitsstandorte. Beschäftigte, die hierzulande arbeiten, bleiben häufig im Land. Kriterium sind vor allem Arbeitsbedingungen.
Deutschland belegt laut einer Umfrage den fünften Rang der beliebtesten Arbeitsstandorte. Beschäftigte, die hierzulande arbeiten, bleiben häufig im Land. Kriterium sind vor allem Arbeitsbedingungen. Deutschland ist einer internationalen Umfrage zufolge für ausländische Arbeitnehmer nach wie vor ein attraktiver Ort. In der Rangliste der beliebtesten Arbeitsstandorte belegt die Bundesrepublik Platz fünf und ist damit das erste nicht-englischsprachige Land hinter Australien, den USA, Kanada und Großbritannien. Das zeigt eine heute veröffentlichte Befragung von 150.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus 188 Ländern. Eine weitere Erkenntnis der Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting Group, der Stellenbörse Stepstone sowie deren Dachverband The Network: In Deutschland lebende Arbeitnehmer zieht es in der Regel nicht in die Ferne. Befragt wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Oktober bis Dezember vergangenen Jahres. Deutsche bevorzugen Schweiz und Österreich Im internationalen Schnitt war ein knappes Viertel der Befragten aktiv auf der Suche nach einem Job im Ausland, und über 60 Prozent wären grundsätzlich bereit zu einem Umzug in ein anderes Land, heißt es in der Studie. Im mehrjährigen Vergleich hat die Bundesrepublik dabei offenbar an Anziehungskraft verloren: 2018 hatte Deutschland noch Rang zwei belegt. Vergleichsweise sesshaft sind laut Umfrage hingegen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland: Nach einem Auslandsjob suchten danach lediglich sieben Prozent der 14.000 hierzulande Befragten - darunter neben Einheimischen auch Einwanderer. Als bevorzugte Ziele wurden die Schweiz und Österreich genannt. Das ist auch im Vergleich mit Italien, Großbritannien oder den USA eine eher niedrige Quote: Denn dort erklärte jeweils ein mehr als doppelt so hoher Anteil, im Ausland arbeiten zu wollen. Am höchsten ist die Bereitschaft zur Arbeitsmigration in mehreren afrikanischen Staaten, berichten die Forschenden. An der Spitze steht Ghana mit 74 Prozent. In Indien waren es 54 Prozent, in der Türkei 35 Prozent. Dies gilt laut Umfrage auch für Hochqualifizierte: Gesondert ausgewertet wurde die Antworten der Akademiker in den jeweiligen Ländern, deren Wechselbereitschaft ins Ausland sich danach nur geringfügig von Arbeitnehmern ohne Studienabschluss unterscheidet. Schnellere Arbeitserlaubnis gefordert Weltweit beliebteste Stadt zum Arbeiten ist derweil London - vor Amsterdam und Dubai. Berlin liegt mit Platz sechs ebenfalls auf einem der vorderen Plätze, so die Studienautoren. Entscheidendes Kriterium bei einem Wechsel ins Ausland ist danach für die große Mehrheit der Befragten allerdings nicht das Land oder eine bestimmte Metropole, sondern die Attraktivität des Stellenangebots. Im Wettbewerb um Arbeitskräfte aus dem Ausland würden die Unternehmen gewinnen, die aus dem Ausland kommenden Arbeitnehmern attraktive Arbeitsbedingungen und organisatorische Hilfestellung böten, sagte BCG-Berater Jens Baier. Auch deshalb ist Deutschland offenbar im Ranking abgerutscht. Als Beispiel nannte Baier das Beantragen von Arbeitserlaubnissen: "Das ist leider häufig noch immer sehr mühsam in Deutschland." Etwa der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) forderte schon im September, beispielsweise Asylbewerbern relativ bald nach ihrer Ankunft eine Arbeitserlaubnis zu geben, falls sie Aussicht auf eine Anerkennung haben. Denn Arbeit könne einen wesentlichen Beitrag zur Integration leisten und der Bedarf sei da. Auch Vertreter der Ampel-Koalition hatten sich daraufhin dafür ausgesprochen, dass Geflüchtete künftig schneller und leichter Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten sollen.
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2024-04-24
Jobcenter-Mitarbeiter üben massive Kritik am Bürgergeld
Umfrage des DIW
Eine Mehrheit von Jobcenter-Beschäftigten hält das Bürgergeld einer neuen Umfrage zufolge für zu hoch. Die Studie des DIW und der Uni Bochum zeigt: Beim SPD-Prestigeprojekt ist noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Von Jan-Peter Bartels.
Eine Mehrheit von Jobcenter-Beschäftigten hält das Bürgergeld einer neuen Umfrage zufolge für zu hoch. Die Studie des DIW und der Uni Bochum zeigt: Beim SPD-Prestigeprojekt ist noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Von Jan-Peter Bartels "Das Bürgergeld wird eine der größeren Sozialreformen seit 20 Jahren", sagte Arbeitsminister Hubertus Heil an einem Morgen im Oktober 2022. Der Bundestag sprach über die Einführung des Bürgergelds - ein Thema, das dem Minister am Herzen liegt. Es solle kein bedingungsloses Grundeinkommen werden, erklärte er. Aber bei den Sanktionen werde man sich auf die hartnäckigen Fälle konzentrieren, bei denen es angebracht sei: "Der Geist der Bürgergelds ist ein anderer: Es ist der Geist der Ermutigung und Befähigung." 18 Monate ist das her. Die SPD hatte beim Bürgergeld viel vor. Es sollte den sozialen Zusammenhalt stärken und denen helfen, die in Not geraten. Es sollte die Wunden heilen, welche die Hartz-Reformen geschlagen hatten, auch in der SPD selbst. Und es sollte den Wählerinnen und Wählern zeigen, dass bei der Partei das Herz links schlägt. Ein voller Erfolg ist das Projekt bisher nicht: Die SPD hadert mit dem Geist, den sie rief. Skepsis und Ablehnung überwiegen "Das Bürgergeld hat vor allem ein Imageproblem", sagt Sozialwissenschaftler Jürgen Schupp, der gerade eine Untersuchung darüber durchgeführt hat. Für die Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Kooperation mit der Universität Bochum hat er zusammen mit Kollegen die Antworten ausgewertet, die sie von 1894 Mitarbeitenden aus sieben Jobcentern in Nordrhein-Westfalen im Januar und Februar dieses Jahres bekommen haben. Sein Ergebnis: "Bei den Jobcenter-Beschäftigen überwiegt Skepsis und Ablehnung. Sie erkennen nur wenige Verbesserungen." So lehnt die Mehrheit die Erhöhung des Regelsatzes ab. Das Bürgergeld war zu Jahresbeginn auf 563 Euro für Alleinstehende angehoben worden und damit um etwa 12 Prozent gestiegen. Diese Erhöhung sei zu hoch ausgefallen, finden mehr als 60 Prozent der Befragten. Fast drei Viertel des Jobcenter-Beschäftigten lehnen mildere Strafen ab Auch mildere Strafen für Bürgergeldbezieher, die Termine oder Fristen versäumen, lehnen 73 Prozent der Beschäftigten ab. Bisher konnte den Beziehern der Regelsatz bis zu 30 Prozent gekürzt werden, allerdings nur gestreckt über mehrere Schritte und Monate. Inzwischen ist es darüber hinaus möglich, das Bürgergeld für zwei Monate komplett zu streichen. Das gilt seit Ende März, war also während der Befragung noch nicht in Kraft. "Das Bürgergeld hat die Sanktionsmöglichkeiten gegenüber Jobverweigerern massiv aufgeweicht", kritisiert Stephan Stracke, Sprecher für Arbeit und Soziales der Unionsfraktion, mit Blick auf die Studie. Es brauche eine neue Balance zwischen Fördern und Fordern. Die scheint auch die Mehrheit der Beschäftigten in den Jobcentern zu vermissen, seit das Bürgergeld eingeführt wurde. Ihnen zufolge sind Bürgergeldbezieher schlechter erreichbar (sagen 59 Prozent der Befragten), weniger motiviert (59 Prozent) und machen weniger mit (62 Prozent). Die Anreize hätten sich verschlechtert, eine neue Stelle aufzunehmen (63 Prozent). "Die Kritik ist ein Warnsignal" "Die Kritik der Jobcenter-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist ein Warnsignal, das wir ernst nehmen müssen", sagt Pascal Kober, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Liberalen. "Es wäre fahrlässig, sich aus parteipolitischen Interessen heraus der Lebensrealität in den Jobcentern zu verschließen." Die FDP hatte erst kürzlich schärfere Sanktionen beim Bürgergeld in einer Beschlussvorlage für ihren Parteitag gefordert. Beim Bürgergeld muss die SPD nun also die Fliehkräfte in der Ampel ausgleichen. Das Sozialministerium erklärt in einer ersten Reaktion, dass ihnen die Studie noch nicht vorliege, es aber für ein Urteil über die Wirksamkeit der Neuregelungen noch zu früh sei. Für die Studie seien auch nur sieben Jobcenter in NRW befragt worden, das Ministerium erhalte aber aus Jobcentern überwiegend die Rückmeldung, dass die Neuregelungen grundsätzlich begrüßt würden. Das Ministerium verweist zudem darauf, dass man bei der neuen Berechnung des Regelsatzes auch Vorgaben des Verfassungsgerichts umgesetzt habe und es als Sanktion nun möglich sei, das Bürgergeld für zwei Monate vollständig zu entziehen. Für Heidi Reichinnek, sozialpolitische Sprecherin der Linken, ist klar: "Sanktionen verstärken das Misstrauen der Betroffenen in den Staat und grenzen sie noch weiter aus der Gesellschaft aus. Statt Sanktionen braucht es Begegnung auf Augenhöhe." Forscher fordert bessere Kommunikation Neun Seiten kurz ist die Zusammenfassung der Studie. Welch lange Diskussion die Zahlen auslösen können, ist Sozialwissenschaftler Schupp bewusst - auch wenn sich durchaus positive Aspekte in der Untersuchung finden. Die höheren Regelsätze für Kinder befürworten die Jobcenter-Mitarbeiter ebenso (55 Prozent Zustimmung) wie das verbesserte Coaching-Angebot für Langzeitarbeitslose (78 Prozent) und die Einführung einer Bagatellgrenze für Rückforderungen (47 Prozent). Schupp warnt vor "wohlbekannten Klischees und Stereotypen" in der Debatte über Bürgergeldempfänger und davor, direkte Handlungsempfehlungen aus der Untersuchung abzuleiten. Das wäre zu kurz gesprungen, sagte er, die Befunde der Studie seien nicht repräsentativ und könnten nur einen ersten Puzzlestein darstellen. Mit neuen Konzepten solle gewartet werden, bis umfassendere Forschungsergebnisse vorliegen. Das sei voraussichtlich im Herbst der Fall. Die beste politische Reaktion sei, den Umbauprozess besser zu erklären: "Die Kommunikation muss verbessert und die Debatte versachlicht werden."
/inland/buergergeld-studie-100.html
2024-04-24
Händler gegen Gebühren für Bargeldservice
Geldabheben im Supermarkt
Das Geldabheben an der Supermarktkasse ist für viele Verbraucher zum Alltag geworden. Die Einzelhändler zahlen den Banken eine Gebühr für diesen Service - zu Unrecht, meint der Verband HDE.
Das Geldabheben an der Supermarktkasse ist für viele Verbraucher zum Alltag geworden. Die Einzelhändler zahlen den Banken eine Gebühr für diesen Service - zu Unrecht, meint der Verband HDE. Für viele Supermarktkunden ersetzt die Kasse im Laden bereits den Gang zum Bargeldautomaten. Die Einzelhändler in Deutschland wollen aber nicht länger dafür zahlen, dass Kunden beim Einkaufen Bargeld abheben können. Dem Handelsverband Deutschland (HDE) zufolge sollen die Banken auf die für die Auszahlungen erhobenen Gebühren verzichten. "Die Banken reduzieren vielerorts Automaten und Filialen. Der Handel übernimmt einen Teil der Aufgaben, auf die Kunden angewiesen sind. Das sollte auch etwas wert sein", so HDE-Experte für Zahlungsverkehr, Ulrich Binnebößel, gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. 20 Prozent mehr Geld an der Kasse Das Volumen der Auszahlungen an den Ladenkassen ist auf 12,31 Milliarden Euro gestiegen, so das Handelsforschungsinstituts EHI. Das Abheben von Bargeld beim Einkaufen wird inzwischen von vielen Einzelhändlern angeboten. Mit der zunehmenden Nutzung steigen auch die Gebühren, die die Handelsunternehmen dafür an die Banken abführen müssen. Sie liegen nach Angaben des EHI pro Girocard-Transaktion zwischen 0,1 und 0,2 Prozent des ausgezahlten Betrages. Großen Filialisten wie die Supermarktkette Rewe verhandeln ihre Konditionen individuell mit den Banken. Zu den Unternehmen, die die Bargeldausgabe an der Kasse anbieten, zählen unter anderem die Lebensmitteleinzelhändler Rewe und Edeka, Drogerien wie dm und Rossmann und auch Baumärkte. Einer Studie zufolge geben sie mehr als 13 Prozent ihres vereinnahmten Bargelds wieder an ihre Kunden aus. Kosten auf Kunden umgelegt Im vergangenen Jahr haben die Einzelhändler 17,23 Millionen Euro Gebühren an die Banken gezahlt. Die Kosten werden nach Binnebößels Angaben auf die Endpreise umgelegt und somit an die Kunden weitergegeben. Für die Banken scheint ein Erlass der Gebühren nicht auf der Tagesordnung zu stehen. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DGSV) wies die Forderung zurück: "Die Händler bieten diesen Service freiwillig an. Viele von ihnen werben sogar damit und stellen die Möglichkeit, Bargeld an der Kasse zu erhalten, als besonderen Service für ihre Kundschaft dar", so ein Sprecher. "Es ist weder möglich noch wünschenswert, dass der Einzelhandel die Funktion von über 51.000 Geldautomaten in ganz Deutschland übernimmt", so der DGSV-Sprecher weiter. Der DSGV spricht für die Deutsche Kreditwirtschaft, den Dachverband der großen Bankenverbände. Gang zum Geldautomaten wird länger Für viele Bankkunden hat sich in den vergangenen Jahren der Weg zum Bargeld allerdings verlängert. Eine im Februar veröffentlichte Umfrage des Verbraucherzentrale Bundesverbandes zeigt: 26 Prozent der Befragten geben an, dass das Abheben von Bargeld in den vergangenen drei Jahren komplizierter geworden ist, weil Geldautomaten abgebaut und Bankfilialen geschlossen worden sind. Der Trend zu Filialschließungen und weniger Geldautomaten ist branchenweit schon seit Jahren zu beobachten. So schrumpfte etwa die Zahl der Bankstellen von Volks- und Raiffeisenbanken in Deutschland rasant - von 13.211 im Jahr 2012 auf 7.512 zehn Jahre später. Im Jahr 2022 selbst fiel die Zahl der für Deutschland gemeldeten Geldautomaten um fast fünf Prozent.
/wirtschaft/verbraucher/geldabheben-supermarkt-hde-100.html
2024-04-24
Destabilisierung nach außen, Machterhalt nach innen
Chinas Spionagetätigkeiten
Auch wenn Pekings Führung das abstreitet: Seit Jahren warnen Experten vor vielfältigen Versuchen Chinas, westliche Demokratien zu destabilisieren. Die jüngsten Festnahmen in Deutschland verleihen den Warnungen mehr Gewicht. Von B. Eyssel.
Auch wenn Pekings Führung das abstreitet: Seit Jahren warnen Experten vor vielfältigen Versuchen Chinas, westliche Demokratien zu destabilisieren. Die jüngsten Festnahmen in Deutschland verleihen den Warnungen mehr Gewicht. Von Benjamin Eyssel Die Pressekonferenz des Außenministeriums in Peking ist eine der wenigen Möglichkeiten für Journalisten, der chinesischen Staats- und Parteiführung Fragen zu stellen. Wang Wenbin, einer der Sprecher, weist die Spionagevorwürfe scharf zurück. Da werde etwas aufgebauscht, was nicht existent sei. Der Sprecher warf Deutschland vor, mit den jüngsten Vorgängen politische Narrative manipulieren zu wollen. Das Ziel sei klar: die Atmosphäre der Zusammenarbeit zwischen China und Europa zu stören. Für Beobachter eine erwartbare Reaktion: "China streitet bei solchen Vorwürfen grundsätzlich immer alles ab", sagt Mareike Ohlberg, die im Asienprogramm der US-Stiftung German Marshall Fund in Berlin zum Einfluss Chinas auf Demokratien forscht. Im Einzelfall könne sie die Aussagen zwar nicht unbedingt beurteilen, "aber als grundsätzliches Abstreiten ist es natürlich absurd. Wir wissen, dass China spioniert und das auch relativ systematisch tut". Spionage auf verschiedenen Ebenen Mit der Ausweitung der Macht und Kontrolle der Kommunistischen Partei unter Staats- und Parteichef Xi Jinping sind auch Chinas Geheimdienste und Überwachungsbehörden in den vergangenen Jahren immer mächtiger geworden. Unter anderem setzen sie zunehmend Technologie wie Gesichtserkennung und künstliche Intelligenz ein. Sie überwachen aber nicht nur Regierungskritiker und Minderheiten wie die Uiguren im eigenen Land. Geheimdienste und Sicherheitsbehörden weltweit weisen seit Jahren auf chinesische Einflussnahme und Spionage im Ausland hin. In Ländern wie den USA, Australien und Kanada sei man wegen der Bedrohung bereits viel stärker alarmiert. Dabei gebe es die unterschiedlichsten Formen, sagt Ohlberg: "Teilweise ist es Einflussnahme und Spionage auf politischer Ebene, indem man versucht, bei politischen Entscheidungsträgern einen Fuß in die Tür zu bekommen und darüber dann Informationen abzugreifen." Es gebe aber natürlich auch Industriespionage. "Es gibt Spionage, wo Wissen abgegriffen werden soll, das möglicherweise militärische Verwendung haben soll. Es gibt den Versuch, gegen Personen vorzugehen - in der Regel chinesischer Herkunft - die als Dissidenten oder Kritiker wahrgenommen werden, indem man über sie Informationen sammelt." Unruhe in Demokratien bringen Am Montag waren in Hessen und Nordrhein-Westfalen zwei Männer und eine Frau festgenommen worden. Sie sollen Informationen über Militärtechnik beschafft haben, um sie an den chinesischen Geheimdienst weiterzugeben. Am Dienstag wurde zudem ein Mitarbeiter des AfD-Europaabgeordneten Maximilian Krah in Sachsen festgenommen. Auch er soll für China spioniert haben. Dass die Volksrepublik versuche, auf Parteien wie die AfD Einfluss zu nehmen, sei keine Überraschung, so der Politologe Ralph Weber von der Uni Basel im Deutschlandfunk. Neben dem Abgreifen von Information habe die Staats- und Parteiführung ein generelles Interesse, für Unruhe und Streit in Demokratien zu sorgen: "Das ist für den Ein-Parteien-Staat gut, weil man zeigen möchte, dass in liberalen Demokratien Unordnung herrscht und sie nicht funktionieren." China hingegen wolle vermitteln: "Wir sind ein anderes Modell und unser autoritäres Modell funktioniert." Dazu käme die Möglichkeit, Agendapunkte in den demokratischen Prozess einzubringen, um so die öffentliche Meinung über China zu beeinflussen, so Weber. Aktuelle Fälle nur "Spitze des Eisbergs"? Der Bundesverfassungsschutz, der Militärische Abschirmdienst und der Bundesnachrichtendienst warnen zunehmend vor chinesischen Spionageversuchen in Deutschland. Mareike Ohlberg geht davon aus, dass die jetzt bekannt gewordenen Fälle nur die Spitze des Eisbergs sind "und dass es noch einige mehr Fälle gibt, die bisher noch nicht entdeckt wurden, oder über die öffentlich noch nicht kommuniziert wurde - vermutlich beides." Zumindest vom Ausmaß her seien die Versuche relativ systematisch.
/ausland/asien/china-spionage-100.html
2024-04-24
Bedrohen E-Rezept-Apps Apotheken vor Ort?
Experten schlagen Alarm
Aktuell profitieren stationäre Apotheken noch vom E-Rezept. Nun wird die digitale Rezeptabgabe bei den Online-Apotheken vereinfacht. Apotheken vor Ort könnten das Nachsehen haben. Von Angela Göpfert.
Aktuell profitieren stationäre Apotheken noch vom E-Rezept. Nun wird die digitale Rezeptabgabe bei den Online-Apotheken vereinfacht. Apotheken vor Ort könnten das Nachsehen haben. Von Angela Göpfert Am 23. Dezember 2023 schloss die Schwanen-Apotheke im hessischen Ginsheim für immer ihre Türen. Apothekerin Marina Preuhs war es trotz großer Mühen nicht gelungen, einen Nachfolger für das Familienunternehmen zu finden, das ihr Vater vor 74 Jahren gegründet hatte. Immer mehr Apotheken machen dicht Das Schicksal der Schwanen-Apotheke ist kein Einzelfall: Die Zahl der Apotheken ist in den vergangenen Jahren beständig gesunken, der Abwärtstrend zeigt sich vor allem im langfristigen Vergleich deutlich. So gab es 2013 immerhin 20.662 Apotheken in Deutschland, Ende 2023 waren es nur noch 17.571 - und damit so wenige wie seit 1980 nicht mehr. Binnen zehn Jahren haben mehr als 3.000 Apotheken dichtgemacht. Ein Ende des Abwärtstrends ist nicht in Sicht - im Gegenteil: Im ersten Quartal 2024 ist die Zahl der Apotheken in Deutschland nochmals um 142 gesunken. Ende März gab es bundesweit nur noch 17.429 Apotheken, wie aus Daten der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände hervorgeht. Der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes, Hans-Peter Hubmann, spricht angesichts der neuen Zahlen von einem "alarmierenden Zeichen": Im laufenden Jahr könnten mehr als 500 Apotheken verloren gehen. Holprige Einführung des E-Rezepts Auf der Suche nach Gründen für das Apothekensterben wird immer wieder auf die schwierige Nachfolger-Suche verwiesen, aber auch auf die angespannte Finanzlage vieler Apotheken. Branchenvertreter fordern daher unter anderem Honorar-Anhebungen. Zusätzliche Probleme verursacht nun aber die Einführung des E-Rezepts. Diese verlaufe technisch "immer noch sehr holprig", beklagte jüngst die Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Gabriele Overwiening. Wiederkehrende Systemausfälle führten dazu, dass Menschen teils stundenlang nicht ihre E-Rezepte einlösen konnten. E-Rezept einlösen - gewusst wie Verbraucher können bislang drei Wege nutzen, um ihr E-Rezept einzulösen: die elektronische Gesundheitskarte (EGK), einen Token-Ausdruck (QR-Code) und die Gematik-App. Einige Praxen sollen sich allerdings weigern, das E-Rezept auszudrucken oder den QR-Code digital bereitzustellen - obwohl sie eigentlich dazu verpflichtet sind. Versandapotheken sehen darin einen klaren Wettbewerbsnachteil gegenüber stationären Apotheken - haben Verbraucher bislang doch nur mit dem Ausdruck oder dem QR-Code die Möglichkeit, ihr E-Rezept online einzulösen. Redcare, Doc Morris und Co. haben dem Bundesgesundheitsministerium daher sogar mit einer Klage gedroht. Tatsächlich hat sich die Gematik-App und damit das Einlösen des E-Rezepts über das Smartphone in der Praxis bislang nicht durchsetzen können, seltener noch kommt der Ausdruck des Token zum Einsatz. Es dominiert die Einlösung in der Apotheke vor Ort, genügt dazu doch das einfache Einlesen der EGK. Rezept einlösen mit Smartphone und Gesundheitskarte Künftig sollen die Versandapotheken leichteren Zugang zum E-Rezept bekommen. Möglich macht dies eine technische Lösung namens CardLink: Für diesen vierten Einlöseweg braucht es nicht mehr als ein NFC-fähiges Smartphone und eine ebenfalls NFC-fähige Versichertenkarte - die selbe Technologie, die auch beim kontaktlosen Bezahlen zum Einsatz kommt. Hält der Patient seine EGK ans Smartphone, erhält er automatisch die Aufforderung, die letzten sechs Ziffern der Kartennummer einzugeben. Die CardLink-Lösung ermöglicht so das volldigitale Einlösen von E-Rezepten via App. Verschafft CardLink den Online-Apotheken einen Vorteil? Die Idee wurde vom Verband europäischer Online-Apotheken vorangetrieben - und die Versand-Apotheken sollen denn auch der große Nutznießer des Verfahrens sein. Laut einem Bericht von heise online befürchten Experten für Telematikinfrastruktur im Gesundheitswesen, dass CardLink die Versandapotheken gegenüber den Vor-Ort-Apotheken bevorteile. Schließlich seien die Online-Apotheken in der Lage, eigene Apps zu entwickeln - und diese könnten womöglich so konzipiert werden, dass Patienten eine Vor-Ort-Apotheke über den Apotheken-Verzeichnisdienst gar nicht mehr auswählen können. Redcare Pharmacy: Anleger hoffen aufs E-Rezept Das CardLink-Verfahren könnte Branchenkennern zufolge ab Mitte Mai in der Breite eingesetzt werden. Die nächsten Wochen und Monate dürften dann zeigen, ob die Versandapotheken nennenswerte Anteile am Geschäft mit verschreibungspflichtigen Medikamenten erobern können. Wie gut es den Online-Apotheken schon jetzt geht, zeigt ein Blick auf die Jahreszahlen von Redcare Pharmacy (ehemals Shop Apotheke Europe). Die Versandapotheke steigerte ihren Umsatz im vergangenen Jahr um 49 Prozent auf einen Rekordwert von 1,8 Milliarden Euro. Auch die Aktienkursentwicklung spricht für sich: Im vergangenen Jahr waren die mittlerweile im MDAX notierten Papiere um rund 200 Prozent in die Höhe geschnellt - getrieben von den Hoffnungen auf gute Geschäfte mit dem E-Rezept in Deutschland.
/wirtschaft/verbraucher/e-rezept-apotheken-sterben-gesundheitskarte-docmorris-redcare-100.html
2024-04-24
Auch US-Senat billigt Ukraine-Hilfen
Nach Repräsentantenhaus
Nach monatelanger Verzögerung hat nun auch der US-Senat das milliardenschwere Hilfspaket für die Ukraine durchgewunken. Jetzt soll es schnell gehen: Noch in dieser Woche könnten neue US-Waffen das Land erreichen. Von Ralf Borchard.
