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2024-04-30
EuGH stärkt deutschen Anklagebehörden den Rücken
Beweise aus Encrochat-Überwachung
Tausende Festnahmen, Beschlagnahmungen in Millionenhöhe - alles dank Beweisen aus der Überwachung von Encrochat-Kryptohandys. Der Europäische Gerichtshof hat nun zur Verwendung dieser Daten vor deutschen Gerichten geurteilt. Von Max Bauer.
Tausende Festnahmen, Beschlagnahmungen in Millionenhöhe - alles dank Beweisen aus der Überwachung von Encrochat-Kryptohandys. Der Europäische Gerichtshof hat nun zur Verwendung dieser Daten vor deutschen Gerichten geurteilt. Von Max Bauer Es war ein Sensationserfolg französischer und niederländischer Ermittler: 2020 gelang es ihnen, das Kommunikationssystem der Firma Encrochat zu knacken. Encrochat hatte Mobiltelefone inklusive Software angeboten, die abhörsicher sein sollten. Diese wurden von organisierten Kriminellen in mehr als 120 Ländern für Drogen- und Waffengeschäfte, aber auch für Mordaufträge und Geldwäsche benutzt. Die Kommunikation über Encrochat konnten die Ermittler aus Frankreich technisch überwachen. Mithilfe der vielen Daten aus der Encrochat-Überwachung konnten bisher mehrere Tausend Menschen festgenommen und rund 900 Millionen Euro beschlagnahmt werden. Auch deutsche Ermittler bekamen Zugang zu den Daten. "Es geht um eine ganz große Masse an Daten, nämlich über Millionen Nachrichten zu mehreren Tausend Nutzern in Deutschland", sagt Benjamin Krause, Oberstaatsanwalt in Frankfurt am Main bei der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität. Über 2.000 Ermittlungsverfahren habe man gegen Encrochat-Nutzer bisher einleiten können. Ein Bolzenschneider macht noch keinen Fahrraddieb Krause erklärt, warum die Encrochat-Daten für deutsche Ermittler so wichtig sind. "Encrochat galt unter Tatverdächtigen als abhörsicher und deswegen wurde ganz offen über die Vorbereitung und die Begehung von schweren Straftaten gesprochen", so der Jurist. "Beispielsweise, wann man mit wem wie viel Betäubungsmittel gehandelt hat. Und das war für uns quasi kriminalistisches Gold, um einzelne Taten nachweisen zu können." Die meisten deutschen Gerichte sahen keine rechtlichen Probleme, die Encrochat-Daten in deutschen Strafverfahren als Beweise zu nutzen. Strafverteidiger sind da jedoch kritisch. Sie sagen: Über den Umweg Frankreich hätten die deutschen Ermittler mit den Encrochat-Daten Kommunikationsdaten bekommen, die sie nach deutschem Recht gar nicht hätten erheben dürfen. Die Franzosen hätten mehr als 30.000 Encrochat-Nutzer pauschal überwacht. Das sei so, als ob man jeden für einen Fahrraddieb hält, der einen Bolzenschneider zu Hause hat. Die Datennutzung sei nur verhältnismäßig, wenn gegen jeden Überwachten ein konkreter Verdacht besteht, dass er an einer schweren Straftat beteiligt sei. Unterschiedliche Auffassungen an BGH und Landgericht Der Bundesgerichtshof ist dem jedoch nicht gefolgt und hatte die Datennutzung für zulässig erklärt. Für den BGH kommt es auf die Rechtslage in Frankreich an. Und da sei kein Grundrechtsverstoß zu vermuten. Das Landgericht Berlin sah darin ein Problem. Es meint, die pauschale Nutzung der Encrochat-Daten sei sehr wohl eine Verletzung von Grundrechten. Deshalb hatte das Landgericht seine Bedenken dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt.  Der EuGH hat in der Sache nun eine sehr allgemeine Entscheidung gefällt. Er macht allgemeine Vorgaben dafür, wie Beweise wie die Encrochat-Daten zwischen europäischen Staaten weitergegeben - und wann sie in Strafverfahren genutzt werden dürfen. Nun kommt es auf die deutschen Gerichte an Grundsätzlich dürften Staatsanwälte Beweise aus anderen europäischen Staaten anfragen, so der EuGH. Es war also grundsätzlich möglich, dass französische Ermittler Beschuldigte in Deutschland überwacht haben. Dabei komme es erstmal nur darauf an, dass das nach französischem Recht zulässig war. Damit diese Beweise dann in einem deutschen Prozess verwendet werden dürfen gibt es aber weitere Bedingungen. Wichtig: Ein europäischer Staat, der Bürger eines anderen Staates überwacht, muss den anderen Staat unterrichten. Und Beschuldigte müssen in der Lage sein, zu den Beweisen Stellung zu nehmen. Außerdem muss gegen die Datenweitergabe und Datenverwendung der Gang vor Gericht möglich sein. Was das im Einzelnen für die Verwendung von Encrochat-Daten in Deutschland bedeutet, hängt jetzt davon ab, wie die deutschen Gerichte die Vorgaben des EuGH auslegen und umsetzen. Gegen die Verwendung von Encrochat-Daten in Strafverfahren gibt es auch Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe. Die sind inhaltlich jedoch noch nicht entschieden.
/ausland/europa/encrochat-prozesse-100.html
2024-04-30
Chinas Küstenwache attackiert philippinische Schiffe
Südchinesisches Meer
Wieder ein Zwischenfall im Südchinesischen Meer: Ein Schiff der Küstenwache ist nach philippinischen Angaben von chinesischen Schiffen mit Wasserkanonen beschossen und dabei beschädigt worden. Peking sieht sich im Recht.
Wieder ein Zwischenfall im Südchinesischen Meer: Ein Schiff der Küstenwache ist nach philippinischen Angaben von chinesischen Schiffen mit Wasserkanonen beschossen und dabei beschädigt worden. Peking sieht sich im Recht. China beansprucht den Großteil des Südchinesischen Meeres für sich. Andere Anrainerstaaten wie die Philippinen erheben ebenfalls Ansprüche auf bestimmte Seegebiete. Am Montag kam es erneut zu einem Zwischenfall zwischen China und den Philippinen. Nach Angaben der Behörden in Manila beschossen Schiffe der chinesischen Küstenwache zwei philippinische Schiffe, die ausgerückt seien, um Fischer mit Vorräten zu versorgen. Dabei kamen Wasserkanonen zum Einsatz. Eines der Schiffe, die "BRP Bagacay" der philippinischen Küstenwache, sei beschädigt worden. Umstrittenes Seegebiet Die Schiffe trafen demnach in der Nähe des Scarborough-Riffs aufeinander. Das fischreiche Riff liegt größtenteils unter Wasser und ist etwa 230 Kilometer von der Nordwestküste der Philippinen entfernt. China beansprucht das Gebiet ebenfalls für sich. 2012 kam es bereits zu einem militärischen Zwischenfall, woraufhin Peking das Riff besetzte. Der Internationale Schiedsgerichtshof in Den Haag wies Chinas Gebietsansprüche 2016 zurück. Peking ignoriert das Urteil. Keine Einigung in Sicht Nach dem Vorfall am Montag warf China den Philippinen vor, unrechtmäßig in chinesische Gewässer eingedrungen zu sein. "Die chinesische Küstenwache hat in Übereinstimmung mit dem Gesetz die notwendigen Maßnahmen ergriffen, um sie entschlossen zu vertreiben", sagte Lin Juan, ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums. Angaben der philippinischen Küstenwache zufolge hätten beide Versorgungsschiffe trotz der chinesischen "Provokationen" ihre Position gehalten und ihre Fahrt fortgesetzt.  Die USA und Chinas Nachbarn werfen Peking eine zunehmende Militarisierung des Südchinesischen Meeres vor. Schon Anfang März war es zu einer Kollision zwischen chinesischen und philippinischen Schiffen gekommen. Auch im Dezember 2023 hatte ein entsprechender Vorfall Spannungen ausgelöst.
/ausland/asien/philippinen-kuestenwache-china-100.html
2024-04-30
Was geschieht jetzt mit den Galeria-Filialen?
Verbleibende Kaufhäuser
Die neuen Eigner des Kaufhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof wollen 76 Filialen weiterbetreiben. Doch wie können sie langfristig überleben? Experten sagen: Es muss viel Geld fließen. Von Detlev Landmesser.
Die neuen Eigner des Kaufhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof wollen 76 Filialen weiterbetreiben. Doch wie können sie langfristig überleben? Experten sagen: Es muss viel Geld fließen. Von Detlev Landmesser Bleibt es bei den geplanten Schließungen, wird der Kaufhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof ab September noch über 76 Standorte verfügen. Und stimmen die Gläubiger Ende Mai seinem gestern vorgelegten Insolvenzplan zu, will Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus das Unternehmen bis Ende Juli an die neuen Eigner NRDC und BB Kapital SA übergeben. Auch wenn diese Schritte bewältigt sind, bleibt die beherrschende Frage: Was muss geschehen, damit die verbleibenden Standorte langfristig überlebensfähig sind - und damit die rund 11.400 Arbeitsplätze langfristig gesichert werden? Spätestens seit der krisengeschüttelte Warenhauskonzern im Januar das dritte Insolvenzverfahren innerhalb von dreieinhalb Jahren beantragte, gehen die Meinungen darüber weit auseinander. Besonders die Unternehmenslenker und natürlich auch die neuen Eigentümer zeigen sich optimistisch. "Die wirtschaftlichen Perspektiven von Galeria sind gut. Ich habe da keine Zweifel", erklärte etwa Denkhaus am Montag. Das Risiko einer erneuten Insolvenz in naher Zukunft sei gering und bewege sich "im Rahmen des allgemeinen wirtschaftlichen Risikos". Konzept der Investoren steht noch aus Wie die neuen Eigner die verbleibenden Häuser konkret wieder nach vorn bringen wollen, müssen sie voraussichtlich bis Ende Mai noch erklären. Handelsexperten sehen vor allem einen hohen Investitionsbedarf. "Wir erwarten, dass die neuen Eigentümer in das Unternehmen investieren und gemeinsam mit den Beschäftigten ein tragfähiges Zukunftskonzept entwickeln", erklärt Marcel Schäuble, ver.di-Verhandlungsführer bei Galeria. "Zum Beispiel sind die aus dem letzten Insolvenzplan von René Benko zugesicherten 200 Millionen durch die Insolvenz der Signa ausgeblieben. Sie sind für die Neuausrichtung von Galeria zusammen mit Investitionen in Kassensysteme und IT eingeplant gewesen und bleiben das auch für eine abgesicherte Zukunft." Skeptischere Töne sind vor allem von Experten der Handelswirtschaft zu hören. Seit Jahren vertritt etwa Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein den Standpunkt, dass das klassische Warenhauskonzept keine wirtschaftliche Zukunft mehr habe. "Der Kunde findet anscheinend das Warenhaus nicht mehr attraktiv", so der Fachmann. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre scheinen ihm Recht zu geben. Know-how der Belegschaft Auch Carsten Kortum von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Heilbronn betont, dass das Geschäftsmodell von Galeria deutlich innovativer und digitaler ausgerichtet werden müsse, um eine Zukunft zu haben. Aber was ist konkret zu tun? "Stationärer Handel und Online-Handel bei Galeria dürfen nicht weiter parallel betrieben werden", so der Handelsexperte. Kundinnen und Kunden müssten beide Kanäle als eins sehen. Was die verbliebenen Standorte betreffe, hätten einzelne "Leuchtturmfilialen" vor der Insolvenz gezeigt, wie Frequenz und Umsätze gesteigert werden können, erklärt Kortum. Hier hätten sich eine regionale Ausrichtung und "attraktive Sortimente als Kernleistung des Handels" bewährt. Ver.di-Verhandlungsführer Schäuble verweist dabei auf das Know-how der Belegschaft: "Bei der Ausrichtung der Sortimente müssen die Beschäftigten einbezogen werden. Sie haben in der Vergangenheit viele Hinweise gegeben, die unbeachtet blieben." Sortimente wie zum Beispiel Stoffe seien in vielen Filialen trotz großer Nachfrage stark verkleinert oder ganz aus dem Programm genommen worden. Auch Hinweise der Beschäftigten auf kommende Trends seien oft ungehört geblieben. "Hier wird Umsatz liegen gelassen", so Schäuble. "Solche Fehlentscheidungen müssen künftig vermieden werden." Knackpunkt Investitionen Bisher seien nur zehn der verbleibenden Standorte auf modernisierte Konzepte umgestellt worden, sagt Wirtschaftsprofessor Kortum. Bei den übrigen Häusern gebe es dagegen einen Investitionsstau: "Die Wende kann nur geschafft werden mit Investitionen in die 66 noch nicht auf aktuelle Konzepte umgebauten Filialen und ein langfristig ausgerichtetes Engagement, sicherlich aber nicht mit kurzfristigem Renditedenken." Damit spielt der Experte auf die Praxis der bisherigen Investoren an, Filialen teilweise zu überhöhten Konditionen an Eigentümer zu vermieten, die zum Mutterkonzern gehörten. Damit seien dem Geschäftsmodell Finanzmittel entzogen worden, so Kortum. Hohe Mieten hatten bei der Entscheidung, welche Filialen weiterbestehen dürfen, eine große Rolle gespielt. Die für den Umbau benötigten Mittel beziffert der Handelsexperte auf "einen hohen dreistelligen Millionenbetrag bis hin zur Milliardenhöhe". Da sich Fremdkapitalgeber nach der dritten Insolvenz zurückhalten werden, müssten die neuen Eigentümer entsprechende Eigenmittel mitbringen. Mehr Auswahl - und mehr Service? Doch nach den bisherigen Erfahrungen bleiben die meisten Beobachter hier skeptisch. "Nach einem Befreiungsschlag sieht es nicht aus, eher nach einer Fortführung bisheriger Konzepte", meint Kortum. "Die Kunden werden kurz- und mittelfristig wenig Veränderungen in den Handelsleistungen sehen und damit auch nicht mehr Auswahl, Service oder Erlebnis." Wenn die neuen Eigner in den kommenden Wochen ihr Zukunftskonzept präsentieren, werden Beobachter also vor allem auf einen Punkt achten: Wie viel Geld sie konkret für die Modernisierung der Standorte in die Hand nehmen wollen.
/wirtschaft/unternehmen/galeria-zukunft-100.html
2024-04-30
Studierende besetzen Uni-Gebäude in New York
Gaza-Proteste
Die Lage an der US-Universität Columbia ist weiter angespannt. Demonstrierende haben in der Nacht ein Gebäude der Hochschule besetzt. Seit Mittwoch hatte die Universitätsleitung mit den Studierenden verhandelt.
Die Lage an der US-Universität Columbia ist weiter angespannt. Demonstrierende haben in der Nacht ein Gebäude der Hochschule besetzt. Seit Mittwoch hatte die Universitätsleitung mit den Studierenden verhandelt. Die seit knapp zwei Wochen andauernden propalästinensischen Demonstrationen an der New Yorker Elite-Universität Columbia drohen zu eskalieren. In der Nacht drangen Demonstrierende in ein Gebäude ein, wie US-Medien berichteten. Es handle sich um die Hamilton Hall, die auch 1968 während eines Protests gegen den Vietnamkrieg besetzt worden war.  Auf Videos ist zu sehen, wie vermummte Personen mit schwarz-weißen Palästinensertüchern Fenster einschlugen und den Eingang des Gebäudes mit Stühlen und Tischen verbarrikadierten. Nach Angaben der Studierendenzeitung Columbia Spectator befanden sich mehrere Dutzend Protestierende in der Hamilton Hall. Hunderte weitere demonstrierten demnach vor dem Gebäude. Frist zur Räumung von Camp verstrichen Die Columbia University hatte nur Stunden vor der Besetzung mit der Suspendierung von Studierenden begonnen. Zuvor war eine bis Montagnachmittag gesetzte Frist zur Räumung eines Protestcamps auf dem Campus verstrichen. Die Universitätsleitung hatte seit Mittwoch mit den Demonstrierenden verhandelt. Ein zentrales Streitthema war die Forderung, dass die Columbia University sich von Unternehmen mit Verbindungen zu Israel trennen müsse. Universitätspräsidentin Minouche Shafik machte in einer Erklärung aber deutlich, dass die Universität nicht die Absicht habe, "Investitionen aus Israel abzuziehen". In den Gesprächen habe die Hochschulleitung angeboten, die Transparenz über die von der Universität getätigten Investitionen zu erhöhen und Vorschläge der Studierenden für "sozial verantwortungsvolles Investieren" beschleunigt zu prüfen. Proteste auf das ganze Land ausgeweitet Shafik beklagte, dass viele der jüdischen Studierenden die in den vergangenen Wochen an der Columbia University herrschende Atmosphäre "unerträglich" gefunden und deshalb die Universität verlassen hätten. "Antisemitische Sprache und Handlungen sind inakzeptabel und Aufrufe zur Gewalt sind einfach abscheulich", erklärte die Universitätspräsidentin. Mitte April hatte die Hochschule die Polizei auf den Campus gerufen, um gegen die Proteste vorzugehen. Dabei wurden mehr als 100 Menschen festgenommen. Die propalästinensischen Proteste weiteten sich daraufhin auf andere Hochschulen im ganzen Land aus. Am vergangenen Wochenende löste die Polizei Protestcamps an mehreren US-Hochschulen auf, teils unter Einsatz von chemischen Reizstoffen und Tasern. Die Organisatoren der Proteste weisen den Vorwurf des Antisemitismus zurück. Sie betonen, dass die Demonstrationen sich gegen die israelische Kriegsführung im Gazastreifen richteten.
/ausland/amerika/usa-studierende-proteste-100.html
2024-04-30
Waffenstillstand war nicht kurz vor dem Abschluss
Krieg gegen die Ukraine
Immer wieder wird behauptet, dass Russland und die Ukraine bereits kurz nach der russischen Invasion einen Waffenstillstand ausgehandelt hätten. Gespräche darüber gab es tatsächlich - jedoch keine Einigung. Von P. Siggelkow.
Immer wieder wird behauptet, dass Russland und die Ukraine bereits kurz nach der russischen Invasion einen Waffenstillstand ausgehandelt hätten. Gespräche darüber gab es tatsächlich - jedoch keine Einigung. Von Pascal Siggelkow "2 Jahre Krieg, 2 Jahre Leid, 2 Jahre Zerstörung. Das hätte alles verhindert werden können!" - Beiträge wie der des Mitglieds der Partei "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW), Frederick Broßart, haben derzeit wieder Konjunktur. Die These: Es habe einen bereits ausgehandelten Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine gegeben - und zwar bereits im April 2022, also wenige Wochen nach dem Einmarsch russischer Truppen. Der Westen habe jedoch verhindert, dass dieser Waffenstillstand zustande gekommen sei. Nicht nur Teilnehmer der ukrainischen Verhandlungsdelegation haben dieser Version bereits längst widersprochen, auch Experten weisen das aus mehreren Gründen zurück. "Der entscheidende Punkt ist, dass es zwar Verhandlungsgespräche zwischen Russland und der Ukraine gab. Ein fertig verhandeltes Abkommen gab es aber nie", sagt Nico Lange, Ukraine- und Russlandexperte bei der Münchener Sicherheitskonferenz. Denn anders als von Russland und prorussischen Stimmen oftmals behauptet, seien die beiden Länder bei strittigen Punkten noch weit voneinander entfernt gewesen. Verhandlungen bereits kurz nach russischer Invasion Erste Verhandlungen zwischen einer russischen und einer ukrainischen Delegation fanden bereits am 28. Februar 2022 statt, also nur wenige Tage nach dem russischen Großangriff. Damals verlangte Russland einem Artikel des Wall Street Journals zufolge die bedingungslose Kapitulation der Ukraine. Zudem sollte unter anderem die Regierung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj abgesetzt und Russisch wieder als Amtssprache eingeführt werden. Für die ukrainische Delegation kam das nicht infrage. In den darauffolgenden Tagen wurde vor allem über die Einrichtung ziviler Korridore verhandelt, um die Evakuierung von Zivilisten zu ermöglichen. Mitte März wurden die Verhandlungen zwischen den beiden Delegationen über einen möglichen Friedensvertrag wieder intensiviert, mit der Türkei als Vermittler. Am 29. März kam es in Istanbul zu direkten Verhandlungen, bei denen konkretere Vorstellungen von den beiden Delegationen für einen möglichen Waffenstillstand ausgearbeitet wurden. So sollte die Ukraine eine verbindliche Neutralitätserklärung unterzeichnen und damit jegliche Bestrebungen eines NATO-Beitritts aufgeben, wie aus einem Dokument, dass der "Welt" vorliegt, hervorgeht. Demnach beinhaltete das Dokument unter anderem den Unterpunkt, dass die Ukraine auf den Erhalt, die Produktion und den Erwerb von Atomwaffen verzichte und auch keine ausländischen Waffen und Truppen im Land erlauben dürfe. Die ukrainischen Unterhändler zeigten sich dem Wall Street Journal nach zudem bereit, die Frage nach der von Russland völkerrechtswidrig annektierten Halbinsel Krim zumindest einzufrieren. Russland wollte Ukraine quasi wehrlos machen In anderen Punkten waren die beiden Delegationen jedoch immer noch weit voneinander entfernt. So habe es keine Einigung darüber gegeben, wie die russisch-ukrainischen Grenzen mit Blick auf die Ostukraine aussehen sollen. Zudem forderte die russische Delegation eine dramatische Verminderung der ukrainischen Streitkräfte und Militärgeräte. Das ging aus einem Entwurf, den Russlands Wladimir Putin im vergangenen Sommer einer Delegation afrikanischer Regierungen als vermeintlichen Vertragsentwurf flüchtig den Fernsehkameras präsentierte, hervor. So wollte Moskau unter anderem, dass die ukrainische Armee auf 85.000 Soldaten beschränkt wird und nur noch Waffen mit geringer Reichweite besitzen darf. "Im Grunde wollte Russland die Ukraine zur Kapitulation drängen", sagt Lange. "Hätte die Ukraine das gemacht, was in diesem russischen Entwurf steht - das war ja kein geeinter Entwurf - dann wäre sie dem nächsten russischen Angriff schutzlos ausgeliefert gewesen." Der Entwurf, den Putin in die Kamera gehalten hat, war zudem auf den 15. April datiert. Die letzte Verhandlungsrunde war jedoch die in Istanbul am 29. März. "Ein fertig verhandeltes Abkommen, dem beide Seiten zugestimmt hätten, gab es nach dem letzten Treffen in Istanbul nicht", sagt Lange. Zwar blieben die Delegationen in Kontakt, eine weitere Verhandlungsrunde gab es danach jedoch nicht mehr. Gräueltaten von Butscha kamen ans Licht Und das hatte vor allem einen Grund: die Gräueltaten von Butscha, die die russische Armee im Kiewer Vorort verübt hatten und die Anfang April ans Licht kamen. Mehr als 450 Zivilisten hatten die russischen Besatzer innerhalb kurzer Zeit getötet. Für die ukrainische Regierung waren weitere Verhandlungen ab dem Zeitpunkt ausgeschlossen, es sei denn, Russland hätte seine Truppen vollständig vom gesamten Staatsgebiet der Ukraine abgezogen. "Russland hatte zu dem Zeitpunkt noch gedacht, sie stehen vor Kiew, sie gewinnen und sie können der Ukraine jetzt alles diktieren", so Lange. "Das wäre auch keine Grundlage gewesen für einen Frieden." Auch militärisch hatte sich die Situation damals zugunsten der Ukraine verändert. Die Gräueltaten von Butscha wurden auch deshalb bekannt, weil die russischen Truppen sich zurückziehen mussten. Putin versuchte im Nachhinein, diesen Abzug als Entgegenkommen umzudeuten, wofür es jedoch keinerlei Anhaltspunkte gibt. Streitpunkt Sicherheitsgarantien Ein ebenfalls wesentlicher Streitpunkt in den Verhandlungen über einen Waffenstillstand waren Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Denn durch die geforderte Neutralität und die Beschneidung der ukrainischen Armee wäre diese gegenüber einem erneuten russischen Angriff quasi hilflos gewesen. Zwar wollte Russland den Dokumenten zufolge zusichern, die Ukraine nicht noch einmal anzugreifen. Allerdings hatte Russland das auch 1994 mit dem sogenannten Budapester Memorandum versprochen und später nicht eingehalten. Deshalb gab es in den Verhandlungen die Idee, dass ein mögliches Abkommen zwischen Russland und der Ukraine von anderen Staaten garantiert werden sollte. Genannt werden die USA, Großbritannien, China, Frankreich und Russland, also die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats. Diese sollten der Ukraine umfassende Sicherheitsgarantien aussprechen, um die Neutralität der Ukraine zu verteidigen, falls der Vertrag verletzt werden würde. Dieser Plan hatte jedoch mehrere Haken. Zum einen forderte die russische Delegation, dass im Angriffsfall alle Garantiestaaten zur Aktivierung des Beistandsmechanismus zustimmen müssen - somit auch Russland selbst. Russland hätte dadurch diese Beistandsklausel verhindern können, wodurch die Ukraine quasi machtlos gewesen wäre bei einem Angriff. "Bei einem russischen Angriff hätte Russland dann die Sicherheitsgarantien ablehnen können, das ist natürlich Quatsch", so Lange. Hinzu kommt, dass die westlichen Länder, also Frankreich, die USA und Großbritannien, diesen Sicherheitsgarantien vermutlich niemals zugestimmt hätten, sagt Lange. "Diese Staaten sind ja eben nicht dazu bereit, zum Beispiel mit eigenen Streitkräften für die Ukraine in der Ukraine zu kämpfen." Auf verbindliche Sicherheitsgarantien hätten sie sich daher nicht eingelassen. "Täter-Opfer-Umkehr" Insgesamt hält Lange die ganzen Diskussionen um die Verhandlungen über einen Waffenstillstand für überzogen. "Hätte die Ukraine diesem russischen Entwurf zugestimmt, wäre sie dem nächsten russischen Angriff schutzlos ausgeliefert gewesen." Nur weil die Ukraine gesprächsbereit gewesen sei, hieße das nicht, dass sie die Positionen der anderen Seite auch akzeptiert hätte. Es sei ein Teil russischer Propaganda, diese ohnehin schon länger bekannten Einzelheiten immer wieder aufzuwärmen, um eine Täter-Opfer-Umkehr zu betreiben. Immer wieder behaupten der Kreml und prorussische Kanäle, dass die Ukraine und der Westen ein Abkommen verhindert hätten. "Das Perfide daran ist, dass aus dieser Geschichte die Erzählung gemacht wird, dass die Ukraine und der Westen schuld am Krieg seien, weil es ja einen Waffenstillstand hätte geben können", so Lange. "Und das ist eine ganz zynische Argumentation, denn die Verantwortung für den Krieg hat allein Putin."
/faktenfinder/waffenstillstand-russland-ukraine-100.html
2024-04-30
EU-Kommission eröffnet Verfahren gegen Meta
Verdacht auf Verstoß gegen EU-Regeln
Die EU-Kommission fühlt Meta auf den Zahn: Der Facebook-Mutterkonzern steht im Verdacht, nicht ausreichend gegen Falschinformationen auf seinen Plattformen vorzugehen. Deshalb leitete die Kommission ein Verfahren ein.
Die EU-Kommission fühlt Meta auf den Zahn: Der Facebook-Mutterkonzern steht im Verdacht, nicht ausreichend gegen Falschinformationen auf seinen Plattformen vorzugehen. Deshalb leitete die Kommission ein Verfahren ein. Die Europäische Kommission hat ein Verfahren gegen den Facebook- und Instagram-Konzern Meta eröffnet. Es werde unter anderem geprüft, ob sich das US-Unternehmen im Umgang mit politischer Werbung nicht an europäische Regeln gehalten habe, teilte die Kommission mit. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, ihre Behörde habe Mittel geschaffen, um europäische Bürger vor gezielter Desinformation und Manipulation durch Drittländer zu schützen. "Wenn wir einen Verstoß gegen die Regeln vermuten, handeln wir. Das gilt zu jeder Zeit, aber besonders in Zeiten demokratischer Wahlen", so von der Leyen. Bei den mutmaßlichen Verstößen geht es unter anderem darum, dass Meta die Verbreitung von irreführender Werbung und Desinformationskampagnen in der EU nicht ausreichend bekämpft. Darüber hinaus vermutet die Kommission, dass die Möglichkeiten von Nutzerinnen und Nutzern, sich etwa über Inhalte auf den Plattformen zu beschweren, nicht den Anforderungen des europäischen Rechts gerecht wird. Zudem gewähre Meta Forschern nur unzureichend Zugang zu Daten. Digital Services Act stellt strenge Regeln auf Plattformen wie Facebook, X, Google und viele andere müssen nach einem neuen EU-Gesetz künftig schneller und schärfer als früher gegen illegale Inhalte wie zum Beispiel Hass und Hetze im Netz vorgehen. Sonst drohen ihnen Geldbußen. Der sogenannte DSA ("Digital Services Act") soll auch sicherstellen, dass es für Nutzer einfacher wird, illegale Inhalte zu melden. Dabei müssen große Dienste wie Facebook und Instagram mehr Regeln befolgen als kleine. Die Kommission betont, dass die Einleitung des Verfahrens lediglich einen Verdacht prüft und die vorläufige Einschätzung der Behörde noch kein endgültiges Ergebnis darstelle. Die Kommission werde weiterhin Beweise sammeln, etwa durch Befragungen. Zudem könnte die EU-Kommission theoretisch Zugeständnisse von Meta akzeptieren. Besorgnis vor Einflussnahme auf die Europawahl Im Oktober hatte EU-Industriekommissar Thierry Breton Facebook bereits vor zu vielen manipulierten Inhalten auf der Plattform im Zusammenhang mit Wahlen gewarnt. Er wolle unverzüglich über Einzelheiten der Maßnahmen informiert werden, die Facebook getroffen habe, um Fälschungen einzudämmen, auch im Hinblick auf bevorstehende Wahlen in der EU, schrieb Breton. Im Sommer wird das Europaparlament neu gewählt. Viele in der EU gehen davon aus, dass Russland versucht, Einfluss auf die Wahlen auszuüben. Belgien hatte jüngst öffentlich gemacht, dass Geheimdienstinformationen zeigten, dass es Versuche gebe, möglichst viele russlandfreundliche Abgeordnete ins Europaparlament wählen zu lassen. Vergangene Woche hatte die belgische EU-Ratspräsidentschaft den Krisenreaktionsmechanismus der Staatengemeinschaft ausgelöst, wodurch sich enger etwa über laufende Maßnahmen gegen russische Einflussnahme ausgetauscht werden soll. Bereits Ermittlungen gegen X und TikTok Gegen die Online-Plattform TikTok und den Kurznachrichtendienst X laufen bereits Verfahren. Bei TikTok wird geprüft, ob der chinesische Konzern mit seiner App-Version TikTok Lite die psychische Gesundheit von Minderjährigen gefährdet. X wurde nach Hinweisen auf illegale und irreführende Beiträge zum Angriff der islamistischen Hamas auf Israel ein Fragenkatalog geschickt, den die Firma wohl nicht zur Zufriedenheit der EU-Kommission beantwortet hatte. Mitte Dezember war ein Verfahren gegen X eingeleitet worden.
/ausland/europa/meta-dsa-verfahren-eu-100.html
2024-04-30
Alles wie damals gegen den Vietnamkrieg?
Proteste an US-Unis
Die Pro-Palästina-Proteste an US-Unis spitzen sich weiter zu. Viele sehen Parallelen zu den Vietnamkrieg-Protesten. Die Regierung steht unter Handlungsdruck, hat aber nur wenig Spielraum. Von R. Borchard.
Die Pro-Palästina-Proteste an US-Unis spitzen sich weiter zu. Viele sehen Parallelen zu den Vietnamkrieg-Protesten. Die Regierung steht unter Handlungsdruck, hat aber nur wenig Spielraum. Von Ralf Borchard "Bewegt Euch, Polizisten, aus dem Weg!" Sprechchöre wie diese an der George Washington University sind an immer mehr Universitäten in den USA zu hören. Für die Universitätsleitungen ist es eine Gratwanderung: Vorwürfe, jüdische Studierende fühlten sich bedroht, setzen sie unter Handlungsdruck. Lassen sie die Protestcamps von der Polizei räumen, droht Eskalation. Aus Regierungssicht ergibt sich ein ähnliches Dilemma. Präsident Joe Bidens Sprecherin Karine Jean-Pierre sagte, es gebe keinen Platz für Antisemitismus an Universitäten oder irgendwo anders und spricht von einem "schmerzlichen Moment für Amerika". Die freie Meinungsäußerung sei wichtig, aber sie müsse innerhalb gesetzlicher Grenzen ausgeübt werden. Wie die Republikaner die Proteste nutzen wollen Die Republikaner versuchen, die Lage für den Wahlkampf zu nutzen, werfen der Regierung vor, nach dem Chaos an der Grenze zu Mexiko auch noch tatenlos dem Chaos an den Universitäten zuzusehen. "Stoppt die Proteste jetzt!", postete Donald Trump in seinem Online-Netzwerk Truth Social. Der republikanische Kongressabgeordnete Mike Waltz aus Florida nennt die Israel-Politik der Biden-Regierung bei Fox News schwach: "Diese Mehrdeutigkeit, dieses Wischiwaschi ist für die ganze Welt erkennbar." Während Außenminister Antony Blinken versuche, die Hamas zur Freilassung der Geiseln zu bewegen, sehe die Hamas die Studentenproteste hier. "Die Botschaft an die Hamas ist: Die Zeit arbeitet für sie." Härte wie bei den Vietnam-Protesten? Also mehr Härte zeigen, auch an den Universitäten? Nein, sagt der demokratische Senator Tim Kaine aus Virginia: "Die Nationalgarde auf die Universitätsgelände zu rufen - das würde sehr viele Leute daran erinnern, was während des Vietnam-Kriegs passierte. Und das ging nicht gut aus." Tiefpunkt der Einsätze damals war, als an der Kent State University in Ohio 1970 bei einem Einsatz der Nationalgarde vier Studierende erschossen wurden. Unterschiede zwischen Vietnam- und Gaza-Protesten Die Frage, ob die Demonstrationen gegen den Gaza-Krieg bereits mit den Protesten gegen den Vietnam-Krieg vergleichbar sind, wird in US-Medien immer öfter gestellt. "Die Proteste selbst sind diesmal ziemlich moderat", sagt Angus Johnston, Professor an der City University in New York. Er betont im Fernsehsender PBS die Unterschiede. "Wir haben bisher nicht wie Ende der 1960er-Jahre wirkliche Krawalle gesehen, Steine, die auf Polizisten fliegen oder gar Gebäude, die wie damals in Brand gesteckt würden." Was derzeit aber schon Öl ins Feuer gieße, seien Polizeieinsätze mit Massenfestnahmen von Studierenden und in einigen Fällen Schlagstockeinsätze gegen Dozentinnen und Dozenten. Biden "kann nicht gewinnen" Und Präsident Biden? Hat er Spielraum, seine Nahost-Politik zu ändern? Ein Problem hat er auf jeden Fall: Eine CNN-Umfrage ergab, dass 71 Prozent der Befragten mit Bidens Umgang mit dem Krieg zwischen Israel und der Hamas unzufrieden sind, nur 28 Prozent zufrieden. Bidens Optionen seien sehr begrenzt, sagt Alex Thompson vom Nachrichtenportal Axios. "Es ist eine Situation, in der er wirklich nicht gewinnen kann." Wenn er jetzt deutlich mehr pro-palästinensisch agieren und der Forderung der Parteilinken nachkommen würde, sich vollkommen gegen Israel zu wenden, würde er eine ganze Reihe anderer Probleme mit der politischen Mitte des Landes bekommen. "Das Thema spaltet die demokratische Partei genau in zwei Hälften, es gibt keine einfache Antwort.“
/ausland/amerika/usa-demonstrationen-studenten-gaza-100.html
2024-04-30
Deutsche Wirtschaft wächst wieder - ein bisschen
Leichtes Plus im Frühjahr
Das deutsche Bruttoinlandsprodukt hat im ersten Quartal um 0,2 Prozent zugelegt. Damit konnte die Wirtschaft knapp der Rezession entgehen. Volkswirte sehen erste Anzeichen für eine Trendwende.
Das deutsche Bruttoinlandsprodukt hat im ersten Quartal um 0,2 Prozent zugelegt. Damit konnte die Wirtschaft knapp der Rezession entgehen. Volkswirte sehen erste Anzeichen für eine Trendwende. Die deutsche Wirtschaft ist im ersten Quartal an einer Rezession vorbeigeschrammt. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs von Januar bis März um 0,2 Prozent im Vergleich zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt anhand einer ersten Schätzung mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit einem Mini-Wachstum von 0,1 Prozent gerechnet. Im vierten Quartal 2023 war Europas größte Volkswirtschaft noch um revidiert 0,5 Prozent geschrumpft - bisher war das Minus auf 0,3 Prozent geschätzt worden. Bei zwei Minus-Quartalen in Folge sprechen Ökonomen von einer technischen Rezession. Investitionen im Bau steigen wieder an Im Gesamtjahr 2023 war die deutsche Wirtschaft allerdings mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts in eine leichte Rezession gerutscht. Der Rückgang betrug nach neuesten Berechnungen preisbereinigt minus 0,2 Prozent. Das leichte Wachstum im ersten Quartal wurde nach Angaben der Statistiker von steigenden Bauinvestitionen und Exporten getragen. "Die privaten Konsumausgaben gingen dagegen zurück", hieß es. EU-weit leichtes Wachstum Das leichte Wachstum im ersten Quartal wurde nach Angaben der Statistiker von steigenden Bauinvestitionen und Exporten getragen. "Die privaten Konsumausgaben gingen dagegen zurück", hieß es. Auch EU-weit stieg die Wirtschaftsleistung im Frühjahr wieder. In den 27 EU-Ländern stieg die Wirtschaftsleistung zwischen Januar und März im Vergleich zum Vorquartal um 0,3 Prozent, teilte das Statistikamt Eurostat mit. Auch in der Eurozone wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,3 Prozent. Anzeichen für konjunkturelle Trendwende Zuletzt hatten Volkswirte Anzeichen für eine Wende zum Besseren ausgemacht. So stieg der ifo-Geschäftsklimaindex im April den dritten Monat in Folge, was als wichtiger Frühindikator für einen Aufschwung gilt. Auch mit Blick auf den Konsum gab es zuletzt überraschend positive Nachrichten. Im März war der Einzelhandelsumsatz mit real 1,8 Prozent zum Vormonat so stark wie seit fast zweieinhalb Jahren nicht mehr gestiegen. "Es wächst die Hoffnung, dass der nahende Frühling den Konsum weiter anstacheln wird", sagte der Chefvolkswirt von Hauck Aufhäuser Lampe, Alexander Krüger. Die Bundesbank sieht die Wirtschaft allerdings noch nicht vor einem anhaltenden Aufschwung. "Die Konjunktur in Deutschland hat sich etwas aufgehellt, eine durchgreifende Belebung ist aber noch nicht gesichert", heißt es im aktuellen Monatsbericht. So dämpften die gestiegenen Finanzierungskosten und die erhöhte wirtschaftspolitische Unsicherheit die Investitionstätigkeit. Die Nachfrage nach Waren "Made in Germany" aus dem In- und Ausland sei nach wie vor schwach. Auch im Wohnungsbau sei der Negativtrend in der Nachfrage noch nicht gebrochen. "Wuchtige" Entlastung? Die Bundesregierung diskutiert derzeit mögliche Entlastungen für Unternehmen. Zuletzt hatte sie ihre Wachstumsprognose für das Gesamtjahr minimal von 0,2 auf 0,3 Prozent angehoben. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sprach sich für ein "kurzfristiges" und "wuchtiges" steuerliches Entlastungsprogramm für die Wirtschaft aus. Um dies zu finanzieren, warb der Grünen-Politiker am Montag für eine Reform der Schuldenbremse. Die FDP fordert dagegen unter anderem die volle Abschaffung des Solidaritätszuschlags sowie Kürzungen bei Sozialleistungen.
/wirtschaft/konjunktur/bip-deutschland-q1-100.html
2024-04-30
Schwacher Jahresstart für VW und Mercedes-Benz
Autoabsatz im ersten Quartal
Volkswagen und Mercedes-Benz haben ein schwieriges erstes Quartal hinter sich. Modellwechsel und Lieferkettenprobleme ließen die Erträge fallen. Doch die Hoffnung auf ein besseres zweites Halbjahr bleibt bestehen.
Volkswagen und Mercedes-Benz haben ein schwieriges erstes Quartal hinter sich. Modellwechsel und Lieferkettenprobleme ließen die Erträge fallen. Doch die Hoffnung auf ein besseres zweites Halbjahr bleibt bestehen. Ein schwacher Jahresauftakt hat die Gewinne bei den deutschen Autokonzernen VW und Mercedes-Benz einbrechen lassen. Die Unternehmen verzeichneten vor allem wegen aktueller Modellwechsel eine Absatzschwäche. Das Jahr 2024 soll dennoch zufriedenstellend verlaufen. Beim Volkswagen-Konzern haben die schwächere Nachfrage aus China und eine Reihe von Modellanläufen die Ergebnisse deutlich belastet. Operativ, also vor Steuern und Zinsen, rutschte das Ergebnis um rund ein Fünftel auf 4,59 Milliarden Euro ab. Nach Steuern verdiente der Konzern mit 3,71 Milliarden Euro 22 Prozent weniger. Auch der Umsatz ging im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum zurück, allerdings nur um ein Prozent auf knapp 75,5 Milliarden Euro. Lieferengpässe als Gewinnbremse Ein wichtiger Grund für den Rückgang sind laut VW Lieferengpässe bei Audi: Hier sanken die Erlöse deutlich, weil V6- und V8-Motoren zeitweise nicht ausreichend zur Verfügung standen. Auch bei Porsche liefen die Geschäfte nicht so rund wie gewohnt. Hohe Vorlaufkosten für neue Modelle und ein schwacher Absatz drückten den Gewinn des Sportwagenbauers um fast ein Drittel, die Rendite sackte um vier Prozentpunkte ab. Besser sah es dagegen in der Volumengruppe Core aus, zu der die Kernmarke Volkswagen sowie Skoda, Seat/Cupra und die Nutzfahrzeugsparte mit dem VW-Bus gehört. Hier legte die Rendite auf 6,4 Prozent zu. Sparen für mehr Rendite Konzernchef Oliver Blume hat dem Wolfsburger Autobauer ein milliardenschweres Sparprogramm verordnet. Schon in diesem Jahr sollen vier Milliarden Euro erreicht werden. Entsprechend kann die Jahresprognose laut Blume gehalten werden. Danach soll der Umsatz um bis zu fünf Prozent wachsen, die operative Rendite soll zwischen 7,0 und 7,5 Prozent liegen. Auch der deutsche Konkurrent Mercedes-Benz hat ein schwaches erstes Quartal bilanziert. Lieferkettenprobleme und laufende Modellwechsel spielten auch hier eine wichtige Rolle. Beim Gewinnrückgang fiel vor allem der Absatzrückgang bei lukrativen Top-Modellen ins Gewicht. Teurere Modelle verkauften sich bei Mercedes schlechter Unter dem Strich fuhr Mercedes mit 3,03 Milliarden Euro rund ein Viertel weniger Konzerngewinn ein. Der Umsatz ging im ersten Jahresviertel um 4,4 Prozent auf 35,9 Milliarden Euro zurück. In der wichtigsten Sparte mit Pkw rutschte die um Sondereffekte bereinigte operative Gewinnmarge vor Zinsen und Steuern um 5,8 Prozentpunkte auf 9,0 Prozent überraschend deutlich ab. Erst in der zweiten Jahreshälfte dürfte sich der Verkaufsmix wieder in Richtung teurere Autos verschieben und Schub liefern, hieß es vom Unternehmen. Das Management um Chef Ola Källenius sah ebenfalls keinen Grund, von den Jahresprognosen abzurücken. Mercedes-Benz hat im ersten Quartal weniger hochpreisige Autos verkauft. Bei den Pkw zeichne sich hinsichtlich der aktuellen Lieferengpässe bei den GLC- und E-Klasse-Modellen Entspannung ab.   48 Volt-Batterien als Mangelware Von den Engpässe betroffen waren Lieferungen mit 48-Volt-Batterien, für die Mercedes bereits Besserung in Aussicht gestellt hatte. Das Absatzniveau sollte im ersten Quartal insgesamt den Tiefpunkt markiert haben, hieß es aber vom Unternehmen. Auch Mercedes-Benz bestätigte seine Jahresprognosen: Danach soll der Umsatz das Vorjahresniveau erreichen, das operative Ergebnis aber leicht unter Vorjahr liegen. An der Börse wurden die Zahlen allerdings mit Kursabschlägen bei den Aktien von VW und Mercedes-Benz quittiert. Die beiden Papiere verlieren derzeit zwischen drei und vier Prozent und gehören damit zu den größten Tagesverlierern im DAX.
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2024-04-30
Zahl der Arbeitslosen geht im April nur leicht zurück
Bundesagentur für Arbeit
Die schwächelnde Wirtschaft wirkt sich auch auf den Arbeitsmarkt aus: Die Frühjahrsbelebung hält sich in diesem Jahr in Grenzen. Immerhin läuft es bei den Lehrstellen etwas besser.
Die schwächelnde Wirtschaft wirkt sich auch auf den Arbeitsmarkt aus: Die Frühjahrsbelebung hält sich in diesem Jahr in Grenzen. Immerhin läuft es bei den Lehrstellen etwas besser. Die Zahl der Arbeitslosen ist im April im Vergleich zum März um 20.000 gesunken. Die Zahl der Menschen ohne Job liegt nun bei 2,750 Millionen, wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg mitteilte. Als Grund für den vergleichsweise leichten Rückgang gab die BA eine nur schwach ausgeprägte Frühjahrsbelebung auf dem Arbeitsmarkt an. Dies hänge mit der noch immer schwächelnden Konjunktur zusammen. Die Arbeitslosenquote blieb unverändert zum März bei 6,0 Prozent. Gegenüber dem Vorjahresmonat hat sich die Quote um 0,3 Punkte erhöht. Für die April-Statistik griff die Bundesagentur auf Datenmaterial zurück, das bis zum 15. des Monats vorlag. "Fehlender Rückenwind" am Jobmarkt "Dem Arbeitsmarkt fehlt nach wie vor der konjunkturelle Rückenwind. Somit bleibt die Frühjahrsbelebung schwach", sagte BA-Vorstandsmitglied Daniel Terzenbach. "Obwohl die deutsche Wirtschaft seit zwei Jahren nicht in Tritt kommt, ist die Situation am Arbeitsmarkt aber weiterhin robust." Auch die Nachfrage nach Arbeitskräften geht leicht zurück - allerdings auf einem noch immer sehr hohen Niveau. Im April waren 701.000 offene Arbeitsstellen bei der BA gemeldet. Das sind 72.000 weniger als vor einem Jahr. Möglicherweise wieder mehr Kurzarbeit Die Kurzarbeit könnte dagegen wieder steigen. Vom 1. bis zum 24. April hatten Betriebe für 61.000 Menschen Kurzarbeit angezeigt - etwa ein Drittel mehr als im März. Ob dies dann auch in Anspruch genommen wird, ist aber noch nicht klar. Die jüngsten Zahlen für die tatsächliche Inanspruchnahme von Kurzarbeit kommen aus dem Februar: Damals waren 204.000 Menschen in Kurzarbeit, nach 190.000 im Januar und 146.000 im Dezember 2023.  Verbesserte Lage am Ausbildungsmarkt Besser als im vergangenen Jahr läuft es auf dem Ausbildungsmarkt. Von Oktober 2023 bis April 2024 meldeten sich den Angaben zufolge bei den Agenturen für Arbeit und den Jobcentern 342.000 Bewerberinnen und Bewerber für eine Lehrstelle. Das waren 6.000 mehr als im Vorjahreszeitraum. Von ihnen hatten im April noch 185.000 junge Menschen weder einen Ausbildungsplatz noch eine Alternative gefunden. Gleichzeitig waren 455.000 offene Ausbildungsstellen gemeldet, 17.000 weniger als vor einem Jahr. 270.000 waren von diesen noch unbesetzt. Der Ausbildungsmarkt ist allerdings im April noch stark in Bewegung.
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2024-04-30
Brotpreise seit 2019 massiv gestiegen
Statistisches Bundesamt
Brötchen oder Vollkornbrot gehören für viele Menschen zum Speiseplan. Doch die Kosten dafür steigen überdurchschnittlich. Laut Statistischem Bundesamt wurde Brot zwischen 2019 und 2023 gut ein Drittel teurer.
Brötchen oder Vollkornbrot gehören für viele Menschen zum Speiseplan. Doch die Kosten dafür steigen überdurchschnittlich. Laut Statistischem Bundesamt wurde Brot zwischen 2019 und 2023 gut ein Drittel teurer. Wer Brötchen oder Brot kauft, zahlt dafür heute 34,4 Prozent mehr als noch 2019. Das ergeben Zahlen des Statistischen Bundesamtes. "Ob zum Frühstück, für unterwegs oder als klassisches Abendbrot - Brot ist für viele Menschen hierzulande ein Grundnahrungsmittel", fassten die Statistiker zusammen. "Allerdings mussten Verbraucherinnen und Verbraucher hierfür zuletzt tiefer in die Tasche greifen." Mit mehr als einem Drittel stiegen die Brotpreise ähnlich stark wie die Preise für Nahrungsmittel allgemein. Verglichen mit der Gesamtinflation ist die Preissteigerung allerdings überdurchschnittlich hoch. Im gleichen Zeitraum stiegen die Verbraucherpreise insgesamt um 17,3 Prozent. Zuletzt hat sich der Preisanstieg abgeschwächt: Im März 2024 kosteten diese noch 2,9 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Insgesamt legten die Verbraucherpreise im selben Zeitraum um 2,2 Prozent zu. Höhere Kosten und weniger Personal Als Gründe für die Preissteigerung nennt das Statistische Bundesamt die gestiegenen Kosten für Energie und Rohstoffe. Aber auch steigende Personalkosten könnten demnach eine Rolle spielen. Fachpersonal ist knapp. Immer weniger Menschen beginnen eine Ausbildung im Bäckerhandwerk. 2022 wurden nur noch rund 1640 Ausbildungsverträge abgeschlossen. Damit hat sich die Zahl der Neuverträge in den letzten zehn Jahren halbiert. In anderen Ausbildungsberufen fiel der Rückgang mit 18,9 Prozent im Vergleich deutlich geringer aus.
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2024-04-30
Warum die nächste Mobilfunk-Auktion ausfallen soll
Deutsche Handynetze
Alle vier bis fünf Jahre hat die Bundesnetzagentur in der Vergangenheit Frequenzen für Mobilfunk versteigert. Dies brachte dem Staat Milliarden Euro ein. Doch die nächste Auktion wird wohl ausfallen.
Alle vier bis fünf Jahre hat die Bundesnetzagentur in der Vergangenheit Frequenzen für Mobilfunk per Versteigerung vergeben. Dies brachte dem Staat Milliarden ein. Doch die anstehende Auktion wird wohl ausfallen. Die in diesem Jahr eigentlich geplant Versteigerung von Mobilfunk-Frequenzen für die Handynetze in Deutschland soll ausfallen. Stattdessen will die Bundesnetzagentur bestimmte bestehende Nutzungsrechte verlängern, wie nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa aus einem internen Schreiben der Behörde hervorgeht. Verzicht auf Einnahmen Damit könnten der staatlichen Netzagentur Einnahmen in Milliardenhöhe verloren gehen. 2019 etwa waren bei der Auktion rund 6,6 Milliarden Euro zusammengekommen, im Jahr 2000 sogar rund 50 Milliarden Euro. Eine Verlängerung der Nutzungsrechte dürfte dem Bund vergleichsweise geringe Einnahmen einbringen. Die etablierten Netzbetreiber, die Deutsche Telekom, Vodafone und O2 Telefonica, dürften von der geplanten Regelung profitieren. Dagegen hat der vierte Anbieter 1&1 bislang nur ein kleines Netz und wäre an der Ersteigerung neuer Frequenzen wohl stark interessiert gewesen. Bedingungen für die Betreiber Die Änderung im Verfahren dürfte mehrere Gründe haben. Zum einen wird es nach Darstellung der etablierten Netzbetreiber im 800 Megahertz-Band (MHz) - dessen Lizenzen nun verlängert werden sollen - eng. Laut den Betreibern ist in diesem Funkband zu wenig Spektrum vorhanden, als dass man es gut durch vier und nicht durch drei Nutzer teilen könnte. Dieser Sichtweise hatte sich die Bundesnetzagentur bereits vor Monaten angeschlossen. Einen Frequenztausch mit Spektrum aus anderen Bändern lehnten die Betreiber ab. Einen solchen Tausch hatte 1&1 gefordert. Bislang werden 1&1-Kunden noch mit dem Handynetz von O2 verbunden und künftig mit dem Netz von Vodafone - dies im Rahmen eines "National-Roaming"-Vertrags. Zum anderen dürfte die Behörde die Verlängerung der bestehenden Frequenzen mit einer Forderung an die Deutsche Telekom, Vodafone und O2 Telefonica verbinden: Die Mobilfunk-Unternehmen sollen sich verpflichten, ihre Netze auf dem Land zu verbessern. Das 800-MHz-Frequenzband gilt auch als "Flächennetz", es erfordert weniger Mobilfunk-Masten und ist damit besser geeignet mehr Nutzer in ländlichen Gebieten zu erreichen. Noch keine endgültige Entscheidung Das nun erarbeitete Regelwerk für eine Verlängerung der bestehenden Frequenzen will die Bundesnetzagentur am 13. Mai ihrem Beirat vorstellen. Dem internen Schreiben zufolge soll es später ein "wettbewerbliches Verfahren" geben - also eine Auktion, die erst in einigen Jahren stattfinden wird. Endgültig entschieden ist die Regelung damit noch nicht. Es geht um einen "Konsultationsentwurf", den Marktteilnehmer in den kommenden Monaten kommentieren können. Der Entwurf gilt aber als Vorentscheidung - und ein Sinneswandel der Behörde gilt als unwahrscheinlich.
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2024-04-30
Indonesischer Vulkan Ruang erneut ausgebrochen
Sorge vor möglichem Tsunami
Der Vulkan Ruang spuckt erneut Asche und Gestein. Der Berg nördlich der indonesischen Insel Sulawesi ist seit Wochen aktiv. Wieder gibt es Sorge vor einem möglichen Tsunami, es gilt die höchste Warnstufe.
Der Vulkan Ruang spuckt erneut Asche und Gestein. Der Berg nördlich der indonesischen Insel Sulawesi ist seit Wochen aktiv. Wieder gibt es Sorge vor einem möglichen Tsunami, es gilt die höchste Warnstufe. Der seit Wochen aktive indonesische Vulkan Ruang ist erneut ausgebrochen. Bei der Eruption wurden Asche, Rauch und Gestein fast zwei Kilometer in die Höhe geschleudert, wie das staatliche Zentrum für Meteorologie, Klimatologie und Geophysik berichtet. Es gilt die höchste Warnstufe für den 725 Meter hohen Vulkan. Anwohnerinnen und Anwohner sowie Bergsteigerinnen und Bergsteiger wurden aufgefordert, sich mindestens sechs Kilometer vom Krater fernzuhalten. Der Ruang liegt etwa 95 Kilometer vom internationalen Flughafen Sam Ratulangi in der Stadt Manado entfernt. Der Flughafen wurde wegen schlechter Sichtverhältnisse und Gefahren für Triebwerke durch Asche geschlossen, wie die Flughafenbehörde mitteilte. Sorge vor Flutwellen Es sei ein deutlicher Anstieg sowohl sehr tiefer als auch flacher vulkanischer Beben verzeichnet worden, schrieben die Geologen. Dies deute auf eine Magmawanderung aus tiefen Reservoirs an die Oberfläche hin. Die Menschen in der Region sollten unbedingt auf mögliche pyroklastische Ströme achten - sie bestehen aus heißer Asche, Gestein und Gas. Gleichzeitig steigt die Sorge vor möglichen Tsunamis. Ins Meer gestürzte Felsbrocken oder der Zusammenbruch des gesamten Vulkankörpers könnten Flutwellen auslösen, hieß es. Im Jahr 1871 löste ein Ausbruch des Ruang einen Tsunami mit bis zu 25 Meter hohen Wellen aus. Auf der fünf Kilometer entfernt liegenden Nachbarinsel Tagulandang starben damals etwa 400 Menschen.  Vulkan seit Wochen aktiv Am Ruang gibt es seit Mitte April Eruptionen. Mehrmals spuckte der Vulkan bis zu 3.000 Meter hohe Wolken aus Asche und Gestein. Teilweise wurde der Flugverkehr in der Region eingestellt. In der vergangenen Woche wurde die Alarmstufe aber zunächst gesenkt, nachdem sich der Ruang etwas beruhigt hatte.
/ausland/asien/indonesien-vulkanausbruch-104.html
2024-04-30
Elefantenrunde in Maastricht
Debatte vor der Europawahl
Schlagabtausch zum Europa-Wahlkampf im Hochglanz-Studio: Ursula von der Leyen verteidigte ihren "Green Deal" gegen Kritik - und schloss ein Bündnis mit Rechtskonservativen nicht aus. Von Thomas Spickhofen.
Schlagabtausch zum Europa-Wahlkampf im Hochglanz-Studio: Ursula von der Leyen verteidigte ihren "Green Deal" gegen Kritik - und schloss ein Bündnis mit Rechtskonservativen nicht aus. Es war ein freundlicher Empfang, mit dem die acht Spitzenkandidatinnen und -kandidaten auf der Bühne eines Theater- und Konzertsaals im Herzen von Maastricht begrüßt wurden. Wie im US-amerikanischen Wahlkampf standen sie nebeneinander aufgereiht an Rednerpulten. Das Format ist auch für den europäischen Wahlkampf nicht ganz neu. Schon vor fünf und vor zehn Jahren gab es diese Debatte vor einer Europawahl. Sie wird komplett in Englisch gehalten, für Interessierte auch im Internet auf einem Extrakanal unter anderem ins Deutsche übersetzt. Für die Diskussion bleiben insgesamt 90 Minuten, das fordert ein strenges Zeitmanagement durch die beiden Moderatorinnen. Dem muss sich auch eine amtierende EU-Kommissionspräsidentin gelegentlich beugen, wenn sie um die Gelegenheit für eine zusätzliche Antwort bittet - aber versprechen muss, dass sie es wirklich kurz macht. Klimawandel als ein zentrales Thema Es geht quer durch die großen aktuellen Themen der internationalen Politik: Sicherheit und Ukraine-Krieg, die Lage im Nahen Osten, die Gefahren für die Demokratie durch Manipulationen von Außen. Und natürlich: der "Green Deal", Herzstück der Kommission in den vergangenen fünf Jahren. Der gehe nicht verloren, verspricht der sozialdemokratische Spitzenkandidat Nicolas Schmit: "Es wäre ein großer Fehler, jetzt im Kampf gegen den Klimawandel nachzulassen. Wir müssen mutig bei unseren Entscheidungen bleiben." Aber der Luxemburger und Herausforderer Ursula von der Leyens, der zurzeit als Kommissar für Arbeit und Soziales am Kabinettstisch sitzt, findet, man müsse noch mehr die Balance finden: "Wir müssen das alles auch sozial fair und gerecht finanzieren." "Wir sind erst am Beginn dieses Marathons" Bas Eickhout von den Grünen wirft von der Leyen vor, mit dem "Green Deal" auf halbem Wege stecken geblieben zu sein. Sie habe das doch zu ihrem großen Projekt ausgerufen, so wie Kennedy einst den Flug zum Mond. "Stellen sie sich vor, Kennedy hätte damals gesagt: Och, der halbe Weg ist auch ok", wendet er sich an die Kommissionspräsidentin. Europa brauche ein Investitionsprogramm für klimasaubere und bezahlbare Häuser, Geld für den öffentlichen Verkehr. Der "Green Deal", findet Eickhout, sei ein guter Start gewesen, "aber wir sind erst am Beginn dieses Marathons." Von der Leyen verweist auf die 650 Milliarden Euro, die schon bereit stünden, dazu müsse aber auch privates Kapital kommen. Zur Kritik, der "Green Deal" reguliere die Wirtschaft zu sehr, sagt sie: Nein, er sei nicht ein Problem für den Wettbewerb, sondern - im Gegenteil - seine Lösung. Von der Leyen hält sich Optionen offen Die meisten Positionen in der Debatte, in der sich gelegentlich auch direkte Dialoge und Auseinandersetzungen entwickeln, sind nicht überraschend. Der dänische Vertreter der Fraktion ID, der aus Deutschland auch die AfD angehört, will die Migration stärker begrenzen, der Vertreter der Linken - er kommt aus Österreich - will mehr für bezahlbaren Wohnraum tun. Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die für die liberale Fraktion im Europaparlament antritt, hält die Sicherheit für die Schlüsselfrage der europäischen Zukunft. Zu einem nachrichtlich interessanten Augenblick kam es dann, als es um mögliche Bündnisse nach der Wahl ging. Wie sie es denn mit der EKR halte, der nationalkonservativen Allianz, der zum Beispiel die polnische PiS und die Brüder Italiens von Georgia Meloni angehören, wird von der Leyen gefragt. Das hänge sehr davon ab, wie die Zusammensetzung des Parlaments sein werde und wer in welcher Gruppe ist, antwortet die Kommissionschefin - also kein klarer Ausschluss. Plädoyer eines Ex-Sowjetsoldaten Für einen berührenden Moment am Ende der Debatte sorgt Valeriu Ghiletchi von der Europäischen Christlichen Bewegung, ein Pastor und Elektroingenieur aus Rumänien, geboren und aufgewachsen der in der Sowjetunion. "Selbst in meinem wildesten Traum", gesteht Ghiletchi, "hätte ich mir nicht vorstellen können, dass ich, ein ehemaliger Sowjet-Soldat, eines Tages hier stehen und an einer freien Debatte teilnehmen würde. Aber unsere Träume können wahr werden. Deshalb rufe ich dazu auf, für unsere fundamentalen Freiheitsrechte einzutreten. Und ich bete dafür: Gott schütze Europa." Die Maastricht-Debatte war die erste von voraussichtlich zweien mit den Spitzenkandidatinnen und -kandidaten. Die zweite ist für den 23. Mai geplant.
/europawahl/aktuell/maastricht-spitzenkandidaten-100.html
2024-04-30
Die verschwundenen Kinder
Eingeschleuste Vietnamesen
Eingeschleust, aufgegriffen, verschwunden - bundesweit herrscht Unklarheit über das Schicksal illegal eingereister Kinder aus Vietnam. Offenbar steckt ein internationales Schleusernetzwerk dahinter. Von Adrian Bartocha.
Eingeschleust, aufgegriffen, verschwunden - bundesweit herrscht Unklarheit über das Schicksal illegal eingereister Kinder aus Vietnam. Offenbar steckt ein internationales Schleusernetzwerk dahinter. Von Adrian Bartocha, RBB Seit Jahren steigt die Zahl illegal nach Deutschland einreisender Vietnamesen, darunter immer mehr Kinder und Jugendliche. Nur ein Bruchteil wird bei sporadischen Kontrollen der Bundespolizei an der deutsch-polnischen Grenze oder in Berlin aufgegriffen, so im Juni 2018 auf der Autobahn A12. Zwei Schleuser waren mit einer Gruppe von zwölf Vietnamesen, darunter zwei Minderjährige, wahrscheinlich auf dem Weg nach Berlin. Die Schlepper kamen in Haft, die erwachsenen Vietnamesen wurden umgehend nach Polen zurückgeschickt. Die zwei Jugendlichen, vermutlich 15 und 16 Jahre alt, wurden in die Obhut des Kindernotdienstes in Eisenhüttenstadt übergeben. Für unbegleitete Minderjährige sind, egal wo sie aufgegriffen werden, die Jugendämter zuständig. Der Staat nimmt sie in Obhut. An jenem Abend im Juni war es schon spät, als die jungen Vietnamesen beim Kindernotdienst eintrafen. Doch ihr Aufenthalt dauerte nur kurz, wie rbb24 Recherche erfuhr. Man könne sie ja schließlich nicht festhalten. Wohin und mit wem sie verschwunden sind? Keine Ahnung. Kindernotdienste sind offene Einrichtungen. "Entlassung durch Entweichung" lautet der Vermerk, den die Einrichtung in solchen Fällen an das zuständige Jugendamt schickt. In diesem Fall war es das Jugendamt des Landkreises Oder-Spree. Aber auch in Frankfurt/Oder, Märkisch-Oderland oder den sächsischen Landkreisen an der deutsch-polnischen Grenze kennt man Fälle wie diesen. Für die Jugendämter und Kinderschutzeinrichtungen ist das inzwischen Routine, sie erstatten eine Vermisstenanzeige bei der Polizei. Kinder und Jugendliche werden instruiert "Diese Minderjährigen sind, wenn sie zu uns kommen, offenbar instruiert, wissen, was zu tun ist, wen sie dann zu kontaktieren haben, wo sie hinzugehen haben, an welche Treffpunkte. Es gibt Leute, die dann auf sie warten. Da scheint vieles im Vorfeld organisiert zu sein", erzählt ein Mitarbeiter einer brandenburgischen Jugendhilfeeinrichtung, der anonym bleiben will. Wohin? "Wir hatten Hinweise darauf, dass sie dann hier, in Deutschland offenbar zur Arbeit gezwungen werden. Und wir haben in der Vergangenheit schon die Behörden auf das Problem aufmerksam gemacht." Bei der Polizei in Brandenburg werden die Vermisstenfälle bearbeitet. Es gibt dort auch Fotos dieser Jugendlichen. Doch bislang wurde kein einziger von der Polizei zur öffentlichen Fahndung ausgeschrieben. "Wenn ein deutsches Kind verschwindet, ist die Öffentlichkeit viel schneller alarmiert", so der Mitarbeiter der Brandenburger Einrichtung. "Aber  verschwundene vietnamesische Kinder: tja, keine Öffentlichkeitswirkung." "Dem würde ich widersprechen", sagt Hauptkommissar Roland Kamenz aus der Polizeidirektion Ost in Frankfurt/Oder. Grundsätzlich könne man das tun. Doch ob vermisste Personen zur öffentlichen Fahndung ausgeschrieben werden, bewerten und entscheiden die zuständigen Dienststellen. Kamenz beteuert, es werde mit dem erforderlichen Druck gefahndet. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass bei den Minderjährigen eine "Gefahr für Leib und Leben" vorliegt. Durch Polen nach Deutschland Jenseits der Grenze, in Polen, haben die Beamten jedoch ganz andere Erkenntnisse. Vor einem Gericht im polnischen Posen berichtete ein junger Vietnamese: Er sei immer wieder geschlagen, bedroht, zum Hungern und zur Arbeit gezwungen worden. In Posen findet gerade ein Prozess gegen eine international agierende Schleuserbande statt. Der nach Polen eingeschleuste Junge sagt dabei als Zeuge aus. In seinem Dorf in Vietnam habe man ihn seinerzeit angesprochen und Arbeit in Europa angeboten. Dafür habe seine Großmutter ihr Haus an die Vermittler abgeben müssen. Seine Eltern lebten nicht mehr, also nahm er das Angebot an.  Wochenlang sei er dann in Polen in einem Raum eingesperrt gewesen, bevor es mit einem Kleintransporter nach Deutschland ging. Auf dem Weg dorthin verursachten die Schlepper einen Unfall. Es gab Schwerverletzte unter den zehn Vietnamesen, mit denen er zusammengepfercht war. Sechs von ihnen waren noch minderjährig. Die polnischen Ermittler und Staatsanwälte haben inzwischen ein klares Bild, was den Minderjährigen droht. "Wir reden hier vom Menschenhandel und von moderner Sklaverei. Es waren Kinder aus sehr armen Familien dabei, auch Waisenkinder", sagt der Posener Staatsanwalt Michal Smetowski im Interview. Die in Posen angeklagte Gruppe soll fast 300 Vietnamesen nach Deutschland eingeschleust haben. Darunter zahlreiche Minderjährige. "Sie haben sie gezielt nach Deutschland und weiter nach Westeuropa gebracht, sie und ihre Familien bewusst in die Irre geführt, ihnen gute Arbeit versprochen. Sie haben sie unterwegs hungern und umsonst arbeiten lassen, sie geschlagen, ein Mädchen vergewaltigt. Wir gehen davon aus, dass man sie dann in Massagesalons unterbringt oder in Bordellen",  so Staatsanwalt Smetowski. Ein internationales Schleusernetzwerk Dabei ist die in Posen angeklagte Gruppe nach rbb-Recherchen nur Teil eines "hochprofessionellen und gut organisierten  Netzwerkes", dem mehrere hundert Schleusungen nachgewiesen wurden. Die Dunkelziffer dürfte jedoch viel höher sein. Ziel der Vietnamesen sind neben Deutschland die Länder Frankreich, Belgien, Niederlande und Großbritannien. Der Grenzschutz und die Staatsanwaltschaft in Polen führen zur Zeit mehrere Ermittlungsverfahren gegen einzelne Gruppierungen durch. "Die, die wir kriegen, sind einfache Soldaten. Die Chefs sitzen in Moskau und Hanoi und machen von dort aus die Ansagen", sagt Maciej Florkiewicz von der Staatsanwaltschaft in Warschau. Die Schleuserroute führt von Vietnam zuerst nach Moskau. Das geht relativ problemlos, denn Vietnamesen können visafrei nach Russland einreisen. Von dort geht es über die baltischen Staaten und Polen weiter Richtung Westen. Die Kosten betragen um die 20.000 Dollar, so die polnischen Ermittler. Das Geld müsse entweder unterwegs erarbeitet, von Familien zwischendurch überwiesen oder am jeweiligen Ankunftsort abgearbeitet  werden. Doch es sollen auch Waisen- und Straßenkinder aus Vietnam nach Deutschland eingeschleust worden sein, die zuvor "von Auftraggebern im Westen bestellt" wurden. Drehkreuz Dong Xuan Center Wer die Grenze unkontrolliert überwunden hat, landet oft im Dong Xuan Center in Berlin Lichtenberg. Das Dong Xuan Center, auch Klein Hanoi genannt, ist ein riesiges, unüberschaubares Gelände. Auf gut 200 Hektar drängen sich in sechs überdimensionierten Markthallen Lebensmittelgeschäfte, Restaurants und Nagelstudios. Das Center geriet in der Vergangenheit immer wieder ins Visier deutscher Ermittler. Zuletzt war das im Mai 2018 in Verbindung mit Schleusungen, Scheinehen und Drogenhandel. Das Center gilt unter Berliner Polizisten als eine Art Logistikzentrum für die vietnamesische Schleusermafia. Immer wieder stoßen sie dort auf unbegleitete minderjährige Vietnamesen, die dann den Jugendämtern übergeben werden - und kurz darauf wieder verschwinden. Seit 2012 wurden insgesamt 474 minderjährige Vietnamesen in der deutschen Hauptstadt als vermisst gemeldet, teilte die Polizei auf Anfrage von rbb24 Recherche mit. Außerdem liegen ihr Erkenntnisse vor, dass die Kinder und Jugendlichen die Kosten für die Schleusung nachträglich entweder durch Arbeit oder Straftaten aufbringen müssen. Sklavenarbeit in Nagelstudios Dass Berlin eine Drehscheibe im Menschenhandel mit Vietnamesen ist, weiß auch Michael Bender vom Hauptzollamt Gießen: "Es gibt dabei Verbindungen nach Berlin, offenbar auch in das Dong Xuan Center, das wissen wir aus den Ermittlungen."  Mehrere große Razzien führte der Zoll  in den vergangenen Monaten in Nagelstudios im Westen der Republik durch.  Es ging dabei um Schwarzarbeit. Bei illegaler Beschäftigung von Minderjährigen in Nagelstudios handle es sich nicht um Einzelfälle. Auch Bender sieht Hinweise, dass sie illegal über Russland und Polen nach Deutschland geschleust wurden. Diskussion in den Niederlanden Auch in den Niederlanden berichteten Investigativjournalisten der Radiosendung Argos über rund 60 Kinder, die aus geschützten Einrichtungen verschwanden. Seitdem gibt es eine breite öffentliche Diskussion. "Der Umfang dieses Menschenhandels ist so groß, dass wir alle sehr besorgt sein müssen. Wir können nicht ruhig bleiben, bis wir erfahren, wo diese Kinder jetzt sind, wohin sie gebracht wurden", sagte Herman Bolhaar, der Menschenhandelsbeauftragter der niederländischen Regierung vor wenigen Wochen. Er forderte eine internationale Untersuchung. In Deutschland fordert jetzt erstmals der Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige gegenüber rbb24 Recherche, dass Polizei und Jugendämter stärker tätig werden: Diese Kinder und Jugendlichen seien in der Obhut des Staates, der an Stelle der Eltern Verantwortung übernehmen müsse. "Verschwundene geflüchtete Minderjährige sind besonders gefährdet."