Nach monatelanger Verzögerung hat nun auch der US-Senat das milliardenschwere Hilfspaket für die Ukraine durchgewunken. Jetzt soll es schnell gehen: Noch in dieser Woche könnten neue US-Waffen das Land erreichen. Von Ralf Borchard 79 Ja- zu 18 Nein-Stimmen: Mit großer, parteiübergreifender Mehrheit hat auch der US-Senat den neuen Ukraine-Hilfen zugestimmt. Nach sechs Monaten Hängepartie ist das Hilfspaket der USA damit endgültig gesichert. Es hat einen Gesamtumfang von 61 Milliarden Dollar, umgerechnet 57 Milliarden Euro. Der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, sprach von einer "einheitlichen Botschaft des Senats an die gesamte Welt". Die USA werden "die Demokratie in der Stunde der Not immer verteidigen", so Schumer. Präsident Joe Biden erklärte unmittelbar nach der Senatsabstimmung, er werde das Gesetz unterzeichnen, sobald es am heutigen Mittwoch auf seinem Tisch liege. Waffenlieferungen womöglich noch diese Woche Biden kündigte die ersten neuen Waffenlieferungen an die Ukraine noch in dieser Woche an. Laut der Zeitung New York Times geht es dabei auch um Bestände der US-Armee, die bereits in Deutschland lagern und kurzfristig per Zug in die Ukraine gebracht werden können. Pat Ryder, Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, hatte bereits vor der Senatsabstimmung angekündigt, dass zunächst vor allem Flugabwehrsysteme und Artillerie-Munition geliefert werden sollen. Danach gefragt, was die lange erwartete US-Entscheidung für den Kriegsverlauf bedeute, sagte der frühere US-Botschafter in der Ukraine, John Herbst: "Es ist definitiv noch nicht zu spät für die Ukraine. Unsere Versäumnis, sechs Monate lang keine Militärhilfe zu leisten, hat zu deutlich mehr ukrainischen Toten geführt, auch unter der Zivilbevölkerung, angesichts der massiven russischen Luftangriffe", so Herbst im Radiosender NPR. Aber die ukrainische Front habe weitgehend gehalten. "Wenn wir von jetzt an die Unterstützung der Ukraine auf dem Niveau der Zeit vor dieser Verzögerung beibehalten, wird die Ukraine gewinnen", ist Herbst überzeugt. "Und wenn die US-Regierung den Mut hat, der Ukraine noch weitreichendere Waffen zu liefern, wird dieser Sieg früher kommen." Milliardenpaket für Israel und den Gazastreifen Das vom US-Senat gebilligte Gesetzespaket umfasst auch neue Unterstützung für Israel im Umfang von 26 Milliarden Dollar. Auch hier geht es unter anderem um Flugabwehrsysteme und weitere Militärhilfe. Neun Milliarden Dollar sind für humanitäre Hilfe vorgesehen, auch für die Menschen im Gazastreifen. Außerdem sind rund acht Milliarden Dollar an Unterstützung für Taiwan und andere Partnerländer der USA im Indopazifik enthalten, hier geht es um militärisches Gegengewicht zu China. Druck auf TikTok Weiterer Teil des Pakets ist ein Gesetz, das einen Eigentümerwechsel bei TikTok erzwingen soll. Der in China ansässige Bytedance-Konzern hat demnach ein Jahr Zeit, sich von der Kurzvideo-App zu trennen. Ansonsten soll sie aus amerikanischen App-Stores verbannt werden. Es ist allerdings unklar, ob dieses Vorhaben vor US-Gerichten Bestand haben wird. Schon eine frühere Verbotsandrohung ist in den USA gerichtlich gescheitert.
/ausland/amerika/us-senat-ukraine-hilfe-104.html
2024-04-24
Wie man Versuchstiere durch Miniorgane ersetzen kann
Arzneimittelforschung
Anlässlich des Welttags der Versuchstiere fordern Tierschützer erneut, Pharmazeutika nicht an Lebewesen zu testen. Es gäbe Alternativen, die Tierversuche ersetzen könnten - etwa die Organ-on-a-Chip-Technik. Von Frank Wittig.
Anlässlich des Welttags der Versuchstiere fordern Tierschützer erneut, Pharmazeutika nicht an Lebewesen zu testen. Es gäbe Alternativen, die Tierversuche ersetzen könnten - etwa die Organ-on-a-Chip-Technik. Von Frank Wittig, SWR Im Jahr 1979 wurde der 24. April erstmals zum Welttag der Versuchstiere erklärt. Seitdem wird zu diesem Datum gegen Tierversuche demonstriert, die vor allem bei der Entwicklung von Pharmazeutika und Kosmetika auch in Deutschland millionenfach durchgeführt werden. Tierschützer weisen auf ethische Bedenken und die oft mangelhafte Übertragbarkeit von Daten aus Tierversuchen auf den Menschen hin. Außerdem erklären sie, es gäbe längst alternative Testmethoden - vor allem Organ-on-a-Chip-Systeme - mit denen Tierversuche ersetzt werden können. Ist die Technik tatsächlich schon so weit? Organ-on-a-Chip Die Organ-on-a-Chip-Technik (OoC) ist eine Art hochentwickelter Urenkel der Zellkultur, die schon seit Jahrzehnten in der Arzneimittelforschung verwendet wird. Zellkulturen bestanden zunächst nur aus einem Zelltyp, der in einem Nährmedium kultiviert wurde. So ließ sich etwa an einer Kultur aus Nervenzellen untersuchen, ob ein Kandidat für ein Arzneimittel nervenschädigend ist. Doch die Aussagekraft solcher Tests ist sehr begrenzt. Die Organ-on-a-Chip-Technologie ermöglicht eine bessere Abbildung der biologischen Prozesse, die sich im menschlichen Körper abspielen. Miniorgane aus Stammzellen Dazu werden in der Regel Stammzellen bestimmter Gewebetypen - etwa aus der Leber - in einem mikrofluidischen Zellkultursystem angesiedelt. Mikrofluidisch bedeutet: Feinste Kanäle stellen sicher, dass das Gewebe mit Flüssigkeit und Nährstoffen versorgt wird und dass biochemische Signale innerhalb des Zellverbandes übermittelt werden können. Aus den Stammzellen entwickeln sich verschiedene Zelllinien. Ein differenziertes Gewebe entsteht, das einem Organ physiologisch sehr viel näherkommt als eine einzelne Zelllinie. Der Mikrochip, auf dem die Miniorgane aufgebaut sind, ermöglicht es, biochemische und bioelektrische Prozesse in den Miniorganen auszulesen und liefert so Erkenntnisse über Wirkung und Verträglichkeit der getesteten Arzneimittel. Multiorgan-on-a-Chip Auf der Basis dieser Technik wurden bisher unter anderem Gewebe aus Gehirn, Darm, Lunge, Herz, Niere und Prostata kultiviert. OoC können auch miteinander kombiniert werden. Die Forschenden sprechen dann von einem Multiorgan-on-a-Chip-System (MOoC). Besonders vielversprechend ist die Kombination eines OoC des Gewebes, auf das ein Medikament abzielt, mit einem OoC der Leber. So kann die Wirksamkeit im Zielgewebe studiert und gleichzeitig getestet werden, wie das Entgiftungsorgan Leber mit dem Medikament umgeht. Bei aller Euphorie, die in Bezug auf die Leistungsfähigkeit dieser OoC verbreitet wird, muss berücksichtigt werden: Die Technik ist sehr jung und steckt im Prinzip noch in den Kinderschuhen. Die nächsten Jahre müssen zeigen, wie zuverlässig diese Strategie ist und wieviel Entwicklungspotenzial sie beinhaltet. Viele Tierversuche können mittelfristig ersetzt werden Um alle Wechselwirkungen von Medikamenten im Körper zu studieren, müssten theoretisch alle 21 Organe auf Chips abgebildet und miteinander verbunden werden. Die größte bisher (2024) erreichte Zahl liegt bei zehn OoC. Diese MOoC stellen ein platzsparendes und günstiges Instrument für medizinische Forschung und Arzneimittelentwicklung dar. Doch auch damit lässt sich die Komplexität eines kompletten Lebewesens nicht abbilden. Bei allen Schwächen, die Tiermodelle haben: Auf absehbare Zeit sind sie aus der Arzneimittelforschung nicht wegzudenken. Optimistische Schätzungen gehen aber davon aus, dass mittelfristig bis zu 80 Prozent der Tierversuche auf diesem Gebiet von den Organ-on-a-Chip-Systemen ersetzt werden könnten.
/wissen/forschung/tag-der-versuchstiere-100.html
2024-04-24
Menschenhandel, Manipulation, Machtmissbrauch
Vorwürfe gegen Yoga-Guru
Über Jahre wurden Schülerinnen der Yogabewegung Atman offenbar zur "sexuellen Initiation" zu ihrem Guru gebracht. BR-Recherchen geben Einblick in Manipulation und Machtmissbrauch. Zur Bewegung gehören auch deutsche Schulen.
Über Jahre wurden Schülerinnen der Yogabewegung Atman offenbar zur "sexuellen Initiation" zu ihrem Guru gebracht. BR-Recherchen geben Einblick in Manipulation und Machtmissbrauch. Zur Bewegung gehören auch deutsche Schulen. Von Christiane Hawranek und Katja Paysen-Petersen, BR Als Nathalie, eine junge Frau aus Deutschland, 2021 zum ersten Mal vor ihrem Guru stand, da hatte er nur einen Bademantel übergestreift. Gregorian Bivolaru war zu diesem Zeitpunkt rund siebzig Jahre alt und wurde von Interpol gesucht - wegen des Verdachts auf Menschenhandel. In Nathalies Yogabewegung hieß es, er werde politisch verfolgt.  Nathalie besuchte erst Yoga-, dann auch Tantra-Kurse in einer Mitgliedsschule. "Das wird jetzt ein mega Event, das wird dein Leben verändern", so in etwa sei ihr der Besuch bei Bivolaru irgendwo bei Paris angepriesen worden. Sie werde bei einer "Tantra-Initiation" in die Geheimnisse der Liebe eingeweiht. Nathalie und andere Frauen beschreiben das als stundenlangen Sex. Im Nachhinein fühlt Nathalie sich mental missbraucht: von ihrem Guru und von der Yogabewegung, über die sie zu ihm gebracht wurde. Yoga-Bewegung in 30 Ländern aktiv Bivolaru gründete die erste Schule der Yogabewegung vor mehr als 30 Jahren in Rumänien unter dem Namen MISA. Heute gehört die Schule zum Dachverband Atman, der derzeit Mitgliedsschulen in 30 Ländern hat, auch in Deutschland. Die Schulen sind eigenständig organisiert und heißen fast überall anders, hierzulande "Deutsche Akademie für traditionelles Yoga". Für den BR-Podcast "Seelenfänger - Toxic Tantra" sprachen Reporterinnen mit ehemaligen Anhängerinnen und Anhängern von Atman. Acht Frauen berichten, ebenfalls zur "Initiation" in Paris gewesen zu sein. Andere erhielten eine Einladung für dieses Treffen am geheimen Aufenthaltsort ihres Yoga-Gurus, fuhren aber nicht hin. Die Schilderungen der Frauen ähneln sich, sogar in Details, obwohl sie bis zu 15 Jahre auseinander liegen. Offenbar systematisches Vorgehen Nathalie und andere Frauen erzählen beispielsweise, dass sie, als sie mit dem Auto zu Bivolaru gebracht wurden, von innen verklebte Sonnenbrillen und Hüte mit breiter Krempe tragen sollten, um nicht zu sehen, wo genau ihr Guru sich aufhält. Sie erinnern sich, Geldbeutel und Handys abgegeben zu haben. Sie berichten von engen Wohnungen, in denen sie zusammen mit anderen Frauen auf das Treffen mit Bivolaru warteten und sich stundenlang erotische Filme ansahen: eine Art Indoktrinierung, mit dem Ziel, die perfekte "Shakti" zu werden, das Idealbild der Frau im Sinne der Yogabewegung. Auch das Treffen mit Bivolaru selbst und den Ablauf der anschließenden "Initiation" beschreiben die Frauen ähnlich. Ermittlungen auf Deutschland ausgeweitet Während der Recherche im November 2023 wurde Bivolaru bei einer groß angelegten Razzia in der Nähe von Paris festgenommen. Die französischen Behörden hatten zuvor Anzeigen von mehreren Frauen erhalten. Seitdem sitzen Bivolaru und fünf weitere Personen aus seinem Umfeld in Untersuchungshaft. Die Vorwürfe: Menschenhandel, Vergewaltigung, Entführung in einer organisierten Bande, Vertrauensmissbrauch. Es gilt die Unschuldsvermutung. Auf Anfrage bei seinem Anwalt äußert sich Bivolaru nicht. Nach BR-Informationen wurden bei der Razzia in mehreren Gebäuden in Frankreich 58 Frauen vorgefunden, darunter eine Deutsche. Sie seien in beengten und unhygienischen Verhältnissen untergebracht gewesen. Die Ermittlungen wurden auch auf Deutschland ausgeweitet, wie BR-Recherchen ergaben. Auf Anfrage teilt die Staatsanwaltschaft Berlin mit, dass es Ermittlungen nach einem Rechtshilfeersuchen aus Frankreich gab. Man sei "unterstützend tätig" geworden. Die französischen Behörden geben dem BR dazu keine Details bekannt, da diese dem "Untersuchungsgeheimnis" unterliegen würden. Yoga-Schule: "Null Zweifel" an der Unschuld Der Verband Atman äußert sich auf BR-Anfrage nicht zu den Vorwürfen, verweist aber auf seine Webseite. Dort finden sich Pressemitteilungen der ältesten Mitgliedsschule MISA aus Rumänien, bei der auch Nathalie Kurse belegt hat. Pressesprecherin Cosmina Oprea sagt, sie habe "null Zweifel", dass Bivolaru unschuldig sei. Falls etwas Schlechtes in der Schule passieren würde, erklärt sie, dann würden nicht Tausende von Menschen über Jahre dort bleiben. Auf die Frage, ob Yogaschülerinnen bei Bivolaru zur tantrischen "Initiation" waren, sagt sie: "Ich kann diese Frage nicht beantworten." Den Missbrauchsvorwürfen von Yogaschülerinnen entgegnet sie, das sollten die Frauen erst einmal beweisen. Die "Deutsche Akademie für traditionelles Yoga" (DAtY) schreibt auf Anfrage: In Aktivitäten, die die Ermittler Bivolaru vorwerfen, sei der Verein nicht involviert. Auf der Webseite des Vereins steht, dass einige Kursleiter und Teilnehmer Bivolaru als spirituellen Lehrer gewählt haben. Dies sei jedoch eine freie Entscheidung, daher sei die DAtY auch keine sektenhafte Organisation. Experten sehen Sektenmerkmale Die Vorwürfe von Aussteigerinnen beschränken sich nicht auf Manipulation zu Sex. Mehr als 20 Frauen und Männern, die bei Atman mitgemacht haben, berichten den BR-Reporterinnen von einem Geflecht aus Machtmissbrauch und Manipulation. Sie erzählen davon, erst einfach nur Yoga gemacht zu haben. Dann fühlten sie sich immer tiefer hineingezogen in eine Welt, in der sie Engel anbeten und sich vor Dämonen in Acht nehmen sollten - vor angeblich satanischen Medien zum Beispiel. Sie berichten von spirituellen Tests, von bedenklichen Fastenritualen, von Entfremdung von ihrem alten Leben und Manipulation. Die Folge ist, dass Betroffene ihrer Intuition nicht mehr vertrauen. Experten sehen hierin Sektenmerkmale. Machtmissbrauch kein Straftatbestand Die Juristin Anja Gollan von der Sekteninfo NRW hatte bereits mit ehemaligen Anhängern dieser Yogabewegung zu tun. Sie schätzt die rechtliche Lage in Frankreich anders ein als in Deutschland. Beispielsweise gibt es den dort bestehenden Straftatbestand des Vertrauensmissbrauchs beziehungsweise Missbrauchs psychischer Schwäche hierzulande so nicht. Sie erklärt: "Manipulation oder Machtmissbrauch sind keine Straftatbestände." Dennoch werden ihrer Meinung nach die rechtlichen Möglichkeiten oft nicht ausgeschöpft. Der Missbrauch in einer Therapie ist bislang unter den Voraussetzungen des § 174 c Absatz 2 des Strafgesetzbuchs strafbar. Die Rechtsprechung wendet ihn aktuell bei Psychotherapeuten an, er könnte aber nach Ansicht einiger Juristen auch auf "alternative Therapeuten" wie zum Beispiel spirituelle Meister angewandt werden. Nach BR-Recherchen haben jetzt auch Frauen in Deutschland Anzeige erstattet. Mehr zum Thema gibt es zu hören im Podcast "Seelenfänger" des Bayerischen Rundfunks, der sich mit Sekten und neureligiösen Kulten beschäftigt.
/investigativ/br-recherche/yoga-bewegung-atman-machtmissbrauch-manipulation-100.html
2024-04-24
Ab 2030 soll jede Verpackung recycelbar sein
Neue EU-Verordnung
Große Pakete, die mehr Luft als Produkt enthalten, soll es in der EU künftig nicht mehr geben. Ketchup-Plastiktüten und kleine Shampoo-Spender auch nicht. Das sieht eine Verordnung vor, über die das Parlament heute abstimmt. Von Paul Vorreiter.
Große Pakete, die mehr Luft als Produkt enthalten, soll es in der EU künftig nicht mehr geben. Ketchup-Plastiktüten und kleine Shampoo-Spender auch nicht. Das sieht eine Verordnung vor, über die das Parlament heute abstimmt. Von Paul Vorreiter In der EU sammelt sich immer mehr Verpackungsmüll an und das Recycling hält damit nicht Schritt. Jeder Einwohner in Deutschland sammelt jedes Jahr rund 225 Kilogramm Verpackungsabfälle an - so viel, wie etwa drei Waschmaschinen wiegen. Und die Tendenz ist steigend. Dem will die neue EU-Verpackungsverordnung etwas entgegensetzen. "Durch die neuen europäischen Vorschriften zur Reduzierung des Verpackungsmaterials werden die Mülltonen zu Hause nicht mehr so schnell überquellen", sagt die SPD-Europaabgeordnete Delara Burkhardt. Es wird Schluss sein mit Versandpaketen, die mehr Luft als Produkt enthalten. Und auch mit klareren Hinweisen auf den Verpackungen vereinfachen wir die richtige Mülltrennung zu Hause." Bleiben dürfen die Holzschälchen Insgesamt soll die Menge an Verpackungsmüll bis 2040 um 15 Prozent sinken - verglichen mit dem Basiswert aus dem Jahr 2018. Dafür soll die EU unter anderem auf mehr Mehrweg umsteigen, ähnlich wie es in Deutschland bereits gängig ist - durch Pfandsysteme für Einwegplastikflaschen oder Aluminiumdosen. Allerdings sind auch Ausnahmen vorgesehen. "Beim Versandhandel gibt es keine Pflicht, auf das Thema Mehrweg zu gehen, wenn man nachhaltige Materialien nutzt, die eine hohe Recyclingquote haben", sagt der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese. Bestimmte Wegwerfverpackungen sollen aber ganz verboten werden. Das betrifft die Ketchup-Plastiktüten oder die kleinen Shampoo-Spender, wie man sie aus Hotels kennt. Auch darf leichtes Obst und Gemüse unter anderthalb Kilo in Zukunft nicht mehr in Wegwerf-Plastikverpackungen verkauft werden. Bleiben dürfen dagegen Holzschälchen, in denen der Camembert liegt, ebenso Papiertütchen für Salz oder Pfeffer. "Es ist uns gelungen, in den Verhandlungen mit dem Ministerrat diese ganzen Verbote auf Plastik zu begrenzen. Es gibt also keine Verbote für Materialien aus Papier", erklärt der CDU-Europaabgeordnete Liese. "Gute Nachricht für Verbraucher und Umwelt" Von 2030 an soll grundsätzliche jede Verpackung recycelbar sein. Ebenso reglementiert die neue Verordnung den Einsatz gesundheitsschädigender Stoffe in Verpackungen, die direkt mit Lebensmitteln in Kontakt kommen: Dazu zählen sogenannte PFAS - also per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen - oder Bisphenol A, dem unter anderem die WHO hormonähnliche Wirkung zuschreibt. Die Stoffe werden häufig verwendet, um Lebensmittelverpackungen aus Papier und Pappe feuer- oder wasserdicht zu machen. "Neue Grenzwerte für gesundheitsschädliche PFAS-Ewigkeitschemikalien in Lebensmittelverpackungen werden auch den Gesundheitsschutz erhöhen", sagt SPD-Umweltpolitikerin Burkhardt. Die neuen Regeln für Verpackungen in der Europäischen Union seien "nicht nur eine gute Nachricht für die Umwelt, sondern auch für Verbraucherinnen und Verbraucher". Die neue Verordnung ersetzt eine fast 30 Jahre alte Richtlinie und soll von 2025 an nach und nach wirksam werden. In einer früheren Version des Artikels las sich die Formulierung so, als zähle Bisphenol A ebenfalls zu den PFAS. Dies haben wir korrigiert.
/ausland/europa/eu-verpackung-muell-100.html
2024-04-24
Was die Frühjahrsprojektion für den Haushalt bedeutet
Wirtschaftliche Entwicklung
Wirtschaftsminister Habeck stellt heute die Frühjahrsprojektion der Bundesregierung vor. Prognosen zeigen, dass Deutschland Schlusslicht unter den großen Industriestaaten bleibt. Was bedeutet das für den Haushalt? Von Martin Polansky.
Wirtschaftsminister Habeck stellt heute die Frühjahrsprojektion der Bundesregierung vor. Prognosen zeigen, dass Deutschland Schlusslicht unter den großen Industriestaaten bleibt. Was bedeutet das für den Haushalt? Von Martin Polansky Die Zahlen verheißen nichts Gutes. Alle Konjunkturprognosen aus den vergangenen Wochen hatten eins gemeinsam: Die Wachstumsaussichten für die deutsche Wirtschaft bleiben erst mal schlecht. Und nach Einschätzung von Oliver Holtemöller, dem Vize-Chef des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, werden die neuesten Zahlen, die Wirtschaftsminister Robert Habeck heute vorstellen wird, nicht besser aussehen: Die Frühjahrsprojektion der Bundesregierung wird aller Voraussicht nach schwächer ausfallen als die Projektion vom Herbst. Das heißt, ein niedrigeres Wirtschaftswachstum wird erwartet werden. Diese jetzige Frühjahrsprojektion wird dann maßgeblich sein für die Steuerschätzung im Mai. Die Wirtschaftsforschungsinstitute hatten erst vor einem Monat ihre Zahlen nach unten korrigiert. Sie rechnen für dieses Jahr nur mit einem Mini-Wachstum von 0,1 Prozent und für 2025 mit einem Plus von 1,4 Prozent. Die Frühjahrsprojektion der Bundesregierung dürfte davon kaum abweichen. Das bedeutet: Die deutsche Wirtschaft kommt nur langsam in Fahrt nach der Rezession des vergangenen Jahres, die unter anderem bedingt war durch hohe Energiepreise, die Inflation und hohe Zinsen sowie eine international geringere Wettbewerbsfähigkeit, die weiter anhält. Grundlage für Steuerschätzung im Mai So weit, so schlecht. Das besondere an der heutigen Frühjahrsprojektion ist, dass sie die Grundlage bilden wird für die Steuerschätzung im Mai. In diese Steuerschätzung wird wiederum entscheidend für die Haushaltsaustellung der Bundesregierung. Es geht um die Frage, wieviel Geld der Bund voraussichtlich im kommenden Jahr durch Steuereinahmen zur Verfügung haben wird. Laut Wirtschaftsforscher Holtemöller gilt im Prinzip, dass die Steuereinnahmen niedriger ausfallen, "wenn die Konjunktur schlechter läuft. Das gilt auch für Sozialversicherungsbeiträge, die für den gesamtstaatlichen Haushalt ebenfalls relevant sind." Mehr Schuldenaufnahme möglich Allerdings spielen auch andere Faktoren hinein, die den Einbruch der Steuereinnahmen abdämpfen, so Holtemöller: "Der Arbeitsmarkt ist weiter sehr robust in Deutschland und auch die Lohnerhöhungen sind relevant. Wenn wir gute Tarifabschlüsse haben, profitiert auch der Staat über die Lohnsteuereinnahmen." Zudem habe die nach wie vor erhöhte Inflation den Effekt, dass einige staatliche Einnahmen nominal höher ausfallen. Holtemöller rechnet daher nicht damit, dass die Frühjahrsprojektion weitreichende Folgen für die Steuerschätzung und den Bundeshaushalt haben wird. Hinzu kommt ein weiterer Effekt: Auch unter Einhaltung der Schuldenbremse kann der Bund 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts an Krediten aufnehmen. Lauf ifo-Institut in München entspricht das derzeit etwa 14 bis 15 Milliarden Euro. Und die sogenannte Konjunkturkomponente der Schuldenbremse sieht vor, dass der Spielraum etwas größer wird, wenn die Wirtschaft schlecht läuft. Das könnte 2025 noch mal rund sechs Milliarden Euro zusätzlich an Krediten ermöglichen, so die ifo-Einschätzung. Also alles in allem rund 20 Milliarden Euro. Der Finanzplan des Bundes sieht derzeit noch eine Nettokreditaufnahme von 16 Milliarden Euro im nächsten Jahr vor. Union: Kein Einnahme-, sondern ein Ausgabenproblem Aus Sicht von Christian Haase, dem haushaltspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, hat der Bund kein Einnahmenproblem, sondern ein Ausgabenproblem. Daran werde auch die Frühjahrsprojektion und die anschließende Steuerschätzung nichts ändern. Deshalb geht es aus Haases Sicht jetzt darum, sich die Ausgaben im Bundeshaushalt anzusehen und zu fragen: "Können und wollen wir uns das in Zukunft noch leisten?". Auch die beiden Chefhaushälter von FDP und Grünen, Otto Fricke und Sven-Christian Kindler, rechnen nicht mit großen Verschiebungen durch die Frühjahrsprojektion und die Steuerschätzung. Aber die Aufstellung des Bundeshaushaltes werde schwierig. Denn derzeit klafft eine Lücke in Höhe von rund 25 Milliarden Euro zwischen Einnahmen und den zu erwarteten Ausgabenwünschen. Allerdings haben die Ministerien noch bis zum 2. Mai Zeit, konkrete Zahlen vorzulegen. FDP-Haushälter Fricke rechnet damit, dass etwa Verteidigungsminister Boris Pistorius einen höheren Bedarf anmelden wird. "Auch der FDP-Verkehrsminister wird wohl sagen: 'Ich muss mehr investieren und brauche daher mehr Geld'. Und auch die Außenministerin von den Grünen wird aufgrund der vielen internationalen Krisen sagen: 'Ich brauche mehr Geld für die humanitäre Hilfe'", vermutet Fricke. Er betont aber, dass Mehrausgaben an der einen Stelle durch Kürzungen an einer anderen Stelle ausgeglichen werden müssen. Grüne: Warnung vor "brutalem Sparkurs" Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen, Kindler, warnt dagegen vor einem "brutalen Sparkurs in einer gesellschaftlich und wirtschaftlich schwierigen Lage". Es gehe darum, insbesondere die öffentlichen Investitionen zu stärken und die soziale Gerechtigkeit im Auge zu behalten. Trotz der großen Differenzen innerhalb der Ampelkoalition insbesondere in der Finanzpolitik zeigt sich Kindler zuversichtlich: "Die Regierung und die Ampel-Koalition werden einen guten und soliden Haushalt ausstellen. Man kann die Haushaltsprobleme lösen, wenn man will." Laut Zeitplan soll das Bundeskabinett den Haushaltsentwurf für 2025 am 3. Juli beschließen. Zuvor muss der Arbeitskreis Steuerschätzung am 16. Mai seine Einschätzung zu den Einnahmeerwartungen abgeben - orientiert an den Konjunkturaussichten aus der Frühjahrsprojektion. Das eine ist das technische Vorgehen, das andere die Frage, ob die Koalition Kraft findet, sich noch mal auf einen Etat zu verständigen.
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2024-04-24
Wall-Street-Anleger kehren zurück
Bilanzen im Fokus
Solide Bilanzen haben wie zuvor schon beim DAX auch an der Wall Street für Zuversicht bei den Anlegern gesorgt. Nun wartet alles auf die Schwergewichte aus dem Tech-Sektor.
Solide Bilanzen haben wie zuvor schon beim DAX auch an der Wall Street für Zuversicht bei den Anlegern gesorgt. Nun wartet alles auf die Schwergewichte aus dem Tech-Sektor. Auch an den US-Börsen standen wie zuvor schon in Europa neue Quartalsberichte der Unternehmen im Mittelpunkt. Diese wurden überwiegend positiv aufgenommen und stützten damit - wie schon am Vortag - die großen Indizes. Die zuletzt dominierenden Zins- und Politiksorgen traten zurück. "Die Prognosen in der ersten Runde der Bilanzsaison waren bislang ziemlich gut", sagte Brent Schutte, Chefanleger beim Vermögensverwalter Northwestern Mutual Wealth Management. "Diese Woche ist von großer Bedeutung und wird den Ton angeben, wie es in den nächsten Wochen weitergeht." Nasdaq holt wieder auf Vor allem der Nasdaq erholte sich weiter und gewann am Ende 1,59 Prozent, ebenso der Auswahlindex Nasdaq 100, der 1,51 Prozent vorrückte. Damit haben die Tech-Indizes ihre Verluste vom Freitag wieder vollständig aufgeholt. Der marktbreite S&P-500-Index ging bei 5.070 Zählern um 1,2 Prozent höher aus dem Handel. Der Leitindex Dow Jones stieg am Ende um 0,69 Prozent auf 38.503 Punkte. Viele Bilanzen im Fokus Unter anderem mit Pepsico, Philip Morris, dem DHL-Konkurrenten UPS und General Motors legten zahlreiche bedeutende Unternehmen aus dem Standardwertebereich ihre Zahlen vor. Vor allem die Papiere von Autobauer General Motors zogen kräftig um über vier Prozent an, auch UPS waren gefragt. Lediglich Pepsico sackten nach der Bekanntgabe rückläufiger Umsätze im US-Markt um 2,91 Prozent ab. Kurssprung für die Spotify-Aktie Unter den Einzelwerten stachen besonders die Papiere des schwedischen Musikstreaming-Dienstes Spotify heraus. Ein Rekordgewinn schickte die Aktie an der NYSE auf einen Höhenflug von bis zu 15 Prozent, am Ende waren es 11,4 Prozent. Der Bruttogewinn des Unternehmens überschritt im Auftaktquartal erstmals die Marke von einer Milliarde Euro. Hintergrund waren unter anderem höhere Gewinne im Podcast-Geschäft, ein Anstieg der Zahl der Premium-Abonnenten und erfolgreiche Sparmaßnahmen. Tech-Bilanzen im Fokus Wie stets mit großer Spannung warten die Anleger nun auf die im weiteren Wochenverlauf anstehenden Geschäftszahlen von US-Techkonzernen wie der Facebook-Mutter Meta, dem IT-Konzern IBM sowie der Google-Mutter Alphabet. Im Vorfeld hatte der technologielastige Nasdaq zum Wochenstart um ein Prozent zugelegt und damit einen Teil der vorangegangenen Verluste wieder wett gemacht. Am Abend nach Handelsschluss legt heute noch Tesla seine Ergebnisse vor. "Dass die Zinsen längere Zeit höher bleiben werden und dass das wahrscheinlich auch für die Inflation gelten wird, ist bekannt und in die Kurse mittlerweile eingepreist", konstatierte Jochen Stanzl, Marktanalyst beim Broker CMC Markets. Trotzdem gebe es noch Unsicherheiten. "Nun geht es um das Mikro-Thema der anstehenden Berichtssaison, in der man insbesondere die großen Unternehmen darauf abklopfen wird, ob sie ihre teilweise ambitionierten Bewertungen auch weiterhin rechtfertigen können." DAX wieder über 18.000 Punkte Der DAX hat mit einer freundlichen Wall Street im Rücken seine Gewinne am Nachmittag ausgebaut und nahe seinem Tageshoch geschlossen. Der Schlussstand lag bei 18.137 Punkten - ein Tagesgewinn von 1,55 Prozent. Gestern hatte der Index bei 17.860 Punkten bereits 0,7 Prozent höher geschlossen und dabei ebenfalls von einer Erholung der Wall Street profitiert. Der Index überwindet damit wieder die Marke von 18.000 Punkten. Da Allzeithoch bei 18.567 Punkten ist plötzlich mit gut zwei Prozent wieder in Reichweite - danach hatte es zuletzt nicht ausgesehen. Auch der MDAX der mittelgroßen Unternehmen legte 1,28 Prozent zu auf 26.625 Punkte. Berichtssaison mit Überraschungen Thema des Tages war die nun auch in Deutschland in Fahrt gekommene Berichtssaison der Unternehmen für das erste Quartal. Unter der Führung von DAX-Schwergewicht SAP überraschte so manches Unternehmen mit guten Geschäftsergebnissen oder profitierte von einer freundlichen Wall Street. Damit nutzten die Anleger nach der jüngsten Konsolidierung die niedrigeren Kurse wieder zum Einstieg. "Spannend wird jetzt zu sehen, bis zu welchen Kursen die Schnäppchenjäger einsteigen", sagte Thomas Altmann, Portfoliomanager beim Vermögensverwalter QC Partners. Starke Quartalsergebnisse beflügeln - SAP im Aufwind Rückenwind kam aus dem Technologiesektor, wo die gestern nach US-Börsenschluss veröffentlichten Ergebnisse von DAX-Platzhirsch SAP den Index anschoben. Das Papier gewann über fünf Prozent und gehörte damit zu den größten Gewinnern. Dabei ist SAP wegen hoher Kosten für die aktienbasierte Mitarbeitervergütung mit einem überraschend geringen operativen Ergebnis ins neue Jahr gestartet. Doch der Umsatz zog wegen guter Geschäfte mit Cloudprodukten insgesamt um acht Prozent auf etwas mehr als acht Milliarden Euro an. Wegen hoher Kosten für den Konzernumbau rutschte der Konzern mit einem Verlust von 824 Millionen Euro in die roten Zahlen. "Zwar ist SAP mit einem Verlust in dieses Jahr gestartet, was aber nicht schwächeren Umsätzen, sondern dem Umbau und Fitmachen des Unternehmens für die Zukunft mit Künstlicher Intelligenz geschuldet war", sagte Jürgen Molnar von RoboMarkets. Zudem sei der Softwarekonzern Opfer seines eigenen Erfolgs geworden und müsse nun wegen des stark gestiegenen Aktienkurses höhere Boni auszahlen. Punkten konnte SAP vor allem mit einem Rekordplus beim Auftragsbestand für das zukunftsträchtige Cloud-Geschäft. Münchener Rück besser als gedacht Der weltgrößte Rückversicherer und ebenfalls ein DAX-Schwergewicht: Die Münchener Rück sieht derweil gute Chancen, das Gewinnziel für 2024 nach einem guten Start in das neue Jahr zu übertreffen. Vorläufigen Zahlen zufolge liegt der Nettogewinn im ersten Quartal bei 2,1 Milliarden Euro - das wäre mehr als Analysten im Schnitt erwartet hatten. Für das Gesamtjahr erwartet Münchener Rück weiter ein Nettoergebnis von fünf Milliarden Euro. Die endgültigen Ergebnisse will der Konzern am 8. Mai veröffentlichen. MüRü-Papiere stiegen vier Prozent. Sartorius und Merck KGaA stark gefragt Im DAX standen Sartorius Vorzüge mit einem Plus von 6,7 Prozent an der Spitze, auch die Papiere der Merck KGaA legen deutlich rund 4,0 Prozent zu. Grund war das jüngste Zahlenwerk des US-Life-Sciences und Diagnostikkonzerns Danaher, der mit seinen Gewinnkennziffern für das erste Quartal die Erwartungen übertraf und an der NYSE derzeit deutlich über sieben Prozent zulegt. Das zieht auch die deutsche Konkurrenz nach oben. Beide DAX-Papiere hatten zuletzt korrigiert, Sartorius nach enttäuschenden Eckdaten zum ersten Quartal. Euro nach deutschen PMI-Daten über 1,07 Dollar Der Euro hat am Nachmittag nach überraschend robusten Wirtschaftsdaten zugelegt. Zuletzt kostete er im US-Handel 1,0702 Dollar. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,0674 (Montag: 1,0632) US-Dollar fest. Deutsche Wirtschaft wächst wieder Die deutsche Wirtschaft ist einer Umfrage zufolge nach langer Durststrecke zurück in der Wachstumsspur. Der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft (PMI) - also Industrie und Dienstleister zusammen - stieg im April um 2,8 Zähler auf 50,5 Punkte, wie der Finanzdienstleister S&P Global heute zu seiner monatlichen Firmenumfrage mitteilte. Dieser im Fachjargon als Composite PMI bekannte Indikator lag damit erstmals seit zehn Monaten wieder über der Wachstumsschwelle von 50. Im Euroraum verstärkten sich unterdessen die Wachstumssignale: Das PMI-Barometer stieg um 1,1 auf 51,4 Punkte. "Das sind wirklich gute Konjunkturdaten... Der Schmerz der zurückliegenden starken Anstiege von Leitzinsen und Energiepreisen ebbt ab. Das positive Konjunktursignal sowie der zuletzt wieder anziehende unterliegende Inflationsdruck sprechen gegen eine frühe EZB-Zinssenkung, die EZB-Präsidentin Lagarde faktisch bereits für Juni angekündigt hat", kommentierte Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Gold rutscht weiter ab, Öl zieht an Nach dem jüngsten Rekordlauf war der Goldpreis gestern bereits um 2,6 Prozent auf 2.329 Dollar je Feinunze abgesackt. Das war der größte Tagesverlust seit mehr als einem Jahr. Heute kostet das Edelmetall mit zurzeit 2.322 Dollar noch etwas weniger. Die Ölpreise haben nach einem über weite Strecken ruhigen Handelsverlauf zugelegt. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im Juni kostete 87,62 US-Dollar. Das waren 62 Cent mehr als am Vortag. Der Preis für ein Fass der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) stieg um 67 Cent auf 82,57 Dollar. Auftrieb erhielten die Ölpreise durch schwache Konjunkturdaten aus den USA. Dort hat sich die Stimmung der Unternehmen im April überraschend deutlich verschlechtert. Damit könnte die US-Notenbank die Leitzinsen eventuell etwas früher als bislang erwartet senken und damit die wirtschaftlichen Aktivitäten ankurbeln. Dies würde dann auch die Nachfrage nach Rohöl erhöhen. Mit Blick auf aktuelle Ereignisse im Nahen Osten zeigen sich die Erdölpreise hingegen nach wie vor relativ unbeeindruckt. Zwar liegen die Preise deutlich höher als noch zu Jahresbeginn. Auf die zuletzt hohen Spannungen zwischen Israel und dem Iran haben sie aber nur zeitweise mit steigenden Risikoaufschlägen reagiert. Aus dem Nahen Osten kommt ein erheblicher Teil des weltweiten Ölangebots. Bitcoin-Kurs hält sich Der Bitcoin bleibt auch heute stabil bei rund 66.400 Dollar. Am Wochenende war am Kryptomarkt ein regelmäßig wiederkehrendes Ereignis vollzogen worden, auf das die Bitcoin-Fangemeinde seit Monaten hingefiebert hatte. Es handelt sich um das sogenannte "Halving", durch das die Belohnung für die Verifizierung von Bitcoin-Transaktionen alle vier Jahre halbiert wird. In der Folge reduziert sich das Wachstum des Bitcoin-Angebots, was in der Vergangenheit in der Regel mit Kurszuwächsen einhergegangen ist. Deutsche Börse verdient überraschend mehr Höhere Zinseinnahmen und die Übernahme des dänischen Finanzsoftware-Spezialisten SimCorp haben der Deutschen Börse in den vergangenen Monaten erneut Rückenwind verliehen. "Damit haben wir eine wichtige Grundlage geschaffen, um unsere finanziellen Ziele im laufenden Jahr und darüber hinaus zu erreichen", sagte Gregor Pottmeyer, der Finanzchef des Börsenbetreibers am Abend nach Börsenschluss. Der Reingewinn stieg den Angaben zufolge zum Jahresauftakt um fünf Prozent auf 497,6 Millionen Euro. Analysten hatten mit einem weitgehend unveränderten Ergebnis gerechnet. Der Umsatz habe im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 16 Prozent auf 1,427 Milliarden Euro zugelegt. Dieses Plus lag im Rahmen der Markterwartungen. Für das Gesamtjahr hatte der scheidende Firmenchef Theodor Weimer, der sein Amt zum Jahresende an den früheren Investmentbanker Stephan Leithner übergeben wird, im Januar einen operativen Gewinn von mehr als 3,2 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Im ersten Quartal stieg das Betriebsergebnis um 13 Prozent auf 875,3 Millionen Euro. Größte Gewinntreiber waren das Software-Geschäft sowie das Geschäft mit Strom-Derivaten. Commerzbank auf Klettertour Zum allgemeinen guten Stimmungsbild passte im DAX der Anstieg der Commerzbank-Aktie auf den höchsten Stand seit 2014. Zuletzt wurde sie bei 13,88 Euro um knapp 2.8 Prozent höher gehandelt. Im laufenden Jahr liegen sie nun rund 30 Prozent im Plus und haben damit die Deutsche Bank mit ihren 25 Prozent etwas abgehängt. Letztere bewegen sich auf dem Niveau von Anfang 2018. Der Commerzbank-Chef bestätigte am Vormittag das Gewinnziel für 2027. Quartalsergebnisse legt die Bank Mitte Mai vor. Die Deutsche berichtet bereits am Donnerstag. Barclays-Experte Krishnendra Dubey sieht vor allem die Kosten weiter im Fokus. Deutsche Bank-Logo wird 50 Das Logo der Deutschen Bank wird 50 Jahre alt. Am 25. April 1974 erschien die erste Werbeanzeige mit dem blauen Viereck und dem Strich von unten links nach oben rechts in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", wie die Deutsche Bank mitteilte. Das Logo präge bis "heute den weltweiten Markenauftritt der Bank" - in ihren Anfängen spielten Firmenzeichen noch eine untergeordnete Rolle. 1972 hatte die Deutsche Bank acht Grafikdesigner zu einem Wettbewerb eingeladen, die insgesamt 140 Vorschläge einreichten. Am Ende setzte sich der "Schrägstrich im Quadrat" des 1998 verstorbenen Anton Stankowski durch.  Bayer arbeitet an einem Bio-Insektenvernichter für Getreide Bayer hat angekündigt, ein Bio-Insektenvernichtungsmittel für Raps und Getreide auf den Markt zu bringen. Das DAX-Unternehmen schloss dazu eine Exklusivlizenz mit dem britischen Entwickler Alpha Bio Control, wie Bayer heute in Monheim mitteilte. Abhängig vom weiteren Zulassungs- und Entwicklungsverfahren soll das Mittel voraussichtlich 2028 auf den Markt kommen.  Während es für Obst und Gemüse bereits heute zahlreiche biologische Optionen bei Pflanzenschutzmitteln gibt, weil Verbraucher bereit sind, mehr für Bioprodukte zu bezahlen, könnte das neue Produkt für den Ackerbau laut Bayer das "erste seiner Art" sein. Auch Landwirte, die Raps oder Getreide anbauen, benötigten Lösungen, die sie "kosteneffizient im großen Maßstab" anwenden könnten. Delivery Hero mit Kurssprung Sechs Prozent Kursplus verbuchten die Aktien von Delivery Hero aus dem MDAX. Auftrieb gab eine positive Einschätzung der Schweizer Großbank UBS. Analyst Jo Barnet-Lamb bezeichnete den Essenslieferanten als einen "Top E-Food Pick", Delivery Hero ist also für ihn die erste Wahl unter den Internetwerten beim Thema Essen. Barnet-Lamb traut dem Unternehmen im laufenden Jahr mehr Wachstum, Gewinn und einen positiven Barmittelzufluss zu. Sein bereits deutlich über Xetra-Niveau liegendes Kursziel für Delivery Hero erhöhte der Experte von 40 auf 48 Euro. Novartis hebt Prognose an Der Schweizer Pharmariese Novartis ist gut ins neue Jahr gestartet. Getrieben vom Herzmedikament Entresto, dem Multiple-Sklerose-Mittel Kesimpta sowie Cosentyx gegen Schuppenflechte, stieg der Umsatz des fortgeführten Geschäfts im ersten Quartal um zehn Prozent auf 11,8 Milliarden Dollar. Das um Sonderfaktoren bereinigte operative Ergebnis kletterte um 16 Prozent auf 4,5 Milliarden Dollar. Novartis hob den Ausblick an und erwartet im laufenden Jahr ein Umsatzwachstum im hohen einstelligen bis niedrigen zweistelligen Prozentbereich sowie ein prozentualen Anstieg des operativen Ergebnisses im niedrigen bis mittleren Zehner-Bereich. Renault überrascht positiv Der französische Autobauer Renault ist mit einem überraschenden Umsatzplus ins neue Jahr gestartet. Im ersten Quartal kletterte der Umsatz des Stellantis und VW-Konkurrenten um 1,8 Prozent auf 11,7 Milliarden Euro. Analysten hatten einer vom Unternehmen veröffentlichten Übersicht zufolge im Schnitt mit einem leichten Umsatzrückgang gerechnet. Zwar verkaufte Renault mit rund 549.000 Fahrzeugen 2,6 Prozent mehr als im Vorjahresquartal. Der Umsatz im Kerngeschäft Automobil sank jedoch, da unabhängige Händler verstärkt ihre Lagerbestände abbauten. Der weltweite Automobilsektor stellt sich auf ein schwieriges Jahr ein, da sich die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen verlangsamt. Schwacher Ausblick von Kering Der französische Modekonzern Kering rechnet nach einem mageren Auftakt mit einem deutlichen Gewinneinbruch im ersten Halbjahr. Der wiederkehrende operative Gewinn dürfte gegenüber dem Vorjahreswert von gut 2,7 Milliarden Euro nun um 40 bis 45 Prozent sinken, teilte der Konzern hinter Marken wie Gucci, Yves Saint Laurent und Balenciaga am Abend in Paris mit. Bereits in den ersten drei Monaten hatten vor allem wohlhabende Käufer in China Kering den Rücken gekehrt - der Umsatz der mit Abstand wichtigsten Marke Gucci brach wegen der schwachen Nachfrage um gut ein Fünftel auf knapp 2,1 Milliarden Euro ein. Der Konzern hatte zuletzt versucht, Gucci wieder auf Vordermann zu bringen und unter anderem einen neuen Kreativdirektor ernannt. Insgesamt rutschte der Konzernerlös um gut ein Zehntel auf 4,5 Milliarden Euro ab. Zeitarbeitsfirmen unter Druck Der Personaldienstleister Amadeus Fire ist mit einem Ergebnisdämpfer ins Jahr gestartet. Das operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (operatives Ebita) ging im ersten Quartal um fast ein Viertel auf gut 14,4 Millionen Euro zurück. Kalendarische Effekte, wie früher einsetzende Osterferien, im Vergleich zum Vorjahr, wirkten ergebnismindernd. Die Aktie konnte sich im SDAX im Verlauf von ihren Tiefständen lösen und schloss nur noch leicht im Minus. Der weltgrößte Personaldienstleister Randstad hat die Gewinnerwartungen im ersten Quartal wegen gesunkener Neueinstellungen verfehlt. Das bereinigte operative Ergebnis (Ebita) schrumpfte um 33 Prozent auf 177 Millionen Euro, wie das niederländische Unternehmen heute mitteilte. Experten hatten mit 181 Millionen Euro gerechnet. Der Umsatz sank um acht Prozent auf 5,94 Milliarden Euro. Die Aktie sackte an der Börse in Amsterdam deutlich ab. Amazon scheitert mit Kartellklage Der Online-Konzern Amazon ist mit seiner Klage gegen eine verschärfte Aufsicht durch das Bundeskartellamt gescheitert. Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe bestätigte heute die Einschätzung, "dass Amazon eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb hat". Die entsprechende Einstufung des Kartellamts war demnach rechtens. Das Bundeskartellamt hatte im Juli 2022 auf der Grundlage einer neuen Regelung Amazon seine "überragende" Marktmacht bescheinigt und den Online-Händler damit unter verschärfte Beobachtung gestellt. Amazon legte dagegen Beschwerde ein.
/wirtschaft/finanzen/marktberichte/marktbericht-dax-dow-boerse-100.html
2024-04-24
Fluten spülen radioaktive Stoffe aus stillgelegten Minen
Hochwasser in Russland
In der russischen Hochwasser-Region Kurgan droht eine neue Katastrophe: Die Fluten haben stillgelegte Uran-Minen überschwemmt und spülen radioaktive Stoffe in den Fluss Tobol, aus dem auch Trinkwasser gewonnen wird. Von Frank Aischmann.
In der russischen Hochwasser-Region Kurgan droht eine neue Katastrophe: Die Fluten haben stillgelegte Uran-Minen überschwemmt und spülen radioaktive Stoffe in den Fluss Tobol, aus dem auch Trinkwasser gewonnen wird. Von Frank Aischmann In der dramatischen Frühjahrsflut droht südöstlich des Ural eine weitere, eine unsichtbare Gefahr - im Gebiet Kurgan, etwa 1.700 Kilometer östlich von Moskau. Atomphysiker Andrej Oscharowskij von der NGO "Sozial-Ökologische Union" schaut besorgt auf frei zugängliche Flutaufnahmen aus der Region. "Ich habe mit Einheimischen gesprochen. Die sagen, dass das Wasser dort ungefähr eineinhalb Meter hoch steht", erzählt er. Satellitenbilder würden das bestätigen. Gemeint sei nicht das Dorf auf den Aufnahmen - das liege auf einem Hügel. Oscharowskij deutet auf das umliegende Tiefland. "Dort befinden sich Brunnen. Brunnen eines Testbergbaus, der zu Sowjetzeiten irgendwann Mitte der 1980er Jahre angelegt wurde." Uran mit Schwefelsäure aus Gestein gelöst Oscharowskij meint damit Bohrungen für den unterirdischen Uran-Abbau. Hunderte dieser Bohrungen gibt es im Gebiet Kurgan. Viele wurden versiegelt, andere aber rotten und rosten vor sich hin. Sie sind nun teilweise überflutet.  Die besondere Gefahr liegt in einer Abbaumethode des Urans, die man vielleicht äußerst wohlwollend als extrem kurzsichtig bezeichnen könnte. "Anstatt das Uran-Erz aus einer Tiefe von 400 Metern zu fördern und dann das Uran chemisch zu extrahieren, wurde dieser zweite Teil in den Untergrund verlagert", erklärt Oscharowskij. Das sei billiger gewesen, aber auch viel gefährlicher für die Umwelt. "Unterirdische Bohrungsauslaugung heißt das." Verdünnte Schwefelsäure werde ins Erz gepumpt, die Säure löse dort alles auf und wandle Uran in eine lösliche Form. Uran-Salze sind hochgiftig und radioaktiv "Die Idee ist zwar nicht, einen unterirdischen See aus Uran-Lösung zu produzieren, sondern diese Uran-Lösung dann hochzupumpen und das Uran herauszufiltern", sagt der Atomphysiker. Reste des giftigen, strahlenden Schlamms blieben unter Tage - im besten Fall. "Vor ein paar Jahren habe ich diese alten Bohrlöcher untersucht, die laut Berichten stillgelegt wurden", sagt Experte Oscharowskij. Auch an einem absolut trockenen Tag würde Wasser heraussickern - und eben nicht nur das. "Denn es kam ja aus einem einstigen Testbergbau, in dem Uran mit Säure gelöst wurde. Und mit meinen Messgeräten fand ich Stellen mit Verseuchungen rund um jedes Bohrloch, das ich dort finden konnte." Der jetzt über die Ufer getretene Fluss Tobol, der auch Bohrlöcher überflutete, ist auch eine Trinkwasserquelle für die 100 Kilometer entfernte Großstadt Kurgan mit ihren gut 300.000 Einwohnern. Und die Uran-Salze sind nicht nur hochgiftig, sondern auch radioaktiv, warnt Oscharowskij: "Jetzt sind diese Tieflandfelder, in denen in den 1980er-Jahren Uran abgebaut wurde, überflutet. Unweigerlich gelangt Uran in den Fluss." Zwar würde dadurch das Uran erheblich verdünnt werden, gelange aber trotzdem ins Trinkwasser. Rosatom wiegelt Bedenken ab "Es gibt die sogenannte Kollektivdosis, wenn eine große Anzahl von Menschen quasi kleinen Mengen radioaktiver Belastung ausgesetzt wird", erklärt der Experte. Einige von ihnen, die Uran mit dem Trinkwasser aufnähmen, seien dann innerer Strahlung ausgesetzt, die viel gefährlicher sei als äußerliche Strahlung. "Niemand sagt, dass jeder, der Wasser mit einer niedrigen Uran-Konzentration trinkt, krank wird und stirbt. Aber wenn 10.000 Menschen dieses Wasser trinken, dann können mehrere Dutzend von ihnen gesundheitliche Probleme bekommen." Umweltschützer warnten in der Vergangenheit immer wieder vor dem Uran-Abbau und seinen Folgen. Die russische Atomenergieagentur Rosatom wies das bereits zurück als "Radiophobie" - also Strahlenfeindlichkeit - gepaart mit Unwissen. Und ihre neuen Uran-Abbauanlagen? Die lägen alle oberhalb des Hochwasserpegels.
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2024-04-24
Schwierige Gespräche in schwierigen Zeiten
Steinmeier trifft Erdogan
Heute geht die Türkei-Reise von Bundespräsident Steinmeier zu Ende. In Ankara wird er sich mit dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan treffen - ein Termin mit Konfliktpotential. Von Dietrich Karl Mäurer.