/investigativ/rbb/vietnamesische-kinder-jugendliche-101.html
2024-04-30
Großbritannien startet Kontrolle von EU-Waren
Nach dem Brexit
Mehrfach verschoben, jetzt geht es los: Großbritannien kontrolliert aus der EU importierte Waren. Betroffen sind davon tierische und pflanzliche Produkte. Händler zeigen sich besorgt - und befürchten neues Chaos.
Mehrfach verschoben, jetzt geht es los: Großbritannien kontrolliert aus der EU importierte Waren. Betroffen sind davon tierische und pflanzliche Produkte. Händler zeigen sich besorgt - und befürchten neues Chaos. Mehr als drei Jahre nach dem Brexit beginnt Großbritannien heute mit Warenkontrollen für EU-Importe von tierischen und pflanzlichen Produkten. Das bestätigte das zuständige Agrarministerium. Zusätzlich müssen Lebensmittelimporteure auf manche Produkte wie Wurst, Käse und Joghurt, aber auch Schnittblumen eine Gebühr von bis zu 145 Pfund (umgerechnet etwa 169 Euro) pro Ladung bezahlen. Experten und Unternehmen warnen vor längeren Lieferzeiten, mehr Bürokratie und höheren Kosten - die letztlich die Menschen in Großbritannien stemmen müssten. Nach Berechnungen des Kreditversicherers Allianz Trade könnten die neuen Brexit-Vorschriften britische Unternehmen bis zu zwei Milliarden Pfund kosten und die Inflation anheizen. Die Importkosten würden im ersten Jahr um zehn Prozent steigen. Kontrollen mehrmals verschoben Die Kontrollen, die in der EU umgehend nach dem Brexit eingeführt worden waren, wurden in Großbritannien bereits mehrmals verschoben. Es fehlte nach Regierungsangaben an Infrastruktur und Personal. Das Portal "Politico" berichtete, unmittelbar vor dem Start der Kontrollen seien noch viele Fragen offen. Kommerzielle Hafenbetreiber hätten mehrere Millionen Pfund in den Aufbau von Inspektionsanlagen gesteckt und nun ernsthafte Bedenken, wie sie die Kosten für den Betrieb decken sollen. Großbritannien war Ende Januar 2020 aus der EU ausgetreten. Nach einer Übergangsphase ist das Land seit 2021 auch nicht mehr Mitglied des EU-Binnenmarktes und der Zollunion. Ein in letzter Sekunde vereinbarter Vertrag sicherte zwar eine weitgehend barrierefreie Handelspartnerschaft. Allerdings gab es besonders zu Beginn viele Probleme im Handel. Händler klagen zudem über mehr Bürokratie sowie neue Zölle in einigen Bereichen. Handelsverbände besorgt Der Hafenverband British Ports Association und die britische Schifffahrtskammer warnten, die Betreiber benötigten dringend Zugang zu einem nach dem Brexit eingeführten IT-System der Regierung. Ansonsten wüssten sie nicht, wie viele Waren sie abrechnen müssten und wem sie dies in Rechnung stellen sollten. Mehrere Handelsverbände befürchten neues Chaos an den Grenzen und Kosten, vor allem für kleine und mittlere Unternehmen. "Die britische Regierung ist vollständig überzeugt, dass die Einrichtungen, Infrastruktur und Systeme an der Grenze für den Einführungstermin der neuen Grenzkontrollen am 30. April bereit sein werden", hieß es hingegen aus dem Agrarministerium.
/wirtschaft/weltwirtschaft/grossbritannien-brexit-kontrollen-100.html
2024-04-30
G7 verständigen sich auf Kohleausstieg bis 2035
Ende fossiler Energie
Die Energieminister der G7-Staaten haben sich auf einen gemeinsamen Kohleausstieg bis 2035 geeinigt. Der endgültige Beschluss soll heute veröffentlicht werden. Am Rande des Treffens kam es zu Protesten.
Die Energieminister der G7-Staaten haben sich auf einen gemeinsamen Kohleausstieg bis 2035 geeinigt. Der endgültige Beschluss soll heute veröffentlicht werden. Am Rande des Treffens kam es zu Protesten. Bei ihrem Treffen im italienischen Turin haben sich die Klima-, Energie- und Umweltministerien von sieben führenden Industrienationen (G7) auf einen Ausstieg aus der Kohleenergie verständigt. Dies bestätigte das Bundeswirtschaftsministerium am Montagabend. Die Länder wollen den Ausstieg bis 2035 umsetzen. "Ja, wir haben eine Übereinkunft, Kohle in der ersten Hälfte des 2030er-Jahre auslaufen zu lassen", sagte der britische Energie-Staatssekretär Andrew Bowie am Rande des Ministertreffens. "Es gibt eine technische Einigung", pflichtete auch der italienische Energieminister Gilberto Pichetto Fratin bei. Der endgültige Beschluss werde im Laufe des Tages gefasst. Dann sollen auch die Abschlusserklärungen veröffentlicht werden. "Eine historische Übereinkunft" Die G7-Staaten hatten sich 2023 vorgenommen, konkrete Schritte zur Abschaltung von Kohlekraftwerken zu unternehmen. Ein konkreter Zeitplan wurde jedoch nicht vereinbart. "Das ist eine historische Übereinkunft, die wir beim COP28 in Dubai im vorigen Jahr nicht erreichen konnten", sagte Bowie dem Portal Class CNBC. Dass die G7-Staaten nun ein gemeinsames Signal zum Kohleausstieg an die Welt sendeten, sei unglaublich. Eine endgültige Einigung wäre ein erster konkreter Schritt, um die Nutzung fossiler Brennstoffe tatsächlich auslaufen zu lassen. Dabei produzierte etwa der G7-Gastgeber Italien 2022 noch 4,7 Prozent seines Stroms in einigen wenigen Kohlekraftwerken. Die Regierung in Rom plant derzeit, die Anlagen auf dem Festland bis 2025 abzuschalten, auf der Insel Sardinien gilt die Frist 2028. Kohle in Deutschland wichtiger Energieträger In Deutschland und Japan spielt Kohle dagegen noch eine größere Rolle. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes vom März lag der Kohlestrom-Anteil 2022 bei gut 33 Prozent und 2023 bei 26 Prozent. Damit war er der zweitwichtigste Energieträger für die Stromerzeugung in Deutschland. Die Bundesrepublik hatte den Kohleausstieg 2020 per Gesetz auf 2038 fixiert. Die Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen hatte im Koalitionsvertrag Ende 2021 aber festgehalten, ihn "idealerweise" auf 2030 vorzuziehen. Aus Deutschland sind Umweltministerin Steffi Lemke und Wirtschaftsstaatssekretärin Anja Hajduk nach Turin gereist. Italien hat in diesem Jahr die G7-Präsidentschaft inne. Atomkraft im Gespräch Bei dem treffen in Turin sollen nach Angaben des Gastgebers Italien auch Kernenergie und Biokraftstoffe besprochen werden. Sie sollen Pichetto Fratin zufolge in der Abschlusserklärung als Alternativen für die G7-Staaten zur Dekarbonisierung der Stromerzeugung und des Verkehrs genannt werden. Neben der Stromerzeugung soll auch die Speicherung von Energie thematisiert werden. Hintergrund ist die Notwendigkeit, den unregelmäßig anfallenden Strom aus erneuerbaren Energien längerfristig zu speichern und verfügbar zu machen. Proteste am Rande der Veranstaltung Am Rande des Treffens kam es am Montag zu Protesten. Demonstranten versuchten laut Nachrichtenagentur Ansa, zum Quartier der Teilnehmer vorzudringen. Die Polizei hielt sie zunächst mit Schilden zurück und setzte danach auch Tränengas, Wasserwerfer und Knüppel ein. Aus den Reihen der Demonstranten seien Eier, Flaschen und Rauchkörper auf die Einsatzkräfte geworfen worden.
/ausland/europa/g7-kohleausstieg-2035-100.html
2024-04-30
Deutschland liefert weitere Waffen an die Ukraine
Neue Militärhilfe
Schützenpanzer, Flugabwehr, Munition: Die Ukraine hat erneut Waffen aus Deutschland erhalten. Das Land ist aber dringend auf weitere Unterstützung angewiesen. Präsident Selenskjy fordert mehr Rüstungsgüter und mehr Tempo.
Schützenpanzer, Flugabwehr, Munition: Die Ukraine hat erneut Waffen aus Deutschland erhalten. Das Land ist aber dringend auf weitere Unterstützung angewiesen. Präsident Selenskjy fordert mehr Rüstungsgüter und mehr Tempo. Deutschland hat der von Russland angegriffenen Ukraine weitere zehn Schützenpanzer vom Typ "Marder" und andere Mittel zur Verteidigung geliefert. Ein zweites Flugabwehrsystem Skynex gehöre ebenso zu dem Paket wie knapp 30.000 Schuss Munition für den Flugabwehrpanzer "Gepard" und Munition für das System Iris-T, teilte die Bundesregierung mit. Das Mitte April zugesagte dritte Flugabwehrsystem vom Typ "Patriot" stand nicht auf der aktualisierten Liste der deutschen Militärhilfe. Russland hat zuletzt seine Luftangriffe mit Raketen, Marschflugkörpern, Drohnen und Gleitbomben verstärkt. Weiter wurden 7.500 Artilleriegranaten vom Kaliber 155 Millimeter, Munition für den Kampfpanzer "Leopard 2" und 3.000 Panzerabwehrhandwaffen geliefert. Die Pionier- und Transportfähigkeit der ukrainischen Armee wurde mit einem weiteren Brückenlegepanzer "Biber", einem Pionierpanzer, neun Minenräumpflügen sowie neun Schwerlastsattelzügen gestärkt. Selenskyj mahnt zu weiterer Unterstützung Die von Russland angegriffene Ukraine leidet unter einem Mangel an Waffen und Munition. Die täglichen russischen Raketenangriffe, die Angriffe an der Front könnten gestoppt werden, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Videobotschaft. "Aber dazu ist die ukrainische Armee auf ausreichende Unterstützung durch ihre Partner angewiesen." Die Partnerländer verfügten über die Waffensysteme, die die Ukraine dringend brauche, sagte Selenskyj. Dabei nannte er vor allem "Patriot"-Flugabwehrsysteme aus US-Produktion und Artilleriegranaten vom Kaliber 155 Millimeter. Der Prozess müsse beschleunigt werden. Erst am Wochenende hatte der ukrainische Generalstabschef Olexander Syrskyj erneute "taktische" Rückzüge vermeldet. Sowohl in der Ukraine als auch von manchen westlichen Militäranalysten wird eine größere russische Offensive im Sommer erwartet.
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2024-04-30
Hoffen auf einen Durchbruch
Verhandlungen zu Nahost-Feuerpause
Trotz ausstehender Antworten der Hamas und Israels gibt es Hoffnung auf eine Waffenruhe in Nahost. Vorgesehen ist offenbar eine 40-tägige Feuerpause. Die Hamas hat wohl um Bedenkzeit gebeten.
Trotz ausstehender Antworten der Hamas und Israels gibt es Hoffnung auf eine Waffenruhe in Nahost. Vorgesehen ist offenbar eine 40-tägige Feuerpause. Die Hamas hat wohl um Bedenkzeit gebeten. Nach den jüngsten Verhandlungen in Kairo über eine Feuerpause im Gazastreifen gibt es Hoffnungen auf einen Durchbruch - auch wenn die Reaktionen Israels und der Hamas noch ausstehen. "Wir sind zuversichtlich, dass der Vorschlag die Positionen beider Seiten berücksichtigt und versucht hat, beide Seiten zur Mäßigung zu bewegen, und wir warten auf eine endgültige Entscheidung", sagte der ägyptische Außenminister Sameh Shoukry beim Weltwirtschaftsforum in Riad. "Es gibt Faktoren, die beide Seiten beeinflussen werden (...) aber ich hoffe, dass alle der Situation gewachsen sind und erkennen, dass es keine weiteren Verluste an Menschenleben geben kann". Antwort der Hamas binnen zwei Tagen erwartet Eine Hamas-Delegation verließ am späten Montag die ägyptische Hauptstadt, um mit der Führung der militant-islamistischen Organisation über den jüngsten überarbeiteten Vorschlag zu sprechen, sagten zwei Insider aus ägyptischen Sicherheitskreisen der Nachrichtenagentur Reuters. Es seien einige Änderungen an den Bedingungen für einen endgültigen Waffenstillstand im Gazastreifen vorgenommen worden, sowie an der Forderung der Palästinensergruppe nach einem israelischen Rückzug aus dem Küstenstreifen. Eine Antwort der Hamas werde binnen zwei Tagen erwartet. Tausende demonstrieren in Israel für Geisel-Abkommen Mehrere Tausend Menschen hatten am Abend in Tel Aviv für eine Verhandlungslösung zur Freilassung der israelischen Geiseln in der Gewalt der Terrororganisation Hamas demonstriert. "Rafah kann warten - sie nicht", stand israelischen Medienberichten zufolge auf einem Banner der Kundgebung. Auch Angehörige von Geiseln sprachen auf der Demonstration und appellierten an die israelische Regierung, eine Waffenruhe zu erreichen und die Geiseln zurückzubringen. "Wir sind Eltern, die ihre Kinder zurück zu Hause haben wollen", sagte der Vater eines verschleppten Soldaten. Wenn Ministerpräsident Benjamin Netanyahu die Geiseln nicht zurückbringe, habe er ihr Blut an den Händen.  Biden dringt auf Abkommen Auch US-Präsident Joe Biden schaltete sich in die Verhandlungen ein und drang auf einen Abschluss eines Abkommens. Biden habe den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi und den katarischen Emir Tamim bin Hamad al-Thani am Telefon dazu angehalten, "alle Anstrengungen zu unternehmen, um die Freilassung der von der Hamas festgehaltenen Geiseln zu erreichen", teilte das Weiße Haus mit. Dies sei das derzeit einzige Hindernis für eine Feuerpause und Hilfe für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen. Sollte ein von Israel akzeptiertes Abkommen zustande kommen, würden die USA sich dafür einsetzen, dass dieses auch eingehalten würde, hieß es weiter. Biden habe im Gespräch mit al-Sisi außerdem betont, dass Palästinenser nicht nach Ägypten oder an einen anderen Ort außerhalb des Gazastreifens vertrieben werden dürften. Bidens Sprecherin Karine Jean-Pierre hatte die Hamas zuvor aufgefordert, dem Vorschlag über eine Waffenruhe zuzustimmen. "In den vergangenen Tagen gab es neue Fortschritte bei den Gesprächen, und derzeit liegt die Pflicht tatsächlich bei der Hamas. Es liegt ein Angebot auf dem Tisch, und sie müssen es annehmen", sagte sie. Cameron: Angebot für eine 40-tägige Feuerpause Die Hamas hat nach Worten des britischen Außenministers David Cameron vom Montag ein Angebot für eine 40-tägige Feuerpause vorliegen. Im Gegenzug für die Freilassung von Geiseln aus Gewalt der Hamas sollten zudem "möglicherweise Tausende' Palästinenser aus israelischen Gefängnissen freigelassen werden.
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2024-04-30
51.000 geflüchtete Minderjährige vermisst
Flucht nach Europa
Europaweit gelten mehr als 51.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge als vermisst. Sie kamen zwischen 2021 und 2023 nach Europa und waren in staatlicher Obhut. Bis heute haben die Behörden keine Kenntnisse über ihren Verbleib.
Europaweit gelten mehr als 51.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge als vermisst. Sie kamen zwischen 2021 und 2023 in Europa an und befanden sich in staatlicher Obhut. Bis heute haben die Behörden keine Kenntnisse über ihren Verbleib. Von Tina Friedrich und Jan Wiese, RBB Die Bundespolizisten trauten ihren Augen nicht, als sie spät abends im September 2023 kurz hinter der deutsch-polnischen Grenze einen Mercedes-Transporter mit schwedischem Kennzeichen stoppten: Am Steuer saß ein 15-jähriger syrischer Junge. Im Frachtraum nicht etwa Kisten oder Pakete, sondern 27 syrische und jemenitische Geflüchtete, die nach Deutschland geschleust werden sollten. Der syrische Junge war in Deutschland kein Unbekannter. Zwei Jahre lang lebte er als Geflüchteter in einer thüringischen Kinder- und Jugendeinrichtung. Mit 13 war er ohne Eltern oder andere Angehörige nach Deutschland gekommen. Solche unbegleiteten Minderjährigen werden nach ihrer Registrierung in einer Erstaufnahmestelle bundesweit verteilt und von den Jugendämtern in eine Unterkunft vermittelt. Dort sollen sich Betreuer um sie kümmern. Oft gelingt das, doch immer wieder geht etwas schief - und die Kinder und Jugendlichen verschwinden aus den Einrichtungen. Und damit verschwinden sie oft ganz vom Radar der Behörden, und das europaweit.   Große Defizite bei der Datenerhebung  51.433 minderjährige Geflüchtete werden aktuell in ganz Europa vermisst. Das ergibt eine exklusive Datenrecherche des europäischen Journalistennetzwerks "Lost in Europe", zu dem neben dem belgischen "De Standaard" und der niederländischen Tageszeitung "NRC", auch die italienische Nachrichtenagentur ANSA und rbb24 Recherche gehören. Noch vor drei Jahren lag diese Zahl bei etwa 18.300. Auch in Deutschland sind die Zahlen in diesem Zeitraum deutlich gestiegen, von 724 im Jahr 2021 auf heute 2.005. Dabei offenbart die Recherche erhebliche Defizite bei der Erhebung der Daten über verschwundene minderjährige Geflüchtete. Von den zuständigen Behörden in 31 europäischen Ländern haben lediglich 15 auf die Anfragen des Recherchenetzwerks geantwortet. Während einige Länder wie Italien und Österreich besonders drastische Zahlen melden, mit jeweils mehr als 20.000 verschwundenen Kindern und Jugendlichen, sammeln andere wie zum Beispiel Spanien oder Griechenland gar keine Informationen über unbegleitete Kinder und Jugendliche.   EU-Kommission spricht von "kaputtem" System  Europaweite Vorgaben für die Registrierung und den Informationsaustausch über das Schicksal minderjähriger unbegleiteter Geflüchteter gibt es bisher nicht. Die sehr hohen Zahlen vermisster junger Geflüchteter kann die zuständige EU-Kommissarin für Migration und Inneres, die Schwedin Ylva Johansson, deshalb nicht kommentieren. "Ich habe keine Kenntnis darüber, ob Ihre Zahlen stimmen. Ich kann sagen, dass wir ein kaputtes Migrationssystem in Europa haben", sagt sie im Exklusiv-Interview mit rbb24 Recherche. Wenn minderjährige Geflüchtete aus der Obhut der Behörden verschwinden, müssen sie als vermisst gemeldet werden. Manche tauchen nach einigen Tagen wieder auf, in einer anderen Stadt, einer anderen Kommune. In Deutschland gehen Fachleute davon aus, dass viele deshalb ihre Einrichtungen verlassen, weil sie mit der langen Verfahrensdauer unzufrieden sind, sich in anderen Ländern schnellere Hilfe erhoffen, oder eigentlich zu Verwandten oder Freunden in anderen europäischen Ländern wollten. Das BKA bestätigt diese Vermutung. Die europaweite Recherche ergibt: Auch in anderen Ländern lassen sich die Ursachen für das Verschwinden der Jugendlichen oft nicht genau feststellen. Ein Grund ist, dass der innereuropäische Datenaustausch oft nicht funktioniert. Deutsche Strukturen überlastet  In Deutschland seien außerdem die Strukturen derzeit sehr überlastet, sagt Helen Sundermeyer vom Bundesverband für unbegleitete minderjährige Geflüchtete (BumF). "Gerade am Beginn oder nach der Ankunft der jungen Menschen beobachten wir, dass das der Zeitpunkt ist, wo die meisten jungen Menschen als vermisst gemeldet werden." Denn in dieser Phase habe man die Betreuungsstandards gesenkt, um trotz Personalmangels die Versorgung sicherzustellen. Die Überlastung der Hilfsstrukturen ist gepaart mit lückenhaften Daten über den Verbleib der Kinder und Jugendlichen. Die Folgen können für die jungen Menschen gravierend sein, warnt Theresa Keil vom Deutschen Kinderhilfswerk. "Wenn Kinder als vermisst gelten, müssen wir davon ausgehen, dass sie besonderen Risiken ausgesetzt sind. Das kann sein, dass sie kriminellen Organisationen in die Hände fallen, dass sie ausgebeutet werden, sexuellen Missbrauch erfahren. Solche Fälle kennen wir."   So wie der 15-jährige Syrer, der im September in Sachsen von der Bundespolizei festgenommen wurde. Er soll einem Zeitungsbericht zufolge vor Gericht ausgesagt haben, dass ihn genau jener Schlepper angeworben habe, der ihn selbst zwei Jahre zuvor nach Deutschland gebracht hat. Dass so eine Anwerbung überhaupt gelingen kann, liegt laut Sundermeyer auch an der Perspektivlosigkeit, mit der viele jugendliche Geflüchtete in Deutschland konfrontiert sind. "Im Moment haben wir an ganz vielen Stellen eine schlechte Betreuung, und zu viele Nicht-Fachkräfte, die weder Zeit noch Ressourcen haben, diese Orientierung zu geben." Für Geldversprechen oder andere unseriöse Lockangebote können Jugendliche dann besonders empfänglich sein. Migrationspakt soll Registrierung erleichtern  Auch EU-Kommissarin Johansson sieht die Gefahr, dass "unbegleitete minderjährige Flüchtlinge Opfer von Menschenhändlern werden, wenn sich diese Minderjährigen bereits in der EU befinden".   Immerhin soll jetzt ein einheitliches Registrierungssystem für unbegleitete minderjährige Geflüchtete eingeführt werden. Das löst zwar nicht das Problem der aktuell vermissten Kinder. Doch die EU-Länder sollen nun bessere Voraussetzungen schaffen und die Vermittlung von Ansprechpersonen und Vormündern erleichtern. Doch von den geplanten Rechtsvorgaben ist erst ein kleiner Teil verabschiedet. Die finale Abstimmung ist im Mai. Danach müssen die Mitgliedsländer die neuen Vorgaben noch in nationales Recht überführen. "Ich habe von allen 27 Staaten die Zusage bekommen, dass sie das tun werden", sagt EU-Kommissarin Johansson. Notfalls bleibe noch die Möglichkeit, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen ein säumiges Land einzuleiten. Diese Verfahren dauern Jahre.
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2024-04-30
Gewalt, Sex und Alkohol
Reality-TV
Das Geschäft mit Reality-TV-Formaten floriert, doch hinter der schillernden Fassade offenbaren sich auch Schattenseiten. Wie Vollbild-Recherchen zeigen, soll es am Set eines RTL-Reality-Formats zu einem sexuellen Übergriff gekommen sein.
Das Geschäft mit Reality-TV-Formaten floriert, doch hinter der schillernden Fassade offenbaren sich auch Schattenseiten. Wie Vollbild-Recherchen zeigen, soll es am Set eines RTL-Reality-Formats zu einem sexuellen Übergriff gekommen sein. Von Sarah Lehnert und Nino Seidel, SWR Sie malen eine - zumindest optisch - perfekte Welt mit aufregenden Dates am Strand, viel nackter Haut und wilden Partys: Reality-Shows. Zwar gibt es Reality-TV bereits seit etwa 25 Jahren in Deutschland, aber gerade in jüngster Zeit boomt das Genre. In den vergangenen Jahren ist der Markt regelrecht explodiert. Immer mehr Formate sprießen aus dem Boden. Reality-Shows wie "Are You The One", "Temptation Island", "The 50", "Too hot to handle", "Sommerhaus der Stars" oder "Prominent getrennt" erzielen Reichweiten und Aufmerksamkeit bei jüngeren Zielgruppen. Inzwischen sind auch große Streaming-Anbieter wie Netflix und Amazon Prime ins Reality-Business eingestiegen. Die meisten Shows in Deutschland lässt der Kölner Privatsender RTL produzieren. Er bezeichnet sich selbst als "Home of Reality". "Wir lieben unsere Reality-TV-Formate", teilt RTL Deutschland auf Anfrage von Vollbild mit. Der Sender sei stolz auf Erfolgsmarken wie "Ich bin ein Star holt mich hier raus" oder "Der Bachelor" und fühle sich dem Genre verbunden. Das Repertoire sei in den vergangenen Jahren deutlich ausgebaut worden. "'Realitystar' zu werden ist mittlerweile ein Berufswunsch und viele Protagonist:innen haben ihre Social Media Karrieren in unseren Formaten gestartet", erklärt RTL Deutschland. Tatsächlich verdienen mittlerweile einige Teilnehmer der Sendungen nach Vollbild-Recherchen allein durch Reality-TV-Gagen und Instagram-Reichweite monatlich fünfstellige Summen. Schattenseiten der TV-Traumwelten Doch Vollbild-Recherchen enthüllen nun auch Schattenseiten der Branche. So zeigt eine Undercover-Recherche mit Lockvögeln, die an einem Casting für ein bekanntes Reality-Format teilgenommen haben, dass Caster bewusst auch nach Kandidatinnen und Kandidaten suchen, die für Krawall sorgen. Außerdem üben Reality-TV-Stars im Interview mit Vollbild Kritik. Insider auf Produktionsseite und auf Seite der Teilnehmenden schildern überraschende Eindrücke hinter den paradiesisch-traumhaften Bildern der Reality-Welt. Sie erzählen von exzessivem Alkoholkonsum und Schlafentzug bei Reality-TV-Shows, von Gewalt und Sex am Set, Manipulation und verzerrter Darstellung sowie vom bewussten Casting von Kandidatinnen und Kandidaten, die Krawall versprechen. Sexueller Übergriff? Nach Vollbild-Recherchen soll es während der Dreharbeiten eines bekannten RTL-Dating-Formats sogar zu einem sexuellen Übergriff gekommen sein. Teilnehmerin Nina (Name von der Redaktion geändert) erzählt Vollbild von einem Vorfall während einer Party am Set. Aus Gründen des Informantenschutzes werden weder ihr Name oder der Name des angeblichen Täters noch das Format genannt, weil dies Rückschlüsse auf die Betroffene erlauben könnte. Die Vollbild-Redaktion kennt die Namen. Nina schildert, sie sei mit einem Teilnehmer, dem späteren mutmaßlichen Täter, in ein Badezimmer gegangen. "Ich habe gedacht, wir wollen quatschen. Dann hat er mich umgedreht, mir mein Höschen runtergezogen und wollte mit mir Sex haben. Ich habe mehrfach 'Nein' gesagt, doch er hat es immer wieder versucht." Dann sei ein Mitarbeiter von der Produktion herbeigeeilt und habe die Situation aufgelöst. "Sie hatten auf der Tonspur gehört, dass ich 'Nein, Stopp' gesagt habe, weil wir und das Bad verkabelt waren", erzählt Nina. Produktionsfirma: Aufklärung des Vorfalls nicht möglich Vollbild sprach mit weiteren Teilnehmern des Formats sowie mit einem Mitarbeiter der Produktion. Eine andere Teilnehmerin schildert das weitere Geschehen: "Es war irgendwie sehr chaotisch, einfach weil niemand so richtig wusste, was passiert ist. Der Teilnehmer musste dann gehen, und die Teilnehmerin ist zurückgeblieben und war voll am Heulen, sie war aufgelöst." Konfrontiert mit den Vorwürfen lässt die zuständige Produktionsfirma über eine Anwaltskanzlei mitteilen: "Die Vorwürfe der von Ihnen zitierten Teilnehmerin gegenüber einem anderen Teilnehmer der Dreharbeiten können von unserer Mandantschaft weder bestätigt noch bestritten werden. (...) Die Teilnehmerin berichtete, dass der männliche Teilnehmer einmal versucht habe, ihr Höschen auszuziehen. Dem habe sich die Teilnehmerin erfolgreich widersetzt. Der Teilnehmer bestritt den Vorwurf." Da sich die Situation im Off-Cam-Bereich ereignet habe und es sich um eine Aussage-gegen-Aussage-Situation handele, sei eine abschließende Aufklärung des Sachverhalts nicht abschließend möglich. Die Party wurde dann laut Teilnehmern und Produktionsfirma aufgelöst. Der Teilnehmer habe das Set verlassen müssen. "Anlässlich der Auflösung der Party wurde die Teilnehmerin nochmal zu dem von ihr erhobenen Vorwurf befragt. Die Teilnehmerin wiederholte ihren Vorwurf nicht, rückte vielmehr von ihm ab", schreibt die Anwaltskanzlei der Produktionsfirma. Teilnehmerin kritisiert Umgang mit Vorfall Teilnehmerin Nina kritisiert, ihr sei in dem Moment nach dem Vorfall von Seiten der Produktionsfirma zu wenig Einfühlungsvermögen und Verständnis entgegengebracht worden. Sie behauptet darüber hinaus, dass man ihr gesagt habe, sie solle die Geschichte "nur nicht nach draußen tragen". Ihr sei es nicht gut gegangen. Die Produktionsfirma lässt mitteilen, am nächsten Tag sei mit der Teilnehmerin nochmals ein Gespräch geführt worden, man habe ihr psychologische Hilfe angeboten. Auch dort habe sie den Vorwurf nicht wiederholt. Von einem sexuellen Übergriff sei nicht die Rede gewesen. "Falsch ist (…) die Behauptung, unsere Mandantschaft habe der Teilnehmerin geraten, nicht weiter über diesen Vorfall zu sprechen." Die besagte Partynacht wird in dem Format über mehrere Minuten hinweg dargestellt, der Vorfall hingegen wird in der betreffenden Folge nicht erwähnt. Laut Produktionsfirma wurde er deshalb nicht erzählt, "weil er sich (...) im sogenannten Off-Cam-Bereich abspielte, weshalb keinerlei Aufnahmen existieren." Der Sender RTL, der das Format produzieren ließ und ausstrahlte, äußerte sich auf Anfrage bis Redaktionsschluss nicht zu den Vorwürfen und Geschehnissen des Abends. Insider berichtet von Gewalt, Sex und Manipulation Die Vollbild-Recherchen zeigen zudem fragwürdige Produktionsbedingungen am Set von Reality-Shows. So berichtet ein ehemaliger Realisator von Reality-TV-Formaten, der namentlich nicht genannt werden möchte, von manipulativen Strategien und fragwürdigen Methoden im Umgang mit Kandidatinnen und Kandidaten. Teilnehmer von Reality-Shows, an deren Produktion der Insider am Set und hinter Kamera beteiligt war, seien in Interviews und Gesprächen manipuliert, aufeinander aufgehetzt und gezielt gereizt worden. "Ich nehme dann zum Beispiel in Kauf, dass da jemandem die Hand ausrutscht, weil man einfach gesagt hat, na ja, es passiert dann zumindest was. Wie auf dem Schulhof der kleine Bully, der dasteht und einen Heidenspaß daran hat, dass sich zwei Leute kloppen", erzählt der ehemalige Realisator. Man entziehe den Teilnehmern beispielsweise Essen, Luxusartikel oder eine Dusche oder man beschalle sie nachts mit Schlagermusik. "Wenn sie gereizter sind oder wenn sie dünnhäutig sind, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass sie gleich ausflippen", sagt der Insider. Er beschreibt zudem, dass die Produzenten gezielt Inhalte beeinflussten: "Möchte ich jetzt möglichst viel Sex in der Sendung haben oder möchte ich Gewalt in der Sendung haben? Möchte ich viel Romantik in der Sendung haben? Danach wählst du ja deine Kandidaten, die du mitnimmst." Auch wenn er persönlich keine Grenzen überschritten habe, sei es vorgekommen, dass er auch mal versucht habe, "eine Person zu brechen", um "Emotionen von dieser Person zu bekommen" oder ihr "die Maske, die sie sich selbst aufgesetzt hat, herunterzureißen". Aufmerksamkeit durch "Skandalmarketing" Produktionsfirmen suchen Vollbild-Recherchen zufolge auch gezielt nach Teilnehmern, die vor laufender Kamera ausrasten oder Streit provozieren. Als eine solche Teilnehmerin gilt etwa Walentina Doronina, einem größeren Publikum bekannt aus mehr als 14 Reality-Shows. Sie sagt selbst über sich, die Sender wüssten, dass mit ihr die Einschaltquote steige. Sie bringe "Stimmung" in eine Show und nehme Kritik an ihrem polarisierenden Verhalten bewusst in Kauf: "Jeder, der über mich redet, soll weitermachen. Die sollen weitermachen, die sollen jedes Mal kotzen, wenn sie mich sehen", so Walentina Doronina. Wenn über sie geredet werde, bleibe sie interessant. Solch ein Verhalten bezeichnet Christian Schicha als "Skandalmarketing". Er ist Professor für Medienethik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. "Skandalmarketing ist ja im Grunde genommen eine klassische Kategorie, dass ich versuche, über Polemik, Provokationen, spezifische Auftritte bis hin zu Symbolen Aufmerksamkeit zu generieren. Skandalmarketing in Bezug auf die Kandidaten sieht dann so aus, dass jemand dann komplett ausrastet, Leute beschimpft, droht, aggressiv wird." Eine der von den Vorwürfen betroffenen Produktionsfirmen lässt über eine Anwaltskanzlei mitteilen, dass sie alle Vorwürfe zurückweise. Andere betroffene Produktionsfirmen wollten sich gar nicht zu ihren Formaten äußern und verweisen auf ein allgemeines Statement von RTL. Der Sender teilte Vollbild mit: "Alle Produktionshäuser arbeiten mit strengen Compliance Richtlinien, deren Einhaltung sie sich uns gegenüber verpflichten." Ex-Teilnehmerin kritisiert exzessivem Alkoholkonsum Eine ehemalige Teilnehmerin eines populären Reality-TV-Formats berichtet Vollbild von exzessivem Alkoholkonsum am Set: "Ich würde sagen, dass sie uns ausgenutzt haben in dem Sinne: Wenn wir unsere Hemmungen verloren haben, wenn wir genug Alkohol getrunken haben, dann wurde noch mehr Alkohol gebracht." Die damals 18-Jährige erzählt, es habe sich vor allem um hochprozentige Getränke wie Schnaps gehandelt. Die Produktion habe zudem versucht, die Teilnehmerin bewusst in Richtung der Männer zu "schieben", wie sie sagt. Soll übermäßiger Alkoholkonsum die Teilnehmer dazu verleiten, Verwertbares für die Kamera zu produzieren? "Es ist verrückt, wie viel Alkohol da getrunken wurde und wie krass diese Hemmungen gefallen sind", erzählt die ehemalige Teilnehmerin. "Das Problem ist natürlich, dass Menschen mit Alkohol ganz unterschiedlich reagieren. Manche werden müde, manche werden aggressiv, manche werden redselig", sagt Christian Schicha. Für den Medienethiker liegt es auf der Hand, dass dies ein Stück weit eingepreist und kalkuliert ist. "Da würde ich mir von Produktionsseite wünschen, dass hier sensibel und zurückhaltend mit solchen Sachen umgegangen wird." Die verantwortliche Produktionsfirma äußerte sich auf Vollbild-Anfrage nicht. Befragt zum generellen Umgang mit Alkohol bei Reality-Formaten erklärte der Sender RTL ganz allgemein, für die Produktionsfirmen und RTL stehe die "physische und psychische Gesundheit" der Kandidaten an oberster Stelle. "Auf Vorfälle während und nach den Dreharbeiten reagieren wir individuell, der jeweiligen Lage entsprechend und mit der nötigen Feinfühligkeit für die Situation."
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2024-04-30
Kampf gegen Scheinväter
Gesetzentwurf gegen Sozialbetrug
Nach einem Gesetzentwurf aus Bundesjustizministerium und Bundesinnenministerium soll die Anerkennung von Vaterschaften künftig nicht mehr so einfach möglich sein. Hintergrund sind massive Missbrauchsfälle. Von Iris Sayram.
Nach einem Gesetzentwurf aus Bundesjustizministerium und Bundesinnenministerium soll die Anerkennung von Vaterschaften künftig nicht mehr so einfach möglich sein. Hintergrund sind massive Missbrauchsfälle. Von Iris Sayram Die rechtlichen Folgen sind weitreichend, wenn die Vaterschaft für ein ausländisches Kind offiziell anerkannt wird. Diese Kinder erwerben nicht nur die deutsche Staatsangehörigkeit des Vaters, auch ihre Familienangehörigen - wie die Mutter und weitere Geschwister erhalten dadurch ein Aufenthaltsrecht und den Anspruch auf Sozialleistungen. Die Anerkennung der Vaterschaft kann im Nachhinein rechtlich nur selten angefochten werden - selbst dann nicht, wenn die Anerkennung klar missbräuchlich erfolgt ist und der Vater weder eine genetische noch soziale Bindung zu dem Kind hat. Schärfere Regeln geplant Das rbb-Magazin Kontraste berichtete im Februar über den Fall eines Mannes, der 24 Kinder anerkannt hatte. Mit diesen Kindern erhielten mehr als 90 weitere Personen eine Aufenthalt in Deutschland. Sie bezogen Bürgergeld, Kindergeld und Kinderzuschläge, sodass allein bei diesen Anerkennungen Kosten in Höhe von 1,5 Millionen Euro pro Jahr verursacht wurden. Diese Art systematischen Missbrauchs sind keine Einzelfälle. Im Zeitraum Januar 2018 bis Dezember 2021 sind den Ausländerbehörden etwa 1.800 mögliche Scheinvaterschaften aufgefallen, in 290 Fällen wurde eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung festgestellt. Die Dunkelziffer sei allerdings weit größer. Dem ARD-Hauptstadtstudio liegt ein Gesetzentwurf des Justizministeriums und Innenministeriums vor, der die Regeln für die Anerkennung nun verschärfen soll. Und zwar bevor die Vaterschaft beurkundet wird - also präventiv. Ausländerbehörden sollen prüfen Bislang beurkunden etwa Notare und Jugendämter eine Vaterschaft. Das Standesamt trägt diese dann in der Regel ohne eine weitere Prüfung ins Geburtenregister ein. Die Ausländerbehörden werden dabei nicht zwingend eingeschaltet. Das soll sich künftig ändern. Wenn die Mutter des Kindes, das anerkannt werden soll, nur ein schwaches oder gar kein Aufenthaltsrecht hat, darf das Standesamt die Eintragung nur vornehmen, wenn vorher eine Zustimmung der Ausländerbehörde eingeholt wird. Die Zustimmung kann beispielsweise versagt werden, wenn der Verdacht eines Missbrauchs besteht - etwa, wenn die Mutter des Kindes kurz vor einer Abschiebung steht oder sie so gut wie keine nachweisbaren Beziehungen zu dem Vater hat oder sie sich nicht verständigen können. Bundesjustizminister Marco Buschmann sagt: "Ich bin zuversichtlich, dass wir jetzt eine Lösung gefunden haben: eine Regelung, die verfassungsfest und zugleich effektiv ist." Entwurf noch in Abstimmung Bundesinnenministerin Nancy Faeser ergänzt, dass "Scheinvaterschaften immer zulasten auch der betroffenen Kinder gehen". Hierfür gebe es keine Toleranz. "Gleichzeitig stellen wir sicher, dass das Verfahren bei leiblichen und sozialen Vaterschaften nicht unnötig verzögert wird", so die SPD-Politikerin. Der Entwurf muss jetzt noch innerhalb der Bundesregierung abgestimmt werden. Noch vor der Sommerpause soll ein abgestimmter Entwurf vorliegen.
/inland/innenpolitik/anerkennung-vaterschaft-gesetz-100.html
2024-04-30
Auch ver.di und Grüne wollen 15 Euro Mindestlohn
Verweis auf EU-Richtlinie
Ver.di-Chef und die Grünen im Bundestag haben sich dem Ruf nach einem gesetzlichen Mindestlohn von 15 Euro angeschlossen. Sie verwiesen dabei auf eine neue EU-Richtlinie.
Ver.di-Chef und die Grünen im Bundestag haben sich dem Ruf nach einem gesetzlichen Mindestlohn von 15 Euro angeschlossen. Sie verwiesen dabei auf eine neue EU-Richtlinie. Die Gewerkschaft ver.di und die Grünen im Bundestag haben sich unter Verweis auf eine EU-Richtlinie für eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro pro Stunde ausgesprochen. Ver.di-Chef Frank Werneke sagte den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland, er empfehle "jeder Partei, die von breiten Teilen der Bevölkerung gewählt werden will, im Bundestagswahlkampf deutlich zu machen, dass sie für 15 Euro die Stunde eintritt". Einer EU-Richtlinie zufolge solle der Mindestlohn bei 60 Prozent des Median-Einkommens liegen - aktuell bei etwas mehr als 14 Euro. "Da die durchschnittlichen Löhne weiter steigen werden, braucht es 2026 einen Mindestlohn von 15 Euro die Stunde", sagte Werneke weiter. Kommission: Mindestlohn soll auf 12,82 Euro steigen Die Kommission zur Festsetzung des Mindestlohns hatte beschlossen, dass der Mindestlohn im Januar 2025 von derzeit 12,41 Euro auf 12,82 Euro steigen soll. Auch die Grünen sprachen sich für einen höheren Mindestlohn aus. "Wir wollen einen Mindestlohn, von dem Menschen, die Vollzeit arbeiten, auch leben können", sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge den RND-Zeitungen. Die Grünen wollten "für eine echte Lohn-Untergrenze" eintreten. "Wir schlagen vor, dass die Untergrenze für den Mindestlohn wie von der EU vorgeschlagen bei 60 Prozent des Medianlohns liegt. Das hieße für 2024 über 14 Euro Mindestlohn, 2025 wären es knapp 15 Euro." Zuvor hatte es bereits von SPD und Linkspartei Forderungen nach einem höheren Mindestlohn gegeben. Millionen Beschäftigte mit Niedriglöhnen Laut dem Statistischen Bundesamt ist der Niedriglohnsektor binnen zehn Jahren deutlich geschrumpft - doch bekommen immer noch 6,4 Millionen Beschäftigte in Deutschland weniger als 13 Euro pro Stunde, davon eine Million in Ostdeutschland. Das geht aus einer Anfrage der Linken-Bundestagsgruppe hervor. Linkspartei-Chef Martin Schirdewan erneuerte am Montag ebenfalls die Forderung, den Mindestlohn von derzeit 12,41 Euro auf 15 Euro zu erhöhen.
/inland/verdi-gruene-mindestlohn-100.html
2024-04-30
"Jetzt kann man nicht einfach abhauen"
Debatte über Auslandsukrainer
Wer ist geflohen? Wer hat gekämpft? Darüber diskutiert die Ukraine emotional. Für geflüchtete Männer im wehrfähigen Alter gibt es vorübergehend keine konsularische Dienstleistungen mehr - das sorgt für Aufruhr. Von R. Barth.
Wer ist geflohen? Wer hat gekämpft? Darüber diskutiert die Ukraine emotional. Für geflüchtete Männer im wehrfähigen Alter gibt es vorübergehend keine konsularische Dienstleistungen mehr - das sorgt für Aufruhr. Von Rebecca Barth Es ist eine wütende Menschenmenge, die sich vor einer ukrainischen Passbehörde in Warschau versammelt hat. Konsularische Dienstleistungen sind aktuell ausgesetzt - Ukrainer im Ausland können beispielsweise keinen Reisepass mehr beantragen. Der Druck auf die Männer steigt - auch wenn sie sich bereits nicht mehr im Land aufhalten. So will es der ukrainische Außenminister. Dmytro Kuleba spricht von Fairness. Ein Auslandsaufenthalt entbinde nicht von der Verpflichtung gegenüber der Heimat. Der ukrainische Lastwagenfahrer Maksym hat dafür in der polnischen Hauptstadt kein Verständnis: "Das ist ein Kampf gegen Menschen, die vor der Armee fliehen. Aber wir wurden nicht gefragt, warum wir ins Ausland gegangen sind. Ich bin legal hier. Das Mobilisierungsgesetz ist noch nicht in Kraft getreten, aber hier wird es bereits angewendet." "Die Einheiten sind deutlich unterbesetzt" Nach monatelangem Ringen hat das ukrainische Parlament im April ein neues Mobilisierungsgesetz auf den Weg gebracht. Damit sollen mehr Männer eingezogen werden können. Denn in der Ukraine melden sich nur noch wenige Männer freiwillig für den Armeedienst. Im Gegenteil: Viele Männer verstecken sich oder verlassen das Land. 650.000 Männer im wehrfähigen Alter sollen sich nach Berichten des österreichischen "Express" in der Europäischen Union aufhalten. Neben sehr viel Munition fehlt es der ukrainischen Armee also auch an Personal, sagte der Soldat Ihor Firsow ukrainischen Medien. "Man muss die Dinge so sagen, wie sie sind", so Firsow. "Die Personalsituation ist schwierig. Die Einheiten sind deutlich unterbesetzt. Das ist wahrscheinlich kein Geheimnis, aber das Hauptproblem liegt nicht bei der Technik oder der Munition - sondern beim Personal. Alles, was fährt, schießt und fliegt wird letztendlich von Menschen bedient." Männer sollen Meldedaten erneuern Die Einberufung ins Militär wird von vielen als ineffektiv kritisiert. Oft fehlen den Behörden schlichtweg Daten. Denn viele Menschen wohnen nicht an der Adresse, wo sie gemeldet sind. Mit dem neuen Gesetz sind Männer nun aufgefordert, ihre Meldedaten zu erneuern. Und das solle eben auch im Ausland gelten, argumentiert Roman Kostenko von der oppositionellen Golos-Partei. "Auch Wehrpflichtige im Ausland müssen ihre Daten erneuern. Und der Staat sollte alles dafür tun, dass diese Menschen zurückkommen. Es sollte keine zwei Klassen geben - diejenigen, die kämpfen und diejenigen, die Wehrpflichtig sind aber Mittel und Wege suchen, um im Ausland zu bleiben." Ruf nach "Gerechtigkeit" Kostenko hat selbst gekämpft, ist gut im Militär vernetzt und kennt die Probleme der Soldaten. Für viele an der Front geht es in der Debatte vor allem um Gerechtigkeit. Viele Soldaten sind seit fast zwei Jahren ohne Pausen im Einsatz. Es gibt kaum Chancen, die Armee zu verlassen - auch wegen des Personalmangels. Für den Abgeordneten Kostenko aber hat der Vorstoß des Außenministerium auch eine ganz praktische Seite: "Dann wissen wir zumindest, womit wir rechnen können, mit wie viele Leuten. Wenn wir nicht wissen, wie viel Personal uns zur Verfügung steht, dann können wir nicht planen. Und ob wir angreifen, verteidigen oder verhandeln - das hängt alles von der Planung ab." Immer wieder Wehrfähige mit Gewalt festgenommen Weil die Meldeadressen oft veraltet sind, greifen die Einberufungsbehörden in vielen Fällen zu brutalen Methoden. Etliche Videos kursieren im Internet, die Männer in Uniform zeigen, wie sie Wehrfähige mit Gewalt festnehmen. An Bushaltestellen, auf dem Weg zur Arbeit oder in Fitnessstudios. Besonnener gehen da die Männer in Kiew vor, die eine Reportage der Journalisten von "Slidstvo Info" zeigt. Sie gehen von Tür zu Tür - aber treffen in den Wohnungen nur selten Männer an. Oft öffnen Frauen - und geben keine Auskunft darüber, wo sich ihr Mann oder Sohn gerade aufhält. Zu groß ist die Angst vor der Front. Die Wut wächst Vom Balkon aus werden sie von einer Anwohnerin beschimpft. Wütend stürmt die Frau auf die Uniformierten zu. Es ist kein Einzelfall. Die Männer waren selbst im Einsatz - und sind an der Front verletzt worden. Bei ihrer Arbeit für die Einberufungsbehörde bekämen sie oft die Wut der Zivilbevölkerung zu spüren. So würden sie gefragt, warum sie nicht kämpften, sondern nach anderen Männern suchten "Die Menschen sagen sehr verletzende Dinge, ohne uns zu kennen", erzählt einer der Männer. Die drei Mitarbeiter der Einberufungsbehörde zeigen der Anwohnerin ihre Kriegsverletzungen - beruhigen aber will sich die Frau nicht. Drei Männer in ihrer Familie seien bereits eingezogen worden, sagt sie. Männer hätten keine Angst vor der Behörde, erwidert einer der Uniformierten. Denn wer weglaufe, sei schließlich kein Mann. "Jetzt muss man für sein Land kämpfen" So denken viele Menschen in der Ukraine. Auch Lilia. Die junge Frau aus Butscha hat sich erst vor kurzem selbst der Armee angeschlossen. Ihr Freund ist im Krieg schwer verletzt und ihr Bruder getötet worden. "Ich bin zurückgekommen", erzählt sie. "Als der Krieg begann, war ich im Ausland. Ich hätte bleiben können, mir dort ein Leben aufbauen können. Ich hatte eine Wohnung, einen guten Job. Ich habe alles zurückgelassen und bin in die Ukraine zurückgekehrt. Wir werden jetzt hier gebraucht. Jetzt muss man für sein Land kämpfen und nicht einfach abhauen." Wie viele Freunde und Bekannte Lilia schon im Krieg verloren hat, weiß sie selbst nicht genau. Sie habe aufgehört zu zählen, sagt sie. Fast all ihr Geld spendet sie an die Armee. Sie kann sich kaum den Treibstoff für ihr Auto leisten. Für diejenigen, die das Land verlassen haben, hat Lilia kein Verständnis. "Sie sollen nicht zurückkommen. Ich glaube ganz fest an den Sieg. Ich will mir gar nichts anderes vorstellen. Diejenigen, die erst nach dem Sieg zurückkehren, brauchen wir nicht. Wenn sie jetzt nicht an das Land glauben, dann brauchen wir sie auch nicht." Populismus oder Streben nach Gerechtigkeit? Aber so einfach ist es nicht. Gerade aus einer wirtschaftlichen Perspektive sei die Ukraine nach dem Krieg auf die vielen Geflüchteten angewiesen, argumentieren viele. Experten halten den Vorstoß des Außenministeriums daher für Populismus, der an den realen Problemen nichts ändern würde. So sieht es auch die oppositionelle Abgeordnete Iwanna Klympusch-Zynzadse. "Das Gesetz gibt uns nicht die Möglichkeit, unsere Bürger in die Armee einzuziehen", sagt sie. "Dieser Schritt, noch dazu ein illegaler, wird schädliche Auswirkungen haben. Viele Ukrainer werden nach legalen und illegalen Wegen suchen, um Aufenthaltsgenehmigungen oder die Staatsbürgerschaft in anderen Ländern zu erhalten. Es kann nicht in unserem Interesse sein, die demografische Krise, die auf uns zukommt, noch zu verschärfen." Menschenrechtler warnen vor Spaltung Viele Ukrainer im Ausland sind immer weniger bereit, in die Ukraine zurückzukehren. Viele Kritiker sehen es ähnlich. Die ukrainische Führung würde zur weiteren Spaltung der Gesellschaft beitragen, sagen Menschenrechtler. Und sie würde Menschen im Ausland wegstoßen, die sich eigentlich mit der Ukraine identifizierten. Einer von ihnen ist Dima, der mittlerweile in Deutschland lebt. In der Ukraine könnte Dima eingezogen werden. "Wer zurückkehren möchte, würde das auch tun. Aber es gibt nichts Wertvolleres als das Leben," sagt er. "Häuser, Wohnungen, Autos, Business - all das kann man zurücklassen, um nicht zu sterben. Wir haben unsere Wahl bereits getroffen. Man kann darüber streiten, ob das richtig ist oder nicht. Aber das eigene Leben ist wertvoller als alles andere. Man kann alles wiederbekommen, außer das Leben." Die Soldaten an der Front sind nach zwei Jahren Krieg erschöpft und benötigen Entlastung. Doch kaum jemand will in einem festgefahrenen Stellungskrieg ohne ausreichend Munition kämpfen. Die ukrainische Gesellschaft muss eine schmerzhafte Debatte führen.
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2024-04-29
++ Tausende demonstrieren in Israel für Geisel-Abkommen ++
Nahost-Krieg
Tausende haben in Tel Aviv erneut für eine Verhandlungslösung zur Freilassung der Geiseln demonstriert. Wegen Sicherheitsbedenken pausiert Lufthansa weiterhin ihre Flüge nach Teheran. Alle Entwicklungen im Liveblog zum Nachlesen.
Tausende haben in Tel Aviv erneut für eine Verhandlungslösung zur Freilassung der Geiseln demonstriert. Wegen Sicherheitsbedenken pausiert Lufthansa weiterhin ihre Flüge nach Teheran. Alle Entwicklungen im Liveblog zum Nachlesen. Lufthansa pausiert Flüge nach TeheranBlinken fordert Israel auf, mehr Hilfslieferungen zuzulassenUSA fangen Drohnen über dem Roten Meer abMindestens 13 Tote bei israelischem Luftangriff auf Rafah Ende des Liveblogs Damit schließen wir diesen Liveblog. Vielen Dank für Ihr Interesse. Verhandlungen zwischen Hamas und Israel über Feuerpause ARD-Korrespondent Christian Limpert in Tel Aviv berichtet über den aktuellen Stand der Dinge. UN: Mehr Hilfe erreicht Gazastreifen Die Zahl der Hilfstransporte in den Gazastreifen hat nach Angaben der Vereinten Nationen zugenommen. UN-Sprecher Stephane Dujarric sagte, am Freitag hätten 206 Lastwagen mit Hilfslieferungen das Küstengebiet erreicht, am Samstag seien es 262 gewesen. Dujarric wiederholte jedoch den Standpunkt des Chefs des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA), Philippe Lazzarini, dass das Zählen der Lastwagen "nicht das beste Maß" sei, um zu beurteilen, ob Lieferungen auch bei der notleidenden Bevölkerung ankämen. Das liege daran, dass "die Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind, nachdem Lastwagen in den Gazastreifen eingefahren sind, bestehen bleiben". Tausende demonstrieren in Israel für Geisel-Abkommen Mehrere Tausend Menschen haben am Montagabend in Tel Aviv für eine Verhandlungslösung zur Freilassung der israelischen Geiseln in der Gewalt der Terrororganisation Hamas demonstriert. "Rafah kann warten - sie nicht", stand israelischen Medienberichten zufolge auf einem Banner der Kundgebung. Auch Angehörige von Geiseln sprachen auf der Demonstration und appellierten an die israelische Regierung, eine Waffenruhe zu erreichen und die Geiseln zurückzubringen. "Wir sind Eltern, die ihre Kinder zurück zu Hause haben wollen", sagte der Vater eines verschleppten Soldaten. Wenn Ministerpräsident Benjamin Netanyahu die Geiseln nicht zurückbringe, habe er ihr Blut an den Händen.  Verhandlungen über Protestcamp an New Yorker Uni gescheitert An der Columbia University in New York sind die Verhandlungen zwischen der Hochschulleitung und pro-palästinensischen Demonstranten geplatzt. Leider sei es nicht möglich gewesen, "eine Einigung zu erreichen", teilte die Präsidentin der Eliteuniversität, Minouche Shafik, mit. Sie appellierte an die Demonstranten, ihr Protestcamp auf dem Campus freiwillig zu räumen. Den Protestierenden war eine Frist bis heute 14 Uhr (Ortszeit, 20 Uhr MESZ) gesetzt, das Lager zu räumen, ansonsten drohten ihnen disziplinarische Maßnahmen. Es würden auch "alternative interne Optionen geprüft, um diese Krise so bald wie möglich zu beenden", fügte Shafik hinzu, ohne dies konkreter zu benennen.  Lufthansa pausiert weiterhin Flüge nach Teheran Die Lufthansa wird die Streichung von Flügen in die iranische Hauptstadt Teheran aufgrund von Sicherheitsbedenken bis zum 9. Mai verlängern. Das bestätigte die deutsche Fluggesellschaft gegenüber tagesschau.de. Blinken: Hamas muss "schnell" über Vorschlag entscheiden US-Außenminister Antony Blinken hat sich "hoffnungsvoll" gezeigt, dass die islamistische Terrororganisation Hamas einem Vorschlag über eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung von Geiseln zustimmen wird. "Der Hamas liegt ein Vorschlag vor, der von israelischer Seite außerordentlich großzügig ist", sagte Blinken beim Sondertreffen des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad. "Sie müssen sich entscheiden - und sie müssen sich schnell entscheiden", mahnte der Außenminister. Blinken rief die Golfstaaten in Riad außerdem zu einer engeren Verflechtung ihrer Verteidigung als Antwort auf den iranischen Angriff auf Israel auf. "Dieser Angriff verdeutlicht die akute und wachsende Bedrohung durch den Iran, aber auch die Notwendigkeit, dass wir bei der integrierten Verteidigung zusammenarbeiten", sagte Blinken bei einem Ministertreffen des Golf-Kooperationsrates. Die USA würden in den kommenden Wochen Gespräche mit den sechs Staaten über die Integration von Luft- und Raketenabwehr und die Verbesserung der maritimen Sicherheit führen, fuhr Blinken fort. Die USA unterhalten bereits enge Beziehungen zu den Golfstaaten - untereinander aber haben die Länder Höhen und Tiefen in ihren Beziehungen erlebt. Schiff im Roten Meer mit Raketen beschossen Im Roten Meer ist erneut ein Containerschiff beschossen worden. Der Frachter unter maltesischer Flagge sei auf dem Weg von Dschibuti nach Dschidda gewesen und mit drei Raketen angegriffen worden, teilte die private Sicherheitsfirma Ambrey mit. Der Schiffsbetreiber tätige Handelsgeschäfte mit Israel. Die Seehandelsaufsicht der britischen Marine bestätigte einen Angriff vor der jemenitischen Stadt Mokka. Sie mahnte Schiffe in der Gegend zur Vorsicht. Blinken: Israel soll mehr Hilfslieferungen ermöglichen US-Außenminister Antony Blinken hat Israel aufgefordert, mehr Hilfslieferungen für den Gazastreifen zu ermöglichen. Der beste Weg zur Linderung des Leidens sei zwar eine Vereinbarung über eine Waffenruhe, die die Freilassung der Geiseln der Hamas ermögliche, sagte Blinken vor den Außenministern des Golfkooperationsrates in Riad. Bis dahin sei es aber entscheidend, die Lage der Menschen zu verbessern. Blinken lobte die Öffnung neuer Grenzübergänge, die Zunahme der Hilfslieferungen nach Gaza und innerhalb des Gazastreifens sowie die Errichtung eines Seekorridors. Das sei aber "noch nicht ausreichend". Zudem müsse für mehr Effizienz und Sicherheit bei der Verteilung der Hilfsgüter gesorgt werden. Ägyptens Ministerpräsident: "Kollektive Bestrafung" in Gaza Ägyptens Ministerpräsident Mustafa Madbuli hat den Krieg im Gazastreifen als "kollektive Bestrafung" für alle dort lebenden Palästinenser bezeichnet. Nicht die islamistische Hamas würde für den Terrorangriff auf Israel vom 7. Oktober bestraft, sagte Madbuli bei einer Konferenz des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Riad. Stattdessen müssten nun "alle Palästinenser im Gazastreifen" dafür bezahlen. Die Reaktion Israels auf die Massaker vom 7. Oktober sei "unglaublich". Mehr als 80 Prozent der Gesundheitseinrichtungen in Gaza seien zerstört, so Madbuli. Selbst bei einer Waffenruhe im Krieg würde es Jahrzehnte dauern, um das Gebiet in den Zustand von vor dem 7. Oktober zu versetzen. Hamas: Erneut Tote bei Beschuss von Rafah Bei israelischen Angriffen in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens sind nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde am Morgen erneut Palästinenser getötet worden. Es handele sich um sieben Mitglieder einer Familie. Bereits in der Nacht sollen mindestens 20 Menschen in Wohnhäusern in der Stadt an der Grenze zu Ägypten bei verschiedenen Angriffen ums Leben gekommen sein. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Ein israelischer Armeesprecher sagte, ohne genaue Koordinaten der Vorfälle könne er sich nicht dazu äußern. Israel hat eine Offensive in der Stadt Rafah angekündigt, um dort die verbliebenen Bataillone der islamistischen Terrororganisation Hamas zu zerschlagen. Kassam-Brigaden beschießen israelischen Armeeposten Die Hamas hat nach eigener Darstellung vom Südlibanon aus einen israelischen Armeeposten angegriffen. Der militärische Flügel der islamistischen Terrororganisation, die Kassam-Brigaden, teilte mit, der Beschuss des Armeekommandos in Nordisrael am Morgen sei eine Vergeltung für im Gazastreifen begangene Massaker. Hamas-Vertreter offenbar in Kairo eingetroffen In den erneuten Verhandlungen über eine mögliche Feuerpause im Nahost-Krieg und die Freilassung weiterer Geiseln ist eine Delegation der islamistischen Terrororganisation Hamas offenbar in Kairo eingetroffen. Das erfuhr die Nachrichtenagentur dpa aus Kreisen des Flughafens. Die drei Hamas-Vertreter seien aus Katar angereist, um über den jüngsten Vorschlag für eine Waffenruhe und einen Austausch von Geiseln gegen palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen zu verhandeln. Die israelische Nachrichtenseite ynet berichtete derweil, der jüngste Vorschlag sehe die Freilassung von 33 Geiseln im Gegenzug für mehrere Hundert palästinensische Häftlinge vor. Unter Berufung auf einen ranghohen israelischen Regierungsvertreter berichtete ynet, die Länge der Feuerpause hänge von der Zahl der freigelassenen Geiseln ab. Die Hamas fordere die Freilassung von 50 Häftlingen für jeden Soldaten und 30 Häftlinge für jeden Zivilisten. Hamas: Zahl der Toten nach Angriff auf Rafah steigt auf 22 Die Zahl der bei den jüngsten israelischen Luftangriffen auf die Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens getöteten Menschen soll sich laut Angaben der Terrororganisation Hamas auf 22 erhöht haben. Die Angriffe sollen nach palästinensischen Angaben drei Wohnhäuser getroffen haben. Französischer Außenminister: "Die Dinge kommen voran" Die Gespräche über einen Waffenstillstand im Gazastreifen machten Fortschritte, sagte der französische Außenminister Stéphane Séjourné gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Heute soll Séjourné in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad mit anderen Ministern arabischer und westlicher Länder sowie dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, zusammentreffen. "Die Dinge kommen voran, aber man muss bei diesen Gesprächen und Verhandlungen immer vorsichtig sein", sagte der Minister. "Die Lage im Gazastreifen ist katastrophal, und wir brauchen einen Waffenstillstand." Hamas bewertet jüngsten Vorschlag zu Waffenruhe positiv Unmittelbar vor der Ankunft einer Delegation der Hamas in Ägypten hat sich ein ranghoher Vertreter der islamistischen Terrororganisation zu dem jüngsten Vorschlag Israels für ein Abkommen geäußert. Es seien "keine größeren Probleme" bezüglich des Textes festgestellt worden, sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Die Hamas will heute bei einem Treffen mit Mitarbeitern des ägyptischen Geheimdienstes ihre Antwort auf den Vorschlag für eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung von Geiseln übermitteln. "Die Atmosphäre ist positiv, es sei denn, es gibt neue israelische Hindernisse", sagte der Hamas-Vertreter weiter. Die in Ägypten erwartete Delegation wird demnach von der Nummer zwei des politischen Arms der Hamas im Gazastreifen, Chalil al-Hayya, angeführt. USA fangen Drohnen über dem Roten Meer ab Das US-Militär hat eigenen Angaben zufolge fünf Drohnen über dem Roten Meer abgefangen. Diese hätten "eine unmittelbare Bedrohung für US-, Koalitions- und Handelsschiffe in der Region dargestellt", teilt das US-Regionalkommando für den Nahen Osten mit. Hamas soll sich zu Vorschlag für Waffenruhe äußern Eine Delegation der Terrororganisation Hamas wird heute in Kairo erwartet um über einen neuen Vorschlag für eine Feuerpause zu beraten. Er sieht nach Medienberichten eine Waffenruhe durch die israelische Armee vor. Im Gegenzug soll eine unbekannte Anzahl an Geiseln freikommen und eine große Zahl an palästinensischen Häftlingen aus israelischen Gefängnissen entlassen werden. Mindestens 13 Tote bei israelischem Luftangriff auf Rafah Bei israelischen Luftangriffen auf drei Häuser in Rafah sind nach Angaben von Ärzten und Sanitätern 13 Menschen getötet und zahlreiche weitere verletzt worden. Hamas-Medien berichten von 15 Toten. Der Liveblog vom Sonntag zum Nachlesen US-Präsident Biden hat im Gespräch mit Israels Premier Netanyahu "seine klare Position" zu einer möglichen Rafah-Offensive bekräftigt. Sollte die nicht kommen, droht Israels Finanzminister mit einem Regierungsende.
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2024-04-29
++ Tote und Verletzte nach russischem Angriff auf Odessa ++
Krieg gegen die Ukraine
Durch russische Angriffe sind in Odessa mindestens zwei Menschen getötet worden. Polnische Bauern haben alle Blockaden an den Grenzübergängen zur Ukraine geräumt. Alle Entwicklungen im Liveblog zum Nachlesen.