Heute geht die Türkei-Reise von Bundespräsident Steinmeier zu Ende. In Ankara wird er sich mit dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan treffen - ein Termin mit Konfliktpotential. Von Dietrich Karl Mäurer Am dritten und letzten Tag der Türkei-Reise des Bundespräsidenten ist heute der politisch anspruchsvollste Termin geplant. Frank-Walter Steinmeier will den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan treffen - ein Mann, mit dem er schon manchen Streit ausgefochten hat. Auch die heutige Zusammenkunft birgt Konfliktpotential. Steinmeier rechnet nicht mit einfachen Gesprächen, schon allein wegen der Themen: "Ich glaube, es bestehen gar keine großen Auswahlmöglichkeiten. Wir werden uns natürlich über die großen Konflikte in unserer Nachbarschaft unterhalten müssen. Das ist Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Das sind die Auseinandersetzungen im Nahen Osten." Erdogan unterstützt Hamas Gerade im Gaza-Konflikt haben Berlin und Ankara konträre Ansichten. Erdogan unterstützt die Hamas. Er hat vor wenigen Tagen deren Auslandschef empfangen. Deutschland dagegen stuft die Hamas als Terrororganisation ein. Der Bundespräsident hofft dennoch auf ein gemeinsames Interesse: "Eine Eskalation im Nahen Osten zu verhindern." Wie spricht Steinmeier türkische Menschenrechtslage an? Mit Spannung wird auch erwartet, auf welche Weise der Bundespräsident die Menschenrechtslage in der Türkei anspricht - etwa die Inhaftierung wichtiger Vertreter der türkischen Zivilgesellschaft wie des Kulturförderers Osman Kavala. Auf deutsche Kritik auf diesem Gebiet hatte der türkische Präsident in der Vergangenheit verärgert reagiert. Der Bundespräsident gab sich schon vorab zurückhaltend. Die Unterredungen heute dürften "nicht in allen Punkten einfache Gespräche sein." Lindner begleitet Steinmeier Gegensätzliche Meinungen dürfte es auch geben bei den ebenfalls für heute geplanten Gesprächen des türkischen und des deutschen Finanzministers. Christian Lindner, der den Bundespräsidenten in der Türkei begleitet, sagte am Tag vor dem Treffen: "Konkret werde ich mit meinem Gegenüber über die Frage der Sanktionen gegen Russland aufgrund des Krieges in der Ukraine sprechen." Die Türkei hat ihre Exporte nach Russland zuletzt deutlich gesteigert. Es gibt also jede Menge Konfliktpotential. Und doch will der Bundespräsident mit seiner Reise eigentlich die gegenseitige Verflechtung und Freundschaft Deutschlands und der Türkei in den Mittelpunkt stellen. Denn der Anlass für den Besuch ist das 100. Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen beider Länder.
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2024-04-24
Massenproteste gegen Kürzungen von Präsident Milei
Argentinien
In Argentinien haben Hunderttausende Menschen, allen voran Studenten, gegen die Sparmaßnahmen des rechtspopulistischen Präsidenten Milei demonstriert. Dessen radikaler Reformkurs macht auch vor dem Bildungssektor nicht halt.
In Argentinien haben Hunderttausende Menschen, allen voran Studenten, gegen die Sparmaßnahmen des rechtspopulistischen Präsidenten Milei demonstriert. Dessen radikaler Reformkurs macht auch vor dem Bildungssektor nicht halt. Hunderttausende Argentinier sind in Buenos Aires auf die Straße gegangen, um gegen die Budgetkürzungen von Präsident Javier Milei im Hochschulbereich zu protestieren. Das Bildungswesen in Argentinien gilt als eines der besten in ganz Lateinamerika. In den öffentlichen Universitäten ist das Studium kostenlos, auch viele junge Menschen aus anderen Staaten in der Region kommen zum Studium ins Land. Im Rahmen ihrer Sparpolitik hatte die argentinische Regierung das Budget der öffentlichen Universitäten zuletzt um 71 Prozent gekürzt. Präsidentensprecher versucht zu beruhigen "Bildung ist einer der Grundpfeiler unserer Ideologie. Wir haben nicht die Absicht, die Universitäten zu schließen", verteidigte Präsidentensprecher Manuel Adorni die Einschnitte der Regierung und rief zu einem friedlichen Marsch auf. Milei, der nach Jahren staatlicher Überschuldung mit einer geerbten Wirtschaftskrise kämpft, hat dem Haushalt einen radikalen Reformkurs verordnet. Dieser bescherte Argentinien erstmals seit 16 Jahren wieder einen Haushaltsüberschuss, dessen Nachhaltigkeit jedoch von Wirtschaftsexperten angezweifelt wird. Renommierter Universität droht die Schließung Die Kürzungen haben den öffentlichen Sektor hart getroffen. Argentiniens staatliche Universitäten wie die renommierte Universidad de Buenos Aires (UBA), die ein gebührenfreies Studium anbieten, sind stark von staatlichen Geldern abhängig. "Ich bin hier, um die öffentlichen Universitäten zu verteidigen", sagte Pedro Palm, ein 82-jähriger Architekt und Absolvent der UBA. Der Universität droht nach eigenen Angaben aufgrund von Sparmaßnahmen die Schließung. Demonstrationen in mehreren Städten Bei den von den Gewerkschaften unterstützten Demonstrationen in der Hauptstadt und anderen Städten wurden Transparente mit Aufschriften wie "Verteidigt die öffentlichen Universitäten", "Studieren ist ein Recht" und "Hoch mit dem Haushalt, nieder mit dem Milei-Plan" hochgehalten. Ivan Massari, Biologie- und Genetikdozent, sagte, freie Bildung müsse verteidigt werden, da sie der beste Weg sei, die Gesellschaft zu stärken und Chancen für alle zu schaffen. "Öffentliche Bildung ist ein Werkzeug für sozialen Wandel", sagte er. "Sie gibt dem Einzelnen die Möglichkeit, sich zu entwickeln, zur Gesellschaft beizutragen und seine Zukunft zu gestalten."
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2024-04-24
++ Pentagon schnürt offenbar Sofortpaket für Ukraine ++
Krieg gegen die Ukraine
Das US-Verteidigungsministerium will offenbar direkt nach der Billigung der Ukraine-Hilfen durch den Senat ein erstes Paket auf den Weg bringen. Litauen hat gepanzerte Fahrzeuge an Kiew übergeben. Alle Entwicklungen im Liveblog zum Nachlesen.
Das US-Verteidigungsministerium will offenbar direkt nach der Billigung der Ukraine-Hilfen durch den Senat ein erstes Paket auf den Weg bringen. Litauen hat gepanzerte Fahrzeuge an Kiew übergeben. Alle Entwicklungen im Liveblog zum Nachlesen. Litauen liefert gepanzerte Fahrzeuge an die UkraineBritischer Geheimdienst: Russischer Vorstoß erwartetOdessa: Neun Verletzte durch DrohnenKorruptionsvorwürfe gegen Landwirtschaftsminister SolskyjGroßbritannien sichert Ukraine Militärpaket zu Ende des Liveblogs Damit schließen wir diesen Liveblog. Vielen Dank für Ihr Interesse. Russischer Vize-Verteidigungsminister festgenommen In Russland ist nach Angaben der Staatsanwaltschaft Vize-Verteidigungsminister Timur Iwanow wegen Korruptionsvorwürfen festgenommen worden. Iwanow werde vorgeworfen, "eine Straftat nach Abschnitt 6 des Artikels 290 des Strafgesetzbuches (Bestechlichkeit) begangen zu haben", erklärte das russische Ermittlungskomitee laut der Nachrichtenagentur AFP. Korruptionsvorwürfe gegen Iwanow hatte bereits im Jahr 2022 die Anti-Korruptionsstiftung des im Februar verstorbenen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny erhoben. Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu hat insgesamt zwölf Stellvertreter.  Nach Angaben russischer Staatsmedien wurde Präsident Wladimir Putin über die Festnahme Iwanows informiert. Das Ermittlungskomitee machte keine näheren Angaben zu den Vorwürfen. Die Iwanow zur Last gelegten Straftatbestände können mit einer hohen Geldstrafe oder mit mehr als zehn Jahren Gefängnis bestraft werden. Pentagon bereitet offenbar Sofortpaket für Ukraine vor Das US-Verteidigungsministerium will offenbar unmittelbar nach der Billigung von Militärhilfen für die Ukraine durch den US-Senat ein erstes Paket im Umfang von einer Milliarde Dollar (rund 940 Millionen Euro) für das Land schnüren. Es umfasse Fahrzeuge, Flugabwehrraketen, zusätzliche Munition für Raketenwerfer-Artilleriesysteme, Geschützgranaten und andere Waffen, die Kiew sofort für das Schlachtfeld zur Verfügung gestellt werden könnten, teilten Regierungsvertreter mit. Über die Vorbereitungen des Pentagons hatte die Nachrichtenagentur Reuters zuerst berichtet. Am vergangenen Samstag hatte das Repräsentantenhaus in Washington Sicherheitspakete im Umfang von insgesamt 95 Milliarden Dollar verabschiedet. Rund 61 Milliarden davon sind für die Ukraine bestimmt. Noch heute geht die Vorlage zur Abstimmung an den Senat, wo eine Billigung als sicher gilt. NATO will Atomwaffen-Stationierung nicht ausweiten Die NATO hat nach Angaben ihres Generalsekretärs Jens Stoltenberg nicht vor, Atomwaffen in weiteren Mitgliedsländern zu stationieren. Es gebe keine Pläne, das bisherige Arrangement der nuklearen Teilhabe auszuweiten, sagte Stoltenberg bei einem gemeinsamen Auftritt mit dem britischen Premierminister Rishi Sunak vor in Polen stationierten britischen Soldaten. Am Montag hatte Polens Präsident Andrzej Duda erneut bekräftigt, sein Land sei offen für die Stationierung von US-Atomwaffen Sunak kündigt neue Ukraine-Hilfen an Der britische Premierminister Rishi Sunak hat in Warschau bekannt gegeben, dass Großbritannien die Ukraine mit weiteren Militärhilfen in Höhe von 500 Millionen Pfund (knapp 580 Millionen Euro) unterstützen werde. Sunak traf in Warschau den polnischen Regierungschef Donald Tusk sowie NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg zu Gesprächen über die Ukraine und die Sicherheitslage in Europa.  Zudem kündigte er an, dass Großbritannien seine Verteidigungsausgaben bis 2030 angesichts der Bedrohung in der Welt schrittweise auf 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöhen werde. Dabei handele es sich um die "umfassendste Verstärkung der nationalen Verteidigung seit einer Generation".   Litauen liefert gepanzerte Fahrzeuge an die Ukraine Litauen hat die Ukraine mit weiterer Militärhilfe unterstützt. Die Armee des baltischen EU- und NATO-Landes habe gepanzerte M577-Personentransporter an Kiew übergeben, teilte das Verteidigungsministerium in Vilnius mit. Nähere Angaben zur Anzahl oder Ausstattung der Fahrzeuge wurden keine gemacht. Litauen gehört zu den entschlossensten Unterstützern Kiews. Der Baltenstaat hat nach eigenen Angaben seit dem russischen Angriff militärische Hilfe in Höhe von mehr als 610 Millionen Euro geleistet. Russische Offensive im Sommer erwartet Die Ukraine hat vor einer Sommeroffensive der Russen gewarnt. "Wir bereiten uns vor. Ja, der Feind wird uns unangenehme Überraschungen bereiten", erklärte der Kommandeur der Nationalgarde der Ukraine, Olexandr Piwnenko, im Nachrichtenportal Liga.net. "Er wird in Gebieten agieren, in denen wir ihn nicht erwarten." Sunak fordert mehr Investitionen in Europas Sicherheit Der britische Premierminister Rishi Sunak hat die europäischen Staaten zu stärkerer Unterstützung für die Ukraine aufgefordert. Es sei wichtig, dass die Europäer in ihre eigene Sicherheit investieren, sagte Sunak britischen Medien zufolge. Er betonte zudem, Großbritannien habe stets eine Vorreiterrolle übernommen und als erstes Land der Ukraine Kampfpanzer und Marschflugkörper mit größerer Reichweite geliefert. Moskau will Lager westlicher Waffen in Ukraine angreifen Russland hat verstärkte Angriffe auf die Lagerstätten westlicher Waffen in der Ukraine angekündigt. Die russische Armee werde auch Logistikzentren in der Ukraine ins Visier nehmen, sagte Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Kuleba setzt Konsulardienst für Wehrfähige im Ausland aus Die Ukraine will offenbar mehr im Ausland lebende Landsleute zum Militärdienst im Krieg gegen die russischen Invasionstruppen einziehen. Er habe Maßnahmen angeordnet, um die "faire Behandlung" von Männern im wehrfähigen Alter in der Ukraine und im Ausland wiederherzustellen, teilte Außenminister Dmytro Kuleba auf der Online-Plattform X mit. Social-Media-Beitrag auf X von Dmytro Kuleba: "Protecting the rights and interests of Ukrainian citizens abroad has always been and remains a priority for the MFA. At the same time, under the circumstances of Russia’s full-scale aggression, the main priority is to protect our Homeland from destruction.How it looks like now:…" Britischer Geheimdienst: Russischer Vorstoß bald möglich Die Eroberung des ukrainischen Dorfs Nowomychajliwka in der Oblast Donezk bietet Russland nach britischer Einschätzung Möglichkeiten für einen weiteren Vorstoß. "Auf dieser Achse werden die russischen Streitkräfte vermutlich versuchen, auf den Ort Kostjantyniwka vorzurücken, zwei Kilometer westlich von Nowomychajliwka", teilte das britische Verteidigungsministerium mit. Weitere Vorstöße nördlich von Wuhledar könnten es zudem ermöglichen, die Abwehrpositionen der Stadt zu umgehen, die seit Langem von Russland angegriffen werden. Dass die russischen Streitkräfte Nowomychajliwka einnehmen konnten, zeige die langsamen, wenn auch verlustreichen Fortschritte. Odessa: neun Verletzte bei Drohnenangriff Bei einem nächtlichen Drohnenangriff auf die ukrainische Hafenstadt Odessa sind Militärangaben zufolge neun Menschen verletzt worden. "Vier davon sind Kinder - zwölf und neun Jahre sowie zwei Babys, die noch nicht einmal ein Jahr alt sind", schrieb der Militärgouverneur der Region, Oleh Kiper, auf seinem Telegram-Kanal. Englischsprachige Nachrichtenagenturen hatten zunächst von sieben Verletzten berichtet. Die Attacke traf demnach ein Wohnviertel mit mehreren Häusern - mindestens 14 Wohnungen sollen beschädigt worden sein. 15 weitere Drohnen konnten der ukrainischen Luftwaffe zufolge abgewehrt werden. Korruptionsverdacht bei Landwirtschaftsminister Solskyj Die ukrainische Antikorruptionsbehörde NABU hat den amtierenden Landwirtschaftsminister des Landes, Mykola Solskyj, im Visier: Wie sie auf Telegram mitteilte, wird ein Minister verdächtigt, Staatsgrundstücke im Wert von 291 Millionen Griwnja unrechtmäßig überschrieben zu haben - 1.250 Grundstücke mit einer Fläche von knapp 2.500 Hektar habe er in seinen Besitz gebracht. Ukrainische Nachrichtenmedien meldeten übereinstimmend, dass es sich dabei um Agrarminister Solskyj handle. Den Angaben nach wurden dabei zwischen 2017 und 2021 Grundstücke eines staatlichen Unternehmens im nordukrainischen Gebiet Sumy an neue Eigentümer übertragen. Solskyjs Agrarholding erhielt diese dann zur Nutzung. In kriminelle Aktivitäten verwickelt gewesen sein sollen auch Mitarbeiter des Katasteramts sowie Kuratoren, die die Tätigkeit des Ministeriums und Amtes kontrollieren sollen. Weder Solskyj noch das Landwirtschaftsministerium äußerten sich bislang zu den Vorwürfen. Verletzte nach Drohnenangriff auf Odessa Bei einem Drohnenangriff aus Russland wurden dem ukrainischen Militär zufolge in der Schwarzmeerstadt Odessa sieben Menschen verletzt, unter ihnen zwei Kinder. Zudem seien mehrere Wohnhäuser in der Stadt beschädigt worden. 15 weitere der insgesamt 16 Drohnen über Odessa und der Hauptstadt Kiew konnten demnach abgewehrt werden. Nach Angriff auf Fernsehturm in Charkiw: Selenskyj pocht auf Flugabwehr Nach der Zerstörung des Fernsehturms in der ostukrainischen Metropole Charkiw hat Präsident Wolodymyr Selenskyj erneut mehr internationale Hilfe bei der Verteidigung gegen russische Luftangriffe gefordert. Charkiw und andere ukrainische Städte bräuchten insbesondere Flugabwehrsysteme vom US-Typ "Patriot", betonte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Die Lieferung zumindest eines weiteren "Patriot"-Systems hatte Deutschland kürzlich zugesagt. Kiew hofft, dass andere Länder nachziehen werden. WSJ: Chinesische Banken als Kriegshelfer Russlands im Visier der USA Die USA bereiten einem Zeitungsbericht zufolge Sanktionen vor, um einige chinesische Banken vom weltweiten Finanzsystem auszuschließen. Die Behörden hoffen damit Pekings Finanzhilfen für die russische Rüstungsproduktion zu unterbinden, wie das Wall Street Journal unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen berichtete. Social-Media-Beitrag auf X von The Wall Street Journal: "The U.S. is drafting sanctions that threaten to cut some Chinese banks off from the global financial system https://t.co/u1UTPTajfP https://t.co/u1UTPTajfP" Selenskyj: USA und Ukraine arbeiten an Sicherheitsabkommen Die Ukraine und die USA haben nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj Gespräche über ein bilaterales Sicherheitsabkommen begonnen. Selenskyj gab dies in seiner allabendlichen Videobotschaft bekannt und sprach von einem möglicherweise beispielhaften Abkommen. Zudem einigten sich Kiew und Washington Selenskyj zufolge auf die Lieferung von Raketen mit größerer Reichweite an die ukrainische Armee. Die Ukraine hatte in den vergangenen Monaten bereits Sicherheitsabkommen mit mehreren NATO-Mitgliedstaaten abgeschlossen - darunter Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Die Abkommen enthalten zwar keine militärische Beistandsgarantie, sie haben aber große symbolische Bedeutung mit Blick auf die militärische, politische und finanzielle Unterstützung für die Ukraine in den kommenden Jahren. Großbritannien verspricht großes Militärpaket für Ukraine Großbritannien hat der Ukraine sein bisher größtes Hilfspaket mit Dutzenden Kampfbooten, Hunderten Fahrzeugen, mehr als 1.600 Raketen und Millionen Schuss Munition versprochen. "Die Verteidigung der Ukraine gegen die brutalen Ambitionen Russlands ist für unsere Sicherheit und für ganz Europa von entscheidender Bedeutung", sagte der britische Premierminister Rishi Sunak einer Mitteilung vom Abend zufolge vor einem Besuch in Polen. "Sollte (Kremlchef Wladimir) Putin in diesem Angriffskrieg Erfolg haben, wird er nicht vor der polnischen Grenze Halt machen." Sunak will sich heute in Warschau mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg treffen, wie es in der Mitteilung weiter hieß. Dabei wollten sie über weitere Unterstützung für die Ukraine im Krieg gegen Russland sprechen. Morgen will sich Sunak in Berlin mit Bundeskanzler Olaf Scholz treffen. Der Liveblog vom Montag zum Nachlesen Nach einem Angriff auf die ukrainische Stadt Charkiw ist dort ein Fernsehturm teilweise eingestürzt. Russland hat eigenen Angaben zufolge ein Dorf in der Ostukraine eingenommen. Die Entwicklungen vom Montag zum Nachlesen.
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2024-04-23
++ Aufbau von Zelten für Geflüchtete bei Chan Yunis ++
Nahost-Krieg
Vor einer von geplanten Militäroffensive in Rafah werden in der Nähe der Nachbarstadt Chan Yunis Zelte aufgebaut. Die israelische Armee hat zwei ranghohe Mitglieder der libanesischen Hisbollah-Miliz getötet. Die Entwicklungen vom Dienstag zum Nachlesen.
Vor einer von geplanten Militäroffensive in Rafah werden in der Nähe der Nachbarstadt Chan Yunis Zelte aufgebaut. Die israelische Armee hat zwei ranghohe Mitglieder der libanesischen Hisbollah-Miliz getötet. Die Entwicklungen vom Dienstag zum Nachlesen. Berichte über Massengräber entsetzen UN-Hochkommissar Satellitenbild zeigt Schäden nahe IsfahanWSJ: Bodenoffensive auf Rafah rückt näherProteste an Columbia University Ende des Liveblogs Damit beenden wir den Liveblog für heute. Vielen Dank für Ihr Interesse. Pentagon bestätigt Angriffe auf US-Streitkräfte Das US-Verteidigungsministerium hat die Angriffe proiranischer Milizen auf US-Streitkräfte im Irak und Syrien am Sonntag offiziell bestätigt. "Am 22. April verübten mit dem Iran verbündete Milizen zwei erfolglose Angriffe auf US-Streitkräfte im Irak und in Syrien", sagte Pentagon-Sprecher Pat Ryder. Es handle sich um die ersten Angriffe auf in der Region stationiertes Militär seit dem 4. Februar. Die irakische Regierung müsse alle notwendigen Schritte unternehmen, um die Sicherheit der US-Streitkräfte im Irak und in Syrien vor Angriffen dieser Gruppen zu gewährleisten.  Das Pentagon hatte sich zunächst mit Informationen zurückgehalten. Am Montag hieß es lediglich, Streitkräfte in der Region hätten als Maßnahme der Selbstverteidigung mit einem Kampfflugzeug einen Raketenwerfer zerstört, nachdem Berichte über einen fehlgeschlagenen Raketenangriff in der Nähe eines Stützpunktes im Nordosten Syriens eingegangen seien. Von US-Seite sei niemand zu Schaden gekommen.  Aufruf zu Wiederaufnahme der UNRWA-Finanzierung Der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe, Janez Lenarcic, sowie das wichtigste Geberland Norwegen haben zu einer Wiederaufnahme der Finanzierung des umstrittenen UN-Palästinenserhilfswerks (UNRWA) aufgerufen. "Ich rufe die Geber auf, das UNRWA - die Lebensader der palästinensischen Flüchtlinge - zu unterstützen", schrieb Lenarcic im Onlinedienst X. Die USA erklärten hingegen, sie wollten zunächst "echte Fortschritte" sehen. Am Montag hatte ein unabhängiger Untersuchungsausschuss "Probleme bei der Neutralität" des UNRWA festgestellt. Allerdings habe Israel noch keine Beweise für seine Vorwürfe vorgelegt, wonach eine beträchtliche Anzahl von Mitarbeitern der UN-Organisation Mitglieder terroristischer Organisationen seien, hieß es in dem Bericht des Ausschusses, der von der ehemaligen französischen Außenministerin Catherine Colonna geleitet wird.  Raisi droht Israel erneut mit Zerstörung Irans Präsident Ebrahim Raisi hat Israel erneut mit Zerstörung gedroht. "Die große Nation Iran" habe Israel für den Angriff auf das Botschaftsgelände in Damaskus Anfang April bestraft, sagte Raisi bei einem Besuch im Nachbarland Pakistan. Sollte Israel einen Fehler machen und "den heiligen Boden der Islamischen Republik Iran" angreifen, werde die Situation anders sein. "Und es ist nicht sicher, dass noch etwas vom zionistischen Regime (Israel) übrig bleibt", drohte der erzkonservative Geistliche. Den mutmaßlich israelischen Angriff in der iranischen Stadt Isfahan vom Freitag erwähnte der Präsident nicht. Am 13. April hatten Irans Revolutionsgarden einen Großangriff auf Israel mit Drohnen und Raketen ausgeführt, der auf eine mutmaßlich israelische Attacke auf die iranische Botschaft in der syrischen Hauptstadt Damaskus folgte. Bei jenem Angriff waren zu Beginn des Monats zwei Generäle und fünf weitere Mitglieder der mächtigen Revolutionsgarden getötet worden. Hamas ruft zu Eskalationen an allen Fronten auf Die radikal-islamische Hamas hat dazu aufgerufen, den Druck auf Israel in allen Konfliktgebieten zu erhöhen. Anlässlich des 200. Tages seit Ausbruch des Krieges sollen an allen Fronten die Lage verschärft werden, sagte der Sprecher der al-Kassam Brigaden der Hamas, Abu Ubaida, in einer Fernsehansprache. Irischer Außenminister spricht von Barbarei im Gazastreifen Der irische Außenminister Micheál Martin hat Israel wahllose Bombardements im Gazastreifen vorgeworfen. Die hohe Zahl getöteter Zivilisten sei inakzeptabel, sagte Martin in Ägypten und verwies auf einen Angriff am Wochenende in Rafah, bei dem 17 Kinder und zwei Frauen aus einer Großfamilie ums Leben gekommen waren. Israel ordnet Evakuierungen im Norden des Gazastreifens an Israel hat Einwohner in Teilen des nördlichen Gazastreifens zum Verlassen der Gebiete aufgefordert. Von den Evakuierungen ist der Bereich um die Ortschaft Beit Lahia betroffen. Das Gebiet sei eine "gefährliche Kampfzone", teilte ein Sprecher der israelischen Armee mit. Vor möglicher Offensive: Aufbau von Zelten in Chan Yunis Vor einer von Israel geplanten Militäroffensive in Rafah werden in der Nähe der Nachbarstadt Chan Yunis Zelte aufgebaut. Ein israelischer Armeesprecher sagte der Nachrichtenagentur dpa, das Militär wisse vom Bau der Zelte, dies sei jedoch nicht mit der Armee koordiniert. Auch palästinensische Augenzeugen im Gazastreifen berichteten von zahlreichen Zelten in dem Gebiet, die offenbar für Geflüchtete bestimmt seien. Veröffentlichte Satellitenbilder von Planet Labs PBC, die von der Nachrichtenagentur AP analysiert wurden, sollen den neuen Zeltkomplex bei Chan Yunis zeigen. Israel weist Vorwürfe wegen Massengräbern zurück Das israelische Militär hat palästinensische Vorwürfe zurückgewiesen, es sei für Massengräber und mögliche Exekutionen bei einem Krankenhaus im Gazastreifen verantwortlich. Soldaten hätten vielmehr die Leichen auf der Suche nach sterblichen Überresten der israelischen Geiseln exhumiert. "Die Behauptung, die IDF (Israelische Streitkräfte) hätten palästinensische Leichen begraben, ist haltlos und unbegründet", teilte das Militär mit. Die Leichen seien nach der Untersuchung an ihre Grabstätten zurückgebracht worden. Hisbollah dringt mit Angriff weit auf israelisches Gebiet Die Hisbollah ist eigenen Angaben zufolge mit einem Drohnenangriff so weit auf israelisches Gebiet vorgedrungen wie noch nie seit Beginn des Krieges. Ziel des Angriffs seien israelische Militärstützpunkte nördlich der Stadt Akkon gewesen. US-Unis reagieren auf Protestaktionen Angesichts der aufgeheizten Lage wegen des Krieges zwischen Israel und der militant-islamistischen Hamas geraten viele Elite-Universitäten in den USA zunehmend unter Druck. Um die Situation zu entschärfen, stellte die renommierte New Yorker Columbia University die Lehre auf den Onlinebetrieb um, wie Universitätspräsidentin Nemat Shafik mitteilte. In Yale gab es im Zuge anti-israelischer Demonstrationen mehr als 40 Festnahmen. Katar fordert "Ernsthaftigkeit" bei Verhandlungen Vermittler Katar hat Israel und die militant-islamistische Hamas aufgefordert, sich konstruktiv an den festgefahrenen Gesprächen über eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung von Geiseln zu beteiligen. "Wir müssen von allen Ernsthaftigkeit zu sehen bekommen", sagte der Sprecher des katarischen Außenministeriums Madschid al-Ansari. Berichte über schwere Angriffe im Norden des Gazastreifens Im Norden des Gazastreifens hat die israelische Armee Einwohnern zufolge die schwersten Angriffe seit Wochen gestartet. In der Nacht zum Dienstag seien ganze Straßenzüge dem Erdboden gleichgemacht worden, hieß es. Bewohner der Gegend seien in Panik geraten. Im Süden Israels wurde Alarm vor Raketenangriffen ausgelöst. Berichte über Schäden oder Verletzte gab es zunächst nicht. Berichte über Massengräber entsetzen UN-Hochkommissar Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, ist einer Sprecherin zufolge entsetzt über Berichte über Massengräber im Gazastreifen. Angesichts des Grads der Zerstörung der Krankenhäuser Nasser in Chan Yunis und Al-Schifa in Gaza-Stadt sowie Berichten über Massengräber mit Hunderten Leichen sei es nötig, Alarm zu schlagen, sagte Türks Sprecherin Ravina Shamdasani. Offensichtlich seien mehrere Leichen entdeckt worden. "Einigen von ihnen waren die Hände gebunden, was natürlich auf schwere Verstöße gegen internationale Menschenrechtsnormen und das humanitäre Völkerrecht hinweist und weiteren Untersuchungen unterzogen werden muss", so Shamdasani. Der UN-Hochkommissar arbeite daran, eine Bestätigung für die Berichte von palästinensischer Seite zu erhalten. Israel tötet zwei Hisbollah-Mitglieder im Libanon Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben zwei ranghohe Mitglieder der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah gezielt getötet. Eine israelische Drohne griff auch nach Angaben aus libanesischen Sicherheitskreisen am Morgen ein Fahrzeug in Adlun zwischen den Küstenstädten Tyros und Sidon an. Dabei sei ein Hisbollah-Mitglied getötet worden.  Außerdem sei bei einem weiteren Vorfall in der Nacht ein weiteres Mitglied der Hisbollah-Flugabwehr gezielt getötet worden. Familien von Geiseln protestieren in Tel Aviv Am 200. Tag nach ihrer Entführung aus Israel in den Gazastreifen haben Angehörige und Unterstützer von mehr als 100 Geiseln mit einer Protestaktion in Tel Aviv auf ihr Schicksal aufmerksam gemacht. Auf dem Platz vor dem Nationaltheater Habima legten sie sich unter anderem in einer Formation auf den Boden und hielten blutrot bemalte Hände in die Höhe.  Am jüdischen Pessach-Fest, das an den Auszug der Israeliten aus Ägypten und die Befreiung aus der Sklaverei erinnert, gebe es für die Geiseln keine Freiheit, teilten die Familien nach Angaben der Nachrichtenseite ynet mit. Raketenangriffe aus dem Gazastreifen auf Israel Der Beschuss auf israelische Städte vom Gazastreifen aus hält weiter an. In der Stadt Sderot und anderen Orten heulten am Dienstag erneut die Flugalarm-Warnsirenen. Berichte über Verletzte gab es zunächst aber nicht. Die israelische Armee teilte mit, auf der Basis von Geheimdienstinformationen habe die israelische Luftwaffe mehrere Raketenabschussrampen der Terrororganisation Hamas im Süden des Gazastreifens beschossen. Zudem seien mehrere Hamas-Terroristen durch Scharfschützen erschossen worden. Toter bei Luftangriff im Libanon Bei einem mutmaßlich von Israel ausgeführten Luftangriff auf ein Auto im Libanon ist ein Mensch ums Leben gekommen. Augenzeugen und libanesische Staatsmedien berichteten, der Angriff habe sich am Dienstag in der Gegend um Adlun zwischen den Küstenstädten Sidon und Tyros ereignet, rund 40 Kilometer nördlich der Grenze zu Israel. Israel kommentierte die Nachricht zunächst nicht. Seit Beginn des Krieges im Gazastreifen vor mehr als sechs Monaten kommt es fast täglich auch zu Gefechten zwischen der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah und dem israelischen Militär. Israel hat immer wieder gezielt Mitglieder der Hisbollah oder der islamistischen Terrororganisation Hamas getötet, oft auch weit entfernt von der Grenze. Iran weist angekündigte EU-Sanktionen zurück Der iranische Außenminister Hussein Amirabdollahian hat geplante Sanktionen gegen sein Land wegen des Großangriffs auf Israel als "rechtswidrig" und "bedauerlich" bezeichnet. Die Außenministerinnen und Außenminister der 27 EU-Mitgliedstaaten hatten am Montag bei einem Treffen in Luxemburg EU-Chefdiplomat Josep Borrell den Auftrag gegeben, konkrete Vorschläge für Sanktionen vorzulegen. Sie sollen es ermöglichen, weitere Handelsbeschränkungen gegen den Iran zu erlassen, um dem Land den Bau und die Entwicklung von Drohnen und Raketen zu erschweren. Zudem ist vorgesehen, Strafmaßnahmen gegen Personen, Organisationen und Unternehmen zu verhängen, die an der Produktion von Drohnen und Raketen sowie ihrer Lieferung an Verbündete des Irans im Nahen Osten beteiligt sind. Hintergrund der Sanktionspläne ist insbesondere der iranische Großangriff auf Israel mit Drohnen und Raketen vor etwas mehr als einer Woche, der auf eine mutmaßlich israelische Attacke auf die iranische Botschaft in der syrischen Hauptstadt Damaskus folgte. Flugabwehrradar im Iran getroffen? Satellitenbilder vom Montag deuten darauf hin, dass bei dem israelischen Gegenschlag auf den Iran möglicherweise größere Schäden entstanden sind, als die iranische Führung eingestehen will. Die Bilder der Firma "Planet Labs PBC" zeigen ein Gebiet, das als Einsatzort für ein russisches Flugabwehrsystem genutzt wurde - dort sind Brandspuren zu erkennen. Der Iran hatte Israel in der Nacht zum 14. April mit Hunderten Drohnen und Raketen angegriffen - die Attacke wurde von Israels Flugabwehr nahezu vollständig abgewehrt. Israel hatte eine Reaktion auf den beispiellosen direkten Angriff des Irans angekündigt. Am frühen Morgen des 19. April wurden dann aus dem Iran mehrere Explosionen nahe der Stadt Isfahan gemeldet, in der sich das Zentrum der iranischen Kernforschung befindet. Biden verurteilt antisemitische Proteste Angesichts propalästinensischer Proteste an der Columbia University in New York und anderen US-Universitäten hat Präsident Joe Biden vor Antisemitismus gewarnt, aber auch zu Empathie mit den Palästinensern aufgerufen. Biden war am Montag bei einer Rede anlässlich des Earth Day ("Tag der Erde") im Bundesstaat Virginia danach gefragt worden, ob er antisemitische Demonstranten verurteile. Er antwortete: "Ich verurteile die antisemitischen Proteste. Deshalb habe ich ein Programm entwickelt, das sich damit befasst. Ich verurteile auch diejenigen, die nicht verstehen, was mit den Palästinensern los ist." Seit Tagen demonstrieren Studierende an der renommierten Columbia University und anderen Universitäten in Solidarität mit den Palästinensern und gegen das Vorgehen der israelischen Führung. Bericht: Israels Bodenoffensive auf Rafah rückt näher Trotz internationaler Warnungen rückt die von Israel angekündigte Bodenoffensive auf Rafah im Süden des Gazastreifens einem Medienbericht zufolge näher. Israel bereite sich darauf vor, Zivilisten aus Rafah in die nahe gelegene Stadt Chan Junis und andere Gebiete zu bringen, berichtete das Wall Street Journal unter Berufung auf ägyptische Beamte, die über die israelischen Pläne informiert seien. Zu diesem Zweck sollten Unterkünfte mit Zelten, Lebensmittelverteilungszentren und medizinische Einrichtungen wie Feldlazarette eingerichtet werden, hieß es. Diese Evakuierungsaktion werde zwei bis drei Wochen dauern und in Abstimmung mit den USA, Ägypten und anderen arabischen Ländern wie den Vereinigten Arabischen Emiraten durchgeführt werden, hieß es. Erneut Proteste in Israel gegen Regierungschef Netanyahu Zu Beginn des jüdischen Pessach-Festes ist es in Israel erneut zu Protesten von Angehörigen der im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln gegen die Regierung des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanyahu gekommen. Hunderte Demonstranten versammelten sich am Abend vor einem Privathaus von Netanyahu in der Stadt Caesarea und forderten den Ministerpräsidenten auf, eine Einigung zur Freilassung der Geiseln in der Gewalt der radikal-islamistischen Hamas zu erzielen, wie die Times of Israel berichtete. Der Liveblog vom Montag zum Nachlesen Die Mitgliedsstaaten der EU haben Chefdiplomat Josep Borrell beauftragt, konkrete Vorschläge für neue Iran-Sanktionen vorzulegen. Bei einem Anschlag mit einem Auto in Jerusalem wurden drei Menschen verletzt. Die Entwicklungen vom Montag zum Nachlesen.