Durch russische Angriffe sind in Odessa mindestens zwei Menschen getötet worden. Polnische Bauern haben alle Blockaden an den Grenzübergängen zur Ukraine geräumt. Alle Entwicklungen im Liveblog zum Nachlesen. Polnische Bauern beenden Grenz-BlockadenStoltenberg stellt Waffenlieferungen in Aussicht Klitschko fordert mehr Unterstützung bei FlugabwehrNordkorea kritisiert Raketenlieferung an Ukraine Ende des Liveblogs Damit schließen wir diesen Liveblog. Vielen Dank für Ihr Interesse. Deutschland liefert der Ukraine zehn Schützenpanzer Deutschland hat der von Russland angegriffenen Ukraine weitere zehn Schützenpanzer vom Typ "Marder" und andere Mittel zur Verteidigung geliefert. Ein zweites Flugabwehrsystem "Skynex" gehöre ebenso zu dem Paket wie knapp 30.000 Schuss Munition für den Flugabwehrpanzer "Gepard" und Munition für das System "Iris-T", teilte die Bundesregierung mit. Das Mitte April zugesagte dritte Flugabwehrsystem vom Typ "Patriot" stand nicht auf der aktualisierten Liste der deutschen Militärhilfe. Weiter wurden 7.500 Artilleriegranaten vom Kaliber 155 Millimeter, Munition für den Kampfpanzer "Leopard 2" und 3.000 Panzerabwehrhandwaffen geliefert. Die Pionier- und Transportfähigkeit der ukrainischen Armee wurde mit einem weiteren Brückenlegepanzer "Biber", einem Pionierpanzer, neun Minenräumpflügen sowie neun Schwerlastsattelzügen "M1070 Oshkosh" gestärkt. Britische Herzogin besucht die Ukraine Sophie, die britische Herzogin von Edinburgh, hat die Ukraine besucht und sich mit Präsident Wolodymyr Selenskij und seiner Frau getroffen. Die Ehefrau von König Charles' jüngstem Bruder Prinz Edward, reiste im Auftrag des britischen Außenministeriums in die Ukraine, um ihre Solidarität mit den vom Krieg Betroffenen zu bekunden und sich für die Überlebenden sexueller Gewalt in Konflikten einzusetzen, teilte der Buckingham Palace in einer Erklärung mit. Nordkoreanische Rakete in der Ukraine eingeschlagen Die Trümmer einer am 2. Januar im ukrainischen Charkiw eingeschlagenen Rakete stammen einem UN-Bericht zufolge von einer nordkoreanischen "Hwasong-11". Dies stelle eine Verletzung der Sanktionen gegen Nordkorea dar, heißt es in dem 32-seitigen Schreiben, in das die Nachrichtenagentur Reuters Einblick erhalten hat. Ukrainischen Daten zufolge sei die ballistische Rakete von russischem Staatsgebiet aus abgefeuert worden, heißt es in dem Bericht vom 25. April an den Sanktionsausschuss des UN-Sicherheitsrats weiter. Eine Stellungnahme von Russland oder Nordkorea liegt zunächst nicht vor. Beide Länder haben Vorwürfe von Waffenlieferungen zurückgewiesen. Tote und Verletzte nach russischem Angriff auf Odessa Durch russische Angriffe mit Raketen sind in der südukrainischen Hafenstadt Odessa vier Menschen getötet worden. Wie Odessas Gouverneur Oleh Kiper im Onlinedienst Telegram mitteilte, wurden 28 Menschen verletzt, darunter zwei Kinder und eine schwangere Frau. Vier der Verletzten schweben demnach in Lebensgefahr.  Mehrere Wohnhäuser und zivile Infrastruktur seien beschädigt worden. Zuvor war die nur gut 30 Kilometer von der russischen Grenze entfernte ostukrainische Metropole Charkiw Behördenangaben zufolge mit Gleitbomben angegriffen worden. Zwei Zivilisten seien dabei verletzt und ein mehrstöckiges Wohnhaus beschädigt worden. Wegen GPS-Störung über Estland: Finnair setzt Flüge nach Tartu aus Die finnische Fluglinie Finnair wird ihre Flüge von Helsinki nach Tartu in dem an Russland grenzenden Estland wegen anhaltender Störungen der GPS-Satellitennavigation vorübergehend aussetzen. Die tägliche Verbindung werde bis 31. Mai eingestellt, damit am Flughafen der zweitgrößten Stadt des baltischen EU- und Nato-Landes eine Lösung gefunden könne, die kein GPS-Signal bei der Landung erfordert, teilte die Fluggesellschaft mit. Bereits Ende vergangener Woche waren zwei Finnair-Flüge umgeleitet worden, nachdem GPS-Störungen den Anflug auf Tartu verhindert hatten. Estland beobachtete zuletzt immer mehr gezielte Störungen der GPS-Satellitennavigation. Nach Angaben der Behörden des Ostseestaates werden die GPS-Signalstörungen aus der russischen Region Leningrad übertragen - sie haben demnach seit Russlands Invasion in die Ukraine im Februar 2022 stark zugenommen. Außenminister Margus Tsahkna bezeichnete die Vorfälle als "hybriden Angriff" Russlands. Sie gefährdeten die Menschen und die Sicherheit Estlands, sagte er der Financial Times. Auch Finnair-Piloten haben der Mitteilung zufolge seit 2022 vermehrt GPS-Störungen gemeldet - besonders in der Nähe von Kaliningrad, dem Schwarzen Meer, dem Kaspischen Meer und dem östlichen Mittelmeer. Polnische Bauern beenden Blockaden an der Grenze zur Ukraine Nach wochenlangen Protesten gegen Importe aus der Ukraine haben polnische Bauern nach und nach alle ihre Blockaden an Grenzübergängen zum Nachbarland geräumt. Überall fließe der Verkehr wieder, sagte ein Sprecher der Zollbehörden in der Region Lublin. Der Grenzübergang Hrebenne in der Region war der letzte, der noch blockiert war. Die Behörden hatten zuletzt die Genehmigung für Protestaktionen dort verweigert. Generalstaatsanwalt übernimmt Ermittlungen im Fall getöteter Ukrainer Die Generalstaatsanwaltschaft München hat im Fall der zwei in Bayern erstochenen Ukrainern die Ermittlungen übernommen. Ein politischer Hintergrund könne nicht ausgeschlossen werden, bestätigte die Anklagebehörde laut einem entsprechenden Bericht des "Spiegels". Wegen der Tat vom Samstag in Murnau sitzt ein 57-jähriger russischer Staatsbürger in Untersuchungshaft. Neben dem Einkaufszentrums an dem die zwei Männer getötet wurden, haben Menschen Blumen und Plakate niedergelegt. NATO-Chef stellt mehr Waffenlieferungen in Aussicht NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat mehr Waffenlieferungen in die Ukraine angekündigt. Die Mitglieder des Militärbündnisses hätten nicht geliefert, was sie in den vergangenen Monaten versprochen hätten, sagte Stoltenberg bei einem Überraschungsbesuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. "Aber jetzt bin ich zuversichtlich, dass sich das ändern wird", fügte er unter anderem mit Blick auf das jüngst verabschiedete Milliarden-Hilfspaket der USA und Unterstützungszusagen der britischen Regierung hinzu. Er rechne zudem mit weiteren Zusagen. "Das wird einen Unterschied machen - so wie die fehlende Unterstützung einen Unterschied gemacht hat", sagt Stoltenberg in Anspielung auf Rückschläge der Ukraine. Für einen Sieg der Ukraine sei es noch nicht zu spät. Moskau: Ort in Oblast Donezk eingenommen Russland rückt nach eigenen Angaben mit seinen Invasionstruppen in der Ostukraine weiter vor. Die Streitkräfte nahmen dem Verteidigungsministerium in Moskau zufolge die Ortschaft Semeniwka in der ukrainischen Oblast Donezk ein. Gestern hatte Russland bereits die Einnahme des Orts Nowobachmutiwka bekanntgegeben. Kiew: Russische Angriffe im Osten abgewehrt Die Ukraine hat eigenen Angaben zufolge schwere russische Angriffe in der ostukrainischen Region Donezk abgewehrt. In mehreren Ortschaften nördlich und westlich des Dorfs Nowobachmutiwka seien "55 Angriffe zurückgeschlagen" worden, teilte die ukrainische Armee mit. Weiter südlich, im Westen der Stadt Donezk, hätten russische Streitkräfte "mit Unterstützung der Luftwaffe 15-mal versucht, die Verteidigungsanlagen unserer Truppen zu durchbrechen", hieß es aus Kiew. Nach ukrainischen Angaben konnten Soldaten in mehreren Ortschaften westlich von Donezk "den Feind weiter zurückhalten", darunter auch in Krasnogoriwka. Die Stadt liegt rund 20 Kilometer von der von Russland besetzten Stadt Donezk entfernt und gilt als ukrainisches Bollwerk in der Region. Seit der Einnahme der nahegelegenen Orte Marinka und Awdijiwka durch russische Soldaten ist Krasnogoriwka jedoch angreifbarer geworden. Die ukrainische Armee hatte gestern eine "verschlechterte" Lage an der Front eingeräumt. Seit Februar sind russische Truppen in der Ostukraine auf dem Vormarsch. Am Wochenende hatten Moskaus Soldaten das Dorf Nowobachmutiwka eingenommen. Kiew warnt, dass Russland vor dem "Tag des Sieges" am 9. Mai versuchen wird, Erfolge auf dem Schlachtfeld zu erzielen.  Ukraine wirft Telegram vor, Software-Bots zu blockieren Die Ukraine wirft dem Kurznachrichtendienst Telegram vor, mehrere offizielle Software-Bots des Landes zu blockieren. Darunter sei auch der Bot des ukrainischen Militärgeheimdienstes GUR, wie der Geheimdienst selbst auf Telegram mitteilte: "Trotz der Sperrung unseres Bots - Ihre persönlichen Daten sind sicher." Telegram hat sich laut der Nachrichtenagentur Reuters noch nicht dazu geäußert. Ein Bot ist ein Programm, das im Internet bestimmte Aufgaben übernimmt. Es kann unter anderem Konversationen mit Nutzern simulieren oder Inhalte zu bestimmten Themen sammeln. Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine hat sich Telegram zu einem wichtigen Informationskanal für beide Seiten entwickelt. Medien, Behörden und Regierungen betreiben eigene Kanäle auf der Plattform. Der Gründer von Telegram ist der russisch-stämmige Milliardär Pawel Durow. Dieser hatte Russland allerdings 2014 verlassen, nachdem er sich geweigert hatte, auf seinem damaligen, inzwischen verkauften Kurznachrichtendienst die Konten russischer Oppositioneller abzuschalten. In Bayern getötete Ukrainer waren offenbar Soldaten Die beiden in Oberbayern mutmaßlich von einem Russen getöteten Ukrainer sind nach Angaben aus Kiew Angehörige der Streitkräfte des Landes gewesen. Die beiden Männer seien nach Kriegsverletzungen zur medizinischen Rehabilitation in Deutschland gewesen, berichteten ukrainische Medien. Außenminister Dmytro Kuleba habe seine Diplomaten angewiesen, den Fall besonders im Blick und den ständigen Kontakt zu den Sicherheitsorganen Deutschlands zu halten, damit der Verdächtige nach der ganzen Härte des Gesetzes bestraft werde, hieß es in den Berichten. Kuleba dankte den deutschen Behörden für die Festnahme des 57 Jahre alte Tatverdächtigen, wie das Internetportal Ukrajinska Prawda berichtete. Der Russe soll die beiden Ukrainer, die am Samstag mit Stichwunden auf dem Gelände eines Einkaufszentrums gefunden worden waren, getötet haben. Dabei war weiter unklar, ob es einen Zusammenhang gab zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Klitschko fordert mehr Unterstützung bei Flugabwehr Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko hat die internationale Gemeinschaft zu mehr Unterstützung bei der Flugabwehr aufgerufen. "Wir haben ein Defizit an Flugabwehrsystemen", sagt Klitschko den Zeitungen der Funke Mediengruppe. In der ukrainischen Hauptstadt würden feindliche Drohnen in einem engen Radius um die Stadt abgeschossen. Da Teile der abgeschossenen Raketen heruntergefallen seien, müsse der Radius erweitert werden. "Die Drohnen und Raketen müssen schon auf ihrem Weg in die Hauptstadt abgeschossen werden können." Deshalb sei mehr Unterstützung für die Luftverteidigung nötig. Nach zwei Jahren Krieg seien die Schäden in Kiew enorm. Durch die Luftangriffe seien mehr als 800 Gebäude beschädigt und zerstört worden, darunter fast 440 Wohnhäuser. Mehr als 200 Menschen seien bei den Luftangriffen ums Leben gekommen. Es gehe aber nicht nur um Kiew: Auch die Bürger in Odessa, in Dnipro oder Charkiw bräuchten einen guten Schutz. Mit Blick auf sein Verhältnis zu Präsident Wolodymyr Selenskyj bemängelt Klitschko einen mangelnden Zusammenhalt der führenden Politiker in der Ukraine. "Leider gibt es in dieser Kriegszeit keine Einheit zwischen den politischen Kräften", sagt er. Nordkorea kritisiert Raketenlieferung an Ukraine Nordkorea hat die Lieferung der ATACMS-Lenkwaffen durch die USA an die Ukraine verurteilt. "Die USA haben heimlich Langstreckenraketen an die Ukraine geliefert und damit Unruhe und Besorgnis in der internationalen Gemeinschaft ausgelöst", zitiert die staatliche Nachrichtenagentur KCNA den Direktor der Abteilung für auswärtige militärische Angelegenheiten des nordkoreanischen Verteidigungsministeriums. "Die USA können die heldenhafte russische Armee und das Volk niemals mit den neuesten Waffen oder militärischer Unterstützung besiegen." Die USA hatten die Lieferung der Langstreckenraketen in der vergangenen Woche eingeräumt. Die militärischen Beziehungen zwischen den Regierungen in Pjöngjang und Moskau werden immer enger, was nach Ansicht der USA und ihrer Verbündeten zu einer Eskalation der Spannungen auf der koreanischen Halbinsel führt. Der Liveblog vom Sonntag zum Nachlesen Laut dem Generaloberst der ukrainischen Armee sind die Truppen an drei Stellungen zurückgefallen. Russische Behörden melden zwei Tote bei ukrainischem Angriff auf besetztes Gebiet Saporischschja.
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2024-04-29
Wall Street schließt mit moderaten Gewinnen
Anleger bleiben vorsichtig
Die US-Börsen zeigten sich zum Handelsschluss uneinheitlich. Am Ende schlossen die großen Indizes aber im Plus. An die Nasdaq-Spitze setzte sich der Elektroautohersteller Tesla mit dem größten Kurssprung seit drei Jahren.
Die US-Börsen zeigten sich zum Handelsschluss uneinheitlich. Am Ende schlossen die großen Indizes aber im Plus. An die Nasdaq-Spitze setzte sich der Elektroautohersteller Tesla mit dem größten Kurssprung seit drei Jahren. An der Wall Street dominierten trotz vieler Unsicherheiten zum Wochenauftakt die Optimisten. Die großen US-Indizes schlossen zwar einheitlich im Plus und setzten ihren jüngsten Erholungsversuch damit fort, zeigten sich jedoch bis kurz vor Handelsschluss äußerst unentschlossen. Der amerikanische Dow-Jones-Index der Standardwerte legte letztlich um 0,38 Prozent zu. Der breiter gefasste S&P 500 gewann 0,32 Prozent. Der technologielastige Nasdaq stieg um 0,36 Prozent, angefeuert vom größten Kurssprung des Elektroautoherstellers Tesla seit drei Jahren. Zinsentscheid der Fed am Mittwoch Die aktuelle Börsenwoche ist geprägt von der Veröffentlichung wichtiger Daten wie den Inflationszahlen der Eurozone oder dem US-Arbeitsmarktbericht. Und auch die Berichtssaison nimmt in dieser Woche wieder Fahrt auf. So legen die Börsenschwergewichte Amazon und Apple ihre Zahlen diesen Dienstag und Donnerstag nach Börsenschluss vor. Am Mittwochabend steht mit der Zinsentscheid der amerikanischen Notenbank Fed aber der wohl wichtigste Termin für die Märkte an. Sie dürfte neben den Zahlen von Amazon und Apple darüber bestimmen, "wohin die Reise am Aktienmarkt im nicht ganz so einfachen Börsenmonat Mai gehen könnte", bemerkte Analyst Konstantin Oldenburger von CMC Markets. "Mittlerweile sind die bis zu sechs erwarteten Zinssenkungen in den USA immer weiter nach hinten gerückt und es droht sogar das böse Erwachen weiterer Erhöhungen, sollten die Inflationsraten nicht weiter fallen", so Oldenburger. Experten rechnen für die nächste Sitzung aber mit keinerlei Veränderung des Leitzinses. Die Märkte gehen davon aus, dass die Fed die Zinsen erstmals im September senken wird. Moderate Verluste für DAX zum Wochenstart Wie die Wall Street ist auch der deutsche Aktienmarkt nach der jüngsten Erholung ohne klare Richtung in die neue Börsenwoche gestartet. Nach anfänglichen Gewinnen rutschte der DAX bis Handelsschluss ins Minus. Der deutsche Leitindex gab um 0,24 Prozent auf 18.118 Punkte nach. Inflationsrate im April unverändert Dabei war die deutsche Inflationsrate entgegen der Erwartungen im April überraschend stabil geblieben. Das meldete das Statistische Bundesamt aufgrund vorläufiger Ergebnisse. Waren und Dienstleistungen kosteten durchschnittlich 2,2 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die Inflationsrate im März hatte ebenfalls bei 2,2 Prozent gelegen.  Die Preise für Nahrungsmittel stiegen um 0,5 Prozent im Jahresvergleich. Die Preise für Energie sanken sogar um 1,2 Prozent im Vergleich zum April 2023, obwohl die Mehrwertsteuer für Gas und Fernwärme im April von sieben auf 19 Prozent gestiegen war. Dienstleistungen dagegen wurden deutlich teurer, die Preise stiegen um 3,4 Prozent. Die Inflationsrate ohne Nahrungsmittel und Energie, die so genannte Kerninflation, lag bei 3,0 Prozent. Inflationsrate unverändert - senkt die EZB trotzdem die Zinsen? Zwar verharrte die hiesige Inflationsrate nach drei Rückgängen in Folge im April bei 2,2 Prozent: "Dass die Inflation nicht gefallen ist, lag einzig daran, dass zuletzt die Kraftstoffpreise wieder gestiegen waren und außerdem zum 1. April die Mehrwertsteuer auf Erdgas wieder auf den Normalsatz von 19 Prozent angehoben worden war", erklärte aber dazu der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, Sebastian Dullien. Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, geht davon aus, dass die Europäische Zentralbank die Zinsen demnächst senken dürfte. "Die Wortwahl nach der letzten Notenbanksitzung aber auch die Reden einzelner EZB-Offizieller lassen kaum noch Zweifel daran, dass zur Jahresmitte eine Zinsreduktion um 25 Basispunkte auf der Agenda stehen wird", kommentierte Gitzel. "Daran ändert auch eine stagnierende Inflationsrate im April nichts." Nahost-Hoffnungen lassen Ölpreise sinken Für die Ölpreise geht es in der neuen Woche abwärts: Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostet am Nachmittag 87,19 Dollar und damit ein Prozent weniger. Die Aussicht auf eine mögliche Waffenruhe im Gaza-Krieg und die jüngsten Daten zur US-Inflation drücken die Preise am Ölmarkt. Gleichzeitig bestärken die jüngsten US-Inflationsdaten die Erwartung der Anleger, dass die Zinsen der Fed über eine längere Zeit hoch bleiben werden. Dies halte den Dollar teuer und setze damit die Ölpreise unter Druck, erläuterte die unabhängige Marktanalystin Tina Teng. Eine starke US-Währung macht in Dollar gehandelte Rohstoffe teuer für Investoren in anderen Währungsräumen und grenzt damit die Nachfrage ein. Tesla mit größtem Kurssprung seit drei Jahren Ein Kursfeuerwerk löste Tesla-Gründer Elon Musk auf seiner Wochenendreise nach China aus. Aktien des Elektroautoherstellers verteuerten sich in der Spitze um rund 18 Prozent und machten damit den größten Kurssprung seit mehr als drei Jahren. Der E-Auto-Pionier hat laut Medienberichten eine wichtige Hürde zur Markteinführung seines Systems zum automatisierten Fahren in China genommen. Tesla ging dafür einen Navigations- und Kartendeal mit dem chinesischen Online-Giganten Baidu ein, schrieben die Nachrichtenagentur Bloomberg und das "Wall Street Journal". Die wichtigste Frage bleibt Experten zufolge jedoch, ob Tesla die Genehmigung der Regierung für die Übermittlung von Daten ins Ausland erhalten kann, die für die Entwicklung autonomer Fahrzeuge von entscheidender Bedeutung sein könnten. KI-Lösungen in iPhones integriert Während sich Tesla an die Nasdaq-100-Spitze setzte, sorgte Apple im Dow Jones zeitweise für die größten Gewinne. Bis zu drei Prozent legten die Titel zu. Das Analysehaus Bernstein Research hatte das Papier auf "Outperform" hochgestuft und hält die Nachfrageschwäche in China für nur temporär und nicht für strukturell. Zudem profitierte das Unternehmen von der Aussicht auf integrierte Funktionen Künstlicher Intelligenz für das iPhone. Apple wolle die Lösungen des Microsoft-Partners und ChatGPT-Entwicklers OpenAI im Laufe des Jahres in das iPhone integrieren, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg. Postbank-Streit drückt Deutsche Bank tief ins Minus Im DAX hielten Aktien der Deutschen Bank mit einem Minus von über acht Prozent die rote Laterne. Die Übernahme der Postbank könnte für das Geldhaus ein teures Nachspiel haben. Im Streit mit früheren Postbank-Aktionären über die Angemessenheit des Übernahmepreises deutete das Oberlandesgericht Köln an, Teile solcher Ansprüche in einer späteren Entscheidung für begründet befinden zu können. Das Finanzinstitut gab daher die Bildung einer 1,3 Milliarden schweren Rückstellung für Rechtsstreitigkeiten bekannt. Porsche-Zahlen kommen nicht gut an Aktien von Porsche waren der zweitgrößte Verlierer im DAX. Die Papiere des Autobauers gaben bis Handelsschluss 2,9 Prozent nach. Hohe Vorlaufkosten für neue Modelle und ein schwacher Absatz haben dem Stuttgarter Unternehmen in den ersten Monaten 2024 einen Ergebnisrückgang um 30 Prozent auf 1,28 Milliarden Euro eingebrockt. Daimler Truck kann Streik abwenden An die DAX-Spitze gesetzt haben sich Papiere von Daimler Truck mit einem Plus von 2,63 Prozent. Der Lkw-Hersteller hatte sich am Wochenende in den USA mit der Autogewerkschaft UAW auf einen neuen Tarifvertrag geeinigt und damit in letzter Minute einen Streik abgewendet. Milliardenvergleich nach Dammbruch in Brasilien 2015 Knapp neun Jahre nach dem Dammbruch von Bento Rodrigues in Brasilien haben die Bergbaukonzerne Vale und BHP einen Vergleich mit Zahlungen von insgesamt 127 Milliarden Reais (23 Mrd. Euro) angeboten. Bei der "Tragödie von Mariana" im Jahr 2015 waren rund 40 Millionen Kubikmeter giftiger Abwässer aus dem Rückhaltebecken eines Eisenerzbergwerkes in den Fluss Doce gelangt. Bei dem Unglück kamen 19 Menschen ums Leben, Hunderttausende wurden von der Wasserversorgung abgeschnitten. Das Vergleichsangebot kam nun im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens unter der Leitung eines brasilianischen Bundesgerichts zustande. Preiskrieg schadet E-Autobauer BYD Der Preiskrieg auf dem chinesischen Elektroautomarkt hat tiefe Spuren in der Bilanz von BYD hinterlassen. Das Unternehmen steigerte seinen Umsatz im ersten Quartal nur noch um vier Prozent auf umgerechnet 16 Milliarden Euro, wie BYD heute mitteilte. Das ist das geringste Wachstum seit fast vier Jahren. Beim Gewinn fiel das Plus mit 10,6 Prozent so gering aus wie seit 2022 nicht. Damit schlägt sich BYD dennoch besser als Tesla: Der US-Elektroautobauer hatte zuletzt den ersten Umsatzrückgang seit der Pandemie 2020 gemeldet. Auf dem chinesischen Elektroautomarkt tobt seit gut einem Jahr ein Preiskampf. BYD versucht, mit neuen Modellen auch höhere Preissegmente zu erobern, die bessere Renditen versprechen. Zugleich kappte das Unternehmen allein seit Februar seine Preise um fünf bis 20 Prozent. Neue Galeria-Firmenzentrale in Düsseldorf Der Unternehmenssitz der Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof soll ab Anfang 2025 von Essen nach Düsseldorf umziehen. Die Verwaltung soll im Zuge der Sanierung in die Filiale Düsseldorf Schadowstraße verlegt werden. Galeria Karstadt Kaufhof hat zudem einen Insolvenzplan beim zuständigen Amtsgericht Essen vorgelegt. "Die wirtschaftlichen Perspektiven von Galeria sind gut. Ich habe da keine Zweifel", sagte Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus der Nachrichtenagentur dpa. Das Amtsgericht wird nun prüfen, ob der von Denkhaus erstellte Insolvenzplan den rechtlichen Voraussetzungen entspricht. Grünes Licht für SportScheck-Übernahme Für die Übernahme des insolventen Fachhändlers SportScheck durch die italienische Cisalfa gibt es grünes Licht. Die Gläubigerversammlung stimmte heute dem Plan zu und auch das Insolvenzgericht bestätigte ihn. Auch das Bundeskartellamt habe bereits zugestimmt. Nun soll der Geschäftsbetrieb des Münchner Traditionsunternehmens zum 1. Juni von Cisalfa übernommen und das Insolvenzverfahren aufgehoben werden. SportScheck mit ehedem 34 Filialen in Deutschland hatte zur Signa-Holding gehört und im November Insolvenz anmelden müssen. Lebensmittel-Lieferant Getir verlässt Europa Der kriselnde Lebensmittel-Lieferant Getir zieht sich aus seinen Auslandsmärkten zurück. Das Unternehmen teilte heute mit, sich künftig auf den türkischen Heimatmarkt konzentrieren zu wollen. Gleichzeitig dämpfte Getir Spekulationen über ein komplettes Aus, indem die Firma eine weitere Kapitalspritze ankündigte. Zuvor hatten bereits mehrere Medien über den geplanten Rückzug aus Deutschland und anderen Staaten berichtet. Britischer Investor übernimmt Nextbike Nach etwas mehr als zwei Jahren verkauft das vor allem für seine türkisfarbenen E-Tretroller bekannte Start-up Tier den Leihradanbieter Nextbike. Die Anteile übernimmt der englische Private-Equity-Investor Star Capital, wie Nextbike und Tier mitteilten. Hauptgrund für den Verkauf seien die beiden unterschiedlichen Geschäftsmodelle, hieß es von Tier. Nextbike konzentriere sich auf subventionierte Sharing-Modelle mit Kommunen als Kunden. Das Kerngeschäft von Tier richte sich hingegen an den Endverbraucher.  L'Occitane-Eigner will Unternehmen privatisieren Die französische Hautpflegefirma L'Occitane soll von der Börse genommen werden. Der österreichische Milliardär Reinold Geiger, der gut 72 Prozent am Unternehmen hält und Aufsichtsratschef ist, will die restlichen Aktien kaufen und L'Occitane von der Börse in Hongkong nehmen. Geigers Investmentgesellschaft mit Sitz in Luxemburg bietet 34 Hongkong-Dollar je Aktie. Vor wenigen Monaten hatte Geiger einen ersten Buyout-Versuch abgebrochen.
/wirtschaft/finanzen/marktberichte/marktbericht-dax-kurs-rekordhoch-inflation-zinsen-dow-aktien-gold-oelpreis-boerse-100.html
2024-04-29
Konfrontation in Georgien verschärft sich
Umstrittener Gesetzentwurf
Ein Gesetz, das den Einfluss aus dem Ausland stärker kontrollieren soll, spaltet Georgien: Erst gingen Zehntausende Gegner der Pläne auf die Straße, nun organisiert die Regierung den Gegenprotest.
Ein Gesetz, das den Einfluss aus dem Ausland stärker kontrollieren soll, spaltet Georgien: Erst gingen Zehntausende Gegner der Pläne auf die Straße, nun organisiert die Regierung den Gegenprotest. In Georgien im Südkaukasus spitzt sich der innenpolitische Streit über ein geplantes Gesetz zur Kontrolle von Einflussnahme aus dem Ausland zu. Die Regierungspartei Georgischer Traum, die das Gesetz vorantreibt, versammelte Zehntausende ihrer Anhänger im Zentrum von Tiflis. Medienberichte sprachen von mehr als 100.000 Menschen, die mit Bussen aus allen Teilen des Landes in die Hauptstadt gebracht worden waren. Es war die Reaktion auf tagelange Massenproteste gegen das Gesetz, das nach Auffassung seiner Gegner wie in Russland zur Kontrolle der Zivilgesellschaft eingesetzt werden soll. Bei einer Demonstration am Sonntagabend war es zu Zusammenstößen mit der Polizei gekommen. Der Rechtsausschuss des georgischen Parlaments bereitete nun die zweite Lesung des umstrittenen Gesetzes vor. 14 Abgeordnete der Opposition wurden im Laufe der Sitzung ausgeschlossen.  Missbrauch des Gesetzes befürchtet - nach russischem Vorbild Das als "russisches Gesetz" kritisierte Vorhaben sieht vor, dass etwa Nichtregierungsorganisationen, die Geld aus dem Ausland bekommen, diese Finanzquellen offenlegen. Die georgische Regierung will so nach eigenen Angaben für mehr Transparenz sorgen und das Ausmaß ausländischer Einflussnahme stärker kontrollieren. Viele Projekte der Zivilgesellschaft und zur Demokratieförderung in Georgien werden vom Westen finanziert, darunter mit Geld aus der EU und den USA. Kritiker befürchten allerdings, dass ein solches Gesetz nach russischem Vorbild missbraucht werden könnte, um diese Geldflüsse zu stoppen und prowestliche Kräfte politisch zu verfolgen. Die frühere Sowjetrepublik Georgien orientiert sich nach Westen und ist EU-Beitrittskandidat. Auch die Regierung von Georgischer Traum ist zwar für eine Annäherung an die EU, verficht aber zugleich eine Anlehnung an Russland. Der Milliardär Bidsina Iwanischwili, der starke Mann in der Partei, warf heute dem Westen vor, Georgien wie die Ukraine als Kanonenfutter im Kampf gegen Moskau zu missbrauchen. Scharfe Kritik am Gesetzentwurf aus der EU Die EU und viele ihrer Mitgliedsstaaten haben das geplante Gesetz über sogenannte Auslandsagenten scharf kritisiert. Die parteinahen politischen Stiftungen von CDU, SPD, Grünen und FDP, die in Georgien aktiv sind, warnten vor einer Verabschiedung. "Sollte das Gesetz verabschiedet werden, würde das die Arbeit der georgischen Zivilgesellschaft und der unabhängigen Medien, die einen enormen Beitrag zum Demokratisierungsprozess Georgiens geleistet haben, erheblich einschränken", hieß es in einer Mitteilung.
/ausland/europa/georgien-proteste-gesetzentwurf-100.html
2024-04-29
Gericht weist Hunderte Beweisanträge der AfD ab
Streit mit Verfassungsschutz
Die AfD wehrt sich dagegen, dass der Verfassungsschutz die gesamte Partei als extremistischen Verdachtsfall führt. Nun hat die Partei vor dem Oberverwaltungsgericht eine Niederlage einstecken müssen.
Die AfD wehrt sich dagegen, dass der Verfassungsschutz die gesamte Partei als extremistischen Verdachtsfall führt. Nun hat die Partei vor dem Oberverwaltungsgericht eine Niederlage einstecken müssen. Im Streit der AfD gegen den Verfassungsschutz hat das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht (OVG) im Berufungsverfahren rund 470 Beweisanträge der Partei abgelehnt. Zur Begründung gab der Vorsitzende Richter Gerald Buck an, die Anträge seien zum Teil unerheblich und würden keine Beweise erbringen. Andere Anträge seien als reine Ausforschungsanträge gegen den Verfassungsschutz zu verstehen und damit abzulehnen.  In dem Verfahren wehrt sich die AfD dagegen, dass der Verfassungsschutz die gesamte Partei als extremistischen Verdachtsfall führt. In erster Instanz hatte das Verwaltungsgericht Köln den Verfassungsschützern recht gegeben: Die Richter sahen ausreichend Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der AfD. Anwälte kündigen weitere Schritte an Die Partei war am Morgen bereits mit dem Versuch gescheitert, dass die Beweisanträge vorgelesen werden. Das lehnte der 5. Senat ab und ließ die Beweisanträge schriftlich zu Protokoll nehmen. Dabei ging es unter anderem um Fehler in der Vorinstanz am Verwaltungsgericht Köln, zu der These, die Beobachtung durch den Verfassungsschutz sei politisch motiviert sowie die Partei sei antisemitisch. Das OVG unterbrach die Sitzung bis zum nächsten Termin am 6. Mai. Die Anwälte der AfD kündigten unter Protest weitere Schritte an. Wann es ein Urteil geben wird, ist derzeit nicht abzusehen. Bis Juli sind weitere Termine angesetzt. In den bisherigen mündlichen Verhandlungen hatte die AfD seit dem Auftakt im März auf Zeit gespielt. Ihre Anwälte hatten wiederholt Befangenheitsanträge an das OVG gerichtet und zum Teil Beweisanträge gestellt oder angekündigt. "Tatsachenbehauptungen aus der Luft gegriffen" Der Vorsitzende Richter Buck sparte bei der Ablehnung der gestellten rund 470 Beweisanträge nicht mit deutlichen Worten. Die Anträge seien zum Teil "unerheblich" und würden keine greifbaren Anhaltspunkte für Behauptungen bieten.  In anderen Fälle würden die zu ermittelnden Tatsachen zum Streitgegenstand nichts beitragen. Oder: "Die in den Anträgen aufgestellten Tatsachenbehauptungen sind aus der Luft gegriffen." Buck machte an mehrere Stellen deutlich, dass es genügend Hinweise gebe, die auf Bestrebungen der AfD gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung hinweisen würden.  Mutmaßlich Spionage für China Zum Auftakt des fünften Verhandlungstages am Montag war die Affäre um einen wegen mutmaßlicher Spionage für China verhafteten Mitarbeiter des AfD-Europaabgeordneten Maximilian Krah ein Thema. Anwälte der AfD warfen dem Verfassungsschutz auf Länderebene vor, den in Untersuchungshaft sitzenden Mann früher als menschliche Quelle mit Einfluss auf den Spitzenkandidaten der Partei eingesetzt zu haben. Der Anwalt des Bundesamtes, Wolfgang Roth, wies die Vorwürfe als absurd zurück. Zwar könne er sich zu dem Tatverdächtigen aus nachvollziehbaren Gründen nicht äußern, sagte er. Aber da die fragliche Person nie Mitglied eines Landes- oder Bundesvorstandes der Partei gewesen sei, sei es nach den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts unerheblich, ob der Verfassungsschutz den Mann zur Informationsbeschaffung genutzt habe.
/inland/innenpolitik/afd-verfssungsschutz-ovg-100.html
2024-04-29
Gérard Depardieu muss vor Gericht
Vorwürfe sexueller Übergriffe
Immer wieder wurden Vorwürfe sexueller Gewalt gegen den französischen Filmstar laut. Nun werfen zwei Frauen Depardieu erneut Übergriffe während Dreharbeiten vor - und dieses Mal muss er vor Gericht.
Immer wieder wurden Vorwürfe sexueller Gewalt gegen den französischen Filmstar laut. Nun werfen zwei Frauen Depardieu erneut Übergriffe während Dreharbeiten vor - und dieses Mal muss er vor Gericht. Der französische Filmstar Gérard Depardieu muss sich wegen Vorwürfen sexueller Gewalt vor Gericht verantworten. Wie die Pariser Staatsanwaltschaft mitteilte, soll der Prozess gegen den 75-Jährigen im Oktober beginnen. Depardieu war zuvor auf einer Pariser Polizeiwache zu Vorwürfen von zwei Frauen verhört worden, die dem Schauspieler Übergriffe während Dreharbeiten im Jahr 2021 vorwerfen. Serie von Anschuldigungen Eine Dekorateurin hatte angegeben, Depardieu habe sie bei den Dreharbeiten zum Film "Les Volets verts" sexuell belästigt. Eine weitere Frau hatte dem Darsteller Berührungen im Intimbereich und obszöne Äußerungen bei den Dreharbeiten zum Kurzfilm "Le Magicien et les Siamois" 2014 vorgeworfen. Die neuerlichen Vorwürfe gegen den preisgekrönten Darsteller reihen sich in eine Serie von Anschuldigungen. Seit 2020 ermittelt die Justiz gegen den Kinostar wegen mutmaßlicher Vergewaltigung der Schauspielerin Charlotte Arnould. Die Schauspielerin Hélène Darras hatte ihn ebenfalls wegen Vergewaltigung angezeigt, das Verfahren wurde jedoch wegen Verjährung eingestellt. Eine Journalistin verklagte Depardieu wegen Vergewaltigung im Jahr 1995 in Spanien. Depardieu spricht von "medialer Lynchjustiz" Depardieu bestreitet die Vorwürfe vollständig. In einem in der Zeitung "Le Figaro" im Herbst veröffentlichten Brief bezeichnet er sich als Opfer einer "medialen Lynchjustiz" und schrieb: "Niemals, nie habe ich eine Frau missbraucht." Depardieu führte fort: "Ich bin weder ein Vergewaltiger noch ein Raubtier. Ich bin nur ein Mann... ." Auch mehrere Dutzend Künstlerinnen und Künstler - unter ihnen die Schauspielerin Charlotte Rampling und die Musikerin und ehemalige französische First Lady Carla Bruni - beklagten, dass die Unschuldsvermutung bei Depardieu, dem "vermutlich größten aller Schauspieler", außer Acht gelassen werde. Die Meinungen zu Depardieu und den schweren Vorwürfen, die gegen ihn erhoben werden, gehen in Frankreich auseinander. Bei vielen sorgte der Darsteller, der in mehr als 200 Filmen mitspielte, erst im Dezember mit Äußerungen in einer Fernsehreportage über seine Reise nach Nordkorea im Jahr 2018 für Entsetzen. Darin gibt er immer wieder frauenfeindliche und fragwürdige Kommentare von sich, bezeichnet Frauen etwa als "große Schlampen".  Wachsfigur entfernt Die damalige Kulturministerin Rima Abdul-Malak veranlasste zu prüfen, ob Depardieu ein Verdienstorden der Ehrenlegion entzogen werden solle. Das geschah letztlich nicht. Der Schauspieler hatte die höchste französische Auszeichnung 1996 erhalten. Den Nationalorden von Quebec und seinen Titel als Ehrenbürger der belgischen Gemeinde Estaimpuis verlor Depardieu. Das Pariser Wachsfigurenkabinett ließ seine Figur entfernen.
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2024-04-29
Polizeipräsident für Verbot von "Muslim Interaktiv"
Islamisten-Demo in Hamburg
Nach der von Islamisten organisierten Demonstration in Hamburg plädiert Polizeipräsident Schnabel für ein Verbot der Gruppe "Muslim Interaktiv". Die FDP will Teilnehmer ausweisen. Laut einem Islamismus-Experten greift das aber zu kurz.
Nach der von Islamisten organisierten Demonstration in Hamburg plädiert Polizeipräsident Schnabel für ein Verbot der Gruppe "Muslim Interaktiv". Die FDP will Teilnehmer ausweisen. Laut einem Islamismus-Experten greift das aber zu kurz. Der Hamburger Polizeipräsident Falk Schnabel hat sich im Gespräch mit NDR Info für ein Verbot der islamistischen Gruppe "Muslim Interaktiv" ausgesprochen - soweit die verfassungsrechtlichen Erkenntnisse ausreichen würden. Nur so sei es möglich, die Verbreitung dieser Inszenierung über Social Media einzuschränken. Diese müsse aufhören, forderte Schnabel. Die Gefahr der Radikalisierung von Muslimen dadurch sei "immanent". Laut Polizei hatte eine Person, die für die Plattform "Muslim Interaktiv" verantwortlich ist, die Demonstration in Hamburg für den vergangenen Samstag angemeldet. Auch der Hamburger Verfassungsschutz bestätigte, dass der Anmelder der Gruppierung nahe stehe. Der Verfassungsschutz stuft die Organisation als gesichert extremistisch ein. Kalifats-Bewegung lehnt Demokratie ab Laut dem Journalisten und Islamismus-Experten Erin Güvercin, Vorstand der Alhambra-Gesellschaft und Mitglied der Deutschen Islamkonferenz, gehört die Plattform "Muslim Interaktiv" einer islamistischen Kalifats-Bewegung an, die die Demokratie ablehne und die Teilnahme an demokratischen Wahlen als "unislamisch" bezeichne. Ihr Ziel sei ein sogenannter Kalifat-Staat, sagte Güvercin bei tagesschau24. Seit 2003 gilt für die Kalifats-Bewegung ein Betätigungsverbot in Deutschland. Aber zuletzt sei sie über Online-Plattformen wie "Muslim Interaktiv" immer aktiver geworden, vor allem seit dem Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel, sagte Güvercin. Rund 1.000 Teilnehmende bei Demonstration Zu der Demonstration im Stadtteil St. Georg waren am Samstag rund 1.000 Teilnehmer gekommen, laut Polizeipräsident Schnabel größtenteils junge Männer. Die Versammlung sei "größtenteils friedlich" verlaufen. Der Protest richtete sich gegen eine laut Veranstalter islamfeindliche Politik und Berichterstattung. Schnabel kritisierte das Narrativ, das damit verbreitet würde: "Was diese Organisation macht und mit dieser Versammlung deutlich gezeigt hat: Man schwingt sich auf, kritische Berichterstattung an dieser Organisation und einer Einzelperson zur islamfeindlichen Haltung gegenüber Muslimen zu stilisieren." Appell an Muslime Es würde suggeriert, für Muslime in Deutschland würden nicht dieselben Grundrechte gelten - und dass ein Kalifat, also ein Gottesstaat, nötig wäre. Auf der Demonstration waren auf Plakaten die Sätze "Kalifat ist die Lösung", "Deutschland = Wertediktatur" oder "Staatsräson tötet" zu lesen. Schnabel appellierte an die Muslime in Deutschland, "nicht auf diese Masche reinzufallen". Wer vor Ort gewesen wäre, hätte gesehen: "Das ist inszeniert, insbesondere für Social Media-Auftritte." Polizei sieht keine Rechtsgrundlage für Verbot Wie schon Bundesinnenminister Nancy Faeser nannte Schnabel es "schwer erträglich", das eine solche Demonstration auf den Straßen Hamburgs stattgefunden hat. Die Polizei der Hansestadt habe im Vorfeld intensiv geprüft, ob sich die Versammlung nicht verbieten lasse. "Es war die übereinstimmende Meinung aller Juristen, dass dafür keine Rechtsgrundlage da ist", sagte Schnabel. Im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF erläuterte er, beim Versammlungsrecht gehe es nicht darum, bestimmte Meinungen zuzulassen oder zu verbieten, sondern darum, ob eine Versammlung friedlich, das heißt ohne Gefahren und ohne Straftaten verlaufe. "Eine solche Annahme ließ sich im Vorfeld der Versammlung nicht begründen." Die Versammlungsbehörde habe aber mit sehr strengen Auflagen deutlich gemacht, dass keine Aufrufe zu Gewalt geduldet würden oder Parolen, die das Existenzrecht Israels in Frage stellen. Auch im Nachhinein lasse sich nicht sagen, dass ein Verbot angebracht gewesen wäre unter dem Gesichtspunkt der Gewalttätigkeit. Polizeipräsident fordert Bund auf, Verbot zu prüfen Um solche Veranstaltungen zu verhindern, sei der Bund gefordert, "deutlich zu machen, ob diese Organisation, die hinter dieser Versammlung gestanden hat, nicht verboten werden kann". Vergangene Woche hatte bereits die Hamburger CDU gefordert, "Muslim Interaktiv" zu verbieten. Der Hamburger CDU-Fraktionsvorsitzende Dennis Thering bekräftigte die Forderung nun erneut: "Es reicht nicht aus, dass Bundesinnenministerin Faeser diese Islamisten-Demonstration 'schwer erträglich' findet, sondern sie muss jetzt handeln und ein Verbotsverfahren gegen 'Muslim Interaktiv' zügig durchsetzen." FDP fordert Ausweisungen Faeser sagte im Deutschlandfunk, die "roten Linien" solcher Demonstrationen müssten klar sein. Es dürfe keine Propaganda für die Hamas, keine Hassparolen gegen Jüdinnen und Juden und keine Gewaltaufrufe auf deutschen Straßen geben. Sie forderte ein "hartes Vorgehen" der Behörden. Über ein mögliches Verbot der Organisation sprach sie bisher nicht. Auch die FDP forderte härtere Maßnahmen, darunter Ausweisungen. "Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Deutschland gefährdet, kann ausgewiesen werden", sagte FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle der "Welt". Wer bei einer Demonstration die Abschaffung von Grundrechten wie der Pressefreiheit fordere, erfülle diese Voraussetzung. Islamismus-Experte: Forderung von Abschiebungen greife zu kurz Islamismus-Experte Güvercin sagte, solche Forderungen nach Ausweisungen oder Abschiebungen gingen "am Problem vorbei". Die Teilnehmer seien keine Geflüchteten, die seit 2015 hier seien, sondern junge Männer, die in Deutschland geboren und hier sozialisiert wurden. "Mit Forderungen nach Abschiebungen alleine kommen wir hier nicht weiter, das ist ein komplexeres Problem", sagte Güvercin bei tagesschau24. Über die Aussagen von Faeser zeigte er sich verwundert: "Es kann nicht sein, dass die Bundesinnenministerin heute harte Konsequenzen fordert - da frage ich mich, was hat das Ministerium bisher gemacht?" Es sei bekannt, dass die Gruppierung seit Jahren mobilisiere, und über Online-Plattformen sei es bisher trotz des Betätigungsverbots weiter möglich zu indoktrinieren. Innenministerin müsse handeln "Die Einzige, die gefordert ist, ist unsere Bundesinnenministerin", meint Güvercin. Sie müsse klarere Maßnahmen gegen die Ableger der Kalifats-Bewegung ergreifen. "Sonst dürfen wir uns nicht wundern, wenn sie uns auf der Nase herumtanzen." Außerdem müsse die unbequeme Frage gestellt werden, warum vor allem junge muslimische Männer, die in Deutschland aufgewachsen sind, empfänglich seien für antidemokratische Narrative. Er sieht hier die Bildungspolitik in der Pflicht, mehr Angebote zu schaffen und mehr Überzeugungsarbeit zu leisten, um diese Menschen zu erreichen. Botschafter: "Unglaublich, inakzeptabel, unverständlich" Der Botschafter der Vereinigten Arabischen Emirate in Deutschland, Ahmed Alattar, schrieb in Bezug auf die Hamburger Demo auf X, es sei "unglaublich, inakzeptabel und unverständlich", wie sich Menschen, die in Deutschland eine Heimat gefunden hätten, gegen Deutschland wenden würden. "Aber das ist typisch für politische Islamisten." Social-Media-Beitrag auf X von Ahmed Alattar: "Unglaublich, inakzeptabel und unverständlich, wie sich Menschen, die in Deutschland eine Heimat gefunden haben, gegen Deutschland wenden. Aber das ist typisch für politische Islamisten. https://t.co/M6VXyywIoX" CDU-Politiker Armin Laschet bedankte sich für die Stellungnahme: "Klare Worte vom Botschafter der Vereinigten Arabischen Emirate", schrieb er auf X. "Klare Botschaft, dass auch friedliche arabische Länder sich von Extremisten distanzieren." Social-Media-Beitrag auf X von Armin Laschet: "Klare Worte vom Botschafter der Vereinigten Arabischen Emirate. 🇦🇪 Klare Botschaft, dass auch friedliche arabische Länder sich von Extremisten distanzieren. Eine große Chance für neue Gemeinsamkeiten. #AbrahamAccords https://t.co/iEt9pmoVd9" Die Polizei Hamburg will nun gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft die Demonstration auswerten. Es werde geprüft, ob bestimmte Parolen oder Transparente strafrechtliche Relevanz hätten, sagte Polizeipräsident Schnabel dem NDR.
/inland/innenpolitik/demonstration-islamisten-faeser-schnabel-100.html
2024-04-29
NATO hat "nicht geliefert wie versprochen"
Stoltenberg in der Ukraine
NATO-Generalsekretär Stoltenberg reist zum dritten Mal seit Kriegsbeginn in die Ukraine. Im Gepäck: Kritik an den Bündnisstaaten. Zusagen für Waffenlieferungen seien nicht eingehalten worden.
NATO-Generalsekretär Stoltenberg reist zum dritten Mal seit Kriegsbeginn in die Ukraine. Im Gepäck: Kritik an den Bündnisstaaten. Zusagen für Waffenlieferungen seien nicht eingehalten worden. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat dem Militärbündnis Versäumnisse bei zugesagten Lieferungen an die von Russland angegriffene Ukraine bescheinigt. "NATO-Verbündete haben nicht geliefert, was sie versprochen haben", kritisierte Stoltenberg bei einem Besuch in Kiew mit Blick auf verspätete Lieferungen von Waffen und Munition. Das habe für die Ukraine "schwerwiegende Folgen auf dem Schlachtfeld". Die Ukraine leidet an Munitionsmangel, weil unter anderem die Mittel für ein wichtiges US-Hilfspaket monatelang im Kongress blockiert waren und die Produktion im Westen den Bedarf Kiews nicht decken kann. Russland erhält dagegen nach US-Angaben Waffen aus dem Iran und Nordkorea, während die ukrainischen Verteidiger erschöpft sind. Nachdem die neuen US-Mittel endlich freigegeben sind, befinden sich die Ukraine und ihre westlichen Partner in einem Wettlauf gegen die Zeit, um neue Militärhilfe bereitzustellen. So soll der langsame und verlustreiche, aber stetige Vormarsch der Russen in der Ostukraine eingedämmt und Drohnen- und Raketenangriffe vereitelt werden. Munition und Waffen kommen - aber langsam Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte, erste neue westliche Lieferungen seien eingetroffen, allerdings nur langsam. "Dieser Ablauf muss beschleunigt werden", drängte er. Stoltenberg sagte, zusätzliche Waffen und Munition für die Ukraine seien unterwegs, darunter "Patriot"-Abwehrraketen, mit denen das Land russische Angriffe auf seine Energie-Infrastruktur abwehren könnte. Er räumte ein: "Der Mangel an Munition hat es den Russen erlaubt, entlang der Frontlinie vorzustoßen. Das Fehlen von Flugabwehr hat es möglich gemacht, dass mehr russische Raketen ihre Ziele treffen, und der Mangel an Möglichkeiten für weitreichende Schläge hat es den Russen erlaubt, stärkere Kräfte zu konzentrieren." Die Ukraine sah sich nach Angaben von Generalstabschef Olexander Syrskyj wegen des materiellen und personellen Übergewichts der Russen bereits am Wochenende zu taktischen Rückzügen gezwungen. Das russische Verteidigungsministerium erklärte, seine Streitkräfte hätten auch das Dorf Semeniwka eingenommen. Große Sommeroffensive Russlands befürchtet Russland sammelt nach ukrainischen Angaben Kräfte für eine große Sommeroffensive. Derzeit machen die Invasionstruppen allerdings nur geringe Fortschritte, wie die in Washington beheimatete Denkfabrik Institute for the Study of War mitteilte. "Es bleibt unwahrscheinlich, dass die russischen Streitkräfte in naher Zukunft ein tieferes, operativ bedeutsames Eindringen in das Gebiet erreichen werden", schätzte das ISW. Allerdings näherten sich die Russen der auf einer Anhöhe gelegenen Stadt Tschassiw Jar, von der aus weitere Vorstöße in die Region Donezk möglich seien. Dämpfer für Hoffnung auf NATO-Mitgliedschaft Auch mit Blick auf eine rasche Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO dämpfte Stoltenberg die Hoffnungen des Gastgebers. Er sei fest davon überzeugt, dass der Ukraine ein Platz in der NATO zustehe, und er arbeite hart daran, dass die Ukraine Mitglied des Bündnisses werde, sagte der Norweger bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Selenskyj. Um eine Aufnahmeentscheidung treffen zu können, brauche es allerdings einen Konsens unter den 32 Bündnismitgliedern. Und er erwarte nicht, dass dieser bis zum nächsten Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs im Juli zustande kommen werde.
/ausland/europa/stoltenberg-ukraine-nato-100.html
2024-04-29
Eine spektakuläre Razzia und drei Prozesse
"Reichsbürger" um Prinz Reuß
Im Sommer 2021 soll sich die Gruppe um Prinz Reuß gegründet haben, von der nun erstmals mutmaßliche Mitglieder vor Gericht stehen. Was geschah seitdem und wann beginnen die weiteren Prozesse? Eine Chronologie wichtiger Ereignisse.
Im Sommer 2021 soll sich die Gruppe um Prinz Reuß gegründet haben, von der nun erstmals mutmaßliche Mitglieder vor Gericht stehen. Was geschah seitdem und wann beginnen die weiteren Prozesse? Eine Chronologie wichtiger Ereignisse. Juli 2021: Gründung der Gruppe Die terroristische Vereinigung gründete sich laut Anklage Ende Juli 2021 mit dem Ziel, die staatliche Ordnung in Deutschland gewaltsam zu beseitigen und durch eine eigene Staatsform zu ersetzen. Unternehmer Heinrich XIII. Prinz Reuß gilt als Rädelsführer der mutmaßlichen "Reichsbürger"-Gruppe. "Reichsbürger" sind keine einheitliche Bewegung. Allen gemein ist, dass sie der Bundesrepublik die Legitimität absprechen. Die Beschuldigten der "Reuß-Gruppe" glauben laut Anklage an ein "Konglomerat aus Verschwörungsmythen". Ihnen sei bewusst gewesen, dass es bei der geplanten Machtübernahme Tote geben würde. August 2021: Erste Planungen für Reichstags-Stürmung In der Vereinigung um Prinz Reuß begannen demnach im August 2021 Planungen, mit einer bewaffneten Gruppe ins Reichstagsgebäude in Berlin einzudringen. Ziel sei auch die Festnahme von Abgeordneten des Deutschen Bundestags gewesen, um einen Systemwechsel zu erreichen. Die Gruppe rekrutierte dafür militärisches Personal, beschaffte Ausrüstung und sorgte für Schießtrainings. September 2022: AfD-Politikerin führt durch Bundestag Die AfD-Politikerin Birgit Malsack-Winkemann führte im September 2022 mutmaßliche "Reichsbürger" durch das Regierungsviertel, die heute zu den Mitbeschuldigten zählen. Das geht aus Unterlagen des Bundesgerichtshofs (BGH) hervor. Als ehemalige Bundestagsabgeordnete hatte Malsack-Winkemann noch ungehinderten Zugang und konnte jederzeit bis zu sechs Personen mitnehmen. Einer der Teilnehmer dokumentierte mit Fotos und Videos das Paul-Löbe-Haus, in dem Büros und Sitzungssäle der Parlamentarier sind, dessen unterirdische Zugänge zu anderen Gebäuden, einschließlich des Reichstags sowie vom Inneren des Plenarsaals des Bundestags. Dezember 2022: Festnahmen bei Großrazzia Bei einem der größten Polizeieinsätze gegen Extremisten in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wurden am 7. Dezember 2022 insgesamt 25 Personen aus der Gruppe mutmaßlicher "Reichsbürger" inhaftiert. Sie stehen nach Angaben der Bundesanwaltschaft im Verdacht, eine terroristische Vereinigung gebildet zu haben. Unter den Festgenommenen befinden sich neben dem mutmaßlichen Rädelsführer Prinz Reuß auch die Richterin und AfD-Politikerin Malsack-Winkemann sowie ein Soldat des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr. Mai 2023: Inzwischen 63 Beschuldigte Die Zahl der Beschuldigten um die Großrazzia in der "Reichsbürger"-Szene stieg im Mai 2023 auf 63 Personen. 26 der Männer und Frauen aus der Gruppe um Prinz Reuß befanden sich zu der Zeit in Untersuchungshaft. Dezember 2023: Anklage gegen 27 Verdächtige Die Bundesstaatsanwaltschaft erhob am 11. Dezember 2023 Anklage gegen 18 Personen vor den Oberlandesgerichten Frankfurt am Main und München, unter anderem wegen Mitgliedschaft in oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens. Zudem wurde Anklage gegen neun weitere Personen vor dem Oberlandesgericht Stuttgart wegen versuchten Mordes erhoben.   Die Vereinigung hatte laut Bundesanwaltschaft "Zugriff auf ein massives Waffenarsenal" mit rund 380 Schusswaffen, 350 Hieb- und Stichwaffen, fast 500 weiteren Waffen und 148.000 Munitionsteile.  März 2024: Angeklagter erliegt Krankheit Ein Angeklagter aus der Gruppe erlebt den Prozessbeginn nicht mehr: Norbert G. sei in der Klinik verstorben, teilte eine Sprecherin des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main im März 2024 mit. Die Person sei am 7. Dezember 2022 festgenommen, allerdings seit Anfang Januar 2024 von der Haft verschont worden, heißt es. Grund ist Medienberichten zufolge eine schwere Krankheit des Mannes.  April 2024: Erster Prozess in Stuttgart beginnt In Stuttgart begann am 29. April 2024 das erste Verfahren gegen mutmaßliche Verschwörer um Prinz Reuß. Es ist der erste von drei Mammutprozessen, bei denen nach und nach Teilnehmer der Gruppe vor den Richter kommen. Dabei handelt es sich um einen der größten Terror-Prozesse in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. In Stuttgart müssen sich neun Männer verantworten. Die meisten von ihnen sollen dem militärischen Arm angehört haben, mehrere sollen sich am Aufbau der Heimatschutzkompanien beteiligt und versucht haben, weitere Mitglieder anzuwerben. Mai 2024: Prozess gegen mutmaßlichen Rädelsführer Der Prozess gegen die mutmaßlichen Rädelsführer der Terrorgruppe um Prinz Reuß soll am 21. Mai 2024 vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt am Main beginnen. Insgesamt müssen sich neun Personen verantworten - auch Malsack-Winkemann. Die ehemalige Berliner Richterin hätte nach einem Umsturz für das "Ressort Justiz" zuständig sein sollen. Juni 2024: Geplanter Start des dritten Prozesses In München sollen ab dem 18. Juni 2024 die acht weiteren mutmaßlichen Mitglieder vor Gericht stehen. Der Fall ist auch aufgrund der schieren Anzahl der Verdächtigen in drei Verfahren aufgesplittet worden. Auf Basis von Material der Nachrichtenagentur dpa
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2024-04-29
Keine kostenlosen Autos für ukrainische Flüchtlinge
Jobcenter dementiert
Posts in sozialen Medien behaupten, dass Jobcenter ukrainischen Flüchtlingen den Autokauf finanzieren. Als Kronzeuge wird ein Gebrauchtwagenhändler genannt - der spricht inzwischen aber von einem "Missverständnis". Von W. Rohwedder.
Posts in sozialen Medien behaupten, dass Jobcenter ukrainischen Flüchtlingen den Autokauf finanzieren. Als Kronzeuge wird ein Gebrauchtwagenhändler genannt - der spricht inzwischen aber von einem "Missverständnis". Von Wulf Rohwedder "Ukrainer kriegen in Deutschland Auto vom Jobcenter geschenkt" - das behauptet ein Autohändler aus der Nähe von Bremen in einem inzwischen nicht mehr verfügbaren TikTok-Video. Ein ukrainischer Flüchtling habe ihn angewiesen, die Rechnung für einen erworbenen Wagen auf das Jobcenter des Landkreises, in dem er lebt, auszustellen und die Behörde habe diese beglichen. Der angebliche Beweis: ein Kontoauszug, laut dem 1.650 Euro von "Bundesagentur für Arbeit-Service-Haus" für einen "PKW VW Passat" überwiesen wurde. "Schmeiße deinen deutschen Ausweis weg - komm wieder her und sage, dass du aus der Ukraine geflüchtet bist", so der Rat des Autohändlers. Landkreis dementiert Der betroffene Landkreis Rotenburg (Wümme) bestreitet den Vorgang: "Wir können diese Behauptung nach eingehender Prüfung nicht bestätigen. Das Jobcenter des Landkreises hat dieses Auto nicht bezahlt", erklärte Sprecherin Christine Huchzermeier gegenüber dem ARD-Faktenfinder. Demnach habe es auch nicht, wie in dem Video angegeben, eine Überweisung an das Autohaus gegeben. Angeblicher Beleg voller Widersprüche Schon bei dem als angeblichen Beweis vorgelegten Kontoauszug gibt es Widersprüche: Der Kauf des Autos fand laut Video am 24. April statt. Das von dem Händler vorgelegte Papier, laut dem der Betrag bereits überwiesen ist, wurde jedoch laut Aufdruck am gleichen Tag erstellt und gibt als Überweisungszweck eine Rechnung vom 30. August 2022 an. Nur ein "Missverständnis"? Gegenüber dem ARD-Faktenfinder erklärte der Händler: "Bei dem Video ist ein Missverständnis vorhanden deshalb wurde das Video auch gelöscht." (sic!) Im Netz ist es jedoch weiterhin abrufbar, da es von vielen Accounts übernommen und weiterverbreitet wird. Allein auf einem für verschwörungsmythischen Inhalt berüchtigten YouTube-Kanal wurde eine bearbeitete Form fast 200.000 Mal abgerufen - und löste zahlreiche Hasskommentare aus. Immer wieder gibt es Gerüchte über ukrainische Flüchtlinge und die Leistungen, die sie angeblich erhalten oder missbrauchen. So wurde behauptet, dass sie bei Zahnbehandlungen bevorzugt werden oder zwischen der Ukraine und Deutschland hin und her pendeln - eine Aussage, die auch aktuell wieder aufgestellt wird. Vor allem Russland versucht, durch die Verstärkung von Falschbehauptungen über ukrainische Flüchtlinge Stimmung zu machen. So hatten prorussische Kanäle beispielsweise die Zahlungen für ukrainische Geflüchtete mit den Kürzungen für Landwirte in Verbindung gebracht, die die Bauernproteste Anfang des Jahres ausgelöst hatten.
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2024-04-29
Forscher züchten Mäuse mit Gehirnen aus Rattenzellen
Erste funktionelle Hirnchimären
Zwei Forschungsteams haben erstmals das Gehirn einer Maus mit Nervenzellen einer Ratte kombiniert. Die Grundlagenforschung soll dazu beitragen, Erkrankungen des Nervensystems wie Parkinson behandeln zu können. Von N. Kunze.
Zwei Forschungsteams haben erstmals das Gehirn einer Maus mit Nervenzellen einer Ratte kombiniert. Die Grundlagenforschung soll dazu beitragen, Erkrankungen des Nervensystems wie Parkinson behandeln zu können. Von Nina Kunze, SWR Der Kopf eines Löwen, der Körper einer Ziege, die Schwanzspitze einer Schlange - so sieht das Chimären-Mischwesen in der griechischen Mythologie aus. In der Forschung spricht man von einer Chimäre, wenn ein Lebewesen aus Zellen von mehr als einem Individuum besteht. Zwei Forschungsteams ist es nun erstmals gelungen, das Gehirn von Mäuse-Embryos mit Nervenzellen einer Ratte zu kombinieren. Bislang war dies nur innerhalb derselben Tierart gelungen, beispielsweise bei Affen. Fehlender Teil des Gehirns wird ersetzt Für ihre Studie verwendeten die in den USA und China tätigen Forschungsteams Mäuse-Embryos, deren Erbgut so verändert ist, dass sich ein Teil des Gehirns im Mutterleib nicht mitentwickelt. In einem frühen Entwicklungsstadium setzten sie den Mäuse-Embryos die Stammzellen einer Ratte ein. Diese Embryos entwickelten den fehlenden Teil des Gehirns dann trotzdem - aus den Zellen der Ratte. Das Besondere daran: Die Nervenzellen beider Tiere verschalteten sich zu einem funktionierenden System. Mäuse ohne funktionierenden Geruchssinn erlangten so beispielsweise die Fähigkeit zu riechen zurück. In einer weiteren Studie ersetzten die Zellen der Ratte das fehlende Vorderhirn der Mäuse. Krankheiten besser behandeln Es klingt, als ob Menschen Gott spielen. Das eigentliche Ziel ist jedoch, eines Tages Krankheiten besser behandeln zu können. Die Mischhirne helfen, Vorgänge bei der Entwicklung von Gehirn- und Nervenzellen besser zu verstehen. Mit diesem Wissen könnten neue Ansätze entstehen, um Schädigungen des Nervensystems zu behandeln - beispielsweise bei Parkinson oder nach einem Schlaganfall. Forschung noch in den Kinderschuhen Von diesem Ziel ist die Forschung jedoch noch weit entfernt. Fachleute wie Rüdiger Behr vom Deutschen Primatenzentrum in Göttingen sehen die Ergebnisse dennoch als wichtigen Schritt in der Grundlagenforschung: "Aus praktisch jeder Chimärenstudie können derzeit wichtige grundlegende Erkenntnisse gewonnen werden", erläutert der Entwicklungsbiologe dem Science Media Center Germany. Technologie wirft ethische Fragen auf Methoden wie diese gelten auch als Wegbereiter, um menschliche Organe in Tieren zu züchten und so den Mangel an Spenderorganen zu beheben. Doch hier zeigen sich auch die ethischen Bedenken hinter Experimenten wie diesem: Die Grenzen zwischen Tierarten verschwimmen zunehmend. Das Gehirn zweier Arten zu verbinden - wie bei Mäusen und Ratten - könnte deren Wahrnehmung verändern. Vor allem bei Versuchen mit Primaten oder gar menschlichen Zellen stellt sich deshalb die Frage, ob die entstandenen Mischwesen einen anderen moralischen Status bekommen müssten. So gibt die in den USA tätige Bioethikerin Karola Kreitmair zu bedenken, dass laut gängiger ethischer Theorien die geistigen Fähigkeiten des Menschen zu seiner höheren moralischen Stellung beitragen. Ein Mischwesen aus Affe und Mensch könnte beispielsweise andere Rechte haben als ein Affe selbst: "Solche Fragen müssen geklärt werden, bevor es zur Entstehung solcher Wesen kommt." Versuche mit menschlichen Stammzellen müssten von einem ethischen Diskurs begleitet werden, findet auch Rüdiger Behr. Als ethisch vertretbar gelten solche Versuche nur, wenn sie einen großen Nutzen versprechen, der durch keine alternative Methode erreicht werden kann.
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2024-04-29
Scholz will klare Kante gegen Islamisten
Nach Demo in Hamburg
Nach Innenministerin Faeser hat sich nun auch Kanzler Scholz zur umstrittenen Islamisten-Demo in Hamburg geäußert. Es müssten Konsequenzen geprüft werden. Grundsätzlich sei gegen alle islamistischen Aktivitäten vorzugehen.
Nach Innenministerin Faeser hat sich nun auch Kanzler Scholz zur umstrittenen Islamisten-Demo in Hamburg geäußert. Es müssten Konsequenzen geprüft werden. Grundsätzlich sei gegen alle islamistischen Aktivitäten vorzugehen. Nach einer von Islamisten organisierten Demonstration in Hamburg hat Bundeskanzler Olaf Scholz Konsequenzen nicht ausgeschlossen. "Es ist ganz klar: Gegen all das, was an islamistischen Aktivitäten stattfindet, muss mit den Möglichkeiten und den Handlungsoptionen unseres Rechtsstaates vorgegangen werden", sagte er bei einer Pressekonferenz mit dem Ministerpräsidenten Montenegros, Milojko Spajic, im Kanzleramt. Man müsse sich genau anschauen, "was jetzt konkret aus den Dingen, die wir dort gesehen hatten, für Konsequenzen zu ziehen sind", so Scholz. Grundsätzlich machte der Kanzler deutlich: "Alle Straftaten, überall dort, wo gegen Gesetze der Bundesrepublik Deutschland verstoßen worden ist, müssen verfolgt werden." Empörte Reaktionen aus der Politik Bei der Demonstration im Hamburger Stadtteil St. Georg am vergangenen Samstag mit mehr als 1.000 Teilnehmern waren auf Plakaten Slogans wie "Deutschland = Wertediktatur" oder "Kalifat ist die Lösung" zu lesen. Der Anmelder der Kundgebung steht nach Informationen des Hamburger Verfassungsschutzes der Gruppierung "Muslim Interaktiv" nahe, die als gesichert extremistisch eingestuft ist.  Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte bereits am Sonntag reagiert und die Demonstration im "Tagesspiegel" als "schwer erträglich" bezeichnet. Sie forderte ein hartes Einschreiten des Staates bei Straftaten auf solchen Veranstaltungen. Scholz betonte heute, er stehe voll und ganz hinter den Aussagen Faesers. Polizeipräsident für Verbot von "Muslim Interaktiv" Dem Hamburger Polizeipräsidenten Falk Schnabel zufolge verlief die Demonstration am Samstag "größtenteils friedlich". Trotzdem sprach er sich im Gespräch mit NDR Info für ein Verbot der islamistischen Gruppe "Muslim Interaktiv" aus. Er kritisiert ihre Darstellungen einer angeblichen Islamfeindlichkeit in Deutschland und sieht in ihren Tätigkeiten das Potenzial einer Radikalisierung.
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2024-04-29
Eine Gruppe mit enormem Waffenarsenal
Terrorprozess in Stammheim
In Stuttgart hat der Prozess gegen den "militärischen Arm" der mutmaßlichen "Reichsbürger"-Gruppe um Prinz Reuß begonnen. Waren ihre Umsturzpläne realistisch? Die Frage begleitet die Ermittlungen von Anfang an. Von Frank Bräutigam.
In Stuttgart hat der Prozess gegen den "militärischen Arm" der mutmaßlichen "Reichsbürger"-Gruppe um Prinz Reuß begonnen. Waren ihre Umsturzpläne realistisch? Die Frage begleitet die Ermittlungen von Anfang an. Von Frank Bräutigam Große Terrorismusprozesse haben Tradition in Stuttgart-Stammheim. Am Ende der Ortsdurchfahrt stößt man auf das riesige Justizareal. Links liegt das Gefängnis, in dessen 7. Stock früher viele RAF-Terroristen saßen. In der Mitte das alte Gerichtsgebäude, in denen ihnen vor Jahrzehnten der Prozess gemacht wurde. Es wird bald abgerissen. Und rechts der neue Hochsicherheitsgerichtssaal - Schauplatz für den Auftakt einer Serie von Prozessen gegen die mutmaßliche terroristische Vereinigung rund um Heinrich XIII. Prinz Reuß, die einen Umsturz in Deutschland geplant haben sollen. In Stuttgart stehen neun Männer vor Gericht, die laut Anklage Teil des "militärischen Arms" der Gruppe gewesen sein sollen. Auftakt mit hohen Sicherungsvorkehrungen Die Einlasskontrollen am frühen Morgen ziehen sich hin, der geplante Auftakt um 9 Uhr verschiebt sich. Im großen, holzvertäfelten und lichtdurchfluteten Saal werden um kurz nach 10 Uhr die Angeklagten einzeln und nacheinander in den Gerichtssaal geführt. Am Platz nimmt ihnen eine Justizwachtmeister die Handfesseln ab. Angehörige und Bekannte der Angeklagten sitzen im Zuschauerraum. Durch die dicken Trennscheiben aus Glas zwischen Saal und Zuschauerraum suchen und finden die Angeklagten Blickkontakt. Auch von ihren Verteidigerinnen und Verteidigern sind die Angeklagten durch Glastrennscheiben getrennt, Kontakt ist nur über eine Sprechanlage möglich. Gegen 10.20 Uhr kommen die Richterinnen und Richter in den Saal. Vorsitzender ist Joachim Holzhausen. Umsturzpläne und militante "Heimatschutzkompanien" Die beiden Vertreter der Bundesanwaltschaft, Michael Klemm und Kathrin Tandler, verlesen die Anklage. Die mutmaßliche terroristische Vereinigung habe auf Basis der Ideologie der sogenannten "Reichsbürger" einen gewaltsamen Umsturz geplant und habe dabei zum Beispiel den Bundestag stürmen wollen. Die Stuttgarter Angeklagten seien Teil des "militärischen Arms" der Gruppe um Prinz Reuß. Ihnen wirft die Anklage vor allem die Gründung militanter "Heimatschutzkompanien" vor, die nach dem Umsturz für "Säuberungen" zuständig gewesen seien. Mehrere "Feindeslisten" seien bereits erstellt gewesen. Schüsse auf Polizisten bei Festnahme Doch wäre so ein Umsturz überhaupt realistisch gewesen oder vielmehr bloße Spinnerei? Dieser Gedanke begleitet die Ermittlungen von Anfang an. Dass der Staatsstreich geklappt hätte, davon gehen auch die Ermittler nicht aus. Aber erste Schritte hätten schon immensen Schaden anrichten können, davon sind sie überzeugt- bei einer Gruppe mit ehemaligen und einem aktiven Elitesoldaten mit einem enormen Waffenarsenal (380 Schusswaffen, 350 Hieb- und Stichwaffen, 148.000 Munitionsteile). Im Stuttgarter Verfahren spielt zudem der Fall von Markus L. eine wichtige Rolle. Er ist auch wegen versuchten Mordes angeklagt, weil er bei seiner Festnahme in Reutlingen mit griffbereit liegenden Waffen auf Polizisten geschossen hat und sie verletzt hat. Einige Angeklagte wollen sich äußern Gegen Mittag gaben dann einige der Angeklagten an, sich im Laufe des Prozesses zu den Vorwürfen äußern zu wollen. Der Verteidiger und die zwei Verteidigerinnen des Angeklagten Marco v. H. hielten am Nachmittag ein Eröffnungsstatement. Unter anderem sagten sie: Die Anklage sei "die Konstruktion einer terroristischen Vereinigung". Ein faires Verfahren finde nicht statt, weil die Verteidigung nicht richtig mit ihrem Mandanten kommunizieren könne. Außerdem habe eine mediale Vorverurteilung stattgefunden. Die Beweisaufnahme werde zeigen, dass ihr Mandant keine Waffen hortete, kein Schießtraining absolvierte und kein "Reichsbürger" sei. Es werde vielmehr versucht, ihn "in die rechte Ecke zu stellen". Drei parallele Prozesse Der Fall hat nicht nur wegen der konkreten Vorwürfe und der hohen Zahl der Angeklagten eine besondere Dimension. Dass ein Verfahren gegen eine mutmaßliche terroristische Vereinigung auf drei Prozesse aufgeteilt wird, ist absolutes Neuland für die deutsche Justiz. Nach dem Auftakt in Stuttgart folgen am 21. Mai das Oberlandesgericht Frankfurt und am 18.6. das Oberlandesgericht München. Warum das so ist? Ein geeigneter Gerichtssaal für so einen Mammutprozess wäre schwer zu finden gewesen. Womöglich hätte man das Raumproblem aber irgendwie lösen können. Herausforderung für alle Beteiligten Im Vorfeld hatte der Präsident des OLG Stuttgart, Andreas Singer, als Argument genannt, bei einem Mammutprozess gegen 26 Personen könne man nicht gut genug auf jeden einzelnen Angeklagten eingehen und ihm gerecht werden. Man habe die Verfahren auch deswegen getrennt, um sie insgesamt zu beschleunigen, so der Vertreter der Bundesanwaltschaft im Stuttgarter Gerichtssaal. Die Verteidigerinnen und Verteidiger sehen diesen Punkt jedenfalls sehr kritisch. Die Struktur einer mutmaßlichen neuen terroristischen Vereinigung könne ein Gericht nur in einer in einer gemeinsamen Hauptverhandlung feststellen. Weil sie nicht genau mitbekommen, was in den anderen Gerichtssälen verhandelt würde, könnten sie ihre Mandanten nicht effektiv verteidigen. Auf jeden Fall wird es notwendig sein, wichtige Ergebnisse aus den Prozessen in die jeweiligen anderen einzuführen. Wie gut das funktionieren wird, ist eine offene Frage. Die drei parallelen Prozesse sind in dieser Form Neuland und werden jedenfalls zu einer immensen Herausforderung für alle Beteiligten.