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2024-04-23
Unangenehme Fragen für die "Partei der deutschen Interessen"
Spionagevorwürfe gegen AfD-Mitarbeiter
Ein chinesischer Spion im Umfeld der AfD? Ein unangenehmer Vorwurf für eine Partei, die vorgibt, deutsche Interessen zu vertreten. Die Parteichefs haben Europa-Spitzenkandidat Krah nach der Festnahme seines Mitarbeiters vorgeladen. Von G. Halasz.
Ein chinesischer Spion im Umfeld der AfD? Ein unangenehmer Vorwurf für eine Partei, die vorgibt, deutsche Interessen zu vertreten. Die Parteichefs haben Europa-Spitzenkandidat Krah nach der Festnahme seines Mitarbeiters vorgeladen. Von Gabor Halasz Es wurde gejubelt, damals im Sommer in Magdeburg. Maximilian Krah war gerade zum Spitzenkandidaten für die Europawahl gekürt worden. Doch nicht wenige in der AfD - auch an der Spitze - haben sich nie Mühe gegeben zu verstecken, was sie von dieser Wahl halten: nicht viel. Es war wie eine Vorahnung: Der Kandidat Krah könnte für schlechte Schlagzeilen sorgen. So ist es gekommen. Der vorläufige Höhepunkt erreichte die AfD am Dienstagmorgen - die Nachricht, dass ein Mitarbeiter von Krah festgenommen wurde. Der Mann mit chinesischen Wurzeln steht unter Spionageverdacht. Er soll Informationen nach China weitergegeben haben. Krah äußert sich nur schriftlich: Er habe aus den Medien von den Vorwürfen erfahren und sollten sie stimmen, würde das Arbeitsverhältnis sofort beendet. Krah würde gern auch die Debatte beenden und den Fragen ausweichen. Aber das geht nicht mehr. Die Parteispitze zitiert ihn nach Berlin. Immer wieder China Auf einer Pressekonferenz reden die Vorsitzenden minutenlang über die aus ihrer Sicht schlechte Ampelpolitik, Energiefragen und das Bürgergeld. Dabei wissen sie doch, dass die Frage nach dem Spitzenkandidaten kommen wird. "Wir sehen das als absolut besorgniserregend an", sagt Tino Chrupalla schmallippig. Das war es dann auch. Die Parteispitze verweist auf das Gespräch mit Krah, wenn der von seiner langen Reise aus Straßburg irgendwann Berlin erreicht haben sollte. Immer wieder China. Die Fragen sind nicht neu. Natürlich sei er in China gewesen, lachte Maximilian Krah erst vor wenigen Tagen ins Mikrofon bei "Jung und naiv", einem YouTube-Format. Er habe viele Freunde und habe natürlich nicht mit dem Geheimdienst gesprochen. Dass er Hotel und Zugfahrt bezahlt bekam, spielt Krah herunter: "Ne Bahnfahrkarte und dreimal Business-Hotel. So what. Was sind das, 400 Euro, 500 Euro?" Krah sagt, er habe alles angegeben und deutsche Interessen vertreten. Alles andere - so sagt er es schon dort - sei Kampagne. Und seine Wähler würden das durchschauen. "Das ist Verrat" Kampagne vor der Wahl - das ist ein übliches AfD-Narrativ. Doch lässt sich das aufrechterhalten? Die Schlagzeilen zu China sind ein Problem für die Partei, die ja immer wieder Deutschland an erste Stelle stellt. Die Glaubwürdigkeit sei angeschlagen, sagt der Politikwissenschaftler Wolfgang Schröder von der Universität Kassel - "weil man nicht auf der einen Seite für sich in Anspruch nehmen kann, dass man deutsche Interessen vertritt und auf der anderen Seite auf plumpste, einfachste Weise diese Interessen mit Füßen tritt. Und sie an andere weitergibt. Das ist Verrat." Verrat - ein starker Vorwurf, der immer wieder kommt. Sind AfD-Politiker bestechlich? Handeln sie beauftragt von Russland oder China? Krah musste jüngst zugeben, in den USA vom FBI - also der Bundespolizei - befragt worden zu sein. Es ging um Chatnachrichten und den Verdacht, Geld bekommen zu haben - Geld aus dem pro-russischen Umfeld. Krah bestreitet das, ebenso wie Petr Bystron - der steht auf Platz zwei der Europaliste und fiel im Bundestag durch Aussagen wie diese auf: Wir alle, die für den Frieden eintreten, müssen uns hier auch noch als Agenten Moskaus beschimpfen lassen. Und von wem? Von Leuten, die von den Amerikanern gesteuert, bezahlt und überwacht werden. Was tun mit Blick auf die Europawahl? Sind das russische Narrative im Bundestag? Und floss dafür Geld? Der Parteichef stellte sich erst am Wochenende hinter Krah und Bystron. Solange keine Beweise auf dem Tisch liegen. Aber Chrupalla macht bei Caren Miosga auch klar, was passieren würde, wenn an den Vorwürfen was dran ist: "Die Konsequenzen sind ganz klar, dass solche Personen in unserer Partei keinen Platz haben." Heißt: Wer sich von Russland oder China steuern lässt, fliegt aus der Partei. Doch das würde dauern und wäre bis zur Europawahl Anfang Juni nicht zu schaffen. Krah und Bystron - also die ersten beiden Plätze von der Liste - zu streichen, wäre unmöglich. Es gibt nur wenige Ausnahmen. Wenn zum Beispiel der Kandidat stirbt oder wegen eines Urteils nicht mehr wählbar ist, kann die Liste verändert werden. Im Ernstfall blieben der AfD wenig Möglichkeiten. Sie könnte wohl nur die beiden von Plakaten oder den Wahlkampfbühnen verbannen. Auch deswegen versucht die Partei die geübte Rolle einzunehmen - wie der Parlamentarische Geschäftsführer Bernd Baumann, der versucht, den Verfassungsschutz schlecht zu machen. "Natürlich prüfen wir das", sagt er - aber: die Vorwürfe "können wahr sein, die können konstruiert sein. Das kann alles Mögliche sein." Sorge ist spürbar Wenige in der AfD wollen reden über Krah. Die Sorge ist spürbar. Aber auch der Korpsgeist. Noch. Der Abgeordnete Stefan Keuter sagt: "Wir sind die Partei der deutschen Interessen. Und so etwas würden wir definitiv nicht machen." Und sein Kollege Martin Sichert betont: "So lange, wie wir keine harten Fakten und Belege haben, bleiben die Reihen in der AfD geschlossen." Politikwissenschaftler Schröder rechnet mit weiteren Enthüllungen. "Diese Partei ist nicht nur eine Gefahr für die Demokratie, sondern auch für die konkrete Sicherheitslage." Die AfD handelt nicht im Interesse der Deutschen. Das sind harte Vorwürfe und Fragen. Vor allem an den Europa-Spitzenkandidaten Maximilian Krah - wenn er bei den Parteichefs vorgeladen ist.
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2024-04-23
Amazon scheitert mit Klage gegen verschärfte Aufsicht
BGH bestätigt Bundeskartellamt
2022 hatte das Bundeskartellamt Amazon eine "überragende marktübergreifende Bedeutung" bescheinigt und unter verschärfte Beobachtung gestellt. Der Konzern legte Beschwerde ein - und scheiterte damit nun vor dem Bundesgerichtshof.
2022 hatte das Bundeskartellamt Amazon eine "überragende marktübergreifende Bedeutung" bescheinigt und unter verschärfte Beobachtung gestellt. Der Konzern legte Beschwerde ein - und scheiterte damit nun vor dem Bundesgerichtshof. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich im Rechtsstreit des Bundeskartellamts mit Amazon an die Seite der Wettbewerbshüter gestellt. Der Kartellsenat des BGH bestätigte die Einschätzung, "dass Amazon eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb" habe. Die entsprechende Einstufung des Kartellamts war demnach rechtens. Damit wird der Weg für die Bonner Behörde frei, den Konzern künftig härter in die Mangel zu nehmen und möglicherweise auch bestimmte Geschäftspraktiken zu verbieten. Das Bundeskartellamt hatte Amazon im Juli 2022 auf der Grundlage einer neuen Regelung überragende Marktmacht bescheinigt und damit unter verschärfte Beobachtung gestellt. Diese Einstufung war der erste Schritt in einem zweistufigen Verfahren. In einem zweiten Schritt könnten dem Konzern bestimmte Praktiken verboten werden. So könnte es dem Online-Riesen etwa untersagt werden, eigene Angebote bei der Darstellung zu bevorzugen. Laufende Verfahren gegen weitere Konzerne Amazon legte gegen die Einstufung Beschwerde ein, konnte sich aber vor dem BGH nicht durchsetzen. Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, begrüßte die BGH-Entscheidung: "Sie gibt uns Rückenwind für unsere laufenden Verfahren gegen Amazon, mit denen wir sicherstellen wollen, dass Händlerinnen und Händler auf dem Amazon-Marktplatz fair behandelt werden." Das Urteil stärke auch die Position in laufenden Verfahren gegen weitere Internetkonzerne wie Alphabet (Google), Apple, Meta (Facebook, Whatsapp und Instagram) und Microsoft sowie mögliche neue Verfahren. Amazon kritisierte den BGH-Entscheid. "Der Einzelhandelsmarkt, online wie offline, ist sehr groß und ausgesprochen wettbewerbsintensiv", erklärte eine Sprecherin. "Wir stimmen der Entscheidung des Gerichts nicht zu und werden weitere Rechtsmittel prüfen." "Überragender Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten" Der Kartellsenat des BGH hatte sich im Juni erstmals mit der Angelegenheit befasst und stellte damals bereits im Vorgehen des Bundeskartellamts keine Verstöße gegen europäisches oder deutsches Recht fest. Die Kartellwächter hätten zutreffend festgestellt, dass Amazon über bedeutende "strategische und wettbewerbliche Potentiale" verfügt, die ermöglichen, "erheblichen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit Dritter zu nehmen", bekräftigten die Richter nun. Demnach besitze Amazon "eine marktbeherrschende Stellung auf dem deutschen Markt für Online-Marktplatzdienstleistungen für gewerbliche Händler". Der Konzern verfüge "über eine überragende Finanzkraft und einen überragenden Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten wie etwa Kunden- und Nutzerdaten, Daten aus dem Betrieb der Handelsplattformen und Werbeplattformen". Ebenso habe Amazon als Betreiber von zahlreichen Online-Marktplätzen eine Schlüsselposition für den Zugang von Einzelhändlern zu ihren Absatzmärkten, merkte das Gericht an. Das Bundeskartellamt habe zu Recht festgestellt, dass Amazon "eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb" zukomme. Im Juni hatte der Kartellsenat noch nicht ausschließen wollen, dass es notwendig werden könnte, dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg Fragen vorzulegen. Auch dies schlossen die Richter nun jedoch aus und verwiesen insbesondere auf das inzwischen in Kraft getretene EU-Gesetz für Digitale Märkte (DMA): Auch die EU-Kommission habe Amazon unter dem DMA als zentrales Internetunternehmen, einen sogenannten Torwächter, eingestuft. Vor dem BGH sind noch zwei weitere Verfahren anhängig, die ähnlich gelagert sind. Während Alphabet und Meta eine entsprechende Einstufung akzeptierten, legten Amazon und Apple Klage ein. Eine Besonderheit ist, dass der BGH direkt über diese Beschwerden von Unternehmen entscheidet und nicht wie sonst zunächst in erster Instanz das Oberlandesgericht Düsseldorf. Das soll ermöglichen, dass finale Gerichtsentscheidungen früher vorliegen.
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2024-04-23
Dürre bedroht 24 Millionen Menschen im Süden Afrikas
Wetterphänomen El Niño
Es ist die schlimmste Trockenperiode seit 100 Jahren: Im Süden Afrikas sind mehr als 24 Millionen Menschen von Hunger und Wasserknappheit betroffen. Hilfsorganisationen sprechen von einer humanitären Krise, die sofortiges Handeln erfordert.
Es ist die schlimmste Trockenperiode seit 100 Jahren: Im Süden Afrikas sind mehr als 24 Millionen Menschen von Hunger und Wasserknappheit betroffen. Hilfsorganisationen sprechen von einer humanitären Krise, die sofortiges Handeln erfordert. Die Dürre im Süden Afrikas bricht offenbar Rekorde: So wenig Niederschlag gab es laut dem UN-Nothilfebüro OCHA seit 40 Jahren nicht mehr und die Vereinten Nationen sprechen von der schlimmsten Trockenperiode seit über 100 Jahren im südlichen Afrika. Die Temperaturen zwischen Ende Januar und Anfang März lagen demnach durchschnittlich fünf Grad höher als in Vorjahren. Mehr als 24 Millionen Menschen im südlichen Afrika sind laut der UN aufgrund der extremen Wetterbedingungen von Hunger, Unterernährung und Wasserknappheit betroffen. Grund dafür ist unter anderem das Klimaphänomen El Niño. Das unregelmäßig auftretende Wetterphänomen hat große Auswirkungen auf das klimatische Gleichgewicht und sorgt für Dürreperioden und Hitzewellen. El Niño bringt Hunger und Krankheit In Simbabwe habe die ungewöhnliche Hitze "wirklich alles buchstäblich verdorren" lassen, sagte Regina Feindt, die stellvertretenden Landesdirektorin der Welthungerhilfe in Simbabwe. Die Erntevorhersage sei ernüchternd bis katastrophal. Auf den Feldern gebe es kaum Erträge und das Vieh habe bald kein Gras mehr zu fressen, während Preise für Grundnahrungsmittel in den Städten in die Höhe schnellten, so Feindt.  Nach Angaben der Hilfsorganisation Care sind allein in Sambia seit Oktober bereits mehr als 9.000 Rinder aufgrund der Dürre verendet. Etwa 70 Prozent der Bevölkerung im südlichen Afrika sind nach Angaben des UN-Welternährungsprogramms (WFP) auf die Landwirtschaft als Lebensgrundlage angewiesen. Malawi, Sambia und Simbabwe haben aufgrund der Dürre bereits nationale Katastrophenzustände ausgerufen. Auch große Teile von Angola, Botsuana, Madagaskar, Mosambik, Namibia und Südafrika sind betroffen. Gleichzeitig hat El Niño in anderen Teilen von Madagaskar, Mosambik, Malawi und Sambia zu viel Regen und Überschwemmungen geführt. Tausende Menschen flohen. Die Fluten führten laut UN zu einem Cholera-Ausbruch. Hilfsorganisationen fordern schnelles Handeln "Es handelt sich nicht nur um einen Klimaschock, sondern um eine humanitäre Krise, die sofortiges Handeln erfordert", sagte Chikwe Mbweeda, die Landesdirektorin von Care in Sambia. Das Ausmaß der Ernährungsunsicherheit - also dem mangelnden Zugang zu ausreichend nahrhaften und erschwinglichen Lebensmitteln - in der Region sei schon heute enorm, so Mbweeda. Allein in Malawi, einem der ärmsten Länder der Region, leide bereits knapp ein Viertel der Bevölkerung (etwa 4,4 Millionen Menschen) an schwerer Ernährungsunsicherheit. Der aktuelle El Niño gehört nach Angaben der Weltwetterorganisation (WMO) zu den fünf stärksten der letzten Jahrzehnte. Auf der südlichen Erdhalbkugel ist jetzt Herbst.
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2024-04-23
UN warnen Israel vor Großangriff auf Rafah
Hochkommissar Türk
Seit Tagen deutet sich an, dass eine Offensive Israels in Rafah kurz bevorstehen könnte. UN-Hochkommissar Türk hat davor nun eindringlich gewarnt. Zudem verurteile er Luftangriffe auf die Stadt, die Israel zuletzt durchgeführt hatte.
Seit Tagen deutet sich an, dass eine Offensive Israels in Rafah kurz bevorstehen könnte. UN-Hochkommissar Türk hat davor nun eindringlich gewarnt. Zudem verurteile er Luftangriffe auf die Stadt, die Israel zuletzt durchgeführt hatte. Fast täglich greift Israel bereits Ziele in Rafah an. Trotz Bedenken der USA und anderer Staaten will die israelische Regierung ihre Bodenoffensive auf die Stadt im Süden des Gazastreifens ausweiten, um dir dort verbliebenen Hamas-Kämpfer aufzuspüren. Zuletzt mehrten sich die Hinweise, dass eine solche Offensive bald bevorstehen könnte. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, hat nun eindringlich vor einem solchen Großangriff gewarnt. Die Folgen wären "mehr Todesfälle, mehr Verletzungen und Vertreibung in großem Maßstab - und mehr grausame Verbrechen, für die die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden würden", hieß es in einer Mitteilung seines Büros. Nach Türks Angaben halten sich schätzungsweise noch 1,2 Millionen Vertriebene in Rafah auf. Lange Zeit lag die Schätzung bei 1,7 Millionen. Viele Menschen hätten die Stadt aus Angst vor der angekündigten Offensive in Richtung Norden verlassen.  UN: 30 Frauen und Kinder getötet Der UN-Hochkommissar prangerte zudem eine Serie israelischer Luftangriffe auf Rafah an. Dabei seien überwiegend Frauen und Kinder ums Leben gekommen, erklärte Türk. Die Staats- und Regierungschefs der Welt seien sich einig, wie wichtig es sei, die Zivilbevölkerung von Rafah zu schützen. Türk warnte vor möglichen Kriegsverbrechen. "Die jüngsten Bilder von einem Frühgeborenen, das aus dem Bauch seiner sterbenden Mutter genommen wurde, (und Bilder) von den beiden benachbarten Häusern, in denen 15 Kinder und fünf Frauen getötet wurden - das hat nichts mehr mit Kriegsführung zu tun." Die Schwangere sei bei einem israelischen Angriff auf ein Wohnhaus vor wenigen Tagen tödlich verletzt worden, teilte die Sprecherin des Büros mit. Rettungskräfte hätten sie noch zu einem Krankenhaus gebracht, wo das Baby nach einem Kaiserschnitt bei seiner sterbenden Mutter überlebt habe und nun um sein Leben kämpfe. Das Büro dokumentierte drei Luftangriffe seit dem 19. April in Rafah, bei denen mindestens 30 Frauen und Kinder ums Leben gekommen seien. Berichte über Massengräber Nach Angaben seiner Sprecherin zeigte sich Türk zudem entsetzt über Berichte, wonach im Gazastreifen mutmaßliche Massengräber entdeckt wurden. Angesichts des Grads der Zerstörung der Krankenhäuser Nasser in Chan Yunis und Al-Schifa in Gaza-Stadt sowie Berichten über Massengräber mit Hunderten Leichen sei es nötig, Alarm zu schlagen, sagte die Sprecherin. Offensichtlich seien mehrere Leichen entdeckt worden. "Einigen von ihnen waren die Hände gebunden, was natürlich auf schwere Verstöße gegen internationale Menschenrechtsnormen und das humanitäre Völkerrecht hinweist und weiteren Untersuchungen unterzogen werden muss", erklärte Türks Büro. Der UN-Hochkommissar arbeite daran, eine Bestätigung für die Berichte von palästinensischer Seite zu erhalten. Denen zufolge wurden in Nasser 283 und in Al Schifa 30 Leichen gefunden, darunter auch Frauen und Kinder. Sie seien unter Müllbergen begraben gewesen. Israelische Armee: "Vorwürfe haltlos" Mehrere Medien berichteten, die Terrororganisation Hamas behaupte, die israelische Armee habe Palästinenser im Nasser-Krankenhauses getötet und dort begraben. Das israelische Militär bestreitet das. "Der Vorwurf, die israelische Armee habe Leichen von Palästinensern begraben, sind völlig haltlos", schrieb die Armee auf eine Anfrage einer israelischen Zeitung. In der schriftlichen Mitteilung hieß es allerdings weiter, die Soldaten hätten im Nasser Krankenhaus in den vergangenen Monaten Leichen untersucht, die Palästinenser begraben haben, um herauszufinden ob unter ihnen tote Geiseln sind. Die Untersuchungen seien ordnungsgemäß durchgeführt worden, ohne die Würde der Toten zu stören.   Mit Informationen von Bettina Meier, ARD-Studio Tel Aviv
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2024-04-23
"Der Iran hat genug Material für eine Atombombe"
IAEA-Chef Grossi
Die Atomanlagen des Iran sind offenbar bei der mutmaßlichen israelischen Militäroperation nicht beschädigt worden. Doch die Sorge um das iranische Atomprogramm wächst zunehmend. IAEA-Chef Grossi sagt, der Iran habe inzwischen genug angereichertes Uran. Von W. Vichtl und A. Tillack.
Die Atomanlagen des Iran sind offenbar bei der mutmaßlichen israelischen Militäroperation nicht beschädigt worden. Doch die Sorge um das iranische Atomprogramm wächst zunehmend. IAEA-Chef Grossi sagt, der Iran habe inzwischen genug angereichertes Uran. Von Wolfgang Vichtl, Anna Tillack Der Iran habe mehr hochangereichertes Uran als er braucht, wenn er eine oder vielleicht sogar mehrere Atombombe bauen will, sagt einer, der es mit am besten wissen müsste - Rafael Grossi, Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA in Wien. Grossi ist fast immer besorgt, aber es gab zuletzt genug neuen Anlass. Nach den Angriffen des Iran auf Israel ist das Bewusstsein für die Bedrohung durch das iranische Atomprogramm wieder gewachsen, und der mutmaßliche Gegenangriff Israels verstärkt das - auch wenn noch unklar ist, welche Ziele wie getroffen wurden. Die Atomanlagen seien aber nicht beschädigt worden, teilte Rossis Organisation am Morgen mit. Eine Visite Grossis im Iran ist geplant, irgendwann in den nächsten Wochen, gewiss auch abhängig davon, wie sehr die Spannungen mit Israel weiter eskalieren. Der IAEA-Chef wird deutlicher als früher Grossi weiß von seinen Inspektoren im Iran, dass die Iraner einer Atombombe deutlich näher gekommen sind, seit dem Abbruch der Atomgespräche in Wien, die genau das verhindern sollten. Grossi spricht im ARD-Interview, das vor den mutmaßlichen Gegenangriff Israels geführt wurde, mehr Klartext als früher: "Kein Land, das noch keine Atombombe hat, reichert Uran auf diesem Niveau an: 60 Prozent!" Für einen Atomreaktor, zur Stromerzeugung reichen zweieinhalb bis vier Prozent. Für eine Atombombe braucht es 90 Prozent - aber 60 Prozent, 90 Prozent, "technisch gesprochen ist das fast identisch", sagt Grossi: Aber - das ist Grossi auch wichtig: Heute gebe es noch keine Atomwaffe im Iran und: "Wir" - er meint auch die IAEA - "müssen sie davon abhalten." Der Iran sendet Signale Grossi hofft weiter, dass es keinen Angriff auf die Atomeinrichtungen des Iran geben wird. Das verstoße gegen internationales Recht, mahnt er, fordert äußerste Zurückhaltung. Er selbst sei wieder als Vermittler gefragt - so versteht er seine Rolle. Reden als vertrauensbildende Maßnahme, der Wunsch nach "bilateralen Gesprächen", kommt offenbar aus Teheran. Grossi ist dazu bereit, wiederholt ein paar grundsätzliche Bedingungen. Es müsse zum Beispiel deutlich effektivere Kontrollen in den iranischen Atomanlagen geben als in den vergangenen Monaten: "Sie sagen, sie haben nichts zu verbergen. Gut - fantastisch. Beweisen sie es uns!" Atomabkommen inzwischen überholt Die IAEA hat Inspektoren im Iran, aber Grossi sagt auch, es sei nicht auszuschließen, dass es auch Zentrifugen gibt, von denen die Agentur nichts weiß. Viele Gesprächsstoff also, was aber nicht heißt, dass es zu einer Wiederaufnahme der internationalen Atomgespräche mit dem Iran in Wien kommt. Die seien in der alten Form tot. "Die existieren nicht mehr", sagt Grossi. Die Grundlage, das internationale Atomabkommen mit dem Iran, aus dem Jahr 2015, sei im übrigen längst überholt. Das iranische Atomprogramm habe sich seitdem enorm weiterentwickelt, neue moderne Zentrifugen würden eingesetzt. Der Iran brauche jetzt viel weniger um viel mehr waffenfähiges Uran zu produzieren. Das Atomabkommen brauche eine "dramatisches Update, um es effizient zu machen".
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2024-04-23
Der Hang zum Großen
Elektroauto-Modelle
E-Autos werden effizienter, aber zum Teil auch größer. Während nach günstigen kleinen Modellen gerufen wird, zeigt die Palette bei vielen deutschen Autobauern in die entgegengesetzte Richtung. Von Melanie Böff.
E-Autos werden effizienter, aber zum Teil auch größer. Während nach günstigen kleinen Modellen gerufen wird, zeigt die Palette bei vielen deutschen Autobauern in die entgegengesetzte Richtung. Von Melanie Böff Premiere im thüringischen Eisenach: Dort wird künftig der Elektro-SUV Grandland von Opel vom Band gehen. Mit neuer Technik und bis zu 700 Kilometer Reichweite. Für den Rüsselsheimer Autobauer ist es nach eigener Ansicht ein Meilenstein. Bislang wurde der Grandland in diesem Werk ausschließlich als Verbrenner und Plug-in-Hybrid produziert. Erstmals wird der SUV nun also auch mit batterieelektrischem Antrieb angeboten. Heute sind in Eisenach erste Vorserien-Modelle zur Probe vom Band gerollt, ab Mitte dieses Jahres sollen dort die ersten Autos gefertigt werden, die an Kundinnen und Kunden verkauft werden. "Kostenherausforderungen" bei Fertigung in Deutschland Mit Preisen für den neuen Grandland hält sich Opel bis jetzt noch zurück. Die Version mit Plug-in-Hybrid steht aktuell mit 47.800 Euro in der Preisliste. Größentechnisch am anderen Ende steht der Elektro-Corsa, den gibt es ab 34.650 Euro aufwärts. Zum Vergleich in der Kleinwagenklasse: Der Fiat 500 Elektro kostet in der günstigsten Variante 29.990 Euro, der elektrische Renault Zoe 36.840 Euro. Die Fertigung eines Autos in Deutschland sei mit Kostenherausforderungen verbunden, sagte Opel-Chef Florian Huettl heute. "Es ist natürlich leichter, in einem höhersegmentigen Auto wie dem Grandland die Kosten zu verkraften." Die Produktion eines Kleinwagens wie dem Corsa in Deutschland sei heute nicht denkbar, so Huettl. Ein Signal für den Standort Es gab immer wieder Sorgen mit Blick auf das ostdeutsche Opel-Werk. Vergangenes Jahr machte der Mutterkonzenzern Stellantis dann aber große Zusagen: 130 Millionen Euro an Investitionen und grünes Licht für das vollelektrische Modell aus Eisenach. Branchenexperten sind sich sicher: Damit ist die Zukunft des Werks für die kommenden zehn Jahre in trockenen Tüchern. Es ist also auch ein starkes wirtschaftliches Signal für den Standort. Und für den Autobauer aus dem hessischen Rüsselsheim, der früher in den Wirtschaftswunderzeiten Mercedes und BMW mit großen Modellen Konkurrenz gemacht, dann aber eine schwere Zeit hinter sich gebracht hatte - das Auf und Ab mit dem US-Eigentümer General Motors, bis Stellantis das Ruder übernahm. Ein Blick auf die aktuellen Neuzulassungen zeigt: Neben VW schneidet auch Opel stark ab, vor allem mit dem Corsa, der im vergangenen Jahr der meistverkaufte Kleinwagen in Deutschland war - optisch und technisch gab es zuletzt ein Update. SUVs sind beliebt Was da heute im Opel-Werk vorgestellt wurde, liefert aber auch ein weiteres Indiz für einen Trend in der Modellpolitik der deutschen Autobauer. Denn der Opel Grandland legt auch an Größe deutlich zu. Beliebtestes Segment mit über der Hälfte der neuzugelassenen Elektroautos bleiben SUV, so der ADAC; danach folgten mit großem Abstand Autos der Kompaktklasse. Das sei vor allem dem Modellangebot geschuldet. Der ADAC plädiert für mehr Vielfalt im Angebot und attraktivere Preise für kleine E-Autos. Denn es fehlt an günstigen Optionen. Allerdings entscheiden sich Käuferinnen und Käufer aber auch zunehmend für SUV-Modelle und Geländewagen. Allein hierzulande haben SUV im vergangenen Jahr einen Marktanteil von über 30 Prozent erreicht. So konzentrieren sich auch viele Autobauer eben auch bei Elektroautos auf große und leistungsstarke Modelle - das erhöht die Preise in allen Kategorien. Laut dem Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach liegt der Durchschnittspreis für ein E-Auto bei 52.700 Euro. Die Auswahl bei E-Kleinwagen schrumpft Egal, ob bei BMW, Audi, Mercedes, Porsche, Volkswagen oder Opel: Man setzt auch stark auf Elektro-SUV - in dem Bereich wird die Auswahl offenbar immer größer; bei günstigen Kleinwagen schrumpft sie in der Tendenz. Beim Center for Automotive Research (CAR) erklärt man sich diese Entwicklung so: "Das Fahrzeugsegment der SUV ist in Deutschland das größte Marktsegment, entsprechend können hier am meisten Autos verkauft werden", schreibt Helena Wisbert, Professorin für Automobilwirtschaft und Direktorin bei CAR, tagesschau.de. Dazu komme, dass Elektroautos nach wie vor deutlich teurer in der Herstellung als vergleichbare Verbrennerfahrzeuge seinen und sich der Kostenblock der Batterie einfacher in einen größeren und teureren SUV integrieren lasse als in einen Kleinwagen. CAR kommt zum Schluss: Kleine Elektroautos hätten ein Profitabilitätsproblem. Keine großen Gewinnsprünge bei Kleinwagen Da Kunden besonders im Kleinwagensegment sehr auf den Preis achten, sind hier also keine großen Gewinnspannen möglich. Zur Modellpolitik haben sich auf Anfrage auch verschiedene Autobauer gemeldet. Dass Premium-Hersteller auf große, leistungsstarke Autos setzen, folgt einer gewissen Logik. "Preisparität mit 'Massensegment'-Marken ist nicht unser Ziel", schreibt ein BMW-Sprecher auf Anfrage. Gleichzeitig will man auch bei Mercedes-Benz dem Einstiegssegment grundsätzlich treu bleiben. Volkswagen etwa verweist vor allem auf das Thema Komfort - SUV seien bei den Kunden weltweit beliebt, vor allem wegen ihrer hohen Sitzposition. Bei Preisfragen zu Elektroautos ist man überzeugt, Volkswagen sei mehr als wettbewerbsfähig unterwegs. Günstige, deutsche E-Autos - aber wann? Was günstigere Modelle angeht, verweisen Volkswagen und Opel auf später. "In nicht allzu ferner Zukunft" will Opel ein vollwertiges E-Auto ab 25.000 Euro anbieten. "Damit haben wir eine weitere Möglichkeit, große Kundengruppen anzusprechen", schreibt ein Sprecher auf Anfrage.  Auch Volkswagen arbeitet an günstigeren Elektroautos für rund 20.000 Euro, aktuell sei aber noch keine Entscheidung über die Umsetzung getroffen, schreibt ein Sprecher tagesschau.de. Citroën und Renault wollen in diesem Jahr Elektromodelle für unter 25.000 Euro auf den Markt bringen. "Die Modellpolitik der deutschen Hersteller war lange Zeit von kurzfristigen Profiten statt langfristiger Strategie geprägt. Zu lange", sagt Sebastian Bock, Deutschlandchef der Umweltschutzorganisation Transport & Environment (T&E). Gerade die deutschen Premiumhersteller hätten in den letzten Jahren hauptsächlich ihre Profite maximiert und ihre Produktpalette an Gewinnen und nicht an ihrer Zukunftsfähigkeit ausgerichtet, so Bock gegenüber tagesschau.de. Bei T&E sei man überzeugt, dass man in Europa günstige Elektroautos für die breite Masse bauen könne. Autohersteller geizen mit Rabatten Die Bundesregierung hatte im vergangenen Jahr zuerst die Kaufprämie für gewerbliche Elektroautos gestrichen und danach überraschend auch die für private Käufer. Die Nachfrage nach Elektroautos brach daraufhin ein. Und eine Analyse zeigte zuletzt, dass einige Autohersteller ihre Rabatte für Elektrofahrzeuge im April zurückgefahren haben. Im Schnitt wurden auf dem deutschen Markt bei Internetvermittlern nur noch gut zwölf Prozent Nachlass gewährt, so das CAR. Bei vergleichbaren Verbrennermodellen habe es hingegen einen durchschnittlichen Nachlass von fast 17 Prozent gegeben. Im Vormonat hatte es für E-Autos noch deutlich höhere Kaufanreize gegeben, bevor zum Beispiel Volkswagen seine Sonderkonditionen für die ID-Modelle auslaufen ließ. Auch bei Audi und der Stellantis-Marke Opel wurden die E-Rabatte der Untersuchung zufolge gekürzt. Der internationale Wettbewerb wächst Doch der globale Wettbewerbsdruck ist groß, nimmt sogar weiter zu. Die chinesischen Hersteller drängen immer stärker auf den Markt. Die Autobauer brauchen schnelle Lösungen. Denn der Markt für Elektroautos steckt weiterhin in der Krise: Zwischen Januar und März 2024 wurden in Deutschland etwa 81.300 E-Autos neu zugelassen. Damit lag die Zahl im Vergleich zum selben Zeitraum im Jahr 2023 rund 14 Prozent niedriger. Der Autoabsatz in der EU kommt auch nicht wirklich voran. Im März lag der Marktanteil der reinen Stromer nach Zahlen des Branchenverbands ACEA bei 13 Prozent, etwas niedriger als ein Jahr zuvor. In Deutschland brach der Absatz solcher Autos um fast 29 Prozent ein, vor allem spürbar bei den privaten Zulassungen.
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2024-04-23
Vodafone-Kunden können sich mit Sammelklage wehren
Erhöhte Internettarife
Im vergangenen Jahr überraschte Vodafone zehn Millionen Kunden mit einer Preiserhöhung im Internet-Festnetz. Laut Verbraucherschützern war dies nicht rechtens. Kunden können sich seit heute einer Sammelklage anschließen.
Im vergangenen Jahr überraschte Vodafone zehn Millionen Kunden mit einer Preiserhöhung im Internet-Festnetz. Laut Verbraucherschützern war dies nicht rechtens. Kunden können sich seit heute einer Sammelklage anschließen. Eine Sammelklage gegen Preiserhöhungen bei Vodafone kommt voran. Das Bundesamt für Justiz schaltete heute die Klage frei. "Verbraucherinnen und Verbraucher sowie kleine Unternehmen können jetzt ihre Ansprüche oder Rechtsverhältnisse" anmelden, erklärte die Bonner Behörde. Diese können sich nun auf der Webseite des Bundesamtes in das dazugehörige Klageregister eintragen. Damit nehmen Betroffene an einer Klage teil, die der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) im vergangenen Herbst beim Oberlandesgericht (OLG) Hamm eingereicht hatte. Der vzbv geht aufgrund von ersten Rückmeldungen von Verbrauchern von einem sehr großen Interesse aus. Eine Anmeldung ist noch bis zum Ablauf von drei Wochen nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung möglich. Das Verfahren am OLG Hamm ist einer der ersten Fälle, der sich auf ein neues Bundesgesetz bezieht und ein schärferes Schwert für Verbraucher ist. Am Ende des Rechtsstreits könnten Vodafone-Kunden direkt Geld zurückbekommen, ohne noch einmal selbst vor Gericht ziehen zu müssen. Unternehmen verwies auf Inflation Vodafone hatte 2023 seine Festnetz-Preise um fünf Euro angehoben. Es ging um Internet über Fernsehkabel und Telefonleitungen (VDSL), nicht um Internet über Glasfaser (FTTH) und auch nicht um Mobilfunk-Tarife. Insgesamt waren rund zehn Millionen Kunden betroffen. Das Unternehmen begründete die Anhebung mit höheren Kosten etwa für Energie und für Materialien. Es verwies darauf, dass zuvor bereits der Großteil der deutschen Firmen inflationsbedingt Preise erhöht hatte.  Aus Sicht der Verbraucherschützer hätte der Anbieter aus Düsseldorf die Preise für laufende Vertragsverhältnisse aber nicht einseitig - also ohne Nachverhandlungen mit den Kunden - erhöhen dürfen. Nach Lesart der Verbraucherzentrale sind die Preiserhöhungen unwirksam. Verfahren wird Signalwirkung beigemessen Vodafone sieht es anders: Ein Firmensprecher sagte, dass seine Firma die rechtlichen Voraussetzungen für die Preisänderungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) aufgenommen hatte. Dienstleister setzen höhere Preise üblicherweise über neue Vertragsabschlüsse durch, also über Neukunden. Auch bei Bestandskunden drehen Firmen bisweilen mal an der Preisschraube, was aber Verbraucherschützer mit Argusaugen verfolgen. Dem Verfahren gegen Vodafone wird eine gewisse Signalwirkung an die Wirtschaft beigemessen.
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2024-04-23
Keine Produkte aus Zwangsarbeit mehr für die EU
EU-Parlament beschließt Verbot
Das EU-Parlament will Produkte aus Zwangsarbeit verbieten. Das könnte auch Importe aus der chinesischen Provinz Xinjiang treffen. Kritiker sagen: Ohne Beweislastumkehr sei das Gesetz jedoch wirkungslos.
Das EU-Parlament will Produkte aus Zwangsarbeit verbieten. Das könnte auch Importe aus der chinesischen Provinz Xinjiang treffen. Kritiker sagen: Ohne Beweislastumkehr sei das Gesetz jedoch wirkungslos. Das Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit hat in der EU eine wichtige Hürde genommen. Das Europaparlament stimmte dafür, dass die Produkte an den Grenzen beschlagnahmt und vom Markt verbannt werden sollen. Die EU-Staaten müssen dem Vorhaben noch zustimmen. Das gilt aber als Formsache. Damit nimmt die EU auch mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen in China ins Visier: Das Verbot soll unter anderem Importe aus der chinesischen Provinz Xinjiang treffen, wo westliche Staaten die Ausbeutung der muslimischen Minderheit der Uiguren vermuten. Wie das Verbot funktionieren soll Konkret sollen die Fälle aufgedeckt werden, indem Behörden Untersuchungen einleiten, wenn sie in der Lieferkette eines Produktes Zwangsarbeit vermuten. Bei mutmaßlicher Zwangsarbeit innerhalb der EU sind die Behörden der Mitgliedstaaten zuständig, außerhalb der EU die Kommission in Brüssel. Bestätigt sich der Verdacht, soll die Grenzpolizei Waren beschlagnahmen und sie sollen nicht mehr auf dem europäischen Markt zu kaufen sein. Verschärfte Regeln sollen für Regionen und Wirtschaftsbereiche gelten, in denen staatlich organisierte Zwangsarbeit vermutet wird. Geldstrafen für Unternehmen ab 2027 Die betreffenden Produkte müssen dann verschenkt, recycelt oder vernichtet werden. Unternehmen, die sich nicht an die Vorschriften halten, drohen Geldstrafen. Die Mitgliedsländer müssen die Verordnung ab 2027 im Einzel- und Online-Handel anwenden. Neue Datenbank für Belege von Zwangsarbeit Fachleuten zufolge ist es besonders in Fällen von staatlich organisierter Zwangsarbeit schwierig, die Arbeitsbedingungen vor Ort zu untersuchen und Belege zu finden. Die Behörden sollen sich deshalb etwa auf allgemeinere wissenschaftliche Erkenntnisse stützen können. Dafür soll die EU-Kommission nun eine ausführliche Datenbank einrichten. Die Staaten sollen künftig auf Hinweise von internationalen Organisationen, Behörden in Partnerländern oder Whistleblowern Nachforschungen unternehmen. Schätzung: Viertel der Zwangsarbeit von Kindern gemacht Darunter könnte etwa die chinesische Provinz Xinjiang fallen. Fachleute wie der China-Experte Adrian Zenz gehen davon aus, dass mehr als eine Million muslimische Uiguren in der Region unter dem Vorwand sogenannter Maßnahmen zur "Armutsbekämpfung" zur Arbeit gezwungen und streng überwacht werden. Der UN-Menschenrechtsrat spricht in einem Bericht von erheblichen Menschenrechtsverletzungen und glaubhaften Vorwürfen von Folter und bestätigt die Vorwürfe der Zwangsarbeit von Uiguren in China. Staatlich organisierte Zwangsarbeit vermuten Experten außerdem etwa bei der Baumwollernte in Turkmenistan und in der Landwirtschaft in Usbekistan. Im Jahr 2021 waren nach Schätzungen der EU 27,6 Millionen Menschen weltweit von Zwangsarbeit betroffen, der Großteil in Asien und im Pazifikraum. Kinder machen demnach ein Viertel aus. "Gute Nachricht für die Menschenrechte" Mit dem Gesetz nutze "die Europäische Union ihre Marktmacht, um Zwangsarbeit weltweit zu bekämpfen", begrüßte die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses im Parlament, Anna Cavazzini, das Gesetz. Es sei eine "gute Nachricht für die Menschenrechte weltweit", aber auch für europäische Unternehmen, die aktuell unter Dumping-Importen aus Regionen mit Zwangsarbeit leiden würden. Der EU-Parlamentarier Helmut Scholz (Linke) sagte, der Beschluss schaffe Gewissheit für Konsumenten "So muss sich in Zukunft niemand mehr fragen, ob der morgendliche Kaffee durch Zwangsarbeit hergestellt wurde, denn solche Produkte dürfen dann nicht länger auf den Binnenmarkt gelangen", sagte er. "Ohne die Beweislastumkehr ist das Gesetz wirkungslos" Sozialdemokraten, Grüne, Linke und Teile der Liberalen im Europaparlament hatten in den Verhandlungen gefordert, dass sich beim Verdacht auf staatlich organisierte Zwangsarbeit die Beweislast umkehrt. Damit hätten Unternehmen beweisen müssen, dass es in ihren Lieferketten keine Zwangsarbeit gibt. "Ohne die Beweislastumkehr ist das Gesetz wirkungslos", hatte auch der China-Experte Zenz gewarnt. Unter den Mitgliedstaaten gab es dafür jedoch keine Mehrheit. Verbot komme "zur falschen Zeit" Der Vorsitzende der Unionsabgeordneten im Europaparlament, Daniel Caspary (CDU), kritisierte das Gesetz aus anderen Gründen. Die Verantwortung dürfe nicht ausschließlich bei den Unternehmen, die schon durch hohe Rohstoff- und Energiepreise sowie bürokratische Auflagen sehr belastet seien, abgeladen werden. Das Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit komme "grundsätzlich zur falschen Zeit". Der deutsche Chemiekonzern BASF und der Autobauer Volkswagen waren im Februar unter Druck geraten, weil sie mit Unternehmen in Xinjiang zusammenarbeiteten und dort mutmaßlich uigurische Zwangsarbeiter einsetzten. In der USA haben Unternehmen Beweispflicht BASF kündigte daraufhin seinen Rückzug aus der Region an. VW verwies hingegen auf eine interne Überprüfung, die keine Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen im Rahmen seiner Aktivitäten in Xinjiang ergeben habe. In den USA gilt bereits seit 2021 ein Gesetz zur Verhinderung der Zwangsarbeit der Uiguren. Hersteller müssen seitdem nachweisen, dass in ihren Produktionsketten keine uigurischen Zwangsarbeiter eingesetzt wurden. Befürworter des EU-Gesetzes warnten deshalb, ohne eine entsprechende europäische Regelung würden Produkte aus Xinjiang vermehrt in die EU importiert.
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2024-04-23
Kiew will Exil-Ukrainer zur Heimkehr bewegen
Männer in wehrfähigem Alter
Viele Ukrainer in wehrfähigem Alter leben im Ausland - nun will Kiew, dass sie zurückkehren. Außenminister Kuleba kündigte Maßnahmen an. Einem Bericht zufolge könnte das bedeuten, dass Konsulate neue Papiere verweigern.
Viele Ukrainer in wehrfähigem Alter leben im Ausland - nun will Kiew, dass sie zurückkehren. Außenminister Kuleba kündigte Maßnahmen an. Einem Bericht zufolge könnte das bedeuten, dass Konsulate neue Papiere verweigern. Die Ukraine will erreichen, dass im Ausland lebende ukrainische Männer im wehrfähigen Alter zurückkehren. "Im Ausland zu leben, befreit einen Bürger nicht von den Pflichten gegenüber seinem Heimatland", schrieb Außenminister Dmytro Kuleba im Onlinedienst X. Deswegen habe er Maßnahmen angeordnet, die der "Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen Männern im wehrfähigen Alter in der Ukraine und denen im Ausland" dienten. Sein Ministerium werde bald Genaueres bekannt eben. Social-Media-Beitrag auf X von Dmytro Kuleba: "Protecting the rights and interests of Ukrainian citizens abroad has always been and remains a priority for the MFA. At the same time, under the circumstances of Russia’s full-scale aggression, the main priority is to protect our Homeland from destruction.How it looks like now:…" Dabei wird es Kuleba zufolge um die Regeln gehen, nach denen Männer im wehrfähigen Alter konsularische Dienstleistungen in Auslandsvertretungen wahrnehmen können. "Wenn diese Leute meinen, dass dort weit weg jemand an der Front kämpft und sein Leben für diesen Staat opfert und ein anderer sitzt im Ausland und erhält dabei Dienstleistungen dieses Staates, so funktioniert das nicht", schrieb der Minister. Bericht: Konsulardienste werden eingeschränkt Die ukrainische Nachrichtenseite ZN.UA hatte einen Bericht veröffentlicht, der sich auf ein offizielles Dokument aus dem Außenministerium beruft. Demnach wies das Ministerium ukrainische Konsulate an, männlichen Staatsbürgern im Alter von 18 bis 60 Jahren ab heute nur noch Papiere auszustellen, die für eine Rückkehr in die Ukraine nötig sind. Für andere Behördengänge müssten die Männer also in ihr Heimatland zurückkehren. Das Außenministerium bestätigte die Angaben nicht. Die ukrainische Passbehörde teilte mit, aus technischen Gründen würden bestimmte Vorgänge in den Auslandsvertretungen derzeit nicht bearbeitet. Nach Bekanntwerden der mutmaßlichen Regelung hatten sich vor ukrainischen Konsulaten in den Hauptfluchtländern in der Europäischen Union lange Schlangen von Männern gebildet. Diese wollten vor Inkrafttreten noch neue Pässe beantragen. Regeln für Mobilisierung verschärft Die Regierung in Kiew hatte die Regeln für die Mobilisierung von Soldaten vor gut zwei Wochen verschärft. Unter anderem werden Kriegsdienstverweigerer härter bestraft und Kriegsdienstleistende später entlassen. Die Ukraine ist nach mehr als zwei Jahren Krieg gegenüber den russischen Angreifern zuletzt ins Hintertreffen geraten. Die Armee hat derzeit große Schwierigkeiten, neue Soldaten zu rekrutieren Mit der Einführung des Kriegsrechts wurden Wehrpflichtigen in der Ukraine - bis auf wenige Ausnahmen - die Ausreise verboten. Trotzdem sind Hunderttausende ukrainische Männer mit gefälschten Dokumenten über die grüne Grenze ins Ausland geflüchtet, um sich dem Kriegsdienst zu entziehen. Dem ukrainischen Innenminister Ihor Klymenko zufolge fahndet seine Behörde bereits nach Hunderttausenden, die Einberufungsbescheide und Musterungsvorladungen ignoriert haben sollen.