/inland/gesellschaft/prozess-reichsbuerger-104.html
2024-04-29
Waldumbau in Europa wird immer schwieriger
Klimawandel
Dass der Klimawandel auch dem Wald zu schaffen macht, ist unumstritten. Mit Aufforstung will man Lichtungen wieder schließen. Doch eine neue Studie stellt fest, dass die Zahl der dafür geeigneten Baumarten drastisch sinkt.
Dass der Klimawandel auch dem Wald zu schaffen macht, ist unumstritten. Mit Aufforstung will man Lichtungen wieder schließen. Doch eine neue Studie stellt fest, dass die Zahl der dafür geeigneten Baumarten drastisch sinkt. Der fortschreitende Klimawandel bedeutet auch für Waldökosysteme massive Veränderungen. Langanhaltende Trockenphasen, Hitze, häufigere Waldbrände, intensivere Herbststürme, Schadorganismen, wie zum Beispiel der Borkenkäfer, sind die Ursache für ein umfangreiches, oft großflächiges Absterben von Bäumen. Um diese Ausfälle zu kompensieren, müssen die betroffenen Wälder mit Baumarten regeneriert werden, die sowohl heutige als auch künftige Klimabedingungen tolerieren. Grundsätzlich gelten Mischwälder als besonders widerstandsfähig gegenüber Störungen, sodass Wiederaufforstungen idealerweise auf diese Wälder abzielen. Doch aktuell ist nicht abschließend geklärt, ob es ausreichend viele Baumarten gibt, um intakte Mischwälder entstehen zu lassen.   Zahl der Baumarten kann um die Hälfte sinken Dieser Frage sind auch Forschende der Universität Wien und der Technischen Universität München nachgegangen und haben ihre Ergebnisse jetzt in einer Studie veröffentlicht. Sie untersuchten zunächst die derzeitige Verbreitung von 69 der häufigsten Baumarten unter Berücksichtigung von Daten von fast 240.000 Standorten in ganz Europa. Anschließend modellierten sie, ob die regionalen Standorte dieser Bäume unter Betrachtung verschiedener Emissionsszenarien bis zum Ende des Jahrhunderts nach definierten Kriterien weiterhin für eine Wiederaufforstung von Waldgebieten geeignet sein würden. Das Ergebnis der kleinräumigen Modellierungen: Die durchschnittliche Anzahl der Baumarten pro Quadratkilometer könnte je nach Szenario zwischen 33 und 49 Prozent abnehmen. Damit wäre der durchschnittliche Pool an europäischen Baumarten, die sich für eine Wiederaufforstung über das gesamte 21. Jahrhundert eignen, kleiner als bei den mutmaßlichen Klimabedingungen am Ende des Jahrhunderts. Erhöhte Sterblichkeit bei Fichte, Kiefer und Buche möglich Christoph Leuschner, Experte für Pflanzenökologie an der Universität Göttingen, sagte dem Science Media Center (SMC): "Unter den heutigen wenigen Wirtschaftsbaumarten in Mitteleuropa - vor allem Fichte, Kiefer, Buche, Eiche, Douglasie - werden vor allem die Fichte, aber in den trockeneren Tieflandregionen auch regional die Buche und Kiefer an Vitalität verlieren und erhöhte Sterblichkeiten aufweisen." Ein Grund dafür ist, dass Bäume, die aktuell zur Wiederaufforstung gepflanzt werden, nicht nur unter heutigen, sondern auch unter künftigen Klimabedingungen geeignet sein müssen - zum Beispiel müssen sie sowohl der Kälte und dem Frost der nächsten Jahre als auch einem am Ende des 21. Jahrhunderts heißeren und möglicherweise trockenerem Klima standhalten. Dieser Effekt führt laut der aktuellen Studie regional bereits zu Engpässen, wenn derzeitige Bewirtschaftungsregeln von Waldgebieten zugrunde gelegt würden. Allerdings unterscheidet sich die Vielfalt der geeigneten Baumarten in Europa bereits heute regional sehr stark, etwa zwischen Deutschland, Finnland und Spanien. Ein Aussterben von nur wenigen verfügbaren Arten in einem Lebensraum mit ohnehin geringer Artenvielfalt kann bereits zu einer kritischen Verringerung der Gesamtzahl der geeigneten Arten führen, während in anderen Regionen dagegen womöglich weiterhin eine größere Auswahl verbleibt.  Optionen für Waldumbau stark eingeschränkt Die Forschenden schließen aus ihren Ergebnissen, dass die Optionen für den Wald(um)bau durch den Klimawandel stärker limitiert sein werden und dass eine wichtige Anpassungsstrategie in der Forstwirtschaft - die Schaffung von Mischwäldern - durch großflächige Verluste klimatisch geeigneter Baumarten in einigen Regionen Europas stark eingeschränkt sein wird.  Henrik Hartmann, Leiter des Instituts für Waldschutz am Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen in Quedlinburg findet es erstaunlich, dass viele immer noch davon ausgingen, den Wald in seiner jetzigen Form und Zusammenstellung bei sich gleichzeitig rasch und dramatisch veränderten klimatischen Bedingungen erhalten zu können oder zu wollen. "Wälder müssen sich verändern" Dem SMC sagte Hartmann, "Wälder sind dynamische Systeme, die sich verändern müssen, um unter veränderten Rahmenbedingungen bestehen zu können. Dazu gehört dann auch eine Umschichtung und eventuell eine Neuzusammenstellung der darin enthaltenen Baumarten. Die Studie zeigt in aller Deutlichkeit, dass einige der für uns heimischen Baumarten es in Zukunft nicht mehr sein werden." "Klima- und Baumwuchsvorhersagen zu simpel" Und Pierre Ibisch, Professor für Naturschutz an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, ist die Studie noch zu optimistisch. Er meint, die angenommenen Mittelwerte und die Zunahme von Temperatur- und Niederschlagsschwankungen reichten nicht aus. "Es spricht einiges dafür, dass das Verschwinden des arktischen Eises und die Abschwächung der atlantischen Meeresströmungen in näherer Zukunft zu noch heftigeren Achterbahnfahrten des Wetters führen werden. Zu simple Klima- und Baumwuchsvorhersagen bereiten uns nicht gut darauf vor." Was in der Studie unter den Tisch falle, sei, dass die Lebens- und Anpassungsfähigkeit von Bäumen beziehungsweise Wäldern lokal und regional ganz erheblich auch von den Böden, dem Mikroklima, der Landnutzung und der Forstwirtschaft abhingen. "In Zukunft werden auch Feuer und biologische Faktoren wie Krankheiten, Schädlinge oder menschliche Reaktionen auf Waldschädigungen das langfristige Funktionieren von Ökosystemen auf sehr ungünstige Entwicklungspfade bringen", sagt Ibisch.
/wissen/klima/klimawandel-waldbau-100.html
2024-04-29
Lieferdienst Getir verlässt deutschen Markt
Hunderte Fahrer verlieren Jobs
Der türkische Lebensmittel-Bringdienst Getir zieht sich aus dem deutschen Markt komplett zurück. Der Fokus soll nun auf der Türkei liegen. Auch das verbliebene restliche Auslandsgeschäft gibt das Unternehmen auf.
Der türkische Lebensmittel-Bringdienst Getir zieht sich aus dem deutschen Markt komplett zurück. Der Fokus soll nun auf der Türkei liegen. Auch das verbliebene restliche Auslandsgeschäft gibt das Unternehmen auf. Der kriselnde Lebensmittel-Lieferant Getir zieht sich aus seinen Auslandsmärkten und damit auch aus Deutschland zurück. "Das Unternehmen wird sich auf seinen Kernmarkt in der Türkei konzentrieren, wo es das größte Potenzial für langfristiges, nachhaltiges Wachstum sieht", teilte Getir heute mit.  Auch die Geschäfte in Großbritannien, den Niederlanden und den USA gibt Getir auf. Lediglich sieben Prozent des Gesamtumsatzes seien in Ländern außerhalb der Türkei erbracht worden, hieß es weiter. Bis zu 1300 Beschäftigte in Deutschland betroffen Gleichzeitig dämpfte Getir Spekulationen über ein komplettes Aus, indem die Firma eine weitere Kapitalspritze der Großaktionäre Mubadala und G Squared ankündigte. Zum bevorstehenden Stellenabbau nannte das Unternehmen keine Details. Ein Teilnehmer einer internen Telefonkonferenz sagte der Nachrichtenagentur Reuters, Getir habe Entlassungen in großem Stil angekündigt. In Deutschland seien zwischen 1.200 und 1.300 Personen betroffen. In der vergangenen Woche hatten mehrere Medien über den geplanten Rückzug aus Deutschland und anderen Staaten berichtet. Im umkämpften sogenannten Quick-Commerce-Geschäft, also dem Liefern von Supermarktprodukten innerhalb weniger Minuten, hatte Getir Ende 2022 den angeschlagenen Konkurrenten Gorillas in Deutschland übernommen. Nachfrage-Rückgang und steigende Kosten Getir hat in den vergangenen Jahren trotz des Booms von Bringdiensten während der Corona-Pandemie hohe Verluste eingefahren. Aktuell leidet das Unternehmen unter einer abflauenden Nachfrage und steigenden Kosten. Im Sommer 2023 hatte Getir bereits den Rückzug aus Spanien, Portugal und Italien verkündet. Wenige Wochen später strich der Bringdienst Tausende Stellen. Damals hieß es, das Unternehmen wolle sich beim Geschäft in Europa vor allem auf Deutschland konzentrieren.
/wirtschaft/unternehmen/getir-verlaesst-deutschland-100.html
2024-04-29
Schuften für einen Hungerlohn
Kongolesische Goldminen
Der Goldpreis war zuletzt hoch wie nie. Doch bei denen, die das Gold in Minen unter Schwerstarbeit abbauen, kommt davon wenig an. Ein kongolesisches Unternehmen will den Handel nun transparenter machen. Von Karin Bensch.
Der Goldpreis war zuletzt hoch wie nie. Doch bei denen, die das Gold in Minen unter Schwerstarbeit abbauen, kommt davon wenig an. Ein kongolesisches Unternehmen will den Handel nun transparenter machen. Von Karin Bensch Es ist dunkel und heiß. Männer quetschen sich durch schmale Tunnel, die mit einfachen Holzstämmen abgestützt sind. Die Goldminenarbeiter in der Demokratischen Republik Kongo müssen zum Teil gebückt gehen, an einigen Stellen auf allen vieren kriechen. Sie schwitzen. Nur das kleine Licht ihrer Stirnlampen durchbricht die Dunkelheit. Die Minenarbeiter arbeiten mit einfachsten Werkzeugen. Sie schlagen das goldhaltige Gestein mit Hammer und Meißel aus der Felswand oder kratzen es aus der Erde. Anschließend schleppen sie das Golderz in schweren Säcken auf ihren Schultern aus der Mine. Es ist ein Knochenjob. "Wir opfern uns für die Arbeit auf" Mitten in Afrika, im Osten der Demokratischen Republik Kongo gibt es das, was alle haben wollen: Gold. Hier ist das Edelmetall sehr rein und deshalb sehr kostbar. Justin ist einer der Minenarbeiter im kleinen Ort Luhihi. Er trägt eine braune Wollmütze und staubige Kleidung. Er wirkt verzweifelt und verärgert zugleich. Er wolle den Behörden des Landes die Nachricht senden, dass sie an sie denken sollen, sagt er. "Wir sind die Kinder dieses Landes, und wir leiden. Wir opfern uns für die Arbeit auf, aber wir finden niemanden, der uns hilft." Geschäft machen vor allem Rebellengruppen Die Goldminen im Osten der Demokratischen Republik Kongo sorgen für großen Reichtum. Doch die Minenarbeiter bekommen meist nur einen Hungerlohn. Das große Geschäft machen vor allem militante Rebellengruppen. Sie kontrollieren die Goldminen, patrouillieren in Camouflage-Uniformen mit Maschinenpistolen und Patronengürteln bewaffnet auf dem Gelände. Im Osten Kongos sollen mehr als 120 bewaffnete Gruppen aktiv sein, die sich einen Anteil an den reichen Goldvorkommen sichern und sich dadurch finanzieren. Gold gelangt illegal auch nach Deutschland Beobachter gehen davon aus, dass das meiste Gold in Nachbarländer geschmuggelt und von dort aus ins Ausland verkauft wird. Auf diese Weise gelangt Gold auf illegale Weise nach Europa, auch nach Deutschland. Dem kongolesischen Staat gehen dadurch Millionen an Steuereinnahmen verloren. Anderseits gibt es auch Vertreter staatlicher Behörden, die gemeinsame Sache mit den Rebellen machen und daran verdienen. Die Herkunft des Goldes ist oft schwer nachzuvollziehen, weil Zertifikate gefälscht werden. Eine Rückverfolgung ist damit häufig nicht möglich. Unternehmen will Goldhandel transparenter machen Seit gut einem Jahr gibt es ein Gemeinschaftsunternehmen namens "Primera Gold". Beteiligt sind die kongolesische Regierung und die Vereinigten Arabischen Emirate. Benjamin Bisimwa arbeitet für die Geschäftsleitung von "Primera Gold". Er sagt, es gehe in erster Linie darum, den Goldhandel transparenter zu machen. "Das Ziel des Unternehmens ist, etwas beizutragen im Kampf gegen Betrug und Schmuggel." Davon hätten bislang vor allem die Nachbarländer Ruanda und Uganda profitiert. Nach eigenen Angaben versucht "Primera Gold" auch, die Situation der Minenarbeiter zu verbessern, etwa mit einer Krankenversicherung. Passiert sei aber noch nicht viel, sagen Kritiker. Zudem sei fraglich, ob von den 45 Prozent, die die Demokratische Republik Kongo an dem Unternehmen hält, tatsächlich langfristig etwas bei den Menschen ankomme - für Schulen, Straßen, Krankenhäusern. Und auch bei den Arbeitern in den Goldminen.
/ausland/afrika/kongo-goldminen-goldpreis-100.html
2024-04-29
Generalstaatsanwaltschaft ermittelt
Getötete Ukrainer in Murnau
Nachdem im bayerischen Murnau zwei Ukrainer von einem Russen erstochen worden sein sollen, ermittelt nun die Generalstaatsanwaltschaft. Ein politischer Hintergrund der Tat könne nicht ausgeschlossen werden.
Nachdem im bayerischen Murnau zwei Ukrainer von einem Russen erstochen worden sein sollen, ermittelt nun die Generalstaatsanwaltschaft. Ein politischer Hintergrund der Tat könne nicht ausgeschlossen werden. Die Generalstaatsanwaltschaft München hat im Fall von zwei in Bayern erstochenen Ukrainern die Ermittlungen übernommen. Ein politischer Hintergrund könne nicht ausgeschlossen werden, teilte die Anklagebehörde mit. Wegen der Tat vom Samstag sitzt ein 57-jähriger russischer Staatsbürger in Untersuchungshaft. Es bestehe dringender Tatverdacht, hatte das Polizeipräsidium Oberbayern Süd am Sonntag mitgeteilt. Bei den beiden 23 und 36 Jahre alten Opfern handelt es sich nach bisherigen Erkenntnissen um ukrainische Soldaten. Motive und Hintergründe der Tat sind noch unklar. Die beiden Männer waren am frühen Samstagabend in Murnau auf dem Gelände eines Einkaufszentrums gefunden worden. Der 36-Jährige erlag noch vor Ort seinen Verletzungen, der 23-Jährige starb nach Polizeiangaben am Abend in einem nahegelegenen Krankenhaus. Ukrainische Soldaten offenbar zur Reha in Deutschland Der Tatverdächtige konnte kurz nach Auffinden der Opfer an dessen Wohnsitz unweit des Tatorts festgenommen werden. Die beiden Opfer waren demnach im Landkreis Garmisch-Partenkirchen wohnhaft. Ukrainischen Medien zufolge waren die beiden Männer nach Kriegsverletzungen zur medizinischen Rehabilitation in Deutschland. Die Generalstaatsanwaltschaft teilte dazu mit, die beiden hielten sich seit der zweiten Jahreshälfte 2023 für medizinische Behandlungen in der Region Murnau auf. Nach den bisherigen Ermittlungen kannten sich die drei Männer. Es habe eine Vorbeziehung bestanden, erläuterten die Ermittler. Es sei davon auszugehen, dass alle drei Alkohol konsumiert hatten. "Bei dem Tatverdächtigen haben wir eindeutige Anhaltspunkte, dass er alkoholisiert war", sagte Polizeisprecher Stefan Sonntag. Reaktionen der Bundesregierung und der Ukraine Zu der Tat äußerte sich auch die Bundesregierung. "Das ist ein besorgniserregender Vorfall, keine Frage", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin. Die Behörden in Bayern würden den Vorfall nun genau untersuchen. "Was das für Motive sind, darüber lässt sich im Augenblick nur spekulieren", fügte er hinzu. Das ukrainische Generalkonsulat kündigte an, die Einheiten der Opfer ausfindig machen und die Familien unterrichten zu wollen. Außenminister Dmytro Kuleba habe angeordnet, die weiteren Entwicklungen genau zu verfolgen und Kontakt mit den deutschen Ermittlungsbehörden zu halten. Dass die Generalstaatsanwaltschaft die Ermittlungen an sich zieht, bedeutet nicht, dass zwingend auch eine politische Tatmotivation hinter dem Fall steckt. Laut Polizeiangaben gab es zunächst auch keine Hinweise darauf, dass der russische Angriffskrieg eine Rolle spielte. In Deutschland leben Hunderttausende Ukrainer und Russen.
/inland/generalstaatsanwaltschaft-ukrainer-murnau-100.html
2024-04-29
Lohnt sich die Nachrüstung alter Kaminöfen?
Neue Grenzwerte für Feinstaub
Mehrere Millionen Kaminöfen dürfen wegen neuer Schadstoffgrenzwerte ab Jahresende nicht mehr betrieben werden. Müssen Besitzer also einen neuen Ofen kaufen? Dazu gibt es eine Alternative. Von Michael Houben.
Mehrere Millionen Kaminöfen dürfen wegen neuer Schadstoffgrenzwerte ab Jahresende nicht mehr betrieben werden. Müssen Besitzer also einen neuen Ofen kaufen? Dazu gibt es eine Alternative. Von Michael Houben, WDR Aus holzbefeuerten Kaminöfen steigt bundesweit mehr Ruß und Feinstaub in die Luft als aus allen Diesel-Fahrzeugen zusammen. Axel Friedrich, 30 Jahre lang Abteilungsleiter im Umweltbundesamt,  Fachmann für Messung von Luftschadstoffen und entscheidend an der Aufdeckung des Dieselskandals beteiligt, misst seit Jahren auch Abgase von Kaminöfen. Er stellt fest: In ländlichen Gemeinden ist die Luft im Winter oft stärker mit Feinstaub belastet als an Hauptverkehrsstraßen von Großstädten. Darum hat schon die schwarz-gelbe Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel im Jahr 2009 beschlossen: Jeder Hersteller muss im Labor nachweisen, dass sein Gerät neue Grenzwerte für Feinstaub einhält. Geräte ohne diese Typprüfung müssen Ende 2024 stillgelegt werden. Blauer Engel für umweltfreundliche Verbrennung Laut Daten des Branchenverbrandes HKI erzeugen moderne Öfen, die seit 2010 verkauft werden, im Labor im Schnitt rund halb so viel Feinstaub wie ihre Vorgänger - eine relativ kleine Verbesserung. Gleichzeitig hat nicht nur das in Straubing ansässige Kompetenzzentrum für Nachwachsende Rohstoffe in unzähligen Studien und Publikationen nachgewiesen, dass die Werte in der alltäglichen Praxis, abhängig von eingestellter Luftzufuhr und Holzqualität, deutlich höher liegen als im Labor. Friedrich zufolge ist laut seinen Messungen fraglich, ob es in der Praxis überhaupt Verbesserung gibt. Um Feinstaub wirklich deutlich zu reduzieren, benötige man spezielle Öfen, heute noch selten zu finden und weitaus teurer als klassische Modelle. Diese seien ausgezeichnet mit dem blauen Engel für besonders umweltfreundliche Verbrennung. Sie schaffen das demnach mit technischen Maßnahmen, vor allem einem Feinstaubabscheider im Abgasrohr. Aber so ein Gerät kann man an jedem Kamin installieren und so auch alte Öfen deutlich sauberer machen als neue Modelle ohne diese Technik. Eine sauberere Alternative Solch ein Staubabscheider schaltet sich ein, sobald im Kamin warme Luft aufsteigt. Er verbraucht nur rund 30 Watt Strom, der ein elektrisches Feld erzeugt. Feine Staubpartikel werden darin statisch geladen. Sie klumpen zusammen, lagern sich an der Kaminwand ab und können beim regelmäßigen Kaminkehren entfernt werden. Experte Friedrich hat in einer Vielzahl von Messungen nachgewiesen, dass aktuelle Abscheider mindestens 90 Prozent des Feinstaubes zurückhalten, meist mehr als 95 Prozent. Das Abgas eines alten Ofens wird dadurch viel sauberer.  Wie Fachgeschäfte reagieren Ein Reporter von ARD Plusminus gab sich bei unterschiedlichen Kaminfachgeschäften als normaler Kunde aus und fragte, ob man ihm so einen Staubabscheider verkaufen könne. Nur einer bot das an. Die anderen erklärten, ein neuer Ofen sei auf jeden Fall besser, eine Nachrüstung ohnehin zu teuer. Es gibt vier Hersteller, doch sie verkaufen aktuell nur kleine Stückzahlen, weitgehend in Handarbeit produziert. Dadurch sind Abscheider noch vergleichsweise teuer. Inklusive Installation kosten sie ähnlich viel wie ein neuer Ofen ohne blauen Engel, rund 2.500 Euro. Abgasexperte Friedrich verweist allerdings darauf, dass die ersten Katalysatoren für Pkw in den Anfangsjahren Tausende von Euro kosteten und mit Beginn der Massenproduktion viel günstiger wurden. Auch von ARD Plusminus befragte Hersteller bestätigen: Wenn bei Stückzahlen von jährlich 'zigtausenden Geräten echte Massenproduktion in Gang käme, könne sich der Preis auf jeden Fall halbieren. Damit wäre eine solche Lösung nicht nur sauberer als ein neu gekaufter Ofen, sondern auch eindeutig preiswerter. Ministerium: Keine Förderung geplant Bei ähnlichen neuen Umwelttechnologien fördert das Bundesumweltministerium (BMU) bislang fast immer die Markteinführung durch finanzielle Anreize. Würde der Staat für die ersten 10.000 Geräte etwa den halben Kaufpreis als Zuschuss zahlen, würde das wenige Millionen Euro kosten, aber eine Massenproduktion in Gang bringen. Auf Anfrage teilte das BMU allerdings mit, eine solche Förderung sei nicht geplant, weil man von der Wirksamkeit dieser Technologie nicht überzeugt sei. Indes sind für größere mit Holz befeuerte Anlagen exakt solche Abscheider teilweise vorgeschrieben und werden staatlich gefördert. Plusminus liegen zahlreiche Messungen vor, die eindeutig belegen, dass die Nachrüstung eines Feinstaubabscheiders auch bei kleinen Holzkaminen deutlich bessere Feinstaubwerte bringt als der Kauf eines neues Ofens. Auch die Sprecherin der deutschen Schornsteinfegerinnung erklärt, falls ein alter Ofen noch technisch intakt sei, würde sie auf jeden Fall die Nachrüstung eines Feinstaubabscheiders empfehlen.
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2024-04-29
Bundeswehr-Offizier gesteht Spionage für Russland
Soldat mit Nähe zur AfD
Ein 54-jähriger Hauptmann der Bundeswehr hat in Düsseldorf gestanden, Russland militärische Informationen angeboten zu haben. Die Nachricht eines AfD-nahen Influencers "vermutlich auf TikTok" habe ihn dazu gebracht.
Ein 54-jähriger Hauptmann der Bundeswehr hat in Düsseldorf gestanden, Russland militärische Informationen angeboten zu haben. Die Nachricht eines AfD-nahen Influencers "vermutlich auf TikTok" habe ihn dazu gebracht. Seit August sitzt ein 54-jähriger Bundeswehrsoldat in Untersuchungshaft. Der Hauptmann hatte zuletzt beim Beschaffungsamt der Bundeswehr in Koblenz gearbeitet. Der Vorwurf: Besonders schwere Spionage zugunsten Russlands. Am Montag hat er ein Geständnis am Oberlandesgericht in Düsseldorf abgelegt. Offenbar Dienstgeheimnisse verraten Ein Vertreter der Bundesanwaltschaft sagte bei der Verlesung der Anklage, dass der 54-Jährige als Hauptmann der Bundeswehr für Systeme der elektronischen Kampfführung zuständig gewesen sei. Vor einem Jahr soll er sich mehrfach an die Russische Botschaft in Berlin und das Generalkonsulat in Bonn gewandt haben, um seine Mitarbeit anzubieten. Dabei hätte er auch einmal Dienstgeheimnisse verraten, die an den russischen Nachrichtendienst gehen sollten. Die Informationen soll der Soldat von sich aus angeboten haben. Angst vor nuklearer Eskalation Sein Ziel sei gewesen, "den russischen Streitkräften vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Lage einen Vorteil zu verschaffen". Vor Gericht sagte der Berufssoldat aus, dass ihn die Angst vor einer nuklearen Eskalation des Ukraine-Krieges angetrieben hat. Deshalb wollte er seine Familie noch rechtzeitig in Sicherheit bringen. Er sei vom baldigen Einsatz taktischer Atomwaffen ausgegangen. Für die rechtzeitige Information, "wann es knallt", habe er Kontakt zur russischen Seite gesucht. "Ich habe nur diesen Weg gesehen", so der Soldat am vor Gericht. Mittlerweile bedauere er dies sehr und sehe es rückblickend als Fehler. Er sei damals in einer sehr schlechten psychischen Verfassung gewesen. "Ich war am Allerwertesten" sagte der Angeklagte weiter. Er habe 18 Kilogramm abgenommen, kaum geschlafen und sei von Ängsten geplagt gewesen.  Der Vorsitzende Richter betonte, für ihn sei die genannte Motivation sehr schwer nachvollziehbar. Es sei für den Angeklagten offenbar leichter gewesen, sein Land zu verraten, als zum Arzt zu gehen. Rückblickend sei das für ihn auch nicht nachvollziehbar, sagte der 54 -Jährige. Durch Video auf Tiktok an Russland gewendet Eine Nachricht "vermutlich auf Tiktok" habe bei ihm den Impuls ausgelöst, sich an das russische Konsulat zu wenden. Der Hauptmann räumte ein, damals bei Tiktok einem pro-russischen, AfD-nahen Influencer gefolgt zu sein. Welche Nachricht das genau gewesen war, daran erinnerte er sich nicht. Angeklagter war Mitglied der AfD Etwa zur gleichen Zeit habe er Kontakt zur AfD aufgenommen und seine Mitgliedschaft beantragt. Nach Angaben des Gerichts war sein Aufnahmeantrag im Juli 2023 genehmigt worden. Eigenen Angaben zufolge hatte der 54-Jährige auch Kontakt zur Partei Die Linke aufgenommen. Deren grundsätzliche Ablehnung der Bundeswehr habe ihn aber abgestoßen.  Zweifel an seinem Handeln seien dem Bundeswehrsoldaten erst Ende Juli 2023 gekommen, als es ihm psychisch wieder besser gegangen sei. Inzwischen habe er seiner Lebensgefährtin eine Vollmacht für seinen Parteiaustritt erteilt. Ob diese schon umgesetzt sei, wisse er aber nicht. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat für den Prozess sieben Verhandlungstage angesetzt bis zum 24. Juni 2024. Bei einer Verurteilung muss der Angeklagte mit bis zu zehn Jahren Gefängnis rechnen. Über dieses Thema berichtet der WDR am 29.04.2024 auch im WDR Fernsehen in der Lokalzeit Rhein Und Ruhr. Unsere Quellen:Nachrichtenagentur dpaWDR-Reporterin vor Ort
/inland/gesellschaft/wdr-prozess-in-duesseldorf-bundeswehrsoldat-wollte-fuer-russland-spionieren-102.html
2024-04-29
Ringen um Geiseldeal - Warnung vor Rafah-Offensive
Nahost-Gespräche in Riad und Kairo
In zwei arabischen Hauptstädten laufen Nahost-Gespräche. Von denen in Kairo könnte abhängen, ob Israel - wie angekündigt - eine Offensive auf Rafah startet. Premier Netanyahu ist in einer Zwickmühle. Von J.-C. Kitzler.
In zwei arabischen Hauptstädten laufen Nahost-Gespräche. Von denen in Kairo könnte abhängen, ob Israel - wie angekündigt - eine Offensive auf Rafah startet. Premier Netanyahu ist in einer Zwickmühle. Von Jan-Christoph Kitzler Es wird in diesen Stunden über die ganz großen und die eher kleineren Fragen verhandelt. Während es bei der Sitzung des Weltwirtschaftsforums im saudischen Riad auch um die Zukunft des Gazastreifens geht, um einen möglichen Wiederaufbau, die Beteiligung der arabischen Staaten und die Rolle der Palästinenser bei all dem, laufen in Kairo wieder einmal Verhandlungen über eine Waffenruhe. Die Fragen, die in Kairo auf dem Tisch liegen, sind seit Monaten die gleichen, die Details ändern sich: Wie viele Geiseln, die noch immer in den Händen der Hamas und weiterer Terrororganisationen sind, werden freigelassen? Wie viele palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen kommen frei? Wie lange dauert die Waffenruhe? Wird es palästinensischen Familien möglich sein, zurückzukehren in den weitgehend zerstörten Norden des Gazastreifens? Und: Was heißt das für die israelische Offensive auf Rafah, deren Planung nach Israelischen Berichten schon steht? Ein Druckmittel in Verhandlungen? Israels Außenminister Israel Katz sagte im Fernsehsender Channel 12, bei einer Einigung würde die Offensive verschoben. "Wir werden alles tun, was nötig ist, um die Geiseln zurückzubringen. Wir treffen alle Vorbereitungen für die Operation, denn das ist das, was getan werden muss, aber ich hoffe, dass es eine Einigung geben wird", so Katz. Unklar ist, ob die zahlreichen Berichte über eine unmittelbar bevorstehende Offensive in Rafah vor allem ein Druckmittel in den Verhandlungen über einen Geiseldeal sind. Denn in der Stadt an der Grenze zu Ägypten suchen immer noch mehr als eine Million Menschen Schutz. Unter anderem die USA fordern, dass sie zunächst evakuiert werden müssten. Auch deshalb appellierte der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, in Riad an die USA, die Rafah-Offensive zu stoppen. Es brauche nur "einen kleinen Schlag" und alle, die in Rafah Schutz gesucht hätten, würden fliehen, so Abbas. "Dann wäre das die größte Katastrophe in der Geschichte des palästinensischen Volkes, und wir hoffen, dass Israel von dieser Aktion Abstand nimmt und diesen Angriff unterlässt." Extreme drohen mit Ende der Koalition Israels Premier Benjamin Netanyahu ist offensichtlich in der Zwickmühle: Einerseits hat er, fast sieben Monate nach dem Terrorangriff der Hamas, noch keines seiner Kriegsziele erreicht. Seine rechtsextremen Koalitionspartner lehnen größere Zugeständnisse ab - zum Beispiel eine Freilassung palästinensischer Gefangener in großer Zahl - und drängen gleichzeitig auf die Bodenoffensive in Rafah. Finanzminister Bezalel Smotrich äußerte sich in einer Videobotschaft und drohte gar mit dem Ende der Regierung: "Wenn sie eine weiße Fahne hissen und den Befehl zur Eroberung von Rafah, zur Vollendung der Zerstörung der Hamas, für den Frieden für die Bewohner des südlichen Israel und alle Bürger des Landes und für die Befreiung der Geiseln widerrufen - dann hat die Regierung nicht mehr das Recht, weiter zu existieren." Gleichzeitig betont Israel in diesen Tagen seine Bemühungen, mehr Hilfsgüter in den Gazastreifen zu lassen. Nach Angaben der Vereinten Nationen kamen im April im Durchschnitt rund 200 Lastwagen am Tag in das Gebiet - und damit mehr als bisher. "Es kommt mehr nach Gaza als je zuvor" In den vergangenen Wochen sei die humanitäre Hilfe für den Gazastreifen deutlich erhöht worden, sagt auch Daniel Hagari, der Sprecher der israelischen Streitkräfte. In den kommenden Tagen werde sie "noch weiter zunehmen" und es würden Lebensmittel, Wasser, medizinische Güter, Ausrüstung für Unterkünfte und andere Hilfsgüter gebracht. "Es kommt mehr nach Gaza als je zuvor", so der Militärsprecher. Trotzdem: Nach UN-Angaben leiden immer noch mindestens 20 Prozent der Menschen im Gazastreifen an akutem Nahrungsmangel. Das liegt nicht nur daran, ob und wie viele Hilfsgütern in den Küstenstreifen kommen, sondern auch an ihrer Verteilung.
/ausland/asien/nahost-geiseln-verhandlungen-100.html
2024-04-29
Militärstruktur laut Anklage weit fortgeschritten
"Reichsbürger"-Prozess
In Stuttgart müssen sich neun mutmaßliche "Reichsbürger" der Reuß-Gruppe vor Gericht verantworten. Zum Prozessauftakt legte die Bundesanwaltschaft dar, wie weit der Aufbau einzelner militärisch organisierter Gruppen teils war.
In Stuttgart müssen sich neun mutmaßliche "Reichsbürger" der Reuß-Gruppe vor Gericht verantworten. Zum Prozessauftakt legte die Bundesanwaltschaft dar, wie weit der Aufbau einzelner militärisch organisierter Gruppen teils war. Unter massiven Sicherheitsvorkehrungen hat vor dem Oberlandesgericht Stuttgart der Prozess gegen neun Angeklagte aus der mutmaßlichen Terrorgruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß begonnen. Die Bundesanwaltschaft wirft den Angeklagten, die dem "militärischen Arm" der Gruppe angehört haben sollen, vor, Mitglieder einer terroristischen Vereinigung zu sein sowie ein hochverräterisches Unternehmen vorbereitet zu haben. Einigen wird zudem unerlaubter Waffenbesitz zur Last gelegt, einem auch versuchter Mord. Wie die Bundesanwaltschaft zum Auftakt des Prozesses ausführte, soll der Aufbau der organisierten Verbände - sogenannter Heimatschutzkompanien - teilweise weit fortgeschritten gewesen sein. So hätten in zwei Fällen Verantwortliche bereits selbst aktiv werden können. Rekrutierer ernannt Innerhalb der "Kompanie 221", die die Bereiche Tübingen und Freudenstadt in Baden-Württemberg hätte abdecken sollen, seien bereits Zuständige für die Rekrutierung weiteren Personals ernannt worden, hieß es in der verlesenen Anklage. Auch die Kompanie, die für Jena sowie die Kreise Saale-Holzland und Saale-Orla habe zuständig sein sollen, habe selbst tätig werden können. Zudem seien vielfältige Aktionen registriert worden, weitere Heimatschutzkompanien aufzubauen, sagte der Vertreter der Bundesanwaltschaft. Die Kompanien hätten laut Anklage nach einer potenziellen Machtübernahme der Gruppe politische "Säuberungsaktionen" in ihrem Zuständigkeitsbereich durchführen sollen. Wie im Vorfeld aus den Ermittlungsakten bekannt wurde, waren Polizisten im Fall der "Kompanie 221" bei Durchsuchungen auf umfangreiche Organigramme, auf Teilnehmerlisten und Aufstellungen über Fähigkeiten und Waffenkenntnisse gestoßen. Auch führten die Ermittlungen demnach unter anderem direkt zu einem Bundeswehrsoldaten des Kommando Spezialkräfte (KSK) in Calw. Dort stand mit Stabsfeldwebel Andreas M. ein Soldat im Dienst, der neben seiner Bundeswehrtätigkeit offenbar auch am Aufbau privater Heimatschutzkompanien gearbeitet haben soll. Verteidiger scheitern mit Forderung nach Prozess-Aussetzung Beim Prozessauftakt in Stuttgart kritisierten mehrere Verteidiger die Aufteilung des Verfahrens auf drei Oberlandesgerichte. Nach Worten eines Anwalts sei eine effektive Strafverteidigung nicht möglich, weil die Erkenntnisse in einem Prozess nur schwer in die anderen einließen könnten. Die Aufteilung auf drei Gerichte sei nicht praktikabel. Eine Zusammenlegung sei im Interesse einer umfassenden Aufklärung, sagte eine Verteidigerin. Es bestehe die Gefahr, dass Zeugen in den drei unterschiedlichen Prozessen unterschiedliche Aussagen machten.  Die Verteidiger hatten daher eine Aussetzung des Stuttgarter Prozesses gefordert. Der Vorsitzende Richter Joachim Holzhausen lehnte den Antrag jedoch ab. Zwei Angeklagte wollen aussagen Insgesamt gibt es in der "Reichsbürger"-Prozessserie 27 Beschuldigte. Jedem von ihnen muss dabei die Schuld persönlich nachgewiesen werden. Dies würde ein einzelnes Gericht durch die Dimension des Verfahrens überfordern - daher sollen die Prozesse an drei Gerichten parallel stattfinden. In Stuttgart stehen daher nun neun Angeklagte vor Gericht, die Mitglieder des "militärischen Arms" der Gruppe sein sollen. Zwei von ihnen kündigten an, sich zu den Vorwürfen der Bundesanwaltschaft äußern zu wollen. Sie seien bereit, Angaben zur Person und zur Sache zu machen, sagten sie. Ein weiterer Angeklagter kündigte an, Angaben zur Person, aber nicht zur Sache machen zu wollen. Die restlichen sechs Angeklagten wollen zunächst überhaupt keine Angaben machen. Wann die beiden Angeklagten aussagen sollen, ist noch nicht klar. Bis Januar 2025 hat das Oberlandesgericht Stuttgart Verhandlungstermine angesetzt. Sollten die Angeklagten verurteilt werden, drohen ihnen langjährige Haftstrafen. Die weiteren Prozesse in Frankfurt am Main und München beginnen am 21. Mai beziehungsweise 18. Juni. In Frankfurt sind die mutmaßlichen Rädelsführer - darunter auch Reuß - angeklagt.
/inland/gesellschaft/prozess-reichsbuerger-102.html
2024-04-29
Inflationsrate verharrt bei 2,2 Prozent
Teuerung im April
Die deutsche Inflationsrate ist im April stabil geblieben. Bereits im März war sie mit 2,2 Prozent auf den niedrigsten Wert seit knapp drei Jahren gefallen. Einen weiteren Rückgang erwarten Experten vorerst nicht.
Die deutsche Inflationsrate ist im April stabil geblieben. Bereits im März war sie mit 2,2 Prozent auf den niedrigsten Wert seit knapp drei Jahren gefallen. Einen weiteren Rückgang erwarten Experten vorerst nicht. Die Inflation in Deutschland verharrt überraschend auf ihrem zuletzt deutlich gesunkenen Niveau. Im April stiegen die Verbraucherpreise wie schon im März um 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt heute zu seiner ersten Schätzung mitteilte. Von März auf April zogen die Preise um 0,5 Prozent an. Die Inflationsrate bleibt damit auf dem niedrigsten Stand seit April 2021, als sie bei 2,0 Prozent lag. Im Dezember vergangenen Jahres hatte sie noch 3,7 Prozent betragen und war seitdem stetig zurückgegangen. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten nun jedoch mit einem erneuten Anstieg der Teuerungsrate auf 2,3 Prozent gerechnet. Extrem hohe Preisraten sind Geschichte Trotz des Auslaufens der Preisbremsen für Energieprodukte zu Jahresbeginn und der ebenfalls ab Januar wirkenden CO2-Preis-Erhöhung für fossile Brennstoffe wie Kraftstoffe, Heizöl und Erdgas seien die Energiepreise weiter gesunken, so die Statistiker. Allerdings nicht mehr so stark wie im April, als sie um 2,7 Prozent fielen. Ein Grund dafür ist die zum 1. April auf 19 Prozent erhöhte Mehrwertsteuer für Gas und Fernwärme - sie war während der Energiekrise infolge des russischen Kriegs gegen die Ukraine vorübergehend auf sieben Prozent abgesenkt worden. Nahrungsmittel kosteten im April 0,5 Prozent mehr als vor Jahresfrist (März: minus 0,7 Prozent). Für Dienstleistungen wurden 3,4 Prozent mehr verlangt (März: plus 3,7). Die sogenannte Kerninflation - bei der Energie- und Lebensmittelpreise herausgerechnet werden - sank derweil auf 3,0 Prozent. Im März war die Kerninflationsrate noch um 3,3 Prozent gestiegen. "Die aktuellen Inflationszahlen zeigen, dass der Abwärtstrend bei der Teuerung in Deutschland ungebrochen ist", sagte Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung. Ähnlich sieht es Dekabank-Chefsvolkswirt Ulrich Kater: "Aus Verbrauchersicht bleibt die Inflation im grünen Bereich." Die extrem hohen Inflationsraten aus den vergangenen zwei Jahren seien Geschichte. Mehr Unternehmen wollen künftig Preise erhöhen Im Jahresschnitt erwarten führende Wirtschaftsforschungsinstitute eine deutliche Abschwächung der Inflation in Europas größter Volkswirtschaft auf 2,3 Prozent nach 5,9 Prozent im vergangenen Jahr. Niedrigere Inflationsraten können die Konsumlust von Verbraucherinnen und Verbrauchern ankurbeln. Das IMK machte jüngst in einer Umfrage unter 9.600 Menschen eine spürbare Zunahme der Konsumneigung in allen Einkommensgruppen aus, insbesondere bei Freizeit, Unterhaltung und Kultur. Es gebe Indizien für eine "bevorstehende Konsumwende" - vor allem dann, "wenn im Jahresverlauf die Inflationsrate weiter sinkt und mit steigenden Nominallöhnen auch die Reallöhne nach mehreren Jahren des Rückgangs wieder steigen", hieß es in der Auswertung. Allerdings könnte der Weg dorthin mühsamer werden als erhofft. Denn in den kommenden Monaten wollen nach einer ifo-Umfrage wieder mehr Unternehmen ihre Preise erhöhen - vor allem in der Gastronomie und im Einzelhandel. "In den kommenden Monaten dürfte die Inflation erst einmal nicht weiter zurückgehen und bei knapp über zwei Prozent verharren", schlussfolgerte ifo-Konjunkturexperte Sascha Möhrle. "Die letzte Wegstrecke zum Preisziel wird schwer, und das zeigt sich derzeit", meint auch Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Wahrscheinlich werde die Inflationsrate demnächst auch noch mal leicht steigen. "Am Umfeld einer Quasi-Preisstabilität ändert das nichts." Die Europäische Zentralbank (EZB) strebt eine Inflation von mittelfristig 2,00 Prozent als optimales Niveau für den Währungsraum an.
/wirtschaft/konjunktur/inflationsrate-teuerung-april-100.html
2024-04-29
Anteil der Kinder in Grundsicherung auf Höchststand
Zahlen des Kinderhilfswerks
Minderjährige in Deutschland sind weiter in besonderem Maß von Armut betroffen. Das zeigen neueste Daten des Deutschen Kinderhilfswerks.
Minderjährige in Deutschland sind weiter in besonderem Maß von Armut betroffen. Das zeigen neueste Daten des Deutschen Kinderhilfswerks. Der Anteil der Kinder und Jugendlichen, die Grundsicherung beziehen, bleibt auf einem Höchststand. "Mehr als ein Drittel der Grundsicherungsbeziehenden sind Kinder und Jugendliche, obwohl deren Anteil an der Gesamtbevölkerung in Deutschland derzeit nur bei knapp 17 Prozent liegt", sagt Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes. Damit seien Kinder und Jugendliche in besonderem Ausmaß von Armut getroffen. Nach Zahlen des Deutschen Kinderhilfswerks liegt der Anteil der unter 18-Jährigen in der Grundsicherung bei 33,9 Prozent. Damit setzt sich ein negativer Trend fort: Vor fünf Jahren lag dieser Wert demnach bei 33,1 Prozent, vor zehn Jahren bei 30,3 Prozent. Das Kinderhilfswerk bezieht sich auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Zwar sei die absolute Zahl der Kinder und Jugendlichen in sogenannten Bedarfsgemeinschaften jetzt geringer als noch Mitte der 2000er-Jahre, da insgesamt weniger Menschen Grundsicherung beziehen, so das Kinderhilfswerk. Der Anteil der Minderjährigen steige aber und sei aktuell auf einem "historischen Höchststand". Forderung nach mehr Unterstützung für arme Familien Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert kurzfristig bessere Unterstützung für Familien, die von Armut betroffen sind. Dazu gehörten Nachbesserungen bei den Bürgergeld-Regelsätzen für Kinder und Jugendliche sowie verstärkte Anstrengungen, um die Inanspruchnahme des Kinderzuschlags weiter zu steigern. "Wir müssen erreichen, dass Familien die ihnen zustehenden Leistungen auch in Anspruch nehmen und alle Kinder gute Entwicklungschancen haben", betonte Krüger. Grundsätzlich sieht die Organisation in den vorgelegten Zahlen aber eine Bestätigung der Notwendigkeit der Kindergrundsicherung. "Wenn wir Kinderarmut wirksam bekämpfen wollen, führt kein Weg an der Kindergrundsicherung vorbei", so Krüger weiter. Sozialreform sorgt für Streit in der Ampel Das Bundeskabinett beschloss im September 2023 einen Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung. Dies gilt als die größte Sozialreform der Ampelkoalition und soll das Kindergeld, den Kinderzuschlag für einkommensarme Familie und die Sozialleistungen für Kinder bündeln. Die Einführung ist aktuell für 2025 geplant. Allerdings gibt es über die konkrete Ausgestaltung seit Wochen Streit in der Regierung. Vor allem die FDP kritisiert die Einführung neuer Verwaltungsstellen, die für die Umsetzung geschaffen werden sollen. Wann der Bundestag abschließend über das Vorhaben beraten wird, ist noch unklar. In einer früheren Version war der Artikelbeginn falsch formuliert. Es beziehen nicht 33,9 Prozent der unter 18-Jährigen Grundsicherung. Vielmehr sind 33,9 Prozent der Grundsicherungsempfänger Minderjährige. Wir haben dies korrigiert.
/inland/gesellschaft/kinderhilfswerk-grundsicherung-100.html
2024-04-29
Lohngefälle zwischen Gering- und Topverdienern sinkt
Statistisches Bundesamt
Die Verdienstunterschiede in Deutschland sind zuletzt etwas geringer geworden - das liegt vor allem am gestiegenen Mindestlohn. Im Westen bleibt das Lohngefälle allerdings deutlich größer als im Osten.
Die Verdienstunterschiede in Deutschland sind zuletzt etwas geringer geworden - das liegt vor allem am gestiegenen Mindestlohn. Im Westen bleibt das Lohngefälle allerdings deutlich größer als im Osten. Das Lohngefälle zwischen Gering- und Topverdienern in Deutschland hat sich wegen der deutlichen Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns verringert. Besserverdienende erhielten im April 2023 im Schnitt das 2,98-Fache des Bruttostundenverdienstes von Geringverdienenden, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Im April 2022 war es noch das 3,28-Fache gewesen. Zuvor hatte sich der Abstand seit 2018 kaum verändert. Verdienste der Geringverdiener steigen um 12,4 Prozent "Treiber für diese Entwicklung war der vergleichsweise starke Verdienstzuwachs bei den Geringverdienenden aufgrund des gestiegenen Mindestlohns", erklärten die Statistiker den aktuellen Rückgang der sogenannten Lohnspreizung. Der gesetzliche Mindestlohn ist von April 2022 bis April 2023 von 9,82 Euro auf 12 Euro die Stunde angehoben worden. Dadurch erhöhten sich die Verdienste der untersten Gruppe um durchschnittlich 12,4 Prozent, die der oberen dagegen nur um 1,9 Prozent. Zu den Geringverdienern und damit zu den unteren zehn Prozent der Lohnskala zählte eine Person im April vergangenen Jahres bei einem Bruttostundenverdienst von bis zu 12,25 Euro. Wer mindestens 36,48 Euro Bruttostundenlohn bekam, gehörte dagegen zu den Besserverdienern und damit zu den oberen zehn Prozent. In West- und Ostdeutschland fielen die Veränderungen beim Lohngefälle zuletzt ähnlich aus. Sowohl im Westen als auch im Osten sank der Verdienstabstand. Dennoch bleibt das Lohngefälle im Westen deutlich größer als im Osten: So erhielten Besserverdienende in Westdeutschland im April 2023 den 3,04-fachen Bruttostundenverdienst von Geringverdienenden, während die in Ostdeutschland den 2,49-fachen Verdienst erzielten. Im April 2022 lag der Verdienstabstand im Westen bei 3,34 und im Osten beim Faktor 2,8, so das Statistische Bundesamt. Arbeitskräftenachfrage und Tarifbindung sinken weiter Derweil wirkt sich die schwache Konjunktur in Deutschland immer stärker auf die Arbeitskräftenachfrage aus - also die Suche von Arbeitgebern nach Beschäftigten. Der um jahreszeitliche Einflüsse bereinigte Stellenindex BA-X sei von März auf April um zwei Punkte auf 111 Zähler gesunken, teilte die Bundesagentur für Arbeit (BA) mit. Das seien zwölf Punkte weniger als ein Jahr zuvor und 27 Punkte weniger als beim Allzeithoch im Mai 2022. In fast allen Wirtschaftszweigen sei die Arbeitskräftenachfrage im Vergleich zum Vorjahresmonat gesunken. In absoluten Zahlen verzeichne die Zeitarbeit den größten Rückgang. Am Dienstag legt die BA die Arbeitslosenzahlen für April vor. Angesichts der lahmenden Wirtschaft hatte der Arbeitsmarkt zuletzt geschwächelt, die übliche Frühjahrsbelebung setzte schwächer ein als üblich. Unterdessen schwindet auch die Tarifbindung in Deutschland immer weiter. Im vergangenen Jahr waren nach einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung nur noch 49 Prozent der Beschäftigten in tarifgebundenen Betrieben tätig. Im Jahr 2000 habe der Anteil noch 68 Prozent betragen. Dabei seien Arbeitnehmer mit Tarifvertrag der Studie zufolge im Vorteil. Demnach müssen Vollzeitbeschäftigte in tariflosen Betrieben im Mittel 53 Minuten in der Woche länger arbeiten und erhalten dennoch zehn Prozent weniger Gehalt als Tarifbeschäftigte.
/wirtschaft/arbeitsmarkt/lohngefaelle-arbeitsnachfrage-tarifvertraege-100.html
2024-04-29
Westliche Banken zahlen Millionen an Russland
800 Millionen Euro Steuern
Über 800 Millionen Euro Steuern haben große westliche Banken 2023 an Russland gezahlt. Das zeigt eine Analyse der Financial Times. Profitiert haben sie bei ihren hohen Gewinnen von den Zinsen und den Sanktionen.
Über 800 Millionen Euro Steuern haben große westliche Banken 2023 an Russland gezahlt. Das zeigt eine Analyse der Financial Times. Profitiert haben sie bei ihren hohen Gewinnen von den Zinsen und den Sanktionen. Die größten westlichen Banken, die nach wie vor in Russland tätig sind, haben dem Kreml einer Analyse zufolge im vergangenen Jahr mehr als 800 Millionen Euro an Steuern gezahlt. Im Vergleich zum Niveau vor dem russischen Angriff auf die Ukraine habe sich die Höhe vervierfacht, obwohl die Geldhäuser versprochen hätten, ihr Russland-Engagement zu minimieren, wie die Financial Times (FT) heute berichtet. Zwei Jahre zuvor waren es danach noch 200 Millionen Euro. Konkurrenten von internationalen Zahlungssystemen ausgeschlossen Die sieben nach Vermögenswerten größten europäischen Banken in Russland sind laut der FT Raiffeisen Bank International, UniCredit, ING, Commerzbank, Deutsche Bank, Intesa Sanpaolo und OTP. Gemeinsam hätten sie dort für das Jahr 2023 Gewinne von insgesamt mehr als drei Milliarden Euro gemeldet. Diese seien dreimal so hoch wie im Jahr 2021 gewesen und teilweise durch Mittel erzielt worden, die die Banken nicht aus dem Land abziehen konnten. Der Gewinnsprung habe dazu geführt, dass die europäischen Banken rund 800 Millionen Euro an Steuern zahlten, berichtet die Zeitung. Umgerechnet mache das etwa 0,4 Prozent der für 2024 erwarteten Haushaltseinnahmen Russlands (ohne Energie) aus. Das sei ein Beispiel dafür, wie ausländische Unternehmen dem Kreml weiter helfen, trotz der westlichen Sanktionen die finanzielle Stabilität zu erhalten. Mit Blick auf die Gewinne haben die ausländischen Kreditgeber nach Ansicht der FT nicht nur von den hohen Zinssätzen infolge der hohen Inflation in Russland profitiert, sondern auch von den internationalen Sanktionen gegen russische Banken. Weil ihren Konkurrenten durch den Ausschluss aus dem Interbankensystem SWIFT der Zugang zu internationalen Zahlungssystemen verwehrt wurde, seien sie für die Kunden im Land attraktiver geworden. Auch US-Großbanken verdienen viel in Russland Mehr als die Hälfte der Steuerzahlungen der europäischen Banken in Höhe von 800 Millionen Euro entfallen der FT zufolge auf die österreichische Raiffeisen Bank International (RBI), die unter den ausländischen Kreditgebern die größte Präsenz in Russland hat. Die russischen Gewinne der RBI hätten sich zwischen 2021 und 2023 auf 1,8 Milliarden Euro mehr als verdreifacht - trotz der Ankündigungen, ihre Aktivitäten im Land zu verkleinern. US-Banken zahlten derweil ebenfalls weiter Millionen an Steuern, wie es in der Zeitung heißt. Trotz der Schließung ihres Firmen- und Privatkundengeschäfts war die Citigroup nach Berechnungen der Kiew School of Economics 2023 auf Grundlage von Daten der russischen Zentralbank der viertgrößte Steuerzahler in Russland. Das Geldhaus erwirtschaftete 149 Millionen Dollar Gewinn und 53 Millionen Dollar Steuern. JPMorgan verdiente 35 Millionen Dollar und zahlte 6,8 Millionen Dollar Steuern, so die Forschungseinrichtung. Einst galt die US-Großbank als Hauptauftragnehmer russischer Banken für die Eröffnung von Korrespondenzkonten in US-Dollar. Bereits seit 2022 versucht sie aber offenbar, das Land zu verlassen, sieht sich aber einer millionenschweren Klage ihres ehemaligen Partners in Russland, der VTB, gegenüber.
/wirtschaft/weltwirtschaft/westliche-banken-russland-steuern-100.html
2024-04-29
Schottischer Regierungschef Yousaf tritt zurück
Nach Aus der Koalition
Schottlands "First Minister" Yousaf hat seinen Rücktritt angekündigt. Zuvor war seine Regierungskoalition mit den Grünen im Streit über Klimaziele zerbrochen. Yousafs Partei hat nun 28 Tage Zeit, einen Nachfolger zu bestimmen.
Schottlands "First Minister" Yousaf hat seinen Rücktritt angekündigt. Zuvor war seine Regierungskoalition mit den Grünen im Streit über Klimaziele zerbrochen. Yousafs Partei hat nun 28 Tage Zeit, einen Nachfolger zu bestimmen. Nach 13 Monaten im Amt hat der schottische Regierungschef Humza Yousaf seinen Rücktritt angekündigt. Er habe das Wochenende darüber nachgedacht, was das Beste für seine Partei, die Regierung und das Land sei, sagte der Vorsitzende der Schottischen Nationalpartei SNP. Er sei zu dem Schluss gekommen, dass die politischen Gräben nur mit jemand anderem an der Spitze überwunden werden könnten. Er wolle noch im Amt bleiben, bis ein Nachfolger feststehe. Yousaf hatte vergangene Woche im Streit über die Klimaschutzpolitik die Zusammenarbeit der SNP mit den Grünen beendet. Die vereinbarte Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2030 um 75 Prozent sei nicht zu erreichen, sagte er zur Begründung. Yousaf entschuldigt sich bei Grünen Die Grünen warfen dem Regierungschef daraufhin vor, Vertrauen zerstört zu haben. Yousaf entschuldigte sich nun dafür. Er habe den Schmerz über diese Entscheidung unterschätzt. Ohne die Grünen hat Yousafs SNP keine Mehrheit mehr im Regionalparlament. Die Opposition kündigte ein Misstrauensvotum gegen den "First Minister" und dessen Regierung an. Dem kommt Yousaf nun zuvor. Nachfolger oder Neuwahl Die SNP muss jetzt einen neuen "First Minister" vorschlagen. Als Kandidaten gelten der frühere Regierungsvize John Swinney und die Abgeordnete Kate Forbes, die im März 2023 die parteiinterne Abstimmung knapp gegen Yousaf verloren hatte. Auch Gesundheitsminister Neil Gray und Bildungsministerin Jenny Gilruth wurden genannt. Yousaf zeigte sich zuversichtlich, dass seine Nachfolgerin oder sein Nachfolger erfolgreich eine Minderheitsregierung führen werde. Stimmt das Parlament nicht innerhalb von 28 Tagen für einen neuen Regierungschef, kommt es zu einer vorgezogenen Neuwahl. Mehrere Rückschläge seit Amtsantritt Yousaf war Ende März 2023 nach dem Rücktritt der langjährigen Regierungschefin Nicola Sturgeon ins Amt gekommen. Er war unter ihr Gesundheitsminister gewesen und galt als ihr Vertrauter.  Seit seinem Amtsantritt musste die SNP immer wieder Rückschläge hinnehmen. Ein liberales Gendergesetz, das auch innerhalb der Partei umstritten war, wurde von der britischen Zentralregierung per Veto verhindert. Hinzu kam eine Finanzaffäre, im Zuge derer auch Sturgeons Ehemann Peter Murrell - einst als SNP-Generalsekretär für die Parteifinanzen zuständig - wegen Veruntreuung angeklagt wurde.
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2024-04-29
Sánchez tritt nicht zurück
Spanischer Regierungschef
Weil es Korruptionsvorwürfe gegen seine Frau gibt, hatte Spaniens Ministerpräsident Sánchez über einen Rücktritt nachgedacht. Nun hat er entschieden, im Amt zu bleiben. Die Vorwürfe sieht er als Teil einer Schmutzkampagne.
Weil es Korruptionsvorwürfe gegen seine Frau gibt, hatte Spaniens Ministerpräsident Sánchez über einen Rücktritt nachgedacht. Nun hat er entschieden, im Amt zu bleiben. Die Vorwürfe sieht er als Teil einer Schmutzkampagne. Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez will nicht von seinem Amt zurücktreten. Das gab er in einer Ansprache bekannt. Er hatte am vergangenen Mittwoch überraschend angekündigt, die Regierungsgeschäfte einige Tage ruhen zu lassen, um über einen Rücktritt nachzudenken. Hintergrund sind Korruptionsvorwürfe gegen seine Frau. "Ich habe beschlossen, mit - wenn möglich - noch mehr Kraft an der Spitze der Regierung weiterzumachen", sagte Sánchez vor dem Regierungspalast Moncloa in Madrid. Zu seiner Entscheidung, zu der er zusammen mit seiner Frau gekommen sei, hätten auch die Solidaritätskundgebungen seiner Anhänger am Wochenende in Madrid und anderen Städten beigetragen. Sánchez rief dazu auf, gegen den "Sumpf" in der Politik zu kämpfen. Regierungschef wertet Anzeige als Schmutzkampagne Sánchez ist Chef der mitte-links stehenden Sozialistischen Partei und regiert das Land seit 2018 - derzeit mit einer Minderheitsregierung, die bei der Verabschiedung von Gesetzen auch auf die Unterstützung der katalanischen und baskischen Separatistenparteien angewiesen ist. Insbesondere die Entscheidung der Regierung, Hunderten katalanischen Separatisten Amnestie für ihre Beteiligung an den gescheiterten Unabhängigkeitsbestrebungen 2017 zu gewähren, hat zu Wut im rechten und konservativen Lager gesorgt. Sánchez' Ehefrau Begoña Gómez wird laut einem Gericht in Madrid "Einflussnahme und Korruption im Geschäftsleben" im Zusammenhang mit Corona-Hilfsgeldern vorgeworfen. Die Ermittlungen gehen auf eine Anzeige der Organisation "Manos Limpias" ("Saubere Hände") zurück. Diese soll rechtsextremen Kreisen nahestehen. Aus Sicht von Sánchez ist die Anzeige Teil einer Schmutzkampagne der Rechten und Rechtsextremen. Sánchez: Kein politisches Kalkül Der Regierungschef hatte seit vergangenem Mittwoch alle Termine abgesagt und sich eine Art Bedenkzeit erbeten, um über seine Zukunft zu entscheiden. Die oppositionelle konservative Volkspartei sah darin einen taktischen Trick, um Unterstützung in Wahlkämpfen zu gewinnen, und bezeichnete sein Verhalten als leichtsinnig, pubertär und unwürdig. Sánchez' Unterstützer argumentieren hingegen, seine Rücktrittsandrohung sei ein Weckruf gewesen, um gegen unbegründete Angriffe vorzugehen, die die spanische Politik vergifteten. Ähnlich äußerte sich Sánchez nun auch in seiner Rede: Er habe "innehalten und über die wachsende Polarisierung in der Politik nachdenken" müssen, die zunehmend von gezielter Desinformation geprägt sei. "Zu lange haben wir zugelassen, dass dieser Dreck unser politisches und öffentliches Leben mit giftigen Methoden korrumpiert, die noch vor wenigen Jahren unvorstellbar waren", so Sánchez weiter. Bei seinen Gedankenspielen zu einem Rücktritt habe es sich nicht um politisches Kalkül gehandelt. Anzeige beruht auf nicht überprüften Medienberichten "Manos Limpias" wirft Sánchez' Ehefrau - die kein öffentliches Amt bekleidet - vor, ihren Einfluss zum geschäftlichen Vorteil genutzt zu haben. "Manos Limpias" räumte jedoch ein, die Anzeige basiere auf Medienberichten, die durchaus falsch sein könnten. Die Gruppe hatte bereits mehrere erfolglose Klagen gegen Politiker eingereicht. Der Journalist Javier Chicote leitet das Investigativ-Ressort der konservativen Zeitung ABC. Er hat ein Buch über "Manos Limpias" geschrieben und sagt, der 82 Jahre alte "Manos Limpias"-Gründer Miguel Bernard sei ein Rechtsextremist und habe über die Jahre versucht, seine extremistische Haltung zu verbergen und sich als Demokrat auszugeben. Aber er sei "zweifelllos ein Franco-Sympathisant". Bernard habe sogar bei den Wahlen von 1982 auf Platz 4 der Liste der Fuerza Nueva in Madrid kandidiert und für die Gewerkschaft der Partei gearbeitet, die Fuerza Nacional del Trabajo (Nationale Arbeitskraft). Deshalb sei "Manos Limpias" auch eher eine Pseudo-Gewerkschaft, deren einzige Tätigkeit darin bestanden habe, Anzeigen zu erstatten, so Chicote. Mit Informationen von Franka Welz, ARD Madrid
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2024-04-29
Polizei verhört Schauspieler Depardieu
Klagen wegen sexueller Übergriffe
Schon mehrfach ist Gérard Depardieu sexueller Übergriffe beschuldigt worden. Nun musste der französische Filmstar für ein Verhör zur Polizei. Es geht um Übergriffe, die sich 2014 und 2021 ereignet haben sollen.
Schon mehrfach ist Gérard Depardieu sexueller Übergriffe beschuldigt worden. Nun musste der französische Filmstar für ein Verhör zur Polizei. Es geht um Übergriffe, die sich 2014 und 2021 ereignet haben sollen. Wegen erneuter Vorwürfe sexueller Übergriffe ist der französische Schauspieler Gérard Depardieu von der Polizei zum Verhör geladen worden. Eine Sprecherin der Kanzlei seines Anwalts bestätigte der Nachrichtenagentur dpa entsprechende Medienberichte. Den Berichten zufolge geht es dabei um zwei Klagen, die Frauen Anfang des Jahres unabhängig voneinander gegen den 75-Jährigen eingereicht hatten. Eine Dekorateurin hatte angegeben, Depardieu habe sie bei den Dreharbeiten zum Film "Les Volets verts" sexuell belästigt. Eine weitere Frau hatte dem Darsteller Berührungen im Intimbereich und obszöne Äußerungen bei den Dreharbeiten zum Kurzfilm "Le Magicien et les Siamois" vorgeworfen. Die Übergriffe sollen sich in den Jahren 2014 und 2021 ereignet haben. Frauen machen Filmbranche mitverantwortlich In den vergangenen Jahren haben sich mehrfach Frauen gemeldet, die Depardieu der sexuellen Gewalt beschuldigen. 2018 hatte ihn die Schauspielerin Charlotte Arnould verklagt. Seit 2020 wird in diesem Fall wegen Vergewaltigung ermittelt. Alle Frauen, die Depardieu kritisieren, machen die Filmbranche mitverantwortlich. Jahrelang hätten Regisseure, Produzenten und Kollegen - auch die weiblichen - weggeschaut. Depardieu ist einer der bekanntesten Schauspieler Frankreichs. Er spielte in mehr als 200 Filmen mit - darunter äußert erfolgreiche Produktionen wie "Cyrano von Bergerac" und "Asterix und Obelix". 1996 erhielt er einen Verdienstorden der Ehrenlegion - einer der höchsten Auszeichnung, die Frankreich zu vergeben hat. Schauspieler sieht sich als Opfer einer "medialen Lynchjustiz" Depardieu hat bislang alle Vorwürfe bestritten. In einem in der Zeitung Le Figaro im Herbst veröffentlichten Brief bezeichnet er sich als Opfer einer "medialen Lynchjustiz". Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte dem Schauspieler mehrfach öffentlich den Rücken gestärkt und auf die Unschuldsvermutung verwiesen. Mehrfach war Depardieu auch mit abfälligen Äußerungen über Frauen aufgefallen. In einer im Dezember ausgestrahlten Fernsehreportage über seine Reise nach Nordkorea im Jahr 2018 bezeichnet er Frauen etwa als "große Schlampen" und machte eine Reihe sexistischer Bemerkungen.  Den Nationalorden von Québec und seinen Titel als Ehrenbürger der belgischen Gemeinde Estaimpuis verlor Depardieu. Das Pariser Wachsfigurenkabinett ließ seine Figur entfernen. Der französische Verdienstorden der Ehrenlegion wurde ihm aber nicht entzogen - auch wenn das geprüft worden war. Mit Informationen von Julia Borutta, ARD Paris
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2024-04-29
Warum Europa auf die Wahl in Togo schaut
Nachbarland von Mali und Niger
Über den Präsidenten wird zwar nicht abgestimmt, aber die Parlamentswahl in Togo ist trotzdem wichtig für Faure Gnassingbé: Denn das westafrikanische Land befindet sich in Aufruhr. Auch Europa blickt auf die Wahl. Von Kai Küstner.
Über den Präsidenten wird zwar nicht abgestimmt, aber die Parlamentswahl in Togo ist trotzdem wichtig für Faure Gnassingbé: Denn das westafrikanische Land befindet sich in Aufruhr. Auch Europa blickt auf die Abstimmung. Von Kai Küstner Mit Trommeln, Trompeten und viel Zuversicht ist die Partei des Präsidenten, Faure Gnassingbé, in den Wahlkampf gezogen. Sie gilt als eindeutige Favoritin auf den Sieg bei der Abstimmung. "Schauen Sie, trotz des Regens sind die Menschen gekommen", erklärte ein Wahlkämpfer für die Regierungspartei UNIR zufrieden. Der Präsident kann sich nicht vollkommen gelassen zurücklehnen. Zwar wird über ihn nicht abgestimmt, doch ohne Mehrheit im Parlament droht dem 58-Jährigen ein empfindlicher Machtverlust. Zudem befindet sich sein Land in Aufruhr. Familie seit mehr als 50 Jahren an der Macht Seit nunmehr fast zwei Jahrzehnten regiert der überzeugte Junggeselle Faure Gnassingbé das westafrikanische Togo. Rechnet man noch die fast 40 Jahre hinzu, die davor sein - zum Teil diktatorisch auftretender - Vater die Macht innehatte, so lässt sich schwer leugnen: Es ist eine echte Familiendynastie, die seit mehr als einem halben Jahrhundert die Geschicke des 8-Millionen-Einwohner-Landes lenkt. Dabei bekundete Präsident Gnassingbé vor vielen Jahren selbst: "Wenn jemand an die Macht kommt, nur weil er einen Namen trägt, weil er aus einer Familie stammt, wäre das schlimm für das Land." "Fühle mich nicht als Diktator" Vorerst jedenfalls sieht es nicht so aus, als würde sich an den Machtverhältnissen rasch etwas ändern. Zwar hatte das Parlament vor kurzem eine Verfassungsänderung beschlossen, mit denen die Befugnisse des Präsidenten erheblich beschränkt werden. Doch die Opposition ist trotzdem auf den Barrikaden. Am Ende, so ihr Vorwurf, würden auch diese Neuerungen, sozusagen durch die Hintertür, wieder die Macht von Faure Gnassingbé zementieren. Klar ist: Behält seine Partei die Mehrheit in der Nationalversammlung, stärkt das auch ihn selbst. Der Langzeit-Präsident, der einst in Paris und Washington studierte, gibt selten Interviews, sagte jedoch im Jahr 2020 der Nachrichtenagentur AFP: "Ganz ehrlich. Auf jeden Fall fühle ich mich nicht als Diktator oder so etwas." Wahlen auch für Europa interessant Deutschland, die Europäer und vor allem Frankreich als ehemalige Kolonialmacht schauen jedenfalls durchaus mit Interesse auf die Wahl in Togo. Vor allem, weil Länder in der Nachbarschaft wie Mali, Niger und Burkina Faso viele Verbindungen zu den Europäern gekappt hatten und sich stattdessen militärisch auf Russland verlassen. Togo hingegen hatte seine Fühler zuletzt eher in Richtung angelsächsischen Westen ausgestreckt, hatte sich in den USA um Geld für Entwicklungshilfe bemüht und war vor zwei Jahren dem britischen Commonwealth beigetreten. Im Küstenstaat Togo lebt fast die Hälfte der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Das Land müht sich, ein Einsickern des Terrorismus aus Burkina Faso im Norden zu verhindern. Es deutet vieles darauf hin, dass all dies noch eine ganze Weile das Problem von Faure Gnassingbé bleiben wird.