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2024-04-23
Rücktrittsforderungen gegen Krah
Spionagevorwürfe gegen AfD-Mitarbeiter
Wegen der Spionagevorwürfe gegen seinen Mitarbeiter haben Vertreter mehrerer Parteien AfD-Spitzenkandidat Krah zum Rücktritt aufgefordert. Sein Assistent Jian G. wurde derweil vom EU-Parlament suspendiert. Die AfD-Spitze will sich morgen zu dem Fall äußern.
Wegen der Spionagevorwürfe gegen seinen Mitarbeiter haben Vertreter mehrerer Parteien AfD-Spitzenkandidat Krah zum Rücktritt aufgefordert. Sein Assistent Jian G. wurde derweil vom EU-Parlament suspendiert. Die AfD-Spitze will sich morgen zu dem Fall äußern. Politiker fast aller im Bundestag vertretenen Parteien fordern den Rücktritt des AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Maximilian Krah, nachdem einer seiner Mitarbeiter wegen Spionageverdachts festgenommen wurde. CDU-Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei sagte der Rheinischen Post: "Es ist absolut indiskutabel, einen Spitzenkandidaten zu haben, der sich mit derartigen Vorwürfen auseinanderzusetzen hat." Parteiübergreifende Kritik - Aktuelle Stunde im Bundestag Die FDP-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann kritisierte auch den AfD-Europakandidaten Petr Bystron, gegen den es Vorwürfe gibt, er habe möglicherweise Geld für prorussische Propaganda bekommen: "Beide müssten nach menschlichem Ermessen ihre Kandidatur niederlegen, statt unserem Land weiter zu schaden", sagte sie dem Tagesspiegel.  Grünen-Chef Omid Nouripour sieht in der AfD eine Gefahr für die nationale Sicherheit. "Es braucht dringend Aufklärung über die undurchsichtigen Beziehungen ihres Spitzenkandidaten Krah zu Vertretern Russlands und Chinas", schrieb er bei X. Der SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sprach von chaotischen Zuständen in der AfD: "Erst die Vorwürfe schmieriger Geldzahlungen aus dem Kreml, jetzt mutmaßliche Spionage für China", sagte er der Rheinischen Post. Die AfD versinke im Chaos von Vorwürfen des Geheimnisverrats und kriminellen Machenschaften. Linken-Politikerin Martina Renner ging sogar noch weiter: "Wann klicken bei Krah die Handschellen?", fragte sie auf X. Die Ampel-Parteien beantragten nach Angaben der Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic eine Aktuelle Stunde im Bundestag, "um diese Sicherheitsbedrohung im Parlament zu thematisieren". Diese solle am Donnerstag stattfinden. Jian G. vom EU-Parlament suspendiert Ein langjähriger Geschäftspartner und Mitarbeiter Krahs, Jian G., war gestern Abend wegen des Verdachts der Spionage für China festgenommen worden. Seit vergangenem Januar soll er laut dem Generalbundesanwalt wiederholt Informationen über Verhandlungen und Entscheidungen im Europaparlament weitergegeben haben. Zudem habe er für den Nachrichtendienst chinesische Oppositionelle in Deutschland ausgespäht, hieß es. Im Laufe des Tages sollte er dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt werden. Vom EU-Parlament wurde G. umgehend suspendiert. Das Parlament werde nun mit den zuständigen Behörden zusammenarbeiten und falls nötig, weitere Folgemaßnahmen ergreifen, hieß es. Rufe nach Aufklärung aus dem EU-Parlament Für den Chef der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Daniel Caspary, ist die Festnahme von Jian G. "ein weiterer Beleg, dass die AfD Null-Komma-Null Politik im Interesse Deutschlands macht, sondern im Gegenteil in Teilen strafrechtlich hochrelevante Verbindungen zu Staaten unterhält, die Deutschland ausspionieren und schaden wollen." Auch die Grünen-Europaabgeordnete Terry Reintke fand scharfe Worte und forderte eine schnelle Aufklärung, auch von oberster Instanz: "Die europäischen Bürgerinnen und Bürger sollten das Recht haben, noch vor der Europawahl zu wissen, was da vorgefallen ist. Und deshalb bitte ich an sie weiterzugeben, dass sich die Präsidentin selbst darum kümmert, dass diese Untersuchung noch vor der Wahl abgeschlossen wird." Ebenso hofft der Chef der SPD-Europaabgeordneten, René Repasi, darauf, dass die Parlamentspräsidentin dem Fall nachgeht: "Das Plenum wird sich damit erstmal nicht befassen können, aber die Parlamentspräsidentin ist im Amt bis zum Wahltag - und so lange arbeitet auch die Parlamentsverwaltung. Und die sind selbstverständlich aufgerufen zu handeln." Faeser: "Schwerwiegende Anschuldigungen" Bundesinnenministerin Nancy Faeser zeigte sich alarmiert. Sie sprach von "äußerst schwerwiegenden" Anschuldigungen. "Wenn sich bestätigt, dass aus dem Europäischen Parlament heraus für chinesische Nachrichtendienste spioniert wurde, dann ist das ein Angriff von innen auf die europäische Demokratie", betonte die SPD-Politikerin. Auch das mögliche Ausspähen der chinesischen Opposition stelle einen schwerwiegenden Vorwurf dar. Sie betonte, dass auch "derjenige, der einen solchen Mitarbeiter beschäftigt", einen Teil der Verantwortung trage. Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann betonte gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio, sollte sich der Vorwurf bestätigen, "trifft er das Herz unserer Demokratie". Der FDP-Politiker fügte hinzu: "Das können wir nicht dulden, hier müssen harte Konsequenzen folgen, wenn sich der Verdacht bestätigt." Parteispitze will sich am Mittwoch äußern Die AfD-Bundesspitze will sich zunächst nicht weiter zum Fall äußern. Krah sei auf dem Weg nach Berlin, man werde sich zusammensetzen und den Fall besprechen, sagte Co-Partei- und Frakionschef Tino Chrupalla. Am Mittwochmorgen werde sich die Parteispitze dann öffentlich äußern. Es sei "absolut beunruhigend", wenn ein Mitarbeiter aufgrund von Spionagevorwürfen festgenommen werde, sagte Chrupalla. Krah selbst zeigte sich überrascht. Von der Festnahme seines Mitarbeiters habe er am Vormittag aus der Presse erfahren, erklärte Krah in einer Mitteilung. "Weitere Informationen liegen mir nicht vor", hieß es darin. "Sollten sich die Vorwürfe als wahr erweisen, würde dies die sofortige Beendigung des Dienstverhältnisses nach sich ziehen."
/inland/innenpolitik/afd-spionageverdacht-china-102.html
2024-04-23
Asien am stärksten von Klimakatastrophen betroffen
UN-Bericht
In Asien gab es 2023 die meisten Wetter- und Klima-Katastrophen. Dürren nahmen zu, gleichzeitig ertranken Menschen in Sturzfluten. Sebastian Vesper über den Asien-Bericht der Weltorganisation für Meteorologie.
In Asien gab es 2023 die meisten Wetter- und Klima-Katastrophen. Dürren nahmen zu, gleichzeitig ertranken Menschen in Sturzfluten. Von Sebastian Vesper Im Juni 2023 steigen die Temperaturen im Norden Indiens auf fast 45 Grad Celsius. Die Menschen dort leiden darunter. In Bihar sterben in zwei Tagen 42 Menschen an der Hitze. Im Bezirk Bezirk Ballia in Uttar Pradesh gibt es 54 Todesfälle. Ein Wissenschaftler des Indischen Meteorologischen Dienstes bezeichnet die Temperaturen als höher als gewöhnlich. Einen Monat später, auch im Norden Indiens, sterben mehr als 20 Menschen nach Monsunregen. Straßen stehen unter Wasser, und es kommt zu Erdrutschen. Nicht nur Indien ist von Extremwetter betroffen, sondern ganz Asien. Erhebungen der Internationalen Datenbank für Katastrophen zeigen: Auf dem Kontinent kamen 2023 mehr als 2.000 Menschen bei Stürmen und Überschwemmungen ums Leben. WMO: Klimawandel verstärkt Katastrophen in Asien Generell lösen Extremwetter in Asien so viele Katastrophen aus, wie sonst nirgends auf der Welt, so die Weltorganisation für Meteorologie (WMO). "Viele Länder der Region erlebten 2023 ihr heißestes Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen, zusammen mit einer Serie extremer Bedingungen, von Dürren und Hitzewellen bis hin zu Überschwemmungen und Stürmen", sagte Celeste Saulo, die Generalsekretärin der WMO. Der Klimawandel habe diese Ereignisse verstärkt. Extreme Wetterereignisse treten in Asien nicht nur öfter auf, sie treffen die Menschen meist auch härter, sagt die Klimawissenschaftlerin Friederike Otto. Viele Menschen dort seien arm, dadurch "können sie sich weniger Versicherungen leisten, können schlechter Schutz vor dem Wetter suchen, haben eine schlechtere Gesundheitsversorgung und haben Schwierigkeiten Zerstörtes wieder aufzubauen". Otto forscht am Imperial College in London. Dürren vom Iran bis China Asien erwärmt sich laut dem Bericht der WMO schneller als der Rest der Welt. Zusammen mit weniger Regen führe das im dritten Jahr in Folge etwa im Iran zu einer Dürre. In Afghanistan gab es laut der UN-Organisation das zweite Jahr in Folge eine schlechte Ernte. Zwischen Mai und Oktober seien 15,3 Millionen Afghaninnen und Afghanen von "schwerer Ernährungsunsicherheit" betroffen gewesen. Auch im Südwesten Chinas war es ungewöhnlich trocken. Obwohl es dort insgesamt weniger geregnet hat, kam es im Sommer lokal zu Sturzfluten. Gletscher und Permafrost Höhere Temperaturen sorgen auch dafür, dass die Gletscher in Asiens Gebirgen schmelzen. Das Tibetische Plateau hat die größte mit Eis bedeckte Fläche außerhalb der Polarregionen. Rekordtemperaturen sowie fehlender Regen und Schnee führen für die WMO dazu, dass die Gletscher Asiens weiter abschmelzen. Im Westen Sibiriens würden die steigenden Temperaturen den Permafrost-Boden weiter auftauen. Die Schicht der Erde, die in dieser kalten Region im Sommer auftaut, werde dicker, so die WMO. Langfristige Folgen für die Menschen Neben den unmittelbaren Schäden können extreme Wetterereignisse auch langfristige Folgen haben. Wenn Bauern Getreide und Tiere verlieren, Straßen zerstört und Schulen geschlossen werden, dann könne sich das über Jahre auswirken, so Klimaforscherin Otto. "Essen kann teurer werden, Menschen können ihren Arbeit verlieren, der Transport von Waren auf den Straßen kann schwierig werden." Ganze Volkswirtschaften könnten so weniger produktiv werden, so Otto. Für den WMO-Bericht werteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch aus, welchen finanziellen Schaden die extremen Wetterereignisse in Asien verursachten. Ergebnis: wirtschaftliche Verluste in Höhe von 1,4 Billionen US-Dollar in 50 Jahren. Im Artikel konnten nicht alle extremen Wetterereignisse Asiens thematisiert werden. Hier geht es zum ganzen Bericht der WMO.
/wissen/asien-extremwetter-2023-100.html
2024-04-23
Festnahmen bei Razzia gegen nigerianische Mafia
In vier Bundesländern
Hunderte Ermittler haben Objekte in Bayern, Hessen, Baden-Württemberg und Hamburg durchsucht. Im Visier: mutmaßliche Mitglieder der nigerianischen Mafia. Die Beamten nahmen mehrere Männer fest.
Hunderte Ermittler haben Objekte in Bayern, Hessen, Baden-Württemberg und Hamburg durchsucht. Im Visier: mutmaßliche Mitglieder der nigerianischen Mafia. Die Beamten nahmen mehrere Männer fest. Bei einer Razzia haben Hunderte Polizistinnen und Polizisten im Zuge von Ermittlungen gegen die nigerianische Mafia nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa zahlreiche Objekte in Bayern, Hessen, Baden-Württemberg und Hamburg durchsucht. Dabei seien mehrere Männer festgenommen worden, gegen die offene Haftbefehle vorlagen, teilten das bayerische Landeskriminalamt, Polizei und die Staatsanwaltschaft München I mit. Die Festgenommenen stünden im Verdacht, Mitglieder einer kriminellen Vereinigung im In- und Ausland zu sein. Bei der Aktion hätten die Ermittler zahlreiche Speichermedien sichergestellt. Den Angaben zufolge waren bei der Aktion mehr als 330 Kräfte im Einsatz. Bei den Ermittlungen soll es mutmaßlich um Internetbetrug und Geldwäsche gehen. Zu Details wollte sich ein Sprecher des Landeskriminalamts auf Nachfrage der dpa aber zunächst nicht äußern. Offenbar Ermittlungen gegen "Black Axe Confraternity" Nach Informationen der Nachrichtenagentur richten sich die Ermittlungen gegen die "Black Axe Confraternity". Dabei handelt es sich laut dem bayerischen Verfassungsschutz um eine mafiaähnliche nigerianische Organisation, deren Mitglieder hauptsächlich in Bayern aktiv sind. Insgesamt gebe es vier solcher Gruppen. Demnach hat jede der vier "Bruderschaften" eine Deutschlandführung und mehrere regionale Organisationseinheiten auf Ebene von Bundesländern oder Regionen um größere Städte. Den Angaben zufolge sind die "Confraternities" ursprünglich aus universitären Bruderschaften entstanden, die sich in den 1960er- und 1970er-Jahren für die Forderung nach der Unabhängigkeit Nigerias einsetzten. Drogen, Internetbetrug und Menschenhandel Einige der Gruppen hätten sich später aber zu mafiaähnlichen Vereinigungen entwickelt. Sie sind demnach vor allem in den Bereichen Drogenkriminalität, Internetbetrug, Geldwäsche, Menschenhandel und Schleusungen aktiv. In Nigeria komme es wegen Konkurrenz untereinander zu gewalttätigen Konflikten zwischen den Gruppen. Italien gilt als europaweiter Schwerpunkt. Dort habe es in den vergangenen Jahren vermehrt große Festnahmeaktionen und Verurteilungen von Mitgliedern gegeben, heißt es im Verfassungsschutzbericht. Von dort sei mittlerweile aber eine "Ausweitung und Verlagerung bestehender krimineller Strukturen" nach Deutschland und vor allem nach Bayern festzustellen.
/inland/gesellschaft/razzia-nigerianische-mafia-100.html
2024-04-23
Tesla will in Grünheide 400 feste Stellen abbauen
Absatzprobleme
Die Sparpläne von Tesla betreffen nun auch feste Stellen in Deutschland. Bei dem Jobabbau sollen aber Kündigungen vermieden werden. Tesla leidet unter einer ausgeprägten Absatzschwäche.
Die Sparpläne von Tesla betreffen nun auch feste Stellen in Deutschland. Bei dem Jobabbau sollen aber Kündigungen vermieden werden. Tesla leidet unter einer ausgeprägten Absatzschwäche. Tesla will in seinem Werk im brandenburgischen Grünheide 400 feste Stellen streichen. Dabei sollen Kündigungen vermieden werden, teilte der US-Autobauer dem rbb mit. Tesla habe deshalb ein Freiwilligenprogramm für Mitarbeiter aufgelegt, die das Unternehmen verlassen wollen. Vor zwei Wochen hatte Konzernchef Elon Musk angekündigt, er wolle weltweit zehn Prozent der Stellen streichen. Die Tesla-Gigafactory in Grünheide hat rund 12.500 Beschäftigte. 300 von rund 2.000 Leiharbeitern hat Tesla bereits abgemeldet. Tesla setzt auf Leiharbeit Mit dem Abbau von 400 festen Stellen sinke die Zahl der Beschäftigten auf 11.800, so das Unternehmen. Die Marke von zehn Prozent werde damit nicht erreicht. Auch künftig will Tesla in Grünheide vor allem mit Leiharbeitern Schwankungen ausgleichen. "Darüber hinaus ist es stets in unserem Interesse, unsere Fertigung so produktiv wie möglich zu betreiben", teilte Tesla dem rbb mit. "Hierbei entstehende Effizienzen werden auch zukünftig vorrangig mit Anpassungen beim Einsatz von Leiharbeit einhergehen." Die Mitglieder der IG Metall im neu gewählten Tesla-Betriebsrat forderten, den Personalabbau zu stoppen. Die Gewerkschafter sind zwar die größte Fraktion in der Arbeitnehmervertretung, haben aber keine Mehrheit. Tiefgreifende Absatzprobleme Tesla hatte den Stellenabbau mit schwächelnden Verkaufszahlen begründet. Laut dem Bericht zum ersten Quartal dieses Jahres sank der Absatz im Vorjahresvergleich um acht Prozent, die Produktion um 1,6 Prozent. Tesla macht vor allem die - oft günstigere - Konkurrenz aus China zu schaffen. Der US-Autobauer hat auf die Nachfrageschwäche mit Preissenkungen für seine Modelle reagiert. Aber auch die alternde Modellpalette des Unternehmens sowie seine kaum berechenbare Preispolitik stehen in der Kritik. In Deutschland, wo der Absatz schon im vergangenen Jahr gegen den Branchentrend zurückging, kommen noch spezifische Probleme hinzu. Eine Rolle spielt der Wegfall der staatlichen Kaufprämie für E-Autos im vergangenen Dezember. Das Werk in Grünheide selbst, das schon im Januar von Lieferproblemen im Zuge der Huthi-Attacken im Roten Meer betroffen war, musste nach dem linksextremistischen Brandanschlag auf die Stromversorgung im März erneut für mehrere Tage die Produktion einstellen.
/wirtschaft/unternehmen/tesla-gruenheide-stellenabbau-100.html
2024-04-23
Krah-Mitarbeiter unter Spionageverdacht
AfD-Spitzenkandidat
Ein Mitarbeiter des AfD-Spitzenkandidaten Krah soll für den chinesischen Geheimdienst spioniert haben. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, chinesische Oppositionelle ausgespäht und Informationen aus dem EU-Parlament an Peking übermittelt zu haben.
Ein Mitarbeiter des AfD-Spitzenkandidaten Krah soll für den chinesischen Geheimdienst spioniert haben. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, chinesische Oppositionelle ausgespäht und Informationen aus dem EU-Parlament an Peking übermittelt zu haben. Von Andrea Becker (RBB), Michael Götschenberg (ARD-Hauptstadtstudio), Georg Heil (RBB) und Holger Schmidt (SWR) Am späten Abend rückte die Polizei an und nahm Jian G. in Dresden fest. Der Generalbundesanwalt wirft dem 43-Jährigen nach Informationen von ARD-Hauptstadtstudio, rbb und SWR einen besonders schweren Fall der geheimdienstlichen Agententätigkeit für eine fremde Macht vor - G. soll für das chinesische Ministerium für Staatssicherheit (MSS) gearbeitet haben. Darüber hinaus soll G. Informationen aus dem Europäischen Parlament an den MSS übermittelt haben.  Jian G. arbeitet als Assistent für den Spitzenkandidaten der AfD für die Europawahl, Maximilian Krah. Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, drohen G. bis zu zehn Jahre Gefängnis. Doch auch für Krah ist der Vorwurf gegen seinen Mitarbeiter ein Problem. Jahrelange geschäftliche Beziehungen G. kam 2002 als chinesischer Staatsangehöriger nach Dresden, wo er zunächst an der Technischen Universität studierte. Mittlerweile hat er die deutsche Staatsangehörigkeit. Nach seinem Studium war G. in Dresden Geschäftsführer einer Import-Export-Firma für Produkte aus China. Im Zuge der Unternehmensgründung soll er von Krah beraten worden sein, der als Rechtsanwalt und Unternehmensberater in Dresden tätig war. 2019 zog Krah als Abgeordneter für die AfD ins Europaparlament ein und stellte G. als Assistenten ein. In dieser Funktion verfügte er über Zugang zu Informationen, die für den chinesischen Geheimdienst zweifellos von Interesse waren. Konkrete Belege dafür scheint es zumindest Anfang dieses Jahres gegeben zu haben: Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, im Januar "wiederholt Informationen über Verhandlungen und Entscheidungen im Europäischen Parlament an seinen nachrichtendienstlichen Auftraggeber" weitergegeben zu haben. Der Fall wurde zunächst vom Bundesamt für Verfassungsschutz bearbeitet, bevor das Bundeskriminalamt die Ermittlungen übernahm. Ausspähung von Dissidenten Doch die Vorwürfe der Bundesanwaltschaft gehen darüber hinaus: G. soll für den chinesischen Geheimdienst außerdem Dissidenten in Deutschland ausgespäht haben. Auch hier verfügte er offenbar über einen besonderen Zugang: Über viele Jahre soll G. sich in chinesischen Dissidenten-Organisationen engagiert haben. In einer von ihnen sogar als Generalsekretär. Demnach verfügt er über sehr gute Einblicke und Kontakte in chinesische Dissidentenkreise und damit über Informationen, die für das Ministerium für Staatssicherheit in China zweifellos von Wert wären. Als Informant angeboten Den deutschen Sicherheitsbehörden ist G. seit Langem bekannt. Tatsächlich soll er sich ihnen nach Informationen von ARD-Hauptstadtstudio, rbb und SWR vor mindestens zehn Jahren als Informant angeboten haben. Zu einer Zusammenarbeit soll es allerdings nicht gekommen sein, da G. bereits damals den Eindruck erweckt habe, möglicherweise ein doppeltes Spiel zu treiben, heißt es. Sein Engagement in chinesischen Dissidenten-Organisationen habe nicht zu regimetreuen Positionen gepasst, die er vertreten habe. In Deutschland war G. offenbar eine Weile Mitglied der SPD. Aktuell soll er in der AfD sein. Die AfD nannte die Vorwürfe gegen G. in einer ersten Reaktion auf die Festnahme und die Berichterstattung auf tagesschau.de "sehr besorgniserregend" und betonte, dass es nun zunächst darum gehe, die weiteren Ermittlungen des Generalbundesanwalts abzuwarten.  Krah auf Distanz Krah selbst kündigte an, das Dienstverhältnis von G. zu beenden, sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten. Doch der Fall ist auch für Krah selbst ein Problem. Das Nachrichtenportal t-online hatte im vergangenen Jahr als Erstes über fragwürdige Reisen von Krah nach China berichtet, sowie über seinen Assistenten G. und seine Rolle in einem chinafreundlichen Netzwerk. Und auch darüber, dass Krah im Europäischen Parlament dafür bekannt ist, auffällig chinafreundliche Positionen zu vertreten, mitunter gar abweichend von der Linie der AfD. Die aktuellen Vorwürfe gegen seinen Mitarbeiter dürften eine Belastung für Krahs Europa-Wahlkampf sein, der ohnehin schon durch fragwürdige Kontakte nach Russland belastet ist. Zweiter Fall von mutmaßlicher Spionage Die Festnahme G.s ist bereits die zweite innerhalb von 24 Stunden, bei der es um eine mutmaßliche geheimdienstliche Agententätigkeit für China geht. Am Montag hatte die Bundesanwaltschaft zwei Männer und eine Frau festnehmen lassen, die in Verdacht stehen, in Verbindung mit dem chinesischen Geheimdienst gestanden und für China spioniert zu haben. Die beiden Fälle haben dem Vernehmen nach aber nichts miteinander zu tun. Die zeitliche Nähe scheint reiner Zufall zu sein.
/inland/spionage-china-afd-102.html
2024-04-23
EU-Parlament stimmt für neue Schuldenregeln
Stabilitäts- und Wachstumspakt
Das Europaparlament hat mehrheitlich für eine Neuregelung von Haushaltsdefiziten und Staatsschulden votiert. Der Abstimmung waren monatelange Diskussionen vorausgegangen. Auch jetzt sind nicht alle zufrieden.
Das Europaparlament hat mehrheitlich für eine Neuregelung von Haushaltsdefiziten und Staatsschulden votiert. Der Abstimmung waren monatelange Diskussionen vorausgegangen. Auch jetzt sind nicht alle zufrieden. Das Parlament der Europäischen Union (EU) hat in einer Abstimmung die Reform des sogenannten Stabilitäts- und Wachstumspakts angenommen, der die Regeln bei Haushaltsdefiziten und Staatsschulden der Mitgliedsstaaten ändert. Das monatelang umstrittene Gesetz sieht unter anderem vor, dass klare Mindestanforderungen für das Senken von Schuldenstandsquoten gelten sollen - allerdings soll auch die individuelle Lage von Ländern beim Vereinbaren von EU-Zielvorgaben stärker berücksichtigt werden. Weiterhin darf der Schuldenstand eines EU-Staats nicht 60 Prozent seiner Wirtschaftsleistung überschreiten, das gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit soll unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts bleiben. Hoch verschuldete Länder mit einer Überschuldungsquote von mehr als 90 Prozent sollen diese jährlich um einen Prozentpunkt senken müssen, bei einer Verschuldungsquote zwischen 60 und 90 Prozent sind es 0,5 Prozentpunkte. Die EU-Kommission soll in einem Übergangszeitraum den Anstieg der Zinszahlungen berücksichtigen können. Legt ein Staat glaubhafte Reform- und Investitionspläne vor, die seine wirtschaftliche Resilienz verbessern, soll auch der Zeitraum zur Schuldenverringerung verlängert werden. EU-Defizitverfahren lange ausgesetzt Markus Ferber, der wirtschaftspolitische Sprecher der EVP-Fraktion, begrüßte die Annahme des Gesetzes als Rückkehr "zu einer verantwortungsvollen EU-Haushaltspolitik". Kritiker wie die Abgeordnete Henrike Hahn von der Fraktion Grüne/EFA sagte, die Neuregelung werde "den Bedürfnissen dieser Zeit nicht gerecht". Dem Europäischen Gewerkschaftsbund und der Denkfabrik New Economics Foundation zufolge wären bei Einhaltung des neuen Gesetzes ab 2027 nur noch Dänemark, Schweden und Irland in der Lage, die notwendigen Ausgaben zu stemmen. Grundlage der Reform der seit den Neunzigerjahren geltenden Regeln, die Kritiker als zu kompliziert und zu streng ansahen, waren Vorschläge der EU-Kommission gewesen. In den jüngsten Jahren waren die EU-Defizitverfahren, mit denen EU-Mitglieder für eine zu hohe Verschuldung bestraft werden, ausgesetzt worden - vor allem vor dem Hintergrund von Sonderaufwendungen wegen der Corona-Krise und des Kriegs in der Ukraine. Ab diesem Frühjahr sollen wieder Defizitverfahren eingeleitet werden können.