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2024-04-29
Mit eigenen Zellen gegen den Hautkrebs
Tag der Immunologie
Im Jahre 1988 veröffentlichte ein US-amerikanischer Forscher eine neue Idee, wie man Hautkrebs behandeln könnte. Die erste Zulassung einer entsprechenden Therapie ließ auf sich warten - jetzt macht sie Hoffnung. Von V. Simon.
Im Jahre 1988 veröffentlichte ein US-amerikanischer Forscher eine neue Idee, wie man Hautkrebs behandeln könnte. Die erste Zulassung einer entsprechenden Therapie ließ auf sich warten - jetzt macht sie Hoffnung. Von Veronika Simon, SWR Der Chirurg und Krebsforscher Steven Rosenberg arbeitet am National Cancer Institute in den USA. Er gilt als einer der Pioniere der Immuntherapie gegen Krebs. In den 1980er-Jahren hatte er eine Idee: Er wollte Patienten, die an schwarzem Hautkrebs erkrankt waren, mit ihren eigenen Zellen behandeln. Denn solche Tumore können eine echte Herausforderung sein. Sie verstecken sich vor dem Immunsystem, machen sich unsichtbar. Doch im Inneren dieser Tumore findet man durchaus einige Zellen, die es geschafft haben, einzudringen. Man sagt: Sie haben den Tumor infiltriert. Über 35 Jahre von der Idee zur zugelassenen Therapie Der Tumor wehrt sich gegen die Immunzellen, er deaktiviert sie. Obwohl die Immunzellen, auch Lymphozyten genannt, eindringen konnten, können sie den Krebs nicht in Schach halten. Doch dass sie es überhaupt hineingeschafft haben - das wollte sich Steven Rosenberg zu Nutze machen. Er und sein Team isolierten diese Tumor-infiltrierenden Lymphozyten, kurz TILs genannt, vermehrten sie und behandelten die Hautkrebs-Patienten schließlich mit ihren eigenen Zellen. Und das mit Erfolg: Bei etwa einem Drittel schlug die Therapie in dieser ersten Studie an, der Tumor schrumpfte. Die Immuntherapie mit TILs war also erfunden. Das war vor 36 Jahren. Diese Idee, Tumore mit den körpereigenen Zellen zu behandeln, besticht, sagt Stephan Fricke. Er leitet die Abteilung für Zell- und Gentherapieentwicklung am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie in Leipzig. "Der Vorteil von diesen vom Patienten selbst stammenden Zellen ist, dass diese Zellen den Tumor bereits erreicht haben. Sie haben also schon wesentliche Barrieren, die vom Tumor geschaffen worden sind, überwunden", so Fricke. Mischung aus Zellen macht die Therapie besonders effektiv Dabei handle es sich von Patient zu Patient um eine andere Mischung an Zellen, die man im und um den Tumor herum vorfindet. Ein großer Vorteil, so Fricke: "So können Sie verschiedene Merkmale des Tumors erkennen. Das ist sehr, sehr wichtig - so haben Sie eine hohe Treffsicherheit gegenüber genau diesem Tumor." Praktisch bedeutet das: Die Therapie besteht nicht aus einem immer gleichen Medikament. Jeder Patient und jede Patientin erhält die eigenen lebenden Zellen zurück. Das ergibt jedes Mal eine andere Zusammensetzung, die genau auf ihn oder sie zugeschnitten ist. Doch so einleuchtend diese Idee ist und auch wenn ihr Potential bereits in den 1980er-Jahre erkannt wurde: Die erste Zulassung für eine Therapie, die auf dieser Technik beruht, gab es erst vor kurzem, im März 2024. Die Herstellung ist komplex Denn ganz so einfach, wie es klingt, war das mit den Tumor-infiltrierenden Lymphozyten nicht, erklärt Zelltherapie-Experte Fricke. Die Zellen liegen im Tumor nur in geringen Konzentrationen vor, außerdem hat das Milieu des Tumors ihre Funktion stark beeinträchtigt oder diese sogar stillgelegt. Sie müssen erst wieder aktiviert werden, das geht nicht mit allen Zellen gleich gut. "Es ist nicht trivial, die richtigen Zellen auszuwählen und diese dann zu vermehren", so der Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie aus Leipzig. "Das hat Zeit gebraucht. Deshalb gibt es auch erst heute ein erstes Produkt, das in den USA zugelassen ist und das auf dieser Technik basiert." Fortschritte bei der Behandlung von Hautkrebs Die nötige technische Expertise zur sicheren Herstellung der Therapie sei erst in den vergangenen Jahren entstanden, so Fricke. Außerdem hätten die Zulassungsstudien viel Zeit gebraucht. Bei der Behandlung von bösartigen Melanomen hat sich in den letzten Jahren jedoch auch ohne den Einsatz von TILs viel getan. Unter anderem durch andere Immuntherapien, sogenannte Checkpoint-Inhibitoren, hätten sich die Behandlungsmöglichkeiten deutlich verbessert, sagt Jochen Sven Utikal, Experte für schwarzen Hautkrebs an der Universitätsmedizin Mannheim und am Deutschen Krebsforschungszentrum. Für diese Therapie gab es 2011 den Nobelpreis für Medizin. "Da haben wir einen deutlichen Fortschritt gemacht", so Utikal. "Nichtsdestotrotz gibt es Patienten, die auf die Immuntherapie nicht mehr ansprechen. Und da sucht man gegenwärtig nach alternativen Möglichkeiten - und diese TIL-Therapie ist eine davon." In den Zulassungsstudien schrumpften die Tumore nach der TIL-Behandlung bei etwa 30 Prozent der Betroffenen. Bei etwa 20 Prozent war der Krebs nach der Therapie nicht mehr nachweisbar. Therapie ist technisch anspruchsvoll Für den Dermatologen Utikal ein Erfolg: "Die Patienten haben ja auf die gängigen Therapien, die verabreicht wurden, schon nicht mehr richtig angesprochen. Und insofern sind das schon sehr, sehr gute Daten", so der Hautkrebs-Spezialist. Allerdings brauche es für die Behandlung spezialisierte Zentren, auch wenn demnächst die Zulassung in der EU kommen sollte. Denn die Therapie ist technisch sehr anspruchsvoll und personalisiert - jeder Patient und jede Patientin erhält seine oder ihre eigenen, aufbereiteten Zellen zurück. Eine weitere Frage ist der Preis: Da jede Behandlung einzeln, in einem komplexen Prozess hergestellt werden muss, ist die Therapie sehr kostspielig - mit aktuell etwa einer halben Million US-Dollar zum Teil noch teurer als andere Immun- oder Zelltherapien, die bereits auf dem Markt sind. Kann die Technik auf andere Tumore übertragen werden? Zurzeit würde viel daran geforscht, wie man solche Therapien günstiger herstellen könne, erklärt Stephan Fricke vom Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie. Denn: Die Technik der Tumor-infiltrierenden Immunzellen hat über den Schwarzen Hautkrebs hinaus ein großes Potential. "Prinzipiell ist es so, dass diese Technik auf andere Tumorarten übertragen werden könnte und übertragen werden sollte." Denn andere Zell- und Immuntherapien haben zum Teil Schwierigkeiten, in sogenannte solide Tumore einzudringen. Bei ihnen handelt es sich um Geschwülste - sie haben diverse Abwehrmechanismen, um einen Angriff des Immunsystems aufzuhalten. “Meilenstein in der Zelltherapie” Doch bis dahin ist noch einiges an Forschung nötig. Denn ein Hirntumor hat zum Beispiel eine andere Biologie als ein Tumor im Darm. Nicht alle Erkenntnisse der Hautkrebsbehandlung lassen sich eins zu eins auf andere Erkrankungen übertragen. Auch die Sicherheit der Therapie müsse häufig für jede Tumorart einzeln überprüft werden. Die erste Zulassung eines TIL-Medikaments ist für den Zell- und Gentherapie-Experten Fricke jedoch ein wichtiger Schritt: "Es ist ein weiterer wichtiger Meilenstein in der Zelltherapie mit Potenzial in der Behandlung von soliden Tumoren." Und es zeigt, dass sich in der medizinischen Forschung ein langer Atem bezahlt macht. Denn manchmal dauert es über 30 Jahre, bis aus einer guten Idee ein zugelassenes Medikament wird.
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2024-04-29
46 Tote nach Dammbruch in Kenia
Wochenlange heftige Regenfälle
Kenia leidet seit Wochen unter den Folgen heftiger Regenfälle. Bei einem Dammbruch kamen nun mindestens 46 Menschen ums Leben. Aus Sorge um die Sicherheit der Schüler wurde der Schulstart verschoben.
Kenia leidet seit Wochen unter den Folgen heftiger Regenfälle. Bei einem Dammbruch kamen nun mindestens 46 Menschen ums Leben. Aus Sorge um die Sicherheit der Schüler wurde der Schulstart verschoben. Bei einem Dammbruch in Kenia sind mindestens 46 Menschen ums Leben gekommen. Weitere Personen werden noch vermisst, wie Gouverneurin Susan Kihika erklärte. Der Damm nördlich der Hauptstadt Nairobi war nach wochenlangen heftigen Regenfällen gebrochen. Am Wochenende hatte die Regierung bereits gewarnt, dass sich die Lage an den großen Staudämmen verschärfen könne. Viele Dämme seien voll ausgelastet, es werde ein massiver Überlauf vorhergesagt. Bewohner des Tieflandes wurden aufgefordert, sich in höher gelegene Gebiete zu begeben. Schulstart um eine Woche verschoben Angesichts der Wassermassen wurde auch der Schulstart nach den Halbjahresferien auf nächsten Montag verschoben. Einige Schulgebäude seien immer noch durch die Überschwemmungen beeinträchtigt, teilte das Bildungsministerium mit. Medienberichten zufolge wurden mehr als 100 Schulen überflutet, bei einigen seien Wände eingestürzt und Dächer abgerissen worden. Die Schulen könnten erst wieder öffnen, wenn die Sicherheit der Schüler und der Lehrkräfte garantiert sei, erklärte Bildungsminister Ezekiel Machogu. Andernfalls seien Menschenleben in Gefahr. Kenia wird seit Mitte März von heftigen Regenfällen heimgesucht, die auf das Klimaphänomen El Niño zurückgeführt werden. Bei Überschwemmungen kamen seit März mehr als 100 Menschen ums Leben, mehr als 130.000 wurden durch Hochwasser und Erdrutsche obdachlos. Auch andere Länder betroffen Auch Kenias Nachbarland Tansania leidet unter heftigen Regenfällen. Dort kamen bislang mindestens 155 Menschen bei Überschwemmungen und Erdrutschen ums Leben.  In Burundi, einem der ärmsten Länder der Welt, mussten nach Angaben der Regierung und der UN wegen der heftigen Regenfälle in den vergangenen Monaten etwa 96.000 Menschen aus ihren Häusern fliehen.
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2024-04-29
Wie die neuen EU-Schuldenregeln aussehen
Stabilitäts- und Wachstumspakt
Der Ministerrat der EU hat heute endgültig eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes beschlossen. Was dieser beinhaltet und welche Schuldenregeln künftig in Europa gelten.
Der Ministerrat der EU hat heute endgültig eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes beschlossen. Was dieser beinhaltet und welche Schuldenregeln künftig in Europa gelten. In der Europäischen Union (EU) gelten künftig neue Vorschriften für Staatsschulden und Haushaltsdefizite der Mitgliedsländer. Nachdem das EU-Parlament in der vergangenen Woche seine Zustimmung gab, nahm heute der Ministerrat in Luxemburg die Reformpläne für den sogenannten Stabilitäts- und Wachstumspakt abschließend an, wie EU-Diplomaten der Nachrichtenagentur dpa bestätigten. Was ist der Stabilitäts- und Wachstumspakt? Der Stabilitäts- und Wachstumspakt, der 1997 im Vertrag von Amsterdam festgehalten wurde, schreibt den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion in erster Linie Obergrenzen für Schulden vor. Das Regelwerk soll damit die Budgetdisziplin der Länder sichern und solide öffentliche Finanzen garantieren. Diese gelten als wichtige Voraussetzung für die Stabilität in der EU und im Euro-Raum. Die Vereinbarung belegt diejenigen Mitgliedstaaten, deren Defizitquote im öffentlichen Haushalt über drei Prozent liegt, mit Sanktionen. Die Defizitquote ermittelt das prozentuale Verhältnis des Defizits eines Staates zum nominalen Bruttoinlandsprodukt (BIP). Bei Übertreten der Obergrenze können Schulden-Strafverfahren, sogenannte Defizitverfahren, eingeleitet werden. Dann muss ein Land Gegenmaßnahmen einleiten und das Budget korrigieren, um das Defizit zu senken. Darüber hinaus beinhaltet der Pakt auch eine Schuldenquote, nach der der Schuldenstand nicht höher als 60 Prozent des BIP sein darf. Zuletzt waren die Strafverfahren wegen der Corona-Krise sowie der Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine ganz ausgesetzt. Vor allem 2020 lagen die Defizite in fast allen EU-Ländern deutlich über der Drei-Prozent-Marke. Warum wird der Stabilitäts- und Wachstumspakt reformiert? Das bisherige Regelwerk zur Überwachung und Durchsetzung dieser Vorgaben wird von Kritikern seit Langem als zu kompliziert und zu streng angesehen. Grundlage der nun getroffenen Einigung für die Reform der aus den 1990er-Jahren stammenden Regeln waren Vorschläge der EU-Kommission. Vor allem von der Bundesregierung waren diese allerdings als zu weitreichende Aufweichung kritisiert worden. Die Regierungen der EU-Staaten hatten sich deswegen nach monatelangen Verhandlungen auf etliche Veränderungen verständigt. Was schreibt die Reform nun vor? Grundsätzlich soll in der EU unter den neuen Vorschriften nach wie vor gelten, dass der Schuldenstand eines Mitgliedstaates 60 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten darf. Auch das gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit - also die vor allem durch Kredite zu deckende Lücke zwischen den Einnahmen und Ausgaben des öffentlichen Haushalts - soll weiterhin unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gehalten werden. In Zukunft soll den Plänen nach aber unter anderem die individuelle Lage von Ländern stärker berücksichtigt werden. Die für die Aufsicht zuständige EU-Kommission soll etwa in einem Übergangszeitraum bei der Berechnung der Anpassungsanstrengungen den Anstieg der Zinszahlungen berücksichtigen können. Wenn Mitgliedstaaten glaubhafte Reform- und Investitionspläne vorlegen, die Widerstandsfähigkeit und Wachstumspotenzial verbessern, soll auch der Zeitraum zur Schuldenverringerung verlängert werden können. Darüber hinaus sind unter anderem Schutzmaßnahmen geplant: Hoch verschuldete Länder (Schuldenstand von über 90 Prozent) sollen ihre Schuldenquote jährlich um einen Prozentpunkt senken müssen, Länder mit Schuldenständen zwischen 60 und 90 Prozent um 0,5 Prozentpunkte. Wie fallen die Reaktionen aus? Kritiker betonten schon vor der Reform stets, dass die Schuldenrgeln nötigen Investitionen etwa in Klimaschutz oder in den sozialen Bereich die Luft abschnürten. Eine Analyse vom Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) und der New Economics Foundation (NEF) war Anfang April zu dem Ergebnis gekommen, dass bei Einhaltung der geplanten Regeln ab 2027 nur noch Dänemark, Schweden und Irland in der Lage seien, sich notwendige Ausgaben zu leisten. Auch in Deutschland würden demnach Investitionen stark gehemmt, hieß es. Die Grünen im Europaparlament sehen daher auch die Reform sehr kritisch. Sie werde den Bedürfnissen der Zeit nicht gerecht, sagte die Europaabgeordnete Henrike Hahn. Bundesfinanzminister Christian Lindner hingegen ist zufrieden. Deutschlands zentrales Anliegen - "finanzpolitische Stabilität" - finde sich in den Gesetzestexten wieder, sagte der FDP-Politiker jüngst. "Wir bekommen klare Regeln für den Schuldenabbau, die dann auch mit einer realistischen Perspektive durchgesetzt werden können." Auch die christdemokratische EVP-Fraktion im Europaparlament sprach sich für die Reform aus. Das neue Regelwerk schaffe mehr Klarheit und stelle die Wirtschafts- und Währungsunion auf ein solides Fundament, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher und CSU-Abgeordnete Markus Ferber. Wie es weiter? Nach der Bestätigung der EU-Länder müssen die neuen Vorschriften noch im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden, damit sie in Kraft treten können. Das soll voraussichtlich Anfang Mai passieren. Ab diesem Frühjahr sollen die Defizitverfahren wieder eröffnet werden können - aller Voraussicht nach sollen dann bereits die neuen Regeln gelten. Nach jüngsten Daten des EU-Statistikamtes Eurostat brachen mehrere Länder im vergangenen Jahr die Obergrenzen.
/wirtschaft/finanzen/stabilitaets-und-wachstumspakt-eu-schuldenregeln-100.html
2024-04-29
Datenschützer reichen Beschwerde gegen OpenAI ein
Verarbeitung persönlicher Daten
Das KI-Programm ChatGPT veröffentlicht Daten über Privatpersonen, deren Herkunft unklar sei. Das werfen Datenschützer dem Anbieter OpenAI vor. Zudem ließen sich falsche Angaben nicht korrigieren.
Das KI-Programm ChatGPT veröffentlicht Daten über Privatpersonen, deren Herkunft unklar sei. Das werfen Datenschützer dem Anbieter OpenAI vor. Zudem ließen sich falsche Angaben nicht korrigieren. Die europäische Datenschutzorganisation None of Your Business (NOYB) hat zusammen mit einem betroffenen Bürger eine Beschwerde gegen den ChatGPT-Anbieter OpenAI eingereicht. Das KI-Programm erfinde "falsche Informationen über Personen", ohne die gesetzlich vorgeschriebene Möglichkeit einer Berichtigung oder Löschung einzuräumen, so die vom österreichischen Datenschutz-Aktivisten Max Schrems mitbegründete Organisation. Im konkreten Fall sei eine namentlich nicht genannte "Person des öffentlichen Lebens" betroffen. Dabei sei es auch um ein falsches Geburtsdatum gegangen. "Das Unternehmen gibt offen zu, falsche Informationen auf ChatGPT nicht korrigieren zu können", erklärte NOYB. "Das Unternehmen weiß nicht einmal, woher die Daten stammen oder welche Daten ChatGPT über einzelne Personen speichert." Damit verstoße OpenAI gegen die Europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). "Technologie muss rechtlichen Anforderungen folgen" Obwohl die DSGVO den Nutzerinnen und Nutzern das Recht einräume, eine Kopie aller persönlichen Daten zu verlangen, habe es OpenAI versäumt, die verarbeiteten Daten, ihre Quellen oder Empfänger offenzulegen. Wenn ein System keine genauen und transparenten Ergebnisse liefern könne, dürfe es nicht dazu verwendet werden, Daten über Einzelpersonen zu generieren, sagte Maartje de Graaf, Datenschutzanwältin bei NOYB. "Die Technologie muss den rechtlichen Anforderungen folgen, nicht umgekehrt."  Die in Wien ansässige Organisation und der Betroffene forderten nun die österreichische Datenschutzbehörde (DSB) zu einer Untersuchung der Datenverarbeitungspraktiken von OpenAI auf. Das Unternehmen aus San Francisco hatte im November 2022 mit der Einführung von ChatGPT für Furore gesorgt. Das Programm ist in der Lage, mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) aus sehr kurzen Eingabeaufforderungen beispielsweise Essays, Gedichte oder Lösungsvorschläge zu generieren. Damit machte das Programm die Möglichkeiten der KI damit schlagartig einem großen Publikum bewusst. Zugleich wuchsen aber die Befürchtungen über mögliche Gefahren der Technologie. Der Datenschutzaktivist Schrems ist mit zwei Klagen gegen den Facebook-Konzern Meta bekannt geworden und hatte dabei zweimal vor dem Europäischen Gerichtshof wichtige Datenabkommen zwischen den USA und Europa gekippt.
/wirtschaft/verbraucher/openai-chatgpt-datenschutz-beschwerde-100.html
2024-04-29
Hilfsorganisation kehrt zurück in den Gazastreifen
World Central Kitchen
Vor vier Wochen wurden sieben Helfer von World Central Kitchen bei einem israelischen Angriff im Gazastreifen getötet - die Hilfsorganisation zog sich daraufhin zurück. Nun soll die Arbeit wieder aufgenommen werden.
Vor vier Wochen wurden sieben Helfer von World Central Kitchen bei einem israelischen Angriff im Gazastreifen getötet - die Hilfsorganisation zog sich daraufhin zurück. Nun soll die Arbeit wieder aufgenommen werden. Die Hilfsorganisation World Central Kitchen (WCK) will ihre Arbeit im Gazastreifen von heute an wieder aufnehmen. In einer Mitteilung hieß es, man sei zu einer Entscheidung gezwungen gewesen: Entweder "ganz aufhören in einer der schlimmsten Hungerkrisen" und einen Einsatz beenden, der 61 Prozent der Hilfe internationaler Nichtregierungsorganisationen ausmache - oder weitermachen "in dem Wissen, dass Helfer und Zivilisten eingeschüchtert und getötet werden". Anfang April waren sieben Helfer der Organisation bei dem Luftangriff der israelischen Armee getötet worden, als ihr Konvoi ein Warenlager im Zentrum des Gazastreifens verließ. WCK erklärte damals, die Streitkräfte hätten den Konvoi "trotz Absprachen" getroffen. Israel bezeichnete den Angriff später als "schweren Fehler", dem eine falsche Identifizierung der Fahrzeuge zugrunde gelegen habe. WCK fordert weiter eine internationale Untersuchung des Vorfalls. Acht Millionen Mahlzeiten stünden bereit Nach dem Angriff hatten Hilfsorganisationen mehr Schutz im Gazastreifen gefordert. US-Präsident Joe Biden warf Israel vor, nicht genug für die Sicherheit humanitärer Helfer zu tun, die dringend benötigte Hilfe für die Bewohner des Gazastreifens leisteten. World Central Kitchen versorgt weltweit Menschen in Katastrophengebieten mit Mahlzeiten. "Wir werden so viele Lebensmittel nach Gaza schaffen wie möglich", kündigte die Organisation nun an. 276 Lastwagen mit Lebensmitteln für umgerechnet acht Millionen Mahlzeiten stünden bereit, um am Grenzübergang Rafah in den Gazastreifen zu fahren. Auch aus Jordanien und möglicherweise über den Seeweg soll Hilfe geliefert werden.
/ausland/asien/world-central-kitchen-gaza-100.html
2024-04-29
Was wird da gegen Sánchez gespielt?
Aufruhr in Spanien
Die Organisation "Manos Limpias" bringt mit ihren Vorwürfen Spaniens Ministerpräsident Sánchez in Bedrängnis. Aber wer steckt dahinter? Und wie steht es um Sánchez' politische Zukunft? Von Franka Welz.
Die Organisation "Manos Limpias" bringt mit ihren Vorwürfen Spaniens Ministerpräsident Sánchez in Bedrängnis. Aber wer steckt dahinter? Und wie steht es um Sánchez' politische Zukunft? Von Franka Welz Ein Wort war in Spanien zuletzt oft zu hören: "Lawfare". Ana Caldero ist am Sonntag in Madrid auf die Straße gegangen, weil - wie sie sagt - Spanien einen Moment erlebe, "in dem durch 'Lawfare', die Presse und die Rechte einer demokratisch gewählten Regierung angegriffen werden." "Lawfare" - das meint so viel wie Kriegsführung mit juristischen Mitteln, also etwa das Ausschalten politischer Gegner mittels Strafverfahren. Für viele fällt die Anzeige der angeblichen Gewerkschaft "Manos Limpias" ("Saubere Hände")  gegen die Ehefrau von Regierungschef Pedro Sánchez wegen Einflussnahme und Korruption im Geschäftsleben unter versuchte "Lawfare". Grundlage sind möglicherweise falsche Medienberichte. Die Staatsanwaltschaft hat bereits die Einstellung der Ermittlungen beantragt. Anklage gegen "gesunden Menschenverstand" Die Journalistin Pilar Velasco hat lange für den Radiosender Cadena Ser gearbeitet und leitet jetzt das digitale Informationsmedium democrata.es - vergleichbar mit dem Portal Politico. Sie sagt, der zuständige Richter habe sich mindestens nicht an die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gehalten. In einem seiner Urteile heiße es nämlich: "Die bloße Veröffentlichung von Informationen in den Medien kann nicht die Einleitung eines Strafverfahrens zur Untersuchung des Sachverhalts rechtfertigen, wenn es keine zugänglichen und stichhaltigen Beweise für deren Begehung gibt." Für Velasco sei es gesunder Menschenverstand, "dass ein Zeitungsausschnitt, ob er nun wahr ist oder nicht, nicht als Grundlage für eine gerichtliche Untersuchung gegen jemanden dienen kann". Rechtsextremer Hintergrund von "Manos Limpias" "Manos Limpias" soll rechtsextremen Kreisen nahestehen. Der Journalist Javier Chicote leitet das Investigativ-Ressort der konservativen Zeitung ABC. Er hat ein Buch über "Manos Limpias" geschrieben und sagt, der 82 Jahre alte Gründer Miguel Bernard sei ein Rechtsextremist und habe über die Jahre versucht, seine extremistische Haltung zu verbergen und sich als Demokrat auszugeben: "Aber er war zweifelllos ein Franco-Sympathisant und tatsächlich einer der engsten Mitarbeiter von Blas Piñar, dem Führer der extremen Rechten während der spanischen Übergangsphase zur parlamentarischen Demokratie - in einer Partei namens Fuerza Nueva." Bernard habe sogar bei den Wahlen von 1982 auf Platz 4 der Liste der Fuerza Nueva in Madrid kandidiert und habe für die Gewerkschaft der Partei - Fuerza Nacional del Trabajo (Nationale Arbeitskraft) - gearbeitet. Deshalb sei "Manos Limpias" auch eher eine Pseudo-Gewerkschaft, deren einzige Tätigkeit darin bestanden habe, Anzeigen zu erstatten. "Manos Limpias" habe sich als Instrument zur Korruptionsbekämpfung dargestellt, habe sich aber selbst korrumpiert, erläutert Chicote. Sie hätten zum Beispiel oft im Namen Dritter geklagt, die selbst nicht in Erscheinung treten wollten und dafür Geld in Form von Spenden genommen. "Meine Recherchen ergaben, dass die im Grunde Klagen einreichten und gegen Geld wieder zurückzogen. Das geht so weit, dass Bernard 2016 wegen Erpressung verhaftet wurde - auch wegen meiner Enthüllungen." "Sánchez' Position unumkehrbar geschwächt" Spaniens Ministerpräsident Sánchez sieht sich als Opfer einer Schmutzkampagne der Rechten und extremen Rechten. Aber was steckt hinter seiner Rücktrittsdrohung? Aufrechte Empörung, echte Zermürbung oder politisches Kalkül? Die Parlamentsreporterin Velasco hält Sánchez‘ Reaktion auf die Vorwürfe gegen seine Ehefrau nicht für eine politische Strategie: Es gebe ein unumkehrbares Davor und Danach: Der Ministerpräsident ist geschwächt: Wenn er zurücktritt, ist dies eine Entscheidung, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Und bliebe er, wäre er sehr schwach. Ich glaube also, dass es wirklich so ist, dass es ihn persönlich betrifft, und dass der Druck auf seine Familie stark war. Experte spricht von gefährlichen Tendenzen Für den Politologen Carlos Rico Motos von der Madrider Universidad Pontifica Comillas ist die Situation auch das Ergebnis der "brutalen politischen Polarisierung" Spaniens - Rechts gegen Links -, die Sánchez aktiv mitbetrieben habe. Die Verteufelung seiner Person durch rechte Kräfte habe er mindestens mit gleicher Münze zurückgezahlt. Rico Motos hält das für gefährlich: "Letztlich beginnt dieser Prozess und man weiß nicht, wie er endet. Wir werden immer konfrontativer, und das bringt schon die Leute auf der Straße gegeneinander auf." Seiner Meinung nach sollte ein Ministerpräsident im Gegenteil für Toleranz eintreten und Kritik annehmen. "Dies ist eine Demokratie, genau wie in anderen Ländern, aber hier scheinen wir gezwungen zu sein, absolute Positionen einzunehmen." Das sei sehr gefährlich, denn Spanien habe in dieser Hinsicht eine dunkle Vergangenheit. Und das Verhalten aller politischen Kräfte beschädige die Demokratie.
/ausland/europa/sanchez-spanien-ruecktritt-frau-demos-102.html
2024-04-29
Risiken und Nebenwirkungen beim Kassenwechsel
Vor allem Ältere betroffen
Online-Dienstleister behaupten, sie könnten beim Wechsel von der privaten in die gesetzliche Krankenkasse helfen. Die GKV kritisieren "systematischen Rechtsmissbrauch", Verbraucherschützer warnen. Von Moritz Hartnagel.
Online-Dienstleister behaupten, sie könnten beim Wechsel von der privaten in die gesetzliche Krankenkasse helfen. Die GKV kritisieren "systematischen Rechtsmissbrauch", Verbraucherschützer warnen. Von Moritz Hartnagel, SWR Wenn die Rente niedrig ist, die Beiträge in der privaten Krankenversicherung im Alter aber immer weiter steigen, ist die Verzweiflung oft groß. So manch einer würde dann gerne wieder in die gesetzliche Versicherung wechseln, um Beiträge zu sparen. Doch ab dem 55. Lebensjahr kommen Privatversicherte nur noch sehr schwer in die gesetzliche Versicherung zurück. Der Gesetzgeber will nämlich weitgehend verhindern, dass Versicherte, die jahrelang nicht in die Solidargemeinschaft eingezahlt haben, im Alter davon profitieren. Anbieter werben offensiv Verschiedene Anbieter machen sich jedoch offenbar genau diese Verzweiflung privat versicherter Menschen zunutze und sprechen gezielt Über-55-Jährige und Rentner an. Die Veron Versicherungsmakler GmbH mit Sitz in Nürnberg ist nur einer von zahlreichen Anbietern. Ihre Webseite hat den griffigen Namen "raus-aus-der-pkv.de". Dort heißt es: "Leider wird oft behauptet, dass ein Wechsel aus der privaten Krankenversicherung zur gesetzlichen Krankenversicherung über dem 55. Lebensjahr nicht möglich ist. Diese Aussage ist falsch!" Und solch ein Wechsel sei in vielen Fällen bares Geld wert: Eine Ersparnis von über 150.000 Euro sei keine Seltenheit. Gewerbegründung in Tschechien Wie der Wechsel konkret funktionieren soll, erfahren Interessenten erst bei einer telefonischen Beratung. In einem Gespräch mit einem 85 Jahre alten Rentner, das Plusminus dokumentiert hat, erklärt die Beraterin am Telefon, ein Dienstleister würde für ihn ein Gewerbe in Tschechien eröffnen. Dadurch werde er in Tschechien sozialversicherungspflichtig. Ein Jahr später könne er dann in die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland wechseln. Er selbst müsse kein einziges Mal nach Tschechien fahren und auch sonst nichts weiter tun. Für diese Dienste soll er ein Jahr lang monatlich 250 Euro an die Veron Versicherungsmakler Gmbh zahlen, sowie im Erfolgsfall 9.000 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer an einen externen Dienstleister. "Insgesamt also 12.000 Euro. Die Beraterin erzählt, die Veron Versicherungsmakler GmbH habe das schon Tausende Male so durchgeführt. Ist dieses Vorgehen rechtens? Regelung wird zu rechtlichem Schlupfloch Tatsächlich gibt es ein rechtliches Schlupfloch: Wer mindestens zwölf Monate lang im Ausland krankenversichert war, kann nach dem Ende des Auslandsaufenthalts in die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland wechseln. Diese Regelung ist für Personen gedacht, die auch tatsächlich im Ausland arbeiten und sich in der Zeit auch überwiegend dort aufhalten. Aus Sicht von Anke Puzicha von der Verbraucherzentrale in Hamburg geht aus dem von uns dokumentierten Telefonat jedoch klar hervor, dass es sich hier um ein Scheingewerbe handelt, da die Person nicht wirklich ihren Lebensmittelpunkt nach Tschechien verlagert. Somit sei ein Versicherungswechsel auf diese Weise unzulässig. "Die Anbieter wissen sehr wohl, warum sie ihre Methode nicht klar veröffentlichen. Personen, die auf diese Weise die Versicherung wechseln, riskieren, wegen Sozialbetrugs beschuldigt zu werden", kritisiert sie. Undurchsichtiges Konstrukt Die Veron Versicherungsmakler GmbH teilt auf Anfrage schriftlich mit, sie sei nur ein Datensatzhändler. Die vom Callcenter erhobenen Kundendaten würden an weitere Dienstleister weitervermittelt werden. Selbst habe man keine Vertragsbeziehungen mit Wechselwilligen. Tatsächlich bekommt der am Telefon beratene 85-Jährige aus Stuttgart einige Tage nach dem Telefonat ein Schreiben von einem weiteren Dienstleister. Plötzlich ist nicht mehr von Tschechien, sondern von Polen die Rede. Und nun wird es konkret: Er soll eine Vollmacht unterschreiben. Am Telefon wird ihm erklärt, mit der Vollmacht werde eine polnische Anwaltskanzlei ein Gewerbe für ihn als Handelsvertreter in Polen eröffnen. Nach einem Jahr könne er dann in die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland wechseln. Ein hohes Risiko Doch das Risiko ist hoch: Wenn die Versicherung nachträglich dahinter kommt, dass es sich um ein reines Scheingewerbe gehandelt hat, kann sie auch Jahre später noch den Eintritt in die gesetzliche Versicherung rückabwickeln. Die betroffene Person fliegt dann aus der gesetzlichen Krankenkasse - mit dramatischen Folgen. Versicherungsmakler Thorulf Müller hat immer wieder Kunden, die auf solche Angebote eingegangen sind und das später bitter bereut haben. "Und dann sitzen die plötzlich ohne Krankenversicherung da - in einer Lebensphase, wo ich eigentlich die Krankenversicherung wirklich dringend brauche", sagt er. "Das ist elend. Die können danach dann mit einem Basistarif zum Sozialamt und sich Sozialbedürftigkeit bestätigen lassen im Sinne von Grundleistungen, damit sie den Basistarif wenigstens noch weiter einigermaßen finanziert kriegen." "Systematischer Rechtsmissbrauch" Offensichtlich ist das Problem den gesetzlichen Krankenkassen bekannt. Bereits 2022 hat der GKV-Spitzenverband in einem Rundbrief vor "systematischem Rechtsmissbrauch" gewarnt. Weiter heißt es in dem Brief: "In letzter Zeit haben sich Hinweise ergeben, dass Personen angeben, in der Tschechischen Republik oder Slowakischen Republik Erwerbstätigkeiten ausgeübt zu haben, um aufgrund der dadurch erworbenen gesetzlichen Versicherungszeiten Zugang zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in Deutschland zu erhalten. Es besteht der Verdacht, dass die Erwerbstätigkeiten fingiert sind." Wenn das schon länger bekannt ist: Warum gibt es diese Angebote dann immer noch? Constantin Papaspyratos vom Bund der Versicherten sagt, den Krankenkassen seien in vielen Fällen die Hände gebunden. "Sie sind darauf angewiesen, im Ausland - wie in diesem Fall zum Beispiel Polen - Informationen anzufragen. Nach meiner Einschätzung ist es so, dass die zuständigen Einrichtungen im Ausland hier in vielen Fällen überfordert sind und die Problematik nicht verstehen und deswegen bei der Datenlieferung ein Stück weit hilflos dastehen", sagt er. "Das führt dann zu der Schwierigkeit, wenn die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland Daten aus Polen benötigt und sie nicht zeitnah und vollständig bekommt, dass das den ganzen Prüfablauf massiv in die Länge zieht - mit der Konsequenz, dass erst mal unter Umständen jahrelang gar nichts passiert", so Papaspyratos. Die Politik sei gefordert, die Gesetze zu verschärfen. "Haben nicht umsonst Schutzrechte" Maria Klein-Schmeink ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen und Mitglied im Gesundheitsausschuss. "Wir können schauen, welches Gesetz geeignet ist, um eine Regelung zu finden", sagt sie. "Ich meine aber, es kann nicht sein, dass jemand 12.000 Euro daran verdient, dass es eine Umgehung des deutschen Sozialrechts gibt. Wir haben ja nicht umsonst diese Schutzrechte für die gesetzliche Krankenversicherung." Und Dirk-Ulrich Mende von der SPD will prüfen, ob es im Zuge des geplanten Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes  - kurz: GVSG - eine Möglichkeit gibt, gegen solche Anbieter vorzugehen. Anke Puzicha von der Verbraucherzentrale Hamburg sagt, es gebe keinen Grund dafür, sich auf solche Anbieter einzulassen. Sie rät Menschen, die wirklich ein Problem mit steigenden Versicherungsbeiträgen im Alter haben, dazu, einen Tarifwechsel innerhalb der privaten Versicherung zu prüfen. Meist ließen sich die Beiträge dadurch deutlich senken. Das sei "tausendmal besser", als auf ein Angebot einzugehen, das nicht rechtssicher sei und sich der Gefahr auszusetzen, am Ende aus der gesetzlichen Versicherung zu fliegen.
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2024-04-29
Erneut gehen in Georgien Tausende auf die Straße
Proteste gegen Gesetzentwurf
In Georgien hat es erneut Massenproteste gegen ein geplantes Gesetz zur "ausländischen Einflussnahme" gegeben. Berichten zufolge waren 20.000 Menschen auf der Straße. Auch von gewaltsamen Zusammenstößen mit der Polizei war die Rede.
In Georgien hat es erneut Massenproteste gegen ein geplantes Gesetz zur "ausländischen Einflussnahme" gegeben. Berichten zufolge waren 20.000 Menschen auf der Straße. Auch von gewaltsamen Zusammenstößen mit der Polizei war die Rede. Zum wiederholten Male in den vergangenen Wochen sind in Georgien Tausende Menschen gegen ein geplantes Gesetz zur "ausländischen Einflussnahme" auf die Straße gegangen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP waren es etwa 20.000 Demonstranten, die sich mit georgischen und EU-Flaggen in der Hauptstadt Tiflis versammelten.  Sie starteten vom Platz der Republik aus einen "Marsch für Europa" in Richtung Parlament. Die Kundgebung war von einem Bündnis aus Oppositionsparteien und Menschenrechtsgruppen organisiert worden. Wie die Nachrichtenagentur dpa meldet, kam es Medienberichten zufolge zu gewaltsamen Zusammenstößen mit der Polizei, die auch Pfefferspray eingesetzt habe. Der Grund für die Proteste: Die Regierungspartei Georgischer Traum hatte Anfang April angekündigt, über den vor einem Jahr nach Massenprotesten zurückgezogenen Gesetzentwurf erneut abstimmen zu wollen, wenn auch in geänderter Fassung. Mitte April wurde die Vorlage in erster Lesung angenommen. Kritiker sehen Parallelen zu Russland Der Entwurf sieht vor, dass sich Organisationen, die zu mindestens 20 Prozent aus dem Ausland finanziert werden, behördlich registrieren lassen müssen. Die Regierung will so nach eigenen Angaben für mehr Transparenz sorgen und das Ausmaß ausländischer Einflussnahme stärker kontrollieren. Viele Projekte der Zivilgesellschaft und zur Demokratieförderung im Land werden vom Westen finanziert, etwa aus der EU und den USA. Kritiker befürchten, dass ein solches Gesetz missbraucht werden könnte, um diese Geldflüsse zu stoppen und prowestliche Kräfte politisch zu verfolgen. Sie sehen darin Parallelen zum Gesetz gegen "ausländische Agenten" in Russland, das es Behörden erlaubt, massiv gegen kritische Medien und Organisationen vorzugehen. EU kritisiert den Beitrittskandidaten Das Vorhaben löste nicht nur erneut Massenproteste in der früheren Sowjetrepublik aus. Auch die EU forderte die Regierung in Tiflis dazu auf, das Gesetz fallen zu lassen - Georgien ist seit Dezember Beitrittskandidat. Der Entwurf muss noch in zweiter und dritter Lesung vom Parlament verabschiedet werden. Die proeuropäische Präsidentin Salome Zurabischwili kann zwar ihr Veto einlegen, die regierungstreuen Abgeordneten im Parlament haben aber eine ausreichende Mehrheit, um ein Veto zu überstimmen.
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2024-04-29
"China könnte eine Rolle spielen"
Strack-Zimmermann zu Ukraine-Verhandlungen
Verteidigungspolitikerin Strack-Zimmermann sieht bei Caren Miosga China als möglichen Vermittler zwischen der Ukraine und Russland. Die Schuldenbremse verteidigte sie - auch gegen Kritik des Verteidigungsministers. Von Lukas Weyell.
Verteidigungspolitikerin Strack-Zimmermann sieht bei Caren Miosga China als möglichen Vermittler zwischen der Ukraine und Russland. Die Schuldenbremse verteidigte sie - auch gegen Kritik des Verteidigungsministers. Von Lukas Weyell In der ARD-Talksendung Caren Miosga hat die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann die Rolle Chinas als möglichen Vermittler zwischen der Ukraine und Russland diskutiert. Im Hintergrund liefen Bemühungen, Vermittler zu finden, sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestags: "Ich kann Ihnen keine Details sagen, aber so viel: Der Globus wird natürlich gescannt." Allerdings gestalte sich dies nicht einfach. "Diese ganze Welt ist angezündet durch diesen Krieg, das ist nicht nur europäisch." Die Frage sei daher: "Wer könnte etwas bewirken?", so die FDP-Politikerin. Die Schweiz würde bereits als nicht mehr neutral durch Russland wahrgenommen und von Russlands Präsident Wladimir Putin als Vermittler abgelehnt. China sei eine gute Wahl, da es aus ökonomischen Gründen ein Interesse an der Stabilität Europas habe und außerdem belastbare Beziehungen nach Moskau: "Insofern könnte China eine Rolle spielen." Internationale Friedenskonferenz in der Schweiz Im Juni soll es eine internationale Friedenskonferenz in der Schweiz geben. Teilnehmen sollen 80 Nationen. Russland hatte allerdings erklärt, nicht teilnehmen zu wollen. Bereits im Mai soll Präsident Putin nach China reisen, um dort den chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping zu treffen. Erst kürzlich war zudem bekannt geworden, dass sich Vertreter des chinesischen Geheimdienstes neun Tage in Moskau aufgehalten hatten. Politikwissenschaftlerin Nicole Deitelhoff warb dafür, die Verhandlungsbemühungen Chinas zu unterstützen. Wenn die Friedensinitiative Pekings Früchte trage, sei "schon sehr viel gewonnen", so Deitelhoff. Zwar seien die Gespräche noch inoffiziell, allerdings würde eine breite Koalition unter den BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) helfen, die Konfliktparteien an einen Tisch zu bekommen. Prantl: "Unterschiedliche Haltungen" Kritik an Strack-Zimmermann kam von Heribert Prantl, Kolumnist der Süddeutschen Zeitung (SZ). Er warf ihr Unnachgiebigkeit in der Debatte um den Krieg Russlands gegen die Ukraine vor. Es müsse möglich sein, auch unterschiedliche Haltungen zu diskutieren. "In der Art und Weise wie Sie die Diskussion führen, überzeugen Sie diejenigen, die schon überzeugt sind. Die anderen überzeugen Sie nicht." Er kenne viele Menschen, denen die FDP-Politikerin mit ihrer Rhetorik Angst mache. Bezüglich möglicher Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland erklärte der SZ-Journalist: "Ich weiß gar nicht, ob Putin wirklich nicht verhandeln will." Möglicherweise wolle dieser lediglich seinen Preis hochtreiben für kommende Verhandlungen. Debatte über Schuldenbremse Strack-Zimmermann verteidigte in der Sendung außerdem ihren Parteivorsitzenden Christian Lindner und dessen Festhalten an der Schuldenbremse. Sie fürchte, dass eine Lockerung der Schuldenbremse dazu führen würde, dass die Bundesministerien ihre Ausgaben insgesamt erhöhen, nicht nur die für die Aufrüstung der Bundeswehr vorgesehenen Aufwendungen. "Dann würde ein Wall brechen", so die Verteidigungspolitikerin. Von Caren Miosga darauf angesprochen, inwiefern diese Haltung konträr laufe zu Strack-Zimmermanns Engagement für die militärische Unterstützung der Ukraine, erklärte diese: "Ich glaube, dass die Ukraine sich keine Gedanken darüber macht, wie die Bundesregierung etwas finanziert." Zuletzt hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius die Einhaltung der Schuldenbremse kritisiert. In der ARD-Sendung Maischberger hatte er vergangene Woche erklärt: "Wir reden über eine Neuausrichtung der Bundeswehr und reden über dreistellige Milliardenbeträge. Ich glaube nicht daran, und eigentlich kann das auch niemand glauben, dass man das mit Kürzungen in anderen Titeln des Bundeshaushalts ausgleicht." Der SPD-Politiker kritisierte auch Finanzminister Lindner für dessen Festhalten an der Schuldenbremse und den auferlegten Sparzwang, der die Bundesministerien dazu zwingt, Ausgaben zu streichen. Kritik an ehemaliger Verteidigungsministerin Lambrecht Dass die Finanzierung der Aufrüstung der Bundeswehr den Staat nun teuer zu stehen kommt, habe andere Hintergründe, sagte Strack-Zimmermann. Insgesamt sei die Bundeswehr die vergangenen Jahrzehnte stark unterfinanziert gewesen: "Wir haben die Armee komplett runtergefahren." Dass nun schnell wieder aufgerüstet werden müsse, stelle die Regierung eben vor Probleme: "Wir hätten schon deutlich früher mehr Geld in die Hand nehmen müssen. Letztlich ist es eine Frage der Priorität." Für die späte Umsetzung der "Zeitenwende" sieht die FDP-Politikerin auch die ehemalige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht in der Verantwortung. Der aktuelle Verteidigungsminister Pistorius mache einen guten Job, allerdings müsse er noch das Erbe von Lambrecht verwalten. "Das Jahr mit seiner Vorgängerin war ein verlorenes Jahr", so Strack-Zimmermann.
/inland/innenpolitik/strack-zimmermann-miosga-100.html
2024-04-29
Wachsende Kluft zwischen Ladesäulen und E-Autos
Automobilverband ACEA
Der europäische Herstellerverband ACEA warnt vor einer alarmierenden Lücke zwischen der benötigten und der vorhandenen Zahl öffentlicher Ladesäulen. Derweil bleiben E-Autos vor allem in China beliebt.
Der europäische Herstellerverband ACEA warnt vor einer alarmierenden Lücke zwischen der benötigten und der vorhandenen Zahl öffentlicher Ladesäulen. Derweil bleiben E-Autos vor allem in China beliebt. Die europäische Automobilindustrie warnt vor einer wachsenden Kluft zwischen der Zahl öffentlicher Ladesäulen und neuer E-Autos. Die Verkäufe von Elektroautos in der EU seien zwischen 2017 und 2023 dreimal schneller angewachsen als die Zahl neu installierter Ladestationen, teilte der europäische Herstellerverband ACEA heute mit. Es gebe eine alarmierende Lücke zwischen der benötigten und der künftig vorhandenen Anzahl öffentlicher Ladesäulen.  1,2 Millionen neue Ladepunkte pro Jahr nötig? Deutschland schneidet dabei im EU-Vergleich noch verhältnismäßig gut ab. Knapp zwei Drittel der in der EU vorhandenen Ladesäulen konzentrierten sich laut ACEA auf drei Länder: Deutschland, Frankreich und die Niederlande. Danach besteht eine Korrelation zwischen guter Ladeinfrastruktur und der Zahl neu verkaufter E-Autos. Deutschland, Frankreich, die Niederlande und Italien seien hinsichtlich der Zahl neu verkaufter Elektroautos und der Zahl vorhandener Ladepunkte jeweils unter den Top-Fünf-EU-Ländern. ACEA zufolge werden derzeit rund 150.000 Ladesäulen pro Jahr neu installiert. Nach Schätzungen der EU-Kommission braucht es aber 440.000 pro Jahr, damit es 2030 genug gibt. Die Automobilindustrie geht sogar davon aus, dass 1,2 Millionen neue Ladepunkte pro Jahr bis 2030 benötigt würden. Die Umstellung auf zunehmende Elektromobilität soll dazu beitragen, dass die EU ihre Klimaziele einhalten kann.  Zuletzt war der Blick auf den europäischen E-Auto-Markt allerdings eher ernüchternd. Denn das Wachstum bei den E-Autos ist stark gebremst: Im Februar stiegen die Neuzulassungen von Elektroautos in der EU nur noch um neun Prozent, im März sogar lediglich noch um 3,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im Januar hatten sie noch um 29 Prozent zugelegt. Besonders in Deutschland war die Zahl an Neuzulassungen von E-Autos zuletzt eingebrochen. Elektroautos bleiben vor allem in China gefragt Beim Marktanteil von neu zugelassenen E-Autos befand sich Deutschland zu Jahresbeginn mit 10,5 Prozent im europäischen Mittelfeld. Die höchsten Marktanteile von Elektroautos wurden im Januar in Dänemark und Schweden mit 35 Prozent und 29 Prozent registriert. Vor allem in Ost- und Südeuropa haben es E-Autos weiter schwer: Den niedrigsten Marktanteil wiesen Italien und Kroatien mit jeweils zwei Prozent auf. Wesentlich größer ist das Interesse an Elektroautos einer Studie zufolge in China. Dort sprachen sich 80 Prozent der befragten Autofahrerinnen und Autofahrer für die Anschaffung eines volleketrischen Wagens in den kommenden fünf Jahren aus, wie die Mercedes-Benz-Finanzierungstochter Mobility heute auf Basis einer Studie des Marktforschungsinstituts Kantar mitteilte. Damit liege der Anteil doppelt so hoch wie in Deutschland und den USA. In den drei Ländern gemeinsam könne sich gut die Hälfte einen baldigen Kauf vorstellen. Dabei sind die Fahrer relativ teurer Autos offener für das Elektroauto als Kleinwagenfahrer, Jüngere haben mehr Interesse als Ältere. Länderübergreifend liebäugelt mehr als ein Drittel mit Plug-in-Hybrid-Wagen. E-Motorräder haben in Deutschland einen schweren Stand Wenig beliebt waren zuletzt in Deutschland derweil schwere Motorräder mit Elektro-Antrieb. "96 bis 97 Prozent der Motorräder haben einen Verbrennungsmotor", sagte Matthias Meier, Geschäftsführer der Harley-Davidson-Factory in Frankfurt. Nach Auswertungen des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) gab es im vergangenen Jahr 222.046 Neuzulassungen für Krafträder - davon waren nur 16.945 mit Elektro-Antrieb. Kunden greifen lieber zu kleineren batteriebetriebenen Zweirädern. In der kleinsten Klasse, die Kleinkrafträdern mit bis zu 50 Kubikzentimetern Hubraum entspricht, werden bereits fast 30 Prozent Elektro-Bikes verkauft, wie der Industrieverband Motorrad Deutschland (IVM) berichtet. Ähnliches gilt für die Klasse A1 mit einem Hubraum bis zu 125 Kubikzentimetern, wo 2023 mehr als zehn Prozent der neu zugelassenen Zweiräder einen Elektroantrieb hatte. Auch die Angebotspalette von E-Motorrädern ist überschaubar. So verschob BMW die Vorstellung seines E-Modells auf frühestens 2026. Ursprünglich war das Modell schon für 2025 angekündigt worden. Es gebe weltweit "nirgendwo eine wirklich relevante Nachfrage seitens der Kunden nach elektrischen Motorrädern", sagte BMW-Sprecher Tim Diehl-Thiele. Solange die Nachfrage ausbleibe, wolle sich der Hersteller weiterhin auf elektrische Modelle für den städtischen Raum und für überschaubare Distanzen konzentrieren.
/wirtschaft/technologie/ladesaulen-elektroautos-infrastruktur-100.html
2024-04-29
Das Leben nach dem Krieg für Kinder aus Gaza
Evakuiertes SOS-Kinderdorf
Die Organisation war nervenaufreibend, die Fahrt dauerte drei Tage, doch am Ende konnten 68 Kinder des SOS-Kinderdorfs aus Rafah nach Bethlehem evakuiert werden. Hier beginnt für sie nach dem Kriegstrauma nun ein neues Leben. Von J. Segador.
Die Organisation war nervenaufreibend, die Fahrt dauerte drei Tage, doch am Ende konnten 68 Kinder des SOS-Kinderdorfs aus Rafah nach Bethlehem evakuiert werden. Hier beginnt für sie nach dem Kriegstrauma nun ein neues Leben. Von Julio Segador Ammar packt seinen kleinen Rucksack: Mit einem Ruck am Reißverschluss startet für ihn eine weitere neue Etappe in seinem Leben. "Wir werden dort vieles bekommen - Bildung, neue Sachen und auch neue Freunde. Mit ihnen kann ich dort spielen. Ich freue mich darauf." Ammar ist 13 Jahre alt und ist eines der 68 Kinder, die Mitte März aus dem SOS Kinderdorf in Rafah im umkämpften Gazastreifen nach Bethlehem evakuiert worden waren. Bisher war er platzbedingt dort in einem Hotel untergebracht. Nun kann der Junge in das SOS Kinderdorf wechseln. Hier fühle er sich geborgen und sei sicher. "Als wir aus Gaza rauskamen, war die Lage sehr traurig. Jetzt nicht mehr. Ich habe es akzeptiert, und freue mich auf das, was jetzt kommt." Fahrt dauert drei Tage Es war eine spektakuläre Aktion, als die 68 Kinder, die meisten von ihnen Waisen, und einige ihrer Betreuer den Gazastreifen mitten im Krieg verlassen konnten. Fast fünf Monate hatte Ghada Hirzallah, die Direktorin der SOS Kinderdörfer in den palästinensichen Gebieten, mit allen Seiten verhandelt. Nach langwierigen Geheimverhandlungen, zermürbenden Wochen des Hoffens und Bangens, kam schließlich das Ok - auch der israelischen Behörden. "Es war das schwierigste und komplizierteste Projekt meines Lebens", erinnert sich Hirzallah. "An einem bestimmten Punkt dachte ich, es wird nicht klappen. Aber dass ich die Kinder jetzt sehe, sie berühren kann, dass sie raus sind aus der Kriegszone, ist für mich wie ein Traum." Ein Traum, der immer wieder zu scheitern drohte. Drei Tage dauerte die Fahrt aus Rafah im Gazastreifen nach Bethlehem ins Westjordanland. Der Bus, in dem die Kinder saßen, musste immer wieder stoppen. Manchmal stand er sechs Stunden. Samy Ajjour, der Leiter des SOS Kinderdorfes in Rafah, durfte die Kinder während der Evakuierung aus Rafah begleiten: "Das waren die schwierigsten Tage meines Lebens. Nichts war sicher, wir wussten nicht, was uns während der Fahrt erwartet." Dazu kam, dass nur drei Betreuer sich um so viele Kinder hätten kümmern müssen. "Das war alles andere als einfach." Auch nach der Evakuierung. Psychologe Mutaz Lubbad kümmerte sich schon in Rafah um die Kinder. Er weicht auch im SOS Kinderdorf in Bethlehem nicht von ihrer Seite: "Die meisten Kinder hatten anfangs Angst. Wir wussten nicht, ob dieses Gefühl länger bleiben würde." Er erinnere sich daran, wie ihn ein Kind fragte: "Mutaz, an dem Ort, wohin wir gehen - werde ich da auch Angst haben?" Im SOS Kinderdorf in Bethlehem wussten alle um die schwierige Aufgabe. Nicht nur für Direktorin Ghada Hirzallah war es eine immense Herausforderung - denn die Kinder waren durch die Kriegserlebnisse traumatisiert. "Sie haben eine Menge Dinge gesehen. Wir haben daher für die Kinder verschiedene Pläne ausgearbeitet." Ammars Traum von einer Fußballer-Karriere Es gehe um psychisch-soziale Unterstützung, ebenso um medizinische Hilfe. "Was sie sofort benötigten, war eine regelmäßige Ernährung, sie mussten zunächst einfach essen." Dann sei es an spezielle Bildungspläne für sie gegangen. "Sie mussten einfach in ein normales Leben zurückfinden. Es sind Kinder. Sie verdienen es." Für den 13-jährigen Ammar ist Bethlehem sein neues Zuhause. Am liebsten spielt er Fußball, wie so viele Kinder in seinem Alter. Und wie andere Kinder hat auch er Träume: Er möchte Fußballspieler werden, und als Stürmer für die palästinensische Mannschaft auflaufen. Ein Vorbild hat er schon: "Messi".
/ausland/asien/gaza-waisen-bethlehem-100.html
2024-04-29
Das neue Feindbild der Verschwörungsszene
WHO-Pandemievertrag
Um auf eine neue Pandemie besser vorbereitet zu sein, verhandeln die 194 Mitgliedsstaaten der WHO seit mehr als zwei Jahren über einen Pandemievertrag. Der Verschwörungsszene ist er ein Dorn im Auge. Von P. Siggelkow.
Um auf eine neue Pandemie besser vorbereitet zu sein, verhandeln die 194 Mitgliedsstaaten der WHO seit mehr als zwei Jahren über einen Pandemievertrag. Der Verschwörungsszene ist er ein Dorn im Auge. Von Pascal Siggelkow "Bekämpfe die Machtergreifung der WHO: Sag Nein zum 'Pandemievertrag'" - Unter diesem Motto läuft eine Petition in Deutschland, die bereits mehr als 500.000 Mal unterschrieben wurde. Der Entwurf des Pandemievertrags, der die freie Meinungsäußerung einschränke, die invasive Überwachung verstärke und "unsere geschätzten bürgerlichen Freiheiten" aushöhlen solle, könne in Kürze verabschiedet werden, heißt es weiter. Grund für die Aufregung ist das geplante Abkommen der Mitgliedsstaaten der Weltgesundheitsorganisation (WHO), das im Mai verabschiedet werden könnte. Ziel dieses Pandemievertrags ist eine koordinierte Vorgehensweise der WHO-Mitgliedstaaten bei zukünftigen Pandemien. Nach Ansicht von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach braucht es auf der globalen Ebene mehr koordinierte und gemeinsame Bestrebungen, um künftige Pandemien und andere Infektionskrankheiten zu bewältigen und einzudämmen. Unter anderem die EU und die G7-Staaten unterstützen den Plan eines globalen Pandemievertrags, der bereits Ende Mai 2021 - also während der Corona-Pandemie - von den 194 WHO-Mitgliedern gefasst wurde. In verschwörungsideologischen Kreisen wird das geplante Abkommen jedoch von Anfang an als vermeintliche Machtergreifung der WHO interpretiert, um die Souveränität der Staaten auszuhebeln. Auch die AfD hat das Thema bereits für sich entdeckt und forderte kürzlich in einem Antrag an die Bundesregierung die "Ablehnung des WHO-Pandemievertrags sowie der überarbeiteten Internationalen Gesundheitsvorschriften". "WHO bietet Rahmen für Verhandlungen" Dabei ist an diesen Vorwürfen überhaupt nichts dran, sagen Experten. Zuallererst werde das Abkommen von Vertretern der WHO-Mitgliedsstaaten gemeinsam erarbeitet, sagt Andreas Wulf von der Nichtregierungsorganisation medico international. Die WHO biete vor allem den Rahmen für diese Verhandlungen, ähnlich wie die Vereinten Nationen. "Bei dem Pandemievertrag werden gemeinsame Rahmenrichtlinien verabredet, so wie es sie auch schon bei den internationalen Gesundheitsvorschriften gibt." Die neueste Fassung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) wurde im Juni 2005 von der 58. Weltgesundheitsversammlung der WHO verabschiedet und ist seit dem 15. Juni 2007 völkerrechtlich verbindlich. Dabei ging es ebenfalls bereits hauptsächlich um einheitliche Vorgaben hinsichtlich der Überwachung und Kontrolle von "Ereignissen internationaler Tragweite" für die WHO-Mitgliedsstaaten. Das betrifft Ereignisse, die eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellen können, wie beispielsweise regionale und globale Epidemien oder auch nukleare Unfälle. WHO rief bislang sieben Mal eine Notlage aus Die IGV sehen unter anderem vor, dass Ereignisse, die eine grenzüberschreitende Gefahr für die öffentliches Gesundheit darstellen können, innerhalb von 24 Stunden an die WHO gemeldet werden müssen. Diese kann dann ein Notfallkomitee mit externen Fachleuten einberufen, um über die Tragweite des Ereignisses und mögliche Maßnahmen zu diskutieren. Anschließend gibt das Gremium Empfehlungen ab, wie die Krise eingedämmt und bewältigt werden könnte - diese sind jedoch nicht bindend. In den meisten Fällen kommt es jedoch gar nicht erst dazu. Insgesamt wurde nur sieben Mal eine gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite ausgerufen - zuletzt am 23. Juli 2022 wegen des Ausbruchs der Affenpocken. Wegen des neuartigen Coronavirus hatte die WHO am 30. Januar 2020 die gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite ausgerufen. "Wie wenig Macht die WHO diesbezüglich hat, konnten wir damals bereits sehen", sagt Wulf. Denn durch die Ausrufung der Notlage Ende Januar habe sich zum Beispiel in Deutschland noch nichts verändert. Für die breite Bevölkerung weitreichende Maßnahmen wie Kontakteinschränkungen oder eine Pflicht zum Tragen von Schutzmasken im öffentlichen Nahverkehr und beim Einkauf kamen erst Wochen später. Vertrag gilt nur für Länder, die zustimmen Da sich die IGV jedoch auf alle potentiellen Gefahren bezieht, wollen die WHO-Mitgliedsstaaten mit dem Pandemievertrag konkret das Vorgehen bei einer möglichen neuen Pandemie regeln. Das soll unter anderem auch Präventionsmaßnahmen beinhalten, damit es im besten Fall gar nicht erst zu einer Pandemie kommt. Der Vertrag kommt erst zustande, wenn die Weltgesundheitsversammlung der WHO-Mitgliedsländer, die jährlich im Mai in Genf zusammen kommt, ihn im Konsens oder mehrheitlich beschließt. Die Vertreter von mindestens 40 Staaten müssen zustimmen. Doch damit ist er nicht auch direkt für alle Nationen verbindend. Als nächsten Schritt müssen die Länder den Vertrag ratifizieren, in Deutschland zum Beispiel durch eine Abstimmung im Bundestag. Anschließend müsste zumindest in Deutschland zudem ein Gesetz erlassen werden, um den internationalen Vertrag umsetzen zu können. Der Pandemievertrag würde dann auch nur für die Länder gelten, die ihn entsprechend ratifiziert haben, sagt Pedro Villarreal von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und dem Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. "Das zeigt, dass die Souveränität bei den Staaten bleibt. Denn so findet eine souveräne Entscheidungsfindung statt, indem die Staaten selber ihre Bereitschaft äußern, sich vom Abkommen verpflichten zu lassen." "Die WHO wird keine solchen Befugnisse erhalten" Auch die Sorge, dass die WHO durch den Pandemievertrag plötzlich Schutzmaßnahmen wie Lockdowns oder eine Impfpflicht bestimmen könnte, hält Villarreal für unbegründet. "Es ist falsch, dass die WHO dann den Regierungen vorschreiben darf, welche Maßnahmen gegenüber der Bevölkerung ergriffen werden müssen. Die WHO wird keine solchen Befugnisse erhalten." Sanktionen sind nicht vorgesehen, falls sich Staaten nicht an den Vertrag halten, so Villarreal. Hinzu kommt laut Wulf, dass die WHO beispielsweise mit Blick auf die Corona-Pandemie eher zurückhaltend mit Forderungen nach bestimmten Maßnahmen wie Grenzschließungen gewesen ist, denn sie weiß um die massiven wirtschaftlichen Folgen solcher Abschottung in einer globalisierten Welt. Letzten Endes habe die WHO auch gar keine Durchsetzungskraft für bestimmte Maßnahmen. "Die WHO beschließt nicht, dass in Deutschland die Kneipen schließen und dass wir alle eine Maske tragen müssen. Die WHO gibt lediglich Empfehlungen ab, ob zum Beispiel das Tragen von Masken sinnvoll ist oder nicht." Was davon umgesetzt werde, entschieden die Staaten selbst. Mit dem Pandemievertrag würde es vielmehr wie bei der IGV zumindest theoretisch möglich sein, dass ein Staat bei der Nichteinhaltung seiner Verpflichtungen von anderen Staaten ein Verstoß gegen das Völkerrecht vorgeworfen werden könne, sagt Villarreal. "Wenn ein Staat den Vertrag nicht einhält, dann kann ein anderer Staat entweder durch diplomatische Verhandlungen oder durch eine Klage versuchen, den Verstoß zu ahnden. Aber dafür gibt es viele Hindernisse." Konfliktpotenzial beim Ausrufen einer Pandemie? Ähnlich wie bei der IGV könnte es mit dem Pandemievertrag für die WHO auch möglich sein, eine Pandemie zumindest informell auszurufen. "Diese Ausrufung hätte jedoch keine rechtlichen Konsequenzen für die Staaten", sagt Villarreal. Allerdings würden Staaten solch eine Situation dann natürlich beobachten und gegebenenfalls reagieren. Ob das überhaupt Teil des Abkommens werde und falls ja, wie genau das aussehen würde, sei aber ohnehin noch nicht geklärt. Villarreal sieht in dem Ausrufen einer Pandemie jedoch Konfliktpotenzial, aber aus anderen Gründen als in verschwörungsideologischen Kreisen. Denn die Einschätzung, ab wann es sich tatsächlich um eine Notlage handele, könne variieren. "Sobald die WHO eine Notlage ausruft, hat das Konsequenzen für den betroffenen Staat", so Villarreal. Denn andere Länder könnten beispielsweise als Vorsichtsmaßnahme den Handel mit dem betroffenen Land einstellen, was wirtschaftlich spürbare Konsequenzen mit sich bringe. Dadurch sind laut Villarreal einige Staaten skeptisch bezüglich der Weitergabe von Informationen an die WHO, weil sie keinen Einfluss darauf haben, ob die WHO eine Notlage ausruft. "Obwohl die WHO den Staaten nicht vorschreiben kann, wie sie zu handeln haben, reagieren andere Staaten möglicherweise auf eine Art und Weise, die nicht im Interesse eines betroffenen Staates liegt. Und das ist die Sorge." So habe beispielsweise die Entdeckung der Omikron-Variante in Südafrika dazu geführt, dass andere Länder Reisebeschränkungen für Südafrika verhängten. Abwehrreaktion bei multilateralen Organisationen Insgesamt erklärt Wulf sich die vielen Verschwörungserzählungen rund um den Pandemievertrag und die WHO im Allgemeinen mit psychologischen Faktoren. "Ich glaube, das hat viel mit Angstabwehr und fehlenden Kenntnissen über multilaterale Organisationen wie der WHO zu tun." Ähnlich wie bei der EU gebe es auch mit Blick auf die WHO eine Art Abwehrreaktion. "In einigen Kreisen gibt es wegen der Komplexität der globalisierten Welt den ganz klaren Wunsch nach einem Rückzug ins Nationale." Dabei gebe es in Deutschland zum Beispiel das Infektionsschutzgesetz, auf dessen Grundlage tatsächlich wesentliche Grundrechte eingeschränkt werden können. "Es gibt ein Gesetz, das - medizinisch begründet - eine enorme Einschränkungsmöglichkeit und Machtfülle beinhaltet. Und das wird dann meiner Ansicht nach von den Verschwörungsideologen auf die WHO projiziert." Ob der Pandemievertrag überhaupt wie geplant im Mai beschlossen wird, ist derzeit noch unklar. Viele Punkte wie zum Beispiel die Verteilungsgerechtigkeit oder auch der Patentschutz von Impfstoffen sind noch umstritten. In einer früheren Version hieß es, dass die WHO die gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite zuletzt am 30. Januar 2020 wegen des Coronavirus ausgerufen hatte. Allerdings hatte sie diese am 23. Juli 2022 wegen des Affenpocken-Ausbruchs zuletzt ausgerufen. Das haben wir korrigiert und bitten den Fehler zu entschuldigen.
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2024-04-29
Bahn setzt dieses Jahr auf Erneuerung
Modernisierung der Infrastruktur
Weichen, Gleise, Bahnhöfe: Die Bahn will den Verfall der Schienen-Infrastruktur stoppen und investiert dieses Jahr Milliarden in die Erneuerung. Für viele Fahrgäste bedeutet das: Umleitungen und verlängerte Fahrtzeiten.