/ausland/europa/europaparlament-schuldenregeln-100.html
2024-04-23
Deutsche Maschinenbauer in Habachtstellung
Plagiate und Cyberangriffe
Die deutschen Maschinenbauer sind mit gut einer Million Beschäftigten ein Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Sie kämpfen weiter intensiv gegen Produktpiraterie und Cyberangriffe.
Die deutschen Maschinenbauer sind mit gut einer Million Beschäftigten ein Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Sie kämpfen weiter intensiv gegen Produktpiraterie und Cyberangriffe. Alle zwei Jahre untersucht der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), wie sich Produktpiraterie und Plagiate auswirken. Dabei zeigt sich ein positiver Trend. Hatten vor zwei Jahren noch 72 Prozent angegeben, von illegalen Nachbauten, Kopien oder anderen Plagiaten betroffen zu sein, waren es nun nur noch 46 Prozent. Das ist der niedrigste Wert seit Beginn der Studie 2003. Größere Firmen sind dabei tendenziell stärker von Produktpiraterie betroffen als kleine Mittelständler. Der Gesamtschaden im Maschinen- und Anlagenbau durch Produkt- und Markenpiraterie beziffert sich auf 4,1 Milliarden Euro, vor zwei Jahren seien es noch 6,4 Milliarden Euro gewesen, heißt es. Das liegt der Studie zufolge an den Bemühungen der Unternehmen. Die befragten Firmen haben ihre Anstrengungen und Aktivitäten gegen Produkt- und Markenpiraterie verstärkt. Meiste Plagiate aus China Nach wie vor stammen die meisten Fälschungen aus China, gefolgt von Indien und Deutschland. Sie kamen dem VDMA zufolge vor allem von Wettbewerbern, zunehmend aber auch professionellen Großplagiatoren und staatlichen Unternehmen. Bedenklich ist: Viele Fälschungen bergen nach Darstellung der Originalhersteller ein Sicherheitsrisiko für Bediener und Anwender. Cyberangriffe nehmen zu So sehr die deutschen Maschinenbauer in Sachen Produktpiraterie etwas aufatmen können, kämpfen sie mit einer zunehmenden Gefahr durch Angriffe aus dem Internet. Rund ein Viertel der befragten etwa 100 Mitgliedsunternehmen haben angegeben, in den vergangenen beiden Jahren von einem schwerwiegenden Cybersicherheitsvorfall betroffen gewesen zu sein. Dazu zählten gezielte Hackerangriffe, um an Geschäftsgeheimnisse zu kommen, oder erpresserische Absichten. Die daraus entstandenen Schäden ließen sich wegen der notwendigen Geheimhaltung nur schwer schätzen. Die meisten Unternehmen versuchen sich der Studie zufolge gegen die Gefahr von Cyberangriffen zu rüsten. 96 Prozent der befragten Firmen erklärten, sich mit mindestens einer Cybersicherheits-Maßnahme gegen Angriffe zu wappnen. Ein Großteil der Firmen setzt auf Maßnahmen zur Angriffserkennung, um frühzeitig reagieren zu können.
/wirtschaft/maschinenbau-produktpiraterie-cyberangriffe-100.html
2024-04-23
Wie sicher ist Ruanda wirklich?
Britisches Abschiebegesetz
Das britische Parlament hat das umstrittene Abschiebegesetz gebilligt. In wenigen Wochen sollen die ersten Flüge mit Geflüchteten nach Ruanda starten. Doch wie sicher ist das Land wirklich? Von Karin Bensch.
Das britische Parlament hat das umstrittene Abschiebegesetz gebilligt. In wenigen Wochen sollen die ersten Flüge mit Geflüchteten nach Ruanda starten. Doch wie sicher ist das Land wirklich? Von Karin Bensch Ruanda ist kein sicherer Drittstaat, so sehen es viele Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen. Franziska Ulm-Düsterhoft, Afrika-Expertin von Amnesty International, schätzt die Menschenrechtslage in Ruanda als schwierig ein. "Ruanda ist in keinster Weise ein sicheres Land für die Durchführung von Asylverfahren", sagt Ulm-Düsterhoft. Es gebe keine unabhängige Gerichtsbarkeit. Das betreffe auch Asylverfahren. "Alle Verfahren, die durchgeführt und entschieden werden, sind politisch motiviert", sagt die Mitarbeiterin von Amnesty International. Kagame ist seit 24 Jahren an der Macht Präsident Paul Kagame gilt als autokratischer Herrscher, der das Land mit harter Hand regiert. Bereits seit 24 Jahren ist er an der Macht. Ihm werden immer wieder Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Oppositionspolitiker und Journalisten landen in Gefängnissen - zum Teil werden sie gefoltert. Laut der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch werden Regimekritiker auch im Ausland überwacht, eingeschüchtert, verschleppt und in manchen Fällen sogar getötet. Kritik am Abschiebegesetz Als menschenrechtswidrig kritisiert die Flüchtlingshilfsorganisation "Pro Asyl" das Ruanda-Gesetz in Großbritannien. Die britische Regierung wolle es für Geflüchtete, die irregulär ins Land eingereist sind, unmöglich machen, in Großbritannien einen Asylantrag zu stellen. Egal, woher sie kommen, kritisiert die Organisation. Diese Menschen sollen stattdessen nach Ruanda abgeschoben werden und dort Asyl beantragen. Um die Flüchtlingsboote über den Ärmelkanal zu stoppen, muss der Anreiz beseitigt werden, sagt der konservative britische Premierminister Rishi Sunak. Wer illegal nach Großbritannien käme, werde nicht bleiben können, betont Sunak. Der ruandische Präsident Paul Kagame hatte im Vorfeld in einem Fernsehinterview gesagt, wenn Großbritannien ein Problem mit Menschenschmugglern habe, könne man darüber reden. Und wenn Ruanda mithelfen könne, dieses Problem zu lösen, dann sei man glücklich, das zu tun. Ruanda gehört zu stabilsten Staaten Afrikas Ruanda hat aber auch andere Seiten. Es gehört zu den stabilsten Staaten in Afrika. Das kleine ostafrikanische Land mit 13 Millionen Einwohnern gilt als sicherer und weniger korrupt als die meisten afrikanischen Länder. Ruanda ist wirtschaftlich erfolgreich, hat hohe Wachstumszahlen. Präsident Kagame genießt - vor allem im Westen - großes Ansehen. Denn er war es, der mit seinen Truppen vor 30 Jahren den Völkermord in Ruanda beendete und danach das Land stabilisiert und modernisiert hat. Ein Abkommen für die Abschiebungen gibt es bereits. Ruanda erklärt sich darin bereit, abgeschobene Geflüchtete aus Großbritannien zurückzunehmen. Die Briten zahlen im Gegenzug insgesamt umgerechnet mehrere hundert Millionen Euro. Die Abschiebeflüge nach Ruanda sollen in zehn bis zwölf Wochen beginnen.
/ausland/afrika/abschiebungen-ruanda-100.html
2024-04-23
Faeser sieht Krah in Verantwortung
Spionagevorwürfe gegen AfD-Mitarbeiter
Nach den Spionagevorwürfen gegen einen Mitarbeiter des AfD-Spitzenkandidaten Krah drängt Innenministerin Faeser auf Aufklärung und sieht auch Krah in der Verantwortung. Der zeigt sich überrascht - er habe durch die Medien von der Festnahme erfahren.
Nach den Spionagevorwürfen gegen einen Mitarbeiter des AfD-Spitzenkandidaten Krah drängt Innenministerin Faeser auf Aufklärung und sieht auch Krah in der Verantwortung. Der zeigt sich überrascht - er habe durch die Medien von der Festnahme erfahren. Der Vorwurf wiegt schwer: Ein Mitarbeiter von Maximilian Krah, AfD-Politiker und Spitzenkandidat der Partei für die Europawahl, soll für den chinesischen Geheimdienst spioniert haben. Die AfD will die Ermittlungen nach der Festnahme des Mannes abwarten - Krah selbst zeigte sich überrascht. Von der Festnahme seines Mitarbeiters habe er am Vormittag aus der Presse erfahren, erklärte Krah in einer Mitteilung. "Weitere Informationen liegen mir nicht vor", hieß es darin. Der Vorwurf von Spionage für ein anderes Land sei "eine schwerwiegende Anschuldigung", erklärte der AfD-Politiker und fügte hinzu: "Sollten sich die Vorwürfe als wahr erweisen, würde dies die sofortige Beendigung des Dienstverhältnisses nach sich ziehen." Das EU-Parlament hat den beschuldigten Mitarbeiter bereits vom Dienst suspendiert, wie die Nachrichtenagenturen dpa und AFP übereinstimmend berichten. "Nach der Entscheidung der deutschen Justizbehörden, eine Person festzunehmen, die derzeit als akkreditierter Assistent (APA) im Europäischen Parlament tätig ist, und in Anbetracht der Schwere der Enthüllungen, hat das Parlament die betreffende Person mit sofortiger Wirkung suspendiert", zitierte die dpa Angaben des EU-Gremiums. Das Parlament werde nun mit den zuständigen Behörden zusammenarbeiten und falls nötig, weitere Folgemaßnahmen ergreifen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser zeigte sich alarmiert. Sie sprach von "äußerst schwerwiegenden" Anschuldigungen. "Wenn sich bestätigt, dass aus dem Europäischen Parlament heraus für chinesische Nachrichtendienste spioniert wurde, dann ist das ein Angriff von innen auf die europäische Demokratie", betonte die SPD-Politikerin. Auch das mögliche Ausspähen der chinesischen Opposition stelle einen schwerwiegenden Vorwurf dar. Faeser und Buschmann fordern rasche Aufklärung Faeser drängte auf eine umfassende Aufklärung des Falles. "Alle Verbindungen und Hintergründe müssen ausgeleuchtet werden", forderte sie. Und stellte gleichzeitig klar, dass auch "derjenige, der einen solchen Mitarbeiter beschäftigt", einen Teil der Verantwortung trage. Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann betonte gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio, sollte sich der Vorwurf bestätigen, "trifft er das Herz unserer Demokratie". Der FDP-Politiker fügte hinzu: Abgeordnete und ihre Mitarbeiter stehen in besonderer Weise im Dienst unserer Demokratie - hier stehen Vorwürfe im Raum, die dem diametral entgegenlaufen. Das können wir nicht dulden, hier müssen harte Konsequenzen folgen, wenn sich der Verdacht bestätigt. Verdächtiger soll Informationen aus EU-Parlament weitergegeben haben Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, David McAllister, sprach im rbb von einem "ungeheuerlichen, schwerwiegenden Vorgang". "Hier wird einer der engsten Mitarbeiter des Spitzenkandidaten der AfD festgenommen, weil er für die chinesischen Dienste Oppositionelle und Dissidenten in Deutschland ausspioniert hat", so der CDU-Politiker. Er forderte die AfD auf, bereits jetzt Konsequenzen aus dem Spionage-Verdacht zu ziehen. Der Beschuldigte war seit 2019 für den EU-Abgeordneten Krah tätig. Die Generalbundesanwaltschaft wirft ihm eine Agententätigkeit für einen ausländischen Geheimdienst in einem besonders schweren Fall vor. Jian G. soll wiederholt "Informationen über Verhandlungen und Entscheidungen im Europäischen Parlament an seinen nachrichtendienstlichen Auftraggeber" weitergegeben haben. Aus der Bundesgeschäftsstelle der AfD hieß es, es handele sich um eine sehr beunruhigende Meldung. Da aber keine weiteren Informationen zu dem Fall vorlägen, werde die Partei die Ermittlungen des Generalbundesanwalts abwarten. Parteien fordern Rücktritt Krahs als EU-Spitzenkandidat Aus den Reihen deutscher Parteien mehrt sich aufgrund der Vorwürfe gegen einen seiner Mitarbeiter auch die Forderung, dass Krah seine Nominierung als Spitzenkandidat für die Europawahl aufgeben sollte. "Es ist absolut indiskutabel, einen Spitzenkandidaten zu haben, der sich mit derartigen Vorwürfen auseinanderzusetzen hat", sagte etwa CDU-Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei der Rheinischen Post. Auch die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann schloss sich der Forderung an - und bezog diese nicht nur auf Krah, sondern auch auf Petr Bystron. Der außenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, der für die Partei auf Platz zwei der Liste für die Europawahl im Juni kandidiert, sieht sich mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert. Er soll aus dem Umfeld der russischen Propaganda-Plattform "Voice of Europe" Geld erhalten haben. Beide AfD-Politiker müssten aus Sicht Strack-Zimmermanns ihre Kandidatur niederlegen, "statt unserem Land weiter zu schaden". Kritik äußerte ebenfalls in der Rheinischen Post SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese: "Erst die Vorwürfe schmieriger Geldzahlungen aus dem Kreml, jetzt mutmaßliche Spionage für China". Die AfD versinke im Chaos von Vorwürfen des Geheimnisverrats und kriminellen Machenschaften. Der Parteichef der Grünen, Omid Nouripour, drängte beim Kurznachrichtendienst X auf "Aufklärung über die undurchsichtigen Beziehungen ihres Spitzenkandidaten Krah zu Vertretern Russlands und Chinas". Social-Media-Beitrag auf X von Omid Nouripour: "Die AfD ist eine Gefahr für die nationale Sicherheit unseres Landes.Es braucht dringend Aufklärung über die undurchsichtigen Beziehungen ihres Spitzenkandidaten Krah zu Vertretern Russlands und Chinas." China widerspricht Spionagevorwurf China weist die Spionagevorwürfe hingegen klar zurück. Die Anschuldigungen dienten dazu, "China zu verleumden und zu unterdrücken" und hätten das Ziel, "die Atmosphäre der Zusammenarbeit zwischen China und Europa zu zerstören", teilte Wang Wenbin, Sprecher des Außenministeriums in Peking, mit. Wang sprach von einer "Theorie der chinesischen Spionagebedrohung in der europäischen Öffentlichkeit", die "oft vor und nach hochrangigen Gesprächen zwischen China und Europa wieder aufgewärmt" werde. Vor rund einer Woche war Bundeskanzler Olaf Scholz zu einem zweitägigen Besuch nach China gereist und war unter anderem zu Beratungen mit Chinas Staatschef Xi Jinping zusammengekommen. Außenministeriumssprecher Wang betonte, China habe sich "immer an das Prinzip des gegenseitigen Respekts und der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten der anderen gehalten". "Die zuständigen Mitarbeiter in Deutschland" sollten "ihre Mentalität des Kalten Krieges aufgeben und die sogenannte Spionagebedrohung nicht mehr für politische Manipulationen gegen China nutzen", forderte er.
/inland/innenpolitik/afd-spionageverdacht-china-100.html
2024-04-23
Karlsruhe prüft Wahlrechtsreform der Ampel
Verkleinerung des Bundestags
Der Bundestag soll durch die Wahlrechtsreform wieder kleiner werden - doch bei Union und Linkspartei stößt das auf Widerstand. Letztere unterstellt der Ampel gar politische Ziele. Nun verhandelt das Bundesverfassungsgericht. Von Gigi Deppe.
Der Bundestag soll durch die Wahlrechtsreform wieder kleiner werden - doch bei Union und Linkspartei stößt das auf Widerstand. Letztere unterstellt der Ampel gar politische Ziele. Nun verhandelt das Bundesverfassungsgericht. Von Gigi Deppe "Wir sind heute in Karlsruhe vor dem Bundesverfassungsgericht, weil wir leider gegen das von der Ampel beschlossene Wahlrecht aus dem letzten Jahr klagen müssen", sagt CDU-Vorsitzender Friedrich Merz vor Beginn der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. "Das Wahlrecht der Ampel verletzt in geradezu grober Weise die Chancengleichheit der politischen Parteien im Deutschen Bundestag." Er ist nicht der Einzige, der vor Verhandlungsbeginn vor die Presse tritt. Eine Vielzahl von Kritikern des neuen Wahlrechts ist angereist. Auch Martin Schirdewan, Co-Parteivorsitzender der Linken, will, dass das neue Wahlrecht gekippt wird. Er und seine Parteikollegen sind der Ansicht, dass die Ampelkoalition damit auch ein politisches Ziel verfolge - "sich nämlich unliebsamer Konkurrenz auf dem Wege der Wahl sozusagen zu entledigen." Die Ampel verschaffe sich dadurch einen politischen Vorteil. Kleinerer Bundestag ohne Überhangmandate CSU und Linke fühlen sich bedroht durch das neue Wahlrecht, das im vergangenen Jahr mit der Mehrheit der Ampelkoalition beschlossen wurde. Der Bundestag soll deutlich kleiner werden. Also wurden neue Regeln eingeführt, die tendenziell kleineren Parteien Probleme machen. Abgeschafft wurden zum Beispiel die sogenannten Überhangmandate. Bislang war es so: Wenn eine Partei viele Erststimmen bekam, weil ihre Kandidaten sehr beliebt waren, sie aber bei den Zweitstimmen nicht so gut abschnitt, erhielt sie mehr Sitze, als ihr grundsätzlich anteilig zugestanden hätten. Grüne verteidigen Reform Damit die anderen Parteien im Verhältnis nicht die Verlierer waren, erhielten diese sogenannte Ausgleichsmandate. Dass alle diese zusätzlichen Mandate abgeschafft worden sind, verteidigt Till Steffen vom Bündnis 90/Die Grünen. Der Bundestag sei immer größer geworden, nach der letzten Wahl hatte er 736 Sitze - so viele wie nie zuvor. Nach langen Debatten hätte die Koalition das Wahlrecht reformiert, denn sonst hätten es immer noch mehr Abgeordnete werden können. "Wir haben gesagt: Damit muss Schluss sein - und haben ein Wahlrecht geschaffen, das einfach und fair ist", sagt Steffen. 630 Sitze als Obergrenze Jetzt soll es bei der nächsten Wahl als Obergrenze nur noch maximal 630 Sitze im Bundestag geben. Und noch etwas hat sich geändert. Bislang konnten nur Parteien in den Bundestag einziehen, die mindestens fünf Prozent der Zweitstimmen gewonnen haben. Es sei denn, sie hatten bei den Erststimmen drei Direktmandate bekommen. Mit dieser sogenannten Grundmandatsklausel sollte sichergestellt werden, dass die Personen, die von den Wählern besonders geschätzt werden, auch im Parlament mitwirken, selbst wenn ihre Partei nicht besonders stark ist. Streitpunkt Grundmandatsklausel Von dieser Grundmandatsklausel profitierte 2021 die Linkspartei. Sie hatte bei den Zweitstimmen die Fünf-Prozent-Grenze nicht erreicht, normalerweise wäre sie also nicht im Bundestag vertreten gewesen. Aber wegen der drei gewonnenen Direktmandate zog sie dennoch ein. Auch die CSU könnte vom Wegfall der Grundmandatsklausel betroffen sein. Das Verfassungsgericht will heute und morgen über das neue Wahlrecht verhandeln. Es will vor allem von Sachverständigen mehr über die Auswirkungen des neuen Rechts erfahren.
/inland/innenpolitik/wahlrechtsreform-klage-bundesverfassungsgericht-100.html
2024-04-23
Ukrainischer Minister unter Korruptionsverdacht
Landraub von Staatsgrundstücken
Ein ukrainischer Minister soll sich Tausende Hektar Grundstücke angeeignet haben, meldet das staatliche Antikorruptionsbüro. Landesweite Nachrichtenmedien gehen davon aus, dass die Rede von Agrarminister Solskyj ist.
Ein ukrainischer Minister soll sich Tausende Hektar Grundstücke angeeignet haben, meldet das staatliche Antikorruptionsbüro. Landesweite Nachrichtenmedien gehen davon aus, dass die Rede von Agrarminister Solskyj ist. Nach Ermittlungen des ukrainischen Antikorruptionsbüros (NABU), einer staatlichen Behörde, soll sich ein Minister staatliche Grundstücke angeeignet haben. Ein "früherer Vorsitzender des Agrarausschusses" habe sich insgesamt 1.250 Grundstücke mit einer Fläche von etwa 2.500 Hektar und einem Wert von 291 Millionen Hrywnja (momentan etwa sieben Millionen Euro) überschreiben lassen, teilte NABU auf Telegram mit. Die widerrechtliche Überschreibung von 3.200 weiteren Hektar Land sei vereitelt worden. Die Beschreibung passt auf den ukrainischen Landwirtschaftsminister Mykola Solskyj, der übereinstimmenden Berichten ukrainischer Nachrichtenmedien zufolge der Tatverdächtige ist. Er hatte den Agrarausschuss von 2019 bis zu einer Ernennung zum Minister im Jahr 2022 geleitet. Ermittlungen dauern an Den Vorwürfen zufolge wurden zwischen 2017 und 2021 Grundstücke eines Staatsunternehmens in der Oblast Sumy im Norden des Landes an neue Eigentümer übertragen, die Solskyjs Landwirtschaftsholding dann zur Nutzung erhielt. Die Ermittlungen sollen andauern. Weder Solskyj noch die ukrainische Regierung nahm zunächst Stellung zu den Vorwürfen. Allerdings wird seit Tagen über eine möglicherweise bevorstehende Entlassung mehrerer Minister spekuliert, dabei fällt auch Solskyjs Name.
/ausland/europa/ukraine-minister-korruptionsverdacht-100.html
2024-04-23
Was hinter dem Ruanda-Deal steckt
Britisches Abschiebegesetz
Künftig sollen Migranten, die illegal im Vereinigten Königreich ankommen, nach Ruanda abgeschoben werden können. Fragen und Antworten zu den Asylplänen der Regierung in London.
Künftig sollen Migranten, die illegal im Vereinigten Königreich ankommen, nach Ruanda abgeschoben werden können. Fragen und Antworten zu den Asylplänen der Regierung in London. Von Peter Mücke Wer soll künftig abgeschoben werden? Die britische Regierung will alle Menschen, die ohne die notwendigen Papiere ins Land kommen, grundsätzlich nach Ruanda abschieben - und zwar egal, wo sie herkommen. Sie sollen dann in dem afrikanischen Land einen Asylantrag stellen. Bei einem Erfolg sollen sie in Ruanda bleiben können. Eine Rückkehr nach Großbritannien ist nicht vorgesehen. Warum machen die Briten das? Mit dem Slogan "Stop the Boats" hat der britische Premierminister Rishi Sunak von der konservativen Partei einen harten Kurs in der Migrationspolitik versprochen. Im vergangenen Jahr sind knapp 30.000 Menschen mit Booten über den Ärmelkanal gekommen. In diesem Jahr waren es mit 4.600 bis Ende März so viele, wie noch nie in einem ersten Quartal. Die Regierung verteidigt die Ruanda-Pläne als wichtiges Mittel, um Grenzen zu schützen und Migranten vor der gefährlichen Überfahrt abzuhalten. Die konservativen Politiker erhoffen sich von dem scharfen Kurs aber vor allem mehr Zuspruch bei den Unterhauswahlen, die noch in diesem Jahr abgehalten werden sollen. Was zahlt Großbritannien dafür an Ruanda? Nach Einschätzung des Rechnungshofs in London zahlt die Regierung bis zu einer halbe Milliarde Pfund an Ruanda - umgerechnet etwa 584 Millionen Euro. Dazu könnten dann noch einmal Hunderttausende Pfund pro Asylbewerber kommen. Gibt es Kritik an den Regierungsplänen? Die hohen Kosten sind ein Kritikpunkt der Gegner des Abkommens. Vor allem aber gibt es Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorhabens. Der Oberste Gerichtshof in London hatte die Pläne für rechtswidrig erklärt. Die Richter haben Zweifel, ob die Menschen in Ruanda ein faires Asylverfahren bekommen. Premierminister Sunak hat sich mit dem Gesetz aber darüber hinweggesetzt und Ruanda zum sicheren Drittstaat erklärt. Damit sollen Einsprüche vor britischen Gerichten verhindert werden. Wie ist die Menschenrechtslage in Ruanda? Menschenrechtsorganisationen werfen Ruandas Präsidenten Paul Kagame, der seit 24 Jahren das Land regiert, vor, Regimegegner zu verfolgen und die Meinungsfreiheit zu unterdrücken. Das UN-Flüchtlingshilfswerk berichtet über außergerichtliche Hinrichtungen, Folter und Todesfälle in der Haft. Außerdem gibt es Kritik an einer hohen Ablehungsquote von Asylanträgen aus Konfliktgebieten wie Syrien. Der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, warnt vor einem Ansehensverlust Großbritanniens in der Welt, wenn man nur manche Vorgaben des Völkerrechts berücksichtige. Was verspricht sich Ruanda von dem Abkommen? Die autoritäre Führung in Kigali erhofft sich, das Image Ruandas im Westen aufpolieren zu können, auch, um von der Menschenrechtslage im Land abzulenken. Auch die Zahlungen aus London sind ein Motiv. Ein Abkommen mit Großbritannien gibt es bereits. Ruanda erklärt sich darin bereit, abgeschobene Geflüchtete aufzunehmen. Die Briten zahlen im Gegenzug insgesamt umgerechnet mehrere hundert Millionen Euro. Wann sollen die Abschiebeflüge beginnen? Premier Sunak hatte gehofft, dass noch im Frühjahr erste Abschiebeflüge nach Ruanda abheben können. Jetzt spricht er von zehn bis zwölf Wochen Vorlauf. Nach Sunaks Angaben gibt es bereits einen Vertrag mit einer kommerziellen Fluggesellschaft und ein Abkommen mit einem Flughafen. Laut britischen Medienberichten gibt es auch Überlegungen, Asylsuchende bereits früher mit regulären Flügen nach Ruanda zu bringen. Wird der Plan der Regierungspartei aufgehen, Stimmen zu gewinnen? Grundsätzlich ist die Abstimmung im Parlament ein Erfolg für Premierminister Sunak. Allerdings liegt seine konservative Partei in Umfragen deutlich hinter der oppositionellen Labour-Partei. Viel wird davon abhängen, ob es mit dem Ruanda-Abkommen tatsächlich gelingt, die Zahl der Migranten, die über den Ärmelkanal kommen, dauerhaft einzudämmen. Ist das schon das letzte Wort? Auch wenn die Regierung versucht, Gerichtsprozesse zu vermeiden, indem es Ruanda zu einem sicheren Drittstaat erklärt, könnte es doch sein, dass Gerichte angerufen werden, um Abschiebungen zu stoppen. Sobald Migranten darüber informiert werden, dass sie nach Ruanda deportiert werden sollen, können sie einen gerichtlichen Einspruch beantragen. Das würde eine Abschiebung zumindest hinauszögern. Sollten sich die britischen Gerichte der Vorgabe beugen, dass Ruanda ein sicherer Drittstaat ist, könnten die betroffenen Migranten den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anrufen - der hat schon einmal einen Abschiebeflug gestoppt. Die britische Regierung will sich mit dem neuen Gesetz zwar darüber hinwegsetzen können, aber ob sie das darf, ist umstritten. Viele Juristen halten das für den Bruch internationalen Rechts. Im äußersten Fall könnte das bedeuten, dass die britische Regierung bereits abgeschobene Migranten aus Ruanda wieder zurückholen muss.
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