Weichen, Gleise, Bahnhöfe: Die Bahn will den Verfall der Schienen-Infrastruktur stoppen und investiert dieses Jahr Milliarden in die Erneuerung. Für viele Fahrgäste bedeutet das: Umleitungen und verlängerte Fahrtzeiten. Das Schienennetz der Bahn gilt als marode und überlastet, die Unpünktlichkeit vieler Züge ist für viele Fahrgäste ein Ärgernis. Das soll sich nach dem Willen des Konzerns ändern: 16,4 Milliarden Euro will er in diesem Jahr in ein umfassendes Infrastrukturprogramm stecken. Damit sollen 2.000 Kilometer Gleise, 2.000 Weichen, dazu zahlreiche Bahnhöfe und Brücken erneuert werden. So werde die vorhandene Infrastruktur leistungsfähiger und robuster, und es werde mehr Kapazität im Schienennetz geschaffen, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens. Ziel: "Überalterung" stoppen An rund 1.000 Bahnhöfen und Haltepunkten laufen 2024 demnach Modernisierungs- und Neubaumaßnahmen, darunter in den Hauptbahnhöfen Duisburg, Dresden, Hannover, Ulm und München. Auch in zahlreiche kleinere und mittelgroße Stationen investiert die Bahn nach eigenen Angaben, etwa in barrierefreie Zugänge, Wetterschutz und Fahrgastinformation. "Zum ersten Mal seit vielen Jahren wird es uns 2024 gelingen, die Überalterung der Eisenbahninfrastruktur zu stoppen", erklärte dabei Philipp Nagl, Chef der DB-InfraGO - der neuen Infrastrukturgesellschaft der Bahn. Sie ging aus dem Zusammenschluss der früheren Töchter DB Netz und DB Station&Service hervor und soll laut DB die Qualität, Kapazität und Stabilität des Eisenbahnbetriebs nachhaltig verbessern. Längere Fahrtzeiten für Fahrgäste Im Alltagsbetrieb führten viele Störungen auf wichtigen Strecken sowie zahlreiche Baustellen zuletzt zu großen Problemen bei der Pünktlichkeit. Die Überalterung der Eisenbahninfrastruktur wird im jährlichen Netzzustandsbericht gemessen. Im aktuellen Bericht (für 2022) wird der "altersbasierte Nachholbedarf" auf 103,4 Milliarden Euro beziffert. Besonders groß ist dabei der Nachholbedarf bei Brücken (59,9 Milliarden Euro). Ob die Überalterung 2024 gestoppt werden kann, wird erst im übernächsten Netzzustandsbericht zu sehen sein. Auf dem Weg zu mehr Pünktlichkeit und Qualität müssen Fahrgäste vielerorts allerdings Umleitungen und verlängerte Fahrtzeiten in Kauf nehmen - wie etwa bei der Sanierung der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim. Ihre Modernisierung soll als erste von 40 sogenannten Hochleistungskorridoren in Angriff genommen werden und startet Mitte Juli. Bis 2030 soll das hochbelastete Schienennetz von Grund auf erneuert werden. Für die großangelegte Modernisierungsmaßnahme werde auch Personal aufgestockt, hieß es. Mit 5.500 neuen Mitarbeitenden für Instandhaltung und Ausbau wachse das Team auch 2024 weiter, erklärte die Bahn.
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2024-04-29
"Militärischer Arm" vor Gericht
Prozessauftakt gegen "Reichsbürger"
In Stuttgart-Stammheim beginnt heute der erste Prozess gegen Mitglieder der "Gruppe Reuß". Vor Gericht: Neun mutmaßliche Mitglieder des "militärischen Arms". Es ist der Start in eine wohl historische rechtliche Aufarbeitung.
In Stuttgart-Stammheim beginnt heute der erste Prozess gegen Mitglieder der "Gruppe Reuß". Vor Gericht: Neun mutmaßliche Mitglieder des "militärischen Arms". Es ist der Start in eine wohl historische rechtliche Aufarbeitung. Von Martin Kaul, Florian Flade, Katja Riedel, Helene Fröhmcke, WDR, und Sebastian Pittelkow, NDR Es sind die Ergebnisse aus über 400.000 Seiten Ermittlungsakten, verdichtet in einer Anklageschrift mit mehr als 600 Seiten. Die Vorwürfe gegen die neun Angeklagten, gegen die an diesem Montag der Prozess in Stuttgart-Stammheim beginnt: Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Hochverrat. Bei einigen der Angeklagten kommt noch illegaler Waffenbesitz hinzu, einem werden dazu noch versuchter Mord und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Es ist der Auftakt in eine Prozessserie mit 27 Beschuldigten, deren Prozesse wegen ihrer beispiellosen Dimension künftig an drei Gerichten parallel stattfinden sollen. In Stuttgart stehen ab heute neun mutmaßliche Mitglieder des "militärischen Arms" der Gruppe vor Gericht. Mehr als 380 Schusswaffen Im Mittelpunkt der Vorwürfe stehen mutmaßliche Umsturzpläne eines Netzwerkes rund um Heinrich XIII. Prinz Reuß, die im Dezember 2022 erstmals für Schlagzeilen sorgten. Damals durchsuchten Ermittler bundesweit Häuser und Geschäftsräume. Gegen Reuß, die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann, einige ehemalige und aktive Soldaten sowie rund zwei Dutzend weitere Menschen wurden Haftbefehle erlassen. Nach Ansicht der Bundesanwaltschaft soll sich die Gruppe konkret darauf vorbereitet haben, den Deutschen Bundestag in Berlin zu stürmen und verschiedene Vorbereitungen für den Fall einer Machtübernahme getroffen haben. Insgesamt stießen die Ermittler bis heute wohl auf mehr als 380 Schusswaffen, knapp 350 Hieb- und Stichwaffen. Sie fanden Nachtsichtgeräte und Handfesseln sowie Satellitentelefone und rechnen der Gruppe Geldmittel in Höhe von rund 500.000 Euro zu - so jedenfalls steht es in der Anklageschrift, die NDR und WDR einsehen konnten und über die ab heute in Stuttgart unter massiven Sicherheitsvorkehrungen verhandelt wird. Logistische und juristische Herausforderung Bis zu einer möglichen Verurteilung gilt für alle Angeklagten die Unschuldsvermutung. Im Falle einer Verurteilung drohen ihnen lange Freiheitsstrafen. Jedem Beschuldigten muss dabei die Schuld persönlich nachgewiesen werden - eine Herausforderung, die angesichts der Vielzahl an Angeklagten ein einzelnes Gericht überfordern würde. Deshalb wurde das Verfahren auf getrennte Prozesse in Stuttgart, Frankfurt und München aufgespalten. Eine Strategie mit Risiko: Denn die Anklage steht und fällt mit der Feststellung, dass es sich tatsächlich um eine terroristische Vereinigung handelt. Sollte nur eines der drei Gerichte diese Frage verneinen, könnte dies auch Auswirkungen auf die übrigen Verfahren haben. In Stammheim hat man immerhin Erfahrungen mit Mammutprozessen: Vor fast 50 Jahren wurde hier gegen Führungsmitglieder der Rote Armee Fraktion (RAF) verhandelt. Inzwischen gibt es hier einen modernen, auf Hochsicherheitsbedingungen ausgerichteten Prozessbau, in dem die Angeklagten über eigene Wegschleusen in den Gerichtssaal geführt werden. Dort sitzen sie hinter Panzerglas und können selbst mit ihren Rechtsanwälten nur über eine Sprechanlage kommunizieren. Für den "Reichsbürger"-Prozess wurden die neun Beschuldigten aus verschiedenen Gefängnissen in Baden-Württemberg in die Justizvollzugsanstalt Stammheim verlegt. Doch auch dort sollen sie streng voneinander abgeschirmt werden. Bundesweit Mitglieder rekrutiert Bei den Stuttgarter Angeklagten handelt es sich vor allem um mutmaßliche Mitglieder des "militärischen Arms" der Gruppe. Ihnen wird vorgeworfen, sich am Aufbau sogenannter "Heimatschutzkompanien" (HSK) beteiligt zu haben. Bundesweit sollen einzelne Mitglieder geplant haben, eigene militärisch organisierte Gruppen aufzubauen, andere sollen rekrutiert und unterstützt haben. Besonders fortgeschritten soll eine der Gruppen im Raum Tübingen gewesen sein - die sogenannte "HSK 221". Nicht nur stießen Polizisten den Ermittlungsakten zufolge auf umfangreiche Organigramme, auf Teilnehmerlisten und Aufstellungen über Fähigkeiten und Waffenkenntnisse - auch führten ihre Ermittlungen unter anderem direkt zu einem Bundeswehrsoldaten des Kommando Spezialkräfte (KSK) in Calw. Dort stand mit Stabsfeldwebel Andreas M. ein Soldat im Dienst, der neben seiner Bundeswehrtätigkeit offenbar auch am Aufbau privater Heimatschutzkompanien gearbeitet haben soll. Bei Durchsuchungen fanden Beamte unter anderem eigene fiktive Nummernschilder des sogenannten "Militärischen Stabes". Laut Anklage soll M. auch dabei geholfen haben, für die Heimatschutzkompanien zu rekrutieren. Gegenüber Ermittlern sollen seine Verteidiger angegeben haben, M. habe sich als Teil einer friedlichen Mission gesehen. Der Aufbau der Heimatschutzkompanien habe keine militärischen Zwecke gehabt, sondern der Vorbeugung im Krisenfall gedient. Auf Anfrage von NDR und WDR wollten sich seine Anwälte nicht äußern. Besonders im Fokus: Markus L. Besonders im Fokus dürfte daneben auch der Angeklagte Markus L. stehen. Er war erst später ins Visier der Ermittler geraten. Als ein Sondereinsatzkommando der Polizei ihn im März 2023 in seiner Wohnung aufsuchte, soll er zwei Polizisten angeschossen haben. Aus Fotos in Ermittlungsakten geht hervor, wie Markus L. - verschanzt hinter einem Sessel, überzogen mit einer schussfesten Weste - dort offenbar ein halbautomatisches Schnellfeuergewehr auf einem Zweibein stationiert und damit auf die Beamten geschossen haben soll. Einer der Polizisten, der mit einem Projektil im Arm getroffen wurde, soll bis heute unter den Folgen leiden. Nachdem Markus L. sich seinerzeit ergeben hatte, fanden Polizisten in seiner Wohnung neben NS-Devotionalien zahlreiche Waffen und größere Mengen Munition, die nach Informationen von NDR und WDR offenbar zum Teil aus Altbeständen der Bundeswehr stammen sollen. Markus L. gilt den Ermittlern seither als ein Beleg für die Gewaltbereitschaft der Gruppe. Seine Anwälte wollten sich auf Anfrage nicht äußern. Weitere Prozesse stehen an Über 40 Prozesstage sind in Stammheim anberaumt, doch das Verfahren dürfte sich bis weit ins kommende Jahr ziehen. Allein für die Verlesung der Anklageschrift rechnen Verteidiger mit zwei Prozesstagen. Dann dürfte es zunächst um die grundsätzliche Frage gehen, ob es sich bei der Gruppe tatsächlich um eine terroristische Vereinigung handelt. Erst dann sollen die individuellen Tatbeteiligungen der einzelnen Angeklagten aufgeklärt werden. Auch die weiteren Prozesse sind inzwischen terminiert: Vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt soll am 21. Mai der Prozess gegen die mutmaßlichen Rädelsführer der Gruppe beginnen - darunter Reuß und die ehemalige Bundestagsabgeordnete Malsack-Winkemann. In München soll der Prozess gegen acht weitere Angeklagte dann am 18. Juni beginnen.
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2024-04-29
Krankenstand bleibt auf hohem Niveau
Krankenkassen-Bericht
Gefühlt sind in letzter Zeit wieder viele Menschen krank - und offenbar trügt der Eindruck nicht. Laut einer Analyse der Krankenkasse DAK lag der Krankenstand im ersten Quartal nur knapp unter dem Vorjahreswert.
Gefühlt sind in letzter Zeit wieder viele Menschen krank - und offenbar trügt der Eindruck nicht. Laut einer Analyse der Krankenkasse DAK lag der Krankenstand im ersten Quartal nur knapp unter dem Vorjahreswert. Der Krankenstand bei Beschäftigten in Deutschland hält sich laut einer aktuellen Erhebung weiter auf einem hohen Niveau. Im ersten Quartal des Jahres 2024 lag die Zahl der krankheitsbedingten Ausfälle mit 5,8 Prozent nur knapp unter dem Wert des Vorjahreszeitraums, wie aus einer Analyse der Krankenkasse DAK-Gesundheit hervorgeht, die dem Redaktionsnetzwerk Deutschland vorliegt. Demnach waren zwischen Januar und März an jedem Tag im Schnitt 58 von 1.000 Beschäftigten krankgeschrieben. Atemwegserkrankungen ein Hauptgrund Zwar sank der Analyse zufolge die durchschnittliche Dauer einer Krankschreibung leicht von 9,6 auf 9,3 Tage, gleichzeitig stieg jedoch die Gesamtzahl der Fälle leicht an. Demnach fehlten 38 Prozent aller Beschäftigten zwischen Januar und März mindestens einmal mit einer Krankschreibung. Bei den Unter-20-Jährigen lag der Wert sogar bei 59 Prozent.  Grund für die meisten Ausfälle waren laut DAK Gesundheit Atemwegserkrankungen, psychische Erkrankungen sowie Beschwerden wie Rückenschmerzen. Für die Daten wurden die Krankschreibungen von 2,2 Millionen Versicherten untersucht. "Beim Krankenstand in Deutschland ist keine Entwarnung in Sicht", sagte Krankenkassen-Chef Andreas Storm dem RND. Nach den Rekordwerten in den Jahren 2022 und 2023 hätten sich die hohen Ausfallraten bei den Beschäftigten auch im ersten Quartal 2024 verfestigt.
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2024-04-29
Verstößt Trump gegen die Gag Order?
Trump-Prozess in New York
Beim Strafprozess gegen Donald Trump wird derzeit über die sogenannte Gag Order diskutiert, also eine Art Schweigepflicht. Beobachter sagen, der Republikaner habe Dutzende Male dagegen verstoßen - und das aus Kalkül. Von C. Voß.
Beim Strafprozess gegen Donald Trump wird derzeit über die sogenannte Gag Order diskutiert, also eine Art Schweigepflicht. Beobachter sagen, der Republikaner habe Dutzende Male dagegen verstoßen - und das aus Kalkül. Von Charlotte Voß Vor und nach jedem Verhandlungstag im Schweigegeld-Prozess tritt Donald Trump vor die wartenden Kameras der US-Sender. Seine Mission: Selbstverteidigung. "Bevor wir beginnen, möchte ich sagen, dass dies alles Biden-Prozesse sind. Das wird als Wahlbeeinflussung gemacht. Jeder weiß, dass ich hier bin, anstatt in Pennsylvania und Georgia und an vielen anderen Orten Wahlkampf zu machen. Das ist sehr unfair. Das ist eine Hexenjagd." Trump sei ein Angeklagter im Angriffsmodus, meint Juraprofessor und Kriminologe William Black aus Kansas City. Und hat dafür eine einfache Erklärung: den früheren New Yorker Anwalt und Staatsanwalt Rod Cohn, der lange für Donald Trump und dessen Familie tätig war. "Cohn hat ihm beigebracht, sich nie zu entschuldigen und nie eine Niederlage zuzugeben." Im Schweigegeld-Prozess hat er eine sogenannte Gag Order erhalten - er darf über nichts und niemanden aus diesem Fall sprechen. Es wird aber bereits geprüft, ob er in Dutzenden Fällen dagegen verstoßen hat. In einfachen kurzen Sätzen stellt er sich seit Tagen als Opfer dar - wie im Sender Real America's Voice: "Die Geschworenen wurden so schnell ausgewählt. 95 Prozent sind Demokraten. Es ist eine sehr ungerechte Situation, das kann ich Ihnen sagen." Umstrittene Gag Order Seinen einstigen Vertrauten Michael Cohen, der Hauptzeuge der Anklage ist, nennt er auf der Plattform Truth Social einen "in Ungnade gefallenen Anwalt und Schwerverbrecher". Trump hat als einziger eine Gag Order bekommen, was Anwälte beider politischen Lager schwierig finden. Die eher konservative ehemalige New Yorker Staatsanwältin Annemarie McAvoy meint: "Da sie nur für Trump gilt, könnte es im Nachhinein Probleme geben, etwa bei einer möglichen Berufung. Es ist eine schwierige Situation, weil Stormy Daniels draußen mit der Presse spricht. Michael Cohen hat sogar einen Podcast, in dem er über Trump und den Prozess und all das spricht." Auch ihr eher liberaler Kollege Ron Kuby aus Manhattan hinterfragt diese Verfügung: "Da Cohen frei über Trump sprechen kann, sollte Trump auch über Cohen sprechen können." Bewusste Eskalation? Vermutlich versuche der Richter, Trump unter Kontrolle zu halten, meinen beide, und die Jury und Zeugen zu schützen. Seine Entscheidung wegen der Verstöße steht noch aus. Er könnte Trump verwarnen, ihm eine Geldstrafe geben oder ihn sogar für kurze Zeit ins Gefängnis schicken. Annemarie McAvoy schließt nicht aus, dass Trump bewusst versucht, den Konflikt auf die Spitze zu treiben. "Und wenn er ins Gefängnis muss, könnte er den Märtyrer spielen. Er könnte behaupten, Biden bringe seinen politischen Gegner ins Gefängnis. Sollte es so kommen, wäre es ein spektakuläres Wahlkampfthema." Trumps Aktionsradius eingeschränkt Bei der US-Wahl im November möchte Trump für die Republikaner gegen Biden antreten. Da er in den kommenden fünf Wochen an jedem einzelnen Verhandlungstag in New York persönlich anwesend sein muss, ist sein Radius stark eingeschränkt. Sein Team setzt bereits auf volksnahe, kurzfristige Auftritte. In einer Bodega in Harlem oder wie am vergangenen Donnerstag an einer Baustelle in Midtown. Die amerikanischen Sender - allen voran CNN und Fox - senden tagelang nahezu monothematisch. Minutiös wird berichtet, was im Gerichtssaal passiert: Trump sagt, es sei zu kalt; Trump flüstert mit seinem Anwalt; Trump hört zu und nickt. Sagt Trump aus oder nicht? Beim ehemaligen Präsidenten schalten noch immer viele Amerikaner ein. Er hatte auch angekündigt auszusagen. "Ich bezweifle aber sehr, dass Trump aussagen wird", so McAvoy. "Er sagte, er würde aussagen - bevor der Richter entschieden hat, dass er alle Arten von Fragen zulassen wird, die über die eigentliche Stormy-Daniels-Frage hinausgehen." Das sieht auch Jurist Kuby so: "Er hat immer alles bestritten, die Affären und so weiter. Ich denke, er würde an Glaubwürdigkeit verlieren, nicht bei der Jury, aber bei seinen Anhängern." Wann welcher Zeuge gehört wird, gibt der Richter kurzfristig bekannt. Auch - so meinen zumindest einige Juristen -, um sie vor Donald Trumps Attacken zu schützen.
/ausland/amerika/trump-prozess-114.html
2024-04-29
Esken für Reform der Mindestlohnkommission
SPD-Parteichefin
Der Mindestlohn soll im kommenden Jahr steigen, auf dann 12,82 Euro. Doch bei dem Kompromiss in der zuständigen Kommission wurden die Gewerkschaften überstimmt. SPD-Chefin Esken will deshalb die Arbeitsweise des Gremiums ändern.
Der Mindestlohn soll im kommenden Jahr steigen, auf dann 12,82 Euro. Doch bei dem Kompromiss in der zuständigen Kommission wurden die Gewerkschaften überstimmt. SPD-Chefin Esken will deshalb die Arbeitsweise des Gremiums ändern. SPD-Chefin Saskia Esken hat sich für eine Reform der Mindestlohnkommission ausgesprochen. "Wir sollten die gesetzlichen Vorgaben für die Mindestlohnkommission so verändern, dass dort Entscheidungen nur im Konsens getroffen werden können", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Das sei auch bei Tarifverhandlungen üblich. "Man muss sich einigen, die eine Seite kann die andere nicht überstimmen. Das wäre auch beim Mindestlohn sinnvoll." Seit 1. Januar gilt ein Mindestlohn von 12,41 Euro. Anfang 2025 steigt die staatlich festgesetzte und von der Mindestlohnkommission vorgeschlagene Lohnuntergrenze auf 12,82 Euro. Die Mindestlohnkommission von Arbeitgebern und Arbeitnehmern hatte die Erhöhungsschritte bis 2025 im vergangenen Jahr beschlossen. Erstmals war die Gewerkschaftsseite dabei von der unabhängigen Kommissionsvorsitzenden überstimmt worden, die mit den Arbeitgebern gestimmt hatte. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hatte mindestens 13,50 Euro gefordert.  Höherer Mindestlohn gefordert Esken bekräftigte außerdem die SPD-Forderung nach einem höheren Mindestlohn. "Die Erhöhung in diesem und im nächsten Jahr ist viel zu niedrig angesichts der Belastungen der Beschäftigten. Er muss auf jeden Fall so hoch sein, dass Alleinstehende armutsfest davon leben können, wenn sie einen Vollzeitjob auf Mindestlohnniveau haben", sagte die SPD-Vorsitzende. Auch die Tariflöhne müssten steigen. Esken warb außerdem für kürzere Arbeitszeiten. "Es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Schichtarbeit, zu viele Überstunden, zu viele Springerdienste krank machen können. Wenn die Leute arbeitsunfähig werden, ist niemandem gedient." Für kürzere Arbeitszeiten spreche, dass eine bessere Verteilung auf mehr Schultern und durchschnittlich niedrigere Arbeitszeit das Arbeitsvolumen insgesamt sogar erhöhen könne. Es gebe Unternehmen, die ermöglichten die Viertagewoche mit vollem Lohnausgleich. "Und es geht", sagte Esken. 8,4 Millionen Beschäftigte verdienen weniger als 14 Euro pro Stunde Einen höheren Mindestlohn fordert auch die Linkspartei. Er solle "nicht unterhalb von 60 Prozent des mittleren Lohns liegen", sagte sie dem "Spiegel". So sehe es eine Richtlinie der EU vor, die ohnehin bis November 2024 umgesetzt werden müsse: "Das entspricht aktuell mindestens 14 Euro und käme Millionen Beschäftigten zugute." Wie das Magazin weiter berichtet, verdienen 8,4 Millionen Deutsche weniger als 14 Euro pro Stunde. Das geht aus der Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Anfrage der Linkengruppe im Bundestag hervor, aus der der "Spiegel" zitiert. Die meisten dieser Menschen sind im Handel beschäftigt: Hier beziehen 1,6 Millionen Angestellte diesen geringen Lohn. Besonders hoch ist der Anteil mit 65,8 Prozent auch im Gastgewerbe. 1,1 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Branche lagen demnach unterhalb der 14-Euro-Euro-Schwelle. Die Angaben beziehen auf April 2023.
/inland/esken-mindestlohn-100.html
2024-04-29
Kommt Bewegung in die Geiselverhandlungen?
Beratungen in Kairo und Riad
In gleich zwei Städten wird heute verhandelt: In Kairo soll sich eine Hamas-Delegation zu einem Vorschlag für eine Geiselfreilassung äußern. In Riad treffen sich westliche und arabische Außenminister zu Gesprächen. Von Anna Osius.
In gleich zwei Städten wird heute verhandelt: In Kairo soll sich eine Hamas-Delegation zu einem Vorschlag für eine Geiselfreilassung äußern. In Riad treffen sich westliche und arabische Außenminister zu Gesprächen. Von Anna Osius Kairo und Riad - zwei Städte im Nahen Osten, in denen zu Wochenanfang ein bisschen Bewegung in die festgefahrenen Vermittlungsgespräche zum Gaza-Krieg kommen könnte. In Kairo wird eine hochrangige Delegation von Hamas-Vertretern erwartet, die vor allem eines im Gepäck haben dürfte: eine Antwort. Die Antwort auf den jüngsten Vorschlag Israels für einen Deal, eine mögliche Feuerpause in Gaza. Beide Seiten spielten aktuell mit dem Feuer, sagte Nahost-Experte Yossi Mekelberg vom britischen Thinktank Chatham House im französischen Sender France24. "Israel steht unter Druck, alles zu tun, um die Geiseln freizubekommen - und droht mit einer Offensive auf Rafah mit schrecklichen Konsequenzen, sollte es nicht zu einem Deal kommen." Die Hamas wisse um Israels Zwänge und versuche, statt einer kurzen Feuerpause eine längere Waffenruhe auszuhandeln. "Jetzt ist die Rolle der Vermittler entscheidend, um beide Seiten unter Druck zu setzen." Ägypten an erster Stelle Ägypten, von Anfang an eines der Vermittlerländer im aktuellen Nahostkonflikt, engagiert sich momentan verstärkt in den Gesprächen. Auch, weil Katar als bisheriger Haupt-Strippenzieher mehrmals öffentlich seinen Frust über die festgefahrenen Verhandlungen kundgetan hat.  Nun steht Ägypten an erster Stelle. Vor wenigen Tagen war eine ägyptische Geheimdienst-Delegation in Israel. Die Gespräche seien sehr gut verlaufen, hieß es danach. Als Folge kommen nun erneut Hamas-Vertreter in die ägyptische Hauptstadt. Israelischen Medienberichten zufolge würde es bei dem fraglichen Deal allerdings nur um ein sehr begrenztes Abkommen gehen, das vorsieht, dass einige weibliche, ältere und kranke Geiseln freikommen. Die Länge einer möglichen Waffenruhe macht Israel offenbar abhängig von der Anzahl der dann freigelassenen Geiseln. Blinken, Baerbock und Cameron in Riad "Es gibt gerade etwas Bewegung, ein neues Momentum in den Gesprächen über die Geiseln und für einen möglichen Weg aus der Sackgasse, in der wir uns in Gaza befinden", sagte der Präsident des saudischen Weltwirtschaftsforums, Borge Brende, am Wochenende in Riad. In der Hauptstadt Saudi-Arabiens treffen sich heute zahlreiche hochrangige Politiker zu Gesprächen über Gaza. US-Außenminister Antony Blinken ist dabei, der britische Außenminister David Cameron, Vertreter aus Katar, Saudi-Arabien und Ägypten. Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock wird in Saudi-Arabien erwartet. Das Ziel des Treffens: Gespräche mit allen Seiten zu führen. Zur Eröffnung des saudischen Weltwirtschaftsforums trat unter anderem Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Riad ans Mikrofon - und wagte erneut einen umstrittenen Vergleich: Das, was in Gaza geschehe, habe es noch nie gegeben, nicht einmal im Zweiten Weltkrieg in Deutschland, so Abbas wörtlich. Und er warnte eindringlich vor der drohenden Offensive Israels in Rafah. "Wir hoffen, dass Israel mit diesem Militäreinsatz aufhört und wir rufen die USA auf, Israel dazu zu bringen, Rafah nicht anzugreifen", so Abbas. Israels Finanzminister droht mit Koalitionsbruch Berichten zufolge ist die israelische Regierung unter Umständen dazu bereit, die geplante Rafah-Offensive zu verschieben, wenn es zu einem Deal mit der Hamas kommen sollte. Auch könnte Israel zu Kompromissen bereit sein, wenn es um eine Rückkehr von Zivilisten in den nördlichen Gazastreifen geht. Der israelische Finanzminister, Belazel Smotrich, drohte dagegen bereits mit einem Bruch der Regierungskoalition, sollte der Militäreinsatz abgesagt werden. Ob es diese Woche in der Grenzstadt Rafah mit Zehntausenden geflüchteten Zivilisten zu einer großangelegten Militäroffensive kommt oder zu einer Waffenruhe in Gaza - die Antwort darauf liegt heute wohl teilweise in Kairo und Riad, vor allem aber in Tel Aviv.
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2024-04-29
Tritt Sánchez heute zurück?
Spanischer Regierungschef
Heute Mittag will der spanische Regierungschef Sánchez seine Entscheidung über seinen möglichen Rücktritt bekanntgeben. Hintergrund ist eine, wie er sagt, Schmutzkampagne gegen seine Frau. Am Sonntag gab es erneut Solidaritätsdemos.
Heute Mittag will der spanische Regierungschef Sánchez seine Entscheidung über seinen möglichen Rücktritt bekanntgeben. Hintergrund ist eine, wie er sagt, Schmutzkampagne gegen seine Frau. Am Sonntag gab es erneut Solidaritätsdemos. Tausende Menschen sind in Spanien erneut auf die Straße gegangen, um für den Verbleib des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez im Amt zu demonstrieren. Bei der Kundgebung vor dem Unterhaus in Madrid trugen die Demonstranten am Sonntagabend Plakate mit Aufschriften wie "Sánchez, ja, mach weiter" oder "Gib nicht auf". Auch in anderen Städten des Landes fanden Solidaritätskundgebungen statt. Bereits am Samstag hatte es Demonstrationen zur Unterstützung des 52-Jährigen gegeben. Die Demonstration fand unter dem Motto "Aus Liebe zur Demokratie" statt. Die Teilnehmer werfen der rechten und rechtspopulistischen Opposition vor, mit "Erpressungen und Fake News" die linke Regierung zu attackieren und die Demokratie zu gefährden. In Madrid schätzten die Behörden die Zahl der Teilnehmer auf circa 5.000. Empörung über Korruptionsanzeige gegen Ehefrau Sánchez will heute Mittag mitteilen, ob er sein Amt niederlegt. Nach einer Korruptionsanzeige gegen seine Ehefrau hatte der sozialistische Politiker am vergangenen Mittwoch überraschend angekündigt, er erwäge einen Rücktritt. Für eine fünftägige Bedenkzeit hatte er alle öffentlichen Termine abgesagt und eine Entscheidung für heute angekündigt. Die Anzeige gegen die Frau des Regierungschefs war von der als sehr rechtsgerichtet eingestuften Organisation "Manos Limpias" (Saubere Hände) erstattet worden. Sie wirft Begoña Gómez, die kein öffentliches Amt bekleidet, "Einflussnahme und Korruption im Geschäftsleben" im Zusammenhang mit Corona-Hilfsgeldern vor. "Manos Limpias" räumte jedoch ein, die Anzeige basiere auf Medienberichten, die durchaus falsch sein könnten. Aus Sicht von Sánchez ist die Anzeige Teil einer Schmutzkampagne von Rechtsextremen. Auch vorgezogene Neuwahlen möglich Sánchez, der Spanien seit 2018 regiert, schrieb am Mittwoch auf X, vormals Twitter, er wolle darüber nachdenken, ob es sich noch "lohnt, trotz des Sumpfes, in dem die Rechten und Rechtsextremen versuchen, Politik zu machen. Ob ich weiter an der Spitze der Regierung stehen oder von dieser hohen Ehre zurücktreten soll". Wenn Sánchez sein Amt niederlegt, müsste König Felipe VI. dem Parlament nach Beratungen mit den Parteichefs einen Nachfolger vorschlagen. Es wird aber nicht ausgeschlossen, dass der Ministerpräsident im Amt bleibt und dem Parlament die Vertrauensfrage stellt oder aber eine vorgezogene Wahl ankündigt.
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2024-04-28
++ Generaloberst: Ukrainische Truppen zurückgefallen ++
Krieg gegen die Ukraine
Laut dem Generaloberst der ukrainischen Armee sind die Truppen an drei Stellungen zurückgefallen. Russische Behörden melden zwei Tote bei ukrainischem Angriff auf besetztes Gebiet Saporischschja. Die Entwicklungen vom Sonntag zum Nachlesen.
Laut dem Generaloberst der ukrainischen Armee sind die Truppen an drei Stellungen zurückgefallen. Russische Behörden melden zwei Tote bei ukrainischem Angriff auf besetztes Gebiet Saporischschja. Die Entwicklungen vom Sonntag zum Nachlesen. Ukraine: Kämpfe im Osten werden härterRussland meldet Abschuss von 17 Drohnen - unter anderem über ÖllagerMacron fordert europäische Debatte über Rolle von AtomwaffenPolens Außenminister hofft auf Bewegung in "Taurus"-Debatte Ende des Liveblogs Damit beenden wir den Liveblog für heute. Vielen Dank für Ihr Interesse. Selenskyj: Bald Sicherheitsabkommen mit den USA Die Ukraine und die USA bereiten nach den Worten von Präsident Wolodymyr Selenskyj ein bilaterales Sicherheitsabkommen vor. "Wir arbeiten bereits an einem konkreten Text", sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Ziel sei, daraus das stärkste von allen Sicherheitsabkommen zu machen. Kiew hat in den vergangenen Monaten bereits eine Reihe von Sicherheitsabkommen mit verschiedenen europäischen Staaten geschlossen. Selenskyj machte keine Angaben dazu, wann das Sicherheitsabkommen zwischen Kiew und Washington unterzeichnet werden soll. "Wir arbeiten auch an der Festlegung spezifischer Unterstützungsniveaus für dieses Jahr und für die nächsten zehn Jahre", umriss Selenskyj das mit Washington geplante Abkommen. Dazu gehörten bewaffnete Unterstützung, finanzielle Unterstützung, politische Unterstützung sowie Unterstützung für die gemeinsame Waffenproduktion. Die USA sind der bisher stärkste Unterstützer der Ukraine in ihrem Abwehrkrieg gegen Russland. Erst vor Kurzem billigte der US-Senat ein Hilfspaket im Umfang von 57 Milliarden Euro, das der bereits in schwere Bedrängnis geratenen ukrainischen Armee helfen soll.  Russland meldet Zerstörung von Munitionslagern Russische Angriffstruppen haben nach Angaben aus Moskau Munitionslager und militärische Ausrüstung an drei Flughäfen in der Ukraine zerstört. Davon betroffen seien auch Kampfdrohnen gewesen, die am Flugplatz Kamjanka im Osten der Ukraine gelagert worden seien, erklärte das russische Verteidigungsministerium. Die Attacken seien in einem Zeitraum von 24 Stunden erfolgt. Aus Kiew gibt es keine Stellungnahme dazu. Durch russischen Beschuss wurden nach ukrainischen Angaben am Samstag und in der Nacht zum Sonntag mindestens sieben Zivilisten verletzt. Ukraine: Kämpfe im Osten werden härter Die Kämpfe im Osten der Ukraine werden dem Generaloberst der ukrainischen Armee intensiver. Die ukrainischen Truppen seien an drei Stellungen zurückgefallen, teilte Olexander Syrskij auf Telegram mit. Die Soldaten hätten westlich der Orte Berdytschi, Semeniwka und Nowomychailiwka neue Stellungen bezogen. Zwei weitere Journalisten in Russland verhaftet Zwei russische Journalisten, die auch für westliche Medien arbeiten, sind in Russland in Untersuchungshaft genommen worden. Beiden wird nach übereinstimmenden Medienberichten die Teilnahme an einer extremistischen Organisation vorgeworfen. Sie sollen auch für Veröffentlichungen des gestorbenen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny Material zugeliefert haben. Die am Samstag verhängte U-Haft gilt demnach zunächst bis in den Juni. Bei einem der Journalisten handelt es sich um einen Kameramann, der auch für die US-Nachrichtenagentur AP gearbeitet hat. Er wurde nach AP-Angaben im nordrussischen Gebiet Murmansk festgenommen. Die Nachrichtenagentur teilte mit, man sei sehr besorgt über die Festnahme. In Moskau sei zudem ein weiterer Journalist festgenommen worden, der ebenfalls für mehrere ausländische Medien gearbeitet habe. Auch mehrere russische Medien berichteten über die zweite Festnahme. Russland verkündet Einnahme von weiterem ostukrainischen Dorf Russland hat nach eigenen Angaben ein weiteres Dorf im Osten der Ukraine eingenommen. Die russische Armee habe das Dorf Nowobachmutiwka rund zehn Kilometer nordwestlich der Stadt Awdijiwka "befreit", teilte das Verteidigungsministerium in Moskau in seinem täglichen Lagebericht von der Front mit. Die Stadt Awdijiwka in der ostukrainischen Region Donezk hatte Russland im Februar nach langen Kämpfen vollständig unter seine Kontrolle gebracht. Danach hatte die russische Armee weiter schnell an Boden gewonnen, während sich die ukrainische Armee aus Mangel an Munition und an Soldaten in der Defensive befindet. Von Russland eingesetzter Gouverneur meldet Tote in Region Saporischschja Nach Behördenangaben sind bei ukrainischem Beschuss in der von Russland teilweise besetzten Region Saporischschja zwei Menschen getötet worden. Wie der von Russland eingesetzte Statthalter des besetzten Gebiets, Jewgeni Balizkij, auf Telegram schrieb, wurden bei der Attacke in der Ortschaft Pologi zwei weitere Menschen - eine Mutter und ihr Kind - verletzt. Ein Haus sei zerstört, fünf weitere beschädigt worden. Russische Behörden: Drohnen über Öllager abgeschossen Die russische Luftwaffe hat nach Angaben des Verteidigungsministeriums 17 aus der Ukraine gestartete Drohnen abgeschossen. Drei davon seien in der Region Kaluga südlich von Moskau zerstört worden, teilte das Ministerium auf Telegram mit. Der Gouverneur der Region, Wladislaw Schapscha, erklärte, der Angriff habe einem Öllager nahe der Stadt Ljudinowo gegolten. Die Drohnen seien in der Nähe der Tanks niedergegangen. Es habe keine Verletzten oder Schäden gegeben. Laut dem russischen Verteidigungsministerium wurden die übrigen 14 Drohnen über den Grenzregionen Brjansk, Kursk und Belgorod abgeschossen. Behörden: Hotel in Mykolajiw durch Drohnenangriff beschädigt Bei einem russischen Drohnenangriff auf die südukrainische Stadt Mykolajiw ist nach Angaben der örtlichen Behörden ein Hotel stark beschädigt worden. Es habe keine Opfer gegeben und das durch den Angriff ausgebrochene Feuer sei rasch gelöscht worden, teilte der Gouverneur der Region Mykolajiw, Witalij Kim, auf Telegram mit. Die russische staatliche Nachrichtenagentur RIA meldete unter Berufung auf russische Untergrundkämpfer in der Region Mykolajiw, in dem Hotel seien Söldner aus dem englischsprachigen Raum untergebracht gewesen. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Russland: Journalist wegen Videos für Nawalny-Team in Untersuchungshaft Ein russischer Journalist ist unter dem Vorwurf des "Extremismus" in Untersuchungshaft genommen worden. Konstantin Gabow soll bei der Herstellung von Videos für den Youtube-Kanal des Teams von Kreml-Kritiker Alexej Nawalny geholfen haben, wie der Pressedienst der Gerichte in Moskau am Samstag mitteilte. Medienberichten zufolge arbeitete Gabow für die russischen Fernsehsender Moskwa 24 und MIR, die belarussische Nachrichtenagentur Belsat und gelegentlich die Nachrichtenagentur Reuters. Dem Justiz-Pressedienst zufolge soll er mindestens bis zum 27. Juni in U-Haft bleiben.  Gabow wird beschuldigt, "an der Vorbereitung von Fotos und Videos teilgenommen zu haben, die auf dem Youtube-Kanal NawalnyLive veröffentlicht werden sollten", wie der Pressedienst weiter mitteilte. Bei NawalnyLive handelt es sich um eine der Online-Plattformen, die von Nawalnys Team genutzt wurde. Nawalny, der prominenteste Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin, war nach Angaben der russischen Behörden am 16. Februar in einem Straflager in der Arktis gestorben. Dort saß er eine 19-jährige Haftstrafe ab.  Polens Außenminister hofft auf Bewegung in "Taurus"-Debatte Angesichts der Lieferung von "ATACMS"-Raketen durch die USA an die Ukraine hofft Polens Außenminister Radoslaw Sikorski auf Bewegung in der deutschen Debatte um die Lieferung von "Taurus"-Marschflugkörpern. Er hoffe, dass sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) durch die Ereignisse der vergangenen Tage "ermutigt" fühle, sagte Sikorski der "Bild am Sonntag" und weiteren Medien des Axel-Springer-Verlags. Die Lieferung der "ATACMS"-Raketen mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometern sei eine "Reaktion auf die drastische russische Eskalation", betonte Sikorski. Er hoffe, dass Scholz dies anerkenne und dass "Deutschland mehr tun wird, als es bereits tut". Sorgen vor dem Einsatz russischer Atomwaffen in der Ukraine wies der polnische Außenminister zurück. Es gebe keine Hinweise darauf, dass nukleare Sprengköpfe aus den Depots geholt würden, sagte Sikorski. "Sollten sie das tun, wüssten wir es." Macron fordert europäische Debatte über Atomwaffen Der französische Präsident Emmanuel Macron hat einen Debatte über die Rolle von Atomwaffen in einer gemeinsamen europäischen Verteidigung gefordert. Er wolle eine Debatte eröffnen, "die die Raketenabwehr, die Langstreckenkapazitäten und die Atomwaffen für diejenigen, die sie haben oder die auf ihrem Boden über die amerikanischen Atomwaffen verfügen, umfassen muss", sagte Macron in einem am Samstag veröffentlichten Interview mit der Mediengruppe Ebra. "Legen wir alles auf den Tisch und schauen wir uns an, was uns wirklich glaubwürdig schützt", fügte er hinzu. Frankreich sei bereit, "mehr zur Verteidigung Europas beizutragen". Seit dem Brexit ist Frankreich die einzige Atommacht in der Europäischen Union. Macron hatte bereits in einer Rede an der Pariser Universität Sorbonne am Donnerstag eine Stärkung der europäischen Verteidigung angemahnt. "Unser Europa ist sterblich, es kann sterben, und das hängt von unseren Entscheidungen ab", sagte Macron. Er rief zu einer "glaubhaften" europäischen Verteidigung auf. Die nukleare Abschreckung, über die Frankreich verfüge, sei dabei "ein unumgängliches Element der Verteidigung des europäischen Kontinents", erklärte Macron. Der Liveblog vom Samstag zum Nachlesen Die Situation an der Front habe die Tendenz, sich zu verschlechtern, so Ukraines Oberbefehlshaber Syrskyj. NATO-Generalsekretär Stoltenberg lobt im ARD-Interview das deutsche Engagement in der Ukraine. Die Entwicklungen vom Samstag zum Nachlesen.
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2024-04-28
++ Biden bekräftigt Position gegenüber Netanyahu ++
Nahost-Krieg
US-Präsident Biden hat im Gespräch mit Israels Premier Netanyahu "seine klare Position" zu einer möglichen Rafah-Offensive bekräftigt. Sollte die nicht kommen, droht Israels Finanzminister mit einem Regierungsende. Die Entwicklungen vom Sonntag zum Nachlesen.
US-Präsident Biden hat im Gespräch mit Israels Premier Netanyahu "seine klare Position" zu einer möglichen Rafah-Offensive bekräftigt. Sollte die nicht kommen, droht Israels Finanzminister mit einem Regierungsende. Die Entwicklungen vom Sonntag zum Nachlesen. Biden bekräftigt klare Position gegenüber NetanyahuIsraels Finanzminister droht mit Ende der RegierungWEF-Sondertreffen in Saudi-Arabien beginntPolizei räumt pro-palästinensisches Protestcamp an Uni in Boston Ende des Liveblogs Damit beenden wir den Liveblog für heute. Vielen Dank für Ihr Interesse. Biden bekräftigt klare Position gegenüber Netanyahu US-Präsident Joe Biden habe in einem Gespräch mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu "seine klare Position" zu einer möglichen Offensive in der Stadt Rafah im Gazastreifen bekräftigt. Das teilte das Weiße Haus mit. Weitere Einzelheiten dazu enthält eine Erklärung des Weißen Hauses nicht. Washington hatte erklärt, dass es eine Rafah-Operation ohne einen angemessenen und glaubwürdigen humanitären Plan nicht unterstützen könne. "Der Präsident bekräftigte sein eisernes Engagement für die Sicherheit Israels", lautet es außerdem in der Erklärung. Die beiden Staats- und Regierungschefs diskutierten auch über eine Beschleunigung der Hilfslieferungen, einschließlich der Vorbereitungen für die Eröffnung neuer Grenzübergänge nach Gaza. "Der Präsident betonte die Notwendigkeit, diesen Fortschritt in voller Abstimmung mit humanitären Organisationen aufrechtzuerhalten und zu verbessern", heißt es in der Erklärung. Zuletzt hatten Biden und Netanyahu am 13. April miteinander gesprochen, nachdem der Iran Raketen- und Drohnenangriffe gegen Israel gestartet hatte. Israelischer Armeesprecher kündigt mehr Hilfslieferungen für Gaza an Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari hat eine Ausweitung der Hilfslieferungen nach Gaza angekündigt. Hierzu sollten unter anderem die Öffnung des israelischen Hafens Aschdod und ein neuer Übergang für humanitäre Transporte im Norden des Gazastreifens beitragen, sagte er. Zusammen mit dem US-Militär werde auch an einem vorübergehenden Pier gearbeitet, um Hilfslieferungen von Schiffen an Land bringen zu können. "Es ist eine Top-Priorität, Hilfe zu den Menschen in Gaza zu bringen, denn unser Krieg ist gegen die Hamas, nicht gegen die Menschen in Gaza", sagte Hagari. Insider: Biden will noch heute mit Netanyahu sprechen US-Präsident Joe Biden plant nach Angaben eines Insiders ein Gespräch mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu. Die Unterredung solle noch heute stattfinden, sagte ein Vertreter der US-Regierung. Organisation WCK will Gaza-Hilfslieferungen wieder aufnehmen Die Hilfsorganisation World Central Kitchen (WCK) hat eine Wiederaufnahme ihrer Arbeit im Gazastreifen für Montag angekündigt. 276 Lastwagen mit Lebensmitteln für fast acht Millionen Mahlzeiten stünden bereit zu Fahrt in den Gazastreifen über den Grenzübergang Rafah, teilte die US-Organisation mit. WCK hatte die Arbeit ausgesetzt, nachdem sieben ihrer Beschäftigten Anfang April bei einem israelischen Luftangriff ums Leben gekommen waren. Die Todesfälle hatten weltweit Empörung ausgelöst. WCK hatte nach eigenen Angaben von Oktober bis März mehr als 43 Millionen Mahlzeiten im Gazastreifen ausgegeben und damit 62 Prozent aller Hilfen von Nichtregierungsorganisationen geleistet. USA: Israel will sich unsere Bedenken zu Rafah-Offensive anhören Israel hat nach US-Angaben zugesichert, sich die Bedenken der US-Regierung zum Vorgehen im Gazastreifen zumindest anzuhören. Dies solle vor einer großangelegten Offensive in der Grenzstadt Rafah im Süden des Küstenstreifens geschehen, sagte der Sprecher für nationale Sicherheit im Weißen Haus, John Kirby. Seit Wochen steht die Offensive in Rafah im Raum, mit der die israelische Armee der radikal-islamistischen Terrororganisation Hamas einen weiteren Schlag versetzen will. International werden aber zahlreiche zivile Opfer befürchtet, ebenso wie eine weitere Verschlechterung der humanitären Lage. Die US-Regierung, die an der Seite Israels steht, dringt vor der Offensive auf einen glaubwürdigen Plan, Zivilisten zu schonen. "Sie haben uns zugesichert, dass sie nicht in Rafah eindringen werden, bis wir eine Chance gehabt haben, unsere Perspektiven und Bedenken wirklich mit ihnen zu teilen", sagte Kirby dem Sender ABC. US-Außenminister Antony Blinken wird nächste Woche in der Region erwartet. Israels Generalstabschef billigt Pläne zu Fortsetzung des Krieges Der israelische Generalstabschef Herzi Halevi hat nach Militärangaben Pläne zur Fortsetzung des Gaza-Kriegs gebilligt. Nach Angaben eines Armeesprechers erörterte er die Pläne mit den führenden Offizieren des Südkommandos. Weitere Einzelheiten wurden nicht genannt. Halevi hatte bereits am vergangenen Sonntag weitere Schritte zur Fortsetzung des Gaza-Krieges genehmigt. Israelische Medien werteten die jüngste Entscheidung auch als Billigung der geplanten Offensive in der Stadt Rafah im Gazastreifen. Abbas: Lage in Gaza schlimmer als "Zweiter Weltkrieg in Deutschland" Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas hat die Zerstörung im Gazastreifen als beispiellos bezeichnet. "Was in Gaza geschieht, hat es noch nie gegeben, nicht einmal im Zweiten Weltkrieg in Deutschland", sagte Abbas in Saudi-Arabien bei der Eröffnung eines zweitägigen Wirtschaftsforums. Er verwies dabei auf den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, der sich vor einigen Tagen im EU-Parlament ähnlich geäußert hatte. Drei Viertel des Gazastreifens seien zerstört, so Abbas.  Israels Finanzminister droht bei Rafah-Absage mit Ende der Regierung Israels rechtsextremer Finanzminister Bezalel Smotrich hat mit einem Ende der Regierung gedroht, sollte ein vorgeschlagener Geisel-Deal umgesetzt und der geplante Militäreinsatz in Rafah gestoppt werden. In einer Video-Ansprache an den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu sagte Smotrich: "Eine Zustimmung zu dem ägyptischen Deal ist eine demütigende Kapitulation und verleiht den Nazis (Hamas) einen Sieg auf dem Rücken hunderter heldenhafter Soldaten, die im Kampf gefallen sind." Er beschrieb eine Zustimmung gleichzeitig als "Todesurteil für die Geiseln und unmittelbare existenzielle Gefahr für den Staat Israel". Sollte Netanyahu "die weiße Flagge hissen und die Anweisung zur sofortigen Eroberung von Rafah aufheben", habe eine Regierung mit ihm an der Spitze "kein Existenzrecht mehr", sagte Smotrich. Er beschrieb den Einsatz in Rafah als notwendig für die Zerstörung der Hamas, die Wiederherstellung der Sicherheit für die Einwohner der israelischen Gaza-Grenzgebiete "und die Rückführung aller unserer entführten Brüder und Schwestern". Smotrich gehört zur Partei Religiöser Zionismus, einer extremistischen Siedler-Partei. Hamas-Kreise: Delegation reist zu Gesprächen über Waffenruhe nach Kairo Eine Delegation der Hamas wird nach Informationen aus Kreisen der militant-islamistischen Organisation am Montag zu Verhandlungen über eine Gaza-Waffenruhe nach Kairo reisen. Gesprochen werden soll demnach über einen von den Vermittlern unterbreiteten Vorschlag und die Antwort Israels darauf. Medien: Netanyahu befürchtet internationalen Haftbefehl Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu befürchtet Medienberichten zufolge, der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag könnte Haftbefehle gegen ihn und andere Israelis erlassen. Die israelische Regierung gehe davon aus, dass Chefankläger Karim Khan bereits in den nächsten Tagen internationale Haftbefehle für Netanyahu, Verteidigungsminister Yoav Gallant sowie den Generalstabschef Herzi Halevi ausstellen könnte, berichteten israelische Medien.  Der Strafgerichtshof ermittelt bereits seit 2021 gegen die Hamas und Israel wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gazastreifen. Auch zu Gewalt israelischer Siedler im Westjordanland laufen Untersuchungen. Netanyahu sei wegen möglicher Festnahmen, die eine dramatische Verschlechterung des internationalen Ansehens Israels bedeuten würden, äußerst besorgt, hieß es in den Berichten.  Abbas ruft USA auf, Rafah-Offensive zu verhindern Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat die US-Regierung aufgerufen, eine israelische Bodenoffensive in Rafah im Gazastreifen zu verhindern. "Wir appellieren an die Vereinigten Staaten, Israel aufzufordern, den Einsatz in Rafah zu unterlassen, denn Amerika ist das einzige Land, das Israel daran hindern kann, dieses Verbrechen zu begehen", sagte Abbas bei einem Sondertreffen des Weltwirtschaftsforums in Saudi-Arabien.   Ein militärisches Vorgehen Israels in der Stadt Rafah wäre Abbas zufolge "das größte Desaster der Geschichte des palästinensischen Volks". Saudi-Arabien warnt vor Folgen des Gaza-Krieges für Wirtschaft Zum Auftakt des zweitägigen Sondertreffens des Weltwirtschaftsforums in Riad hat der Gastgeber Saudi-Arabien vor negativen Folgen des Gaza-Krieges für die Weltwirtschaft gewarnt und Stabilität in der Region gefordert. Der Krieg zwischen der Hamas und Israel, aber auch die Konflikte in der Ukraine und andernorts, drückten "stark auf die wirtschaftliche Stimmung", sagte der saudiarabische Finanzminister Mohammed Al-Dschadan bei einer der ersten Podiumsdiskussionen.  "Ich denke, dass sich Länder, Staatenlenker und Menschen mit kühlem Kopf durchsetzen müssen", sagte Al-Dschadan und fügte an, dass deeskaliert werden müsse. "Die Region braucht Stabilität."  Katar mahnt Hamas und Israel zu mehr Engagement bei Verhandlungen Katar hat Israel und die militant-islamistische Palästinenserorganisation Hamas zu mehr Ernsthaftigkeit bei den Gesprächen über eine Waffenruhe gedrängt. Die Verhandlungen stünden praktisch still, sagte der katarische Außenministeriumssprecher Madsched al-Ansari in Interviews mit der israelischen Zeitung Haaretz und dem Sender Kan, die am Samstagabend veröffentlicht wurden. Beide Seiten hätten sich auf ihren Positionen eingegraben, sagte er. "Ich bin sicher, dass wir ein Abkommen erreichen können, wenn es auf beiden Seiten ein neues Gefühl des Engagements gibt." Katar beherbergt die Zentrale der Hamas und hat zusammen mit den USA und Ägypten die Feuerpause vom November vermittelt, während der die Hamas israelische Geiseln und Israel palästinensische Häftlinge freiließ. Doch seither hat es keine vergleichbaren Abkommen gegeben. Katar zeigte sich zuletzt enttäuscht und erklärte, es überdenke seine Rolle als Vermittler. Zweitägiges WEF-Sondertreffen: Lage im Gazastreifen im Mittelpunkt In Saudi-Arabien beginnt heute ein zweitägiges Sondertreffen des Weltwirtschaftsforums (WEF), bei dem die Lage im Gazastreifen nach Angaben der Organisatoren im Mittelpunkt steht. Unter den rund tausend Teilnehmern sind zwölf Staats- und Regierungschefs, außerdem zahlreiche Außenminister aus dem Nahen Osten und Europa. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock reist am Montag nach Riad, auch die Außenminister der USA, Frankreichs und Großbritanniens nehmen an den Gesprächen teil. Der Präsident des Weltwirtschaftsforums, Börge Brende, sagte am Samstag, es gebe "eine Art neuen Schwung in den Gesprächen über die Geiseln und (...) auch einen möglichen Weg aus der Sackgasse, in der wir uns im Gazastreifen befinden". Auch die humanitäre Lage im Gazastreifen nach mehr als sechs Monaten Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas sowie regionale Aspekte wie etwa der Iran sollen auf der Agenda stehen.  Proteste bei Presseempfang in Washington Am Rande des traditionellen Treffens der Korrespondenten im Weißen Haus in Washington gab es Proteste gegen US-Präsident Biden und die Unterstützung Israels im Krieg gegen die Hamas. Vor dem Hilton-Hotel riefen Demonstranten die Pressevertreter dazu auf, die Veranstaltung zu boykottieren. Sie kritisierten unter anderem die Berichterstattung einiger Medien in den Vereinigten Staaten und beklagten auch den Tod von Journalisten in dem Konflikt. Protestler, die US-Präsident Joe Biden am Hintereingang des Hotels erwarteten, forderten eine Waffenruhe für den Gazastreifen. Protestcamp an Uni in Boston geräumt Bei der Räumung eines pro-palästinensischen Protestcamps auf dem Campus der Northeastern University in Boston an der US-Ostküste hat die Polizei am Samstag etwa 102 Menschen festgenommen. Die Universität teilte mit, dass die Demonstration, die vor zwei Tagen begann, "von professionellen Organisatoren unterwandert" worden sei, die nichts mit der Uni zu tun hätten, und dass antisemitische Beleidigungen, darunter "Tötet die Juden", verwendet worden seien. "Wir können diese Art von Hass auf unserem Campus nicht dulden", hieß es in der auf der Onlineplattform X veröffentlichten Erklärung. Die Campus-Polizei sei mit Unterstützung örtlicher Sicherheitskräfte eingeschritten, um ein "ungenehmigtes Camp" auf dem Gelände zu räumen. Bericht: Blinken-Mitarbeiter zweifeln an rechtmäßigem Waffeneinsatz durch Israel Unter Mitarbeitern von US-Außenminister Antony Blinken herrschen laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters erhebliche Zweifel an einer rechtmäßigen Verwendung von US-Waffenlieferungen durch Israel. Demnach erklärten leitende Mitarbeiter mehrerer Abteilungen in einem internen Dokument des Ministeriums, sie sähen Israels Zusicherungen, diese Waffen in Übereinstimmung mit internationalem humanitärem Recht zu verwenden, nicht als "glaubwürdig oder zuverlässig" an. "Einige Teile des Ministeriums sind dafür, Israels Zusicherungen zu akzeptieren, andere sind dafür, sie zurückzuweisen, und einige haben keine Stellung bezogen", sagte ein Regierungsvertreter. Ein Ministeriumssprecher lehnte eine Stellungnahme zu diesen Informationen ab. Blinken muss dem Kongress bis zum 8. Mai berichten, ob er Israels Zusicherungen als glaubwürdig ansieht, dass es die von den USA gelieferten Waffen in Übereinstimmung mit US- und internationalem Recht einsetzt. Medien: Israel könnte Rafah-Offensive für Geisel-Deal verschieben Israels Außenminister hat israelischen Medien zufolge für den Fall eines Geisel-Abkommens mit der islamistischen Hamas eine Verschiebung der geplanten Offensive in der Stadt Rafah in Aussicht gestellt. "Die Freilassung der Geiseln hat die höchste Priorität für uns", sagte Israel Katz dem Sender Channel 12 am Samstag. Auch der israelische Kan-Sender berichtete unter Berufung auf den Minister, Israel sei bereit, den Militäreinsatz zu verschieben, sollte ein Geisel-Deal zustande kommen. Die Hamas prüft eigenen Angaben nach derzeit einen israelischen Vorschlag für eine Waffenruhe im Gaza-Krieg und die Freilassung weiterer Geiseln. Israel erwartet laut einem Bericht des Senders Channel 12 vom Samstag eine Antwort innerhalb von 48 Stunden. Man hoffe, dass der Vorschlag ausreichen werde, um ernsthafte Verhandlungen mit der Hamas zu führen, zitierte das Nachrichtenportal "Axios" am Samstag zwei hochrangige israelische Beamte. "Wir hoffen, dass die Hamas sieht, das wir es mit dem Abkommen ernst meinen - und wir meinen es ernst", sagte einer der Beamten demnach. Die Hamas dürfte seiner Ansicht nach eine mögliche Offensive in Rafah als ausreichende Bedrohung ansehen, um auf den israelischen Vorschlag einzugehen. Der Liveblog vom Samstag zum Nachlesen Tausende Menschen haben in Tel Aviv erneut die Freilassung der verbliebenen Geiseln gefordert und die Regierung kritisiert. Laut BBC gibt es in Großbritannien Überlegungen, Soldaten als Helfer einzusetzen. Die Entwicklungen vom Samstag zum Nachlesen.
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2024-04-28
Wenn Eltern ihre Kinder ins Waisenhaus geben müssen
Armut im Libanon
Durch die schlimme Wirtschaftskrise im Libanon können viele Eltern ihre Kinder nicht mehr richtig versorgen. Waisenhäuser bieten trotz Armut eine Perspektive. Allerdings ist das nur eine Übergangslösung. Von Anna Osius.
Durch die schlimme Wirtschaftskrise im Libanon können viele Eltern ihre Kinder nicht mehr richtig versorgen. Waisenhäuser bieten trotz Armut eine Perspektive. Allerdings ist das nur eine Übergangslösung. Von Anna Osius Marwa und Safa halten ihre Großmutter fest an der Hand. Die beiden Zwillingsmädchen freuen sich, dass die Oma zu Besuch gekommen ist. Seit drei Jahren leben die Achtjährigen in einem Waisenhaus in Libanons Hauptstadt Beirut - auch wenn sie eigentlich keine Waisen sind. Doch zu Hause konnten sie nicht bleiben. "Die Lage im Libanon ist sehr schwierig", erzählt Oma Lothia. Grund dafür sei die Inflation. "Alle Leute sind ohne Arbeit. Wir leben von Tag zu Tag. Mein Mann ist Tagelöhner und arbeitslos. Seit einem Jahr hat er keine Aufträge mehr." Um den kleinen Mädchen trotz Armut eine Perspektive zu bieten, entschloss sich die Familie, die Zwillinge in ein Waisenhaus zu geben. Ihre Eltern und Großeltern sehen die Mädchen nun nur noch alle 14 Tage besuchsweise. Doch sie bekämen immerhin Schulbildung und genug zu essen, betont die Großmutter immer wieder. "Sie können hier schlafen, gut essen, sind medizinisch versorgt, sie sind zufrieden. Hier haben sie alles, was sie brauchen." Die achtjährige Marwa vermisst ihre Familie. "Dann telefoniere ich mit ihnen, und sie sagen: 'Wenn Gott es will, kommen sie bald und holen mich wieder ab und kaufen mir ein Spielzeug'." Ihre Schwester Safa erzählt stolz, dass sie im Waisenhaus nun schon ganz viel alleine kann: "Ich dusche schon selbstständig. Ich bin jetzt ein großes Mädchen. Ich kann auch alleine spielen und anderen helfen. Und ich gehe zur Schule und lerne." Sie möchte Lehrerin werden. Eltern sind weiter für Kinder verantwortlich Safa und Marwa sind mit ihrer Geschichte nicht alleine. Die Zahl der Kinder, die - obwohl sie keine Waisen sind - ins Waisenhaus gebracht werden, habe deutlich zugenommen, berichtet Rania Sandout von der Waisenhausverwaltung. "Aufgrund der wirtschaftlichen Lage im Libanon wissen manche Eltern nicht mehr, wie sie ihre Kinder noch ernähren sollen. Hier werden die Kinder gut versorgt. Wir wählen sie sehr genau aus." Es müsse sicher sein, dass die Familie auch wirklich in Not ist. Außerdem müsse den Eltern bewusst sein, dass das Waisenhaus nur eine Übergangslösung sein kann für ein paar Jahre, so Sandout. Sie seien weiterhin für ihre Kinder verantwortlich. Der Libanon befindet sich seit einigen Jahren in der schlimmsten Wirtschaftskrise seiner Geschichte. Die Währung hat 90 Prozent ihres Wertes verloren, die Preise für Lebensmittel sind um 600 Prozent gestiegen. Dementsprechend schwer fällt es selbst Familien der Mittelschicht, alle Kinder zu ernähren. "Fälle von extremer Armut" Allein bei diesem Waisenhaus-Träger in Beirut leben bis zu 900 Kinder - vom Baby bis zum Teenager. Die Mehrheit sind sogenannte Armutsfälle, erzählt Heimleiterin Rania Zahar. "Die Zahl ist definitiv dramatisch gestiegen. Wir erleben hier Fälle von extremer Armut. Einmal haben wir eine Vierjährige bekommen, die nicht wusste, wie man kaut, weil sie nur von Milch ernährt wurde." Manche Kinder würden keine Dusche und keine Toilette kennen, weil es das zu Hause nicht gab. "Wir bringen ihnen hier alles bei. Aber auch wir spüren die hohen Preise. Die Kinder brauchen viele Sachen und die Spendenbereitschaft ist zurückgegangen." Alltag mit einer klaren Struktur Auch die Angst vor einem Krieg mit Israel beschäftigt die Menschen im Libanon. Im Waisenhaus gibt es bereits Evakuierungspläne. Es versucht, ein Stück heile Welt inmitten der Krise zu sein. Die Wände sind bunt bemalt, es gibt Spielräume und liebevolle Erzieherinnen. Kleinkinder krabbeln über eine bunte Decke, ein Baby schläft auf dem Arm einer Betreuerin. Die älteren Kinder werden in Gruppen unterrichtet, lernen Zahlen und Buchstaben. Und doch ist es nicht zu Hause. Der Alltag habe eine klare Struktur, berichtet Safa. Sie schläft mit ihrer Schwester und anderen Mädchen in einem Schlafsaal. "Wenn wir aufwachen, waschen wir uns und putzen uns die Zähne. Dann ziehen wir uns an und gehen in den Speisesaal. Nach dem Frühstück holen wir uns die Pausenbrote ab und gehen zum Schulbus. Nach der Schule wechseln wir von der Schuluniform in die Uniform unserer Sektion im Waisenhaus und dann gehen wir zum Essen", erzählt sie. "Als die Zwillinge hier ankamen, waren sie erst nicht sehr aktiv", berichtet ihre Erzieherin. "Sie haben sich nicht angepasst und mitgemacht. Das war sehr schwierig. Jetzt kooperieren sie und spielen auch mit den anderen. Sie haben sich gewöhnt." Kinder sollen lernen, ihren eigenen Weg zu gehen Heimleiterin Rania wünscht sich nur eines: Dass es die Mädchen und die anderen Kinder im Waisenhaus schaffen, ihren eigenen Weg zu gehen - trotz aller Schwierigkeiten. "Wir ermutigen die Kinder immer, ein Ziel zu haben. Viele Kinder machen bei uns ihren Schulabschluss. Wir fragen die Kinder: 'Was möchtest du später werden? Wer ist dein Vorbild?' So wissen die Kinder, zu wem sie aufschauen können und welche Richtung sie einschlagen. Ich wünsche es den Kindern von Herzen. Ich hänge an ihnen. Ich wünsche mir, dass sie eine schöne Zukunft haben", so die Heimleiterin. Ihr rinnen die Tränen über das Gesicht, auch weil sie weiß, dass sie trotz allem die Eltern nicht ersetzen kann. Die Zwillingsmädchen Safa und Marwa halten immer noch ihre Oma an der Hand. Ob die Mädchen wissen, warum sie im Waisenhaus sind? "Weil wir hier gut lernen können", sagen sie. Wie sollten sie auch eine Wirtschaftskrise verstehen? Als die Großmutter sich anschickt zu gehen, fangen die Zwillinge an zu weinen.
/ausland/waisenhaus-libanon-wirtschaftskrise-100.html
2024-04-28
Netanyahu fürchtet Haftbefehl durch Strafgerichtshof
Medienberichte
Wegen seines Vorgehens im Gazastreifen steht Israel zunehmend in der Kritik. Berichten zufolge könnten mehreren Israelis Haftbefehle durch das Internationale Strafgericht in Den Haag drohen - auch Regierungschef Netanyahu.
Wegen seines Vorgehens im Gazastreifen steht Israel zunehmend in der Kritik. Berichten zufolge könnten mehreren Israelis Haftbefehle durch das Internationale Strafgericht in Den Haag drohen - auch Regierungschef Netanyahu. Medienberichten zufolge befürchtet der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu, der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag könnte Haftbefehle gegen ihn und andere Israelis erlassen. Die israelische Regierung gehe davon aus, dass Chefankläger Karim Khan noch in dieser Woche internationale Haftbefehle für Netanyahu, Verteidigungsminister Yoav Gallant sowie den Generalstabschef Herzi Halevi ausstellen könnte, berichteten israelische Medien.  Eine anonyme Quelle aus der israelischen Regierung teilte der "Times of Israel" mit, Israel unternehme alles, um die befürchteten Haftbefehle abzuwenden. Auch das Außenministerium sei beteiligt. "Wir operieren, wo wir können", sagte ein israelischer Diplomat. Netanyahu akzeptiert Strafgerichtshof nicht Der Strafgerichtshof ermittelt bereits seit 2021 gegen die Hamas und Israel wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gazastreifen. Auch zu Gewalt israelischer Siedler im Westjordanland laufen Untersuchungen. Netanyahu sei wegen möglicher Festnahmen, die eine dramatische Verschlechterung des internationalen Ansehens Israels bedeuten würden, äußerst besorgt, hieß es in den Berichten. Der Regierungschef schrieb am Freitag bei X (vormals Twitter), Israel werde unter seiner Führung "niemals irgendeinen Versuch des Strafgerichtshofs akzeptieren, sein inhärentes Recht auf Selbstverteidigung zu untergraben". Außerdem schrieb er: "Die Drohung, Soldaten und Repräsentanten der einzigen Demokratie im Nahen Osten und des einzigen jüdischen Staates der Welt zu fassen, ist empörend." Israel werde "den gerechten Krieg gegen Terroristen, die auf Völkermord aus sind, bis zum Sieg fortsetzen".  Social-Media-Beitrag auf X von Benjamin Netanyahu - בנימין נתניהו: "Under my leadership, Israel will never accept any attempt by the ICC to undermine its inherent right of self-defense.The threat to seize the soldiers and officials of the Middle East’s only democracy and the world’s only Jewish state is outrageous. We will not bow to it.Israel…" Eine solche Entscheidung des Strafgerichtshofs würde zwar nicht Israels Vorgehen beeinflussen, wäre aber "ein gefährlicher Präzedenzfall, der die Soldaten und Repräsentanten aller Demokratien bedroht, die gegen brutalen Terrorismus und rücksichtslose Aggression kämpfen", so Netanyahu.  Verfolgung wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen Israels Außenminister Israel Katz wies alle israelischen Vertretungen an, sich sofort auf eine "schlimme antisemitische, antijüdische und antiisraelische Welle auf der Welt vorzubereiten". Auch Sicherheitsmaßnahmen rund um jüdische Einrichtungen sollten erhöht werden, so ein Sprecher des Ministeriums zu der Anweisung an die Botschaften. Juristisch würde ein Haftbefehl des IStGH gegen Netanyahu und andere israelische Bürger bedeuten, dass Staaten, die die Statuten des IStGH unterzeichnet haben, verpflichtet wären, diese Personen festzunehmen und an den Gerichtshof zu überstellen - sofern diese sich auf das Hoheitsgebiet dieser Staaten begeben.  Der Internationale Strafgerichtshof verfolgt Individuen wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord. Israel erkennt das Gericht nicht an. Aber die palästinensischen Gebiete sind Vertragsstaat. Daher darf der Ankläger auch ermitteln. Geiselangehörige fordern Ermittlungen gegen Hamas Dagegen soll der Internationale Gerichtshof, ebenfalls mit Sitz in Den Haag, Konflikte zwischen Staaten lösen. Dieses höchste UN-Gericht hatte Israel kürzlich ermahnt, alles zu tun, um möglichen Völkermord im Gazastreifen zu verhindern.  Angehörige von Geiseln der islamistischen Hamas hatten den Strafgerichtshof im Februar dazu aufgerufen, gegen die Führer der Terrororganisation zu ermitteln und Haftbefehle zu erlassen. Sie forderten strafrechtliche Ermittlungen wegen Geiselnahme, sexueller Gewaltverbrechen, Folter und Mord.
/ausland/netanyahu-fuerchtet-haftbefehl-100.html
2024-04-28
"Müssen von weiteren Enttarnungen ausgehen"
Buschmann zum Fall Jian G.
Deutschland sei längst in den Fokus autoritärer Mächte geraten, sagte Justizminister Buschmann im Bericht aus Berlin. Beim inzwischen entlassenen Mitarbeiter des AfD-Politikers Krah handele es sich möglicherweise um keinen Einzelfall.
Deutschland sei längst in den Fokus autoritärer Mächte geraten, sagte Justizminister Buschmann im Bericht aus Berlin. Beim inzwischen entlassenen Mitarbeiter des AfD-Politikers Krah handele es sich möglicherweise um keinen Einzelfall. Bundesjustizminister Marco Buschmann hat vor dem Hintergrund des Falls Jian G. im Bericht aus Berlin vor weiteren geheimdienstlichen Aktivitäten innerhalb der Parlamente gewarnt. "Wir müssen davon ausgehen, dass wir auch in den nächsten Monaten noch weitere Enttarnungen vornehmen werden", so der FDP-Politiker. Staatsanwaltschaften ermittelten allerdings nicht gegen Parteien, sondern Personen. Deutschland sei "natürlich schon längst in den Fokus autoritärer Mächte geraten", so Buschmann weiter. Diese Mächte bedienten sich auch geheimdienstlicher Mittel. "Wer sein Land liebt, verkauft es nicht", so der FDP-Politiker. Der wegen mutmaßlicher Spionage für China in U-Haft sitzende Jian G. soll seine Tätigkeiten auch deutschen Nachrichtendiensten angeboten haben. Jian G. war am Montag festgenommen worden. Er arbeitete für den AfD-Spitzenkandidaten zur Europawahl, Maximilan Krah und war nach den Enthüllungen entlassen worden. Auf die Frage, warum Buschmann nach der Festnahme gesagt habe, der Zugriff habe beschleunigt erfolgen müssen, antwortete er, man habe Sorge gehabt, dass Journalisten ein Interview mit dem Verdächtigen hätten führen wollen. Dies hätte "eine Art Vorwarnung" gewesen sein können, so der Justizminister. "Sonst ist da nichts hineinzugeheimnissen." "Schlimmer Angriff auf die Funktionstüchtigkeit unserer Demokratie" "Wir sind ja stolz darauf, dass wir in der Demokratie selbstbewusste Parlamente haben, die auch in vertraulichen Angelegenheiten die Regierung kontrollieren", sagte Buschmann. Werde das unmöglich gemacht, sei das "ein schlimmer Angriff auf die Funktionstüchtigkeit unserer Demokratie". Erste und wichtigste Aufgabe für alle seriösen Demokraten sei, Vertrauen bei den Menschen in breiter Mehrheit zu gewinnen. Sie seien ein besseres Angebot als autoritäre Populisten. Rechtliche Regelungen, etwa bei der Polizei, könnten ebenfalls einen Beitrag leisten. "Aber es kann nicht ersetzen, dass seriöse Demokraten eins leisten müssen: dass die übergroße, weitgehende Mehrheit in diesem Land demokratische Parteien wählt." Agententätigkeit oder Einflussoperation? Die Berliner Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos) - ehemals Vizepräsidentin des Verfassungsschutzes - hatte an diesem Wochenende eine Gesetzeslücke kritisiert. Nach Strafgesetzbuch könne man "illegale Agententätigkeit" sanktionieren. "Wir haben allerdings keine Möglichkeit, gegen staatlich gesteuerte Einflussoperationen strafrechtlich vorzugehen", so Badenberg im Bericht aus Berlin. Justizminister Buschmann reagierte zurückhaltend. Es gehe um die Frage der Meinungsbildung - diese mit Falschinformationen zu beeinflussen, würde in den angesprochenen Operationen versucht. Traditionell sei der beste Schutz dagegen "eine breite, diverse Medienlandschaft", die Falschinformationen identifiziert und einordnet. Er wolle sich "gar nicht absolut dieser Debatte sperren", so Buschmann weiter. Man müsse aber das Spannungsverhältnis sehen: "Ab wann ist die Ultima Ratio des Strafrechts eigentlich das richtige Mittel, um in den Meinungskampf einzugreifen? Und da sind wir in Deutschland auch aufgrund unserer historischen Erfahrung traditionell eher zurückhaltend."
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2024-04-28
Erneut russische Journalisten verhaftet
Russland
In Russland sind zwei Journalisten, die auch für westliche Nachrichtenagenturen arbeiten, verhaftet worden. Die Justiz wirft ihnen "Extremismus" vor. Sie sollen für das Nawalny-Team aktiv gewesen sein.
In Russland sind zwei Journalisten, die auch für westliche Nachrichtenagenturen arbeiten, verhaftet worden. Die Justiz wirft ihnen "Extremismus" vor. Sie sollen für das Nawalny-Team aktiv gewesen sein. Zwei russische Journalisten, die auch für westliche Medien arbeiten, sind in Russland in Untersuchungshaft genommen worden. Konstantin Gabow und Sergej Karelin wird nach übereinstimmenden Medienberichten die Teilnahme an einer "extremistischen Organisation" vorgeworfen. Sie sollen auch für Veröffentlichungen des gestorbenen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny Material zugeliefert haben. Die am Samstag verhängte U-Haft gilt demnach zunächst bis in den Juni. Festnahmen in Murmansk und Moskau Bei Karelin handelt es sich um einen Kameramann, der auch für die US-Nachrichtenagentur Associated Press (AP) gearbeitet hat. Er wurde nach AP-Angaben im nordrussischen Gebiet Murmansk festgenommen. Die Nachrichtenagentur teilte mit, man sei sehr besorgt über die Festnahme. Gabow wurde nach Behördenangaben ebenfalls am Samstag festgenommen. Er arbeitete Medienberichten zufolge als freier Mitarbeiter für die russischen Fernsehsender Moskwa 24 und MIR, den auf belarusisch sendenden polnischen Sender Belsat und gelegentlich für die internationale Nachrichtenagentur Reuters. Beide sollen nach russischer Darstellung Videomaterial für den in Russland verbotenen YouTube-Kanal "Navalny Live" zugeliefert haben. Er gehört zu den Medienprojekten, die von dem im Februar in Haft gestorbenen Kremlgegner Nawalny gegründet wurden. Repression gegen Medien und Opposition wächst Seit dem Tod Nawalnys und der Wiederwahl von Präsident Wladimir Putin im März hat die russische Staatsmacht ihre Repressionen gegen oppositionelle Gruppen und unabhängige Medien noch einmal verstärkt. Zugleich wächst der Druck auf die ausländischen Medien, die aus Russland berichten. Am vergangenen Freitag war bereits ein Mitarbeiter der russischen Ausgabe der Zeitschrift "Forbes" wegen angeblicher Diskreditierung der Armee festgenommen worden. Ebenfalls in U-Haft ist eine Journalistin, die die letzten Videos über Nawalny vor dessen Tod gedreht hat. Dessen Fonds zur Bekämpfung der Korruption erregt gerade Aufsehen in Russland mit einem neuen Dokumentarfilm. Darin geht es um die grassierende Korruption im Land in den 1990er-Jahren unter Präsident Boris Jelzin und Putins Weg an die Macht.
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2024-04-28
Faeser nennt Islamisten-Demo "schwer erträglich"
Kundgebung in Hamburg
Mehr als 1.000 Menschen haben Samstag in Hamburg gegen eine angeblich islamfeindliche Politik Deutschlands demonstriert. Innenministerin Faeser nannte die Veranstaltung "schwer erträglich" und warnte die Teilnehmer vor roten Linien.
Mehr als 1.000 Menschen haben Samstag in Hamburg gegen eine angeblich islamfeindliche Politik Deutschlands demonstriert. Innenministerin Faeser nannte die Veranstaltung "schwer erträglich" und warnte die Teilnehmer vor roten Linien. Nach einer von Islamisten organisierten Demonstration in Hamburg hat Bundesinnenminister Nancy Faeser ein hartes Einschreiten des Staates bei Straftaten auf solchen Veranstaltungen gefordert. "Eine solche Islamisten-Demonstration auf unseren Straßen zu sehen, ist schwer erträglich. Es ist gut, dass die Hamburger Polizei mit einem Großaufgebot Straftaten entgegengewirkt hat", sagte Faeser dem "Tagesspiegel". Zu Zwischenfällen kam es nicht. Die roten Linien, bei denen der weitreichende Schutz der Versammlungs- und Meinungsfreiheit ende, müssten klar sein. "Keine Terrorpropaganda für die Hamas, keine Hassparolen gegen Jüdinnen und Juden, keine Gewalt. Wenn es zu solchen Straftaten kommt, muss es ein sofortiges, hartes Einschreiten bei Demonstrationen geben", sagte die SPD-Politikerin. "Muslim Interaktiv" gilt als gesichert extremistisch Samstag waren in Hamburg mehr als 1.000 Menschen dem Aufruf zu einer Kundgebung von Islamisten gefolgt. Im Stadtteil St. Georg protestierten sie gegen eine angeblich islamfeindliche Politik und Medienkampagne in Deutschland. Der Anmelder der Kundgebung steht nach Informationen des Hamburger Verfassungsschutzes der Gruppierung "Muslim Interaktiv" nahe, die als gesichert extremistisch eingestuft ist.  Immer wieder wurden die Demonstranten von den Organisatoren zu "Allahu Akbar"-Rufen ("Gott ist groß") aufgefordert. Redner warfen Politik und Medien "billige Lügen" und "feige Berichterstattung" vor, mit denen vor dem Hintergrund des Gaza-Kriegs alle Muslime in Deutschland als Islamisten gebrandmarkt werden sollten.  Der Bundestagsabgeordnete und frühere Hamburger CDU-Vorsitzende Christoph Ploß schrieb auf X, ein Verbot von "MuslimInteraktiv" sei überfällig. Von der Ampelkoalition forderte er, "den radikalen Islam nicht länger zu verharmlosen". Auch die linken Parteien müssten endlich aufwachen und dem Islamismus entgegentreten. Social-Media-Beitrag auf X von Christoph Ploß 🇩🇪🇺🇦: "Ein Verbot von #MuslimInteraktiv ist überfällig! Die #Ampelkoalition darf den radikalen #Islam nicht länger verharmlosen. Wenn über Tausend Islamisten mitten durch #Hamburg marschieren, sollten auch die linken Parteien endlich aufwachen und dem Islamismus entgegentreten." Weitere Gruppen werden beobachtet Innenministerin Faeser erklärte, dass die Sicherheitsbehörden die islamistische Szene im Visier hätten. Nach dem Verbot der Terrororganisation Hamas und der Gruppierung Samidoun würden auch weitere Gruppen beobachtet. "Auch andere Gruppierungen, die emotionalisieren, radikalisieren und neue Islamisten heranziehen wollen, stehen im Fokus unserer Sicherheitsbehörden", sagte die Ministerin. Das gelte auch für die mutmaßlich maßgebliche Gruppierung bei der Demonstration in Hamburg. "Muslim Interaktiv" hatte bereits Ende Oktober trotz Verbots eine Demonstration in Hamburg organisiert. Im Februar vergangenen Jahres mobilisierte die Gruppe 3.500 Menschen zu einer Kundgebung gegen eine Koranverbrennung in Schweden.
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2024-04-28
Der FDP stehen harte Zeiten bevor
Bundesparteitag in Berlin
Die Liberalen waren in ihrem Element: Das Thema Wirtschaft stand im Mittelpunkt des Bundesparteitags, man zeigte sich geschlossen. Ein bitter nötiges Aufatmen - aber ein kurzes. Denn das Grundproblem der FDP bleibt, meint Lissy Kaufmann.
Die Liberalen waren in ihrem Element: Das Thema Wirtschaft stand im Mittelpunkt des Bundesparteitags, man zeigte sich geschlossen. Ein bitter nötiges Aufatmen - aber ein kurzes. Denn das Grundproblem der FDP bleibt. Von Lissy Kaufmann, ARD-Hauptstadtstudio Heimspiel für die FDP: Sie war an diesem Wochenende in ihrem Element. Das Thema: Wirtschaft. Die Argumente: Es brauche eine Wende hin zu mehr Wachstum. Passend dazu der Ort. Wie in den vergangenen Jahren eine Event-Location mit Industriecharme in Berlin-Kreuzberg. Man zeigte sich geschlossen und präsentierte FDP pur. Bei der Ampel-frustrierten Wählerbasis könnte das kurzfristig ankommen. Die Herzen vieler Mitglieder dürften vorübergehend höher schlagen. Ihr eigentliches Problem hat die FDP damit aber weiter verschärft. Und dieses Problem heißt: Regieren mit der Ampel.  Die Erwartungen sind hoch nach diesem Parteitag. Schließlich hat sich die Partei "Wachstun" auf die Fahnen geschrieben - und auf die Leinwand hinter der Bühne. "Wachstun made in Germany" stand da in großen Lettern hinter der Parteispitze und den Rednern. Nein, das ist kein Schreibfehler, sondern eine neue Wortschöpfung: Man muss was tun, damit die Wirtschaft wächst, soll das heißen. Man will bleiben und kämpfen Auch die Basis und die Wähler wollen, dass was getan wird. Nämlich, dass die Parteispitze endlich mehr FDP-Ziele umsetzt in der Regierung - am besten die, die man sich an diesem Wochenende gesetzt hat: Die Steuern sollen runter. Die Rente mit 63 soll weg. Überhaupt soll mehr und länger gearbeitet werden. Wer das nicht tut - Jobs nicht annimmt, aber Bürgergeld empfängt -, soll härter sanktioniert werden. All das: Keine frommen Wünsche, schürte Generalsekretär Bijan Djir-Saraj die Erwartungen. Der Leitantrag sei aber auch kein Scheidungsantrag an die Koalition. Man will bleiben und kämpfen. Die Partei kann damit eigentlich nur scheitern. Denn die FDP bleibt kleinster Koalitionspartner in einem Dreierbündnis. Und die beiden anderen Partner bleiben in den kommenden knapp anderthalb Jahren nun mal Grüne und SPD. Harmonischer Kurzurlaub unter Freunden Die wollen weiter einen starken Sozialstaat, sind gegen den Abbau von Sozialleistungen und tun sich generell leichter mit staatlichen Vorgaben. Und: Sie haben schon deutlich gemacht, was sie von den Vorschlägen der FDP halten. Nämlich nichts. Eine Diskussionsgrundlage sieht anders aus. Die FDP wird voraussichtlich erleben, was sie schon die vergangenen zweieinhalb Jahre erlebt hat: Nämlich, dass sie alle Seiten unzufrieden macht. Die Wähler und die Basis, weil sie FDP- Ziele nicht durchsetzen kann und Kompromisse eingeht. Die Koalitionspartner, weil der kleinste Partner querschießt und mal wieder Nein sagt. Der Parteitag in Berlin an diesem Wochenende war nur ein kurzes Aufatmen für die FDP, ein harmonischer Kurzurlaub unter Freunden. Das hatte die Partei bitte nötig. Unwahrscheinlich aber, dass die Stimmung so gut bleibt. Es stehen harte Zeiten an - im Regierungsviertel und an den Wahlurnen.
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2024-04-28
FDP lehnt Antrag zu Wiedereinstieg in Atomkraft ab
Bundesparteitag
Seit einem Jahr liefert kein deutsches AKW mehr Strom. Das wollten drei FDP-Landesverbände ändern und auf dem Bundesparteitag in Berlin einen entsprechenden Antrag durchsetzen. Doch dieser scheiterte bei der Abstimmung.
Seit einem Jahr liefert kein deutsches AKW mehr Strom. Das wollten drei FDP-Landesverbände ändern und auf dem Bundesparteitag in Berlin einen entsprechenden Antrag durchsetzen. Doch dieser scheiterte bei der Abstimmung. Die FDP-Delegierten beim Bundesparteitag in Berlin haben sich mit knapper Mehrheit gegen einen Vorstoß zum Wiedereinstieg in die Atomkraft ausgesprochen. Sie lehnten einen Antrag der Landesverbände Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ab. Die Verbände hatten darin unter anderem mit dem Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und der Zunahme CO2-intensiverer Stromquellen argumentiert. "Ziel muss es sein, allezeit verfügbare und kostengünstige Energie zu erzeugen", sagte Antragsteller Thomas Kemmerich. Er warb für die Rückkehr zur Kernenergie und führte zur Begründung unter anderem Stromimporte aus Kohle und Atomkraft aus dem Ausland an. Der bayerische FDP-Politiker Florian Kuhl wies unter anderem auf hohe Strompreise und einen "Sonderweg" Deutschlands in der Atompolitik hin. Mangelnde Wirtschaftlichkeit neuer AKW als Argument Unter anderem der nordrhein-westfälische Delegierte Reinhard Houben sprach sich in der Debatte gegen den Antrag aus. "Selbst wenn wir heute den Antrag beschließen würden, würde ein AKW frühestens in 20 Jahren stehen", betonte Houben und verwies darauf, dass es für einen Wiedereinstieg keine politische Mehrheit in Deutschland gebe. Andere Delegierte führten unter anderem mangelnde Wirtschaftlichkeit neuer Atomkraftwerke als Argument gegen den Wiedereinstieg an. Erst diese Woche hatte ein Artikel des Magazins "Cicero" für Wirbel rund um den deutschen Atomausstieg gesorgt: Demnach sollen wichtige Mitarbeiter des Bundeswirtschaftsministeriums interne Bedenken gegen den Sinn eines fristgerechten Ausstiegs unterdrückt haben. Der zuständige Minister Robert Habeck und auch die Umweltministerin Steffi Lemke, deren Ressort ebenfalls unter Beschuss steht, verteidigten daraufhin ihre Entscheidungen in Sondersitzungen von Bundestagsausschüssen. "Technologieoffenheit" bleibt Ziel Mit der Debatte über den Antrag zur Rückkehr zur Atomkraft setzten die Liberalen ihren zweitägigen Parteitag in Berlin fort. Im Anschluss betonte Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, die Lehre aus dem Atomausstieg müsse sein, neuen Technologien offen gegenüber zu stehen. Aus heutiger Sicht wisse man, dass die damalige Entscheidung ein Fehler gewesen sei. Unabhängig von dem heute ablehnten Antrag bekannte sich die Partei gestern in ihrem Leitantrag zu einer technologieoffenen Energiepolitik - dazu zählt sie auch die Atomkraft. Leitantrag zur "Wirtschaftswende" gebilligt Djir-Sarai unterstrich in seiner Rede den von Parteichef Christian Lindner ausgerufenen Kurs der Umkehr in der deutschen Wirtschaftspolitik. Um die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu erhöhen, sei eine "neue, nachhaltige wirtschaftliche Dynamik" nötig. "Wir sind davon überzeugt, dass Deutschland erheblich mehr Potenzial hat, als es gegenwärtig zum Ausdruck kommt. Wir wollen dieses Potenzial wieder heben, wir müssen es wieder heben." Wer Wohlstand für alle, funktionierende soziale Sicherungssysteme und ökologische Transformation wolle, müsse ein vitales Interesse daran haben, die ökonomische Basis Deutschlands nachhaltig zu stärken, so Djir-Sarai. Am Samstag hatten die Delegierten mehrheitlich den Leitantrag der Parteiführung zur "Wirtschaftswende" gebilligt. Der Zwölf-Punkte-Plan zur Ankurbelung der Konjunktur sieht unter anderem Steuersenkungen, Bürokratieabbau, eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, einen konsolidierten Staatshaushalt sowie Einschnitte in den Sozialstaat vor. Das Papier wird von den Koalitionspartnern SPD und Grüne abgelehnt.  Djir-Sarai sieht tiefe Differenzen zwischen FDP und Ampelpartnern Djir-Sarai räumte bei seiner Rede die weltanschaulichen Differenzen zu den Ampelpartnern ein: "Es gibt einen großen Unterschied zwischen uns, und daran wird sich niemals etwas ändern". Die Liberalen hätten ein anderes Staatsverständnis als SPD und Grüne, sagte er unter dem Applaus der Delegierten. "Für uns ist das Geld der Steuerzahler nicht eine beliebige Verteilungsmasse - das ist der große Unterschied zu der Betrachtungsweise, die einige in dieser Koalition haben." Gleichzeitig unterstrich er, dass er die Koalitionspartner schätze - "das meine ich ernst". Die FDP habe aus seiner Sicht aber eine Vorreiterrolle in der Wirtschaftspolitik. "Wenn wir als FDP uns der wirtschaftlichen Zukunftsfähigkeit des Landes nicht annehmen, dann wird es niemand tun." Die Reaktionen der Mitbewerber zeigten das deutlich. In einer ersten Version des Textes wurde nicht herausgestellt, dass die FDP der Atomkraft grundsätzlich offen gegenüber steht, wie im am Samstag verabschiedeten Leitantrag festgehalten ist. Das haben wir geändert.
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2024-04-28
Was alles aus dem Automaten kommen kann
Kunst, Pizza, Maden
Hunderttausende Kaugummi-Automaten gibt es in Deutschland noch. Aber es geht auch anders - etwa in Berlin. Dort kommen auch Pizza Margherita oder Angelköder aus dem Automaten. Von Max Kell.
Hunderttausende Kaugummi-Automaten gibt es in Deutschland noch. Aber es geht auch anders - etwa in Berlin. Dort kommen auch Pizza Margherita oder Angelköder aus dem Automaten. Von Max Kell Einen Fahrradschlauch für den kaputten Reifen, Eis sogar zur späten Stunde, Bienenfutter oder Saatgut - und neuerdings sogar Kunst. Für all das gibt es in Berlin den passenden Automaten. Der Vorteil: immer verfügbar, nie geschlossen. Also Kleingeld mitnehmen und los geht’s auf einen Automaten-Rundgang durch Berlin. Zu Beginn der Klassiker: Münze rein, drehen, und dann kommt unten eine oft viel zu harte Kugel raus. Der Kaugummiautomat ist für viele eine echte Kindheitserinnerung. 500.000 bis 800.000 gibt es davon noch in Deutschland, schätzt der Verband der Automaten-Fachaufsteller (VAFA). Viele stehen davon auch in Berlin. Aber es werden langsam weniger. Der Grund: immer mehr Aufsteller hören gerade aus Altersgründen auf. Und bei der Entwicklung weg vom Bargeld ist kaum jemand bereit, noch in Kaugummiautomaten zu investieren. Der Klassiker verschwindet gerade also langsam immer mehr aus dem Stadtbild. Dafür boomen gerade die neuen Automaten-Ideen. Kunst auf Knopfdruck Direkt am Eingang des Berliner Mauerparks im Stadtteil Prenzlauer Berg befindet sich die Bar und Biergarten der "Mauersegler". Und kurz vor den Toiletten hängt - über einem Zigarettenautomaten - ein zweiter, ungewöhnlicher Automat. Weder Zigaretten noch Kondome oder Kaugummis gibt es hier, sondern Kunst auf Knopfdruck. Der ehemalige Strumpfhosenautomat wurde umgebaut und ist jetzt ist ein Pilotprojekt der Berliner Kunstschule. Das Projekt wird sogar mit Geldern aus dem Europäischen Sozialfond unterstützt und vom Land Berlin. Eine Gruppe Berliner Künstlerinnen und Künstler hat sich zusammengefunden für die Idee der Kunst aus dem Automaten. Die Herausforderung: Die Werke dürfen maximal sieben mal zwölf Zentimeter groß sein. Für Isabelle Spicer, eine der Künstlerinnen, war sofort klar, dass sie bei dem Projekt dabei sein will: "Ich habe in Amerika gewohnt und kenne von dort diese Automaten. Es ist ich ein bisschen wie ein Überraschungsei. Und genau die Idee, Kunst als Überraschung, hat mir gefallen." Mit acht Euro zum Sammler Und eine Sache gefällt ihr auch noch: "Der Automat ist eine super Möglichkeit, zu den Leuten zu kommen. Mit acht Euro ist der Preis auch recht niedrig. Das heißt, jeder kann jetzt mit acht Euro seine eigene Kunstsammlung starten." Der Automat ist also eine neue Einnahmequelle für die insgesamt 15 Künstlerinnen und Künstler der Gruppe - aber auch als Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln, wie Sinaida Feinstein erzählt: "Ich arbeite selbst mit Malereien, Zeichnungen und auch Skulpturen. Und da zu gucken: was passt eigentlich in eine kleine Schachtel so rein? Das hat viel Spaß gemacht. Ich fühle mich dadurch nicht limitiert, sondern habe eher das Gefühl, dass ich eine neue Freiheit gewonnen habe, Dinge ausprobieren zu können." Vier Kunstautomaten stehen mittlerweile bereits in Berlin. Ein fünfter kommt bald dazu. Snack für Nachtschwärmer Trotz solcher Ideen für ungewöhnliche Automaten - an die Zahlen des Verkaufsautomaten-Land Nummer eins Japan kommt Deutschland natürlich bei weitem nicht ran. Mehr 4,05 Millionen gibt es in dem asiatischen Land, die in der Bevölkerung sehr beliebt sind. Die ständige Verfügbarkeit ist der Vorteil - auch beim Pizza-Automaten, der in Berlin unter anderem im Stadtteil Kreuzberg steht in der Köpenicker Straße. Direkt vor einem Hostel in einer Gegend, in der auch viele Nachtschwärmer unterwegs sind. Neun Pizzen stehen zur Auswahl, darunter Margherita, Prosciutto oder auch eine vegane Pizza. Die Pizza Speziale kostet 9,90 Euro, zahlbar per Kreditkarte. Nach ungefähr vier Minuten kommt sie heiß und in einem Karton verpackt unten aus dem Automaten. Das Testergebnis: natürlich nicht so gut wie beim Italiener um die Ecke. Aber besser als erwartet. Beliebt bei Hobbyanglern Noch skurriler als der selbstbackende Pizzaautomat ist der letzte Automat auf der Berlin-Tour. Er steht vor einem Laden für Angelbedarf im Stadtteil Wedding. "Angelhaus Koss hat fast alles", steht als Slogan auf dem Fahrradständer vor dem Geschäft. Und tatsächlich, an der Hauswand steht er: der Maden-Automat. Das Wort "Iron" hat jemand über den Maden-Schriftzug gekritzelt. Eine Anspielung auf die britische Heavy-Metal-Band "Iron Maiden". Der Laden ist echtes Traditionsgeschäft und gehört mittlerweile Alexander Koss. Sein Vater hat das Geschäft im Jahr 1960 gegründet: "Der Madenautomat ist noch auf dem Mist meines Vaters gewachsen. Ich weiß gar nicht genau, warum er 1963 den alten Zigarettenautomaten umgebaut hat", erzählt Koss. Aber er weiß noch: "Wir haben früher genau hinter dem Geschäft gewohnt. Vielleicht wurde er öfter mal sonntags raus aus dem Bett geklingelt oder so und kam so auf die Idee".  Für einen Euro gibt’s die Dose mit lebendigen Maden - und das seit Jahrzehnten. Am Wochenende werde am meisten gekauft: "Da ist der Laden nämlich geschlossen. Aber die Leute die kurz entschlossen doch noch angeln wollen, können sich so schnell ein paar Maden ziehen. Die sind nämlich der perfekte Allround-Köder für alle möglichen Fische."
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2024-04-28
Ukraine und Russland melden Drohnenangriffe
Krieg in der Ukraine
Russland und die Ukraine berichten von gegenseitigen Drohnenangriffen. Im südukrainischen Mykolajiw wurde ein Hotel getroffen, im russischen Kaluga eine Drohne in der Nähe eines Treibstofflagers abgefangen. Verletzte gab es nicht.
Russland und die Ukraine berichten von gegenseitigen Drohnenangriffen. Im südukrainischen Mykolajiw wurde ein Hotel getroffen, im russischen Kaluga eine Drohne in der Nähe eines Treibstofflagers abgefangen. Verletzte gab es nicht. Russland und die Ukraine haben einander auch in der vergangenen Nacht mit Drohnenangriffen überzogen. In der südukrainischen Stadt Mykolajiw wurde nach Angaben von Gouvereur Witalij Kim ein Hotel und ein Objekt der Energieversorgung getroffen. Es habe keine Opfer gegeben und das durch den Angriff ausgebrochene Feuer im Hotel sei rasch gelöscht worden, teilt Kim auf Telegram mit. Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe setzte Russland vier im Iran gebaute Kampfdrohnen vom Typ "Shahed-131/136" sowie fünf weitere Drohnen unbekannter Bauart ein. Die vier Shahed-Drohnen und eine andere Drohne seien nach nicht überprüfbaren Angaben des Militärs abgeschossen worden. Die Luftangriffe waren damit weniger schwer als in der Nacht zuvor, als die russische Armee eine Kombination von Dutzenden Raketen, Marschflugkörpern und Kampfdrohnen eingesetzt hatte. Moskau: Tote nach Angriff in Saporischschja Nach Behördenangaben sind bei ukrainischem Beschuss in der von Russland teilweise besetzten Region Saporischschja zwei Menschen getötet worden. Wie der von Russland eingesetzte Statthalter des besetzten Gebiets, Jewgeni Balizkij, auf Telegram schrieb, wurden bei der Attacke in der Ortschaft Pologi zwei weitere Menschen - eine Mutter und ihr Kind - verletzt. Ein Haus sei zerstört, fünf weitere beschädigt worden. Zuvor hatte das russische Verteidigungsministerium in Moskau ebenfalls Drohnenangriffe auf Ziele in Russland gemeldet. Es seien insgesamt 17 ukrainische Drohnen abgeschossen worden. Drei davon seien in der Region Kaluga südlich von Moskau zerstört worden, die übrigen 14 Drohnen über den Grenzregionen Brjansk, Kursk und Belgorod, teilte das Ministerium auf Telegram mit. Auch diese Zahlen sind nicht unabhängig überprüfbar. Der Gouverneur des Gebietes Kaluga, Wladislaw Schapscha, teilte mit, drei Drohnen seien in der Nähe eines Treibstofflagers abgefangen worden. Es habe keine Verletzten oder Schäden gegeben.
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2024-04-28
Tote nach Tornado in Guangzhou
Unwetter in China
Ein Tornado in Guangzhou hat mindestens fünf Menschen das Leben gekostet. Mehr als 140 Fabrikgebäude sind eingestürzt. Es war bereits das zweite Unwetter in der südchinesischen Millionenmetropole binnen einer Woche.
Ein Tornado in Guangzhou hat mindestens fünf Menschen das Leben gekostet. Mehr als 140 Fabrikgebäude sind eingestürzt. Es war bereits das zweite Unwetter in der südchinesischen Millionenmetropole binnen einer Woche. Bei einem Tornado in der südchinesischen Metropole Guangzhou sind am Samstag fünf Menschen ums Leben gekommen. Wie die Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, wurden bei dem Unwetter weitere 33 Personen verletzt. Der Sturm beschädigte nach offiziellen Angaben 141 Fabrikgebäude, jedoch seien keine Wohnhäuser eingestürzt. Wie Xinhua berichtete, sollen die Rettungsarbeiten bereits größtenteils abgeschlossen sein. Zweites Unwetter binnen einer Woche Erst vor einer Woche wurden Guangzhou und die umliegenden Provinz Guangdong von sintflutartigen Niederschlägen betroffen, bei denen mindestens vier Menschen ums Leben kamen und mehr als 100.000 Einwohner in Sicherheit gebracht werden mussten. Mehr als 40 Flüsse und über 60 Messstationen in der Provinz hatten laut Behördenangaben Regenmengen verzeichnet, die über den Alarmwerten lagen. In Guangzhou leben etwa 18 Millionen Einwohner. Die Provinzhauptstadt zählt zu den wichtigsten Wirtschaftszentren der Volksrepublik.
/ausland/china-tornado-102.html
2024-04-28
Polen hofft auf deutsche Kursänderung
Debatte über "Taurus"-Lieferungen
Die USA haben der Ukraine weitere Waffenlieferungen zugesagt. Polens Außenminister hofft nun, dass das den Bundeskanzler in der Frage der "Taurus"-Lieferungen umstimmen kann. Dabei machte Scholz erst kürzlich klar: Er bleibt bei seinem Nein.
Die USA haben der Ukraine weitere Waffenlieferungen zugesagt. Polens Außenminister hofft nun, dass das den Bundeskanzler in der Frage der "Taurus"-Lieferungen umstimmen kann. Dabei machte Scholz erst kürzlich klar: Er bleibt bei seinem Nein. In der Frage der deutschen "Taurus"-Lieferungen an die Ukraine bleibt Bundeskanzler Olaf Scholz bislang unnachgiebig. Polens Außenminister Radoslaw Sikorski hofft jedoch, dass Scholz nach der Lieferung von US-Raketen an das angegriffene Land nun doch seine Meinung ändert. "Ich hoffe, der Kanzler fühlt sich durch die Ereignisse der letzten Tage ermutigt", sagte Sikorski in einem Interview mit der "Bild am Sonntag". Die Lieferung von US-ATACMS-Raketen an die Ukraine bezeichnete Sikorski als "Reaktion auf die russische Eskalation" in der Ukraine, auf die auch Deutschland reagieren müsse.  USA liefern ATACMS-Raketen Die USA hatten am Mittwoch die Lieferung von reichweitenstärkeren Raketen vom Typ ATACMS an die Ukraine bekanntgegeben. Mit der US-Entscheidung wächst der Druck auf Deutschland, "Taurus"-Marschflugkörper an die ukrainische Armee zu liefern. Der "Taurus" hat allerdings eine Reichweite von mehr als 500 Kilometern. Damit könnte der Marschflugkörper russisches Staatsgebiet von der Ukraine aus erreichen und etwa dortige Waffendepots und Kommandozentralen zerstören. Das ist ein Grund für Scholz' ablehnende Haltung in der "Taurus"-Debatte. Als weiteren Grund nennt er die aus seiner Sicht bestehende Notwendigkeit deutscher Beteiligung bei der Zielführung der Marschflugkörper, durch die Bundeswehr-Angehörige direkt an Einsätzen beteiligt wären. Scholz bekräftigt Ablehnung der Lieferung Erst am Samstag hatte Scholz bei einer Diskussionsveranstaltung mit Bürgerinnen und Bürgern in Lüneburg sein Nein zu "Taurus"-Lieferung bekräftigt. "Es gibt Waffen, die kann man nur liefern, wenn man über alles, was damit gemacht wird, die Kontrolle behält." "Taurus" sei als Waffensystem so effektiv und präzise, dass man "direkt ein Wohnzimmer ansteuern" könne. "Das ist nur verantwortlich, wenn wir die Kontrolle über die Zielsteuerung behalten. Das dürfen wir aber nicht machen", betonte der SPD-Politiker. "Wenn wir das täten, wären wir beteiligt an dem Krieg." Beim anschließenden Auftakt des Europawahlkampfs der SPD in Hamburg unterstrich Scholz seinen "Kurs der Besonnenheit" im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. "Ich wundere mich, wenn einige sagen, besonnene Politik ist nicht richtig", sagte er in Hamburg. "Wir machen das Meiste, aber wir machen es klug abgewogen, zum richtigen Zeitpunkt und mit aller Konsequenz." Scholz bekräftigte, dass Deutschland unter seiner Führung als - wie er sagte - größter Waffenlieferant weiter an der Seite der Ukraine stehen, aber eine direkte Konfrontation der NATO mit Russland vermeiden werde. Kritik an Scholz Scholz wird von der Union, aber auch von Politikern seiner beiden Koalitionspartner Grüne und FDP für sein Nein zur Lieferung von "Taurus"-Marschflugkörpern in die Ukraine scharf kritisiert. Die große Mehrheit der Bevölkerung steht Umfragen zufolge aber hinter seiner Entscheidung - wie etwa im ARD-DeutschlandTrend von Anfang März. Scholz war deswegen aus der Opposition vorgeworfen worden, die Entscheidung gegen Taurus getroffen zu haben, um einen "Friedens-Wahlkampf" führen zu können.
/ausland/europa/polen-aussenminister-taurus-100.html
2024-04-28
Wandern im Sauerland statt Kurztrip nach London
Outdoor-Trend
Während der Corona-Zeit entdeckten Hunderttausende Deutsche das Wandern für sich. Und viele sind dabeigeblieben. Der neue Volkssport schafft in ländlichen Regionen nicht wenige Jobs. Von Christof Dörr.
Während der Corona-Zeit entdeckten Hunderttausende Deutsche das Wandern für sich. Und viele sind dabeigeblieben. Der neue Volkssport schafft in ländlichen Regionen nicht wenige Jobs. Von Christof Dörr In den sozialen Medien begeistert der Hashtag #Wandern noch immer Millionen, Influencer befeuern den Hype täglich mit neuen Videos, in denen sie die schönsten Wanderwege Deutschlands zeigen. Fest steht: Das Wandern nach Corona ist definitiv nicht mit dem vor der Pandemie zu vergleichen. Das zeigen auch die Zahlen: Repräsentativen Umfragen zufolge gingen 2017 insgesamt 400.000 Menschen mehrmals wöchentlich wandern. Während der Corona-Zeit ist diese Zahl dann hochgeschossen, 2020 waren es schon 600.000 und 2021 sogar 1,5 Millionen. Und heute? "Waren gar nicht vorbereitet" "Wander-Guru" Heinz-Dieter Quack veröffentlich jedes Jahr den Wandermonitor. Seine aktuellen Zahlen zeigen: Rund zwei Drittel der Corona-Neuzugängen sind wieder in Richtung Strand abgewandert. "Aus wandertouristischer Sicht hätten wir uns natürlich gewünscht, dass mehr dabeigeblieben wären, aber ehrlicherweise waren wir auf den Ansturm infrastrukturell gar nicht vorbereitet", sagt Quack. "Wir hatten Überfüllungserscheinungen auf den Wanderwegen und deshalb ist es auch nachvollziehbar, dass manche wieder zu ihrem klassischen Freizeitverhalten zurückgekehrt sind." Der Professor an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften ist froh, dass immerhin ein Drittel dabeigeblieben ist. Wirtschaftsfaktor Wandern Auch durch diesen Zuwachs ist Wandern ein großer Wirtschaftsfaktor geworden. Jährlich geben Wanderer 11,2 Milliarden Euro aus und schaffen vor allem in den ländlichen Regionen 144.000 Arbeitsplätze. Und noch ein weiterer Corona-Effekt sorgt für eine goldene Wanderzukunft. "Da sind überdurchschnittlich viele jüngere Menschen - unter 30-Jährige - zum Wandern aufgebrochen, und viele davon sind geblieben", sagt Quack. "Und die, das finde ich extrem spannend, erleben das Wandern häufig als eine bewusst analoge Veranstaltung. Die legen dann auch noch viel Wert auf eine klassische, analoge Beschilderung und weniger auf eine digitale Routenführung, beispielsweise." Handy-Fasten und Natur erleben Handy aus, Naturerlebnis pur, ohne Dauerbeschallung, heißt es auch im hessischen Willingen im Rothaargebrige. Es ist Mitte April, kühl und regnerisch, trotzdem ist die sogenannte Dienstagsgruppe mit zwölf Wanderbegeisterten gut besucht. An schöneren Tagen sind bis zu 40 Leute dabei. Anne Kampschäfer und Armin Schmalz haben sich beim Wandern kennen und lieben gelernt. Die Pandemie hat dann aus ihrem Hobby eine Leidenschaft gemacht. "Man konnte ja nicht viel anderes machen, als sich in der Natur zu bewegen, alles andere drumherum war geschlossen. Man vereinsamte ja fast, das war schon eine sehr traurige Zeit, durch die aber unsere Leidenschaft fürs Wandern gewachsen ist", sagt Armin Schmalz. Seine Frau ergänzt: "Die ersten Jahre war ich hier in diesen Wäldern fast immer allein unterwegs. Es waren kaum Wanderer zu sehen, das hat sich seit Corona sehr verändert. Heute trifft man hier auch Werktags viele Wanderer." "Corona hat uns den Push gebracht" Tatsächlich ist die Zahl der Wandertouristen in Willingen steil bergauf gegangen. 2023 war das zweitbeste Jahr in der Geschichte des Ortes, man verzeichnete ein Plus von 13,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr, sagt Tourismusdirektor Norbert Lopatta: "Corona hat uns den Push gebracht. Die Menschen haben entdeckt, dass man auch vor der eigenen Haustür was machen kann, Übernachten ging ja nicht, aus diesem Grund sind viele auf Tagestrips in die Mittelgebirge ausgewichen". Angst davor, dass der Boom schon bald vorbei sein könnte, hat er nicht: "Ich bin mir sicher, dass wir zunehmend gewinnen werden an den Kurzreisen, wo man sagt, ich muss nicht mehr für viel Geld für zwei Tage nach London fliegen, sondern ich gönne mir für vier Tage das Sauerland, Willingen zum Beispiel." Vergleichsweise günstiger Urlaub Ein Vorteil des Wanderns: Verglichen mit anderen Urlaubsformen ist es relativ preiswert. Im Durchschnitt geben Wanderer in Deutschland pro Tag 57 Euro inklusive Übernachtung aus. Sommerurlaub im Süden kostet das Doppelte, Skiurlaub in den Bergen ist noch teurer. Und Wandern bietet noch andere große Vorteile: "Ich finde das durchaus positiv, dass man immer wieder neue Gäste, neue Leute kennenlernt, sehr nette Gespräche hat und dadurch sich auch öffnet und viel erfährt. Das finde ich eher eine Bereicherung", erklären Teilnehmer der Dienstagsgruppe in Willingen. "Wir gucken viel Natur, erkennen alle Blumen und Blüten und jeder weiß irgendwas Neues. Das ist einfach Natur und schön." Der Wandertourismus ist mittlerweile auf Platz vier der beliebtesten Urlaubsformen in Deutschland angekommen. Und es braucht auch niemand Angst davor zu haben, dass es irgendwann langweilig werden könnte: Nach Angaben des Verbands hat Deutschland etwa 200.000 Kilometer Wanderwege.
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2024-04-28
Biden mit Trump-Witzen und mahnenden Worten
Presse-Dinner in Washington
Das Presse-Dinner in Washington ist Tradition - wie auch der Auftritt des US-Präsidenten. Dieses Jahr wartete Joe Biden mit Trump-Witzen und Mahnungen auf. Und vor den Türen formierte sich Protest gegen Bidens Nahost-Politik.
Das Presse-Dinner in Washington ist Tradition - wie auch der Auftritt des US-Präsidenten. Dieses Jahr wartete Joe Biden mit Trump-Witzen und Mahnungen auf. Und vor den Türen formierte sich Protest gegen Bidens Nahost-Politik. Begleitet von lautstarken Protesten hat US-Präsident Joe Biden beim traditionellen Presse-Galadinner in Washington die Medien ermahnt, ihre Rolle in der Demokratie einzunehmen. "Ich bitte Sie sicherlich nicht darum, eine Seite zu wählen", sagte er vor dem Publikum des Correspondents' Dinner in Washington. "Ich bitte Sie darum, sich der Ernsthaftigkeit des Augenblicks bewusst zu werden." Alle müssten dazu beitragen, "dass die amerikanische Demokratie Bestand hat". Seitenhieb gegen Trump Großen Raum in seiner Rede nahmen Seitenhiebe gegen seinen voraussichtlichen republikanischen Kontrahenten bei der kommenden Präsidentenwahl, Ex-Präsident Donald Trump, ein. Auch wenn die beiden ähnlich alt seien, hätten sie sonst wenig gemeinsam. "Mein Vize-Präsident unterstützt mich jedenfalls", sagte Biden mit Blick auf Trumps ehemaligen Vize Mike Pence, der ihm dieses Mal die Unterstützung verweigerte. Biden witzelte auch gegen den Trump-Strafprozess im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen an die Porno-Darstellerin Stormy Daniels. "Donald hatte in letzter Zeit ein paar harte Tage. Man könnte sagen: stürmisches Wetter", sagte Biden in Anspielung auf Daniels' Vornamen, der übersetzt "stürmisch" bedeutet. Der Republikaner befindet sich derzeit fast täglich im Gericht in New York. Die Anklage wirft ihm vor, er habe den Ausgang der US-Präsidentenwahl 2016 mit der Zahlung von  130.000 Dollar an Daniels beeinflussen wollen. Veranstaltung mit mehr als 100-jähriger Tradition Die Journalisten-Vereinigung der im Weißen Haus akkreditierten Korrespondenten veranstaltet den Festabend seit 100 Jahren. Der Präsident ist gewöhnlich Stargast - einzig Trump nahm während seiner Amtszeit nie teil. Anwesend sind neben Journalistinnen und Journalisten sowie hochrangigen Regierungsmitgliedern auch immer einige Hollywood-Stars. Dieses Jahr saß unter anderem die Schauspielerin Scarlett Johansson im Publikum. Sie ist mit dem Comedian Colin Jost verheiratet, der den traditionellen Unterhaltungsteil des Abends übernahm. Protest gegen Gaza-Krieg Begleitet wurde die Veranstaltung von lautstarken Protesten gegen Bidens Nahost-Politik. Vor dem Hotel, in dem das Dinner stattfand, riefen Demonstranten die Pressevertreter und Prominenten auf, die Veranstaltung zu boykottieren. Dies hatten zuvor auch schon mehrere palästinensische Journalisten in einem offenen Brief an ihre US-Kollegen gefordert. Die Demonstranten kritisierten unter anderem die Berichterstattung einiger Medien in den Vereinigten Staaten und beklagten auch den Tod von Journalisten in dem Konflikt. Protestierende, die Biden am Hintereingang des Hotels erwarteten, forderten eine Waffenruhe für den Gazastreifen. Biden wird seit Monaten von Demonstranten verfolgt, welche die Unterstützung der USA für Israel scharf kritisieren. Immer wieder wird der Präsident mit "Völkermord"-Rufen und Forderungen nach einem sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen empfangen.
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2024-04-28
Das heikle Verhältnis zu Russland
Estland
Viele Bürger in Estland haben weiter enge Verbindungen nach Russland. Doch die gemeinsame Geschichte belastet das Zusammenleben ebenso wie die Debatte um die Rolle der Landessprache. Das zeigt sich auch im Grenzort Narva. Von M. Kosmol.
Viele Bürger in Estland haben weiter enge Verbindungen nach Russland. Doch die gemeinsame Geschichte belastet das Zusammenleben ebenso wie die Debatte um die Rolle der Landessprache. Das zeigt sich auch im Grenzort Narva. Von Margareta Kosmol, NDR Nur ein Fluss trennt die europäische Stadt Narva von Russland. An beiden Ufern ragen imposante Burgen auf. Am westlichen Ufer steht die Hermannsfeste, drei Fahnen symbolisieren: Hier ist noch Estland, hier ist die Europäische Union, hier ist noch NATO-Gebiet. Am gegenüberliegenden Ufer in der Stadt Iwangorod weht dagegen die russische Fahne im Wind. Verbunden werden die beiden Städte von einer Brücke mit dem Namen "Freundschaft". Doch davon ist mittlerweile wenig zu spüren - trotz des Namens ist die Grenze seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine für Autoverkehr geschlossen. Über die Brücke geht es momentan nur noch zu Fuß.   Was die Erinnerung prägt Narva war zu Sowjetzeiten ein bedeutender Industriestandort. Aus der gesamten Sowjetunion kamen Arbeiter und Arbeiterinnen, um in der Textilfabrik zu arbeiten - ein Arbeitsplatz für mehr als 10.000 Menschen, darunter die Familie von Lena Kase. Als 15-jähriges Mädchen fing sie in der Fabrik an. Erst als Weberin, später als Putzkraft: "Die Arbeit war hart, wir haben in drei Schichten gearbeitet. Aber das Gute war: Du wusstest, morgen wirst du auch noch Arbeit haben, ein Dach über dem Kopf und niemand nimmt dir deine Wohnung weg." Heute steht die Textilfabrik leer, aber die 66-Jährige spaziert gerne um das eingezäunte Gelände, in Erinnerung an die Zeit, die für sie Sicherheit bedeutete. Estnisch spricht Kasa nur ein paar Worte. Sie hatte mal angefangen, Estnisch zu lernen, aber da ihr Umfeld nur Russisch spricht, vergaß sie die Sprache wieder.  Noch heute sprechen in Narva mehr als 95 Prozent der Menschen vorrangig russisch. Aus den Autoradios erklingen russische Lieder. Kellner begrüßen Restaurantgäste auf Russisch. Trotzdem betonen die Menschen hier: Wir gehören zu Estland und die europäischen Werte sind uns wichtig.   Aber auch eine Verbundenheit zur russischen Seite ist zu spüren. Die meisten Menschen in Narva haben Verwandte auf der anderes Seite des Flusses in Russland. Auch der russischen Kultur fühlen sie sich verbunden.  Geschichte als trennender Faktor  Heute belastet die Geschichte der Region das Zusammenleben, vor allem seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine. Viele Esten fordern, sowjetische Symbole aus dem Stadtbild zu entfernen. Als das "Sowjetpanzer"-Denkmal 2022 aus Narva weggebracht wurde, gab es viel Aufregung. Es stand an dem Punkt, an dem die Rote Armee im Zweiten Weltkrieg die deutschen Truppen aus der Stadt vertrieb. Vor allem die ältere Bevölkerung von Narva verbindet mit den alten Sowjetdenkmälern lebhafte Feiertage aus der Jugend.  Auch Maria Smorshevskihh-Smirnova, die Leiterin des Narva-Museums, sorgte mit einer Aktion für Empörung. 2022 brachte sie die Lenin-Statue aus der Stadt heraus und erntete dafür viel Kritik von den Bewohnern. Smorshevskihh-Smirnova findet aber, dass dieser Schritt wichtig war: "Wir müssen verstehen, dass unsere Stadt heute überhaupt nicht mit Lenin zusammenpasst, und ich bin sehr glücklich, dass wir diesen Schritt nun gegangen sind, den man bereits in den 1990er-Jahren hätte gehen müssen." Mit ihren Ausstellungen möchte Smorshevskihh-Smirnova die Bevölkerung Narvas über die Vergangenheit der Stadt aufklären. Sie spricht von einer Koexistenz zweier Sichtweisen: "Große Teile der russischen Bevölkerung sehen die sowjetische Besatzung als Befreiung von den Nazis. Aber sie müssen verstehen, dass die estnische Bevölkerung das nicht als Befreiung, sondern klar als Okkupierung Estlands von der Sowjetunion sieht." Smorshevskihh-Smirnova findet, dass russische Propaganda das Bild der Befreiung durch die Sowjets stützt. Viele Bewohner Narvas informieren sich über russische Medien.  Sprache als Streitpunkt Ihre Sprache, das Russische, ist zwar durch die Verfassung geschützt. Doch Estland will die Verbreitung der Landessprache noch mehr fördern, und das macht vielen Bewohnern von Narva Sorgen. Erlaubte Estland bislang noch den Unterricht auf Russisch, soll die Schulbildung ab dem 1. August 2024 schrittweise ganz auf Estnisch umgestellt werden. In einer Stadt wie Narva ist das ein großes Problem. Etwa 150 Lehrkräften droht die Entlassung, weil sie kein Estnisch sprechen - eine hohe Zahl bei rund 50.000 Einwohnern.     Eine Lehrerin beruhigt Diese Sorgen teilt Aljona Kordontschuk nicht. Sie ist Schulleiterin an einer der wenigen estnischsprachigen Schulen in Narva. Sie ist überzeugt, dass die Kinder das gut meistern werden, die Eltern sollten nicht in Panik verfallen: "Es ist gut, dass unsere Kinder sich noch sicherer fühlen werden, wenn sie an die Unis kommen. Viele Schulabgänger gehen momentan ins Ausland. Nicht, weil sie so reich oder ambitioniert sind, sondern weil sie kein Estnisch können bis zur 12. Klasse, dafür aber Englisch." Viele Eltern kritisieren, dass der Druck, die Sprache zu lernen, erst seit 2022 angestiegen ist. Die Umsetzung ginge nun zu abrupt. Schon nach der Erlangung der Unabhängigkeit hätte es mehr Estnisch in den Schulen geben müssen, finden sie.  Kasa, die frühere Textilarbeiterin, fühlt sich dennoch auch heute wohl in Narva. Mit der Politik der estnischen Regierung ist sie zwar unzufrieden, möchte aber nicht genauer darüber sprechen. Sie ist glücklich darüber, dass ihr Sohn in Narva geblieben ist und eine Arbeit gefunden hat. Die meisten Kinder ihrer Freundinnen seien wegen fehlender Arbeitsmöglichkeiten aus Narva weggezogen, in die Hauptstadt Tallinn. Dort hätten sie schnell Estnisch gelernt.    Diese und weitere Reportagen sehen Sie auch im Weltspiegel - am Sonntag um 18.30 Uhr im Ersten.
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2024-04-28
Wie nachhaltiger Modekonsum zum Klimaschutz beiträgt
Leihen statt kaufen
Gut ein Drittel der Kleidungsstücke in deutschen Schränken werden nur sehr selten oder gar nicht getragen. Ein Problem für die Umwelt - doch es gibt nachhaltige Lösungsansätze. Von Nadine Gode.
Gut ein Drittel der Kleidungsstücke in deutschen Schränken werden nur sehr selten oder gar nicht getragen. Ein Problem für die Umwelt - doch es gibt nachhaltige Lösungsansätze. Von Nadine Gode, SWR 60 neue Kleidungsstücke finden jedes Jahr den Weg in den Kleiderschrank der Deutschen. Dabei werden im Schnitt 40 Prozent der Kleidung laut Bundesumweltministerium nie oder nur selten getragen. Der Konsum wird durch die Fast-Fashion Industrie geprägt. Die Abstände von einem Modetrend zum nächsten schrumpfen: Bis zu 24 verschiede Kollektionen werden von großen Modeketten innerhalb eines Jahres angeboten. Allein durch die Produktion, den Warentransport und den Gebrauch - Waschen, Trocknen und Bügeln - von Kleidung werden jährlich mehr als 850 Millionen Tonnen CO2-Emissionen verursacht. Zum Vergleich: Im Jahr 2023 wurden weltweit insgesamt 36,8 Milliarden Tonnen CO2 aus der Nutzung fossiler Brennstoffe ausgestoßen. Mode mieten statt kaufen Das muss doch auch nachhaltiger gehen, findet Carina Braisch. Mit ihrer Kleiderei möchte sie in Stuttgart für einen umweltfreundlicheren Modekonsum sorgen: "Wir sind ein Fashion-Sharing-Konzept. Das heißt, bei uns kannst du Mode nicht nur kaufen, sondern du kannst bei uns auch leihen. Damit sind wir eigentlich ein großer gemeinschaftlicher Kleiderschrank, der ganz bunt und vielfältig gefüllt ist." Wer leihen will, kann sich dafür anmelden. Für 29 Euro im Monat darf man bis zu vier Teile mitnehmen - und diese so oft tauschen, wie man möchte. 100 Mitglieder machen in Stuttgart schon mit und unterstützen den Gedanken "Let’s consume slower together", und auch in anderen Städten gibt es Kleidereien. Ein Statement gegen die Fast-Fashion Industrie. Wir wollen Mode langsamer erleben, nachhaltiger und bewusster. So nachhaltig ist leihen Wie viele Ressourcen durch das Leihen von Mode gespart werden können, haben Miriam Bodenheimer vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) und ihr Team im Projekt Ware2Share ausgerechnet: Im Vergleich zum Einzelkauf kann geteilte Mode rund 30 Prozent Treibhausgase, 30 Prozent Energieaufwand und 40 Prozent Wasser einsparen. „"Dadurch, dass man Kleidung leiht oder mietet, kann sie viel häufiger getragen werden. Studien zeigen, dass wir rund ein Drittel der Kleidung aus unserem Kleiderschrank so gut wie nie tragen. Ein Leih-Kleidungsstück kann oft bis zu 10-mal oder noch mehr vermietet werden", ordnet Miriam Bodenheimer ein. Ihre Analyse zeigt: Meist lohnt sich das schon ab dem zweiten Mietzyklus für die Umwelt. Je öfter ein Teil geliehen und getragen wird, umso besser die Ökobilanz. Im Projekt konnte gezeigt werden, dass Mode leihen die tatsächliche Anzahl an Neukäufen reduziert und damit zur Minderung der Umweltauswirkungen der Modebranche beiträgt. Dazu komme, dass viele Anbieter von Mietmodellen für Mode auf besonders langlebige Kleidungsstücke setzen, weiß Bodenheimer: "Für die Anbieter ist es von großem Interesse, dass die Kleidung nachhaltig und von sehr guter Qualität ist, die kann häufiger verliehen werden. Das ist wichtig für das Geschäftsmodell und gut für die Ökobilanz." Künstliche Intelligenz gegen Retouren Auch ohne Verleihsystem finden Kleidungsstücke oft den Weg zurück zum Händler. Von jährlich schätzungsweise 1,3 Milliarden zurückgeschickten Artikeln sind rund 90 Prozent Schuhe und Kleidung. Der mit Abstand häufigste Grund: Größe und Passform stimmen nicht. Viele Anbieter setzten deswegen inzwischen auf künstliche Intelligenzen wie die vom Start-up-Unternehmen SAIZ. Hier gleicht die KI die Produktdaten mit den Angaben und Erfahrungen der Kunden ab und empfiehlt die richtige Größe. Marita Sanchez de la Cerda ist eine der Gründerinnen: "Das führt zu einer unglaublich hohen Genauigkeit bei den Größenempfehlungen. Darüber hinaus spielen wir die Auswertungen an die Unternehmen zurück. Die können dann produktspezifisch verstehen: Wie gut passen meine Produkte meiner tatsächlichen Zielgruppe?" Das langfristige Ziel sei es, die Herstellung von Kleidungsstücken zu optimieren. Denn nicht immer fällt die angegebene Kleidergröße bei jedem Hersteller gleich aus. So sollen unter anderem Fehlbestellungen minimiert werden. Aktuell können laut Angaben von Saiz so schon sieben Prozent der Retouren vermieden werden. Für Teile, die doch den Weg zurück zum Händler gehen, hat Carina Braisch in ihrem Sortiment einen extra Platz: "An unserer Fair-Fashion-Stange hängen Teile, die auf dem kommerziellen Markt keine Verwendung mehr gefunden hätten. Sowas wie Samples, B-Ware, Retouren. Wir freuen uns, wenn wir denen hier noch mal ein zweites Leben schenken können."
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2024-04-28
Zahl unerledigter Verfahren steigt weiter
Staatsanwaltschaften
Bundesweit türmen sich offene Verfahren bei den Staatsanwaltschaften - mehr als 900.000 sind es vergangenes Jahr gewesen. Der Deutsche Richterbund sieht die Gründe unter anderem beim Personalmangel in der Justiz.
Bundesweit türmen sich offene Verfahren bei den Staatsanwaltschaften - mehr als 900.000 sind es vergangenes Jahr gewesen. Der Deutsche Richterbund sieht die Gründe unter anderem beim Personalmangel in der Justiz. Bei den Staatsanwaltschaften in Deutschland gibt es nach Angaben des Deutschen Richterbundes immer mehr unerledigte Fälle. Im vergangenen Jahr seien 906.536 Verfahren offen gewesen. Innerhalb von zwei Jahren sei die Zahl unbearbeiteter Akten damit um ein Viertel gestiegen. Im Jahr 2022 zählten die offenen Verfahren noch 840.727, im Jahr 2021 waren es 727.021. Die Zahlen gehen auf eine Umfrage bei den Justizverwaltungen der Länder zurück, die die vom Richterbund herausgegebene Deutsche Richterzeitung durchgeführt hat. Berücksichtigt wurden dabei nur die Verfahren gegen namentlich bekannte Beschuldigte, wie es hieß.    Deutlicher Anstieg in Hamburg Nach den Angaben hat sich die Situation insbesondere in Hamburg verschlechtert. Im Zwei-Jahres-Vergleich ist die Anzahl der noch zu bearbeitenden Fälle in der Hansestadt um 70 Prozent auf 39.000 gestiegen (2021: 22.900; 2022: 30.800). In Bremen wurde demnach von 2021 bis zum Jahr 2023 ein Anstieg um 51 Prozent auf 15.426 Verfahren (2021: 10.241) registriert. Sachsen folgt mit einem Anstieg um 39 Prozent von 29.915 auf 41.474 offene Fälle. Dicht dahinter liegt Thüringen mit 34 Prozent bei 28.322 unerledigten Verfahren. In Berlin gab es dagegen lediglich einen Zuwachs von 6 Prozent in den vergangenen zwei Jahren. Die Hauptstadt meldete demnach 36.840 offene Fälle zum Jahresende 2023. Als einziges Bundesland verzeichnet Sachsen-Anhalt einen Rückgang der offenen Verfahren seit 2021. Ende 2023 gab es dort nach den Angaben 20.351 unbearbeitete Fälle, zwei Jahre zuvor waren es 22.111. Grund dafür sei jedoch ein Sondereffekt, hieß es: Im vergangenen Jahr sei dort ein Ermittlungskomplex mit Tausenden Betrugsfällen abgeschlossen worden.  Richterbund beklagt "personell ausgezehrte Strafjustiz" Bundesweit haben die Staatsanwaltschaften laut Richterbund im vergangenen Jahr rund 5,4 Millionen neue Fälle auf den Tisch bekommen - so viele wie noch nie. Zwei Jahre zuvor habe es noch etwa 4,7 Millionen Neuzugänge gegeben. Der Bundesgeschäftsführer des Richterbundes, Sven Rebehn, sieht unter anderem eine Zunahme von Verfahren wegen Hass und Hetze im Netz als einen Grund für die Entwicklung. Zudem gebe es vermehrte Straftaten nach dem Aufenthaltsgesetz und mehr Fälle im Bereich der Kinderpornografie. "Eine personell ausgezehrte Strafjustiz kann mit der Entwicklung immer schlechter Schritt halten", sagte Rebehn der Nachrichtenagentur dpa.
/inland/gesellschaft/strafverfahren-justiz-100.html
2024-04-28
Irak stellt homosexuelle Beziehungen unter Strafe
Gesetzesänderung
Homosexualität ist im Irak ein Tabu, doch bisher gab es kein Gesetz dagegen. Nun wurde eine Änderung verabschiedet, die gleichgeschlechtliche Beziehungen unter Strafe stellt. Bis zu 15 Jahre Haft sind möglich.
Homosexualität ist im Irak ein Tabu, doch bisher gab es kein Gesetz dagegen. Nun wurde eine Änderung verabschiedet, die gleichgeschlechtliche Beziehungen unter Strafe stellt. Bis zu 15 Jahre Haft sind möglich. Das irakische Parlament hat ein Gesetz zu homosexuellen Beziehungen verabschiedet, das Haftstrafen von bis zu 15 Jahren vorsieht. Die Abgeordneten stimmten für eine Verschärfung des Anti-Prostitutionsgesetzes aus dem Jahr 1988. In einem früheren Gesetzentwurf war sogar die Todesstrafe vorgeschlagen worden. Transgender können den neuen Regelungen zufolge mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden. Homosexualität ist im Irak ein Tabu, doch bisher gab es kein Gesetz, das gleichgeschlechtliche Beziehungen ausdrücklich unter Strafe stellte. Homosexuelle und Transgender sind im Irak jedoch häufig Angriffen und Diskriminierung ausgesetzt. "Menschenrechtsverletzungen gesetzlich legitimiert" Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg (Grüne), verurteilte die vom irakischen Parlament beschlossene Gesetzesverschärfung. "Sollte das Gesetz in Kraft treten, würden schwere Menschenrechtsverletzungen gesetzlich legitimiert", erklärte Amtsberg. "Die im Gesetz vorgesehenen Strafen gefährden die ohnehin vulnerabelsten Gruppen innerhalb der irakischen Gesellschaft." Auch vom US-Außenministerium kam scharfe Kritik an der Verschärfung. Demnach gefährde das Gesetz die Menschenrechte. "Dieses neue Gesetz bedroht diejenigen, die in der irakischen Gesellschaft am meisten gefährdet sind. Es kann dazu verwendet werden, die freie Meinungsäußerung zu unterdrücken und die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen im gesamten Land einzuschränken", hieß es in einer Erklärung des Ministeriums. Menschenrechtsaktivisten nannten das Gesetz den jüngsten Angriff auf die LGBT-Gemeinschaft im Irak.
/ausland/asien/irak-haftstrafe-homosexualitaet-100.html
2024-04-27
++ Kiews Militärführung spricht von schwieriger Lage ++
Krieg gegen die Ukraine
Die Situation an der Front habe die Tendenz, sich zu verschlechtern, so Ukraines Oberbefehlshaber Syrskyj. NATO-Generalsekretär Stoltenberg lobt im ARD-Interview das deutsche Engagement in der Ukraine. Die Entwicklungen vom Samstag zum Nachlesen.
Die Situation an der Front habe die Tendenz, sich zu verschlechtern, so Ukraines Oberbefehlshaber Syrskyj. NATO-Generalsekretär Stoltenberg lobt im ARD-Interview das deutsche Engagement in der Ukraine. Die Entwicklungen vom Samstag zum Nachlesen. Ukrainischer Kommandeur: Lage an Front schwierigUkrainischer Minister spricht von Angriffen auf EnergieinfrastrukturStoltenberg verteidigt Waffenlieferungen Ende des Liveblogs Damit beenden wir den Liveblog für heute. Vielen Dank für Ihr Interesse. Selenskyj beklagt russische Angriffe auf Gas-Transitnetz Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat russische Angriffe auf das Gas-Transitsystem des Landes beklagt. Es seien Objekte angegriffen worden, über die Gas durch die Ukraine in die Europäische Union geleitet werde, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft. Ungeachtet des seit mehr als zwei Jahren andauernden russischen Angriffskriegs fließt weiter russisches Gas durch das Land - wenn auch in viel geringeren Mengen. Zuvor hatte auch der staatliche Gaskonzern Naftogaz russische Attacken gegen das Durchleitungsnetz beklagt, ohne Details zu nennen. Das Unternehmen hatte zuletzt mitgeteilt, von 2025 an - die aktuellen Verträge mit dem russischen Staatskonzern Gazprom laufen zum Jahresende aus - kein russisches Gas mehr in Richtung Westen durchzuleiten. Empfänger sind vor allem Länder ohne Zugang zum Meer, die nicht auf Flüssigerdgas (LNG) umstellen können. Russland hatte in der Nacht die Ukraine erneut mit Raketenangriffen überzogen und dabei vor allem Energieanlagen ins Visier genommen. Vier Wärmekraftwerke wurden beschädigt, wie das Energieunternehmen DTEK mitteilte. Social-Media-Beitrag auf X von Volodymyr Zelenskyy / Володимир Зеленський: "Today’s Russian missile attack targeted Ukraine’s energy system and its various facilities, including the power grid and the gas transit system, particularly the gas infrastructure that ensures the security of deliveries to the EU.It is critical that such strikes do not become… pic.twitter.com/I6IYjJq8ha" Russland: 35 Langstrecken-Angriffe binnen einer Woche Russland hat nach eigenen Angaben seit Samstag vor einer Woche 35-mal ukrainische Einrichtungen der Energieversorgung, der Bahn und der Luftverteidigung sowie Munitionslager angegriffen. Die Angriffe vom 20. bis 27. April seien mit Langstreckenwaffen von Land und von See ausgeführt worden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Es bezeichnete die Angriffe als Vergeltung für ukrainische Drohnenangriffe auf russische Ölraffinierien und andere Einrichtungen der Energieversorgung. Scholz verteidigt "Taurus"-Linie Zum Auftakt des Europawahlkampfs der SPD hat Bundeskanzler Olaf Scholz seinen "Kurs der Besonnenheit" im Ukraine-Krieg verteidigt. "Ich wundere mich, wenn einige sagen, besonnene Politik ist nicht richtig", so der Kanzler bei einer Großkundgebung in seiner Heimatstadt Hamburg. "Wir machen das Meiste, aber wir machen es klug abgewogen, zum richtigen Zeitpunkt und mit aller Konsequenz." Scholz sage, dass Deutschland unter seiner Führung als - wie es von ihm hieß - größter Waffenlieferant weiter an der Seite der Ukraine stehen, aber eine direkte Konfrontation der NATO mit Russland vermeiden werde. "Denjenigen, die sich Sorgen machen, die Angst haben, denen sage ich: Sie können sich darauf verlassen, dass egal, wie die Debatten jeweils laufen, der deutsche Bundeskanzler, die von mir geführte Regierung, den Kurs der Besonnenheit, den Kurs, abgewogen zu handeln und Frieden und Sicherheit in Europa zu gewährleisten, nicht verlassen werden." Russland verlängert Umtauschpflicht für Exportfirmen Zur Stützung des Rubels sollen Russlands wichtigste Exportunternehmen ihre Einnahmen in Devisen weiterhin weitgehend in die Landeswährung umtauschen müssen. Die Regelung, die für 43 große russische Unternehmen im Bereich Rohstoffe gilt, sei bis April 2025 verlängert worden, teilte die Regierung in Moskau mit. Sie müssen demnach mindestens 80 Prozent ihrer Einnahmen in ausländischen Devisen in Rubel eintauschen. Statt bislang 90 Tage bekommen sie dafür nun aber 120 Tage Zeit. "Diese Entscheidung wird dazu beitragen, die Wechselkurs-Stabilität und die Widerstandskraft des russischen Finanzmarkts zu erhalten", begründete die Regierung die Maßnahme. Diese war im Februar 2022 eingeführt worden. Kurz zuvor hatte der Westen wegen der russischen Offensive in der Ukraine russische Devisenreserven in Höhe von fast 300 Milliarden US-Dollar (280 Milliarden Euro) eingefroren und Russland aus dem internationalen Bankensystem Swift ausgeschlossen. Rasmussen: Unverständnis der USA über deutsche "Taurus"-Linie In den USA herrscht nach Angaben des früheren NATO-Generalsekretärs Anders Fogh Rasmussen Unverständnis darüber, dass die Bundesregierung weiterhin eine Lieferung von "Taurus"-Marschflugkörpern an die Ukraine ablehnt. "Weder in der US-Regierung noch in republikanischen Kreisen gibt es Verständnis dafür, dass Deutschland weiter die Lieferung von 'Taurus' verweigert", sagte Fogh Rasmussen der "Welt am Sonntag". Der Däne sondiert demnach derzeit in Washington im Auftrag des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj Pläne für eine neue Sicherheitsstrategie. Diese solle Mitte Mai vorgestellt werden. Strack-Zimmermann kritisiert NATO-Entscheidung Die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, hat das Vorgehen der NATO unmittelbar nach der russischen Invasion der Ukraine kritisiert. "Es war ein Fehler der NATO, von Beginn des russischen Angriffs an den Wunsch der Ukrainer, eine No-Fly-Zone über der Ukraine einzurichten, abzulehnen", sagte Strack-Zimmermann auf dem FDP-Bundesparteitag in Berlin. Die NATO hatte sich zu Beginn des Krieges im Februar 2022 verweigert, den ukrainischen Luftraum zu sichern, weil damit eine direkte Konfrontation des transatlantischen Bündnisses mit Russland gedroht hätte. Strack-Zimmermann indes sagte, aktuell frage die ukrainische Führung die Verbündeten zu Recht, warum Israel gegen einen Luftangriff des Iran geschützt werden könne, das von Russlands Präsident Wladimir Putin aber täglich angegriffene Land nicht. Strack-Zimmermann kritisierte zudem: "Es ist ein Fehler, es immer wieder öffentlich zu betonen, was wir nicht bereit sind zu tun, weil wir für Putin komplett berechenbar geworden sind." Ukrainischer Kommandeur: Lage an Front schwierig Der ukrainische Oberkommandierende Olexander Syrskyj hat die operativ-strategische Lage an der Front im Kampf gegen den russischen Angriffskrieg als schwierig bezeichnet. Die Situation habe die Tendenz, sich zu verschlechtern, teilte der Befehlshaber im Nachrichtenkanal Telegram mit. Darüber habe er mit anderen Teilnehmern Kiews beim virtuellen Treffen der US-geführten Ukraine-Kontaktgruppe am Vortag die westlichen Verbündeten unterrichtet. Syrskyj informierte demnach auch über die Vielzahl an russischen Luftschlägen gegen die Energieinfrastruktur des Landes. Die Ukraine brauche für ihre Verteidigung dringend und zeitnah Raketen, Munition, militärische Ausrüstung und Kampftechnik. Dabei dankte er einmal mehr auch den USA für ihre Hilfe. Derweil berichteten die russischen Streitkräfte, dass sie nach der Einnahme einzelner Ortschaften im Gebiet Donezk nun tief in die Verteidigung der ukrainischen Armee eingedrungen seien. Die Angaben waren nicht überprüfbar. Allerdings hatten auch westliche Militärexperten den russischen Truppen zuletzt einzelne taktische Erfolge bescheinigt. Weitere U-Haft nach Moskauer Anschlag angeordnet In Zusammenhang mit dem tödlichen Anschlag auf eine Moskauer Konzerthalle hat ein Gericht in der russischen Hauptstadt Untersuchungshaft gegen einen weiteren Verdächtigen angeordnet. Der Tadschike solle bis 22. Mai im Gefängnis bleiben, teilte das Stadtgericht über die App Telegram mit. Ihm werde vorgeworfen, die mutmaßlichen Haupttäter mit Kommunikationsmitteln und Geld versorgt zu haben. Die staatliche Nachrichtenagentur Ria Nowosti meldete, der Verdächtige sei wohl am 11. April festgenommen worden. Die Behörden hätten ihn dann für 15 Tage unter dem Vorwurf des Rowdytums festgehalten. Das unabhängige Medienportal Mediasona schrieb, dies sei die übliche Praxis russischer Sicherheitskräfte, jemanden festzuhalten, während eine Strafanklage gegen ihn vorbereitet wird. Zu dem Anschlag bekannte sich ein Ableger der Terrorgruppe Islamischer Staat. Die russische Führung bis hinauf zu Präsident Wladimir Putin hat aber wiederholt behauptet, die Ukraine und der Westen hätten bei dem Anschlag eine Rolle gespielt. Beweise legten sie nicht vor. Die Ukraine weist die Vorwürfe zurück. Scholz schließt "Taurus"-Lieferung weiterhin aus Auf einer SPD-Veranstaltung in Lüneburg hat Bundeskanzler Olaf Scholz die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine weiterhin ausgeschlossen. Das Waffensystem sei so effektiv und präzise, dass man "direkt ein Wohnzimmer ansteuern" könne, so Scholz. "Das ist nur verantwortlich, wenn wir die Kontrolle über die Zielsteuerung behalten", betonte der SPD-Politiker. "Wenn wir das täten, wären wir beteiligt an dem Krieg." Scholz verwies darauf, dass Deutschland auch ohne eine "Taurus"-Lieferung der größte europäische Waffenlieferant der Ukraine sei. Lindner: Ukraine als erste Verteidigungslinie gegen Putin Beim Bundesparteitag der FDP in Berlin machte Vorsitzender Christian Linder deutlich, dass der Abwehrkampf der Ukraine gegen Russland auch im deutschen Interesse liege. Die Ukraine sei Deutschlands erste Verteidigungslinie gegen Putin. Kremlchef Wladimir Putin habe die Ukraine angegriffen - "er meint aber uns alle und unsere Lebensweise", so Lindner. Stoltenberg verteidigt Waffenlieferungen NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat sich im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio zuversichtlich gezeigt, dass die Ukraine den russischen Angriff noch abwehren kann. Er verwies auf neue milliardenschwere Hilfen aus den USA, auf zusätzliche Unterstützung aus Europa und auf die Standhaftigkeit der ukrainischen Verteidiger. "Wir haben die Tapferkeit und den Mut der ukrainischen Streitkräfte gesehen", so Stoltenberg. Zu Beginn des Kriegs hätten die meisten Fachleute damit gerechnet, dass die russischen Invasoren die Ukraine innerhalb von Wochen besiegen würden. Doch die Verteidiger hätten einen Großteil der Gebiete zurückerobert, die Russland zeitweise besetzt hatte. "Was sie jetzt brauchen, ist mehr Hilfe von uns - und dann werden sie in der Lage sein, sich zu behaupten."Befürchtungen, durch die Militärhilfen für die Ukraine könnten NATO-Länder wie Deutschland in den Konflikt hineingezogen werden, entgegnete Stoltenberg, Russland führe einen Angriffskrieg. Die Ukraine habe das Recht, sich zu verteidigen - und die westlichen Verbündeten, das attackierte Land zu unterstützen. "Keine Option ist ohne Risiko, wenn man einen Nachbarn wie Russland hat", der bereit sei, zur Erreichung seiner Ziele militärische Gewalt anzuwenden und ein anderes Land zu überfallen. Das größte Risiko erkenne er darin, das russische Regime gewähren zu lassen, weil sich Moskau in diesem Fall in seiner aggressiven Politik bestätigt sehen würde.Das Engagement Deutschlands für die Ukraine lobte Stoltenberg ausdrücklich. "Deutschland ist der europäische Verbündete, der der Ukraine die meiste militärische Unterstützung zukommen lässt." Als Beispiele nannte er Kampfpanzer, Luftverteidigungssysteme, Artillerie und Munition. "Deutschland geht mit gutem Beispiel voran", findet der NATO-Generalsekretär. In die Diskussion über eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern aus Deutschland an die Ukraine mische er sich nicht ein. Er wolle einzelnen Verbündeten keine öffentlichen Ratschläge erteilen, sagte Stoltenberg. Offenbar Hausarrest für russischen "Forbes"-Journalisten In Russland ist ein Journalist der russischen Ausgabe des Magazins "Forbes" unter Hausarrest gestellt worden. Das habe ein Gericht angeordnet, meldete die staatliche Nachrichtenagentur RIA. Der Journalist Sergej Mingasow war nach Angaben seines Magazins am Freitag festgenommen worden. Ihm wird demnach vorgeworfen, "Fake News" über die russische Armee verbreitet zu haben. Bericht: Ukraine will mehr als 800 weitere deutsche Aufklärungsdrohnen Die Ukraine hat nach Informationen des "Spiegel" beim Sonderstab Ukraine des Bundesverteidigungsministeriums weitere 812 Aufklärungsdrohnen angefragt. Demnach geht es dabei um Vector-Drohnen des deutschen Herstellers Quantum Systems aus München. Mittlerweile seien bereits 212 davon ins Kriegsgebiet geliefert worden. Von ihnen seien rund 70 Prozent noch im Einsatz, etwa ein Drittel sei verloren, sagte Quantum-Mitgründer Florian Seibel dem Spiegel. Erst in der vergangenen Woche hatte Quantum Systems im Beisein von Wirtschaftsminister Robert Habeck in der Ukraine eine zweite Niederlassung eröffnet, in der beschädigte Drohnen repariert und neue hergestellt werden sollen.  Ukrainisches Militär: 21 von 34 Raketen abgeschossen Die ukrainische Luftwaffe hat nach eigenen Angaben in der Nacht 21 von 34 von Russland abgefeuerte Raketen abgeschossen, wie Kommandeur Mykola Oleschuk mitteilte. Minister spricht von Angriffen auf Energieinfrastruktur Russland hat nach ukrainischen Angaben die Energieinfrastruktur in drei Regionen angegriffen und dabei Anlagen beschädigt. Mindestens ein Mensch wurde zudem verletzt, wie Energieminister Herman Halutschenko auf Telegram mitteilte. Demnach seien die Angriffe auf die Region Dnipropetrowsk in der Zentralukraine und die westlichen Regionen Lviv und Iwano-Frankiwsk gerichtet gewesen. Gouverneur: Drohnenangriff auf russisches Gebiet Krasnodar abgewehrt Nach Angaben des Gouverneurs von Krasnodar hat Russlands Flugabwehr in der Nacht zum Samstag einen ukrainischen Drohnenangriff über dem südrussischen Gebiet abgewehrt. Vorläufigen Informationen zufolge seien mehr als zehn Drohnen in verschiedenen Bezirken abgefangen worden, teilte Weniamin Kondratjew in seinem Telegram-Kanal mit. Die Drohnen hätten demnach auf Ölraffinerien und Infrastruktureinrichtungen gezielt. Es habe weder Verletzte noch schwere Schäden gegeben, so der Gouverneur weiter. Einsatzkräfte seien dabei, Brände zu löschen, die von abstürzenden Trümmerteilen entfacht worden seien. Heusgen: Scholz' Nein zu "Taurus" immer unverständlicher Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, hat Bundeskanzler Olaf Scholz angesichts der US-Lieferung von ATACMS-Raketen an die Ukraine aufgefordert, sein Nein zur Abgabe von "Taurus"-Marschflugkörpern zu überdenken. "In dem Zusammenhang wird die Entscheidung des Kanzlers, die 'Taurus'-Raketen nicht an die Ukraine zu liefern, immer unverständlicher", sagte Heusgen den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. "Wir erleben ja gerade, wie ähnliche US-Waffen - die ATACMS - große Wirkung entfalten." Es hätte längst mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten an dem 'Taurus'-System begonnen werden können, um es ohne Entsendung von Bundeswehrsoldaten zum Einsatz zu bringen, sagte Heusgen weiter. Stattdessen werde eine "gefühlte Ewigkeit" mit einer solchen Entscheidung gewartet. Russischer Vize-Verteidigungsminister geht offenbar in Berufung Einem Bericht der russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge legen die Anwälte des stellvertretenden russischen Verteidigungsministers Timur Iwanow Berufung gegen eine gegen ihn angeordnete Untersuchungshaft ein. Ein russisches Gericht hatte am Mittwoch entschieden, dass Iwanow für zwei Monate in Untersuchungshaft muss, weil er verdächtigt wird, Bestechungsgelder angenommen zu haben. Russischen Medienberichten zufolge drohen dem 48-jährigen Iwanow bis zu 15 Jahre Haft. Der Liveblog vom Freitag zum Nachlesen Die USA haben ein neues milliardenschweres Militärhilfepaket für die Ukraine zugesagt. Wegen befürchteter russischer Angriffe lässt Kiew zwei Krankenhäuser evakuieren. Alle Entwicklungen vom Freitag zum Nachlesen.
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2024-04-27
++ Erneut Großdemo gegen Netanyahu in Tel Aviv ++
Nahost-Krieg
Tausende Menschen haben in Tel Aviv erneut die Freilassung der verbliebenen Geiseln gefordert und die Regierung kritisiert. Laut BBC gibt es in Großbritannien Überlegungen, Soldaten als Helfer einzusetzen. Die Entwicklungen vom Samstag zum Nachlesen.
Tausende Menschen haben in Tel Aviv erneut die Freilassung der verbliebenen Geiseln gefordert und die Regierung kritisiert. Laut BBC gibt es in Großbritannien Überlegungen, Soldaten als Helfer einzusetzen. Die Entwicklungen vom Samstag zum Nachlesen. Hamas veröffentlicht neues GeiselvideoIGH will am Dienstag über Nicaraguas Klage gegen Deutschland entscheidenPalästinenser nach Angriff auf israelische Soldaten getötet Ende des Liveblogs Damit beenden wir den Liveblog für heute. Vielen Dank für Ihr Interesse. Regierungskritischer Protest in Tel Aviv Tausende Menschen haben sich in Tel Aviv versammelt, um die Freilassung der verbliebenen Geiseln zu fordern und Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sowie seine Regierung zu kritisieren. Gefordert wurde auch der Rücktritt des israelischen Regierungschefs. Die Demonstranten wandten sich gegen die Art und Weise, wie die israelische Regierung den Krieg gegen die militant-islamistische Hamas führt und dass die Geiseln nach mehr als 200 Tagen seit Ausbruch des Krieges immer noch in Gefangenschaft sind. Nach Angaben Israels werden immer noch etwa 100 Geiseln festgehalten. Nach Angaben des von der militant-islamistischen Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums im Gazastreifen wurden bei der israelischen Offensive mehr als 34.000 Palästinenser getötet, etwa zwei Drittel davon Kinder und Frauen. Drohnenabsturz im Jemen Im Jemen ist eine US-Militärdrohne abgestürzt. Es handelte sich um eine Drohne des Typs MQ-9, wie ein Beamter des US-Verteidigungsministeriums der Nachrichtenagentur dpa bestätigte. Der Vorfall ereignete sich demnach am frühen Freitagmorgen (Ortszeit). Eine Untersuchung sei im Gange und es gebe keine Informationen über Verletzte. Nach Angaben des US-Kongresses beläuft sich der Gegenwert einer MQ-9-Drohne auf rund 30 Millionen US-Dollar (etwa 28 Millionen Euro). Die militant-islamistische Huthi-Miliz im Jemen gab US-Medienberichten zufolge an, die Drohne abgeschossen zu haben. Es wäre der dritte erfolgreiche Angriff dieser Art - bereits im November und im Februar hatten die Huthi jeweils eine US-Militärdrohne des Typs MQ-9 abgeschossen. Die vom Iran unterstützte Miliz agiert nach eigenen Angaben aus Solidarität mit der Hamas. Hisbollah: Kampfdrohnen und Lenkraketen auf Israel abgefeuert Die libanesische Hisbollah-Miliz hat eigenen Angaben zufolge, auf die sich die Nachrichtenagentur AFP bezieht, den Norden Israels mit Drohnen und Lenkraketen attackiert. Die pro-iranische Miliz teilte mit, sie habe einen "komplexen Angriff gestartet" und dabei Kampfdrohnen und Lenkgeschosse eingesetzt. Der Angriff habe sich gegen das Hauptquartier des Al-Manara-Militärkommandos und eine Versammlung von Mitgliedern des 51. Bataillons der Golani-Brigade gerichtet. Zuvor hatte die Hisbollah mitgeteilt, zwei ihrer Kämpfer aus den Dörfern Kafr Kila und Chiam seien "auf der Straße nach Jerusalem zu Märtyrern geworden". So bezeichnet die Miliz Mitglieder, die durch Angriffe der israelischen Armee getötet werden.  Zudem wurde ein Zivilist in der Stadt Kafr Schuba getötet, wie die amtliche libanesische Nachrichtenagentur NNA meldete. Demnach hatte die israelische Armee am frühen Morgen zwei Luftangriffe auf die Städte Kafr Schuba und Schebaa geflogen. Israels Armee: Mehr Hilfe erreicht den Gazastreifen Nach Angaben der israelischen Armee gelangt inzwischen mehr humanitäre Hilfe in den Gazastreifen. Die Zahl der in das Küstengebiet einfahrenden Laster sei in den vergangenen Wochen deutlich erhöht worden, sagte ein Armeesprecher. An einigen Tagen in der vergangenen Woche seien mehr als 400 Lastwagen täglich angekommen. Israel steht international massiv unter Druck, mehr Hilfslieferungen in das abgeriegelte Gebiet am Mittelmeer zu lassen, in dem das israelische Militär seit Oktober gegen die islamistische Hamas kämpft. Die Vereinten Nationen bestätigten zuletzt eine Zunahme der ankommenden Lastwagen, fordern von Israel aber weitere Schritte, um mehr Hilfslieferungen zu ermöglichen. Die UN-Zahlen zu den in den Gazastreifen gelangenden Lastern sind zudem häufig deutlich geringer als die von Israel veröffentlichten Zahlen. Für die Woche bis einschließlich 18. April etwa sind dem UN-Nothilfebüro zufolge im Schnitt nur 175 Laster pro Tag angekommen. Ein UN-Vertreter hatte zudem im März erklärt, es reiche nicht, die Lastwagen zu zählen, die die Grenze überquerten. Ein Problem sei auch die Verteilung der Güter in dem Kriegsgebiet. Huthi melden Abschuss von US-Drohne Die Huthi-Rebellen im Jemen haben offenbar eine weitere US-Drohne vom Typ "MQ-9 Reaper" abgeschossen. Das unbemannte Flugzeug sei bereits am Donnerstag mit einer Boden-Luft-Rakete vom Himmel über der Provinz Saada geholt worden, teilten die vom Iran unterstützten Huthi heute mit. Bilder zeigten Nahaufnahmen von Einzelteilen, die zu einer "Reaper"-Drohne gehören könnten, unter anderem ein Logo des Herstellers General Atomics und Seriennummern bekannter Bauteile. Das US-Militär bestätigte der Nachrichtenagentur AP, dass eine "'MQ-9'-Drohne der US-Luftwaffe im Jemen abgestürzt" sei. Der Vorfall werde noch untersucht. Israels Außenminister: Bei Geisel-Deal vorerst kein Rafah-Einsatz Israel würde nach Angaben von Außenminister Israel Katz einen Angriff auf die Stadt Rafah im Falle einer Freilassung der von der Terrororganisation Hamas festgehaltenen Geiseln aufschieben. "Die Freilassung der Geiseln hat die höchste Priorität für uns", sagt Katz dem Fernsehsender Channel 12. Auf die Frage, ob das auch einen Aufschub des angekündigten Militäreinsatzes in der Stadt im Süden des Gazastreifens umfasse, antwortet Katz: "Ja." Er fügt hinzu: "Wenn es ein Abkommen gibt, werden wir die Operation aussetzen." Hamas veröffentlicht neues Geiselvideo Die islamistische Terrorgruppe Hamas hat erneut ein Geiselvideo veröffentlicht. Darin sprechen sich zwei aus Israel entführte Männer für einen Deal zwischen der Hamas und der israelischen Regierung aus, der die Freilassung der Geiseln vorsieht. Die Aufnahme ist nicht datiert. Einer der Männer sagte darin, dass er sich seit 202 Tagen in Gefangenschaft befinde - heute waren seit der Entführung am 7. Oktober 204 Tage vergangen. Der Mann bedauerte demnach, in diesem Jahr nicht mit seiner Familie Pessach feiern zu können. Unter welchen Umständen das Video entstanden ist und ob die beiden Männer aus freien Stücken oder unter Druck und Drohungen sprachen, ist noch unklar. Die zweite Geisel - ein Mann, der israelischen Medien zufolge auch die US-Staatsbürgerschaft besitzt - rief in dem Video dazu auf, die Demonstrationen für die Freilassung der aus Israel Verschleppten in den Städten Tel Aviv und Jerusalem fortzuführen. Für heute Abend sind wieder derartige Kundgebungen in Israel geplant. Die Hamas hatte bereits mehrfach Aufnahmen der aus Israel verschleppten Menschen gezeigt. Diese Art von Videos werden von Israel als Psychoterror gegen die Angehörigen eingestuft.     Medienberichte zu möglichem britischen Hilfseinsatz von Soldaten Die britische Regierung erwägt Berichten zufolge einen Einsatz von Soldaten, um Hilfsgüter an dem von den USA errichteten temporären Hafen in Gaza an Land zu bringen. Das berichteten unter anderem die BBC und der Nachrichtensender Sky News. Die schwimmende Hafenmole soll nächsten Monat in Betrieb genommen werden, um zusätzliche Hilfsgüter in den Küstenstreifen zu bringen. Die Regierung in Washington hat klargemacht, dass keine US-Soldaten in Gaza an Land gehen werden. Stattdessen sollten "Dritte" die Lastwagen mit den Hilfsgütern von der Hafenmole bis zu einem sicheren Verteilzentrum am Strand fahren, hieß es in dem BBC-Bericht. Laut Sky News und BBC könnten es sich dabei um britische Soldaten handeln. Die Regierung in London wollte die Berichte auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa nicht kommentieren. Die Angelegenheit sei bisher nicht auf dem Schreibtisch von Premierminister Rishi Sunak gelandet, hieß es aus Regierungskreisen lediglich. Irakischer Schiitenführer unterstützt Proteste an US-Unis Im Irak hat der einflussreiche Schiitenführer Moktada Sadr die pro-palästinensischen Proteste an Universitäten in den USA begrüßt. In einer Mitteilung forderte er ein Ende der Polizeiaktionen gegen die Demonstrierenden. "Wir fordern ein Ende des harten Durchgreifens gegen Stimmen, die für Frieden und Freiheit werben", so Sadr. Sadr hatte nach der US-Invasion im Irak 2003 und dem Sturz des Machthabers Saddam Hussein eine Miliz angeführt, die gegen US-Truppen kämpfte. Unter der schiitischen Bevölkerungsmehrheit verfügt er immer noch über treue Anhänger und übt weiter Einfluss auf die irakische Politik aus. Hamas-Behörde meldet 34.388 Tote Im Gazastreifen sind nach Angaben der dortigen von der militant-islamistischen Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde seit Beginn der israelischen Gegenoffensive mindestens 34.388 Menschen getötet worden. Mindestens 77.437 Palästinenserinnen und Palästinenser seien verletzt worden. Allein in den vergangenen 24 Stunden seien 32 Menschen getötet und 69 verletzt worden. Die Vereinten Nationen (UN) halten die Angaben der Behörde für realistisch. Die tatsächliche Zahl der Opfer dürfte noch höher sein, da viele Menschen vermisst werden und noch immer Tote unter den Trümmern zerstörter Gebäude liegen. Britische Truppen könnten bei Hilfslieferung nach Gaza helfen Laut einem BBC-Bericht sollen britische Truppen möglicherweise Hilfsgüter in den Gazastreifen bringen. Die britische Regierung erwäge, Soldaten als Lastkraftwagenfahrer einzusetzen, um Hilfsgüter von einer provisorischen Anlegestelle an Land zu bringen, berichtete die BBC und berief sich auf nicht genannte Quellen in der Regierung. Eine Entscheidung gebe es noch nicht. Der Vorschlag sei zudem noch nicht bei Premierminister Rishi Sunak angekommen. Das Verteidigungsministerium und die israelische Armee lehnten eine Stellungnahme ab. Britisches Schiff zur Unterstützung des Baus von Anlegestelle auf Weg zum Gazastreifen Ein Schiff der britischen Marine hat sich zur Unterstützung des Baus einer provisorischen Anlegestelle für Hilfslieferungen auf den Weg zum Gazastreifen gemacht. Die "Cardigan Bay", die vor Ort Hunderte Mitarbeiter der US-Armee beherbergen soll, legte in Zypern ab, wie eine britische Verteidigungsquelle mitteilte. Das US-Militär hat nach Angaben des Verteidigungsministeriums mit dem Bau der Anlegestelle begonnen, die ab Anfang Mai fertig sein soll. Der Bau wird demnach aus einer Offshore-Plattform für den Transfer von Hilfsgütern von größeren zu kleineren Schiffen bestehen sowie aus einer Anlegestelle, um sie an Land zu bringen. Die Hilfslieferungen werden zuvor in Zypern inspiziert und dann entweder über die provisorische Anlegestelle oder über den Hafen von Aschdod, dessen Öffnung Israel angekündigt hat, in das Gebiet gelangen.   Es sei von entscheidender Bedeutung, dass "wir mehr Routen für die lebenswichtige humanitäre Hilfe einrichten, damit die Menschen im Gazastreifen erreicht werden können", sagte der britische Verteidigungsminister Grant Shapps und fügte hinzu, Großbritannien werde "weiterhin eine führende Rolle bei der Bereitstellung von Unterstützung übernehmen".  Schuster: Juden fehlt nach Hamas-Anschlag "sicherer Hafen" Juden fehlt nach Einschätzung Josef Schusters seit dem Hamas-Anschlag auf Israel das Gefühl, einen sicheren Hafen zu haben. Zwar erlaube Israels Grundgesetz die Einwanderung aller Juden und das habe sich nicht geändert, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden im Deutschlandfunk. Aber das Sicherheitsgefühl sei verloren gegangen. Zugleich sei in Deutschland eine Zunahme von Antisemitismus zu spüren. Dieser geht Schuster zufolge seit dem 7. Oktober vermehrt insbesondere von Rechtsextremisten aus, teilweise auch von Linken. "Aber was jetzt deutlicher geworden ist, ist ein Antisemitismus von muslimischen Menschen, also Menschen mit arabisch- und türkischstämmigem Hintergrund." Das betreffe nicht alle. "Man darf nie verallgemeinern, auch das nicht, aber trotzdem deutlich mehr und zum Teil auch gewaltbereit." In Deutschland lebten rund 150.000 jüdische Menschen und fünfeinhalb Millionen Muslime, sagte Schuster. Wie andere habe er 2015 aufgrund der Einwanderung vieler geflüchteter Muslime Bedenken gehabt. "Fakt ist aber, dass wir in den Jahren 2015 bis jetzt eine Zunahme arabisch-stämmigen, muslimisch-stämmigen Antisemitismus' tatsächlich nicht beobachtet haben, entgegen meiner Befürchtung." In der derzeitigen aufgeheizten Stimmung habe sich dies jedoch verändert. Armee: Israel fliegt nach Beschuss Luftangriffe in Gaza und im Libanon Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben Luftangriffe gegen die militant-islamistische Hamas im Gazastreifen und die Hisbollah im Libanon geflogen. In Chan Yunis im Süden des Gazastreifens sei dabei in der Nacht eine Abschussrampe für Raketen zerstört worden, von der aus israelische Soldaten wiederholt beschossen worden seien. Im zentralen Teil des Küstenstreifens sei zudem ein Fahrzeug mit acht Hamas-Terroristen getroffen worden. Insgesamt wurden demnach seit dem Vortag 25 Ziele im ganzen Gazastreifen angegriffen. Weiter teilte die israelische Armee mit, im Südlibanon sei ein nicht weiter identifiziertes Mitglied der Hisbollah-Miliz in der Nähe des Ortes Kfarkela getötet worden. Sie veröffentlichte eine Luftaufnahme, wie ein Mann die Treppe zu einem Haus hinaufgeht, das kurz darauf von einer Rakete getroffen in einem Feuerball verschwindet. In dem Gebäude habe sich noch ein zweiter Terrorist aufgehalten. Weitere Angriffe wurden in der Gegend der Ortschaften Rihan sowie Kfar Schuba und Schebaa geflogen, wie die Armee weiter mitteilte. Artillerie habe zudem Ziele in der Region von Aalma al-Chaeb beschossen. Behörden und Hisbollah melden drei Tote bei israelischen Luftangriffen im Libanon Bei israelischen Luftangriffen im Süden des Libanon sind nach Angaben der Hisbollah-Miliz und der Behörden drei Menschen getötet worden. Bei den Bombardements in der Nacht seien zwei ihrer Kämpfer getötet worden, erklärte die pro-iranische Miliz. Die beiden Männer stammten demnach aus den Ortschaften Kafr Kila und Khiam, den Ort des Angriffs teilte die Miliz nicht mit.  Die Nationale Informationsbehörde erklärte, israelische Kampfflugzeuge hätten im Morgengrauen die Städte Kfar Tschuba und Tschebaa angegriffen und dabei einen Bürger in Kfar Tschuba getötet. Die Hisbollah teilte mit, sie habe "neue Stellungen feindlicher Soldaten" im Westen des nordisraelischen Ortes Schumira angegriffen. Blinken und Minister arabischer Staaten reisen zu Gaza-Treffen in Riad Zu Gesprächen über den Gaza-Krieg werden am Montag in Saudi-Arabien neben Bundesaußenministerin Annalena Baerbock auch US-Außenminister Antony Blinken sowie deren Amtskollegen aus arabischen Ländern erwartet. Ägyptens Außenminister Samih Schukri sei dafür bereits am Samstag nach Riad gereist, hieß es aus Kreisen des Flughafens in Kairo. Geplant sei zusammen mit Blinken und den weiteren Ministern ein Treffen zur "Lage in Gaza und der Palästinenserfrage", teilte sein Büro mit. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa sollen auch die Außenminister Saudi-Arabiens, Katars, Jordaniens und der Vereinigten Arabischen Emirate sowie deren Amtskollegen aus Großbritannien, Frankreich und Italien teilnehmen. Eine offizielle Bestätigung aus Riad, wo am Sonntag und Montag ein internationales Wirtschaftsforum geplant ist, gab es bisher nicht. Aus Diplomatenkreisen hieß es aber, die arabischen Teilnehmer wollten bei einem gemeinsamen Treffen vorab eine "vereinte arabische Haltung" in der Frage finden und sich dabei auch mit einem Vertreter der Palästinensischen Autonomiebehörde beraten. Israel befürchtet Antisemitismus beim ESC in Malmö Israels Titel für den Eurovision Song Contest (ESC) Anfang Mai im schwedischen Malmö trägt den Titel "Hurricane" - und einem "Hurrikan von möglichem Antisemitismus" sehen sich laut "Jerusalem Post" die Mitwirkenden gegenüber. Malmö gelte als eine der antisemitischsten Städte der Welt und die dortige jüdische Minderheit erlebe vor allem seit dem 7. Oktober starke Anfeindungen seitens des großen muslimischen Bevölkerungsteils, hieß es in einer Reportage des kommerziellen TV-Senders "Keshet 12". Die israelische Song-Delegation, zu der auch Tänzer, Musiker und Stylisten gehören, seien vom israelischen Sicherheitsdienst Shin Beth angewiesen worden, ihre Hotelzimmer in Malmö nur zu ihren Auftritten zu verlassen, schrieb die "Times of Israel". Zudem habe die schwedische Polizei israelischen Musikfans untersagt, ihre Künstler mit blau-weißen Landesfahnen anzufeuern; in der Nähe des Veranstaltungsortes seien Demonstrationen verboten. Israels Sicherheitsminister Ben Gvir bei Autounfall leicht verletzt Israels rechtsextremer Sicherheitsminister Itamar Ben Gvir hat bei einem Autounfall leichte Verletzungen davongetragen. Insgesamt vier Menschen seien bei dem Unfall am Freitagabend "leicht" verletzt worden, teilte die Polizei mit. Der Minister blieb ärztlichen Angaben zufolge am Freitagabend unter Beobachtung im Krankenhaus. Der Unfall ereignete sich, als Ben Gvir von einer Ansprache in Ramla in der Nähe von Tel Aviv zurückkehrte. Ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP habe zwei beschädigte Autos am Unfallort gesehen, von denen sich eines überschlagen hätte. Eine dunkle Limousine lag auf dem Dach auf einem Fußgängerübergang, daneben ein weißes Autos mit stark beschädigter Motorhaube. Im Ramla, wo Ben Gvirs die Ansprache hielt, war zuvor eine junge Frau angegriffen und verletzt worden. Der Angreifer wurde getötet. Tote bei neuer Gewalt im Westjordanland Israelische Soldaten haben nach Angaben des Militärs zwei Palästinenser im Westjordanland erschossen. Die getöteten Männer hätten zuvor das Feuer auf die Soldaten eröffnet, teilte das Militär mit. Die Terrororganisation Islamischer Dschihad bestätigte, dass einige ihrer Mitglieder aus Dschenin den Kontrollposten angegriffen hätten und getötet worden seien. Laut den palästinensischen Gesundheitsbehörden wurden zudem zwei weitere Männer verletzt. Seit Beginn des Krieges im Gazastreifen hat die Gewalt auch im Westjordanland zugenommen. Hamas: Prüfen israelischen Vorschlag für Feuerpause Die militant-islamistische Hamas prüft nach eigenen Angaben einen israelischen Vorschlag für eine Feuerpause im Gazastreifen und die Freilassung von Geiseln. Es handele sich um einen Gegenvorschlag Israels auf Forderungen der radikal-islamistischen Palästinenserorganisation, hieß es von der Hamas in einer kurzen Erklärung. Sie werde nach der Prüfung des Vorschlags eine Antwort vorlegen. Die Hamas hatte vor zwei Wochen unter anderem eine "dauerhafte Waffenruhe" gefordert, was Israel ablehnt. Am Freitag traf eine Delegation des Vermitterlandes Ägypten in Israel ein, um die ins Stocken geratenen Verhandlungen wieder in Gang zu bringen, wie israelische und ägyptische Medien berichteten. US-Militär: Huthis feuerten Raketen auf zwei Schiffe im Roten Meer ab Das US-Militär hat über die Plattform X bestätigt, dass die jemenitische Huthi-Miliz drei ballistische Anti-Schiff-Raketen vom Jemen aus auf zwei Schiffe im Roten Meer abgefeuert hat. Eines der Schiffe ist der britische Öltanker "Andromeda Star", der dem US-Militär zufolge leicht beschädigt wurde. Bei dem zweiten Schiff handelt es sich laut US-Angaben um die "MV Maisha", die jedoch nicht beschädigt wurde. UN unterbrechen und beenden Ermittlungen gegen fünf UNRWA-Mitarbeiter Bei der Untersuchung israelischer Anschuldigungen einer Beteiligung von 19 Mitarbeitern des UN-Palästinenserhilfswerks (UNRWA) am Hamas-Großangriff auf Israel haben die Vereinten Nationen die Ermittlungen in fünf Fällen eingestellt oder ausgesetzt. Bei den ursprünglich zwölf Verdächtigen seien die Ermittlungen in einem Fall eingestellt worden, sagte UN-Sprecher Stephane Dujarric. Israel habe keine Beweise zur Belegung der Anschuldigungen gegen den Mitarbeiter vorgelegt. Die Ermittlungen gegen drei weitere Mitarbeiter seien ausgesetzt worden, da die von Israel vorgelegten Informationen nicht ausreichend seien. Israel hatte die Vorwürfe gegen die zwölf Menschen im Januar erhoben, daraufhin wurden ihre Verträge der Mitarbeiter gekündigt. Berichte: Israel gibt vor Rafah-Angriff Geisel-Deal "letzte Chance" Israel sieht die jüngsten Bemühungen um eine Feuerpause und einen Geisel-Deal im Gaza-Krieg Medienberichten zufolge als "letzte Chance" vor dem geplanten Angriff auf die Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens. Die am Freitag in Tel Aviv erfolgten Gespräche zwischen ägyptischen und israelischen Vertretern seien nach Angaben eines ranghohen israelischen Beamten "sehr gut" und konzentriert verlaufen. Die Ägypter seien offenbar bereit, die radikal-islamistische Hamas unter Druck zu setzen, um eine Einigung zu erzielen. Es seien bei den Gesprächen in allen Bereichen Fortschritte erzielt worden, zitierte die "Times of Israel" am späten Abend entsprechende Berichte. Zuvor hatte auch der staatsnahe ägyptische Fernsehsender Al-Kahira News von erheblichen Fortschritten berichtet.  Israel werde nicht zulassen, dass die Hamas, insbesondere ihr Anführer im Gazastreifen, Jihia al-Sinwar, einen Geisel-Deal hinauszögert, um die geplante Militäroffensive in Rafah zu verhindern, wurde der israelische Beamte zitiert. Die Armee hatte vor wenigen Tagen zwei weitere Reservebrigaden mobilisiert. Gericht entscheidet am Dienstag über Nicaragua-Klage gegen Deutschland Der Internationale Gerichtshof (IGH) wird am kommenden Dienstag über einen Eilantrag im Rahmen der Klage Nicaraguas gegen Deutschland wegen Beihilfe zum Völkermord im Gazastreifen entscheiden. Das teilte das höchste UN-Gericht in Den Haag mit. Das mittelamerikanische Land forderte als vorläufige Maßnahmen den sofortigen Stopp deutscher Rüstungslieferungen an Israel sowie die Wiederaufnahme von Zahlungen eingefrorener Beiträge für das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA im Gazastreifen.  Nicaragua beschuldigt Deutschland vor dem Gericht der Beihilfe zu einem Völkermord im Gazastreifen durch die Lieferung von Waffen an Israel. Deutschland hat die Klage als haltlos zurückgewiesen. Gleichzeitig hatte die Bundesregierung diese Woche bereits angekündigt, sie wolle ihre Zusammenarbeit mit UNRWA im Gazastreifen in Kürze fortsetzen.  Der Liveblog vom Freitag zum Nachlesen Die EU unterstützt die vom Krieg betroffenen Palästinenser mit weiteren finanziellen Hilfen. Für die getöteten Helfer von World Central Kitchen hat es eine bewegende Trauerfeier gegeben. Alle Entwicklungen vom Freitag zum Nachlesen.
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2024-04-27
Hamas veröffentlicht erneut Video von Geiseln
Entführte Israelis
Die Terrororganisation Hamas hat erneut Aufnahmen entführter Israelis veröffentlicht. Israels Außenminister Katz kündigt derweil an, die geplante Offensive in Rafah aufzuschieben, sollte es zu einer Geisel-Freilassung kommen.
Die Terrororganisation Hamas hat erneut Aufnahmen entführter Israelis veröffentlicht. Israels Außenminister Katz kündigt derweil an, die geplante Offensive in Rafah aufzuschieben, sollte es zu einer Geisel-Freilassung kommen. Die islamistische Terrororganisation Hamas hat erneut Videoaufnahmen von aus Israel verschleppten Geiseln veröffentlicht. In dem Video sprechen sich zwei entführte Männer für einen Deal zwischen der Hamas und der israelischen Regierung aus, um die Freilassung der Geiseln zu erreichen. Die Aufnahmen der beiden Männer, bei denen es sich nach Angaben des Forums der Geiselfamilien um Omri Miran und Keith Siegel handelt, sind nicht datiert. Ob die beiden Männer zu ihren Aussagen gezwungen wurden, ist unklar. Die Hamas hat bereits mehrfach Aufnahmen der aus Israel verschleppten Menschen gezeigt. Diese Art von Videos werden von Israel als Psychoterror gegen die Angehörigen eingestuft.  Geisel ruft zu Demonstrationen auf Miran, der israelischen Medien zufolge auch die US-Staatsbürgerschaft besitzt, sagte in dem Video, dass er sich seit 202 Tagen in Gefangenschaft befinde. Am Samstag waren seit der Entführung am 7. Oktober 204 Tage vergangen. Miran bringt seine Hoffnung zum Ausdruck, den israelischen Unabhängigkeitstag am 14. Mai wieder mit seiner Familie begehen zu können. Außerdem rief er dazu auf, die Demonstrationen für die Freilassung der aus Israel Verschleppten in den Städten Tel Aviv und Jerusalem fortzuführen. Siegel bedauerte in dem Video, in diesem Jahr nicht mit seiner Familie das Pessach-Fest feiern zu können. Katz will bei Geiselfreilassung Rafah-Offensive aufschieben "Das Lebenszeichen von Keith Siegel und Omri Miran ist der deutlichste Beweis dafür, dass die israelische Regierung alles tun muss, um noch vor dem Unabhängigkeitstag ein Abkommen über die Rückkehr aller Geiseln zu schließen", erklärte das Forum der Geiselfamilien.  Nach Angaben des israelischen Außenministers Israel Katz würde Israel im Falle einer Freilassung der Geiseln einen Angriff auf die Stadt Rafah aufschieben. "Die Freilassung der Geiseln hat die höchste Priorität für uns", sagt Katz dem Fernsehsender Channel 12. Auf die Frage, ob das auch einen Aufschub des angekündigten Militäreinsatzes in der Stadt im Süden des Gazastreifens umfasse, antwortet Katz: "Ja." Er fügt hinzu: "Wenn es ein Abkommen gibt, werden wir die Operation aussetzen." Führen WEF-Gespräche in Riad zu einer Lösung? Hoffnungen, dass es Fortschritte in den seit Wochen schleppenden Verhandlungen geben könnte, waren zuletzt durch eine Äußerung des Präsidenten des Weltwirtschaftsforums (WEF), Borge Brende, gestiegen. Hinsichtlich eines bevorstehenden Sondertreffens des WEF in Riad sagte Brende, es gebe "eine Art neuen Schwung in den Gesprächen über die Geiseln und (...) auch einen möglichen Weg aus der Sackgasse, in der wir uns im Gazastreifen befinden". Unter den rund 1.000 Teilnehmern, die sich am Sonntag und Montag in der saudi-arabischen Hauptstadt treffen, sind zwölf Staats- und Regierungschefs, außerdem zahlreiche Außenminister aus dem Nahen Osten und Europa. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock reist am Montag nach Riad, auch die Außenminister der USA, Frankreichs und Großbritannien nehmen an den Gesprächen teil.
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2024-04-27
"Kein Scheidungsantrag für die Koalition"
FDP-Bundesparteitag
Viel war in den vergangenen Tagen die Rede davon, ob die FDP noch in der Ampelkoalition verbleiben will. Die Töne dazu waren auf dem Bundesparteitag in Berlin ziemlich eindeutig. Von C. Emundts und V. Wolfskämpf.
Viel war in den vergangenen Tagen die Rede davon, ob die FDP noch in der Ampelkoalition verbleiben will. Die Töne dazu waren auf dem Bundesparteitag in Berlin ziemlich eindeutig. Von Corinna Emundts, Vera Wolfskämpf Die FDP wirkt wie beflügelt - von ihrem eigenen Papier für mehr Wirtschaftswachstum, das Parteistrategen rechtzeitig und durchaus geschickt vor dem Parteitag in der Öffentlichkeit platziert hatten. Aber das Papier, das als Weckruf an das Dreierbündnis unter Olaf Scholz dienen soll, wirkt auch nach innen: Einige FDP-Delegierte tragen die zwölf Punkte stolz auf bedruckten T-Shirts durch die Parteitagshalle. Es hat einen Nerv getroffen, das spürt man am Rande des FDP-Bundesparteitags in vielen Gesprächen.  Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger frohlockt schon in der Begrüßung voller Eigenlob: "Seit Jahren wurde nicht mehr so intensiv und ausführlich über Wirtschaftspolitik diskutiert wie in diesen Tagen." Wirtschaftspolitik sei endlich zurück in der öffentlichen Wahrnehmung - "dank unseres Weckrufs!"   Die Wirtschaft schwächelt in Deutschland. Die FDP hat damit ihr Leib- und Magenthema wieder - und das stärkt das Selbstbewusstsein. Bürokratie abbauen, Überstunden fördern, den Soli und die Rente mit 63 abschaffen - alles für die Wirtschaft. Wie ein roter Faden zieht sich der Begriff "Wirtschaftswende" von Parteichef und Finanzminister Christian Lindner durch den Parteitag, er wird zum Dreh- und Angelpunkt seiner Rede. Den Begriff hat er vor einiger Zeit schon ins Leben gerufen. "Weckrufe zu unserer Wettbewerbsfähigkeit" Natürlich hätte Lindner nichts dagegen, wenn die Wortwahl bald für die zweite Hälfte der Ampel-Legislatur so historisch prägend würde wie das Wort des Bundeskanzlers von der "Zeitenwende" nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Dabei sei diese Wirtschaftswende kein Selbstzweck, denn sie diene allem: den finanziell Schwachen, die mehr Arbeit fänden, der Demokratie, der Bündnis- und Landesverteidigung. Schließlich entstünden gerade durch Putins Angriffskrieg neue Ausgaben, eine Aufgabe für Jahrzehnte. Das gehe nicht auf Pump. Das soll eine Anspielung auf die von SPD und Grünen, aber auch CDU-regierten Ländern geforderte Reform der Schuldenbremse sein.  Lindner beginnt seine Rede mit einem Seitenhieb auf Scholz: "Manche sagen ja, die Wirtschaft würde Klagelieder anstimmen. Ich sage, wir dürfen die Weckrufe zu unserer Wettbewerbsfähigkeit nicht überhören, denn sonst verlieren wir Substanz." Der Delegiertenapplaus ist ihm mit solchen Sprüchen sicher.  Kein weiterer Spaltpilz Doch insgesamt bleibt Lindner mit seiner über einstündigen Rede in der Balance zwischen Kritik und Lob der eigenen Regierung: zwischen Punkten der Ampel-Gesetzesentwürfe, die die FDP kritisch sieht und Erwähnungen der Dinge, in denen die Ampel sehr viel besser sei als die Vorgängerregierung. Der Entwurf zur Kindergrundsicherung etwa müsse dringend überarbeitet werden, weil er den "Status der Absurdität erreicht" habe. Doch nennt Lindner dabei weder den grünen Koalitionspartner noch deren zuständige Ministerin Lisa Paus beim Namen. Stattdessen teilt er eher gegen CDU und CSU aus, gerade, wenn es um das bisherige Klimaschutzgesetz geht, das die Ampelkoalition nun "Gott sei Dank" überarbeitet und verbessert habe. Der FDP-Politiker will heute ganz offenkundig keinen weiteren Spaltpilz in die Koalition treiben, kein weiteres Signal der Ampel-Müdigkeit senden - das richtet sich auch an die parteiinternen Rebellen, jedoch eine Minderheit in der FDP, die am liebsten einen neuen Mitgliederentscheid zum Ausstieg aus der Ampel starten würden. Arbeit fördern statt Arbeitslosigkeit, Steuern senken statt Erneuerbare Energien subventionieren - Lindner erntet für jeden Punkt Applaus. Deutliche Kritik an der CDU Doch die FDP grenzt sich nicht nur von den Koalitionspartnern SPD und Grüne ab, ohne sie aber schlecht zu reden. Noch deutlicher ist die Kritik an der CDU, weil sie nicht verlässlich zur Schuldenbremse stehe - und weil EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Wirtschaft unnötig belaste. "Es hat einen Grund, warum die CDU ihre Europa-Spitzenkandidatin auf den Plakaten verbirgt. Denn der Bürokratiestress hat einen Vornamen: Ursula."   Der Europawahlkampf ist damit auch auf dem FDP-Parteitag eingeläutet. Spitzenkandidatin ist Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die sich als Verteidigungspolitikerin einen Namen gemacht hat. Sie wirbt für eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik und warnt vor den "Rechtsradikalen" der AfD und dem "linksradikalen Bündnis" von Sahra Wagenknecht: "Beide wollen ein Mandat, um Deutschland aus allen Bündnissen, aus der EU, aus der NATO herauszuführen. Es wäre nicht nur eine volkswirtschaftliche Katastrophe, es würde uns hundert Jahre zurückwerfen."  Trotz schlechter Umfragewerte hofft die FDP auf eine erfolgreiche Europawahl. Es wird ein wichtiger Stimmungstest, auch bundespolitisch. Ein Ergebnis unter fünf Prozent wäre für die Lindner-Partei ein schlechtes Omen - auch, wenn es bei der Europawahl keine Fünf-Prozent-Hürde gibt. Denn danach folgen im Herbst Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Haushaltsklippe nach der Europawahl Der brandenburgische Spitzenkandidat Zyon Braun will die FDP wieder in den Landtag bringen. Und appelliert an seine Partei: "In Brandenburg regiert Kenia: SPD, CDU und Grüne. Und wenn sie glauben, die Ampel ist schwierig, kann ich ihnen nur sagen, dann kommen sie mal zu uns!" Es gibt aber auch jene Stimmen in der FDP, die offen drohen, wie Florian Kuhl aus Bayern: "Wenn unsere zwölf Punkte nicht umgesetzt werden können, wenn wir den Kurs dieses Landes nicht in Richtung von Wachstum und Innovation verändern können, dann können wir darauf nur eine Antwort geben und zwar: Raus aus der Koalition!" Die meisten halten jedoch dagegen: Die FDP wolle einiges verändern, aber in der Regierung. Dafür spricht sie sich bei diesem Parteitag selbst Mut zu.  FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai bittet zum Ende des ersten Tages der Zusammenkunft eindringlich um Zustimmung zum Leitantrag: Dieser sei kein Scheidungsantrag für die Ampelkoalition, "sondern eine Liebeserklärung an unser Land!" Man sei nicht im luftleeren Raum, nicht Opposition, sondern Regierungspartei - wolle aber natürlich dies in der Koalition einbringen. Der pragmatische Kurs, das Beste aus diesem zuweilen sehr kontrovers auftretenden Dreierbündnis zu machen, hat derzeit deutlich Oberwasser gewonnen bei den Freien Demokraten - fürs Erste. Doch die echte Klippe für das Verbleiben in der Koalition, der Haushalt 2025 und die dazugehörigen konfliktreichen Beratungen, warten spätestens nach der Europawahl. Das wissen sie alle am Tagungsort "Station Berlin". Aber vorerst, so scheint es, wollen sie sich die selbstbewusste Laune davon nicht verderben lassen.
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2024-04-27
Der versteckte Spitzenkandidat
AfD-Wahlkampfauftakt
Die AfD hat den Europawahlkampf eingeläutet - ohne Maximilian Krah. Während einer seiner Mitarbeiter wegen Spionageverdachts in U-Haft sitzt, stellt sich die Frage: Wie nah steht der Spitzenkandidat China? Von Gabor Halasz.
Die AfD hat den Europawahlkampf eingeläutet - ohne Maximilian Krah. Während einer seiner Mitarbeiter wegen Spionageverdachts in U-Haft sitzt, stellt sich die Frage: Wie nah steht der Spitzenkandidat China? Von Gabor Halasz "Was glauben sie, was für einen Hals ich habe", ruft AfD-Chefin Alice Weidel von der Bühne. Immer wieder bricht ihre Stimme, sie ist erkältet, aber sie schont sich nicht. Niemand im Land würde mehr die Verantwortung übernehmen, so lautet ihre Analyse. Sie meint damit nicht den AfD-Spitzenkandidaten. Maximilian Krah erwähnt sie mit keinem Wort. Weidel spricht von "Karlchen Chaos", dann äfft sie den Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nach und verzieht das Gesicht. Sie witzelt über die Versprecher von Annalena Baerbock. Als sie den Namen der FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann erwähnt, johlt der Saal. Die solle sich doch selbst auf einen "Taurus"-Marschflugkörper setzen und dahingeschossen werden. Weidel ist der Meinung, "diese Leute" würden in einem mittelständischen Unternehmen "nicht einmal mit der Kneifzange angefasst" oder "achtkantig vom Hof gejagt". Beim Wahlkampfauftakt versteckt Man wüsste gern, was Weidel über Krah denkt, den die AfD zwar nicht vom Hof gejagt hat, aber beim Wahlkampfauftakt versteckt. Sein Mitarbeiter im europäischen Parlament wurde in dieser Woche festgenommen. Jian G. sitzt jetzt in Untersuchungshaft. Noch vor Kurzem saß er Tür an Tür mit Krah im Europaparlament. Die Parteispitze hat Krah in dieser Woche kühl nach Berlin zitiert. Gerade einmal 30 Minuten dauerte das Gespräch mit den Parteivorsitzenden. Dann wurde Krah allein vor die Kameras geschickt. Fast so, als wollte niemand mit ihm auf ein Foto. Krah erklärte trotzig: "Ich bin und bleibe Spitzenkandidat. Es geht jetzt darum, dass wir wegkommen von dieser unangenehmen Angelegenheit." Eine unangenehme Angelegenheit, sagen die Einen. "Ziemlich desaströs", sagt Politikwissenschaftler Thomas Biebricher von der Goethe-Universität Frankfurt am Main im Gespräch mit dem ARD Bericht aus Berlin. Desaströs "für die Partei, die für sich in Anspruch nimmt, Deutschland über alles zu stellen. Und eben auch gleichzeitig behauptet, dass das ganze politische System korrupt ist." "Risiko verwirklicht, vor dem wir immer gewarnt hatten" Maximilian Krah und China - dass der AfD-Politiker wenig Berührungsängste mit der Volksrepublik hat, ist lange bekannt. 2019 reist Krah nach China. Er habe dort ja viele Freunde, witzelt Krah im YouTube-Interview von "Jung & Naiv". Unrechtsbewusstsein hat er nicht - auch nicht, wenn er sich Teile der Reise bezahlen lässt. "Ne Bahnfahrkarte und dreimal Business Hotel. So what? Was sind das? 400 Euro, 500 Euro?" Zurück in Deutschland setzt sich Krah für Huawei ein. Der Konzern will auf den deutschen Mobilfunkmarkt, aber das ist umstritten. Krah schreibt an die AfD-Bundestagsfraktion. Er erlaube sich, seine Argumente vorzustellen. Und immer, wenn es um China geht, klingen seine Argumente so, als könnten sie der Führung in Peking gut gefallen. Er hält "Gruselgeschichten" über die Uiguren aus Xinjiang für fragwürdig. Und zum Konflikt um Taiwan hat er auch eine ganz eigene Meinung. In einem Podcast eines AfD-Parteifreundes im Februar 2022 sagt Krah: "Taiwan ist eine hochkomplexe Angelegenheit. Aber völkerrechtlich ist halt Taiwan kein Staat. Taiwan ist ein De-facto-Regime." Dass Krah so redet überrascht wenige, auch nicht Nicolaus Fest. Fest sitzt auch im Parlament, er hat sich mit Krah überworfen und die AfD will ihn aus der Partei werfen. Über Jian G. sagt Fest im Gespräch mit dem Bericht aus Berlin, den habe er eigentlich nie gesehen. Aber er habe immer gewarnt - schon vor einem Jahr. Fest sagt: "Auch das Abstimmungsverhalten von Herrn Krah war ja immer sehr China-nah. Um nicht zu sagen allzu China-freundlich. Und jetzt hat sich genau das Risiko verwirklicht, vor dem wir immer gewarnt hatten." Auch Bystron taucht nicht auf in Donaueschingen Landesverräter in der AfD. Der Verdacht steht im Raum. Und es geht nicht nur um China. Auch nach Moskau scheinen die Kontakte eng. Der Spiegel schreibt von einem Manifest - eine Strategie für die AfD. Entworfen im Kreml. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob sie gegen Krah ermittelt. Ebenso gegen Petr Bystron, der steht auf Platz zwei der Europawahlliste. Bystron soll Bargeld aus dem russischen Umfeld erhalten haben und sich sogar beschwert haben über die Stückelung der Scheine. Bystron bestreitet das. Die Partei hält zu ihm - versteckt ihn aber, wie Krah, beim Wahlkampfauftakt. Ein "schweres Handicap für den Wahlkampf, wenn man den Spitzenkandidaten ein Stück weit unter Verschluss halten muss", sagt Politikwissenschaftler Biebricher. So etwas habe es seiner Ansicht nach noch nie gegeben. "Das spricht dafür, dass die Parteiführung versucht, ein Stück Distanz zwischen sich und Herrn Krah zu bringen." Immerhin Co-Parteichef Tino Chrupalla erwähnt "den lieben Max". Er bedankt sich und verspricht, dass niemand in der AfD käuflich sei. Krah habe gewollt, dass über das Programm geredet werde. Doch das, was die AfD im EU-Parlament will, ist kaum Thema beim 90-minütigen Wahlkampfauftakt. Es geht vor allem um die Fehler der anderen. Mehr zum Thema sehen Sie am Sonntag im Bericht aus Berlin - um 18.00 Uhr im Ersten.
/inland/innenpolitik/afd-wahlkampfauftakt-102.html
2024-04-27
"Es soll nicht um Krah, Krah, Krah gehen"
AfD-Wahlkampfauftakt zur Europawahl
Der Wahlkampfauftakt der AfD zur Europawahl wird von den Berichten über die beiden Spitzenkandidaten überschattet. Sowohl Krah als auch Bystron bleiben der Veranstaltung fern. Parteichef Chrupalla spricht von einem "Politthriller".
Der Wahlkampfauftakt der AfD zur Europawahl wird von den Berichten über die beiden Spitzenkandidaten Krah und Bystron überschattet. Beide bleiben der Veranstaltung fern. Parteichef Chrupalla spricht von einem "Politthriller". Die AfD hat im baden-württembergischen Donaueschingen ihren Wahlkampf zur Europawahl gestartet. Nach Berichten über mögliche Russland- und China-Verstrickungen führender AfD-Politiker rief Parteichef Tino Chrupalla seine Partei zur Geschlossenheit auf. "Wir werden mit dem Wahlkampf zeigen, dass man uns nicht so schnell unterkriegen kann und dass wir geschlossen zusammenstehen", sagte Chrupalla in seiner Rede. Mögliche Verbindungen zu China und Russland Der Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl, Maximilian Krah, und die Nummer zwei der Wahlliste, Petr Bystron, sind wegen möglicher Verbindungen zu prorussischen Netzwerken seit Wochen in den Schlagzeilen. Staatsanwaltschaften prüfen nach Medienberichten über mögliche Geldzahlungen bei beiden Politikern, ob Ermittlungen aufgenommen werden. Bei Krah wird zudem geprüft, ob es Ermittlungen wegen möglicher chinesischer Zahlungen geben soll. Gegen einen seiner Mitarbeiter war am Mittwoch wegen des Verdachts auf Spionage Haftbefehl erlassen worden. Weder Krah noch Byston erscheinen zum Wahlkampfauftakt Sowohl Krah als auch Bystron, die beide nicht am Wahlkampfauftakt teilnahmen, haben gegenüber der AfD-Spitze versichert, kein Geld genommen zu haben. "Wir werden darauf achten, dass Meinungen und Positionen in der AfD niemals käuflich sein werden", sagte Chrupalla. Wer nachweislich käuflich sei, müsse auch gehen. Der Parteichef fügte aber auch hinzu: "Es muss auch bewiesen und nachgewiesen werden." Am Ende werde die AfD aber gestärkt aus diesem "Politthriller" hervorgehen, sagte Chrupalla und bedankte sich bei dem Spitzenkandidaten. Dieser habe mit seiner Entscheidung, nicht am Wahlkampfauftakt teilzunehmen, das Signal gesendet: "Es soll heute nicht um Krah, Krah, Krah gehen, sondern um die AfD."
/inland/innenpolitik/afd-wahlkampfauftakt-europawahl-100.html
2024-04-27
Lindner schwört FDP auf "Wirtschaftswende" ein
Bundesparteitag der Liberalen
Für FDP-Chef Lindner ist die Zielsetzung klar: Deutschland braucht eine Umkehr in der Wirtschaftspolitik. Beim Bundesparteitag in Berlin schwört er die Liberalen daher auf die Wende ein, die er als Heilmittel für viele Probleme darstellt.
Für FDP-Chef Lindner ist die Zielsetzung klar: Deutschland braucht eine Umkehr in der Wirtschaftspolitik. Beim Bundesparteitag in Berlin schwört er die Liberalen daher auf die Wende ein, die er als Heilmittel für viele Probleme darstellt. Unter wachsendem bundespolitischen Druck hält die FDP in Berlin ihren Parteitag ab. In den Eröffnungsreden der Parteispitze wurde deutlich: Es geht den Liberalen - wie bereits in den vergangenen Wochen - vor allem um die Schärfung ihres wirtschaftspolitischen Profils. So forderte Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner eine Wende in der deutschen Wirtschaftspolitik. Dies sei neben der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands auch für die soziale Gerechtigkeit sowie für den Kampf gegen demokratiefeindliche Bestrebungen im Land essentiell. Lindner kritisierte unter anderem die aufwendigen deutschen Genehmigungsverfahren für Start-Ups, die viele Unternehmer daran hinderten, in Deutschland zu investieren. "Wir haben die Köpfe, wir haben das Know-How, wir haben das Kapital, aber unser Land steht sich zu oft selbst im Weg", so der FDP-Vorsitzende. "Gebot sozialer Gerechtigkeitspolitik" Die Wachstumsperspektive brauche es auch, um die vielen Menschen zu erreichen, die mit ihrer Lebenssituation unzufrieden seien und etwas verbessern wollten. "Die stagnierende Gesellschaft führt zu einem hart ausgefochtenen Ellbogen-Wettbewerb", führte Lindner aus. Daher sei wirtschafts- und wachstumsfreundliche Politik "ein Gebot sozialer Gerechtigkeit". Zugleich wandte sich Lindner erneut gegen das Konzept der Kindergrundsicherung seiner Kabinettskollegin - Familienministerin Lisa Paus. Ihre Pläne "hätten den Status der Absurdität erreicht". "Wäre es nicht besser, diese Milliarden einzusetzen in mehr qualitätsvolle Kinderbetreuung, damit niemand mehr gegen seinen Willen in Teilzeit verbleiben muss?", fragte der Finanzminister in den Saal.  Er verlangte auch die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Die Erfolgswahrscheinlichkeit der Klagen dagegen sei "nicht von der Hand zu weisen". "Bevor wir uns von Karlsruhe aus Rechtsgründen dazu zwingen lassen, sofort und ohne Plan auf den Soli verzichten zu müssen, sollten wir lieber die klare politische Entscheidung treffen, planvoll Schritt für Schritt auf ihn zu verzichten", schlug Lindner vor. Der Soli sei inzwischen für Mittelstand, Handwerk und Industrie eine Sondersteuer auf wirtschaftlichen Erfolg geworden, die sich Deutschland nicht mehr leisten könne. Wettbewerb soll Markt regulieren Wirtschaftliche Unsicherheit sei ein Nährboden für das Aufsteigen demokratiefeindlicher Bestrebungen. Mit Blick auf die AfD sagte Lindner: "Die Wirtschaftswende ist das beste Demokratiefördergesetz, das man haben kann." Der Weg zu dieser Wende führt für Lindner aber nicht über neue Schulden und neue Subventionen. Erneute wandte sich der Finanzminister daher gegen die Abkehr von der Schuldenbremse. "Die Schuldenbremse ist eine Inflationsbremse und deswegen sollten wir sie ohne Not nicht aufgeben." Die zukünftige Wirtschaftsstruktur sollte nicht von Politikern und Beamten bestimmt werden, sondern vom marktwirtschaftlichen Wettbewerb, unterstrich der Minister. Lindner sagt Ukraine volle deutsche Unterstützung zu Wachstum sei auch "kein Selbstzweck", sondern habe "einen tieferen Sinn", betonte Linder zugleich mit Blick auf Kriege und geopolitische Krisen auf der Welt. Russlands Präsident Wladimir Putin habe zwar die Ukraine angegriffen, "er meint aber uns alle und unsere Lebensweise". Der FDP-Chef sagte Kiew weiter die volle Unterstützung Deutschlands zu. Diese und auch die Finanzierung der deutschen Wehrausgaben könne langfristig aber "nicht auf Pump erfolgen", sagte Lindner. "Dafür brauchen wir unsere Wirtschaftsleistung." Strack-Zimmermann kritisiert von der Leyen Auch die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, bezog sich in ihrer Rede auf den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Aktuell frage die ukrainische Führung die Verbündeten zurecht, warum Israel gegen einen Luftangriff des Iran geschützt werden könne, das von Russlands Präsident Wladimir Putin aber täglich angegriffene Land nicht. Strack-Zimmermann kritisierte: "Es ist ein Fehler, es immer wieder öffentlich zu betonen, was wir nicht bereit sind zu tun, weil wir für Putin komplett berechenbar geworden sind." Bundeskanzler Olaf Scholz etwa lehnt die Lieferung von deutschen Taurus-Marschflugkörpern nach wie vor kategorisch ab. Strack-Zimmermann kritisierte zudem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Sie warf ihr unter anderem vor, sich im Amt nicht ausreichend für die militärische Zusammenarbeit und Stärkung in der EU eingesetzt zu haben. "Als ehemalige Verteidigungsministerin hat Frau von der Leyen sich nicht um die Sicherheit Europas gekümmert, obwohl die Signale aus den Vereinigten Staaten eindeutig waren, dass die Europäische Union auch innerhalb der NATO mehr liefern, mehr tun muss."
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2024-04-27
Zu wenig, zu langsam
Hilfslieferungen für Gaza
Die Lage der Zivilisten im Gazastreifen ist katastrophal - viele haben nach wie vor nicht genug zu essen. Daran ändern auch ein neuer Grenzübergang und die Luftbrücke nichts. Menschen essen teilweise Gras, um zu überleben. Von Anna Osius.
Die Lage der Zivilisten im Gazastreifen ist katastrophal - viele haben nach wie vor nicht genug zu essen. Daran ändern auch ein neuer Grenzübergang und die Luftbrücke nichts. Menschen essen teilweise Gras, um zu überleben. Von Anna Osius Monatelang das gleiche Bild: lange Lkw-Schlangen am Grenzübergang Rafah auf der ägyptischen Seite. Sie alle sind beladen mit Hilfsgütern für den Gazastreifen - doch bis diese Lastwagen tatsächlich ihr Ziel erreichen, vergehen Tage, manchmal Wochen. Denn die Hilfslieferungen werden zuvor ausgiebig von Israel kontrolliert, um zu verhindern, dass beispielsweise Waffen an die Hamas geschmuggelt werden.  "Am Grenzübergang Rafah herrscht rund um die Uhr Verkehr", berichtet Ramadan al-Matany, Reporter von Cairo News. "Den Grenzübergang Kerem Shalom haben 130 Lastwagen mit Lebensmitteln und medizinischen Hilfsgütern passiert." Nur halb so viele Lkw wie nötig Sinai, Rafah, Kerem Shalom - das Verfahren auf dem ägyptischen Landweg ist seit Monaten kompliziert: Die Hilfe kommt in Ägypten am Hafen Port Said oder am Flughafen Al-Arisch auf der Sinai-Halbinsel an. Dort werden die Hilfsgüter auf Lastwagen verladen und fahren zum Grenzübergang Rafah. Wenn sie dort an der Reihe sind, werden sie zum israelischen Grenzübergang Kerem Shalom gebracht, dort von den Israelis gecheckt - und dürfen danach erst in den Gazastreifen. Zu wenig Hilfe komme durch dieses Verfahren zu langsam dort an, sagt der zuständige UN-Koordinator. "Wir haben 2,2 Millionen Menschen, die von etwa 250 Lastwagen am Tag abhängig sind", so Jamie McGoldrick vor kurzem bei Deutsche Welle TV. "Es müssten 500 Lkw am Tag sein. Also eine massive Versorgungslücke - und das seit mehr als einem halben Jahr."  Wenn verdächtige Güter entdeckt werden, kann es Berichten zufolge passieren, dass der Transport ganz zurückgewiesen wird. Internationale Hilfsorganisationen berichten von Zeltstangen, die angeblich abgelehnt wurden, weil sie aus Metall waren. Narkosemittel, Sauerstoffflaschen, Wasserfiltersysteme, selbst Schlafsäcke mit Reißverschlüssen oder Hygienesets mit Nagelclipsern sollen abgelehnt worden sein.  Menschen essen Gras, um nicht zu verhungern Die Folge des Versorgungsnotstands in Gaza sind verheerend: Beobachter sprechen von einer beginnenden Hungersnot, die Menschen essen teilweise Gras, um zu überleben. Auch die von Israel angekündigte Öffnung weiterer Grenzübergänge hat das Verfahren offenbar nicht deutlich beschleunigt. Auch Jordanien versucht, über den Landweg Hilfe nach Gaza zu schicken - doch auch das dauert. "An diesem Tag haben sich 115 Lkw mit verschiedenen Lebensmitteln auf den Weg gemacht", erklärte Hussein Shibli von der jordanischen Kommission für Wohltätigkeit. "Die Luftbrücke wird ebenfalls fortgesetzt, von uns und von befreundeten Ländern - allein heute gab es rund 300 Abwürfe." Luftbrücke - ineffektiv und teuer Was nach viel klingt, sei angesichts der Not von mehr als zwei Millionen Menschen in Gaza ein Tropfen auf den heißen Stein, sagen Kritiker. Die Luftbrücke wurde von Jordanien ins Leben gerufen, als klar war, dass der Landweg zu lange dauert. Medienwirksam segeln Hilfspakete an Fallschirmen zu Boden. Das Problem: Hohe Kosten und Gefahren. Menschen wurden bereits von Paletten erschlagen oder ertranken bei dem Versuch, ins Meer gefallene Hilfsgüter zu bergen. Humanitäre Helfer wie McGoldrick kritisieren die sogenannten Airdrops als ineffektiv. "Alles, was reinkommt, hilft - aber diese Airdrops sind sehr teuer, sie kosten pro Tonne rund 300 mal mehr als Transporte auf dem Landweg. Und man kann nicht steuern, wo die Hilfe landet. Das heißt, sie erreicht nicht die, die sie am dringendsten brauchen, sondern die, die am schnellsten und am stärksten sind, um die Pakete zu ergattern und zu tragen." Auch Bundeswehr wirft Hilfsmittel ab Immer noch besser als nichts tun, sagen Befürworter - andere Länder sind eingestiegen, auch die deutsche Bundeswehr beteiligt sich seit Mitte März an den Abwürfen. Auf Anfrage des ARD-Studios Kairo erklärte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums, aktuell plane die Bundeswehr drei Flüge pro Woche, pro Flug könnten mehrere Paletten mit insgesamt etwa elf Tonnen Hilfsgütern abgesetzt werden. Mittlerweile habe die Bundeswehr knapp 30 Flüge durchgeführt. Doch auch das reicht nicht, um die hungernden, eingeschlossenen Menschen dauerhaft zu versorgen. Die USA haben daher mit dem Bau eines temporären Hafens begonnen. Die EU-Kommission hat zuletzt beschlossen, die Hilfe für Gaza um weitere 68 Millionen Euro aufzustocken. Die Frage ist, wie, auf welchem Weg und vor allem wie schnell die Hilfsgüter, die von diesem Geld gekauft werden könnten, die notleidenden Zivilisten in Gaza tatsächlich erreichen werden.
/ausland/asien/gazastreifen-hilfslieferungen-zivilisten-100.html
2024-04-27
Tausende demonstrieren für Sánchez' Verbleib im Amt
Demo für Spaniens Regierungschef
Am Mittwoch hatte Spaniens Ministerpräsident Sánchez völlig überraschend angekündigt, seinen Rücktritt zu erwägen. Heute versammelten sich Tausende Anhänger vor der Parteizentrale und demonstrierten für den Verbleib des Politikers.
Am Mittwoch hatte Spaniens Ministerpräsident Sánchez völlig überraschend angekündigt, seinen Rücktritt zu erwägen. Heute versammelten sich Tausende Anhänger vor der Parteizentrale und demonstrierten für den Verbleib des Politikers. Bei der Kundgebung vor der Parteizentrale der sozialistischen PSOE in Madrid riefen die Menschen "Pedro, ergib dich nicht", "Klar, lohnt es sich" oder "Bleib", wie im staatlichen TV-Sender RTVE zu sehen war. Mehr als 10.000 Menschen versammelten sich und schwenkten rote Parteifahnen und Transparente. Mit der Demo wollen sie ihre Unterstützung für den linken Regierungschef Pedro Sánchez demonstrieren und ihn davon überzeugen, im Amt zu bleiben. Sánchez hatte vergangenen Mittwoch völlig überraschend verkündet, er erwäge einen Rücktritt. Als Grund nannte er eine Korruptionsanzeige gegen seine Frau Begoña Gómez. Er sagte alle öffentlichen Termine ab und kündigte eine Entscheidung für Montag an. Bis dahin wolle er darüber nachdenken, ob es sich alles noch lohne, "trotz des Sumpfes, in dem die Rechten und Rechtsextremen versuchen, Politik zu machen. Ob ich weiter an der Spitze der Regierung stehen oder von dieser hohen Ehre zurücktreten soll". Parteimitglieder fordern Verbleib von Sánchez Führende Parteimitglieder riefen Sánchez dazu auf, nicht zurückzutreten. "Demokratien werden rückschrittlich, wenn Wahlergebnissen die Rechtmäßigkeit abgesprochen wird", warnte Sánchez-Vize María Jesús Montero. Genau das versuche die Rechte und die extreme Rechte mit einer "Strategie der Schlammschlacht" zu erreichen, warnte sie. "Pedro, bleib", forderte Montero.  Die Anzeige gegen die Frau des Regierungschefs war von der als weit rechtsgerichtet eingestuften Organisation "Manos Limpias" (Saubere Hände) erstattet worden. Sie ist in den vergangenen Jahren mit zahlreichen Anzeigen im Bereich der öffentlichen Verwaltung aufgefallen. Die Organisation wirft Gómez, die kein öffentliches Amt hat, Einflussnahme und Korruption in der Wirtschaft vor. "Manos Limpias" räumte später ein, die Anzeige basiere auf Medienberichten, die durchaus falsch sein könnten.
/ausland/europa/demonstrationen-regierungschef-sanchez-100.html